Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich.
Ganz besonders herzlich begrüße ich den Kollegen
Leo Dautzenberg, der vor wenigen Tagen seinen
60. Geburtstag gefeiert hat und dem ich im Namen des
ganzen Hauses herzlich gratulieren und alle guten Wünsche übermitteln möchte.
({0})
Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten, ist noch
eine Wahl zum Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung durchzuführen. Die Fraktion der
CDU/CSU schlägt vor, den Kollegen Klaus Brähmig
als Nachfolger des ehemaligen Abgeordneten JochenKonrad Fromme als ordentliches Mitglied zu wählen.
Die SPD-Fraktion schlägt vor, den Kollegen
Dr. Wolfgang Thierse als Nachfolger des früheren Abgeordneten Steffen Reiche als stellvertretendes Mitglied
zu wählen. Sind Sie damit jeweils einverstanden? - Das
ist offensichtlich der Fall. Dann sind die Kollegen Brähmig und Thierse als Mitglied bzw. als stellvertretendes
Mitglied in diesen Stiftungsrat gewählt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE
LINKE
Was folgt aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelsätzen bei
Hartz IV?
({1})
ZP 2 Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in
Afghanistan ({2}) unter Führung der NATO
auf Grundlage der Resolutionen 1386 ({3})
und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution
1890 ({4}) des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen
- Drucksache 17/654 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({5})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Rettungsschirm für die Kommunen vor dem
Hintergrund von Haushaltslage und schwarzgelben Steuersenkungsplänen
ZP 4 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
({6})
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Gewährleistung der Sicherheit im Schienenverkehr muss Priorität haben
- Drucksache 17/655 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({7})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Kekeritz, Ute Koczy, Thilo Hoppe, weiterer AbRedetext
Präsident Dr. Norbert Lammert
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Beschlagnahmung von Generika in Europa
stoppen - Versorgung von Entwicklungsländern mit Generika sichern
- Drucksache 17/448 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({8})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
ZP 5 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
({9})
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({10}) zu
der Unterrichtung der Bundesregierung
Grünbuch
Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat
- Drucksachen 17/504 Nr. A 15, 17/660 Berichterstattung:
Abgeordnete Siegfried Kauder ({11})
Dr. Eva Högl
Jörg van Essen
Wolfgang Nešković
Jerzy Montag
b) Beratung des Antrags der Bundesregierung
Ausnahme von dem Verbot der Zugehörigkeit
zu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bundesregierung
- Drucksache 17/600 Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Außerdem mache ich auf zwei nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste
aufmerksam:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften
- Drucksache 17/506 überwiesen:
Finanzausschuss ({12})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Beratung des Antrags der Abgeordneten Josef
Philip Winkler, Viola von Cramon-Taubadel,
Marieluise Beck ({13}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Rückschiebungen nach Griechenland sofort
aussetzen
- Drucksache 17/449 überwiesen:
Innenausschuss ({14})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Darf ich auch dazu Ihr Einvernehmen feststellen? Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Schließlich darf ich Sie davon unterrichten, dass der
Kollege Oskar Lafontaine auf die Mitgliedschaft im
Deutschen Bundestag mit Wirkung vom 1. Februar dieses Jahres verzichtet hat
({15})
und dass an seiner Stelle Frau Yvonne Ploetz die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben hat, die
ich mit allen guten Wünschen für die Zusammenarbeit
hier im Hause herzlich begrüße.
({16})
Ich rufe nun unseren Tagesordnungspunkt 3 sowie
den Zusatzpunkt 2 auf:
3 Abgabe einer Regierungserklärung durch den
Bundesminister des Auswärtigen
Auf dem Weg zur Übergabe in Verantwortung: Das deutsche Afghanistan-Engagement
nach der Londoner Konferenz
ZP 2 Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in
Afghanistan ({17}) unter Führung der NATO
auf Grundlage der Resolutionen 1386 ({18})
und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution
1890 ({19}) des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen
- Drucksache 17/654 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({20})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung
eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist das so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido
Westerwelle.
({21})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die verheerenden Anschläge des 11. September im Jahre 2001 waren nicht allein ein Angriff auf die Vereinigten Staaten von
Amerika; sie waren ein Angriff auf die Grundlagen und
die freiheitlichen Werte der Völkergemeinschaft. Die internationale Gemeinschaft hat mit beispielloser Geschlossenheit auf diese Herausforderung reagiert. Auch
Deutschland folgte dem Aufruf des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen, der die Situation in Afghanistan als
Bedrohung für den Weltfrieden einstufte. Heute beteiligen sich mehr als 40 Nationen unter dem Mandat der
Vereinten Nationen am Einsatz in Afghanistan.
Wie die internationale Gemeinschaft hat auch
Deutschland in der Frage, ob wir dort, in Afghanistan,
Verantwortung übernehmen, Geschlossenheit bewiesen.
Es war die Regierung von Gerhard Schröder und Joseph
Fischer, die die Bundeswehr erstmals nach Afghanistan
entsandte. Die Regierung von Angela Merkel und FrankWalter Steinmeier hat diesen Einsatz fortgeführt. Heute
bitte ich Sie für die amtierende Bundesregierung um Ihre
Zustimmung zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an dem NATO-geführten Einsatz in Afghanistan. Dieser Einsatz im Rahmen von ISAF dient vor
allem dem Ziel, unsere eigene Sicherheit zu schützen.
Afghanistan darf nie wieder Rückzugsort des Terrors
werden. Wir sind aber auch dort, um unserer mitmenschlichen Verpflichtung nachzukommen. Millionen Frauen
und Männer setzen ihre Hoffnungen in uns.
({0})
In den acht Jahren unseres Engagements in Afghanistan haben wir einiges erreicht. Wir haben dazu beigetragen, dass die Menschen in Afghanistan Zugang zu Ärzten und Krankenhäusern haben wie seit Jahrzehnten
nicht mehr. Wir haben dazu beigetragen, dass neue
Schulen gebaut worden sind. Heute können in Afghanistan 7 Millionen Kinder regelmäßig unterrichtet werden,
fünfmal mehr als zu Zeiten der Schreckensherrschaft der
Taliban.
Mit Wassertanks, Saatgut und Bewässerungsprojekten haben wir dazu beigetragen, dass über 250 000 Haushalte in Nordafghanistan die Chance haben, in der Landwirtschaft eine Lebensperspektive zu finden. Nicht
zuletzt haben die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Landes geleistet. Das sieht auch die übergroße Mehrheit der
afghanischen Bevölkerung so.
Meine Damen und Herren, eine ehrliche Bestandsaufnahme ergibt aber eine gemischte Bilanz unserer bisherigen Anstrengungen. Im letzten Jahr hat sich die Sicherheitslage erneut verschlechtert. Afghanistan versorgt
noch immer rund 90 Prozent des Weltmarktes mit
Opium. Längst nicht alles in Afghanistan ist heute so,
wie wir es uns vor acht Jahren erhofft hatten. Deshalb
hat Frank-Walter Steinmeier recht, wenn er sagt, ein einfaches Weiter-so werde nicht reichen, um Afghanistan
dauerhaft zu stabilisieren. Diese Bundesregierung hat
deshalb von Beginn an für einen Neuanfang in Afghanistan gearbeitet. Das ist keine Kritik an denen, die vor
uns Verantwortung für das deutsche Engagement getragen haben. Es ist die notwendige Konsequenz aus den
Lehren der letzten Jahre.
Die Londoner Konferenz ist ein Neuanfang. Fast
70 Staaten haben in London gemeinsam mit der Regierung von Präsident Karzai einen Strategiewechsel beschlossen.
({1})
Der besondere Erfolg von London liegt in der gegenseitigen Verpflichtung Afghanistans auf der einen und der
internationalen Gemeinschaft auf der anderen Seite. Für
London hat die afghanische Regierung erstmals ganz
konkret und überprüfbar dargelegt, wie sie ihre Ziele
- bessere Regierungsführung, Rechtstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und Reduzierung des Drogenanbaus - erreichen will. Im Gegenzug hat sich die internationale Gemeinschaft verpflichtet, ihre Anstrengungen
zu erhöhen, damit die Afghanen ihre selbstgesteckten
Ziele auch in einem überschaubaren Zeitraum erreichen
können. Dazu werden wir den Wiederaufbau Afghanistans verstärken, die Wirtschaft beleben und die innere
Aussöhnung voranbringen. Wir waren uns in London außerdem einig, dass wir den Aufbau selbsttragender Sicherheitsstrukturen rascher vorantreiben müssen, um uns
eine realistische Abzugsperspektive zu erarbeiten.
Damit gilt auch international, was wir uns für unser
deutsches Engagement vorgenommen haben: Wir wollen
die Übergabe der Verantwortung in Verantwortung. Ein
einfaches Weiter-so ist keine Alternative. Ein einfaches
Weggehen und Wegsehen ist es auch nicht.
({2})
Meine Damen und Herren, jetzt kommt es darauf an,
die Beschlüsse von London in die Tat umzusetzen. Den
deutschen Beitrag hierfür hat die Bundeskanzlerin vor
zwei Wochen vor diesem Hohen Haus vorgestellt.
Afghanistan braucht die innere Aussöhnung. Das ist zunächst Aufgabe der Afghanen selbst. Die internationale
Gemeinschaft unterstützt sie mit einem Reintegrationsfonds. Deutschland hat während der Konferenz in Aussicht gestellt, in diesen Fonds jährlich bis zu
10 Millionen Euro einzuzahlen.
Es geht darum, diejenigen anzusprechen, deren Gefolgschaft die Macht der Taliban und der Terroristen erst
ausmacht. Wir wollen die Mitläufer von dem harten terroristischen und fundamentalistischen Kern trennen.
Diese Mitläufer sind junge Männer ohne Perspektive,
die meist weder lesen noch schreiben können, die für ein
paar Dollar bereit sind, zur Waffe zu greifen. Diesen
Menschen wollen wir friedliche Alternativen des Broterwerbs in ihren Dörfern eröffnen. Das Programm ist also
im Kern ein Ausbildungs- und Beschäftigungspaket.
({3})
Bei der Umsetzung dieses Programms und der Verwendung der entsprechenden Gelder werden die afghanische Regierung und die internationale Staatengemeinschaft eng zusammenwirken. Noch in diesem Frühjahr
wird eine Konferenz in Kabul über das weitere Vorgehen
beschließen.
Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen für
den wirtschaftlichen und sozialen Aufbau im Norden
verstärken und hat sich dafür konkrete, nachprüfbare
Ziele gesetzt:
Wir werden die Programme zur ländlichen Entwicklung ausweiten, damit bis 2013 3 Millionen Afghaninnen und Afghanen Arbeit und Einkommen haben.
Wir werden unsere Anstrengungen für die Gesundheitsversorgung erheblich ausweiten. In allen vier Provinzen, die im deutschen Verantwortungsbereich liegen,
werden wir Krankenhäuser aufbauen und besser ausstatten.
Wir werden die Verkehrsinfrastruktur verbessern und
so die Basis für wirtschaftliches Wachstum und mehr Sicherheit legen. Zusätzliche 700 Kilometer ganzjährig
nutzbare Straßen sollen ländliche Gebiete erschließen
und sie mit den Städten und Märkten ihrer Distrikte verbinden.
Wir werden mehr Lehrerinnen und Lehrer ausbilden
und Schulen bauen, damit weitere 500 000 Kinder unterrichtet werden. Mittlerweile sind ein Drittel der Schulkinder Mädchen.
({4})
Insgesamt will die Bundesregierung die zivilen Mittel
für Afghanistan verdoppeln. Ausdrücklich danke ich
Bundesminister Niebel, der sich für den zivilen Aufbau
besonders engagiert.
({5})
Selbsttragende Sicherheitsstrukturen sind die
Voraussetzung für eine Abzugsperspektive für unsere
Soldatinnen und Soldaten. Darum tun wir in Zukunft
deutlich mehr für die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte.
Zwischen Afghanen und internationaler Gemeinschaft ist eine Zielgröße von 300 000 afghanischen
Sicherheitskräften vereinbart. Dies ist nötig, damit Präsident Karzai sein Ziel erreichen kann, bis zum Jahr 2014
die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan
vollständig zu übernehmen.
Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, in den kommenden Jahren jährlich rund 5 000 afghanische Polizisten aus- und fortzubilden. Dafür wollen wir die Zahl unserer Polizeitrainer auf insgesamt 260 erhöhen. Ich bin
zuversichtlich, dass wir in Abstimmung mit den Bundesländern unser Ziel erreichen, diesen Aufwuchs schon bis
Mitte des Jahres abzuschließen. Ausdrücklich danke ich
Bundesminister de Maizière und den Bundesländern für
diesen wichtigen Beitrag.
({6})
Deutschland wird den Schwerpunkt seines militärischen Engagements noch stärker auf die Ausbildung der
afghanischen Sicherheitskräfte legen. Dies erreichen wir
vor allem durch eine Umschichtung im bestehenden
Kontingent. Obwohl wir bereits heute 4 500 Soldatinnen
und Soldaten in Afghanistan haben, sind nur 280 mit der
Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte betraut. Jetzt
stocken wir das Mandat lediglich um 500 weitere Soldaten auf, vergrößern aber die Ausbildungs- und Schutzkomponente auf 1 400 Männer und Frauen.
({7})
Ergänzend beantragt die Bundesregierung, eine flexible Reserve von 350 weiteren Soldaten zu schaffen.
Damit wollen wir sicherstellen, auch in Sondersituationen angemessen reagieren zu können. Schon jetzt ist absehbar, dass während der Wahlen im September für eine
vorübergehende Zeit mehr Kräfte Sicherungsaufgaben
übernehmen müssen. Auf diese Fälle wollen wir vorbereitet sein. Das gebietet auch unsere Verantwortung gegenüber den Frauen und Männern in Uniform. Einsätze
dieser Reserve werden stets zeitlich befristet sein und
erst nach Befassung des Auswärtigen Ausschusses und
des Verteidigungsausschusses erfolgen.
Diese Neumandatierung ist ein Teil des in London
beschlossenen breiten politischen Ansatzes für eine
Übergabe der Verantwortung. Ich danke ausdrücklich
Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Neufassung des
Mandates.
({8})
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, wer die Übergabe der Verantwortung in den
kommenden Jahren schaffen will, der muss heute seine
Anstrengungen verstärken. Wir tun heute mehr, um uns
eine klare Abzugsperspektive zu erarbeiten: Anfang
nächsten Jahres wollen wir in Abstimmung mit der afghanischen Regierung und unseren internationalen Partnern damit beginnen, regional die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen zu übergeben. Ende des Jahres
2011 wollen wir so weit sein, unser eigenes Bundeswehrkontingent reduzieren zu können. Im Jahr 2014
wollen wir Präsident Karzais Zielmarke erreichen, dass
die Afghanen die Verantwortung für ihre Sicherheit im
ganzen Land selbst übernehmen.
({9})
Das ist eine realistische Perspektive, auf die wir hinarbeiten wollen und werden. Aber es ist kein konkretes
Abzugsdatum. Ein solches zu nennen, wäre eine Ermutigung der Terroristen, also ein Fehler.
({10})
Zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme gehört auch,
die Realitäten in Afghanistan so zu benennen, wie sie
sind.
({11})
Die Bundesregierung hat sehr sorgfältig die Frage geprüft, wie die Lage im Norden Afghanistans zu bewerten
ist. Die Intensität der mit Waffengewalt ausgetragenen
Auseinandersetzung mit Aufständischen und deren miliBundesminister Dr. Guido Westerwelle
tärischer Organisation führt uns zu der Bewertung, die
Einsatzsituation von ISAF auch im Norden Afghanistans
als bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts zu qualifizieren. Ob uns das politisch gefällt
oder nicht, so ist die Lage. Ob wir es so nennen oder
nicht, so ist die Lage. Die Lage beim Namen zu nennen,
sind wir all denen schuldig, die sich vor Ort den Gefahren aussetzen.
({12})
Diese rechtliche Qualifizierung der objektiven Einsatzsituation von ISAF hat Konsequenzen für die Handlungsbefugnisse der Soldaten, für die Befehlsgebung
und für die Beurteilung des Verhaltens von Soldaten in
strafrechtlicher Hinsicht. Sie hat keine Auswirkungen
auf das Mandat, für das wir um Zustimmung bitten. Sie
hat auch keine Auswirkungen auf den Einsatz unserer
Polizisten. Unsere Polizisten wurden und werden ausschließlich im Norden Afghanistans und ausschließlich
zu Ausbildungszwecken eingesetzt. Für ihren Einsatz ist
entscheidend, dass wir ihn angesichts der tatsächlichen
Sicherheitslage verantworten können. Fürsorge hat
höchste Priorität. Unsere Polizisten arbeiten nur dort, wo
die Bundeswehr für Sicherheit eintritt. Darauf haben wir
uns auch mit den Ländern einvernehmlich verständigt.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, die Bundesregierung hat vor der Londoner
Konferenz ein umfassendes Konzept für Afghanistan
vorgelegt. Die Kernelemente unseres Konzepts finden
sich in den Ergebnissen von London wieder. Wenn Sie
unvoreingenommen prüfen, was wir in London erreicht
haben, werden Sie vieles wiedererkennen, was auf Anregungen und kritische Fragen aus diesem Hohen Haus zurückgeht. Die enge Einbindung des Parlamentes ist mir
sehr wichtig. Die Ergebnisse der Konferenz sind nicht
nur ein Erfolg der Teilnehmerstaaten, sie sind gewiss
nicht nur ein Erfolg der Bundesregierung; es handelt sich
um einen Erfolg für alle, die in diesem Hause zur Neuausrichtung unseres Engagements beigetragen haben,
aus allen Fraktionen. Es ist also auch Ihr Erfolg. Ich bitte
Sie daher, dass Sie der Versuchung widerstehen, das
Notwendige und Richtige zu unterlassen. Das wäre der
Größe unserer Aufgabe und auch der Ernsthaftigkeit unseres Engagements nicht angemessen.
Lassen Sie mich zum Abschluss den mutigen Männern und Frauen danken, die in Afghanistan sich auch
von hohen Risiken nicht schrecken lassen und mit großem Einsatz tätig sind. Den zivilen Aufbauhelfern, den
Polizisten aus Bund und Ländern, den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes und den tapferen Frauen und Männern der Bundeswehr gebührt unser
aller Respekt.
({13})
Ihnen und ihren Familien möchte ich von Herzen danken. Sie verdienen das Vertrauen der Bundesregierung
und des ganzen Bundestages. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zum Antrag der Bundesregierung.
({14})
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dr. Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Auslandseinsätze der Bundeswehr waren hier
im Parlament nie ein Selbstläufer, erst recht nicht der in
Afghanistan und erst recht nicht nach den Einsätzen am
Kunduz-Fluss. Wir müssen verstehen, begreifen und
ernst nehmen, dass sich die öffentliche Diskussion in
Deutschland zugespitzt hat, dass die Fragen kritischer
werden - „Wie soll es in Afghanistan weitergehen?“ und dass sich die Politik ihrer Verantwortung nicht entziehen darf und stattdessen diese Fragen beantworten
muss.
Wenn wir junge Menschen in einen schwierigen Einsatz wie den in Afghanistan schicken, dann müssen wir
uns für solche Entscheidungen auch vor der deutschen
Öffentlichkeit rechtfertigen. Deshalb sage ich: Was wir
in den letzten acht Jahren in Afghanistan geschafft haben, ist viel, aber es ist nicht genug. Das Hauptziel mag
erreicht sein - Herr Westerwelle, da haben Sie recht -:
Afghanistan ist heute, jedenfalls nach meiner Bewertung, kein sicherer Hafen mehr für internationalen Terrorismus. Auch beim politischen und erst recht beim wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes sind wir durchaus
vorangekommen.
Die Erfolge, die es zu verzeichnen gilt - Sie haben sie
zum Teil genannt -, sind aber alles andere als gesichert.
Ganz im Gegenteil: Wenn die internationale Staatengemeinschaft sofort und kopflos aus Afghanistan herausgehen würde, dann würde dieses schwierige Land - da bin
ich mir wie viele in diesem Hohen Hause sicher - in kurzer Zeit wieder im Bürgerkrieg versinken. Käme es so,
dann würden wir hier nicht über das Ansehen von internationalen Organisationen der Staatengemeinschaft,
seien es UNO, NATO oder andere, reden. Es geht hier
nicht um Gesichtswahrung - mir jedenfalls ging es nie
darum -, sondern um die Menschen in Afghanistan. Ein
sofortiger und kopfloser Abzug, wie ihn manche fordern,
wäre eine Katastrophe für diese Menschen. Auch das
muss uns klar sein.
({0})
Ich weiß, dass viele in Deutschland am Sinn dieses
Einsatzes zweifeln.
({1})
Ich habe erfahren, dass dieser Einsatz noch schwieriger
ist, als wir ihn uns 2001 vorgestellt haben. Aber gerade
deshalb bin ich der Meinung, dass wir es uns nicht zu
einfach machen dürfen.
Wir haben mit der Entscheidung 2001 und den Folgeentscheidungen Verantwortung für uns selbst und vor allen Dingen für Afghanistan übernommen. Wir haben Erwartungen geschaffen, und wir haben auch Fehler
gemacht. Zu den Fehlern gehört nach meiner Meinung,
dass wir mit Blick auf den politischen Wiederaufbau in
Afghanistan die Ziele am Anfang vielleicht zu hoch gesteckt haben. Sie kennen meinen Satz, dass wir nicht damit rechnen können, dass sich Afghanistan nach dem
Muster einer Westminister-Demokratie entwickeln wird.
Zu den Fehlern, die gemacht wurden, gehört aus meiner Sicht auch, dass wir uns am Anfang vielleicht nicht
genügend auf Afghanistan konzentriert haben. Das gilt
jedenfalls für einige, insbesondere für diejenigen, die
alle Kräfte und ihre ganze Konzentration viel zu lange
auf den Irak und die Suche nach politischen Lösungen
im Irak konzentriert und Afghanistan immer nur als ein
Sicherheitsproblem behandelt haben, das man möglicherweise mit Waffengewalt bekämpfen kann. Das war
eine Unterschätzung der Probleme in Afghanistan und
hat andere Verbündete, die mit einer anderen Philosophie an die Lösung dieser Probleme herangegangen sind,
überfordert. Ja, es hat falsche Prioritäten gegeben. Es hat
viel zu lange gedauert, bis wir andere davon überzeugt
haben, dass wir dem zivilen Wiederaufbau und dem
Schutz der Zivilbevölkerung in Afghanistan oberste
Priorität einräumen müssen.
Aus dieser Bilanz - zu der auch die Erfolge gehören,
über die Herr Westerwelle eben berichtet hat - müssen
wir die richtigen Konsequenzen ziehen. Die richtigen
Konsequenzen ziehen, das heißt aus meiner Sicht, dass
dies kein Einsatz für die Ewigkeit sein kann. Wir sind
mittlerweile acht Jahre dort. Wir müssen auf der letzten
Wegstrecke - ich würde sagen: im letzten Drittel unseres
Einsatzes - versuchen, den Erfolg nachhaltig zu sichern.
Das heißt, realistische Ziele setzen, mehr Engagement
beim zivilen Aufbau und vor allen Dingen mehr Tempo.
Außerdem brauchen wir aus meiner Sicht - wir reden
heute nicht nur über dieses Mandat - eine klare Perspektive für die Beendigung unseres Einsatzes dort, jedenfalls des militärischen Teils. Das ist die Aufgabe der
Stunde. Es ist nicht nur die Aufgabe der Regierung, sondern auch des Parlaments, dafür zu sorgen, dass das
funktioniert.
