Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz, liebe
Kolleginnen und Kollegen!
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Vierzehnter Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung ({0}).
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Herr Dirk Niebel. Bitte, Herr
Minister.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Kabinett hat heute das entwicklungspolitische
Weißbuch und damit gleichzeitig den Vierzehnten Bericht der Bundesregierung zur Entwicklungspolitik beschlossen. Wir haben trotz eines zu Beginn der Legislaturperiode vorgefundenen enormen Reformstaus in
diesem Politikfeld festgestellt, dass es sich um vier gute
Jahre auch für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit gehandelt hat. Wir haben festgestellt, dass die Aufgaben des Koalitionsvertrages in weiten Teilen umgesetzt worden sind. Der entwicklungspolitische Bericht,
das Weißbuch, blickt auch in die Zukunft, auf die Herausforderungen, die noch vor uns liegen.
In dieser Legislaturperiode ist in zweierlei Form Wegweisendes geschehen, zum einen durch institutionelle
Reformen und zum anderen durch politische Reformen.
Die institutionellen Reformen sind natürlich geprägt
von der größten Strukturreform in der 51-jährigen Geschichte des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, von der Zusammenführung verschiedener staatlicher Durchführungsorganisationen zur Deutschen Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit. Darüber hinaus gab es aber auch kleinere Strukturreformen, die in der öffentlichen Wahrnehmung nicht ganz so breit bekannt geworden sind, zum
Beispiel die Zusammenführung von vier Organisationseinheiten zur Engagement Global gGmbH, die sich mit
dem zivilgesellschaftlichen und dem kommunalen Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt.
Darüber hinaus gab es die Einführung von DEval,
dem ersten unabhängigen deutschen Evaluierungsinstitut
für die Entwicklungszusammenarbeit. Es ist mir nicht
bekannt, dass sich irgendein anderes Bundesressort oder
im internationalen Bereich eine andere Regierung so unabhängig von außen in ihrer Tätigkeit überprüfen lässt.
Das dient der Steigerung der Transparenz, erhöht die
Akzeptanz in Deutschland für das, was wir entwicklungspolitisch tun, und stabilisiert damit auch die Legitimität dessen, was diese und folgende Bundesregierungen in der Entwicklungspolitik umsetzen.
Neben diesen wichtigen strukturellen Veränderungen
gab es natürlich auch wichtige politische Veränderungen. So haben wir zum Beispiel die Zusammenarbeit mit
der Zivilgesellschaft, mit den politischen Stiftungen, mit
den beiden großen christlichen Kirchen, aber auch mit
der Wirtschaft deutlich gesteigert und durch zusätzliche
Instrumente und zusätzliche finanzielle Mittel effizienter
und wirksamer gestaltet. Im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements kann ich darauf hinweisen,
dass nicht nur den beiden großen kirchlichen Zentralstellen aus dem Haushalt des BMZ mittlerweile jeweils
218 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt werden, um ihre guten entwicklungspolitischen Projekte
durchzuführen, sondern auch die Mittel für private Träger konnten wir in dieser Legislaturperiode von 557 Millionen auf 662 Millionen Euro erhöhen.
Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, die ja in einem Ministerium, das den Begriff „wirtschaftliche Zusammenarbeit“ im Namen führt, systemimmanent sein
sollte, hat vielfach zu innenpolitischen Diskussionen in
Deutschland geführt, vor allem hat sie aber zu besseren
Ergebnissen geführt. Dadurch, dass wir das Know-how,
die Expertise und auch das Geld privater Unternehmen
für unsere guten politischen Ziele in der Entwicklungszusammenarbeit einsetzen können, haben wir Triplewin-Situationen geschaffen.
({0})
Zum einen profitieren die Menschen in unseren Partnerländern, weil durch neue Arbeitsplätze die Chance auf
Einkünfte und damit auf einen Ausweg aus der Armut
ermöglicht wird.
Zum anderen profitieren unsere Partnerländer direkt,
allein schon deswegen, weil durch Steuereinnahmen Basisdienstleistungen wie Bildung, Gesundheit und Infrastruktur finanziert werden können. Aber auch Deutschland profitiert, und zwar nicht nur durch die Eröffnung
neuer Märkte, wie uns oftmals vom politischen Gegner
vorgeworfen wird, sondern vor allem auch dadurch, dass
für unsere entwicklungspolitischen Ziele das Geld der
Wirtschaft eingesetzt wird und nicht das der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass wir auch im internationalen Kontext Erfolge erzielen konnten, zum
Beispiel im Bereich der Europäischen Union. So haben
wir im Rahmen der Erstellung des sogenannten Grünbuchs Budgethilfe maßgeblich darauf hingewirkt, dass
die allgemeine Budgethilfe, die zu 25 Prozent aus deutschem Steuergeld finanziert wird, von Europa nicht kritik- und kriterienlos vergeben wird. Früher konnte es
passieren, dass Länder, die von uns keinen Cent für ihr
Budget bekommen hätten, weil sie regelmäßig Oppositionspolitiker oder Journalisten ins Gefängnis steckten,
gleichzeitig von der Europäischen Union durch allgemeine Budgethilfe, finanziert durch unsere Steuergelder,
unterstützt wurden. Das ist jetzt ausgeschlossen, weil die
Europäische Union Menschenrechtsstandards und Kriterien der guten Regierungsführung als Grundlage für die
Erteilung von Budgethilfe vorsieht.
Rückschauend können wir insgesamt feststellen, dass
die Wirksamkeit, die Schlagkraft und die Sichtbarkeit
dieses Politikfelds enorm gestiegen sind. Das ist etwas,
was auch auf die Zukunft wirkt. Ich bin froh, dass Altbundespräsident Professor Dr. Horst Köhler im Gremium des UN-Generalsekretärs mit Unterstützung des
BMZ für die Bundesrepublik Deutschland an der Fortentwicklung der Millenniumsentwicklungsziele, die
2015 erreicht sein sollen, arbeitet. Wir sind natürlich
auch gewillt, in diesem Rahmen dazu beizutragen, dass
ein möglichst einheitlicher internationaler Zielkorridor
beschrieben wird, einerseits, was die Millenniumsentwicklungsziele angeht, andererseits aber auch, was die
sogenannten Sustainable Development Goals, also die
nachhaltigen Entwicklungsziele des UN-Nachhaltigkeitsgipfels in Rio, anbetrifft. Beides ist in der Zukunft
nicht mehr voneinander zu trennen. Klimafragen bzw.
die Entwicklung des Weltklimas und Entwicklungspolitik insgesamt hängen eng miteinander zusammen. Deswegen muss es unser Ziel sein, darauf hinzuwirken, dass
es nicht zwei womöglich miteinander kollidierende Zielkorridore gibt. In diesem Bereich ist das Engagement
von Altbundespräsident Köhler sehr wirkungsvoll.
Wir müssen allerdings im Bereich der multilateralen
Organisationen noch besser werden. Haben wir hier in
Deutschland, was die Strukturreform der Institutionen
angeht, unsere Hausaufgaben gemacht, so steht dies oftmals bei internationalen Organisationen noch aus.
Deutschland unterstützt, maßgeblich durch das BMZ
und das Gesundheitsministerium, den internen Reformprozess der Weltgesundheitsorganisation. Wir haben
auch maßgeblich zu einer Reform des Globalen Fonds
zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria
beigetragen. Dieser ist jetzt so wirksam aufgestellt, dass
Mittelfehlverwendungen für die Zukunft weitgehend
ausgeschlossen werden können, und die Effizienz dieses
Fonds kann dadurch, dass Partner vor Ort wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit,
die hier viel Erfahrung hat, in die Umsetzung der Programme eingebunden werden, deutlich erhöht werden.
Es ist allerdings noch darauf hinzuwirken, die Vielfalt
der unterschiedlichen multilateralen Organisationen, gerade im UN-Kontext, zu minimieren. Hier gibt es zu
viele Fonds und Organisationen, die überschneidende
Aufgaben haben, zu viele Doppelstrukturen, die noch
nicht durch den Reformwillen der Vereinten Nationen in
tatsächliche Reformprozesse überführt worden sind.
Hier wird es in Zukunft Aufgabe sein - auch die der Mitgliedstaaten -, darauf hinzuwirken, dass sich dieser Reformwille auch in tatsächlichen Reformprozessen widerspiegelt.
Die Vereinten Nationen haben sich vorgenommen,
nach dem Prinzip „Delivering as One“ vorzugehen. Das
heißt, dass alle Organisationen, mit denen sie in einem
Land auftreten, als eine Organisation wahrgenommen
werden, um die Doppelstrukturen und Mehrfachtätigkeiten abzubauen, die ja auch mit unseren Steuergeldern finanziert werden. An dieser Stelle wollen wir sie tatkräftig unterstützen, damit dieses Projekt möglichst schnell
umgesetzt wird.
Danke, Herr Minister. - Ich bitte zunächst, Fragen zu
dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde.
Das Wort hat der Kollege Sascha Raabe.
({0})
Herr Minister, der Bericht, der uns erst seit wenigen
Minuten vorliegt, enthält bereits an einer ganz entscheidenden Stelle, nämlich an der der Finanzen, eine dermaßen große Lüge und Täuschung, dass es wirklich beschämend und eine Brüskierung der Öffentlichkeit und des
Parlaments ist, was Sie hier vorlegen.
({0})
Das wird daran deutlich, dass Sie hier einmal schreiben: „Die Bundesregierung strebt weiterhin an, einen
Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit
am“ Bruttonationaleinkommen „in Höhe von 0,7 Prozent bis 2015 zu erreichen“, während Sie gleichzeitig
dem Parlament einen Haushaltsplan vorlegen, der für
dieses Jahr Kürzungen im Entwicklungsbereich vorsieht
und der - das steht im Haushaltsplan der Bundesregierung - für die Jahre 2014 und 2015 weitere Kürzungen
vorsieht.
Dabei wissen wir, dass wir angesichts der beschämend niedrigen ODA-Quote von jetzt 0,38 Prozent eine
Verdoppelung der entsprechenden Mittel bräuchten, also
10 Milliarden Euro mehr. Sie jedoch schlagen für die
nächsten zwei Jahre Kürzungen vor. Ich frage mich also,
wie Sie dazu kommen, so etwas in den Bericht zu schreiben. Das Einzige, was Sie gesteigert haben, ist - dazu
haben Sie die die Strukturreformen im Ministerium
missbraucht - die Versorgung Ihrer Parteifreunde mit
Posten. Das ist wirklich beschämend, Herr Minister.
({1})
Herr Abgeordneter, ich kann zwar Ihre Frage nicht erkennen, werde auf Ihre Stellungnahme aber trotzdem
eingehen.
Zunächst haben Sie die Unwahrheit gesagt, was das
Versenden des Berichts anbetrifft. Er ist um 11.30 Uhr,
nach Beschluss des Kabinetts, dem Parlament zugegangen. Wenn Sie Ihren E-Mail-Account nicht checken,
dann können wir das leider auch nicht regeln.
({0})
Darüber hinaus ist Ihre Diktion, die Bundesregierung
der „Lüge“ zu bezichtigen, nach meinem Dafürhalten
unparlamentarisch.
({1})
Ich bin sicher, die Präsidentin wird das entsprechend zur
Kenntnis nehmen.
Unabhängig davon haben Sie auch hier die Unwahrheit gesagt. Denn diese Bundesregierung hat es geschafft,
sich dem Ziel, das festgelegt wurde, als ich sieben Jahre
alt war, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für
öffentliche Entwicklungsleistungen bereitzustellen, deutlich anzunähern. Als ich das Amt übernommen habe, betrug die Quote 0,35 Prozent; jetzt sind wir bei 0,38 Prozent. Als ich das Amt übernommen habe, betrug die
staatliche Gesamtleistung für öffentliche Entwicklungszahlungen 8,7 Milliarden Euro; heute sind wir bei
10,2 Milliarden Euro und damit im bilateralen Bereich
der drittgrößte Zahler weltweit. Während der Bundeshaushalt in dieser Legislaturperiode um 5,5 Prozent gesunken ist, sind die ODA-Leistungen um 17 Prozent angestiegen. Das heißt, das Ziel ist klar im Blick. Dass wir
es noch nicht erreicht haben, wissen wir selbst. Dass es
eine sportliche Herausforderung ist, dieses Ziel bis 2015
zu erreichen, habe ich zu jedem Zeitpunkt gesagt.
Unabhängig davon möchte ich gerne - wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin - auf den letzten Teil Ihrer Äußerungen noch eingehen, weil ich es leid bin, dass Sie
ständig die Lebensläufe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich hier nicht wehren können, diskreditieren
und sie beschimpfen.
({2})
Sie wissen ganz genau, dass die Bundesregierung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Eignung, Befähigung
und Leistung einsetzt. Und Sie wissen ganz genau, dass
Sie sich nur deshalb trauen, hier diese Unverschämtheiten von sich zu geben, weil Sie der Indemnität unterliegen. Denn draußen, in der wirklichen Welt, könnten die
betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre
Rechte streiten und Sie verklagen. Deswegen wehre ich
mich hier in diesem Haus dagegen, dass Sie ständig redliche Beamtinnen und Beamten der Bundesrepublik
Deutschland diskreditieren. Ich kann mir in meinem
Ministerium keine einzige Pfeife leisten. Wenn hier im
Parlament toleriert wird, dass hier Pfeifen gewählt werden, kann ich das nicht ändern; das macht der Wähler.
({3})
Herr Raabe, auch Sie kommen wieder auf die Liste
der Fragewilligen.
Geschäftsleitend ein Hinweis an die fragenden Abgeordneten und an die antwortenden Regierungsmitglieder:
Wir sind im Moment in der Befragung der Bundesregierung. Dazu haben wir uns Regeln gegeben. Die Regeln
lauten: Wir fragen maximal eine Minute lang und setzen
dann das Fragezeichen; die Bundesregierung antwortet
jeweils auch in maximal einer Minute und setzt einen
Punkt.
Wenn jemand mit der Formulierung einer Frage oder
aber auch einer Antwort unzufrieden ist, dann lässt sich
all das durch Nachfragen und Austausch miteinander lösen. Sollten dann noch Fragen offen bleiben, haben wir
uns dafür ein Gremium gegeben, welches morgen Mittag
um 14 Uhr wieder tagt. Dort können sowohl Unzufriedenheiten mit der Leitung dieser Sitzung wie auch Unzufriedenheiten mit dem Verhalten einzelner Abgeordneter
({0})
oder auch Unzufriedenheiten darüber, wie sich die Bundesregierung in der Fragestunde präsentiert, ausgetauscht und bewertet werden.
Damit habe ich auch denjenigen, die uns zuhören und
sich fragen, was wir hier eigentlich machen, ausführlich
Auskunft gegeben.
({1})
Die nächste Frage stellt der Kollege Niema Movassat.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Minister, vielleicht
erst einmal eine Korrektur. Es ist in der Tat so, dass
uns das Weißbuch zur Entwicklungspolitik heute um
11.30 Uhr erreicht hat. Wie Sie aber sicherlich wissen,
haben wir bis 13 Uhr Ausschusssitzungen. Das heißt, die
Möglichkeit, den Bericht zu lesen, beschränkte sich sozusagen auf null Minuten realer Zeit. Wenn Sie einen
ernsthaften Austausch darüber haben wollten, hätte man
eine solche Befragung in die nächste Woche gelegt.
Dann hätten die Abgeordneten auch die Möglichkeit gehabt, sich inhaltlich damit zu beschäftigen.
Nichtsdestotrotz ist eines klar: Der Bericht ist die
Wiedergabe dessen, was Sie politisch gemacht haben.
Ein großer Punkt, den Sie hier gerade auch genannt haben, ist die Frage der Strukturreform, des Zusammenschlusses der deutschen technischen Durchführungsorganisationen zur GIZ.
Sie haben das als großen Wurf dargestellt, aber Tatsache ist: Es gibt eine große Unzufriedenheit innerhalb der
Belegschaft. Es wurde eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt, die ergab, dass fast 50 Prozent der Mitarbeiter
mit dem Prozess unzufrieden sind.
Das Thema Armutsbekämpfung spielt im neuen Leitbild der GIZ keine Rolle. In den Handlungsanforderungen Ihres Weißbuchs steht die Armutsbekämpfung ganz
weit vorne.
Wie wollen Sie also das neue Leitbild der GIZ mit Ihren Handlungsanforderungen im Bereich Armutsbekämpfung vereinbaren? Und: Wie gehen Sie mit der gewaltigen Unzufriedenheit der Mitarbeiter um?
Bitte, Herr Minister.
Herr Abgeordneter, Sie haben natürlich völlig recht,
aber die Bundesregierung kann Ihnen einen Bericht erst
dann zuleiten, wenn sie ihn beschlossen hat. Das geht
erst, wenn die Kabinettssitzung zu Ende ist. Erinnern Sie
sich aber bitte auch daran, dass es einen partizipativen
Prozess im Zuge der Erstellung dieses Weißbuchs gegeben hat. Der Ausschuss, dem auch Sie angehören, ist intensiv an der Diskussion beteiligt worden und wurde
zum Beispiel von mir zu einer Diskussionsveranstaltung
im Rahmen eines Mittagsbüfetts eingeladen. Außerdem
ist vereinbart, wie Sie wissen, am 26. April eine gemeinsame Debatte zu diesem Thema durchzuführen. Folgerichtig ist jedenfalls, dass die Bundesregierung das Parlament unmittelbar nach Beschluss unterrichtet, damit
Sie nicht von den Medien unterrichtet werden, sondern
von der Bundesregierung, wie sich das gehört.
Die Mitarbeiterbefragung, die Sie angesprochen haben, hat tatsächlich stattgefunden. Sie bezog sich allerdings auf den Vorgängervorstand und nicht auf den jetzt
im Amt befindlichen Vorstand. Deswegen kann man die
zustande gekommenen Ergebnisse nicht übertragen.
Sie wissen, dass ein Fusionsprozess in einem weltweit
tätigen Unternehmen mit 17 000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern immer auch Reibungsverluste mit sich
bringt. Aber Sie wissen auch, dass wir im Zuge des Fusionsprozesses alles getan haben, um diese zu minimieren. Deswegen haben wir zum Beispiel gemeinsam mit
Verdi einen Überleitungstarifvertrag geschlossen, der es
ermöglicht, selbst zu wählen, in welches der unterschiedlichen Tarifsysteme und unterschiedlichen Altersversorgungssysteme man eingruppiert wird, welches
also das bessere System für einen ist.
Wir haben mit Verdi einen Tarifvertrag geschlossen,
der fusionsbedingte Kündigungen bis zum 31. Dezember
2014 ausschließt. Das hat dazu beigetragen, dass die
Belegschaft ein hohes Maß an Sicherheit bekommen
hat, weit mehr, als normalerweise in einem Wirtschaftsunternehmen üblich ist. Wir haben außerdem die
GIZ aufgefordert, alle bisherigen Organisationen mit ihren Instrumentarien vollständig in die Entwicklungszusammenarbeit zu überführen und unter Anwendung eines entsprechenden Schlüssels, der sich nach der Größe
der Vorgängerorganisation richtet, sicherzustellen, dass
auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der vorherigen
Organisation in Führungspositionen tätig sein können.
All das führt dazu, dass uns das volle Instrumentarium der deutschen EZ zur Verfügung steht, inklusive
dem des Entwicklungshelfers. Dieses Instrument wird in
Kürze 50 Jahre alt. Wir wollen es von der GIZ auch eingesetzt wissen. Bei allen Projektanträgen wird im Rahmen von Monitoring geprüft - wenn es sich nicht um
reine Regierungsberatung handelt -, ob nicht in den Bereichen, wo direkt vor Ort mit Menschen gearbeitet wird,
Entwicklungshelfer tätig sein können.
Dass es immer welche gibt, die mit solchen Fusionsprozessen nicht zufrieden sind, das ist Lebenswirklichkeit. Das lässt sich aber politisch nicht ausschließen.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Dr. Bärbel
Kofler.
Herr Minister, wie schon mehrfach zuvor haben Sie
auch heute wieder Ausführungen zum Triple-win-Effekt
im Zusammenhang mit Ihren Wirtschaftsprojekten gemacht. Ich und meine Fraktion sind nicht gegen vernünftiges wirtschaftliches Miteinander. Dennoch möchte ich
Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, dass die International
Labour Organisation in Genf, die ILO, sehr deutlich festgestellt hat, dass Armutsbekämpfung - um das muss es
uns als Entwicklungspolitiker ja gehen - nicht unbedingt
in einem Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum
steht? Das Gegenteil ist vielmehr sehr oft der Fall: Armut und Wirtschaftswachstum klaffen auseinander, und
die Diskrepanz und damit die Armut wird in den betroffenen Ländern immer größer. Deshalb ist die Forderung
nach menschenwürdiger Arbeit und nach einem sozialen
Basisschutz etwas ganz Entscheidendes. Die Zielgröße
„Sozialer Basisschutz“ ist ja von Ihrem Ministerium in
den letzten Jahren abgeschafft worden. Es würde mich
sehr interessieren, wie Sie mit diesem Thema konstruktiv umgehen wollen; denn das kann man nicht mit einem
Triple-win-Effekt und einem PPP-Projekt regeln, sondern da geht es um Verteilungsgerechtigkeit und auch
um systematischen finanziellen Aufbau und Förderung
von entsprechenden Strukturen.
Bitte, Sie haben das Wort.
Ja, Frau Abgeordnete, das ist mir bekannt. Mir ist
auch bekannt, dass deutsche Unternehmen im Ausland
im Umwelt-, Arbeits- und Sozialbereich oftmals weit
höhere Standards einhalten, als von lokalen Gesetzgebern gefordert werden. Das hat dann eine positive Ausstrahlung auf andere Unternehmen.
Aber jetzt lassen wir doch einmal die Kirche im Dorf.
Sehen Sie sich einmal an, was wir im Bereich „Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft“ investieren: etwas mehr als 1 Prozent des Etats in Höhe von 6,3 Milliarden Euro. Das ist kein Grund, sich so aufzupusten
und zu verkünden, wir würden die Ökonomisierung der
Entwicklungspolitik betreiben. Wir haben seit 2009
1 500 dieser Entwicklungspartnerschaften auf den Weg
gebracht. Das ist eine tolle Sache, weil zur dauerhaften
und strukturellen Minimierung von Armut neben Infrastruktur, Grundbildung und gesundheitlicher Versorgung
eben auch ein eigener Arbeitsplatz notwendig ist.
Wir helfen natürlich in vielen Ländern, soziale Sicherungssysteme aufzubauen. Ein bemerkenswertes Beispiel hat gerade Staatssekretärin Kopp besucht: In einem
indischen Bundesstaat bauen wir ein Krankenversicherungssystem auf, das dazu dient, die Basisgesundheitsversorgung zu ermöglichen und den Menschen ein Mehr
an Sicherheit zu bieten.
Wir helfen ferner vielen Staaten dabei - auch das will
ich hier deutlich sagen -, Steuersysteme zu implementieren, das heißt, Steuergesetze zu schreiben und eine Steuerverwaltung aufzubauen, damit die Steuern dort eingehen, wo sie hingehören, beim Staat. Steuern kann man
aber nur dann zahlen, wenn man auch irgendwelche Einkünfte erzielt. Deswegen ist die Schaffung von Arbeitsplätzen immer wieder ein zentraler Punkt, wenn es um
die wirtschaftliche Entwicklung geht.
Das Wort „Wirtschaftswachstum“ habe ich nach meinem Kenntnisstand gar nicht in den Mund genommen.
Die Schaffung von wirtschaftlichem Wachstum, die
Schaffung von Arbeitsplätzen und die Schaffung von Infrastruktur dienen jedoch dazu, Strukturen zu verändern.
Deswegen sage ich immer: Charity is nice to have, also
Hilfe in Notsituationen ist für die betroffenen Menschen
immer gut, aber staatliche Entwicklungskooperation
zielt darauf, andere Staaten zu ertüchtigen, die Strukturen so zu verändern, dass sie ohne Unterstützung von außen die politischen, sozialen und sonstigen Rahmenbedingungen in ihrem Land selbst so gestalten können,
dass die Menschen der Armut entfliehen können. Dabei
sind wir auf staatlicher Kooperationsebene ein fairer
Partner.
Zusätzlich unterstützen wir zivilgesellschaftliche Akteure; auch das ist nötig, weil, wie wir wissen, die gesellschaftlichen Veränderungen immer aus der Mitte der Gesellschaft kommen.
Von daher sehe ich überhaupt keine Diskrepanz zwischen dem, was Sie fordern, und dem, was wir tun.
Liebe Kollegen, ein Hinweis, bevor es weitergeht. Es
gibt ein großes Interesse an diesem Themenbereich. Mir
liegen sehr viele Wortmeldungen vor. Weil man nicht
immer genau abschätzen kann, wie lange eine Minute
ist, haben wir ein optisches Signal. Wenn es rot aufleuchtet - das gilt für Fragende wie für Antwortende -,
ist die eine Minute definitiv abgelaufen. Ich bitte Sie,
dies mit Rücksicht auf Ihre Kolleginnen und Kollegen zu
berücksichtigen.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Ute Koczy.
Vielen Dank. - Es geht um das 0,7-Prozent-Ziel. Herr
Minister, Sie haben gerade gesagt, es wäre sportlich, dieses Ziel bis 2015 erreichen zu wollen. Welche konkrete
Summe muss in den nächsten Jahren, also 2014 und
2015, auf den jetzigen Haushaltsansatz aufgeschlagen
werden, damit das 0,7-Prozent-Ziel bis 2015 erreicht
wird?
Zweite Frage - auch ich möchte auf die Personalpolitik eingehen -: Sind Sie mit mir der Auffassung, dass Sie
innerhalb der kurzen Zeit, die Sie jetzt im Amt sind - das
sind dreieinhalb, fast vier Jahre -, bis zu 50 FDP-nahe
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Ministerium geholt
haben und Sie dafür das hausinterne Auswahlverfahren
außer Kraft und eigene Regeln in Kraft gesetzt haben?
({0})
Dritte Frage. Wie viele Wirtschaftsprojekte haben Sie
in den Jahren 2010 bis 2013 durchgeführt? Sind das rund
850 Projekte, wie gesagt wurde, oder sind es mehr? Zwischen 2006 und 2009 wurden nämlich 927 Projekte
durchgeführt. Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
hat in ihrer Amtszeit also mehr Wirtschaftsprojekte
durchgeführt als Sie in Ihrer.
({1})
Der Herr Minister Niebel hat das Wort zur Beantwortung.
Die erste Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Sie
sehen an den Zahlen, die ich vorgetragen habe, dass wir
trotz eines deutlichen Aufwuchses meines Etats eine Absenkung der Quote hatten. Das ist eigentlich ein schöner
Umstand. Das bedeutet nämlich, dass die deutsche Wirtschaft wächst. Wir haben zu keinem Zeitpunkt mehr Beschäftigte in Deutschland gehabt; wir haben zu keinem
Zeitpunkt weniger Arbeitslose in Deutschland gehabt.
Wenn ich eine Relation zum Bruttonationaleinkommen
herstellen soll, kann ich deswegen immer nur auf Sicht
fahren und sagen, was wir gerade erreicht haben.
Die zweite Frage kann ich Ihnen zum Teil nicht beantworten. Wir erheben nämlich keine Informationen
über die Parteimitgliedschaften unserer Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, sondern die Besetzung von Stellen erfolgt nach Eignung, Befähigung und Leistung. Darüber
hinaus haben wir das Auswahlverfahren auf den Standard zurückgeführt, der vom Bundesinnenministerium
vorgegeben wurde, weil es nicht sein kann, dass jedes
Ministerium einer Bundesregierung einen anderen Standard zugrunde legt. So sind wir auf den Rechtsstand zurückgekehrt, der von der Vorgängerregierung durch interne Vereinbarungen verlassen worden ist.
Die letzte Frage kann ich Ihnen so beantworten wie
eben schon. Nach meinem Kenntnisstand sind 1 500 Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft initiiert
worden. Die genauen Zahlen, wie viele davon tatsächlich begonnen haben und wie viele in der Planung sind,
kann ich Ihnen höchstens nachreichen. Das weiß ich
nicht auswendig. Aber wenn denn Frau Wieczorek-Zeul
tatsächlich mehr Wirtschaftszusammenarbeit gemacht
hätte, dann müssten Sie mir bitte bei anderer Gelegenheit erklären, weshalb die versammelte Opposition dies
bei mir so kritisiert.
({0})
Die nächste Frage stellt die Kollegin Dr. Barbara
Hendricks.
Frau Präsidentin, ich zitiere mit Ihrer Genehmigung
aus der Kurzfassung des uns soeben zugegangenen
14. Entwicklungspolitischen Berichtes. Dort heißt es auf
Seite 8:
Die Bundesregierung strebt weiterhin an, einen Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit
am BNE in Höhe von 0,7 Prozent bis 2015 zu erreichen.
Ich zitiere des Weiteren aus der mittelfristigen Finanzplanung, aus den von der Bundesregierung vorgelegten
Eckwerten. Dort sind für den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit für das Jahr 2013 Haushaltsmittel in Höhe von 6,296 Milliarden Euro vorgesehen und für das Jahr 2015 Haushaltsmittel in Höhe von
6,124 Milliarden Euro. Es gibt also laut der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung ein Minus von
172 Millionen Euro.
Meine Frage in dem Zusammenhang richtet sich nicht
an Herrn Bundesminister Niebel, sondern an Herrn
Staatsminister von Klaeden als Vertreter des Bundeskanzleramtes. Wie gedenkt das Bundeskanzleramt diesen offensichtlichen Widerspruch aufzulösen? Und: Ist
die Bundeskanzlerin vielleicht ausnahmsweise bereit,
auch einmal ihre Richtlinienkompetenz einzusetzen?
Wer antwortet aus der Bundesregierung?
Meine Frage richtet sich an das Kanzleramt.
({0})
Ja, ja, ich habe das schon verstanden.
Meine Frage richtet sich an das Kanzleramt. Ich darf
meine Frage an denjenigen in der Bundesregierung richten, von dem ich die Antwort haben möchte.
