Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes gegen
unseriöse Geschäftspraktiken.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz Sabine LeutheusserSchnarrenberger.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat heute im Kabinett den
Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken beschlossen. Dieses Gesetz wird den Schutz von
Verbraucherinnen, Verbrauchern und Gewerbetreibenden in den Bereichen Inkasso, Telefonwerbung und Abmahnwesen verbessern. Uns hat die Tatsache zum Handeln veranlasst, dass es gerade in diesen Bereichen
immer wieder Beschwerden über bedenkliche Geschäftspraktiken gab. Lassen Sie mich in aller Kürze die
wichtigsten Regelungen vorstellen.
Erster Bereich: Telefonwerbung. Werbeanrufe sind
bereits jetzt nur erlaubt, wenn der Verbraucher ausdrücklich vorher einwilligt. Dennoch gibt es mit dem Gesetz
aus dem Jahre 2009 weiter Probleme. Mit diesem Gesetzentwurf erfassen wir auch die automatischen Anrufmaschinen, die bisher nicht von dem Gesetz erfasst sind.
Sie sind ein großes Ärgernis für die Verbraucherinnen
und Verbraucher. Wir wollen die Bußgeldobergrenze
um das Sechsfache erhöhen, von 50 000 Euro auf
300 000 Euro. Und wir sehen ausdrücklich schriftliche
Bestätigungsregelungen vor, wenn es um Gewinnspieldiensteverträge geht. Hier können nämlich sehr hohe
Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher entstehen.
Zweiter Bereich: Abmahnungen. Abmahnungen sind
ein sinnvolles Instrument in unserer Rechtsordnung.
Hier können berechtigte Forderungen in kürzeren Zeiten
als in einem Gerichtsverfahren durchgesetzt werden.
Dies ist also wichtig für die Gläubiger. Es gibt aber auch
überzogene Anwendungen der Möglichkeiten dieses Instituts der Abmahnung. Darauf konzentriert sich unser
Gesetzentwurf im Urheber- und Wettbewerbsrecht. Man
kann sich ja des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass der
ein oder andere hiermit ein gewinnbringendes Geschäftsmodell für sich entwickelt hat.
Deshalb schaffen wir im Urheberrecht eine andere
Regelung, um die Kosten für den Anwalt zu begrenzen.
Wir sehen erstmals einen Regelstreitwert von
1 000 Euro vor. In § 97 a Urheberrechtsgesetz gibt es
eine Regelung, die bisher nicht zur Anwendung kam.
Dort wollte man die Kosten bei einfach gelagerten Sachverhalten auf 100 Euro beschränken. Dies spielte in der
Realität überhaupt keine Rolle. Aber der Wille des Gesetzgebers war schon damals, eine Beschränkung vorzusehen. Wir wollen jetzt einen Regelstreitwert umsetzen,
der in bestimmten Einzelfällen, nach einer Einzelfallprüfung, nach oben oder unten geändert werden kann. Wir
sehen auch die Verpflichtung vor, darzulegen, welche
Handlungen ein Urheberrecht von wem verletzt haben.
Es gibt also hier konkrete Anforderungen an die Anspruchsbegründung.
Auch im Wettbewerbsrecht werden die Gegenstandsund Streitwerte angepasst. Es bleibt zwar dabei, dass
dies im Ermessen des Gerichts liegt; aber in bestimmten
Fällen kann ein Streitwert von 1 000 Euro angenommen
werden.
Zum dritten Bereich - Inkasso - nur in aller Kürze:
Forderungen werden ja durch Inkassounternehmen eingefordert und durchgesetzt. Das ist natürlich durchaus
legitim. Wir wollen, dass es auch künftig Inkassounternehmen gibt. Diese Inkassounternehmen treiben natürlich auch Forderungen aus dem Bereich der unlauteren
Telefonwerbung oder anderen Bereichen ein. Man sieht
also: Hier kommt alles zusammen; es wird auch da versucht, Forderungen aus überzogenen, unberechtigten
Abmahnungen, soweit es der Sachverhalt hergibt, über
ein Inkassobüro einzutreiben. Hier erweitern wir die
Darlegungs- und Informationspflichten der Inkassounternehmen, damit der Empfänger weiß: Welche Forderung von wem wird hier in Form einer Geldzahlung
durch ein Inkassobüro eingetrieben? - Das ist bisher
nicht immer der Fall. Alle seriösen Unternehmen legen
dies dar; die Unternehmen, die einfach mal ihre Forderungen rausschicken, tun dies nicht. Der Gesetzentwurf
fordert eine solche Information jetzt zwingend ein.
Über die Inkassoregelsätze werden wir auf dem Wege
der Verordnung entscheiden; dafür ist eine Ermächtigung vorgesehen. Und die Sanktionsmöglichkeiten werden erweitert: Das maximale Bußgeld wird von 5 000 auf
50 000 Euro angehoben.
So viel in der Kürze zum Inhalt des Gesetzentwurfs.
Vielen Dank.
Gibt es Nachfragen? - Herr von Notz.
Frau Präsidentin! - Frau Ministerin, vielen Dank für
Ihre Ausführungen. Zunächst eine Frage zum Streitwert.
Ein früherer Entwurf sah eine Deckelung des Streitwerts
bei 500 Euro vor, nach § 49 GKG. Nun ist eine Deckelung bei 1 000 Euro vorgesehen. Was ist denn die inhaltliche Begründung dafür, dass die Deckelung nicht, wie
ursprünglich vorgesehen, bei 500 Euro, sondern nun bei
1 000 Euro liegen soll?
Wir haben in der Koalition natürlich über diesen
Punkt verhandelt. Da gab es unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe des Regelstreitwertes. Am Ende haben wir uns vor dem Hintergrund, dass Abmahnungen
letztendlich ein gerechtfertigtes und erlaubtes Instrument
sind, das man nutzen können muss, im Wege der Konsensfindung auf eine Deckelung bei 1 000 Euro verständigt.
Vielleicht eine Anmerkung dazu: Sie haben in Ihrem
Gesetzentwurf eine Deckelung des Streitwerts bei 700 Euro
vorgesehen. Aktuell gibt es im Rechtsausschuss eine
Anhörung zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz.
Demnach wird es Stufen zur Berechnung der Anwaltsgebühren geben: Da gibt es die Stufe bis 500 Euro und
die Stufe bis 1 000 Euro. Dann würde ein Streitwert von
700 Euro der Stufe bis 1 000 Euro zugerechnet.
Es gab also eine Konsensfindung in der Koalition,
weil dort unterschiedliche Vorstellungen über die Notwendigkeit der Einschränkung der Zahl der Abmahnungen bestanden.
Die nächste Frage stellt der Kollege Schweickert.
({0})
Frau Ministerin, vielen Dank. Ich freue mich sehr,
dass dieses Gesetz jetzt ins Plenum kommt. Man hat zu
Recht vor dem Hintergrund der unerlaubten Telefonwerbung bei Verträgen mit Gewinnspieleintreibungsdiensten
- eine richtige Seuche - das Textformerfordernis gewählt. Meine Frage: Warum hat man diese nicht bei allen am Telefon geschlossenen Verträgen vorgesehen?
Wir haben schon mit dem Gesetz, das Ende der letzten Legislaturperiode in Kraft trat, eine stärkere Stellung
des Verbrauchers geschaffen. Aber es gibt auch einfache
Bestellungen, die am Telefon getätigt werden. Wir wollten nicht für jeden Lebensbereich hier ausdrücklich die
Textform vorschreiben. Daher haben wir uns auf die Gewinnspieldiensteverträge, die Sie zu Recht als wirklich
sehr belästigend bezeichnet haben - sie sind ja auch mit
hohen finanziellen Folgen verbunden -, konzentriert und
für diese ausdrücklich das Textformerfordernis vorgesehen. Das wurde gerade auch aus dem Bereich Verbraucherzentrale Bundesverband und von Verbraucherschutzorganisationen an uns herangetragen.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Lay.
Herzlichen Dank. - Auch wir freuen uns, dass es einen Gesetzentwurf gibt, doch wir denken, dass seine
Reichweite im doch sehr langwierigen Verfahren leider
zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher verwässert wurde.
Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Frage der
Kontrolle der Inkassobüros lenken, die über dieses Gesetz sozusagen reguliert werden sollen. In diesem Bereich ist die Aufsicht auf fast 80 unterschiedliche Behörden verteilt. Diesen Punkt kritisieren zum Beispiel die
Verbraucherzentralen scharf und sagen, dass eine zersplitterte Aufsicht in dieser Form nichts bringen wird.
Meine Frage ist: Warum haben Sie diese Entscheidung
getroffen? Wie begegnen Sie diesem Vorwurf?
Durch den Gesetzentwurf werden die Möglichkeiten,
Aufsicht auszuüben und wahrzunehmen, deutlich verbessert bzw. aus Sicht anderer verschärft, indem wir das
Widerrufsrecht in Bezug auf die Registrierung erweitern.
Es ist vorgesehen, dass die Landesjustizverwaltungen
der Länder darüber entscheiden, welche Behörden die
Aufsicht ausüben. Dieser Bereich fällt in die Zuständigkeit der Länder. Wir wollen den Ländern nicht vorschreiben, wie sie das zu organisieren haben.
Frau Crone.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, Sie
wurden eben schon gefragt, warum es nur bei Gewinnspielverträgen eine schriftliche Bestätigung geben soll.
Andere untergeschobene Verträge, zum Beispiel Zeitschriftenabonnements, bleiben außen vor. Der Bundesrat
hat aber schon 2008 gefordert, dass eine schriftliche Bestätigung für alle Vertragsabschlüsse, die durch unerlaubte Werbeanrufe zustande kommen, erfolgen soll.
Warum haben Sie diesen Vorschlag nicht aufgegriffen?
Dieser Vorschlag lag ja den Gesetzgebungsarbeiten
der damaligen Regierung aus CDU, CSU und SPD zugrunde. Auch meine Vorgängerin im Amt, Frau Zypries,
hat ausdrücklich keine Erweiterung der Bestätigungsregelung vorgesehen. Wir haben 2009 - so wie im Gesetz vorgesehen - evaluiert, also Umfragen gestartet, um
zu erfahren, wie sich dieses Gesetz zur Eindämmung unerlaubter Telefonanrufe auswirkt.
Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse sind
wir im Bundesjustizministerium überzeugt, dass es richtig ist, nur für den Bereich, der mit finanziellen Auswirkungen ziemlich großen Ausmaßes verbunden ist, die
Textform vorzusehen, aber eben nicht für alle Bereiche
der geschäftlichen Betätigung, die über das Telefon erfolgt. Das geht aus unserer Sicht letztendlich zu weit.
Das ist auch nicht unbedingt im Interesse des Verbrauchers. Wir möchten mit diesem Gesetzentwurf eben bestimmten Auswirkungen Einhalt gebieten.
Herr Thomae.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Minister, die
Intention bzw. die Zielsetzung des Gesetzentwurfs ist
sehr zu begrüßen. Es ist geradezu notwendig, Missbrauch einzudämmen, nicht zuletzt auch, um die Akzeptanz des Urheberrechts zu erhöhen.
Bei der Lektüre des Gesetzentwurfs entsteht aber mitunter der Eindruck, dass Rechteinhaber als Feindbild betrachtet bzw. Abmahnungen zu sehr verteufelt werden,
obwohl Rechteinhaber doch auch die Chance haben
müssen, ihre Rechte zu verteidigen und wahrzunehmen.
Abmahnungen sind dabei ein Instrument, um Streit außergerichtlich beizulegen und Gerichtsverfahren zu vermeiden. Daher meine Frage an Sie: Könnte es nicht sein,
dass der Entwurf in dem einen oder anderen Punkt etwas
über das Ziel hinausschießt und dadurch vielleicht Missverständnisse befeuert werden?
Natürlich soll hier keinerlei falsches Feindbild erzeugt werden. Es gibt Urheberrechte, die im Urheberrechtsgesetz geregelt sind. Unmittelbar der Urheber,
aber auch Rechteinhaber - das sieht unsere Rechtsordnung ja ausdrücklich vor - haben den Anspruch, ihre
Rechte durchzusetzen. Deswegen gehen wir nicht den
Weg, Abmahnungen per se als ein unseriöses Instrument
zu verteufeln, das genutzt wird, um Nutzer zu drangsalieren.
Andererseits gibt es eine Regelung für - so sage ich
das einmal - Fälle von nicht erheblichem Ausmaß. Für
besondere Einzelfälle haben wir eine Öffnungsklausel
vorgesehen. Da geht es überwiegend um junge Internetnutzer ab 14 Jahren. Nach Erkenntnissen, die uns von
Verbraucherschutzzentralen und -vereinen zugetragen
worden sind - ich erwähne das hier, ohne damit zu sagen, dass das alles bis ins Letzte repräsentativ und rechtstatsächlich untersucht ist -, sehen sich häufig gerade
junge Menschen, die ein- oder zweimal etwas aus dem
Internet heruntergeladen haben, ohne zu wissen, dass sie
dabei Urheberrecht verletzen, umfassenden Forderungen
gegenüber. Deshalb haben wir für Unterlassungs- und
Beseitigungsansprüche einen Regelstreitwert vorgesehen. Diese Regelung gilt nicht für Schadenersatzansprüche selbst.
Daher ist auf der einen Seite die Rechtedurchsetzung
nach wie vor sehr wohl möglich, auf der anderen Seite
wird aber auch der Nutzer, den wir für das Urheberrecht
gewinnen wollen, geschont. Ihm soll das Urheberrecht
nicht allein in Form von Abmahnungen zur Durchsetzung von Rechten, die er in dem Moment vielleicht gar
nicht bewusst verletzt hat, begegnen. Ich glaube, in diesem Spannungsfeld haben wir einen richtigen Weg gefunden. Wir sind den Weg gegangen, den der Gesetzgeber schon ursprünglich vorgesehen hatte. Wir mussten
aber einfach konstatieren, dass die derzeit geltende Regelung nicht die Wirkung entfaltet hat, die der Gesetzgeber damals beabsichtigt hat.
Frau Maisch, bitte.
Frau Ministerin, danke für den Bericht. Ich habe eine
Frage zum Thema Inkasso. In den vorherigen Fragen ist
schon deutlich geworden, dass die Aufsicht sehr wichtig
ist. Daneben ist aber sicher auch die Frage der Inkassokosten zentral. Diese Frage wird nicht im Gesetzentwurf
geregelt, sondern es soll eine Verordnung geben. Sie haben sich mit Ihren Kollegen im Kabinett sehr viele Monate lang über dieses Thema unterhalten. Mich würde
interessieren, in welche Richtung Sie bei der Inkassokostenverordnung gehen wollen. Wird diese Verordnung
an die Verordnung über die Anwaltskosten angelehnt?
Welche Höhe stellen Sie sich vor?
Es gibt noch keine fertige Verordnung, die Inkassoregelsätze und Höchstsätze vorsieht. Wir werden den
Blick natürlich auch auf bestehende Regelungen in anderen Rechtsbereichen richten. Ich kann Ihnen hier und
heute aber keine Beträge nennen. Wenn wir absehen
können, dass dieses Gesetz nach Beratungen im Bundestag und intensiven Gesprächen mit Experten, die sicherlich stattfinden werden, ins Gesetzblatt kommt, werden
wir das ausgestalten; das werden wir dann sehen. Wir
werden dabei natürlich Regelungen, die es in anderen
Bereichen gibt, im Blick haben.
Frau Drobinski-Weiß, bitte.
Frau Ministerin, gemeinhin sagt man: Was lange
währt, wird endlich gut. Das können wir bei diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht sagen. Ein Beispiel: Sie haben die Regelstreitwerte auf 1 000 Euro festgelegt. Das
heißt, dass bei einer einmaligen Abmahnung für einen
der jungen Menschen, die ein Foto aus dem Internet heruntergeladen und auf ihre Homepage gestellt haben,
155 Euro fällig werden. Ich finde, das ist eine stolze
Summe. Sie können sich natürlich vorstellen, dass wir
diese Summe für viel zu hoch halten. Mich würde interessieren, wie hoch die Kosten einer auf solche Fälle
spezialisierten Anwaltskanzlei für eine solche Standardabmahnung sind. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie
dazu Daten haben.
Wir haben natürlich keine Daten dazu, welche Kosten
in Anwaltsbüros entstehen. Die Anwaltsbüros müssen
selbst entscheiden, was sie investieren wollen, um
Rechtsansprüche durchzusetzen, und ob das Verhältnis
zwischen dem Aufwand und der Einnahme, die auf Basis der gesetzlich festgelegten Regelungen zur Berechnung von Vergütungen erzielt werden kann, stimmt.
Wenn man aber berücksichtigt, wie Streitwerte derzeit
festgesetzt werden, dass die Streitwerte in diesen Verfahren häufig bei weit über 1 000 Euro liegen, dann sieht
man, dass der vorgesehene Regelstreitwert eine deutliche Verbesserung darstellt. Damit ändern wir übrigens
das gesamte System. Wir kommen weg von dem derzeitigen System, in dem 100 Euro festgeschrieben waren,
und legen einen Regelstreitwert zugrunde.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Jeder muss selbst entscheiden, welchen Aufwand er betreiben will, um Ansprüche durchzusetzen. Die Frage, ob sich das dann für
jede Tätigkeit des Anwalts rechnet oder nicht, hat uns
nicht beschäftigt. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf
eine Regelung vorsehen, die für die Verbraucherinnen
und Verbraucher nachvollziehbarer ist als diejenige, die
bisher im Gesetz verankert ist.
Herr Höferlin, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, die
Bundesregierung möchte ja mit dem Gesetzentwurf den
sogenannten fliegenden Gerichtsstand ein Stück weit
eindämmen oder sogar abschaffen. Es gibt durchaus Einwendungen - diese wurden auch vorgetragen -, etwa,
dass Verfahrenskonzentrationen zu Spezialisierungen
geführt haben. Vielleicht können Sie kurz erklären, welche Abwägungen da stattgefunden haben.
Der sogenannte fliegende Gerichtsstand ist ja in unserer Rechtsordnung derzeit vorgesehen. Es geht dabei darum, dass der Ort, an dem die Verletzungshandlung
wahrgenommen wird, dann auch Gerichtsstand ist und
nicht, wie es die Regelannahme in unserer Rechtsordnung ist, der Sitz des Beklagten. Dieser Regelannahme
liegt natürlich die Überlegung zugrunde, dass der Beklagte, der sich einer Forderung vor Gericht erwehren
muss, nicht so weite Wege haben soll und sein Recht
entsprechend wahrnehmen können soll. Das ist zum Beispiel im Wettbewerbsrecht anders. Wir ändern das jetzt
im Wettbewerbsrecht und lassen diesen sogenannten
fliegenden Gerichtsstand nur noch zu, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz in Deutschland hat; sonst soll
sein Wohnsitz als Gerichtsstand gelten.
Im Wettbewerbsrecht sind - das ist streitwertunabhängig - immer die Landgerichte die zuständigen Gerichte. Dadurch haben wir schon eine Konzentration.
Von daher sagen wir: Es gibt eine Konzentration auf Gerichte, die mehr mit diesen Verfahren befasst sind. Aber
wir kommen davon weg, dass sich der Kläger den Gerichtsstand selbst aussucht; denn je mehr das Internet
eine Rolle spielt, umso mehr könnte man sich in ganz
Deutschland einen Gerichtsstand suchen.
Damit gehen wir jetzt im Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb, also in Wettbewerbssachen, einen ersten
Schritt zur Eindämmung des Instruments des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes. Ich denke, dass die Argumente dafür sprechen, diesen Weg jetzt zu gehen und
im Sinne des Beklagten zu versuchen, für ihn eine etwas
bessere Rechtslage zu schaffen.
Frau Tack, bitte.
Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe eine
Frage zu den datenschutzrechtlichen Einwilligungen. In
dem Gesetzentwurf, den Sie vor einem Jahr vorgelegt
hatten, war ja vorgesehen, dass es nicht mehr ausreicht,
nur allein in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die
Einwilligung zur Weitergabe von Daten vorzusehen.
Jetzt, nachdem Sie in der Koalition ein Jahr lang beraten
haben, haben Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem
das nicht mehr so enthalten ist. Jetzt muss man nicht
mehr aktiv sagen: Ja, ich bin damit einverstanden, dass
mit meinen Daten gearbeitet wird. Vielmehr reicht es
weiterhin aus, diese Einwilligung ausschließlich in den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorzusehen. Ich
würde Sie bitten, uns zu erklären, warum Sie das jetzt
aus dem Gesetzentwurf herausgenommen haben.
Ja, wir hatten ursprünglich solch eine Überlegung angestellt. Aber in den intensiven Beratungen, nicht nur in
der Bundesregierung zwischen den Ressorts, sondern
natürlich auch mit Verbänden und Experten ist deutlich
geworden, dass das Ausmaß, die Auswirkungen und die
Wirkungsbreite dieser Regelung nicht voll überschaubar
waren. Es hätte Bereiche betroffen, in denen man immer
jeweils neu hätte darüber nachdenken müssen, weil es ja
nicht begrenzt gewesen wäre. Ursprünglich war ja eine
sehr weite Regelung angedacht, die viele Bereiche betroffen hätte. Letztendlich hätten wir eine zu weit gehende Regelung gehabt. Da wir nicht wollten, dass es zu
weit geht, haben wir diese Regelung wieder herausgenommen und uns auf die vier Punkte, die jetzt enthalten
sind, konzentriert.
Ich glaube, dass es richtig ist, sich losgelöst von diesem Gesetzgebungsvorhaben einmal mit dieser Frage,
vor allem auch mit den Auswirkungen auf alle möglichen Berufe, intensiv zu befassen und eine konkretere
Einzelregelung hierfür zu finden. Deshalb haben wir es
hier wieder herausgenommen.
Herr von Notz, bitte.
Frau Ministerin, ich nehme noch einmal Bezug auf
die Höhe des Streitwertes. Wir sind uns in der Bestrebung - zumindest verbal, glaube ich - einig, die Zahl der
Abmahnungen wesentlich einzudämmen. Die Verbraucherschutzzentralen sagen, dass es in den letzten Jahren
4,3 Millionen Abmahnungen gegeben hat. Es stellt sich
also die Frage, wie man sie effektiv eindämmen kann.
Sie haben den Streitwert jetzt nicht bei 500 Euro, sondern bei 1 000 Euro gedeckelt. Ursprünglich hatten Sie
gesagt, dass Sie den sogenannten fliegenden Gerichtsstand vollständig abschaffen wollen. Das haben Sie gerade relativiert und verbrämt dargestellt, dass selbst der
sogenannte fliegende Gerichtsstand nicht abgeschafft
wird.
Warum sind Sie nicht an das eigentliche Problem, den
Drittauskunftsanspruch für nichtgeschäftlichen Verkehr,
herangegangen? In dem ursprünglichen Gesetzentwurf,
auf den heute mehrfach Bezug genommen wurde, war
nicht eigentlich vorgesehen gewesen, dass Menschen,
die nicht geschäftsmäßig im Netz unterwegs sind, überhaupt in der Form abgemahnt werden können und man
an deren Daten über die Provider so einfach herankommen kann. Warum haben Sie nicht den effektivsten Weg
gewählt und den Drittauskunftsanspruch gestrichen, damit nur diejenigen verfolgt werden können, die ein Geschäft betreiben bzw. mit Rechteverletzung Geld verdienen?
Der Auskunftsanspruch hinsichtlich des Rechteverletzers, was Dritte anbelangt, ist in § 101 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz geregelt. Sie wissen, dass das eine generelle
Vorgabe ist, die sich aus europäischer Gesetzgebung ergibt. Wir haben uns schon in der letzten Legislaturperiode, als die Gesetzesänderung zu §§ 97 a und 101
verabschiedet wurde, sehr intensiv über dieses neue
Institut des Anspruchs gegen Dritte unterhalten. Das ist
damals ins Gesetz aufgenommen worden.
Inzwischen gibt es zum § 101 auch höchstrichterliche
Rechtsprechung. Wir werden uns den § 101 einmal insgesamt - immer mit Blick darauf, was europarechtlich
überhaupt geht - anschauen. Es gibt dazu sehr viele Forderungen, auch solche in der Richtung, wie Sie sie aufstellen. Es gibt aber auch Forderungen, die in eine ganz
andere Richtung gehen, nämlich den Auskunftsanspruch
noch viel, viel weiter zu fassen, als es derzeit der Fall ist.
Sie haben in Ihrem Entwurf die Begriffe „geschäftlich“ und „gewerblich“ verwendet sowie die Anforderungen genannt. Das ist auch im Hinblick auf die europäische Vorgabe, um es vorsichtig zu sagen, nicht
unproblematisch. Deshalb haben wir bewusst den § 101
- mit ihm verbinden sich sehr viele Punkte und Forderungen in die eine wie in die andere Richtung - nicht geändert, sondern das System in Richtung auf eine Streitwertregelung umgestellt. Damit haben wir - so sehen
wir das - eine deutlich bessere Chance, Abmahnübertreibungen oder „Abzocke“ einzudämmen.
Frau Lay, bitte.
Ich möchte gerne noch einmal auf die Frage der Begrenzung der Inkassogebühren zu sprechen kommen.
Das ist ein Thema, welches die Öffentlichkeit bewegt;
denn es kommen immer noch Pressemeldungen, dass
eine 87-Jährige wegen 5 Cent nicht bezahlten Geldes
später Inkassogebühren in Höhe von 35 Euro zahlen
muss. Genau deshalb haben wir als Linke in unserem
Antrag gefordert, eine Begrenzung der Inkassogebühren
in der Form vorzunehmen, dass sie sich an der Hauptforderung zu orientieren haben. Deswegen verstehe ich,
ehrlich gesagt, nicht, warum das nicht im Gesetz geregelt werden soll, sondern nur in einer Verordnung. Vielleicht können Sie mir das erklären.
Können Sie mir außerdem erklären, warum es statt einer Orientierung an der Hauptforderung eine Gebührenpauschale geben soll? Mit einer Orientierung an der
Hauptforderung könnten diese Fantasiegebühren endlich
einmal begrenzt werden.
Wir wollen die Inkassoregelsätze in einer Verordnung
- ich glaube, da sind sie auch richtig aufgehoben - aufwandsbezogen und unter Berücksichtigung angemessener Gewinnanteile festlegen. Ich denke, es ist richtig,
diese Kriterien dort zugrunde zu legen. Wir wollen eine
realistische Kostenerstattungsregelung und nicht, dass
über Gebühr Forderungen gegenüber demjenigen erhoben werden, der eine Hauptforderung zu begleichen hat.
