Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich zu unserer Sitzung und rufe zunächst den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Förderung der Prävention.
Dazu wird uns für einen einleitenden fünfminütigen
Bericht der Bundesminister für Gesundheit zur Verfügung stehen, dem ich hiermit das Wort erteile.
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat sich
heute mit einem weiteren gesundheitspolitischen
Schwerpunkt aus dem Koalitionsvertrag beschäftigt. Im
Rahmen der Demografiestrategie hat das Bundeskabinett
heute einen Gesetzentwurf zur Förderung der Prävention
beschlossen und damit eine langjährige Diskussion über
ein sogenanntes Präventionsgesetz und Maßnahmen, um
die Prävention in Deutschland zu stärken, auf den Weg
gebracht. So nah wie durch den Kabinettsbeschluss
heute waren wir noch nie einem Präventionsgesetz. Es
ist damit noch Zeit genug, die Prävention im Rahmen eines Gesetzes zu stärken.
Warum eigentlich? Im Gesundheitswesen gehören
Solidarität und Eigenverantwortung untrennbar zusammen; denn die Solidargemeinschaft funktioniert nur,
wenn sie sich auch darauf verlassen kann, dass der Einzelne in Eigenverantwortung für seine Gesundheit tut,
was er für seine Gesundheit tun kann. Mir als Gesundheitsminister geht es dabei darum, nicht den Menschen
mit dem Zeigefinger obrigkeitsstaatlich vorzuschreiben,
was sie zu tun haben. Vielmehr wollen wir ihnen Anreize setzen, dass sich gesundheitsbewusstes Verhalten
für sie unmittelbar lohnt.
Prävention ist in einer alternden Bevölkerung umso
wichtiger. Wir wissen, dass die Menschen in Deutschland älter werden. Normalerweise ist Alter auch verbunden mit der Zunahme von Krankheitsrisiken. Wer also
frühzeitig etwas für seine Gesundheit tut, kann damit
auch Krankheiten und Kosten für die Solidargemeinschaft vermeiden. Deshalb wollen wir die Menschen unterstützen, ein gesundheitsbewusstes Leben in jedem Alter und in jeder Lebensphase zu führen. Dass das
möglich ist, wissen wir. Durch gesunde Ernährung,
durch mehr Bewegung, durch das Beschäftigen mit Gesundheit können wir selbst Risiken, gerade die der großen Volkskrankheiten, vermeiden. Bei Diabetes, HerzKreislauf-Erkrankungen und anderen Krankheiten wie
Depression wissen wir, dass ein gesundheitsbewusstes
Verhalten - Bewegung, richtige Ernährung, Beschäftigen mit Gesundheit - genau das verhindern kann. Insofern lohnt es sich. Wir wollen dafür werben und Anreize
setzen.
Der Gesetzentwurf setzt also im gesundheitspolitischen Bereich an. Wir verdoppeln das Ausgabevolumen
der Krankenkassen für Leistung, Prävention und Gesundheitsförderung. Wir wollen noch mehr Betriebe und
Beschäftigte erreichen, indem wir die betriebliche Gesundheitsförderung stärken. Gerade Menschen, die Präventionsangebote bisher kaum in Anspruch nehmen,
wollen wir erreichen; genauso stellen wir Kinder und Jugendliche bei Maßnahmen der Krankenkassen und der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in den
Mittelpunkt.
Ich freue mich jetzt auf die Fragen, Herr Präsident.
Dann gucken wir einmal, was daraus wird. Frau
Bunge stellt die erste Frage.
Ich bedanke mich vorher noch für den beispielhaft
knappen Bericht. Er wurde jedenfalls erkennbar innerhalb der Fünf-Minuten-Frist vorgetragen, die die Geschäftsordnung für den Bericht einräumt. Es gelingt
nicht immer, das in dieser Weise zu bewerkstelligen.
Präsident Dr. Norbert Lammert
({0})
- Das geht natürlich nicht auf Ihre Kosten.
Bitte schön.
Danke, Herr Präsident. - Dank auch Ihnen, Herr
Minister, für die Information. Laut Ihrem Entwurf soll in
den prominent vorangestellten § 1 SGB V, der die Aufgaben der Krankenversicherung als Solidargemeinschaft benennt, ein Satz eingefügt werden, den Sie einführend hier auch genannt haben, nämlich dass auch
Aufgabe der Krankenkassen „die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der
Versicherten“ ist; um diesen Passus soll laut Entwurf § 1
des Gesetzes ergänzt werden.
Für mich bedeutet Eigenverantwortung, aus sich
selbst heraus zu handeln mit dem Bewusstsein um die
Konsequenzen. Das ist das Gegenteil von Handeln auf
Basis von Belohnung und Bestrafung. Mich würde jetzt
interessieren, wie Sie Eigenverantwortung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung fördern möchten und
wie viel finanzielle Mittel Sie speziell für diesen Punkt
einsetzen möchten.
Der bisherige § 1 des Sozialgesetzbuchs V, des Gesetzbuchs für die gesetzliche Krankenversicherung, hat
schon betont, dass die Versicherten für ihre Gesundheit
mitverantwortlich sind, hat sich aber auf die Maßnahmen der Krankenkassen konzentriert. Wir betonen nun
ausdrücklich, dass uns die Eigenverantwortung der Versicherten ein sehr wichtiges Element ist, also Solidarität
und Eigenverantwortung kein Gegensatz sind, sondern
zusammengehören.
Alle Maßnahmen der Prävention stärken die Eigenverantwortung, weil es immer am Versicherten ist, etwas
für seine Gesundheit zu tun. Wir bieten ihm entsprechende Maßnahmen an; es bleibt auch in der Entscheidung des Versicherten, ob er Präventionsmaßnahmen
nutzt.
Wir schreiben den Krankenkassen jetzt vor, dass sie
konkret für betriebliche Gesundheitsförderung und für
sogenannte Settingleistungen, das heißt Maßnahmen in
sozialen Brennpunkten, Geld ausgeben müssen. Bisher
war dies den Krankenkassen freigestellt, mit der Folge,
dass sie kaum betriebliche Gesundheitsförderung und
Settingmaßnahmen, sondern sehr viele individuelle Präventionsmaßnahmen finanziert haben und mit ihren gesundheitlichen Maßnahmen diejenigen nicht erreicht haben, die sich mit ihren Gesundheitsrisiken nicht so sehr
beschäftigen; aber gerade diese müssen wir erreichen.
Alle Maßnahmen sollen einen nachhaltigen Erfolg
haben, das heißt, zu einer Verhaltensänderung beitragen,
und nicht allein anhand von Vertriebsgesichtspunkten
strukturiert sein. Insofern sind alle Maßnahmen, die wir
unterstützen, immer auf Eigenverantwortung ausgerichtet: Sie richten sich an das individuelle Verhalten und
sollen es ändern.
Die zweite Frage war, wie viel wir dafür zur Verfügung stellen. Wir verdoppeln das Ausgabevolumen der
Krankenkassen: Es werden 6 Euro pro Versichertem
sein; bisher waren es nur etwa 3 Euro.
Frau Aschenberg-Dugnus.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr
Minister, für Ihre Einführung. Ich hätte zwei Fragen an
Sie.
Die erste Frage: Welche speziellen Präventionsangebote für Kinder und Jugendliche bzw. ältere Menschen
sieht der Gesetzentwurf vor?
Die zweite Frage. Im Bereich der Prävention gibt es ja
eine Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren. Wie wollen Sie eine bessere Verzahnung oder Koordinierung der
unterschiedlichen Aktivitäten erreichen? Und vor allen
Dingen: Wie wollen Sie die notwendigen Qualitätsstandards sichern?
Das sind gleich drei Fragen in einer. Ich bemühe
mich, das in der vorgegebenen Zeit zu beantworten.
Zur ersten Frage. Kinder und Jugendliche wollen wir
erreichen, indem wir die Versorgungslücke im Grundschulalter schließen. Bisher ist es so, dass es keine
U-Untersuchung für Kinder im Grundschulalter gibt.
Wir schaffen jetzt mit diesem Gesetz die Möglichkeit,
dass im Grundschulalter eine zusätzliche Untersuchung
stattfindet.
Zweitens. Wir werden Modellvorhaben unterstützen
und ausgehend von der erfolgreichen zahnmedizinischen
Gruppenprophylaxe für Kinder prüfen, welche weiteren
Maßnahmen dazu beitragen können, gerade auf jene
Kinder und Jugendliche zuzugehen und sie zu erreichen,
die nicht mit ihren Eltern zum Arzt gehen. Auch die sogenannten Settingmaßnahmen, das heißt Maßnahmen im
Lebensumfeld, sollen sich schwerpunktmäßig an Kinder
und Jugendliche und darüber hinaus an Senioren richten.
Wir wollen also die Menschen in ihrem Lebensumfeld
erreichen - in der Kita, in der Schule, im Seniorenheim -,
um sie dort für Prävention und gesundheitsbewusstes
Verhalten zu gewinnen. Dafür werden verpflichtend Gelder der Krankenkassen zur Verfügung gestellt.
Es ist völlig richtig: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht allein eine Aufgabe der
Gesundheitspolitik. Deshalb haben das Ernährungsministerium und das Gesundheitsministerium bereits gemeinsam mit IN FORM eine Kampagne für gesündere
Ernährung initiiert und organisiert. Die Prävention ist
und bleibt auch Aufgabe der Länder und Kommunen,
der Sportvereine, der Bildungsträger und vieler anderer
mehr. Deswegen werden wir eine Ständige Präventionskonferenz beim Bundesgesundheitsminister einsetzen,
die über die Umsetzung der Präventionsziele wacht und
weitere Maßnahmen vorschlägt.
Die Kollegin Graf hat die nächste Frage.
Herr Minister, ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen. Angesichts Ihrer Antwort auf die Frage der Kollegin Bunge, nämlich dass Maßnahmen in sozialen Brennpunkten stattfinden sollen, stellt sich mir die Frage: Wie
wollen Sie die breiten Strukturen bürgerschaftlichen
Engagements, die es in diesem Bereich gibt - ich denke
an den Bereich Selbsthilfe, an Patientenorganisationen
und Patenprojekte, an den Bereich der Pflege und des
Sportes -, in Ihren gerade genannten Vorschlag einbeziehen? Ich kann in dem Gesetzentwurf keine Ansätze zum
Zusammenwirken und zur Einbeziehung dieser wichtigen Strukturen erkennen.
Der Bereich Selbsthilfe, das bürgerschaftliche Engagement, die Patientenverbände, die Sportvereine und andere Gruppen, die Sie erwähnt haben, leisten im Gesundheitswesen einen ganz wichtigen Beitrag. Das zeigt, dass
eben nicht nur Krankenkassen, nicht nur die Leistungserbringer im Gesundheitswesen, die Versicherten bzw.
Patienten unterstützen.
Im Übrigen haben wir mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz die Selbsthilfe in der Pflege noch einmal
gestärkt und mehr Geld zur Verfügung gestellt. Deshalb
bitte ich Sie, alle Maßnahmen im Zusammenhang zu sehen. Wir haben die unabhängige Patientenberatung gestärkt und anderes mehr. Man kann feststellen: In dieser
Legislaturperiode hat die Bundesregierung eine Politik
für die Patienten gemacht und gerade auch den Bereich
Selbsthilfe und die Rechte der Patienten - Stichwort
„Patientenrechtegesetz“ - und anderes mehr gestärkt.
Im vorliegenden Gesetzentwurf sehen wir erstens
erstmals eine Ständige Präventionskonferenz vor, in der
natürlich die Vertreter aus den genannten Vereinen und
Verbänden beteiligt sind, um ihre Anregungen einzubringen und um Verantwortung in ihrem Bereich zu
übernehmen.
Zweitens. Wie über die vorgeschriebenen Gelder, die
Krankenkassen für Settingmaßnahmen erhalten, verfügt
werden soll, das sollen diese gemeinsam mit den Kooperationspartnern erörtern. Wir sagen bewusst: Es geht
nicht um die einzelne Krankenkasse und ihre Versicherten, sondern es geht darum, gemeinsam in solche Brennpunkte hineinzugehen. Mit Unterstützung der Kooperationspartner und mithilfe der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung sollen die Verbände einbezogen werden, damit die entsprechenden Maßnahmen
erfolgreich durchgeführt werden können.
Frau Scharfenberg.
Vielen Dank. - Ich habe zwei Fragen zur betrieblichen Gesundheitsförderung.
Erstens. Wie stellt sich die Bundesregierung die Arbeit der regionalen Koordinierungsstellen für betriebliche Gesundheitsförderung konkret vor?
Zweitens. Der Nationale Normenkontrollrat bemängelt immer wieder den enormen bürokratischen Aufwand in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der
Ausgestaltung der betrieblichen Gesundheitsförderung.
Wie kann die Bundesregierung diese Bedenken entkräften?
Zunächst stellen wir fest, dass es in Deutschland nicht
die Großunternehmen sind, die beim Thema „betriebliche Gesundheitsförderung“ Nachhilfebedarf haben.
Große Konzerne haben häufig schon gute Programme:
richtige Ernährung, Betriebssport, Stressabbau, Physiotherapeuten, zum Beispiel gerade in Berufen, in denen
man viel sitzt. Unsere Zielgruppe sind vielmehr die kleineren und mittleren Betriebe.
Die kleinen und mittleren Betriebe bemängeln, dass
sie häufig wenig Kapazitäten haben, um sich um betriebliche Gesundheitsförderung zu kümmern. Deswegen
wollen wir mit den Koordinierungsstellen, mit den Verbänden, mit den Industrie- und Handelskammern und
den Handwerkskammern gemeinsam mit den Krankenkassen solche Projekte unterstützen. Es geht dabei nicht
darum, dass immer neue Projekte erfunden werden müssen; denn es gibt schon gute Projekte der betrieblichen
Gesundheitsförderung. Diese können von kleinen und
mittleren Betrieben übernommen werden. Sie brauchen
aber die Hilfestellung, wenn es um die Fragen geht: Wie
ist das zu organisieren? Wer kann mir helfen? Das ist die
Aufgabe der Koordinierungsstellen. Aufgabe der Beteiligten ist es dann, konkrete Angebote zu machen.
In der Diskussion über Präventionsmaßnahmen steht
der bürokratische Aufwand immer wieder im Mittelpunkt. Deshalb ist im Gesetz die Verpflichtung vorgesehen, dass jede Präventionsmaßnahme evaluiert werden
muss; denn nur so kann man ihren nachhaltigen Erfolg
feststellen. Hierbei ist hinsichtlich des Verfahrens natürlich zu berücksichtigen, ob Aufwand und Ertrag im richtigen Verhältnis stehen.
Frau Vogelsang.
Herr Minister, ich danke Ihnen für die Vorlage des
Gesetzentwurfes. Es ist uns gelungen, in dieser Wahlperiode ein rundes Paket an gesundheitspolitischen Maßnahmen vorzulegen, die neben der Stabilisierung der Finanzen und der Sicherstellung der Versorgungsbreite
jetzt insgesamt auch auf die Zukunft ausgerichtet werden, indem man gerade auf Vorbeugung einen besonderen Schwerpunkt legt.
Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf - ich möchte auf
den Bereich der betrieblichen Prävention eingehen - das
Setting „Arbeitswelt“ vorgesehen. Dieses Setting umfasst über 40 Millionen Menschen, Sie haben also eine
große Aufgabe vor sich.
Wir.
Wir. Ja, stimmt: Wir alle gemeinsam.
Ich mache es nicht alleine.
Zum ersten Mal werden nun in einem Gesetzentwurf
der Bundesregierung ganz konkrete Ziele benannt. Wie
wollen Sie sicherstellen - Stichworte: Qualitätscontrolling und Evaluierung -, dass im Bereich der betrieblichen Präventionsarbeit, die in Zusammenarbeit mit den
Betriebsärzten, aber auch niedrigschwelliger in kleinen
und mittleren Unternehmen organisiert werden soll, die
Ziele erreicht werden? Wie wollen Sie das kontrollieren?
Der Gesetzentwurf sieht ja vor, dass Präventionsziele
ins Gesetz geschrieben werden. Erstmals verpflichten
wir uns also gesetzlich - das gilt insbesondere für die gesetzliche Krankenversicherung - auf Präventionsziele.
Diese Ziele sollen erreicht werden, und die Umsetzung
soll überwacht werden. Dafür wird die Ständige Präventionskonferenz, die ich als Gesundheitsminister einsetzen werde, zuständig sein. Sie wird unter meinem
Vorsitz regelmäßig tagen, um die Umsetzung zu überwachen.
Ein Punkt dabei ist die betriebliche Gesundheitsförderung. Die Präventionsmaßnahmen, die bisher von Krankenkassen finanziert werden, stehen immer wieder in der
Kritik. Es wird hinterfragt, ob sie einen nachhaltigen Erfolg haben, ob sie eine Verhaltensänderung mit sich bringen. Wir wissen, dass es sehr gute betriebliche Gesundheitsförderprogramme gibt. Auch diese müssen sich der
Evaluation stellen; denn es geht um nachhaltigen Erfolg.
Was die Präventionsziele anbelangt, wird die Umsetzung, wie gesagt, von der Präventionskonferenz, die ich
einsetzen werde, überprüft. Sie wird darüber wachen,
dass das umgesetzt wird, und Vorschläge unterbreiten,
wenn die Ziele noch nicht erreicht wurden. Die Präventionsziele sind mit vielen Partnern im Rahmen des
Kooperationsverbundes gesundheitsziele.de entwickelt
worden. Diese sehr guten Ziele, deren Verbindlichkeitsgrad aber bisher zu gering ist, verankern wir deswegen
im Gesetz.
Frau Kollegin Bas.
Vielen Dank. - Ich bin grundsätzlich erfreut, dass es
jetzt ein Präventionsgesetz geben wird. Ich kann mich
erinnern, dass sowohl Sie selbst in den vergangenen drei
Jahren als auch Ihr Vorgänger, Herr Rösler, keinen Gesetzentwurf vorlegen wollten. Dass Sie jetzt doch einen
vorlegen, ist durchaus positiv zu vermerken.
Allerdings müssen Sie mir einen Widerspruch erklären: In Ihrem Gesetzentwurf steht, Prävention sei eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zugleich soll das aber
nur die gesetzliche Krankenversicherung finanzieren,
und für die Settingansätze im Bereich der Lebenswelten
sollen maximal 1 Euro pro Versichertem und Jahr ausgegeben werden.
({0})
Anscheinend haben Sie es im Kabinett nicht durchsetzen
können, dass sich auch andere Sozialversicherungsträger
beteiligen, insbesondere die Arbeitsagentur, wenn es
zum Beispiel um die Gesunderhaltung von Langzeitarbeitslosen geht. Diesen Widerspruch müssen Sie mir
erklären: Warum wird, wenn das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, nur die gesetzliche Krankenversicherung daran beteiligt? Dass für die private Krankenversicherung nur vorgesehen ist, dass sie sich auf
freiwilliger Basis daran beteiligen kann, finde ich schon
sehr merkwürdig.
Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass
wir zwar den Entwurf eines Präventionsgesetzes von
Rot-Grün abgelehnt haben, ich aber nie gesagt habe,
dass wir keine gesetzlichen Veränderungen brauchen,
um den Bereich der Prävention voranzubringen. Ein entsprechendes Zitat werden Sie von mir nicht finden. Wir
haben seinerzeit den Entwurf von Rot-Grün abgelehnt,
weil er aus unserer Sicht zu einer Mischverwaltung geführt hätte. Sie wollten Gelder aus verschiedenen Zweigen sammeln und Ländern und Kommunen Vorgaben
machen, was wir nach unserer rechtlichen Bewertung
gar nicht können; denn wir haben nur eine Gesetzgebungskompetenz für den Bund. Das ist aber eine rein
rechtliche Betrachtung.
Sie haben völlig recht: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Indem Sie aber wie in Ihrer
Frage sagen, dass nur die gesetzlichen Krankenkassen
im Bereich Prävention etwas tun würden, erwecken Sie
den Eindruck, dass keine anderen Maßnahmen ergriffen
werden. Es gibt aber viele Bundesländer, Kommunen
und Bildungsträger, zum Beispiel Sportvereine, die
schon sehr viel Präventionsarbeit leisten. Sie sind herzlich eingeladen, noch mehr zu tun. Die Länder, auch die
SPD-geführten Länder, sind herzlich eingeladen, noch
mehr zu tun. Ich würde es begrüßen, wenn sie unseren
Gesetzentwurf zum Anlass nehmen würden, noch mehr
im Bereich Prävention zu tun, und das dann auch in die
Ständige Präventionskonferenz einbringen.
Als Gesundheitsminister bin ich für die gesetzliche
Krankenversicherung zuständig. Ich erfülle meine AufBundesminister Daniel Bahr
gabe, indem wir in dem Bereich, für den ich zuständig
bin, jetzt mehr Geld für Präventionsmaßnahmen ausgeben. Vielleicht ist das Ansporn für alle anderen, im Bereich der Gesundheitspolitik ebenso ehrgeizig zu sein
wie wir.
({0})
Frau Binder.
Vielen Dank. - Herr Minister, Sie stimmen mir sicherlich zu: Prävention bedeutet Vorbeugung,
({0})
auch Vermeidung von Fehlentwicklungen. Da setze ich
am liebsten bei Kindern an. Wir haben heutzutage ja
enorme Probleme mit fehlernährten Kindern, was zu
Krankheit führt und finanzielle Folgen hat. Daher lautet
meine Frage, ob im Entwurf des Präventionsgesetzes
eine Unterstützung für hochwertiges Schulessen vorgesehen ist. Ganz konkret: Welche Handlungs- und Umsetzungshilfen können Sie über dieses Gesetz den Kommunen bzw. den Ländern zukommen lassen, die alle mehr
oder weniger am Limit sind, was ihre finanzielle Belastbarkeit angeht?
({1})
Also - Ernährungsfachkräfte, Kochkurse, Einrichtung
von Küchen in Schulen -: Welche Maßnahmen sind in
Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen?
Das Gesetz sieht nicht Einzelmaßnahmen vor. Wir
wollen nicht im Detail vorschreiben, welche Präventionsmaßnahmen vor Ort durchgeführt werden sollen,
sondern das muss vor Ort entschieden werden. Indem
wir vorschreiben, dass mehr Geld für Präventionsmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung ausgegeben wird, geben wir die Möglichkeit dazu. Das heißt, die
Krankenkassen können sich in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern im Lebensumfeld der Kinderbetreuungseinrichtungen oder Schulen - beispielsweise auch
der Grundschulen - an Maßnahmen der gesunden Ernährung beteiligen. Das Gesetz ermöglicht jetzt, dass mehr
solcher Dinge und auch bessere Maßnahmen angeboten
werden, und verpflichtet auch die Krankenkassen, Entsprechendes anzubieten. Ich halte aber nichts davon,
jetzt ins Gesetz hineinzuschreiben, welche Maßnahme
genau eine Krankenkasse durchführen soll. Darüber soll
sie mit den Kooperationspartnern vor Ort sprechen.
Es ist auch nicht überall in Deutschland so, dass Kinder fehlernährt sind. Das gibt es. In einigen Regionen
bzw. Stadtteilen kommt das mehr als in anderen vor.
Deswegen ist es richtig, dass wir zielgenau dort, wo Bedarf besteht, Präventionsmaßnahmen unterstützen. Dies
ermöglicht das Gesetz mit der Verpflichtung der Krankenkassen, zusammen mit den Kooperationspartnern
Gelder für Settingmaßnahmen einzusetzen.
Die Kollegin Klein-Schmeink hat die nächste Frage.
Herr Minister, Sie haben noch einmal deutlich gesagt,
dass Sie sozial Benachteiligte erreichen wollen. Ich
frage Sie: Mit welchen ganz konkreten Maßnahmen wollen Sie eine große Gruppe - nämlich die Arbeitslosen
und die prekär Beschäftigten - erreichen? In Ihrem Gesetzentwurf habe ich dazu keinerlei Ansätze gefunden.
Dieses Setting wird auch gar nicht genannt.
Frau Kollegin, nach meiner Kenntnis sind Arbeitslose
und auch prekär Beschäftigte gesetzlich krankenversichert. Das heißt, alle Maßnahmen, die die gesetzliche
Krankenversicherung für ihre Versicherten ergreift, erreichen selbstverständlich auch diese Gruppen. Mit den
vorgeschriebenen Lebensumfeldmaßnahmen, den sogenannten Settingmaßnahmen, können diese auch erreicht
werden. Wir müssen im Gesetz ja nicht bestimmte Lebensumfelder im Detail beschreiben, sondern wir geben
die Möglichkeit, dass mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und anderen Kooperationspartnern geeignete Programme für diese Menschen
durchgeführt werden können.
Darüber hinaus gibt es auch heute schon im Bereich
der Prävention Aktivitäten der Arbeitsagentur. Wir sollten neben diesem Präventionsgesetz, das den Schwerpunkt auf die Gesundheitspolitik legt, nicht vergessen,
dass es auch von dieser Seite aus Maßnahmen gibt. Aber
auch im Bereich der Settingmaßnahmen sind natürlich
solche Lebensumfeldmaßnahmen angedacht. Die Möglichkeit ist durch das Gesetz gegeben.
Kollege Ackermann, dann kommt der Kollege
Weinberg. Kollege Ackermann.
Schönen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie
sind darauf eingegangen, dass im Bereich der Prävention
sehr viele Akteure unterwegs sind: Kommunen, Landkreise und Länder. Aber auch die Kirchen und die gesetzliche Krankenversicherung sind in dem Bereich aktiv. Es macht Sinn, wenn man diese Akteure in einer
Präventionskonferenz zusammenfasst und das Ganze koordiniert. Meine erste Frage geht dahin: Wie wollen Sie
sicherstellen, dass eine große Institution, die in diesem
Bereich sehr viel Fachwissen hat, mit einbezogen wird,
nämlich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung?
Dieses Präventionsgesetz ist ohne Zweifel im Interesse der Menschen. Wenn man Krankheiten vermeiden
kann, ist das immer gut. Meine weitergehende Frage lautet: Haben Sie auch einmal errechnet, wie es sich volks28702
wirtschaftlich auswirkt, wenn Menschen eine Erkrankung nicht erleiden müssen bzw. wieder früher am
Arbeitsplatz sind? Das würde mich interessieren.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
leistet eine umfangreiche und wichtige Arbeit, die international sehr anerkannt ist. Wir kennen die seit Jahren
laufenden Kampagnen zum Beispiel zu HIV/Aids „Gib
Aids keine Chance“. Das ist eine international äußerst
anerkannte und wertgeschätzte Kampagne. Das heißt,
die Bundeszentrale hat Erfahrungen darin, wie man Bürgerinnen und Bürger von gesundheitsbewusstem Verhalten, von Selbstschutz und anderem mehr überzeugt.
Auch die Nichtraucherkampagnen der BZgA sind in der
Tat sehr erfolgreich.
Deswegen sehen wir vor, dass die Krankenkassen ihre
Präventionsgelder auch unter Mithilfe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und weiterer Kooperationspartner zum Beispiel für diese Lebensumfeldmaßnahmen einsetzen können. Wir müssen doch
festhalten, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen im Wettbewerb zueinander stehen, aber gerade bei
Lebensumfeldmaßnahmen nicht genau geschaut werden
kann, bei welcher Krankenkasse jemand ist. Lebensumfeldmaßnahmen sind also übergreifend. Da ist der Ansatz, auch in Kooperation mit der BZgA vorzugehen,
glaube ich, ein richtiger; diesen werden wir stärken.
Kollege Weinberg.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, alle
Fachleute auf dem Kongress „Armut und Gesundheit“,
zum Beispiel Herr Professor Rosenbrock, viele Personen,
die beim Thema Prävention in Forschung und Praxis
Rang und Namen haben, kritisieren Ihren Gesetzentwurf.
So schreibt zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für
Public Health in ihrer Stellungahme vom 1. Februar
2013:
In ihrer jetzigen Form würden der Gesetzesentwurf
und die Präventionsstrategie zu einer nachhaltigen
Schwächung von Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland führen.
Wie bewertet die Bundesregierung die teilweise vernichtende Kritik sämtlicher einschlägig mit Gesundheitsförderung befasster Verbände und Einzelpersonen
an ihrem Gesetzesvorhaben?
Herr Kollege Weinberg, wir teilen diese Kritik nicht;
sonst hätte ich ja nicht heute einen solchen Gesetzentwurf durch das Kabinett bekommen bzw. sonst hätte das
Kabinett ihn nicht beschlossen. Es wird im parlamentarischen Ablauf auch für diese Verbände genügend Möglichkeiten geben, ihre Kritikpunkte einzubringen.
Ich nenne Ihnen ein aktuelles Beispiel. Auch ich habe
heute in den Medien eine Aussage des Kollegen
Rosenbrock gelesen. Er sagt, Ärzte könnten nicht für
Prävention herangezogen werden, weil Ärzte bei Prävention keine Kompetenz hätten. Ich teile diese Einschätzung ausdrücklich nicht.
({0})
Wenn wir Menschen, die sich bisher nicht mit ihrer Gesundheit beschäftigt haben, für Prävention gewinnen
wollen, dann müssen wir überlegen: Mit welchen Partnern erreichen wir sie? Ein Arzt, der sich mit dem Zustand eines Patienten beschäftigt, hat natürlich einen
Einblick in die Gesundheit des Patienten und kann auch
Empfehlungen im Hinblick auf Prävention geben.
({1})
Deswegen teile ich diese Kritik nicht. Vielmehr glaube
ich, dass uns dieses Präventionsgesetz weiterbringt. Alle
Vorschläge, was man sonst noch machen kann, nehmen
wir gerne auf und freuen uns, wenn auch andere Akteure
ihre Verantwortung übernehmen.
Aber wissen Sie - auch Sie sind ja schon etwas länger
in der Gesundheitspolitik tätig -: Es gehört zur Gesundheitspolitik dazu, zu wissen, dass eine Maßnahme, die
man auf den Weg bringt, nie allen gefällt und nie alle
dieser zustimmen. Gerade in der Gesundheitspolitik gibt
es vielfältige Interessen der Beteiligten, und es geht um
viel Geld.
Ich glaube, wir haben einen sehr ausgewogenen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Verantwortung der Krankenversicherungen betont, konkrete Verbesserungen für
die Menschen voranzubringen. Insofern: Auch wenn die
Rhetorik Ihrer Frage gerade so scharf war, können wir in
der Sache, glaube ich, gut überzeugen.
({2})
Frau Graf.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe noch eine
Frage, und zwar zu dem Gesetzentwurf selbst. Bereits im
letzten Dezember ist vom Bundesland Hamburg ein Vorschlag für ein Präventionsgesetz vorgelegt worden, welcher wesentlich weiter ging als der, den Sie uns jetzt vorgelegt haben. Warum haben Sie die Anregungen aus
Hamburg denn nicht in den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf eingearbeitet? Warum schlagen Sie eine Präventionskonferenz vor, wenn es im Rahmen von gesundheitsziele.de bereits eine solche Konferenz gibt, in deren
Rahmen auch die entsprechenden Akteure mit einbezogen werden? Wäre es da nicht klüger gewesen, diesen
Ansatz auszubauen und so den Aufbau von Parallelstrukturen zu verhindern?
Ich greife den letzten Punkt zuerst auf: Wir bauen diesen Ansatz aus. Wir greifen ja die auf gesundheitsziele.de entwickelten Ziele auf und schreiben sie ins GeBundesminister Daniel Bahr
setz, um ihnen eine höhere Verbindlichkeit zu geben; das
war, glaube ich, auch einer der Kritikpunkte, die es in
der Öffentlichkeit gab. Es ging nicht um die Ziele, nicht
um die Partner, sondern um die Frage: Was wird eigentlich aus den da entwickelten Zielen? Man kann, um ihnen größere Wirkungskraft und höhere Verbindlichkeit
zu geben, nicht mehr tun, als sie ins Gesetz zu schreiben.
Genau das haben wir vor; denn sie sollen weiterentwickelt werden.