({0})
Es ist die Befragung der Bundesregierung. Es gibt einen
Widerspruch zwischen Verlautbarungen aus dem Bundesministerium der Finanzen und aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Diesen Widerspruch möchte ich durch das
Bundeskanzleramt aufgeklärt wissen.
Frau Kollegin, es ist richtig, dass wir in der Befragung der Bundesregierung nach den Fragen zur Thematik, zu der berichtet wurde, auch Fragen zu weiteren
Themen an die Bundesregierung stellen können, aber
zum Schluss entscheidet jeweils die Bundesregierung,
wer die Frage beantwortet. Deshalb stelle ich noch einmal die Frage: Wer antwortet? - Ich weiß, dass Sie das
alles beschwert, aber nach unserer Geschäftsordnung ist
das so.
Es handelt sich um den Gegenstand, über den wir
heute reden, und ich habe ihn ergänzt um eine Fragestellung, die ein anderes Ressort der Bundesregierung betrifft.
Ich habe Sie hervorragend verstanden.
Ich möchte die Aufklärung durch das Kanzleramt;
denn offenbar sind die Ministerien nicht miteinander abgestimmt.
({0})
Ja, das habe ich völlig verstanden. Wir haben eine Geschäftsordnung, und ich gehe davon aus, dass auch alle
Mitglieder der Bundesregierung, die hier versammelt
sind, Sie verstanden haben und jetzt entscheiden können,
Vizepräsidentin Petra Pau
wie sie mit Ihrer Frage und Ihrem Wunsch umgehen.
Dann ist das zu bewerten.
Genau, das habe ich schon gesagt. Ich beantworte die
Frage gerne. - Frau Abgeordnete hat zu Recht gesagt,
dass es sich um den Gegenstand der Befragung handelt.
Sie sieht eine Diskrepanz, die nicht gegeben ist. Denn es
ist vollkommen klar - das zeigen schon allein die Zahlen -: Wenn wir einen Etat von 6,3 Milliarden Euro
haben und eine Gesamt-ODA-Leistung von 10,2 Milliarden Euro, dann gibt es offenbar Gelder, die aus anderen
Ressorts ODA-fähig fließen. Wir haben im entwicklungspolitischen Bericht das Ziel für den BMZ-Haushalt
beschrieben, nicht das Gesamtziel der Bundesregierung.
Deswegen gibt es hier keine Diskrepanz.
Die Bundesregierung beabsichtigt, das Ziel, wie es
mehrfach gesagt und aufgeschrieben worden ist, zu erreichen. Aber ich habe auch immer gesagt: Dies ist gerade bei wachsender Wirtschaft eine Herausforderung.
Ich vermute, dass die Sozialdemokraten nicht Großinsolvenzen herbeiführen wollen, um zu bewirken, dass die
Wirtschaft schrumpft und die ODA-Quote steigt.
Außerdem ist es natürlich so, dass die Summe des
ausgegebenen Geldes noch nichts über die Qualität der
Entwicklungsprojekte sagt. Vielmehr ermöglicht die
Herstellung von Wirksamkeit, Transparenz und Effizienz, wie es die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode erreicht hat ({0})
- Frau Präsidentin!
({1})
- das ändert nichts daran, dass die Spielregeln auch für
Sie gelten, Frau Abgeordnete -, erst gute Entwicklungsprojekte. Deswegen ist die Bilanz der Bundesregierung
sehr erfolgreich. Aus diesem Grunde kann ich noch einmal sagen: Auch in diesem Politikfeld gab es vier gute
Jahre für Deutschland.
({2})
Die nächste Frage stellt der Kollege Uwe Kekeritz.
Herr Minister, wir sind uns ja darin einig, dass wir seit
der Aushändigung Ihres Berichtes nur eine relativ kurze
Zeit zum Durcharbeiten zur Verfügung hatten. Ich habe
den Bericht einmal ganz schnell durchgeblättert, darin
aber nichts über ein ganz zentrales Thema gefunden,
nämlich über Zensur durch das Ministerium. Es ist
merkwürdig: Seit 2010 haben Sie die Richtlinien für die
Förderung von Publikationen geändert. Vertreter der
Zivilgesellschaft sind auf uns zugekommen und haben
uns gefragt: Was ist da eigentlich los? Wie kann ein liberaler Minister von NGOs verlangen, ihre Publikationen
vorzulegen? Auch ich sehe das im Prinzip nicht ein. Es
ging hier ganz konkret um einen sehr fundierten und seriös recherchierten Artikel, der Ihnen ideologisch nicht
gepasst hat. Wie stehen Sie dazu? Wie extensiv betreiben
Sie diese Zensur? Ist es richtig, dass Sie das Recht verlangen, auf den von Ihnen geförderten Broschüren für
das BMZ zu werben?
Sie haben das Wort, Herr Minister.
Sie haben in dem Bericht nichts über Zensur gefunden, weil eine Zensur nicht stattfindet.
({0})
Allerdings gibt es Förderrichtlinien; diese gab es übrigens auch unter der Vorgängerregierung. Diese Förderrichtlinien sehen unter anderem vor, dass jemand, der
beschimpft werden soll, dann zumindest in einer Broschüre zu Wort kommen muss. Wenn man Steuergelder
einsetzen will, um solche Broschüren zu produzieren,
muss man die Förderrichtlinien entsprechend einhalten.
Darüber hinaus hat der Koalitionsvertrag mir aufgegeben, dafür zu sorgen, dass dieses Politikfeld an Sichtbarkeit gewinnt. Deswegen habe ich entschieden, dass in
allen produzierten Broschüren, die mit Steuergeldern unterstützt werden, darauf hingewiesen wird, dass sie vom
BMZ mit Steuergeldern unterstützt werden. Wir haben
mit VENRO - das ist der Verband, dem die meisten
Nichtregierungsorganisationen angehören - eine Vereinbarung getroffen, wie diese Kenntlichmachung der Unterstützung durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu erfolgen hat.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Heike Hänsel.
Danke schön. - Herr Minister, Sie haben gerade zusammenfassend gesagt: vier gute Jahre für Deutschland. Das möchte ich stark in Zweifel ziehen. Vier gute Jahre
für die Menschen in den Ländern des Südens haben Ihre
Initiativen bestimmt nicht gebracht.
Interessant ist an Ihrer Hochglanzbroschüre, die voll
von technischen Begriffen und vielen Sprechblasen ist,
dass viele politische Entscheidungen, die Sie mit zu verantworten haben, darin nicht erwähnt sind. Ein Beispiel
sind die Freihandelsabkommen, die von der Europäischen Union vorangetrieben werden und die Sie befürworten. Durch Freihandel ist die Existenz vieler Men29094
schen in den Ländern des Südens, nicht zuletzt von
Kleinbauern in Lateinamerika, massiv gefährdet. Wir
haben das prüfen lassen: Durch diese Freihandelsabkommen sollen Finanzdienstleistungen liberalisiert werden.
Obwohl wir in Europa gerade darüber reden, dass die
Banken reguliert werden müssen, werden in den Freihandelsabkommen Liberalisierung und Deregulierung
festgeschrieben. Das kann der Geldwäsche und der Steuerflucht Vorschub leisten. Sie unterstützen das.
Wie wollen Sie eigentlich den Steuerzahlern und
Steuerzahlerinnen erklären, dass Sie eine Politik betreiben, die noch mehr Menschen in die Armut treibt und ihnen ihre bisherige Existenzgrundlage, die kleinbäuerliche Wirtschaft, nimmt - sie sind nämlich einer enormen
Konkurrenz ausgesetzt -, und gleichzeitig Geld für neue
Entwicklungsprojekte zur Verfügung stellen? Wie wollen Sie das der Öffentlichkeit erklären? Sie müssen eine
Politik der Armutsbekämpfung betreiben. Aber davon ist
in den Freihandelsabkommen, die Sie massiv unterstützen, keine Rede.
In Ihrem Bericht steht übrigens auch nichts von den
Rüstungsexporten in viele Länder des Südens, die Sie
befürwortet haben. Sie sind Mitglied des Bundessicherheitsrates, sprechen in diesem Zusammenhang allerdings
von Friedensinvestitionen. Sie kritisieren die Rüstungsexporte nicht. Das ist eine völlig widersprüchliche Politik, die Sie machen. Es ist überfällig, dass es mit dieser
Politik ein Ende hat.
({0})
Das Wort hat der Herr Minister zur Beantwortung. Ich mache nochmals darauf aufmerksam, dass auch für
Fragen eine Minute zur Verfügung steht, nicht zwei Minuten. - Bitte, Herr Minister.
Die Frage, wie ich den Wählern das von Ihnen Geäußerte erklären will, ist leicht beantwortet: gar nicht. Das,
was Sie gesagt haben, stimmt nämlich nicht.
Im Übrigen weise ich Sie darauf hin, dass weder Freihandelsabkommen noch Rüstungsexporte Instrumente
der deutschen Entwicklungspolitik sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nach unserer Vereinbarung für die Befragung der Bundesregierung noch eine Minute Zeit. Bei Interesse habe ich aber
die Möglichkeit, die Befragung der Bundesregierung zulasten der danach folgenden Fragestunde zu verlängern.
({0})
Ich habe vor, die vier Wortmeldungen zum Bericht des
Herrn Bundesministers Niebel, die mir gemeldet wurden, und eine Frage an Herrn von Klaeden zuzulassen
und danach die Regierungsbefragung - wie gesagt: mit
Anrechnung dieser Zeit auf die Fragestunde - zu beenden. Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt sind also zwecklos.
Das Wort hat der Kollege Dr. Sascha Raabe.
({1})
Herr Minister, Sie haben mir eben laut vorgeworfen,
ich würde mit meiner Frage zu Ihrer Personalpolitik qualifizierte Beamte des Ministeriums beleidigen. Ich weise
das in aller Form zurück. Ich habe Hilfeschreie und
Briefe aus dem Personalrat des BMZ erhalten. Die Personalvertreter haben mehrmals gesagt, dass gerade die
Vetternwirtschaft, die Sie betreiben, die guten, qualifizierten Mitarbeiter demotiviert, weil gute Leute nicht
nach oben kommen, sondern nur welche mit Parteibuch.
Wenn Sie mir das nicht glauben, dann lassen Sie sich sagen: Selbst die Kollegin Sibylle Pfeiffer, die entwicklungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat der Kanzlerin geschrieben, dass Sie
Parteifreunde mit FDP-Parteibuch vorgezogen haben,
obwohl sie nicht qualifiziert genug sind.
Weil Sie sagten, Sie stellen keine Pfeifen ein: Ich erinnere daran, dass der Kollege Koppelin - ein Kollege
von Ihrer eigenen Partei - laut Spiegel in der letzten
GIZ-Aufsichtsratssitzung mit Blick auf einen von Ihnen
gegen alle Absprachen mit dem Personalrat in die GIZ
hinübergeschusterten unbefristeten Arbeitsvertrag gesagt hat, die Gehaltserhöhung für Herrn Pätz trage er
nicht mit, weil er eine Pfeife sei. - Wenn Sie mir nicht
glauben, dann bitte Ihren eigenen Kollegen oder dem
Personalrat. Ich stehe an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Ich glaube, Sie beschädigen die gute Arbeit von vielen guten Mitarbeitern, wenn Sie immer Einstellungen
und Beförderungen aufgrund eines FDP-Parteibuches
vornehmen.
({0})
Ich bitte Sie, das künftig zu unterlassen.
Der Herr Minister Niebel hat das Wort.
Herr Abgeordneter, mir ist bekannt geworden, dass
Sie im Rahmen einer Sitzung des Innovationsbeirates
des BMZ über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genauso
negativ gesprochen haben wie hier, sogar noch wortgewaltiger. Da waren sehr viele nicht von mir eingestellte,
sondern im Ministerium langjährig Beschäftigte in
höchstem Maße betroffen. Sie haben die Lebensläufe
dieser Menschen diskreditiert. Schauen Sie sich diese
Lebensläufe einmal an! Wenn Sie lesen können, dann
werden Sie sehen, dass diese Lebensläufe beachtlicher
sind als die manches Parlamentariers.
({0})
Darüber hinaus kann ich leider nicht kommentieren,
was Sie gehört oder gelesen haben wollen. Ich sage Ihnen nur: Ich habe keine Kenntnisse über Parteimitgliedschaften der Belegschaft, auch nicht über die von denen,
die schon da waren, als ich gekommen bin - was Ihnen
vielleicht ganz angenehm sein könnte. Ich weiß aber,
dass der beamtete Staatssekretär, der vor meinem jetzigen im Dienst war, im Flur seines Büros ein Plakat aufgehängt hatte, auf dem stand: Hier wird SPD gewählt. Das ist eher eine Beeinflussung der Belegschaft als die
Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung.
Nachdem ich durch die Fusion der drei großen deutschen Entwicklungshilfeorganisationen im Haushalt des
Bundes brutto 700 Stellen eingespart hatte, haben Sie dieses Parlament - entschieden, dass das BMZ um
280 Stellen aufwachsen darf, um die politische Steuerung der Durchführungsorganisation herzustellen.
({1})
Dabei bleibt immer noch eine dramatische Nettoeinsparung im Bundeshaushalt.
Trotz Ihrer Formulierung und Ihrer Einstellung glauben Sie doch nicht ernsthaft, dass die 280 kompetenten
Mitarbeiter, die bei mir eingestellt wurden, alle FDPMitglieder sind.
({2})
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Niema
Movassat.
Herr Minister, Sie haben ein militärisches Eingreifen
in Mali ausdrücklich gefordert und es begrüßt, und Sie
haben auch die Einrichtung von Taskforces für die Sahelzone und Syrien angekündigt. Damit wollen Sie letztlich die zivil-militärische Zusammenarbeit, die ja ein
Lieblingskind Ihrer sogenannten Entwicklungszusammenarbeit ist, weiter ausbauen; das machen Sie auch im
Weißbuch zur Entwicklungspolitik deutlich.
Am Beispiel Afghanistan wird allerdings deutlich,
dass Entwicklungszusammenarbeit und Militär sich
nicht ergänzen, sondern einander in vielerlei Hinsicht
ausschließen. Es ist ja nicht ohne Grund so, dass auch
Nichtregierungsorganisationen kritisieren, dass es die
Entwicklungsfachkräfte gefährdet, wenn sie als Teil des
Militärs gesehen werden.
Mich würde interessieren: Wie soll es in diesem Bereich aus Ihrer Sicht weitergehen? Wie stehen Sie zu
dem Vorwurf, dass die zivil-militärische Zusammenarbeit die Entwicklungsfachkräfte gefährdet und ihre Arbeit zum Teil massiv behindert? Inwiefern soll das unter
Ihrer Führung abgeschlossene Abkommen zwischen der
GIZ und dem Bundesverteidigungsministerium weiter
ausgebaut werden? Sollen die Maßnahmen über dieses
Abkommen noch hinausgehen?
Bitte, Herr Minister.
Zunächst, Herr Abgeordneter, muss ich richtigstellen,
dass ich nicht angekündigt habe, Taskforces zu Syrien
und anderen Ländern einzurichten, sondern darauf hingewiesen habe, dass sie vom Auswärtigen Amt eingerichtet worden sind und wir uns daran beteiligen.
In der Regierung gibt es seit dieser Legislaturperiode
ja zum Glück einen Leitfaden für den Umgang mit fragilen Staaten, der zwischen den Ressorts abgestimmt ist.
Es ist richtig, zu sagen: Wir müssen die Kompetenzen
der unterschiedlichen Ressorts zusammenfassen, um im
Idealfall bewaffnete Konflikte dadurch zu vermeiden,
dass wir den Menschen Perspektiven verschaffen, damit
sie nicht für politischen oder religiösen Extremismus anfällig werden. Deswegen sage ich hier noch einmal ganz
deutlich zu Protokoll: Die Entwicklungszusammenarbeit
ist insofern das schärfste Schwert gegen Terroristen und
Extremisten in der Welt.
Auf der anderen Seite stimmen auch Ihre Einschätzungen nicht. Die Frage, ob es sich um humanitäre Hilfe
oder um Entwicklungspolitik handelt, muss schon klar
beantwortet werden.
Humanitäre Hilfe ist neutral. Sie muss neutral sein
und jedem zur Verfügung stehen, der sie benötigt. Das ist
unstreitig - auch in der Bundesregierung.
Entwicklungspolitik ist dagegen ein Teil der internationalen Beziehungen der Bundesregierung. Wer Steuermittel einsetzen möchte, um entwicklungspolitische
Maßnahmen zu betreiben, der muss sich auch an bestimmte Spielregeln halten, nämlich an die politischen
Vorgaben der Bundesregierung, oder er muss auf Steuermittel verzichten. Das ist eine freie Entscheidung. Niemand ist gezwungen, Anträge beim BMZ zu stellen. Jeder kann frei entscheiden, wie er seine Arbeit
durchführen möchte.
Darüber hinaus zeigt sich an Afghanistan, dass eine
bessere Abstimmung der unterschiedlichen Akteure
möglich ist. Immerhin sind neben dem BMZ drei weitere
Bundesministerien vor Ort und in der gleichen Region
aktiv: das Auswärtige Amt, das Verteidigungsministerium und das Innenministerium. Die dortige Abstimmung, wer was tut, ist vernünftig und hat zu einer großen Effizienzsteigerung geführt.
Es hat, auch wenn Sie das immer wieder postulieren,
bei Entwicklungsprojekten zu keinem Zeitpunkt den Ruf
nach Militär oder embedded Entwicklungshelfern gegeben. Sie können das noch dreimal fragen, aber das
stimmt schlichtweg nicht.
Die nächste Frage stellt der Kollege Thilo Hoppe.
Herr Bundesminister, ich beziehe mich auf die Kernbotschaft Nr. 9 des Weißbuches. Dort geht es um die
Schlüsselsektoren.
Ich möchte ausdrücklich positiv hervorheben, dass
Sie der ländlichen Entwicklung und der Hungerbekämpfung große Aufmerksamkeit schenken. Mich erfüllt aber
mit Sorge, dass dies auch im Rahmen der neuen Allianz
für Ernährungssicherheit der G-8-Staaten geschieht.
Dort sind sehr große Partnerfirmen mit an Bord wie
Monsanto, Syngenta und Coca-Cola.
Ist Ihnen bekannt, dass es im Rahmen dieser Kooperation einen mächtigen Druck auf einige Partnerstaaten
gibt, zum Beispiel auf Mosambik und Tansania, die Weitergabe von traditionellem Saatgut zu unterlassen und
gentechnisch verändertes Saatgut, Herbizide und Pestizide im beschleunigten Verfahren zuzulassen? Ist das mit
einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft und einer
nachhaltigen Hungerbekämpfung vereinbar, und steuert
die Bundesregierung gegen diese Tendenz, die leider in
einigen Bereichen dort erkennbar ist?
Sie haben das Wort zur Beantwortung der Fragen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoppe. Es ist tatsächlich so, dass die Entwicklung ländlicher Räume in
den vergangenen 10, 15 Jahren international, aber auch
in der deutschen Entwicklungspolitik sträflich vernachlässigt wurde, vielleicht deshalb, weil man lange
braucht, bis man vorweisbare Ergebnisse produziert.
Die Entwicklung ländlicher Räume ist von zentraler
Bedeutung, weil es nicht nur um Landwirtschaft, sondern auch um Qualifizierung und Ausbildung geht; es
geht um Saatgut, aber auch um Bewässerungstechnologien, das Wissen über die Haltbarmachung von Produkten, die Lagerhaltung von Produkten und Infrastrukturmaßnahmen, um Produkte zum nächsten Markt bringen
zu können. Dies ist also ein Feld, das sehr viel Arbeit
und Zeit beansprucht. Deswegen ist es richtig, dass wir
das zu einem Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit gemacht haben.
Darüber hinaus halte ich auch eine Unterstützung im
Rahmen der G-8-Initiative für richtig und wichtig. Wir
sind kein Bestandteil der G-8-Initiative, sondern wir
flanschen eine eigene Initiative an die G-8-Initiative an auch mit der deutschen Wirtschaft und der Agrar- und
der Ernährungswirtschaft -, weil wir die gleichen Ziele
erreichen wollen, allerdings in den Ländern, in denen
wir mit unseren Partnerregierungen ohnehin schon Vereinbarungen zur ländlichen Entwicklung getroffen haben. Wir glauben, dass es besser ist, uns hier zu spezialisieren, da sonst die Gefahr besteht, dass durch die
Kooperation von zu vielen Partnern in anderen Ländern
zu viele das Gleiche machen.
Ich habe von den von Ihnen angesprochenen Vorwürfen gehört und kann Ihnen versichern, dass es im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit dazu
nicht kommen wird. Auf der anderen Seite brauchen wir
auch große Partner für die Welternährung. In einer Welt,
die heute 7 Milliarden und bis zum Jahre 2050 9 Milliarden Menschen ernähren muss, werden wir nur mit kleinbäuerlicher Landwirtschaft nicht in der Lage sein, das
Problem zu lösen.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Ute Koczy.
Danke. - Wir brauchen Entwicklungszusammenarbeit, weil sie mit dazu beiträgt, globale Verantwortung
zu organisieren. Wir brauchen also kein Ministerium,
das quasi Außenwirtschaftsförderung betreibt und nur so
tut, als würde es für wirtschaftliche Zusammenarbeit
sorgen, während es in Wahrheit deutsche Interessen nach
vorne stellt.
In der Antwort auf unsere Anfrage vom November
letzten Jahres heißt es, dass sich die Zahl der Projekte
wirtschaftlicher Zusammenarbeit im Zeitraum von 2010
bis 2013 auf nur rund 850 beläuft und dass es in einer
anderen Legislaturperiode mehr gegeben hat. Ich frage
deswegen: Was wollen Sie tun, damit die Entwicklungszusammenarbeit und nicht die Profitinteressen der Wirtschaft im Vordergrund stehen?
({0})
Die Renationalisierung deutscher Entwicklungszusammenarbeit kann nicht unser Interesse sein. Wir setzen auf multilaterales Engagement. Wir sprechen dem
Ministerium ab, sich da wirklich überall engagiert zu haben. Warum steht das Ministerium oder Sie als Minister
weiterhin auf der Position, dass eben zwei Drittel bilateral und nur ein Drittel der Mittel multilateral erbracht
werden sollen,
({1})
wenn man doch weiß, dass globale Probleme nur global
gelöst werden können? Muss diese Schranke nicht dringend abgebaut werden?
({2})
Sie haben das Wort.
Frau Abgeordnete, Ihr Vorwurf der Außenwirtschaftsförderung diskreditiert sich angesichts der von Ihnen genannten Zahlen selbst. Ich weise noch einmal darauf hin:
Bei einem 6,3-Milliarden-Euro-Etat sind etwas mehr als
1 Prozent für Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft vorgesehen. Ich kann Ihren Vorwurf, was die Zahlen anbetrifft, wirklich nicht nachvollziehen.
Darüber hinaus bin ich sehr davon überzeugt, dass
eine werteorientierte, aber auch interessengeleitete Entwicklungszusammenarbeit notwendig ist. Ich bin es leid,
so zu tun, als hätte die Bundesrepublik Deutschland
keine Interessen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
überhaupt irgendein Regierungsmitglied oder Parlamentarier nicht gewillt ist, die Interessen der Bundesrepublik
Deutschland weltweit zu vertreten. Ich glaube, dafür
sind Sie gewählt. Wir als Regierungsmitglieder sind darauf auf jeden Fall vereidigt. Deswegen tue ich das.
Außerdem machen wir staatliche Entwicklungszusammenarbeit. Das heißt, wir arbeiten mit anderen Regierungen zusammen. Diese wissen, dass wir bestimmte
Interessen haben. Sie glauben uns nicht, wenn wir ihnen
erzählen, wir verfolgten keine Interessen, weil die Lebenswirklichkeit, Frau Koczy, eine andere ist. Deswegen
ist unsere Aufgabe, die Werteorientierung in Interessenkonflikten nach vorne zu schieben. Aus diesem Grund
habe ich einen Menschenrechts-TÜV eingeführt: damit
Projekte daraufhin überprüft werden, wie ihre menschenrechtliche Relevanz und ihre Auswirkungen auf
die betroffenen oder nichtbetroffenen Menschen sind.
Das hat es übrigens in der Entwicklungszusammenarbeit
in Deutschland noch nie gegeben.
Ich unterstütze ausdrücklich die Äußerung von
Schwarze Zahlen
dürfen kein Grund dafür sein, rote Linien zu überschreiten. - Die Achtung der allgemeinen Menschenrechte ist
unsere rote Linie. Sie wissen aus der Ausschussarbeit,
dass ich in vielen Fällen auf Menschenrechtsverletzungen mit der Einstellung oder Kürzung von finanziellen
Mitteln reagiert habe.
Wir arbeiten sehr aktiv in der multilateralen Gemeinschaft mit. Wir versuchen, die Arbeit der multilateralen
Organisationen deutlich zu verbessern, effizienter zu
machen. Ich nenne noch einmal den Globalen Fonds zur
Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria der
Vereinten Nationen, der große Probleme hatte, der nun
aber aufgrund meines Engagements und unserer Initiative so aufgestellt ist,
({0})
dass er jetzt seiner Aufgabe wirksam und ohne Mittelfehlverwendung gerecht werden kann; denn jeder durch
Korruption verlorene Euro tötet Menschen, weil dafür
keine Medikamente mehr gekauft werden können.
Ich halte mich an die Umsetzung des Koalitionsvertrages. Im Koalitionsvertrag ist dieses Ziel vorgegeben.
Ich verfolge das Ziel; denn meine Aufgabe ist es, den
Koalitionsvertrag umzusetzen und die multilateralen Organisationen zu reformieren, nachdem ich in Deutschland meine Hausaufgaben gemacht habe. Das ist jetzt
der Punkt, an dem wir uns an die multilateralen Organisationen wenden.
({1})
Zum Schluss der Regierungsbefragung hat die Kollegin Dr. Barbara Hendricks das Wort zu einer sonstigen
Frage an die Bundesregierung.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Im vierzehnten entwicklungspolitischen Bericht, der uns heute vorgelegt
worden ist, heißt es - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung,
Frau Präsidentin -:
Die Bundesregierung strebt weiterhin an, einen Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit
am BNE in Höhe von 0,7 Prozent bis 2015 zu erreichen.
Ich zitiere zugleich aus den Eckwerten der Finanzplanung der Bundesregierung, aus denen hervorgeht, dass
der Etat des Haushalts des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit von 2013 bis 2015 um
172 Millionen Euro sinkt. Ich frage den Herrn Staatsminister von Klaeden, was das Bundeskanzleramt als Behörde und auch was die Bundeskanzlerin beabsichtigt zu
unternehmen, um diesen offenbaren Widerspruch aufzulösen.
Das Wort hat der Herr Staatsminister von Klaeden.
Frau Kollegin Hendricks, Bundesminister Niebel hat
Ihnen bereits erläutert, dass es den von Ihnen postulierten Widerspruch nicht gibt. Er hat die Frage vollständig
und zutreffend beantwortet.
({0})
Ich beende die Befragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 17/13045 Da wir hier einige Zeit nicht beieinander waren,
möchte ich Sie prophylaktisch an unsere Vereinbarung
erinnern, dass die erste Antwort auf die Fragen zwei Minuten dauern kann und für alle folgenden Fragen und
Antworten wiederum die Einminutenregel gilt. Sie werden unterstützt durch das optische Signal. Sobald dieses
auf die Farbe Rot schaltet, ist die vorgegebene Zeit tatsächlich ausgeschöpft.
Ich rufe die mündlichen Fragen auf der Drucksache
17/13045 in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Ernst Burgbacher zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Oliver Krischer auf:
Wann wird die Verordnung zur Markttransparenzstelle für
Kraftstoffe - die unter anderem eine Smartphone-App zur
Echtzeitanzeige der Spritpreise an den Tankstellen beinhaltet vollständig umgesetzt werden, und woraus resultiert die Verzögerung?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege
Krischer, die Verordnung ist am 29. März 2013 in Kraft
getreten. Seit dem 15. April 2013 registriert die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe die meldepflichtigen
Tankstellenbetreiber bzw. Mineralölunternehmen. Zwei
Wochen nachdem die Grunddaten von mindestens
13 000 Tankstellen erfasst und mindestens drei Anbieter
von Verbraucherinformationsdiensten zugelassen sind,
beginnt die Meldepflicht für die Tankstellenbetreiber
bzw. Mineralölunternehmen. Drei Monate später beginnt
die Datenweitergabe an die zugelassenen Verbraucherinformationsdienste, die die Preisdaten mittels eines
bundesweit verfügbaren Informationsdienstes beispielsweise im Rahmen einer Smartphone-App veröffentlichen müssen. Die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe
arbeitet derzeit an der technischen Umsetzung der Verordnung.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für die Ausführungen. - Wir haben in einer der letzten Sitzungswochen
eine umfängliche Debatte über dieses Thema geführt.
Damals wurde geäußert - ich glaube, das hat sogar der
Minister selber gesagt -, dass die Daten wahrscheinlich
noch vor der Sommerpause zugänglich sein würden. Sie
haben jetzt die Zeitabläufe dargelegt. Meine Frage lautet
deshalb: Wann werden die Daten für die Kraftfahrer, für
die Menschen, die es betrifft, zugänglich sein? Können
Sie einen Zeitpunkt nennen? Ich habe Presseberichten
entnommen, dass die Bundesregierung von Ende des
Jahres ausgeht. Meine Bitte an Sie wäre, aufgrund des
Zeittableaus den konkreten Zeitpunkt zu benennen.
Herr Kollege Krischer, gestatten Sie mir, noch einmal
ganz kurz den Ablauf darzulegen. Wir wurden mit Gesetz vom 12. Dezember 2012 ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen. Bereits zwei Monate später, am
19. Februar, hat das BMI dem Kabinett einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Die anderen Daten habe ich
bereits genannt. Wir sind also in einer sehr schnellen
Taktung.