Damit wirken wir auch der heute bestehenden uneinheitlichen Praxis entgegen. Ich denke, es ist richtig, diese
Einzelheiten - da kann man nicht nur einen Satz oder einen Betrag hineinschreiben - in einer Verordnung entsprechend zu regeln.
Herr Kelber, bitte.
Frau Ministerin, Sie hatten auf die Frage der Kollegin
Crone hin geäußert, es sei den Verbraucherschutzverbänden fast ausschließlich um die schriftliche Bestätigung
von Gewinnspielverträgen gegangen. Ich darf das kurz
korrigieren. In der Stellungnahme vom Verbraucherzentrale Bundesverband zu Ihrem Entwurf heißt es wörtlich:
Das Erfordernis der Bestätigung muss generell gelten, nicht nur für Gewinnspieldienste.
Ich möchte auf den Kern zurückkommen. Pro Jahr
werden Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende
von Familien von spezialisierten Abmahnanwälten wegen kleiner, oft unabsichtlicher Urheberrechtsverstöße
- oft geht es um ein Bild, das verwendet wird - mit
Abmahnungen überzogen. Da Sie der Kollegin
Drobinski-Weiß geantwortet haben, dass Sie nicht wissen, wie hoch die Kosten sind, die einer spezialisierten
Abmahnkanzlei, die ja hochautomatisiert arbeitet, entstehen, frage ich Sie: Können Sie ausschließen, dass eine
Verringerung der Gewinne mit einer Erhöhung der Zahl
der Fälle einhergeht? Wie können Sie ausschließen, dass
die von Ihnen geplante Ausnahmeregelung, nach der unter bestimmten Umständen doch mehr Geld verlangt
werden kann, massenhaft Verwendung finden wird?
Zunächst einmal habe ich nicht gesagt, dass die Verbraucherverbände gefordert haben, nur bei Gewinnspieldiensteverträgen eine Bestätigungsregelung vorzusehen,
sondern ich habe darauf hingewiesen, dass uns gerade
dieser Fall immer wieder geschildert wurde. Unser Vorschlag zur Bestätigungsregelung liegt übrigens ganz auf
der Linie, die die damalige Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode entwickelt hat.
Mit einem Regelstreitwert von 1 000 Euro, der nach
den geltenden Regelsätzen Anwaltsgebühren in Höhe
von 155,30 Euro verursacht - wenn das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in Kraft ist, werden es 139 Euro
und ein paar Cent sein -, werden wir den Sachverhalten,
die Sie geschildert haben, gerecht. Unseren Überlegungen lag zugrunde, dass gerade junge Menschen, aber
auch ältere, die sich keine Gedanken machen und einfach ein oder zwei Titel herunterladen, erhebliche
Schwierigkeiten bekommen können. Sie sehen sich nicht
nur mit einem Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung konfrontiert, sondern auch mit finanziellen Forderungen, vor allem in Form von Anwaltsgebühren. Ich
denke, gerade diesem Problem werden wir mit der geplanten Regelung entgegentreten.
Im Vorfeld ist immer wieder kritisiert worden, dass
wir an dieses Thema überhaupt herangehen. Man hatte
sich ja mit dem geltenden § 97 a des Urheberrechtsgesetzes, mit dem man das Ziel verfolgt hat, hier für eine Eindämmung zu sorgen, gut eingerichtet; damit war man allerdings nicht auf der Erfolgsspur. Ich denke, mit der
vorgesehenen Umstellung wird uns das gelingen. Wir
können zwar nicht hellsehen und wissen nicht, wie sich
die Akteure verhalten werden. Aber ganz eindeutig
beseitigen wir die Anreize, hier entsprechend tätig zu
werden.
Natürlich gibt es auch sehr umfangreiche, schwerwiegende Urheberrechtsverletzungen. Dazu kann es schon
dadurch kommen, dass man einen Film ins Internet
stellt, bevor er in einer Premiere gezeigt worden ist; ich
glaube, jeder weiß, dass das nicht erlaubt ist. Es ist richtig, für einen solchen Einzelfall - es wird vielleicht nur
ein einziger Fall sein - eine Öffnungsklausel zur Verfügung zu haben, die es ermöglicht, einen höheren Betrag
zu fordern. Aber ich denke, die Masse der Fälle wird
durch die geplante Regelung erfasst.
Es gibt noch drei Fragen, die ich von der Zeit her
noch zulassen kann. - Zunächst Herr Schweickert, bitte.
Frau Präsidentin, vielen Dank. - Frau Ministerin, uns
liegt der Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vor. Es gibt zwar unseriöse Inkassofirmen, aber es gibt auch sehr viele seriöse Inkassofirmen, die außergerichtlich Forderungen für Unternehmen
oder Handwerksbetriebe eintreiben; das tun sie übrigens
für beide Seiten sehr kostengünstig. Meine Frage an Sie
lautet: Wird es seriösen Inkassofirmen in Zukunft weiterhin möglich sein, Forderungen kostengünstig außergerichtlich beizutreiben, oder wird dann besonders viel
Bürokratie anfallen?
Wir haben Informations- und Darlegungspflichten
vorgesehen. Die allermeisten Firmen, die das Inkassogeschäft seriös betreiben - es ist ein legales und legitimes
Anliegen, das zu machen -, geben in ihren Forderungsschreiben schon heute die Informationen bekannt, die
wir auch im Gesetz verlangen. Aber es gibt eben auch
Fälle, in denen ein Verbraucher ein Schreiben bekommt,
in dem die Hauptforderung nicht beziffert ist, in dem
nicht genannt ist, wer der Inhaber der Forderung ist, von
wann sie ist oder auf welchen Sachverhalt sie zurückzuführen ist. Wir wollen verlangen - auch im Interesse
der Nachprüfbarkeit durch den Verbraucher, also durch
denjenigen, der Geld bezahlen soll -, dass diese Informationen in einem Forderungsschreiben kundgetan werden. Dadurch wird Inkassofirmen, die Massenschreiben
herausschicken, natürlich ein Stück weit das Geschäft
erschwert bzw. vermasselt. Das ist ja auch unsere
Absicht. Für die Unternehmen, die seriös arbeiten - das
ist die überwältigende Mehrheit -, sind diese Anforderungen ja kein Problem.
Jetzt kommt Frau Drobinski-Weiß, und weil wir keine
sehr volle Fragestunde haben, würde ich noch Herrn
Thomae, Herrn Kelber und Frau Lay zulassen und dann
übergehen in die Fragestunde. - Frau Drobinski-Weiß.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, mir
ist nicht ganz klar, warum die Deckelung der Abmahngebühren beispielsweise für kleine Selbstständige nicht
gelten soll; da hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen.
Meinen Sie Urheberrechts- oder Wettbewerbsabmahnungen?
({0})
- Urheberrecht. - Wir befassen uns hier - und das ist
auch richtig - ausschließlich mit den privaten Nutzern,
dem Einzelnen, der natürlichen Person, die wegen
Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen abgemahnt
wird. Gerade private Nutzer geraten häufig in solche
Situationen; denn sie befassen sich nicht mit dem Urheberrecht, sie kennen es nicht.
Ein Gewerbetreibender muss sich mit diesen Dingen
befassen, er muss mit den normalen Regelungen umgehen können. Dazu gehört, sich zu erkundigen, wo das
Urheberrecht zu beachten ist.
Herr Thomae.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Minister, eine
Frage zum Inkassoteil des Gesetzes, und zwar zum
Kapitel Aufsicht über die Inkassounternehmen. Wäre es,
um bei den Inkassounternehmen die Spreu vom Weizen
zu trennen, nicht ein Ansatz, die Aufsicht effektiver zu
gestalten und sie vielleicht bei den Landgerichten zu
konzentrieren?
Wir haben uns bei den Aufsichtsregelungen an die
derzeitige Verteilung Bund/Länder gehalten. Es obliegt
den Ländern, das festzulegen. Wir wissen aus anderen
Gesetzgebungsvorhaben aus ganz anderem Zusammenhang: Wenn wir versuchen, den Ländern nähere Vorgaben zu machen, stößt das in den allermeisten Fällen nicht
auf breite Zustimmung. - Von daher belassen wir diesen
Punkt in der Kompetenz der Länder und ändern das materielle Recht, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem
Widerruf einer Registrierung.
Herr Kelber.
Frau Ministerin, ich würde gern noch einmal auf diese
Ausnahmeregelung zurückkommen, die Regelung, wann
die Begrenzung nicht gültig ist. Ich befürchte, dass diese
Ausnahmeregelung wieder zum Schlupfloch für die spezialisierten, industriell arbeitenden Abmahnkanzleien
wird.
Sie haben ein Beispiel dafür genannt, wo Sie die Ausnahmeregelung für notwendig halten. Wäre bei diesem
Beispiel tatsächlich eine Aufweichung notwendig? Beim
Inverkehrbringen eines noch nicht im Kino gezeigten
oder auf DVD veröffentlichten Films ist doch nicht die
Abmahngebühr das Entscheidende, sondern die Höhe
der zivilen Entschädigungszahlung. Warum soll ein
Rechtsanwalt dafür eine beliebig höhere Gebühr von einer Familie zum Beispiel eintreiben können?
Dieser Regelstreitwert bezieht sich nicht auf Schadensersatzforderungen, sondern auf Unterlassungs- und
Beseitigungsansprüche.
Im Zusammenhang mit der Begrenzung von Entwicklungen, die wir zu Recht übereinstimmend kritisieren,
wäre es, denke ich, nicht der richtige Maßstab, so vorzugehen. Deswegen beschränken wir es darauf.
({0})
Die Schadensersatzforderungen bleiben; sie werden
nicht eingeschränkt. Niemand denkt daran, zu sagen: „Es
gibt nie einen höheren Schadensersatz als …“ oder „Man
macht einen Regelschadensersatz“. Das ist unserem
Recht in dieser Form nicht bekannt. Wenn man da herangehen wollte, müsste man sich das gesamte Schadensersatzrecht vornehmen. Ich würde einmal sagen, das ist ein
Reformvorhaben für mindestens eine, wenn nicht mehr
Legislaturperioden.
({1})
Frau Lay.
Vielen Dank. - Frau Ministerin, ich möchte auch
noch einmal auf urheberrechtliche Massenabmahnungen
und die Ausnahmeregelungen, die hier vorgesehen sind,
zu sprechen kommen. Diese Ausnahmeregelungen sind
nicht zuletzt der Grund dafür, dass die Verbraucherzentralen sagen: Dieser Gesetzentwurf bringt eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Regelung, nämlich wenn formuliert wird, dass von dem Regelstreitwert
von 1 000 Euro dann eine Ausnahme gemacht werden
kann, wenn er nach den besonderen Umständen des
Einzelfalls unbillig ist. Die Verbraucherzentralen befürchten, dass der schützende Gebührendeckel dadurch
aufgeweicht wird, und fordern eine Streichung dieser
Ausnahmeregelung. Wie sehen Sie das?
Der Streitwert kann genauso nach unten gehen - bei
Forderungen, die so gering sind, dass der Regelstreitwert
von 1 000 Euro zu hoch ist -; auch das wird mit dieser
Möglichkeit eröffnet. Gegenüber der jetzigen Regelung
ist diese Änderung der Systematik in jedem Fall eine
deutliche Verbesserung, weil die bisherige Begrenzung
überhaupt nicht gegriffen hat. Dass manche mehr wollen
und darüber hinausgehen wollen, ist in der politischen
Diskussion normal. Ich denke aber, wir legen hier wirklich ein in sich sehr überzeugendes Verbraucherschutzpaket vor.
Damit sind wir am Ende der Befragung der Bundesregierung zur heutigen Kabinettssitzung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 17/12647 Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache
17/12647 in der üblichen Reihenfolge auf.
Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Dr. Tackmann, die
den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz betreffen, werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian
Schmidt bereit.
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Inge Höger auf:
Ist das Bundesministerium der Verteidigung bzw. die Bundeswehr direkt oder indirekt ({0}) an dem Projekt „SAGITTA - Open Innovation“ von Cassidian, der Rüstungssparte der Firma EADS,
beteiligt, und, wenn ja, in welcher Weise unterstützt sie die im
Rahmen dieses Projekts geplante Erstellung eines UAVDemonstrators und damit die Entwicklung einer Kampfdrohne?
Herr Schmidt, bitte.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Höger, Ihre Frage
beantworte ich wie folgt: Das Bundesministerium der
Verteidigung ist an dem Technologiedemonstrator
SAGITTA der Firma Cassidian ausschließlich indirekt
beteiligt, also nicht direkt. Die Universität der Bundeswehr München hat in Bezug auf dieses Projekt einen
Drittmittelauftrag der Firma Cassidian eingeworben.
Eine darüber hinausgehende Beteiligung der Bundeswehr findet nicht statt.
Mit dem Technologiedemonstrator sollen anhand
eines Nurflügelkonzeptes innovative Antriebs- und
Flugsteuerungskonzepte untersucht werden. Schon aus
dem Begriff SAGITTA - lateinisch für Pfeil - ergibt sich
ja, dass hier gerade dieses Spezifikum eines Nurflügelkonzeptes untersucht werden soll.
Darüber hinaus soll der wissenschaftliche Nachwuchs
an die Projektarbeit herangeführt und gefördert werden.
Frau Höger, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte schön.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt,
das Bundesministerium für Verteidigung gibt keine Gelder für die Forschung in Bezug auf dieses Projekt. Gibt
es Forschungsgelder aus dem Forschungsministerium?
Wenn es so ist: Wie sieht es mit Zivilklauseln an Universitäten aus - ich weiß nicht, ob die TU München eine
Zivilklausel hat -, wenn für ein militärisches Projekt
geforscht wird?
Frau Kollegin, bezüglich Ihrer Frage zu den Drittmitteln kann ich jetzt nur im Hinblick auf die Universität
der Bundeswehr München berichten. Die Frage, ob
andere Universitäten außerhalb der Zuständigkeit des
Bundesministeriums der Verteidigung oder andere
Forschungseinrichtungen hierfür auch Drittmittel eingeworben haben, kann ich Ihnen nicht beantworten. Die
Antwort auf diese Frage müsste ich, soweit sie die Bundesregierung betrifft, nachreichen.
Die Leistungen, die die Universität der Bundeswehr
München mit den Drittmitteln in diesem Projekt
erbringt, umfassen die Untersuchung von neuartigen
Flugführungs- und Missionsmanagementkonzepten und
beziehen sich auf die Schnittstelle Mensch/Maschine in
der Bodenkontrollstation zur intelligenten Führung, auf
die Missionssensorik und auf den Missionscomputer.
Frau Höger, Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte
sehr.
Herr Schmidt, wir haben hier ja schon eine Aktuelle
Stunde zur eventuellen Anschaffung von Kampfdrohnen
durch die Bundeswehr gehabt. Ist bei dieser Forschung
an Tarnkappendrohnen die Priorisierung vorweggenommen, dass man diese Drohnen später anschaffen möchte?
Das kann ich ausschließen. Eine Priorisierung im
Sinne einer Beschaffung oder einer Beteiligung an einem entsprechenden Projekt für UAV, dem englischen
Begriff für unbemanntes Fluggerät - Unmanned Aerial
Vehicle -, und einer entsprechenden Nutzung in einem
nationalen oder perspektivisch wohl eher europäischen
Projekt ist damit nicht verbunden. Das bewegt sich hier
im Rahmen der allgemeinen Forschung und Forschungsunterstützung - natürlich auch in Bezug auf die Wehrtechnik -, die die Universität der Bundeswehr München
unterstützt. Eine Auswahl oder Entscheidung ist hiermit
nicht verbunden.
Die Frage 4 der Kollegin Katja Keul wird schriftlich
beantwortet.
Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Ekin Deligöz auf:
Haben Erkenntnisse aus der von der Bundesregierung veranlassten Evaluation der Familienleistungen zu der öffentlich
erklärten Absicht beigetragen, ein Familiensplitting einzuführen, und, wenn ja, welche Untersuchungsergebnisse genau
wurden hierzu herangezogen?
Herr Staatssekretär.
Die Frage, inwieweit in der politischen Debatte über
Familiensplitting die Evaluation der Familienleistungen
eine Rolle spielt, kann ich so beantworten, dass sie keine
Rolle spielt. Die Debatte über Familiensplitting, die gegenwärtig geführt wird, ist eine politische Debatte darüber, wie man künftig Familienleistungen meint gestalten zu sollen. Bei der Gesamtevaluation dieses Projektes,
das vom Familienministerium und vom Finanzministerium in Auftrag gegeben worden ist, spielt das keine
Rolle.
Sie kennen, Frau Deligöz, die elf Module, die fertiggestellt und zu einem großen Teil schon veröffentlicht
worden sind. Das sind Versuche, Sachzusammenhänge
herzustellen. Das ist, wenn Sie so wollen, ein umfängliches, letztlich wissenschaftlich abgesichertes Projekt.
Aber dabei spielt die aktuelle Diskussion über Familiensplitting keine Rolle.
Frau Deligöz, eine Nachfrage? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, dass in Ihrem Hause
derzeit ein Modell des Familiensplittings überprüft
wird?
Das trifft nicht zu. Es gibt in unserem Hause natürlich
Diskussionen, in denen man versucht, die politische Debatte, die in der Öffentlichkeit geführt wird, dahin gehend zu überprüfen, wie man damit umzugehen hat und
mit welchen Zahlengerüsten diese Modelle verbunden
sein könnten. Es gibt aber kein Konzept in irgendeiner
Form. So weit ist die Debatte bislang nicht gediehen.
Eine zweite Nachfrage? - Bitte schön.
Danke. - Das heißt, in dieser Wahlperiode werden wir
mit der Einbringung eines solchen Modells nicht mehr
rechnen können?
Das kann ich allein nicht beantworten. Das wird letztlich von der Koalition entschieden. Ich gehe nicht davon
aus.
Eine Nachfrage von Frau Dörner.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Ihre Antwort verwundert ein bisschen vor dem Hintergrund, dass wir den
Medien entnehmen durften, dass Frau Dr. Schröder und
auch Frau von der Leyen noch vor der Sommerpause mit
dem Finanzminister über konkrete Modelle ins Gespräch
kommen wollen.
Meine Frage lautet, ob Sie uns etwas zu den finanziellen Planungen sagen können. Was würde ein Familiensplitting eventuell kosten? Wie würde sich das beispielsweise auf Familien mit einem, zwei oder drei Kindern
auswirken? Inwiefern würden sie gegenüber dem heutigen Modell überhaupt profitieren?
Ich kann Ihnen dazu nichts sagen, weil es zunächst
einmal grundsätzliche Debatten gibt. Die Kosten hängen
von den Rahmenbedingungen eines möglichen Modells
ab. Dazu kann man sich erst dann einlassen, wenn man
einmal verschiedene Varianten durchgerechnet hat. Dass
die entsprechenden Überlegungen - diese hat es immer
schon gegeben - wieder intensiver geworden sind, ist,
glaube ich, nachvollziehbar. Es wäre völlig unangemessen, zum jetzigen Zeitpunkt einzelne Zahlen zu nennen,
zumal mir auch keine Zahlen vorliegen.
Was ehe- und familienbezogene Leistungen angeht
und was der Staat für diesen großen Komplex aufwendet, das wissen Sie. Es gibt in den verschiedenen Parteien unterschiedliche Überlegungen, wie man mit diesen Leistungen umgehen soll. Das ist bis jetzt nicht so
konkret, dass man da Zahlen nennen könnte.
Damit sind wir bei Frage 6, wiederum von der Kollegin Ekin Deligöz:
Warum agiert die Bundesregierung gegen gesetzliche
Quoten und die entsprechende EU-Richtlinie, obwohl Einigkeit darüber besteht, dass mehr Frauen in Aufsichtsräten gebraucht werden, und Erfahrungen der europäischen Nachbarn
zeigen, dass Quotengesetze diesen Prozess beschleunigen?
Frau Kollegin Deligöz, es geht nicht nur um die Einführung einer Frauenquote, sondern es geht um eine EURichtlinie, die von der EU-Kommission zur Diskussion
gestellt worden ist. Dabei hat die Bundesregierung Posi28330
tion bezogen. Sie hat gesagt, dass man über die rechtliche Basis reden muss, weil die entsprechenden Regelungen jedes Mitgliedsland betreffen können. Die EUKommission ist dafür nicht zuständig, und zwar auch
deshalb nicht, weil die Ausgangssituation in den Ländern völlig unterschiedlich ist.
In Bezug auf eine starre Quote sagen wir: Das wird
der völlig unterschiedlichen Situation in den einzelnen
Wirtschaftsbereichen nicht gerecht. - Das ist der Grund,
weshalb sich die Bundesregierung gegen diese EURichtlinie ausgesprochen hat.
Frau Deligöz, eine Nachfrage? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, nur damit es klar wird: Hat sich
die Bundesregierung gegen die Quote geäußert oder gegen das Verfahren, dass die EU eine Regelung machen
will?
Die Bundesregierung hat sich gegen das Verfahren
geäußert. Sie hat rechtliche Bedenken in Bezug darauf,
dass die EU dafür überhaupt zuständig ist, geäußert und
den Subsidiaritätsgesichtspunkt betont, indem sie sagt:
Das ist Aufgabe der einzelnen Länder.
Sie wissen aber auch, dass es inhaltliche Positionen
innerhalb der Bundesregierung gibt. Dort gibt es Bedenken gegen eine starre Quote.
Aber das ist hier nicht Gegenstand gewesen. Es ging
darum, ob die Länder dieser EU-Richtlinie zustimmen.
Frau Deligöz, Sie haben eine zweite Nachfrage? Bitte schön.
Wenn ich das richtig verstehe, haben Sie erst einmal
gegen das Verfahren gestimmt und noch nicht per se gegen eine wie auch immer geartete Quote. Gestern hat die
Ministerin wieder für die Flexi-Quote als das favorisierte
Modell argumentiert. Können wir demnach davon ausgehen, dass das Engagement des Ministeriums und der
Frau Ministerin in Form eines konkreten Vorschlags irgendwann einmal auch den Bundestag erreicht?
Davon können Sie ausgehen. Sie sind lange genug dabei und wissen, dass es in den letzten Legislaturperioden
schon viele Bundesregierungen gegeben hat, die sich mit
dieser Frage beschäftigt haben. Bislang hat es keine gesetzliche Regelung gegeben. Sie ist auch sehr kompliziert, unter anderem aus Gründen, die ich eben genannt
habe. Aber irgendwann wird es sicherlich eine Regelung
geben, mit der auch Antworten auf die Fragen gegeben
werden, die in diesem Zusammenhang gestellt werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Die Frage 7 der Kollegin Dr. Martina Bunge wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke zur Verfügung.
Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Gustav Herzog werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu Frage 10 der Kollegin Dr. Valerie
Wilms:
Aus welchen Gründen wurden am 6. März 2013 die
Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel gesperrt,
obwohl die Mittel zur Sanierung der Schleusen seit Anfang
2012 zur Verfügung stehen und der symbolische Spatenstich
mit dem Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, bereits am 17. April 2012 erfolgte
({0}), und
ab wann kann der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, den reibungslosen Verkehr
auf dem Nord-Ostsee-Kanal wieder garantieren?
Frau Präsidentin! Frau Dr. Wilms, die Antwort auf
Ihre Frage lautet: Der gleichzeitige Ausfall beider großer
Schleusenkammern am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel über mehrere Tage ist bedauerlich. Die aktuellen
Sperrungen sind allerdings unvermeidlich, um gravierende Schäden an den Antrieben der Schleusentore zu
vermeiden, die zu einem wesentlich längeren Ausfall der
Kammern führen würden.
Das Wasser- und Schifffahrtsamt Brunsbüttel arbeitet
mit aller Kraft an der Beseitigung der Schäden. Als Erstes wird schnellstmöglich eine große Kammer durch einen Torwechsel wieder funktionsfähig gemacht. Mit
einer Wiederinbetriebnahme einer der großen Schleusenkammern ist voraussichtlich Ende der zwölften Kalenderwoche zu rechnen.
Die von Ihnen angesprochenen Mittel zur Sanierung
der Brunsbütteler Schleusen aus dem Haushalt 2012
betreffen das Infrastrukturbeschleunigungsprogramm I,
mit dem es gelang, zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 300 Millionen Euro ausschließlich für den Bau der
fünften Schleusenkammer am Nord-Ostsee-Kanal in
Brunsbüttel bereitzustellen.
Der vorlaufende Neubau einer dritten großen
Schleuse, also dieser fünften Kammer, in Brunsbüttel ist
die Voraussetzung, um bei der anschließend geplanten
erforderlichen mehrjährigen Grundinstandsetzung der
vorhandenen rund 100 Jahre alten großen Schleusen erhebliche Einschränkungen für den Schiffsverkehr zu
vermeiden.
Die Notwendigkeit einer Sanierung der beiden vorhandenen großen Kammern nach der Fertigstellung der
fünften Kammer ist unstrittig. Bis dahin werden die vorhandenen Schleusen betriebsbereit gehalten, was planmäßige Sperrungen für Wartungen und Instandsetzung
einzelner Kammern mit einschließt. Wegen des Alters
der Anlagen und der Anfälligkeit der veralteten Technik,
insbesondere der Laufapparatur der Schleusentore, kann
dabei ein zeitweiliger gleichzeitiger Ausfall beider großer Kammern nicht definitiv ausgeschlossen werden.
Kurzfristig notwendige Reparaturarbeiten zum Erhalt
der Leistungsfähigkeit des Nord-Ostsee-Kanals und seiner Schleusenanlagen haben grundsätzlich absolute Priorität, und sie werden von den verantwortlichen Wasserund Schifffahrtsämtern Brunsbüttel und Kiel schnellstmöglich und unter Minimierung der Beeinträchtigung
der Schifffahrt durchgeführt.
Frau Wilms, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön.
Danke, Herr Staatssekretär Mücke. Das war eine erstaunlich ausführliche Antwort. Vielen Dank dafür.
Ich habe eine Nachfrage zu der gesamten Situation,
die wir dort haben. Die Tore rutschen auf Holzkufen herum, die die kaiserlichen Ingenieure vorgesehen haben,
wobei abzusehen war, dass das Holz irgendwann verschlissen ist. Inwieweit ist dies auf den Investitionsstau
bzw. die jahrelange Vernachlässigung der Infrastruktur
des Nord-Ostsee-Kanals zurückzuführen? In den 80erJahren sind die Schleusen in Kiel gemacht worden. Aber
danach ist am Kanal nichts mehr gemacht worden. Inwieweit ist die ganze Situation auf einen Investitionsstau
zurückzuführen?