Die erste Frage, die Sie gestellt haben, betraf das Vorhaben des Bundesrates bzw., besser gesagt, das Vorhaben von Hamburg. Darin wurde der Ansatz aufgegriffen,
den Rot-Grün in der zweiten Legislaturperiode seiner
Regierungszeit verfolgte, nämlich dass der Bund Länder
und Kommunen verpflichtet. Dieser Ansatz ist gescheitert. Das geht nicht. Wir haben nämlich keine Mischverwaltung, sondern wir haben klare Zuständigkeiten. Der
Bund ist für die Aufgaben der Gesundheit im Bereich
der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig. Aber
für Präventionsarbeit in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sind die Länder und Kommunen zuständig. Deswegen gibt es hier schon rechtliche Bedenken.
Der Bund hat keine Gesetzgebungskompetenz für solche
Bereiche; da liegt die Gesetzgebungskompetenz bei anderen.
Der Bund hat eine Gesetzgebungskompetenz, was die
Beitragsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung angeht. Er muss darauf achten, dass die Beitragsmittel der
gesetzlichen Krankenversicherung für die Versicherten
ausgegeben werden und nicht für andere Maßnahmen.
Diese Mittel sind nämlich gebunden. Die Beitragsmittel
der gesetzlichen Krankenversicherung müssen also für
die Versicherten ausgegeben werden und dürfen nicht für
Aufgaben ausgegeben werden, die eigentlich die Länder
zu erfüllen haben, zum Beispiel im Bereich der Schulen.
Vielen Dank.
Wir haben jetzt noch acht Wortmeldungen, jedenfalls
nach dem, was ich mir notiert habe. Diese acht Kolleginnen und Kollegen würde ich jetzt gerne noch aufrufen,
die Wortmeldeliste damit aber auch schließen. Das sind
zum großen Teil auch Zweit- oder Drittwortmeldungen die natürlich zulässig sind. Dann würden wir mit einer
maßvollen Überschreitung der normalerweise vorgesehenen Befragungszeit dieses Thema behandeln können.
Darf ich dafür Ihr Einverständnis feststellen? - Das ist
glücklicherweise so.
Dann ist Frau Bunge wieder an der Reihe.
Danke. - Herr Minister, Gesundheitsexperten sagen:
Auch das Einfügen von Gesundheitszielen mit diesem
Gesetz wird uns nicht davor schützen, dass sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheiten größer werden
können. Wäre es, um hier einen Schritt vorwärtszukommen, nicht vernünftig gewesen, die Minderung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheiten als spezielles
Gesundheitsziel oder, vielleicht noch besser, als ein
Kriterium für die von Ihnen angesprochene Evaluation
von Maßnahmen - dass Erfolg das hat, was diese Ungleichheiten vermindert - in das Gesetz zu schreiben?
Als Gesundheitspolitiker fragen wir alle uns nämlich immer: Was evaluieren wir? Geht es darum, ob alle schön
zusammen waren und sich bewegt haben, oder darum,
ob wir das Ziel, das bei der Gesundheitsförderung zuvörderst stehen muss, erreicht haben?
Frau Kollegin Bunge, vielleicht macht das deutlich,
warum wir in unterschiedlichen Parteien sind ({0})
ich bei den Liberalen und Sie bei den Linken -: Mein
Ziel ist, jedes Individuum zu erreichen, jedes Individuum zu überzeugen, etwas für seine Gesundheit zu tun.
({1})
Dadurch werden Ungleichheiten natürlich auch abgebaut. Das Ziel kann aus meiner Sicht nicht sein, mit
einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz zu versuchen,
Ungleichheiten abzubauen.
Für uns ist eine Verhaltensänderung hin zu gesundheitsbewusstem Verhalten der Erfolgsgrad, an dem wir
eine individuelle Präventionsmaßnahme messen, zum
Beispiel: Wird mit dem Rauchen aufgehört? Bewegen
sich die Leute mehr, um ein Krankheitsrisiko zu vermeiden?
In der Folge können damit auch gesellschaftliche
Ungleichheiten abgebaut werden; denn wir wissen, dass
ein höherer Bildungsgrad häufig korreliert mit einem
gesundheitsbewussteren Verhalten. Deswegen braucht es
auch viele andere Maßnahmen - Investition in Bildung
und vieles andere mehr -, um eine bessere Gesundheit
zu erreichen. Aber hier konzentrieren wir uns konkret
auf die Gesundheitsaufgaben.
Frau Vogelsang.
Herr Minister, ich weiß nicht genau, seit wie vielen
Jahren der Verbund gesundheitsziele.de schon arbeitet.
({0})
- Seit 2000, höre ich. - In diesem Rahmen sind sehr
kompetente Fachleute aus den Ländern, aus Bundesministerien, aus Städten und Kommunen, aus dem
Bereich der Krankenversicherung - der privaten wie der
gesetzlichen - zusammengekommen und haben unterschiedlichste Gesundheitsziele erarbeitet. Von diesen
Gesundheitszielen hat in der Bundesrepublik Deutschland jedoch kaum jemand Kenntnis erlangt; diese Ziele
sind sehr im Hintergrund geblieben.
Deswegen finde ich es ausgesprochen positiv, dass
Sie diese Gesundheitsziele - und zwar exakt diese Ge28704
sundheitsziele -, die vom Verbund gesundheitsziele.de
erarbeitet worden sind, jetzt in das Gesetz, in das SGB V,
aufnehmen. Das wird diesen Zielen viel mehr Verbindlichkeit verleihen.
Jetzt besteht die Republik ja nicht nur aus der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern darüber hinaus
auch noch aus anderen Akteuren. Diese anderen Akteure
waren aber bei der Erarbeitung und Bearbeitung dieser
Ziele beteiligt. Können Sie sich einen Mechanismus vorstellen, mit dem man aus den konkreten Zielen - die sehr
positiv gesehen werden - für das SGB V in Zukunft nationale Ziele für diese Republik machen kann?
Als Gesundheitsminister bin ich zuständig für die
Krankenversicherung und das Sozialgesetzbuch in dem
Bereich. Da haben wir jetzt diese Verbindlichkeit der
Ziele hineingeschrieben. Ich würde es sehr begrüßen,
wenn hier im Parlament eine breite Debatte über Präventionsziele und bessere Präventionsarbeit geführt würde;
aber es ist Sache des Parlaments, sich dieses Themas in
einer breiten Debatte anzunehmen, und nicht Sache des
Ministers, dem Parlament dies vorzuschreiben. Wenn
man das Präventionsgesetz zum Anlass nähme, noch
weiter und breiter über Präventionsziele zu debattieren,
fände ich das gut und würde das ausdrücklich begrüßen,
genauso wenn Länder, Kommunen und andere Beteiligte
dieses Gesetz zum Anlass nähmen, auch mehr über Präventionsziele und vor allem über ihre Umsetzung zu
diskutieren. Meinen Beitrag werde ich mit der Ständigen
Präventionskonferenz leisten, die viele Beteiligte an einen Tisch holt und überwachen soll, wie diese Präventionsziele umgesetzt werden. Sie erinnert die Beteiligten
auch daran, dass sie im Rahmen ihrer Verantwortung etwas dafür tun müssen.
Ich glaube, insofern bekommen wir einen Mechanismus dafür - Sie fragten ja nach einem Mechanismus -,
das besser umsetzen zu können. Ein Beispiel ist eben die
Ständige Präventionskonferenz, die dem Parlament auch
einen Bericht zur Verfügung stellen wird, wodurch wir
die Öffentlichkeit stärker erreichen.
Frau Kollegin Rawert.
Sie selber - nicht Sie als Person, sondern Sie als Regierung ({0})
haben das Bundeskinderschutzgesetz und damit ja auch
lebensnahe Netzwerkstrukturen - Frühe Hilfen, Familienhebammen - auf den Weg gebracht und Strukturen für
das Ehrenamt gefördert.
Nun ist sehr auffällig, dass mit diesem Entwurf eines
Gesetzes zur Förderung der Prävention auf die im
SGB VIII aufgebaute Präventionsstruktur für Kinder
und Familien mit keinem einzigen Wort Bezug genommen wird und somit auch die Leistungsträger und Leistungsträgerinnen aus lebensnahen Bereichen, wie zum
Beispiel Hebammen, nicht um Unterstützung gebeten
werden. Was sind Ihre Gründe dafür, dass es in Bezug
auf die Präventionsstruktur für Kinder und Familien weiterhin eine absolute Trennung zwischen dem SGB VIII
und dem SGB V gibt?
Das ist das Wesensmerkmal. Die Sozialgesetzbücher VIII und V haben unterschiedliche Finanzierungen,
Ziele und Aufgaben. Wir führen ja auch nicht, nur weil
es Präventionserfordernisse im Bereich der Arbeitslosenversicherung oder der Rentenversicherung gibt, die
Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zusammen, um daraus eine Versicherung zu machen. Vielmehr muss aus meiner Sicht jeder in seinem Bereich, in
dem er Zuständigkeiten hat, seinen Beitrag für eine
bessere Präventionsarbeit leisten. Hierzu sind alle Beteiligten herzlich eingeladen.
Sie haben das Thema Familienhebammen angesprochen. Es ist möglich, diese Partner in die Präventionsmaßnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen und Maßnahmen zu finanzieren, an denen
sich zum Beispiel Hebammen beteiligen, um für die Versicherten konkret etwas zu erreichen. Hier gibt es schon
erste, wenn auch nur wenige Beispiele. Ich kann mir hier
noch mehr Kreativität vorstellen.
Um die Ständige Präventionskonferenz noch einmal
zu erwähnen: Es besteht die Möglichkeit, dass diese
Themen auch dort Eingang finden und in dieser Konferenz behandelt werden.
Herr Kollege Terpe.
Herr Minister, ich komme noch einmal auf das Thema
BZgA zurück. Sie haben ja ausgeführt, dass Sie die
Rolle der BZgA bei den Lebensumfeldmaßnahmen, wie
Sie sie genannt haben, stärken und die BZgA gar zum
Hauptakteur machen wollen. Als Bundesbehörde soll sie
die Angebote und Maßnahmen, die die Krankenkassen
sozusagen finanzieren, vor Ort unterstützen. Wie soll das
konkret aussehen? Wie viele Stellen sollen mit Mitteln
der Beitragszahler bei der BZgA geschaffen werden?
Ich ahne, welcher Vorwurf dahintersteht. - Zunächst
einmal: Die Mittel im Bundeshaushalt für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die aus Steuermitteln finanziert werden, werden nicht verändert. Die
Hauptaufgabe der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung bleibt bestehen und wird finanziert.
Es geht um zusätzliche Maßnahmen. Hier haben wir
eine Diskussion. Machen wir uns doch nichts vor: Wir
wissen, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen,
die im Wettbewerb zueinander stehen und sich natürlich
auch an den Versicherten ausrichten, keinen großen
Anreiz und kein Interesse haben, im Lebensumfeld
Maßnahmen zu ergreifen. Deswegen besteht nach dieBundesminister Daniel Bahr
sem Gesetzentwurf eine Verpflichtung dazu. Die Kooperation mit einer Behörde, die international große Anerkennung für ihre Lebensumfeldmaßnahmen erhält - die
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung -, ist
hier genau der richtige Weg.
Das ist eine Mithilfe, ein Unterstützungsangebot. Hier
können auch weitere Kooperationspartner einbezogen
werden. Insofern kann ich überhaupt noch nicht sagen,
wie viel Geld der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung konkret zur Verfügung stehen wird, um
Maßnahmen zu finanzieren, weil ja auch die Maßnahmen noch nicht klar sind. Das können Öffentlichkeitsmaßnahmen sein. Es kann auch sein, dass man andere
Kooperationspartner damit beauftragt, die dann das Geld
bekommen.
Von daher ist, weil die Maßnahmen und die Ausgestaltung auch vom Spitzenverband der Krankenkassen
abhängen, völlig offen, wie diese Maßnahmen finanziert
und genutzt werden und was das für die BZgA bedeutet.
Diese Mittel sind zusätzlich.
Frau Kollegin Bas.
An diese Frage kann ich direkt anknüpfen, weil Sie
die Frage nicht beantwortet haben. Sie verpflichten die
gesetzlichen Krankenkassen, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Mittel aus Beitragsgeldern für
allgemein aufklärende Präventionsmaßnahmen - welche
auch immer das in Zukunft sein werden - zu geben.
Die Frage ist für mich immer noch, warum die private
Krankenversicherung, die von diesen Maßnahmen profitieren wird, nicht auch verpflichtet wird, sondern hier
auf Freiwilligkeit gesetzt wird. Ich hätte es verstanden,
wenn Sie auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung gesagt hätten, dass sie ihre Beitragsgelder freiwillig
für bestimmte Kampagnen zur Verfügung stellen können. Aber bei der GKV machen Sie die Abgabe verpflichtend, bei der PKV machen Sie das nicht. Diesen
Unterschied müssen Sie mir einmal erklären.
Das mache ich gerne, weil ich dann vielleicht ein
Missverständnis ausräumen kann. Sie haben das eben,
wie ich finde, nicht korrekt dargestellt. Es ist nicht so,
dass ich die gesetzliche Krankenversicherung zwinge,
der BZgA Geld zu geben. Nein, vielmehr verpflichte ich
die gesetzliche Krankenversicherung, für ihre Versicherten Maßnahmen im Lebensumfeld zu ergreifen.
({0})
Das ist übrigens auch der Anspruch: Die Beitragsmittel müssen den Versicherten zur Verfügung stehen. Wir
sehen in unserem Gesetzentwurf lediglich vor, dass sich
die gesetzliche Krankenversicherung des Know-hows,
der Erfahrung, der Kompetenz der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung bedienen kann, um solche
Lebensumfeldmaßnahmen für die Versicherten der
Krankenversicherung erfolgreich umzusetzen. Das Geld
fließt nicht in die BZgA, damit diese ihre Behördenarbeit damit finanzieren kann, sondern die BZgA bietet
ihr Know-how, ihre Kompetenz, ihre Unterstützung an,
um für die gesetzlich Versicherten eine anständige und
erfolgreiche Präventionsarbeit zu organisieren. Insofern
ist der Ansatz nicht so, wie Sie ihn darstellen. Er ist so,
wie ich ihn eben korrekt erklärt habe.
Die private Krankenversicherung finanziert schon
heute Maßnahmen in Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die international
anerkannte und sehr erfolgreiche Aids/HIV-Kampagne
- ich habe es eben erwähnt - wird auch aus Mitteln der
privaten Krankenversicherung finanziert. Auch die
Kampagne gegen Alkoholsucht, insbesondere bei Jugendlichen, wird durch die private Krankenversicherung
finanziell stark unterstützt. Ich selbst habe letztens
Preise für kommunale Suchtpräventionsprojekte verliehen, die von der privaten Krankenversicherung gestiftet
worden sind. Also auch hier gibt es Maßnahmen zur Prävention. Das begrüße ich. Ich freue mich natürlich, wenn
die private Krankenversicherung noch mehr tut.
Kollege Weinberg.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben gerade die Position von Herrn Professor Rosenbrock
kritisiert. Ich will das an dieser Stelle konkretisieren. In
§ 25 des Gesetzentwurfs wollen Sie regeln, dass Versicherte einen Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen
und eine präventionsorientierte Beratung haben. Es soll
ärztliche Bescheinigungen für Verhaltenspräventionsangebote geben.
Ist der Bundesregierung bekannt, dass, wissenschaftlich belegt, sozial benachteiligte Menschen seltener an
Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen als bessergestellte?
Teilt sie die Einschätzung, dass dieses Instrument für
Gefälligkeitsverordnungen von Präventionsangeboten
anfällig ist, die wiederum häufiger an Bessersituierte
vergeben werden, weil diese mehr danach fragen? Wird
hier nicht zusammengenommen ein Instrument zur
Vergrößerung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit geschaffen? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass
gerade sozial Benachteiligte das Angebot in Anspruch
nehmen?
Lieber Kollege Weinberg, wir können sehr stolz sein,
dass wir in Deutschland ein Gesundheitswesen haben,
das keinen Unterschied beim Zugang zu notwendigen
Behandlungen macht:
({0})
nicht vom sozialen Stand, nicht vom Alter, nicht von den
Vorerkrankungen, nicht vom Geschlecht und vielem
anderen mehr. Der Zugang ist unabhängig vom Einkommen.
Ich als Bundesgesundheitsminister habe mit dieser
Bundesregierung und dieser Koalition die Praxisgebühr
abgeschafft.
({1})
- Es scheint Sie zu treffen, dass wir die Abschaffung
umgesetzt haben. Das tut offenbar weh. - Es ist jetzt also
kein Argument mehr - dieses Argument haben Sie immer gerne gebracht -, dass die Praxisgebühr vom Arztbesuch abhält. Jeder hat freie Arztwahl, hat Zugang zum
Gesundheitssystem, zu den Ärzten, zu Innovationen, zu
notwendigen Behandlungen.
Mit dem Präventionsgesetz wird zum Beispiel öffentlich, wie viele Vorsorgeuntersuchungen es gibt. Wir wissen, dass häufig bei Vorsorgeuntersuchungen nicht die
Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenversicherungen oder der Zugang das Problem sind, sondern dass
viele Menschen gar nicht wissen, was es für sinnvolle
Vorsorgeuntersuchungen gibt. Mit dem gerade beschlossenen Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische
Krebsregister haben wir dafür gesorgt, dass jetzt alle
Versicherten, egal wie der soziale Stand ist, informiert
und eingeladen werden, zum Beispiel zur Vorsorgeuntersuchung Darmkrebs oder zur Vorsorgeuntersuchung
Gebärmutterhalskrebs.
Das heißt, wir machen in unserer Politik keine Unterschiede nach dem sozialen Stand. Im Gegenteil: Wir
wollen jedem die Möglichkeit geben und jeden unterstützen, die gesundheitliche Versorgung zu bekommen,
die er braucht.
({2})
Kollege Lemme.
Herr Minister, inwiefern unterstützt denn Ihr Entwurf
eines Präventionsgesetzes nun das öffentliche Gesundheitswesen? Sind darin auch Maßnahmen verankert, um
Ländern und Kommunen mit entsprechenden Unterstützungsleistungen zu helfen?
Herr Lemme, für den öffentlichen Gesundheitsdienst
ist nicht der Bund zuständig, sondern dafür sind die Länder und die Kommunen zuständig. Ich hielte es für
falsch - ich glaube, das wird jetzt in der Befragung auch
ein bisschen deutlich -, dass wir Beitragsgelder der gesetzlichen Krankenversicherung zur Finanzierung von
Aufgaben zweckentfremden, die eigentlich andere zu finanzieren und zu erledigen haben. Das war seinerzeit der
Ansatz von Rot-Grün, der gescheitert ist.
({0})
- Der ist gescheitert, Frau Klein-Schmeink; denn Ihr Gesetz hat damals keine Mehrheit gefunden und ist auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gestoßen. - Es
kann nicht sein, dass mit Beitragsgeldern für die Kranken- und Gesundheitsversorgung der gesetzlich Krankenversicherten Aufgaben finanziert werden, die im Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes andere zu
leisten haben.
Selbstverständlich wird auch der öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt und in die Beratungen, zum Beispiel
der Ständigen Präventionskonferenz, einbezogen. Er
wird auch im Rahmen der parlamentarischen Beratungen
angehört und anderes mehr. Aber ich bin nicht der Meinung, dass aus den Geldern der gesetzlich Krankenversicherten Aufgaben finanziert werden sollten, für die eigentlich die Länder Steuern und Abgaben erheben. Es
bleibt Aufgabe der Länder und Kommunen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
({1})
Die letzte Wortmeldung zu dieser Befragung: Kollege
Beck.
Herr Kollege Bahr, Sie haben vorhin erwähnt, dass
durch das Präventionsgesetz die Ziele einer Webseite in
ein Gesetz gehoben werden sollen. Das hat mich als bekennender gesundheitspolitischer Nichtfachmann
({0})
rechtspolitisch verwundert. Deshalb will ich einfach fragen: Was bewirkt es rechtlich konkret, wenn diese Ziele
in einem Gesetz stehen, oder dient das nur der Publizität
dieser Ziele?
({1})
Zunächst einmal ist gesundheitsziele.de ein Kooperationsverbund von vielen Beteiligten in der Gesundheitspolitik und darüber hinaus, die seit Jahren gemeinsame
Präventionsziele beraten und dann auch vorlegen. Das
nennt sich gesundheitsziele.de, weil man sich auf dieser
Seite anschauen kann, was dieser Kooperationsverbund
macht. Aber es ist natürlich weit mehr als nur diese Internetseite. Die Beteiligten beraten und entscheiden gemeinsam über die Ziele. Insofern ist das ein guter Prozess, um gemeinsam diese Ziele zu entwickeln und eine
stärkere Bindungskraft zu entfalten.
Ich glaube, durch die Verbindlichkeit im Gesetz werden erstens die Ziele bekannter, und zweitens werden
alle Maßnahmen des Sozialgesetzbuchs - dafür ist das
Gesetz ja da - auf diese Präventionsziele ausgerichtet.
Das heißt, Maßnahmen, die die Krankenkassen finanzieren und umsetzen, müssen sich an diesen PrävenBundesminister Daniel Bahr
tionszielen orientieren. Das ist bisher nicht der Fall. Deswegen ist das eine Stärkung solcher Präventionsziele,
wenn wir sie verbindlich ins Gesetz hineinschreiben und
damit alle Maßnahmen des Sozialgesetzbuchs V an
diese Präventionsziele binden.
({0})
- Zum Beispiel bei der Evaluation der Maßnahmen. Wir
sehen ja - anders als bisher - vor, dass Präventionsmaßnahmen einen nachhaltigen Erfolg zeigen müssen und
auch evaluiert werden. Da orientiert man sich natürlich
an diesen Präventionszielen, um festzustellen, ob eine
Präventionsmaßnahme Erfolg gebracht hat.
Ich frage nun, ob es noch Nachfragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt. - Das ist nicht
der Fall. Möchte jemand darüber hinaus eine Frage an
die Bundesregierung richten, die er nicht ohnehin
schriftlich eingereicht hat? - Das ist glücklicherweise
auch nicht der Fall. Damit ist die Regierungsbefragung
abgeschlossen.
Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
- Drucksachen 17/12763, 17/12811 Ich rufe zunächst die dringlichen Fragen auf.
Ich beginne mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Hier steht die Kollegin Parlamentarische
Staatssekretärin Katherina Reiche zur Beantwortung einer Frage der Kollegin Cornelia Behm zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 der Abgeordneten
Cornelia Behm auf:
Trifft es zu, dass der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, wie Der Spiegel
vom 18. März 2013 berichtet, noch im Laufe des Monats
März unter anderem den Stopp von Förderprogrammen zur
Elektromobilität, zur Entwicklung von Stromspeichern und
für den Waldklimafonds bekannt geben will, und für welchen
Zeitraum soll diese Streichung gegebenenfalls gelten?
Frau Kollegin Behm, ich beantworte Ihre Frage zum
EKF, Energie- und Klimafonds, wie folgt: Die Einnahmen des Energie- und Klimafonds sind von der Höhe der
Erlöse aus dem Emissionshandel abhängig. Gegenwärtig
laufen die Beratungen innerhalb der Bundesregierung
auf höchster Ebene.
Zum Thema Emissionshandel und auch zur Aufteilung der im Jahr 2013 zur Verfügung stehenden Finanzmittel: Das Ergebnis dieser Abstimmung gilt es abzuwarten. Erst dann herrscht Klarheit über die weitere
finanzielle Ausstattung des EKF. Seitens der Bundesregierung wurde bislang kein Förderstopp verkündet. Ein
solcher Schritt wäre zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.
Nachfrage?
Ja, gerne, Herr Präsident. - Vielen Dank für die Antwort. Es zeigt sich bei diesem Vorgang, wie absurd es eigentlich ist, notwendige Maßnahmen der Energiewende
und des Klimaschutzes aus den Einnahmen des Emissionshandels zu finanzieren. Denn wenn der Emissionshandel funktioniert, dann ist das schon Anreiz für den
Klimaschutz. Viel wichtiger wäre es gewesen, diese notwendigen Maßnahmen tatsächlich aus dem Haushalt zu
finanzieren.
Insofern frage ich ganz konkret nach dem Waldklimafonds. Denn das ist, glaube ich, ein zentrales Thema
beim Klimaschutz. Der Waldklimafonds ist mit 28 Millionen Euro nicht gerade ein sehr großer Brocken, aber
es sind nach sehr langen Planungsphasen jetzt endlich
Maßnahmen formuliert worden. Es kann losgehen. Da
ist sehr viel Energie hineingeflossen.
Ich möchte gerne wissen, ob der Waldklimafonds,
sollte es aufgrund der wegbrechenden Einnahmen zu
Kürzungen oder zu einem Förderstopp kommen, dann
aus dem Haushalt finanziert wird, damit alle geplanten
Maßnahmen auch umgesetzt werden können.
Frau Kollegin Behm, zunächst teile ich Ihre grundsätzliche Einschätzung zur Bedeutung dieses Fonds. Die
Frage zur Finanzierung, zur Zukunft und zum Start kann
ich allerdings nicht beantworten, weil wir innerhalb der
Ressorts über die Zukunft des EKF und die Ausfinanzierung der einzelnen Förderprogramme noch im Gespräch
sind.
Weitere Nachfrage?
Ja. - Ein ganz wichtiges Programm im Rahmen des
Klimaschutzes ist das Altbausanierungsprogramm. Ich
würde gerne wissen, ob die Bundesregierung sicherstellen kann, dass das Altbausanierungsprogramm auf jeden
Fall auf dem Stand weitergeführt werden kann. Oder
müssen künftig junge Familien wie meine Kinder, die
sich gerade im ländlichen Raum daranmachen, alte Gebäude klimafreundlich wiederherzurichten, um mit ihrer
Familie dort zu wohnen, damit rechnen, dass sie für
diese Maßnahmen kein Geld mehr bekommen und ein
ganz entscheidender Punkt im Rahmen des Klimaschutzes wegbricht?
Zum einen, Frau Kollegin Behm: Alle Mittel, die bislang im EKF abgebildet sind, sind Mittel, über die wir
uns jetzt im Rahmen der Ressortbesprechungen mit dem
Finanzministerium und allen anderen beteiligten Ressorts austauschen. Dazu kann ich noch keine Antwort
geben. Insofern sind die Fragen nach den einzelnen Programmen jetzt nicht zu beantworten.
Eine andere Frage ist die nach der generellen Gebäudesanierung. Hier ist es so, dass die Bundesregierung die
Mittel für die energetische Gebäudesanierung sicherstellen kann.
Frau Kofler, bitte.
Ich hoffe, Frau Staatssekretärin, ich bekomme eine
konkrete Antwort. Ich fand es leider sehr ausweichend,
was Sie auf die Frage der Kollegin Behm geantwortet
haben, die sich ursprünglich, wie ich das verstanden
habe, auch auf die Meldungen im Spiegel aus dieser Woche bezogen hat. Der Spiegel hat gemeldet, dass 14 Einzelmaßnahmen aus dem Energie- und Klimafonds gestoppt worden sind. Ich habe dazu eine hübsche Liste,
aus der man die Einzelmaßnahmen entnehmen kann, die
gestoppt werden. Dazu gehört der angesprochene Waldklimafonds. Es geht aber auch um die Mini-KraftWärme-Kopplung, das MAP und um Fragen der Klimaschutzanpassung, die meines Erachtens letzte Woche im
Ausschuss noch anders beantwortet worden sind. Das
heißt, es betrifft Unternehmen, Kommunen, Handwerker
und Privatinvestoren. Es gibt eine schöne Liste, auf der
steht: Zeitpunkt der Kommunikation für den Förderstopp
im Laufe des März; für den gerade angesprochenen
Waldklimafonds ist das Ende März.
Meine Frage lautet: Wann gibt es konkrete Aussagen,
um welche Summen es geht und welche Programme betroffen sind? Wenn solche Listen in der Welt sind, dann,
finde ich, ist es angebracht, dass das Parlament unterrichtet wird, um darüber diskutieren zu können.
Frau Kofler, der Bundesumweltminister hat in der
letzten Ausschusssitzung sehr deutlich gemacht - auch
auf Ihre Frage hin -, wie er selbst den EKF und den
Emissionshandel einschätzt und dass er als Umweltminister alles daransetzt, Förderzusagen einzuhalten. Zu
dem von Ihnen angesprochenen Mini-KWK-Programm
ist zu sagen, dass die Mittel für dieses Programm aus der
Nationalen Klimaschutzinitiative und hier überwiegend
aus dem Haushalt kommen. Es gibt keinen Stopp, so wie
Sie es gerade kommunizieren. Allerdings gibt das BAFA
potenziellen Interessenten keine Neuzusagen. Vielmehr
gilt jetzt, die schon gemachten Zusagen abzuarbeiten.
Das ist aber kein Förderstopp, so wie Sie es gerade kommunizieren. Wir versuchen alles, um Mittel zu bekommen und den Klimaschutz weiter zu fördern.
Kollege Lehrieder.
Frau Staatssekretärin Reiche, halten Sie eine Verbesserung des Klimaschutzes auch dann für möglich, wenn
die bisher im Bundesrat bestehende Blockade der energetischen Gebäudesanierung durch die SPD-geführten
Länder endlich aufgegeben wird und dann Maßnahmen
betreffend sowohl den Klimaschutz als auch die Beschäftigung von Handwerkern, die die Kollegin ebenfalls gerade angesprochen hat, besser umgesetzt werden
können?
Die Maßnahme der steuerlichen Absetzbarkeit der
Kosten der energetischen Gebäudesanierung wäre äußerst sinnvoll und zielführend, weil ein investierter Euro
einen Rückfluss von 8 Euro zur Folge hat. Da der Bundesrat mit der Mehrheit von SPD und Grünen dem nicht
folgen möchte, ist die Umsetzung einer für den Klimaschutz in Deutschland wesentlichen Maßnahme nicht
möglich.
Kollege Beck.
Sie haben richtig geschildert, dass sich der Energieund Klimafonds im Wesentlichen aus zwei Quellen
speist: zum einen aus dem Verkauf der CO2-Emissionszertifikate und zum anderen aus der Brennstäbesteuer,
aus der aber keine Einnahmen mehr erzielt werden können. Vor diesem Hintergrund hängen die Einnahmen insbesondere von den Preisen der Zertifikate ab, und das in
einer Phase, in der aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der CO2-Ausstoß sowohl auf europäischer als
auch auf globaler Ebene zurückgeht. Deshalb frage ich
Sie: Wann wird die Bundesregierung ihren Widerstand
gegen die Minderung der Preise der Treibhausgaszertifikate aufgeben, damit der Zertifikatehandel wieder Wirkung entfalten und der Energie- und Klimafonds die geplanten Einnahmen erhalten kann? Das war in dieser
Woche auch Gesprächsgegenstand im Rahmen der Diskussion über die Energiepreise.
Herr Kollege Beck, wir brauchen auch ein Signal seitens der Europäischen Kommission. Auf europäischer
Ebene ist noch nicht darüber entschieden, wie sich das
Europäische Parlament verhalten wird. Mehrheiten sind
hier nicht sicher. Wir sind mitten in einem Trilogverfahren, das komplizierte Abläufe auf europäischer Ebene
mit sich bringt. Einen Wegweiser seitens des Europäischen Parlaments können wir nicht vor April, vielleicht
auch erst im Mai erwarten. Ohne eine Position in Europa
ist es schwierig, sich innerhalb Deutschlands zu positionieren. Der Minister hat im Umweltausschuss deutlich
gemacht, dass, sobald diese Frage auf europäischer
Ebene ansteht, auch Deutschland zu einer Haltung kommen und sich positionieren wird.
({0})
Kollege Miersch.
Frau Staatssekretärin, ich frage Sie auch in Anbetracht dessen, dass der Präsident des Deutschen Bundestages heute anwesend ist:
Sie haben eben auf die Frage der Kollegin Kofler wieder ausweichend geantwortet. Halten Sie es nicht für
eine Missachtung des Deutschen Bundestages, wenn Sie
hier weiterhin ausweichend antworten, wie es auch der
Herr Bundesumweltminister im Ausschuss in der letzten
Woche getan hat, obwohl in Ihrem Haus eine Liste existiert, auf der sehr genau und detailliert aufgeführt wird,
bei welchen Programmen wann mit einem Förderstopp
zu rechnen ist? In der Überschrift dieser Liste steht in
Klammern: Kommunikation in Abhängigkeit des politisch-öffentlichen Drucks. - Wenn Sie bereits eine solche Liste haben, auf der detailliert aufgeführt ist, wann
es zu einem Förderstopp welchen Programmes kommt,
ist es dann nicht Aufgabe der Bundesregierung, die entsprechenden Fragen, wenn sie im Parlament gestellt
werden, zu beantworten?