Nun befinden wir uns in der Phase der Umsetzung;
diese ist hochkompliziert, wie Sie sich wahrscheinlich
vorstellen können. Die Markttransparenzstelle arbeitet
mit Hochdruck. Wir hatten als Ziel Mitte des Jahres. So
hat es der Minister gesagt. Wir arbeiten nach wie vor daran, dieses Ziel zu erreichen und alles so schnell wie
möglich fertigzustellen. Aber wir brauchen zum Beispiel
Dienstleister, die das machen. Das können wir nicht mit
Binnenmitteln machen. Es ist schwierig, solche Dienstleister auf dem Markt zu finden. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen jetzt kein konkretes Datum sagen kann. Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass
das möglichst schnell passiert.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, Ihre Äußerungen verwundern
mich etwas; denn in der Debatte, die wir über dieses
Thema geführt haben, wurde gar nicht darauf hingewiesen, dass das alles möglicherweise viel komplizierter ist.
Deshalb möchte ich die Frage an Sie richten: Was hat
sich denn in der Substanz geändert? Welche neuen
Schwierigkeiten oder Erkenntnisse gibt es, die dazu führen, dass sich - so verstehe ich Ihre Aussagen - die Bereitstellung der Daten durch die Markttransparenzstelle
und das Zugänglichmachen der Daten in Form einer App
verzögern und man den Termin, also Sommer dieses
Jahres, möglicherweise nicht einhalten kann? Der Minister hat den Termin hier, wie ich glaube, noch vor zwei
Wochen verkündet. Da muss ja eine Änderung - zusätzliche Probleme oder ein zusätzlicher Aufwand - eingetreten sein, die möglicherweise vor zwei Wochen nicht
bekannt war. Sonst hätte der Minister diese Aussage
nicht tätigen können.
Herr Kollege Krischer, ich habe keinesfalls gesagt,
dass wir das nicht schaffen. Ich habe gesagt, dass ich
mich nicht auf ein konkretes Datum festlege. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Ich will Ihnen drei Dinge dazu
nennen, die wirklich schwierig sind: Die Markttransparenzstelle ist im Augenblick bei der Fertigstellung der
Anforderungsanalyse. Wir suchen Partner für die Realisierung. Wir streben an, Partner im Bereich des Bundes
zu finden. Die Ausschreibungen werden das Ganze erheblich verzögern. Durch den Zustimmungsprozess im
Bundestag gab es noch einmal Änderungen, die eine Herausforderung für die Markttransparenzstelle darstellen.
Aber ich sage noch einmal: Wir arbeiten mit Hochdruck,
und wir haben nach wie vor das Ziel, das in der ersten
Hälfte des Jahres zu schaffen.
Wir kommen zur Frage 2 des Kollegen Wolfgang
Tiefensee:
Welche Ergebnisse hat die im Oktober 2011 vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler,
angekündigte „Allianz für Wachstum“ zum Ausbau der
deutsch-griechischen Handelsbeziehungen hervorgebracht,
und mit welchen Maßnahmen hat die Bundesregierung auf
bilateraler Ebene und mit Initiativen auf EU-Ebene seither die
Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft und anderer wirtschaftlich angeschlagener EU-Staaten unterstützt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Danke, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege Tiefensee,
vor allem nach den Wahlen im Frühsommer 2012 und
nach der Bildung der neuen Regierung unter Ministerpräsident Samaras erfolgten zahlreiche wirtschaftspolitische Kontakte und Gespräche, wie sie in der Investitions- und Wachstumsinitiative für Griechenland vom
Juli 2011 von Bundesminister Dr. Rösler vorgeschlagen und dann in der gemeinsamen Erklärung vom
7. Oktober 2011 mit dem damaligen Wirtschaftsminister Chrysochoidis vereinbart wurden.
Bei der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit mit
der Bundesregierung steht auf griechischen Wunsch das war immer unser Prinzip - das Projekt der Unterstützung Griechenlands beim Aufbau einer Förderbank
durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Vordergrund. Im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit
der Unternehmen hat die Investitions- und Wachstumsinitiative ebenfalls zu neuen Kontakten und Gesprächen
geführt. Die in einigen Bereichen verbesserten Rahmenbedingungen haben dazu beigetragen, dass eine Reihe
von Unternehmen inzwischen konkrete Projekte in Griechenland verfolgt. Die Bundesregierung unterstützt die
Zusammenarbeit der Unternehmen dabei, unter anderem
durch die Gewährung von Exportkrediten.
Bereits seit März 2011 besteht im Rahmen der
deutsch-griechischen Partnerschaft eine enge Zusammenarbeit mit dem Ziel der Stärkung der griechischen
Wirtschaft, unter anderem in den Bereichen Tourismus,
Bildung, Forschung und Entwicklung. Auf EU-Ebene
unterstützend wirkt die Bundesregierung, wie bereits in
der Antwort auf eine frühere Frage ausgeführt wurde,
bei der Ausweitung der Finanzierungsinstrumente
zugunsten der von der Finanz- und Wirtschaftskrise besonders betroffenen europäischen Länder mit. Die Bundesregierung beteiligt sich an der Kapitalerhöhung der
Europäischen Investitionsbank.
Aktuell haben das BMBF und das griechische Bildungsministerium eine bilaterale Ausschreibung zur
Förderung von FuE-Projekten des öffentlichen und privaten Sektors im Umfang von insgesamt 10 Millionen
Euro veröffentlicht sowie eine bilaterale Kooperationsvereinbarung zur Reform der beruflichen Bildung nach
deutschem Vorbild unterzeichnet, die von einer deutschgriechischen Taskforce begleitet wird.
Nun haben Sie auch nach anderen „wirtschaftlich angeschlagenen EU-Staaten“ - so heißt es - gefragt. Zur
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der portugiesischen
Wirtschaft unterstützte der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie die Exportinitiative „Portugal
PLUS“ und unternahm am 30. Mai 2012 in Begleitung
einer Delegation von Einkaufsleitern namhafter deutscher Unternehmen eine Reise nach Lissabon und Porto.
Am 3./4. Oktober 2012 erfolgte mit dem gleichen Ziel
eine entsprechende Reise nach Madrid. Die Bundeskanzlerin nahm am 6. September 2012 an einem
deutsch-spanischen Unternehmertreffen in Madrid und
am 12. November 2012 an einem deutsch-portugiesischen Unternehmertreffen in Lissabon teil.
Der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft dient ferner die EU-Taskforce für Griechenland, an deren Arbeit zur Umsetzung des umfangreichen Reformprozesses in Griechenland sich die
Bundesregierung ebenfalls aktiv beteiligt. Schwerpunkte
sind die Bereiche Reform der regionalen und kommunalen Verwaltung, Reform des Gesundheitswesens, Umweltpolitik, erneuerbare Energien und Arbeitsmarktreform.
Meine Antwort auf die Frage war etwas lang; bedingt
ist das durch die vielen Aktivitäten, die wir verfolgen.
Gleichwohl hat der Kollege Tiefensee das Wort zur
ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Frage. - Viel reisen, viel Koordination, viel geplant. Wir wissen um das Instrumentarium der Europäischen Union: EFRE, ESF, Unterstützung von Forschung
und Entwicklung. Das alles sind klassische Instrumente,
die aber in dieser krisenhaften Situation, in der sich eine
Fülle von - insbesondere südlichen - EU-Staaten befinden, nicht ausreichend sein können. Meine erste Teilnachfrage: Welche konkreten Initiativen hat der deutsche
Wirtschaftsminister auf europäischer Ebene auf den Weg
gebracht, um zusätzliche Instrumente zu generieren?
Meine zweite Teilnachfrage hat die aktuelle Diskussion über Zypern im Blick. Wir wissen, dass dort in den
nächsten beiden Jahren das Bruttoinlandsprodukt um
14 bis 15 Prozent einbrechen wird. Wir haben hier über
die Ausstattung mit Finanzmitteln zu entscheiden. Inwieweit kann die Bundesregierung, wo es doch keinerlei
Wirtschaftsinitiativen gibt, garantieren, dass das Geld,
über dessen Vergabe wir in dieser Woche einen Beschluss fassen werden - oder auch nicht -, nicht sozusagen in ein Fass ohne Boden läuft? Schließlich ist eine
Steigerung des Bruttoinlandsproduktes in Ländern wie
diesem offensichtlich nicht absehbar, und es gibt auch
keinerlei neue Initiativen auf der europäischen Ebene,
die Wirtschaft in diesen Ländern nachhaltig und massiv
anzukurbeln.
Herr Kollege Tiefensee, ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Ich war einer der Ersten, die mit Vertretern
der Wirtschaft nach Griechenland gefahren sind, um das
Thema „Tourismus“ dort aktiv voranzubringen. Wir hatten zahlreiche Besprechungen auf beiden Seiten. Das
war nicht so ganz einfach; aber wir haben jetzt deutliche
Erfolge zu verzeichnen. Die Entwicklung dort zieht
deutlich an. Das ist auch auf diese Kontakte zurückzuführen. Die deutsche Tourismuswirtschaft arbeitet mit
der griechischen inzwischen sehr eng zusammen. Bundesminister Rösler hat im Nachgang seiner Reisen ständig neue Kontakte geschaffen. Ich darf auch meinen
Kollegen „Fuchtelos“ nennen, der in Griechenland sehr
aktiv unterwegs ist. Es gab also eine ganze Fülle von
Maßnahmen. Das bezieht sich auf die europäische
Ebene.
Ich stimme Ihnen völlig zu: Natürlich werden wir
jetzt, auch was Zypern betrifft, alle Möglichkeiten nutzen. Ich betone: Gerade im Hinblick auf Zypern spielt
das Thema Tourismus eine große Rolle. Auch das
Thema Energie kann eine große Rolle spielen. Dabei
wird sich das Bundeswirtschaftsministerium natürlich
aktiv um Kontakte bemühen, und es wird aktiv seine
Hilfe anbieten, so wie es bei Griechenland geschieht.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, in Bezug auf Zypern ist doch die
Frage - das gilt für andere, insbesondere südeuropäische
Länder gleichermaßen -, ob der Aspekt der wirtschaftlichen Entwicklung durch die EU-Staaten, also auch
durch die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin,
nicht mit viel mehr Akribie vorangetrieben werden
müsste, zum Beispiel, indem sich die Wirtschaftsminister ähnlich wie die Finanzminister um konkrete Strategien und Maßnahmen bemühen, um konkrete Förderprogramme seitens der EU auf den Weg zu bringen, die es
möglich machen, dass diese Staaten zu einer wirtschaftlichen Entwicklung kommen.
Ich kann nicht erkennen, Herr Staatssekretär, dass
durch die Entwicklung des Tourismus in Zypern ein Defizit, das mittlerweile auf 23 Milliarden Euro etatisiert
wird, abgebaut werden kann und dass gleichzeitig eine
selbsttragende Wirtschaft in einem überschaubaren Zeitraum entsteht. Was genau tut die Bundesregierung und
was tun die EU-Mitgliedstaaten, um diesen Aspekt der
wirtschaftlichen Entwicklung voranzutreiben? Ich bin
mir bewusst, dass das nicht gerade oben auf der Agenda
steht - Deauville lässt grüßen! -; eher geht es um Sparen, Austerität und Sanktionen. Dennoch interessiert
mich, ob nicht diesem Aspekt noch viel stärker Rechnung getragen werden müsste.
Herr Kollege Tiefensee, ich glaube, man kann das
nicht mit viel mehr Akribie tun, als wir - die Bundeskanzlerin, der Bundeswirtschaftsminister, die Bundesregierung insgesamt - das bei Griechenland getan haben
und nach wie vor tun. Wir stellen fest, dass die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands - dasselbe gilt für Zypern äußerst schwach entwickelt ist. Unser Ansatz ist: Wir
müssen die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Da haben wir
in Griechenland inzwischen gute Erfolge.
Über Zypern werden wir morgen in diesem Hohen
Hause abstimmen. Dann werden natürlich ganz schnell
auch in unserem Hause alle Möglichkeiten eruiert, wie
wir mit viel Akribie - ich nehme Ihr Wort gern auf - darangehen können, die Wettbewerbsfähigkeit Zyperns zu
stärken; denn es ist völlig klar: Die ehrgeizigen Pläne
können nur gelingen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit in
verschiedenen Bereichen gestärkt wird. Ich habe den
Tourismus deshalb genannt, weil der Tourismus im Augenblick wahrscheinlich der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Zypern ist.
Wir kommen damit zur Frage 3 - auch diese stellt der
Kollege Wolfgang Tiefensee -:
Teilt das Bundeswirtschaftsministerium die von der Europäischen Zentralbank, EZB, in ihrem aktuellen Monatsbericht
getroffene Einschätzung, dass erhöhte Risiken für eine rasche
Konjunkturerholung im Euro-Raum bestehen, und welche
Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dieser Entwicklung gegenzusteuern?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Danke, Frau Präsidentin. - Die EZB schätzt in ihrem
aktuellen Monatsbericht, dass das Bruttoinlandsprodukt
im Euro-Raum im vierten Quartal 2012 gegenüber dem
dritten Quartal real um 0,6 Prozent zurückgegangen ist;
allerdings werde sich die seit Sommer 2012 anhaltende
Aufhellung an den Finanzmärkten positiv auf die Realwirtschaft auswirken.
Die Bundesregierung teilt die Einschätzung der EZB,
dass nach wie vor Abwärtsrisiken für die Konjunktur im
Euro-Raum bestehen. Die Bundesregierung setzt sich
dafür ein, dass die bestehenden Instrumente für eine
wachstumsfreundliche Konsolidierungspolitik und
Strukturreformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit konsequent angewendet werden, damit die EuroZone zügig auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zurückkehrt.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, meine Nachfrage
schließt an das an, was wir gerade bei der Frage 2 diskutiert haben. Jetzt geht es um den Euro-Raum insgesamt.
Wenn die dunklen Wolken, die die EZB beschreibt,
auf Europa und mithin auch auf Deutschland zukommen, dann kann doch die Antwort nicht sein, dass wir
mit den bestehenden Instrumenten versuchen, dem entgegenzuwirken. Ich fange bei dem deutschen Förderprogramm GRW an: minimiert im Ausgabevolumen.
Forschungsförderung: nicht umgesetzt, also die Innovationskraft der Wirtschaft zu wenig angeheizt.
Wie gedenkt die Bundesregierung durch zusätzliche
Maßnahmen, durch Prioritätensetzung, gegebenenfalls
auch Verschiebungen innerhalb des Haushalts, aber auch
durch Impulse auf der europäischen Ebene die wirtschaftliche Entwicklung, die Steigerung der Wertschöpfung in Deutschland und vor allen Dingen in unseren
Nachbarländern anzuregen? Wir sind uns ja wohl einig:
Eine exportorientierte Nation wie Deutschland hängt essenziell an der Wirtschaftskraft der Euro-Zone bzw. der
europäischen Nachbarstaaten.
Herr Kollege Tiefensee, zunächst will ich noch einmal betonen: Auch die EZB geht von einer Aufhellung
aus, ohne dass sie dabei die Risiken unterschätzt. Ich
habe deutlich gesagt: Risiken wollen auch wir nicht ausschließen, aber es gibt durchaus Grund zu Optimismus.
Ich will wiederholen, was ich Ihnen heute Morgen
schon im Wirtschaftsausschuss gesagt habe: Deutschland steht im europäischen Vergleich sehr gut da. Unser
oberstes Ziel in Deutschland bleibt die Haushaltskonsolidierung. Wir wollen aufhören mit dem Schuldenmachen. Das hat natürlich auch für die Haushalte Konsequenzen. Wir sehen an unseren Wirtschaftsdaten, dass
wir das höchste Wachstum unter den vergleichbaren
Ländern haben.
Wir setzen, so wie ich das gerade gesagt habe, auch
im europäischen Rahmen auf Schuldenabbau; denn die
viel zu hohen Schulden sind der eigentliche Grund für
die ganze Krise. Wir setzen auf Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Da sind wir in Europa aktiv. Das machen
wir bilateral mit allen Ländern. Wenn wir uns manche
Länder anschauen, sehen wir: Wir haben da auch schon
erste Erfolge. - Ich glaube, das ist wirklich der richtige
Weg, den wir entschlossen weiter beschreiten werden.
Dies bedeutet natürlich auch, dass wir den Ländern helfen. Wir wissen aber, dass zum Beispiel europäische
Strukturmittel zum Teil gar nicht abgerufen wurden.
Hier haben wir Änderungen vorgenommen. Aber generell führt nichts an einer Konsolidierung und einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit vorbei.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die Finanzierung des Mittelstandes
sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen
Union. Momentan haben wir die Lage zu verzeichnen,
dass auf der einen Seite Liquidität aus den südeuropäischen Ländern nach Deutschland abgezogen wird und
dass auf der anderen Seite diese Staaten im Hinblick auf
ihre Konsolidierungsprogramme über die EZB finanziert
werden.
Noch gibt es beim Mittelstand keinen Engpass, was
die mittelfristigen Kredite angeht. Aber es deutet sich an,
dass wir zum einen in der Zukunft weniger Langfristkredite generieren können und zum anderen die Liquidität
aus den südeuropäischen Staaten herausziehen, was im
Zusammenhang mit Basel III natürlich dazu führen wird
- auch die südeuropäischen Länder müssen sich an diese
Regeln halten -, dass dort Liquidität für die wirtschaftliche Entwicklung fehlt. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Perspektive für den Mittelstand?
Herr Kollege Tiefensee, die Finanzierungssituation
des Mittelstandes in Deutschland ist im Augenblick gut.
Dazu trägt insbesondere bei, dass die Eigenkapitalbasis
des Mittelstandes von unter 10 Prozent noch vor fünf
Jahren auf deutlich über 20 Prozent gestiegen ist. Dies
ist die allerwichtigste Voraussetzung für eine gute Situation des Mittelstandes.
Was die Kreditversorgung durch die Banken betrifft,
ist die Lage nach wie vor ebenfalls völlig entspannt. Es
ist uns ja nach allem, was man jetzt weiß, auch gelungen,
Basel III einige Zähne zu ziehen, sodass auch dort der
klassische Mittelstandskredit, wie wir ihn bisher kennen,
nicht mit höherem Risiko unterlegt wird und deshalb
auch die langfristigen Kredite in der Zukunft weiter bestehen werden. Daher bin ich sehr optimistisch, dass wir
hier keine Finanzierungsprobleme bekommen. Dies gilt
jedenfalls für Deutschland; in anderen Ländern Europas
mag es anders aussehen.
Ich will aber auch Folgendes deutlich sagen: Wir
müssen alles tun, um zu verhindern, dass wir durch Steuererhöhungen und andere Dinge die Eigenkapitalbasis
des Mittelstandes schwächen. Das wäre das eigentliche
Einfallstor für Probleme. Deshalb haben wir auch eine
klare Position, mit der wir signalisieren, dass dies bei
uns nicht geschieht.
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Dr. Martin
Schwanholz auf:
Wie viele Wasserbetriebe und Gesundheitsdienste, hier
insbesondere Krankenhäuser und Altenheime, in Deutschland, die sich nach aktuellem Stand bereits für eine Einbindung privater Partner entschieden haben, werden nach Kenntnis der Bundesregierung als Konsequenz der europäischen
Richtlinie über die Konzessionsvergabe und daraus notwendiger Umstrukturierungen von ({0})öffentlich getragenen Einrichtungen zukünftig zur Ausschreibung verpflichtet sein, und
welche Mehrkosten für die Kommunen im Bereich Daseinsvorsorge sind hieraus nach Kenntnis der Bundesregierung zu
erwarten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Schwanholz, schon derzeit muss nach der einschlägigen Rechtsprechung die Erteilung von Dienstleistungskonzessionen durch öffentliche Auftraggeber an
Dritte grundsätzlich in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren erfolgen. Ob eine Ausschreibung auf der Basis der geplanten Richtlinie erfolgen müsste, hängt ganz wesentlich von der Gestaltung
im Einzelfall ab. Vor diesem Hintergrund lassen sich
beim besten Willen keine verlässlichen Aussagen zur
Anzahl der betroffenen Fälle treffen. Unabhängig davon
kann allerdings - auch dies möchte ich deutlich machen ein wettbewerbliches Verfahren zu niedrigeren Preisen
für Verbraucher führen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank für die Beantwortung, Herr Staatssekretär. - Ich habe eine Nachfrage. Es ist unzweifelhaft, dass
die Gefahr besteht, dass wir im Bereich Vergabe - Stichwort Baukonzession, Stichwort Rüffert-Urteil - in der
beabsichtigten Richtlinie auch Lohndumpingtendenzen
intendieren. Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit im Zuge dieser Richtlinie die Tariflöhne
vor Ort eingehalten werden, und ist der Beitritt zur ILO29102
Konvention Nr. 94 eventuell eine Option für die Bundesregierung?
Lieber Herr Kollege Dr. Schwanholz, wir befinden
uns zurzeit im Verfahren; im Rahmen der nächsten Frage
kommen wir dann auch noch darauf zu sprechen. Ich betone erneut, weil es in der öffentlichen Diskussion zum
Teil mit einem völlig anderen Zungenschlag läuft, dass
die Dienstleistungskonzessionsrichtlinie sinnvoll ist.
Aufgrund der Fülle an Rechtsprechung in diesem Bereich ist es sinnvoll, diese Punkte in Gesetzesform zu
kleiden. Dies erhöht das Vertrauen und die Verlässlichkeit. Über die kritischen Punkte, auf die wir wahrscheinlich noch zu sprechen kommen werden, sind wir im ständigen Gespräch. Aber ich glaube, wir sind im
Augenblick auf einem guten Weg.
Ich kann Ihnen zu Ihrer konkreten Frage nur sagen,
dass wir alles das, was uns betrifft, dort in den Prozess
einbringen. Wir befinden uns im Trilogverfahren, und da
haben wir über die Ratspräsidentschaft und über das Europäische Parlament natürlich noch weitere Möglichkeiten.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. - Sie
verzichten.
Dann kommen wir zur Frage 5:
Wie ist der aktuelle Stand der Trilogverhandlungen, besonders bezüglich gelöster Kontroversen und noch offener
Diskussionspunkte, und wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Schwanholz, ich habe die Trilogverhandlungen bereits angesprochen. Für diejenigen, die
sich auf diesem Gebiet nicht auskennen, sei gesagt: Das
sind die Verhandlungen zur Konzessionsrichtlinie zwischen Rat, Europäischem Parlament und Europäischer
Kommission; sie laufen seit Anfang März dieses Jahres.
Derzeit liegt den Mitgliedstaaten noch kein neuer Textvorschlag vor. Die Vorschriften zur öffentlich-rechtlichen Zusammenarbeit, die unter anderem den Bereich
der Wasserversorgung berühren können, waren noch
nicht Gegenstand der Verhandlungen. Die Verhandlungspartner streben nach eigenen Angaben einen Abschluss der Verhandlungen noch im ersten Halbjahr 2013
an.
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich habe eine
ganz kurze Nachfrage: Auf welcher Ebene führt die
Bundesregierung die Verhandlungen, auf Staatssekretärsebene oder auf Abteilungsleiterebene?
Ich müsste Ihnen die Antwort nachreichen, Herr
Dr. Schwanholz.
Gut.
Wir sind natürlich im ständigen Diskussionsprozess
mit den Fachleuten. Wenn es um Punkte geht, bei denen
unsere Interessen besonders berührt sind, sind wir hochrangig vertreten. Die genaue Antwort reiche ich Ihnen
aber gerne nach.
Das halten wir fest. - Haben Sie eine zweite Nachfrage?
Ich will noch die folgende Nachfrage anschließen:
Sind Sie auch der Auffassung wie wir, dass wir aufgrund
der Bedeutung, die wir der Sache beimessen, den Verhandlungen Nachdruck verleihen müssen? Darüber muss
natürlich hochrangig verhandelt werden, weil die Existenz und die Interessen sehr vieler Menschen vor Ort,
also auch in den Kommunen, betroffen sind.
Da kann ich Ihnen nur zustimmen, und das tun wir
auch. Wir sind übrigens im ständigen Gespräch mit den
Kommunen und haben das auch hier im Hohen Hause
diskutiert. Wir alle wollen zu einer guten Lösung kommen. Mit den Ankündigungen von Kommissar Barnier,
auf die deutsche Position einzugehen, haben wir auch
schon einen ersten Erfolg erzielt, der aber noch nicht zu
einer konkreten Festlegung geführt hat. Aber wir gehen
fest davon aus, dass dies so kommen wird.
Danke, Herr Staatssekretär. - Die Frage 6 der Kollegin Bärbel Höhn sowie die Fragen 7 und 8 der Kollegin
Viola von Cramon-Taubadel sollen schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Cornelia Pieper zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Dr. Rolf Mützenich
auf:
Beurteilt die Bundesregierung die arabische Halbinsel als
Spannungsgebiet und, wenn nein, warum nicht?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr
Abgeordneter, ich antworte auf Ihre Frage wie folgt: Die
arabische Halbinsel umfasst, wie Sie wissen, die sechs
Staaten des Golfkooperationsrates und die Republik
Jemen. Sie ist kein homogenes Gebilde: Sehr reiche,
kleine Golfstaaten wie der Staat Katar stehen einem fragilen Staatsgebilde wie Jemen gegenüber. Die politische
Lage in diesen Ländern und die jeweiligen regionalen
Herausforderungen, denen sie gegenüberstehen, müssen
daher jeweils anlassbezogen und im Einzelfall beurteilt
werden.
Die Bundesregierung unterhält enge Beziehungen zu
den Staaten des Golfkooperationsrates und zu Jemen.
Länder wie das Königreich Saudi-Arabien, das zu den
G 20 gehört, und die Vereinigten Arabischen Emirate
sind in einer Vielzahl regionaler und internationaler Fragen wichtige Partner Deutschlands - politisch, wirtschaftlich sowie bei der Bekämpfung des internationalen
Terrorismus.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. - Ihnen wird bekannt sein, aber vielleicht nicht der Öffentlichkeit, worauf sich diese Frage letztlich bezieht. Der frühere Außenminister Genscher hat ja die Bundesregierung
aufgefordert, keine Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, weil es sich um ein Spannungsgebiet handele. Ich
nehme an, dass diese Expertise auch bei Ihnen zumindest zur Kenntnis genommen worden ist. Ob sie zu Konsequenzen führt, ist eine zweite Sache. Aber wenn es
sich nicht um ein Spannungsgebiet handelt, wie Sie hier
kundgetan haben: Wie interpretieren Sie denn dann die
vorhandenen Grenzkonflikte, die Saudi-Arabien mit
Nachbarstaaten hat, die Territorialkonflikte im Persischen Golf, die Machtkonflikte zwischen einzelnen Ländern und insbesondere das Vorhandensein von inneren
Unruhen? Ist das nicht par excellence ein Spannungsgebiet?
Sie wissen, dass ich die Meinung des früheren Bundesaußenministers, Hans-Dietrich Genscher, sehr
schätze. Trotzdem können wir uns hier im Deutschen
Bundestag beim Thema Rüstungsexporte nicht über Spekulationen unterhalten. Sie spielen auf Medienberichte
über Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien an. Ich kann
Ihnen nur sagen, dass dies, wie Sie wissen, der Geheimhaltung unterliegt. Der Deutsche Bundestag wird durch
den jährlichen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung umfangreich informiert.
Saudi-Arabien spielt bei der Lösung regionaler Konflikte eine zentrale Rolle. Auch das wissen Sie. SaudiArabien hat 2002 die sogenannte Arabische Friedensinitiative für den Nahen Osten initiiert und hat damit auch
zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den arabischen Staaten und Israel beigetragen. Saudi-Arabien
hat aber auch bei den Bemühungen um einen friedlichen
und geordneten Machtwechsel im Jemen eine wichtige
Rolle gespielt. Die Tatsache, dass der ehemalige jemenitische Staatspräsident Ali Abdullah Salih in einen
Machtverzicht eingewilligt hat, war wesentlich darauf
zurückzuführen, dass Saudi-Arabien seinen Einfluss dort
geltend gemacht hat.
Sie kennen auch die kritische Haltung Saudi-Arabiens
- diese ist uns ebenfalls wichtig - gegenüber dem AssadRegime in Syrien. Diese Position ist für einen klaren
Kurs der Arabischen Liga entscheidend. Saudi-Arabien
hat sich international frühzeitig dafür eingesetzt, dass
auf Syrien politischer Druck ausgeübt wird, um die dortigen Repressionen zu beenden. Ich kann die Befürchtungen, die Sie hier äußern, also nicht teilen.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Frau Staatsministerin, ich habe diese Ansicht nicht für
mich selbst, sondern in Vertretung für viele andere Expertinnen und Experten geäußert. Deswegen noch einmal die Frage: Können Sie hier im Deutschen Bundestag
darlegen, dass Saudi-Arabien allein friedliche Beziehungen insbesondere in seiner unmittelbaren Nachbarschaft
pflegt? Gibt es also keine Grenzkonflikte, keine Territorialkonflikte und keine Machtkonflikte mit benachbarten
Staaten? Hat Saudi-Arabien bisher keine Waffen in andere Gebiete geliefert?
Wie Sie wissen, ist die Lage in der Region sehr kompliziert. Ich sage noch einmal: Wir sind auf eine enge
Kooperation mit Saudi-Arabien angewiesen, was die Sicherung von Grenzen angeht. Herr Abgeordneter, Sie
wissen weiterhin, dass Saudi-Arabien immer klar dargelegt hat, dass es keine Konfrontation mit dem Iran beabsichtigt. Das gilt im Übrigen auch umgekehrt. Es gibt
viele Beispiele von derartigen Äußerungen seitens der
saudi-arabischen Regierung.
Wir sind uns aber auch bewusst, dass es in dem Land
schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte gibt.
Die Bundesregierung spricht dieses Thema nicht nur bilateral, sondern auch auf internationalen Begegnungen
ständig an. Ich glaube, es ist wichtig, dass man das eine
tut, ohne das andere zu lassen.
Wir kommen zur Frage 10 des Kollegen Dr. Rolf
Mützenich:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Lieferung
von hochmodernen Kampfpanzern Leopard 2A7+ zur Entspannung der sicherheitspolitischen Lage auf der arabischen
Halbinsel beiträgt?
Bitte, Frau Staatsministerin.
Herr Abgeordneter Mützenich, ich dachte, ich hätte
die Frage eigentlich schon beantwortet. Wenn Sie wollen, wiederhole ich gerne noch einmal den Stand der
Dinge, den auch Sie kennen.