Dass die Verkehrsinfrastruktur generell unter großem
finanziellen Druck steht, ist keine Überraschung. Ich
gebe Ihnen recht, dass hier einige Bundesregierungen
vor uns - Sie werden sicherlich zugeben, dass eine
Schleusenreparatur nicht aus Gründen vorgenommen
werden muss, die in den letzten drei Jahren entstanden
sind, sondern aus Gründen, die schon älteren Datums
sind, um es sehr freundlich auszudrücken - die zu geringe Mittelausstattung zu verantworten haben; das ist
evident.
Ich will dennoch darauf hinweisen, dass wir die Reparaturen an den beiden großen Kammern in Brunsbüttel
schon länger vornehmen. Sie konnten bedauerlicherweise 2012 nicht vollständig abgeschlossen werden. So
hat es beispielsweise bei der Ertüchtigung der kanalseitigen Torbahn der großen Südkammer aufgrund der
schwierigen Untergrundverhältnisse einige Verzögerungen gegeben. Das alles ist sehr zeitaufwendig. Hinzu
kommt, dass die schon im Jahr 2012 angelaufenen Unterwasserbetonierarbeiten nun wegen der zu niedrigen
Wassertemperaturen - wie Sie sehen, ist der Winter zurückgekehrt, und das verzögert auch diese Reparaturarbeiten - unterbrochen werden mussten.
In der Zwischenzeit wurde aber die Südkammer wieder provisorisch auf Holzkufen in Betrieb genommen.
Es ist unser Ziel, die Schleuse in Brunsbüttel möglichst
schnell wieder für den Alltagsbetrieb nutzbar zu machen. Wir stimmen sicher darin überein, dass wir mit
dem Bau der fünften Kammer so schnell wie möglich
beginnen müssen bzw. die laufenden Arbeiten fortsetzen
müssen, damit eine Grundinstandsetzung der vorhandenen Kammern in Brunsbüttel stattfinden kann, wenn die
neue Kammer in Betrieb gegangen ist.
Frau Wilms, Sie haben eine weitere Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es ist sehr schön, zu
hören, dass Sie möglichst schnell mit der fünften
Kammer weitermachen wollen. Nichtsdestotrotz ist unklar, inwieweit die Ausschreibungen nun in Gang gesetzt
werden. Deshalb lautet meine ergänzende Frage: Wie
vereinbart die Leitung des Hauses, also Ihres Ministeriums, des BMVBS, dass einerseits eine Mitgliedschaft
im neu gegründeten Arbeitskreis „Aktionsbündnis NordOstsee-Kanal“ - wenn man nicht weiter weiß, gründet
man einen Arbeitskreis - angekündigt wird und dass andererseits die für eine Instandhaltung notwendigen Mittel nicht aufgebracht werden? Das zeigt sich gerade an
der Ausschreibung für die fünfte Schleusenkammer, die
noch immer nicht vorgenommen wurde. Diese europaweite Ausschreibung scheint in Ihrem Haus liegen geblieben zu sein und ist noch nicht an diejenigen gegangen, die sie wirklich brauchen.
Frau Kollegin, da möchte ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Ich schätze Sie sehr, wie Sie wissen, aber in
diesem Fall sind Sie, glaube ich, falsch informiert. Die
Verzögerung der Ausschreibung liegt ausschließlich an
einem Vergabenachprüfungsverfahren. Aufgrund dieses
Verfahrens vor der Vergabekammer bei der Teilmaßnahme „Verlängerung der Mole 2“, in dem die Vergabeentscheidung der Verwaltung bestätigt wurde, konnten
die für 2012 vorgesehenen Mittel nicht abfließen. Die
Ausschreibung hat sich deshalb seit der Planung vom
Frühjahr 2012 um mehrere Monate verzögert. Die Ausschreibungsunterlagen für die Vergabe der Hauptbaumaßnahmen des Schleusenbaus in Brunsbüttel sind jetzt
fertiggestellt. Sie können also davon ausgehen, dass es
hier in Kürze weitergeht.
Vielen Dank.
Wir kommen nun zu Frage 11, ebenfalls von der Kollegin Dr. Valerie Wilms:
Warum hat die Bundesregierung sich für den mindestens
2 Milliarden Euro teureren Weiterbau von Stuttgart 21 ausgesprochen, wenn damit nach Aussage von Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer gegenüber der Bild-Zeitung vom
7. März 2013 das Risiko von Fahrpreiserhöhungen verbunden
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
ist, und inwiefern kann die Bundesregierung die Rechnung
von Professor Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin bestätigen, wonach die Deutsche
Bahn AG die Preise um 3 Prozent erhöhen muss, um die
Mehrkosten von Stuttgart 21 zu finanzieren ({0})?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Dr. Wilms, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Bei Stuttgart 21 handelt es
sich nicht um ein Verkehrsprojekt des Bundes.
({0})
- Lassen Sie mich einfach ausreden. Ich erkläre es Ihnen
gern. - Das Projekt ist nicht Teil des Bedarfsplans für die
Schienenwege des Bundes. Stuttgart 21 ist ein Projekt
der Projektpartner Deutsche Bahn AG, Land BadenWürttemberg, Stadt Stuttgart, Verband Region Stuttgart
und Flughafen Stuttgart GmbH.
Nicht die Bundesregierung, sondern der Aufsichtsrat
der Deutschen Bahn AG hat dem Vorschlag des Vorstands zugestimmt, den Finanzrahmen für Stuttgart 21
um 2 Milliarden Euro von 4,526 Milliarden Euro auf
6,526 Milliarden Euro zu erhöhen. Aus Sicht des Aufsichtsrats hat der Vorstand plausibel dargelegt und in kritischen Diskussionen bestätigt, dass die Fortführung des
Projektes für die Deutsche Bahn AG wirtschaftlich vorteilhafter ist als ein Abbruch des Projektes.
Die von Ihnen in Ihrer Frage angesprochene Rechnung von Herrn Professor Dr. Christian Böttger liegt
dem Bund nicht vor. Die Fahrpreisgestaltung im Schienenpersonenfernverkehr ist, wie Sie wissen, grundsätzlich Sache der Eisenbahnverkehrsunternehmen.
Frau Wilms, Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
Zu der Antwort habe ich natürlich Nachfragen. - Eine
Bemerkung vorab, Herr Mücke, kann ich mir aufgrund
Ihrer Ausführungen doch nicht verkneifen. Es ist schon
erstaunlich, wie Sie die ganze Situation auch mit Blick
auf den Aufsichtsrat darstellen. Wir alle wissen doch,
dass bei dem Projekt eine negative Eigenkapitalrendite
herauskommt. Jedes andere solide Unternehmen würde
an der Stelle nicht mehr weitermachen.
Jetzt aber zur Nachfrage: Inwieweit ist eine Quersubventionierung der Finanzierung von Eisenbahninfrastruktur durch Einnahmen aus höheren Fahrpreisen
- meine Frage bezog sich schließlich ursprünglich auf
die höheren Fahrpreise - mit geltendem Europarecht
vereinbar?
Eine Quersubventionierung wäre nicht vereinbar, aber
eine solche findet hier auch nicht statt. Kostensteigerungen, die im Rahmen des Projekts entstehen, sind von den
Projektpartnern zu stemmen. Kostensteigerungen, die
Bundesschienenwege betreffen, müssen natürlich vom
Bund finanziert werden. Sie wissen sicherlich, dass die
Kostensteigerungen andere Ursachen als die Bundesschienenwege haben. Beispielsweise sind durch den Filder-Dialog Mehrkosten entstanden.
Es steht mir nicht zu, die Entscheidung des Aufsichtsrats zu bewerten. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn
AG musste eine Entscheidung treffen, wie er mit diesen
Mehrausgaben umgeht. Wie Sie wissen, hat er diese Bewertung in der letzten Woche vorgenommen und eine
Entscheidung getroffen.
Jetzt gibt es noch eine zweite Nachfrage von Frau
Wilms.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Das Thema ist
einfach zu griffig. - Was Sie eben gesagt haben, ist wirklich erstaunlich. Ein Bahnhof zählt für Sie anscheinend
nicht zur Eisenbahninfrastruktur, und eine Quersubventionierung durch Fahrpreiserhöhungen - das haben Sie
gesagt - schließen Sie aus.
Nun zu meiner Nachfrage: Es gibt noch andere Projekte, die sich mit Eisenbahninfrastruktur beschäftigen,
und hier denke ich beispielsweise an Projekte, an denen
die Deutsche Bahn AG mit einem Eigenmitteleinsatz beteiligt ist, oder Projekte aus dem Bedarfsplan. Inwieweit
liegen der Bundesregierung Hinweise darauf vor, dass
der höhere Eigenmitteleinsatz der Deutschen Bahn AG
für Stuttgart 21 zur zeitlichen Verschiebung der Realisierung des Offenburger Tunnels oder anderer Projekte der
DB AG führen könnte? Denn gerade der Offenburger
Tunnel ist - das wissen Sie - aus Lärmschutzgründen
sehr wichtig.
Es gibt, wie Sie wissen, keinen Zusammenhang zwischen diesen Projekten. Deshalb trifft Ihre Vermutung
nicht zu, dass es deshalb zu irgendwelchen Verzögerungen kommt. Ausschlaggebend ist, dass es ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG ist. Der
entscheidende Punkt besteht darin, dass der Bund zum
einen kein Projektpartner ist und dass es sich zum anderen nicht um ein Bedarfsplanprojekt des Bundes handelt.
Insofern ist Ihre Frage schon beantwortet.
Damit sind wir bei weiteren Nachfragen, und ich erteile zunächst der Kollegin Hänsel das Wort.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, auch
ich möchte einmal nachfragen. Ich gehe wohl recht in
der Annahme, dass die Deutsche Bahn AG zu 100 Prozent ein Unternehmen des Bundes ist und dass auch Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat sitzen. Das
heißt, die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat
müssen doch zugestimmt haben, dass weitergebaut wird.
Meine Fragen lauten: Wie bewertet es die Bundesregierung, dass Vertreter der Bundesregierung einem Weiterbau zugestimmt haben? Was sind die Gründe? Was hat
die Vertreter der Bundesregierung bewogen, für einen
Weiterbau zu stimmen, obwohl die Finanzierung der zusätzlichen Kosten in Höhe von 2 Milliarden Euro jetzt
völlig offen ist?
Über die Aufsichtsratssitzungen darf grundsätzlich
nicht berichtet werden. Sie kennen das Aktienrecht. Die
Sitzungen des Aufsichtsrats sind vertraulich. Aus diesem
Grund kann ich Ihnen dazu keine Auskunft erteilen. Wir
haben uns damals entschieden, dass die Deutsche Bahn
eine Aktiengesellschaft sein soll. Deshalb gelten hier die
aktienrechtlichen Regelungen. Ich kann Ihnen aus diesem Grund zu diesem Thema hier keine Auskunft erteilen; das wäre eine Verletzung dieser Vertraulichkeitsgrundsätze.
Jetzt hat die Kollegin Höhn eine Nachfrage.
Der Bundesrechnungshof arbeitet momentan an einem Sondergutachten zu Stuttgart 21. Wenn man das abgewartet hätte, hätte man ein unabhängiges Gutachten
und eine Bewertung darüber, wie die Kostenentwicklung
ist. Warum hat der Bund nicht abgewartet, bis dieses
Gutachten vorliegt, sondern darauf gedrängt, dass die
Entscheidung über die Erhöhung dieses Finanzrahmens
schon jetzt getroffen wurde? Warum wurde die Veröffentlichung der Daten, die jetzt gerade erhoben und zusammengestellt werden - sie geben Auskunft darüber,
welche Kosten überhaupt noch auf den Bund zukommen, und sie wären damit eine wichtige Grundlage für
die Entscheidung -, nicht abgewartet?
Frau Kollegin Höhn, Ihrer Frage liegt eine falsche
Annahme zugrunde. Sie haben unterstellt, dass der Bund
darauf gedrängt habe, eine solche Entscheidung zu treffen. Das ist nicht der Fall. Der Aufsichtsrat entscheidet
aufgrund von Vorlagen des Vorstandes der Deutschen
Bahn AG. Zur Vertraulichkeit und zur Entscheidungsfindung in Aufsichtsräten habe ich schon Ausführungen gemacht.
Herr Ebner, bitte.
Danke schön. - Herr Staatssekretär, wir haben heute
schon Interessantes bezüglich dieser Mehrkosten in
Höhe von 2 Milliarden Euro, über die wir gerade diskutieren, gelernt, vor allem, dass die Bundesregierung und
wohl auch die Bahn ein neues Geschäftsmodell erfunden
haben, nämlich neues Geld ganz einfach durch einen
langsameren Schuldenabbau zu generieren. Wenn dadurch tatsächlich keine neuen Zins- und Tilgungskosten
anfallen - das soll mir aber erst einmal jemand beweisen -, dann wäre das ein schönes haushaltspolitisches
Perpetuum mobile. Für diese Vorlage wäre sicher auch
Finanzminister Schäuble dankbar.
Ich möchte das Augenmerk kurz auf die restlichen
Mehrkosten in Höhe von 0,3 Milliarden Euro lenken,
über die noch nicht gesprochen wurde, nämlich die für
die Schlichtung und den Filder-Dialog. Teilt denn die
Bundesregierung die Meinung der Deutschen Bahn, dass
etwaige Mehrkosten aus dieser Schlichtung und dem Filder-Dialog allein von den Projektpartnern zu tragen sind,
obwohl diese Verbesserungen offenkundige Planungsund Verfahrensfehler der Deutschen Bahn betreffen und
zum Beispiel der Antragsbahnhof am Flughafen möglicherweise gar nicht genehmigungsfähig ist? Wenn ja,
aus welchen Gründen?
Wir gehen davon aus, dass die Partner dieses Projekts
ihren Anteil erbringen werden, um gemeinsam die vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen. Sie wissen, dass
aus dem Schlichtungsverfahren Lösungen entstanden
sind, die zusätzliche Kosten verursachen. Diese zusätzlichen Kosten müssen durch die Projektpartner getragen
werden. Ich wiederhole: Es handelt sich bei Stuttgart 21
nicht um ein Bedarfsplanprojekt des Bundes, sondern
um ein Projekt dieser Projektpartner. Wir haben den Anteil des Bundes - dazu kann ich Ihnen Auskunft erteilen auf 563,8 Millionen Euro inklusive der TEN-Fördermittel in Form eines Festbetrags gedeckelt. Das ist unser
Beitrag dazu. Alle anderen Beiträge sind durch die Projektpartner zu erbringen. Deshalb bin ich für Ihre Frage
der falsche Adressat.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Kotting-Uhl.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Ihre letzte Annahme könnte durchaus falsch sein; denn es steht im
Raum, dass die Projektpartner nicht willens sein werden,
die Mehrkosten zu tragen.
Sie haben vorhin gesagt, es gebe keine Fahrpreiserhöhungen. - Dann haben wir Sie hier falsch verstanden.
Wahrscheinlich, ja.
Auf alle Fälle gehe ich davon aus, dass das Wort des
Ministers zählt. Er hat sich in der Bild-Zeitung so geäußert, dass die Mehrkosten von 2 Milliarden Euro
durchaus mit dem Risiko von Fahrpreiserhöhungen verbunden sein könnten.
Ich möchte jetzt gerne von Ihnen wissen - ich schicke
voraus, hier geht es nicht um eine Auskunft über die
Aufsichtsratssitzung, sondern um eine Auskunft über die
Voraussetzung zu dieser Sitzung; diese Auskunft musste
vom Bundesverkehrsministerium gegeben werden -, ob
die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat Kenntnis über
das Risiko der Fahrpreiserhöhung hatten. Wenn ja, warum haben sie dann trotzdem der Erhöhung des Finanzrahmens um 2 Milliarden Euro zugestimmt?
Frau Kollegin, ich habe es vorhin eigentlich sehr
deutlich ausgeführt, aber ich wiederhole es gerne
({0})
- ich befürchte, Sie kommen nicht drum herum; ich
muss es wiederholen, damit das System klar ist -: Nicht
die Bundesregierung entscheidet darüber, ob ein Eisenbahnverkehrsunternehmen Fahrpreise absenkt oder erhöht oder beibehält,
({1})
sondern das ist eine ausschließliche Entscheidung des jeweiligen Unternehmens im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung seines Zustandes.
Herr Minister Dr. Ramsauer hat auf ein Risiko hingewiesen, das eintreten kann - möglicherweise nicht eintreten wird -, wenn sich einer oder zwei oder drei der
Projektpartner aus einem solchen gemeinsamen Projekt
verabschieden. Aus diesem Grund hat der Aufsichtsrat
der Deutschen Bahn AG, wie ich allen öffentlichen Verlautbarungen entnehmen konnte, entschieden, dass der
Vorstand der Deutschen Bahn AG die anderen Projektpartner notfalls verklagen wird, falls diese eine Kostenbeteiligung verweigern. Ich gehe deshalb davon aus,
dass alle Projektpartner vernünftig genug sind, dieses
Projekt voranzubringen.
({2})
- Ich habe Ihnen Ihre Frage gerade beantwortet:
({3})
Das ist ausschließlich eine Entscheidung des jeweiligen
Eisenbahnverkehrsunternehmens.
({4})
Der Aufsichtsrat kann sich dieser Entscheidung dann
widmen, wenn der Vorstand der Deutschen Bahn AG
eine Fahrpreiserhöhung vorschlagen sollte.
Frau Höger.
Vielen Dank. - Ich habe eine Nachfrage zu den ständigen Kostensteigerungen beim Projekt Stuttgart 21.
Kritische Begleiter dieses Projekts haben ja schon immer
davon gesprochen, dass eine Kostensteigerung zu erwarten ist. Bis vor einem Jahr wurde von der Bundesregierung immer behauptet: Nein, es bleibt alles im Rahmen;
es bleibt bei den 4,5 Milliarden Euro, und mehr ist man
auch nicht bereit zu zahlen. - Jetzt werden 2 Milliarden
Euro zusätzliche Kosten, also fast 50 Prozent mehr,
draufgesattelt, und Sie sagen immer noch: Es ist nicht
unser Problem; wir haben nichts damit zu tun.
Frau Merkel hat das Projekt Stuttgart 21 immerhin
einmal zur Chefsache gemacht. - Ich sehe, Herr Staatssekretär Kampeter, der ja für den Haushalt zuständig ist,
lacht gerade. - Angesichts der Mehrkosten in Höhe von
2 Milliarden Euro, die, auch wenn sie nicht direkt aus
dem Bundeshaushalt stammen, mal eben nachgeschossen werden, wo doch ansonsten an allen Ecken und Kanten gespart wird, hätte man schon erwarten können, dass
vor der endgültigen Beschlussfassung genauer hingeschaut und nachgerechnet wird oder dass man auf das
Bundesrechnungshofgutachten wartet. Wie stehen Sie
dazu?
Kostensteigerungen bei solch großen Bauprojekten
sind ärgerlich, aber nicht immer vermeidbar. Es gibt einige Projekte, gerade im Bereich des Bundesbaus, die im
Kostenrahmen bleiben. Dies gilt nach allem, was wir
wissen, beispielsweise für den Neubau des BMBF hier
um die Ecke. Er wird höchstwahrscheinlich, weil er als
ein ÖPP-Projekt ausgeführt wird, im Kostenrahmen bleiben.
Ich kann zwar Ihren Ärger über Steigerungen von
Kosten bei großen Bauprojekten nachvollziehen. Aber
ich würde Sie bitten, den Projektpartnern die Frage zu
stellen, warum diese Kostensteigerungen entstehen. Wir
ärgern uns ebenfalls darüber. Aber im Hinblick auf den
Anteil, den der Bund zu finanzieren hat, der also aus
dem Bundeshaushalt geleistet werden muss, habe ich Ihnen vorhin klar die Finanzierungssituation dargestellt:
Wir haben einen Festbetrag zugesagt, der bei etwas über
563 Millionen Euro liegt, und bei diesem Betrag bleibt
es.
Die nächste Nachfrage hat die Kollegin Behm.
Es ist schon interessant, zu sehen, welche Aussagen
es gibt. Sie sagen: Bei dem Festbetrag bleibt es. - GleiCornelia Behm
chermaßen steht die Aussage von Minister Ramsauer im
Raum, dass dann, wenn die Klagen gegen das Land Baden-Württemberg scheitern, mit Fahrpreiserhöhungen zu
rechnen ist. Damit rechnen Sie nicht, aber es ist ja durchaus denkbar, dass das passiert; denn irgendwoher muss
das Geld ja kommen.
({0})
Ich finde, das ist eine politische Frage. Wenn die Bundesregierung Verkehr von der Straße auf die Schiene
bringen will - dieses Parlament will das mit Sicherheit -,
dann sind Fahrpreiserhöhungen absolut kontraproduktiv.
Das heißt, diese Regierung muss alles daransetzen, dass
es nicht zu Fahrpreiserhöhungen kommt.
Deswegen frage ich: Gibt es neben den Überlegungen
und Äußerungen des Ministers zu Fahrpreiserhöhungen
für den Fall, dass die Klagen scheitern, in der Bundesregierung auch Überlegungen - zumindest Überlegungen! -, den Bundesanteil an der Finanzierung der Kosten
zu erhöhen, um Fahrpreiserhöhungen eben zu vermeiden?
Ich habe deutlich gesagt: Wir finanzieren einen Festbetrag für die Infrastruktur, für die der Bund verantwortlich ist. Für Mehrkosten, die aus einem verbundenen
Projekt der Projektpartner bei Stuttgart 21 entstehen,
wird der Bund nicht aufkommen. Es sind die Projektpartner, die gefragt sind, und das sind die Deutsche Bahn
AG, die Stadt Stuttgart usw.; ich habe vorhin alle Partner
aufgezählt. Die Projektpartner sind aufgerufen, dieses
Projekt umzusetzen.
Wenn einer der Projektpartner aussteigt oder meint,
dass er sich an gestiegenen Kosten nicht beteiligen muss,
dann ist es Sache der Projektpartner, sich damit auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund hat der Aufsichtsrat
der Deutschen Bahn AG entschieden, den Vorstand zu
beauftragen, für den Fall, dass die Projektpartner nicht
anteilig mitfinanzieren, Klage einzureichen. Die Bundesregierung wird mit Interesse beobachten, wie es weitergeht. Wir sind nicht diejenigen, die an diesem Prozess
beteiligt sind.
Entscheidend ist auch, dass eine Fahrpreiserhöhung,
wie überhaupt die gesamte Fahrpreisgestaltung, Sache
des jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmens ist. Es
gibt einige solcher Unternehmen in Deutschland. Sie alle
bestimmen ihre Preise selber, so auch die Deutsche Bahn
AG. Das ist keine Entscheidung, die der Deutsche Bundestag oder die Bundesregierung trifft. Das ist im Übrigen auch unser gemeinsamer Wille gewesen. Als die
Bahnreform im Jahr 1992 beschlossen wurde, wollte
man weg von der Behördenbahn, weg davon, dass die
Politik bestimmt, was bei der Bahn passiert; man wollte,
dass ein unternehmerischer Bahnbetrieb stattfindet. Deshalb werden Preise und Leistungen in den Unternehmen
besprochen und nirgendwo sonst.
Die nächste Frage stellt der Kollege Krischer.
Herr Staatssekretär Mücke, ich habe verstanden:
Stuttgart 21 ist kein Projekt des Bundes, und beim Unternehmen Bahn, das eine 100-prozentige Tochter des
Bundes ist, nimmt der Bund keinen Einfluss. - Das erstaunt, aber gut; ich nehme diese Aussage einmal so hin.
Nun zu meiner ganz konkreten Frage. Sie haben richtigerweise ausgeführt, dass Sie über Entscheidungen, die
im Aufsichtsrat gefällt worden sind, und über die
Gründe dafür nicht berichten können. Deshalb möchte
ich meine Frage an die Bundesregierung richten - an die
Bundesregierung! -: Hat die Bundesregierung im Vorfeld der Entscheidung die Deutsche Bahn AG gedrängt,
mit der Entscheidung zu warten, bis das Sondergutachten des Bundesrechnungshofs vorliegt, ja oder nein?
Nein.
({0})
Herr Ott.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie
haben die schwierige Aufgabe, Entscheidungen Ihres
Ministers zu erläutern. Sie haben gesagt: Die Fahrpreiserhöhungen sind Sache der Bahn. - Es sei einmal dahingestellt, in welchem Maß der Anteilseigner Bund in den
Entscheidungsgremien der Bahn vertreten ist. - Gleichzeitig hat sich Herr Ramsauer zu Fahrpreiserhöhungen
geäußert. Was hat er eigentlich damit zu tun? Nach Ihrer
Lesart, was die Funktion des Ministers angeht, dürfte er
sich dazu gar nicht äußern. Was stimmt denn nun? Darf
sich der Bund, darf sich der Verkehrsminister, dürfen Sie
sich zu den Fahrpreiserhöhungen äußern oder nicht? Ihr
Minister hat es schon getan.
Ich finde, Herr Kollege, ich habe das schon sehr deutlich ausgeführt. Es ist eine Entscheidung der Eisenbahnverkehrsunternehmen, wie sie ihre Fahrpreise gestalten.
Darauf hat der Bundesverkehrsminister keinen Einfluss.
Diese Entscheidung trifft das jeweilige Verkehrsunternehmen selber.
Gleichwohl ist es dem verantwortlichen Bundesminister unbenommen, auf Risiken hinzuweisen. Sie haben selber gesagt, dass Sie es als Risiko ansehen würden
- die Bahn ist ein großes Verkehrsunternehmen in
Deutschland -, wenn die Preise bei der Deutschen Bahn
AG angehoben werden müssten. Insofern kann der Verkehrsminister darauf hinweisen, dass ein solches Risiko
entstünde, wenn das Land Baden-Württemberg oder die
Stadt Stuttgart sagt: Es ist uns völlig egal, was mit diesem gemeinsamen Projekt, das wir mit befördert und gewollt haben, passiert, wenn Mehrkosten entstehen.
Ich finde, dass sich weder das Land Baden-Württemberg noch die Stadt Stuttgart aus ihrer Verantwortung
stehlen können. Sie müssen bei diesem gemeinsamen
Projekt, das in unser aller Interesse liegen muss, ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung sehen und mit zur
Finanzierung beitragen. Sollte das nicht der Fall sein,
dann wird die Deutsche Bahn AG - das hat sie klar angekündigt - ihre Projektpartner verklagen.
Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Heike Hänsel auf:
Hat die Bundesregierung die Mehrkosten für den Weiterbau des Bahnprojektes Stuttgart 21 bereits im neuen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr eingepreist?