({2})
Wir Sozialdemokraten haben diesen Einsatz in Regierungsverantwortung beschlossen. Wir haben ihn mit unterschiedlichen Koalitionspartnern mitgetragen. Wir haben ihn über Jahre hinweg gestaltet, und wir stehen zu
dieser Verantwortung. Weil wir dazu stehen, haben wir
uns in die öffentliche Debatte eingemischt, auch aus der
Opposition heraus. Wir haben mit der Bevölkerung diskutiert, wir haben öffentliche Debatten geführt, wir haben Konferenzen veranstaltet, und wir haben uns mit
Vorschlägen nicht zurückgehalten. Wenn ich das richtig
bilanziere, dann hat sich die Bundesregierung lange zurückgehalten. Wenn ich richtig informiert bin, hat sie bis
zwei Tage vor der Londoner Konferenz nichts geliefert.
Das war fahrlässig.
Die Bundesregierung hat - das zeigt das vorliegende
Mandat - auf Vorarbeiten auch aus unserer Feder zurückgegriffen, indem sie Elemente unserer Vorschläge
aufgegriffen hat. Das ist gut und richtig.
({3})
Lassen Sie mich einige unserer Forderungen nennen:
Erstens. Wir haben die Regierung aufgefordert, die
Anstrengung beim zivilen Aufbau erheblich zu verstärken. Wir haben eine Verdoppelung der Mittel für den zivilen Wiederaufbau gefordert. Die Bundesregierung hat
sich diesen Vorschlag zu eigen gemacht. Das ist gut.
Zweitens. Wir haben verlangt, die Ausbildung und die
Ausstattung der afghanischen Sicherheitskräfte zu intensivieren. Auch hier hat sich die Bundesregierung - wenn
ich das richtig gelesen habe - in die richtige Richtung
bewegt. Schon in der Großen Koalition haben wir uns
darauf verständigt, insbesondere die Zahl der Polizeiausbilder zu erhöhen. Herr de Maizière, Sie haben unsere
volle Unterstützung, wenn Sie das in die richtige Richtung entwickeln und zügig umsetzen.
Wir begrüßen auch die Erhöhung der Zahl der Ausbilder für die afghanische Armee. Es ist richtig, dafür das
Kontingent der Bundeswehr in der gegebenen Größenordnung entsprechend umzustrukturieren. Mir ist bei der
Lektüre des Mandates aufgefallen, dass nicht mehr die
Rede davon ist, das Kontingent um 2 500 Soldaten aufzustocken, wie noch vor Weihnachten öffentlich diskutiert worden ist. In der Begründung des Mandats ist auch
kein Plädoyer für zusätzliche Kampftruppen enthalten.
Aber Herr Westerwelle, ich warne vor Tricks. Wenn
Sie versuchen, die im Mandat angemeldete Reserve für
eine dauerhafte Erhöhung des Kontingents zu nutzen,
dann gefährden Sie selbst die Zustimmung zum vorliegenden Mandat. Sie haben in der Unterrichtung gesagt
- auch die Bundeskanzlerin hat das ausgeführt -: Die
Reserve brauchen wir für vorübergehenden Bedarf, zum
Beispiel zum Kontingentwechsel, für zeitlich befristete,
zusätzliche Einsätze. Zu diesen Einsätzen soll es - ich
betone das - nur nach Befassung des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses kommen.
Das Thema Reserve ist noch nicht durch. Unterschätzen
Sie das nicht. Sie haben in den Ausschüssen noch viel
Überzeugungsarbeit zu leisten.
({4})
Sie haben dort zu dokumentieren, dass Sie es mit dem,
was ich eben referiert habe, ernst meinen.
An dieser Stelle passt ein Satz zu Ihren Ausführungen
in der Regierungserklärung, was die Qualifizierung
unseres Einsatzes in Afghanistan angeht. Das steht
nicht im Mandat, sondern war nur Teil Ihrer Regierungserklärung. Ich glaube, wir müssen uns gegenseitig nicht
darüber belehren, wie die Lage in Afghanistan ist. Die
unterschätzt hier im Hause niemand. Wir sind aber auch
der Meinung, dass wir nicht durch Eigenbewertungen
zur Eskalation der Lage in Afghanistan beitragen sollten.
Ob die Lage in Afghanistan ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt ist, das ist in der Tat - das bestreitet
hier im Hause überhaupt niemand; ich jedenfalls nicht eine Frage von großem rechtlichen Gewicht. Aber es
liegt eben nicht in der Hand der Bundesregierung, einen
solchen Konflikt festzustellen.
({5})
Herr Westerwelle, wenn ich Ausführungen, die aus
dem Hause Ihres Kollegen zu Guttenberg stammen,
zitieren darf: Er hat auf die Frage des Kollegen Arnold
geantwortet:
Ob in Nordafghanistan ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt anzunehmen ist, steht nicht in
der Entscheidungskompetenz der Bundesregierung.
Ich nehme an, das ist nach wie vor die Auffassung der
Bundesregierung. Ich nehme an, dass Sie sich bei dieser
Frage nicht schon wieder korrigieren wollen.
({6})
Zurück zum Mandat. Das dritte unverzichtbare Element ist aus meiner Sicht: Wir müssen jetzt beginnen,
nach und nach Teile der Nordregion in afghanische
Hände zu übergeben. Teile des Nordens sind nach wie
vor ruhig und stabil. Dort können und müssen aus meiner Sicht die Afghanen jetzt selbst für Sicherheit sorgen.
Ich selbst habe schon vor einem halben Jahr - das wissen Sie - im Zehn-Punkte-Papier dafür plädiert, solche
Regionen in afghanische Hände zu übergeben. Es hat ein
bisschen gedauert, aber es ist gut, dass diese Position
jetzt auch im Papier der Bundesregierung eingenommen
wird.
Wir brauchen viertens - jetzt kommen wir zu den wesentlichen Dingen - eine klare Perspektive für den Beginn des Rückzugs aus Afghanistan.
({7})
Präsident Obama - Sie wissen das - will seine Truppen
ab 2011 reduzieren. Die SPD will den Rückzug der Bundeswehr ebenfalls 2011 beginnen lassen. Ich habe festgestellt, dass die Bundesregierung diesen Vorschlag in
ihr Konzept, in den Mandatsentwurf übernommen hat.
Das ist gut. Wir werden Sie beim Wort nehmen. Der
nächste Mandatsentwurf der Bundesregierung wird die
Übergabe der Verantwortung in den Teilregionen ebenso
wie die ersten Schritte eines beginnenden Rückzugs ab
2011 definieren und beschreiben müssen. Das wird in
dem nächsten Mandat konkret enthalten sein müssen.
Wir gehen in der SPD einen Schritt weiter. Wir sind
fünftens der Meinung: Wenn die internationale Staatengemeinschaft erstens, wie gerade in London geschehen,
einen verbindlichen Zeitplan und Obergrenzen für Armee und Polizei festschreibt und die für die Ausbildung
notwendigen Kräfte bereitgestellt werden, wenn zweitens die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in
afghanische Hände tatsächlich beginnt und wenn drittens
Herr Karzai es sich selbst zum Ziel setzt, innerhalb der
nächsten fünf Jahre die Sicherheitsverantwortung in die
eigene Hand zu nehmen, dann ist es in der Tat Zeit, nicht
nur über den Beginn des Rückzugs zu reden, sondern
auch das Ende unseres Einsatzes in Afghanistan in den
Blick zu nehmen.
Sie wissen, aus Sicht der SPD sollte das in dem Zeitraum zwischen 2013 und 2015 stattfinden. Entgegen
manchen Behauptungen, Herr Westerwelle, ist das natürlich kein willkürlich gewählter Zeitraum. Dieser Zeitraum orientiert sich an den Zielen der internationalen
Staatengemeinschaft, und er orientiert sich an den selbstgesetzten Zielen der afghanischen Führung. Sie selbst
haben diese Ziele für Afghanistan gerade noch einmal
bestätigt.
Deshalb sage ich Ihnen: Das ist keineswegs willkürlich, sondern wir haben dieses Zeitfenster für den
Abzug, diesen Korridor gewählt, weil wir das in vielerlei Hinsicht für sinnvoll und richtig halten. Wir setzen
uns selbst, aber vor allen Dingen die afghanische Führung unter Druck. Wir verhindern, dass unter den
NATO-Partnern, unter den in Afghanistan engagierten
Staaten, ein Wettlauf um frühestmögliche Zeitpunkte für
den Abzug einsetzt. Wir leisten auch einen Beitrag dazu
- unterschätzen Sie das nicht -, dass die Akzeptanz für
den Einsatz nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen
europäischen Nachbarstaaten erhalten bleibt.
Wir alle waren auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Ich habe dort mit vielen meiner ehemaligen, Ihren
heutigen Kollegen, Herr Westerwelle, gesprochen. Wenn
ich nicht ganz falsch liege, dann gibt es in vielen europäischen Staaten durchaus einen dankbaren Blick darauf,
dass wir in Deutschland die Abzugsperspektive 2014/
2015 in die öffentliche Diskussion gebracht haben. Denn
diese wird jetzt nach und nach auch in den anderen Mitgliedstaaten in Europa übernommen.
({8})
Wir haben registriert, dass Sie die Abzugsperspektive
2014 in den Blick genommen haben, allerdings nur in
der Formulierung: Wir wollen die afghanische Regierung bei der Erreichung dieses Ziels unterstützen. Konkreter wollten Sie nicht werden. Aber wenn ich jetzt einmal die anfängliche - entweder echte oder gespielte Empörung darüber, dass wir einen Abzugskorridor überhaupt in die Diskussion gebracht haben, mit den jetzigen
Erklärungen vergleiche, dann bin ich mir sicher, dass Sie
sich auch in diesem Punkte nach und nach unseren Positionen annähern werden.
Präsident Obama hat Afghanistan endlich den richtigen Stellenwert eingeräumt. Die afghanische Regierung
hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Offenbar spürt man
auch in Afghanistan, dass man nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte angewiesen sein kann. Ich bin mir sicher: Auch in
den anderen NATO-Staaten wird die Entschlossenheit
wachsen, jetzt den Perspektivenwechsel zu schaffen und
die Vorbereitung für eine Beendigung unseres militärischen Einsatzes in Afghanistan zu treffen, natürlich
nicht ohne Verantwortung und natürlich nicht mit dem
Risiko, dass dort alles wieder zusammenbricht.
Ich bin der Meinung: Wir müssen dieses Momentum
für Afghanistan, für die Menschen dort, aber auch mit
Blick auf die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan nutzen. Sie haben nicht nur unseren
Dank verdient, sondern auch unsere ganze Unterstützung. Das will auch ich gerne für die SPD-Fraktion sagen.
({9})
Herr Kollege Steinmeier.
Ich habe nur noch einen Satz, Herr Präsident. Gerade
mit Blick auf die eben angesprochenen Soldaten lautet
dieser letzte Satz: Vertrauen Sie darauf, wir sehen das
sehr richtig: Nicht die Soldaten haben die Glaubwürdigkeit dieses Einsatzes in den letzten Monaten beschädigt,
sondern, wenn überhaupt, dann waren es ein Hin und
Her bei der Bewertung einzelner Einsatzfragen, insbesondere des Einsatzes am Kunduz-Fluss, und die
ungeklärten Hintergründe um die Entlassung von Führungspersonen im Verteidigungsministerium. Das hat
Glaubwürdigkeit bei dem Einsatz gekostet, nicht das
Tun der Soldaten selbst.
({0})
Vertrauen Sie darauf: Die SPD-Fraktion wird den Antrag, den Sie vorgelegt haben, gründlich und verantwortungsvoll prüfen und anschließend bewerten.
Herzlichen Dank.
({1})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das deutsche Engagement in Afghanistan bedeutet eine tiefe Zäsur in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Der Einsatz bedeutet ein
völliges Umdenken unseres außenpolitischen Handelns.
Er ist gefährlich und teuer. Er ist unpopulär und daher
anfällig für Populisten. Aber er ist ohne verantwortbare
Alternative.
({0})
Wir engagieren uns in Afghanistan natürlich auch, um
die Menschen dort vor einem Rückfall in Bürgerkrieg,
Schreckensherrschaft oder eine beispiellose Diskriminierung der Frauen zu bewahren. Aber wir sind - nach
dem 11. September 2001, nach den Anschlägen von
London, Madrid und Bali und mit einem ausdrücklichen
UN-Mandat - auch in Afghanistan engagiert, um Leib
und Leben unserer eigenen Bürger zu schützen. Wie
groß die Gefahr des Terrorismus auch bei uns im eigenen Land ist, zeigt der aktuelle Prozess gegen die Sauerland-Gruppe. Es geht konkret darum, auch bei uns, in
unseren Hauptbahnhöfen Massaker mit sterbenden Menschen, mit sterbenden Frauen und Kindern zu verhindern. Wir haben uns den Einsatzort Afghanistan nicht
ausgesucht; aber wir müssen auch dort, wo die Bedrohung entsteht, agieren, um unsere Bürger hier zu schützen.
Es geht auch um die Verhinderung eines Flächenbrandes von Radikalismus und Terrorismus in einer explosiven Region. Deswegen sind unsere Soldaten, unsere Entwicklungsexperten und unsere Polizisten in Afghanistan.
Deswegen benötigen sie den Rückhalt des Parlaments,
der Politik und der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, derentwegen sie sich in Gefahr begeben. Sie brauchen auch die Rückendeckung der deutschen Justiz. Das,
was Sie, Herr Außenminister, dazu gesagt haben, ist extrem hilfreich.
Deutschland hat seit 2001 an führender Stelle Verantwortung übernommen. In Afghanistan ist tatsächlich
vieles besser geworden. Präsident Karzai hatte recht, als
er auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt hat,
dass Afghanistan heute ein völlig anderes Gesicht hat als
2001. Damals gab es außer Armut und Chaos nichts
mehr. Es gab keinen Staat. Es gab keine Schulen, schon
gar nicht für Mädchen. Es gab keine Gesundheitsversorgung, fast keine Infrastruktur und natürlich auch keine
freie Meinungsäußerung.
Heute gibt es in Afghanistan demokratisch gewählte
Institutionen und eine gute demokratische Verfassung.
Heute gehen dort 12 Millionen Kinder zur Schule. Es
gibt 15 000 Studenten. 80 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu medizinischer Basisversorgung. Es
wurden 14 000 Kilometer Straße gebaut. Das Pro-KopfEinkommen hat sich verdreifacht. Es gibt immerhin
80 Radio- und Fernsehstationen, viele davon privat. Wir
können sagen, dass Deutschland und der deutsche Steuerzahler daran maßgeblich mitgewirkt haben.
Der Bundeswehr ist es gelungen, auch durch einen
behutsamen und freundschaftlichen Umgang mit der Bevölkerung, den Norden zu einer relativ stabilen Region
zu machen. Für diese Erfolge haben auch deutsche Soldaten und Entwicklungshelfer ihr Leben verloren. Sie
haben es verdient, dass wir diese Erfolge nicht geringschätzen.
Keiner von uns verschließt jedoch die Augen vor den
Fehlern dieses internationalen Einsatzes, auch nicht
vor den eigenen Fehlern und den daraus resultierenden
Gefahren, vor den kriegsähnlichen Zuständen in manchen Landesteilen, vor den zivilen Opfern und der damit
einhergehenden Vergiftung der Atmosphäre, vor der gewachsenen Korruption, vor der mangelnden Koordination der Aufbauhilfe und der militärischen Strategien der
Verbündeten, vor der eigenen Halbherzigkeit oder der
Naivität, mit der wir vielfach die gewaltigen kulturellen
Unterschiede und widersprüchlichen Interessen übersehen haben.
Die Afghanistan-Konferenz in London hat die Weichen für eine notwendige Neuorientierung des internationalen Engagements gestellt. Herr Steinmeier, dabei
spielen fast immer die Punkte, die die Union und auch
der ganze Bundestag international wiederholt angemahnt
haben, eine Rolle: die massive Verstärkung des zivilen
Aufbauengagements, vor allem mit Blick auf die ländliche Bevölkerung und die Jugend, die bessere Koordination und Schwerpunktsetzung und die Stärkung der
Eigenverantwortung der Afghanen durch einen gemeinsamen Koordinierungsrat und auf Grundlage einer natioDr. Christian Ruck
nalen afghanischen Entwicklungsstrategie, das Drängen
nach stärkerer Bekämpfung der Korruption mit unabhängigen Antikorruptionsbehörden, mit mehr Transparenz
in Finanzfragen und mit einer besseren Kontrolle der
Mittelvergabe durch die Geberländer und schließlich die
massive Verbesserung und Verstärkung der Ausbildung
der afghanischen Sicherheitskräfte.
Meine Damen und Herren, der langfristige Erfolg in
Afghanistan hängt entscheidend vom Erfolg des
Konzepts der vernetzten Sicherheit ab. Im Prinzip ist
dieser Gedanke im Rahmen des Einsatzes auf dem Balkan, auch im Kosovo, entstanden, wo wir übrigens mit
25-mal mehr Aufwand pro Kopf der Bevölkerung schon
zehn Jahre lang engagiert sind.
In Afghanistan ist die vernetzte Sicherheit überlebenswichtig für alle. Wir haben gesehen: Wo rund um
die Uhr ausreichend Sicherheitskräfte vorhanden sind
und alternative Produkte angebaut werden, kommen der
Drogenanbau und mit ihm all die staatszersetzenden
Auswirkungen zum Erliegen.
({1})
Eine Reintegration der Teilzeit-Taliban kann nur gelingen, wenn es für die im Prinzip Friedenswilligen ein
Mindestmaß an ökonomischen Perspektiven gibt.
Umgekehrt ist es eine Illusion, zu glauben, dass die
Bereitschaft zur Abgabe von Waffen und zur Reintegration wächst, wenn wir in unseren militärischen und polizeilichen Anstrengungen nachlassen. Herr Steinmeier,
ich bin nicht Ihrer Meinung, dass man ein konkretes Abzugsdatum verbindlich hier öffentlich nennen soll. Ich
halte es da mit Außenminister Westerwelle: dass wir den
Zeitpunkt, zu dem wir abgezogen sein werden, in der Öffentlichkeit niemals sagen dürfen, ja gar nicht sagen
können.
({2})
Vernetzte Sicherheit ist nicht gegeben, wenn
85 Prozent der mühsam ausgebildeten Polizisten Analphabeten sind. Vernetzte Sicherheit haben wir auch nicht,
wenn Entwicklungshelfer mancher Organisationen Kontakt mit Bundeswehrsoldaten oder anderen Sicherheitskräften ablehnen. Ein Gegeneinander ist das Gegenteil
von vernetzter Sicherheit. Oder wie es
Alle Organisationen der Entwicklungshilfe sollen die afghanische Regierung unterstützen und
nicht gegen sie arbeiten. - Ich glaube, das kann man verlangen. Es gibt noch viel zu tun bei der vernetzten Sicherheit, auch im eigenen Land. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir in der neuen, christlich-liberalen
Regierung auch hier weiter vorankommen. Dies ist das
Gebot der Stunde.
Die Konferenz in London hat einen wichtigen Gedanken von uns aufgegriffen, nämlich die Berücksichtigung
der regionalen Interdependenz, in der sich die Afghanistan-Mission befindet. Es geht vor allem um die Rolle
Pakistans und um die komplizierte Beziehung Afghanistans zu seinen Nachbarn China und Indien. Auch in Pakistan sind politische und rechtsstaatliche Reformen sowie die Eröffnung ökonomischer Perspektiven für die
einfache Bevölkerung zu lange versäumt worden.
Dies ist eine Lehre, die wir als Deutsche und Europäer aus unseren Bemühungen um Afghanistan und bei
der Bekämpfung des Terrorismus ziehen müssen: Wir
müssen uns, auch wenn es schmerzlich ist, rechtzeitiger
und entschlossener mit dem Ansatz der vernetzten Sicherheit um die international immer zahlreicher werdenden weißen Flecken von Anarchie, Rechtlosigkeit und
Staatszerfall kümmern. Wir müssen das nationale und
das internationale Instrumentarium für eine raschere, vor
allem zivile Vorsorge gegen Staatszerfall schärfen. Dies
ist vital im deutschen Interesse.
Wir Deutsche haben uns nach dem Krieg einen guten
Ruf als ehrlicher Makler erworben. Diese Stellung sollten wir stärker nützen. Wir haben auch in Afghanistan
trotz aller Schwierigkeiten einen guten Ruf. Diesen guten Ruf wollen wir behalten. Wir sind als Freunde gekommen. Wir müssen so lange engagiert bleiben, bis wir
auch als Freunde wieder gehen können. Das ist es, was
mit Übergabe in Verantwortung gemeint ist.
Wir stimmen der Verlängerung des Mandates zu.
({0})
Jan van Aken ist der nächste Redner für die Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war
letzte Woche in Afghanistan. Ich muss sagen, diese
Reise hat mich erschüttert. Wir haben mit afghanischen
Politikern und Wissenschaftlern geredet, mit deutschen
Aufbauhelfern, mit vielen Soldaten.
Wir haben auch Opfer und Hinterbliebene von Opfern
des Bombenangriffs von Kunduz getroffen. Eine Frau,
die mehrere Angehörige verloren hatte, hat etwas gesagt,
was mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht: Wären
wir nicht arm, hätten wir kein Benzin gebraucht. - Weil
sie so arm sind, sind ihre Kinder und Enkelkinder losgezogen, um Benzin zu holen. Das erklärt vielleicht, was
sich viele von uns gefragt haben: Warum waren nachts
um 2 Uhr auf einer Sandbank mitten im Kunduz-Fluss
so viele Zivilisten, die dann getötet worden sind?
26 Schüler mussten sterben, der jüngste von ihnen war
gerade einmal zehn Jahre alt.
Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung
den Hinterbliebenen Soforthilfe - Essen, Decken, Heizmaterial - gegeben hat. Ich würde mir aber auch
wünschen, dass wir hier im Bundestag - über alle Parteigrenzen hinweg, jenseits der Frage, wer zum Krieg
wie steht - der Opfer von Kunduz gedenken könnten.
({0})
Eine Botschaft, die uns die Hinterbliebenen mit auf den
Weg gegeben haben, lautet, dass es ihnen sehr viel bedeuten würde, wenn es hier in Deutschland eine Gedenkveranstaltung geben würde.
In Afghanistan habe ich gemerkt, dass die Diskussion
dort eine völlig andere ist als hier im Raumschiff Berlin.
Ein Beispiel ist die Frage der Versöhnung und der
Wiedereingliederung. Sie, Herr Westerwelle, reden
ausschließlich über die Frage der Wiedereingliederung
der Taliban. Das ist im Prinzip richtig. Aber wo bleibt
die Versöhnung? Wo bleiben die Verhandlungen? In
Afghanistan ist es genau umgekehrt: Dort redet man ausschließlich über die laufenden Verhandlungen mit den
Taliban; das ist auch gut so. Herr Westerwelle, wenn Sie
diesen Krieg beenden wollen - ich glaube, Sie wollen
ihn beenden -, dann tun Sie alles, was in Ihrer Macht
steht, um diese Verhandlungen zu unterstützen, damit es
endlich zu einem Frieden in Afghanistan kommt.
({1})
Ein zweites Beispiel, wo Ihr Wunschdenken und die
Realität in Afghanistan völlig auseinandergehen, ist der
zivile Wiederaufbau. Sie haben im Prinzip zwei Optionen. Die eine Option ist der reine zivile Wiederaufbau,
die klassische Entwicklungshilfe. Ich habe in Kabul mit
einem deutschen Entwicklungshelfer gesprochen. Er hat
eine interessante Geschichte erzählt.
Vor einigen Jahren ist er gebeten worden, in einer
schwer umkämpften Provinz im Süden Afghanistans ein
Aufbauprojekt durchzuführen. Von allen Seiten ist er gewarnt worden, dort hinzugehen, sie würden sonst „sofort
vom Acker geschossen“. Der Aufbauhelfer ist den mühsamen Weg gegangen. Er hat sich mit afghanischen Experten auf den Weg gemacht und analysiert: Wer schießt
in dieser Provinz auf wen? Wer hat in dieser Provinz, im
Distrikt, im Dorf das Sagen? Mit diesem Wissen konnten
sie mit den richtigen Leuten reden und mit ihnen das
Projekt anfangen. Weil alle Seiten dabei waren und die
Bedürfnisse von allen Seiten berücksichtigt worden sind,
ist am Ende niemand vom Acker geschossen worden.