Zunächst ist es Aufgabe der Bundesregierung, sich intern abzustimmen
({0})
und dafür zu sorgen, dass Finanzierungszusagen, wo es
geht, eingehalten werden können, wissend um die Tatsache, dass allein Deutschland das Funktionieren des europäischen Emissionshandels und die Preise nicht wird beeinflussen können. Weil wir das nicht können - wir können
den Preis für CO2-Emissionen nicht beeinflussen -, sind
wir in Verhandlungen, wie wir trotzdem Klimaschutzmaßnahmen aufrechterhalten können.
Die Listen, die irgendwo kursieren und auf die Sie
sich beziehen, sagen noch lange nichts über das Bewirtschaftungsschreiben des BMF aus, auf das wir warten.
Wir sind in Gesprächen. Solange das nicht geklärt ist
- an der Klärung arbeiten wir -, werden wir keinen Förderstopp für einzelne Programme ausrufen. Insofern
bitte ich, unsere Position zu respektieren.
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Fell.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin
Reiche, Sie haben gesagt, es werde keinen Förderstopp
bestehender Programme geben. Wir haben - erlauben Sie
mir diese Bemerkung - aufgrund Ihrer ausweichenden
Antworten erhebliche Zweifel daran. Aber ich möchte
Sie zu dem Förderbeginn eines neuen Programmes fragen.
Es gab im letzten Sommer ein Ergebnis in den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zur Solargesetznovelle. In diesen Verhandlungen hat die Bundesregierung die Vorschläge der Länder, der SPD und der
Grünen abgelehnt, im EEG einen Speicherbonus für
kleine Speicher bei den Solaranlagen zu verankern, und
zwar mit dem Argument, die Bundesregierung werde ein
Speicherprogramm auflegen und dieses bald in Kraft treten lassen. Wir wissen: Dieses Speicherprogramm ist
ausgestaltet und fertig, aber wir warten seit Monaten auf
den Beginn dieses Förderprogramms. Nun hören wir,
dass es keine Mittel im EKF gibt, um dieses Förderprogramm auf den Weg zu bringen.
Daher frage ich Sie: Wann wird dieses Förderprogramm kommen? Um es deutlich zu machen: Was glauben Sie, welches Signal für kommende Verhandlungen
im Vermittlungsausschuss an Bund, Länder und Fraktionen gesendet wird, wenn von der Bundesregierung zugesagte Programme nicht umgesetzt werden und damit der
Beschluss des Vermittlungsausschusses letztendlich hintergangen wird?
Zum Ersten wäre es sowieso klüger gewesen, die ursprünglichen Vorschläge des damaligen Bundesumweltministers Röttgen zu befolgen. Dann hätten wir jetzt
nämlich eine verträglichere Situation bei der Photovoltaikförderung in Deutschland und hätten uns langwierige
Verfahren und Unsicherheiten im Markt erspart.
Zum Zweiten gilt mit Blick auf den EKF auch hier,
dass wir mit dem Finanzministerium in Ressortabstimmungen zum Bewirtschaftungsschreiben sind. Danach
können wir Aussagen darüber machen, in welcher Form
welches Programm weiterläuft.
({0})
Die nächste Frage stellt der Kollege Krischer.
Frau Staatssekretärin, ich habe bereits in der vergangenen Woche Ihre Kollegin Heinen-Esser zu dem Thema
Mini- und Mikro-KWK und Weiterführung des Programms befragt. Wir waren uns - so habe ich Ihre Kollegin in der vergangenen Woche verstanden - zumindest
darin einig, dass man die Situation, soweit sie im Moment beurteilbar ist, den betroffenen Antragstellern
kommuniziert, dass man zum Beispiel auf der Internetseite des BAFA einen deutlichen Hinweis gibt, wie es
um die Finanzierung des Programms steht.
Ich habe gerade sowohl auf den Internetseiten des
BMU als auch auf den -seiten des BAFA, des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle - es ist die bewilligende Stelle -, noch einmal nachgesehen: Dort gibt es
keinerlei Hinweis darauf, dass es irgendein Problem mit
der Finanzierung oder Ähnlichem geben könnte, dass
also Förderanträge erst einmal zurückgestellt werden
und dass man darüber später entscheidet. Meine Frage
an Sie ist deshalb: Wann stellen Sie auf den Internetseiten des BMU und der zuständigen Bewilligungsbehörde
endlich transparent und aktuell dar, womit Antragsteller
im Bereich Mini- und Mikro-KWK-Programme und
selbstverständlich auch der anderen Programme dann zu
rechnen haben?
Entschuldigung, Frau Staatssekretärin, warten Sie
bitte einen Moment. - Ein Hinweis, nicht nur an den
Kollegen Krischer, sondern an alle nachfolgenden fragenden Kollegen: Wenn das optische Signal auf Rot
springt, ist damit nicht der Zeitpunkt gemeint, an dem
Sie Ihre Frage einleiten, sondern Sie sollten an diesem
Punkt das Fragezeichen an den Schluss Ihres Satzes setzen. - Bitte, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Krischer, ich glaube, Sie haben Frau
Heinen-Esser entweder missinterpretiert oder falsch verstanden. Mir liegt vor, was Frau Heinen-Esser Ihnen in
der letzten Woche geantwortet hat. Es hieß - sehr konkret -, dass über das Thema Emissionshandel und über
die Aufteilung der Finanzmittel aus dem EKF gesprochen wird, dass das Ergebnis dieser Abstimmung abzuwarten ist, dass das Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle für die Abwicklung des Mini-KWKProgramms zuständig ist und dass das BAFA bis zur
Klärung der Mittelverteilung gebeten wurde, die Anträge anzunehmen, jedoch keine Grundbescheide zu erlassen, gerade um den - von Ihnen vermuteten und immer wieder unterstellten - Antragstopp zu vermeiden.
Das hat Ihnen Frau Kollegin Heinen-Esser geantwortet,
und das kann ich an dieser Stelle auch nur bestätigen.
Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Vogt.
Frau Staatssekretärin, ich würde gern auf die Liste zurückkommen, die schon der Kollege Miersch angesprochen hat. Ich möchte Sie fragen, aus welchem Anlass
diese Liste in Ihrem Hause erstellt worden ist und was es
damit auf sich hat, dass dort sinngemäß von der Abhängigkeit vom politisch-öffentlichen Druck die Rede ist.
Wie stehen Sie dazu, dass nach dieser Liste im Laufe des
März praktisch fast alle Programme einem Förderstopp
unterlägen? Was heißt das für Ihren konkreten Zeitplan?
Frau Kollegin, ich nehme zu internen Vermerken und
Hinweisen, wie sie in jedem Ministerium existieren,
keine Stellung, solange es sich nicht um veröffentlichte
Dokumente handelt; insofern gehe ich darauf nicht ein.
Ich verweise aber noch einmal darauf, dass wir mit
den Fachressorts über die Ausfinanzierung der Programme verhandeln, dass wir laufenden Verpflichtungen
nachgehen wollen, um die notwendigen Mittel zur Bewirtschaftung sicherzustellen. Zu allem anderen ist jetzt,
glaube ich, bereits alles gesagt.
Nun die Nachfrage des Kollegen Schwabe.
Frau Staatssekretärin, wir reden ja nicht über irgendetwas, sondern über, so hat es auch der Minister genannt,
eines der Herzstücke der Energiewende. In der Tat müssen Sie nicht all das sagen, was Sie wissen. Aber wenn
wir etwas wissen und bei Ihnen konkret nachfragen,
dann müssen Sie als Mitglied der Bundesregierung hier
natürlich schon, wie ich finde, wahrheitsgemäß antworten.
Ich frage Sie noch einmal: Kennen Sie persönlich ein
Blatt mit der Überschrift „Anlage 3, Auswirkungen fehlender EKF-Mittel auf BMU-Programme“, mit Anweisungen, wie man mit öffentlichem Druck umzugehen
hat, mit Anweisungen, wann man den Stopp von Förderprogrammen öffentlich zu kommunizieren hat? Können
Sie ausschließen, dass es innerhalb der nächsten Wochen
einen, womöglich nur teilweisen, Förderstopp für die
14 betroffenen Programme - ich will einige konkret benennen: Förderprogramm zum Waldklimafonds, zur Klimaschutzanpassung, zur Klima- und Biodiversität, zur
Elektromobilität - geben wird?
Die Existenz von Papieren und Überlegungen, in welchen Häusern auch immer, kann und will ich überhaupt
nicht bestreiten; das habe ich auch nicht getan. Sie haben
mich gefragt, auf welchem Stand wir sind und was wir
unternehmen, um eine kritische Situation im EKF zu beheben. Diese Fragen habe ich beantwortet: dass wir mit
den Ressorts verhandeln, dass wir uns um eine Stabilisierung der Einnahmesituation bemühen und dass wir
vor allem laufende Förderprogramme sicherstellen wollen.
Noch einmal der Hinweis auf ein zu erwartendes Bewirtschaftungsschreiben: Wenn das vorliegt, können wir
Ihnen Auskunft darüber geben, welche Maßnahmen in
welchem Umfang zu welchem Zeitpunkt finanziert werden können.
({0})
- Die Frage habe ich beantwortet, Frau Vogt.
({1})
Nach unseren Regeln ist es nicht möglich, hier in einen Austausch zu treten.
Zur letzten Nachfrage, Frau Kollegin Kotting-Uhl,
bitte.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Meine Frage ist tatsächlich ganz kurz: Frau Staatssekretärin, habe ich Sie in
Ihrer vorletzten Antwort richtig verstanden, dass eventuell sogar bereits im Bewilligungsverfahren befindliche
Vorhaben gefährdet sind?
Sie haben mich hoffentlich so verstanden, Frau Kollegin Kotting-Uhl, dass wir sicherstellen wollen, dass
getroffene Zusagen eingehalten werden und dass wir darüber hinaus so verhandeln, dass Förderprogramme stattfinden können.
({0})
Danke, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen nun zu den dringlichen Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Steffen Kampeter zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 2 des Kollegen
Dr. Diether Dehm auf:
Zur Privatisierung welcher Unternehmen hat sich die zyprische Regierung in den Verhandlungen um die Kredite aus
dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, bereit erklärt, und welche Verpflichtungen beinhaltet diesbezüglich
das neu verhandelte Memorandum of Understanding?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dehm, in den noch laufenden Verhandlungen zwischen Zypern und den Euro-Staaten hat die
zyprische Regierung zugesagt, die Privatisierungsbemühungen zu intensivieren, um mithilfe von Privatisierungserlösen den Finanzbedarf für ein Stabilisierungsprogramm
in der Causa Zypern zu senken. Die zyprische Regierung
hat dabei keine spezifischen Unternehmen genannt. Entgegen Ihrer Fragestellung gibt es auch noch kein neu
verhandeltes Vertragswerk mit dem Titel „Memorandum
of Understanding“.
Sie haben das Wort zur Nachfrage.
Sie schließen also aus, dass bei einem solchen Memorandum of Understanding Gas eine strategische Rolle
spielt?
Herr Kollege Dehm, diese Suggestivfrage möchte ich
dahin gehend beantworten, dass über die Inhalte des Memorandum of Understanding im Detail keine Einigung erzielt worden ist. Die Beschlussfassung der Finanzminister der Euro-Gruppe vom vergangenen Sonntagfrüh ist
eine politische Einigung, in der verschiedene Elemente
angesprochen werden, unter anderem auch die Möglichkeit, über die Gasexploitation zu reden. Aber eine verbindliche spezielle Einigung liegt derzeit noch nicht vor.
Wie Sie wissen, hat das zyprische Parlament einem
bestimmten Vorschlag, nämlich der Beteiligung von Depositen zur Absenkung des Finanzbedarfs, bewusst nicht
zugestimmt. Von daher sehen wir jetzt mit Interesse den
konkreten Vorschlägen der in Zypern Verantwortlichen
entgegen, wie sie den Eigenanteil von etwa 7 Milliarden
Euro aufbringen können. Der bisher vorgeschlagene
Weg ist Ihnen bekannt. Ob es Alternativen gibt, die das
gleiche Ziel erreichen, bleibt abzuwarten. Der Ball liegt
im Spielfeld der zyprischen Verantwortlichen.
Ihre zweite Nachfrage.
Dann frage ich jetzt einmal den Geostrategen: Die
Rolle des Themas Gas in der Entwicklung, die wir heute
auch der Presse entnehmen, würden Sie also als eher gering und zu vernachlässigen einschätzen?
Herr Kollege Dehm, die Energieversorgung in Europa
mit einem hohen Eigenanteil sicherzustellen, ist ein
wichtiges Ziel. Dies wird auch dadurch deutlich, dass
ehemalige höchste Repräsentanten der Bundesregierung
sich bei diesem Thema ganz besonders engagieren - beispielsweise auf beiden Seiten der Pipelinevarianten. Von
daher, glaube ich, wird in allen Fraktionen des Deutschen Bundestages gemeinsam die Auffassung vertreten,
dass man das Notwendige tun muss, um die Energieversorgung dauerhaft stabil - auch mithilfe von Gaslieferungen aus verschiedenen Quellen - aufrechtzuerhalten.
Der Herr Kollege Ulrich hat ebenfalls eine Nachfrage.
Bitte.
Herr Staatssekretär, zu den Privatisierungen: Die
Ursache der zyprischen Probleme sind ja gerade nicht
defizitäre Staatsbetriebe, sondern eine Banken- bzw.
Finanzkrise. Warum zwingt man Zypern also zu Privatisierungen von Staatsbetrieben, obwohl diese sogar
schwarze Zahlen schreiben? Wird hier nicht ein falsches
Politikmodell umgesetzt? Nutzt man die zyprische
Krise, um ein Politikmodell umzusetzen, das besser zur
Situation der Europäischen Union passen würde?
Ihre Analyse mit dem ihr zugrunde liegenden Sachzusammenhang wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Die Analyse der europäischen Finanzminister führt
zu der Ansicht, dass das Kernproblem Zyperns ein völlig
überdimensionierter Bankensektor ist. Er ist, gemessen
an der Größe der Wirtschaft Zyperns, der zweitgrößte innerhalb der Europäischen Union. Er ist sehr krisenanfällig; er ist offenkundig unterkapitalisiert und muss deswegen redimensioniert werden - sprich: Schrumpfung um
die Hälfte.
Ein Programm, das dies ermöglicht, muss aber auch
die Schuldentragfähigkeit Zyperns berücksichtigen;
denn sonst hieße es, Geld in ein Fass ohne Boden zu
werfen. Wir gehen nach dem Vorschlag der Troika davon
aus, dass bei einem Kreditbedarf von mehr als 10 Milliarden Euro diese Schuldentragfähigkeit nicht gegeben
ist. Die Differenz zwischen den offenkundig benötigten
17 Milliarden Euro und einem Kredit in Höhe von
10 Milliarden Euro muss durch Eigenleistungen der
zyprischen Verantwortlichen, der zyprischen Bevölkerung, der zyprischen Wirtschaft erbracht werden. Dazu
können Privatisierungen einen notwendigen Beitrag leisten.
Deswegen glauben wir auch, dass das in einem möglichen Memorandum of Understanding eine Rolle spielen
sollte, und zwar in dem Sinne, dass das Programm nachhaltig und tragfähig sein muss. Wir erwarten, dass nicht
der europäische Steuerzahler allein, sondern auch die
Republik Zypern zu dieser Schuldentragfähigkeit einen
substanziellen Beitrag leistet.
Wir kommen damit zur dringlichen Frage 3 des Kollegen Dr. Diether Dehm.
Inwiefern hat die zyprische Regierung im mit der Troika
neu ausgehandelten Memorandum of Understanding oder in
anderen Verhandlungen die potenziellen zukünftigen Einnahmen aus der Ausbeutung von Gas oder anderen Rohstoffen
verpfändet, und in welcher Form werden diese potenziellen
Einnahmen im neu verhandelten Memorandum of Understanding bzw. in anderen Abkommen im Zusammenhang mit
Kredithilfen erwähnt?
Diese Frage haben Sie, Herr Kollege Dehm, vorhin
schon als Nachfrage gestellt. Aber ich beantworte sie
gerne noch einmal.
Ich hatte vorhin schon dargelegt, dass es ein solches
Memorandum of Understanding nicht gibt, aber ich
schließe auch nicht aus, dass es dazu Regelungen geben
könnte. Wir haben diesen Punkt in der kurzen Stellungnahme der Finanzminister nach der politischen Einigung
angesprochen.
Haben Sie noch Nachfragen? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur dringlichen Frage 4 des Kollegen Alexander Ulrich:
Inwiefern sollen institutionelle Anleger, Kapitalgesellschaften und Banken nach Vorstellung der Bundesregierung
an der Zwangsabgabe auf Einlagen bei zyprischen Banken beteiligt werden, und welche ({0}) Ausnahmen von der
Abgabe sind vorgesehen?
Nach Kenntnis der Bundesregierung soll sich die geplante einmalige Stabilitätsabgabe auf Einlagen sowohl
ortsansässiger als auch im Ausland lebender Kontoinhaber beziehen. Die Stabilitätsabgabe wurde von Zypern
nicht verabschiedet. Für uns ist nicht so sehr die Detailausgestaltung, sondern der Gesamtbeitrag Zyperns zu
diesem Programm wichtig. Die von Ihnen erbetenen
Detailauslegungen obliegen der zyprischen Gesetzgebung. Dies betrifft beispielsweise auch die in Deutschland zu Recht sehr intensiv geführte Debatte über eine
mögliche Beteiligung von kleineren Depositen.
Sie haben das Wort zur Nachfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem gestern die Zwangsabgabe bzw. die Enteignung der Kleinsparer abgelehnt
worden ist, stellt sich durchaus auch die Frage nach
Alternativen, die entwickelt werden müssten. Meine
Frage an Sie lautet: Hat man alternativ schon über einen
Schuldenschnitt nachgedacht, wie er bei Griechenland
gemacht worden ist?
Herr Kollege Ulrich, es ist gestern im zyprischen Parlament nicht spezifisch über den Beitrag kleiner bzw.
großer Depositen entschieden worden. Ich interpretiere
die Entscheidung so, dass die breite Mehrheit des zyprischen Parlamentes die Beteiligung von kleineren und
größeren Einlegern an der Rettung Zyperns abgelehnt
hat.
Wir sind der Auffassung, dass Zypern, unbeschadet
der von uns nicht geforderten Beteiligung von Kleinanlegern, eine einmalige Abgabe in Höhe von 5,8 Milliarden Euro zu erbringen hat. Die Gespräche mit Zypern
dauern noch an. Daher erkenne ich jetzt nicht die Notwendigkeit, über irgendwelche Alternativen zu spekulieren. Ich halte den Weg nach wie vor für richtig.
Ohne eine Eigenbeteiligung Zyperns ist nach den
Regularien des Europäischen Stabilitätsmechanismus
ein Rettungsprogramm im Deutschen Bundestag nicht
zustimmungsfähig. Ich erinnere Sie daran, dass aus den
Reihen der Opposition darauf hingewiesen wird - mir
liegt eine Agenturmeldung über eine entsprechende Äußerung von Herrn Özdemir vor -, dass eine Beteiligung
von Einlegern ein notwendiger und richtiger Bestandteil
dieses Programms ist.
Ihre zweite Nachfrage.
Können Sie noch einmal die Haltung der Bundesregierung und des Finanzministers in den Verhandlungen
in der Nacht von Freitag auf Samstag erläutern? Warum
hat die Bundesregierung zugestimmt, dass es für Kleinsparer keine Freibeträge gibt? Warum hat sie zugestimmt, dass Kleinsparer für eine Bankenkrise in eine
Mithaftung genommen werden, die diese nicht verursacht haben?
Herr Kollege, der Eindruck, dass das zyprische Bankenwesen eine Ansammlung von Kleinsparern ist, entspricht leider nicht den Tatsachen. Der durchschnittliche
Anleger in Zypern hat ein doppelt so hohes Depot wie
der durchschnittliche Anleger in Westeuropa. Er wird,
was die Verzinsung angeht, gegenüber den übrigen Europäern bevorzugt behandelt. Bei Tagesgeld liegt die
Verzinsung deutlich über 1 Prozent. Ich weiß nicht, wie
hoch der Zinssatz bei Ihrem Tagesgeldkonto, wenn Sie
denn eines haben, ist. Bei Laufzeiten von bis zu zwei
Jahren erhalten wir in Deutschland beispielsweise bei einer Volksbank oder Sparkasse rund 1,5 Prozent. In
Zypern gibt es 3 Prozent mehr, nämlich bis zu 4,5 Prozent. Dies hat in Zypern zu einem erheblichen Zufluss an
Kapital unterschiedlichster Quellen geführt. Vor diesem
Hintergrund sollte dieses gut verzinste Kapital zu einer
Lösung beitragen, die vorsieht, dass der europäische
Steuerzahler nicht für ein offenkundig instabiles Finanzsystem einstehen muss.
Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass die Einbeziehung kleinerer Depositen nicht Kernanliegen der Bundesregierung ist, sondern von zyprischer Seite vorgetragen worden ist. Im Kern kann es unterschiedliche
Varianten geben. Das zeigt die öffentliche Debatte. Wir
hätten ohne Weiteres akzeptieren können, wenn man gesagt hätte: Nur Depositen oberhalb einer Grenze von
100 000 Euro werden für die Besteuerung herangezogen. - Allerdings wäre dies mit einem höheren Steuersatz verbunden. Nach meiner Kenntnis des Sachverhaltes hat die zyprische Regierung es vermeiden wollen,
dass sich bei der Besteuerung eine zweistellige Zahl ergibt.
Der Kollege Beck stellt die nächste Nachfrage.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund dessen, was
Sie gerade gesagt haben, frage ich: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass wir Zypern zum einen
bei der Besteuerung der Depositen nicht aus der Verantwortung entlassen dürfen und dass wir zum anderen bei
der Regelung bezüglich der Kleinanleger etwas machen
müssen? Wollen Sie den Zyprern ein Angebot machen,
dass sie, wenn sie die gleiche Summe aufbringen, die
Kleinsparer mit einem Vermögen von unter
100 000 Euro von der Besteuerung ausnehmen können?
In diesem Fall kommt man zu einem Steuersatz von
15 Prozent. Werden Sie dahin gehend aktiv, dies den
Zyprern vorzuschlagen? Dies wäre eine Lösung, bei der
einerseits unser Ziel mit Blick auf die Beteiligung Zyperns erreicht werden würde und andererseits die Zusage
der Kanzlerin bezogen auf die Einlagensicherung nicht
verletzt wäre.
Ich befürchte nämlich, dass die Ansage, dass es zu einem Heranziehen der Einlagen unter 100 000 Euro kommen könnte, bei zukünftigen Krisen in anderen Ländern
zu einem panischen Geldabheben bei den Banken führen
wird. Deswegen wäre es im Hinblick auf zukünftige Krisen eine präventive Maßnahme, wenn man diesen Punkt
festschriebe und vonseiten der Bundesregierung eine
entsprechende Initiative ergriffe.
Ich will noch einmal deutlich machen, dass die Verhandlungen aus Sicht der Bundesregierung genau die
Forderungen widergespiegelt haben, die im deutschen
Parlament erhoben worden sind.
Die erste Forderung, die die Oppositions- und die
Koalitionsfraktionen an uns gerichtet haben, war: Es
muss ein tragfähiges Programm sein, das heißt, die
zyprische Seite muss einen wesentlichen Eigenanteil erbringen.
Die zweite Forderung war: Es muss eine substanzielle
Steigerung der Unternehmensteuern in Zypern geben.
Auch diesbezüglich hat die zyprische Regierung eine
Zusage gemacht.
Die dritte Forderung war: Die vermuteten, aber nicht
belegten Vorwürfe in Sachen Geldwäsche sollen von
unabhängiger dritter Seite aufgeklärt werden. Auch die
Erfüllung dieser Forderung ist von der zyprischen
Regierung zugesagt worden.
Ich glaube, wir haben alle wesentlichen Forderungen,
die in diesem Kontext sowohl von der Koalition als auch
von der Opposition im Deutschen Bundestag erhoben
worden sind, in diesem Programm berücksichtigt. In der
Telefonkonferenz vom Montagabend ist das, was Sie,
Herr Abgeordneter Beck, fordern, ausdrücklich bestätigt
worden: Es steht der zyprischen Regierung selbstverständlich frei, Depositen unterhalb von 100 000 Euro
von einer Belastung freizustellen. Für uns ist nicht die
Detailausgestaltung wichtig; für uns ist wichtig, dass der
zugesagte Eigenbeitrag aus dem Bankensektor, beziffert
mit 5,8 Milliarden Euro, erbracht wird.
Die Gerechtigkeitsüberlegungen, die Sie vortragen,
teile ich ausdrücklich. Das zyprische Parlament hat
allerdings in seinem Beschluss ausdrücklich auch die
Belastung von Depositen oberhalb von 100 000 Euro abgelehnt. Wir sehen jetzt mit Interesse dem Vorschlag der
Republik Zypern entgegen, wie sie den Eigenanteil in
Höhe von 5,8 Milliarden Euro erbringen will, und sehen
uns jetzt eigentlich eher in der Position, gespannt auf die
politischen Entscheidungen der zyprischen Regierung
und des zyprischen Parlamentes zu warten.
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Dehm.
Abgesehen davon, dass Sie möglicherweise zu einer
Neiddebatte inspirieren, wenn Sie sich hier im Zusammenhang mit den Einlagen der Kleinsparer in Zypern auf
den hohen Durchschnittswert der dortigen Einlagen beziehen - man kann beispielsweise das durchschnittliche
Vermögen eines Milliardärs und einer Reinemachefrau
errechnen, um den Eindruck zu erwecken, dass beide
Millionäre sind -, können Sie, Herr Staatssekretär, versichert sein: Es gibt dort Kleinsparer. Es gibt Kleinsparer,
die das, was gestern auf dem Tisch lag, als Vertragsbruch
empfinden. Es hat eine verheerende Wirkung auf viele
Kleinsparer in Europa und könnte noch viel verheerendere Wirkungen haben, wenn nicht bedingungslos gesagt
wird: Hände weg von den Konten der Kleinsparer.
Die Frage ist: Wären nicht die Glaubwürdigkeit und
die Durchschlagskraft unserer Forderungen vielleicht
größer, wenn wir denjenigen, die im eigenen Land im
Zusammenhang mit Drogenhandel, Waffenhandel und
anderen schäbigen Geschäften Steuerhinterziehung
betreiben - ob es die Deutsche Bank oder ein anderer
Konzern ist -, entschiedener zu Leibe rücken würden
- nicht nur mit gelegentlichen staatsanwaltlichen Razzien in den Hochhäusern in Frankfurt - und in Europa
eine Kultur etablieren würden, die es Steuerhinterziehern
sehr schwer macht, mit irgendeiner Milde zu rechnen?
Herr Kollege Dehm, die Zustände, die in den vergangenen Jahren zu Geldanlagen in Zypern eingeladen
haben - unter Umgehung des Gerechtigkeitsempfindens
und auch des Steuerrechts in anderen Staaten -, sind von
einem kommunistischen Präsidenten, zu dem die Partei
Die Linke ausgesprochen intensive und freundschaftliche Verbindungen hat, offensichtlich aufrechterhalten
und fortentwickelt worden. Es ist jetzt dieser Bundesregierung unter der Führung von Angela Merkel und
Wolfgang Schäuble gelungen, bei diesem Geschäftsmodell den wohl entscheidenden Schnitt zu machen, indem die drei genannten Punkte - Redimensionierung des
Bankensektors, erheblicher Anstieg der Unternehmensteuern und Umsetzung der Vorschriften zur Vorsorge
gegen Schwarzgeld - endlich implementiert werden.
Ich hätte mich gefreut, wenn Ihre Partei und Ihre
Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode des zyprischen Parlamentes ihren Einfluss genutzt hätten, um
dieses Geschäftsmodell mit dem links-sozialistischen,
kommunistischen Präsidenten Zyperns genauso kritisch
zu erörtern, wie Sie es jetzt in der Fragestunde mit der
Bundesregierung tun, die genau das abstellt.
Ich rufe die dringliche Frage 5 des Kollegen Ulrich
auf:
Was ist der Bundesregierung über Pläne der britischen Regierung bekannt, nach denen britischen Staatsbürgern mit Einlagen auf zyprischen Banken die Zwangsabgabe erstattet werden soll, und gibt es in der Bundesregierung ähnliche
Überlegungen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Die Antwort lautet: Der Bundesregierung ist aus Presseberichten bekannt, dass die britische Regierung britischen Staatsbürgern die Stabilitätsabgabe unter gewissen
Bedingungen erstatten will. Wir werden ähnliche Überlegungen nicht verfolgen, Herr Kollege Ulrich.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Bei den Verhandlungen mit Zypern hat auch das
Thema Körperschaftsteuer eine Rolle gespielt. Es gibt
nun eine kleine Annäherung: Sie soll von 10 auf
12,5 Prozent steigen. Wenn das umgesetzt wird: Über
welche Summen reden wir? Welchen Beitrag würde
diese Steuererhöhung ausmachen?
Herr Kollege Ulrich, hier erwischen Sie mich etwas
blank. Aus dem Kopf kann ich Ihnen das leider nicht beantworten. Aber ich gehe davon aus: Sobald es ein Memorandum of Understanding gibt, gibt es auch ein entsprechendes Finanztableau; das haben wir anhand
anderer Beispiele gesehen. Sobald ich mehr weiß, werde
ich Ihre Frage unaufgefordert schriftlich beantworten.
Es geht uns allerdings nicht ausschließlich um das erzielte Volumen, sondern auch darum, dass ein Körperschaftsteuersatz wie in Zypern - er steigt ja jetzt um
25 Prozent an - eine im europäischen Vergleich unanständig niedrige Besteuerung darstellt. Aufgrund dieser
niedrigen Besteuerung kam es in Zypern zu Kapital- und
Liquiditätszuflüssen, die ein nicht tragfähiges Finanzsystem hervorgebracht haben. Von der Anpassung der
Steuersätze an die europäische Norm geht also nicht nur
ein fiskalischer, sondern auch ein finanzmarktstabilisierender Effekt aus.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, ich glaube, wir haben Sie nicht
nur bei diesem Thema blank erwischt. Das zeigt auch
Ihre Antwort, in der Sie auf den letzten Präsidenten Zyperns Bezug genommen haben. Offensichtlich macht es
für die Bundesregierung doch einen Unterschied, ob ein
konservativer Präsident Oligarchen schützt oder ein anAlexander Ulrich
derer. Die Frage ist doch: Was sollte die Rettung jetzt
ausmachen? Für wen bezahlen die dortigen Kleinsparer?
Zu meiner Frage, die sich an diesen Komplex anschließt: In den Verhandlungen mit Zypern war immer
auch die Rede davon, dass man Zypern bewegen will, zu
den Ländern zu gehören, die die Finanztransaktionsteuer
einführen wollen. Wie ist da der Sachstand? Wie hat sich
Zypern verhalten? Hat sich etwas verändert? Wie sieht
es generell mit der Einführung einer Finanztransaktionsteuer aus?
Herr Kollege Ulrich, zum ersten Teil Ihrer Frage: Der
kommunistische Präsident Zyperns hat im Juni des vergangenen Jahres bei den europäischen Staaten einen
Antrag auf Finanzhilfe zur Stabilisierung seines Finanzmarktes gestellt. Leider hat er es nach meiner Einschätzung verabsäumt, in ernsthafte Verhandlungen über
ein Memorandum of Understanding, das sowohl von der
zyprischen Politik als auch von den europäischen Finanzministern akzeptiert wird, einzutreten.
Dass wir uns in einer ernsten Lage befinden, hat etwas damit zu tun, dass wir in den vergangenen Monaten
auf zyprischer Seite keinen ernsthaften Willen zum Abschluss erkennen konnten. Ich freue mich, dass die
Handlungsfähigkeit der zyprischen Regierung nach der
Präsidentschaftswahl offenkundig zugenommen hat.