Ich kann vieles von dem wiederholen, was ich bereits
ausgeführt habe. Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht
um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege
des Bundes, sondern um ein Projekt der Deutschen Bahn
AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Vorhabenträger und Bauherr. Das Land Baden-Württemberg,
die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die
Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich an der Finanzierung. Der Bund übernimmt mit einem Festbetrag in
Höhe von 563,8 Millionen Euro inklusive TEN-Fördermittel für das Projekt Stuttgart 21 den Anteil, der für die
Einbindung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm in den
Knoten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus stellt
er die Gesamtfinanzierung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ab 2016 sicher. Damit ist die Verantwortlichkeit des Bundes, die sich aus dem geltenden Bedarfsplan
zum Ausbau der Bundesschienenwege ergibt, erfüllt.
Zusätzliche Mittel stehen im Bundeshaushalt nicht zur
Verfügung.
Frau Hänsel, Sie haben eine Nachfrage. - Bitte.
Danke schön. - Man kann davon ausgehen - Sie haben es mehrfach gesagt -, dass es vonseiten des Bundes
keinerlei Erhöhung seines Anteils geben wird. Es bleibt
bei dem Betrag von 563 Millionen Euro. Gleichzeitig
hören wir von den anderen Projektpartnern Land und
Stadt, dass es auch keine Erhöhung ihrer Anteile geben
wird. Damit stellt sich mir die Frage: Wie soll dann solch
ein Projekt finanziert werden, das ja von der Bahn
durchgeführt wird, die zu 100 Prozent im Besitz des
Bundes ist, woraus sich eine gesamtgesellschaftliche wie
auch eine politische Verantwortung des Bundes ergibt?
Sie sprechen von einer möglichen Klage der Deutschen Bahn AG. Herr Grube geht davon aus, dass vor
2016 nicht geklagt werden kann. Wie sollen bis dahin
die Mehrkosten finanziert werden, wenn klar ist, dass
keine Seite mehr zahlen wird? Gehen Sie davon aus,
dass Sie jährlich 500 Millionen Euro vonseiten der Bahn
überwiesen bekommen und diesen Betrag in den Haushalt einstellen können?
Frau Kollegin, Sie müssen zwischen den Bedarfsplanmaßnahmen - dazu habe ich Ausführungen gemacht,
diese werden vom Bund mit 563 Millionen Euro finanziert - und dem Bahnhofsneubau - ein quasi zweites
Projekt - mit allen baulichen Maßnahmen im Stadtgebiet
Stuttgart unterscheiden. Dafür sind die Projektpartner
verantwortlich; daran ist der Bund nicht beteiligt. Weil
wir nicht beteiligt sind und wir keine finanziellen Mittel
für dieses Projekt zur Verfügung stellen, brauchen wir
uns im Bundesetat auch keine Gedanken darüber zu machen, wenn es Kostensteigerungen gibt. Das ist ein Projekt der Deutschen Bahn AG und ihrer Projektpartner.
Deshalb müssen diese die Finanzierung sicherstellen;
deshalb ist eine Einstellung von entsprechenden Mitteln
in den Haushalt 2014 - Sie haben das in Ihrer Frage angesprochen - nicht notwendig. Wie gesagt: Es ist ein
Projekt der Deutschen Bahn AG und ihrer Projektpartner.
Sie gehen aber davon aus, dass die Bahn die von mir
angesprochenen 500 Millionen Euro überweist?
Das ist dann Ihre zweite Nachfrage.
Diese Frage hatte ich schon gestellt; er hat sie aber
nicht beantwortet.
Das kann ich jetzt nur als Ihre zweite Nachfrage werten; denn Sie haben nachgefragt.
Ich nehme an, dass Sie mit den 500 Millionen Euro
die Dividende meinen, die die Deutsche Bahn AG an
den Bund auszahlt.
({0})
Die Deutsche Bahn AG ist ein außerordentlich ertragsstarkes Unternehmen. Die Bahn hat auch im letzten Jahr
wieder einen großen Gewinn gemacht, was zeigt, dass
diese Dividende ohne Weiteres erwirtschaftet werden
kann. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Dividende
auch in den nächsten Jahren gezahlt wird.
Frau Kotting-Uhl.
Herr Staatssekretär, eine kurze Frage: Hätte die Deutsche Bahn AG einen Baustopp für Stuttgart 21 verhängen müssen, wenn es am 5. März keine Entscheidung
über die Erhöhung des Finanzierungsrahmens gegeben
hätte?
Das weiß ich nicht; das müssen Sie die Deutsche
Bahn AG fragen.
({0})
Herr Ebner.
Herr Staatssekretär, Sie haben uns jetzt lang und breit
- im Grunde war es aber eher kurz - erläutert, dass der
Bund hier keinerlei Mehrkosten zu tragen habe. Uns
wurden im Zusammenhang mit der Volksabstimmung in
Baden-Württemberg ganz viele Vorteile dieses Projektes, das den Bund anscheinend nichts angeht, erläutert,
unter anderem der Vorteil, dass man so viel schneller
von Stuttgart nach Ulm fahren könnte. Das liegt aber
nicht am neuen Bahnhof, sondern an einem Projekt, das
nach weit verbreiterter Interpretation eng mit dem Bahnhofsprojekt zusammenhängt: der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm.
Der Aufsichtsrat hat in seiner Sitzung vom 5. März
festgestellt, dass die Inbetriebnahme von Stuttgart 21
nicht vor 2022 stattfinden wird. Die Neubaustrecke
Wendlingen-Ulm macht aber nur dann Sinn, wenn sie
zeitgleich mit diesem Bahnhof in Betrieb genommen
wird, weil es sonst keinen Anschluss und damit keine
Verwendung für diese Neubaustrecke gäbe. Wollen Sie
allen Ernstes behaupten, dass die Verzögerung völlig
kostenneutral ist, also keine weiteren Kosten auf Bahn
und Bund zukommen, und, wenn ja, wie wollen Sie das
begründen?
Wir gehen von den jetzigen Planungsansätzen aus,
also - Sie haben selbst davon gesprochen - von einer
Deckelung der Kosten für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm bei 563 Millionen Euro. Das ist der Teil des
Projekts Stuttgart 21, der sich auf die Infrastruktur des
Bundes bezieht. Wenn es bei der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm im Laufe des Bauprozesses Mehrkosten geben sollte, dann müsste man das neu bewerten.
({0})
Aber es gibt gegenwärtig keinen Hinweis darauf, dass es
dort in irgendeiner Art und Weise Kostensteigerungen
geben könnte.
Ich kann verstehen, dass das Ergebnis des Volksentscheids, der in Baden-Württemberg zu diesem Projekt
stattgefunden hat, Ihnen von den Grünen wehtut.
({1})
Sie versuchen jetzt natürlich, Ihre Niederlage wettzumachen. Aber die Bürger in Baden-Württemberg haben so
entschieden,
({2})
und deshalb wird es auch so gebaut.
Die nächste Frage kommt von der Kollegin Wilms.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
ich möchte auf die Finanzierung von Bahnverkehrsprojekten zurückkommen, auf die Frau Hänsel in ihrer
Frage eingegangen ist. Sie haben uns sehr deutlich gesagt: Es gibt da einen feinen Unterschied zwischen dem
eigenwirtschaftlichen Projekt zum Bau des neuen Bahnhofs - Stuttgart 21 genannt - und den Bedarfsplanprojekten, zu denen Sie hier eben den Bau der Strecke
Wendlingen-Ulm gezählt haben.
Hierzu möchte ich Ihnen ganz gezielt eine Frage stellen im Hinblick darauf, womit wir uns hier die ganze
Zeit befassen. Auch in anderen Bereichen gibt es Bedarfsplanprojekte. Sollte aus Sicht des Verkehrsministers
Ramsauer das Land Bayern nicht einen freiwilligen Eigenanteil in Höhe von 930 Millionen Euro für die Finanzierung der zweiten Stammstrecke der S-Bahn in München zuschießen, um anschließende Preiserhöhungen
durch die Deutsche Bahn AG auszuschließen?
({0})
Das ist eine hypothetische Frage. Ich weiß nicht, ob
sich die Bayerische Staatsregierung Gedanken darüber
macht.
Wie ich schon sagte: Die Gestaltung von Fahrpreisen
ist Sache der Eisenbahnverkehrsunternehmen. Das gilt
insbesondere für den Nahverkehr, und die zweite Stammstrecke in München ist - wie Sie wissen, Frau Kollegin ein Nahverkehrsprojekt. Sie werden doch nicht ernsthaft
von mir erwarten, dass ich Auskunft darüber gebe, wie
sich die Fahrpreise in diesem Bereich gestalten. Niemand im Bundesverkehrsministerium legt Fahrpreise
fest. Ich würde Sie bitten, das endlich zur Kenntnis zu
nehmen.
Frau Höhn.
Einer der wesentlichen Gründe, warum man sich für
den Weiterbau von Stuttgart 21 entschieden hat, ist die
Aussage des Vorstands der Deutschen Bahn, dass es
zehn Jahre dauern kann, bis man eine andere Lösung gefunden hat. Das ist ein sehr langer Zeitraum. Ist von Ihrem Ministerium die Plausibilität der Aussage des Vorstands der Deutschen Bahn überprüft worden?
Es liegt in der Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder, im Aufsichtsrat eine Entscheidung zu treffen.
Die Aufsichtsratsmitglieder haften für ihre Entscheidung, die sie in diesem Rahmen treffen. Sie persönlich
müssen entscheiden, ob das Projekt im Interesse der Gesellschaft liegt.
Eine Aktiengesellschaft funktioniert so, dass die Aktionäre in der Hauptversammlung Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen können. Die Hauptversammlung wählt und bestellt die Aufsichtsräte, die dann
Kontrolle auf das Unternehmen ausüben und Entscheidungen treffen müssen. Das heißt, jedes einzelne Mitglied im Aufsichtsrat - egal ob es von der Bundesregierung gestellt wird, ob es von den Aktionären oder
vonseiten der Bank der Arbeitnehmer entsandt worden
ist; es handelt sich um einen mitbestimmten Aufsichtsrat muss für sich persönlich die Entscheidung treffen, ob der
Vorschlag, den der Vorstand dem Aufsichtsrat vorlegt,
für das Unternehmenswohl, für die Ertragschancen und
die wirtschaftlichen Aussichten des Unternehmens gut
ist.
Der Aufsichtsrat hat die Entscheidung getroffen, dass
der Weiterbau - im Verhältnis zum Abbruch des Projektes - die günstigere Lösung ist. In den Medien konnte
man nachlesen, dass es im Aufsichtsrat 18 Jastimmen für
die Fortführung des Projektes gab. Ich nehme an, dass
sich sowohl die Arbeitnehmervertreter als auch die Vertreter, die vonseiten des Bundes bestellt wurden, intensiv
darüber informiert haben und sie davon ausgehen, dass
das Projekt langfristig wirtschaftlich ist und die Ertragschancen der Deutschen Bahn AG befördert. Das ist logisch nachzuvollziehen: Man kann die Flächen in dem
fertiggestellten Bahnhof vermieten, der Bahnhof steht
dem Verkehr zur Verfügung, und durch die Nutzung der
geräumten Flächen, auf denen der alte Bahnhof stand, ist
eine neue Stadtentwicklung in Stuttgart möglich.
Unter dem Strich waren sie der Meinung, dass das
insgesamt eine wirtschaftlich gute Entscheidung ist und
auch für das Unternehmensinteresse die beste Entscheidung darstellt.
Diese Entscheidung zu treffen, ist die Aufgabe der
Aufsichtsräte, und dieser Aufgabe sind sie nachgekommen.
({0})
Frau Höger, Sie haben eine Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor der entscheidenden Sitzung des Aufsichtsrates wurde angesichts der
Kostensteigerung von 2 Milliarden Euro in den Medien
eine intensive Debatte darüber geführt, ob es eventuell
nicht doch wirtschaftlicher sei, Stuttgart 21 nicht zu
bauen, sondern zurückzubauen und den alten Bahnhof
weiter zu nutzen. Dann haben Verkehrsminister
Ramsauer und auch die Kanzlerin Merkel gesagt, es sei
aber sehr wichtig, dieses Projekt fortzuführen. Hat das
Einfluss auf die Entscheidung der Regierungsvertreter
im Aufsichtsrat gehabt?
Das weiß ich nicht. Es gibt drei Staatssekretäre, die
Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG sind.
Das sind die einzigen, die eine direkte Verbindung zur
Bundesregierung haben. Aber als Aufsichtsräte müssen
sie im Unternehmensinteresse entscheiden. Sie können
nicht darauf Rücksicht nehmen, was in einer öffentlichen Diskussion geäußert wird, was der eine für wünschenswert und der andere für nicht wünschenswert hält.
Entscheidend ist immer, was im Unternehmensinteresse
ist. Die Aufsichtsräte sind dem Unternehmen verpflichtet. Ich gehe davon aus, dass die Aufsichtsräte dieser
Pflicht nachgekommen sind.
Herr Ott.
Herr Kollege Mücke, Sie haben gerade zwei Dinge
getan: Sie haben einerseits zustimmend auf das Referendum verwiesen, in dem man sich für die Weiterführung
des Projekts Stuttgart 21 ausgesprochen hat; andererseits
haben Sie die Entscheidung der Bahn, den Kostenrahmen um 2 Milliarden Euro auf 6,5 Milliarden Euro zu
erhöhen, verteidigt. Nun basierte das Referendum aber
auf der Annahme, dass dieser Bahnhof insgesamt nur
4,5 Milliarden Euro kostet. Beides zusammen geht doch
nicht. Wie gehen Sie mit dieser Diskrepanz um? Ist dieses Referendum jetzt nichts mehr wert?
Nein, keinesfalls.
({0})
Für uns ist Bürgerbeteiligung eine sehr wichtige Grundlage, gerade bei Entscheidungen über große Infrastrukturprojekte. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe,
möchten Sie selber mehr Bürgerbeteiligung - außer bei
Stuttgart 21; da waren Sie, glaube ich, nicht so begeistert
von der Bürgerbeteiligung.
({1})
Sie fordern bei allen großen Infrastrukturprojekten Bürgerbeteiligung ein. Ihr Schicksal ist, dass Sie bei diesen
Volksentscheidungen, bei Bürgerentscheiden gelegentlich auch einmal unterliegen. So ist das in einer Demokratie.
({2})
Ich weiß, dass Sie das sehr schmerzt;
({3})
aber diese Entscheidung, die die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger getroffen haben, gilt.
Sie bindet vor allem die Landesregierung von BadenWürttemberg. Deshalb möchte ich Sie bitten, Ihre Frage
einfach an die Landesregierung von Baden-Württemberg
zu richten.
({4})
Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Behm auf:
Inwieweit führt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 10. Juli 2012 zum Bau der U-Bahn-Linie 5 in Berlin zu
einer neuen Rechtslage und damit auch zu einer neuen Genehmigungssituation für den Lückenschluss von Berlin-Südkreuz
nach Mahlow auf der sogenannten Dresdner Bahn, die deshalb nach Berichten in der Berliner Zeitung vom 7. März
2013 erst 2022 fertiggestellt sein könnte, und von welchem
Zeitverzug geht die Bundesregierung derzeit aus?
Frau Kollegin Behm, ich möchte Ihnen kurz antworten: Gemäß dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 10. Juli 2012 ist ein Konzept zum Schutz vor Baulärm nach § 74 Abs. 2 und 3 Verwaltungsverfahrensgesetz nur entbehrlich, wenn die Immissionsrichtwerte der
Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen
Baulärm - Geräuschimmissionen - eingehalten werden.
Eine Anhebung dieser Werte und damit eine verminderte
Schutzwürdigkeit sei nicht gerechtfertigt. Die frühere
Rechtsprechung, wonach es nicht zu beanstanden sei,
dass aktive und passive Schallschutzmaßnahmen erst bei
Überschreitungen des für die jeweilige schutzwürdige
Bebauung heranzuziehenden Richtwertes um mehr als
5 dB angeordnet würden, ist damit überholt.
In der Konsequenz dieser aktuellen Rechtsprechung
ist es erforderlich, die Baulärmgutachten der drei Planfeststellungsabschnitte der sogenannten Dresdner Bahn
zu überarbeiten. Ob bzw. in welchem Umfang sich dadurch zeitliche Verzögerungen für die laufenden Planfeststellungsverfahren ergeben, kann derzeit nicht zuverlässig abgeschätzt werden.
Frau Behm, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte schön.
Die Möglichkeit zur Nachfrage nehme ich sehr gerne
in Anspruch. - Das hört sich ja schon ein bisschen anders an als das, was man in der Berliner Zeitung lesen
konnte, wonach sich die Fertigstellung bis 2022 verzögern könnte. In der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem eben von Ihnen zitierten Urteil
steht aber auch, dass in der mündlichen Verhandlung am
28. Juni des vergangenen Jahres das beklagte Land Berlin den Planfeststellungsbeschluss auf Vorschlag des Gerichts zugunsten der Klägerin geändert und ergänzt hat.
Alle weiteren Klagen der Anlieger wurden vom Gericht
aufgrund dieses geänderten Planfeststellungsbeschlusses
zurückgewiesen.
Jetzt frage ich: Sie haben gesagt, dass Planänderungen notwendig geworden sind. Welche konkreten Folgen
hatte das für Umplanungen bei der Dresdner Bahn? Warum musste überhaupt neu geplant werden? Hat es keine
Variantenprüfungen bezüglich Lärmschutz- und Tunnellösungen gegeben? Man prüft doch üblicherweise verschiedene Varianten.
Frau Kollegin, da sind Sie nicht ganz präzise gewesen. Ich will es noch einmal deutlich machen: Ich habe
doch vorhin gesagt, dass es um die Baulärmgutachten
geht. Es geht nicht darum, dass ein ganzer Planfeststellungsbeschluss oder ein ganzer Planfeststellungsantrag
überarbeitet werden muss, sondern es geht darum, dass
ein Baulärmgutachten überarbeitet werden muss. Das
wird jetzt gerade getan; man sieht sich das an.
Ob das Auswirkungen auf die Planfeststellungsverfahren für die drei Abschnitte haben wird, wird man sehen. Wir hoffen, dass das Eisenbahn-Bundesamt für den
ersten Bauabschnitt, den Abschnitt 2 in Lichtenrade,
noch im Jahr 2013 einen Planfeststellungsbeschluss erlässt. Aber selbstverständlich muss das Baulärmgutachten auch für diesen Abschnitt im Sinne der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überarbeitet
werden.
Sie haben noch eine weitere Nachfrage, Frau Behm?
Ja. - Ich würde gerne wissen, wie viel Zeit das Eisenbahn-Bundesamt bzw. die anderen beteiligten Behörden
für die Prüfung dieser neuen Situation, also beispielsweise für die Überarbeitung des Baulärmgutachtens, haben.
Das Eisenbahn-Bundesamt hat alle Zeit der Welt. Es
ist eine unabhängige Behörde. Es kann Planfeststellungsbeschlüsse erlassen oder auch nicht. Es kann und
wird so lange prüfen, bis es zu einer Entscheidung gekommen ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Zeit
der Welt dafür vorhanden ist. Im Übrigen ist es auch in
unserem Interesse, dass diese Verfahren gründlich ablaufen; denn wir wollen vermeiden, dass diese Planfeststellungsbeschlüsse in einem eventuell anstehenden
Verwaltungsrechtsverfahren aufgrund eines fehlerhaften
Baulärmgutachtens möglicherweise aufgehoben werden
oder in Schwierigkeiten geraten.
Es ist unser Ziel, diese Infrastruktur, die Dresdner
Bahn, möglichst schnell fertig zu bauen. Das ist eine
wichtige Maßnahme für die Stadt Berlin, aber auch darüber hinaus. Es geht dabei auch um die schnellere Erreichbarkeit des neuen Flughafens. Es geht um die bessere Anbindung zwischen Berlin, Dresden und Prag. All
das sind wichtige verkehrspolitische Ziele, die mit der
Dresdner Bahn verbunden sind. Deshalb hoffen wir, dass
sowohl die Planfeststellungsbeschlüsse als auch der Bau
zügig vonstattengehen.
({0})
Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Dr. Anton
Hofreiter werden schriftlich beantwortet.
Damit verlassen wir diesen Geschäftsbereich.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht zur Verfügung die
Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser.
Die Frage 16 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 17 des Kollegen Hermann
Ott:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
dem am 6. März 2013 vorgestellten Appell des Bündnisses
„Klima-Allianz Deutschland“ ({0}),
in dem unter anderem die Bedeutung des Erfolges der Energiewende für die internationale Ebene verdeutlicht wird, und
wie ist in diesem Zusammenhang der aktuelle Stand hinsichtlich des angekündigten, jedoch bislang nicht gegründeten
Klubs der Energiewendestaaten?
Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Ott, die
Bundesregierung nimmt den Appell der Klima-Allianz
Deutschland zur Kenntnis. Die von der Klima-Allianz genannten - ich nenne es jetzt einmal so - Nutzenwirkungen des Ausbaus der erneuerbaren Energien, zum Beispiel 380 000 Arbeitsplätze brutto in der Branche der
erneuerbaren Energien, die positiven Wirkungen auf heimische Wertschöpfung und Technologieführerschaft,
Emissionsreduzierung, Verringerung der Abhängigkeit
von Energieimporten und die Verringerung der externen
Kosten, sind der Bundesregierung selbstverständlich bekannt. Sie werden auch regelmäßig kommuniziert und
veröffentlicht.
Die deutsche Energiewende - das wissen Sie selbst
genau oder sogar noch genauer als ich - wird im Ausland aufmerksam verfolgt. An dem Ziel einer integrierten, langfristig angelegten ökologisch und ökonomisch
nachhaltigen Energiewende werden wir international
gemessen. Entscheidend ist aber auch, Herr Dr. Ott, die
Akzeptanz der Bevölkerung und auch der Unternehmen.
Deshalb muss die Energiewende für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für Wirtschaft und Industrie bezahlbar bleiben. Neben Deutschland führen viele
verschiedene Länder derzeit Diskussionen über die Gestaltung ihrer künftigen Energieversorgung und messen
den erneuerbaren Energien dabei eine bedeutende Rolle
zu.
Vorreiterstaaten in diesen Fragen möchte Minister
Altmaier - darauf bezieht sich der zweite Teil Ihrer
Frage - in seinem Klub der Energiewendestaaten zusammenbringen. Für seine Initiative hat Minister Altmaier
im Rahmen seiner Teilnahme an der jährlichen Versammlung von IRENA in Abu Dhabi im Januar 2013 informelle Konsultationen mit verschiedenen Vorreiterstaaten geführt und mit ihnen über die Idee eines solchen
Klubs diskutiert. Diese Konsultationen mit Staaten, die
möglicherweise teilnehmen, werden zurzeit intensiv
weitergeführt. In ihrem Rahmen wird auch über die
nächsten Schritte und Aktivitäten beraten. Bitte haben
Sie aus diesem Grund Verständnis, dass wir Ihnen erst
dann Informationen zukommen lassen können, wenn die
Konsultationen beendet sind.
Herr Ott, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Wir hatten
heute im Umweltausschuss das seltene Glück, sowohl
den Minister für Wirtschaft als auch den Minister für
Umwelt - allerdings hintereinander - bei uns zu Gast zu
haben. Es sind da doch einige Unterschiede deutlich geworden. Bei Ihrem Minister hatte man zumindest den
Eindruck, dass man - trotz mancher Differenzen - eine
ähnliche Sprache spricht. Nichtsdestotrotz ist auch deutlich geworden: Die Rolle, die Deutschland in der Welt
bzw. auf europäischer Ebene spielt, wird im Moment
durch Uneinigkeiten zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium sehr beeinträchtigt.
Es hat zwar gewisse Annäherungen gegeben. In Bezug auf das 30-Prozent-Ziel bzw. auf die Frage, ob sich
Deutschland in Europa für die Erhöhung des europäischen Klimaziels einsetzen wird, besteht aber weiterhin
keine Einigung. Oder können Sie uns dazu Neues berichten? Vielleicht können Sie aus den Kabinettssitzungen berichten: Ist das auch Thema in den Unterredungen
mit der Bundeskanzlerin?
Herr Dr. Ott, ich war heute Morgen nicht im Umweltausschuss, als die beiden Minister dort zu Gast waren.
Natürlich habe ich aufmerksam verfolgt, was dort beParl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser
sprochen wurde. Dankenswerterweise haben Sie über Ihren Twitter-Account die Öffentlichkeit darüber informiert, was dort besprochen wurde. Von daher herzlichen
Dank für diese allgemeinen Informationen.
In der Tat wird zurzeit erstens über das Thema 30-Prozent-Ziel diskutiert, zweitens natürlich auch über die
Frage, wie es mit dem Emissionshandel weitergehen
wird. Das ist eine der entscheidenden Fragen, die zurzeit
auch das Europäische Parlament berühren. Wir werden
demnächst einen Trilog über den Backloading-Vorschlag
starten. Darüber wird es sicherlich interessante Diskussionen geben.
Dass es Diskussionen zwischen zwei Häusern wie
dem BMU und dem BMWi gibt, liegt in der Natur der
Sache und ist sicherlich nicht erst seit dieser Legislaturperiode der Fall. Vielmehr ist das etwas, was es schon
immer, in allen Koalitionen, gab.
Ihre zweite Nachfrage, Herr Ott.
Der Appell der Klima-Allianz ist doch sehr außergewöhnlich. Es haben sich einerseits klassische Umweltorganisationen wie der Naturschutzbund und andererseits
die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, die AWO und
Verbraucherschutzverbände zusammengetan und einen
Appell an die Bundesregierung gerichtet. Zusammen mit
Herrn Töpfer haben sie den Appell veröffentlicht, dass
die Energiewende sozial ausgestaltet werden muss und
man Ökologie und Soziales zusammen sehen muss. In
ihrem Aufruf an die Bundesregierung stellen sie die Forderung nach einem Mindestlohn von 8,50 Euro auf.
Meine Fragen lauten: Nimmt die Bundesregierung
das zur Kenntnis? Wird das diskutiert? Werden Appelle,
die aus der Mitte der Gesellschaft kommen und ganz offensichtlich nicht in irgendeiner Weise parteipolitisch
motiviert sind, in dieser Bundesregierung wahrgenommen?
Aber selbstverständlich, Kollege Dr. Ott, beschäftigen
wir uns damit. Wir nehmen den an uns gerichteten Appell der Klima-Allianz und der Verbände sehr ernst; das
ist überhaupt keine Frage.