Eine Bedingung für diesen Erfolg war auch, dass kein
Militär mit auf den Acker gegangen ist. Das ist der zivile
Aufbau.
({2})
Das andere Modell ist Ihre zivil-militärische Zusammenarbeit. Ich konnte in Kunduz mit eigenen Augen sehen, wie sie funktioniert. Da fährt eine Panzerkolonne
mit mehreren Dutzend schwer bewaffneten Soldaten los,
um einen oder zwei Aufbauhelfer ins nächste Dorf zu
bringen. Sie fahren in die Provinz, werden beschossen,
und dann gibt es Feuergefechte. Wenn die Taliban geflohen sind, dann kann man vielleicht mit den Dorfältesten
sprechen. So befrieden Sie doch keinen einzigen Distrikt. So schaffen Sie keinen Frieden in der Fläche.
({3})
Hören Sie endlich auf, den zivilen Aufbau mit den militärischen Einsätzen zu verknüpfen. Gehen Sie endlich
den intelligenten und mutigen Weg des rein zivilen Aufbaus. Lassen Sie das Militär außen vor!
({4})
Wir kommen damit zur entscheidenden Frage. Sie haben hier eben gesagt: Die zusätzlichen 850 Soldaten
seien Teil einer Aufbau- und Schutztruppe. Das hört
sich harmlos an, ist aber eine infame Täuschung. Sie
wollen Kampftruppen in Form von 850 Soldaten dorthin
schicken.
({5})
Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie diese „Schutztruppen“ aussehen: Das sind bis an die Zähne bewaffnete
Soldaten. Das ist überhaupt kein Vorwurf an die Soldaten; denn sie werden natürlich beschossen und müssen
kämpfen, wenn sie nach draußen gehen. Aber das sind
keine Schutztruppen.
Herr Westerwelle, hören Sie endlich auf, die Öffentlichkeit in Deutschland über den Krieg in Afghanistan zu
täuschen. Solange Sie uns hier täuschen, wird es weder
in Afghanistan noch hier in Deutschland Frieden geben.
({6})
Ich sage den Abgeordneten der SPD ganz bewusst: Lassen Sie sich von der Rhetorik des Herrn Westerwelle
nicht täuschen. Stimmen Sie keinem Mandat zu, mit dem
850 zusätzliche Soldaten in den Krieg geschickt werden.
({7})
Dieser Meinung ist im Übrigen auch der stellvertretende Vizepräsident des afghanischen Parlamentes,
Amanullah Paiman. Er hat uns die Botschaft mit auf den
Weg gegeben: Wir wollen Frieden, und mehr Soldaten
helfen dabei nicht. Je mehr Soldaten, desto mehr Probleme. Ich stimme Herrn Paiman zu. Deshalb wird die
Linke heute Ihrem Antrag nicht zustimmen.
({8})
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland
keine Waffen mehr exportieren sollte. Wir wollen Frieden überall in der Welt. Mehr Waffen helfen dabei nicht,
mehr Soldaten auch nicht.
Ich danke Ihnen.
({9})
Der Kollege Hellmut Königshaus ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
möchte zunächst dem Bundesaußenminister sehr herzlich dafür danken,
({0})
dass er die Situation in Afghanistan ohne Illusion und
ohne Beschönigung klar beschrieben und die rechtlichen
Konsequenzen, die sich daraus ergeben, klargestellt hat.
Nebenbei bemerkt, Herr Steinmeier, Sie brauchen keine
Sorge zu haben, dass es eine unterschiedliche Position
gibt. Herr Dr. Westerwelle hat für die gesamte Bundesregierung gesprochen.
({1})
Das war früher vielleicht anders; aber heute ist das so,
wie man weiß.
Ich bin froh, dass die Soldaten nun eine wesentlich
größere Klarheit haben. Natürlich weiß man nie, was
Gerichte, Staatsanwaltschaften usw. daraus machen.
Aber was die Bundesregierung tun kann, ist, eine eigene
Bewertung abzugeben. Das hat sie getan; dafür gebührt
ihr Dank.
({2})
Die Ergebnisse der Konferenz in London markieren
einen Paradigmenwechsel in der Afghanistan-Politik, einen Paradigmenwechsel, der nicht nur unsere nationale
Politik betrifft, sondern auch die unserer Partner. Denn
noch deutlicher, als das bisher der Fall war, steht nun der
Aufbau im Mittelpunkt des Engagements. Viel klarer, als
das bisher der Fall war, orientiert er sich dabei auch an
den traditionellen Wertvorstellungen und gewachsenen
Strukturen der Afghanen selbst.
Das war bisher nicht so. Deshalb ist die FDP-Fraktion
der Bundesregierung wirklich sehr dankbar, dass sie auf
diese Neuausrichtung geduldig, aber auch mit der notwendigen Überzeugungskraft hingewirkt hat. Denn es
war ja ein doppelter Kraftakt, nicht nur in der deutschen
Politik die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen, sondern zugleich die Afghanen selbst und unsere
Partner darin einzubinden. Der Bundesaußenminister hat
diese Neuausrichtung hier überzeugend dargestellt. Wir
können jetzt mit Genugtuung feststellen, dass es endlich
eine nicht nur formal abgestimmte, sondern auch inhaltlich von allen beteiligten Ressorts getragene Afghanistan-Politik gibt.
({3})
Das war bisher nicht die Regel, im Gegenteil. Die Ergebnisse waren dann in vielen Teilen entsprechend.
Ich teile aber - das will ich hier sagen - nicht die Auffassung, nichts sei in Afghanistan gut geworden. Wer
sich die Mühe macht, sich dort einmal umzusehen, sieht
sehr wohl Fortschritte. Es sind nicht genug; das ist
wahr. Sie sind leider nicht so groß, wie sie sein könnten.
Gerade in den ruhigen Anfangsjahren, als die Afghanen
voller Dank für die wiedergewonnenen Freiheiten waren
und den Deutschen größte Sympathien entgegengebracht
haben, hat die damalige Bundesregierung den Aufbau
vernachlässigt. Bis vor kurzem haben wir einen großen
Teil des Aufwandes nur für die militärische Sicherung
ausgegeben und nicht für den Aufbau selbst. Die Menschen dort haben deshalb keine wirklich spürbaren Fortschritte und kaum Verbesserungen ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation gemerkt. Das hat die ursprünglich
freundliche Grundstimmung gegenüber den Deutschen
eingetrübt und den rückwärts gewandten Kräften Zulauf
verschafft. So konnten die Feinde des Aufbaus auch im
deutschen Verantwortungsbereich wieder Fuß fassen und
den Aufbau erschweren. Das wird jetzt anders, und das
ist auch gut so.
({4})
Man muss es leider immer wieder ins Gedächtnis rufen: Wir sind in Afghanistan militärisch engagiert, um
den Aufbau zu sichern, und nicht umgekehrt. Das gilt
insbesondere für den Schutz der Bevölkerung.
({5})
- Ich habe sehr gut zugehört. - Dieser Aufbau dient der
Stabilisierung der Region. Dies liegt in unserem eigenen
Interesse.
({6})
Der Koalitionsvertrag von FDP und CDU/CSU hat
vorgezeichnet, was nun endlich umgesetzt werden kann.
Wir werden die Mittel für den Aufbau glatt verdoppeln,
Herr van Aken, und die Projekte besser am Bedarf der
Menschen dort orientieren, damit die Armut behoben
wird. Wir werden mehr in die Infrastruktur investieren;
der Außenminister hat die Details genannt. Wir werden
ein funktionierendes Bankwesen in der Fläche aufbauen
und Mikrokredite ermöglichen - und das auch auf dem
Land und nicht nur in den Städten. Wir werden natürlich
die Projekte zur Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit
und zur Sicherung von Frauenrechten fortführen.
({7})
Wir werden aber eben noch mehr auch in die Grund- und
Berufsausbildung investieren und die künftigen Schulprojekte noch mehr in die lokalen und regionalen Strukturen einbinden, wie das übrigens Rupert Neudeck mit
seinen Grünhelmen vorbildlich vorgemacht hat.
Der zivile Aufbau ist übrigens auch der Schlüssel für
die nachhaltige Beendigung der Drogenwirtschaft,
durch die der Terror in Afghanistan mitfinanziert wird,
die ländliche Entwicklung blockiert wird und deren
grausame Folgen auch wir hier bei uns in Deutschland
spüren. Also: Wir sehen in dem Afghanistan-Konzept
der Bundesregierung eine klare Perspektive; es ist ein
überzeugendes Konzept.
Eines werden wir in diesem Zusammenhang allerdings sicherlich nicht tun können, Herr Steinmeier: Wir
können keine festen Termine nennen. Wir können natürlich Ziele beschreiben und eine bestimmte Vorstellung davon entwickeln, wann wir sie erreicht haben wollen. Wenn wir sie dann aber noch nicht erreicht haben,
können wir nicht sagen: Jetzt ist aber der Termin des Abzugs erreicht. Vielmehr müssen wir das von den tatsächlichen Ereignissen abhängig machen.
({8})
Wir tun alles dafür, dass wir das so schnell wie möglich
erreichen.
Es ist klar: Wir knüpfen unser Engagement auch an
Bedingungen - gerade auch gegenüber den afghani1904
schen Partnern. Auch sie müssen ihre Schularbeiten
machen, und Herr Karzai muss all seine Zusagen hinsichtlich Good Governance, der Menschenrechte, der
Bekämpfung der Korruption usw. endlich auch tatsächlich umsetzen. Auch das werden wir überprüfen. Herr
Steinmeier, völlig zu Recht fordern Sie ein, dass wir uns
vor dem nächsten Mandat auch darüber Rechenschaft
ablegen.
Natürlich ist es aber auch erforderlich - das ist der
Grund, warum wir hier noch einmal auch über ein Militärmandat entscheiden müssen -, diese Aufbauanstrengungen vor jenen zu schützen, die diesen Fortschritt stören oder sogar zerstören wollen. Hier hilft eben kein
Beten und auch kein Lamentieren, Herr van Aken.
({9})
Deshalb bin ich bei aller grundsätzlichen Sympathie
schon froh darüber, dass nicht Frau Käßmann und auch
nicht Sie, sondern diese Bundesregierung und unsere
Minister Westerwelle und Niebel die Afghanistan-Politik gestalten.
({10})
Die wissen nämlich, dass Sicherheit zwar keine hinreichende, aber ganz gewiss eine notwendige Bedingung
für nachhaltige Entwicklung ist.
Auch hier zeigt die Bundesregierung Augenmaß. Wir
können mit Genugtuung feststellen, dass den überzogenen Erwartungen mancher Partner mit großer Überzeugungskraft entgegengewirkt werden konnte. Das, Herr
Bundesaußenminister, ist ein großer Erfolg, der vor
allem Ihrer stillen Diplomatie zu verdanken ist. Auch dafür gebührt Ihnen unsere Anerkennung.
({11})
Durch das neue Mandat und die neue internationale
Ausrichtung werden auch hohe Anforderungen gestellt,
bei der Herstellung der Sicherheit, beim Polizeiaufbau
und beim Aufbau eines funktionierenden Justizsystems.
Hier haben wir eine ganz besondere Verantwortung, der
wir bisher nicht in dem Umfang nachgekommen sind,
wie es erforderlich gewesen wäre. Deshalb kommen wir,
wenn wir den Aufbau voranbringen wollen, heute nicht
umhin, vorübergehend mehr Soldaten dorthin zu schicken. Dadurch wird es uns ermöglicht, mehr Ausbildung
zu gewährleisten und einen größeren Schutz der Bevölkerung sicherzustellen.
Weil das oft gesagt wurde: Das hat nichts mit Besetzung oder Besatzung zu tun, wie manche glauben machen wollen. In dem Mandatsantrag der Bundesregierung werden die Rechtsgrundlagen des Einsatzes
genannt. Das zeigt, dass es um die Unterstützung der Afghanen und der Regierung Afghanistans und nicht um
ihre Bevormundung oder gar Unterwerfung geht. Solche
Vorwürfe sind nichts als bösartiges Gerede. Deshalb
geht man hier fehl, wenn man frühere Vorgänge betrachtet und historische Parallelen zieht.
Meine Damen und Herren, wir werden dort also ein
überzeugendes Konzept umsetzen. Wir werden das Mandat, das hier dafür erbeten wurde, auch erteilen. Ich bin
sehr zuversichtlich, dass wir in Zukunft die Fortschritte
erreichen werden, die wir uns alle wünschen.
Vielen Dank.
({12})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Frithjof
Schmidt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Außenminister, Sie haben viel Mühe darauf verwandt, die Strategie der Regierung für Afghanistan vorzustellen. Sie haben mich nicht überzeugt. Lassen
Sie mich aber erst herausstellen, wo wir übereinstimmen.
Sie handeln richtig, wenn Sie die zivilen Anstrengungen verstärken. Es ist gut, dass die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit massiv erhöht werden sollen. Diese Erhöhung kommt spät. Lassen Sie uns hoffen,
dass sie nicht zu spät kommt.
Jetzt müssen Ihren Ankündigungen auch Taten folgen. Wir erwarten, dass diese Mittel neu in den vorliegenden Haushaltsentwurf eingestellt werden. Das ist der
Lackmustest für die Wahrhaftigkeit Ihrer Erklärungen.
({0})
Herr Außenminister, richtig ist auch die Verständigung auf eine konkrete Abzugsperspektive. Ende 2011
soll mit dem Abzug begonnen werden, und in fünf Jahren soll die afghanische Regierung die Verantwortung
für die äußere und innere Sicherheit Afghanistans übernehmen. Dabei vermissen wir allerdings präzise Zwischenziele für die Umsetzung dieses Plans.
Ich teile ausdrücklich Ihre Auffassung, dass es bei einem solch komplizierten Prozess, der sich über mehrere
Jahre erstreckt, nichts bringt, sich auf ein ganz bestimmtes Enddatum festzulegen. Damit haben Sie recht. Eine
Planung muss aber mehr sein als eine schlichte Ankündigung, und da bleiben Ihre Vorstellungen leider nebulös.
({1})
Was den militärischen Einsatz betrifft, kann ich nur
sagen, dass Sie die Dinge beschönigen. Sie sagen uns einen Teil der Wahrheit. Aber sagen Sie uns auch die
ganze Wahrheit? Sie behaupten, es gebe jetzt eine Hinwendung zu einer defensiven Strategie. Sie argumentieren, es gehe sozusagen allein um die verstärkte Ausbildung der afghanischen Truppen. Dieses Argument haben
wir übrigens auch bei der letzten Truppenaufstockung
gehört, mit dem Ergebnis, dass bisher nur 280 Soldaten
für die Ausbildung eingesetzt werden.
Für die überfällige Intensivierung der Ausbildungsaufgaben gibt es also noch große Spielräume im bestehenden Kontingent. Sie haben daher nicht überzeugend
begründet, warum Sie das Kontingent erneut erhöhen
wollen. Ziehen Sie doch erst einmal die militärisch unnötigen Tornados ab!
({2})
Äußerungen von Herrn zu Guttenberg und hoher Bundeswehroffiziere lassen aber auch noch anderes vermuten: Gemeinsam mit der afghanischen Armee und
unterstützt von amerikanischen Soldaten soll die Aufstandsbekämpfung in den nächsten Monaten intensiviert werden. Im deutschen Verantwortungsbereich werden nun bis zu 850 deutsche Soldaten zusätzlich
eingesetzt. Hinzu kommen noch bis zu 5 000 amerikanische Soldaten. Damit verdoppelt sich die Anzahl der internationalen Truppen im Norden. Der Einsatz der USTruppen wird die militärische Lage prägen. Dabei geht
es vor allem um offensive Einsätze. Das ist Counter-Insurgency-Ausbildung in der Praxis. Dies ist alles andere
als defensiv; machen wir uns oder - besser - machen Sie
uns doch nichts vor!
({3})
Durch Ihren Umgang mit den Vorfällen in Kunduz haben Sie bei meiner Fraktion in den vergangenen Monaten viel Vertrauen in die Transparenz der militärischen
Planungen verspielt.
({4})
Kunduz steht hier für ein Vertuschen und Verschweigen.
Sie haben bis heute keinen ehrlichen Versuch unternommen, die Hintergründe wirklich aufzuklären.
Jetzt kommen Sie wieder nur mit der halben Wahrheit. So können Sie kein Vertrauen zurückgewinnen.
({5})
Schwammig argumentieren Sie auch bei den politischen Zielen. Herr Karzai hat offen erklärt, er will mit
allen bewaffneten Gegnern im Land, die Afghanen sind,
auf höchster politischer Ebene verhandeln. In London
wurde beschlossen, dies mit dem Aussteigerfonds für
Taliban zu begleiten. Das Wort „Reintegration“ ist dafür
ein Euphemismus.
Worum geht es in Afghanistan? Geht es um einen militärischen Sieg über die Taliban? Geht es noch um unverzichtbare Menschen- und Frauenrechte oder nur noch
um Stabilität um fast jeden Preis? Geht es also darum,
die Taliban, und zwar jeder Couleur, im Rahmen einer
politischen Lösung an der Regierung zu beteiligen? Geht
es jetzt um den militärischen Versuch, die Taliban an den
Verhandlungstisch zu bomben? Schenken Sie der Öffentlichkeit reinen Wein über die Ziele der Bundesregierung ein!
({6})
Lassen Sie mich für meine Fraktion sagen: Wir stehen
zu einem Engagement der internationalen Gemeinschaft
in Afghanistan, und wir unterstützen ISAF als Stabilisierungseinsatz im Rahmen der Vereinten Nationen. Das
gilt auch weiterhin.
({7})
Das sollen die Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan
auch wissen. Aber das bedeutet nicht, dass wir in sich
widersprüchlichen Konzepten und Mandatsformulierungen der Bundesregierung automatisch zustimmen.
Ihre heutige Regierungserklärung hat für mich und
viele andere in meiner Fraktion nicht dazu beigetragen,
die Zweifel an Ihrem neuen Konzept nach London zu beseitigen. Auf dieser Grundlage kann und will ich meiner
Fraktion nicht empfehlen, die Verantwortung für Ihr
neues Konzept mit zu übernehmen.
Danke.
({8})
Philipp Mißfelder ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich stimme Ihnen, Herr Schmidt, ausdrücklich zu, wenn es um die Beschreibung der Abläufe
geht. Sie haben es richtig beschrieben: Es gibt keinen
Automatismus, dass das Parlament, wenn die Regierung
etwas vorschlägt, zustimmt. Gerade bei diesem Mandat
wird sehr deutlich, dass das Parlament sehr stark beteiligt worden ist. Herr Steinmeier hat vorhin ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass sehr viele Vorschläge, über die
in den letzten Wochen - auch in Gesprächen mit der Opposition - diskutiert worden ist, Eingang in die Überlegungen und die Strategie für das Mandat und das weitere
Vorgehen in Afghanistan gefunden haben. Ich komme
für meine Fraktion allerdings - das wird Sie wenig überraschen - zu einer anderen Empfehlung als Sie. Ich empfehle meiner Fraktion ausdrücklich, dem Mandat aufgrund der Einbindung des Parlaments und der
Darstellung des Bundesaußenministers am heutigen Tag
zuzustimmen.
({0})
Herr Bundesaußenminister, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, nicht nur für die Beratungen in den
vergangenen Wochen. Das ist auch durch die Redebeiträge der anderen Fraktionen größtenteils deutlich geworden. Bei Herrn van Aken war das nicht so sehr der
Fall. Aber wir beraten gemeinsam über solch wichtige
Fragen. Daran ist auch die Linkspartei beteiligt. Sie
stimmt zwar anders ab als wir. Aber bei den Gesprächen
ist sie immer dabei, und das ist auch gut so. Wir bieten
weiterhin an, an solchen Gesprächen teilzunehmen; denn
es handelt sich um eine gemeinsame Verantwortung aller
Fraktionen im Deutschen Bundestag. Zumindest was das
Zustandekommen des Mandates angeht, ist es wichtig,
dass wir weiterhin im Gespräch bleiben.
Die Einordnung als bewaffneter Konflikt gibt Hoffnung, dass wir bei der Rechtssicherheit große Fortschritte machen. Das ist noch nicht abgeschlossen. Es
stehen noch gerichtliche Entscheidungen aus. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass hier Klarheit geschaffen worden ist und mit großer Verlässlichkeit Aussagen getroffen worden sind.
Schon vor der Afghanistan-Konferenz in London sind
- darüber haben wir hier im Deutschen Bundestag intensiv beraten - wichtige Signale ausgegangen. Die Ergebnisse von London können sich tatsächlich sehen lassen;
denn gerade das, worüber wir hier im Deutschen Bundestag beraten haben, hat Eingang in das gefunden, was
die Zukunft Afghanistans in den nächsten Jahren mitbestimmen wird. Die Übernahme der Verantwortung
durch die Afghanen selber ist das richtige Konzept. Gerade das, was Präsident Karzai bei seinen Besuchen in
München und im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen
Bundestages deutlich gemacht hat, ist der richtige Weg.
Wir müssen uns in der Polizeiausbildung mehr engagieren. Es ist nicht vordringliche Aufgabe der Deutschen, in
Afghanistan offensiv tätig zu sein. Das hat der Bundesaußenminister hier sehr deutlich gesagt. Unser Hauptengagement richtet sich auf die Ausbildung. Das ist der
richtige Weg; denn nur so kann die Übernahme der Verantwortung in den nächsten Jahren stattfinden. Deshalb
werden wir unser Engagement in diesem Bereich massiv
ausweiten. Ich danke vor allem denjenigen, die sich dort
besonders engagieren, den Soldatinnen und Soldaten,
aber vor allem auch den Polizisten, die in den nächsten
Jahren einen sehr großen Beitrag leisten werden. Ihnen
gilt der Dank des ganzen Hauses. Herzlichen Dank!
({1})
Innerhalb des Mandats finden Umschichtungen statt.
Das ist der größte Beitrag dazu, in Zukunft eine höhere
Ausbildungsleistung zu erbringen. Weil sich einiges im
Norden Afghanistans verändert hat, sind wir zu dem
Ergebnis gekommen, der Lage angemessen, weitere
Truppen dorthin zu entsenden. Alles andere hielte ich
für unverantwortlich; denn die Soldatinnen und Soldaten
in eine Situation zu bringen, in der ihr eigener Schutz
nicht gewährleistet werden könnte, wäre falsch.
Wenn man dort verantwortungsbewusst Politik machen und die Zukunft Afghanistans mitgestalten will, ist
es notwendig, dass man das militärische Engagement in
diesem Bereich adäquat erhöht. Deshalb hat die Bundesregierung den Vorschlag gemacht, die Mandatsobergrenze zu erhöhen. Gerade weil die Situation in Afghanistan sich in diesem Jahr verändern wird, und zwar
durch die Wahlen, die im Herbst stattfinden werden,
muss man sicherheitspolitisch und militärisch adäquat
reagieren. Das ist verantwortungsbewusste Außenpolitik, und deshalb wollen wir der Verschiebung der Mandatsobergrenze zustimmen.
Von großer Bedeutung ist - das ist ein Kern des Konzepts von London - das Reintegrationsmodell. Das Ziel
ist nicht, wahllos mit jedem Taliban oder Fundamentalisten zu verhandeln oder sie in die Regierung zu bomben,
wie hier vorhin gesagt worden ist. Vielmehr geht es darum, zu prüfen, wer von den Taliban theoretisch für eine
Stabilisierung Afghanistans in der Zukunft gewinnbar
ist. In der Debatte in der vergangenen Sitzungswoche
und auch heute ist deutlich geworden, dass es sehr wohl
Unterschiede gibt zwischen denjenigen, die aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus dort mitlaufen, das
Geld der Taliban annehmen und sich auf diese Weise
über Wasser halten, und denjenigen, die sich aus religiösen, fundamentalistischen Gründen möglicherweise auf
einem unumkehrbaren Weg befinden. Mit Letzteren werden wir in den nächsten Jahren natürlich keine Erfolge
erzielen.