Zu den Verhandlungsabläufen. Im Rahmen der vertieften Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen
Union ist die nötige Mindestzahl von Staaten, die die Finanztransaktionsteuer einführen wollen, erreicht. Der
notwendige Beschluss wird jetzt durch einen Vorschlag
der Kommission umzusetzen sein, der in einer Arbeitsgruppe des Rates erörtert wird. An dieser Arbeitsgruppe
können alle Staaten - nicht nur diejenigen, die sich an
der vertieften Zusammenarbeit beteiligen - mitwirken.
Es wird dann nach dem Einstimmigkeitsprinzip ein Vorschlag vorgelegt, der aufzeigt, wie die FTT in diesen
Ländern einzuführen ist. Zypern gehört bis heute nicht
zu den Unterstützern der Finanztransaktionsteuer.
Der Kollege Diether Dehm hat noch eine Nachfrage
und stellt diese jetzt.
Herr Staatssekretär, seien Sie versichert: Wenn Sie die
Regierungschefs der sogenannten Steueroasen in Europa
und auf dieser Welt fragen würden, welcher Parteienfamilie sie sich am nächsten fühlen, käme in der Mehrheit
ganz gewiss kein Votum für die kommunistische Parteienfamilie dabei heraus. Ich denke beispielsweise an
Monaco, Liechtenstein, die Schweiz und die Kaimaninseln.
Ich gehe davon aus, dass die Tatsache, dass die Oligarchen gestern im Verbund mit den Kleinsparern herausgenommen wurden - Sie haben das, was gestern im
Parlament von Zypern beschlossen wurde, ja kritisch rekapituliert -, Sie ganz besonders animiert und ermuntert,
mit den Angehörigen Ihrer Parteienfamilie, die jetzt in
Zypern regieren, ein ernstes Wort zu reden, damit die
Oligarchen künftig härter herangenommen werden.
Wenn Sie das tun, würde das bedeuten, dass Sie auch ein
wenig Selbstkritik dahin gehend üben, dass Sie diese
Gespräche mit der konservativen Regierung in Griechenland nicht geführt haben, als diese mehrere Hundert
Milliarden Euro nach Liechtenstein verschoben hat.
Herr Kollege Dehm, zuerst einmal sage ich: Ich habe
nicht kritisiert, dass der letzte zyprische Präsident den
Kommunisten und damit Ihrer Parteienfamilie angehörte. Ich habe kritisiert, dass er seine Arbeit nicht anständig erledigt hat. Wenn einer aus unserer Parteienfamilie Europa in eine solch missliche Lage bringen
würde,
({0})
dann würde ich das genauso machen - das wüssten Sie,
wenn Sie mich kennen würden -; denn es geht hier nicht
um Parteipolitik, sondern es geht darum, dass wir die
Verantwortung für Europas Wohl und Wehe wahrnehmen.
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass auf dem letzten
G-20-Finanzministertreffen Wolfgang Schäuble zusammen mit dem britischen Finanzminister - was manche
verwundert hat - die Steuerausweichstrategien multinationaler Konzerne zum Thema gemacht hat. Parallel zu
dieser Fragestunde findet im Finanzausschuss übrigens
ein Expertengespräch zu diesem Thema statt. Ich glaube,
dass Wolfgang Schäuble, der für die Finanzpolitik dieser
Bundesregierung zuständig ist, ganz gut unterwegs ist.
Wir sind der Auffassung, dass eine faire Besteuerung in
einer sozialen Marktwirtschaft nicht nur zum gesellschaftlichen Frieden in Deutschland, sondern auch in der
Europäischen Union beitragen kann.
Ich habe die Steuersätze vorhin als unanständig niedrig charakterisiert. Diese Situation gilt es zu beseitigen
und für mehr Steueranstand bei den Steuersätzen und
hinsichtlich der Vermeidung von Umgehungssachverhalten - von wem auch immer - zu sorgen. Meine parteipolitische Anmerkung bezog sich nur auf den Sachverhalt,
dass ich mich wundere, dass ich in der Fragestunde in
der Zeit, als Sie noch mehr Einfluss auf den zyprischen
Präsidenten hatten, weil Sie der gleichen Parteienfamilie, der kommunistischen, angehörten, von Ihnen nicht
dazu befragt worden bin. Nur so war mein Hinweis vorhin zu verstehen.
({1})
Bevor wir fortfahren, möchte ich eine Anmerkung
machen. Ich habe sowohl gegenüber den Fragenden als
auch gegenüber dem antwortenden Staatssekretär Ge28716
Vizepräsidentin Petra Pau
duld walten lassen, auch ob der Wichtigkeit dieses Themas. Im Fortgang der Fragestunde mögen sich bitte alle
an die verabredeten Regeln halten, damit möglichst viele
Fragen gestellt und beantwortet werden können.
Für diejenigen, die verfolgen, was wir hier tun, erkläre ich das noch einmal: Auf die erste Frage kann zwei
Minuten geantwortet werden. Für die folgenden Fragen
und Antworten gilt ein Zeitlimit von jeweils einer Minute.
Der Herr Staatssekretär hat nun nicht die Möglichkeit,
auf die Frage 51 des Kollegen Manfred Kolbe mündlich
zu antworten - diese Frage müsste ich nach unserer Geschäftsordnung eigentlich vorziehen, weil sie zum selben Gegenstand gestellt wurde -, da der fragende Abgeordnete, der Kollege Kolbe, eine schriftliche Antwort
wünscht.
Nachdem wir nun die dringlichen Fragen und die
Frage zum selben Themenkreis aufgerufen und bearbeitet haben, rufe ich jetzt die übrigen Fragen auf Drucksache 17/12763 auf. - Ich danke dem Herrn Staatssekretär
Kampeter.
Die Frage 1 der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz soll
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der
Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
Thomas Kossendey zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Rainer Arnold auf:
Welche Auswirkungen hat die strikte Anwendung der EUArbeitszeitrichtlinie auf Einsatzzeit und -dauer des Personals
von zivil besetzten Schiffen der Bundeswehr, und wie wirkt
sich dies auf die Einsatzfähigkeit der Flotte aus?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Arnold, die strikte
Anwendung der EU-Arbeitszeitrichtlinie hat natürlich
einschneidende Auswirkungen auf die Einsatzzeit und
auf die Einsatzdauer der zivil besetzten Schiffe der Bundeswehr. Insbesondere der Einsatzwert der großen Betriebsstofftanker „Rhön“ und „Spessart“, die gelegentlich auch am Einsatz Atalanta teilnehmen, wird dadurch
eingeschränkt.
Tanker - das wissen Sie, Herr Arnold - sind für die
NATO bzw. die Bundeswehr eine wertvolle Ressource.
Ohne hinreichende Tankerkapazitäten in Einsatzgebieten
wie in dem der Operation Atalanta müssen die Einsatzverbände häufiger Häfen ansteuern. Diese müssten ihre
Überwachungstätigkeiten dann einschränken. Das wäre
einsatzeinschränkend.
Deshalb beabsichtigt die Bundesregierung, mit der
Arbeitszeitverordnung See für mandatierte Einsätze und
einsatzbezogene Verpflichtungen eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der durchschnittlichen wöchentlichen
Arbeitszeit von 48 Stunden zu schaffen. Diese Rechtsverordnung befindet sich im Augenblick in der Ressortabstimmung; sie wird in diesen Tagen abgeschlossen.
Für das Personal und die Schiffe, die nicht unter diese
Regelung fallen, suchen wir im Augenblick andere Lösungsmöglichkeiten.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Trifft es zu, dass Schiffe der Marine außerhalb mandatierter Einsätze ihren Übungsauftrag bzw. Alltagsbetrieb in Teilen nicht mehr durchführen können, weil entsprechendes Personal nicht zur Verfügung gestellt
werden kann?
Das ist richtig. Viele dieser Aktivitäten können wir
nur noch eingeschränkt durchführen.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. - Sie
verzichten.
Dann kommen wir zur Frage 3 des Kollegen Arnold:
Welche Lösung beabsichtigt das Bundesministerium der
Verteidigung im Hinblick auf die EU-Arbeitszeitrichtlinie für
das Personal der zivil besetzten Schiffe der Bundeswehr einzuführen, die eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit
von maximal 48 Stunden aus Einsatzgründen überschreiten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Der Kollege Arnold fragt, welche Lösungsmöglichkeiten die Bundesregierung sieht. Zur dauerhaften Lösung der arbeitszeitrechtlichen Problematik wird der Erlass einer Arbeitszeitverordnung See verfolgt. In diesem
Zusammenhang haben wir zunächst einmal das Arbeitszeitgesetz geändert, um daraus dann die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass dieser Rechtsverordnung herzuleiten.
Diese Rechtsverordnung wird die Möglichkeit eröffnen, die tägliche Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden und
die wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 91 Stunden zu
verlängern. Weiterhin werden die Ruhepausen und die
Ruhezeiten flexibilisiert. Es werden aber auch abweichende Regelungen zur Jahreshöchstarbeitszeit geschaffen.
Ihre erste Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wird jenseits der gesetzlichen Regelungen - wir sind noch nicht so ganz sicher, ob sie
dann noch den EU-Vorgaben entsprechen - überlegt, ob
man den Mangel mit mehr Personal leichter beseitigen
könnte?
Bevor wir über mehr Personal nachdenken, überlegen
wir zunächst einmal, inwieweit wir auch durch organisatorische Maßnahmen Abhilfe schaffen können. Wenn
Sie diese Mehrarbeitszeit bzw. Mehrbelastung - sofern
sie nicht in Einsätzen stattfindet - noch einmal genau
analysieren, werden Sie feststellen, dass ein großer Teil
davon auf Wachzeiten in Häfen entfällt. Da kann man
durch organisatorische Maßnahmen, möglicherweise
auch durch neue technische Vorkehrungen, Abhilfe
schaffen. Dieser Prozess ist von der Marine angegangen
worden.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es erstens zu, dass es in dem
jetzt zu besprechenden Bereich zu wenig Personal gibt
und dass die Personalstellen nicht voll aufgefüllt werden? Trifft es zweitens zu, dass mit der Absenkung der
Stärke des zivilen Personals die Probleme - auch unabhängig von der Arbeitszeitrichtlinie - insgesamt eher
verschärft werden?
Richtig ist, dass dort im Augenblick nicht alle Stellen
besetzt worden sind. Das ist nicht etwa so, weil wir sie
nicht besetzen wollten, sondern weil wir keine geeigneten Bewerber gefunden haben.
Ihre zweite Anmerkung bezüglich der generellen Absenkung der Stärke des Zivilpersonals ist richtig. Wir
senken hier zwar ab, aber wir setzen Schwerpunkte. Die
Tätigkeit auf zivil besetzten Schiffen gehört zu den
Schwerpunkten, die von einer solchen Absenkung nicht
betroffen sein werden.
Wir kommen damit zur Frage 4 der Kollegin Karin
Evers-Meyer:
Welche Bestrebungen gibt es seitens des Bundesministeriums der Verteidigung, eine Ausnahmeregelung bezüglich
der EU-Arbeitszeitrichtlinie für das Personal der zivil besetzten Schiffe der Bundeswehr zu erreichen, und wie ist der aktuelle Sachstand?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Evers-Meyer, Sie wissen, dass wir dieses Thema in unserem Hause seit anderthalb Jahren sehr
intensiv bearbeiten. Ich selber habe zu mehreren Gesprächsrunden dazu eingeladen. Auch Sie waren daran
gemeinsam mit denjenigen Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss beteiligt, die sich insbesondere für das
Thema Marine interessieren. Deswegen müssten Sie eigentlich wissen, dass wir mit dieser Arbeitszeitverordnung See eine Verbesserung der Lage zumindest für die
mandatierten Einsatzfahrten vorsehen.
Sie befindet sich jetzt - ich sagte es - in der Ressortabstimmung, die in diesen Tagen abgeschlossen sein
wird. Dann kommt es zur Tarifierung, und dann werden
wir eine Erleichterung für diese seegehenden Einheiten
erzielt haben.
Den sachlichen Gehalt der Arbeitszeitverordnung See
hatte ich eben in meiner Antwort auf eine Frage des Kollegen Arnold schon ausgeführt; ich will das nicht wiederholen. Ich denke, wir haben damit eine Verbesserung
zumindest für einen Teil der Kräfte auf den zivil besetzten Schiffen erzielt.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, zu erwähnen, dass Sie sich
für eine Regelung in diesem Bereich wirklich außerordentlich stark eingesetzt haben.
Da ja jetzt eine Lösung in Sicht zu sein scheint, lautet
meine erste Nachfrage: Wann rechnen Sie denn ungefähr
mit dem Inkrafttreten der neuen Arbeitszeitverordnung
See?
Das ist nicht nur eine Frage des politischen Willens
der Bundesregierung und der Dauer der Ressortabstimmung, sondern ist auch davon abhängig, wie schnell wir
eine einvernehmliche Regelung mit den Gewerkschaften
hinbekommen. Da ich bei den Gesprächen gespürt habe,
dass auch die Gewerkschaften dieses Thema als dringlich einstufen - denn ihre Mitglieder leiden ja darunter,
dass wir hier noch keine Regelung haben -, gehe ich allerdings davon aus, dass wir das noch im Laufe dieses
Jahres schaffen werden.
Im Laufe dieses Herbstes?
Ich würde es lieber schneller schaffen; das wissen Sie.
Aber ich will hier kein Datum nennen, das später nicht
eingehalten werden kann.
War das Ihre zweite Nachfrage, oder war das nur eine
Verständnisfrage?
Ich habe gerade gemerkt, dass ich mich fast verzockt
hätte; denn ich habe noch eine Frage.
Bitte. Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Ich habe in diesem Zusammenhang
noch folgende Frage: Wie gehen eigentlich England,
Frankreich und all unsere anderen europäischen Nachbarstaaten mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie für das Personal der zivil besetzten Schiffe um? Gibt es da Erfahrungen?
Ich glaube - um den Ausdruck, den Sie verwendet haben, aufzugreifen -, jetzt haben Sie sich verzockt. Um
dieses Thema geht es nämlich in Ihrer nächsten schriftlichen Frage.
Ich will Ihnen aber gerne antworten: Wir haben mit
unseren Militärattachéstäben in diesen Ländern Kontakt
aufgenommen. Es sind noch nicht alle Antworten da. Ich
liefere sie Ihnen aber unaufgefordert schriftlich nach.
Damit kommen wir zur Frage 5 der Kollegin Karin
Evers-Meyer:
Mit welchen Ausnahmeregelungen stellen Frankreich und
Dänemark nach Kenntnis der Bundesregierung den dauerhaften Betrieb sicher, wenn ihre zivil besetzten Schiffe aus Einsatzgründen und bei Übungseinsätzen die durchschnittliche
wöchentliche Arbeitszeit von maximal 48 Stunden überschreiten?
Können Sie noch etwas ergänzend dazu sagen, Herr
Staatssekretär?
Ich habe gesagt: Wir haben, nachdem diese Frage bei
uns eingegangen ist, bei unseren Militärattachéstäben in
den entsprechenden Ländern Erkundigungen eingeholt.
Es sind aber noch nicht alle Antworten bei uns gelandet.
Wenn sie alle da sind, werden wir sie der Kollegin
Evers-Meyer unaufgefordert schriftlich zusenden.
Haben Sie trotzdem noch eine Nachfrage, oder wollen
Sie dem Herrn Staatssekretär weitere zu beantwortende
Fragen mit auf den Weg geben?
Ich habe natürlich noch eine Nachfrage. - Welche
Staaten haben denn schon Auskunft gegeben? Können
Sie das schon sagen?
Wir haben von keinem Land eine abschließende Antwort.
Eine weitere Nachfrage ist mir in diesem Zusammenhang wichtig. Das Material, also unsere Schiffe, leidet
sehr unter der derzeitigen Situation; denn die Schiffe liegen jetzt überwiegend an der Kette und sind nicht mehr
auf See. In der Vergangenheit wurden sie während der
Einsatzfahrten natürlich immer entsprechend beansprucht. Meine Frage lautet: Ist Ihnen bewusst, dass das
Material, bedingt durch die Auswirkungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie, zum Teil vielleicht gar nicht mehr
richtig einsatzfähig ist?
Frau Kollegin Evers-Meyer, das ist der zweite Aspekt, der bei der EU-Arbeitszeitrichtlinie eine Rolle
spielt. Es geht um die Frage: Wie können wir das Material instand halten? Sie werden aber Verständnis dafür
haben, dass wir uns im Ministerium natürlich zunächst
um die Menschen kümmern und erst dann die Auswirkungen auf das Material in den Blick nehmen. Wir kümmern uns - ja -, und wir wissen auch, dass wir mit den
Menschen am Material arbeiten können, wenn wir die
Chance haben, den Betroffenen Mehrstunden zur Verfügung zu stellen. Sie wissen auch, dass die meisten derjenigen, die auf zivil besetzten Schiffen arbeiten, gerne
von solchen erweiterten Möglichkeiten Gebrauch machen würden.
Wir befinden uns im Gespräch mit den anderen Ressorts, in erster Linie namentlich mit dem Arbeitsministerium. Da Arbeitszeitvorschriften Schutzvorschriften für
die Arbeitnehmer sind, muss ich allerdings sagen: Eine
Ministerin, die dem Arbeitsschutz in besonderer Art und
Weise verpflichtet ist, ist natürlich nicht sehr freigiebig,
was Ausnahmemöglichkeiten angeht.
({0})
Dann hat der Kollege Körper das Wort zu einer weiteren Nachfrage.
Herr Kollege Kossendey, eine kurze Frage: Sie haben
vorhin in einer Antwort gesagt, dass die Probleme, die
sich bei Schiffen in mandatierten Einsätzen im Zusammenhang mit der Arbeitszeitrichtlinie der EU ergeben,
durch diese Richtlinie gelöst werden sollen. Für das Personal auf anderen Schiffen werde - so haben Sie gesagt
- nach anderen Lösungen gesucht. Das ist relativ wenig
konkret. Worin könnten denn diese anderen Lösungen
für diesen Teilbereich bestehen?
Lieber Herr Kollege Körper, ich will zunächst richtigstellen: Ich habe nicht gesagt, dass die EU-Arbeitszeitrichtlinie von uns da geändert wird. Wir haben das
Arbeitszeitgesetz geändert, damit wir eine Arbeitszeitverordnung See schaffen können, um für die mandatsbezogenen Fahrten Erleichterung zu schaffen.
Für die anderen Schiffe - es handelt sich um knapp
200 Besatzungsmitglieder - sind wir dabei, auch im organisatorischen Bereich Entlastung zu schaffen, im Wesentlichen - ich hatte das angedeutet - im Wachbereich.
Wir haben nämlich festgestellt, dass ein Großteil der
Stunden, die als Mehrarbeit anfallen und nach der
EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht mehr möglich wären, im
Wachdienst anfällt. Diesen Wachdienst kann man unter
Umständen neu strukturieren. Die Marine ist dabei, entsprechende Überlegungen anzustellen.
Unter Umständen kommen dafür organisatorische
Maßnahmen wie das Zusammenbinden mehrerer Schiffe
- zum Beispiel drei Schiffe mit einer Wache statt drei
Schiffe mit drei Wachen - infrage. Das kann man natürlich auch intensivieren, indem man sagt: Wir nutzen für
die Wache nicht Menschen, sondern technische Geräte wobei das bei den zivil besetzten Schiffen nicht ganz
leicht ist; denn die Besatzung muss in Notfällen, zum
Beispiel wenn Feuer ausbricht, körperlich da sein, um
eingreifen zu können.
Wir kommen jetzt zur Frage 6 des Kollegen Lars
Klingbeil:
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die
Attraktivität der Bundeswehrfeuerwehr zu steigern?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Lieber Herr Kollege Klingbeil, das Bundesministerium des Innern und das Bundesverteidigungsministerium müssen im Hinblick auf die Bezahlung von dauerhaft über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehender
Dienstleistung der Beamten im Einsatzdienst auf die
Einführung eines neuen Besoldungsbestandteils auf einer rechtlich einwandfreien Basis hinarbeiten. Darüber
sind die Ministerien im Gespräch.
Unabhängig von der Einführung dieses neuen Besoldungsbestandteils - wir nennen das Opt-out-Vergütung muss die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Einsatzdienst der Bundeswehrfeuerwehr auch wegen des
hohen Anteils an bloßem Bereitschaftsdienst - das ist ein
Drittel - von derzeit 41 auf 48 Stunden erhöht werden.
In diesem Zusammenhang müssen wir auch deutlich machen, dass alle Bundesländer für ihre Berufsfeuerwehren
entsprechende arbeitszeitrechtliche Regelungen in Kraft
gesetzt haben.
Die beabsichtigte Vergütungsregelung - das wird Sie
sicher interessieren - hat folgenden Charakter: Für die gesamte Laufzeit der Regelung - ab dem 1. August 2013 bis
Ende 2017 - beträgt die Vergütung bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 54 Stunden für jeden Dienst von mehr als 10 Stunden 25,50 Euro und für
jeden Dienst von 24 Stunden 51 Euro. Ich glaube, mit
dieser vorgesehenen Regelung wird den Besonderheiten
der Bundeswehr angemessen Rechnung getragen. Ich
denke, damit können wir eigentlich ganz zufrieden sein.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Antwort. Sie haben ja mitbekommen, dass es bei den Bundeswehrfeuerwehrleuten in den letzten Wochen einiges an
Unruhe gab. Viele haben sich an uns gewandt. Die Frage
war natürlich: Warum wird in einem Gesetz zur Professorenbesoldung irgendwo in § 79 unsere Arbeitszeit neu
geregelt?
Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, denkt die
Bundesregierung darüber nach, nicht nur die Arbeitszeit
zu erhöhen, sondern auch die Vergütung entsprechend
nach oben anzupassen. Habe ich das richtig verstanden?
Das habe ich nicht gesagt - um das deutlich zu sagen.
({0})
Ich kann verstehen, dass Sie das so heraushören wollen.
Wichtig ist für uns, dass wir hier eine Regelung schaffen,
die rechtlich korrekt ist, die mit den Gewerkschaften abgestimmt ist und die den materiellen Einbußen, die der
Einzelne wahrscheinlich hinnehmen muss, doch einigermaßen ausgleichend entgegenwirkt.
Dass wir das in dieses Gesetz zur Professorenbesoldung mit aufgenommen haben, hängt auch damit zusammen, dass wir diese Regelung möglichst schnell verabschieden wollen. Wir wollten deswegen kein eigenes
Gesetz auf den Weg bringen müssen. Sie wissen ja, dass
der Weg eines Gesetzes gerade in den letzten Monaten
vor dem Ende einer Legislaturperiode manchmal sehr
beschwerlich ist.
Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage.
Diese Möglichkeit würde ich gerne nutzen. - Herr
Staatssekretär, wird in Ihrem Haus generell darüber
nachgedacht, die Bundeswehrfeuerwehr neu zu strukturieren? Können Sie hierzu Auskünfte geben?
Natürlich sind wir dabei, in Bezug auf die Bundeswehrfeuerwehren einiges zu unternehmen. Sie wissen
selber, Herr Klingbeil, dass wir uns in der Vergangenheit
bemüht haben, auch die Feuerwehrleute der Bundeswehr
im Wesentlichen zu verbeamten - das war ein Wunsch
der Bundeswehrfeuerwehren -, um deren berufliche Sicherheit deutlich zu machen.
Ich glaube aber, ein zweiter Punkt ist wichtig: Wenn
wir 2017 die Transformation der Bundeswehr durch
Veränderung der Standorte und zum Beispiel durch Änderungen im Bereich der Fliegerei - Schließung von
Flugplätzen - abgeschlossen und die neue Struktur eingenommen haben werden, dann werden wir von den
heute vorhandenen 3 272 Dienstposten in Zukunft nur
noch 2 533 Dienstposten brauchen. Auch nach diesem
Abschmelzungsprozess können wir die Feuerwehrleute,
die heute bei uns sind, zukunftssicher beschäftigen, und
vor allen Dingen können wir in Bezug auf intensivere
Dienste eine Entlastung ankündigen.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Fritz Rudolf Körper
auf:
Gibt es Auswirkungen der Wehrpflichtaussetzung auf die
Personalgewinnung des Militärischen Abschirmdienstes, und,
wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Körper, der Militärische Abschirmdienst gewinnt sein militärisches Personal ausschließlich
aus den Streitkräften, und zwar aus den Dienstgraden ab
Feldwebel oder Bootsmann aufwärts. Aus diesem Grund
hat die Aussetzung der Einberufung zum Grundwehrdienst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Personalgewinnung des MAD, weil diese Dienstgrade in dieser kurzen Zeit ja noch gar nicht erreicht werden. Im
Grundwehrdienst wird man nicht Bootsmann oder Feldwebel.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Kollege Kossendey, welche Auswirkungen insbesondere auf den Umfang der Arbeit des Militärischen
Abschirmdienstes gibt es durch die Wehrpflichtaussetzung? Welche Auswirkungen hat die Wehrpflichtaussetzung auf die Arbeit des MAD?
Zunächst einmal ist die Frage des Umfangs der Bundeswehr ganz wichtig, weil hier natürlich eine Beziehung zur Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim
MAD besteht. Ein zweiter Punkt ist natürlich - darauf
werden wir gleich noch kommen - die Frage, wer vom
MAD in welche Auslandseinsätze geht, um Sicherheit
für unsere Soldatinnen und Soldaten zu gewährleisten.
Sie wissen, dass der MAD Teil der Streitkräfte ist und
im Augenblick ungefähr 1 280 Dienstposten umfasst,
nämlich circa 820 militärische und rund 460 zivile. Ich
glaube schon, dass wir langfristig, wenn der Umfang der
Bundeswehr reduziert ist und wir hinsichtlich der Einsatzverpflichtungen auch nicht mehr so angestrengt sind,
darüber nachdenken können, dies nach unten zu korrigieren. Hierfür gibt es im Augenblick aber keine grundlegenden Pläne.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Sie können die personalpolitischen Zielvorstellungen
für den Militärischen Abschirmdienst in Bezug auf die
Neuausrichtung der Bundeswehr nicht näher skizzieren
und kennzeichnen?
Nein. Im Augenblick haben wir keine Pläne, hier etwas intensiv zu ändern.
Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Fritz Rudolf
Körper:
Welche Konsequenzen hat der geplante Afghanistan-Abzug für die Arbeit des Militärischen Abschirmdienstes?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Derzeit ist geplant, dass der MAD seinen Abschirmungsauftrag natürlich bis zum Verlassen des letzten
deutschen Soldaten in Afghanistan erfüllt. Die Einzelheiten dessen, was die Kollegen vom MAD dort tun,
richten sich nach dem Gesetz über den militärischen Abschirmdienst. Parameter für den Einsatz des MAD dort
sind natürlich die Gefährdungslage, die Größe unseres
nationalen Kontingents, die Zahl der Einsatzliegenschaften, die wir dort vor Ort haben, und sicher auch - darauf
will ich ebenso hinweisen - der Umfang und die Zahl
der dort beschäftigten Ortskräfte.
Wenn Sie jetzt danach fragen, wie das eventuell nach
2014 sein wird, wenn das ISAF-Mandat beendet ist und
die Post-ISAF-Missionen beginnen, dann will ich Ihnen
freimütig sagen: Das werden wir erst dann entscheiden
können, wenn wir wissen, wo wie viele deutsche Soldaten in gemeinsamer Arbeit mit wie vielen Ortskräften
beschäftigt sind. Die Zahlen - das wissen Sie auch aus
der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses sind natürlich noch längst nicht fixiert. Sobald das passiert ist, können Sie präzise Auskunft über die Arbeit des
MAD erhalten.
Sie haben das Wort zur Nachfrage. - Der Kollege
Körper verzichtet auf Nachfragen.
Die Frage 9 der Kollegin Keul soll schriftlich beantwortet werden.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Kollegin Christel Humme - das sind die Fragen 10 und 11 - werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Auch die Fragen 12 und 13
der Kollegin Bärbel Bas werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Vizepräsidentin Petra Pau
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung. Die
Fragen 14 und 15 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter sollen wie auch die Fragen 16 und 17 des Kollegen Dr. Ilja
Seifert schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Cornelia Behm
auf:
Was qualifiziert Hartmut Mehdorn aus Sicht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als
neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, und wie steht die Bundesregierung
zu seinem am 11. März 2013 geäußerten Vorschlag, den Flughafen Berlin-Tegel länger offen zu halten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Behm, die Antwort: Der Geschäftsführer Hartmut Mehdorn qualifiziert sich aus der Sicht
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als neuer Vorsitzender der Geschäftsführung
der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH insbesondere
durch seine langjährige Erfahrung in der Leitung größerer Unternehmen und durch seine ausgewiesene Sachkenntnis im Luftverkehrsbereich.
Die Bundesregierung aber kommentiert Aussagen
von Geschäftsführern nicht. Ich empfehle Ihnen, wenn
Ihnen das so wichtig ist, selbst Kontakt mit Herrn
Dr. Mehdorn aufzunehmen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank für die Beantwortung. Unser allseits geschätzter Verkehrsminister Ramsauer scheint einen sehr
guten Draht zu Herrn Mehdorn zu haben; denn es ging
jetzt die Meldung von ihm durch die Medien, er vertraue
darauf, dass Herr Mehdorn es schaffen werde, den Flughafen bis zum Jahr 2015 zu eröffnen.
Ich möchte von Ihnen gerne wissen, worauf sich diese
Einschätzung des Ministers begründet. Wenn man die
Bundesregierung nach Lärmschutzmaßnahmen und
Ähnlichem fragt, dann weiß die Bundesregierung immer
relativ wenig zu antworten. Da aber hier eine präzise
Auskunft in Form eines Datums genannt wird, möchte
ich gerne wissen, vor welchem Hintergrund sie gemacht
worden ist.
Frau Kollegin Behm, eine Vorbemerkung: Es ist
schön, dass auch in Ihrer Fraktion mittlerweile angekommen ist, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung eine hervorragende Arbeit macht.
Ich werde es ihm gerne ausrichten. Sie haben vom „allseits geschätzten Verkehrsminister“ geredet. Ich werde
ihm diese Formulierung von Ihnen überbringen.
Das Zweite. Sie weichen etwas von dem Kern der Ursprungsfrage ab. Da ging es um Äußerungen von
Hartmut Mehdorn. Wir sind gerade dabei, zusammen
mit unseren beiden Partnern im Land Berlin und im
Land Brandenburg über den Geschäftsführer im Bereich
des Operativen, des Baulichen die Fehlerlisten und die
Mängellisten zu erstellen und diese dann im Aufsichtsrat
und in den verschiedenen Ausschüssen zu diskutieren.
Ich glaube, jetzt über verschiedene Daten oder auch Jahreszahlen zu reden, wäre müßig.
Aber unser gemeinsames Ziel müsste es doch sein bei der Bundesregierung ist es so, auch wenn sie nur einen kleinen Anteil in der ganzen Geschichte des Flughafens trägt, während die größeren Anteile Brandenburg
und Berlin tragen -, dass dieser wichtige Flughafen
möglichst schnell den Betrieb aufnimmt.
Wenn Sie nach den Flugrouten fragen wollen, dann
müssen Sie sich an die Genehmigungsbehörden im Land
Berlin und im Land Brandenburg wenden.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Jetzt habe ich große Schwierigkeiten, die Nachfrage
zu strukturieren. Ich könnte jetzt sehr viele Fragen stellen, Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Wir haben ja auch in den kommenden Sitzungswochen noch Fragestunden.
- zum Beispiel aufgrund der Tatsache, dass das Bundesamt für Flugsicherung in Bezug auf das Verbot der
Wannsee-Route in Revision gegangen ist. Aber bleiben
wir doch bei Herrn Mehdorn, wenn Sie es möchten. Herr
Mehdorn hat seinen Vertrag noch nicht unterschrieben,
ist aber doch schon geschäftsführend und, wie man den
Medien entnehmen kann, ganz heftig tätig. Ich möchte
gerne wissen, warum er seinen Vertrag noch nicht unterschrieben hat und wann das denn erfolgen wird.