Dass wir über diesen Appell - und nicht nur über diesen; es gibt ja viele Stimmen aus der Gesellschaft bzw.
aus der Bevölkerung - intensiv diskutieren, sehen Sie
auch daran, dass Peter Altmaier vor einigen Wochen einen Vorschlag zur Strompreissicherung gemacht hat. Ich
habe schon vorhin ausgeführt: Es ist entscheidend, dass
wir genug Akzeptanz für unsere Energiewende in der
Bevölkerung bzw. in der Gesellschaft haben. Deshalb
brauchen wir hier auch eine Kostendiskussion. Des Weiteren müssen wir Überlegungen anstellen, wie wir da
weiter vorangehen. Dem dienen auch die Gespräche mit
den Ländern, in die wir eingetreten sind und die hoffentlich zu einem guten Ende geführt werden.
Es gibt dazu eine Nachfrage der Kollegin Höhn.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade die Diskussion
über die Strompreise angesprochen. Die Strompreise hängen extrem davon ab, wie sich der Börsenstrompreis entwickelt. Die Differenz zur Einspeisevergütung ist ja von
den Verbrauchern zu zahlen. Wenn auf EU-Ebene kein
ehrgeiziger Klimaschutz betrieben wird, wenn also die
Zahl der Zertifikate weiter extrem hoch und der Zertifikatepreis deshalb im Keller ist, haben wir automatisch
einen niedrigeren Börsenstrompreis; das heißt, je weniger ambitioniert der Klimaschutz auf EU-Ebene, desto
teurer wird es für die Verbraucher, desto höher steigt der
Strompreis. Wie wollen Sie eigentlich die unterschiedlichen Positionen der Minister Altmaier und Rösler in dieser Angelegenheit auflösen, damit die unsoziale Politik,
die durch die Politik des Bundeswirtschaftsministers
ausgelöst wird, endlich beendet wird?
Kollegin Höhn, dem ersten Teil Ihrer Frage hätte ich
eigentlich zustimmen können; aber der zweite Teil
macht es schwierig.
Gestatten Sie mir zum ersten Teil Ihrer Frage die Anmerkung: Ich teile Ihre Auffassung, dass wir eine ambitionierte Klimaschutzpolitik benötigen, auch im Bereich
des Emissionshandels. Das sieht auch Peter Altmaier so
- sicherlich haben Sie heute Morgen im Umweltausschuss mit ihm darüber gesprochen -, beispielsweise im
Hinblick auf das 30-Prozent-Ziel, das Thema Backloading etc.
Um zum zweiten Teil Ihrer Frage zu kommen: Ich bin
zuversichtlich, dass sich die Häuser in absehbarer Zeit
einigen werden, wie wir mit dem gesamten Thema umgehen. Denn es ist schon wichtig - das wird gleich noch
Teil einer Frage des Kollegen Krischer sein -, dass wir
uns überlegen, wie wir auch national weiter vorankommen, beispielsweise beim Energie- und Klimafonds.
Gestatten Sie mir noch den kurzen Hinweis darauf,
dass es, was die EEG-Umlage und damit auch die Kosten für die Verbraucher und Verbraucherinnen angeht,
natürlich verschiedene Schlüssel und Stellschrauben
gibt. Dazu gehört sicherlich der Börsenstrompreis; dazu
gehören aber auch die Zubaugeschwindigkeit der Erneuerbaren oder die Vergütungssätze, die ja für einen langen
Zeitraum festgelegt sind und insofern auch eine Rolle
spielen.
Eine Nachfrage des Kollegen Krischer.
Frau Staatssekretärin, ich habe gerade gehört, dass in
absehbarer Zeit eine Verständigung zwischen den beiden
befreundeten Ministerien erzielt werden soll, um dann
vielleicht zu einer Position der Bundesregierung zu kommen. Wir hören aber schon seit vielen Monaten, dass
man daran arbeitet. Meine Frage lautet: Glauben Sie
nicht, dass es schwierig bis unmöglich ist, eine Entscheidung auf europäischer Ebene zu treffen, wenn das größte
Land der Europäischen Union und der größte Emittent
innerhalb der Europäischen Union in dieser entscheidenden Frage keine Position hat?
Ihre Auffassung teile ich nicht, Kollege Krischer. Wir
werden eine gemeinsame Position finden. Auch Sie wissen, dass derzeit das Europäische Parlament gefragt ist,
seinerseits eine Position zu finden.
Damit kommen wir zur Frage 18 des Kollegen Ott:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Schirmherrn
Professor Dr. Klaus Töpfer und anderer, dass die Energiewende mehr als eine Preisdebatte sei, Klimawandel und die
Reaktorkatastrophe von Fukushima als die Auslöser der Energiewende nicht vergessen werden dürften und die ökologische
und soziale Dimension der Energiewende nicht im Widerspruch zueinanderstünden ({0}), und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?
Kollege Ott, um die ökologische und soziale Dimension der Energiewende ausgewogen zu berücksichtigen,
kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an; das habe
ich vorhin schon gesagt. Vor diesem Hintergrund haben
Bundesumweltminister Peter Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler einen gemeinsamen Vorschlag zu kurzfristigen Maßnahmen zur Dämpfung der
Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien vorgelegt. Dieser Vorschlag wird derzeit intensiv mit den Bundesländern und den Ressorts beraten. Es ist das Ziel, ein
abgestimmtes Konzept vorzulegen. Wie das Gesamtpaket am Ende aussehen wird, ist abhängig von den jetzt
anstehenden Gesprächen mit den Bundesländern und
zwischen den Ressorts.
Herr Ott, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte schön.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin HeinenEsser, wir hören nun schon sehr lange, dass da Gespräche im Gange sind und dass man sich da abstimmt. Allerdings neigt sich die Legislaturperiode ihrem Ende zu
- ihrem wohlverdienten Ende; so möchte ich das mal
formulieren -, und wir hoffen alle auf Besseres und
Neues. Die Zeit, die Ihnen noch bleibt, ist tatsächlich
sehr eng.
Es fällt auf, dass sich diese Diskussion - auch in der
Bundesregierung - auf den Strompreis beschränkt, obwohl dieser nur zu einem winzigen Teil für die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger durch hohe Energiepreise verantwortlich ist. Meine Frage deshalb: Was
macht die Bundesregierung, um dafür zu sorgen, dass
die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel bei den Heizkosten nicht unzumutbar belastet werden? Die zweite
Miete drückt doch fast schon so sehr wie die erste Miete.
Ich beantworte Ihre Frage am besten Schritt für
Schritt. Zum ersten Punkt: Natürlich müssen wir uns mit
den Strompreisen beschäftigen. Wir haben in den letzten
vier Jahren im Deutschen Bundestag erlebt, wie die
EEG-Umlage Jahr für Jahr angestiegen ist. Wenn wir
jetzt nichts unternehmen - an welcher Stellschraube
auch immer -, wird die EEG-Umlage weiter steigen, und
dann wird sie natürlich auch weiterhin spürbar für die
Verbraucher sein. Dies ist dann nicht nur eine zusätzliche Belastung für die Verbraucher, sondern kann dazu
führen, dass die Energiewende in der Bevölkerung auf
Akzeptanzschwierigkeiten stößt. Das, Herr Dr. Ott, kann
weder in Ihrem noch in unserem Interesse sein.
Selbstverständlich muss man sich auch mit den weiteren Energiekosten intensiv beschäftigen, vom Mineralöl
bis zum Gas. Bundesumweltminister Altmaier hat, beispielsweise mit den Sozialverbänden und mit den Verbraucherverbänden, Gespräche geführt, um zu überlegen, welche Möglichkeiten es hier gibt.
Herr Ott, haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte
schön.
Der schlechte Eindruck, den die Bundesregierung im
Hinblick auf die Umsetzung der Energiewende macht,
liegt gar nicht so sehr an Ihrem Hause, sondern zum großen Teil daran, dass zwischen verschiedenen Mitgliedern der Bundesregierung Uneinigkeit besteht.
Nun hat ja Professor Töpfer, der den Appell der
Klima-Allianz Deutschland vorgestellt hat, schon als
Vorsitzender der Ethik-Kommission Sichere Energieversorgung, die im Auftrag der Bundeskanzlerin diese
Energiewende, den Ausstieg aus der Atomenergie, vorgedacht hat und Vorschläge gemacht hat, gesagt und
jetzt noch einmal wiederholt: Es braucht einen Energiewendemanager, es braucht jemanden, der die verschiedenen Bemühungen der Bundesregierung - formulieren
wir es einmal sehr positiv - koordiniert, um nicht zu sagen: der zwischen unterschiedlichen Positionen vermittelt, damit endlich einmal etwas vorangeht. - Hat die
Bundesregierung dazu irgendwelche Vorstellungen?
Die Behauptung, es gehe nicht voran, muss ich entschieden zurückweisen - die Energiewende kommt sehr
gut voran. Sie wissen, dass wir im vergangenen Jahr
erstmals erreicht haben, dass fast ein Viertel der gesamten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gekommen ist.
({0})
Das ist schon ein gewaltiger Fortschritt, Herr Dr. Ott.
({1})
Damit können wir schon sagen, dass wir hier vorankommen.
Wir haben uns die Kritik in der Tat zu Herzen genommen und uns damit befasst, wie wir die Energiewende
besser koordinieren können. Aus diesem Grund gibt es
verschiedene Ausschüsse und Plattformen innerhalb der
Bundesregierung: Es gibt beispielsweise die Plattform
Erneuerbare Energien mit drei Arbeitsgruppen und den
Staatssekretärsausschuss mit allen beteiligten Ressorts,
der regelmäßig tagt und in dem alle im Zusammenhang
mit der Energiewende anstehenden Probleme besprochen werden. Dazu gehört die Frage - diese Frage ist
entscheidend -, wie es mit den Kraftwerksplanungen
weitergeht, wie wir es schaffen, dass Gaskraftwerke rentabel bleiben, auch wenn sie nur ab und zu unterstützend
zugeschaltet werden, um die Versorgung mit Strom aus
erneuerbaren Energien zu gewährleisten. Das sind alles
Fragen, die in diesem Ausschuss diskutiert werden. Wir
haben damit ein exzellentes Instrument an der Hand, um
die Energiewende zu managen.
Darüber hinaus haben wir den Monitoringprozess, der
uns immer sagt, ob wir mit der Energiewende auf dem
richtigen Weg sind, ob wir bis zum Jahr 2050 die Ziele,
die wir uns selber gesetzt haben, erreichen bzw. wo wir
nachsteuern müssen. Der im Dezember 2012 veröffentlichte erste Monitoringbericht hat bestätigt, dass die
Energiewende gut vorankommt.
Frau Höhn hat noch eine Nachfrage. - Bitte.
Eben ist ja schon angesprochen worden, dass die
Haushalte vor allen Dingen durch die Heizkosten belastet sind. Energiesparmaßnahmen werden vor allen
Dingen durch Projekte gefördert, die mit Mitteln aus
dem Energie- und Klimafonds finanziert werden. Durch
die niedrigen Preise für CO2-Emissionszertifikate, also
durch einen unambitionierten Klimaschutz auf EU-Ebene,
sind die Einnahmen des Energie- und Klimafonds, EKF,
dramatisch gesunken. Damit können die Energieeffizienzmaßnahmen nicht mehr finanziert werden.
Teilen Sie die Auffassung, dass wegen der sinkenden
Einnahmen für den Energie- und Klimafonds - auch
zum Beispiel im Wärmebereich - die Kosten für die
Haushalte höher sind? Wäre es nicht besser, genügend
Mittel bereitzustellen, um diese Energiesparmaßnahmen
durchführen zu können?
Sehr geehrte Kollegin Höhn, zum Ersten muss ich sagen: Ich hätte mir natürlich gewünscht, wir hätten die
steuerliche Förderung der Gebäudesanierung hinbekommen. Damit hätten wir aus dem Bundeshaushalt einen
guten Schritt in Richtung Energieeffizienz geleistet und
müssten uns in diesem Punkt vielleicht gar nicht so intensiv mit dem Fonds beschäftigen. Ich darf das noch
einmal sagen: Es wäre schön gewesen, wenn Sie und die
SPD gesprungen wären und gesagt hätten: Dies ist eine
gute Sache, die wir tatsächlich unterstützen wollen.
Zweiter Punkt. Natürlich machen wir uns Gedanken
über die Ausstattung des Energie- und Klimafonds.
Wenn ich die Twitter-Meldungen richtig gelesen habe,
dann ist das heute Morgen ja wohl auch im Ausschuss
entsprechend behandelt worden. Wir sind hier in entscheidenden Gesprächen mit dem Bundesfinanzministerium über die Bewirtschaftung, und auch hier hoffe ich,
dass wir zu einem guten Ende kommen werden.
Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 19 unseres
Kollegen Oliver Krischer:
Welche Gründe hat der erneute Förderstopp beim MiniKraft-Wärme-Kopplung-Impulsprogramm, und warum wird
dieser Förderstopp auf den Internetseiten der Bundesregierung nicht transparent gemacht?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Kollege Krischer, seitens der Bundesregierung wurde
kein Förderstopp verkündet. Dieser Schritt - das muss ich
jetzt ausdrücklich sagen - wäre in der jetzigen Situation
auch verfrüht. Das Mini-KWK-Programm wird aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative finanziert, die
primär aus dem Bundeshaushalt und zusätzlich aus dem
Energie- und Klimafonds, EKF, bereitgestellt werden.
Gegenwärtig - das habe ich auch auf die Frage der
Kollegin Höhn gerade schon gesagt - laufen innerhalb
der Bundesregierung, auf höchster politischer Ebene,
Abstimmungen zum Thema Emissionshandel und zur
Aufteilung der in 2013 verfügbaren Finanzmittel aus
dem EKF, dessen Einnahmen eben von den Erlösen aus
dem Emissionshandel abhängig sind. Das Ergebnis dieser Abstimmung gilt es abzuwarten.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle,
BAFA, ist für die Abwicklung des Mini-KWK-Programms zuständig. Um einen sofortigen Antragsstopp zu
vermeiden, wurde das BAFA gebeten, bis zur Klärung der
Mittelverteilung innerhalb des EKF die Anträge anzunehmen, jedoch noch keine Grundbescheide zu erlassen.
Ihre erste Nachfrage, Kollege Oliver Krischer.
Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Ausführungen. Mich wundert dann nur, dass die Antragsteller ein Schreiben des BAFA erhalten, wonach ihr Antrag
entgegengenommen wurde und mit der Maßnahme begonnen werden kann, aber keine Entscheidung über eine
Förderung getroffen wird. Diese völlige Unklarheit führt
natürlich dazu, dass Antragsteller keine entsprechenden
Investitionen tätigen.
Ich habe mir die entsprechenden Seiten des BMU
oder des BAFA noch einmal angeguckt: Darin findet
man keinen Hinweis darauf, was Sie gerade gesagt
haben. Eine solche Kommunikation wäre natürlich
wichtig, um die Branche darauf einzustellen, was dort
möglicherweise kommen könnte.
Ich frage Sie, was Sie tun wollen, um die Verunsicherung, die durch die Situation des Energie- und Klimafonds jetzt entstanden ist, zu beheben. Durch welche
Aktivitäten wollen Sie diese Verunsicherung beseitigen?
Kollege Krischer, ich nehme Ihren Hinweis, das noch
einmal deutlicher und klarer zu kommunizieren, sehr
gerne mit. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass wir
uns darauf verständigt haben, dass zurzeit keine neuen
Vorhaben bewilligt werden können. Die Anträge, die
eingegangen sind, sollen aber auf jeden Fall schon einmal bearbeitet werden, damit es nicht zu Verzögerungen
kommen wird. Sie wissen - ich vermute, auch das haben
Sie heute Morgen intensiv besprochen -, dass wir im
Energie- und Klimafonds Rücklagen aus dem Jahr 2012
besitzen, die wir tatsächlich nutzen können. Zum Zweiten gibt es im Rahmen des EKF auch die Möglichkeit,
Liquiditätsdarlehen bis zu einer Höhe von 10 Prozent
des Gesamtvolumens des jeweiligen Wirtschaftsplans
- in 2013 wären das bis zu 204 Millionen Euro - aus
dem Bundeshaushalt zu erhalten. Auch hier haben wir
gegebenenfalls noch Möglichkeiten.
Ich weiß, dass die Antwort nicht sehr befriedigend ist
und dass ich Sie damit bis auf die Zeit vertrösten muss,
bis wir diese Angelegenheit endgültig geregelt haben.
Aber, wie gesagt, unser Hauptziel in der jetzigen, nicht
ganz einfachen Situation ist es, dafür zu sorgen, dass es
dann, wenn der Finanzrahmen endgültig klar ist, nicht zu
Verzögerungen bei der Mittelvergabe kommt und dass
deshalb die Anträge schon jetzt bearbeitet werden.
Herr Kollege Oliver Krischer, Sie haben jetzt die
Möglichkeit zur zweiten Nachfrage.
Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen, Frau Staatssekretär.
Staatssekretärin.
Staatssekretärin, Entschuldigung, das habe ich verschluckt. Selbstverständlich Frau Staatssekretärin, damit
hier keine Missverständnisse aufkommen.
Ich freue mich über Ihre Ausführungen, dass an dieser
Stelle noch nicht entschieden ist, dass das Förderprogramm beendet wird. Deshalb noch einmal die Bitte,
das nach außen klar zu kommunizieren. Sie müssen
nicht mich, sondern eine Vielzahl von Antragstellern, die
ein Problem haben, vertrösten. Bei ihnen herrscht eine
Riesenunklarheit.
Ich bitte Sie, zu versuchen, meine Frage an Sie im
Rahmen Ihrer Erkenntnisse positiv zu beantworten: Wie
beurteilen Sie denn die Chancen, dass dieses Programm
im bisherigen Umfang weitergeführt werden kann?
Es tut mir leid, Herr Krischer, ich kann Ihnen dazu
keine genaue Aussage machen. Ich möchte mich hier
nicht auf Aussagen festlegen, die hinterher nicht haltbar
sind. Ich bitte dafür um Verständnis. Ich kann Ihnen nur
sagen, dass von BMU-Seite alles getan wird, dass dieses
Programm entsprechend weiterlaufen kann und dass wir
deshalb die Anträge weiter bearbeiten, wie ich eben ausgeführt habe, sodass man dann, wenn die Mittel da sind,
zügig weiterarbeiten kann.
Vielen Dank. - Eine Nachfrage der Kollegin Bärbel
Höhn.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben zu Recht gesagt: Das ist eine unsichere Situation, die auch bei den
Antragstellern - das haben wir eben von Oliver Krischer
sehr deutlich gehört - zu Verunsicherung führt.
Ist im BMU schon einmal durchgerechnet worden,
wie viel weniger Anträge in diesem Jahr bearbeitet werden können, wie viel weniger aufgrund der desolaten
Einnahmesituation des Klima- und Energiefonds in diese
Mini-KWK am Ende investiert werden kann?
Frau Höhn, das kann ich Ihnen hier leider nicht mündlich darlegen. Das müsste ich Ihnen schriftlich nachreichen. Ich glaube aber nicht, dass wir jetzt einfach pauschal sagen können: Soundso viel weniger Geld ist jetzt
im EKF enthalten, und das hat eine direkte Auswirkung
auf das KWK-Programm in dieser Höhe. - Ich glaube,
dass wir darüber anders sprechen müssen. Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen das schriftlich nachreichen.
({0})
Vielen Dank. - Wir kommen zum Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Die Fragen 20 und 21 des Kollegen Arfst Wagner werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die
Frage 22 des Kollegen Oliver Krischer und die Frage 23
des Kollegen Niema Movassat werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts. Die Frage 24 des Kollegen Niema Movassat, die
Frage 25 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, die Fragen 26
und 27 der Kollegin Sevim Dağdelen, die Frage 28 der
Kollegin Katja Keul und die Frage 29 der Kollegin
Heike Hänsel werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 30 und 31 der
Kollegin Ulla Jelpke und die Frage 32 des Kollegen
Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 33 des Kollegen
Andrej Hunko, die Fragen 34 und 35 der Kollegin Lisa
Paus, die Fragen 36 und 37 der Kollegin Dr. Barbara
Höll, die Fragen 38 und 39 des Kollegen Dr. Axel Troost
und die Fragen 40 und 41 der Kollegin Katja Dörner
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 42 der
Kollegin Dr. Martina Bunge und die Fragen 43 und 44
der Kollegin Anette Kramme werden schriftlich beantwortet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende
unserer Fragestunde.
Die Aktuelle Stunde soll um 15.35 Uhr beginnen. So
ist es auch mit den Fraktionen vereinbart, da parallel der
Haushaltsausschuss tagt und die Mitglieder, die jetzt dort
arbeiten, dann in der Aktuellen Stunde gefordert sind.
Ich unterbreche jetzt bis 15.35 Uhr.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren in unserer Aussprache fort, indem ich den
Zusatzpunkt 1 aufrufe:
Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP
Verhalten von SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN im Bundesrat beim Fiskalpakt
Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat das Wort
der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter.
Bitte schön, Herr Kollege.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Bei dieser
Aktuellen Stunde geht es darum, wie ernst wir es mit unserem Versprechen meinen, ausgeglichene Haushalte in
den verschiedenen Gebietskörperschaftsebenen vorzulegen.
Ich will mit dem Hinweis darauf beginnen, dass wir
heute im Bundeskabinett die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2014 und die Finanzplanung bis 2017 beschlossen haben. Sie zeigen: Wenn man sich anstrengt, kann
man sogar historische Leistungen in der Finanzpolitik
vollbringen.
({0})
Wir haben innerhalb einer einzigen Legislaturperiode,
ausgehend von weit über 80 Milliarden Euro prognostizierter Nettokreditaufnahme, einen nachhaltig strukturell
ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Dies ist eine starke
Leistung in der Finanzpolitik.
({1})
Bevor der Kollege Schneider hier wieder die falsche
Behauptung aufstellt, das sei lediglich ein konjunktureller Effekt, will ich ihn darauf hinweisen, dass er schon
einige Jahrzehnte zurückgehen muss - wahrscheinlich
länger, als er auf dieser Welt ist -, um in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland beim Bund einen solch strukturell ausgeglichenen Haushalt zu finden.
Das ist ein Solitär, meine sehr verehrten Damen und
Herren, und es ist ein großartiger Erfolg des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble.
({2})
Der Bundesfinanzminister hat zu Beginn seiner
Amtszeit angekündigt, dass wir die Vorgaben der Schuldenregel im Grundgesetz, die sich auch im Fiskalpakt
wiederfindet, mit einem konsequenten Konsolidierungskurs einhalten wollen. Damals haben viele daran gezweifelt, dass das machbar ist. Aber wir haben die Vorgaben nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt. Schon im
Haushaltsvollzug 2012 haben wir die Vorgabe für 2016
erfüllt - vier Jahre früher als erforderlich! Die strukturelle Null ist nur die konsequente Fortsetzung dessen,
was wir in der Fiskalpolitik erreicht haben.
({3})
Ich erinnere dieses Hohe Haus daran, dass wir im Jahr
2010 bei den Debatten um die Schuldenbremse im
Grundgesetz, die ihre Entsprechung auf europäischer
Ebene im Fiskalpakt hat, darüber gesprochen haben, ob
der Abbaupfad überhaupt leistbar ist. Der Abbaupfad,
den wir damals festgelegt haben, interessiert keinen
mehr, weil wir deutlich darunter liegen. Wir haben unser
Ziel der Haushaltskonsolidierung mit Disziplin verfolgt;
wir haben es früher erreicht, als es möglich erschien und
rechtlich notwendig war, und haben viele Pessimisten
Lügen gestraft.
Wir machen eine ehrliche, solide Finanzpolitik. Wir
machen sie, orientiert am Ziel des Haushaltsausgleichs,
an den nachfolgenden Generationen und an unseren europäischen Partnern, um ein Vorbild zu sein. Diese
Haushaltspolitik wird beim Treffen der Staats- und Regierungschefs Ende dieser Woche sicherlich Beachtung
finden.
Was sich die Menschen in Deutschland in der Finanzpolitik am meisten wünschen, ist ein Ende der staatlichen
Verschuldungspolitik. Der Staat soll sich so verhalten, wie
sich auch jede Privatperson und jeder Unternehmer langfristig verhalten muss: nur so viel ausgeben, wie man
einnimmt. Das haben wir geschafft, und zwar ohne Erhöhung der großen Steuern, wie sie von der linken Seite
dieses Hauses stets und ständig eingefordert wird. Haushaltspolitik ist Ausgabendiät.
({4})
Wir haben damit auch belegt, dass Konsolidierung
und Wachstum kein Widerspruch sein muss; das diskutieren wir derzeit ja mit unseren europäischen Partnern.
Konsolidierung ist Wachstumsförderung. Nur dann,
wenn die Menschen in den Ländern Vertrauen haben,
auch in die öffentlichen Finanzen, fördern wir private Investitionen. Die Erfolgsgeschichte, wie wir sie beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt haben, ist auch darauf zurückzuführen, dass wir konsequent konsolidiert haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist allerdings nicht überall in Deutschland und nicht überall in
Europa so.
({5})
Während wir in dieser Woche im Bundeskabinett eine
strukturelle Null für den Bundeshaushalt beschlossen haben, hat das Landesverfassungsgericht in NordrheinWestfalen die dortige rot-grüne Landesregierung zum
dritten Mal innerhalb von zweieinhalb Jahren dadurch
abgewatscht, dass es einen Landeshaushalt von RotGrün für verfassungswidrig erklärt hat.
({6})
Wir orientieren uns am Grundsatz von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. In Nordrhein-Westfalen
scheint Verfassungsbruch neuerdings zum Kerninstrument der Haushaltspolitik zu gehören. Das geht nicht,
meine sehr verehrten Damen und Herren.
({7})
In Niedersachsen, wo Grüne und Rote regieren, zeigt ein
Blick in die Koalitionsvereinbarung, wie sie es mit der
Konsolidierung halten. Das von David McAllister vorgegebene Ziel, auch in Niedersachsen 2017 einen Haushaltsausgleich zu schaffen, wird erst einmal in die
nächste Legislaturperiode vertagt,
({8})
damit man in dieser Legislaturperiode mit den Wählerinnen und Wählern keinen Ärger hat, Wahlgeschenke verteilen und hemmungslos Schulden zulasten der nachfolgenden Generationen machen kann. Das ist offenbar rotgrüne Finanzpolitik in Niedersachsen. Das geht so aber
nicht. Es verstößt gegen das Grundgesetz, gegen den
Geist des Fiskalpaktes. Das ist nicht unser Anliegen.