Richtig ist, dass wir den Dialog, der in Afghanistan
stattfindet, von der Regierung einfordern und ihr überlassen. Wir haben klare Wegmarken gesetzt, was wir von
der afghanischen Regierung in dem Zusammenhang erwarten. Daran haben die Grünen in den vergangenen
Wochen entscheidend mitgewirkt. Wir wollen das, was
wir bisher an Erfolgen erreicht haben, nicht leichtfertig
aufgeben, beispielsweise in Verhandlungen mit Mullah
Omar. Die Rechte der Frauen dürfen nicht hinter den
Status zurückfallen, den wir gemeinsam erreicht haben
und den die Bundeswehr in Afghanistan verteidigt. Das
ist nicht unser Ziel. Deshalb muss man genau hinschauen, wer mit wem verhandelt und welche Gespräche
mit welchem Ziel geführt werden. Das heißt nicht, dass
wir eine Dialogbereitschaft grundsätzlich ablehnen.
Das wäre falsch. Aber es heißt, dass es rote Linien gibt,
hinter die wir nicht zurückgehen dürfen.
Auf diesem Weg sollten wir die afghanische Regierung massiv ermutigen. Das haben wir im Rahmen der
Münchner Sicherheitskonferenz und bei den Gesprächen
in Berlin getan. Das ist auch die Linie der nächsten Jahre
in Afghanistan; denn die erreichten Erfolge dürfen nicht
dadurch zerstört werden, dass um jeden Preis eine Stabilisierung erreicht werden soll.
({2})
Ich vertraue Herrn Karzai an dieser Stelle sehr wohl,
und zwar aufgrund seiner persönlichen Familiengeschichte. Sein Vater hat frühzeitig versucht, mit Mullah
Omar und seinen Leuten Gespräche zu führen. Er hat
konkrete Angebote gemacht. Die Antwort dieser Fundamentalisten war ein Mordanschlag auf seinen Vater, der
leider erfolgreich war.
Aus diesem Grund glaube ich, dass bei Herrn Karzai
- das konnten wir auch in den persönlichen Gesprächen
mit ihm feststellen - eine sehr große Ernsthaftigkeit bezüglich der zukünftigen Dialoge vorhanden ist. Deshalb
bin ich da ganz optimistisch.
({3})
- Herr Präsident, ich glaube, es besteht der Wunsch nach
einer Zwischenfrage.
Das ist in der Tat so. Da Sie offenkundig ein Interesse
an der Zulassung dieser Frage haben, erteile ich hiermit
dem Kollegen Ströbele das Wort zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege, Sie sprechen hier über die Verhandlungen und die damit verbundenen Probleme und benennen
zu Recht richtige Punkte. Aber wir befinden uns heute
nicht in einer entwicklungspolitischen Debatte, sondern
wir sprechen darüber, ob der Deutsche Bundestag zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schickt, 850 bzw.
500 und 350, je nachdem, wie man das rechnet. Darüber
hinaus soll zusätzliches Kriegsgerät nach Afghanistan
geschickt werden. Wie erklären Sie und wie erklärt die
Bundesregierung - dazu hat Herr Westerwelle kein Wort
gesagt -, wie auf der einen Seite Aufbau, Ausbildung
und Verhandlungen stehen sollen, wenn auf der anderen
Seite eine erhebliche Intensivierung der Kriegsführung
stattfindet? Darüber sprechen Sie nicht.
Halten Sie es nicht ebenso wie ich für kontraproduktiv, wenn auf der einen Seite Verhandlungen angeboten
werden, auf der anderen Seite dieselben Leute, mit denen verhandelt werden soll, möglicherweise von Zielfahndungskommandos der Bundeswehr, vor allen Dingen aber der US-Amerikaner, die jetzt 5 000 zusätzliche
Soldaten in den Norden schicken, gejagt werden? Wie
sollen Verhandlungen mit denen stattfinden, die gleichzeitig auf der Abschussliste mindestens der Amerikaner,
möglicherweise auch der Bundeswehr stehen? Ist das
nicht ein Widerspruch, und macht das eine das andere
nicht unmöglich? Das heißt, die Art der Kriegsführung
muss auf den Tisch. Die Bundesregierung muss hier sagen, in welcher Weise die Bundeswehr dort eingesetzt
wird. Gehört zu dem Einsatz der Bundeswehr auch, gerade nach den Ereignissen in Kunduz am 4. September,
weiterhin Menschen zu vernichten, und zwar gezielt zu
vernichten, wie Oberst Klein es damals verlangt hat?
Wie lösen Sie diesen Widerspruch?
Die letzte Frage ist die einzige Frage, auf die ich nicht
mit Nein antworten werde. Sie haben mir drei, vier Fragen gestellt. Auf alle Fragen kann ich nur mit Nein antworten. Ich teile Ihre Haltung nicht; das wird Sie aber
auch nicht überraschen. Ich möchte Ihnen deutlich sagen, warum sich die Bundesregierung zu dem entschlossen hat, was wir hier unterbreiten und was die Fraktion
der CDU/CSU unterstützt. Wir unterstreichen mit der
Erhöhung der Obergrenze und mit der Entsendung von
mehr Soldaten im Rahmen dieses Mandats die Ernsthaftigkeit unseres Engagements. In der Debatte ist
sehr deutlich herausgekommen, dass es sich bei der Anhebung der Obergrenze nicht nur um eine militärische
Maßnahme handelt - das haben Sie uns gerade vorgeworfen -, sondern dass diese in einen größeren Rahmen
von entwicklungspolitischen, zivilen und polizeilichen
Maßnahmen eingebettet wird. Das ist unsere Strategie,
und deshalb tragen wir das intensiv vor. Wir unterstreichen mit der Entsendung von mehr Soldaten die Ernsthaftigkeit unseres Engagements.
({0})
Ich glaube, dass wir damit gerade die Arbeit der Entwicklungshelfer unterstützen. Über die Arbeit der Entwicklungshelfer ist einiges zu sagen. Es gibt Stimmen in
den Organisationen, die davor warnen, mit dem Militär
gemeinsam aufzutreten. Aber ich glaube, dass nach wie
vor die Voraussetzung für den zivilen Aufbau militärische Präsenz ist. Das ist schade, aber es ist leider so. Das
soll nicht auf Dauer so bleiben. Ich übernehme nicht die
Verantwortung dafür, dass Entwicklungshelfer mit ihrem
Leben für ihre mutige Arbeit bezahlen müssten, wenn
wir hier falsche Entscheidungen treffen und, wie es in
Ihrem Sinne wäre, aus Afghanistan abziehen würden.
Herzlichen Dank.
({1})
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Armin Schuster für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich habe die dankbare Aufgabe, in den nächsten
gut sechs Minuten Ihre geschätzte Aufmerksamkeit auf
den Polizeieinsatz in Afghanistan zu lenken. Das ist
mir natürlich eine Herzenssache. Sie können im Kürschner
nachlesen, warum.
Wir haben das deutsche Engagement beim Polizeiaufbau in Afghanistan seit dem Jahr 2008 - da hat auch das
Parlament eine Rolle gespielt - deutlich intensiviert. In
unserem bilateralen Projekt setzen wir aktuell
118 deutsche Polizeibeamte in Kabul, Masar-i-Scharif,
Kunduz und Faizabad ein, innerhalb der EUPOL-Mission sind es 41 deutsche Experten. Das sind summa summarum 160 Polizisten und zivile Experten, handverlesen
und gut vorbereitet; das möchte ich an der Stelle betonen. Aber die Diskussion über die Anzahl der Stiefelspitzen wäre angesichts des polizeilichen Auftrags in
Afghanistan nur von begrenztem Wert. Der eigentliche
erfolgskritische Faktor unserer Mission ist das Konzept.
Genau da sind wir mit unserem bilateralen Projekt
richtig aufgestellt. Das Konzept besteht aus drei Säulen.
Damit gewährleisten wir bis zum Jahr 2012 erstens die
Ausbildung von circa 15 000 neuen Polizeikräften der
ANP. Das bedeutet, dass Deutschland für die Ausbildung
der Hälfte der neu rekrutierten Polizisten und Grenzpolizisten verantwortlich ist.
Armin Schuster ({0})
Zweitens - das ist für mich der Schwerpunkt -: die
Evaluierung, das Training und die begleitende Betreuung der ANP-Polizisten aus 40 Distrikten in sechs Provinzen im Norden Afghanistans. In diesem Programm
begleiten wir die afghanischen Kursteilnehmer nach ihrem Training mit polizeilichen Mentoring-Teams aktiv
in der Praxis vor Ort. Was heißt das? Wir werden nicht
hoheitlich tätig, aber wir coachen. Wir sind dabei, wenn
diese Polizisten draußen arbeiten. Das Gesamtprogramm
erstreckt sich übrigens über elf Monate, und wir werden
bis 2012 in Zusammenarbeit mit deutschen Feldjägern
50 solcher Teams eingesetzt haben.
Die dritte Säule unseres Konzepts besteht darin, mit
der Ausbildung von 500 afghanischen Trainern eine aktive Hilfe zur Übernahme der Ausbildung in afghanischer Eigenverantwortung zu leisten. Die ausgebildeten
afghanischen Trainer setzen wir heute schon sukzessive
in deutschen Ausbildungsstätten zum Training der eigenen Kollegen ein.
Ich möchte ganz klar betonen: Das deutsche Konzept
hat sich bereits vor London dadurch vom bisherigen
amerikanischen Ansatz unterschieden, dass wir die polizeiliche Praxis vor Ort begleiten, und zwar nicht nur
auf der Ebene des Distriktpolizeichefs, sondern auf allen
nachgelagerten Ebenen bis hin zur untersten Verwaltungsebene der Polizei. Ich halte das - es ist ja vor London passiert - für eine beachtliche Leistung. Der Strategiewechsel ist in diesem Sinne vollzogen worden. Man
könnte auch sagen: Wir haben vorgedacht.
Mit diesem dreistufigen Konzept haben wir unsere
hohe Akzeptanz und Resonanz bei den Ausbildungsteilnehmern und bei den Polizeikräften vor Ort noch verbessert. Viel wichtiger ist: Von der afghanischen Bevölkerung werden wir äußerst positiv wahrgenommen, weil
wir vor Ort, zusammen mit den Afghanen, erlebbar sind.
({1})
Die ebenenübergreifende Nachhaltigkeit, von der ich
sprach, vermissen wir übrigens in der EUPOL-Mission.
Deshalb fordern wir dringend eine Weiterentwicklung
des Mandats. Die Projektmittel müssen aufgestockt werden, und die Sicherheitsvorschriften, die die eingesetzten
Berater betreffen, müssen so angepasst werden, dass
diese mit ihrer Ausbildung auch in der Fläche wirksam
werden können. Sollte uns diese Anpassung nicht gelingen, empfehle ich, die Zahl der deutschen Experten in
der EUPOL-Mission auf ein Minimum zu reduzieren
und stattdessen in das wesentlich gewinnbringendere eigene bilaterale Projekt zu investieren.
Wie sieht die Ausweitung des deutschen Engagements nach den Ergebnissen der Londoner Konferenz
aus? Wir werden erstens das Personal bis Mitte 2010 auf
200 Polizisten im bilateralen Projekt und gegebenenfalls
bis auf 60 Experten in der EUPOL-Mission aufstocken.
Das ist eine Verdreifachung des Potenzials von 2008.
Wir werden zweitens die Ausbildungszentren in Kabul
und Kunduz, die Grenzpolizeifakultät in Kabul sowie
die Außenstelle der Polizeiakademie in Masar-i-Scharif
bis 2010 fertigstellen und drittens bis 2011 die Hauptquartiere der Polizei in Faizabad und der Verkehrs- und
Bereitschaftspolizei in Kabul sowie eine Grenzpolizeidienststelle am Flughafen Kabul errichtet haben.
Meine Damen und Herren, auch wenn wir durch regelmäßige Lageanalysen dafür sorgen, dass unsere Polizeikräfte nur in gesichertem Umfeld eingesetzt werden:
Afghanistan ist nicht Heidi-Land. Deshalb bin ich der
Bundesregierung - insbesondere Herrn Außenminister
Westerwelle - für die Klarstellung heute Morgen und für
die Beschlüsse, die in Meseberg im November 2009 gefasst wurden, dankbar. Das erklärte Ziel, die Kompetenz
und Ausstattung der Bundespolizei für internationale zivilpolizeiliche Einsätze auszubauen, trägt den beschriebenen robusten Herausforderungen in vielen Einsatzgebieten wie in Afghanistan oder auch im Kosovo in
konsequenter Weise Rechnung. Die Bundespolizei,
künftig verstärkt durch internationale Einsatzeinheiten,
im Ausland zivilpolizeilich einzusetzen, sie dafür gezielt
vorzubereiten und auszustatten, ist ein wichtiges Signal
an die Bundespolizei selbst, aber auch an unsere Bündnispartner.
Bei Einsätzen in Afghanistan bildet die innere Sicherheit einen zentralen Baustein der Zukunftsstrategie dieses so betroffenen Landes. Die deutsche Polizei hat in
vielen internationalen Einsätzen für Qualität und Umfang ihrer Aufbauhilfe hohe Anerkennung von den Partnern erfahren. Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir jetzt
beginnen, diese Kompetenz auch organisatorisch deutlicher zu institutionalisieren und zu professionalisieren.
Wir stehen damit zu unserer Verantwortung für den Polizeiaufbau in Afghanistan, aber auch zu unserer Bündnispflicht bei kommenden internationalen Einsätzen, für
die wir unseren deutschen Beitrag leisten wollen.
Den in Afghanistan eingesetzten deutschen Polizisten
möchte ich abschließend an dieser Stelle in aller gebührenden Form Lob und Anerkennung für ihren Dienst
aussprechen.
({2})
Wir haben das gemeinsame Ziel, ein erfolgversprechendes Konzept und die Kraft, im Norden Afghanistans
der polizeilichen Sicherheit ein afghanisches Gesicht zu
geben. Deshalb stimme ich dem Mandat zu.
Danke schön.
({3})
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Gehrcke für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
kann Zwischenrufe wie „Schön!“ und „Jetzt kommt wieder das Friedenszeug!“ durchaus genießen. Ich finde
meine Reden auch schön. Dass wir immer über den Frieden reden, halte ich für höchst vernünftig.
({0})
Hin und wieder habe ich die Anwandlung, in der Debatte fair zu sein. Das ist also nicht immer der Fall, aber
bei dieser Debatte ist es mir wichtig gewesen. Deswegen
habe ich auch den letzten Redner der Koalitionsfraktionen abgewartet.
Ich habe die ganze Zeit gedacht, ja gehofft, dass zwei
Punkte genannt werden - ich habe sie schon beim Herrn
Außenminister erwartet -:
Erstens. Warum bringt keiner hier die Kraft auf, dafür
zu sprechen, dass dieses Haus sich bei den Anverwandten der in Kunduz Umgekommenen für den Befehl eines
deutschen Obersten, den wir jetzt gar nicht rechtlich beurteilen, entschuldigt und dafür Verantwortung übernimmt?
({1})
Ein solches Signal wäre in dieser Debatte notwendig gewesen. Herr Schuster, ich bin mir sicher: Sie haben es
nicht vorgehabt. Aber Sie hätten die Chance gehabt, ein
solches Signal abzugeben.
Zweitens. Es ist doch notwendig, dass man sich Folgendes klarmacht - vom Außenminister bis zu jedem
Einzelnen, der sich an dieser Debatte beteiligt -: Es langt
offensichtlich nicht, zu glauben, dass man einzelne Taliban herauskaufen kann. Ich möchte jetzt nicht zynisch
sein und mich nach dem Preis für Taliban erkundigen. In
dieser Debatte hätte ein Zeichen der Ermutigung nach
Afghanistan gehen sollen, nämlich mit den realen Feinden, also zwischen den Kriegsparteien, über Versöhnung
zu verhandeln. Frieden muss man mit seinen Feinden
schließen; mit seinen Freunden braucht man es nicht zu
tun.
Beides ist ausgeblieben. Lediglich unsere Fraktion hat
es immer wieder betont. Ich bitte Sie wirklich: Gehen
Sie noch einmal in sich! Wäre es nicht ein Zeichen des
Deutschen Bundestages - das war das, was ich noch einmal deutlich machen wollte -, wenn wir uns bei den Anverwandten der Umgekommenen in Afghanistan hier offiziell auch für unser Land entschuldigen würden?
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
der Drucksache 17/654 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gregor Gysi, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel
Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Die Banken sollen für die Krise zahlen
- Drucksache 17/471 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({0})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Auch hierzu höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Gregor Gysi
für die Fraktion Die Linke.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland hat 480 Milliarden Euro in
Form von Kapitalhilfen und Bürgschaften zur Rettung
der deutschen Banken bereitgestellt. 480 Milliarden
Euro sind, damit wir uns richtig verstehen, 20 Prozent
der gesamten Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik
Deutschland. Nun stellt sich die Frage: Wie lange wird
uns diese Verschuldung belasten, Jahre oder Jahrzehnte,
und wer muss das Ganze überhaupt zurückzahlen? Die
Bundeskanzlerin hat sich bei der Haushaltsdebatte relativ klar geäußert und gesagt: die Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler. Darunter verstehen viele immer nur die,
die Einkommensteuer zahlen. Ich möchte aber darauf
hinweisen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland Steuern zahlen, zumindest die Mehrwertsteuer. Darüber gibt es ja keine Diskussion.
({0})
Das aber heißt, dass Hartz-IV-Empfänger, Lidl-Verkäuferinnen, Kfz-Schlosser etc. all diese Schulden der Banken zurückzahlen müssen. Dazu kann ich nur sagen: Unser Einverständnis bekommen Sie dafür niemals.
({1})
Nun ist es auch interessant, sich anzusehen, ob die
Banken ihr Verhalten verändert haben. Die Banken jedoch machen wieder Geschäfte mit Steueroasen und spekulieren in der ganzen Welt, als ob es die Krise überhaupt nicht gegeben hätte, weil Sie nicht die Kraft
haben, eine einzige wirksame Regulierungsmaßnahme,
die wir dringend benötigen würden, zu beschließen.
({2})
Als weiterer Umstand kommt hinzu, dass Herr
Ackermann gerade sehr fröhlich allen mitgeteilt hat,
dass die Deutsche Bank einen Profit in Höhe von
5 Milliarden Euro nach Steuern gemacht hat, den sie
jetzt wunderbar an ihre Großaktionäre etc. auszahlen
kann. Dann sagt er auch noch ganz stolz: Wir haben gar
kein Geld vom Staat bekommen. - Diese Aussage
möchte ich gerne widerlegen, und zwar dadurch, indem
ich darauf hinweise, dass es zum einen direkte und zum
anderen indirekte Einnahmen über den Staat gibt.
Schauen wir uns einmal den ersten Bereich an. Der
Staat musste sich ja neu verschulden, um das ganze Geld
zur Verfügung stellen zu können. Woher nimmt er das
Geld? Er nimmt Darlehen bei den Banken auf, unter anderem bei der Deutschen Bank. Diese verlangt dafür natürlich hohe Zinsen und verdient daran. Im Klartext bedeutet das Folgendes: Um die Banken zu retten, nimmt
der Staat Kredite bei den Banken auf, und dafür verlangen die Banken das Geld - das ist ihr Verdienst -, das
der Staat von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern
der Bundesrepublik Deutschland einnimmt. Sagen Sie
einmal: Kommt Ihnen das nicht auch ein bisschen merkwürdig vor, was hier organisiert wird?
({3})
Zum anderen profitierte die Deutsche Bank aber auch
noch von der Rettung der HRE. Neben Bürgschaften
sind dafür auch direkt 12 Milliarden Euro zur Verfügung
gestellt worden. Wieso profitierte die Deutsche Bank davon? Weil sie bei der HRE Geld geparkt hatte. Wenn die
HRE in Insolvenz gegangen wäre, wäre die Deutsche
Bank ihr Geld losgewesen.
({4})
Futsch wäre es gewesen. Nun kommt der Staat und rettet
netterweise die HRE; die Deutsche Bank bekommt ihr
Geld von der HRE wieder und macht nun einen riesigen
Profit. Aber Sie kommen nicht einmal auf die Idee, zu
sagen, dass die Banken dafür zusätzlich eine Steuer oder
Gebühr an die Bundesrepublik Deutschland bezahlen
müssen, damit nicht die anderen Steuerpflichtigen in der
Bundesrepublik Deutschland belastet werden. So etwas
ist von Ihnen leider nicht zu erwarten.
({5})
Die Deutsche Bank hat übrigens auch in den USA ein
Riesengeschäft gemacht. Aus dem Rettungspaket der
USA hat die Deutsche Bank 9,1 Milliarden Euro kassiert. Sie können uns zwar vieles vorwerfen, zum Beispiel, dass wir sozialistische Geplänkel veranstalten;
aber Sie können es uns doch nun wirklich nicht als eine
linksextreme Auffassung vorhalten, dass wir jetzt vorschlagen, dem Weg zu folgen, den die USA eingeschlagen haben.
({6})
Obama hat das Ganze erkannt und schlägt einen anderen
Weg ein als die Bundesrepublik Deutschland. Er will jeden Cent eintreiben, den die Banken der amerikanischen
Bevölkerung schulden, und zwar egal, ob sie direkt oder
indirekt Gelder erhalten haben. Deshalb muss zum Beispiel die Deutsche Bank in den USA künftig jährlich
500 Millionen Dollar zusätzlich bezahlen. Das verlangt
Obama. Nichts dergleichen verlangt unsere Regierung
von der Deutschen Bank, und von den anderen Banken
erst recht nicht.
({7})
Man darf auch nicht vergessen: Die Banken spekulieren nicht mit ihrem Geld, sondern mit dem Geld ihrer
Anleger und gehen damit immer fahrlässiger um. Das
müssen wir unbedingt korrigieren. Obama will insgesamt 117 Milliarden Dollar zurückverlangen.
({8})
- Setzen Sie sich doch mit Herrn Obama auseinander!
({9})
Sie bekommen ihn vielleicht leichter als ich ans Telefon. Sie kündigen nicht einmal irgendetwas an; Obama ist
aber schon dabei, etwas umzusetzen.
({10})
Sie haben einen solchen Respekt vor der Deutschen
Bank. Ich habe mir das in Davos angesehen.
({11})
- Hören Sie einmal zu! - Ich habe mir das in Davos angesehen. Frau Merkel war zwar dort, aber man hat von
ihr überhaupt nichts gehört. Der Einzige, der dort sozusagen eine Regierungserklärung abgegeben hat, war
Herr Ackermann. Das ist das Problem Ihrer Koalition.
({12})
- Fantastisch haben wir das gemacht. Wir haben die
ganze Pleitebank letztlich an den Sparkassen- und Giroverband verkauft. Das war sehr sinnvoll. Sie hätten sie
wahrscheinlich an eine Bank in den USA verkauft, die
jetzt pleite wäre. Das ist der Unterschied zwischen uns.
({13})
Einen Moment, Herr Kollege Gysi. - Ich möchte nur
darauf hinweisen, dass der Kollege Gysi noch gut eine
Minute Redezeit hat. Danach folgen Redner von allen
anderen Fraktionen. Vielleicht können wir uns auf diese
Abfolge verständigen.
({0})
Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Präsident. Ich
kann die Zurufe verstehen. Es gibt Schwierigkeiten,
wenn ich nur sieben Minuten rede. Das ist nachvollziehbar.