Frau Kollegin Behm, ich kann Ihnen die Beantwortung der Frage nach den Terminen des Herrn Mehdorn
vielleicht nachreichen. Ich bin nicht Herr über den Terminkalender von Herrn Mehdorn. Ich bin froh darüber,
dass Herr Mehdorn diese Aufgabe übernommen hat. Sie
wissen, dass wir eine intensive Suche nach einem ausgewiesenen Experten durchgeführt hatten, dass über viele
diskutiert wurde. Dass alle drei Partner, Berlin, Brandenburg und der Bund, sich dann gemeinsam auf einen ausgewiesenen Experten, wie Herr Dr. Mehdorn es ist, geeinigt haben, ist wichtig. Vor allem wenn Sie genauer
nachforschen, welche Gehälter in diesem Bereich gezahlt werden, werden Sie verstehen, dass ich froh darum
bin, dass Herr Mehdorn das macht und da auch ordent28722
lich Gas gibt. So, wie Herr Mehdorn strukturiert ist und
wie wir ihn kennen, denke ich, ist er die richtige Persönlichkeit, um ordentlich Zug in die Geschichte hineinzubringen. Über die Daten einer Vertragsunterzeichnung
etc. mutmaße ich jetzt nicht. Ich kann die Frage nicht beantworten. Wenn Sie sich dafür interessieren und das für
Sie ausschlaggebend für gute Leistungen ist, dann reiche
ich Ihnen die Daten einfach nach. Aber ich kann nicht in
den Terminkalender von Herrn Mehdorn blicken.
Danke.
Danke, Herr Staatssekretär. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der
Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Katherina Reiche zur Verfügung.
Die Frage 19 der Kollegin Veronika Bellmann wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Oliver Krischer
auf:
Auf welcher Grundlage bzw. anhand welcher Kriterien
nennt der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, die Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e. V., FÖS, „Die Kosten der
Energiewende - Wie belastbar ist Altmaiers Billion?“ per
Nachrichtendienst Twitter „reißerisch und unsachlich“ sowie
„das Dümmste, was mir in letzter Zeit untergekommen ist“,
und welche konkrete detaillierte Aufstellung hat der Bundesumweltminister bei seiner Berechnung der 1 Billion Euro im
Rahmen der Energiewende bis Ende der 2030er-Jahre dem gegenüberzusetzen?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Krischer, wie bereits in der schriftlichen
Antwort auf die mündliche Frage 53 des Abgeordneten
Fell in der Fragestunde am 27. Februar 2013 dargelegt,
sind die Berechnungen zu den Kosten der Energiewende
naturgemäß komplex und umfangreich. Mit der Aussage
„1 Billion Euro mögliche Kosten“, soll deutlich gemacht
werden, wie groß die Herausforderung ist, die mit der
Energiewende verbunden ist.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Frage, auch wenn es eigentlich keine
Antwort war. Wir haben ja nun alle gelernt, dass die
1 Billion eine etwas freie Erfindung ist, um einen bestimmten Sachverhalt bzw. eine bestimmte Meinung zu
untermauern. Meine Frage ging in die Richtung, wie es
denn sein kann, dass Herr Altmaier die Studie eines Instituts über den Nachrichtendienst Twitter als das
Dümmste, was ihm untergekommen ist, bezeichnet. Das
sind ja schon starke Worte. Deshalb möchte ich die
Frage an Sie richten: Ist Ihnen bekannt, auf welchen
Zahlen diese Studie des FÖS im Wesentlichen beruht,
welche Quelle diese Zahlen haben, die ja die 1-BillionAussage von Herrn Altmaier infrage stellen?
Zum einen bin ich selbst nicht auf Twitter. Ich weiß
jedoch, dass es da manchmal heftig und vielleicht auch
sehr direkt hin und her geht. Das mag eine Erklärung für
ein verkürztes Miteinander in diesem Medium sein.
Zum Zweiten möchte ich Sie auf etwas hinweisen: In
der Studie des Sachverständigenrates für Umweltfragen
unter dem Vorsitz von Herrn Professor Faulstich wurde
bereits im Januar 2011 auf Seite 179 die Zahl 1 Billion
erwähnt. Im Jahre 2011 fand das keinen Widerhall in den
Medien, schon gar nicht bei den Grünen. Diese Quelle
schien Sie also nicht besonders erstaunt zu haben. Jetzt
aber, da der Minister diese Zahl erneut nennt - er hat in
einem Interview übrigens auch erklärt, wie er darauf
kommt -, gibt es gerade auch von Ihrer Seite Kritik. Insofern kann ich Ihnen noch einmal empfehlen, in die
Studie von 2011 zu schauen, in der Sie nachlesen können, wie zum Beispiel der SRU auf die 1 Billion Euro
kommt.
Sie haben das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, das, was Sie jetzt geantwortet
haben, hat mit meiner Frage exakt gar nichts zu tun. Ich
habe nicht nach einer Studie des SRU von 2011 gefragt;
ich habe danach gefragt, ob Ihnen bekannt ist, auf welche Quellen sich das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft bei der Bewertung der 1-Billion-Aussage von
Herrn Altmaier beruft. Darauf haben Sie nicht geantwortet.
Ich will Ihnen die Antwort geben:
({0})
Das sind Zahlenquellen des BMU. Es sind Zahlen, die
von Ihrem Ministerium ermittelt wurden. Das heißt, ein
Institut rechnet mit Ihren eigenen Zahlen vor, dass die
Aussagen, die von Peter Altmaier gemacht wurden, absurd und frei erfunden sind, um das einmal in diesem
Ton zu sagen.
Damit komme ich zu meiner zweiten Nachfrage. Herr
Altmaier hat gesagt, es sei das Dümmste, was ihm untergekommen ist. Meine Nachfrage ist: Kann ich davon
ausgehen, dass der Minister die eigenen Zahlen des
BMU und die aus in Auftrag gegebenen Studien als das
Dümmste, was ihm untergekommen ist, bezeichnet?
Herr Kollege Krischer, Herr Minister Altmaier hat die
Zahlen aus Angaben übernommen, die ihm die Beamten
des BMU zur Verfügung gestellt haben. Zur Erinnerung:
Zur Berechnung wurden in jenem Interview 67 Milliarden Euro Differenzkosten für erneuerbare Energien genannt, die bereits bis Ende 2012 ausgezahlt wurden.
Dann: Für die bis 2012 installierten Anlagen werden bis
zum Ende ihrer jeweiligen Vergütungsdauer nochmals
rund 250 Milliarden Euro hinzukommen, da die Einspeisevergütung, wie Sie alle wissen, auf 20 Jahre festgelegt
ist. Das macht dann 317 Milliarden Euro. Wenn für die
in den Folgejahren installierten Anlagen jährlich Differenzkosten in der Größenordnung der 2012 installierten
Anlagen entfallen, kommen noch einmal 1,8 Milliarden
Euro Differenzkosten dazu.
Rechnerisch summiert sich das dann auf 680 Milliarden Euro. Hinzu kommen - das hat der Minister deutlich
gemacht - Kosten für den Netzausbau, für Reservekapazitäten, Forschung und Entwicklung, Elektromobilität
und Gebäudesanierung.
Der Minister hat in der FAZ auch bewusst darauf hingewiesen, im Konjunktiv formuliert, weil wir den Börsenstrompreis in den nächsten 20 Jahren nicht kennen,
und deutlich gemacht, dass diese Billion Euro auch symbolisch dafür steht, vor welchen Herausforderungen wir
stehen. Insofern ist diese Billion Euro als etwas zu verstehen, was uns politisch Handelnden den Auftrag geben
soll, umzusteuern, um die Akzeptanz für erneuerbare
Energien nicht zu verlieren.
Aber Sie haben offenbar das Interesse an der Fragestunde verloren und sich wieder hingesetzt.
({0})
Danke, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am
Ende Ihres Geschäftsbereiches.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Helge Braun zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Oliver Kaczmarek
auf:
Welche Resultate hat die von der Bundesregierung geförderte Kampagne „Lesen & Schreiben - Mein Schlüssel zur
Welt“ ergeben?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Am 19. September
2012 haben wir die Kampagne „Lesen & Schreiben Mein Schlüssel zur Welt“ gestartet. Es war im parlamentarischen Verfahren auch ausdrücklich der Wunsch des
Deutschen Bundestages, dass wir eine solche Kampagne
durchführen.
Das Ziel war es, das Thema Analphabetismus in
Deutschland in die Öffentlichkeit zu rücken. Die „leo. Level-One Studie“ hat gerade eindrucksvoll belegt, dass
das Problem mit insgesamt rund 7,5 Millionen funktionellen Analphabeten größer ist, als wir bisher gedacht
haben. Die Kampagne soll zur gesellschaftlichen Enttabuisierung beitragen und vor allen Dingen auch die Betroffenen dafür sensibilisieren, dass es viele Angebote
gibt. Sie soll die Betroffenen aktivieren, an Möglichkeiten der Alphabetisierung teilzunehmen.
Weil der Ansatz dieser Kampagne ein sehr grundsätzlicher ist, ist es nicht in allen Bereichen einfach, herauszufinden, welche konkreten Wirkungen sie hatte. Ich
kann Ihnen aber zwei Indizien nennen. Das eine Indiz
ist, dass wir im Rahmen der Medienerkundung herausgefunden haben, dass insgesamt rund 50 Prozent der
Teilnehmer gesagt haben, sie hätten die Kampagne in
Fernsehsendungen und Hörfunkspots wahrgenommen.
Darüber hinaus waren beim Alfa-Telefon im August
125 Anrufe, im September, als die Kampagne in der
Mitte des Monats begann, 359 Anrufe und während der
Kampagne rund 1 000 Anrufe im Monat zu verzeichnen.
Das zeigt, dass die Kampagne ihre Wirkung der Sensibilisierung und Aktivierung der von Analphabetismus Betroffenen durchaus erreicht hat.
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage. Sie haben schon auf das Alfa-Telefon hingewiesen. Noch eine
Frage zur Nachhaltigkeit: Wir wollen, dass die betreffenden Menschen durch die Kampagne angeregt werden,
Hilfe in Anspruch zu nehmen. Können Sie etwas dazu
sagen, wie sich die Kampagne im besagten Zeitraum auf
das Anmeldeverhalten bei Kursangeboten ausgewirkt
hat, und wie können wir möglichst hohe Teilnehmerzahlen sicherstellen?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil die meisten
Kurse nicht vom Bund, sondern von den Volkshochschulen vor Ort und den Kommunen - teilweise im Rahmen
von Länderprogrammen - angeboten werden. Wir aggregieren keine Gesamtzahl. Wir, der Bund, haben uns aber
zu Beginn dieser Alphabetisierungskampagne mit den
Ländern zusammengesetzt. Das ist also eine gemeinsam
getragene Initiative. Der Bund trägt zwei Elemente bei:
zum einen die besagte Öffentlichkeitskampagne und
zum anderen - weil das in der Bundeskompetenz liegt eine Kampagne, die dazu dient, konkrete Maßnahmen
der Alphabetisierung am Arbeitsplatz zu fördern, mit
dem Ziel, Menschen, die bereits in Arbeit sind, aber nur
Tätigkeiten verrichten, für die eine Alphabetisierung
nicht erforderlich ist, einen höheren Bildungsgrad zu
ermöglichen und ihnen eine bessere Berufsperspektive
zu geben. Das sind die beiden Elemente, die der Bund
beiträgt.
Wir sind mit den Ländern darüber im Gespräch, wie
sich die Maßnahmen auf Länderebene weiter ausgestalten lassen. Aber über die Maßnahmen und die Teilnahme
an Initiativen zur Alphabetisierung auf Länderebene und
kommunaler Ebene liegen uns keine Zahlen vor.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Ich möchte die Nachfrage stellen, ob es im Rahmen
der Nationalen Strategie geplant ist, die Erkenntnisse zusammenzuführen und weitere Schritte der Öffentlichkeitsarbeit möglicherweise im Anschluss an die Kampagne anzustrengen.
Herr Kollege, unser Ansatz ist etwas anders. Wir wollen nicht unbedingt eine neue Statistik aufbauen, was die
Maßnahmen angeht. Vielmehr haben wir als Bundesregierung zugesagt, dass wir die „leo. - Level-One Studie“, die Ausgangspunkt für diese große Anstrengung
war und die uns Auskunft gibt, wie sich der Analphabetismus in Deutschland entwickelt, in regelmäßigen
Abständen wiederholen. Wir hoffen, dass wir in den
nächsten Jahren mithilfe dieser Studie zeigen, dass das
Problem des Analphabetismus in Deutschland durch die
Kampagnen, die konkreten Angebote, die wir den Betroffenen unterbreiten, und die Maßnahmen der Bundesregierung sowie der Länder und der Kommunen zurückgeht. Hier ist der Bund die Verpflichtung eingegangen,
auch in Zukunft entsprechende Statistiken zu erheben.
Danke, Herr Staatssekretär. - Die Fragen 22 und 23
des Kollegen Arfst Wagner sollen schriftlich beantwortet
werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp bereit.
Die Frage 24 des Kollegen Tom Koenigs wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Dr. Sascha Raabe
auf:
Trifft die in dem Artikel „Weniger Kritik, mehr Werbung“
({0}) aufgestellte Behauptung zu, dass
Nichtregierungsorganisationen, die mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, geförderte Publikationen veröffentlichen
wollen, seit der Änderung der entsprechenden BMZ-Förderbestimmungen im Jahr 2010 zunehmend auf eine inhaltliche
Einflussnahme des BMZ eingehen müssen, und in wie vielen
Fällen ist es bislang zu solchen inhaltlichen Einflussnahmen
bei der Textgestaltung seitens des BMZ gekommen?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Raabe,
dem BMZ sind keine Hinweise bekannt, die die in der
taz geäußerte Behauptung unterstützen. Wie in der
Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage auf
Drucksache 17/11953 vom 16. Januar dieses Jahres
dargestellt, wurde die Klausel in den Zuwendungsbescheiden ab 2010 allein aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung präzisiert. Die
Überprüfung der Inhalte von Publikationen dient sowohl
vor als auch nach der Änderung der entsprechenden
Klausel ausschließlich der Feststellung der Förderwürdigkeit.
Die Bundesregierung hat im Vorwort ihrer Antwort
zur Kleinen Anfrage auf Drucksache 17/11129 vom
5. November letzten Jahres darüber hinaus klargestellt,
dass im Rahmen des Förderprogramms „Entwicklungspolitische Bildung“ vielfältige Aktivitäten der Zivilgesellschaft zum Politikbereich Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden, die lebensnah und anschaulich
über entwicklungspolitische Themen aufklären und die
zeigen, wie sich Bürger entwicklungspolitisch engagieren können. Aus Sicht des BMZ ist die kritische Auseinandersetzung mit den Folgen der Globalisierung eine
sehr wichtige Aufgabe, die erforderlich ist, um Verständnis für die Notwendigkeit entwicklungspolitischen Handelns zu wecken.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, es gibt Nichtregierungsorganisationen, die sich vorbildlich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit engagieren und deren Broschüren
von dieser Richtlinie betroffen sind. Ein Verband hat
Ihnen einen Brief geschrieben, in dem es heißt - ich
zitiere -:
Zunehmend berichten uns Organisationen von inhaltlichen Änderungen, die sie auf Wunsch des
BMZ vornehmen mussten.
Neben der redaktionellen und inhaltlichen Einflussnahme des Bundesministeriums - wohlgemerkt gegenüber, wie es in einer Demokratie sein sollte, unabhängigen zivilgesellschaftlichen Gruppen - stoße man sich
auch daran, dass jetzt auf der Titelseite das Logo des
BMZ sehr groß platziert werden müsse. Es heißt in dem
Brief:
Die Platzierung des Logos
- also des staatlichen Ministeriums auf der Titelseite vermittelt das Bild einer vom
BMZ beauftragten Veröffentlichung und steht im
Widerspruch zu der Stärkung einer unabhängigen
Zivilgesellschaft.
Der Verband schreibt weiter:
Wir werden unseren Mitgliedern dazu raten, diese
Gängelung nicht umzusetzen.
Was sagen Sie dazu? Es kann doch nicht sein, dass die
Zivilgesellschaft gegängelt wird.
Genau wie Sie, Herr Kollege Raabe, schätzen wir, das
BMZ, das Engagement der verschiedenen Entwicklungsorganisationen der Zivilgesellschaft sehr. Wir sprechen hier von Publikationen, die mit Steuergeldern bezahlt werden. Die Publikationen werden nicht allein mit
privaten Mitteln finanziert, sondern mit Staatsmitteln.
Dafür müssen bestimmte Regeln gelten, nämlich die der
Ausgewogenheit und der Sachlichkeit. Dazu zählen auch
verschiedene Aspekte, die die Darstellung betreffen.
Dass das BMZ eine solche Publikation fördert, ist nur
rechtens, wenn das aus der Publikation hervorgeht.
Umso wichtiger ist es, darauf zu achten, dass die Inhalte
den Vorgaben der Ausgewogenheit entsprechen.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, es spricht nichts dagegen, dass
das BMZ Publikationen entwicklungspolitischer Organisationen fördert. Ganz im Gegenteil, das begrüßen wir;
so war das in der Vergangenheit auch immer. Aber warum hat man die bisherige Praxis aufgegeben, wonach
früher der Hinweis auf die Förderung durch einen dezenten, aber durchaus sichtbaren Vermerk auf der Innenseite
der Publikation erfolgte? Im Impressum stand in der Regel: Gefördert durch das BMZ. - Warum muss das jetzt
vorne auf die Titelseite?
Ich erinnere an den verstorbenen Staatspräsidenten
Venezuelas Hugo Chávez. Er hat auf die Lebensmittel,
die in staatlichen Geschäften verteilt wurden, sein Bild
aufbringen lassen. Wird im BMZ vielleicht daran gedacht, demnächst neben dem BMZ-Logo das Bild des
Ministers auf diesen Broschüren abzubilden? In welcher
Form soll das weiter ausgestaltet werden? Ich glaube,
der Hinweis auf die Förderung durch das BMZ auf der
Innenseite einer Broschüre würde ausreichen. Ich glaube
nicht, dass es sachdienlich ist, wenn auf zivilgesellschaftlichen Publikationen das Ministerium so prominent platziert wird; denn es handelt sich um Inhalte, die
von zivilgesellschaftlichen Gruppen erstellt werden,
nicht um Pressemitteilungen oder öffentliche Verlautbarungen des Ministeriums.
Herr Kollege Raabe, den Vergleich des BMZ-Logos
- ob mit Ministerfoto oder nicht - mit dem Foto des verstorbenen Herrn Chávez auf bestimmten Lebensmitteln
lasse ich so stehen. Ich glaube, es kann sich jeder selbst
ein Bild machen, ob der Vergleich angemessen ist.
Was das Logo auf der Innenseite bzw. der Vorderseite
einer Publikation betrifft: Ein solches „Problem“ sollte
mit den jeweils Handelnden gelöst werden. Ich bin in die
„wichtige“ strategische Klärung dieser Frage nicht involviert.
Letzten Endes geht es darum, was der Inhalt ist, ob er
dazu geeignet ist, entwicklungspolitische Bildungsarbeit zu betreiben, ob er ausgewogen ist. Dass das BMZ
diese Publikationen mit finanziert hat, sollte auf ihnen
erkennbar sein. Aber wir sollten, bitte, keine ausführliche Debatte darüber führen, ob das entsprechende Logo
auf der Vorder- oder auf der Innenseite ist.
Wir kommen damit zur Frage 26 des Kollegen
Dr. Sascha Raabe:
Sind Fälle bekannt, in denen diese Art der inhaltlichen
Einflussnahme zu einem Verzicht von Nichtregierungsorganisationen auf die Veröffentlichung der Publikation geführt hat
und, wenn ja, welche?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Auf Ihre Frage kann ich Ihnen nur antworten: Dem
BMZ sind keine solchen Fälle bekannt.
Bevor ich Ihnen, Herr Raabe, das Wort zur ersten
Nachfrage erteile, gebe ich den Hinweis, insbesondere
an die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der
Fraktionen: Wir werden, wie verabredet, pünktlich um
15.35 Uhr mit der Aktuellen Stunde beginnen.
Herr Raabe, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, in dem Zeitungsartikel, den ich
Ihnen genannt habe, wird folgender Fall dokumentiert:
Ein kritischer Text einer NGO missfiel den Beamten
Niebels. Dabei ging es um „Greenwashing“, also um den
Versuch von Firmen, das eigene Image grün aufzubessern, ohne wirklich etwas zu tun. Dazu hat das Ministerium gesagt, dieser Artikel enthalte eine einseitige Kritik
und man stelle die entsprechenden Unternehmen an den
Pranger. Daraufhin hat diese NGO ganz auf den
Abdruck verzichtet. Sie hat den Artikel mutig einem
selbst finanzierten Extrablatt beigelegt und den Vorgang
öffentlich gemacht. Seitdem hat sie keine Förderung
mehr seitens des Ministeriums erhalten.
Insofern drängt sich der gefährliche Eindruck auf,
dass hier eine Vorabzensur bei den NGOs selbst stattfinden kann. Wenn zivilgesellschaftliche Einrichtungen
dieser Art - sie haben meistens nicht viel Geld - nur
dann eine Förderung bekommen, wenn sie Texte veröffentlichen, die dem Ministerium einigermaßen genehm
sind, dann sind sie natürlich schon einer gefährlichen
Einflussnahme ausgesetzt, weil sie dann womöglich
nicht mehr so kritisch berichten. Ich finde, in einer
Demokratie - anderen Ländern predigen wir immer
Meinungsfreiheit und den Wert der Zivilgesellschaft gehört sich so etwas einfach nicht.
Herr Kollege Raabe, ich will noch einmal darauf hinweisen, dass es im BMZ Richtlinien über die Förderwürdigkeit von Publikationen seit 2005 gibt, und das ist
auch richtig so. Wenn wir Steuergelder ausgeben, mit denen wir Drucksachen finanzieren, dann hat der Inhalt
auch so zu sein, wie ich es vorhin gesagt habe, nämlich
ausgewogen und sachlich differenziert.
In dem Fall, den Sie gerade ansprachen, ist es so: Da
wurde ein Unternehmen angeprangert, ohne dass eine
Stellungnahme dieses Unternehmens zu diesem Vorwurf
abgedruckt wurde, und das ist Ausdruck von Einseitigkeit. Ich finde, so kann man nicht vorgehen. Genauso
muss man Kommentare als solche kennzeichnen. Dabei
muss man sehr klar und auch ausgewogen vorgehen.
Wenn man sich nicht daran halten möchte, dann muss
man seine Publikationen selbst finanzieren oder mit dem
BMZ Kontakt aufnehmen und darüber sprechen, unter
welchen Voraussetzungen eine Publikationsförderung
möglich ist. Ich halte das für völlig in Ordnung.
Ich verweise beispielhaft auf Ihre Pressemitteilung
vom 19. März 2013. Darin schreiben Sie: „Wenn es zutrifft, dass das BMZ unter Minister Niebel … versucht
hat, … Einfluss auf den redaktionellen Inhalt … zu nehmen …“ Schon im nächsten Abschnitt sagen Sie, dass es
nicht in Ordnung ist, dass hierzulande „das Recht auf
freie Meinungsäußerung mit Füßen“ getreten wird. Genau das meine ich: Im ersten Absatz gehen Sie noch von
der Möglichkeit aus, dass etwas wirklich so ist, und
schon im zweiten suggerieren Sie, dass es so ist. Das
können Sie zwar gern so machen, aber wenn wir mit
Steuergeldern Publikationen bezahlen, dann haben die
ausgewogen zu sein und müssen den Förderrichtlinien
entsprechen. Wir beraten gern dazu, unter welchen Voraussetzungen Förderungen möglich sind. Es ist Sache
der jeweiligen NGO, zu entscheiden, ob sie sich mit uns
in Verbindung setzt und welchen Text sie veröffentlichen
möchte. Darauf nehmen wir natürlich keinen Einfluss,
weil wir die Pressefreiheit in Deutschland und weltweit
hochhalten.
Ich bitte, sowohl bei der zweiten Nachfrage als auch
bei der Antwort das optische Signal zu beachten. - Bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist schon ein seltsames Demokratie- und Meinungsfreiheitsverständnis, das hier
geäußert wird. Sie haben gerade selbst einen Fall eingeräumt.
Wenn eine Zeitschrift im redaktionellen Teil ein Unternehmen für eine Geschäftspolitik kritisiert, dann hat
das Unternehmen die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren; aber das ist nicht Aufgabe des Ministeriums. Wenn
das Unternehmen recht hat, kann es nach dem deutschen
Presserecht auch eine Gegendarstellung in der nächsten
Ausgabe der Zeitschrift verlangen. Wenn Sie das Gefühl
hätten, dass eine Organisation schon etliche Male gegen
die Richtlinien verstoßen hat, dann könnte man auch dagegen vorgehen. Aber es kann doch nicht wahr sein, dass
eine NGO, wenn sie kritisch über einen Umwelt- oder
einen Firmenskandal berichten will, jedes Mal bei Ihnen
im Ministerium anfragen muss, ob das ausgewogen ist.
Das kenne ich aus den Ländern, denen Herr Niebel wegen schlechter Regierungsführung und Eingriffen in die
Presse- und Meinungsfreiheit die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit streicht.
({0})
Das finde ich schon ein starkes Stück, wie Sie argumentieren.
Ob Frage oder nicht - lieber Herr Kollege Raabe, ich
sage noch einmal: Selbstverständlich kann und soll Kritik geübt werden, auch von NGOs. Aber es geht hier darum, ob man mit Mitteln der Steuerzahler, also mit öffentlichen Mitteln, jemanden anprangert und eben nicht
ausgewogen berichtet. Genau das sagen unsere Richtlinien. Die sind Ihnen bekannt. Wir vom BMZ finden,
dass das die richtige Vorgehensweise ist; sie besteht so
auch schon seit längerem.
Die Frage 27 wie auch die Frage 28 des Kollegen
Movassat sollen schriftlich beantwortet werden. Danke, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Hans-Joachim Otto zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 29 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
auf:
Wann genau - bitte Kalenderdatum- trifft bzw. traf sich der
Gemeinsame Ausschuss der sogenannten Trilogstaaten des
Vertrags von Almelo - Deutschland, Großbritannien und Niederlande - in der diesjährigen zwölften Kalenderwoche - es
wird nachdrücklich darum gebeten, auf die mittlerweile dritte
Frage seitens der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
nach dem Datum dieses Treffens dieses Datum nun anzugeben;
vergleiche Antworten der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 32, Plenarprotokoll 17/218, Anlage 17 sowie auf die
schriftliche Frage 49 des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott
auf Bundestagsdrucksache 17/12646 -, und welche konkreten
Tagesordnungspunkte werden bzw. wurden bei dem Treffen
behandelt, gegebenenfalls bitte mit Ergebnis, falls das Treffen
zum Zeitpunkt der Antwort auf diese Frage bereits stattgefunden hat?
Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich kann Ihnen antworten, dass die nächste Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses, der auf einem 1970 von der Bundesrepublik
Deutschland, dem Königreich der Niederlande und dem
Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland
unterzeichneten völkerrechtlichen Vertrag beruht, heute
stattfinden wird. Auf der Grundlage dieses Vertrages üben
die drei Regierungen die Aufsicht über das trinationale
britisch-niederländisch-deutsche Urananreicherungsunternehmen Urenco aus. Im Rahmen der Sitzungen des Gemeinsamen Ausschusses erfolgt ein kontinuierlicher Austausch zwischen den drei Regierungen. Ich bitte aber um
Verständnis dafür, dass die Beratungen dieses Ausschusses vertraulich sind - das wissen Sie - und ich schon allein
aus diesem Grund keine weiteren Ausführungen über den
Inhalt oder die Tagesordnung dieser Sitzung machen
kann.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Das ist natürlich
nicht sehr befriedigend, vor allem angesichts der Meldungen über Verkaufsabsichten, die wir immer wieder
hören; darum geht es in meiner zweiten Frage. Ich will
aber etwas schon vorziehen, weil heute über den Ticker
ging, dass nach RWE, Eon und Großbritannien auch die
Niederlande den Verkauf ihrer Anteile an der Atomfirma
Urenco erwägen. Da stellt sich natürlich schon die
Frage, wie es mit der Aufsicht weitergeht.
Vor allem ist Thema der Meldungen, dass unter den
Interessenten auch die Finanzinvestoren CVC und KKR
sind. Ich würde Sie doch gerne fragen - wenn Sie mir
schon auf die erste Frage, die ich gestellt habe, keine
konkrete Antwort geben können -, ob Sie wissen, wer
sich dahinter verbirgt.
Nein, Frau Kollegin.
Erstens will ich zu aktuellen Tickermeldungen jetzt
nicht Stellung beziehen.
Zweitens. Wenn die Sitzung und die Tagesordnung
vertraulich sind, dann kann man über so etwas auch
nicht reden. Ich kann Ihnen aber versichern - das betrifft
schon Ihre zweite Frage -, dass wir eine Aufsicht ausüben, die gewährleistet, dass die Grundsätze des Vertrags von Almelo gewahrt bleiben. Es kann also nicht jeder zugreifen, wie er will, und auch die Nichtverbreitung
der nuklearen Stoffe wird gewährleistet.
Ihre Sorge, dass die Aufsicht Deutschlands gefährdet
sei, kann ich, glaube ich, guten Gewissens zerstreuen.
Sie können noch Ihre zweite Nachfrage stellen.
Gerne, Frau Präsidentin, vielen Dank. - Das ist natürlich für Parlamentarier nicht sehr befriedigend, wenn sozusagen zu fast gar nichts Stellung genommen wird.
Urenco ist nicht ganz ohne Bedeutung, auch mit Blick
auf die Frage des Atomausstiegs.
Sie haben gesagt: Die Grundsätze des Vertrages werden auf alle Fälle gewahrt bleiben, dies gewährleistet die
Aufsicht. - Aber das eigentliche Ziel dieses Vertrags ist
die staatliche Förderung der Urananreicherung. Entspricht es denn dem Ziel des Atomausstiegs dieser Regierung und den damit verbundenen Absichten, wenn
die Förderung der Urananreicherung weiterhin ein Ziel
ist?
Liebe Frau Kollegin, das ist schon mehrfach in der
Fragestunde - ich glaube, auch mit Ihnen - erörtert worden. Der Atomausstieg bedeutet konkret, dass sich
Deutschland bis zum Jahre 2022 aus der Erzeugung von
nuklearer Energie verabschiedet. Das bedeutet aber kein
Tabu und kein Verbot für Forschung. Und hier geht es
um Forschung, hier geht es nicht um Erzeugung von nuklearer Energie, Herstellung von nuklearen Waffen oder
Ähnliches.
({0})
In dem gesamten Projekt geht es um Urananreicherung,
aber nicht zum Zwecke der Energieerzeugung. Deswegen ist das nicht von dem von uns gemeinsam getragenen Beschluss zur Energiewende umfasst.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Die übrigen Fragen werden, so, wie es unsere Regeln
vorsehen, schriftlich beantwortet.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Probleme beim Nord-Ostsee-Kanal - Auswirkungen der Politik von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer auf den maritimen Wirtschaftsstandort
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Minister
für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Bundeslandes Schleswig-Holstein, Herr Reinhard Meyer.
({0})
Reinhard Meyer, Minister ({1}):
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Werte Abgeordnete des Deutschen Bundestages! Ich möchte Ihnen heute den Nord-Ostsee-Kanal ein
wenig näherbringen. Denn ich habe das Gefühl, dass die
Minister Reinhard Meyer ({2})
Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals in ganz Deutschland
noch immer nicht so richtig verstanden wird.
Es geht um den aktuellen Zustand des Kanals und die
Auswirkungen auf den maritimen Wirtschaftsstandort
Deutschland. Schließlich geht es auch darum, die Bundesregierung bzw., genauer gesagt, den Bundesverkehrsminister, aufzufordern, den Kreislauf aus Fatalismus und
Aktionismus zu durchbrechen, den wir seit Jahren beim
Nord-Ostsee-Kanal beobachten können.
({3})
Ansonsten sehe ich die Gefahr, dass alles nach einer kurzen Zeit der Aufregung im Sande verläuft oder, besser
gesagt, im Schlick stecken bleibt.
Eine große Zeitung aus Süddeutschland hat neulich
- immerhin auf Seite eins - versucht, dem erstaunten
Rest der Republik klarzumachen, dass der Nord-OstseeKanal die am meisten befahrene künstliche Wasserstraße
der Welt ist. Hier fahren mehr Schiffe durch als durch
den Panamakanal und den Suezkanal zusammen.