Wir können uns bei der Diskussion über das Thema
Rüstungslieferungen - der Bundessicherheitsrat nimmt
dieses Thema sehr ernst; deswegen gilt hier auch die entsprechende Geheimhaltungsstufe - nicht auf Anspielungen in den Medien beziehen. Ich verweise noch einmal
auf den Rüstungsexportbericht, der Ihnen vorgelegt
wird.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank. - Sie haben sowohl in Ihrer vorherigen
als auch in Ihrer jetzigen Antwort kundgetan, dass es um
Geheimhaltung geht. Daher würde ich mit Genehmigung
der Präsidentin gern aus einem Interview der Tageszeitung Die Welt vom 16. April 2013 zitieren, im Rahmen
dessen der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU zu den
Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien befragt worden
ist. Der erste Satz seiner Antwort auf die entsprechende
Frage lautete: „Es gibt noch keine Entscheidung der
Bundesregierung.“
Mir ist natürlich aufgefallen, dass diese Äußerung mit
der Geheimhaltung, die die Bundesregierung immer
wieder betont, offensichtlich nicht in Deckung zu bringen ist. Zumindest wird der Fraktionsvorsitzende von irgendjemandem informiert worden sein. Sie sollten versuchen, herauszufinden, ob möglicherweise ein Mitglied
des Bundessicherheitsrates den Fraktionsvorsitzenden
nicht nur informiert, sondern auch legitimiert hat, diese
Aussage in einem Interview zu machen.
({0})
Ich möchte darauf antworten, Herr Abgeordneter,
dass wir uns hier nicht zu Spekulationen äußern. Ich
kann nicht erkennen, dass die Worte des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn Kauder, dem, was ich vorweg gesagt habe, widersprechen.
Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage.
Ich habe natürlich gehofft, dass der Deutsche Bundestag in den Entscheidungsfindungsprozess über mögliche
Rüstungslieferungen einbezogen werden soll; das hat der
Fraktionsvorsitzende Kauder auch durchaus reklamiert.
Die Chance dazu hätte ich an Ihrer Stelle wahrgenommen; das wäre eine positive Aussage gewesen, die Sie in
Bezug auf das Interview hätten machen können. Sie sagen, es seien Spekulationen. Das sind aber keine Spekulationen. Noch einmal: Herr Kauder sagt, es gebe noch
keine Entscheidung der Bundesregierung. Stimmt das?
Sie wissen, Herr Abgeordneter, in Bezug auf die Einbeziehung des Parlaments in Entscheidungen zu Rüstungsexporten wird eine offene Diskussion im zuständigen Ausschuss geführt. Dieser will ich jetzt nicht
vorgreifen. Das gehört zur Entscheidungsfindung des
Deutschen Bundestages. Ich kann Sie nur darauf hinweisen, dass Sie die Chance nutzen sollten, Herrn Kauder
persönlich anzusprechen und nach seinen Worten zu befragen. Ich kann nicht einfach für ihn antworten, denke
aber, dass meine Antwort sich mit dem, was Herr
Kauder Ihnen antworten würde, deckt.
Die Kollegin Inge Höger hat das Wort zu einer weiteren Nachfrage.
({0})
Frau Staatsministerin Pieper, Sie sagen, es sei noch
keine Entscheidung gefallen, und alles sei ganz geheim.
({0})
Ich habe daher eine Nachfrage zur Sicherheitslage in der
Region.
Auf der einen Seite haben Sie auf Nachfrage immer
wieder - auch mir - gesagt, dass insbesondere Deutschland für die Sicherheit Israels eine ganz besondere Rolle
spielt. Auf der anderen Seiten sagen Sie jetzt, dass auch
Saudi-Arabien ein Sicherheitsfaktor in der Region sei;
das bezweifle ich allerdings sehr. Ich möchte vor diesem
Hintergrund wissen: Besteht die Möglichkeit eventueller
Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, obwohl die Golfkooperationsstaaten den Staat Israel bisher nicht anerkannt haben?
Frau Abgeordnete, Sie versuchen hier über Umwege,
eine Antwort auf Fragen zu bekommen,
({0})
die ich Ihnen hier in diesem Hause nicht geben kann und
auch nicht geben werde. Ich möchte Sie außerdem bitten, mich nicht mit Worten zu zitieren, die ich gar nicht
gesagt habe. Die Worte, die Sie hier genannt haben,
stammen aus einem Interview mit Herrn Kauder. Deswegen kann ich nicht bestätigen, dass irgendeine Entscheidung getroffen worden ist.
Danke, Frau Staatsministerin. - Die Frage 11 der Kollegin Sevim Dağdelen soll schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Die Frage 12 des Kollegen Andrej Hunko und die
Frage 13 des Kollegen Tom Koenigs sollen schriftlich
beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz.
Die Frage 14 des Kollegen Tom Koenigs und die
Frage 15 des Kollegen Hans-Christian Ströbele sollen
schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht der Parlamentarische Staatssekretär Steffen
Kampeter zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 16 des Kollegen Dr. Hermann
E. Ott:
Wann ist mit dem Bewirtschaftungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen, BMF, zum Energie- und Klimafonds zu rechnen, das üblicherweise Ende Dezember/Anfang
Januar vorliegt und spätestens für Ende März 2013 vorgesehen war, und wie bewertet die Bundesregierung das Nichtvorliegen des Berichts angesichts dessen, dass die Fachressorts
ihre für 2013 geplanten Programme erst starten können, wenn
das Bewirtschaftungsschreiben des BMF vorliegt, und dies
faktisch einen Förderstopp für die Programme bedeutet, die
nicht auf rechtlich bindenden Zusagen aus den letzten Jahren
beruhen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Kollege Ott, ich kann Ihnen sagen, dass das Bewirtschaftungsschreiben gestern versandt worden ist. Es ist umfassend veröffentlicht und dem Parlament zur Verfügung
gestellt worden. Insoweit ist eine Bewertung, warum es
noch nicht vorliegt, entbehrlich.
Haben Sie eine Nachfrage? ({0})
- Kollege Oppermann, könnten Sie das mit den Terminplanungen irgendwie anders lösen, damit es nicht ins
Protokoll kommt?
({1})
Gleichwohl kommen wir nun zur Nachfrage des Kollegen Ott.
Darf ich um eine Neujustierung der Uhr bitten? Danke schön.
Herr Kollege Kampeter, vielen Dank, dass das Bewirtschaftungsschreiben gestern endlich vorgelegt worden ist. Als ich die Frage abgefasst hatte, war das noch
nicht der Fall. Normalerweise kommt es im Januar, dann
war es für März angekündigt, jetzt kam es eben erst im
April; aber es sind ja auch schwierige Zeiten.
Gestern gab es die Entscheidung des Europäischen
Parlaments zum Backloading. Man muss sagen: Es ist
eine Katastrophe, ein Tiefpunkt der europäischen Klimaund Energiepolitik. Kurz darauf fiel der Zertifikatepreis
auf 2,90 Euro. Das BMF geht in seinem Schreiben von
einem Preis von 4,50 Euro aus. Der niedrigere Zertifikatepreis wird natürlich Konsequenzen haben. Meine
Frage: Befürwortet das BMF eine Stützung des Emissionshandels, des Zertifikatepreises? Unterstützen Sie Ihren Kollegen Peter Altmaier?
Herr Kollege Ott, zunächst einmal weise ich darauf
hin, dass das Europäische Parlament gestern keine endgültige Entscheidung hinsichtlich einer Neujustierung
des Zertifikatehandels getroffen hat. Wie ich auch nach
Rücksprachen mit Kollegen aus dem EP erfahren habe,
hat es lediglich eine Rücküberweisung der Vorlage in die
Ausschüsse gegeben. Wir werden jetzt - ich denke, auch
aus Respekt vor der Entscheidungskompetenz anderer
Parlamente - das Ergebnis der neuerlichen Beratungen
in den Ausschüssen abwarten müssen.
Es ist richtig, dass wir in unseren Planungen zu den
Einnahmen des EKF zum gegenwärtigen Zeitpunkt von
einem Zertifikatepreis von 4,50 Euro ausgehen. Daraus
ergäbe sich eine Einnahme von knapp 900 Millionen
Euro für den EKF. Hinzu kommen die Rücklagen. Hinzu
kommt auch, dass der Verwaltungsrat der Kreditanstalt
für Wiederaufbau in dieser Woche einen Betrag von
311 Millionen Euro für Maßnahmen im Bereich Energie
und Klima zur Verfügung gestellt hat, sodass wir im laufenden Jahr knapp 1,4 Milliarden Euro für diesen Programmbereich zur Verfügung stellen können. Dies halte
ich nicht nur für einen respektablen Geldbetrag, sondern
auch für ein wirksames Signal, dass die Bundesregierung die Energie- und Klimaschutzmaßnahmen, auch gefördert aus öffentlichen Mitteln, ernst nimmt.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Vielen Dank für die ausweichende Antwort, Herr
Kampeter. Ich wiederhole die Frage: Hält das BMF eine
Stützung des Emissionshandels für notwendig?
Zweite Frage: Wird denn die Tatsache, dass wir mit
einem Zertifikatepreis von im Mittel vielleicht 3 Euro
rechnen können, Einfluss auf die Bereitstellung weiterer
Mittel haben? - Ursprünglich waren für den Fonds
2 Milliarden Euro veranschlagt. Jetzt sind wir, wie Sie
sagen, bei 1,4 Milliarden Euro. Wahrscheinlich wird es
nur 1 Milliarde Euro sein. Sie werden also über weitere
Anpassungen nachdenken müssen. Wie stellen Sie sich
darauf ein?
Herr Kollege Ott, erst einmal halte ich fest: Im Jahr
2013 stehen im Vergleich zu den bisher den Fachressorts
zugewiesenen Mitteln 500 Millionen Euro zusätzlich zur
Verfügung. Nun ist meine Tätigkeit im Umweltausschuss irgendwann in den 90er-Jahren ausgelaufen;
({0})
ich bin dann in ein anderes Feld der Nachhaltigkeit gewechselt. Dennoch halte ich 500 Millionen Euro zusätzlich für eine nicht zu vernachlässigende Größe.
Zweiter Hinweis. Natürlich sind die Bundesregierung
und der Finanzminister froh, wenn der Zertifikatepreis
höher ist, als er beispielsweise heute ist. Sie haben eine
Momentaufnahme geschildert: Marktinterventionen, die
Unsicherheiten aufgrund der Beschlusslage des Europäischen Parlamentes. Das darf aber nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass wir deswegen einen durchschnittlichen Zertifikatepreis von 3 Euro haben. Wir halten an
unserer Schätzung von 4,50 Euro fest, die uns als Grundlage dient. Ich sehe auch keine Notwendigkeit, vor dem
Deutschen Bundestag in dem von Ihnen beschriebenen
Sinne Spekulationen anzustellen, was passieren könnte,
wenn unsere Vorhersage nicht eintritt. Wir halten sie für
valide.
Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Doris Barnett, die
Fragen 19 und 20 der Kollegin Dr. Barbara Höll sowie
die Fragen 21 und 22 des Kollegen Dr. Axel Troost zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen
sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Manfred Kolbe
auf:
In welcher Höhe hat sich das deutsche Haftungsrisiko von
rund 350 Milliarden Euro aus den Euro-Rettungspaketen und
rund 400 Milliarden Euro aus TARGET-Verbindlichkeiten bis
heute bereits realisiert bzw. wird sich bis Ende 2013 realisieren?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Kollege Kolbe fragt nicht nur nach dem Risiko, sondern auch danach, ob der deutsche Steuerzahler Zahlungen zu befürchten hat. Meine Antwort ist: Bis heute hat
sich keines der von Ihnen beschriebenen mit den Rettungspaketen verbundenen Risiken realisiert. Auch in
Bezug auf die TARGET-Verbindlichkeiten gibt es keinerlei Zahlungsverpflichtung.
Sie beschreiben, dass es dort Risiken gibt - das ist
richtig -, aber ich möchte Ihnen darauf antworten:
Wir haben eine kluge Politik zur Stabilisierung des
europäischen Währungsgebietes verfolgt, die zu einer
sinkenden Risikowahrnehmung auf den internationalen
Kapitalmärkten geführt hat. Der Einsatz von deutscher
und europäischer Wirtschaftskraft hat zur Stabilisierung
beigetragen. Keines der Risiken hat sich in dem von Ihnen hier beschriebenen Volumen realisiert.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Dass sich das Risiko in dem Volumen noch nicht realisiert hat, ist mir bekannt. Habe ich Ihre Antwort richtig verstanden: Bisher hat sich noch kein Haftungsrisiko
realisiert? Kein einziger Euro?
Bislang ist es weder zu einer Inanspruchnahme der
deutschen Gewährleistung gegenüber der EFSF gekommen noch zu Verlusten seitens des ESM. Die Antwort
lautet also: null.
Sie haben keine zweite Nachfrage? - Dann kommen
wir zu Ihrer zweiten Frage.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Kolbe auf:
Wie will die Bundesregierung im Ernstfall ohne einen
Rückgriff auf inländische Spareinlagen diese Haftung finanzieren?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Der Fragesteller hat einen Zusammenhang zwischen
einem Ernstfall und den inländischen Spareinlagen hergestellt. Herr Kollege Kolbe, der Ernstfall ist nicht eingetreten, und wir sind relativ erfolgreich darin, den von
Ihnen befürchteten Ernstfall zu vermeiden. Es gibt keinen sachlichen Zusammenhang zwischen den Gewährleistungen, die Sie in der Frage 23 ansprechen - also
Rettungsschirme, Zahlungsverkehrssalden der Europäischen Zentralbank -, und den inländischen Spareinlagen.
Es gibt Menschen, die zur Verunsicherung beitragen.
Das unterstelle ich Ihnen nicht. Aber ich lege sehr viel
Wert darauf, von einer solchen Verunsicherung der deutschen Sparerinnen und Sparer abzusehen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Die Regierung eines Landes wie Deutschland, das für
350 Milliarden Euro bürgt - das ist der derzeitige
Stand, der Umfang unserer Garantieversprechen ohne
TARGET-Verbindlichkeiten -, muss sich darüber Gedanken machen, wie es die gegebene Garantie im Haftungsfall bedient.
Jeder Bürge muss sich Gedanken machen, wie er im
Bürgschaftsfall die Forderungen bedient. Um ein Beispiel zu nennen. Ein netter Nachbar bittet Sie darum, für
eine halbe Million zu bürgen. Das ist ein Betrag, den Sie
durch Ihr laufendes Einkommen nicht decken können.
Deswegen werden Sie sich, bevor Sie Ja sagen, Gedanken machen: Wie kann ich die Forderung bedienen?
Mich interessieren die Gedanken der Bundesregierung
für den Bürgschaftsfall, den Sie ja nicht ausschließen
können.
Herr Kollege Kolbe, Sie geben eine verkürzte Interpretation der Rechtsgüterabwägung der Bundesregierung
zum Schutze der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ab. Mit der Übernahme von Bürgschaften gegenüber der EFSF oder Eigenkapitalleistungen gegenüber
dem ESM war beabsichtigt, das Risiko des Zusammenbruchs und die damit verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Folgen, die sich aus einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone und der europäischen Integration für
die deutsche Volkswirtschaft insgesamt, aber auch für
viele deutsche Arbeitsplätze sehr konkret ergaben, abzuwenden.
Das heißt, das ist eine Investition in Sicherheit. Es
wird nicht versucht, dieses Risiko in irgendeiner Art und
Weise zu realisieren, sondern mit der Etablierung der
EFSF, also des zeitweiligen Rettungsschirms, und des
dauerhaften Rettungsschirms versuchen wir, Risiken
vom deutschen Volke abzuwenden. In regelmäßig stattfindenden Treffen mit den europäischen Partnern leisten
wir alles, was erforderlich ist, damit die Risiken sich
nicht realisieren. Die ersten Erfolge, beispielsweise die
Rebalancierung innerhalb der Euro-Zone, das Sinken der
aufgrund bestimmter Risiken erhobenen Zinszuschläge
oder auch der Rückgang der Budgetdefizite, belegen,
dass sich diese Politik der Übernahme von Verantwortung zum Schutze der deutschen Steuerzahler auszahlt.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, niemand bestreitet, dass die Bundesregierung sich seit Jahren in Europa sehr engagiert
für Stabilität einsetzt, dass sie bei dem Ringen darum
oftmals einen schweren Stand hat, auch nicht, dass sie
viele Erfolge zu verzeichnen hat. Das bestreitet niemand.
Trotzdem sage ich: Ich würde niemanden eine Bürgschaft oder ein Garantieversprechen unterschreiben lassen - das sage ich auch vor meinem beruflichen Hintergrund als Notar -, ohne ihm klarzumachen, dass er damit
rechnen muss, dass sich das Risiko realisiert. Damit
muss man immer rechnen, auch wenn wir alle hoffen,
dass es sich nicht realisiert. Das ist ja unbenommen.
Aber Sie müssen damit rechnen, dass es sich realisiert.
Was passiert dann? Wenn Sie auf diese Frage keine Antwort geben, leisten Sie Spekulationen Vorschub, die wir
alle nicht gerne hören.
Ich möchte zwischen uns jetzt keinen Streit über den
Gehalt spekulativer Fragen herbeiführen, sondern ich
möchte Ihnen unter Verweis auf die rechtlichen Gegebenheiten noch einmal klar und deutlich Folgendes sagen: Eine Bürgschaftsübernahme der Bundesrepublik
Deutschland im Zusammenhang mit der Euro-Integration setzt ebenso wie jedes normale Bürgschaftsgeschäft
voraus - eine solche Bürgschaftsübernahme gibt es ja
nicht nur im Zusammenhang mit der Euro-Integration,
sondern auch bezogen auf viele Unternehmen im inländischen wie im ausländischen Bereich -, dass die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme aus dieser Bürgschaft als niedrig einzuschätzen ist. Ansonsten wäre der
Gesetzgeber nach den Grundsätzen des Haushaltsrechtes
verpflichtet gewesen, eine direkte Zahlungsverpflichtung in den Bundeshaushalt aufzunehmen.
Dass die Eintrittswahrscheinlichkeit als gering eingeschätzt wird, habe ich in der Antwort auf Ihre Frage ausdrücklich bestätigt. Wir sind nicht in Anspruch genommen worden, und wir gehen nicht davon aus, zukünftig
in Anspruch genommen zu werden. Darüber hinaus tun
wir alles, damit die Leistungsfähigkeit der sogenannten
Programmstaaten gesteigert wird.
In den Diskussionen geht es jetzt darum, ob beispielsweise Irland und Portugal nach Auslaufen der Stabilisierungsprogramme aus der ihnen gewährten solidarischen
Hilfe der europäischen Partner aussteigen können. Das
macht deutlich: Wenn in einem Krisenfall Solidarität erforderlich ist, ist die Europäische Gemeinschaft dazu bereit, sofern es zu Verhaltensänderungen kommt, die zu
einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage führen.
Aus Sicht der Programmstaaten ist das so: Sie haben Solidarität erfahren, ihren Laden wieder auf Vordermann
gebracht und können jetzt die Früchte ernten. Irland und
Portugal haben eine gute Chance, sich in diesem respektive im nächsten Jahr wieder am Markt und damit ohne
europäische Solidarität zu finanzieren. So ist die Risikoabwägung der Bundesregierung zu verstehen.
Danke, Herr Staatssekretär. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel zur
Verfügung.
Die Frage 25 der Kollegin Veronika Bellmann soll
schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Andrej Hunko auf:
Inwiefern sieht die Bundesregierung ein Problem in der zu
geringen deutschen Lohnentwicklung im Verhältnis zur Pro29108
Vizepräsidentin Petra Pau
duktivitätsentwicklung und zu einer Inflationsrate im Einklang mit dem Preisziel der EZB ({0}), und inwiefern befürwortet sie eine
deutsche Lohnentwicklung nach dem Vorbild Frankreichs, die
die von EZB-Präsident Mario Draghi kritisierten Wettbewerbsnachteile und damit auch Ungleichgewichte in Europa
reduzieren würde?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Hunko, Sie greifen mit Ihrer Frage
volkswirtschaftliche Zusammenhänge auf. Deswegen
gebe ich Ihnen eine ganz grundsätzliche Antwort: Die
Lohnentwicklung liegt in der Bundesrepublik Deutschland in der Zuständigkeit der Tarifparteien, welche im
Rahmen der Tarifautonomie Tarifverträge schließen. Die
Bundesregierung bekennt sich ausdrücklich zu dieser
Tarifautonomie. Unbestritten zeigt die aktuelle Entwicklung, dass sie sich bewährt hat.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank. - Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Fuchtel, ich frage ja auch nach der Einschätzung der
Bundesregierung. Es gibt verschiedene Theorien bezüglich der Euro-Krise. Die Vorstellung der Bundesregierung ist, dass es sich um eine Staatsschuldenkrise handele, während es mehr und mehr Ökonomen gibt
- darauf bezieht sich auch meine Frage -, die sagen, dass
die Leistungsbilanzunterschiede innerhalb des EuroRaums einer der zentralen Punkte der Euro-Krise sind,
hier insbesondere die niedrige Lohnentwicklung in
Deutschland; Deutschland ist der einzige europäische
Staat, in dem sie so niedrig ist. Die Reallöhne in
Deutschland sind in den letzten zehn Jahren gesunken,
({0})
während sie in anderen europäischen Staaten gestiegen
sind. Dass dies in einem Währungsraum natürlich zu
Leistungsbilanzspannungen führt, liegt, glaube ich, auf
der Hand.
Daher stelle ich noch einmal die Frage: Wie schätzt
die Bundesregierung das ein? Glauben Sie, dass es sich
ausschließlich um eine Staatsschuldenkrise handelt, oder
sehen Sie in den Leistungsbilanzen, die auch durch die
Lohnentwicklung geprägt werden, eine der Ursachen der
Krise?
In Deutschland ist man nach unserer Auffassung einen sehr vernünftigen Weg gegangen. Dieses Thema bedarf differenzierterer Betrachtungen. Es ist richtig, dass
beispielsweise die Lohnquote Anfang der 2000er-Jahre
zurückgegangen ist, vor allem um 2005 herum. Das hat
seine Gründe gehabt; diese erläutere ich hier gern.
Aber der Rest Ihrer Fragestellung ist unzutreffend.
Wir haben, wenn man es differenziert betrachtet, eine
steigende Lohnquote. Ich kann es Ihnen zeigen.
({0})
Hier sehen Sie den Wert für 2005. Ab 2008 geht es wieder bergauf. Das ist der Sachverhalt. Insoweit gehen
viele der sich daran anschließenden Erörterungen in die
falsche Richtung.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
In Ihrer Antwort sprechen Sie von der Situation in
Deutschland. Ich hatte jedoch gezielt nach einer Einschätzung aus europäischer Sicht gefragt, weil Deutschland natürlich auch eine Verantwortung hinsichtlich der
Euro-Krise hat. Manche sagen, dass diese Niedriglohnpolitik in Deutschland mittlerweile eines der zentralen
Probleme des Euro-Raums ist.
({0})
Ich frage jetzt hierzu nicht noch einmal nach, sondern
frage in diesem Kontext nach Ihrer Bewertung der
Klage, die Belgien vor der EU-Kommission eingereicht
hat. Bei dieser Klage geht es auch um deutsches
Lohndumping, hier maßgeblich in der fleischverarbeitenden Industrie, in der Löhne von 3 bis 7 Euro pro
Stunde gezahlt werden. Das ist ja ein Teil der Niedriglohnpolitik in Deutschland. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Klage, die eingereicht worden ist?
Wie stehen Sie dazu?
Es ist schon ein weiter Denkvorgang, bis man bei den
Fragestellungen landet, die Sie jetzt hier angeschlossen
haben. Insoweit möchte ich noch einmal sagen: Die Zusammenhänge, die hier wichtig sind, sind ganz anderer
Natur. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, wie
sich die Lohnstückkosten entwickelt haben. Es geht auch
um Fragen von Zinsen und um sonstige Zusammenhänge im volkswirtschaftlichen Bereich. Wenn man die
Daten zu den Beschäftigungszahlen, zur Stabilisierung
der Finanzen usw. betrachtet, sieht man, dass das, was in
der Bundesrepublik Deutschland geschehen ist, ein
wichtiger und guter Schritt war. Wir zeigen einen Weg
auf, der auch in anderen Ländern Europas gewünscht
wäre, um möglichst bald ähnliche Ergebnisse zu erreichen.
Die Frage 27 der Kollegin Jelpke soll schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Friedrich
Ostendorff auf:
Vizepräsidentin Petra Pau
Wie beurteilt die Bundesregierung die Beschuldigung der
belgischen Regierung, Belgiens Schlachthöfe würden durch
Billiglöhne in Deutschland in den Konkurs getrieben
({0}), und
sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, zu handeln, insbesondere mit Blick auf Subunternehmertum und Werkverträge?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Sehr geehrter Abgeordneter, lieber Friedrich, diese
Frage beantworte ich gern. Zunächst einmal muss hier
der etwas falsche Eindruck zurückgewiesen werden, der
in der Frage intendiert wird. Das an EU-Kommissar
Andor gerichtete Schreiben der belgischen Arbeitsministerin enthält keine Beschuldigung, Belgiens Schlachthöfe würden durch Billiglöhne in den Konkurs getrieben; es wurde versucht, dies so darzustellen. Beklagt
wird lediglich allgemein ein unmittelbarer wettbewerbsverzerrender Effekt.
Diese Wertung bedarf angesichts der vorliegenden
Zahlen und Fakten aus der Sicht der Bundesregierung einer vertieften Prüfung hinsichtlich ihrer Plausibilität. Es
ist nämlich immerhin so, dass sich Belgien nach eigenen
Angaben als sehr wettbewerbsfähig ansieht, wie man
entsprechenden Verlautbarungen entnehmen kann und
was durch Zahlen untermauert wird.
Es ist davon auszugehen, dass der Selbstversorgungsgrad in Belgien - diese Zahl ist aus dem Jahre 2007, hat
sich aber höchstwahrscheinlich nicht fundamental verändert; auch die Zahlen für Deutschland haben sich nämlich nicht sehr stark verändert - 240 Prozent beträgt. Das
heißt, 140 Prozent des Fleisches bleiben nicht im Land,
sondern verlassen das Land. Das zeigt, dass eine große
Wettbewerbsfähigkeit vorhanden ist. Man muss auch
wissen, dass die Personalkosten nur einen sehr geringen
Teil des gesamten Kostenvolumens darstellen. Vor diesem Hintergrund kann auf gar keinen Fall von wettbewerbsverzerrenden Effekten gesprochen werden.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Schönen Dank, lieber Hans-Joachim Fuchtel, dass du
dich da so tief eingearbeitet hat. Ich denke, das ist bemerkenswert.
Diese Klage, die Belgien führt, ist nicht als Klage in
Brüssel angekommen. Sie wird aber seit Jahren auch
vom Mitbewerber Dänemark geführt. Die Zahlen belegen - ich komme sofort zu meiner Frage; aber es ist
wichtig, das darzustellen -, dass die Schlachtunternehmen in Deutschland um ungefähr 80 Prozent billiger
schlachten können, da sie osteuropäische Arbeitskräfte
mit sehr langen Arbeitszeiten von 60 Stunden pro Woche
und mehr für sehr kleines Geld einsetzen.
Das hat natürlich Folgen. Mitbewerber in Dänemark,
Holland und Belgien, die tarifliche Löhne zahlen, bekommen in der Tat ein Wettbewerbsproblem. Wenn man
mit Löhnen von um die 3 Euro pro Stunde konkurrieren
muss - bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden und mehr -, dann ist dieses Problem nicht von der
Hand zu weisen. Die Frage ist und bleibt: Wird sich die
Bundesregierung dafür einsetzen, diese skandalösen Bedingungen, die seit Jahren zu beklagen sind und die eines Staates wie der Bundesrepublik Deutschland nun
wirklich nicht würdig sind, endlich zu ändern? Wird sich
die Bundesregierung dafür einsetzen, dass diese Form
des Lohndumpings - die Löhne, die gezahlt werden, liegen unterhalb jedes tariflichen Mindestlohns - beendet
wird? Wir müssen zumindest feststellen: Hier würde ein
Mindestlohn greifen. Wie ist die Position der Bundesregierung in dieser Frage?
Wie ich sehe, gibt es noch eine ganze Reihe von
Nachfragen, die ich gerne beantworten werde. Sicher
werden wir auch auf diese konkrete Frage noch zu sprechen kommen.
In dieser Debatte müssen wir das Thema unbedingt in
seiner Gesamtheit in den Blick nehmen. Dazu gehört
auch, dass es schon wieder heißt, auch Dänemark sei in
Schwierigkeiten. Ich finde in meinen ganzen Papieren
zwar gerade nicht die aktuellen Zahlen. Wenn man mich
nicht darauf festnagelt, würde ich allerdings sagen: Der
Selbstversorgungsgrad Dänemarks ist sogar höher als
der Belgiens. Mir muss einmal jemand erklären, warum
eine solche Ausgangssituation - ein Selbstversorgungsgrad von 240 Prozent und mehr - ein Zeichen von Wettbewerbsschwäche sein soll. Das heißt doch, dass man
auf jeden Fall einen riesigen Überschuss erwirtschaftet,
den man auch im Ausland vermarktet. Vor diesem Hintergrund relativiert sich die Frage, inwieweit dies wettbewerbsverzerrenden Charakter haben kann, ein wenig.
Außerdem ist ja bekannt, dass der Anteil der Kosten,
was den Schlachtvorgang betrifft, je nach Land zwischen
5 und 7 Prozent beträgt.
Ich würde gern auch die anderen Fragen beantworten,
wenn ich dadurch nicht der schlachtpolitische Sprecher
des Bundestages werde. Aber ich möchte wenigstens
einmal in aller Deutlichkeit auf die globale Frage, die
sich hier stellt, hinweisen.
Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage.