Im Übrigen haben sich die G-7-Finanzminister getroffen. Sie finden die Idee von Obama gut und wollen
sie auch umsetzen. Allerdings gibt es schon die ersten
Gegenstimmen, die sagen: Wenn wir das machen, dann
brauchen wir keine Finanztransaktionssteuer bzw. Börsenumsatzsteuer, wie wir sagen, oder Tobin-Steuer, wie
Attac sagt. Aber das ist völlig daneben. Wir brauchen
beides; denn die Tobin-Steuer soll Spekulationen begrenzen und endlich zu Steuergerechtigkeit führen. Davon sind wir meilenweit entfernt. Ich sage Ihnen: Es ist
gesellschaftszerstörerisch, wenn das Bundesverfassungsgericht Ihnen allen sagt, dass Sie die Menschenwürde der Ärmsten in unserer Gesellschaft verletzt und
das Sozialstaatsprinzip gebeugt haben,
({0})
und der Ackermann am gleichen Tag stolz darauf verweist, dass er 5 Milliarden Euro verteilt, und das, nachdem wir solche Geschenke an die Banken gemacht hatten.
({1})
Stellen Sie endlich Steuergerechtigkeit her! Obama
hat gesagt: Wenn diese Leute einen Kampf wollen, können sie ihn haben. - Es ist bedauerlich, dass wir keinen
in der Regierung haben, der den Mut hat, den Kampf mit
den Banken aufzunehmen.
({2})
Das Wort erhält nun der Kollege Leo Dautzenberg für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Kollege Gysi, ich habe wenig Verständnis dafür, wie Sie hier in klassenkämpferischer Manier
({0})
ein ernstzunehmendes Thema begleiten.
({1})
Anscheinend lesen Sie wenig in der Wirtschaftspresse
und in der sonstigen Presse. Ansonsten hätten Sie längst
zur Kenntnis nehmen können, dass auch wir, die CDU/
CSU-Fraktion, gemeinsam mit dem Finanzminister der
Auffassung sind, dass wir - das haben wir in den entsprechenden Debattenbeiträgen schon mehrfach betont selbstverständlich dafür sind, auch den Banken- und den
Finanzsektor
({2})
- hören Sie doch einmal zu! - sowohl an den Kosten angemessen zu beteiligen als auch mittels Instrumenten,
vielleicht in Form einer Abgabe, prophylaktisch für die
Zukunft vorzusorgen.
({3})
Es ist uns nicht damit gedient, dass die Opposition in
fast jeder Sitzungswoche einen isolierten Antrag zu diesem Thema präsentiert, ohne dass erkennbar ist, wie die
Gesamtsystematik aussieht. Nur mit einem in sich stimmigen Konzept, das national, europäisch und auch weltweit abgestimmt ist, kommen wir weiter.
({4})
Wir erleben hier aber teilweise Anträge, die sich
selbst widersprechen.
({5})
Wenn Sie Ihren Antrag einmal genau lesen, dann erkennen Sie, dass die Begründung in Ihrem Antrag - die Ursache dafür könnte die Verwendung eines Textbausteins
sein - zur Finanztransaktionssteuer passt. Über dieses
Thema hatten wir schon in der letzten Sitzungswoche
debattiert. Die Begründung passt aber nicht zu Ihrem
Vorschlag einer Abgabe. Legen Sie mir einmal dar, was
Sie unter dem Begriff „konsolidierte Aktiva“ verstehen,
wenn Sie als Bemessungsgrundlage für diese Abgabe die
Verbindlichkeiten zugrunde legen. Was wollen Sie? Sie
wollen im Grunde genommen eine Größenordnung festlegen, angesichts derer man sich fragen muss: Wen wollen Sie an dieser Finanzierung beteiligen? Die Wortschöpfungen in Ihrem Antrag erinnern an DDRVerbalität, wo - aus einem antichristlichen Ansatz heraus - Engel als Jahresendzeitfiguren bezeichnet wurden.
({6})
In Ihrem Antrag steht das Wort „Finanzkrisen-Verantwortungsgebühr“. Das ist eine sehr kreative Wortschöpfung für etwas, von dem Sie selbst nicht wissen, was Sie
damit wollen.
({7})
Ich möchte für meine Fraktion drei Punkte ansprechen, die wir schon oft betont haben: Als Schlussfolgerung aus der Krise wollen wir eine härtere Regulierung
und die Banken an den Kosten beteiligen. Außerdem
darf der Staat, und damit der Steuerzahler, künftig nicht
mehr erpressbar sein, wenn es darum geht, Hilfe für
Banken zu gewährleisten, die „too big to fail“ bzw. zu
vernetzt sind, um in die Insolvenz zu gehen. - Diese drei
wichtigen Grundlagen sind als Gesamtpaket zu sehen
und können nicht isoliert betrachtet werden.
Herr Kollege Gysi, in diesem Punkt sind wir nicht
weit auseinander. Aber es macht keinen Sinn, wenn Sie
sich in klassenkämpferischer Manier eine Großbank herausnehmen und sie zur Zielscheibe machen, um Ihre
Ansätze zu begründen. Das müsste schon breiter angelegt sein.
Ich stimme Ihnen zu - das ist auch bei uns Konsens -,
dass weltweit, vor allem im angelsächsischen und im europäischen Bereich, Teile von Banken und Bankmanager
immer noch nicht verstanden haben, worum es ging bzw.
was sie verursacht haben. Das müssen wir zur Kenntnis
nehmen. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass
wir selbst in der Vergangenheit oft Finanzmarktprodukte, deren Namen man oft kaum aussprechen konnte,
undifferenziert und leichtfertig übernommen haben. Daraus müssen nun die Konsequenzen gezogen werden.
Eine Konsequenz ist eine härtere Regulierung. Dafür
brauchen wir ein Aufsichtssystem, das effizienter ist, als
es zurzeit der Fall ist. Außerdem muss eine Koordinierung auf europäischer Ebene erfolgen. Wir müssen also
darauf achten, was auf europäischer Ebene an Aufsichtsstrukturen beschlossen wird, und dann überlegen, was
wir auf nationaler Ebene dazu beitragen wollen. Dazu
haben wir Vorschläge unterbreitet. Wir wollen die BaFin
in ihrer derzeitigen Struktur an die Bundesbank andocken, gleichzeitig aber die Unabhängigkeit der Bundesbank in ihrem geldpolitischen Engagement nicht beeinflussen. Das lässt sich durch Organisationsstrukturen
gewährleisten. Damit hätten wir eine dreigliedrige Aufsicht aus einer Hand und damit eine Aufsicht, die effektiver ist als das, was wir jetzt haben.
Was die Beteiligung der Banken angeht, so müssen
wir neben der Aufsicht Strukturen schaffen, die es ermöglichen, dass auch Banken in die Insolvenz gehen
können.
({8})
Dafür brauchen wir ein Insolvenzrecht für Finanzinstitute. Dies muss über das Insolvenzrecht der gewerblichen und industriellen Wirtschaft hinausgehen, weil wir
im Banken- und Finanzsektor Zahlungsströme sicherstellen müssen; das ist hier der Unterschied zur gewerblichen Wirtschaft. Beide Häuser, sowohl das Justiz- als
auch das Finanzministerium, arbeiten daran, uns im
Frühjahr erste Entwürfe vorzulegen, damit wir den Prozess Mitte des Jahres zum Abschluss bringen können.
Herr Kollege Dautzenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schlecht?
Ja, gern.
Herr Kollege Dautzenberg, es ist schön, dass Sie verkünden, dass Sie auch für Deregulierungsmaßnahmen
sind.
Nein, für Regulierungsmaßnahmen, nicht Deregulierungsmaßnahmen.
Dann eben Regulierungsmaßnahmen. Das wäre auch
schon mal gut.
Das ist ein Unterschied. Sie haben Deregulierung gesagt.
Diese Finanzmarktkrise hält schon eineinhalb Jahre
an. Können Sie mir erläutern, welche Regulierungsmaßnahmen in den letzten Jahren tatsächlich vorgenommen
worden sind? Können Sie auch erläutern, weshalb weiterhin Deregulierungsmaßnahmen praktiziert werden?
Leerverkäufe sind beispielsweise wieder legalisiert worden.
Ich nehme an, Sie wollten „Regulierungsmaßnahmen“ sagen. Wir wollen genau das Gegenteil von Deregulierung. Wir wollen eine härtere Regulierung. Sie können sich daran erinnern, dass wir als erste stabilisierende
Maßnahme in diesem Bereich noch zur Zeit der Großen
Koalition das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und das
-beschleunigungsgesetz vorgelegt haben. Das waren
erste Maßnahmen. Die werden fortentwickelt. Man muss
den Bereich zunächst einmal konsolidieren, ehe es zu
Neustrukturierungen kommen kann. Dafür ist das eine
wesentliche Grundlage.
({0})
Wir werden noch im Frühjahr die Kapitaladäquanzrichtlinie, die von der europäischen Ebene ausgeht, umsetzen. In Basel wird auch über eine Verschärfung der
Kriterien bezüglich des Eigenkapitals geredet. Das werden wir demnächst ebenfalls umsetzen müssen. Wir
müssen hier aufpassen, dass neben der angelsächsischen
Kultur auch unsere nationalen und europäischen Interessen einfließen, damit unsere Banken keinen Schaden erleiden, wenn nur noch bestimmte Formen von Eigenkapital und Kernkapital anerkannt werden.
({1})
Viele Dinge sind also schon auf dem Weg. Sie wissen
auch, dass ein Gesetzentwurf in der Mache ist, der Vergütungssysteme regeln soll. Sie sollen nachhaltig angelegt werden. All das sind Punkte, die wir bereits auf den
Weg gebracht haben bzw. die wir auf den Weg bringen
werden, um unser Ziel zu erreichen.
({2})
Wir können froh sein - das müssen wir zugestehen und unterstützen es, dass Herr Obama einen Vorschlag
gemacht hat, und zwar einen für die USA vielleicht zielführenden. Das bietet uns die Möglichkeit - das Zeitfenster ist offen -, zu internationalen Abstimmungen zu
kommen. Nur, nicht alle Punkte, die vorgeschlagen werden, passen zu unserem europäischen Bankensystem, zu
unserer Bankenstruktur. Wollen Sie in Deutschland zurück zu einem Trennbankensystem?
({3})
Es kann nicht sein, dass Sie sich nur die Rosinen herauspicken. Sie müssen das, was wir durchführen wollen,
immer in der Gesamtschau betrachten. Von daher ist das,
was wir wollen, schlüssiger.
Neben dem Insolvenzrecht - Abwicklung und
Neustrukturierung von Finanzinstituten - brauchen wir
begleitend eine bestimmte Fondslösung, die die Sicherstellung von Zahlungsströmen gewährleistet. Ich habe
eben darauf hingewiesen, dass das der gravierende Unterschied zur gewerblichen Wirtschaft ist. In diesem Zusammenhang könnte unser SoFFin eine zusätzliche Aufgabe erfüllen, und zwar in Kombination mit einer
Aufsicht, die durchaus auch auf Geschäftsmodelle Einfluss nehmen kann. Sie sollte eingreifen können, ehe es
zum Crash kommt, wodurch wiederum Rettungsaktionen erforderlich würden. Wir stellen uns vor, dass die
Abgabe der gesamten Finanzwirtschaft in diesen Fonds
fließt, damit wir zukünftig Potenzial für die Abfederung
von Restrukturierungsmaßnahmen und Abwicklungsmaßnahmen haben.
Sie müssen alle Maßnahmen immer im Gesamtpaket
sehen. Damit müssen wir in diesem Jahr auf nationaler
Ebene rüberkommen, damit wir auch auf europäischer
und internationaler Ebene unseren Beitrag leisten können. Wir sollten selbstbewusst genug sein, gerade im
Verhältnis zum angelsächsischen Raum, unser Potenzial
und unsere Lösungskompetenz, die auf europäischer
Ebene angeboten werden kann, in die Waagschale zu
werfen, damit wir, was zusätzliche Regulierung anbelangt, auch international zu vernünftigen Abschlüssen
und Vereinbarungen kommen, zum anderen aber auch,
um die Finanzarchitektur in der Welt insgesamt zu stabilisieren.
Vielen Dank.
({4})
Carsten Sieling hat nun das Wort für die SPD-Fraktion.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Wir diskutieren in der Tat schon fast
wöchentlich in diesem Hause über Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte und zur Bekämpfung der
Auswirkungen, mit denen wir uns herumzuschlagen haben. Ich teile die Auffassung - Herr Dautzenberg, Sie
haben das angesprochen -, dass es ein Problem ist, wenn
man von Woche zu Woche andere Einzelaspekte beredet.
Man muss aber einmal über die Ursache reden. Die Ursache der Tatsache, dass dieses Parlament immer nur
Einzelfragen bereden kann, liegt darin, dass die Bundesregierung kein Konzept vorlegt, dass es keine Handlungsvorschläge gibt.
({0})
- Herr Schäffler, Sie werden ja nach mir reden. Dann
werden Sie in der Sache wahrscheinlich allem widersprechen, was Herr Dautzenberg gerade vorgetragen hat.
({1})
Denn Sie sind ein Vertreter der Hands-off-Politik: nur
nichts anfassen, nur nichts machen, sondern die Märkte
laufen lassen.
Herr Dautzenberg, Sie haben heute erstmalig - das
muss man sagen - einige Eckpunkte und eine Reihe von
Aspekten angesprochen. Beim letzten Mal ging es ein
bisschen kursorisch los bei Ihnen. Ich bin sehr froh, dass
Sie sich nach vorn bewegen und Aspekte ansprechen.
Wir haben das auch dringend nötig. Deutschland kann
nicht abwarten. In den USA und überall passiert etwas,
und hier wird nur geredet. Das geht nicht. Von daher ist
das ein richtiger Schritt, Herr Kollege.
({2})
Ich muss allerdings sagen, dass ich nicht zufrieden
bin über ein Zitat des Bundesfinanzministers, das ich
Anfang dieses Monats gelesen habe. Ich zitiere wörtlich
mit Genehmigung des Präsidenten:
Er verwende
- so Herr Schäuble deshalb nicht zu viel Engagement auf die Debatte,
ob eine Finanztransaktionssteuer, Sonderabgabe oder
Fondslösung besser sei. „Wichtiger ist, dass wir international einen gemeinsamen Weg finden“ …
Das beruhigt mich nicht. Denn was heißt das? Dass die
Bundesregierung sich keine Gedanken macht, keinen
Vorschlag entwickelt, keinen Plan hat und auf internationale Konferenzen laufen will. Das reicht nicht. Legen
Sie etwas vor! Darum geht es ja.
({3})
Jetzt bin ich aber etwas verwundert. Herr
Dautzenberg, vielleicht sind Sie selber auch enttäuscht
über das, was das Kabinett gestern zu dem wichtigen
Thema Bankenboni beschlossen hat. Das war ja nur
- ich will es einmal so nennen - ein Handlungsversuch;
denn das, was dort zur Einschränkung der Vergütung im
Finanzbereich vorgelegt und beschlossen worden ist, ist
ein zahnloser Tiger. Es ist nicht mehr gemacht worden
als das, was in der Großen Koalition auf unseren Vorschlag hin schon durchgesetzt worden ist, auf die untere
Managementebene von Banken auszuweiten. Aber den
wesentlichen Punkt sind Sie gestern mit dem Beschluss
der Bundesregierung nicht angegangen: Die steuerliche
Abzugsfähigkeit für Vorstandsvergütungen und Abfindungen muss deutlich verändert werden.
({4})
Als Tiger gestartet, und als Bettvorleger gelandet - mehr
kann ich dazu nicht sagen.
Ich will es gerne aufnehmen: Wir brauchen ein Handlungspaket. Ich will aber deutlich an den Anfang stellen
- Kollege Gysi hat dies hier angesprochen -: Wir brau1914
chen nicht nur nachsorgende Vorschläge, wie zum Beispiel Regelungen zum Insolvenzrecht oder ein meines
Erachtens ausgesprochen zweifelhaftes Organisationsgehuber,
({5})
indem man die BaFin jetzt der Bundesbank angliedern
will, was zu einer Reihe von verfassungsrechtlichen Problemen führen wird. Das reicht nicht.
({6})
Ich halte für wichtig, dass wir uns in Deutschland dazu
bekennen, dass wir eine Finanztransaktionssteuer international einführen wollen. So etwas brauchen wir.
Das steht nicht im Widerspruch zu den Themen, über die
wir hier diskutieren.
({7})
Ich will alle diese Punkte benennen, damit klar wird,
dass wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
zwar einzelne Themen ansprechen und nach vorne bringen, dass wir aber ein Gesamtkonzept haben: Die Finanzmarktaufsicht muss angegangen werden. Der Eigenhandel der Banken muss eingeschränkt und verboten
werden. Eigenkapitalvorschriften für Banken müssen
verschärft werden. Steuerhinterziehung in Steueroasen
muss wirkungsvoll bekämpft werden. Wir brauchen aber
entsprechende Gesetze, damit wir nicht solche Debatten
führen müssen wie zurzeit. Das muss auch in diesem Zusammenhang geschehen.
({8})
Heute haben wir einen Antrag der Fraktion Die Linke
vorliegen. Es ist völlig richtig, dass vor dem Hintergrund
der Entwicklungen der letzten Monate bezüglich der Rekordboni auch angesprochen worden ist, welche Gewinne die Deutsche Bank wieder macht und wie Herr
Ackermann damit umgeht, mit welcher Überheblichkeit
und Unverschämtheit darauf reagiert wird. Das verlangt
politische Reaktionen. Darum ist es richtig, dass wir uns
hier in diesem Hause dem Vorschlag aus den USA zuwenden,
({9})
darüber reden und ihn weiterdenken.
Ich frage mich aber angesichts der Debatten, die ich
bereits erlebt habe - ich bin ja noch nicht so lange im
Bundestag -, was die Fraktion Die Linke eigentlich will.
Im Dezember 2009 lag im Rahmen der Debatte über die
Kreditklemme ein Antrag von Ihnen vor, in dem Sie vorgeschlagen haben, die Banken zu verstaatlichen.
({10})
Das sprechen Sie heute nicht mehr an. Heute wollen Sie
eine Abgabe von ihnen. Wie darf ich das verstehen? Sie
verstaatlichen die Banken, und dann nehmen Sie ihnen
doch die Steuer ab? Wissen Sie, was Sie wollen, oder hat
sich jetzt der Realoflügel durchgesetzt?
({11})
Klären Sie erst einmal diese Punkte, bevor Sie hier Anträge vorlegen! Ich finde, das ist ein Widerspruch in Ihrer Politik, den Sie in Ihren Anträgen sogar verschriftlichen.
Wir müssen darüber hinaus natürlich zur Kenntnis
nehmen, dass es einen Unterschied zwischen dem Bankensystem in den USA und dem in Deutschland gibt.
Auch dieser Unterschied wird meiner Meinung nach zu
wenig berücksichtigt.
({12})
Wir sind für das Dreisäulenmodell. Wir sind dafür, dass
das Bankensystem in Deutschland so bleibt, wie es ist.
({13})
Ich frage Sie: Was soll die in Ihrem Antrag formulierte Grenze von 30 Milliarden Euro? Wie begründen
Sie die? Woher kommt die? Als ich mich informiert
habe, wurde mir deutlich gemacht, dass in Deutschland
- das kann man nachlesen - auch zwei Sparkassen unter
die von Ihnen geforderte 30-Milliarden-Euro-Grenze fallen. Wollen wir, dass die Sparkassen und vielleicht auch
andere Akteure, die ein Stabilitätsfaktor sind, hier einbezogen werden? Wollen wir, dass auch die Finanzkonzerne, die über den SoFFin Unterstützung bekommen, zu
einer solchen Abgabe herangezogen werden? Das alles
sind Fragen, die Sie in Ihrem Antrag nicht beantworten.
Als letzte Bemerkung will ich zu diesem Punkt sagen,
dass aus unserer Sicht der Vorschlag, über den in Schweden diskutiert wird, sehr bedenkenswert ist. Dort wird
darüber nachgedacht, ganz in diesem Sinne eine Abgabe
einzuführen.
({14})
Die dadurch erzielten Einnahmen sollen allerdings nicht
in den staatlichen Haushalt, sondern in einen besonderen
Fonds fließen.
({15})
- Wie ich sehe, stimmt mir Herr Dautzenberg zu.
({16})
Das muss man allerdings deshalb tun, weil das schöne
Krisengipfelchen, das die Kanzlerin vor einigen Monaten im Kanzleramt durchgeführt hat, nicht ausgereicht
hat. Herr Ackermann hat warme Worte abgeliefert, aber
er liefert kein Geld ab. Darum braucht man einen solDr. Carsten Sieling
chen Vorschlag. Wie gesagt, vielleicht ist der schwedische Weg sinnvoll.
Ich empfehle für meine Fraktion, dass wir über diese
Themen weiterhin diskutieren und sie ordentlich beraten
sollten. Die Richtung Ihres Antrags ist sicherlich in Ordnung; das hat selbst Herr Dautzenberg gesagt. Aber wir
müssen noch darüber reden, welche genaue Ausprägung
eine entsprechende Regelung haben sollte. Das, was die
Fraktion Die Linke uns hier vorgelegt hat, ist so nicht
zustimmungsfähig.
({17})
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({18})
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Frank
Schäffler das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wenn man über dieses Thema spricht, ist es entscheidend, dass man erst einmal eine vernünftige Analyse durchführt. Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue,
dann muss ich feststellen, dass Sie schon an der Analyse
scheitern. Denn in Ihrer Analyse sprechen Sie nur von
den privaten Banken, die nach Ihrem Duktus Verursacher der Krise sind. Tatsächlich vergessen Sie einen ganz
entscheidenden Teil des deutschen Bankensystems, der
ebenfalls zur Schieflage beigetragen hat,
({0})
nämlich den öffentlichen Bankensektor.
({1})
Ich will Ihnen ins Stammbuch schreiben: Allein in
den letzten Jahren sind Steuergelder in Höhe von
37 Milliarden Euro für die öffentlichen Landesbanken
in Deutschland ausgegeben worden.
({2})
198 Milliarden Euro sind für Garantien für die öffentlichen Landesbanken in Deutschland ausgegeben worden.
An dieser Stelle kann man lange über Schuldzuweisungen sprechen.
({3})
Aber die Sozialdemokraten in diesem Hause sind für die
Schieflage der Landesbanken in Deutschland ganz entscheidend mitverantwortlich. Denn seit dem Wegfall von
Anstaltslast und Gewährträgerhaftung hat Ihr ehemaliger
Finanzminister in Brüssel die Übergangsregelungen verhandelt, die dazu geführt haben, dass sich die Landesbanken in Deutschland mit rund 300 Milliarden Euro zusätzlich verschulden konnten, und das mit staatlicher
Garantie. Das fällt uns in Deutschland heute auf die
Füße.
({4})
Entscheidend ist auch, dass wir im Bereich der Regulierung unsere Lehren ziehen und auch Maßnahmen ergreifen.
({5})
Sie behaupten, wir würden hier nichts machen. Aber wir
diskutieren hier im Parlament fast täglich über Maßnahmen, mit denen wir regulierend eingreifen. Ich will das
Beispiel der Eigenkapitalanforderungen im Bereich
der Verbriefungsmärkte nennen; hier werden wir etwas
tun. Wir werden auch bei den Ratingagenturen stärkere
Regulierungen vornehmen;
({6})
auch hierzu liegt schon ein Kabinettsentwurf vor. Wir
werden - Herr Dautzenberg hat darauf hingewiesen - im
Bereich des Insolvenzrechts etwas tun. Auch das ist
wichtig im Bankenbereich. Wir werden im Bankenbereich auch etwas tun im Hinblick auf die Haftung, damit
Verantwortung und Haftung am Ende wieder zusammenfallen. Das ist einer der wesentlichen Bausteine der sozialen Marktwirtschaft. Das werden wir in Deutschland
umsetzen.
({7})
Klar ist: Wir brauchen eine Fortentwicklung des
SoFFin und der Einlagensicherung. Es geht darum, wie
wir auch die Banken und die Institute, die kein Einlagengeschäft haben, an der Finanzierung der Krise beteiligen
können. Es gibt nämlich eine ganze Reihe von Instituten,
insbesondere die Landesbanken, die überhaupt kein Einlagengeschäft haben. Sie tragen zur Bewältigung der
Krise derzeit nichts bei. Deshalb müssen wir - auch das
ist eine Lehre aus dieser Krise, und da liegen wir gar
nicht so weit auseinander - den SoFFin weiterentwickeln. Der SoFFin muss die Basis für die Finanzierung
dessen sein, was bislang der Steuerzahler ausgelegt hat.