({4})
Wer den Nord-Ostsee-Kanal nicht nutzt, der muss
heute einen Umweg von 800 Kilometern in Kauf nehmen rund um Skagen. Das tun immer mehr Schiffe wegen der
Bauverzögerung bei den Schleusen oder als es vor kurzem
eine Vollsperrung für große Schiffe in Brunsbüttel gab.
Zugleich kann man in den Schlagzeilen internationaler Wirtschaftszeitungen in diesen Tagen lesen: Panamakanal modernisiert; Stau vor dem Nord-Ostsee-Kanal.
Wartezeiten oder der notwendig gewordene Umweg
kosten die Reeder, die Schiffsmakler, die Lotsen und die
Kanalsteurer Geld. Der Ausfall der großen Schleusen in
Brunsbüttel bedeutete einen Ausfall von zwei Dritteln
der Ladung. Das ist ein immenser volkswirtschaftlicher
Schaden. Aber das wirklich Gefährliche ist, dass wir
nicht von vorübergehenden Verlusten reden, sondern von
dauerhaften Umleitungen der Verkehrsströme, und zwar
hin in Richtung Antwerpen und Rotterdam. Denn die
Transportkette ohne den Nord-Ostsee-Kanal - das ist die
Gefahr - verändert sich, geht weg von den norddeutschen Häfen, vom Hamburger Hafen, von Bremerhaven,
von Wilhelmshaven, nimmt den Umweg um Skagen und
geht direkt in die Ostsee. Übrigens bedeutet dies dann
für die Ostsee, dass immer größere Schiffe dort anzutreffen sein werden. Dies hat auch Auswirkungen auf die
Schiffssicherheit, insbesondere mit Blick auf die Kadetrinne.
Deswegen: Der Nord-Ostsee-Kanal ist ein Standortfaktor für Norddeutschland, insbesondere für den Hafen
Hamburg. Rund 30 Prozent der Ladung werden dort im
Transit in oder aus dem Ostseeraum umgeschlagen. Allein in Schleswig-Holstein hängen 3 500 Arbeitsplätze
vom Kanal ab. Übrigens: Wenn Abgeordnete aus Süddeutschland hier im Saal sein sollten,
({5})
- sehr schön -: Sie können sich beim Thema Nord-Ostsee-Kanal nicht zurücklehnen; denn auch Sie sind davon
massiv betroffen. Kürzlich hat eine OECD-Studie zum
Hamburger Hafen gezeigt, dass Bayern sechsmal mehr
vom Hamburger Hafen profitiert als Schleswig-Holstein.
Baden-Württemberg profitiert fünfmal mehr. Zwei von
drei Containern, die durch Deutschland rollen, starten in
Hamburg.
({6})
Meine Damen und Herren, wir reden beim Nord-Ostsee-Kanal über eine nationale Aufgabe,
({7})
eine nationale Aufgabe, bei der man Weitsicht benötigt.
Doch was ist geschehen? Die Wasserstraße Nord-OstseeKanal wurde jahrzehntelang auf Verschleiß gefahren. Das
betrifft übrigens nicht nur den jetzigen Bundesverkehrsminister, sondern das geht seit mindestens 20 Jahren so.
({8})
Bei 20 Jahren kann jeder herausfinden, wer alles in diesem Zeitraum Verkehrsminister war. Es ist müßig, dass
wir Vergangenheitsbewältigung betreiben. Mir geht es
darum, dass wir nach vorne schauen. Vor allen Dingen
geht es mir darum, dass etwas geschieht. Wir brauchen
ein Zeichen für die internationale Seeschifffahrt. Das
geht nur mit langfristiger Sicherheit, einer umfassenden
Modernisierung des Kanals.
({9})
Genau das passiert aber im Moment nicht.
Lieber Herr Ramsauer, Sie hatten am letzten Freitag
mit Ihrem Besuch beim Kanal in Brunsbüttel die Chance,
dieses Zeichen zu setzen. Sie haben zu Recht den Einsatz
der Beschäftigten gelobt, die unter härtesten Bedingungen das Notwendigste tun, um die Schleusen zu reparieren. Sie haben das Industriemuseum der Schleuse in
Brunsbüttel besichtigt. Was aber gemacht wird, ist wieder
einmal kurzfristiger Aktionismus: ein bisschen Geld hier,
ein wenig Personal dort und die Rede von einem Aktionsbündnis, das es eigentlich schon gibt. Es gibt nämlich die
Initiative Kiel-Canal derjenigen, die betroffen sind. Die
sind schon längst unterwegs.
Als verantwortlicher Minister in Schleswig-Holstein
möchte ich nicht Bestandteil einer Kette des Versagens
sein, die am Ende lauten könnte: Stuttgart 21, Flughafen
Berlin Brandenburg, Nord-Ostsee-Kanal. Genau das
müssen wir verhindern. Die Schleusen sind 100 Jahre alt
und älter. Wir kennen die Aufgaben. Aber die Aufgaben
beziehen sich nicht allein darauf, dass wir jetzt die neue
Schleuse in Brunsbüttel angehen. Wir brauchen die Sanierung der anderen Schleusen in Brunsbüttel. Wir brauchen die Sanierung der Schleusen in Kiel. Wir brauchen
aber auch dringend einen Ausbau der Oststrecke mit
dem Neubau der Levensauer Hochbrücke. Wir brauchen
eine Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals auf seiner gesamten Länge, um den steigenden Anforderungen des
Schiffsverkehrs gerecht zu werden. Das ist die Modernisierung, die wir in den nächsten Jahren brauchen.
({10})
Was gibt es also zu tun?
Minister Reinhard Meyer ({11})
Erstens. Wir brauchen einen Masterplan für den NordOstsee-Kanal, bei dem die verschiedenen Sanierungsund Ausbaumaßnahmen aufeinander abgestimmt und
miteinander verknüpft werden. Darauf sollte ein detaillierter Zeit- und Maßnahmenplan folgen, der mit dem
notwendigen Personal und den notwendigen Mitteln unterlegt werden muss.
Zweitens. Wir brauchen ein Sonderprogramm für den
Nord-Ostsee-Kanal, für das über zwölf Jahre hinweg
jährlich 1 Prozent des Verkehrshaushaltes des Bundes
bereitgestellt werden muss. Diese Summe hat Herr
Ferlemann im Übrigen in einem Interview mit dem NDR
vor gut einer Woche für realistisch und erforderlich gehalten.
({12})
Ich sage ganz deutlich: Die Zeitpläne, die der Bund
für die Maßnahmen vorgelegt hat, gefallen uns nicht; das
dauert uns viel zu lange. Wir können nicht auf die Fertigstellung der Schleusenkammer in Brunsbüttel warten
- sieben Jahre Bauzeit, wie zuletzt angekündigt wurde und erst danach mit allen anderen Maßnahmen beginnen. Das wäre ein Armutszeugnis für den Standort
Deutschland, und es wäre keine erfolgreiche Modernisierung des Nord-Ostsee-Kanals.
({13})
Meine Damen und Herren, die maritime Wirtschaft ist
für Deutschland eine zentrale Wirtschaftsbranche, entscheidend für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung.
Leistungsfähige Verkehrsverbindungen und moderne logistische Schnittstellen in Norddeutschland werden langfristig über die Wettbewerbsfähigkeit ganz Deutschlands
als Logistikstandort entscheiden. Es geht beim NordOstsee-Kanal eben nicht um ein notdürftiges Flickwerk,
sondern darum, den Kanal vorausschauend und dauerhaft für die Zukunft fitzumachen, damit er das bleibt,
was er jetzt noch ist: die meistbefahrene internationale
künstliche Wasserstraße und eine Lebensader für Wirtschaft und Bevölkerung in ganz Deutschland.
Am 8. und 9. April, also in gut zwei Wochen, findet in
Kiel die Achte Nationale Maritime Konferenz mit der
Bundeskanzlerin statt. Dort kann die Bundesregierung
mit klaren Aussagen zum Nord-Ostsee-Kanal dem Eindruck entgegentreten, sie stünde hier in Berlin mit dem
Rücken zur Küste.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
({14})
Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer.
({0})
Sehr geehrte, liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit der Aktuellen Stunde
dazu nutzen, mit der frohen Kunde zu beginnen, dass der
Engpass an der Schleuse Brunsbüttel viel, viel schneller
als vorgesehen, nämlich eine Woche früher, beseitigt
werden konnte. Wir hatten mit einer zweiwöchigen Reparatur gerechnet; aber sie konnte innerhalb von acht Tagen geleistet werden. Das ist eine gute Nachricht.
({0})
Ich möchte mich - ich glaube, da spreche ich im Namen aller - bei den dortigen Handwerkern und bei den
Tauchern voller Respekt und auf das Allerherzlichste dafür bedanken, dass sie dort unter schwierigsten, widrigen
Umständen fleißig gearbeitet haben.
({1})
Man muss es mit eigenen Augen gesehen haben: Unter
Wasser, in dieser Brühe, diesem Schlick, sieht man
nichts. Man kann sich erklären lassen, wie dort unter beinahe menschenunwürdigen Bedingungen schwerste Arbeit geleistet wird.
({2})
Da kann man nur voller Respekt den Hut ziehen.
({3})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der NordOstsee-Kanal ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in
Betrieb, die großen Schleusenkammern sind es seit
1914. Ich selbst bin seit knapp dreieinhalb Jahren im
Amt. Deshalb weiß ich und kann nur bestätigen, was der
Vorredner gesagt hat: In diesen Wasserweg ist über Jahrzehnte viel zu wenig investiert worden; dieser Wasserweg
und die Schleusen sind auf Verschleiß gefahren worden.
Ich habe mir, beginnend mit 1914, eine Liste anfertigen
lassen, die aufführt, was wann gemacht wurde. Wenn
man sich das ansieht und erkennt, was nicht gemacht
wurde, dann weiß man: Nicht einmal die SPD bringt es
fertig, mir nach dreieinhalb Jahren im Amt die Versäumnisse in die Schuhe zu schieben.
({4})
So funktioniert es nun wirklich nicht.
Mein Amtsvorgänger Wolfgang Tiefensee hat im Jahr
2007 den absolut richtigen Schritt unternommen und den
Planungsauftrag für die fünfte Kammer, diese große
Kammer, der Schleuse in Brunsbüttel erteilt.
Im Jahr 2009 wurden für Planungsleistungen im Hinblick auf das Planfeststellungsverfahren 2 Millionen
Euro in Kapitel 1203 des Haushalts aufgenommen. Man
hat damals im Hinblick auf das Bauvorhaben und die dafür nötigen Mittel mit einem Gesamtbedarf von 273 Millionen Euro gerechnet. Wohlgemerkt: In den Haushalt
2009 sind damals nur 2 Millionen Euro an Planungsmitteln eingestellt worden.
Das Planfeststellungsverfahren begann 2009, der Planfeststellungsbeschluss erfolgte im Sommer 2010. Ich sage
das deshalb, weil ich mit zwei Unwahrheiten aufräumen
möchte, die Sie ständig verbreiten, lieber Herr Kollege
Kahrs. Sie haben beispielsweise im Hamburger Abendblatt gesagt, unter Tiefensee seien 270 Millionen Euro
für den Nord-Ostsee-Kanal zur Verfügung gestellt worden. Nein, das ist falsch. Im Haushalt waren 2 Millionen
Euro für Planungsleistungen vorgesehen. Der Rest waren Schätzungen für Baukosten.
({5})
Dann heißt es weiter:
Ramsauer … hat … das Geld nach Bayern abgezogen und für Ortsumgehungen verbraten.
({6})
Lieber Herr Kollege Kahrs, Mittel, die überhaupt
nicht vorhanden sind, kann man nicht umlenken. Was
Sie sagen, ist schlicht und ergreifend unwahr.
({7})
Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze, aber mit so einem
Stil bleiben Sie weit unter Ihrem eigenen Niveau Ihrer
politischen Arbeit zurück. Für ein solches Foul gäbe es
im Fußball normalerweise die Rote Karte.
({8})
Ich möchte Sie schlicht und einfach bitten, das geradezurücken und zu sagen, wie es wirklich ist.
Wir haben Gott sei Dank - Danke an den Haushaltsausschuss - seit der Einigung auf ein erstes zusätzliches
Milliardenprogramm erstmalig ganz konkret 300 Millionen Euro, aufgeteilt in Verpflichtungsermächtigungen,
im Haushalt vorgesehen. Ich danke dem Haushaltsausschuss noch einmal dafür, dass er in der vergangenen
Sitzungswoche die Zusage erteilt hat, dass im Falle weiterer Kostenmehrungen in einer Höhe von 75 Millionen
Euro Hilfestellung gewährt wird, wenn diese Mittel freigegeben werden müssen.
Wir haben also jetzt einen klaren Plan. Wir haben uns
auf ein klares Vorgehen geeinigt.
({9})
Wir müssen jetzt zunächst alles Nötige tun, um den Kanal und die Schleuse Brunsbüttel hinreichend instand zu
halten. Damit so etwas wie letzte Woche nicht noch einmal passiert, haben wir das Personal aufgestockt. Wir
haben elf zusätzliche Planstellen geschaffen, damit genug Personal für einen Notdienst vorhanden ist
({10})
- ja -, um sofort reparieren zu können.
Zu der Forderung - von der soeben die Rede war -,
1 Prozent des Verkehrshaushaltes für den Nord-OstseeKanal vorzusehen: Der gesamte Verkehrshaushalt beträgt etwa 10 Milliarden Euro, 1 Prozent davon sind
nach Adam Riese 100 Millionen Euro. Unsere jährlichen
Investitionen, inklusive Reparaturen und Instandhaltungen, in den Nord-Ostsee-Kanal liegen zwischen 120 und
135 Millionen Euro. Wir liegen damit über dem geforderten 1 Prozent. In den nächsten Jahren müssen es eben
mehr werden als das 1 Prozent, damit wir all das tun
können, was wir tun müssen.
({11})
Erforderlich ist also der Neubau dieser fünften
Schleusenkammer, dieser großen Kammer. Dann haben
wir die zusätzliche Kapazität, die es uns erlaubt, die übrigen Kammern grundinstand setzen zu können. Dann
erfolgen die Verbreiterung der Oststrecke - dafür läuft
derzeit das Planfeststellungsverfahren -, der Ersatz der
Levensauer Hochbrücke, die Vertiefung im gesamten
Bereich des Nord-Ostsee-Kanals um 1 Meter und schließlich - was die Kieler Seite anbelangt - die Grundinstandsetzung der alten Kammern in Kiel-Holtenau.
Mit diesem Maßnahmenbündel sind wir auf einem
guten Weg. Wir müssen alle miteinander um die notwendigen Finanzmittel für den Neubau der fünften Kammer
in Brunsbüttel ringen. Diese stehen jetzt auch tatsächlich
bereit. Dafür Dank an dieses Parlament.
Wenn ich mir den Titel dieser Aktuellen Stunde ansehe - „… Auswirkungen der Politik von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer auf den maritimen Wirtschaftsstandort“ -, dann kann ich nur sagen: Diese
Bundesregierung tut alles dafür, damit Deutschland als
maritimer Standort spitze bleibt, damit der Nord-OstseeKanal und die Schleuse Brunsbüttel zukunftsfähig gemacht werden. Insofern beantworte ich die Frage nach
den Auswirkungen meiner Politik auf den maritimen
Standort Deutschland mit einem respektvollen „Gut so!“
und „Zukunftsgerichtet!“.
Danke schön.
({12})
Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Herbert
Behrens das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Nord-Ostsee-Kanal wird auf Verschleiß gefahren. Die großen Schleusen und eine kleine
sind über Tage ausgefallen. 100 Schiffe eines einzelnen
Reeders mussten für diese Tage den Umweg über Skagen nehmen; das wurde von Minister Meyer dargestellt.
Ökologisch und ökonomisch ist ein Schaden entstanden, der vermeidbar war. Der Ausfall der Schleusen ist absehbar gewesen. Das wissen wir, und zwar seit mindestens 20 Jahren. Der Zentralverband der deutschen
Seehafenbetriebe und andere Wirtschaftsverbände stelHerbert Behrens
len fest, dass das für die Wartung der Schleusen und
anderer Anlagen notwendige Geld fehlte. Der Bund entzieht sich seit zwei Jahrzehnten seiner Pflicht, die wichtigste deutsche Seeverkehrsverbindung in einem guten
Zustand zu halten. Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sind unter diesen Bedingungen gefährdet. Dieser
Zustand ist nicht haltbar. Dafür trägt der Bundesverkehrsminister schon eine persönliche Verantwortung.
({0})
Seit Mai 2010 kann die fünfte Schleuse am Nord-Ostsee-Kanal gebaut werden. In der Tat: Im Rahmen des
Konjunkturprogramms 2009 wurden Mittel in Höhe von
270 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Was ist passiert? Nichts. Im November 2011 stellte der Haushaltsausschuss erneut Geld zur Verfügung, dieses Mal
300 Millionen Euro. Was ist passiert? Wieder nichts. Im
April 2012, kurz vor der Landtagswahl in SchleswigHolstein, inszenierte das Bundesverkehrsministerium
den ersten Spatenstich für den Schleusenneubau. Was
passierte danach?
({1})
Nichts. Na ja, zwei Dinge passierten schon - das haben
wir heute Morgen im Ausschuss gehört -: Das Baufeld
wurde hergerichtet, und es wurde damit begonnen, die
Mole 2 zu verlängern.
({2})
Außer Baustelleneinrichtung ist also nichts passiert. Da
kann man von Baubeginn nun wirklich nicht reden.
Nachdem das Kind jetzt also in den Brunnen gefallen
ist und der Kanal gesperrt werden musste, beschloss nun
auch der von CDU/CSU und FDP geführte bzw. majorisierte Haushaltsausschuss in der letzten Woche mehrheitlich, die Ausschreibung müsse unverzüglich, das
heißt spätestens im April 2013, erfolgen und der Bau so
zügig wie möglich vorangetrieben werden. So heißt es in
dem Beschluss. Das ist eine späte, aber berechtigte Kritik am eigenen Minister.
Die Bundesregierung weiß, dass dort nichts geschieht, und nimmt es hin. Statt den dringend notwendigen Schleusenneubau voranzutreiben, wird das Geld
verbraucht, um zweifelhafte Verkehrsprojekte wie Stuttgart 21, Feste Fehmarnbeltquerung, Y-Trasse usw. auf
den Weg zu bringen. Auch Zeit wird verbraucht, indem
man sich mit dem Umbau der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung beschäftigt. Die Beschäftigten der WSV sind
für den Betrieb, die Unterhaltung und Instandhaltung gerade solcher Wasserwege wie des Nord-Ostsee-Kanals
verantwortlich. Seit über zehn Jahren schon ist für die
Beschäftigten aber nur eines sicher: der Personalabbau.
Der Bundesverkehrsminister kümmert sich um alles
Mögliche, erkennt aber nicht, wo zuerst gehandelt werden muss. Ganz anders die Belegschaft der WSV am
Nord-Ostsee-Kanal: Ihrem Einsatz, ihrem Können und
ihrem Einfallsreichtum ist es zu verdanken, dass es zumindest an einer großen Schleuse so schnell wieder weitergehen konnte. Dafür auch von mir an dieser Stelle ein
herzlicher Dank.
({3})
An den Wasserstraßen muss viel gemacht werden. So
lautete die Forderung der Linken in den vergangenen
Jahren. Wir wissen, dass an vielen Kanälen die Schleusen jahrzehntealt und, wie wir gerade gehört haben, zum
Teil sogar jahrhundertealt sind. Wir wissen, dass Geld
investiert werden muss, dass auch in Personal investiert
werden muss. Es sollte nicht erst zum Totalausfall kommen müssen, damit gehandelt wird. Das ist meine Einstellung. Das, was wir hier feststellen können, ist doch
keine vorausschauende Planung. Das ist Flickschusterei.
Aber selbst wenn der Handlungsbedarf offensichtlich
ist, heißt das immer noch nicht, dass es jetzt richtig losgehen kann. Bis heute ist die Hauptbaumaßnahme nicht
ausgeschrieben. Das BMVBS begründet das damit, dass
die notwendigen fachlichen und rechtlichen Qualitätssicherungen der Vergabeunterlagen mehr Zeit als vorgesehen brauchen. Darum passiere nichts.
({4})
Ganz anders hört sich das aus der Sicht des schleswigholsteinischen Staatssekretärs Nägele an. Er erklärt, dass
eigentlich alles in trockenen Tüchern sei. Vielmehr liege
die Verzögerung bei den Ausschreibungen daran, dass
die Wasser- und Schifffahrtsdirektion kein Personal dafür habe, um den aufwendigen und komplexen Ausschreibungsprozess durchzuführen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider ist es nicht
erst Bundesverkehrsminister Ramsauer gewesen, der es
zu dieser Situation hat kommen lassen. Auch Vorgängerregierungen bzw. ihre Verkehrsminister haben dazu beigetragen. Im Dezember 2008 wurde erklärt, dass der
Neubau langsam losgehen könne, dass Geld dafür zur
Verfügung gestellt worden sei. Aber auch seinerzeit passierte nichts.
Von daher ist mein Eindruck bezüglich dieser Angelegenheit: Die Schleusen in Brunsbüttel sind verschlissen.
Sie haben inzwischen 100 und mehr Jahre auf dem Buckel, und sie müssen dringend grundsaniert werden. Der
Verkehrsminister ist bereits in knapp vier Jahren verschlissen. Dass sich eine Grundsanierung lohnt, bezweifle ich. Hier ist sicher eine Ersatzinvestition erforderlich.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Hans-Joachim Otto.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich zunächst mit zwei Gemeinsamkeiten
beginnen. Wir sind uns, glaube ich, alle hier im Hause
über die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals einig. Ich
war am vergangenen Freitag bei der Lotsenbrüderschaft
in Hamburg. Da wurde mir von allen Reedern bzw. allen
Beteiligten noch einmal versichert: Das ist eine Hauptverkehrsader, die wir alle gemeinsam schützen müssen.
({0})
- Ich verstehe gar nicht, dass Sie schon, wenn ich Gemeinsamkeiten betone, anfangen, zu schreien.
({1})
Darauf komme ich aber gleich noch.
Wir sind uns auch alle darüber einig, dass der bedauerliche Zustand der Schleusen in Brunsbüttel so schnell
wie möglich behoben werden muss. Ich glaube, ich spreche im Namen des gesamten Hauses, wenn ich den beteiligten Technikern, Tauchern, Ingenieuren usw. großen
Dank dafür ausspreche, wie schnell sie die Reparatur der
großen Südkammer in Brunsbüttel hinbekommen haben.
Das ist eine Riesenleistung, die unseren Respekt verdient.
({2})
Da Sie aber ständig dazwischenrufen, will ich Ihnen
Folgendes sagen: Wenn wir uns darüber einig sind, dass
das ein gemeinsames nationales Projekt ist - und darüber
sind wir uns einig -, dann hören Sie doch sinnvollerweise damit auf, hier mit kleinlicher parteipolitischer
Münze zu operieren.
({3})
- Das ist doch wahr! - Sie können - das ist Ihr gutes
Recht - bei vielen Dingen Ihre Kritik an Herrn
Ramsauer äußern. Ich will aber als Maritimer Koordinator feststellen: Hier ist jahrzehntelang zu wenig investiert worden. Ich fange jetzt nicht mit parteipolitischer
Münze an. Über alle Parteien hinweg hat es Verkehrsminister in Bonn und Berlin gegeben, die nichts gemacht
haben.
Wir haben in dieser Legislaturperiode zunächst einmal einen Haushaltsansatz von 300 Millionen Euro gemacht.
({4})
- Ja, die Haushaltspolitiker. Liebe Frau Kollegin
Hagedorn, ich will es noch einmal sagen: Wenn dieses
Unternehmen erfolgreich sein soll, dann hören Sie auf,
zu schreien, und lassen Sie uns national an einem Strang
ziehen. Das ist jetzt die Aufgabe.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wundere mich.
Wir sollten uns doch darüber freuen, dass wir in einer
zentralen Frage einig sind. Jawohl, die fünfte Schleusenkammer muss so schnell wie möglich gebaut werden.
Ich kann Ihnen versichern, dass der Haushaltsausschuss
die Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Ich danke den
Mitgliedern des Haushaltsausschusses ausdrücklich für
diesen Beschluss.
({6})
Da Sie hier sagen, das müsse alles schneller oder sofort gehen, kann ich Ihnen mitteilen: Anfang April gehen
die Ausschreibungsunterlagen heraus. Das ist keine
Kleinigkeit. Es geht hier um 3 000 Seiten kompliziertester Materie. Hier ist eine große Leistung vollbracht worden, und ich erwarte auch vonseiten der Opposition an
dieser Stelle Respekt dafür.
({7})
Es hilft überhaupt nicht, dass Sie hier jetzt in anderer
Weise agieren.
Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass
der Nord-Ostsee-Kanal nicht nur an den fünf Schleusen
in Brunsbüttel, sondern in seiner gesamten Länge modernisiert, vertieft und instand gesetzt werden muss. Ich
hoffe, wir sind uns darüber immer noch einig, wenn die
nächste Bundesregierung - die ja wahrscheinlich denselben Verkehrsminister stellen wird ({8})
dann dafür kämpft, die entsprechenden Mittel zu bekommen. Ja, wir sind uns darüber einig, dass der Bau der
fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel absolut notwendig ist. Wir sind uns auch darüber einig, Herr Meyer,
dass der Nord-Ostsee-Kanal vertieft werden muss.
({9})
Wir wissen, dass insbesondere im Ostteil des Nord-Ostsee-Kanals - Stichwort „Levensauer Hochbrücke“; das
gilt aber auch für einige Schleusen in der Nähe von Kiel einiges getan werden muss.
({10})
Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Seien Sie doch froh darüber, Frau Hagedorn,
({11})
dass wir uns zu diesem Projekt bekennen! Anstatt begeistert zu sein, keifen Sie ständig nur. Ich finde das
nicht so charmant.
({12})
Lassen Sie uns, wenn wir über national notwendige
Infrastrukturmaßnahmen reden, auch ein Wort über die
Elbvertiefung verlieren.
({13})
- Ja, Herr Kahrs, Sie schon. - Ich erwarte, dass sich die
Beteiligten nicht verstecken. Es gab einen gemeinsamen
Beschluss mit den drei beteiligten Bundesländern. Ich
hoffe, dass die neu gewählte Niedersächsische Landesregierung in gleicher Weise wie die Vorgängerregierung zu
diesem Projekt steht.
({14})
Ich appelliere von dieser Stelle aus noch einmal ausdrücklich an die sogenannten Umweltschutzverbände,
die gegen dieses national notwendige Projekt Klagen erhoben haben, sich verantwortungsbewusst zu verhalten.
Es ist die Lebensader und die Achillesferse für Hamburg
und den Hamburger Hafen.
({15})
Wenn alle Fraktionen bei diesem Thema zusammenstehen würden, statt hier herumzuschreien, und wenn sich
der Bundestag dazu bekennen würde, dass die Fahrrinnenanpassung auf der Elbe ein national notwendiges
Projekt ist, dann wären wir wahrscheinlich schon ein
ganzes Stück weiter.
({16})
Insofern, meine lieben Kolleginnen und Kollegen:
Hören wir doch auf, lieber Herr Kollege Meyer, von einer Kette des Versagens, von Unkenrufen usw. zu reden!
Ja, lieber Herr Kollege Meyer, die Bundesregierung ist
mit den Regierungen der Länder Schleswig-Holstein,
Hamburg und Niedersachsen einer Meinung. Wir helfen
und investieren jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag. Sie fordern ein Sonderprogramm. Ich sage Ihnen:
Genau so handeln wir.
Bei all den Schritten, die zwar notwendig, aber unpopulär sind - ich nenne nur die Elbvertiefung; es gibt aber
noch einige andere Maßnahmen -, möchte ich aber, bitte
schön, nicht immer wieder erleben, dass die Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen an der Spitze der Bewegung „Wir sind gegen Infrastrukturvorhaben; wir wollen
verhindern, boykottieren usw.“ stehen.
({17})
- Liebe Frau Dr. Wilms, auch von Ihnen erwarte ich Unterstützung, zum Beispiel für die Elbvertiefung. Das sind
Infrastrukturmaßnahmen, die notwendig sind.
({18})
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie, lieber Herr Minister
Meyer, erwähnt haben, dass in einigen Wochen im schönen Kiel die Nationale Maritime Konferenz stattfinden
wird. Mein Vorschlag an Sie und alle Kolleginnen und
Kollegen, die sich der maritimen Wirtschaft verbunden
fühlen, lautet: Lassen Sie uns mit dieser Konferenz ganz
Deutschland klarmachen, dass der maritime Standort für
das gesamte Land und nicht nur für die Küstenregionen
wichtig und entscheidend ist
({19})
und wir den maritimen Standort brauchen, dass dieses
Hohe Haus hinter diesem Ziel steht
({20})
und dass dieses Haus auch die notwendigen Investitionsentscheidungen treffen wird, um die Probleme beim
Nord-Ostsee-Kanal, die Elbvertiefung, die Weservertiefung und alle anderen Infrastrukturmaßnahmen, die
sonst noch notwendig sind, zu stemmen!
Wenn wir diese Vorhaben über die Fraktionsgrenzen
hinweg gemeinsam tragen, sind unsere Erfolgsaussichten wesentlich besser. Damit würden wir der maritimen
Wirtschaft mehr helfen, als wenn wir uns wechselseitig
verbal ohrfeigen und versuchen, aus den Problemen
kleinliche parteipolitische Münze zu schlagen; das bringt
nämlich nichts. Ich appelliere an Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen insbesondere von der Opposition: Lassen
Sie uns gemeinsam für den maritimen Standort Deutschland kämpfen! Dann werden wir auch etwas erreichen.
Vielen Dank.
({21})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Valerie Wilms für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Herr Minister Meyer, herzlich willkommen im Bundestag! Ich muss schon sagen:
Angesichts dessen, was hier zu beobachten ist, mache
ich mir gewisse Sorgen, ob wir auf dem Weg hin zu einer
zukunftsgerichteten Verkehrspolitik in den nächsten Jahren vorankommen werden. Da wird einander gebasht, da
wird aufeinander eingeschlagen. Worum es eigentlich
geht - dass es um den Nord-Ostsee-Kanal geht und dass
die Verkehrspolitik einen neuen Ansatz braucht -, wird
dabei ziemlich verdrängt.
({0})
In meiner Heimatzeitung Uetersener Nachrichten war
die Überschrift zu lesen: Der Kanal ist frei - der Minister
schuld. - Ich muss sagen: Auf diesem Niveau haben wir
auch hier bisher diskutiert. Das ist in meinen Augen problematisch.
({1})
Seien wir einmal ehrlich: Dass der Kanal jetzt frei ist,
haben wir auch dem Umstand zu verdanken, dass die Pioniere der Kaiserlichen Marine damals so weise waren,
nicht in Beton, sondern in Granit zu bauen und Holzbohlen als Reserve zu nutzen. Wir müssen auch zugeben:
Wir sind mit dem Material in der Zwischenzeit nicht unbedingt sachgerecht umgegangen. Das müssen sich alle,
die hier sitzen oder früher hier gesessen haben, ans Revers heften. Darum sage ich: Da muss ein Umdenken
stattfinden.
Ich bin froh, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Brunsbüttel unter
Frau Völkl es geschafft haben, dass die Reparaturen binnen einer Woche ausgeführt wurden und nicht, wie es ursprünglich gedacht war, binnen 14 Tagen. Nichtsdestotrotz sind wir hier in der Verantwortung, sicherzustellen,
dass mit den Anlagen des Bundes, die ja aus Steuermitteln finanziert wurden - aus Steuern von Menschen und
von Unternehmen in Deutschland -, sachgerecht umgegangen wird. Ich habe leider nicht den Eindruck, dass
dies getan wird.