Gestatten Sie mir zuvor eine Halbsatzanmerkung:
Das führt ganz einfach dazu, dass die Schweine, die in
Dänemark gemästet werden, in Deutschland geschlachtet werden - das ist die Konsequenz - und der modernste
Schlachthof Europas in Horsens/Dänemark zumachen
muss.
Meine zweite Nachfrage betrifft etwas ganz anderes:
Abgesehen von den skandalösen Arbeitsbedingungen
auf den Schlachthöfen der Subunternehmer mit ihren
oftmals rumänischen Arbeitern beobachten wir, dass die
gleiche Klientel Schlachtunternehmen sich von der
EEG-Umlage befreien lässt. Das ist relativ leicht möglich, weil die EEG-Umlage, wie wir alle wissen, mit den
Arbeitskosten korrespondiert. Wenn die Arbeitskosten
derart skandalös gedrückt werden, hat man es umso
leichter, sich von der EEG-Umlage befreien zu lassen. Will die Bundesregierung diesen Tatbestand beenden?
Erst einmal muss ich zu der Zwischenbemerkung
noch etwas sagen: Es ist nicht so, dass Schlachtverlagerungen in diesem Umfang stattfinden.
({0})
Nur 2 Prozent der Rinder und 7,8 Prozent der Schweine,
die in Deutschland geschlachtet werden, kommen aus
dem Ausland.
({1})
Bei dieser Ausgangslage kann man nicht so argumentieren, wie das vorhin getan wurde.
Dann zu der Frage: Es ist besonders interessant, wenn
jemand aus der Grünenfraktion diese Frage stellt; denn
die Grünenfraktion war in der Vergangenheit die Fraktion, die alles darangesetzt hat, dass wir im Bereich des
EEG nicht die Maßnahmen ergreifen konnten, die diese
Koalition angedacht hatte. Vielleicht ist das ein Grund,
einmal darüber nachzudenken, ob man nicht vielleicht
doch auf unseren Kurs einschwenken könnte, um solche
Probleme etwas zu lindern.
Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Undine
Kurth.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Kollege Fuchtel, unabhängig von der Einschätzung im Hinblick auf die
EEG-Umlage möchte ich noch einmal auf das Problem
der Leiharbeit zurückkommen, die ja ganz offensichtlich
zu sehr ungleichen Wettbewerbsbedingungen führen
kann. Wir erleben, dass im Bereich der Schlachtbetriebe
die Zahl der Arbeitsunfälle bei den Leiharbeitern überproportional hoch ist: 66 Arbeitsunfälle auf 1 000 Beschäftigte. Zum Vergleich: Sonst passieren nur 26 Arbeitsunfälle auf 1 000 Beschäftigte. Das hat sicherlich
etwas mit schlechten Arbeitsbedingungen und überlangen Arbeitszeiten nicht immer gut ausgebildeter Leute
zu tun. Wie beurteilt das die Bundesregierung? Sind Sie
auch dieser Meinung, bzw. was wollen Sie dagegen unternehmen?
Wir sind nicht nur der Meinung, dass man in diesem
Bereich jetzt genau hinschauen sollte, sondern wir tun
dies schon seit geraumer Zeit und in sehr gründlicher
Weise. Ich möchte Ihnen gerne noch Gelegenheit geben,
Einblick zu nehmen in all die Bereiche, in denen wir hier
aktiv sind.
Zunächst möchte ich aber noch sagen: Davon betroffen ist ein Volumen von brutto circa 23 000 Arbeitnehmern, und dann muss man noch sehen, welches Arbeitsverhältnis als Werkvertrag läuft und wer vom Ausland
her kommt. Mit diesen Fragen haben wir uns in den letzten Monaten intensiv beschäftigt.
Sie brauchen keine Sorge zu haben: Als das Thema
Schlecker aufkam, war es meine Ministerin, die hier
noch vor allen anderen eine Regelung eingebracht hat,
die den Drehtüreffekt beseitigt und diese ganzen Entwicklungen dann beendet hat. Unser Ministerium
möchte sich nach eingehender Befassung mit diesen Fragen und nach Abstimmung in der Koalition eindeutig
positionieren, welche Möglichkeiten es gibt, auf die
Missstände zu reagieren und Änderungen herbeizuführen. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet. Nur, das Datenmaterial war spärlich, weil die Zahl der Betroffenen
im Gegensatz zu anderen Bereichen der Wirtschaft recht
niedrig war. Deswegen ist es gar nicht so einfach, Lösungen zu wählen, die dann auch adäquat wirken.
Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Cornelia
Behm.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, ich fand Ihre Aussage, dass die Löhne nur einen geringen Teil der Kosten
der Schlachthöfe ausmachen, ganz interessant. Dann
dürfte es doch eigentlich gar kein Problem sein, Mindestlöhne einzuführen. Die Hürde dürfte dann ja gar
nicht so hoch sein.
Deswegen möchte ich gerne wissen, wie die Bundesregierung den Wunsch von Unternehmen aus der
Schlachtbranche beurteilt, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Es gibt nämlich Unternehmen, die diesen fordern, weil sie aufgrund des Themas „Preisdrückerei bei den Beschäftigten“ ständig in den Schlagzeilen
stehen, aus denen sie herauswollen. Ich würde gerne
wissen, wie Sie dazu stehen.
Ich darf Ihnen dazu sagen, wie der Geschäftsablauf
hier zurzeit ist:
Wir arbeiten an solchen Fragen, wie immer, sehr
gründlich und sehr konsequent. Zuallererst ist zu erwähnen, dass wir, nachdem wir gewisse Erhebungen vorgenommen hatten, im März einen Workshop veranstaltet
haben, bei dem alle lohn- und unternehmensbezogenen
Fragen zur Debatte standen. Das wird jetzt aufgearbeitet.
Wir haben dann auch intensivere Gespräche im gesamten Bereich der Branche aufgenommen. Diese finden zurzeit statt.
Man muss dabei natürlich einerseits schauen, dass das
Instrument Werkverträge, das wir am Arbeitsmarkt und
im gesamten Vertragsrecht schon seit langer Zeit kennen, künftig noch erhalten bleibt, ohne dass durch diesen
Vorgang Dinge in eine Richtung gelenkt werden, die
man gesamtwirtschaftlich eigentlich gar nicht will. Das
ist sehr wichtig.
Auf der anderen Seite braucht man natürlich auch den
Dialog mit der Branche. Es wäre sehr wünschenswert,
wenn sich hier auch ein Arbeitgeberverband bilden
würde, mit dem wir dann den entsprechenden Kontakt in
dieser Richtung pflegen könnten.
Ich möchte gerne aber auch noch darauf hinweisen,
dass wir zusätzlich und parallel noch einiges inszeniert
haben, was wichtig ist, um dem Problem Herr zu werden.
Vielen Dank. - Die nächste Nachfrage kommt von der
Frau Kollegin Dorothea Steiner.
Herr Staatssekretär, es geht in diesem Bereich ja nicht
nur um Lohndrückerei auf absurde Niedrigstlöhne, sondern die entsprechenden Unternehmen sparen ja auch
noch an allen Begleiterscheinungen, zum Beispiel an der
Unterbringung.
Sie erinnern sich vielleicht: Schon im letzten Jahr
wurde auf katholischen und evangelischen Kanzeln darüber gepredigt, dass man die osteuropäischen Schlachter in Erdlöchern und neuerdings auch in überbelegten
schimmeligen Gebäuden untergebracht hat, die zum Teil
unter Wasser standen oder ähnlich katastrophale Zustände aufwiesen, und ihnen von ihrem Niedrigstlohn
dafür natürlich auch noch etwas abgezogen hat.
Ich frage Sie: Sehen Sie jetzt nicht endlich die Notwendigkeit, zu handeln und etwas gegen diese Situation
zu tun, oder wollen Sie diese hygienisch bedenklichen
Bedingungen und menschenunwürdigen Unterbringungen so weiter tolerieren?
Ich bin immer dafür, dass sich die zuständige Ebene
der Aufgabe annimmt und die Arbeit macht. Hier ist es
ganz klar: Die Regeln zur Unterbringung sind im Landesrecht angesiedelt, und deren Einhaltung muss von
den Gewerbeaufsichtsämtern überwacht werden.
Ich habe Hinweise darauf, dass man das in dem betreffenden Gebiet verstärkt tut und dass dort Vor-OrtVisitationen stattfinden. Ich bin mir sicher, dass die entsprechenden Gewerbeaufsichtsämter daraus dann auch
die notwendigen Konsequenzen ziehen werden.
({0})
Vielen Dank. - Wir kommen zu einer weiteren Nachfrage, und zwar unseres Kollegen Dr. Hermann Ott.
Lieber Herr Fuchtel, Ihre Bemerkung zu den Kostentreibern bei den erneuerbaren Energien will ich jetzt gar
nicht kommentieren; denn da sind Sie kein Experte. Experte sind Sie aber im Arbeits- und Sozialbereich.
Wir haben das merkwürdige Phänomen, dass Deutschland zum Billiglohnland geworden ist, was überhaupt
niemand in diesem Lande nachvollziehen kann, was aber
tatsächlich so ist. Hören Sie sich einmal um. Ein Kollege
hat gerade auf den dänischen Bacon hingewiesen - er ist
weltberühmt und gerade in England sehr geschätzt -, der
nicht mehr aus Dänemark, sondern aus Deutschland
kommt, weil hier eben die Löhne in diesem Bereich so
niedrig sind.
Nun ist es häufig so, dass auf den Schlachthöfen Leiharbeiter und Arbeiter mit Werkverträgen eingesetzt werden. Meine Frage an Sie: Halten Sie es nicht auch für
sinnvoll, wenn die Interessen dieser Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer auch durch Gewerkschaften vertreten
werden könnten?
Herr Staatssekretär.
Also, zunächst einmal scheinen wir in zwei Welten zu
leben; denn Deutschland ist ganz sicher kein Niedriglohnland in der Gänze, so wie das gerade von Ihnen angedeutet wurde.
({0})
Wenn Sie sehen, welch hohen Grad der Beschäftigung
wir in Deutschland haben, dann kann das, was Sie mit
Ihrer Bemerkung zum Niedriglohnland in den Raum
stellen, in dieser Weise gar nicht stimmen.
({1})
- Sie müssen mir einmal erläutern: Was heißt bei Ihnen
Billiglohn, und was ist bei Ihnen Niedriglohn? Ich bin
für klare Definitionen von Begriffen. Da müssten wir
uns wahrscheinlich einmal etwas länger zusammensetzen.
Ich darf wiederholen: Ursula von der Leyen hat nach
der politischen Aufarbeitung der Schlecker-Sache gehandelt. Sobald wir die Erkenntnisse, die aus verschiedenen Bereichen zusammengetragen werden müssen, ausgewertet haben - ich erinnere daran, dass die Datenlage
dazu sehr dünn ist -, und sobald wir auch die Erkenntnisse, die wir jetzt zum Beispiel durch die Prüfungen der
Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung bekommen, einbezogen haben und diese in der Regierungskoalition abgestimmt haben, werden wir zu diesem
Thema Antworten geben, die geeignet sind, Verbesserungen zu erreichen, gerade auch für die betroffenen Arbeiter.
({2})
- Am besten gehen Sie selbst zu den Gewerkschaften.
Macht das doch untereinander aus.
({0})
Fragen Sie doch, warum die Gewerkschaften bis jetzt
noch nicht die Kraft gefunden haben, sich hier aktiver
einzubringen.
Vielen Dank. - Jetzt habe ich auf meiner Liste den
Namen unserer Frau Kollegin Sylvia Kotting-Uhl stehen. Bitte schön.
Ich war mir, ehrlich gesagt, gar nicht bewusst, dass
ich mich gemeldet hatte. Aber wahrscheinlich werden
wir hier alle zusammen wahrgenommen.
Wir haben Ihren Augenaufschlag registriert.
Aber ich frage gerne nach, weil das Thema sehr weitreichend ist. Wir haben mit der Frage der Wettbewerbsverzerrung angefangen. Aber natürlich geht es im Kern
um die unglaublich niedrige Bezahlung von Menschen,
die in den Schlachthöfen arbeiten. Das ist schon ein
wichtiges Thema. Natürlich sind wir nicht flächendeckend ein Niedriglohnland, aber dass wir es in unserem Land, wo im Kern anständige Löhne gezahlt werden
- das ist so -, zulassen, dass in einzelnen Sparten so geringe Löhne gezahlt werden, wie das hier der Fall ist,
kann eigentlich nicht sein. Das wirft ein schlechtes Bild
auf uns.
Ich habe aber jetzt eine Spezialfrage. In dem Artikel,
über den wir alle reden, geht es um Arbeitsmaterialien
und -ausrüstung. Teilen Sie nicht die Auffassung, dass
diese Arbeitsmaterialien und -ausrüstung vom Arbeitgeber kostenlos gestellt werden müssen? Wenn Sie diese
Auffassung teilen: Was gedenken Sie in dieser Hinsicht
zu tun?
Da kann ich Ihnen mit einer Antwort augenblicklich
nicht helfen, weil ich nicht all die Artikel kenne, die Sie
vielleicht kennen. Ich möchte deswegen auf den ersten
Teil Ihrer Frage etwas genauer antworten.
Uns stört an der ganzen Sache, dass möglicherweise
klassische Möglichkeiten, um den Arbeitsmarkt zu gestalten, missbraucht werden. Uns beschäftigen die Fragen: Gibt es hier eine Arbeitnehmerüberlassung, die illegal ist? Gibt es hier Bemühungen, das Werkvertragsrecht
zu missbrauchen? Diese Fragestellungen müssen aufgearbeitet werden, damit wir in dieser Sache weiterkommen.
({0})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Das waren alle
Nachfragen zur Frage des Kollegen Friedrich Ostendorff.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Hier steht uns zur Beantwortung der
Fragen der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd
Müller zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Friedrich
Ostendorff auf:
Wann werden in diesem Jahr die Daten des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information zum
Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung in 2012 präsentiert?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Ostendorff, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler sind nach
dem Arzneimittelgesetz und der DIMDI-Arzneimittelverordnung verpflichtet, die Abgabemengen von Tierarzneimitteln mit antimikrobiellen Wirkstoffen an das
DIMDI zu melden. Nach Mitteilung des DIMDI liegen
bislang - Stand 8. April 2013 - Meldungen von 49 pharmazeutischen Unternehmern und Großhändlern im Tierarzneimittel-Abgabenmengen-Register vor. Neun weitere Meldungen wurden angekündigt. Die Meldungen
werden zurzeit durch das DIMDI und das Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geprüft.
Je nach Datenlage könnte die erste Validierungsphase bis
Ende Mai abgeschlossen sein. Anschließend erfolgt die
wissenschaftliche Bewertung durch das BVL.
Vielen Dank. - Ihre erste Nachfrage, Kollege
Friedrich Ostendorff.
Das ist eine Antwort, die Sie uns schon im letzten
Jahr hätten geben können. Sie haben im letzten Jahr gesagt: Im Dezember 2012 werden die Angaben vorliegen. - Nun ist das Jahr 2013 schon deutlich vorangeschritten. Die Frage, die sich daraus ergibt, lautet:
Können wir damit rechnen, Herr Staatssekretär, dass wir
die für Dezember 2012 versprochenen Zahlen noch vor
der Bundestagswahl im September 2013 bekommen
werden, oder verlegen Sie den Termin für die Veröffentlichung dieser Zahlen auf deutlich nach der Bundestagswahl?
Ich sehe keinerlei Zusammenhang zwischen der Bundestagswahl und der Veröffentlichung dieser Daten.
Herr Kollege Ostendorff fragt erneut nach. Bitte.
Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die Auswertung dieser Daten. Es ist richtig, dass die pharmazeutischen Hersteller zu melden haben. Aber Ihr Haus hat
auch eine Auswertung der Daten versprochen, aus der
ersichtlich wird, in welche Regionen und Praxen welche
Arzneimittelmengen gegangen sind. Wann ist mit dieser
Auswertung zu rechnen? Wenn wir schon nicht die gesamten Zahlen bekommen, können wir vielleicht über
regionale Zahlen reden. Ist hier mit irgendeinem Erkenntnisgewinn zu rechnen, oder wird auch das noch
länger dauern?
Sinn und Zweck der Erhebung dieser Daten ist natürlich die Feststellung der Entwicklung der Gesamtabgabemenge. Die Antibiotikaabgabe an Tierärzte wird über
Jahre hinweg dokumentiert. Damit wird auch eine Aufschlüsselung der Wirkstoffe im Einzelnen ermöglicht.
Das BVL und die Länder erhalten dann diese Daten.
Wie Sie wissen, ist unser Ziel die Reduzierung des
Antibiotikaeinsatzes im Bereich der Tierhaltung. Dieses
Ziel erreichen wir mit diesem Schritt, aber auch mit einem anderen Schritt, den wir hoffentlich gemeinsam gehen, nämlich mit der Verabschiedung der Novelle zum
Arzneimittelgesetz.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Zu einer weiteren
Nachfrage erhält unsere Kollegin Frau Dorothea Steiner
das Wort.
Herr Staatssekretär, Sie wollten gerade nicht die
Frage beantworten, zu welchem Zeitpunkt mit der Veröffentlichung der Daten tatsächlich zu rechnen ist. Es geht
offenbar nur darum, wie lange Sie die Veröffentlichung
der Daten noch verzögern können. Findet sie vor oder
nach der Bundestagswahl statt?
Wie wir beide wissen, ist der Antibiotikamissbrauch
in Niedersachsen am höchsten in dieser Republik. Wir
hätten die Daten gerne schon vor der niedersächsischen
Landtagswahl gehabt. Aber damals schien es unmöglich
zu sein, diese Daten so frühzeitig herauszurücken.
Jetzt, nachdem zumindest etwas angekündigt worden
ist, fragen wir uns: Wann werden denn die Bundesländer,
vor allem die, die davon besonders betroffen sind, mit
diesen Daten versehen?
Es steht Ihnen frei, in Ihrem Bundesland, in Niedersachsen, nachzufragen. Wir sehen kein Problem. Es gibt
kein Geheimnis bei der Erfassung dieser Daten, also bei
der Ermittlung der Gesamtmenge der abgegebenen Antibiotika. Dazu werden die Daten ja erhoben. Es erfolgt
anschließend eine wissenschaftliche Auswertung. Wir
haben die Zahlen der Vorjahre und können eine Gesamtmenge feststellen. Um daraus Schlüsse zu ziehen und zu
beurteilen, ob es besser oder schlechter geworden ist, bedarf es weiterer Parameter.
Unser gemeinsames Ziel ist es, den Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht und Tiermast zu reduzieren.
Dazu brauchen wir zum einen die Daten. Die erheben
wir auf rein wissenschaftlicher Basis. Da gibt es keine
Manipulation, da gibt es keine Geheimnistuerei. Diese
Daten werden auf Postleitzahlenniveau heruntergebrochen. So gewinnen wir einen regionalen Überblick.
Der zweite Schritt erfolgt hoffentlich mit Ihrer Unterstützung. Im Augenblick wird dieses Gesetz von grünen
Landesministern blockiert. Aber wir sind auf einem guten Weg. Ich hatte gestern, wie ich glaube, eine sehr gute
Besprechung mit Vertretern des Bundes und der Länder.
Es ging darum, dass wir mithilfe des Arzneimittelgesetzes auch die andere Linie verfolgen, also nicht nur die
Abgabe vom Großhändler, sondern auch den Einsatz der
Antibiotika durch den Tierhalter erfassen, um dann ein
genaues Bild zu bekommen, wo es regionale Schwerpunkte oder Problemgebiete gibt.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Wir sind damit
am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Ich stelle fest, dass die
Frage 30 der Abgeordneten Ulla Jelpke, die Frage 31 des
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und die Frage 32
der Abgeordneten Sevim Dağdelen schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Es steht uns der Parlamentarische Staatssekretär
Dr. Hermann Kues zur Verfügung. Die Fragen 33 und 34
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert werden schriftlich beantwortet. Bezüglich der Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann wird verfahren, wie in
der Geschäftsordnung vorgesehen, da der Fragesteller
nicht im Saal ist.
Vizepräsident Eduard Oswald
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 37 der Abgeordneten Veronika Bellmann wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Hier
steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreas
Scheuer zur Verfügung. Die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter sowie die Frage 40 des Abgeordneten Oliver Krischer werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Fragen 41 und 42 unserer Kollegin Frau
Cornelia Behm auf:
Wie hoch sind die EU-Finanzmittel, die laut Presseberichten der Schweriner Volkszeitung vom 10. April 2013 nicht
mehr für die A 14 eingeplant werden können, sondern nun
nach Thüringen abfließen, und wird die Bundesregierung in
dieser Höhe Gelder zur Verfügung stellen, um die Finanzierung des gesamten Projektes abzusichern?
Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass die EUGelder nicht mehr für die A 14 zur Verfügung stehen, und
wird das Gesamtprojekt angesichts der Tatsache, dass laut
Presseberichten vom 10. April 2013 für bisher nur 45 Kilometer der 156 Kilometer langen Trasse Baurecht besteht und der
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
Dr. Peter Ramsauer, in seiner Rede zum Verkehrsetat am
14. September 2012 ({0}) für
„Instandhaltung vor Neubau“ plädierte, nunmehr eine nachrangige Priorität erhalten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Antworten auf die beiden Fragen lauten wie folgt:
Trotz zum Teil eingetretener Verzögerungen bei der Baurechtsschaffung durch die Länder sollen im Rahmen des
laufenden Bundesprogramms Verkehrsinfrastruktur erhebliche Mittel des Europäischen Fonds für regionale
Entwicklung, kurz EFRE, für die A 14 in Anspruch genommen werden. Nach derzeitigem Stand sind es rund
200 Millionen Euro.
Im Zuge der Programmaussteuerung hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
rechtzeitig dafür Sorge getragen, dass durch eine EFREFörderung von Abschnitten zum Beispiel auch der A 71
und der B 6 neu sämtliche vorgesehenen EFRE-Programmmittel für Bundesfernstraßenprojekte umgesetzt
werden können.
Weiteren Neubauabschnitten der A 14 misst die Bundesregierung eine unverändert hohe Bedeutung zu. Insofern ist vorgesehen, frei werdende Bundesfernstraßenmittel aus zunächst nicht für eine EFRE-Förderung
vorgesehenen Projekten für den Weiterbau der A 14 bei
Magdeburg und Wittenberge bis Schwerin vor allem in
Sachsen-Anhalt zur Verfügung zu stellen.
Nichtsdestotrotz können für weitere A-14-Abschnitte
erst bei Vorliegen von Baurecht - so ist es gewöhnlich
bei anderen Straßen auch - Finanzierungsentscheidungen getroffen werden.
Frau Kollegin Behm, Sie haben durch die Zusammenlegung der Beantwortung der Fragen 41 und 42 jetzt vier
Nachfragen.
Bitte schön, Ihre erste Nachfrage.
Ich bedanke mich erst einmal für die Antwort. Ich
halte es natürlich für sinnvoll, dass man EFRE-Mittel
nicht verfallen lässt, sondern dort einsetzt, wo sie tatsächlich notwendig sind.
Wir werden es wahrscheinlich mit einer Verzögerung
des Inkrafttretens der operationellen Programme in der
neuen Förderperiode zu tun haben, weil sich der Einigungsprozess verzögert. Meinen Sie, dass man auch
noch nach 2015 EU-Mittel aus der alten Förderperiode
für die A 14 in Anspruch nehmen kann? Wie schätzen
Sie das ein, Herr Staatssekretär?
Wir haben die Aufgabe, zur Verfügung stehende europäische Mittel nicht verfallen zu lassen - danke, dass Sie
das noch einmal hervorheben -; deswegen haben wir an
dieser Stelle in konkrete Bauprojekte umgeschichtet.
Weil die entsprechenden europäischen Mittel dann schon
genutzt werden, ist es folglich sicherlich auch unsere
Aufgabe, all das, wofür ursprünglich EFRE-Mittel vorgesehen waren, mit Bundesmitteln auszustatten.
Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt - die Verhandlungen
laufen ja - nicht sagen, inwieweit die Modalitäten bezüglich der europäischen Gelder noch abänderbar sind.
Wie viel Flexibilität da ist, das müssen die kommenden
Verhandlungen und die Vereinbarungen in der kommenden Förderperiode erst ergeben.
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Behm.
Sie betrifft diejenigen Haushaltsmittel, die die Lücke
der nicht rechtzeitig einzusetzenden EU-Fördermittel
füllen. Wann und aus welchen Haushaltstöpfen werden
diese Mittel bereitgestellt? Ist abgesichert, dass für die
A 14, sobald Baurecht besteht, diese Mittel auch tatsächlich im Bundeshaushalt zur Verfügung stehen?
Frau Kollegin Behm, ich kenne Sie sehr gut als
Kämpferin für Infrastrukturrückbau und für harte und
strenge Regeln beim Ausbau von Infrastruktur. Ich
denke, dass die A 14 im großen Interesse Ihrer Region
ist und dass Sie deswegen die Nachfrage gestellt haben,
wann denn endlich gebaut wird. Es ist für mich neu, dass
gerade seitens Ihrer Fraktion nachgefragt wird, wann das
alles realisiert wird.
Faktisch ist es so, dass wir natürlich erst die Baurechtsschaffung brauchen. Wir haben immer gesagt: Die
A 14 ist ein herausgehobenes Projekt. Wir sind dabei,
mit der DEGES sämtliche Ausbauabschnitte an dieser
Stelle planerisch voranzubringen und vor allem zu finanzieren.
Schwerpunktmäßig gilt natürlich auch bei den nächsten Baurechtsschaffungen, dass wir in den nächsten
Haushaltsberatungen um das notwendige Geld kämpfen.
Ich sage Ihnen: Es ist kein Geheimnis, dass die finanzielle Ausstattung an dieser Stelle knapp ist, sozusagen
auf Kante genäht. Wir haben in den letzten Jahren ein
bisschen Luft schnappen können. Die kommenden
Haushaltsverhandlungen werden ergeben, wann die konkreten Projekte realisiert werden.
Im Hinblick auf die Baurechtsschaffung ist es Aufgabe
der Länder, das Notwendige zügig umzusetzen. Ich
rechne damit, dass das Baurecht trotz kompliziertester
Planungen, die vor Ort vorgenommen werden müssen
- Abwägungen aus ökologischer Sicht und vieles mehr -,
bald geschaffen wird, sodass wir uns in Kürze über die
Finanzierung unterhalten werden.
Frau Kollegin Behm, Ihre nächste Nachfrage.
Herr Staatssekretär, ich merke, dass Sie unsere Dialoge genießen Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Immer, Frau Kollegin.
- und dass Sie mich jetzt sehr bewusst missverstanden haben: Sie haben so getan, als würde ich darauf
drängen, dass die A 14 gebaut wird. Vielmehr frage ich
eher kritisch danach, ob Sie wirklich in der Lage sein
werden, die A 14, die im Vergleich zu Bundesstraßen ja
wahnsinnig teuer ist, angesichts der Tatsache zu finanzieren, dass Ihr Minister immer wieder durch die Lande
zieht und sagt: Wir müssen erst einmal Straßen in Ordnung bringen, bevor wir neue Straßen bauen.
In dem Zusammenhang ist meine Frage: Gibt es für
den Fall, dass das Baurecht nicht rechtzeitig geschaffen
wird - für viele Abschnitte der A 14 besteht das Baurecht noch nicht -, in Ihrem Haus in Verabredung auch
mit den Bundesländern einen Plan B, nämlich die A 14
- seinerzeit auch „Kanzlerautobahn“ getauft - nicht zu
bauen, sondern lieber Bundesstraßen auszubauen, was
deutlich preisgünstiger wäre?
Jetzt kommen wir der Sache schon näher, Frau Behm.
Dann habe ich Sie vorher in der Tat vorsätzlich falsch
verstanden. Wir tauschen uns ja normalerweise aus über
Grünbrücken, Brunftverhalten von Wild und Überflugrechte. Aber ich lerne dazu. Wir sind jetzt bei der A 14
angelangt.
Es gibt einen Gesamtprojektierungsplan für die A 14,
der auf Ministerebene auch mit den Ländern abgestimmt
ist. Das heißt, es existiert ein Bauphasen- und Finanzierungskonzept. Es gibt für uns keinen Plan B. Ich muss
den Hinweis geben, dass wir über den geltenden Bundesverkehrswegeplan sprechen, den der Deutsche Bundestag in der Zeit einer rot-grünen Bundesregierung beschlossen hat. Darin ist die A 14 in den höchsten
Kategorien enthalten.
({0})
Ich hoffe, dass Sie bei Ihrer damaligen Meinung bleiben; Sie werden dem Ganzen ja zugestimmt haben. Es
geht jetzt darum, dass das Finanzierungs- und Baukonzept für die A 14 in den 13 Abschnitten, die auf Ministerebene mit den Ländern abgestimmt sind, das der Bundestag so beschlossen hat, umgesetzt wird.
Jetzt Ihre nächste und letzte Nachfrage.
Ich will mich nicht dazu äußern, was ich schon von
Anfang an von der A 14 gehalten habe, nämlich nichts.
Sie können offen sprechen, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, Sie waren nicht dran.
Oh, Entschuldigung, Herr Präsident!
Bitte schön.
Aber ich merke, dass die A 14 noch immer als heilig
gilt, was mich in gewisser Weise besorgt macht.
Sie wissen selber: Das ganze Projekt mit seinen vielen Abschnitten hat sich ziemlich verzögert. Solche
Großprojekte pflegen auch immer teurer zu werden.
Deswegen meine hier jetzt leider letzte Frage: Ist das Finanzierungskonzept für die A 14, das zwischen dem
Bund und den beteiligten Ländern im Jahr 2009 vereinbart worden ist - das liegt schon eine Weile zurück -,
noch gültig, oder muss es insbesondere wegen der ausfallenden EU-Gelder - wir wissen nicht, wann Geld zur
Verfügung steht - neu ausgehandelt werden?
Herr Staatssekretär.