({9})
Und wenn Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann,
heute hier sind: Auch die Haushaltspolitik in BadenWürttemberg reiht sich hier ein. Dafür, dass Sie jetzt allerdings den Buckel für einen Verfassungsbruch in Nordrhein-Westfalen hinhalten müssen, tun Sie mir schon fast
ein wenig leid.
Mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch
die rot-rot-grüne Verfahrensmehrheit im Bundesrat am
1. März 2013 versuchen Sie, die Pflichten, die Ihnen das
Grundgesetz eh aufgibt, sich ein Stück weit vom Bund
entgelten zu lassen. Sie fordern mehr Geld, weniger Verantwortung und weniger Achtung. Es kann auf Dauer
nicht gut gehen, wenn ein Teil in diesem Land für Konsolidierung zuständig ist und ein anderer Teil für weniger
Verantwortung, für weniger konsequentes Konsolidieren.
Wir müssen wieder zusammenkommen. Deswegen fordere ich die Bundesländer auf, beim Fiskalpakt keine
parteitaktischen Blockadespielchen zu machen, sondern
auf die Sachebene zurückzukommen. Deutschland ist
ein finanziell stabiles Land. Die Länder können das, der
Bund kann das. Gemeinsam sollten wir dieses Signal
nach außen setzen.
({10})
Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die
Behauptung der Länder nicht zutreffend ist, es gebe eine
neue Verpflichtung. Nicht nur dass das Grundgesetz
selbstverständlich auch die Länderhaushalte schon seit
längerem bindet: Auch der präventive Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts verpflichtet zur Begrenzung
des strukturellen gesamtstaatlichen Defizites schon seit
dem Jahre 2005.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen
für stabile Finanzen in Deutschland.
({11})
Wir stehen dafür, dass wir auch von anderen in Europa
verlangen, ihre Finanzen stabil zu halten. Es wirft ein
recht seltsames Licht auf den Föderalismus, wenn ein
Teil des Bundesrates hier ausbüxen will. Wer Regierungsverantwortung hat, muss sie wahrnehmen. Wer das
Grundgesetz achtet, muss Haushalte konsolidieren. Das
gilt für Bund und Länder, und das gilt für alle Länder,
unabhängig von den parlamentarischen Mehrheiten.
({12})
Damit es klar ist: Der Bund wird auch unabhängig
von solchen taktischen Spielereien die finanzielle Entlastung der Länder und die in dieser Beziehung gegebenen Zusagen einhalten. Ich erwähne es einmal kurz und
kursorisch: Allein in dieser Legislaturperiode haben wir
Einnahmeverschiebungen zulasten des Bundes und zugunsten der Länder und Gemeinden durchgeführt, bei
denen es um einen deutlich zweistelligen Milliardenbetrag geht. Ob es das Steuervereinfachungsgesetz oder die
Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung sind - ein wichtiges Thema gerade für die Kommunen, da es für die wohl nachhaltigste
Entlastung der kommunalen Haushalte sorgt -, ob es der
Ausgleich der Kosten der Umsetzung des Bildungspaketes oder die Festschreibung der Bundesbeteiligung an
den Kosten der Unterkunft sind, ob es im Bereich der
Bildung die Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt oder
der Qualitätspakt Lehre sind, ob es im Bereich der Familie der Ausbau der Kinderbetreuung, das Bundeskinderschutzgesetz oder die Kindergelderhöhungen sind, ob es
- dieses Thema wurde von den Ländern als wichtig erachtet - die Übernahme der Verwaltungskosten beim
Zensus 2011 ist: Das sind jährliche Überweisungen zugunsten von Ländern und Gemeinden - die bei uns zu
Buche schlagen - von knapp 10 Milliarden Euro in der
vollen Ausbaustufe. Das bekommen Länder und Gemeinden mehr, als zu Beginn der Legislaturperiode in ihren Planungen vorgesehen war.
Das macht deutlich: Der Bund leistet dort, wo es
möglich und nötig ist, solidarische Hilfe für Länder und
Gemeinden.
({13})
Er kann aber zugleich seinen Haushalt konsolidieren.
Wir sollten jetzt nicht versuchen, diese Konsolidierungserfolge im Vermittlungsausschuss politisch zu instrumentalisieren. Das Grundgesetz gilt, der Fiskalpakt gilt;
die Länder sind aufgefordert, aktiv mitzuwirken, insbesondere die rot-rot-grünen.
({14})
Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die
Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Carsten
Schneider. Bitte schön, Kollege Carsten Schneider.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Man spürt geradezu den Phantomschmerz des Herrn
Staatssekretärs,
({0})
der daher rührt, dass die Wähler in Nordrhein-Westfalen
eine Entscheidung getroffen haben, die verhindert hat,
dass er, der Schattenfinanzminister, und der damalige
Umweltminister, Herr Röttgen, an die Regierung kommen.
({1})
Ich glaube, die Wähler in Nordrhein-Westfalen haben
weise entschieden.
({2})
Es hilft auch nichts, diesen Phantomschmerz immer wieder hier im Deutschen Bundestag zu kühlen.
({3})
Herr Kampeter, Sie haben jetzt hier über die Schuldenbremse gesprochen, aber auch über den Bundeshaushalt für 2014, den der Finanzminister heute im Kabinett
vorgestellt hat
({4})
und den die nächste Bundesregierung und der nächste
Deutsche Bundestag zu verantworten haben. Allerdings
haben Sie dabei vergessen, zu sagen, wie es denn eigentlich im Jahre 2013 aussieht: Wir haben in Deutschland
die höchsten Steuereinnahmen, die es jemals gab.
({5})
Wir haben aufgrund der extrem guten Konjunktur die
niedrigsten Sozialausgaben.
({6})
Gegenüber der Planung für 2013 sparen Sie allein bei
den Zinsausgaben 10 Milliarden Euro.
({7})
Trotz dieser extrem guten Zahlen machen Sie in diesem
Jahr 17 Milliarden Euro neue Schulden.
({8})
Das, meine Damen und Herren, ist kein Ruhmesblatt.
({9})
Carsten Schneider ({10})
Sie schaffen es nicht einmal im Wahlkampfhaushalt für
2014, den Sie nicht mehr beschließen werden: Selbst darin sind noch über 6 Milliarden Euro neue Schulden vorgesehen - keine Tilgung.
Wir haben uns hier im Deutschen Bundestag verpflichtet, die Mittel für die Konjunkturprogramme, die
wir 2009 und 2010 aufgelegt haben, um die Konjunktur
nach vorn zu bringen - das hat zum Glück funktioniert -,
in guten Zeiten zurückzuzahlen. Keinen einzigen Cent
tilgen Sie; vier Jahre danach haben Sie keinen einzigen
Cent getilgt. Im Gegenteil: Sie machen noch neue Schulden.
({11})
Darauf wäre ich nicht stolz.
An Ihrer Stelle hätte ich mir einmal die Subventionen
angeschaut.
({12})
Eigentlich hat man gedacht, dass Sie von den Liberalen
da herangehen wollen. Herr Kampeter, Sie haben gerade
gesagt, wie Sie den Ländern immer geholfen haben. Das
Erste, das Sie in dieser Legislatur umgesetzt haben, als
Sie noch die Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat
hatten, war das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
({13})
Was steckte dahinter? Die Subventionierung der Hoteliers und sonstiger Industriebereiche.
({14})
Dafür haben Sie 1 Milliarde Euro jedes Jahr ausgegeben,
Geld, das Sie den Ländern entzogen haben.
({15})
Meine Damen und Herren, zum Glück haben wir dem
dank der neuen Bundesratsmehrheit etwas entgegengesetzt; das geht nicht mehr.
({16})
Der nächste Punkt: der Bundesbankgewinn. Der Bundesbankpräsident, Herr Weidmann, hat gestern eine sehr
zurückhaltende Bewertung der Risiken aus der EuroKrise im laufenden Jahr abgegeben. Ich sage: Es ist in
Ordnung, dort für Rückstellungen zu sorgen; denn die
wirkliche Lösung der Euro-Krise wird derzeit nicht im
Deutschen Bundestag, sondern bei der Europäischen
Zentralbank gemacht. Weil Sie nicht den Mut haben, den
Leuten reinen Wein einzuschenken, springt die EZB ein
und nimmt gemeinschaftliche Risiken in ihr Portfolio.
Dafür trägt die Bundesbank jetzt Vorsorge.
({17})
Man fragt sich aber: Was macht eigentlich der Bundesfinanzminister als ehrbarer Kaufmann? Wir haben auch
Kredite direkt ausgereicht: an Griechenland, Irland und
Spanien. Wie viel Vorsorge ist dafür eigentlich getroffen
worden? Kein einziger Cent!
({18})
Die Probleme werden in die nächste Legislaturperiode mitgenommen. Wir Sozialdemokraten sagen: Wir
brauchen eine klare, solide Finanzpolitik. Deswegen haben wir - im Gegensatz zur FDP - die Aufnahme der
Schuldenbremse in die Verfassung beschlossen.
({19})
Wir hätten es gut gefunden, wenn sie auch im europäischen Recht verankert wäre und nicht nur auf zwischenstaatlicher Ebene.
({20})
Wir hätten vor allen Dingen auch gut gefunden, wenn
Sie diejenigen im Bankensektor, die enorm von unserer
Rettungspolitik profitiert haben, in die Verantwortung
genommen hätten, nämlich diejenigen, die hohe Vermögen haben.
Seit der Finanzkrise wurden über 300 Milliarden Euro
neue Schulden aufgenommen,
({21})
davon entfallen 100 Milliarden Euro auf Ihre Regierungszeit in dieser Legislaturperiode. Davon haben Sie
keinen Cent zurückgezahlt.
({22})
Wir wollen, dass diejenigen, die von der Rettung profitiert haben, einen Teil der Lasten tragen. Das ist gerecht,
aber wenn Sie das als Steuererhöhung bezeichnen, Herr
Staatssekretär:
({23})
Wissen Sie: In meinem Wahlkreis in Erfurt-Weimar sind
über 95 Prozent der Menschen nicht betroffen. Die
5 Prozent, die über große Vermögen und hohe Einkommen verfügen, können einen Teil der Lasten tragen.
({24})
Wir als Sozialdemokraten haben ein ausgewogenes
Konzept: auf der einen Seite Subventionsabbau, auf der
anderen Seite Konzentration darauf, dass die stärkeren
Schultern sich an den Kosten der Rettung beteiligen, von
Carsten Schneider ({25})
der vor allem sie profitiert haben. Meine Damen und
Herren, ich würde sagen: Das war ein Rohrkrepierer.
({26})
Vielen Dank, Kollege Carsten Schneider. - Nächster
Redner für die Fraktion der FDP: unser Kollege
Dr. Florian Toncar. Bitte schön, Kollege Dr. Toncar.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Derzeit erleben wir in Deutschland und in
Europa eine Zeitenwende. Das überkommene Politikmodell, dass der Staat mehr ausgibt, als er sich leisten
kann, stößt erkennbar an seine Grenzen.
({0})
Die meisten Industrieländer sind heute an einem
Punkt angelangt, an dem weitere Schulden Wohlstand
und Zukunftschancen kosten. Bei unseren Nachbarn in
Südeuropa führt das Maß an Verschuldung mittlerweile
zu einer Zerreißprobe für ganze Gesellschaften. Das ist
der Befund. Das ist der Hintergrund, vor dem wir diese
Debatte führen.
({1})
Deutschland hat bereits 2010 eine Antwort auf diesen
Befund gegeben.
({2})
Wir haben in Deutschland eine Haushaltssanierung vorgenommen, die beispiellos ist: von einer Rekordverschuldung, wie sie die Vorgängerregierung vorgeschlagen hat, zu einem Haushaltsentwurf 2014, der strukturell
ausgeglichen ist und der die niedrigste Neuverschuldung
seit Jahrzehnten vorsieht. Das ist das, was Deutschland
auf Bundesebene in den letzten vier Jahren geleistet hat.
({3})
In der Finanzplanung, die Ihnen vorgelegt wird, ist
vorgesehen, dass 2015 und auch 2016 die alten Schulden
des Bundes zunehmend getilgt werden. Wir im Bund
sorgen für eine Schuldentilgung. Davon können einige
Länder - Herr Kretschmann ist anwesend - wahrscheinlich nur träumen, wenn sie nichts ändern. Das Wort „Tilgung“ kommt da in den Regierungserklärungen jedenfalls nicht vor; hier, auf Bundesebene, wird es ab 2015
gemacht. Das ist ein Unterschied, auf den man hinweisen muss.
({4})
2010 wurde die Bundesrepublik Deutschland für ihren eingeschlagenen Kurs zum Teil noch kritisiert. Aber
die Euro-Krise brachte die Erkenntnis - und zwar nach
und nach in ganz Europa -, dass es so nicht weitergehen
kann. Eine der Konsequenzen, die Europa gezogen hat,
war der Fiskalpakt, über den wir heute diskutieren.
Der Fiskalpakt sieht vor, dass ein Land in der EuroZone zukünftig nicht mehr als 3 Prozent neue Schulden
machen darf, sondern nur noch 0,5 Prozent, also wesentlich weniger. Der Fiskalpakt sieht ferner vor, dass die
Euro-Länder und auch einige weitere ihre Verschuldung
Schritt für Schritt auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts abbauen müssen. Zu diesen Verpflichtungen hat
sich Europa bekannt, darunter Länder, die sich in einer
weitaus schwierigeren Ausgangslage befinden als
Deutschland.
({5})
Das war ein Erfolg dieser Bundesregierung, und das war
auch die richtige Lösung, die wir hier für die durch die
Euro-Krise verursachten Probleme gefunden haben.
({6})
Der Bundesrat, der diesem Fiskalpakt zustimmen
muss, hat schon letztes Jahr mit einem Veto gedroht. In
einer ganz kritischen Phase der Euro-Stabilisierung, als
sich Menschen auf der Welt gefragt haben: „Gibt es den
Euro bald überhaupt noch, oder zerfleddert die EuroZone, weil sich einige Staaten nicht darin halten können?“, als wir eine politische Antwort geben mussten:
„Wir schaffen es in Europa“, hat der Bundesrat in
Deutschland bei einer der wichtigsten Maßnahmen mit
einem Veto gedroht. Das war schäbig, das war schädlich,
und das dürfen wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
({7})
Heute liegt ein Gesetzentwurf zur innerstaatlichen
Umsetzung dieses Fiskalvertrags vor, und die Opposition - das ist im Grunde kein Wunder - blockiert im
Bundesrat erneut. Sie ruft den Vermittlungsausschuss an.
Die Opposition aus Rot und Grün - das darf man noch
einmal sagen -,
({8})
die 2004 den Europäischen Stabilitätspakt überhaupt erst
gebogen und gebrochen hat,
({9})
die daher Mitverantwortung dafür trägt, dass es in Europa zu dieser Schuldenkrise kommen konnte,
({10})
stört heute beim Aufräumen. Das ist unredlich. Das, was
Sie hier machen, ist nicht verantwortungsvoll.
({11})
Warum macht die Opposition das? Die Antwort ist
einfach: weil sie weiter Schulden machen will, weil sie
nicht mit Geld umgehen kann. In den Bundesländern, in
denen Sie regieren, kann man sich das anschauen.
({12})
In Baden-Württemberg beispielsweise steigen die Einnahmen, aber die Ausgaben steigen noch viel stärker.
Die Ausgaben steigen in Baden-Württemberg um
15 Prozent in nur zweieinhalb Jahren. Das muss man
überhaupt erst mal hinkriegen, so viel Geld auszugeben.
Sie können einfach nicht mit Geld umgehen. Das ist der
Grund, warum Sie diesen Vertrag blockieren.
({13})
In Nordrhein-Westfalen haben Sie gestern zum dritten
Mal das Zeugnis bekommen: Haushalt verfassungswidrig und nichtig. Sie beschädigen damit nicht nur die Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen. Wenn dreimal
hintereinander so etwas passiert, dann beschädigen Sie
damit meines Erachtens allmählich auch das Rechtsbewusstsein. Auch das ist ein Schaden, der ganz erheblich
ist.
({14})
Sie wollen sich an Regeln nicht halten.
({15})
Die Spitzenpolitiker von SPD und Grünen touren
durch Europa. Herr Steinbrück ist in fast allen Ländern
gewesen. Fast überall hat er gesagt: Also, wenn wir
drankommen, dann müsst ihr weniger sparen, dann lockern wir die Auflagen, dann wird das mit den Reformen
nicht mehr so ernst genommen. Zuletzt hat er in Frankreich gesagt: Ob die Neuverschuldung 3 Prozent oder
ein bisschen mehr beträgt, das ist alles nicht so tragisch.
Sie stehen also nicht nur für Schulden in Deutschland,
in den Bundesländern, sondern Sie stehen auch für eine
Politik des lockeren Geldes in Europa. Könnten Sie das
umsetzen, würden Sie die Krise verschlimmern.
({16})
Ihr Vorbild François Hollande ist Argument genug, warum das, was Sie in Deutschland und in Europa vorhaben, der falsche Weg ist.
({17})
Was erreichen Sie mit der Blockade dieses wichtigen
Gesetzentwurfs? Die Bundesregierung wird in Europa
gefragt: Ihr habt den Fiskalpakt ausgehandelt, ihr wolltet
ihn, warum kommt er jetzt eigentlich nicht? - Was Sie
tun, ist, dass Sie die deutsche Position bewusst und absichtsvoll untergraben. Damit schaden Sie unserem
Land.
({18})
Dafür gibt es kein Argument. Ich fordere Sie und insbesondere den Bundesrat auf, von dieser schädlichen Politik des leichten Geldes Abstand zu nehmen und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit Deutschlands in
Europa und das Vertrauen in die Euro-Zone wiederherzustellen.
({19})
Vielen Dank, Kollege Dr. Toncar. - Nächster Redner
für die Fraktion Die Linke: unser Kollege Dr. Dietmar
Bartsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
gelesen, dass es hier um das Verhalten von SPD und
Grünen im Bundesrat gehen soll. Jetzt habe ich aber verstanden, dass es um den Haushaltsentwurf geht, den Herr
Schäuble heute im Kabinett vorgestellt hat.
({0})
Ich will nur einige wenige Argumente nennen: Sie
schildern hier eine Erfolgsgeschichte, Herr Kampeter.
Fakt ist: Diese Koalition hat in dieser Legislatur circa
100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das kann
doch keine Erfolgsbilanz sein. Sie brüsten sich hier mit
solchen Begriffen, obwohl das Gegenteil der Fall ist.
({1})
Schauen wir uns einmal an, was Sie in diesem Jahr alles machen, obwohl Sie neue Schulden machen: Sie
plündern die Sozialkassen, Sie fahren die Investitionen
zurück, und Sie blenden sämtliche Risiken aus. Das ist
Ihr Haushalt, den Sie vorlegen. Ich kann überhaupt nicht
nachvollziehen, warum Sie darauf so stolz sind und sagen: Das ist alles wunderbar.
Eines ist entscheidend: Sie kommen hier mit einer
schwarzen Null an. Ich erinnere mich: Es gab schon einmal einen Finanzminister, der vor der Wahl von einer
schwarzen Null gesprochen hat. Was daraus geworden
ist, wissen wir. Sie machen das doch nur, weil Sie genau
wissen: Diese Koalition wird nach der Wahl im September nicht weiterregieren.
({2})
Dann kann man darauf verweisen, dass man einen so
hervorragenden Haushalt vorgelegt hat.
({3})
Lassen Sie mich auf das zu sprechen kommen, worum
es hier eigentlich geht. In dieser Aktuellen Stunde geht
es um SPD und Grüne. Als Linker bin ich da vollkommen neutral.
({4})
Wollen wir einmal die Frage stellen: Warum ist das im
Bundesrat gescheitert? Das ist erst einmal eine reine
Sachfrage.
({5})
- Selbstverständlich hat die rot-rote Regierung in Brandenburg mitgemacht.
({6})
Für das Scheitern sind aber nicht die Bundesländer verantwortlich, sondern allein der Bund.
({7})
Es gab, wie Sie alle wissen, ein entsprechendes Eckpunktepapier aus dem Jahr 2012. Da ist etwas vereinbart
worden.
({8})
Die Bundesregierung hat sich daran aber nicht gehalten.
({9})
Es gab eine Bringschuld. Wenn sich ein Partner nicht daran hält, dann wird der Vertrag selbstverständlich nicht
geschlossen. Sie haben die Verantwortung.
({10})
Die Bundesregierung ist nicht verlässlich. Sie trägt die
Verantwortung dafür, dass diese Entscheidung im Bundesrat nicht zustande gekommen ist.
({11})
Ich will noch einmal darauf hinweisen: Die Zustimmung zum Fiskalpakt haben Sie sich damals auf diese
Art und Weise bei den Ländern erkauft. Wenn dem so
ist, dann müssen Sie die Vereinbarungen doch auch einhalten. Es ist eher unverständlich, dass Länder wie Sachsen zustimmen. Das ist falsch.
({12})
Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, noch über
eines zu reden. Dass wir als Linke den Fiskalpakt abgelehnt haben, wissen Sie. Das ist auch richtig so. Dass wir
logischerweise die innerstaatliche Umsetzung ebenfalls
ablehnen, ist auch klar. Aber es ist notwendig, dass wir
uns gemeinsam, und zwar nicht so sehr parteipolitisch,
einmal Gedanken darüber machen, wie wir die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen
regeln. Wir brauchen eine Föderalismusreform III. Jetzt
ist nicht die Zeit dafür; aber wir sollten nach der Bundestagswahl darüber nachdenken, hier wirklich etwas zu
tun, damit auch die Kommunen wieder Geld haben. Die
Kommunen haben immer weniger Geld. Sie können
nicht einmal mehr ihre Pflichtaufgaben erfüllen. Da
muss investiert werden. Das wäre notwendig.
({13})
Das ist eine Aufgabe für uns alle hier im Haus, und zwar
ohne Parteipolitik; denn Mehrheiten ändern sich. Man
sieht es ja an Nordrhein-Westfalen: Immer wenn man
nicht mehr regiert, schimpft man auf die Regierung davor. - Das kennen wir alle. Wo wir regiert haben, gab es
immer eine ordentliche Finanzpolitik, so wie jetzt auch
in Brandenburg.
({14})
- Danke für den Beifall.
({15})
- Nein, das ist einfach wahr. Das können Sie doch nachvollziehen. Es gibt einen ausgeglichenen Haushalt in
Brandenburg. Schauen Sie sich einmal das Bundesland
an, in dem Sie regiert haben. Dort ist das nicht der Fall.
Lassen Sie mich noch einen Punkt zur Sache sagen.
Es geht um die sogenannten Entflechtungsmittel. Der
Bund hat versprochen, hier Planungssicherheit herzustellen. Das war Teil des Versprechens an die Länder.
Real ist es so, dass diese Zusage aufgehoben wird. Was
sind denn Entflechtungsmittel? Im Kern geht es da nur
um investive Mittel. Schaut man sich den Bundeshaushalt an - er wurde im Übrigen heute vorgestellt -, sieht
man, dass die Investitionen wirklich sehr bescheiden
sind. Dies ist nach unserer Auffassung viel zu wenig. Bei
den Entflechtungsmitteln geht es aber um die Zukunft.
Es geht um Mittel für den Hochschulbau und für die
Wohnraumförderung. Die Länder und die betroffenen
Kommunen brauchen dafür Planungssicherheit. Deswegen ist das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, im
Bundesrat völlig zu Recht gescheitert.
Ähnlich ist es mit den Bund-Länder-Anleihen. Was
ist denn daran verwerflich, wenn die Länder von der guten Bonität des Bundes profitieren? Das ist doch sehr
sinnvoll. Es kann doch niemand dagegen sein.
({16})
Das verfassungsrechtlich korrekt zu klären, und zwar so,
dass die Länder davon profitieren, ist doch einfach nur
richtig. Warum macht die Bundesregierung das nicht?
({17})
Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, dass die
Umsetzung des Fiskalvertrags im Bundesrat gescheitert
ist, weil sie nicht zuverlässig ist. In diesem Sinne richtet
sich die Aktuelle Stunde im Kern nur gegen die Bundesregierung. Man kann sich bei der schwarz-gelben Koalition für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde bedanken.
Danke schön.
({18})
Vielen Dank, Kollege Dr. Bartsch. - Nächster Redner
in unserer Aktuellen Stunde ist aus dem Bundesrat
Vizepräsident Eduard Oswald
Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Bitte schön,
Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident ({0}):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen aus
dem Bundestag! Der Bundesfinanzminister und Abgeordnete der Koalitionsparteien haben am Wochenende
schwere Vorwürfe gegen den Bundesrat erhoben. Von
Verantwortungslosigkeit war die Rede,
({1})
von Schaden für die Interessen und das öffentliche Ansehen der Bundesrepublik im Ausland. Mit dieser Aktuellen Stunde soll das fortgeführt werden. Auch der Staatssekretär hat von Blockadepolitik gesprochen.
Meine Damen und Herren, diese Vorwürfe sind haltlos.
({2})
Sie zeugen von einem falschen Verständnis der Verfassungsorgane und deren Funktionen, wie sie im Grundgesetz vorgesehen sind.
({3})
Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: So können Verfassungsorgane nicht miteinander umgehen.
({4})
Die Länder haben im Bundesrat ihre Verantwortung
für Europa und die Bundesrepublik Deutschland sehr
deutlich gemacht. Sie haben am 29. Juni 2012 den Fiskalpakt fast einstimmig ratifiziert. Nachdem die Bundesregierung erst gezwungen werden musste, die Länder
und auch den Bundestag entsprechend der Verfassung zu
beteiligen, gab es eine Vereinbarung, die eine Reihe von
Maßnahmen für Länder und Kommunen enthält und
auch enthalten muss, weil der Fiskalpakt auch für die
Länder und vor allem für die Kommunen neue Belastungen mit sich gebracht hat. Das war für beide Seiten ein
schwieriger, aber auch ein notwendiger Schritt.
({5})
Ich zitiere meinen Kollegen Bouffier aus der Debatte des
Bundesrates:
Wir sind nicht nur der Treuhänder der Kommunen.
Auf Dauer wird es ohne starke Kommunen weder
starke Länder noch einen starken Gesamtstaat geben. So verstanden haben wir nicht nur im Interesse
der Kommunen, sondern im Interesse aller gehandelt. Insofern hat der Bund durch sein Entgegenkommen - wenn auch nicht aus Altruismus, so
doch im Interesse des Ganzen -, wie ich finde, richtig gehandelt.
Allerdings hat der Bund seine Zusagen nicht eingehalten.