Das geht aber nicht mit einem Schnellschuss. Da
müssen Sie uns mehr Zeit geben als 100 Tage; denn das
ist ein sehr komplexes Thema. Wir müssen auch international die richtigen Verabredungen treffen. Insofern haben wir im Bereich der Regulierung sehr viel gemacht
und sehr viel auf den Weg gebracht.
Ich will noch einen anderen Aspekt ansprechen, etwas, was uns dieser Tage leider um die Ohren fliegt. Das
ist das, was wir mit billigem Geld auf dieser Welt angerichtet haben. Das Beispiel Griechenland zeigt doch, wohin die Verschuldungspolitik letztendlich führt: Sie führt
am Ende dazu, dass auch auf staatlicher Ebene Bail-outs
zumindest in den Bereich des Möglichen rücken.
Aus meiner Sicht ist die entscheidende Frage: Wie
kommen wir wieder zu stabilem Geld, wie können wir
Sparen und Geldproduktion wieder in Einklang bringen?
Die Voraussetzung dafür ist, dass wir zu einer marktwirtschaftlichen Geldordnung kommen. Einem Alkoholiker hilft man auch nicht dadurch, dass man ihm eine
neue Flasche Schnaps hinstellt. Als Antwort auf die
Krise, die wir derzeit erleben, muss es strukturelle Änderungen geben, auch in der Haushaltspolitik beispielsweise von Griechenland. Alles andere lassen die europäischen Verträge aus meiner Sicht nicht zu. Deshalb
müssen wir in diesem Haus auch über eine Fortentwicklung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes diskutieren. Wer hat denn den Stabilitäts- und
Wachstumspakt 2005 aufgeweicht? Das war Hans
Eichel. Aus einer haushaltspolitischen Situation heraus,
die national geprägt war, hat er den Stabilitäts- und
Wachstumspakt aufgeweicht. Das führt am Ende dazu,
dass die Stabilität des Euro aufgeweicht wird. Dafür tragen die Sozialdemokraten die Verantwortung.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat der Kollege Dr. Gerhard Schick für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, es ergibt wenig Sinn und ist eher ein Ablenkungsmanöver, wenn immer alle Maßnahmen zu einer
Debatte zusammengefügt werden; dann kann man nämlich schön vom einen zum anderen gehen.
Natürlich setzen Sie in Bezug auf die Ratingagenturen ein bisschen, was von der europäischen Ebene
kommt, um. Die Frage ist aber: Was bedeutet der Satz
des Finanzministers, der Finanzsektor soll für diese
Krise zahlen? Steht etwas dahinter, oder steht wieder
einmal nichts dahinter?
({0})
Vor der Bundestagswahl wurde plötzlich der Eindruck
erweckt, auch die Union sei für eine Finanzumsatzsteuer. Sie haben dies nie wirklich betrieben; aber das
war schön, um im Wahlkampf die Empörung der Bevölkerung, dass nichts passiert, abzufedern. Jetzt erklärt der
Bundesfinanzminister, diese Steuer sei tot. Ich befürchte,
dass es Ihrer Sonderabgabe für die Banken nach der
NRW-Wahl genauso ergeht. Jetzt versucht man, der Empörung entgegenzukommen; nach der Wahl wird aber
nichts passieren. Legen Sie einmal ein Konzept auf den
Tisch!
({1})
- Ich freue mich, wenn ich das erleben sollte; denn es ist
richtig.
({2})
Was Sie bisher gesagt haben, passt aber nicht zusammen. Sie sagen: Wenn Maßnahmen ergriffen werden,
müssen sie international vergleichbar sein. Wenn Sie
das, was Obama angekündigt hat, auf Deutschland umlegen, bedeutet das jährlich nicht mehr als etwa
1 Milliarde Euro an Einnahmen. Dann sagen Sie: Damit
sollen die Lasten der alten Krise gezahlt werden. Sie
wollen damit auch den Fonds auffüllen, mit dem zukünftig Banken gerettet werden sollen. Wie das rein rechnerisch zusammenpassen soll, müssen Sie erst einmal erklären. Sie fordern zwar hier, dass die Belastungen der
Krise von den Banken gezahlt werden sollen, aber das
passt de facto nicht zu dem, was Sie sonst sagen.
({3})
Es gibt aber einen noch viel wichtigeren Punkt. Die
Grundlage dafür, dass der Finanzsektor wirklich an den
Kosten dieser Krise beteiligt wird, ist doch, dass erst einmal die Kosten dieser Krise offengelegt werden und
dass so in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen
werden kann, wer profitiert hat und wem Vorteile entstanden sind. Das heißt, wir müssen erst einmal transparent machen, was in dieser Krise wirklich passiert ist.
Die Kernforderung an dieser Stelle ist: Legen Sie endlich offen, wer von den Rettungsmaßnahmen profitiert
hat! Es ist ein Unding, dass der deutsche Steuerzahler
und die deutsche Steuerzahlerin bis heute nicht wissen,
was bei der Bankenrettung genau passiert.
({4})
Das ist die Kernaufgabe. Dazu möchte ich von Ihnen
gerne etwas sehen. Von jedem Hartz-IV-Empfänger werden die 20 Euro Kindergeld, die zu viel gezahlt worden
sind, zurückgefordert. Da ist man ganz rigoros. Was aber
tut der deutsche Staat, wenn es um Milliarden geht? Alles bleibt hinter verschlossenen Türen. Nur über eine
Veröffentlichung in den Medien wissen wir, wer von der
Rettung der HRE profitiert hat. Ich fordere Sie auf, das
zu machen, was teilweise in den USA im Zusammenhang mit der AIG passiert ist und was andere Staaten gemacht haben: Legen Sie endlich die Konditionen der
Bankenrettung offen, damit wir wissen, wie die Kosten
dieser Krise sind und wer von ihr profitiert hat! Dadurch
können wir ermessen, ob Ihre geplante Abgabe so gestaltet ist, dass die Kosten der Krise wirklich von den
Verursachern und Profiteuren getragen werden.
({5})
Wichtig ist auch, dass wir jetzt nicht die verschiedenen Maßnahmen gegeneinander ausspielen. Sie haben
eine Abgabe in der Größenordnung von 1 Milliarde
Euro jährlich angedeutet.
({6})
- Rechnen Sie doch einmal um, was eine mit den USA
vergleichbare Abgabe bei uns bringen würde, Herr
Dautzenberg!
({7})
Dort sind es 120 Milliarden Dollar. Wenn Sie das auf die
Größe des Finanzsektors umrechnen - Sie argumentieren ja, das müsse im Wettbewerb vergleichbar sein -,
dann kommen Sie wegen des kleineren Finanzsektors in
Deutschland auf eine sehr bescheidene Größenordnung
von - das ist meine Schätzung - 1 Milliarde Euro. Sie
können gerne eine andere Zahl vorlegen, anstatt nur
Luftblasen zu produzieren.
({8})
Nennen Sie doch einmal eine zielgerichtete Maßnahme, mit der die Lasten dieser Krise getragen und verursachergerecht zugeordnet werden können! Sie können
die Idee einer Finanzumsatzsteuer, die wir brauchen, um
viele andere globale Aufgaben, zum Beispiel in der Entwicklungshilfe, zu finanzieren, nicht einfach beiseiteschieben. Sie versuchen, hier etwas zu vermengen, was
nicht zusammengehört und was von den Größenordnungen überhaupt nicht zusammenpasst. Es bleibt bei der
Forderung von Bündnis 90/Die Grünen, die von der Bevölkerung übrigens in weiten Teilen unterstützt wird:
Wir brauchen eine Besteuerung von Finanzumsätzen. Es
ist niemandem vermittelbar, dass für jedes Brötchen und
für jeden Schrank eine Umsatzsteuer zu zahlen ist, aber
für Derivate nicht.
({9})
Jetzt kommt natürlich das altbekannte Argument der
FDP, was durch Wiederholung leider nicht richtiger
wird, dass durch solche Maßnahmen der Kleinanleger
belastet würde. Nun müssen Sie einmal erklären, wie
diese Abgabe auf die Kreditvergabe umgelegt wird und
wie da die Belastungen sind. Ich bin sehr gespannt, ob
Sie uns hierzu etwas vorlegen. Darüber hinaus sollten
Sie uns die Studie, die Sie letztes Mal zitiert haben, einmal zur Kenntnis geben. Zumindest meine Recherchen
haben ergeben, dass es diese Studie gar nicht gibt.
({10})
Tatsache ist, dass Sie mit dem Verweis auf die Belastungen des Kleinanlegers erreichen wollen, dass die
wirklich großen Profiteure dieser Krise nicht zahlen sollen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans Michelbach für
die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Finanzmarkt ist in der Globalisierung außer
Kontrolle geraten. Die Bankenbranche steht vor großen
Herausforderungen; sie muss sich auf veränderte Situationen einstellen.
Die Frage dabei ist, welche Vorstöße in die richtige
Richtung gehen und langfristig Nutzen stiften und ob
nicht mancher Ansatz, der hier vorgetragen wird, eher
politischer Agitation dient. Wir wollen dem Wirtschaftsstandort und den Arbeitsplätzen dienen; das ist
zunächst unsere Aufgabenstellung.
({0})
Die Hetzreden von Herrn Gysi
({1})
gegen die Finanzindustrie und Ihr Klassenkampf, den
Sie hier veranstalten, dienen nicht den Arbeitsplätzen in
Deutschland. Das ist vielmehr ein Anschlag auf die Arbeitsplätze in Deutschland. Das Verteufeln von Gewinnen entspricht nicht der sozialen Marktwirtschaft.
({2})
Wir müssen uns auf dem Boden, auf den Grundsätzen
der sozialen Marktwirtschaft bewegen und auf nichts anderem.
({3})
Wir brauchen natürlich, ganzheitlich betrachtet, einige Maßnahmen, aber nicht unbedingt Maßnahmen, die
die Regulierung überziehen, sondern die eine bessere
Regulierung bewirken. Wir müssen jetzt folgenden Dreisatz auf den Weg bringen: eine verbesserte Aufsicht,
eine verbesserte Regulierung und natürlich - das gehört
dazu - eine Kostenbeteiligung der Banken.
({4})
Das ist notwendig. Wir müssen ganz klar sagen: Es geht
nicht, dass im Finanzsektor Gewinne privatisiert, Verluste sozialisiert und Risiken und Haftung immer weiter
entkoppelt werden. Das passt in unserer Marktwirtschaft
nicht zusammen.
({5})
Deswegen werden wir in diesem Dreiklang handeln.
Der Bundesfinanzminister hat auf der G-7-Tagung in
Kanada deutlich gemacht, wohin es gehen kann. Aber es
ist festzustellen: Die USA machen bei der Einführung
der Tobin-Steuer nicht mit. Damit ist die Tobin-Steuer
tot;
({6})
das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Da bringt es nichts,
Herrn Obama sozusagen zu umarmen. Das ist für ihn mit
Blick auf seine ernsthaften Vorschläge eher eine Beleidigung. Die Bankenabgabe, die er vorschlägt, ist eine
Maßnahme, die in die richtige Richtung führt und die
wir als Europäer mit ihm umsetzen wollen.
({7})
Dabei geht es natürlich auch darum, wie hoch die sich
daraus ergebende Belastung ist und ob das zu Wettbewerbsverzerrungen und zu Problemen am Wirtschaftsstandort und im Hinblick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen führen kann.
Herr Dr. Schick, Sie sind zwar auf der richtigen Linie,
aber Sie rechnen falsch. Die von Ihnen genannte
1 Milliarde Euro jährlich wäre ja wunderbar, Herr
Dr. Schick,
({8})
aber das Ergebnis der Berechnungen, die auf der Grundlage des Obama-Vorschlages durchgeführt wurden, liegt
nicht unter 9 Milliarden Euro. Sie sollten einmal sehen,
welche Größenordnung in Deutschland im Bankengeschäft aufgebracht werden muss. Das bedeutet natürlich,
dass man eine ganzheitliche Analyse dahin gehend vornimmt, ob das verkraftbar und zielführend ist und ob das
unseren Unternehmen und der Sicherung der Arbeitsplätze schadet oder nützt.
({9})
Neben diesem Dreiklang - Aufsicht, Regulierung,
Kostenbeteiligung - geht es um die Wirtschaftsethik
der sozialen Marktwirtschaft. Das Bankgeschäft muss
für unsere Gesellschaft insgesamt wieder verständlicher
und akzeptabel werden. Es benötigt eine neue Vertrauensbasis in der sozialen Marktwirtschaft. Das geht nicht
mit Hetztiraden, sondern nur mit ganz konkreten, soliden, verantwortungsbewussten Vorschlägen und Maßnahmen und insbesondere mit einer Erklärung zur Erhaltung unseres Dreisäulenmodells. Ich wende mich ganz
massiv dagegen, dass hier undifferenziert irgendetwas
reguliert und das Dreisäulenmodell letzten Endes beschädigt wird.
Herr Kollege.
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
({0})
Die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen können
nichts dafür, dass die Finanzmärkte außer Kontrolle geraten sind. Deswegen können wir sie jetzt nicht dafür in
Haftung nehmen.
({1})
Kollege Michelbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schick?
Selbstverständlich. - Entschuldigen Sie, Frau Präsidentin, dass ich nicht gleich gehört habe.
Herr Kollege, würden Sie noch einmal genau präzisieren, wie Sie auf die 9 Milliarden Euro kommen, und
können Sie sagen, dass die Bankenabgabe, die Ihre Regierung vorschlagen wird, in Deutschland ein Aufkommen von mindestens 9 Milliarden Euro pro Jahr haben
sollte, und wie hoch beziffern Sie derzeit die Kosten der
Krise? Ich frage das, damit man sehen kann, ob dieses
Aufkommen bezogen auf die Kosten der Krise einen relevanten Anteil hat. Oder messen Sie das vielleicht an
den Vorteilen, die die Banken und Versicherungen durch
die Rettungsmaßnahmen gehabt haben?
({0})
Herr Kollege Dr. Schick, ich bitte um Verständnis dafür, dass wir
({0})
in einer solchen Situation natürlich interne Gespräche
führen und im Ausschuss Aufklärung betreiben und Informationen zur Verfügung stellen. Wir werden diese internen Überlegungen und Berechnungen mit Ihnen, der
Sie sehr fachkundig sind, im Detail besprechen.
({1})
Ich kann eine solche Berechnung in meiner Rede jetzt sicherlich nicht darstellen.
({2})
Ich werde dies mit Ihnen aber fachlich erörtern, und ich
gehe davon aus, dass auch Sie daran interessiert sind,
dass wir hier Maß und Mitte treffen. So habe ich Sie bei
Ihrer Facharbeit im Ausschuss immer kennengelernt: Sie
wollen Maß und Mitte finden, insbesondere auch im
Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der deutschen Kreditwirtschaft. Ich gehe davon aus, dass wir hier dann auch
zu Lösungen kommen.
Wichtig ist zunächst einmal, dass wir die Kostenübernahme durch die Banken als Grundsatz und europa- und weltweit als durchsetzungsfähige Grundlage
anerkennen. Meiner Meinung nach müssen wir sehen:
Alle anderen Dinge, die hier sonst immer wieder durch
Anträge eingebracht werden, sind nur Ausdruck von nationalem Geplänkel. Das können wir uns nicht leisten.
Wir brauchen eine internationale Lösung. Diese internationale Lösung funktioniert nur mit einer Bankenabgabe.
({3})
Meine Damen und Herren, ich möchte das noch einmal sagen: Klar ist, dass eine Bank einen gewissen Preis
zahlen muss, wenn der Staat ihre Risiken übernimmt.
Alles andere wäre dem Staat nicht zuzumuten und außerdem natürlich auch eine Wettbewerbsverzerrung. Deswegen halte ich es für wichtig, dass wir jetzt Vorbereitungen für die hochrangige internationale Konferenz im
Mai in Berlin treffen, zu der der Bundesfinanzminister,
Dr. Wolfgang Schäuble, eingeladen hat. Hier werden wir
natürlich auch ganz konkret Entscheidungen der G 20
vorbereiten müssen. Der G-20-Gipfel ist die richtige
Veranstaltung dafür, Lösungen auf den Weg zu bringen,
durch die der Globalisierung Rechnung getragen wird,
um die Kreditwirtschaft und die Finanzindustrie letzten
Endes für die Zukunft solide aufzustellen und ein klares
Zukunftskonzept für sie zu erhalten.
Wir müssen immer wieder verdeutlichen, dass das
Bankgeschäft im Kern letzten Endes eine der Wirtschaft
dienende Funktion hat. Der Staat rettet die Banken nicht
um ihrer selbst willen, sondern mit Blick auf diese für
die Gesellschaft und ihren Wohlstand wichtige Aufgabe.
Das muss das Maß aller Dinge sein.
Ich darf verdeutlichen, dass wir auch bisher schon die
richtigen Maßnahmen getroffen haben.
({4})
Ich denke dabei an die Stärkung der Finanzmarkt- und
Versicherungsaufsicht, an das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung und an das Bilanzierungsmodernisierungsgesetz.
Die Maßnahmenkataloge müssen jetzt weiterentwickelt werden, aber es ist nicht so, dass wir noch nicht gehandelt haben. Wir haben bereits Maßnahmen getroffen,
die insgesamt weiterentwickelt werden müssen. Dies
wird in den nächsten Wochen geschehen. Dabei ist,
glaube ich, wichtig: Nationale Lösungen greifen zu kurz;
internationale Abstimmung ist erforderlich. Deutsche
Alleingänge wird es mit uns nicht geben, weil dies zu
Wettbewerbsverzerrung und Umgehungstatbeständen
durch Verlagerung ins Ausland führt.
Wir wollen, dass der Finanzplatz Deutschland erhalten wird, weil wir diese dienende Funktion für unseren
Wirtschaftsstandort und unsere Arbeitsplätze auch in der
Zukunft benötigen.
Herzlichen Dank.
({5})
Das Wort hat der Kollege Manfred Zöllmer für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Finanzmarktjongleure haben uns die
schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit beschert.
Wir müssen uns noch einmal vor Augen führen, dass im
Spätsommer 2008 das internationale Finanzsystem kurz
vor dem Zusammenbruch stand.
Ursache der Krise war die Marktgläubigkeit der
meisten Wirtschaftswissenschaftler und die Gier vieler
Manager in dieser Branche. Geld sollte mit Geld verdient werden, und zwar mit Wetten. 1980 betrug das
weltweite Bruttoinlandsprodukt 10,1 Billionen Dollar,
die globalen Finanzanlagen 12 Billionen Dollar. 2007
betrug das globale BIP 55 Billionen Dollar, die Finanzanlagen 197 Billionen Dollar.
Daraus geht eines ganz klar hervor: Wir können es
diesen Wissenschaftlern und Managern nicht überlassen,
diese Krise zu bewältigen.
({0})
Unsere Aufgabe ist es jetzt, vom Pumpkapitalismus zur
nachhaltigen Marktwirtschaft zu kommen. Es muss alles
getan werden, um zu verhindern, dass solch eine Katastrophe noch einmal passiert.
({1})
Dabei ist es ganz entscheidend, dass die Lasten der
Krise fair verteilt werden. Das heißt, wir müssen in besonderem Maße die Verursacher dieser Krise zur Kasse
bitten, und wir müssen Leitplanken für die Finanzmärkte
einziehen. Denn es ist ein Skandal, dass zwar der Bau jeder Kleingartenlaube in Deutschland festen Bestimmungen unterliegt und klar geregelt ist, die Finanzmärkte
aber unreguliert funktionieren sollen.
({2})
Inzwischen ist das Finanzmarktsystem stabilisiert,
aber nicht reformiert. Wir müssen fragen, warum das so
ist. Frankreichs Präsident Sarkozy hat gerade in Davos
gelobt, die Perversion des Finanzkapitalismus auszurotten. Ich habe jetzt erfahren, dass die Bundeskanzlerin
auch dort war. Nun gut, gehört haben wir von ihr nichts.
({3})
- Ja, so ist es. Das ist eben typisch für diese Bundesregierung.
Was macht diese Bundesregierung? Diese Frage stellt
man sich ja.
({4})
Sie redet. Sie findet Vorschläge bedenkenswert. Sie äußert Sympathie für dieses und jenes. Charmante Idee,
hörte man. Immer gibt es auch jemanden aus der Regierung, der genau die gegenteilige Meinung äußert. Nichts
ist geschehen.
({5})
- Ich will noch einmal deutlich sagen: Ohne unseren Finanzminister hätten wir ein riesiges Problem. Sie leben
doch heute noch von dem, was Peer Steinbrück damals
in die Wege geleitet hat.
({6})
Im Koalitionsvertrag finden sich die üblichen Widersprüche. Unter der Überschrift „Der Weg aus der
Krise“ folgen dann Maßnahmen von der steuerlichen
Klientelbeglückung von Hoteliers bis zu einer EscapeKlausel, mit der die Unternehmen beglückt werden.
Nach der Kreativwirtschaft auf Seite 53 des Koalitionsvertrages kommen einige allgemeine Aussagen zu den
Finanzmärkten. Das war es dann.
Genau so ist auch die Politik dieser Bundesregierung:
Reden ja, Handeln nein. Man versteckt sich hinter den
anderen G-20-Ländern; man läuft hinter ihnen her.
Wir Sozialdemokraten haben konkrete Vorschläge
gemacht. Ergebnis war: Diese Vorschläge wurden abgelehnt. Es wurde im Übrigen bei der Debatte hier deutlich, dass die Koalitionspartner sehr unterschiedliche
Vorstellungen haben, was zu tun und was zu lassen ist.
Es überwiegt die Strategie, Handeln an internationale
Gremien zu delegieren.
({7})
Es gibt genügend Vorschläge, was zu tun wäre. Es sind
einige genannt worden, zum Beispiel der Vorschlag, den
Risikopuffer durch eine größere Eigenkapitalunterlegung der Banken zu vergrößern und damit die Verantwortung der Kapitaleigner zu stärken. Aber Sie dürfen
nicht nur allgemeine, sondern müssen auch konkrete
Vorschläge machen. Sie müssen die Zahl der Eigengeschäfte der Banken reduzieren, klare gesetzliche Beschränkungen bei Boni und Gehaltszahlungen vornehmen und dürfen nicht nur allgemeine Regelungen
erlassen. Über Rettungsfonds haben wir bereits diskutiert.
Leider muss man feststellen, dass bei diesen Fragen
der Regulierung der Finanzmärkte und den notwendigen
Maßnahmen zur Beteiligung der Banken an den Kosten
der Krise die Liste der Themen, bei denen die Bundesregierung Chaos und Vielstimmigkeit verbreitet, um einen weiteren Punkt ergänzt wird. Da verkündet der
CSU-Generalsekretär, man sei für eine Spekulationssteuer. Die Bundesjustizministerin von der FDP plädiert
für verschärfte Haftungsregelungen für Manager und
Banker im Zivilrecht, will aber von der CSU-Forderung
nach Einführung einer Spekulationssteuer nichts wissen.
CSU-Chef Seehofer spricht sich für eine internationale
Transaktionsteuer aus. Die Bundeskanzlerin sagt, das sei
eine charmante Idee.
({8})
Finanzminister Schäuble sagt: Die Tobin-Steuer ist tot.
Der bayerische Finanzminister Fahrenschon sagt, eine
solche Bankenabgabe sei prinzipiell auch in Deutschland
vorstellbar. Die Justizministerin will von diesem Vorschlag nichts wissen. Der Kollege Schäffler will von alldem nichts wissen; das haben wir inzwischen mehrfach
erlebt. Dann kommt der Finanzminister und verkündet,
er wolle nun eine Sonderabgabe für Banken installieren.
Sehr schön! Dann hören wir hier vom Kollegen
Dautzenberg, dass es doch konkrete Überlegungen zumindest in der CDU-Fraktion gebe.