Ich sehe das Ausbaukonzept, das Bau- und Finanzierungskonzept für die verschiedenen Abschnitte weiterhin als gültig an. Natürlich müssen wir bei der Bau29116
rechtsschaffung sehen, wie die Kostenkalkulationen für
die einzelnen Bauabschnitte sind. Sie haben es richtig
gesagt: Es ist schon eine größere Herausforderung, diese
Bundesautobahn zu realisieren. Im Zuge der Planungen
wird es Veränderungsbedarf an der einen oder anderen
Stelle geben. Auch auf dem Rechtsweg kann noch etwas
passieren, können zusätzliche Anforderungen, etwa zum
ökologischen Ausgleich und vielem mehr, gestellt werden. Wir sind immer im Dialog mit den Ausführenden
vor Ort, um das Bau- und Finanzierungskonzept aktuell
anzupassen. Aber ich sehe die Grundlage, dieses Konzept, weiterhin als gültig an. Die 13 Abschnitte werden
gemäß diesem Konzept realisiert werden.
({0})
- Bitte schön.
Vielen Dank.
Die nächste Fragestellerin, die Kollegin Bettina
Herlitzius, ist nicht da? - Nein. Dann wird bei der Frage
43 nach der Geschäftsordnung verfahren.
Das Gleiche gilt bei den Fragen 44 und 45 des Kollegen Herbert Behrens.
Die Fragen 46 und 47 des Kollegen Gustav Herzog
werden schriftlich beantwortet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt
noch circa zehn Minuten in unserer Fragestunde. Dann
kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser zur Verfügung.
Die Fragen 48 und 49 des Kollegen Jürgen Koppelin
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 50 unserer Kollegin Sylvia
Kotting-Uhl auf:
Wie erklärt die Bundesregierung, dass bei den ihr bekannten Untersuchungen und Überwachungsmaßnahmen ({0}) nicht aufgefallen ist, dass es noch weitestgehend
intakte bis intakte Atommüllfässer auf dem Boden des Ärmelkanals gibt ({1}), und befürwortet
sie aufgrund dieser Rechercheergebnisse eine rasche umfassende Untersuchung seitens oder unter Mitwirkung von
Deutschland, welche Atommüllfässer auf dem Boden des Ärmelkanals weitestgehend intakt bis intakt sind - bitte ebenfalls mit ausführlicher Begründung?
Sehr geehrte Frau Kollegin Kotting-Uhl, es geht um
das Thema Atommüllfässer im Ärmelkanal. Zur Antwort: Die Überwachung des Ärmelkanals und damit
auch eine eventuelle Untersuchung des Zustandes der
versenkten Atommüllfässer liegen in der Zuständigkeit
der britischen Behörden. Die der Bundesregierung bekannten Untersuchungen befassten sich mit Messungen
der Radioaktivität in der Umwelt wie Wasser und marinen Lebewesen. Hierfür wurden auch die entsprechenden Proben genommen, und anschließend wurde gemessen. Aussagen über den Zustand der Atommüllfässer auf
dem Meeresboden lassen sich daraus natürlich nicht ableiten.
Ihre erste Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Ich habe allerdings der Antwort der Bundesregierung auf meine
Kleine Anfrage, auf die ich mich in meiner Frage ja auch
beziehe, entnommen, dass die Bundesregierung davon
ausgeht, dass die Fässer in Gänze nicht mehr intakt sind.
Insofern haben wir jetzt einen neuen Kenntnisstand; nun
wissen wir, dass schon unter den ersten Fässern, die von
dem SWR-Team mit Unterwasserroboter und -kamera
gesichtet wurden, intakte Fässer dabei sind. Da ist für
mich schon die Frage, was zu dieser Aussage geführt
hat: Die Fässer sind nicht mehr intakt. - Hier ergibt sich
meine Forderung, dass man das noch bergen soll. Wenn
sich die Fässer aufgelöst haben, dann - klar - ist da
nichts mehr zu machen. Jetzt ist die Sachlage eine andere, und es ist interessant, auf welcher Grundlage diese
Antwort gegeben wurde.
Wir sind davon ausgegangen - das hat auch etwas mit
dem Zeitablauf zu tun -, dass die Fässer zum Teil nicht
mehr intakt sind. Das ist die Grundlage für die Aussage,
die wir seinerzeit in der Antwort getroffen haben. Dass
es sich nun anders darstellen soll, wird entsprechend diskutiert. Wie Sie vielleicht wissen, hat Deutschland dies
auch bei OSPAR, dem Übereinkommen zum Schutz der
Meeresumwelt des Nordostatlantiks, eingebracht, um
dieser Frage im wahrsten Sinne des Wortes stärker auf
den Grund gehen zu können.
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin.
Danke schön. - Frau Staatssekretärin, habe ich Sie
jetzt richtig verstanden, dass der zweite Teil meiner
Frage, nämlich ob Deutschland eine rasche und umfassende Untersuchung befürwortet und sich eventuell an
ihr beteiligt, insofern schon beantwortet ist, als Sie dies
tatsächlich tun?
Uns interessiert dies natürlich auch. Wenn nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass eine Gefahr für
Mensch und Umwelt ausgeschlossen ist, wollen wir,
dass dies im Rahmen von OSPAR und des Berichts über
die Versenkung von Atommüll im Meer genauer untersucht wird.
Vielen Dank. - Wir nehmen dann noch die Frage 51
mit dazu, weil es einen Zusammenhang gibt:
({0})
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellerin, dass weitestgehend intakte bis intakte Atommüllfässer
vom Boden des Ärmelkanals geborgen werden sollten, um einer Freisetzung ihres Inventars in die Biosphäre vorzubeugen
- bitte mit ausführlicher Begründung -, und teilt sie ebenfalls
die Auffassung der Fragestellerin, dass etwaige rechtliche
Regelungslücken hierfür kein Grund sein dürfen, von einer
solchen Bergung abzusehen - bitte ebenfalls mit ausführlicher
Begründung?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Hier geht es um die Frage der Bergung, was Sie eben
auch schon in Ihrer Nachfrage angesprochen haben, Frau
Kollegin Kotting-Uhl. Das Hauptthema ist nicht, dass es
hier etwa Regelungslücken gibt, sondern das Thema ist,
dass die Zuständigkeit für eine Hebung der Fässer im
Ärmelkanal ebenso bei den britischen Behörden liegt,
wie das bei der Frage der rechtlichen Regelungen der
Fall ist.
Für uns ist entscheidend, ob es einen potenziellen
Nutzen gibt, was die Hebung der Fässer angeht, und ob
dieser potenzielle Nutzen wesentlich größer als der Aufwand ist und ob vor allen Dingen - das kommt vielleicht
jetzt in der Diskussion ein bisschen zu kurz - die Gefahr
einer Kontamination durch teilintakte Fässer oder Fässer
besteht, die bei der Bergung beschädigt werden können.
Jetzt pauschal zu sagen: „Ja, wir bergen die Fässer“,
ohne auf die Risiken aufmerksam zu machen, kommt für
uns natürlich auch nicht infrage. Deshalb wird es hier
eine genaue Nutzen-Risiko-Abwägung geben müssen.
Das kann ich nachvollziehen; diesen Optionenvergleich „Was führt zu mehr Sicherheit?“ haben wir ja in
der Asse auch gemacht. Wird dies denn getan, und treibt
die Bundesregierung, vielleicht in Kontakt mit Großbritannien oder auch mit Frankreich - dort muss man ja
ein extremes Interesse daran haben; es ist dicht vor ihrer
Küste -, voran, dass dies abgewogen wird und Maßnahmen eingeleitet werden?
Genau dazu steht uns ja das Instrument von OSPAR
zur Verfügung. Dort können wir solche Fragen wie die
angesprochene klären. Dies tun wir; hier ist ein Bericht
über die Versenkung von Atommüll im Meer angefordert.
({0})
Das wäre jetzt Ihre zweite Nachfrage.
({0})
- Den Zwischenruf sollen wir nicht einberechnen. Dann also jetzt Ihre zweite Nachfrage.
Entschuldigung, Herr Präsident. Selbstverständlich
erteilen Sie mir das Wort, nicht ich mir selbst.
Also dann meine letzte Frage: Wenn es diesen Bericht
geben wird, wird er dann hier transparent gemacht werden, bekommt ihn der Umweltausschuss - vielleicht
auch, ohne dass wir noch einmal extra nachfragen - zur
Verfügung, sodass wir dann darauf reagieren können?
Ich sage Ihnen zu, dass er öffentlich gemacht wird,
transparent gemacht wird, und ich werde mich auch bemühen, das ohne gesonderte Aufforderung zu tun.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind einverstanden, dass wir, da wir ansonsten einen ganz neuen Sachverhalt aufrufen würden, nun zur Aktuellen Stunde kommen. Wie ich sehe, ist eine Unterbrechung nicht
notwendig, sodass wir jetzt die Fragestunde beenden und
gleich unmittelbar zum Zusatzpunkt Aktuelle Stunde
kommen können. - Sie sind alle einverstanden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe also den
Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP
Mehr Geld für Hochschulen - Aufstockung
des Hochschulpakts für über 600 000 zusätzliche Studienplätze
Erster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die
Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Albert
Rupprecht. Bitte schön, Kollege Albert Rupprecht.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Frau Ministerin Wanka, Gratulation
zum Erfolg der GWK am vergangenen Freitag!
({0})
Albert Rupprecht ({1})
Sie haben Ihre erste große Bewährungsprobe als neue
Ministerin, wie ich finde, mit Bravour bestanden.
Sie haben zum Ersten den Qualitätspakt Lehrerausbildung mit einem Umfang von 500 Millionen Euro beschlossen. Sie haben die Länder darüber hinaus verpflichtet, die Abschlüsse bei der Lehrerausbildung gegenseitig
anzuerkennen. Das war keine einfache Übung, sondern
ein Riesenkraftakt.
Sie haben zum Zweiten zur Frage der BAföG-Reformen das Verfahren beschlossen. Es wird eine Arbeitsgruppe der Staatssekretäre geben. Ich persönlich gehe
davon aus, dass am Ende dieser Besprechungen eine Erhöhung der Freibeträge, der Sätze, aber auch Strukturreformen im Bereich des BAföG stehen werden. Aber wir
werden abwarten, was diese Staatssekretärsrunde hierzu
erarbeiten wird.
Zum Dritten haben Sie den Hochschulpakt erweitert,
ihn vonseiten des Bundes um sage und schreibe 4 Milliarden Euro aufgestockt.
({2})
Frau Ministerin, Gratulation! Das war ein voller Erfolg.
({3})
Nun zu den Details des Hochschulpakts. Heute in der
Ausschusssitzung wurde bereits darüber beraten, und
das Resultat wurde, wie ich finde, in fairer Art und
Weise von den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen gelobt. Ich glaube, es gehört zur Fairness, hier auch
anzuerkennen, dass sie das wertgeschätzt haben.
Die Fakten stellen sich folgendermaßen dar: Der
Hochschulpakt wird um zusätzliche 300 000 Plätze aufgestockt. Das heißt, in der zweiten Phase des Hochschulpakts werden insgesamt 625 000 zusätzliche Studienplätze geschaffen. Der Bund erhöht seinen Beitrag für
diese zweite Phase von 2011 bis 2015 um 2,2 Milliarden
Euro. Das heißt, der Bund finanziert in dieser Phase
summa summarum 7 Milliarden Euro für den Hochschulpakt. Wir werden darüber hinaus vonseiten des
Bundes von 2016 bis 2018 weitere 2,7 Milliarden Euro
Bundesmittel einplanen. Das wiederum sind 1,7 Milliarden Euro mehr, als bisher eigentlich eingestellt waren.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich finde, das ist in
der Tat ein Riesenerfolg. Wir garantieren damit, dass
jeder junge Mensch, der zum Studium in Deutschland
berechtigt ist, auch einen Studienplatz bekommen kann.
({4})
Das schafft Sicherheit und Perspektive für die betroffenen jungen Menschen und deren Familien, und das
schafft auch Sicherheit und Perspektive für die Hochschulen.
Hinsichtlich der gesamten Laufzeit des Hochschulpakts von 2007 bis 2018 heißt das summa summarum,
dass sich die Bundesländer auf einen Gesamtbetrag von
8,9 Milliarden Euro verpflichten, um diese zusätzlichen
Studienplätze bereitzustellen, und dass der Bund sich
verpflichtet hat, während der Laufzeit von 2007 bis 2018
10 Milliarden Euro zu zahlen. Er verpflichtet sich, sehr
geehrte Damen und Herren, diese 10 Milliarden Euro zur
Verfügung zu stellen, obwohl das nach der Verfassung
keine Aufgabe des Bundes, sondern ganz klar eine der
Länder ist. Ich sehe durchaus die Notwendigkeit, dies zu
unterstützen. Es ist ein Riesenkraftakt. Aber ich finde
auch: Es ist ein großartiges Geschenk - nicht der politisch Verantwortlichen; wir beschließen es nur - der
Steuerzahler an junge leistungsfähige und leistungswillige Menschen in unserem Land. Aber gäbe es die
Bundespolitik nicht und würden wir uns nicht derart zur
Decke strecken, dann gäbe es auch die zusätzlichen Studienplätze nicht.
Wir wollen unseren jungen Menschen die bestmögliche Ausbildung zukommen lassen. Das Ergebnis des
Hochschulpakts ist herausragend. In der deutschen Geschichte hatten wir nie so viele junge Menschen, die die
Chance auf eine akademische Bildung haben, wie heute.
Im Jahr 1980 haben 1 Million junge Menschen studiert,
2006 waren es 1,9 Millionen. Heute studieren 2,5 Millionen junge Menschen in Deutschland.
({5})
Das heißt, die Hälfte eines Jahrgangs nimmt inzwischen
ein Studium auf; 2006 war es ein Drittel.
Sehr geehrte Damen und Herren, 1969 hat Willy
Brandt eine große Bildungsexpansion ausgerufen. „Aufstieg durch Bildung“ war damals das Motto. Und in der
Tat: Es wurde damals auch einiges beschlossen.
({6})
Aber, Herr Rossmann, zur Wahrheit gehört auch - genauso wie zu sagen, dass wir das wertschätzen -, dass
die heutige Bildungsexpansion die damaligen Maßnahmen bei weitem übertrifft. Was wir im Augenblick erleben, ist die größte Bildungsexpansion im Nachkriegsdeutschland. Das ist nur deswegen möglich, weil wir
vonseiten des Bundes Vorreiter sind, weil wir den Takt
angeben. Am Freitag letzter Woche war die Bundesvertreterin, die Bundesministerin, bei der GWK diejenige,
die die Themen gesetzt hat. Und wir sind es, die unter
Angela Merkel als Kanzlerin einen dramatisch positiven
Aufwuchs im Forschungs- und Bildungsbereich zu verzeichnen haben. Sie haben damals unter Rot-Grün
- diese Zahlen kann ich Ihnen nicht ersparen - den
Haushalt kaum erhöht. In drei Jahren Ihrer Verantwortung haben Sie ihn sogar gekürzt. Wir verzeichnen zum
achten Mal in Folge einen Anstieg des Bundeshaushalts
in diesem Bereich. Im Vergleich zu 2005 ist es ein Zuwachs um sage und schreibe 82 Prozent.
({7})
Wir haben hier eine riesige Erfolgsgeschichte zu verzeichnen.
Herzlichen Dank.
({8})
Vielen Dank, Kollege Albert Rupprecht. - Nächster
Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser
Kollege Swen Schulz. Bitte schön, Kollege Swen
Schulz.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Hochschulpakt ist in der Tat ein großer Erfolg, ein gemeinsamer Erfolg.
({0})
Er ist Ausweis von Kraft und Bedeutung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Hunderttausende Studienplätze werden gemeinsam finanziert. Das ist großartig.
Die Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP
werden mir nachsehen, wenn ich an dieser Stelle doch
festhalte: Der Hochschulpakt wurde in der Großen
Koalition gemeinsam mit uns gestartet.
({1})
Er war vor allem nur möglich durch einen entsprechenden Artikel im Grundgesetz, der die Zusammenarbeit
geregelt hat. Diesen Artikel hat die SPD-Bundestagsfraktion gegen Widerstand maßgeblich durchgesetzt.
Darauf sind wir stolz.
({2})
Der Hochschulpakt zeigt auch, dass die Kooperation
von Bund und Ländern im gesamten Bildungsbereich
dauerhaft auf eine breite Basis gestellt werden muss, so
wie wir es vorschlagen, und nicht Stückwerk bleiben
darf, wie es die Koalition will. Die Aufstockung des
Hochschulpakts ist gut. Sie war allerdings jetzt auch
überfällig. Leider mussten wir die Koalition an dieser
Stelle immer wieder zum Jagen tragen.
({3})
- Ja, das kann ich Ihnen nicht ersparen.
In den letzten Jahren hat die SPD-Fraktion allein vier
Anträge gestellt: 2010, 2011, 2012, 2013. Alle wurden
von der Koalition abgelehnt. Sie werden sagen: Es ist alles in Ordnung, es ist doch gut gelaufen. Ich sage: Na ja,
es ist gerade noch mal gutgegangen - für den Moment.
Aber das Zögern und Zaudern ist auch riskant. Es birgt
auch die Gefahr des Scheiterns. Was wäre gewesen,
wenn Sie sich nicht hätten einigen können? Das wäre
eine Katastrophe gewesen. Diese Art, an Politik heranzugehen, gibt den Hochschulen und Studieninteressierten nicht die dringend benötigte Planungssicherheit. Das,
was die Koalition macht, hat mit vorausschauender Politik, die Vertrauen schafft, nichts zu tun, sondern hat eher
den Charakter des verkrampften Sichdurchwurschtelns.
({4})
Sie haben zwar die Pflicht erledigt; doch an den wesentlichen Stellen haben Sie nichts gemacht. Ich will
hier einige Punkte nennen:
Erstens. Wie geht es denn mit dem Hochschulpakt
weiter? Was ist mit der dritten Phase, Stichwort „Planungssicherheit“? Was ist mit Strukturverbesserungen?
Die SPD-Fraktion hat einen Antrag für einen „Hochschulpakt Plus“ vorgelegt, der unter anderem eine Antwort auf die Frage der zunehmend fehlenden Masterstudienplätze gibt. Er enthält außerdem die Idee eines
Abschlussbonus, damit nicht nur der Studienbeginn,
sondern auch das erfolgreiche Studium und die gute
Lehre unterstützt werden. Sie von der Koalition befassen
sich damit gar nicht.
Zweitens. Was ist mit der sozialen Infrastruktur?
Auch dazu gab es einen SPD-Antrag, der von der Koalition abgelehnt wurde. Hören Sie eigentlich, Kolleginnen
und Kollegen von CDU/CSU und FDP, was Ihnen das
Deutsche Studentenwerk und auch die Studierenden sagen? Nehmen wir einmal die Wohnsituation, die Kinderbetreuung, die Beratung und die Unterstützung. In all
diesen Bereichen muss mehr passieren.
({5})
Drittens. Zum BAföG - das wurde auch vom Kollegen Rupprecht angesprochen -: Was sich rund um die
Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und
Ländern abgespielt hat, spottet jeder Beschreibung. Frau
Wanka, Sie haben vor der GWK, vor den Gesprächen
mit den Ländern, großartig medial angekündigt, Sie würden das BAföG verbessern.
({6})
Dann gab es das berühmte Kamingespräch von Bund
und Ländern. Was ist da passiert? Nichts ist da passiert.
Frau Wanka ist Vorschläge schuldig geblieben. Ein Arbeitskreis wurde eingerichtet. Na, bravo! Da haben Sie ja
richtig was erreicht, liebe Frau Wanka. Ich glaube, Sie
sind als Tigerin gesprungen, aber als Kaminvorleger gelandet.
({7})
Kommen Sie mir bitte nicht immer wieder mit der
Ausrede, die Länder würden doch nicht wollen. Natürlich sind die Länder zurückhaltend. Sie haben finanzielle
Schwierigkeiten und müssen die Schuldenbremse einhalten.
({8})
Aber das BAföG ist doch ein Bundesgesetz. Da muss der
Bund einen entsprechenden Vorschlag machen. Das ist
überfällig.
({9})
Swen Schulz ({10})
Viertens. Der Grund für viele Schwierigkeiten in diesem Bereich ist: Sie, Frau Wanka, bekommen das nötige
Geld nicht.
({11})
Die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung sieht in den nächsten Jahren Kürzungen von mehr
als 500 Millionen Euro, über eine halbe Milliarde Euro,
vor, und zwar im Bereich der Bildung.
({12})
Darum können Sie nichts weiter machen. Wenn Sie
sich hier loben, dann müssen Sie auch sagen, wo Sie das
Geld für den Hochschulpakt hernehmen und an welchen
Stellen es dann gegebenenfalls Einsparungen gibt. Haben wir vielleicht in der nächsten Sitzungswoche eine
Aktuelle Stunde zu erwarten mit dem Titel „Vorschläge
der Bundesregierung zur Kürzung im Bildungswesen“?
Wahrscheinlich werden Sie sich das nicht trauen, jedenfalls nicht vor der Bundestagswahl.
Frau Wanka, damit wir uns nicht missverstehen: Ihnen persönlich ist nichts vorzuwerfen; sie sind erst
jüngst in das Amt gekommen. Aber der Bundeskanzlerin
Merkel muss man diese Finanzpolitik vorwerfen. Sie hat
die Bildungsrepublik Deutschland geradezu einkassiert.
({13})
Unterm Strich: Die Aufstockung des Hochschulpakts
ist gut. Aber bei der Weiterentwicklung: Fehlanzeige.
Bei der sozialen Dimension: Fehlanzeige. Beim BAföG:
Fehlanzeige. Und dann gibt es auch noch Kürzungen im
Haushalt. Sie machen einen Schritt vor, aber vier zurück.
So kommen wir nicht weiter.
({14})
Vielen Dank, Kollege Swen Schulz. - Nächster Redner unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der
FDP unser Kollege Professor Dr. Martin Neumann. Bitte
schön, Kollege Professor Neumann.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es waren schon einige Peinlichkeiten dabei,
Herr Schulz.
({0})
Ich würde gerne auf das eine oder andere eingehen. Um
auf alles einzugehen, reicht leider die Zeit nicht.
Ich will Folgendes hervorheben: Frau Professor
Dr. Wanka, es war wirklich eine beeindruckende Leistung, die vollbracht wurde. Wenn man das einmal zusammenfasst, dann sieht man, dass das das i-Tüpfelchen
auf einer beeindruckenden, historisch bisher einmaligen
bildungs- und forschungspolitischen Regierungsbilanz
ist. Das ist hier ganz deutlich hervorzuheben.
Für diesen Politikbereich sind innerhalb einer Wahlperiode 13 Milliarden Euro mehr vorgesehen. Man muss
sich diese Zahlen einmal anschauen - Herr Kollege
Schulz, hören Sie genau zu - und sie mit den Zahlen aus
den Zeiten vergleichen, in denen Sie an der Regierung
waren. Das waren damals lächerliche 900 Millionen
Euro. Das muss man deutlich hervorheben.
({1})
Der Hochschulpakt und seine Weiterentwicklung haben im Zeitraum 2011 bis 2018 einen finanziellen Umfang von circa 10 Milliarden Euro bei den Bundesmitteln. Das ist ein wirklich dicker Brocken. Jetzt weiß ich
nicht, was Sie hier mit „Planungssicherheit“ meinen; darauf kommen wir noch zurück. Tatsächlich muss man
beachten - jetzt rede ich im Sinne der Haushälter -, dass
wir gleichzeitig Maßnahmen zur Konsolidierung des
Haushalts vornehmen. Deshalb muss man jetzt das, was
im Bildungsbereich getan wird, unter einen besonderen
Fokus stellen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Es ist in der
Tat eine originäre Aufgabe der Länder, für eine optimale
Ausstattung der Hochschulen und eine entsprechende
Zahl an Studienplätzen zu sorgen.
({2})
Ich erinnere an dieser Stelle an die erste BAföG-Modernisierung nach vielen Jahren des Stillstands: Wir haben nicht nur höhere Bedarfssätze festgelegt, sondern
auch das BAföG an den Bologna-Prozess angepasst.
Nach dem Stillstand haben wir also tatsächlich mit den
längst überfälligen Reformen angefangen. Ich erinnere
hier an den Qualitätspakt für eine verbesserte Lehre: Mit
2 Milliarden Euro wurde genau an der Stelle nachgebessert, an der damals Ihre Ministerin Bulmahn, die den Bologna-Prozess eingeläutet hat, vergessen hatte, für eine
entsprechende Ausfinanzierung zu sorgen. Wir haben
den Bologna-Prozess letztendlich für die Studierenden
erträglich gestaltet.
({3})
Ich erinnere an das Deutschlandstipendium, das wir
gegen Ihren Willen eingeführt haben. Dank unserer Initiative - das muss ich an der Stelle hervorheben - profiDr. Martin Neumann ({4})
tieren heute schon mehr als 11 000 junge Studierende
davon.
Noch ein Punkt: Wir haben die Zuschüsse für die Begabtenförderwerke weiter erhöht, damit die Zahl der Stipendien steigt.
({5})
Erstmals seit über 30 Jahren haben wir das Büchergeld
erhöht,
({6})
nämlich von 80 Euro auf - man höre und staune! 300 Euro monatlich.
({7})
All das haben wir in einer Zeit einer stark zunehmenden
Studierneigung vorgenommen, einer Zeit, in der das Interesse gerade auch ausländischer Studierender an einem
Studium in Deutschland in großem Maße gestiegen ist.
Warum? Weil unser Land in den Jahren der christlichliberalen Koalition wieder attraktiver geworden ist, weil
neue Technologien eher als Chance und weniger als Risiko gesehen werden.
Ich will an der Stelle der Ehrlichkeit halber festhalten
- es gehört dazu -, dass in den Ländern etwas passiert,
das man hier wirklich ansprechen sollte. Das Negativbeispiel ist das rot-rot regierte Brandenburg. Da wird das
Geld aus dem Hochschulpakt tatsächlich nicht für neue
Studienplätze ausgegeben; das muss man an der Stelle
einfach sagen.
In einer Meldung aus der gestrigen FAZ hieß es, dass
der SPD-Finanzminister von Sachsen-Anhalt angekündigt hat, den Hochschulen jährlich 5 Millionen Euro
wegzukürzen.
({8})
Das sind bis 2025 insgesamt 50 Millionen Euro. Das gehört zur Wahrheit. Es bedeutet, dass etwa 150 Lehrstühle
geschlossen und mehr als 10 000 der 55 000 Studienplätze gestrichen werden müssen.
({9})
Meine lieben Kollegen von der SPD, Sie haben in Ihrem Antrag, Drucksache 17/12690, geschrieben - ich
weiß nicht, ob Sie es ernst meinen -, dass der Bund
„maßgeblich für die derzeitigen Probleme an den Hochschulen verantwortlich“ ist. Ich glaube, Sie verkennen
hier einfach die Wirklichkeit. Sie versuchen ganz dreist,
von Ihrem eigenen Versagen abzulenken, und das, liebe
Kolleginnen und Kollegen, lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
({10})
Wenn ich eingangs sagte, dass die Weiterentwicklung
des Hochschulpakts in der Öffentlichkeit fast schon wie
ein Wunder anmutete, dann hat das einen ernsten Hintergrund. Wir haben über viele Dinge gesprochen. Wir
doktern seit Jahren an diesem Hochschulpakt herum,
müssen ständig nachsteuern, entwickeln komplizierte
Berechnungsmethoden, streiten zwischen Bund und
Ländern über die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel.
({11})
Das muss endlich ein Ende haben. Das ist nicht nur der
Wunsch meiner Fraktion, sondern auch im Sinne unserer
Studierenden und der Lehrenden an den Hochschulen im
Lande dringend erforderlich. Wir brauchen eine dauerhafte Lösung. Der Hochschulpakt ist nur eine Krücke.
Wir brauchen aber - davon haben auch Sie gesprochen Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Deshalb fordere
ich Sie hier auf, endlich den Weg für eine Änderung des
Art. 91 b des Grundgesetzes freizumachen.
Vielen Dank.
({12})
Vielen Dank, Kollege Professor Neumann. - Nächste
Rednerin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin
Frau Nicole Gohlke. Bitte schön, Frau Kollegin Gohlke.
({0})
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Studienplatzfinanzierung“ aufgesetzt, und sie ist offenbar
der Meinung, dass das schon eine kleine Feier wert sein
sollte,
({0})
wenn sie sich in ihrer Politik einmal an gesellschaftliche
Realitäten annähert. Feiern Sie sich nicht zu viel und
nicht zu früh!
Zur Erinnerung - damit Sie die letzten Jahre nicht
ganz aus dem Blick verlieren -: Jahr für Jahr kommen
mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger an die
Hochschulen. Sie finden dort immer schlechtere Studienbedingungen vor:
({1})
überfüllte Seminare, Bibliotheken, die nur wenige Stunden am Tag geöffnet haben, zu wenige Professorinnen
und Professoren, völlig überlastete und unterbezahlte
Lehrende.
({2})
Tausende von Studienbewerberinnen und -bewerbern
haben überhaupt keinen Studienplatz bekommen, sondern sind von den Hochschulen abgewiesen worden.
Jahr für Jahr haben Studierende und Lehrende - teilweise mit heftigen Protesten und Streiks - die Bundesregierung auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Jahr
für Jahr haben Expertinnen und Experten die Berechnungen der Bundesregierung zur Studienplatzfinanzierung
infrage gestellt; denn die Tatsache, dass die Koalition
über Jahre hinweg zu niedrige Studienanfängerzahlen
zugrunde gelegt hat, Jahr für Jahr also an den realen Bedarfen vorbeigeplant hat, war dafür verantwortlich, dass
sich die Situation an den Hochschulen immer weiter zugespitzt hat.
({3})
All das - das muss man Ihnen sagen - ist kein Grund zu
feiern, sondern das ist und war politisch verantwortungslos.
({4})
Man muss sich die Fehlplanungen der Bundesregierung in den letzten Jahren einmal auf der Zunge zergehen lassen: Für die erste Phase des Hochschulpaktes,
zwischen 2007 und 2010, plante die Bundesregierung
mit 91 000 zusätzlichen Studienplätzen. Tatsächlich kamen aber mehr als 185 000 Studienanfänger an die
Hochschulen, mehr als doppelt so viele wie berechnet.