({2})
Was gehört dazu? Es reicht nicht, mit blankgeputztem
Gerät Spatenstiche zu machen - Herr Ramsauer, Sie wissen, dass wir uns bei der Haushaltsberatung darüber unterhalten haben - und noch einmal 750 Millionen Euro
einzukassieren, um dann mit stolzgeschwellter Brust
neue Verkehrsprojekte anzufangen, obwohl noch gar
nicht klar ist, ob diese Projekte auch durchfinanziert
werden können. Auf diesem Niveau wird hier in der Verkehrspolitik häufig gearbeitet: Wir fangen irgendwo an,
wir verteilen das Geld - weil ja irgendwo sicherlich wieder Wahlkampf ist -; aber es fehlt uns eine durchgängige
Gesamtlösung, wie wir mit den notwendigen verkehrspolitischen Projekten umgehen. Vor allen Dingen müssen wir endlich einmal bereit sein, zu definieren, welche
Projekte wir denn noch brauchen.
({3})
Ich bin mit Herrn Meyer einig, dass der Nord-OstseeKanal natürlich gebraucht wird, zum einen aus Verkehrsgründen, zum anderen, weil er gerade für SchleswigHolstein auch noch andere Funktionen übernimmt:
Wenn der Nord-Ostsee-Kanal nicht mehr funktioniert,
säuft der Westteil von Schleswig-Holstein ab, weil die
Entwässerung im Wesentlichen über den Nord-OstseeKanal erfolgt. Wir haben da also gewisse Verpflichtungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist entscheidend: Wir müssen in diesem Hohen Hause anfangen, umzudenken. Wir müssen uns mit Begrifflichkeiten
wie vorbeugender Instandhaltung auseinandersetzen.
Wir müssen insgesamt darüber nachdenken: Was brauchen wir überhaupt? Wie planen wir? Wie setzen wir unsere Mittel ein? - Da schaue ich insbesondere die Haushälter, die hier sitzen, an;
({4})
ich schaue aber auch gezielt zu Herrn Kahrs. Wir müssen
Begrifflichkeiten wie vorbeugende Instandhaltung oder
Life Cycle Costs einführen, und wir müssen auch einmal
bereit sein, Entscheidungen über mehrere Jahre zu treffen, um so eine Durchfinanzierung von Projekten zu ermöglichen. Das fehlt derzeit.
({5})
Das sollten wir uns für die nächste Wahlperiode vornehmen - die 18. -, in der ich hoffentlich viele von Ihnen
wiedersehen werde.
({6})
Aber ob dann noch der werte Herr Ramsauer auf der Regierungsbank sitzt, daran habe ich gewisse Zweifel.
Denn, Herr Ramsauer, es wäre angezeigt, dass jetzt endlich Verkehrspolitik mit Augenmaß und Nachhaltigkeit
einsetzt: wenn wir Grünen dieses Feld übernehmen.
In dem Sinne: Vielen Dank.
({7})
Für die Unionsfraktion hat der Kollege Gero
Storjohann das Wort.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Kollegin Wilms, wir hätten zum Schluss
fast auch noch geklatscht, aber Ihr Schlusssatz stimmte
einfach nicht.
({0})
Ihr Appell, jetzt die Gemeinsamkeiten im Norden zu betonen, ist aber schon wohltuend.
Die Infrastruktur im Norden ist ein ganz wichtiger
Aspekt. Hier geht es nicht nur um den Bereich der
Schiene; denn der Hamburger Hafen braucht nicht nur
Zuwegungen durch die Schiene, sondern auch Bypassmöglichkeiten im Bereich der Straße. Ich nenne hier die
A 20 und die Elbquerung. Die letzten Koalitionsverträge
haben die Ahrensburger Liste letzten Endes nicht gestärkt, sondern eben geschwächt.
Nun reden wir über den Nord-Ostsee-Kanal. Hier
wird auch schon an die Wand gemalt, der Norden werde
geschwächt. Das ist aber schon vor vielen Jahren passiert. Weil man das leicht vergisst, habe ich die entsprechenden Bundesverkehrsminister noch einmal herausgesucht - sie können ja nichts für diese Schwächung; denn
sie waren nur ein Jahr Minister auf Bundesebene und
mussten wichtige Entscheidungen vorbereiten -:
({1})
Franz Müntefering war vom 27. Oktober 1998 bis zum
29. September 1999 Bundesverkehrsminister. Danach
kam Reinhard Klimmt, der das Amt bis zum 15. November 2000 ausübte.
({2})
Kurt Bodewig machte das bis zum 22. Oktober 2002,
und Manfred Stolpe, den ich als Abgeordneter als ersten
Verkehrsminister erlebt habe, hielt dann von 2002 bis
2005 durch. Das alles geschah unter rot-grüner Verantwortung. Dann kam Wolfgang Tiefensee, und erst dann
ging es los - auch mit der Staatssekretärin Roth, die
dann erstmalig mit den Reedern und den Lotsen gesprochen hat. Hier wurden die ersten Dinge auf den Weg gebracht. 2007 gab es dann den Planungsauftrag, und 2009
begann das Planfeststellungsverfahren. - Das ist der
Vorlauf, und so lange ist nichts gemacht worden.
({3})
Jetzt haben wir einen neuen Minister, Herrn
Tiefensee.
({4})
- Ramsauer! Ich denke so an die maritime Thematik,
dass ich immer nur an „tief“ und „See“ und „Wilhelmshaven“ denke. - Peter Ramsauer als Bayer kümmert sich
jetzt um den Nord-Ostsee-Kanal, und es geht voran. Jetzt
geht es los.
({5})
Nun ist die Frage, wie man das technisch abwickelt.
Im Verkehrsausschuss haben wir das heute schon besprochen. Da beide großen Schleusen marode sind,
stellte sich die Frage: Riskieren wir es, jetzt eine
Schleuse zu reparieren? Dann könnte aber nur 50 Prozent der Verkehrsleistung des Kanals erbracht werden.
Hier war man der Auffassung: Das machen wir nicht.
Wenn die Konjunktur wieder anzieht, brauchen wir die
volle Leistung des Kanals; denn das Umfahren von Skagen auf dem Seeweg stellt ja durchaus eine Gefährdung
dar. Je mehr Schiffe dort oben langfahren, umso gefährlicher ist es für die Badewanne Ostsee. Wir haben also
schon ein Interesse daran, dass der Nord-Ostsee-Kanal
benutzt wird. Deshalb sagen wir: Wir müssen die
Schleusen reparieren, wir brauchen eine fünfte Schleuse
und zur Ertüchtigung und Leistungssteigerung dieses
Kanals auch den Ausbau der Oststrecke. - Der Kollege
Wadephul kämpft dafür. Wir hoffen, dass wir den Planfeststellungsbeschluss demnächst bekommen, sodass es
losgehen kann. Ich freue mich auch über den dann entstehenden Fahrradweg; er fehlt dort noch - das aber nur
als Fußnote.
Wir brauchen die Reparatur der alten Schleusen in
Kiel; nicht umsonst wird der Kanal auch KaiserWilhelm-Kanal genannt. Wenn das umgesetzt ist und die
großen Frachter nicht mehr außenherumfahren, sondern
den Nord-Ostsee-Kanal benutzen, dann ist es auch sinnvoll, zu vertiefen. Die Vertiefung machen wir aber zum
Schluss. Sobald wir in Kiel Baurecht haben, müssen wir
die Schleusen reparieren, und sobald wir Baurecht für
die Oststrecke haben, müssen wir damit anfangen.
Es gibt viel zu tun. Wir können das aber nicht beschleunigen; schon gar nicht dürfen wir die Beseitigung
der Probleme in Brunsbüttel übers Knie brechen. Ich
finde es richtig, dass sich das Ministerium jetzt noch einmal angesehen hat, ob das, was geplant wurde, überhaupt noch sinnvoll ist. Nun hat man festgestellt: Die
Gründung muss wesentlich stabiler gestaltet werden.
Wenn wir das während der Bauphase festgestellt hätten,
dann wäre das der Super-GAU geworden. Insofern: Respekt vor der Leistung dieses Ministeriums! Es hat alles
richtig gemacht. Jetzt sollten wir zusammenhalten und
das Projekt nicht schlechtreden.
({6})
Es darf nicht dazu kommen, dass jeder Reeder auf der
Welt meint, er komme nicht mehr durch den Nord-Ostsee-Kanal. Wir können dazu beitragen, den Reedern
diese Sorge zu nehmen.
Alles ist auf einem guten Weg: Die Haushälter spielen
mit, die Politiker spielen mit. Der Norden freut sich, dass
jetzt allgemein bekannt ist, dass der Nord-Ostsee-Kanal,
der Hamburger Hafen, Fehmarnbelt, die A 20 und die
Elbquerung wichtige nationale Projekte für Deutschland
sind. Es ist gut, dass die Diskussion das ergeben hat.
({7})
Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs für die
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr
Minister! Ich glaube, dass der Weckruf - der Grund, warum wir als SPD diese Aktuelle Stunde beantragt haben bei CDU/CSU und FDP sowie bei der Bundesregierung
angekommen ist. Man bemüht sich, in der Sache klarzumachen, dass man zukünftig viel tun will. Das ist gut.
Das ist im Sinne des Nordens. Das nehmen wir zur
Kenntnis.
Auf der Sachebene möchte ich kurz anmerken: Das,
was zurzeit beim Nord-Ostsee-Kanal geplant ist, ist nicht
ausreichend. Zurzeit präsentiert uns die Bundesregierung
eine Perlenkette von Maßnahmen, die aneinandergereiht
sind. Das heißt, Sie wollen erst die fünfte Schleuse fertigstellen - wir reden da über das Jahr 2020 -, dann sollen
die anderen Maßnahmen jeweils nacheinander kommen.
Worüber wir am Ende reden, weiß kein Mensch.
Natürlich brauchen wir die Vertiefung des Kanals um
1 Meter, den Ausbau der Oststrecke, die Hochbauwerke;
das alles ist aufgezählt worden, das alles muss kommen.
Aber man muss das parallel tun.
({0})
Man muss gleichzeitig die Oststrecke ausbauen und an
der Vertiefung arbeiten.
({1})
Es gibt Dinge, die man parallel machen kann. Für uns ist
der Masterplan, den Minister Meyer eingefordert hat,
wichtig. Er ist entscheidend, damit diejenigen, die den
Kanal nutzen, langfristig Planungssicherheit haben.
({2})
Wenn man das will - und wir Sozialdemokraten wollen das -, dann muss man auch entsprechende Mittel im
Haushalt einstellen.
({3})
Wenn man zum Nord-Ostsee-Kanal steht, dann muss das
nicht nur hier im Deutschen Bundestag verkündet werden, sondern auch in den Haushaltsplänen zu lesen sein,
und zwar Jahr für Jahr, Haushalt für Haushalt. Das ist
nicht der Fall, und das ist das eigentliche Versäumnis.
({4})
Natürlich kann man sich hier hinstellen, wie es der Vertreter der Bundesregierung bzw. der Maritime Beauftragte getan hat, und sagen: Jetzt geht’s los! - Das Problem ist: Sie sind jetzt dreieinhalb Jahre im Amt, und
nichts ist losgegangen.
Eben ist die Elbvertiefung angesprochen worden. Für
mich als Hamburger ist das entscheidend, die Elbvertiefung muss kommen. Aber auch hier kann man zwar erklären, dass sie kommen muss. Man kann aber auch auf
die Sachebene abrutschen.
({5})
Man kann auch einmal fragen: Gibt es überhaupt schon
die europaweite Ausschreibung, die man braucht, wenn
das Verwaltungsgericht entschieden hat? Ich glaube,
nicht. Damit muss man aber doch jetzt anfangen. Man
muss doch spätestens im Sommer unter Vorbehalt einer
positiven Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes
die Ausschreibung veröffentlichen, damit man anfangen
kann, zu bauen, wenn eine positive Entscheidung erfolgt
ist. Gleichzeitig muss man dafür Geld im Haushalt einstellen. Das heißt: Hier wird zwar viel geredet; aber da,
wo es zählt - das sage ich als Haushälter -, beim Haushalt, auf der Faktenebene, passiert nichts.
Kommen wir neben den Dingen, über die wir gesprochen haben, und neben den Vorwürfen, die hier gefallen
sind, auf etwas anderes zurück. Herr Minister, Sie haben
mich persönlich angesprochen. Sie haben gesagt, dass es
richtig war, dass Herr Tiefensee 2007 die Planung in
Auftrag gegeben hat und Geld dafür eingestellt wurde.
Dann, so sagen Sie, ist nichts passiert. Darf ich Sie daran
erinnern, dass auch Sie damals im Deutschen Bundestag
waren, als wir in der Großen Koalition Konjunkturpakete beschlossen haben?
({6})
Im ersten Konjunkturpaket haben wir 192 Millionen
Euro für die Verstärkung der Investitionen für die Verbesserung der seewärtigen Zufahrten und Hinterlandverbindungen eingestellt. An erster Stelle stand der NordOstsee-Kanal. Im zweiten Konjunkturpaket waren
75 Millionen Euro für genau diesen Zweck vorgesehen.
Das Geld war später weg, wie man am Haushalt sehen
kann. Deswegen, Herr Minister, ist das, was Sie gesagt
haben, in der Sache falsch.
Vielmehr ist richtig, was man in der Süddeutschen
Zeitung nachlesen kann. Es trug sich nämlich zu, dass
die CSU einen Landesparteitag hatte. Herr Ramsauer hat
in seiner Rede zur Bewerbung als Vizevorsitzender auf
diesem Nürnberger Parteitag gesagt, man solle ihn wegen seines Einflusses auf wichtige Verkehrsprojekte in
Bayern wählen: Ich mache sie mir zur persönlichen Verpflichtung. Das stärkste Land braucht auch die stärkste
Infrastruktur. Jede Unterstützung für mich ist auch eine
Unterstützung für unsere bayerischen Belange in Berlin. Es ist okay, wenn man das will. Aber es wäre schön,
wenn man den Norden nicht vergisst.
({7})
Es wäre schön, wenn man das, was im Norden notwendig ist, ebenfalls tut und nicht erst jetzt aufwacht. Wie
sagte der Maritime Koordinator so schön? Jetzt geht’s
los. - Nein, es ist zu spät. Dreieinhalb Jahre ist geschlafen worden. Das ist der Punkt.
Wenn man uns oder den Grünen hier das Verhalten
zur Elbvertiefung vorhält, dann muss ich ernsthafterweise empfehlen, Herr Minister, einmal im eigenen
Haus nachzugucken. Sie haben da einen Staatssekretär,
Herrn Ferlemann, der im Kreistag in Cuxhaven gegen
die Elbvertiefung gestimmt hat, und zwar als Staatssekretär dieser Bundesregierung.
({8})
Das ist doch das Problem. Wenn ein amtierender Staatssekretär gegen die Elbvertiefung stimmt, dann kann man
das doch nicht den Grünen zum Vorwurf machen.
In diesem Fall sollten Sie in Ihrem eigenen Hause dafür sorgen, dass für den Nord-Ostsee-Kanal alles Erforderliche getan wird. Sie brauchen nicht elf, sondern
70 Leute vor Ort. Da muss richtig geklotzt werden. Sie
müssen zusehen, dass wir bei der Elbvertiefung vorankommen, dass da geklotzt wird, und dass, wenn das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt, gleich mit
dem Baggern angefangen werden kann. Das wäre schön,
und das wäre einmal Einsatz für den Norden. Wir sehen:
Auf der Sachebene haben wir nichts.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Kollege Dr. h. c. Jürgen Koppelin
für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Hier werden Vorwürfe gemacht, vom Kollegen Kahrs
auch in Richtung des Bundesministers Ramsauer. Lieber
Herr Kollege Kahrs, Reden wie die des Kollegen
Ramsauer habe auch ich schon gehalten - allerdings:
streiche „Bayern“ und ersetze es durch „Schleswig-Holstein“.
({0})
Ihr habt die Aktuelle Stunde beantragt, um dem
Minister Vorwürfe zu machen.
({1})
Frau Präsidentin, kann es sein, dass ich das Wort
habe? Der Kollege Kahrs hat gerade gesprochen.
Das ist völlig richtig. Überwiegend haben Sie das
Wort.
Ich finde das, was Minister Ramsauer gemacht hat
und was wir im Haushaltsausschuss für den Kanal gemacht haben, richtig. Es ist endlich einmal Tempo hineingekommen; das ist eine Beschleunigung. Ich habe
dem Minister da überhaupt keinen Vorwurf zu machen.
Herr Minister Meyer - ich sehe Sie heute zum ersten
Mal; Sie waren mir bisher nicht bekannt, aber das kann
ja noch kommen -, schauen Sie sich einmal Berlin an.
Ich sehe hier seit Monaten jeden Tag Kleinstbaustellen.
Wie wäre es, wenn das Land Berlin, sozialdemokratisch
geführt, sich einmal darum kümmerte? Dann kümmern
wir uns um den Kanal. So haben wir, glaube ich, beide
etwas davon.
({0})
Das Land Berlin ist ja nicht einmal in der Lage, den
Schnee am Reichstag zu räumen.
({1})
Herr Minister Meyer, Sie haben sich hier hingestellt
und gesagt, Sie müssten den Süddeutschen einmal erklären, was der Nord-Ostsee-Kanal ist. Ich möchte vor allem meinen Kolleginnen und Kollegen von der CSU
sehr herzlich danken - das will ich einmal ausdrücklich
tun; das kommt bei mir sonst selten vor -, die uns voll
unterstützt haben, was das Thema Kanal angeht.
({2})
Nun zu einem anderen Punkt, liebe Kolleginnen und
Kollegen, und da seid ihr falsch gewickelt: Geld ist nämlich nicht alles. Wir haben 300 Millionen Euro eingestellt. Jetzt haben wir noch einmal eine Garantie für
75 Millionen Euro gegeben. Das kann vermutlich gar
nicht so schnell verbaut werden. - Übrigens, zum Vergleich, Herr Minister: Das Kanzleramt ist nicht so teuer
gewesen wie der Betrag, den wir jetzt in Brunsbüttel investieren müssen - nur, damit Sie einmal einen Bezug
dazu haben. Ich vermute, dass die Kanalschleusen noch
wesentlich teurer werden; denn das sind alles Schätzungen der Wasser- und Schifffahrtsdirektion, nicht aber Ergebnis der Ausschreibung. Wir werden uns noch wundern, was dabei herauskommt. Wir, die Koalition, haben
aber im Haushaltsausschuss einen entsprechenden Antrag gestellt; denn wir wollen die Mittel gesichert wissen. Das ist das Entscheidende.
Herr Minister Meyer, wenn Sie schon den Panamakanal als Beispiel bringen, dann kann ich nur sagen: Sie
hätten das einmal nachlesen sollen. Der Panamakanal
wird durch eine Kanalgesellschaft geführt. Wenn Sie das
für den Nord-Ostsee-Kanal wollen - dabei würde ich Sie
gerne unterstützen -, dann fordern Sie das doch. Ich
glaube, dann kämen wir ein Stück weiter.
({3})
Müssen Sie im Landesvorstand der SPD die Kollegin
Hagedorn eigentlich auch so ertragen?
({4})
Das ist nicht ganz einfach.
Nun zur Ausschreibung: Ich finde, dabei sind wir ein
Stück weitergekommen, nur hat man bei der Ausschreibung festgestellt, dass die Problematik viel größer ist.
Das können Sie doch dem Minister nicht anlasten, zumal
die Ausschreibung auch noch juristisch begleitet werden
muss.
Ich will Ihnen die Zahlen nennen: 3 000 Leistungspositionen sind in der Ausschreibung enthalten,
({5})
mehr als 800 Seiten Baubeschreibung, mehr als 300
Bauzeichnungen und Pläne. Dann kommt die Qualitätssicherung dazu. Es haben sich noch viele Dinge jetzt erst
ergeben, als die Ausschreibung geschrieben werden
musste.
({6})
- Ich weiß nicht, warum bei der SPD so eine Unruhe ist.
Das mag daran liegen, dass ihr so viele Minister gestellt
habt, die nichts getan haben.
({7})
Wenn Sie sehen, welche Probleme es bei der Schleuse
gibt, dann ist das doch nicht dem Minister anzulasten.
Ich finde, wir haben sehr viel gemacht.
({8})
- Mehr Geld allein bringt es im Moment nicht. Warten
wir erst einmal die Ausschreibung ab. Ich will ausdrücklich ein Lob dafür sagen, dass es bei dieser Ausschreibung auch eine juristische Begleitung gibt, nicht dass
später, wenn wir die Ausschreibung haben, andere, die
sich daran beteiligt haben, vielleicht dagegen klagen und
wir weitere Verzögerungen bekommen. Insoweit große
Anerkennung, dass auch das berücksichtigt worden ist!
Aber, Herr Minister Meyer, eines will ich loswerden,
weil Sie so viele Vorwürfe machen, und das bei Ihrer
Politik in Schleswig-Holstein. Nur damit Sie wissen, wer
Minister Meyer ist: Er macht jetzt für die Straßen ein
Schlaglochkataster.
({9})
- Er hat kein Geld. Aber so kriegt er seine Bilanzen hin.
Da haben Sie zwei Schlaglöcher nebeneinander; die
müssen registriert werden. Das ist ganz klar. Die Bilanz
ist dann positiv, indem sie aus beiden Schlaglöchern jetzt
ein großes Schlagloch machen. Dann sieht die Bilanz natürlich anders aus. Das ist die Politik von Herrn Meyer,
nur damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben.
({10})
Ich will auch ausdrücklich sagen, Herr Meyer: Es ist
kein guter Stil, wenn Sie den Bundesverkehrsminister
über die Medien zu einem Treffen auf bundeseigener
Liegenschaft nach Schleswig-Holstein einladen, und der
Minister erfährt einen Tag vorher von dem Treffen.
Versuchen Sie mal einen anständigen Umgang unter
den Ministern! Dann kriegen wir das mit dem Kanal
auch hin.
Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
({11})
Das Wort hat die Kollegin Bettina Hagedorn für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Ich bin froh, dass die SPD dieses
Thema heute prominent auf die Tagesordnung gesetzt
hat und dass wir das Thema Nord-Ostsee-Kanal so diskutieren, wie es sich gehört, nämlich als eine nationale
Aufgabe. Ich stimme all denen zu, die vor mir gesagt
haben, dass das etwas ist, bei dem man eigentlich vernünftigerweise an einem Strang und in eine Richtung
ziehen sollte. Ich glaube, wir aus Norddeutschland sind
im Sinne der Sache alle dazu bereit.
Der Punkt ist nur, dass Ihnen, liebe Kolleginnen und
Kollegen, und vor allem dem Herrn Verkehrsminister
und dem Maritimen Koordinator das reichlich spät einfällt. Denn wir würden gerne schon seit über drei Jahren
an einem Strang in eine Richtung ziehen, und wir haben
das auch vielfach probiert,
({0})
aber es ist nicht geglückt, weil Sie leider am anderen
Ende des Stranges standen.
({1})
Darum möchte ich an dieser Stelle ein paar Dinge geraderücken, die von Ihnen nicht ganz richtig dargestellt
worden sind.
Richtig ist, dass 2007 ein Konzept und eine klare Willensbekundung der damaligen Großen Koalition vorlag,
sich der Grundsanierung des Nord-Ostsee-Kanals ernsthaft zu widmen. Damit ist eben nicht nur die fünfte
Schleusenkammer gemeint gewesen, sondern das
Gesamtkonzept, das hier vorgetragen worden ist, mit den
Schleusen in Kiel und Brunsbüttel, mit der Ostbegradigung, mit der Vertiefung um 1 Meter und mit den Querungsbauwerken.
Wenn wir hier über ein Projekt reden, das ungefähr
zehn Jahre Verwirklichungszeit braucht und 1,2 Milliarden Euro kostet - sie sind nämlich damals nämlich
schon kalkuliert worden -, wissen wir, was wir vor der
Brust haben.
Ein Punkt ist aber: Solange es die Große Koalition
gab, ist das Projekt durchaus verfolgt worden. Von Kollege Storjohann ist schon gesagt worden, dass damals
zum Beispiel die Staatssekretärin Roth oder der Minister
Tiefensee durchaus eine wichtige Rolle gespielt haben.
Wir haben dann nämlich - der Kollege Kahrs hat darauf
hingewiesen - mit den Konjunkturpaketen das Geld zur
Verfügung gestellt.
Als Sie, Herr Minister Ramsauer, ins Amt kamen, lag
eigentlich der Ball für den Nord-Ostsee-Kanal auf dem
Elfmeterpunkt. Sie hätten ihn nur noch reinzumachen
brauchen. Sie haben es aber nicht gemacht. Sie haben
ihn verdaddelt, und zwar deshalb, weil der Nord-OstseeKanal leider bei Ihnen, seitdem Sie im Amt sind, bisher
keine wichtige Rolle gespielt hat und weil Sie den Neubau der fünften Schleusenkammer, der in der Großen
Koalition schon beschlossen war, wieder infrage gestellt
haben. Um Ihnen das in Erinnerung zu rufen, habe ich
die Fragen an die Regierung durchgesehen und dabei
eine Anfrage der Grünen im April 2011 gefunden. In der
Antwort auf diese Anfrage wird ein dramatischer Aufwuchs der Schleusenschließzeiten sichtbar. Die Schließzeiten der Nordkammer in Brunsbüttel haben sich von
298 Stunden im Jahr 2007 auf 1 240 Stunden im Jahr
2010 mehr als vervierfacht. Die Schließzeiten der Südkammer haben sich von 2008 bis 2010 verzehnfacht. Die
Schließzeiten der Kleinschleusen in Brunsbüttel haben
sich zwischen 2008 und 2010 verdreifacht bzw. verfünffacht.
Was lernen wir daraus? Dass der Ball zu diesem Zeitpunkt auf dem Elfmeterpunkt lag und dringend ins Tor
hätte geschossen werden müssen. Das heißt, man hätte
die Projekte mit Hochdruck anpacken müssen. Da inzwiBettina Hagedorn
schen die planungsrechtlichen Grundlagen für den Neubau der fünften Schleuse geschaffen sind, hätten Sie alles tun können, Herr Minister. Sie hätten zum Bespiel
EU-Mittel beantragen können. Sie hätten eine hochqualifizierte Mannschaft, wie es sie bei der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung gibt, mit höchster Priorität dransetzen können, um die Planvorhaben auf den Weg zu
bringen. Was haben Sie stattdessen gemacht? Sie haben
zugesehen, dass das bereitstehende Geld in andere Projekte - ob in Bayern oder wo auch immer - versenkt
wurde. Sie haben nicht dafür gesorgt, dass im Regierungsentwurf 2012 des Verkehrsetats die 300 Millionen
Euro für den Neubau der Schleuse erneut zur Verfügung
gestellt werden. Nein, das hat der Haushaltsausschuss
gemacht. Dankenswerterweise haben wir dort fraktionsübergreifend im November 2011 diese 300 Millionen
Euro bereitgestellt. Aber es ist der Wahrheit geschuldet,
dass dem zwei Monate vorausgegangen sind, in denen
das ein prominentes Thema im Osten SchleswigHolsteins war. Dort hat ein breites Aktionsbündnis aus
der Wirtschaft - das gibt es seitdem - für die 300 Millionen Euro gekämpft. Die damals anstehende Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat geholfen, diese Mittel
zur Verfügung zu stellen.
Das Drama ist nur, Herr Minister: Die 300 Millionen
Euro stehen seit nunmehr anderthalb Jahren zur Verfügung. Und was ist passiert? Nichts! Sie können reden,
wie Sie wollen, das lässt sich nicht schönreden. Ich
stimme Ihnen zu, Herr Minister: Ja, wir alle wollen nach
vorne schauen. Aber Sie können nicht erwarten, dass wir
mit Ihnen an einem Strang in eine Richtung ziehen,
wenn Sie keinerlei Selbstkritik an Ihrem eigenen Versagen üben. Hinzu kommt, dass Sie das Personal, das wir
nicht nur zur Reparatur der Schleusen, sondern auch für
die Planung und das Projektmanagement dringend brauchen, im Rahmen Ihrer Wasser- und Schifffahrtsreform
demotiviert, wenn nicht sogar abgebaut haben.
Kollegin Hagedorn, achten Sie auf die Zeit.
Ich komme zum Schluss.
({0})
Herr Minister, wir brauchen frisches Geld für das
Gesamtprojekt im Finanzplan, also die gesamten
1,2 Milliarden Euro. Wir brauchen das Personal in der
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, um die Arbeiten zu
erledigen. Wir brauchen ein klares Bekenntnis dieser
Regierung im Haushalt 2014. An der Küste wissen wir,
dass Rot-Grün den richtigen Kurs in der Schifffahrt bestimmt. Schwarz-Gelb steht dagegen für Untiefen,
Wracks und Risiken. Bitte belehren Sie uns eines Besseren. Wir freuen uns auf den Nachweis Ihres Handelns.
({1})
Der Kollege Matthias Lietz spricht nun für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir
debattieren mittlerweile schon eine gute halbe Stunde
über die Thematik. Wie immer in einer Aktuellen Stunde
könnte man zu diesem Zeitpunkt sagen: Es ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Lassen Sie mich aber
noch Folgendes ausführen: Ich hatte im Frühjahr letzten
Jahres die Gelegenheit, gemeinsam mit der Kollegin
Wilms den Neckar-Schleusen einen Besuch abzustatten
und zu sehen, wie die Situation vor Ort ist. Zum einen
war ich als Techniker beeindruckt von den Leistungen
derer, die dort beschäftigt sind. Zum anderen habe ich
mir große Gedanken darüber gemacht, welche Schritte
wir innerhalb der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
vorwärts gehen können, um in Zukunft solche Miseren,
wie sie bundesweit bestehen, zu verhindern.
({0})
Ich möchte an dieser Stelle von diesem Podium aus
meinen Dank und meine Anerkennung den Kollegen der
Wasser- und Schifffahrtsämter Brunsbüttel und Kiel aussprechen, die gerade in dieser Situation Besonderes geleistet haben, und ihnen meinen besonderen Respekt zollen.
({1})
Mein Respekt - auch das wurde heute hier schon gesagt - gilt zum Beispiel auch den Tauchern, die vor Ort
täglich ihre Arbeit gemacht haben. Sie haben während
des Betriebes alles gegeben, um die Funktionsfähigkeit
der Schleusen - mit wenigen Beeinträchtigungen - aufrechtzuerhalten. Respekt auch - das sage ich ganz deutlich - für die Mitarbeiter der Verwaltung an Land, die
einen viel größeren Schaden durch klare Entscheidungen
vermieden haben.
Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Inbetriebnahme dieser großen Schleusen - das ist vielen
gar nicht bewusst - 1914 erfolgte. 1989, so habe ich
nachgelesen, war die erste Grundinstandsetzung der
kleinen Schleusen in Brunsbüttel; die Instandsetzung
wurde in den folgenden Jahren fortgesetzt. Die entscheidenden Jahre für uns waren die Jahre 2006/2007, als die
Voruntersuchung für die Grundinstandsetzung der
großen Schleusen stattfand. 2008 bis 2010 erfolgte die
Vorplanung für den Neubau der fünften Schleusenkammer. Schließlich wurden Ende 2011 durch die Beschlüsse des Bundestages die Mittel für den Bau der
zweiten Schleusenkammer zugesagt.
Auch ich sage in Richtung des Ministers: Allein im
Jahre 2008 sind für die Unterhaltung der Schleusenanlage in Brunsbüttel 11,8 Millionen Euro investiert worden, im Jahr 2010 waren es 24,3 Millionen Euro und im
Jahre 2011 20,5 Millionen Euro. Ich bitte darum, dass
wir hier in der Diskussion damit aufhören, immer mit
dem Finger auf andere zu zeigen. Denken Sie an die
Zahl der Minister, die bisher dort agiert haben.
Wir hier im Hohen Hause sind gefordert, vor allen
Dingen die Kollegen im Haushaltsausschuss. Wir
werden bei der Debatte über den kommenden Haushalt
darauf achten müssen, dass wir, wenn wir eine Neuverschuldung des Bundes vermeiden wollen, innerhalb des
Haushalts zu sparen haben. Es wird Einschnitte geben
müssen. Ich möchte, dass man sich in der künftigen
Haushaltsdebatte dann auch an die Debatte erinnert, die
wir jetzt führen. Wir aus Schleswig-Holstein, Hamburg
und Mecklenburg-Vorpommern wollen dann dafür einstehen, wenn es in anderen Bereichen Kürzungen geben
muss, damit Investitionen in die Bundeswasserstraßen
getätigt werden können.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat der Kollege Ingo Egloff für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Über die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals für
Norddeutschland und den gesamten Ostseeraum ist in
dieser Debatte schon eine ganze Menge gesagt worden.