({9})
Von der Bundesregierung ist nur dieser vielstimmige
Chor, dieses Chaos zu vernehmen. Wir müssen bereits
nach 100 Tagen dieser Wunschkoalition leider einen
Grad an Lähmung und Stillstand konstatieren, wie er in
16 Jahren schwarz-gelber Kohl-Ära festzustellen war,
({10})
und all das in der größten Krise der Nachkriegszeit.
Diese Regierung hat kein Konzept. Diese Regierung hat
keine Strategie. Man wünscht sich, dass diese Bundesregierung nicht nur auf bereits fahrende Züge nach Bedarf
aufspringt, sondern selbst den internationalen Diskussionsprozess mitgestaltet. Hierzu ist leider kein Ansatz
erkennbar.
Obamas Stabschef, Rahm Emanuel, hat einmal gesagt: „Regel Nummer eins: Verschwende nie eine Krise;
sie gibt uns Gelegenheit, große Dinge zu tun.“ Ich muss
feststellen: Diese Bundesregierung ist dabei, die Krise
zu verschwenden.
({11})
Das Wort hat der Kollege Björn Sänger für die FDPFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Die Banken sollen für die Krise zahlen. Wer
würde das nicht unterschreiben? Ich denke, in diesem
Haus dürfte das jeder tun. Der Antrag der Linken ist vom
Prinzip her richtig. Er geht in die richtige Richtung.
Umso wichtiger ist, dass man mit Sorgfalt an dieses
Thema herangeht und nicht schon nach 100 Tagen ein
komplett ausgereiftes Konzept erwartet. Ich weiß nicht,
ob diese murmeltiertagähnlichen, ständigen Wiederholungen des immer Gleichen im Wochenrhythmus der
Plenarsitzungen hilfreich sind. Der vorliegende anderthalb DIN-A4-Seiten umfassende, relativ schnell heruntergeschriebene Antrag sollte - der Kollege Dautzenberg
hat schon darauf hingewiesen - eigentlich, wenn man
ehrlich ist, nur dem Ziel dienen, dem Kollegen Gysi einen Auftritt zu verschaffen.
({0})
Er sei Ihnen gegönnt. Der Antrag orientiert sich aber
nicht an der Sache und ist schlussendlich nicht sinnvoll.
({1})
Bei der Frage nach dem Verursacher der Krise kann
man darüber nachdenken, ob das die Banken in DeutschBjörn Sänger
land waren oder ob der Verursacher nicht vielmehr im
Ausland zu suchen ist. Die Diskussion führt uns an dieser Stelle nicht weiter; die Argumente sind ausgetauscht.
Das Problem ist auch: Was sind überhaupt die Kosten
der Krise? Auch da sind Sie sehr vage. Das kann man
zum heutigen Zeitpunkt auch noch nicht feststellen, weil
ein großer Teil in Form von Bürgschaften hinterlegt ist,
bei denen wir noch gar nicht wissen, ob sie überhaupt
zum Einsatz kommen. Wir hoffen natürlich, dass das
nicht der Fall sein wird. Sie listen etwa 400 Milliarden
Euro auf. Ob das die Summe ist, die am Ende gezahlt
werden muss, ist fraglich.
Man könnte natürlich auch noch darüber nachdenken
- auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen -, ob
man nicht vielleicht die 5 Prozent Rückgang des Bruttoinlandsprodukts als Kosten der Krise ansieht, wobei ich
sagen würde, dass das möglicherweise etwas zu weit
geht.
Ihre Antwort ist eine Art Banken-Bashing. Auch das
führt uns an dieser Stelle nicht weiter.
Kollege Sänger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schick?
Bitte.
Herr Kollege, während unserer Arbeit im Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate war es auch die
Position der FDP, dass wir eine größere Transparenz in
Bezug auf die Art der Bankenrettung, auf die Konditionen und darauf, wer von dem Ganzen profitiert, brauchen. Sie haben gerade gesagt, wir könnten die Kosten
der Krise noch nicht richtig einschätzen. Ist es die Position Ihrer Fraktion, dass die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, die Konditionen der Bankenrettung zu erfahren und durch eine Auflistung
nachvollziehen zu können, wer von den einzelnen Maßnahmen in welcher Höhe profitiert, oder ist das nicht die
Position Ihrer Fraktion?
Ich denke schon, dass es sinnvoll ist, am Ende des Tages einen Strich zu ziehen,
({0})
um zu sehen, welche Mittel wohin geflossen sind. Das
Problem ist nur: Das sehe ich in dem Antrag, um den es
hier geht, schlichtweg nicht. Da werden nur vage Summen genannt. Wir wissen ja auch zum heutigen Zeitpunkt - ich kann mich da nur wiederholen - noch gar
nicht, welche Mittel schlussendlich zum Einsatz kommen. Am Ende des Tages müssen wir - da gebe ich Ihnen recht - einen Strich ziehen und schauen, welche
Steuermittel wohin geflossen sind.
({1})
Der nächste Punkt, der hier seitens der Linken und interessanterweise auch von der Sozialdemokratischen
Partei angesprochen wurde, waren die Gewinne. Diese
wurden gegeißelt.
({2})
Aber Gewinne sind gerade im Bankenbereich in einer
sozialen Marktwirtschaft notwendig, wenn es darum
geht, das Eigenkapital zu stärken. Ich kann die Bankenbranche an dieser Stelle nur sehr herzlich auffordern,
diese Gewinne tatsächlich dem Eigenkapital zuzuführen;
denn sonst geraten wir möglicherweise in eine Kreditklemme.
({3})
Wer Gewinne in einer sozialen Marktwirtschaft in dieser
Art und Weise geißelt, hat ein gestörtes Verhältnis zur
sozialen Marktwirtschaft.
({4})
Ich finde es außerordentlich interessant, dass die Sozialdemokratische Partei in diesen Chor einstimmt.
({5})
Die Lösung der Probleme soll eine Abgabe sein. Ich
sage Ihnen: Diese Abgabe ist sicherlich nicht linksextrem, Herr Kollege Gysi, aber sie ist an dieser Stelle
komplett untauglich, weil sie die Risiken der unterschiedlichen Institute nicht in vernünftiger Art und
Weise berücksichtigt. Wir brauchen ein Mehr an Regulierung und eine verbesserte Aufsicht. Wir müssen uns
die Ratingagenturen ansehen und dahin kommen, eine
Art Versicherungssystem - so nenne ich es einmal - für
die Branche einzuführen, das passgenau arbeitet und die
Branche angemessen an den Kosten dieser Krise beteiligt.
({6})
Zusammenfassend will ich sagen: Der Antrag, den
Sie hier vorgelegt haben, ist nichts anderes als unausgegorener Populismus; dieser kann keine Zustimmung finden.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Ralph Brinkhaus für die
Unionsfraktion.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und
Herren! Ich möchte die heutige Debatte dazu nutzen, um
auf einen Aspekt hinzuweisen, der in der bisherigen Diskussion meines Erachtens viel zu kurz gekommen ist. Ihr
Antrag auf Einführung einer Sonderabgabe für Banken
ist dafür ein guter Aufhänger. Denn diese Sonderabgabe
ist von mehreren Seiten mit unterschiedlichen Zielsetzungen vorgeschlagen worden: zur Finanzierung der
Kosten der Krise, zur Finanzierung einer Einlagensicherung, zur Lenkung von erwünschtem und unerwünschtem Verhalten. Jeder Vorschlag ist isoliert gesehen erwägenswert. Aber die Zielsetzungen widersprechen sich
zum Teil und lassen andere wichtige Felder offen, zum
Beispiel die Frage nach Regulierung der Derivatemärkte, nach der Rolle der Ratingagenturen oder nach
der Organisation der Finanzaufsicht.
({0})
Damit wird auch das Problem der gegenwärtigen Diskussion deutlich. Viele Ideen - oder besser: viele Instrumente - machen leider noch kein Orchester. Ich möchte
deswegen dafür werben, dass wir uns in Zukunft mehr
darauf konzentrieren, aus den vielen Einzelvorschlägen
ein geschlossenes System zu entwickeln, und weniger
darauf, immer neue Ideen ins Spiel zu bringen.
({1})
Ich glaube, wir haben hinsichtlich der Grundstruktur
dieses Systems, das wir uns wünschen, bereits einen sehr
großen gemeinsamen Nenner.
Erstens. Wir wollen einen Mechanismus zur Früherkennung von Systemrisiken. Es soll uns nie wieder
passieren, dass wir Risiken wie die des amerikanischen
Immobilienmarkts nicht richtig einschätzen und nicht
richtig gewichten. Ich denke, wir sind uns einig, dass die
europäische Systemaufsicht dafür ein guter Anfang ist ich betone: Anfang.
Zweitens. Wir wollen verhindern, dass einzelne Finanzinstitute Risiken eingehen, die das gesamte System
gefährden können. Wir sind uns einig, dass wir dafür
mehr Transparenz schaffen müssen.
({2})
Wir müssen wissen und verstehen, was in den Büchern
der einzelnen Banken steht. Die Vorschläge zur Regulierung des Derivatemarktes, aber auch zur Standardisierung der Verbriefung sind gut und richtig dafür.
({3})
Wir sind uns auch einig, dass wir eine engere Verbindung zwischen Haftung und Risiko herstellen wollen.
Viele Vorschläge im Hinblick auf eine bessere Eigenkapitalausstattung gehen in diese Richtung. Wir diskutieren darüber, ob wir durch Lenkungssteuern risikoadäquates Verhalten von Finanzinstituten beeinflussen
können.
({4})
Ein Vorschlag dazu ist die Transaktionsteuer, die gegenwärtig auf G-20-Ebene geprüft wird.
({5})
Kollege Brinkhaus, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Schlecht?
Ja, gerne.
Ich habe in diesem Zusammenhang eine kurze Frage;
denn Sie reflektieren verschiedene Maßnahmen, die man
ergreifen könnte. Wie bewerten Sie es, dass seit ungefähr
einer Woche wieder Leerverkäufe in Deutschland zugelassen sind und dass damit die Zockerei im Kasino deutlichen Auftrieb bekommen hat? Es ist quasi ein weiterer
Salon eröffnet worden. Das müsste doch komplett konträr zu Ihren Vorstellungen liegen.
Vielen Dank für die Frage. Wir werden die Leerverkäufe natürlich prüfen und bei diesem System berücksichtigen. Ich glaube allerdings, dass es der Diskussion
nicht zuträglich ist, Herr Kollege, wenn wir mit Begriffen wie Kasinokapitalismus oder ähnlichen Begriffen argumentieren. Ich sage Ihnen, wie die Reaktion eines
Zwölfjährigen aus meinem Wahlkreis auf die letzte Debatte war, die wir hier in diesem Haus geführt haben. Er
hat sich gefragt: Warum machen die das überhaupt? Es
geht doch nur darum, den anderen Parteien eins auszuwischen und sich gegenseitig zu beschimpfen. An Lösungen ist keiner interessiert. - Das macht mich traurig,
und das wird eigentlich dem, was in diesem Hause geschieht, nicht gerecht.
({0})
Wir wissen, dass die internen Anreizsysteme von Fi-
nanzinstituten nicht immer risikogerecht ausgelegt sind,
und deswegen besteht Konsens über weiteren Rege-
lungsbedarf hinsichtlich der Vergütungsstrukturen.
Wir wissen aber auch, dass selbst die besten Kontroll-
und Regulierungsmechanismen Krisen nicht verhindern
können. Deswegen ist es wichtig, dass wir, drittens,
Mechanismen zum Krisenmanagement und zur Krisen-
finanzierung erarbeiten. Wir sind uns darüber einig, dass
in diesem Zusammenhang besonders das Insolvenz- und
Abwicklungsrecht für Banken wichtig ist. Wir wollen
leistungsfähige Fonds aufbauen, die zumindest einen
Teil der potenziellen Krisenkosten abdecken. Es spricht
viel dafür, dies durch eine Sonderabgabe für Banken zu
organisieren.
Insofern besteht a) hinsichtlich vieler Einzelmaßnah-
men fraktionsübergreifend durchaus Einigkeit - es sollte
doch einmal betont werden, dass die Differenzen in der
Sache im Grunde genommen gar nicht so groß sind -,
und können wir b) feststellen, dass an der Umsetzung
von vielen Maßnahmen bereits gearbeitet wird. Allein
auf EU-Ebene wird momentan an 20 Maßnahmenpaketen gearbeitet, die wir im Rahmen unserer täglichen
Arbeit im Finanzausschuss vorgelegt bekommen. Darum
ist jetzt die Zeit, die einzelnen Maßnahmen nicht isoliert
stehen zu lassen, sondern aufeinander abzustimmen und
miteinander zu verknüpfen.
Ich möchte dies an einem Beispiel erläutern. Wenn im
Rahmen der Risikofrüherkennung auf Systemebene festgestellt wird, dass die Rohstoffmärkte spekulativ überhitzt sind, dann muss sichergestellt werden, dass dies auf
der Ebene der systemrelevanten Banken zu Verhaltensänderungen führt, zum Beispiel durch verschärfte
Eigenkapitalunterlegungen bei Rohstoffgeschäften. Dazu
brauchen wir Automatismen. Wie wichtig diese Automatismen sind, sehen wir momentan am Beispiel von
Griechenland. Das Problem ist erkannt. Eigentlich
müsste jetzt eine vordefinierte Reaktion erfolgen. Die
EU hat keine Reaktion vordefiniert, und deswegen müssen wir nun mühsam überlegen, was zu tun ist.
Ich fasse zusammen: Wir kennen die wesentlichen
Elemente eines neuen Systems, nämlich erstens die frühzeitige Überwachung von Systemrisiken, zweitens einen
stringenten Regulierungsrahmen für einzelne Finanzinstitute und drittens standardisierte Verfahren zum Krisenmanagement.
Wir wollen darüber hinaus die Banken an den Kosten
der Krisenbewältigung beteiligen. Ich glaube, es ist auch
Konsens in diesem Haus, die Banken an den Kosten des
Krisenmanagements zu beteiligen; von der FDP bis zu
den Linken. Über viele Einzelmaßnahmen lässt sich
fraktionsübergreifend ein Konsens erzielen. Vielleicht
sollten wir damit anfangen.
Jetzt aber geht es um eine Aufgabe, die ich auch
durch die Vorschläge der Opposition nicht gelöst gefunden habe. Jetzt geht es darum, aus den vielen Einzelmaßnahmen ein abgestimmtes vernetztes Gesamtsystem zu
modellieren. Dazu ist die von der Bundesregierung einberufene Finanzkonferenz eine gute Gelegenheit. Herr
Staatssekretär Koschyk, ich habe es beim letzten Mal
schon gesagt: Wir hegen diesbezüglich sehr hohe Erwartungen an den nächsten G-20-Gipfel in Kanada. Wir hegen deshalb sehr hohe Erwartungen, weil die Wirkung
aller Mechanismen umso höher ist, je mehr Staaten mitmachen.
({1})
Ich sage auch ganz ausdrücklich: Wenn uns auf der
G-20-Ebene keine Einigung gelingt, dann müssen wir
versuchen, einen europäisch-amerikanischen Weg zu
finden. Wenn auch das scheitert, dann müssen wir eine
europäische Lösung organisieren. Wenn wir das nicht
hinbekommen, dann müssen wir über isolierte nationale
Maßnahmen nachdenken.
({2})
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halte ich es aber nicht für
zielführend, isoliert nationale Maßnahmen zu organisieren.
({3})
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, zum
Schluss noch die Wiederholung einer Bemerkung aus
der letzten Debatte vor zwei Wochen. Sie ist sozusagen
mein Mantra in dieser Diskussion. Wir als Politik stoßen
mit allen Aufsichts- und Regulierungsmaßnahmen an
Grenzen, wenn sie nicht mit einer neuen Kultur der
Verantwortung in den Banken einhergehen.
({4})
Das ist die gleiche Feststellung, wie ich sie vor zwei
Wochen gemacht habe. Diese ist noch viel zu wenig ersichtlich. Es wäre vielleicht ein erstes gutes Signal, wenn
von Bankenseite ein ernsthafter Vorschlag dahin gehend
kommen würde, wie man sich an den Kosten der Finanzkrise beteiligen will.
Danke schön.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/471 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b sowie
die Zusatzpunkte 4 a und 4 b auf:
8 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann,
Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umstellung der Finanzierung von Neu- und
Ausbauprojekten in Bundesschienenwege
- Drucksache 17/543 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({0})
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Fritz
Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Eisenbahnsicherheit verbessern
- Drucksache 17/544 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
Vizepräsidentin Petra Pau
ZP 4 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Gewährleistung der Sicherheit im Schienenverkehr muss Priorität haben
- Drucksache 17/655 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({2})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Kekeritz, Ute Koczy, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Beschlagnahmung von Generika in Europa
stoppen - Versorgung von Entwicklungsländern mit Generika sichern
- Drucksache 17/448 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({3})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die folgenden Tagesordnungspunkte verlangen uns erfahrungsgemäß eine
gewisse Konzentration ab. Ich bitte also diejenigen, die
nicht daran teilhaben können, den anderen zu ermöglichen, jetzt dem Aufruf der Tagesordnungspunkte und
den Abstimmungen zu folgen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 l sowie
die Zusatzpunkte 5 a und 5 b auf. Es handelt sich um die
Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt 9 a:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({4}) zu der Verordnung der
Bundesregierung
Siebenundachtzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksachen 17/42, 17/85 Nr. 2.1, 17/489 Berichterstattung:
Abgeordneter Rolf Hempelmann
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/489, die Aufhebung der Verordnung auf Drucksache 17/42 nicht zu verlangen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.
Tagesordnungspunkt 9 b:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({5})
Sammelübersicht 20 zu Petitionen
- Drucksache 17/553 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 20 ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 c:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({6})
Sammelübersicht 21 zu Petitionen
- Drucksache 17/554 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 21 ist ebenfalls einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 d:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({7})
Sammelübersicht 22 zu Petitionen
- Drucksache 17/555 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 22 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDPFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei
Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 e:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({8})
Sammelübersicht 23 zu Petitionen
- Drucksache 17/556 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 23 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDPFraktion und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 f:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({9})
Sammelübersicht 24 zu Petitionen
- Drucksache 17/557 Vizepräsidentin Petra Pau
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 24 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDPFraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 g:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({10})
Sammelübersicht 25 zu Petitionen
- Drucksache 17/558 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 25 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDPFraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 h:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({11})
Sammelübersicht 26 zu Petitionen
- Drucksache 17/559 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 26 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDPFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 i:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({12})
Sammelübersicht 27 zu Petitionen
- Drucksache 17/560 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 27 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDPFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 j:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({13})
Sammelübersicht 28 zu Petitionen
- Drucksache 17/561 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 28 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 k:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({14})
Sammelübersicht 29 zu Petitionen
- Drucksache 17/562 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 29 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die
Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen.
Tagesordnungspunkt 9 l:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({15})
Sammelübersicht 30 zu Petitionen
- Drucksache 17/563 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 30 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die
Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 5 a:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({16}) zu
der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Grünbuch
Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat
- Drucksachen 17/504 Nr. A 15, 17/660 Berichterstattung:
Abgeordnete Siegfried Kauder ({17})
Dr. Eva Högl
Jörg van Essen
Wolfgang Nešković
Jerzy Montag
Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.
Zusatzpunkt 5 b:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Ausnahme von dem Verbot der Zugehörigkeit
zu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bundesregierung
- Drucksache 17/600 Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Vizepräsidentin Petra Pau
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 3 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Rettungsschirm für die Kommunen vor dem
Hintergrund von Haushaltslage und schwarzgelben Steuersenkungsplänen
Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Kollege Dr. Frank-Walter
Steinmeier für die SPD-Fraktion.
({18})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Lage der Kommunen ist dramatisch. Dramatischer könnte sie nicht sein. Letztes Jahr fehlten
4,5 Milliarden Euro in den Kassen von Städten und Gemeinden. In diesem Jahr werden es bereits 12 Milliarden
Euro sein.
Ich habe mich am vergangenen Freitag mit 140 Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten getroffen. Das Fazit unserer Gespräche war relativ eindeutig:
Wenn das so weitergeht und keine Abhilfe kommt, dann
werden die Pfeiler, die die Qualität des Zusammenlebens
von 82 Millionen Menschen in Deutschland ausmachen,
in den Städten und Gemeinden zusammenstürzen. Ich
will Ihnen nur ein Beispiel nennen: Wuppertal, eine
Gemeinde im Bergischen Land, bereitet gerade ein
Haushaltssicherungskonzept vor, um das Schlimmste abzuwenden. Darin steht, dass fünf städtische Schwimmbäder geschlossen werden sollen, dass das Schauspielhaus geschlossen werden soll, Zuschüsse für Sozial- und
Jugendarbeit gekürzt werden sollen, höhere Beiträge für
Kitas und Ganztagsschulen erhoben werden sollen. Sie
wissen es genau, meine Damen und Herren - Wuppertal
ist da kein Einzelfall -, in manchen Städten und Gemeinden gehen im Augenblick buchstäblich die Lichter aus.
Die Laternen bleiben dunkel, weil das Geld für die
Stromrechnungen ganz offenbar fehlt.
Natürlich ist daran auch die Wirtschafts- und Finanzkrise schuld, was denn sonst.
({0})
Die Steuereinnahmen sind letztes Jahr um 10 Prozent zurückgegangen, die Gewerbesteuer um 18 Prozent. Ich
darf aber daran erinnern: Wir haben geholfen, damit
frühzeitig gegengesteuert werden konnte, unter anderem
auch mit dem Konjunkturpaket, in dem viele Vorschlägen von uns aufgenommen wurden, die dazu beitrugen,
dass die Fähigkeit der Kommunen zu Investitionen erhalten blieb.
({1})
Das lindert, hilft aber nicht gegen alle Folgen dieser
Krise, vor allen Dingen, wenn die Arbeitslosigkeit weiter steigt. Daraus ergäbe sich nämlich zwangsläufig, dass
die Sozialausgaben der Kommunen weiter stiegen.
Die größte Bedrohung aber, meine Damen und Herren - das muss auch an einem solchen Tag gesagt werden -, für die kommunalen Finanzen sitzt auf der rechten
Seite dieses Hauses, nämlich die schwarz-gelbe Bundesregierung.
({2})
Das, was Sie Wachstumsbeschleunigungsgesetz nennen
- klientelpolitisches Gesellenstück sagen wir -, wird die
Kommunen jedes Jahr allein 1,6 Milliarden Euro kosten.
Wenn man das, was Sie für das laufende Jahr angekündigt haben, noch hinzunimmt, dann kommt man zu dem
Schluss, dass das nur ein böser Vorgeschmack ist.
Frau Merkel und Herr Westerwelle bemühen sich ja
jedes Wochenende auf Krisengipfeln, noch einmal die
Segnungen der bürgerlichen Koalition der Mitte hervorzuheben.
({3})
- Sie sagen dazu: „Sehr gut!“ Ich entgegne Ihnen: Wer
eine bürgerliche Politik der Mitte machen will, der muss
auch Verantwortung für die 82 Millionen Menschen in
den Städten und Gemeinden tragen.
({4})
Wer das will, der darf keine Politik machen, bei der am
Ende alle, vom Kleinkind bis zum Rentner, die Kosten
dafür tragen, dass Sie für ein paar Leute, von denen Sie
glauben, dass sie Sie gewählt haben, einige Kunststücke
vollbringen.
({5})
Wenn Sie glauben, dass das eine bürgerliche Regierung
ausmacht, dann kann ich Ihnen nur entgegenhalten, dass
sich die Bürgerinnen und Bürger das anders vorgestellt
haben.
({6})
Wir brauchen in dieser Situation, die wirklich ernst
ist, um jetzt zu unserem Vorschlag zu kommen, einen
Rettungsschirm für die Kommunen. Deshalb fordern
wir, dass die Einnahmeausfälle, die den Städten und Gemeinden durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
entstehen, ausgeglichen werden. Es ist doch ein Unding,
dass Sie auf der einen Seite sagen: „Die Hotels können
endlich wieder investieren“ - da wird dann also renoviert, und bei den Mövenpick-Hotels entsteht der eine
oder andere neue Swimmingpool -, aber auf der anderen
Seite städtische Schwimmbäder geschlossen werden.