Bei der Planung für Phase zwei des Hochschulpaktes,
von 2011 bis 2015, ging man von 275 000 Studienplätzen aus. Zweimal musste die ursprüngliche Fassung korrigiert werden, um auf die Aussetzung der Wehrpflicht
und auf die doppelten und geburtenstarken Abiturjahrgänge zu reagieren. Die aktuellste Prognose rechnet jetzt
mit fast 624 000 zusätzlichen Studienanfängern; das sind
wieder doppelt so viele, als ursprünglich geplant. Hätte
es nicht so dramatische Auswirkungen auf die Situation
der Studierenden und Lehrenden, dann wäre diese serielle Rechenschwäche der Bundesregierung fast schon
lustig.
({5})
Die Linke hat schon im September letzten Jahres mindestens 600 000 zusätzliche Studienplätze gefordert. Unsere Anträge dazu hat die Regierung natürlich mal wieder abgelehnt, übrigens einmal mit der Begründung, man
wolle keine Planwirtschaft. Ich kann nur sagen: Schön,
dass die Regierung jetzt auch mal selbst beginnt, ein wenig zu planen.
({6})
Dass die neue Bildungsministerin nun tatsächlich das
erste Mal halbwegs realistische Studienanfängerzahlen
zugrunde legt, nämlich diese 600 000, das ist natürlich
ein Fortschritt. Von der Rechenschwäche kann sich aber
auch Frau Wanka nicht ganz verabschieden; denn diesmal sind die Studienplatzkosten falsch berechnet.
({7})
Die Bundesregierung rechnet mit 6 500 Euro pro Studienanfänger pro Jahr, aber schon jetzt kostet ein Studienplatz im Schnitt 7 200 Euro pro Jahr; und das sage
nicht ich, das sagt das Statistische Bundesamt. Und
wenn man nur ein bisschen qualitative Verbesserungen
wollte, dann ist auch dieser Wert zu niedrig angesetzt.
Sie schaffen auf diese Art und Weise Dumpingstudienplätze und keine Qualität.
({8})
Die Linke fordert, die Mittel pro geschaffenen Studienplatz auf mindestens 8 640 Euro zu erhöhen.
Was die Regierung in dieser Feierstunde natürlich
völlig ausspart, ist jeglicher soziale Aspekt, so als hätten
die Fragen, ob Studierende ein Dach über dem Kopf haben, die Miete zahlen können oder wie viel sie neben
dem Studium arbeiten müssen, keinerlei Bedeutung. So
wird die angekündigte BAföG-Reform von der Bundesregierung en passant auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. Die Studierenden brauchen die Erhöhung aber nicht erst nach der Wahl. Eine Erhöhung der
Regelsätze und Freibeträge um mindestens 10 Prozent
ist absolut überfällig.
({9})
Fest steht doch auch eins: Der Hochschulpakt - das
haben Sie selber gerade betont, Herr Neumann - ist
keine dauerhafte Lösung. Diesmal geht Ihre Planung nur
bis 2015.
({10})
Aber was kommt danach? Hofft die Regierung wieder
auf ein Wunder und auf sinkende Studierendenzahlen?
Die Hochschulen brauchen endlich finanzielle Planungssicherheit. Nur so können sie in die Lage versetzt werden, verlässliche und gute Studienbedingungen anzubieten. Es liegt in der Verantwortung des Bundes, das
dauerhaft zu gewährleisten, und es liegt in der Verantwortung der Bundesregierung, dazu auch einmal politische Vorschläge zu machen.
Der ständige Versuch der Bundesregierung, die Verantwortung an die Länder abzugeben, hilft auf jeden Fall
nicht weiter.
({11})
Es ist offenkundig, dass es vielen Ländern schwerfällt, in
Zeiten der Schuldenbremse
({12})
und in Zeiten sinkender Steuereinnahmen
({13})
ihre Mitfinanzierungspflichten zu erfüllen. Der Bund hat
die Möglichkeit, über die Steuergesetzgebung neue Einnahmen zu erschließen.
({14})
Die Linke unterbreitet Vorschläge; das ist richtig.
Man muss sich politisch an dieses Thema heranwagen.
Genau hier liegt Ihr Problem. Die Linke unterbreitet
Vorschläge, wie der Reichtum in diesem Land gerechter
verteilt werden kann:
({15})
Mit einer Millionärsteuer und einer Erhöhung der Erbschaftsteuer und der Unternehmensteuern wäre die dauerhafte Finanzierung von Studienplätzen auf jeden Fall
kein Problem.
Vielen Dank.
({16})
Vielen Dank, Frau Kollegin Gohlke. - Nächster Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unser
Kollege Kai Gehring. Bitte schön, Kollege Kai Gehring.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nie
zuvor gab es in Deutschland so viele Studienberechtigte,
und darüber freuen wir uns gemeinsam.
({0})
Wir als Bundestagsfraktion der Grünen wollen, dass aus
diesen Studienberechtigten auch tatsächlich Studierende
und später erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen werden. Deshalb muss man sehr deutlich sagen: Studierende brauchen viel mehr als einen Anfängerplatz.
Sie brauchen einen Platz im Hörsaal, sie brauchen gute
Lehre, gute Studienberatung, ein Dach über dem Kopf
und eine Studienfinanzierung, die zum Leben reicht. Das
verstehen wir unter einem guten Studium.
({1})
- Dann machen Sie es doch.
({2})
Die Einigung zwischen Bund und Ländern, die Mittel
für den Hochschulpakt deutlich zu erhöhen, um mehr
Plätze für Studienanfängerinnen und -anfänger zu schaffen, ist ein Fortschritt. Das ist eine gute, aber vor allem
auch überfällige Nachricht. Wenn es nach unserem Willen und dem Bedarf der Hochschulen gegangen wäre,
hätte es diesen Beschluss schon viel früher gegeben.
({3})
Schon 2011 war es absehbar und seit Januar 2012 ist es
mit der neuen KMK-Prognose amtlich und offiziell, dass
die Studierendenzahlen für die laufende zweite Phase
des Hochschulpakts wie schon in Phase eins des Hochschulpakts verdoppelt werden müssen. Darauf haben wir
von Anfang an gedrängt. Wie hat Schwarz-Gelb, wie hat
die Koalition darauf reagiert? Erst mit monatelanger
Vogel-Strauß-Politik - sie hat den Kopf in den Sand gesteckt -, und dann haben Sie monatelange gezaudert und
geknausert. Damit haben Sie dazu beigetragen, geburtenstarke Jahrgänge und doppelte Abiturjahrgänge zu
verunsichern. So darf man mit den Bildungschancen junger Menschen nicht umgehen. Deswegen ist Ihr heutiges
Schulterklopfen ganz schön übertrieben.
({4})
Ja, die Mittel für den Hochschulpakt werden aufgestockt. Er bleibt aber - das sagt beispielsweise die
HRK - auf Kante genäht. Sie orientieren sich nur am
Nötigsten. Ich sage Ihnen voraus: Am Ende der laufenden Paktphase wird der Bund erneut eine Schippe drauflegen müssen.
Fakt ist: Der Studierendenberg hat sich glücklicherweise zu einem Studierendenhochplateau entwickelt.
Diese Tatsache hat die Bundesregierung lange ignoriert.
Insofern ist den Oppositionsfraktionen dafür zu danken,
dass sie den Druck auf die Koalition hochgehalten haben.
({5})
Wenn wir auch zukünftig eine moderne Wissensgesellschaft und Volkswirtschaft sein wollen, dann brauchen wir genug Akademikerinnen und Akademiker und
eine neue Bildungsexpansion, in der niemand zurückgelassen wird, die auch an Arbeiter- und Migrantenkindern
nicht vorbeigeht. Es wäre zutiefst ungerecht und ökonomisch verrückt, Bildungsaufsteigern Steine in den Weg
zu legen und junge Talente zu vergeuden.
Wenn die Koalition die Aufstockung als Ergebnis ihres Kraftaktes bejubelt, dann sollte sie wenigstens sagen,
dass es ein gemeinsamer Kraftakt von Bund und Ländern ist.
({6})
Ich sage aber auch: Studienplätze und Personalstellen an
den Hochschulen zu schaffen sowie für gute Studienbedingungen an den Hochschulen zu sorgen, sind originäre
staatliche Aufgaben. Unser Grundgesetz ermöglicht ein
Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Finanzierung der Hochschulen. Mit dem Hochschulpakt haben
Bund und Länder eine Strategie zur Finanzierung dieser
gesamtstaatlichen Aufgabe entwickelt. Die Aufstockung der Mittel für den Hochschulpakt ist daher kein
Gnadenakt des Bundes oder ein Wohlfahrtskommando,
nein, sie ist eine schiere Notwendigkeit.
({7})
Frau Wanka, wir sehen Sie nun in der Pflicht, dass die
angekündigten zusätzlichen 2,2 Milliarden Euro für den
Hochschulpakt auch wirklich im Bildungshaushalt 2014
und im Rahmen der weiteren Finanzplanung bereitgestellt werden. Die Mittel müssen zusätzlich, on top, in
den Bildungsetat fließen. Wir werden Sie daran messen,
ob Sie diese Aufstockung gegenüber Ihrem Finanzminister und am Kabinettstisch durchfighten. Wenn das nämlich misslingt, dann werden Sie in Ihrem Haus an anderen Stellen kürzen müssen.
Es wäre ein fatales Signal, wenn der Studienplatzaufwuchs etwa zulasten von Azubis oder Forschungsförderung vonstatten gehen würde. Deshalb werden wir sehr
genau hinschauen, wie sich das, was Sie hier heute verkünden, im Haushalt und in der Finanzplanung abbildet.
({8})
Wenn der Hochschulpakt für mehr Akademikerinnen
und Akademiker sorgen soll, dann muss er endlich auch
in der Qualität verbessert werden. Wir wollen, dass sich
die Pauschale pro Studienplatz endlich am OECDDurchschnittswert orientiert, quasi als Qualitätsaufschlag. Wir wollen eine echte Masterkomponente, weil
viele Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen ein
Masterstudium anschließen wollen. Wir wollen Mindeststandards für die Lehre, faire statt prekäre Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen und klare Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Daran
muss weiter hart gearbeitet werden.
Der Ausbau von Studienplätzen ist nur eine von vielen hochschulpolitischen Baustellen. Er ist für ein gutes
Studium entscheidend. Ich sage Ihnen, was der Koalition
und damit den Studierenden in Deutschland nach wie
vor fehlt. Ihnen fehlt ein Aktionsplan zum Ausbau der
sozialen Infrastruktur. Ihnen fehlt eine Bund-Länder-Einigung bei den Entflechtungsmitteln, sprich beim Hochschulbau. Ihnen fehlt ein konkretes Konzept, ein konkreter Gesetzentwurf inklusive Gegenfinanzierung für eine
BAföG-Novelle. Ihnen fehlen Ideen zur sozialen Öffnung der Hochschulen. Ihnen fehlt auch ein konsensfähiger Vorschlag, das Kooperationsverbot bei Bildung und
Wissenschaft abzuschaffen. - Bei all diesen Themen
muss die Koalition liefern. Wir werden im Interesse der
Studierenden weiter nachhaken und hartnäckig für Verbesserungen werben, sowohl im Bund als auch in den
Ländern.
({9})
Vielen Dank, Herr Kollege Gehring. - Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Bundesregierung Frau Bundesministerin Professor Dr. Johanna
Wanka. Bitte schön, Frau Bundesministerin.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Abgeordneten!
Meine Damen und Herren! Ich erinnere noch einmal an
die Situation 2005; sie war dramatisch. Seit 1990 war in
den neuen Bundesländern viel Geld in das Hochschulsystem investiert worden, vieles war neu aufgebaut worden; aber plötzlich waren kaum noch Studenten da. Es
gab auch kaum Bewegung aus den alten Bundesländern.
Es bestand die realistische und große Gefahr, dass der
zuständige Finanzminister sagt: Wenn keine Studenten
da sind, bauen wir Kapazitäten ab. - Aber 2005 war auch
klar, dass die Anzahl der potenziellen Studenten in den
alten Bundesländern über einige Jahre auf Maximalwerte steigen würde. In dieser Situation - das will ich
deutlich sagen; ich war dabei - hat der Bund die Initiative ergriffen und gesagt: Wir geben mehr Geld ins System. Wir wollen, dass die Studierenden gut ausgebildet
werden, und wir wollen, dass die Kapazitäten im Osten
nicht ruiniert und abgebaut werden. - In den Verhandlungen zum Hochschulpakt - das finde ich immer noch
großartig - ist eine Solidarleistung vereinbart worden.
Die Solidarleistung sieht vor, dass, auch wenn es keine
zusätzlichen Studenten gibt, Geld zum Aufbau oder zum
Erhalt der Kapazitäten in den neuen Bundesländern investiert wird.
Jetzt hat eine Entwicklung eingesetzt, bei der ich
überhaupt nicht verstehe, wieso Sie darüber meckern.
Das ist grandios gewesen. Wir sind jahrelang dafür beschimpft worden - Frau Sager weiß das -, dass bei uns
zu wenige eines Altersjahrgangs studieren. Sie können
sich einmal die Zahlen für den Osten anschauen. Ich
könnte Ihnen die Zahlen nennen, wie viele dort überhaupt studieren durften. Aber darüber wollen wir jetzt
nicht reden. Über Jahre ist es uns nicht gelungen, diese
Zahlen zu steigern. Dann haben wir mit dem Hochschulpakt ab 2007 erreicht, dass wir jetzt nicht mehr bei
37 Prozent, sondern bei über 50 Prozent sind.
({0})
Das ist die Prognose. Ich mag ja eine Rechenschwäche haben - das mag sein -;
({1})
aber das, was hier gesagt wurde, nämlich der Bund habe
sich verrechnet, ist falsch, Frau Gohlke,
({2})
Die KMK, die Kultusministerkonferenz, macht die Berechnungen. Natürlich hat sie nicht irgendwelche Fantasiezahlen genommen.
({3})
- Nein, das ist die Prognose der KMK. Das ist eindeutig
so. - Das ist ein kompliziertes Rechengeflecht. Die
KMK schaut zum Beispiel, wie viele von Hamburg nach
Niedersachsen gehen.
Diese Prognosen sind Gott sei Dank von der Wirklichkeit überholt worden, weil plötzlich viel mehr junge
Leute studieren wollten, weil es andere Wanderungsbewegungen gab und weil die Studenten plötzlich auch in
die neuen Bundesländer gegangen sind. Deswegen haben wir jetzt die Situation, dass das Geld, das von der
Bundesregierung für die zweite Phase des Hochschulpakts eingeplant worden war, de facto schon aufgebraucht ist bzw. feststeht, dass es nicht mehr reichen
wird, weil es viel mehr Studenten gibt.
Natürlich hätte man in der Situation sagen können,
was Sie, Herr Gehring, vorgeschlagen haben: Dann soll
der Bund zahlen. Das wäre ganz fix gegangen.
({4})
Hätte der Bund gesagt: „Okay, wir legen die Summen
hin“, dann hätten wir da schon einen neuen Pakt gehabt.
Aber zu welchen Konditionen?
({5})
Nach den alten Paktkonditionen war es so, dass in den
neuen Ländern - Stichwort „Haltepauschale“ - oder in
den Stadtstaaten, in die das Geld floss, kein Geld des
entsprechenden Bundeslandes dazugelegt wurde. Das
ging zulasten der Studenten. Das bedeutet schlechtere
Studienbedingungen.
({6})
Das wollten wir auf keinen Fall. Deswegen haben wir
mit großer Hartnäckigkeit Verhandlungen mit den Ländern geführt. Sie waren nicht einfach; sie waren überhaupt nicht einfach.
({7})
Jetzt haben wir ein Ergebnis - einschließlich der Ausfinanzierung aller, die kommen, je nach den Prognosen -,
das alle Bundesländer mitfinanzieren. Das geschieht
zwar in unterschiedlicher Art und Weise; aber alle Bundesländer finanzieren es mit. Das geht zugunsten der
Studenten. Das hat nichts mit uns zu tun, sondern ist zugunsten der Studierenden und trägt zu vernünftigen Studienbedingungen bei.
Zuvor war es so, dass die Länder die Gesamtfinanzierung sicherstellten. Dazu gibt es ganz tolle Rechenexempel. Für mich war wichtig - das gilt auch für die Vertreter vieler Länder -: Es muss transparenter und klarer
werden. Diese Situation haben wir jetzt. In Zukunft gibt
es eine Tabelle, die klar zeigt, wie viel Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren zahlt. Das ist viel leichter
überprüfbar. Das muss natürlich nicht nur beim Bund,
sondern auch in den Ländern Eingang in die mittelfristige Finanzplanung finden; das ist klar.
({8})
Wenn die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin im Juni
dieses Jahres einen Beschluss getroffen haben, dann
muss das auch umgesetzt und in die entsprechenden Finanzpläne aufgenommen werden.
({9})
Wir haben jetzt Sicherheit. Nennen Sie mir doch einmal
ein anderes Politikfeld, auf dem es von 2007 bis 2018
eine solche Sicherheit gibt!
Für die Studierenden ist das Ergebnis, das jetzt erzielt
wurde, ein gutes Ergebnis.
({10})
Natürlich kann man einen Vertrag überfrachten, indem
man sagt: Er muss alle Probleme, die es im Hochschulwesen je gegeben hat, lösen. Dann hat man die Garantie:
Es wird nichts.
Stichwort „gute Lehre“. Haben Sie vergessen, dass
der Bund 2 Milliarden Euro ohne Kofinanzierung bereitstellt?
({11})
- Ja, und? Sehen Sie sich einmal die Projekte an - allein
in Niedersachsen hatten sie ein Volumen von 97 Millionen Euro -, die an den Hochschulen durchgeführt werden! Da ging es zum Beispiel um die Frage: Wie geht
man mit mehr Heterogenität um? Es wurde aber auch
vieles andere gemacht. Für gute Lehre hat der Bund Initiativen gestartet und Geld in einer bestimmten Größenordnung zur Verfügung gestellt. Wir würden natürlich
gerne kontinuierlich zahlen, wenn wir es könnten. Ich
verweise nur auf Art. 91 b des Grundgesetzes; das muss
ich gar nicht weiter ausführen. Das ist das Angebot, das
auf dem Tisch liegt. Es wird schwierig, Argumente zu
finden, um es abzulehnen; aber Sie schaffen das.
Herr Schulz, Sie haben vom BAföG gesprochen. Es
tut mir leid, aber ich weiß nicht, mit wem Sie geredet haben. Ich bin am Donnerstagabend mit einem ganz konkreten Paket in die Kaminrunde gegangen. Es war genau
ausgerechnet: Was bedeutet es, wenn wir Teilzeitstudenten fördern?
({12})
Frau Ministerin, Sie können mit Ihrer Rede fortfahren. Es ist natürlich ein Stück Parlamentarismus, dass
Zwischenrufe gemacht werden. Sie müssen darauf aber
nicht eingehen.
Wir haben, ich habe ganz konkrete Vorschläge gemacht, und in den Ländern gibt es dafür hohe Akzeptanz.
({0})
- Alles, was ich gesagt habe: Teilzeitstudium, Freibeträge erhöhen etc. - Wir haben immer ausgerechnet: Was
kostet das den Bund, und was kostet das die Länder? Das
war also ganz handfest.
({1})
Der Beschluss, den wir an diesem Abend gefasst haben, war: Wir wollen in diese Richtung gehen. Es gab
Akzeptanz für meine Forderung - Wahlkampf hin oder
her. Wir müssen jetzt weitermachen, um das möglichst
schnell in Form eines Gesetzes umzusetzen. Aber wir
vonseiten des Bundes machen kein Gesetz, das nur pro
forma auf dem Tisch liegt und „zerschossen“ wird.
({2})
Unsere Arbeit bestand darin, abzuschichten und zum
Beispiel zu entscheiden: Wollen wir beim Alter bis
40 Jahre gehen? In dieser Phase haben wir ganz klar besprochen, wie wir das machen.
({3})
Ich sage noch einmal ganz deutlich: Das, was wir am
Freitag in der GWK beschlossen haben, ist eine Riesenchance für Deutschland. Das gilt nicht nur für die jungen
Leute, die jetzt die Möglichkeit haben, gut zu studieren,
sondern für uns alle. Bis 2025 wird es viele Studierende
geben. Wenn wir sie gut ausbilden, werden sie in den
20er-, 30er- und 40er-Jahren dieses Jahrhunderts die Ingenieure, die Rechtsanwälte und die Lehrer sein, die wir
dann brauchen. Dafür haben wir gemeinsam mit den
Ländern diesen Beschluss gefasst. Ich denke, das ist ein
Grund, sich zu freuen.
Danke schön.
({4})
Vielen Dank, Frau Bundesministerin. - Nächster Redner ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Dr. Ernst Dieter Rossmann. Bitte schön, Kollege
Dr. Rossmann.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Wanka, wir stimmen Ihnen zu: Was jetzt zwischen
Bund und Ländern vereinbart worden ist, ist eine große
Chance, ist ein großes Angebot an die Studierenden in
Deutschland. Es ist mit begründet durch das Engagement der Länder, durch das Engagement des Bundes und
nicht zuletzt durch das Engagement engagierter Studierender - bis hin zum Bildungsstreik; da wollen wir gar
keinen Faden abschneiden.
Wenn wir die Historie betrachten, sehen wir, dass es
gut ist, dass es heute einen Konsens darüber gibt, dass
eine wachsende Zahl von Studierenden kein Nachteil für
ein Land ist. Vor zehn, zwölf Jahren ist darüber noch anders diskutiert worden. Aber dass Konservative Wendungen machen, freut uns ja.
({0})
Es freut uns, wenn auch Sie sagen: Es ist nur gut, wenn
deutlich mehr junge Menschen studieren. Das ist kein
Nachteil für die Wirtschaft und kein Nachteil fürs Handwerk und kein Nachteil für den Mittelstand. - Das sollten wir zusammen festhalten.
({1})
Das Zweite. Herr Rupprecht, es freut uns, wenn Sie
auf Willy Brandt zurückkommen. Aber dann wollen wir
festhalten: Zur Zeit Willy Brandts war die Form der
Bund-Länder-Zusammenarbeit ganz offen, mit einem
Grundgesetz, das alles ermöglichte, bis hin zu gemeinsamen Bund-Länder-Programmen, mit Gesetzeswerken
vom - in der Großen Koalition bereits vorbereiteten Berufsbildungsgesetz bis zum BAföG, bis zum Hochschulrahmenrecht, bis zu Hochschulbauprogrammen, bei
denen genau dieses zusammenwachsen konnte, einschließlich einer BAföG-Offensive, wie wir sie jetzt leider nicht haben. Wenn schon, dann bitte den ganzen
Willy Brandt!
Die minimale Änderung des Grundgesetzes, die Sie
jetzt vorschlagen, erlaubt nicht das offene Zusammengehen von Bund und Ländern auf bestimmte Zielgrößen
beim Hochschulausbau, welches in den großen Bildungszeiten der sozial-liberalen Koalition den großen
Bildungsaufbruch ermöglicht hat. Diese Minimallösung,
die uns das Kabinett jetzt vorschlägt, ist deshalb nicht
geeignet, die Hochschulprogramme zu einer Dauerförderung der Hochschulen zu verstetigen. Haben Sie Ihre
Meinung geändert, und machen Sie uns einen neuen
Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes? Oder ist
das noch der alte Verhinderungsvorschlag? Das zu sagen, gehört zur Ehrlichkeit dazu,
({2})
wenn wir aus dem guten Geist dieses Hochschulpakts etwas machen wollen, was nachhaltig Bestand hat.
Das Dritte. Das Zusammenwirken von Bund und Ländern hat verschiedene Aspekte. Ich kann verstehen,
wenn die Länder sagen, das sei zu kleine Münze, und darauf verweisen, dass ihnen mit den 10 Milliarden Euro,
die sie im Rahmen des Hochschulpakts über die Jahre
bekommen, lediglich indirekt zurückgegeben wird, was
ihnen in den letzten Jahren durch die Mövenpick-Steuer
und Verschlechterungen bei der Erbschaftsteuer aus der
Tasche gezogen worden ist. Das stimmt, und wir sind dafür, dass sie das zurückbekommen.
Man muss diese 10 Milliarden Euro - kumuliert über
acht Jahre Laufzeit - aber auch in Relation setzen zu den
20 Milliarden Euro, die die Länder Jahr für Jahr für die
Grundfinanzierung ihrer Hochschulen ausgeben.
({3})
- Das ist ihre Aufgabe. Aber dann wollen wir sie in dieser Aufgabe auch nicht schlechtreden, sondern anerkennen, dass der Bund über acht Jahre insgesamt 10 Milliarden Euro gibt, während die Länder über acht Jahre
insgesamt 160 Milliarden Euro geben. So sind die Relationen, abgesehen davon, dass es wichtig ist, im Bereich
Bildung on top etwas draufzulegen.
Ich werfe an dieser Stelle mit ein, dass es - jenseits aller politischen Farben, Herr Neumann - nicht angeht, der
SPD vorzuwerfen, dass in Sachsen-Anhalt die Prioritäten gesetzt werden, wie sie gesetzt werden. Den Ministerpräsidenten und die Wissenschaftsministerin in Sachsen-Anhalt stellt die CDU.
({4})
Wir mögen diese Prioritäten ja zusammen beklagen, aber
bitte nicht so einseitig, dass immer dann, wenn es um die
Länder geht, die SPD ins Visier genommen wird, obwohl das Problem - die mangelnde Finanzkraft - ein gemeinsames Problem ist.
Der erste Treiber der Bildungsfinanzierung waren die
Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, durch
die Frau Bulmahn damals kumuliert 10 Milliarden Euro
lockermachen konnte - und on top noch das Ganztagsschulprogramm aufgelegt wurde. Der zweite Treiber für
die Bildungs- und Forschungsausgaben war die Abschaffung der Eigenheimzulage, wodurch wir über die
Jahre 13,7 Milliarden Euro mobilisieren konnten. Um
die Erfolgsgeschichte bei Bildung und Forschung fortzuschreiben, brauchen wir jetzt einen neuen Treiber. Sonst
drohen die Länder am Ende bloß dazustehen; das ist die
Sorge, die wir haben müssen. Dieser Treiber wird wohl
nur über zusätzliche Steuereinnahmen für den Bund wie
die Länder zu gewinnen sein.
Frau Wanka, wir hätten uns gewünscht, Sie hätten
hier nicht nur über den Hochschulpakt geredet, sondern
auch ein paar Fingerzeige gegeben, wie es in Bezug auf
die nächstliegenden Finanzierungsfragen weitergehen
soll. Als es noch um die 600 Millionen Euro ging, hat
der Finanzminister Ihnen abgerungen, dass Sie 50 Prozent davon - 300 Millionen Euro - über eine zusätzliche
globale Minderausgabe beibringen. Gilt dieses noch?
Werden Sie auch in Zukunft bei auf 2,2 Milliarden Euro
gestiegenen Mitteln 50 Prozent aus der globalen Minderausgabe erbringen müssen? Was heißt das, wenn Sie dies
durchfinanzieren wollen, in Bezug auf die Programmförderung, auf die die Forschungsorganisationen und die
Hochschulen warten? Was heißt das in Bezug auf die
Weiterbildungsfinanzierung? Was heißt das auch in Bezug auf das, wonach der Kollege Gehring schon gefragt
hat: Bleibt es am Ende dabei, dass wir die jährliche Steigerung der Zuschüsse um 5 Prozent im Rahmen des
Pakts für Forschung und Innovation durchfinanzieren
müssen, aber viel mehr nicht geht? - Diese Fragen müssen Sie dem Parlament beantworten, wenn Sie die Erfolgsgeschichte „Hochschulpakt“ fortführen wollen.
({5})
Ansonsten heißt es: „linke Tasche, rechte Tasche“, und
Sie bekommen von Forschung und sozialer Unterstützung für die Studierenden entkleidete Hochschulen.
Lassen Sie uns um die ganze Wahrheit ringen. Zur
ganzen Wahrheit gehört: Wir brauchen eine bessere
Grundgesetzänderung im Geiste von Willy Brandt und
des Kollegen Rupprecht, und wir brauchen eine ehrliche
Finanzpolitik, damit das kein Strohfeuer bleibt. Studierende und Hochschulen in Deutschland haben wirklich
Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit verdient.
Danke schön.
({6})
Vielen Dank, Kollege Dr. Rossmann. - Nächste Rednerin ist unsere Kollegin Frau Sylvia Canel für die Fraktion der FDP. Bitte schön, Frau Kollegin Sylvia Canel.
({0})
Meine Damen und Herren! Herr Rossmann, der einzige Grund, sich Sorgen machen zu müssen, wäre gegeben, wenn wir diese erfolgreiche Bildungspolitik nicht
weiterführen könnten. Schwarz-Gelb hat gezeigt, dass es
hier Prioritäten gibt und dass diese Prioritäten richtig
sind. Deshalb freue ich mich auch, dies hier noch einmal
erwähnen zu dürfen.
Wir leben in einer Bildungsrepublik. Noch nie hat
eine Bundesregierung mehr in die Ressource Bildung investiert und junge Menschen beim Erwerb von Wissen
unterstützt. Während die letzte rot-grüne Regierung
knapp über 8 Milliarden Euro für den Bereich „Bildung
und Forschung“ übrig hatte, investieren wir heute das
Doppelte, nämlich fast 14 Milliarden Euro.
({0})
Wir freuen uns, dass die Früchte unseres Handelns so
greifbar sind. Die Koalition hat damit maßgeblich zur
Erfolgsgeschichte Deutschlands beigetragen. Wir verspüren sozusagen einen Boom im Bildungssektor, was
natürlich auch mit der ausgesprochen guten Wirtschaftsentwicklung zusammenhängt.
Noch vor wenigen Jahren klagte man über zu wenige
Ausbildungsplätze. Heute mangelt es an Auszubildenden. Mittlerweile schauen sich junge Spanier in Frankfurt die Angebote der Handwerksbetriebe an, und sie interessieren sich plötzlich für die Ausbildung made in
Germany. Das freut uns; denn mit unserem dualen System der Berufsausbildung lässt sich Jugendarbeitslosigkeit nachhaltig reduzieren. Nirgendwo in Europa gibt es
weniger arbeitslose junge Menschen als bei uns - auch
und gerade im Gesamtschulland Schweden nicht.