Als Hamburger Abgeordneter schaue ich mir insbesondere die Metropolregion Hamburg an. Wir wissen aus
wissenschaftlichen Untersuchungen, dass die maritime
Wirtschaft in dieser Metropolregion 160 000 Menschen
Arbeit gibt. Aber die Funktionsfähigkeit des Hamburger
Hafens - darauf hat Herr Minister Meyer dankenswerterweise hingewiesen - hat auch eine Bedeutung für Süddeutschland. Von jedem Euro, den wir im Hamburger
Hafen verdienen, gehen 30 Prozent nach Bayern und
Baden-Württemberg. Also, Herr Ramsauer, es hat Auswirkungen insbesondere auf Ihre bayerische Heimat,
dass es bei uns im Norden funktioniert; denn wir nehmen
eine nationale Aufgabe für die Bundesrepublik Deutschland wahr.
({0})
Zur Funktionsfähigkeit des Hamburger Hafens gehört
auch ein funktionsfähiger Nord-Ostsee-Kanal; denn für
die Feederverkehre Richtung Skandinavien ist diese Anbindung absolut notwendig. Wir verdienen im Hamburger Hafen mit den Feederverkehren viermal. Das ist in
Bremen und Bremerhaven nicht anders. Wie wichtig das
für die regionalen Verteilverkehre ist, hat man in der
Krise 2008 gesehen, als der damalige Senat die Gebühren angehoben hat und Hamburg auf einmal Feederverkehre los waren. Sie laufen mittlerweile über Zeebrügge
und in Rotterdam, und wir, Hamburg, haben sie nicht zurückbekommen. Insofern ist es so gefährlich - und zwar
für die gesamte norddeutsche Region -, wenn diese Wasserstraße nicht funktioniert.
({1})
Der Punkt ist doch: Wenn schon ein Umweg von
800 Kilometern gefahren werden muss, dann werden die
Reeder anfangen, über Änderungen nachzudenken. Sie,
Herr Staffeldt, wissen genauso gut wie ich, dass beispielsweise die dänische Reederei Maersk, der Weltmarktführer, zusammen mit Eurogate in Tanger ein großes Terminal gebaut hat und dass es Pläne gibt, von dort aus mit
6 000- bis 8 000-TEU-Schiffen um Skagen herum die
Ostsee zu bedienen. Wenn wir es zulassen, dass der NordOstsee-Kanal nicht funktionsfähig ist, dann wird das Ihre
Bremer Heimat genauso treffen wie meine Hamburger
Heimat. Ich bin als Hamburger Abgeordneter hier Patriot
und sage: So geht es nicht, und so, wie diese Regierung es
macht, geht es erst recht nicht.
({2})
Im Übrigen: Über die 160 000 Menschen hinaus, die in
der Metropolregion Hamburg in der maritimen Wirtschaft
beschäftigt sind, gibt der Hamburger Hafen nach wissenschaftlichen Untersuchungen weiteren 80 000 Menschen
in ganz Deutschland Arbeit.
Sie sind seit dreieinhalb Jahren im Amt, Herr Minister
Ramsauer. In irgendeiner Zeitung habe ich gelesen, der
marode Zustand dieses Kanals beschäftige Sie seit Anfang Ihrer Amtszeit. Da frage ich mich: Warum haben
Sie seit Anfang Ihrer Amtszeit nicht mehr getan? Jetzt,
nach dreieinhalb Jahren, fangen Sie auf einmal an, hier
Hektik zu verbreiten und anzukündigen, sich darum zu
kümmern, nachdem Sie vor einem Jahr einen Spatenstich getan haben. Es dauerte ein weiteres Jahr, bis Planungsunterlagen vorlagen. Das ist nicht überzeugend.
Herr Otto, Sie sind Maritimer Koordinator dieser
Bundesregierung. Ich finde es peinlich, dass Sie sich
hier hinstellen und sagen, Hamburger Reeder hätten Sie
auf die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals hingewiesen.
({3})
Ich meine, das müssen Sie als Maritimer Koordinator
doch wissen. Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, Ihren Kollegen Ramsauer dazu zu bewegen, früher anzufangen,
sich mit dieser Sache zu beschäftigen.
({4})
- Herr Otto, es reicht nicht aus, mit einem Ruderboot
über den Main gefahren zu sein, um eine solche Funktion wahrzunehmen. Man sieht, dass das hier mit Ihnen
nicht funktioniert.
({5})
Sie haben kurz vor der Schleswig-Holstein-Wahl die
Kurve gekriegt. Auch die Kollegen aus der CDU haben
mitgemacht, weil ihnen das Hemd näher als die Hose
war und man um den Wahlerfolg Angst hatte. Überhaupt
nur deswegen ist es gelungen, hier im Haushaltsausschuss etwas zu bewegen.
({6})
Sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen, Sie kämpften
eisern - dies haben Sie den Mitarbeitern der Kanalverwaltung in Brunsbüttel gesagt, Herr Minister Ramsauer -,
das ist schlicht und ergreifend lächerlich; das glaubt Ihnen in Norddeutschland niemand.
({7})
Anscheinend gilt immer noch der alte Satz von Ministerpräsident Stoiber, ihm sei der Hafen Genua näher als der
Hafen Hamburg. Ich sage als Norddeutscher: Nie wieder
ein Verkehrsminister einer bayerischen Regionalpartei.
Vielen Dank.
({8})
Der Kollege Torsten Staffeldt hat nun für die FDPFraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Kollege Egloff hat eben von Verkehrsverlagerungen
aus den ZARA-Häfen gesprochen. Er hat insbesondere
die Maersk-Reederei als Beispiel zitiert. Er hat von
8 000-TEU-Schiffen gesprochen. Ein 8 000-TEU-Schiff
hat in etwa eine Länge von 345 Metern, eine Breite von
43 Metern und einen Tiefgang von 14,50 Metern. Diese
Schiffe sind heute gar nicht in der Lage, den NOK, seemänisch genannt: Kiel-Kanal, zu befahren.
({0})
Aus diesem Grunde verlagert die Reederei Maersk einen
Teil ihrer Schifffahrt rund um Skagen. Das ist der einzige Grund für diese Verlagerung. Sie hat mit unserem
NOK definitiv nichts zu tun.
({1})
Die Kollegin Wilms hat eben schon gesagt, das Niveau dieser Debatte sei problematisch. Das kann ich mit
Blick auf den Kollegen Egloff an dieser Stelle eindeutig
und mit Fakten gesichert bestätigen.
Kommen wir auf das eigentliche Thema zu sprechen.
Wir reden hier sozusagen über die Mutter der Reichswasserstraßen. Wenn man über den Nord-Ostsee-Kanal, Kaiser-Wilhelm-Kanal, oder, seemännisch genannt, KielKanal spricht, dann muss man sich darüber im Klaren
sein: Das ist die älteste künstliche Wasserstraße, die wir
in Deutschland in diesem Maßstab haben. Nicht zuletzt
deshalb ist sie auch eine der Ursachen dafür, dass wir die
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung haben. Auch sie
müssen wir reformieren, weil sie genauso alt wie der
Kiel-Kanal ist. Auch das war im Laufe des heutigen Tages ein Thema.
Wir müssen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
zukunftsfähig machen, genauso wie wir den Kiel-Kanal
zukunftsfähig machen müssen. Vonseiten der Opposition
wurden heute Vorwürfe insbesondere an die Regierung
gerichtet. Dazu sage ich nur: Wenn man mit dem Finger
auf andere zeigt, weisen drei Finger auf einen selbst. Das sollte sich die Opposition an dieser Stelle einmal
merken.
({2})
Was wir hier erleben, Frau Hagedorn, ist nichts anderes als vorgezogener Wahlkampf.
({3})
Wenn Sie sich die Zahlen angucken,
({4})
wenn Sie sich angucken, was im Laufe der letzten Jahre
insbesondere unter christlich-liberaler Regierung
({5})
an Mitteln in den Kiel-Kanal hineingesteckt wurde bzw.
dafür vorgesehen wurde,
({6})
dann wissen Sie - ich kann das auch einmal zitieren; das
sind immer Zahlen für drei Jahre; wundern Sie sich nicht
über die hohen Beträge! -: 2007 waren es 363 Millionen
Euro, 2008 395 Millionen Euro, 2009 420 Millionen
Euro, 2010 461 Millionen Euro und 2011 484 Millionen
Euro. Wir sehen also, dass in jedem Jahr die Haushaltsansätze für den Kiel-Kanal gesteigert worden sind, dass
vonseiten der Regierungskoalition die Mittel für den
Ausbau zur Verfügung gestellt worden sind. Das sind
Fakten, nichts anderes als Fakten.
Fakt ist schlicht und ergreifend auch die Tatsache - da
muss ich dem Kollegen Kahrs und auch dem Minister
Meyer eindeutig widersprechen -, dass Baumaßnahmen
nicht mal eben so beschlossen und nicht mal eben so
umgesetzt werden können. Es ist nicht damit getan, Millionen in den Haushalt einzustellen; die Planfeststellungsverfahren,
({7})
die Verfahren zu den Abläufen und alles das muss erst
einmal realisiert werden. Das ist das, was diese Regierungskoalition seit Jahren macht: Sie arbeitet das auf,
was unter sozialdemokratischen Verkehrsministern liegen geblieben ist,
({8})
um dafür zu sorgen, dass die Zukunftsfähigkeit des
Nord-Ostsee-Kanals wiederhergestellt wird und die
Schiffe weiterhin durch den NOK fahren können. Es
geht darum, die Ostsee zu erschließen und die Feederverkehre zu ermöglichen.
({9})
Davon profitiert Hamburg, davon profitiert Bremen, insbesondere Bremerhaven, davon profitieren im Übrigen
auch jetzt schon die ZARA-Häfen, weil alle diesen Kanal nutzen.
Weil ich noch eine gute Minute Redezeit habe,
({10})
möchte ich noch generell auf die Unterfinanzierung der
Wasserstraßen hinweisen. Ganz dezidiert am Beispiel
des Nord-Ostsee-Kanals haben wir gesehen: Es gab eine
Problematik, die dazu geführt hat, dass der Kanal kurzzeitig geschlossen werden musste; glücklicherweise
konnte die Reparatur sehr schnell und unkompliziert
ausgeführt werden, sodass wir den Kanal wieder betreiben können. Aber wir haben grundsätzlich ein Problem
im Verkehrsinfrastrukturbereich und insbesondere im
Bereich der Wasserstraßen, nämlich dass uns die Bauwerke, die 100, 120 oder auch nur 50 oder 70 Jahre alt
sind - etwa das Schiffshebewerk in Scharnebeck -, langsam, aber sicher Probleme bereiten. Ich nenne auch die
Elbvertiefung und die Weservertiefung als Beispiele.
Wir merken: Wir kommen mit unserer jetzigen Verkehrsinfrastruktur, insbesondere im Wasserbereich, an
die Grenzen der Kapazität, an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Deswegen sollten wir uns zusammen dafür einsetzen - da schließe ich mich auch dem Maritimen
Koordinator Hans-Joachim Otto an -,
({11})
dass der maritime Bereich, dass die Wasserstraßen eine
höhere Wertigkeit bekommen. Wir sollten mehr Mittel
zur Verfügung stellen und völlig unabhängig von der parteipolitischen Couleur der jeweiligen Regierungskoalition dafür sorgen, dass die Wasserstraßen so ausgebaut
werden, dass dieser Bereich weiterhin zukunftsfähig ist;
das schließt die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ein.
Vielen Dank.
({12})
Herr Kollege Dr. Philipp Murmann hat für die
Unionsfraktion das Wort.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, kennen Sie eigentlich Otto
Baensch? Otto Baensch war preußischer Baubeamter
und der leitende Ingenieur beim Bau des Nord-OstseeKanals. 1887 haben sich deutsche Ingenieure in Norddeutschland getroffen, um das grandiose Bauwerk zu
starten, von dem wir heute sprechen: dem 100 Kilometer
langen Kanal quer durch unsere Heimat Schleswig-Holstein.
({0})
- Und was für eine Qualität! - Acht Jahre haben sie gebraucht, nur acht Jahre.
({1})
Auch das ist großartig.
Dieses Projekt hat Schleswig-Holstein und natürlich
auch die maritime Wirtschaft geprägt. Häfen, Werften,
Reeder, Zulieferer, Finanzierer, jede Menge Servicedienstleister haben da ihren Ursprung. Nicht zuletzt haben wir alle zwei Jahre die weltgrößte Messe in diesem
Bereich in Hamburg, die SMM, wo alle diese Gewerke
zusammenkommen und sich über die Schifffahrt der Zukunft unterhalten. Viele meinen, das sei eine rein norddeutsche Industrie. Aber es ist eine nationale Industrie.
Denn etwa 50 Prozent der Wertschöpfung kommen
aus Süddeutschland. Also ist es auch richtig, dass wir
uns dem mit einem nationalen Aufschlag widmen. Das
ist eine Aufgabe für uns alle; ich denke, da sind wir alle
uns auch einig. Das ist auch schon angesprochen worden.
Es wurde schon den Mitarbeitern der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung gedankt; das ist auch absolut zu
Recht passiert. Aber man muss auch an die Lotsen und
Kanalsteurer denken. Immerhin 300 Lotsen arbeiten
rund um die Uhr, volle 24 Stunden und an 365 Tagen im
Jahr. Fast 35 000 Schiffe haben sie im letzten Jahr sicher
und mit großer Gelassenheit durch den Kanal gebracht.
Das sind immerhin etwa 100 pro Tag. Man muss sich
einmal vorstellen, was da für ein Betrieb herrscht.
Nun aber noch zu einer etwas anderen Sichtweise
- ich zitiere aus der Welt -:
Auch beim Nord-Ostsee-Kanal ist der Verkehrsminister dringend gefordert. … Maßnahmen zur Zukunftssicherung der knapp 100 Kilometer langen
künstlichen Verbindung zwischen Elbmündung und
Ostsee sind unumgänglich.
Das ist ein Zitat vom 3. August 1999; damals war Franz
Müntefering Verkehrsminister. Man sieht: Die Themen
waren schon die gleichen. Und wenn Sie hier sagen, wir
hätten gerade erst angefangen, etwas zu tun,
({2})
dann ist das so natürlich nicht richtig. Denn das hat sich
alles aufgestaut, Frau Hagedorn. Und die meisten in
Ihrer Partei wollen sich an die Zeiten von Franz
Müntefering ja gar nicht mehr erinnern.
({3})
Aber ich weiß natürlich auch, warum Ihnen das unangenehm ist.
({4})
Denn wir haben es schon gehört: Seitdem ist insbesondere beim Nord-Ostsee-Kanal wenig passiert.
({5})
Sie haben gesagt, Sie wollten einen Weckruf starten.
Herr Staffeldt hat schon die alte Weisheit mit dem Finger, der auf etwas zeigt, und den drei Fingern, die zurückzeigen, gebraucht. In diesem Fall müssten sogar
fünf Finger zurückzeigen, damit der Spruch aufgeht.
Aber ich will auch nicht zu weit gehen.
Als Schleswig-Holsteiner bin ich jedenfalls wirklich
froh, dass wir jetzt ein Licht am Ende des Kanals sehen,
weil sich Peter Ramsauer der Sache angenommen hat.
({6})
Es gibt wahrscheinlich keinen Bayern, der häufiger in
Schleswig-Holstein war als Peter Ramsauer, um sich um
diese Themen dort zu kümmern. Insofern auch dafür
noch einmal herzlichen Dank!
({7})
Herr Kahrs hat etwas vorgeschlagen. - Ist er noch da?
({8})
- Ja? Gut, ich sehe ihn nicht, aber er ist bestimmt an einen Fernseher gegangen. - Herr Kahrs wollte ja nun alles auf einmal machen: den Neubau der fünften Schleusenkammer, die Instandsetzung der Schleusen in Kiel,
den Ausbau der Oststrecke, den Neubau der Hochbrücke, die Vertiefung des Kanals.
({9})
Aber dann müssten wir den Kanal natürlich sperren,
({10})
und zwar so lange, dass sich ganz andere Leute zu Recht
beklagen würden. Denn das ist völlig sinnlos, und das
will auch keiner.
({11})
Der Titel der Aktuellen Stunde lautet „Auswirkungen
der Politik von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer
auf den maritimen Wirtschaftsstandort“. Die Auswirkungen sind klar: Endlich bewegt sich was. Der Minister hat
es schon gesagt, und ich denke, dafür können wir ihm
dankbar sein.
Ich möchte noch auf das Thema Finanzierung von Infrastruktur zu sprechen kommen. Wir sind ein Land des
Mittelstandes. Und der Mittelstand ist grundsätzlich dezentral aufgestellt. Das heißt, es gibt viele kleine Einheiten an verschiedenen Orten. Infrastruktur ist also einer
der wesentlichen Erfolgsfaktoren, der dazu beiträgt, dass
der Mittelstand bei uns in Deutschland weiter existieren
kann. Deswegen sind Infrastrukturprojekte für uns maßgeblich.
Und - das wurde schon angesprochen - wir brauchen
eine Finanzierungsmöglichkeit. Als Unternehmer würde
ich sagen: Zum Erhalt der Wasserstraßen ist es notwendig, Rückstellungen für Instandhaltungsmaßnahmen zu
bilden und Abschreibungen zu tätigen.
({12})
Ich denke, über solche Finanzinstrumente müssen wir
spätestens in der nächsten Legislaturperiode nachdenken, damit wir wirklich weiterkommen.
Aber, das muss man auch immer sagen: Finanzierung
von Infrastruktur funktioniert natürlich nur dann, wenn
der Haushalt insgesamt in Ordnung ist. Dazu muss man
sich einmal die Haushalte der rot-grünen Landesregierungen anschauen; denn auch die Länder müssen natürlich in Infrastruktur investieren. Übrigens steht das Geld
für den Bau der A 20 inzwischen zur Verfügung. Sie
könnten eigentlich anfangen in Schleswig-Holstein. Man
muss also feststellen, dass Finanzierung von Infrastruktur nur geht, wenn es eine entsprechende Finanzpolitik
gibt und Bewegung im Haushalt möglich ist. Ich meine,
auch hier sind wir in dieser Regierung ein Vorbild.
({13})
Ich komme zum Schluss.
Herr Kollege Murmann, Sie müssen auch zum
Schluss kommen und einen Punkt setzen, bitte.
Ich glaube, wir brauchen Pioniergeist. Diesen Pioniergeist müssen wir auch leben. Es gibt inzwischen zum
Teil mehr juristische Bedenkenträger als Ingenieure bei
diesen Projekten.
({0})
Ich denke, das bringt Deutschland nicht voran. Insofern
müssen wir zusammenstehen, damit wir Bauwerke
schaffen können, von denen die Menschen auch in
100 Jahren noch sagen - dazu gehört auch die Fehmarnbeltquerung -: Toll, dass die dieses Projekt angegangen
sind. Die haben das prima gemacht.
Insofern denke ich, dass die Bundesregierung hier auf
dem richtigen Weg ist.
Ich danke Ihnen.
({1})
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Uwe
Beckmeyer das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wenn man sich mit dem Thema Nord-OstseeKanal beschäftigt, kommt einem vieles in den Kopf.
Man erinnert sich vor allen Dingen daran, dass in der
Öffentlichkeit vor mindestens zwei, wenn nicht sogar
drei Jahren seitens der Christdemokraten, aber auch
anderer Parteien und der Regierung gute Nachrichten
ausgesendet wurden. Der Tenor war: 2012 können wir
anfangen. Ich habe ein paar Beispiele herausgesucht:
„CDU-Landesgruppe Schleswig-Holstein besichtigt
Brunsbütteler Schleuse“; das war im November 2011.
Ebenfalls November 2011: „Ferlemann: Schleuse
kommt 2012“. Damals versprach Staatssekretär
Ferlemann immer wieder: fünfte Schleuse - im nächsten
Jahr geht es los. All das steht in Zeitungsartikeln aus dieser Legislaturperiode.
Nun kann man sagen, die Vorgängerregierung habe
das mit einem Fingerschnipp gemacht. Es habe gar keine
Vorbereitungen gegeben. Wer das behauptet, irrt sich allerdings.
({0})
Herr Staffeldt, es hat eine entsprechende Voruntersuchung gegeben, es hat eine Ausführungsplanung und die
Vorbereitung der Planfeststellung mit Planfeststellung
gegeben.
({1})
Unter der Ägide von Wolfgang Tiefensee
({2})
wurden die entsprechenden vorbereitenden Maßnahmen
mit der Wasserschifffahrtsverwaltung durchgeführt. Damit wurden alle Voraussetzungen geschaffen, damit der
Bau dieser fünften Schleuse beginnen kann. Es ist sogar
das Geld zur Verfügung gestellt worden.
({3})
Die Fragestellung, die sich daran anschließt, ist: Was
ist in der Zwischenzeit mit dem Planfeststellungsbeschluss und mit dem Geld passiert? Es ist passiert,
dass es Peter Ramsauer abhandengekommen ist.
({4})
Was passierte danach?
({5})
Es gab wohl eine andere Prioritätensetzung, meine
Herren Staatssekretäre, Herr Minister. Das wäre vielleicht nachvollziehbar. Die Fragestellung ist also: Welche Prioritätensetzung haben Sie mit dem Geld für den
NOK vorgenommen?
({6})
- Ach, es war gar keines da? Die Bundesregierung unter
Angela Merkel stellt Haushaltsmittel aus dem Konjunkturprogramm zur Verfügung, und Sie sagen: Es war gar
keines da. Wie kann das denn angehen? Das glauben Sie
doch wohl selber nicht. Ihre Bundeskanzlerin ist doch
wohl noch in der Lage, Ihnen Geld zur Verfügung zu
stellen, vor allen Dingen, wenn Sie eine planfestgestellte
Schleuse haben.
Es ist vielmehr so: Sie sind nicht in der Lage, diese
Schleuse zu bauen.
({7})
Ich will Ihnen sagen, weshalb. Wir haben gerade festgestellt, dass für Ausschreibungen in einem ganz beträchtlichen Umfang Personal hätte zur Verfügung gestellt
werden müssen.
({8})
Aber dieses Personal ist nicht zur Verfügung gestellt
worden. Es war klar, dass mindestens 20, 30 Köpfe bei
der WSD Nord benötigt würden, damit diese Planungen
vorankommen und entsprechend technisch umgesetzt
werden können. Was ist passiert? Nichts. Sie haben dieses Personal nicht zur Verfügung gestellt. Stattdessen
produzieren Sie bis heute Überschriften nach dem
Motto: „Wir müssen diese verstaubte Verwaltung eindampfen, damit überhaupt in irgendeiner Form etwas
passiert.“ Das, was Sie da machen, ist politisch genau
das Falsche.
({9})
Sie zerstören die Wasserschifffahrtsverwaltung in
Deutschland. Gleichzeitig beklagen Sie, dass Ihre
Projekte nicht vorankommen. Sie sind diejenigen, die
momentan dafür sorgen, dass in Deutschland Infrastruktur - zumindest beim Wasserbau - sträflich vernachlässigt wird.
({10})
Im Hamburger Abendblatt - wahrlich keine Gazette der
sozialdemokratischen Partei ({11})
vom 8. März dieses Jahres steht:
Ramsauer hat versagt
Der Kollaps des Nord-Ostsee-Kanals zeigt erneut,
dass der Minister im Amt überfordert ist
Das ist schon eine große Leistung: Tatenlos sieht
die Bundesregierung dabei zu, wie Deutschlands
wichtigste künstliche Wasserstraße, der NordOstsee-Kanal, kaputt gefahren wird … Es schaudert
einen bei dem Gedanken, wie die politische GeisUwe Beckmeyer
terfahrt im Bundesverkehrsministerium bis zur
Bundestagswahl im September wohl enden wird
und was das Deutschland am Ende kostet.
Ich will Ihnen ein weiteres Zitat aus diesem Artikel nicht
vorenthalten:
Doch der Minister aus Bayern, ein Freund des forschen Wortes, lässt das Gespür für die Belange der
Schifffahrt und Hafenwirtschaft in Norddeutschland sträflich vermissen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was wir hier
erleben, muss uns leider betrübt machen. Denn wir erfahren über Diskussionsbeiträge, politische Äußerungen
und Antworten auf Fragen, die wir, die Sozialdemokraten, und auch die Grünen der Bundesregierung gestellt
haben, dass es bei Ihnen die ganze Zeit ein Hin und Her
bei der Haltung gibt: Wie gehen wir eigentlich bei der
fünften Schleusenkammer vor?
({12})
Der Bau der fünften Schleusenkammer ist nach all dem,
was wir wissen und Sie bis zum heutigen Tage bestätigen, notwendig, damit danach die Sanierung der anderen, alten Schleusen stattfinden kann. Dass erst gebaut
und dann saniert werden sollte, wurde übrigens von
Ihnen selbst - das ist das Merkwürdige - bereits 2011, in
einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion, infrage gestellt. In
einer Antwort heißt es:
In diesem Zusammenhang werden jetzt die vorhandenen Vorplanungen der Grundinstandsetzung der
Brunsbütteler Schleusen aktualisiert und mögliche
Varianten sowohl mit als auch ohne vorlaufenden
Bau einer fünften Schleusenkammer geprüft.
Kollege Beckmeyer, Sie müssten jetzt bitte zum
Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. - Sie selbst haben zu Beginn der Legislaturperiode, im ersten Jahr Ihrer Regierungszeit, den gesamten Vorlauf noch einmal auf den
Kopf gestellt, noch einmal überprüfen lassen, noch einmal Zeit verschwendet, um am Ende doch zu keinem
Beschluss zu kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dramatischer, als Sie es in dieser Legislaturperiode getan haben,
kann man einen solchen Schleusenneubau nicht vergeigen. Herr Minister, dafür gehören Sie abgelöst.
({0})
Herzlichen Dank.
({1})
Der Kollege Hans-Werner Kammer hat nun für die
Unionsfraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nach dem letzten Beitrag von Herrn Beckmeyer
hatte ich die Sorge, dass der Nord-Ostsee-Kanal über
seine Ufer tritt, so sehr hat er sich hier erregt.
({0})
Ich habe diese Aktuelle Stunde so erlebt, dass ich
glaube feststellen zu können, dass Herr Kahrs, Herr
Egloff, Frau Hagedorn und ich uns in der Sache und im
Hinblick auf die große Bedeutung des Nord-OstseeKanals im Grunde einig sind. Aber, Frau Hagedorn, Sie
haben gesagt: Als Minister Ramsauer ins Amt kam, lag
der Ball auf dem Elfmeterpunkt.
({1})
Wenn der Ball auf dem Elfmeterpunkt liegt, hat vorher
jemand Foul gespielt. Sie haben heute hier in dieser Diskussion Foul gespielt; das muss man Ihnen sehr deutlich
sagen.
({2})
Diese Aktuelle Stunde hätte an sich die Überschrift
verdient: Behebung von Schäden aufgrund von SPDVersäumnissen. - Das wäre die richtige Überschrift für
diese Aktuelle Stunde gewesen. Zehn Jahre ununterbrochene sozialdemokratische Verkehrspolitik
({3})
hat nämlich zweifelhafte Erfolge zu verbuchen.
Heute haben wir eine Tragödie besonderer Art zu behandeln, nämlich die Situation des Nord-Ostsee-Kanals,
der die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt
ist und eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für Norddeutschland, für Deutschland und für Europa hat. Vernünftig denkende Menschen hätten alles getan, um eine
solche Lebensader zu hegen und zu pflegen. Sozialdemokratische Verkehrsminister - sie sind hier aufgezählt
worden - haben mit der Wasserstraße das gemacht, was
auch sozialdemokratische Bildungspolitiker am besten
können: Sie haben alles versprochen und nichts gemacht; auch das muss man erwähnen.
({4})
Sie haben nämlich dort, wo es notwendig und dringend
erforderlich gewesen wäre, kein Geld ausgegeben. Das
hat dazu geführt, dass die gut 100 Jahre alte Anlage in
einem denkbar schlechten Zustand ist.
Unser Verkehrsminister Peter Ramsauer
({5})
war bei seinem Amtsantritt vom Zustand der Schleuse
Brunsbüttel schockiert.
({6})
Gerade Sie von der SPD müssen sich doch vorstellen
können, wie schlimm es um etwas stehen muss, wenn
ein gestandener Minister wie Herr Ramsauer schockiert
ist; dazu gehört schon eine Menge.
({7})
Daran sieht man, was Sie ihm überlassen haben.
Einer wie Minister Ramsauer redet nicht lange drumherum; er handelt.
({8})
Deshalb hat er unverzüglich Maßnahmen zur Reparatur
und Instandsetzung des Kanals in Angriff genommen.
Ihm war sofort klar: Mehr Misswirtschaft hält dieser Kanal nicht aus, Herr Beckmeyer. Peter Ramsauer hat die
Weichen für die Finanzierung und den Bau der fünften
Schleuse gestellt.
({9})
300 Millionen Euro aus dem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm I fließen in den Bau der fünften
Schleuse. Das sind 30 Prozent der Extramilliarde für den
Verkehr. Minister Ramsauer hat nicht gezaudert; an diesem Punkt hat er geklotzt.
({10})
- Ja, Sie bedauern, dass Sie nur fünf Minuten Redezeit
hatten. Dann hätten Sie noch mehr über Ihre Versäumnisse erzählen können.
({11})
Minister Tiefensee hätte all das schon tun müssen. Er hat
es nicht getan. 2008 hat er beispielsweise nur 100 000
Euro für Maßnahmen aller Art am Nord-Ostsee-Kanal
zur Verfügung gestellt. Das ist eine Summe, die uns erschaudern lässt, aber nicht aus Ehrfurcht, sondern aus
Entsetzen; das muss man dazusagen.
({12})
Was hat Ihr Minister ganz konkret für den Neubau der
fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel getan? Nicht
viel! Bis 2007 ist nicht ein einziger Euro für den Neubau
der Schleusenkammer ausgegeben worden, obwohl ihm
bekannt war, dass dieser Neubau dringend erforderlich
war. 2008 und 2009 hat er einstellige Millionenbeträge
für die Planung zur Verfügung gestellt.
({13})
Man weiß aber - das ist den Sozialdemokraten
manchmal nicht ganz klar -, dass ein Krug so lange zum
Brunnen geht, bis er bricht. Das ist in diesem Jahr geschehen.
({14})
Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord sah sich am
Anfang dieses Monats gezwungen, die großen Schleusen
in Brunsbüttel knapp zwei Wochen zu schließen. Das
war schmerzlich, aber richtig. Ansonsten hätte ein Ausfall von mehreren Monaten gedroht. Dann wäre es für
die Wirtschaft noch dicker gekommen. Dass das in so
kurzer Zeit behoben wurde, verdanken wir dem Engagement der Mitarbeiter der WSD Nord, die dies verhindert
haben. Herzlichen Dank dafür!
({15})
Noch ein Punkt zu Ihren Ausführungen, Frau
Hagedorn: Die WSV war nicht demoralisiert und demotiviert. Die WSV-Mitarbeiter sind hochmotiviert. Das
schätzen wir.
({16})
- Danke. Stümperhaft sieht die Verkehrspolitik von RotGrün in Niedersachsen und Schleswig-Holstein aus.
({17})
Der niedersächsische SPD-Wirtschaftsminister sagt: Die
Küstenautobahn wird nur gebaut, wenn die Grünen zustimmen. Da wackelt der Schwanz mit dem Hund. Das
ist Ihre Politik.
({18})
Kollege Kammer, auch Sie müssen bitte zum Schluss
kommen. Sie müssen das an anderer Stelle fortsetzen.
Frau Präsidentin, das ist so spannend.
Ja, ich bin fasziniert.
Erlauben Sie mir einen Schlusssatz. - Unser Verkehrsminister dagegen hat die Initiative ergriffen und
reagiert. Peter Ramsauer hat sich vor Ort die Schäden
angesehen. Peter Ramsauer hat elf Mitarbeiter eingestellt. Das ist verlässliche Infrastrukturpolitik.
({0})
Das ist Unionspolitik. Für die Menschen. Für die Wirtschaft. Für die Zukunft in Deutschland.
Herzlichen Dank.
({1})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. März 2013,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.