({6})
Wir, Bund und Länder, haben damals gemeinsam vereinbart, dass wir bis zum Herbst 2012 eine Einigung
über die Fortzahlung der Entflechtungsmittel bis 2019
treffen,
({7})
dass wir gemeinsam Bund-Länder-Anleihen auf den
Weg bringen, dass die Länder von allen Haftungen freigestellt werden, die aus der Geltung des Fiskalpaktes erwachsen können, und dass wir festlegen, wie eventuelle
Sanktionszahlungen aufgeteilt werden, die aus Verstößen gegen die Vereinbarungen des Fiskalpaktes resultieren. - Das war vereinbart. Die Länder sind in Vorleistung gegangen und haben am 29. Juni 2012 den
Fiskalpakt mit 15 Stimmen ratifiziert. Wir haben also
unseren Teil zur Stabilisierung Europas beigetragen. Der
Bundesrat ist seiner Verantwortung gerecht geworden.
({8})
Lassen Sie mich noch einen Aspekt hervorheben, der
uns Ländern sehr wichtig ist. Wir haben in einem Entschluss des Bundesrates frühzeitig gefordert, dass wir
die Bestimmungen zur Zusammenarbeit der Länder in
EU-Angelegenheiten den neuen Erfordernissen nach
dem Bundesverfassungsgerichtsurteil anpassen. So geschieht es derzeit auch beim Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag
in Angelegenheiten der Europäischen Union. Gestatten
Sie mir den Hinweis und den Appell an dieses Hohe
Haus, bei der anstehenden Beratung Ihres Zusammenarbeitsgesetzes auch den Gesetzentwurf der Länder zu berücksichtigen, damit beide Gesetze möglichst in einem
Beratungsgang verabschiedet werden können.
Es war uns damals klar, dass wir den Fiskalpakt nicht
ausgerechnet in Deutschland scheitern lassen wollten
oder konnten.
({9})
Wir brauchten ein starkes Signal aus Deutschland für die
verunsicherten Finanzmärkte und die Euro-Partner; aber
jetzt muss der Bund seine Verantwortung wahrnehmen
und zu seinem Wort stehen.
({10})
Ministerpräsident Winfried Kretschmann ({11})
Bei der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags
erwarte ich, dass er seine Zusagen einhält. Dies ist ein
Zeichen von Verlässlichkeit. Genau diese Verlässlichkeit
lässt die Bundesregierung vermissen.
({12})
Es wäre jetzt Ihre Aufgabe gewesen, für die Umsetzung der Vereinbarungen zu sorgen. Sie haben uns im
Dezember 2012 ein Gesetz zur Umsetzung des Fiskalpaktes vorgelegt, das all die getroffenen Vereinbarungen
nicht oder nicht wie vereinbart enthielt. Dem hat der
Bundesrat nicht zugestimmt. Statt aber nun selbst den
Vermittlungsausschuss anzurufen, um die inhaltlichen
Fragen sachlich zu klären, legen Sie dasselbe Gesetz
- jedenfalls in Bezug auf die wesentlichen noch zu klärenden Passagen - noch einmal vor. Darin waren nicht
enthalten eine Vereinbarung zu der Fortzahlung der Entflechtungsmittel bis 2019, eine vereinbarte Aufteilung
der Sanktionszahlungen und eine Haftungsfreistellung
der Länder von Risiken aus dem Fiskalpakt.
({13})
Das ist mit der Bundesregierung vereinbart worden.
({14})
Nun aber denunzieren Sie den Bundesrat als Blockierer, weil er das im Grundgesetz zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten vorgesehene Verfahren, nämlich
die Anrufung des Vermittlungsausschusses, gewählt hat.
Der Vermittlungsausschuss hat die Funktion, Streitfragen zu lösen. Darum heißt er so.
({15})
Die Anrufung des Vermittlungsausschusses als Blockierung zu denunzieren, das geht einfach nicht.
({16})
Die Anrufung des Vermittlungsausschusses soll eine
Blockade gerade verhindern. Das ist der Sinn des Verfahrens, das unser Grundgesetz, unsere Verfassung, vorsieht. Wir können nicht so miteinander umgehen, dass
ein Verfassungsorgan, wenn es das im Grundgesetz vorgesehene Verfahren einleitet, um Blockaden zu verhindern, als Blockierer hingestellt wird. Meine Damen und
Herren, das geht einfach nicht.
({17})
Sie entwerfen wirklich ein Zerrbild des Bundesrates.
Herr Abgeordneter Toncar, ich darf darauf hinweisen: Es
gibt im Bundesrat keine Opposition und keine Fraktionen. Dort sind nur Länder vertreten.
({18})
Sie entwerfen aus Wahlkampfgründen - oder aus welchen Gründen auch immer - ein Zerrbild, das das Ansehen des Bundesrates beschädigt. So können wir nicht
miteinander umgehen. Es ist unsere Aufgabe, die Probleme dieses Landes gemeinsam zu lösen;
({19})
dazu sind die Gesetzgebungsorgane und der Vermittlungsausschuss da. Ich fordere die Bundesregierung und
Sie alle auf, zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückzukehren.
Herzlichen Dank.
({20})
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Kretschmann. Wir fahren fort. Nächster Redner für die Fraktion von
CDU und CSU ist unser Kollege Thomas Strobl. Bitte
schön, Kollege Thomas Strobl.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Um es klar zu sagen: Was wir derzeit im Bundesrat erleben, ist ein politisches Trauerspiel. Erneut wurde das
Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags aufgehalten.
({0})
Dieses Trauerspiel wird aufgeführt von der SPD, den
Grünen und der extremistischen Linken.
({1})
Es ist unerträglich, dass Rot-Rot-Grün die Länderkammer auf diese Art und Weise für parteipolitische Interessen und nichts anderes missbraucht. Diesen Missbrauch,
diese Instrumentalisierung werden wir nicht akzeptieren.
({2})
Europa, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist
in einer kritischen Phase der Krisenbewältigung.
Deutschland und die deutschen Länder müssen mit gutem Beispiel vorangehen, um den Umsetzungsdruck in
allen anderen Euro-Staaten aufrechtzuerhalten. Wir müssen zeigen, dass wir es dauerhaft ernst meinen. Ausdruck
dieser Ernsthaftigkeit ist das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz.
({3})
Die Bundesländer haben der Ratifizierung des Fiskalvertrags zugestimmt; das ist wahr. Damit sagen wir: Wir
wollen die deutsche Schuldenbremse in Europa haben. Dass die Bundesländer nun aber die nationale Folgegesetzgebung in Deutschland ablehnen, ist nicht konsistent. Herr Ministerpräsident Kretschmann, als Rechtfertigung sagen Sie, der Bund habe sich nicht an
Absprachen gehalten. Aber Sie wissen genau: Das ist
falsch.
Erstens. Im Eckpunktepapier vom Juni 2012 ist dokumentiert, dass sich Bund und Länder noch über die Höhe
der sogenannten Entflechtungsmittel in den Jahren 2014
bis 2019 einigen werden. Der Bund hat dazu einen vernünftigen Vorschlag vorgelegt.
({4})
Es waren die Länder, die nicht auf die Gespräche eingegangen sind.
({5})
Zweitens. Im Eckpunktepapier steht, dass der Bund
bereit ist, für den Zeitraum bis 2019 das Risiko etwaiger
Sanktionszahlungen zu übernehmen. Da steht nicht, dass
er es auch danach machen wird.
Drittens. Was die gemeinsamen Anleihen von Bund
und Ländern anbelangt, so steht im Eckpunktepapier
schon gar nichts von einer Schuldenvergemeinschaftung.
Eine Vergemeinschaftung der Schulden, Euro-Bonds,
das wollen Sie, die Grünen, die SPD, die Linke. Wir
wollen die Vergemeinschaftung der Schulden, die EuroBonds, nicht.
({6})
Das sind drei Beispiele, die Ihre billige Blockadestrategie entlarven.
({7})
Wenn es den Sozialdemokraten und den Grünen mit
dem Thema Neuverschuldung ernst wäre, dann müssten
sie auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Verpflichtung, Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild
umzusetzen, vorangehen. Außerdem, Herr Ministerpräsident, müssten Sie in den Ländern, in denen Sie mitregieren, mit gutem Beispiel vorangehen.
({8})
Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal das rote Flaggschiff Nordrhein-Westfalen und das
grüne Flaggschiff Baden-Württemberg an! Baden-Württemberg hat im Vergleich zu anderen Bundesländern einen niedrigen Schuldenstand; 2011 hatte es mit den
niedrigsten Schuldenstand in der Republik. Günstige
Voraussetzungen für eine ehrgeizige Haushaltspolitik
wären das gewesen. Der baden-württembergische Ministerpräsident redet bei jeder Gelegenheit von Nachhaltigkeit. Doch im Doppelhaushalt 2013/2014 macht Herr
Kretschmann 3,5 Milliarden Euro neue Schulden.
({9})
Bis 2020 plant er jedes Jahr neue Schulden anzuhäufen
- 7 Milliarden Euro -, und das, obwohl es Baden-Württemberg ökonomisch so gut geht wie noch nie, die Steuereinnahmen so hoch sind wie noch nie. Das zeigt: Das
einzig Nachhaltige an grüner Finanzpolitik sind dauerhaft höhere Schulden, die uns die Grünen hinterlassen.
({10})
Nachhaltigkeit, Herr Ministerpräsident, gibt es nicht nur
in der Umweltpolitik und nicht nur beim Reden, Nachhaltigkeit gibt es auch in der Finanzpolitik. Was Sie in
Baden-Württemberg in der Finanz- und Haushaltspolitik
machen, hat mit Nachhaltigkeit nichts, aber auch gar
nichts zu tun.
({11})
Nordrhein-Westfalen ist ein noch gravierenderer Fall:
Verfassungsverstoß beim Haushalt zum dritten Mal, die
Schuldenbremse nicht eingehalten; der Kollege
Kampeter hat zu Recht darauf hingewiesen.
Nachhaltige Verschuldung in Baden-Württemberg,
fortgesetzter Verfassungsbruch in Nordrhein-Westfalen das ist die real existierende Haushalts- und Finanzpolitik
von Rot-Grün. Damit haben wir nichts zu tun.
({12})
Die Wirklichkeit zeigt: Nicht in Baden-Württemberg
und nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern in den
unionsgeführten Ländern - in Bayern, in Sachsen, in
Thüringen - werden keine neuen Schulden mehr gemacht.
({13})
In Bayern werden sogar Schulden zurückgezahlt. Die
Koalition hat einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt vorgelegt.
Die Union steht in den Ländern, im Bund und gerade
auch in Europa für finanzpolitische Solidität und Verantwortung und Stabilität. SPD und Grüne stehen für immer
höhere Schulden, immer weiter in den Schuldenstaat
hinein.
({14})
Thomas Strobl ({15})
Die SPD in Nordrhein-Westfalen und die Grünen in Baden-Württemberg beweisen: Rot und Grün können es
nicht. Deswegen werden wir den Sozialdemokraten und
den Grünen im Herbst nicht auch noch den Bundeshaushalt und die Verantwortung für Europa überlassen.
({16})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege
Michael Roth. Bitte schön, Kollege Michael Roth.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mensch, was muss die Koalition gefrustet sein!
({0})
Ich kann ja verstehen, dass Sie enttäuscht sind, weil Sie
in einem Bundesland nach dem anderen eine richtige
Klatsche beziehen. Hier sitzen die Wahlverlierer auf der
Landesebene: Schwarz-Gelb. Sie haben die Quittung bekommen.
({1})
Es hat sich bis zu uns nach Hessen herumgesprochen:
Da war doch etwas in Baden-Württemberg. War das
nicht Ministerpräsident Mappus, dem im Zusammenhang mit EnBW Verfassungsbruch bescheinigt worden
ist?
({2})
Und da blasen Sie sich hier auf, Herr Strobl, dass wir
Angst haben müssen, Sie platzen gleich.
({3})
Es war heute im Bundestag viel von Verlässlichkeit
und von Blockade die Rede. Da wäre ich an Ihrer Stelle
einmal ganz, ganz vorsichtig.
({4})
Sie haben nicht nur mit dem Bundesrat Verhandlungen
geführt, Sie haben auch mit uns Verhandlungen geführt;
Sie brauchten ja unsere Stimmen für den Fiskalvertrag.
Einige von uns haben Tag um Tag zusammengesessen,
um eines deutlich zu machen:
({5})
Es geht bei der Krise in der Europäischen Union nicht
allein um Sparen, Sparen, Sparen; es geht auch um
Wachstum und Beschäftigung, um den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit.
({6})
Da haben Ihnen Rot und Grün etwas abverhandelt, von
dem Sie jetzt nichts mehr hören wollen.
({7})
Ich will Sie einfach noch einmal daran erinnern: Wir
haben - das ist auf Ihre Zustimmung gestoßen - einen
Akt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung ausgehandelt. Wir haben ein Sofortprogramm gegen
Jugendarbeitslosigkeit ausgehandelt. Sie haben uns die
zügige Einführung der Finanztransaktionsteuer zugesichert.
({8})
Sie haben uns zugesichert, dass es auf der EU-Ebene
keinerlei Kürzungen im Bereich der Kohäsions-, Struktur- und Sozialfonds geben wird.
({9})
Schwarz-Gelb betreibt am laufenden Band Wortbruch:
({10})
Die FDP blockiert fortwährend die Verhandlungen zur
Finanztransaktionsteuer. Den Bundesfinanzminister
muss ich hier einmal außen vor lassen. Sie blockieren,
wo Sie nur können. Wortbruch!
({11})
Im mehrjährigen Finanzrahmen auf EU-Ebene sind im
Bereich der Kohäsions-, Struktur- und Sozialpolitik
30 Milliarden Euro gekürzt worden.
({12})
Wortbruch seitens der Bundeskanzlerin!
({13})
Sie haben mit wohlfeilen Worten ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit im Umfang von
6 Milliarden Euro in sieben Jahren angekündigt. Davon
haben Sie die Hälfte aus dem Europäischen Sozialfonds
geklaut.
({14})
Michael Roth ({15})
6 Milliarden Euro in sieben Jahren für 5,7 Millionen arbeitslose Jugendliche, die auf der Straße stehen! Das
macht im Jahr 150 Euro pro arbeitslosem Jugendlichen.
({16})
Sie wollen doch nicht allen Ernstes behaupten, dass Sie
hier die Zusagen gegenüber dem Bundestag eingehalten
haben. Dritter Wortbruch seitens Schwarz-Gelb und dieser Bundesregierung!
({17})
Wer ist also verlässlich, wenn es um den europäischen
Fiskalvertrag geht? Wir sind verlässlich; Rot-Grün ist
verlässlich.
({18})
Der Bundesrat erinnert an seine Verhandlungsposition
und an die Zusagen der Bundesregierung und des
Bundestages. Wer blockiert eine angemessene Beteiligung des Finanzsektors an der Krisenbewältigung? Wer
blockiert Impulse für Wachstum und Beschäftigung auf
der europäischen Ebene? Wer blockiert einen nachhaltigen und entschiedenen Kampf gegen die Massenjugendarbeitslosigkeit?
({19})
Schwarz-Gelb! Deswegen zeigen, wenn Sie auf uns weisen, mindestens 5,7 Millionen Finger auf Sie. Das sind
die Finger der arbeitslosen Jugendlichen in der Europäischen Union, an denen Sie sich nachhaltig versündigen.
Vielen Dank.
({20})
Vielen Dank, Kollege Michael Roth. - Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Otto
Fricke. Bitte schön, Kollege Otto Fricke.
({0})
Geschätzter Herr Vizepräsident! Herr Bundesratspräsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr
Bundesratspräsident, bei allem Verständnis, das ich für
das Zusammenspiel zwischen Ländern, Kommunen,
Bund und Verfassungsorganen habe, muss ich sagen:
Ihre Rede war teilweise wortgleich mit dem, was Oskar
Lafontaine 1997/1998 gesagt hat.
({0})
Herr Lafontaine hat uns auch erklärt: Es gibt gute staatliche Gründe, warum wir bei bestimmten Reformen und
Dingen nicht mitmachen.
({1})
Faktisch hat Herr Lafontaine nichts anderes gesagt als:
Ich blockiere, weil ich das so will. - Sie haben das ebenfalls getan; ich werde das gleich aufzeigen.
Vorher will ich den Zuhörern noch ein paar Hinweise
geben:
({2})
Hören Sie sich nicht immer nur an, was die Politiker im
Inland sagen. Die von der Regierung sagen natürlich,
dass die Regierung recht hat, und die von der Opposition
sagen, dass die Regierung unrecht hat. Schauen Sie auch
einmal, wie sich das europäische Ausland über das
Haushaltswesen des Bundes in der Bundesrepublik
Deutschland äußert. Sie werden sehen, dass es kein Land
in Europa gibt, das sagt: Deutschland macht das schlecht
mit dem Haushalt. Deutschland hält sich nicht an die Regeln. Die tun nicht das, was sie uns in Europa sagen, das
wir tun sollen. - Diese Koalition ist der Garant dafür,
dass der Fiskalpakt selbst dann, wenn Sie weiterhin dessen Umsetzung blockieren, vom Bund eingehalten wird.
Das ist unsere Verpflichtung, das ist unser Versprechen,
das wir gegenüber den Bürgern abgeben. Wir sorgen
dafür, dass ihre Kinder, ihre Kindeskinder und ihre Altersvorsorge nicht durch weitere neue Schulden und weiter steigende Zinsen in der Zukunft belastet werden. Das
ist unser Versprechen.
({3})
Dieses Versprechen wollten wir als Bundesrepublik
Deutschland durch eine Aufteilung mit den Ländern und
Kommunen untermauern.
Wir haben eine Rekordbeschäftigung und Rekordüberschüsse in den Sozialkassen. Ulla Schmidt hatte
niemals auch nur 1 Milliarde Euro zu viel. Wir haben
Reserven auch für schlechtere Zeiten in zweistelliger
Milliardenhöhe. All das haben wir geschafft. Vor allen
Dingen haben wir es geschafft, die Ausgaben in dieser
Legislaturperiode zu senken.
({4})
Herr Kretschmann, unabhängig von der Prozentrechnung ist für die Bürger eines klar erkennbar: Der Bund
hat im Laufe der Legislaturperiode seine Ausgaben um
4 Milliarden Euro reduziert. Das Land Baden-Württemberg - auch nicht gerade klein - hat es in den letzten drei
Jahren geschafft, bei Steuermehreinnahmen in Höhe von
3 Milliarden Euro die Ausgaben um 4 Milliarden Euro
zu erhöhen.
({5})
Jeder weiß, wer Ausgaben erhöht, spart nicht, und auch
ein Bürger, der kein Geld hat, kann nicht einfach seine
Einnahmen erhöhen, wie es ihm gefällt. Das ist der
Unterschied zwischen uns. Das, was wir machen, ist
Konsolidierung.
({6})
Schauen wir einmal nach Nordrhein-Westfalen! Dass
Nordrhein-Westfalen inzwischen für 60 Prozent der
Neuverschuldung der Länder verantwortlich ist, ist doch
beachtlich. 60 Prozent der Neuverschuldung durch ein
einziges rot-grün-geführtes Bundesland! Das hat es so
noch nie gegeben. Auch daran kann man sehen, worin
die Unterschiede bestehen zwischen Schwarz-Gelb im
Bund und Rot-Grün in den Ländern.
({7})
Jetzt kommt der wichtigste Punkt, Herr Kretschmann,
und das zu sagen, gehört zu einem fairen Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Sie tun
hier so, als ginge es um die armen kleinen Länder und
die armen kleinen Kommunen - bei den Kommunen
lasse ich das zum Teil noch gelten -, sodass die Bürger,
die ihre Lohn- und Einkommensteuer zahlen und bei jedem Einkauf Mehrwertsteuer entrichten, glauben, die
Einnahmen kämen hauptsächlich dem Bund zu. Herr
Kretschmann, es hätte dazugehört, zu sagen: Liebe Bürger, der Bund bekommt von jedem Euro, den ihr zahlt,
42 Cent; die Länder und Kommunen bekommen
53 Cent. Das heißt, Länder und Kommunen zusammen
haben höhere Steuereinnahmen als der Bund. - Gleichzeitig stellen Sie sich hier hin und sagen: Für Europa
haften wollen wir auf gar keinen Fall. - Wer aber zahlt
beim Fiskalpakt die Strafen? Doch nur der Bund.
({8})
Herr Kretschmann, Sie sind als Bundesratspräsident
in einer besonders verantwortungsvollen Position. Ich
verstehe deshalb nicht, dass Sie sagen „Wir sind die ganz
Armen“ und „Wir verraten nicht, dass wir den Menschen
mehr Geld aus der Tasche ziehen als irgendjemand anderes“, aber, wenn es ums Bezahlen geht, sagen: Das soll
der Bund alleine tun. - Das ist keine Art von Zusammenarbeit, sondern der Versuch einer Erpressung.
({9})
Ein Wort noch zu Herrn Roth. Herr Roth, Sie haben
hier gesagt, wir hätten die Gelder des Europäischen
Sozialfonds gesenkt. - Gegenüber was denn gesenkt?
Gegenüber den Vorjahren?
({10})
- Ja? Ich würde mir überlegen, ob ich an dieser Aussage
festhielte. Tatsächlich werden wir in diesem Bereich
gegenüber dem vorherigen Zeitraum - das wissen Sie
genau, Herr Roth - sogar mehr ausgeben. Das genau ist
die Art, wie man es nicht machen sollte, nämlich indem
man falsche Vergleiche anstellt.
({11})
Ich will zum Schluss noch etwas Versöhnliches sagen.
Ich hoffe, dass es dem Bundesrat am Ende nicht nur um
Blockade geht. Ich hoffe, dass der Bundesrat erkennt,
dass er seinen Teil dazu beitragen muss, dass wir die
Finanzen stabilisieren.
({12})
Wenn da Bewegung vom Bundesrat kommt, dann - da
bin ich mir sicher - wird auch von unserer Seite aus
Bewegung kommen. Aber diese Schuldzuweisungen
sind bei der vorhandenen Finanzlage nicht die richtige
Art der Verantwortung für die Zukunft.
Herzlichen Dank.
({13})
Vielen Dank, Kollege Otto Fricke. - Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unsere
Kollegin Priska Hinz. Bitte schön, Frau Kollegin Hinz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
Otto Fricke, du hast schon heute im Haushaltsausschuss
gesagt, dass Europa auf Deutschland schaut und alle
große Augen bekommen, weil die Politik in Deutschland
so toll ist.
({0})
Ich finde, die FDP sollte einmal in andere europäische
Staaten fahren, um zu sehen, wie schlecht dort die Stimmung ist und wie schlecht inzwischen der Ruf Deutschlands ist. Gleiches gilt für die Europapolitik, die
Deutschland verfolgt: Deutschland tritt im Europäischen
Rat dauernd für Sparen ein, Sparen, bis es quietscht. Das
führt dazu, dass es in anderen Ländern zu einer Rezession kommt und diese Länder auf keinen grünen Zweig
mehr kommen.
({1})
Wenn sich der Staatssekretär hier hinstellt und eine
Anti-Schulden-Politik beschreit, dann kann ich nur daran erinnern, dass unter Merkel die gesamtstaatlichen
Schulden um 500 Milliarden Euro angewachsen sind.
Priska Hinz ({2})
500 Milliarden Euro! Von wegen: Wir bauen die Schulden ab! ({3})
Es werden jedes Jahr neue Schulden angehäuft.
({4})
- Wer hat denn hier immer für Steuersenkungen plädiert,
nicht nur im Wahlkampf, sondern es hinterher auch
durchgesetzt und die Länder damit weiter unterfinanziert?
({5})
Das war die FDP. Inzwischen reden Sie wieder über
Steuersenkungen,
({6})
weil Sie anscheinend weiterhin wollen, dass Kommunen
und Länder in der Daseinsvorsorge nicht genügend Mittel haben.
({7})
Wir halten das für falsch. Wir glauben, dass man sehr
wohl sparen muss. Das macht die Bundesregierung aber
noch nicht einmal. Im Gegenteil: Die Eckwerte sagen
uns wieder, dass eine unsoziale Politik fortgeschrieben
wird, nämlich indem ein Griff in die Taschen der Beitragszahler stattfindet, die in die Sozialversicherungskassen einzahlen.
({8})
Das hat mit Sparen nichts zu tun, sondern das ist unsozial,
({9})
weil ein Teil der Bevölkerung dazu hergenommen wird,
den Haushalt zu konsolidieren. Sie haben keine Kraft,
tatsächlich strukturelle Änderungen vorzunehmen. Sie
betreiben keinen Subventionsabbau. Sie gehen nicht an
den Wirtschaftsetat heran
({10})
und kürzen Programme nicht da, wo sie unnötig sind,
weil sie nämlich Mitnahmeeffekte produzieren.
Das alles wäre notwendig, aber Sie machen es nicht.
({11})
Ansonsten bieten die Eckwerte nur ein Wünsch-dir-was
an Bundesbankgewinnen und Zinsgewinnen, die in den
Haushalt eingestellt werden. Deswegen ist er ein Entwurf für den Reißwolf.
Nach der Wahl kann man diesen Entwurf in den Reißwolf geben. Eine neue Regierung wird einen ordentlichen Haushalt mit strukturellen Veränderungen, Subventionsabbau und gerechten Steuererhöhungen aufstellen
müssen. Denn diese brauchen wir, um tatsächlich Schulden abzubauen.
({12})
Was ich an Otto Fricke in den letzten Monaten besonders interessant finde, ist, dass er permanent den Bundesrat „basht“ und die Länder heranzieht,
({13})
um davon abzulenken, dass die FDP mit der CDU/CSU
eine schlechte Regierungspolitik macht.
({14})
Sie haben bereits zweimal das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz als Entwurf in den Bundestag eingebracht.
Einmal haben wir es hier entschieden.
({15})
- Darf ich jetzt meine Ausführungen machen? Ja?
({16})
Wir haben bereits bei der Debatte um das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz darauf hingewiesen, dass die
Länder es nicht mitmachen werden, wenn bezüglich der
Entflechtungsmittel nicht das eingehalten wird,
({17})
was vereinbart wurde.
({18})
Ich finde, so kann man mit den Verfassungsorganen
nicht umgehen. Weder wollen wir, dass der Bundesrat so
mit uns umgeht, noch sollten wir so mit dem Bundesrat
umgehen.
({19})
Es gibt Länderinteressen, und die Länderinteressen müssen legitimerweise - dafür ist der Bundesrat da - dort
vertreten werden. Da geht es nicht um Parteien, sondern
um Länderinteressen.