({1})
Gerade im Hochschulbereich ist enorm viel getan
worden. Im Jahr 2007 lag die Studierendenquote bei gerade einmal 37 Prozent. Ich wiederhole das gerne:
37 Prozent! Nur vier Jahre später war es schon mehr als
die Hälfte der Schulabgänger, nämlich 51 Prozent, die
ein Studium aufgenommen hat. Diese so positive Entwicklung kommt nicht von ungefähr, sondern hat Ursachen. Sie hören es ja so gerne: Die BAföG-Erhöhung,
das Deutschlandstipendium, die Unterstützung der Begabtenförderungswerke, die Exzellenzinitiative, der
Qualitätspakt Lehre, der Bologna-Pakt und schließlich
auch die massive Ausweitung des Hochschulpakts hinterlassen tiefe, gute Spuren. Das freut uns.
({2})
Wir sehen die Erfolge und fühlen uns auch dafür verantwortlich.
({3})
Wir fühlen uns ebenfalls verantwortlich, wenn uns die
Länder zurufen, dass sie beim Ausbau der Studienplatzkapazitäten weitere Unterstützung benötigen. Das sind
teilweise dieselben SPD- und grün regierten Länder, die
sich der Lockerung des Kooperationsverbots verweigert
haben und eine nachhaltige Finanzierung des Hochschulwesens immer noch blockieren.
({4})
Es sind die Länder, die die Studienbeiträge abgeschafft
haben. Es sind die Länder, die ihrer Selbstverpflichtung
in der Vergangenheit nicht nachgekommen sind und
keine vollständige Kofinanzierung des Hochschulpakts
geleistet haben. Angesichts dieses Trauerspiels könnte
man doch fragen: Wieso soll der Bund hier eigentlich
einspringen? Es gibt darauf eine ganz klare und einfache
Antwort: Der Bund muss einspringen, weil es um junge
Menschen geht. Es geht um die Zukunft unseres Landes.
Es geht um unsere Kinder.
Was wurde im Kraftakt der letzten Tage durch die
Bundesregierung und die Bundesbildungsministerin
Frau Wanka geleistet? Was ist der Kern der Erfolgsmeldung? Wir haben Unglaubliches geschafft: Wir haben
300 000 zusätzliche durchfinanzierte Studienplätze geschaffen. Wenn das kein großer Erfolg sein soll, was ist
es dann?
({5})
Die Studierenden werden davon profitieren, wir werden
davon profitieren, die Wirtschaft wird davon profitieren,
die Gesellschaft wird davon profitieren. In Zeiten knapper Kassen ist der Beschluss zum Hochschulpakt ein klares Bekenntnis für den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland. Die Hochschulen haben mit der
Entscheidung ein klares Signal für den Ausbau der Studienangebote erhalten. Jetzt sind nur noch die erforderlichen Schritte einzuleiten.
Für die FDP ist das ein notwendiger und richtiger
Schritt. Wir freuen uns über die Neujustierung des Hochschulpakts. Wir freuen uns, dass wir die Sicherung der
Bildung in Deutschland gewährleisten können.
Danke sehr.
({6})
Vielen Dank, Frau Kollegin Sylvia Canel. - Nächster
Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser
Kollege Oliver Kaczmarek. Bitte schön, Kollege Oliver
Kaczmarek.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob das, was
Sie gerade vorgetragen haben, Frau Canel, mit den Erfahrungen, mit der Alltagswelt der Menschen in Übereinstimmung zu bringen ist, was die Situation der Ausbildung im ganzen Land angeht, was die neuen
Studierenden empfinden, was sich in der U-3-Betreuung
abspielt usw. Insofern nützt es uns nichts, wenn wir hier
Parallelwelten konstruieren.
({0})
Vielmehr müssen wir uns auf die Dinge konzentrieren,
die am vergangenen Wochenende in der Gemeinsamen
Wissenschaftskonferenz beschlossen worden sind, und
sie realistisch bewerten.
Zwei Dinge sollten wir aus meiner Sicht gemeinsam
betonen: Erstens ist jetzt wirklich gewährleistet, dass für
die Länder zusätzliche Studienanfänger tatsächlich zusätzliches Geld bedeuten. Das wird fließen; das ist gut
so. Zweitens ist es politisch gelungen, eine Lösung für
ein Problem zu finden, und zwar gemeinsam, durch Bundesregierung und Bundesländer. Ich finde, das muss hier
betont werden; denn das ist ein gemeinsamer Erfolg.
Dazu passt nicht der konstruierte Bund-Länder-Widerspruch, von dem ich hier zum Teil gehört habe.
({1})
Die Hochschulen können jetzt die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass junge Menschen ihr Studium aufnehmen - zum Teil haben sie das schon gemacht -, und
bekommen dafür auch die entsprechenden Gelder. Sie
können in neue Stellen, Lehrräume und Hörsäle investieren. Aber zu einem guten Studium gehört noch mehr
- ich will dem, was mein Kollege Swen Schulz schon
genannt hat, noch einen Aspekt anfügen -: Dazu gehören auch Wohnheime, Mensen und vieles mehr. Deswegen ist die Forderung nach einem Pakt für die soziale Infrastruktur, wie sie beispielsweise vom Deutschen
Studentenwerk erhoben wird, auch kein Beiwerk, sondern ein wichtiges Element einer guten Hochschulpolitik.
({2})
Ich möchte ein Argument nennen: Wenn wir auch Studierenden aus den sogenannten bildungsfernen Milieus
eine faire Chance geben wollen, dann müssen die sozialen Rahmenbedingungen geregelt sein. Dann muss es
eben auch Wohnheime, Beratung, BAföG und vieles
mehr geben. Das dürfen wir nicht allein dem Markt oder
den Eltern überlassen.
Es ist gut, dass die Länder den Druck auf den Bund
aufrechterhalten haben, seinen Finanzierungsanteil am
Hochschulpakt den realen Bedingungen anzupassen. Die
Opposition hatte das hier bereits einige Male gefordert;
an diese Debatten werden Sie sich erinnern. Dieses Angebot zu machen, ist kein Gnadenakt und auch keine formale Pflicht, sondern eine Frage des Verständnisses von
Partnerschaft auf Augenhöhe im Hochschulpakt. Man
schließt eine solche Vereinbarung doch in dem Bewusstsein, dass man ein Problem nur gemeinsam lösen kann.
Deshalb - und weil die Lage in den Ländern schon lange
absehbar war - war es eben auch höchste Eisenbahn,
dass der Bund ein angemessenes Angebot gemacht hat.
Ich muss sagen, dass die Vorhaltungen, Ermahnungen
und Unterstellungen, die ich hier zum Teil gegenüber
den Ländern gehört habe, der Koalition aus meiner Sicht
nicht anstehen; denn das spiegelt nicht die realen Verhältnisse wider.
({3})
Nehmen Sie doch bitte auch zur Kenntnis und sagen Sie
das auch laut - mein Kollege Ernst Dieter Rossmann hat
gerade schon darauf hingewiesen -, dass die Länder
jährlich mit allein gut 20 Millionen Euro zur Grundfinanzierung der Hochschulen beitragen.
({4})
Laut dem Nationalen Bildungsbericht - auch Ihnen liegt
er vor - werden etwa zwei Drittel sämtlicher Kosten im
tertiären Bereich durch die Länder getragen und 18 Prozent durch den Bund.
({5})
Die Länder sind mit Abstand der Hauptlastenträger.
({6})
Die schwarz-gelbe Koalition sollte nicht so tun, als wäre
sie der Taktgeber dieser Finanzierung. Etwas mehr Bescheidenheit gegenüber den Ländern würde Ihnen an
dieser Stelle gut zu Gesicht stehen.
({7})
Es ist jedoch unbestritten, dass die Länder bei der
Finanzierung von Bildungsaufgaben an ihre Grenzen
stoßen; das wurde hier schon erwähnt. Deshalb weist der
Präsident der Hochschulrektorenkonferenz zu Recht auf
ein Grundproblem hin, wenn er beschreibt, dass einige
Länder ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen können. Ich zitiere Herrn Hippler:
Daher fordert die HRK seit langem eine Grundgesetzänderung, damit der Bund direkt und nachhaltig
die Grundfinanzierung der Hochschulen ergänzen
kann.
Deshalb appelliere ich an Sie: Hören Sie auf die Praktiker! Machen Sie einen neuen, einen ergänzten Vorschlag
für eine Grundgesetzänderung! Es geht nicht allein um
die Finanzierung von sogenannten Leuchttürmen. Es
geht um eine solide, eine gemeinsame Finanzierung der
Basis für die Breiten- und die Spitzenqualifizierung an
den Hochschulen. Wenn ein entsprechender konstruktiver Vorschlag vorliegt, werden wir uns ihm sicherlich
nicht verschließen.
({8})
- Natürlich, auch für Nordrhein-Westfalen. Wie Sie
sicherlich wissen, hat Ministerpräsidentin Kraft selbst
vorgeschlagen, einen Art. 104 c in das Grundgesetz einzufügen. Natürlich unterstützt das Land NordrheinWestfalen diesen Vorschlag.
Zweifellos hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, Bund und Länder, in der vergangenen Woche
wichtige und notwendige Beschlüsse gefasst. Aber diese
Beschlüsse bedeuten noch nicht, dass alles getan ist, um
gute Studienbedingungen herzustellen, und zwar dauerhaft. Vor allem muss aus unserer Sicht der Bund früher
und kooperativer mit den Ländern die Probleme erkennen und verhandeln. Deswegen geht es jetzt darum, frühzeitig mit den Ländern über die dritte Förderphase, die
ab 2016 beginnt, zu verhandeln, damit für einen längeren
Zeitraum planbare finanzielle Grundlagen geschaffen
werden können. Man kann nur hoffen, dass der Geist der
realen Verhandlungen, die dann stattfinden werden, wieder etwas konstruktiver sein wird als teilweise diese Debatte hier.
Vielen Dank.
({9})
Vielen Dank, Kollege Kaczmarek. - Nächster Redner
für die Fraktion von CDU/CSU ist unser Kollege
Vizepräsident Eduard Oswald
Michael Kretschmer. Bitte schön, Kollege Michael
Kretschmer.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zur Wahrheit in dieser Debatte gehört, dass es
die Bundesregierung war, die darauf gedrängt hat, dass
es zu Veränderungen in der Nachweispflicht für die Verwendung der Gelder kommt, damit das Geld, das wir geben, am Ende auch bei den Hochschulen ankommt. Es
ist ein großer Erfolg, dass die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz dem Vorschlag von Bundesministerin
Wanka gefolgt ist und neue Kriterien beschlossen hat.
Das liegt vor allem im Interesse der jungen Menschen.
Natürlich eröffnen 625 000 neue Studienplätze Ausbildungschancen und Lebensperspektiven für junge Menschen. Sie sind schließlich die Basis für den zukünftigen
Wohlstand in unserem Land. Wir stehen dazu, dass die
Hochschulen das Zentrum unseres Wissenschaftssystems sind und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass
gemeinsam mit vielen jungen Leuten der Wohlstand
auch in Zukunft erarbeitet werden kann.
({0})
Das Drehbuch für den Hochschulpakt 2020 hat die
Bundesregierung geschrieben. Ihr ist es zu verdanken,
dass von 2007 bis 2018 vonseiten des Bundes 10 Milliarden Euro und vonseiten der Länder 9 Milliarden Euro
zur Verfügung gestellt werden. Das zeigt, dass wir uns
unserer Verantwortung stellen, dass wir aber auch in
Zukunft das Engagement der Länder klar einfordern.
Das ist ein großes Verdienst.
Wir haben gerade gehört, wie viel Länder und Kommunen für den Bildungs- und insbesondere für den
Hochschulbereich ausgeben. Wer sich der Sache wirklich ernsthaft zuwendet, wird feststellen, dass es ein
Irrweg wäre und uns alle überfordern würde, wenn der
Bund Bildungsaufgaben in noch größerem Umfang
übernehmen würde. Es muss auch in Zukunft dabei bleiben, dass die Länder ihrer Verantwortung für den Bildungs- und insbesondere für den Hochschulbereich
nachkommen. Wir müssen bei jeder Maßnahme, die wir
seitens des Bundes ergreifen, darauf achten, dass das von
uns bereitgestellte Geld additiv, also zusätzlich, zur
Verfügung steht und nicht dazu führt, dass an anderen
Stellen Geld weggenommen wird.
({1})
Das sind wir den jungen Leuten und den Hochschulen
schuldig.
Wie sehr sich Grün, Rot und Rot-Rot vom aktuellen
Diskurs und von den eigentlichen Entscheidungen, die
derzeit im Wissenschaftsbereich in Deutschland getroffen werden, abgekoppelt haben, zeigt das Ergebnis dieser Debatte und der GWK. Keiner der Vorschläge - kein
einziger! -, die hier vonseiten der Opposition gemacht
wurden, wurde von den eigenen Bundesländern in den
Verhandlungen der GWK aufgegriffen und vertreten.
({2})
Im Gegenteil: Die Veränderungen, die positiven Entwicklungen im Bereich der Nachweispflicht, kommen
vonseiten der Bundesregierung und mussten hart erkämpft werden. Wenn Sie mit solchen Vorschlägen gekommen wären, hätte man den Eindruck gewonnen, dass
es Ihnen redlich um eine Weiterentwicklung geht.
Auch die Diskussion über die mittelfristige Finanzplanung ist für einen Parlamentarier ein Armutszeugnis.
Jeder weiß, dass Beschlüsse der GWK und Ländervereinbarungen unter Parlamentsvorbehalt stehen. Das ist
auch richtig so; denn wir beschließen hier den Haushalt.
({3})
Wenn man das weiß, was soll man sonst vermuten, als
dass die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition
nach dem Motto „Was ich selber denk und tu, trau ich jedem anderen zu“ handeln? Dann bleibt das Beispiel aus
Ihrer Regierungszeit, als unter Rot-Grün die Haushalte
von einem Jahr auf das andere überrollt wurden und die
Wissenschaft allein gelassen wurde.
({4})
- Das ist leider die Wahrheit.
({5})
Diese Regierung handelt anders. Das wissen die
Hochschulen, das wissen auch die Länder. Deswegen
halte ich es für einen großen Erfolg, dass wir gemeinsam, alle Länder - die SPD-regierten Länder und die
CDU-regierten Länder - und der Bund, diese Vereinbarung für die jungen Leute in unserem Land getroffen
haben.
Noch einmal: Kommen Sie zur sachlichen Diskussion
zurück!
({6})
Unser Vorschlag zur Grundgesetzänderung eröffnet die
Möglichkeit für eine breite Unterstützung von Dingen,
die national von Bedeutung sind, an Hochschulen, an
Fachhochschulen, überall im Land. Blockieren Sie nicht
weiter, sondern stellen Sie sich der Verantwortung, die
auch eine Opposition nach unserem Grundgesetz hat,
meine Damen und Herren!
({7})
Vielen Dank, Kollege Kretschmer. - Nächster Redner
in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der
CDU/CSU unser Kollege Tankred Schipanski. Bitte
schön, Kollege Schipanski.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Bildungsrepublik
Deutschland blüht.
({0})
Sie alle kennen die wissenschaftspolitische Trias aus
Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation. Wir wissen, dass die christlichliberale Koalition diese Trias um den Qualitätspakt
Lehre und um die Exzellenzinitiative in der Lehrerausbildung erweitert hat, und wir wissen, dass wir basierend
auf den Empfehlungen des Wissenschaftsrates, die wir in
diesem Frühjahr erwarten, die deutsche Wissenschaftslandschaft weiterentwickeln werden.
Dabei ist schon seit letztem Jahr klar - ein ganz wesentliches Bekenntnis der Union -: Wir wollen den Pakt
für Forschung und Innovation über 2015 hinaus verlängern, und zwar mit einem jährlichen Plus von 5 Prozent.
Eine weitere Direktive haben wir immer betont - das ist
heute noch einmal angesprochen worden -: Für uns sind
die Hochschulen das Rückgrat des deutschen Wissenschaftssystems.
({1})
Daher ist es für uns Ansporn, Exzellenz nicht nur in
der Spitze, sondern zunehmend auch in der Breite zu fördern. Eine Möglichkeit, unsere Hochschulen zu fördern,
ist dabei das Instrument des Hochschulpaktes. Dieses Instrument haben Bund und Länder auf der jüngsten
GWK-Sitzung neu gestimmt, so gestimmt, dass nun
noch schönere Töne durch dieses Instrument erklingen.
Bei einer aktuellen Zahl von 2,4 Millionen Studierenden
- das ist Rekordniveau - greift der Bund den Ländern
abermals sehr aktiv ohne rechtliche Notwendigkeit unter
die Arme.
In der zweiten Förderphase des Hochschulpaktes von
2011 bis 2015 - Frau Gohlke, jetzt hören Sie gut zu! wird nicht nur die Anzahl von Studienplätzen von
325 000 auf 625 000 markant erhöht, sondern auch die
Finanzierung pro Studienplatz wird auf 26 000 Euro statt
bisher 22 000 Euro erhöht, wobei der Bund sich an der
Finanzierung hälftig beteiligt.
({2})
So ergibt sich die enorme Summe von 7 Milliarden Euro
für die zweite Phase des Hochschulpaktes vonseiten des
Bundes.
Ich will an dieser Stelle speziell für Herrn Rossmann
betonen, dass auch dann, wenn wir eine derartige
Schwerpunktbildung zugunsten unserer Hochschulen
vornehmen, für die christlich-liberale Koalition neben
der akademischen Ausbildung die berufliche Bildung für
unser Land elementar ist.
({3})
Wir werden daher mit aller Kraft unsere berufliche Bildung mit dem Herzstück der dualen Ausbildung fortentwickeln und ausbauen.
({4})
Meine Damen und Herren, wir sehen in diesem Hochschulpakt ein ganz klares Signal, nämlich Planungssicherheit - das ist etwas anderes als Planwirtschaft -:
Planungssicherheit für unsere Hochschulen und deren
Mitarbeiter, Planungssicherheit für die Bundesländer,
Planungssicherheit für die Studierenden, aber auch für
deren Eltern. Dabei gestalten wir den Hochschulpakt
zwischen Bund und Ländern nicht so, wie die Hochschulpakte der einzelnen Bundesländer mit ihren Hochschulen ausgestaltet sind. Wir geben dieses Geld ohne
konkrete Ziel- und Leistungsvereinbarungen, aber mit
Transparenzvorgaben und begleitet durch ein aktives
Monitoring. Ich erwarte von den Bundesländern, dass sie
die wissenschaftspolitischen Impulse, die der Bund gibt,
die die HRK gibt, die der Wissenschaftsrat gibt, bei der
Vergabe der Mittel berücksichtigen.
Ein wichtiger Impuls ist für mich dabei, die erhaltene
Planungssicherheit an den wissenschaftlichen Nachwuchs weiterzugeben und die Leitlinien der HRK vom
24. April letzten Jahres für die Ausgestaltung befristeter
Beschäftigungsverhältnisse für wissenschaftliches Personal zügig umzusetzen. Die außeruniversitären Einrichtungen haben das - Sie wissen das alle - längst in vorbildlicher Art und Weise getan.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist dieser
neuverhandelte Hochschulpakt kein Grund, auf die Verfassungsänderung, die wir in dieses Parlament mit Blick
auf Art. 91 b unseres Grundgesetzes eingebracht haben,
zu verzichten. Die christlich-liberale Koalition und die
gesamte Wissenschaftslandschaft möchten eine intensivere Kultur der Kooperation zwischen Bund und
Ländern im Wissenschaftsbereich. Die SPD sollte ihre
Blockade endlich aufgeben und den Weg für mehr
Kooperation frei machen.
({5})
Das ist sicherlich auch im Sinne von Willy Brandt. Dass
sich die Opposition heute hier für teilweise erfolgreiche
Verhandlungen lobt, ist legitim mit Blick auf die Bundesländer; denn da haben wir ja durchaus rot-grüne Wissenschaftsminister vorgefunden, die diesen Kompromiss
mittragen.
Lassen Sie mich abschließend als Thüringer eine Anmerkung zu den neuen Ländern machen. Es freut mich
besonders, dass wir auch in der zweiten Programmphase
wiederum eine Sonderfinanzierung durch den Bund sowie Pauschalbeträge erhalten. Das ist ein Stück gelebtes
Bundesstaatsprinzip der Länder untereinander. Es ist
aber auch ein klares Bekenntnis der christlich-liberalen
Koalition zu den neuen Bundesländern. Sie wissen ja:
Bereits im Sommer 2012 haben wir für unsere neuen
Länder das Programm „Zwanzig20 - Partnerschaft für
Innovation“ mit einem Fördervolumen von 500 Millionen Euro aufgelegt, ein starkes Signal.
In diesem Sinne beende ich die Rede, wie ich sie begonnen habe. Meine Damen und Herren, die Bildungsrepublik Deutschland blüht!
({6})
Vielen Dank, Kollege Schipanski. - Letzter Redner in
unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/
CSU unser Kollege Marcus Weinberg. Bitte schön, Kollege Marcus Weinberg.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Uwe Schummer hat mir zugerufen, ich
solle einmal zusammenfassen. Das mache ich, und zwar
möglichst objektiv; das werden Sie sehen, das werden
Sie hören.
Ich will zunächst eins feststellen: Ob nun mehr oder
weniger oder extrem oder weniger extrem, alle - das sei
insbesondere in Richtung Opposition gesagt - freuen
sich über das Ergebnis.
({0})
Dieser Kompromiss ist ein gutes Ergebnis.
({1})
Insoweit ein Dank an Dr. Rossmann und Herrn Kollegen
Gehring für die guten Worte. Das zeigt, dass wir in der
Bildungs- und Forschungspolitik immer wieder - für
Herrn Schulz gilt das punktuell ({2})
an einem Strang ziehen.
Ich kann auch ein bisschen verstehen, Herr
Dr. Rossmann - damit sei auch Anerkennung ausgesprochen -, dass eine Debatte in einer Aktuellen Stunde über
Bildungspolitik für die Opposition so ist wie momentan
ein Auswärtsspiel bei Bayern München: Da ist kaum etwas zu gewinnen. Trotzdem versuchen Sie, hier in der
einen oder anderen Fußnote noch Kritik zu äußern. Aber
deutlich geworden ist: Es geht nur um Fußnoten. Herr
Schulz, Sie sagen: Wir haben doch immer Anträge geschrieben. Dazu kann man sagen: Ja, toll, das haben Sie
gemacht. Aber wir haben Dinge umgesetzt, und wir haben etwas zustande gebracht.
({3})
Ein Begriff taucht in diesem Zusammenhang immer
wieder auf, und das ist die „Bildungsexpansion“. Kollege Rupprecht hat ihn zu Beginn der Debatte eingeführt. Ich will ihn gerne aufgreifen, weil er das widerspiegelt, was diese Bundesregierung momentan macht.
Es gibt einen Kanzlerkandidaten, der will immer Geschichten erzählen. Wir erzählen hier nur eine einzige
Geschichte. Wir reden gar nicht über die Exzellenzinitiative - wir werden nächste Woche noch einmal über die
Exzellenzinitiative in der Lehrerbildung reden -, die kulturelle Bildung, über all die Maßnahmen, die wir im
Bildungs- und Forschungsbereich auf den Weg gebracht
haben. Reden wir nur einmal über den Hochschulpakt.
Frau Kollegin von den Linken, die Planung gemacht
hat tatsächlich die KMK. Man kann das alles kritisieren.
Aber was diese Bundesregierung bewiesen hat, ist Flexibilität, ist Nachhaltigkeit, ist Stärke in der Finanzierung.
10 Milliarden Euro bis zum Jahr 2018 - das muss man
sich einmal vor Augen halten! -, das ist eine enorme
Summe, die die Bundesregierung zur Verfügung stellt.
({4})
Das muss man doch einmal lobend erwähnen.
({5})
Im ersten Schritt ging es tatsächlich einmal um
90 000 zusätzliche Plätze. Diese Bundesregierung hat erkannt: Es gibt neue Zahlen. Übrigens gibt es sie möglicherweise auch deshalb, weil das Wissenschaftssystem
in Deutschland in den letzten Jahren anders wahrgenommen worden ist als vorher. Was wir aus der Wissenschaft
hören, sind positive Dinge. Es wird gesagt: Hier ist eine
Veränderung vollzogen worden.
({6})
Möglicherweise, Herr Dr. Rossmann, ist es auch so, dass
sich viele junge Menschen sagen: In diesem Wissenschaftssystem habe ich endlich wieder eine Chance. Hier
kann ich mich entwickeln, mein Talent und meine Kräfte
entfalten. - Vor diesem Hintergrund streben sie ein Studium an. Insgesamt gab es dann tatsächlich 185 000 zusätzliche Studienanfänger.
Im zweiten Schritt - das betrifft die Zeit von 2011 bis
2015 - gibt es eine Steigerung um 275 000. Dazu kommen noch einmal 50 000. Die Aussetzung der Wehrpflicht war vor wenigen Jahren noch gar nicht erkennbar.
Aber wir haben sofort das Notwendige getan. Die Mittel
wurden erhöht, nämlich auf insgesamt 5 Milliarden
Euro.
Nach dem Beschluss vom 12. April dieses Jahres gibt
es kurzfristig 2,2 Milliarden Euro zusätzlich für die erwarteten 300 000 zusätzlichen Studienanfänger. Dann
gibt es nach der Planung bis 2018 noch einmal 2,7 Milliarden Euro obendrauf.
Das heißt, der Bund nimmt seine Verantwortung
wahr. Das ist keine Wendung, Herr Dr. Rossmann, sondern das ist eine klare Linie. Der Bund übernimmt in der
Bildungs- und Forschungspolitik Verantwortung. Das
macht er seit 2005. Das hat er schon in der Großen Koalition gemacht, und noch ein bisschen stärker gilt das
jetzt unter der christlich-liberalen Koalition.
Marcus Weinberg ({7})
({8})
Jetzt will ich nur noch zwei, drei Punkte aufnehmen,
die Sie angesprochen haben. Es ist nicht so, dass wir immer auf die Länder zeigen.
({9})
Von denen ist eh keiner da bei solchen Debatten, was tragisch ist; die bekommen viel Geld und kommen nicht
einmal zu den Debatten. - Sie haben gesagt, Herr
Dr. Rossmann - da widerspreche ich Ihnen gar nicht; das
kann ich nachvollziehen -: Es macht keinen Sinn, immer
auf die Länder draufzuhauen, weil die auch kein Geld
haben und weil es denen auch schlecht geht. - Jetzt sehe
ich mir einmal an, was in den Ländern passiert. Wenn
ein Bundesland den Haushalt deutlich ausweitet, aber
5 Prozent im Bereich Wissenschaft einspart: Ist das eine
Priorität für die Wissenschaft oder keine Priorität für die
Wissenschaft? Das Bundesland Hamburg verfährt so,
seitdem die SPD dort die Regierung übernommen hat.
Das ist keine moderne Politik in einer Wissensgesellschaft, wie ich sie verstehe.
({10})
Das heißt, Sie müssen das in Relation setzen.
Wenn wir schon bei dem Thema sind, wie die Länder
reagieren: Ich finde es in Ordnung, wenn sich ein Land
dafür feiern lässt, dass es die Studiengebühren abschafft.
Sie abzuschaffen, ist völlig in Ordnung, wenn man es
sich leisten kann. Aber wenn, wie in Hamburg passiert,
Studiengebühren abgeschafft werden - Klammer auf: es
waren sehr klug angelegte Studiengebühren, die damals
die Schwarzen und die Grünen auf den Weg gebracht haben, nämlich nachgelagerte Studiengebühren - und
gleichzeitig in diesem Bereich gespart wird, dann ist das
eine Verschlechterung für die Studierenden. Für Sie ist
doch immer wichtig: Wie ist die Situation für die Studierenden? Das heißt, hier sparen Länder an der falschen
Stelle. Das muss man einmal thematisieren. Hier ist es
falsch, die Studiengebühren abzuschaffen.
({11})
Nächster Punkt. Herr Kaczmarek, schauen Sie sich
einmal die Mehrwertsteuerverteilung in den letzten
30 Jahren an! Bei allem Respekt: Da ist etwas rübergeschoben worden. - Tatsache ist: Auch wir haben eine
Schuldenbremse. Auch wir müssen darauf achten, dass
wir das Geld zusammenhalten. Ich möchte also schon
wissen, was die Länder machen.
Als Problem empfinde ich es, wenn man sagt: Der
Bund wird 10 Milliarden Euro für den Studienplatzausbau zur Verfügung stellen. Aber dann muss ja noch Infrastruktur dazukommen. - Wir sollen also noch eine
Straßenbahn bauen. Wir sollen möglicherweise noch ein
Kino bauen. Was noch? Wir kritisieren die Länder gar
nicht; wir verweisen nur auf die Kompetenzverteilung.
Das darf man in diesem Zusammenhang wohl einmal
machen.
Wenn der Bund unter der christlich-liberalen Koalition so viel Geld für diesen Bereich ausgibt, wenn der
Bund so viel Geld bereitstellt, dann kann man doch einmal hinterfragen: Müssen wir das eigentlich? Die Antwort: Nein. Wir machen es, weil wir Verantwortung
übernehmen. Die zweite Frage ist dann: Was machen die
Länder? Wenn es so weit kommt, dass gesagt wird: „Der
Bund muss auch noch eine Straßenbahn oder Ähnliches
bauen“, dann ist, glaube ich, in dieser Republik etwas
falsch gelagert.
({12})
Deswegen schließe ich, Herr Schulz, gern mit der
Kommentierung: Wir haben es aus Verantwortung gemacht: 10 Milliarden Euro insgesamt. Das ist nachhaltig,
das ist stark, und das ist verlässlich. Das ist der Bundesregierung geschuldet. Deswegen ist das ein guter Tag für
die Wissenschaft in Deutschland.
({13})
Unser Kollege Marcus Weinberg war der letzte Redner in unserer Aktuellen Stunde, die damit beendet ist.
Wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Donnerstag, den 18. April 2013,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.