({20})
Das mag uns manchmal nicht so schmecken - das mag
sein -, aber es ist legitim. Deswegen müssen die Vereinbarungen, die zwischen Bund und Ländern getroffen
wurden, eingehalten werden.
({21})
Es hilft überhaupt nichts, wenn Sie Aktuelle Stunden
dafür missbrauchen, Ihren Frust darüber abzukippen,
dass Sie in fast keinen Länderregierungen mehr vertreten
sind. Die FDP ist nur noch in zwei Länderregierungen
vertreten. Das werden wir im September auch noch kriegen.
({22})
- Wenn es drei sind, dann kriegen wir sie alle drei.
({23})
- Nein, das ist nicht arrogant. Die Leute haben es vielmehr satt: diese FDP-Politik, diese Phrasen, dieses laute
Gebrüll nach Steuersenkungen und die angebliche Antischuldenpolitik, die sich bei näherem Hinsehen als Luftballon erweist, und wenn man hineinsticht, dann platzt
das Ganze.
({24})
Deswegen bin ich frohen Mutes, dass es im Vermittlungsausschuss ein gutes Ergebnis und im September
gute Wahlergebnisse geben wird und die FDP das Nachsehen hat.
Danke schön.
({25})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächster Redner für
die Fraktion von CDU und CSU ist unser Kollege
Bartholomäus Kalb. Bitte schön, Kollege Bartholomäus
Kalb.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Kollegin Hinz, weil Sie gerade ein so düsteres Bild
von Europa und den Sanierungsländern gezeichnet haben: Wenn Sie heute dem Finanzminister im Ausschuss
gut zugehört hätten, dann hätten Sie zur Kenntnis nehmen können, was er uns erfreulicherweise auch zu diesem Thema zu berichten hatte. Wenn Sie zudem die
jüngsten Meldungen der Presse verfolgt hätten, dann
wüssten Sie, dass selbst in den Sanierungsländern erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung der strukturellen
Reformen und der Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit
bei gleichzeitig steigenden Exportchancen und leichten
Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt gemacht werden.
Das heißt, dieser Weg ist richtig.
Bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise müssen
wir mit guter Haushaltsdisziplin beispielhaft für Europa
sein. Deswegen gilt es, die innerstaatliche Gesetzgebung
umzusetzen. Auch die Bundesländer, Herr Ministerpräsident, stehen hier in der Verantwortung. Ich appelliere
an alle Länder, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
Wir haben uns mit den Ländern im Juni letzten Jahres
auf Eckpunkte zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags geeinigt. Dafür hat der Bund wesentliche
Leistungsverbesserungen zugunsten der Länder vorgenommen bzw. in Aussicht gestellt; Staatssekretär
Kampeter hat bereits darauf hingewiesen. Die Länder,
insbesondere die von SPD und Grünen geführten, verfolgen nun andere Absichten, betreiben eine Blockadepolitik, entziehen sich der Verantwortung, führen ein kurioses Schauspiel auf
({0})
und geben, wie der Bundesfinanzminister gesagt hat, ein
seltsames Signal in Richtung Europa. Wenn ich sehe,
welche Verbesserungen wir Ländern und Kommunen bereits eingeräumt haben - ich nenne als Beispiel nur die
Grundsicherung, die Kinderbetreuung sowie die Kosten
der Unterkunft und der Verpflegung -, dann kann ich nur
sagen, dass wir mehr als guten Willen gezeigt und viel
Geld auf den Tisch gelegt haben.
Der Bund hat in den Verhandlungen über den Fiskalvertrag zugesagt, mit den Ländern zu einer Lösung bei
den Entflechtungsmitteln zu kommen; Dazu stehen wir,
keine Frage. Wir haben sogar die Gewährung dieser Mittel in ungekürzter Höhe für das Jahr 2014 zugesagt. Aber
über die weitere Gewährung muss vernünftig verhandelt
werden.
Der Bund geht bei der Haushaltskonsolidierung mit
gutem Beispiel voran. Staatssekretär Kampeter konnte
heute über die vorgelegten und beschlossenen Eckpunkte zum Bundeshaushalt 2014 berichten. Wir werden
2014 und für die Folgejahre einen strukturell vollständig
ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist ein gutes
Signal in Richtung Europa. Das ist auch gut im Hinblick
auf den anstehenden Gipfel. Ab dem Jahr 2015 wird der
Bund keine neuen Schulden mehr machen. Bereits ab
dem Jahr 2016 steigt der Bund in die Schuldentilgung
ein.
({1})
Diesen Weg der wachstumsorientierten Haushaltskonsolidierung müssen wir konsequent fortsetzen. Nur nachhaltiges Wachstum schafft Vertrauen und Verlässlichkeit.
Wachstum ist dann stabil und zukunftsgerichtet, wenn es
auf soliden Finanzen aufbaut; denn diese geben uns und
den nachkommenden Generationen die notwendigen
Handlungsspielräume. Bereits im Haushaltsvollzug
2012 und im Soll für das Jahr 2013 hat der Bund die ab
2016 geltende Obergrenze für die strukturelle Neuverschuldung unterschritten.
Weil solch düstere Aussagen getroffen worden sind,
möchte ich noch Folgendes sagen: Unsere Sozialkassen
sind bestens in Ordnung. Da wird nicht abkassiert. Der
Bund kann jetzt früher notwendige Leistungen bzw. Zuschüsse zurücknehmen; das ist richtig. Warum sind die
Sozialkassen in bester Ordnung? Weil die Konjunktur
gut ist und weil wir mit rund 29 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen Höchststand und
einen absoluten Höchststand bei den Erwerbstätigen in
dieser Republik seit der Wiedervereinigung zu verzeichnen haben. Daran sollten sich auch die Länder ein Beispiel nehmen.
Man muss direkt dankbar sein, dass uns heute - Kollege Strobl hat es sehr eindrucksvoll geschildert - Beispiele aus den Bundesländern geliefert wurden, in denen
Rot-Grün regiert. In Nordrhein-Westfalen, jetzt in Niedersachsen und in Baden-Württemberg wird vorgeführt,
was in diesem Land und auch im Bund passieren würde,
wenn Sie hier wieder an die Regierung kämen:
({2})
Die Steuern würden angehoben werden. Die Schulden
würden steigen, und mit dem Geld würde ein leichter
und lockerer Umgang gepflegt.
Das ist der Garantieschein für eine konjunkturelle
Talfahrt, für den Verlust von Arbeitsplätzen, für den Verlust von Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit, für die
Gefährdung von Wohlstand und für die Gefährdung von
sozialer Sicherheit.
({3})
Vielen Dank, Kollege Kalb. - Nächster Redner für die
Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Rolf
Schwanitz. Bitte schön, Kollege Rolf Schwanitz.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, Aktuelle Stunden im Deutschen Bundestag sind in der Regel keine wissenschaftlichen Kolloquien, aber solche
Nebelkerzen wie die, die ich hier heute gehört habe, hört
man wirklich selten.
({0})
Lieber Otto Fricke, ich habe die ganze Zeit überlegt,
welche Reform der FDP denn eigentlich den Gesundheitsfonds stabilisiert und reformiert hat. Mir ist keine
eingefallen. Ich muss irgendwie nicht dabei gewesen
sein.
({1})
Als Sozialdemokraten die Verantwortung für die gesetzliche Krankenversicherung übernommen haben,
steckten 8 Milliarden Euro an rechtswidriger Verschuldung im System - übrigens aus der Zeit von Herrn
Seehofer, lieber Bartholomäus.
({2})
Die Sozialkassen in diesem Land sind unter Rot-Grün
stabilisiert und konsolidiert worden. Das ist die eigentliche Situation.
({3})
Ich will heute nicht groß zum Haushalt reden, aber
dass Sie zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung
({4})
einen tiefen Eingriff in die Sozialkassen vornehmen,
({5})
ist meiner Meinung nach die größte Sünde, die Sie hier
begehen. Als wir in der Finanzkrise steckten und Olaf
Scholz in unserer gemeinsamen Verantwortung in der
Großen Koalition das Kurzarbeitergeld auflegen konnte,
mit dem viele Tausend Arbeitsplätze gerettet worden
sind,
({6})
hat das 8 Milliarden Euro gekostet.
({7})
Damals hatten wir Rücklagen von ungefähr 17 Milliarden Euro in der Kasse. Am Ende des Jahres werden
diese bei 2 Milliarden Euro liegen.
({8})
Sie versündigen sich mit dem Haushaltskurs, den Sie
verfolgen, an der Krisenfestigkeit dieses Landes, meine
Damen und Herren.
({9})
Ich will nach den eindrücklichen Darstellungen und
Ermahnungen des Ministerpräsidenten noch einmal etwas zum eigentlichen Thema, dem Fiskalpaktumsetzungsgesetz, sagen und bitte mir das als jemandem nachzusehen, der im Kanzleramt über mehrere Jahre die
Bund-Länder-Koordinierung gemacht hat: Das, worüber
wir hier reden - ich meine die Tatsache, dass dieses Gesetz im Vermittlungsausschuss landet -, hat ausschließlich damit etwas zu tun - und mit nichts anderem -, dass
es von einem tiefen Dilettantismus im Kanzleramt gegenüber dem Bundesrat gemanagt wird.
({10})
Dafür lassen wir uns nicht - das gilt auch für Rot-Grün die politische Verantwortung zuschieben. Ich will das an
ein paar Beispielen deutlich machen.
Ich fange mit einem Punkt an, der heute noch gar
keine Rolle gespielt hat. Das ist die Verständigung des
Bundes mit den Ländern darüber, dass aufgrund des defizitären Kitaausbaus 30 000 zusätzliche Plätze geschaffen werden müssen. Das ist kein Almosen gewesen, sondern das war eine Verständigung in einem defizitären
Politikaufgabenbereich des Bundes, meine Damen und
Herren.
({11})
Dann hat die Bundesregierung im letzten Herbst einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der strotzte vor Bürokratie
und Kontrolldenken und hätte mehr behindert als dazu
beigetragen, diese 30 000 Plätze zu schaffen. Der ist
komplett gescheitert. Den haben Sie zurücknehmen
müssen. Der ist gar nicht in die Endberatung gekommen.
Dann haben Sie einen komplett neuen Entwurf vorgelegt, und wir als Sozialdemokraten waren so zurückhaltend, dass wir dazu nicht einmal einen einzigen Änderungsantrag im parlamentarischen Verfahren gestellt
haben. Das ist an Dilettantismus nicht mehr zu überbieten.
({12})
Der zweite Punkt - er ist schon angesprochen worden hängt mit der schwierigen Frage zusammen, welche innerstaatliche Wirkung eigentlich vom Fiskalpakt unmittelbar für Deutschland ausgeht. Das war ein Punkt, über
den wir uns schon im Zusammenhang mit dem Problem
der Ratifizierung des Fiskalpakts hier heftig gestritten
haben. Für einige war das so wichtig, dass sie sogar gegen den Fiskalpakt gestimmt haben.
Dann hat der Bund den Ländern mit der Verabredung
über die Eckpunkte vom 24. Juni letzten Jahres zugestanden - ich will das noch einmal sagen -, dass die Länder ihre Vorgaben aus der deutschen Schuldenbremse zu
erfüllen haben und damit den Verpflichtungen aus dem
Fiskalpakt entsprechen. Sie haben keine zusätzlichen
Verpflichtungen aus dem Fiskalpakt. Das ist der Vertrag
zwischen der Bundesregierung und den Ländern. Dass
die Länder jetzt darauf bestehen, dass es nicht nur bei
dieser verbalen Benennung bleibt, sondern dass das in
einen verbindlichen Gesetzestext kommt, ist doch keine
überzogene Erwartung; das ist vielmehr Vertragstreue.
({13})
Durch die Strategie des Kanzleramts, in dem die
Bund-Länder-Koordinierung stattfindet, diese Eckpunktevereinbarung, die im Juni geschlossen wurde, jetzt einfach zu ignorieren, wird alles gegen die Wand gefahren.
Bei den Entflechtungsmitteln ist es ganz genauso. Ich
will das nicht wiederholen.
Wir finden also dort Dilettantismus, wo wir eigentlich
solides Handwerk und ein faires Miteinander zwischen
den Verfassungsorganen erwarten sollten. Ich sage zum
Schluss: Sie können die Dinge nicht aussitzen. So entsteht kein Konsens, auch nicht mit solchen parteipolitischen Mätzchen wie dieser Aktuellen Stunde. Deswegen
mein Appell an das Kanzleramt: Gehen Sie endlich an
die Arbeit und machen Sie Ihren Job!
({14})
Vielen Dank, Kollege Rolf Schwanitz. - Nächste
Rednerin für die Fraktion der CDU/CSU ist unsere Kollegin Frau Antje Tillmann. Bitte schön, Frau Kollegin
Antje Tillmann.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Vertreter der Länder! Ich kann mich noch sehr gut
an die Verhandlungen über die Schuldenbremse in der
Föderalismuskommission erinnern, insbesondere an eine
der letzten Sitzungen, als die Ländervertreter völlig
überraschend aus einer Sitzung kamen und gesagt haben,
sie wollten auf eine Verschuldungsmöglichkeit ab dem
Jahr 2020 völlig verzichten. Sie wollten also eine Nullneuverschuldung.
Wir alle waren beeindruckt, auch ich. Leider war es
dieselbe Sitzung, in der die Länder in die Formulierung
der Schuldenbremse das kleine Wörtchen „Haushalte“
hineingeschummelt haben. Sie haben nämlich geschrieben, dass die Haushalte von Bund und Ländern ohne
neue Schulden aufgestellt werden müssten.
Lieber Kollege Kretschmann, Sie waren damals als
Vertreter der Länder in der Sitzung dabei. Sie werden
mir zustimmen, dass niemand von uns jemals beabsichtigt hatte, den Bund aus der Verantwortung für die Sozialversicherungssysteme zu entlassen und noch weniger
die Länder aus der Verantwortung für die Kommunen.
Ich unterstelle Ihnen persönlich gar nicht, dass Sie Ihre
Kommunen bewusst verraten wollten, aber ganz offensichtlich wollten einige Länder das; denn nur so ist zu
erklären, dass die Länder in der Zwischenzeit bis zum
Fiskalvertragsgesetz geglaubt haben, sie könnten sich
auf Kosten der Kommunen entschulden und die Kommunen dabei vor die Pumpe laufen lassen,
({0})
und das, obwohl die Situation in den Landesparlamenten
selbstverständlich entscheidende Auswirkungen auf die
kommunalen Haushalte hat. Nur so ist die unterschiedliche Entwicklung in den kommunalen Haushalten zu erklären.
Schauen wir auf die Kassenkredite. Die Kassenkredite der Gemeinden bzw. Gemeindeverbände pro Kopf
betragen in Nordrhein-Westfalen 1 237 Euro. Als Sie,
Herr Ministerpräsident, Ihr Amt im Land Baden-Württemberg übernommen haben, hatten die Kommunen einen hervorragenden Kassenkreditstand von 13 Euro pro
Kopf.
({1})
Sie haben gesunde Kommunen übernommen, und Sie
können nicht behaupten, dass das nichts mit der Landespolitik zu tun hätte.
Die Länder, die glauben, sie könnten sich aus der Verantwortung stehlen, sind dann aber eines Besseren belehrt worden. Sie haben nämlich völlig überraschend
festgestellt, dass im Fiskalvertrag diese Verantwortung,
die auch in unserer Verfassung schon verankert ist, wieder steht. Dafür musste es sogar eine Protokollerklärung
geben. In dieser steht - ich darf zitieren -:
Die Länder tragen im Rahmen des Fiskalvertrags
die Verantwortung für ihre Kommunen.
Ja toll, das steht auch schon in unserer Verfassung. Ich
zitiere weiter:
Infolge der expliziten Einbeziehung der kommunalen Verschuldung in die Defizitobergrenze des
Fiskalpakts … werden die Länder in ihrer Konsolidierungspolitik vor deutlich größere Herausforderungen gestellt.
Völlig falsch, Herr Kollege Schwanitz, das ist keine
neue Verantwortung; diese Verantwortung steht ihnen
auch nach der Verfassung schon zu. Es gibt nämlich gar
keinen dreigliedrigen Staatsaufbau. Das heißt, die Verantwortung der Länder für die Kommunen steht auch
schon in unserer Verfassung. Deshalb gibt es überhaupt
keinen Grund, irgendwie auf Kosten des Bundes zu zocken; denn die Länder haben laut Fiskalvertrag genau
dieselbe Verantwortung für die Kommunen, wie sie sie
eigentlich auch nach unserer Verfassung haben.
({2})
Sie wollen sich also Verpflichtungen abkaufen lassen,
liebe Vertreter der Länder, die Sie sowieso gehabt hätten.
Wir sind ja ganz großzügig: Wir haben an vielen Punkten nachgegeben. Wir bedanken uns dafür - auch das
sage ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich -, dass der
Fiskalvertrag selbst gut durch die Parlamente gegangen
ist. Leider haben Sie diese gute Zusammenarbeit nicht
fortgesetzt, und das, obwohl der Bund in dieser Protokollerklärung zugesagt hat, eventuelle Strafzahlungen
der Europäischen Union komplett zu übernehmen. Wenn
Sie sich einmal die Haushalte von Bund und Ländern anschauen, dann sehen Sie, dass wir ausschließlich Strafzahlungen wegen der Länderhaushalte bekommen könnten und dass diese Strafzahlungen bisher von den
Ländern zu 35 Prozent hätten gezahlt werden können.
Das heißt, hier sind wir Ihnen finanziell massiv entgegengekommen.
Wir sind Ihnen auch bei der Entlastung der Kommunen
entgegengekommen. Was Ihre angeblich zusätzlichen
Aufgaben angeht: Wir haben die größte Kommunalentlastung beschlossen, die es jemals in der Bundesrepublik
Deutschland gegeben hat.
({3})
Staatssekretär Kampeter hat eben einige Punkte beschrieben: 5 Milliarden Euro Grundsicherung, 2 Milliarden
Euro Kinderbetreuung, 1,6 Milliarden Euro Bildungspaket, 400 Millionen Euro Sprachförderung, 100 Millionen
Euro Mehrgenerationenhäuser, 1,8 Milliarden Euro KfWGebäudesanierung. Ich könnte die Liste unendlich fortsetzen.
({4})
Außerdem haben wir uns verpflichtet, im Rahmen
dieser Protokollerklärung in der nächsten Legislaturperiode ein Bundesleistungsgesetz zu erlassen, weil wir
nicht nur die Kosten der Unterkunft übernehmen wollen,
sondern auch einen Einstieg in die Übernahme der Kosten für behinderte Menschen vollziehen wollen. Auch
hier kommen wir Ihnen mit Bargeld massiv entgegen.
Alles, was Sie an Verpflichtungen gegenüber den Kommunen gehabt hätten, ist über diese Entlastung der Kommunen vom Bund eigentlich schon bezahlt worden.
({5})
Deshalb bleibt aus meiner Sicht auch kein Platz für
weiteres Gezocke. Ich hoffe sehr, dass wir im Vermittlungsausschuss genau das so deutlich machen. Sie haben
schon Gegenleistungen in unendlicher Höhe bekommen,
und es gibt keinen weiteren Spielraum.
({6})
Letzte Bemerkung. Sie lassen die Kommunen nicht
nur in diesem Punkt hängen, sondern auch dadurch, dass
im Zusammenhang mit dem gleichen Gesetz verabredet
ist, dass die Kommunen endlich ein Mitspracherecht im
Stabilitätsrat haben. Die Kommunen, die von Landessparmaßnahmen natürlich betroffen sind, dürfen über
diese Sparmaßnahmen im Rahmen des Stabilitätsrats im
Moment gar nicht mitbestimmen. Wir wollen sie über einen Beirat mitspracheberechtigt machen. Sie wollen das
offensichtlich nicht; sonst hätten Sie dem Gesetz zugestimmt. Ich hoffe, dass wir zumindest das im Vermittlungsausschuss noch einmal problematisieren können.
Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie zu der Kooperation zurückkehren, die Sie beim Fiskalvertrag gezeigt
haben, und dass Sie diesem Umsetzungsgesetz zustimmen. Denn ich glaube, Sie haben uns in Europa bisher
schon genug blamiert.
({7})
Vielen Dank, Frau Kollegin Antje Tillmann. - Nächster und letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde für
die Fraktion von CDU/CSU: Kollege Andreas Mattfeldt.
Bitte schön, Kollege Mattfeldt.
({0})
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist schon eine sehr groteske Situation, vor der
wir heute hier stehen.
({0})
Deutschland hat unter Führung unserer Bundeskanzlerin
Angela Merkel auf europäischer Ebene Enormes für die
Zukunft des Euro geleistet. Angela Merkel war es, die
die europäische Schuldenbremse nach deutschem Vorbild durchgesetzt hat, und sie war es, die damit ein wichtiges Fundament für einen stabilen Euro gelegt hat, um
eine Wiederholung der Staatsschuldenkrise im EuroRaum zu verhindern. Und jetzt kommen Sie von RotGrün und behaupten, der Bund halte seine im letzten
Jahr im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Fiskalpakts gemachten Zusagen nicht ein. Sie blockieren sogar
im Bundesrat die Ratifizierung des Fiskalpakts. Das ist
schon eine sehr eigenwillige und, ich sage deutlich,
schlichtweg falsche Interpretation der Fakten, Herr
Kretschmann.
({1})
Vielleicht stellen Sie sich einmal vor, welch eine Signalwirkung Ihre Haltung auf die Mitgliedstaaten in der EU
hat.
({2})
Weil hier anscheinend Amnesie vorhanden ist, lassen
Sie uns einmal gemeinsam auf die getroffene Einigung
und die Punkte, die Sie nun plötzlich bemängeln, zurückblicken. Meine Damen und Herren, der Bund hat
sich seinerseits bereit erklärt, gemeinsame Bund-LänderAnleihen einzuführen. Wir lagen bei den Entflechtungsmitteln richtig, und wir haben weitere Mittel für den
Kitaausbau bereitgestellt und damit die Länder und die
Kommunen zuzüglich zur Übernahme der Kosten für die
Grundsicherung im Alter massiv entlastet.
({3})
Alle drei Forderungen hat der Bund erfüllt, und nun
blockieren Sie die Ratifizierung, indem Sie ständig, permanent neue Forderungen stellen. Das ist unredlich und
hat vor allen Dingen mit Vertragstreue - eben fiel das
Wort - überhaupt nichts mehr zu tun.
({4})
Meine Damen und Herren, lange wurde verhandelt,
damit die Umsetzung des Fiskalpakts auch im Bundesrat
verabschiedet werden kann. Deshalb möchte ich die drei
eben genannten Kernpunkte noch einmal darlegen:
Erstens. Der Bund ist bereit zu gemeinsamen BundLänder-Anleihen. Doch Sie von Rot-Grün verlangen nun
vom Bund eine verfassungswidrige Übernahme der Haftung für den Länderanteil bei derartigen Anleihen. Sie
wissen ganz genau, dass das Grundgesetz - was Ihnen
sonst, in vielen Bereichen, sehr wichtig ist - dem Bund
nur erlaubt, die Haftung für den jeweiligen Bundesanteil
zu übernehmen.
Zweitens. Der Bund hat angeboten, dass die Entflechtungsmittel 2014 auf Höhe der bisher jährlich geleisteten
Beträge fortzuschreiben sind. Jetzt verlangen Sie mal
eben, quasi durch die Hintertür, eine Erhöhung um
1 Milliarde Euro für den Zeitraum von 2014 bis 2019.
({5})
Drittens. Der Bund hat die zugesagten zusätzlichen
580 Millionen Euro für den Kitaausbau bereitgestellt.
Das Geld für den Kitaausbau haben Sie dankend angenommen,
({6})
bekommen sogar Bewirtschaftungskosten für noch nicht
existierende Kitas, und dennoch krakeelen Sie hier lautstark, der Bund würde seine Zusagen nicht einhalten,
und fordern erneut weiteres Geld vom Bund. Sie sollten
sich schämen, hier so aufzutreten. Anscheinend haben
Sie überhaupt keine Schmerzgrenze, meine Damen und
Herren.
({7})
Mit seriöser Politik hat das nicht das Geringste zu tun.
Ich sage Ihnen: Die Menschen in diesem Land erwarten
von uns Verlässlichkeit. Leider erleben wir aber, dass Sie
von Rot-Grün mit klebrigen Fingern - das betrifft das
Verhalten der Länder gegenüber den Kommunen - im
Bundesrat den Pfad einer konstruktiven und seriösen
Politik verlassen haben. Sie halten wieder und wieder
gemachte Zusagen nicht ein. Nach dem Motto „Angriff
ist die beste Verteidigung“, Herr Schwanitz, werfen Sie
dem Bund jetzt auch noch vor, dass die christlich-liberale Koalition ihre Zusagen nicht einhalten würde. Das
ist schlichtweg der Gipfel der Unverschämtheit, und das
ist an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten.
({8})
Meine Damen und Herren, dieser christlich-liberalen
Koalition geht es um das Wohl Deutschlands und vor allen Dingen um die Zukunft Europas. Gerade auch unsere
Bundeskanzlerin tut alles dafür, dass es den Menschen in
unserem Land gut geht und dass Europa eine gute Zukunft hat. Sie hingegen versuchen mit Ihrem rein auf
Parteiinteressen ausgerichteten Agieren,
({9})
eine gute Zukunft Deutschlands, aber auch Europas zunichtezumachen. Ich halte das für einen fatalen Weg zulasten der Menschen in diesem Land, meine verehrten
Kolleginnen und Kollegen.
Mich verwundert gerade bei Ihnen von der SPD, dass
Sie bei den für Sie katastrophalen Wahlumfragen nicht
einmal mehr mitbekommen, dass die Menschen Sie
durchschaut und erkannt haben, welches Spiel Sie von
Rot-Grün treiben. Ich bin fest davon überzeugt, dass die
Wählerinnen und Wähler am 22. September ihr Kreuz
bei Schwarz-Gelb machen; denn sie wissen, dass sie von
der christlich-liberalen Regierung unter Führung von
Bundeskanzlerin Angela Merkel gut und seriös regiert
werden.
({10})
Bei uns, bei der christlich-liberalen Koalition, stehen die
Menschen im Vordergrund. Bei Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, steht das reine
Parteiinteresse an erster Stelle.
Herzlichen Dank.
({11})
Kollege Mattfeldt war der letzte Redner in unserer
Aktuellen Stunde, die damit beendet ist.
Wir sind nun am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. März 2013,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist hiermit geschlossen.