Das kann doch keine sinnvolle Politik sein.
({7})
Wenn wir uns darin einig sind, dass wir die Krise
noch nicht überwunden haben und dass die Arbeitslosigkeit und damit die Kosten auf kommunaler Ebene weiter
steigen, dann können wir das nicht einfach laufen lassen,
sondern müssen etwas dagegen tun. Wir sagen zweitens:
Es ist richtig, den Städten und Gemeinden zwei Jahre
lang bei den Kosten der Unterkunft zu helfen und bundesseitig drei Prozentpunkte mehr zu übernehmen.
({8})
Drittens sagen wir Ihnen: Sie müssen auf die angekündigte schwarz-gelbe Einkommensteuerreform verzichten. Warum? Weil das noch einmal 4 Milliarden
Euro Miese in den kommunalen Kassen bedeuten würde.
Das kann und will sich keiner leisten.
({9})
- Krakeelen Sie nicht herum!
Unsere schlichte Aufforderung - das wird in Deutschland gehört werden, auch von Ihren Bürgermeistern lautet: Treiben Sie mit Ihrer Politik die Städte und Gemeinden nicht weiter in den Ruin!
({10})
Lassen Sie die Finger weg von dem alten Traum, den vor
allen Dingen Sie von der FDP hatten, nämlich der Beseitigung der kommunalen Gewerbesteuer.
({11})
Sonst wird am Ende die kommunale Selbstverwaltung
nicht einmal mehr für Sonntagsreden taugen.
({12})
Das Wort hat die Kollegin Antje Tillmann für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass der Titel dieser Aktuellen
Stunde verändert worden ist. Das gibt mir Gelegenheit,
die Steuervorstellungen der CDU/CSU-Fraktion in dieser Koalition darzustellen. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr
Kollege Steinmeier, haben wir nicht vergessen, dass wir
auch schon vor dem September in der Regierungsverantwortung waren. Wir sind sogar stolz darauf.
({0})
Weil wir in der Regierungsverantwortung standen,
hatten wir Gelegenheit, das Jahr 2010 zu einem Jahr der
großen steuerlichen Erleichterungen, der Steuersenkungen schlechthin zu machen. Ich will einen kurzen Überblick geben, weil so etwas ja schnell wieder vergessen
wird.
Im Jahre 2010 werden wir die Bürgerinnen und Bürger über das Bürgerentlastungsgesetz um 10 Milliarden
Euro bei der Einkommensteuer entlasten.
({1})
Als Teil des Konjunkturpakets haben wir über die Tarifverschiebung und über den Grundfreibetrag Bürgerinnen
und Bürger um 4 Milliarden Euro in 2010 entlastet. Das
Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das Sie leider immer
auf Hotelbegünstigungen reduzieren, hat Familien um
weitere 4,6 Milliarden Euro entlastet.
({2})
Um insgesamt 18 Milliarden Euro entlasten wir also
im Jahr 2010 die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere
Familien, die auch in Kommunen leben, Herr
Steinmeier. Dieses Geld geben wir den Bürgern zurück.
So viel zu den Steuerplänen. Wir sind mittendrin im
Steuersenkungsprogramm.
({3})
Das sollte nicht vergessen werden.
Wir werden damit fortfahren. Interessanterweise war
es mit Ihnen von der SPD als Koalitionspartner nicht
möglich, den Facharbeiter und die Krankenschwester im
Hinblick auf die kalte Progression zu entlasten.
({4})
Wir haben eine Entlastung in einem kleinen Bereich und
bei der Unternehmensteuer hinbekommen. Aber der
Facharbeiter und der kleine Handwerker, die ganz wesentlich diese Gesellschaft mit ihren Steuern mittragen,
sind nicht entlastet worden.
({5})
Das werden wir in dieser Legislaturperiode nachholen.
({6})
Wir werden die kalte Progression vermindern und den
Mittelstandsbauch abflachen.
({7})
- Finanzierung ist ein gutes Stichwort. Eine Sache - das
will ich anerkennend sagen - haben wir gut hinbekommen: Wir haben in der letzten Legislaturperiode die
Schuldenbremse gemeinsam in der Verfassung verankert. Ich will nicht verhehlen, dass aufgrund der Zustimmungssituation im Zusammenhang mit der Schuldenbremse die CDU/CSU in dieser neuen Koalition in einer
ganz besonderen Verantwortung steht und dafür sorgen
muss, dass diese Schuldenbremse greift und die damit
verbundenen Maßnahmen eingehalten werden.
({8})
Ich bin froh, dass der Finanzminister und der Staatssekretär Koschyk bei den Haushaltsberatungen auf die
Feststellung Wert gelegt haben, dass wir bis 2016 die
künftige Generation mit den Schulden nicht allein lassen
dürfen, sondern schon jetzt beginnen müssen, den Haushalt zu konsolidieren.
({9})
Nun zum Rettungsschirm für die Kommunen. Bei all
diesen Leistungen haben wir sehr wohl die Kommunen
im Auge gehabt.
({10})
- Aufgrund dieses ständigen Dazwischenredens kann ich
mein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Wenn Sie ein
bisschen leiser sind, dann können mich alle hören.
Danke schön.
({11})
Wir haben bei diesen Maßnahmen die Kommunen natürlich nicht vergessen. Auch da wundere ich mich, dass
Sie nicht stolz darauf hinweisen, dass Sie teilweise daran
beteiligt waren. Wir haben im Rahmen des Konjunkturpaketes den Kommunen 10 Milliarden Euro für Investitionen vor Ort zur Verfügung gestellt. Wir haben für die
Kinderbetreuung und das Ganztagsschulprogramm
8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
({12})
Wir haben die Einnahmesituation der Kommunen verbessert,
({13})
indem wir bei der Gewerbesteuer Hinzurechnungen vorgenommen haben,
({14})
die die Kommunen von Konjunkturschwankungen weniger abhängig machen.
({15})
Wir werden das auch weiterhin tun.
({16})
Finanzminister Schäuble hat angekündigt, eine Kommission einzurichten, um die finanzielle Situation der Kommunen genau zu betrachten. Wir werden weiterhin dafür
sorgen, dass die wirtschaftliche Situation nicht nur für
den Bund, sondern auch für die Kommunen erträglich
bleibt. In dieser Kommission können wir alle beweisen,
wie wichtig uns die kommunalen Verbände sind.
Ich sage aber auch: Wenn man die Verschuldungssituation insgesamt betrachtet, stellt man fest, dass die Kommunen nur ein Problem sind.
({17})
Tatsächlich ist der Bund bei weitem höher verschuldet.
Es gilt, zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einen
Ausgleich zu finden. Wir werden das tun. Wir haben in
der Vergangenheit bewiesen, dass wir damit erfolgreich
auf der Seite der Kommunen stehen.
({18})
Die Kommunen können sich auf uns verlassen.
Danke.
({19})
Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Tillmann, das war schon ein starkes Stück.
({0})
- Ja, manche verstehen nicht mal Ironie, aber das wundert mich nicht.
({1})
Elf Jahre Werbung um Schwarz-Gelb, sozusagen Verlobung, dann hundert Tage Probezeit, und Sie, Frau
Tillmann, schmücken sich hier mit Federn aus rot-grüner
Regierungszeit. Das ist zu wenig.
({2})
Diese Zeit ist abgelaufen. Sie müssen endlich Konzepte
vorlegen, Frau Tillmann.
({3})
In der Diskussion über das Thema Tagesbetreuungsausbau haben Sie noch behauptet, wir würden die deutschen Mütter aus dem Haus treiben. Sie haben nicht gemerkt, dass die Frauen in Deutschland - gerade die
geringer Ausgebildeten - endlich Arbeitsplätze brauchen, um nicht in die Armut abzurutschen, und dass Familien in Deutschland auf beide Einkommen angewiesen
sind. Dagegen haben Sie angekämpft.
Beim Thema Schule war das genauso. Sie waren gegen alle Vorschläge. Nun sprechen Sie sich nach elf Jahren Verlobung und hundert Tagen Probezeit dafür aus.
Wir wollen vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen genau
wissen - nicht irgendwann nach einer Steuerschätzung,
die Herr Solms und andere sowieso für obsolet halten -,
wohin die Reise gehen soll. Wen wollen Sie in diesem
Land unterstützen und absichern?
({4})
Ich würde mir noch mehr klare Worte von der CDU/
CSU über ihr Verhältnis zur FDP wünschen. Die ist aufgrund ihres freien Falls in den Umfragewerten am Wochenende zu einem Krisentreffen zusammengekommen.
Am Ende des Treffens wurde gesagt: Ja, wir haben Fehler gemacht, und die wollen wir jetzt noch schneller machen.
({5})
Das ist ein putziger Ansatz. Aber ich finde es gut - ich
sage ausnahmsweise etwas Nettes zu Ihnen -, dass Sie
nun vor der NRW-Wahl Ihre Pläne vorlegen wollen.
({6})
Das führt immerhin zu mehr Transparenz, auch wenn
wir inhaltlich nicht damit übereinstimmen werden, wenn
ich allein an die ewige Mövenpickerei denke oder daran,
dass Sie per Kopfpauschale die Sekretärin mit demselben Beitrag zur Kasse bitten wollen wie ihren Chef usw.
({7})
- Guten Morgen, schön, dass Sie hier sind und nicht in
Schleswig-Holstein vom Winde verweht.
({8})
Sie tun so, als hätten wir so viel Geld im ohnehin verschuldeten Bundeshaushalt übrig, dass wir die Kopfpauschale sozial ausgleichen könnten.
({9})
Frau Merkel, der Bundesfinanzminister und andere haben es nicht einmal nötig, bei dieser Aktuellen Stunde zu
erscheinen. Das spricht Bände.
({10})
Ich will nicht nach hundert Tagen erfahren, dass Frau
Tillmann schon wieder eine Kommission einrichtet, um
zu betrachten, wie es den Kommunen in Zukunft geht.
Da gibt es nichts mehr zu betrachten! Wir wissen es
schon! Wir befinden uns in einer Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir haben mit steigenden Arbeitslosenzahlen und horrender Staatsverschuldung zu kämpfen, wir
haben Kommunen, die pleite sind. Die Kommunen sind
der Ort, an dem der Alltag der Menschen gestaltet wird.
({11})
Hillary Clinton hat einmal geschrieben: It takes a
village to raise a child. Man braucht wirklich eine ganze
Gemeinschaft, ein Dorf, einen Ort, um ein Kind großzuziehen. Die Kinder in diesem Land sind darauf angewiesen, dass sie ein funktionierendes soziales Umfeld haben, dass sie mit sechs, sieben Jahren allein den Weg zur
Grundschule gehen können, was nicht möglich ist, wenn
lauter Grundschulen geschlossen werden. Sie sind darauf angewiesen, dass es Jugendsport gibt, Kinderbetreuung am Nachmittag, Jugendarbeit, Kultur, ob Fußballklub, Ballett- oder Musikschule. Darauf sind sie
angewiesen. Deshalb brauchen wir Kommunen, die Geld
haben, und nicht eine Kommission, die prüft, ob wir die
Realität schon wahrnehmen.
({12})
Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen ins Aufgabenheft geschrieben: Es geht um soziale Gerechtigkeit.
Es geht nicht nur um die angeblich besserverdienenden
Leistungsträger. Das Bundesverfassungsgericht hat der
Politik ins Aufgabenheft geschrieben: Die Regelsätze
bei Hartz IV sind neu zu berechnen. Wir alle wissen:
Das wird mehr Geld kosten, weil die Sicherung des physischen und psychischen Existenzminimums, die Bildung der Kinder und die kulturelle Teilhabe Geld kosten.
Ich sage Ihnen: Es geht nicht nur um die 1,8 Millionen
Hartz IV beziehenden Kinder. An dieser Stelle geht es
um alle Kinder. Das Bundesverfassungsgericht lässt Ihnen Zeit bis zum 31. Dezember. Ich sage Ihnen: Ich will
es vor dem 9. Mai wissen, vor den NRW-Wahlen, damit
man dann eine Antwort auf Ihre Regierungstätigkeit
bringen kann.
({13})
Wer soll diese Lasten auf seinen Schultern tragen? Es
geht um ein Entweder-oder. Entweder Kopfpauschale
mit Steuergeld ausgleichen und Steuersenkungen für
Reiche oder auf der anderen Seite Existenzsicherung und
Bildungsinfrastruktur. Das ist die Frage. Das fragen sich
Eltern in Magdeburg, die 20 Euro mehr Kindergeld haben, aber 30 Euro mehr Kita-Gebühren zahlen müssen.
({14})
Das fragen sich Eltern in Essen, der Kulturhauptstadt,
wo jetzt Grundschulen geschlossen werden. Das fragen
sich in Duisburg die Familien, die für Geschwister im
Kindergarten jetzt plötzlich den vollen Satz zahlen müs1930
sen. Das fragen sich Menschen, die sehen, dass bei der
Polizei gespart wird.
({15})
Meine Damen und Herren, Sie können es nicht. Elf
Jahre Verlobung, hundert Tage Probezeit: Sie haben
nicht für Gerechtigkeit gesorgt. Deshalb wird es dazu am
9. Mai Entscheidungen geben.
({16})
Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann Otto Solms
für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Künast, Sie haben sich im Tag geirrt: Weiberfasching ist morgen.
({0})
An Weiberfasching werden die Rathäuser von den
Frauen gestürmt. Da hätten Sie sich betätigen können,
aber Sie haben ja noch Zeit. Sie können das morgen
noch tun.
({1})
Ich habe selten erlebt, dass man in fünf Minuten einen
Querschnitt der ganzen Innenpolitik liefert, ohne einen
einzigen konkreten Vorschlag zu machen.
({2})
Wenn Sie sich hier über Hartz IV beschweren, frage ich
mich, ob Sie vergessen haben, dass Sie Hartz IV mit aus
der Taufe gehoben haben. Das ist doch Ihre Verantwortung.
({3})
Die SPD hat elf Jahre lang den Finanzminister gestellt
und beklagt jetzt die desolate Situation der Gemeinden.
({4})
Und wir, die wir seit hundert Tagen im Amt sind, sind
natürlich die Schuldigen. Wir sind daran schuld. Das
glaubt Ihnen keiner.
({5})
Hinzu kommt, dass gerade die FDP seit Jahrzehnten
anmahnt, dass die Finanzierung der Gemeinden auf eine
neue Grundlage gestellt werden muss.
({6})
Warum? Herr Steinmeier hat es ja gesagt: Das Hauptproblem der Gemeinden ist die Gewerbesteuer. Sie ist um
18 Prozent eingebrochen, in manchen Gemeinden um
60 Prozent. Manche haben diese Einnahmen sogar total
verloren.
({7})
Das hängt natürlich mit der Wirtschaftsentwicklung und
dem fehlenden Wachstum zusammen. Das wird aber immer wieder vorkommen. Wenn Sie die Gemeindefinanzen in erster Linie an die Gewerbesteuer binden, dann
werden Sie diese zyklischen Entwicklungen immer wieder erleben.
({8})
Deswegen wollen wir untersuchen - übrigens mit Beteiligung der Länder -, ob wir nicht ein stabiles Finanzsystem für die Gemeinden entwickeln können.
Die FDP hat konkrete Vorschläge gemacht, die Gewerbesteuer durch die Umsatzsteuer und einen Zuschlag
auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu ersetzen.
({9})
Aber auch die Stiftung Marktwirtschaft, Herr Poß, hat
Vorschläge gemacht.
({10})
Ihr früherer Finanzminister aus Rheinland-Pfalz, Kollege Deubel, der sehr sachverständig ist, hat daran mitgewirkt.
({11})
Auch das sind vernünftige Vorschläge. Denn in der gesamten Wissenschaft ist klar, dass die Gewerbesteuer gerade für die Gemeinden keine stabile Finanzierungsgrundlage ist und dass hier korrigiert werden muss.
({12})
Das hat sogar Ihr Finanzminister Hans Eichel gewusst.
Er hat schon einmal einen Anlauf gemacht, um das zu
ändern, ist aber dann mit den Ländern nicht zu Rande
gekommen.
({13})
Wir wollen einmal ehrlich bleiben und sagen: Die Erkenntnis ist in allen Fraktionen und Parteien vorhanden,
({14})
nur haben Sie bisher nicht den Mut und die Durchsetzungskraft gehabt, dies zu realisieren.
({15})
Nun wird unterstellt, wegen der Steuerentlastungen,
die sich die Koalition vorgenommen hat, würden die Gemeinden noch mehr in die Bredouille geraten. Das ist
doch purer Unsinn.
({16})
Worum geht es denn eigentlich? Das will ich der SPD als
Arbeitnehmerpartei zeigen.
({17})
Es geht um eine Ungerechtigkeit im deutschen Steuertarif, bei dem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen durch den sogenannten Mittelstandsbauch
({18})
- ja, ich weiß das - überproportional belastet werden.
({19})
Was wollen wir in dieser Legislaturperiode machen? Wir
wollen lediglich diese Ungerechtigkeit mithilfe von
Steuerentlastungen so weit als möglich beseitigen. Das
ist das Ziel dieser Koalition.
({20})
Es geht um Steuergerechtigkeit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die kleinen Selbstständigen,
die von dieser Ungerechtigkeit betroffen sind. Die wollen wir beseitigen.
({21})
Das hätten Sie in Ihrer Regierungszeit tun müssen. Dass
Sie selbst es für notwendig erachten, hat sich ja bei den
Konjunkturpaketen gezeigt.
({22})
Da hatten Sie nämlich schon eine Maßnahme zur Milderung dieser Ungerechtigkeit vorgesehen. Damit geben
Sie zu erkennen, dass Sie das Problem erkannt haben.
({23})
Um nichts anderes geht es.
Ansonsten wollen wir das Steuersystem vereinfachen.
({24})
Wir wollen die Steuerverwaltung, die Steuerveranlagung
vereinfachen. Wir wollen ein einfaches, gerechtes und
niedrig belastendes Steuerrecht schaffen.
({25})
Das wird auch ein Beitrag für eine stabile Finanzierung
der Gemeinden sein. Von dieser Politik lassen wir uns
auch durch Ihre Interventionen und Ihre Schreierei nicht
abbringen.
({26})
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({27})
Das Wort hat die Kollegin Katrin Kunert für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sagen Sie, Herr Solms, war das eben das Diagramm der
Einnahmen Ihrer Partei durch Spenden? Das wäre zumindest einmal sehr interessant.
({0})
Als kommunale Mandatsträgerin muss ich Ihnen sagen, dass man den Eindruck hat, dass Sie überhaupt
nicht wissen, worüber Sie reden.
({1})
Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, warum die
Wahlbeteiligung gerade bei Kommunalwahlen sinkt?
Die Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass aufgrund
der Finanznot der Kommunen kaum noch Aufgaben erledigt werden können. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
({2})
Kommunen brauchen keinen Schutzschirm; Kommunen brauchen mehr. Kommunen brauchen gefüllte Kassen, das heißt, sie brauchen eine solide Finanzausstattung, damit sie Kindertagesstätten, Sportstätten, das
Theater, die Bibliothek und alles andere ordentlich ausstatten und unterhalten können. Kommunen brauchen
auch endlich ein verbindliches Mitwirkungsrecht im
Deutschen Bundestag, damit hier keine Entscheidung
mehr getroffen wird, die zulasten der Kommunen und somit zulasten der Bürgerinnen und Bürger geht. Da können
Sie sich ordentlich aufregen.
({3})
- Schreien Sie doch nicht so.
({4})
Sie haben diese Aktuelle Stunde beantragt, und man
könnte den Eindruck haben, dass alle vier Fraktionen
bisher eine sehr kommunalfreundliche Politik gemacht
haben. Aber dem ist mitnichten so. Herr Steinmeier, ich
habe mich gefragt, wo Sie bis September 2009 in diesem
Haus waren.
({5})
Sie nehmen hier zwar eine ordentliche Situationsbeschreibung vor, nennen aber weder die Ursachen noch
machen Sie konkrete Vorschläge.
({6})
Sie scheinen völlig vergessen zu haben, Herr Poß,
({7})
dass Sie, als Sie in der Regierung waren, unter Rot-Grün
und Rot-Schwarz, ständig Steuersenkungen vorgenommen haben, die bis zum heutigen Tage anhalten. Durch
diese Umverteilung von unten nach oben machen Sie
den Staat arm.
({8})
An dieser Stelle möchte ich zwei Beispiele nennen.
Die Steuerreform, die 1999 unter Rot-Grün verabschiedet wurde, brachte den Kommunen Einbrüche bei den
Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Allein im Zeitraum
von November 2008 bis Sommer 2009 sind in diesem
Hause zehn Gesetzentwürfe verabschiedet worden, die
für die Kommunen bis zum Jahre 2013 Mindereinnahmen in Höhe von bis zu 19 Milliarden Euro zur Folge
haben werden. Wenn wir hier über Wahrheiten reden,
dann bitte über volle Wahrheiten.
({9})
Zur Wahrheit gehört auch, dass der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz in der letzten Kabinettssitzung der
Großen Koalition den Bundesanteil an den Unterkunftskosten gesenkt hat.
({10})
Vor diesem Hintergrund müssen Sie wirklich einmal erklären, wo Sie bisher eine kommunalfreundliche Politik
betrieben haben.
({11})
Liest man Ihren Koalitionsvertrag und schaut man
sich die Vorhaben der FDP an, muss man feststellen: Für
die Kommunen wird es sehr dunkel. Sie stellen die Gewerbesteuer infrage
({12})
- ja, Sie wollen sie abschaffen; das ist noch viel schlimmer -, Sie wollen die öffentlich-privaten Partnerschaften
weiterführen, Private sollen von der Umsatzsteuer befreit sein, und Sie wollen Rekommunalisierungen erschweren. Ich frage mich: Wo ist Ihr kommunaler Sachverstand? Frau Piltz hat in einer früheren Debatte einmal
gesagt: Städte sind das Fundament des Staates. - Diese
Aussage haben Sie aber überhaupt nicht verinnerlicht.
({13})
Weniger Einnahmen stehen steigenden Sozialkosten
gegenüber. Die Kosten der Unterkunft habe ich bereits
genannt. Hinzu kommt, dass die Kosten für die Grundsicherung im Alter und die Höhe der Eingliederungsleistungen stetig steigen. Aber der Bund beteiligt sich an
diesen Kosten nicht angemessen.
Ein Beispiel ist der Kommunal-Kombi. Dieses Bundesprogramm wurde von den Kommunen schlecht angenommen. Fragt man die Bundesregierung nach den Ursachen, erhält man folgende Antwort:
Aus Sicht der Bundesregierung liegt ein maßgeblicher Grund für die geringe Inanspruchnahme des
Programms in der mangelnden Bereitschaft vieler
Bundesländer und Kommunen, eigene Kofinanzierungsmittel bereitzustellen.
Wissen Sie, entweder hat der Parlamentarische Staatssekretär Brauksiepe keine Ahnung von den Kommunalfinanzen, oder er ist einfach nur arrogant.
({14})
Ich finde, das ist überhaupt nicht hinnehmbar.
({15})
Sie haben keine Kenntnis, warum das Bundesprogramm
Kommunal-Kombi nicht in Anspruch genommen wurde.
Es lag nicht an der mangelnden Bereitschaft, sondern am
fehlenden Geld.
({16})
In Ihren andauernden Steuerentlastungsdebatten haben Sie nur die Gutbetuchten im Fokus. Die Folgen für
die Städte, Gemeinden und Landkreise sind geringere
Einnahmen. Es steht schlicht und einfach ihre Handlungsfähigkeit auf dem Spiel.
Selbst Herr Rüttgers hat inzwischen erkannt, dass Ihre
Logik Unsinn ist und dass immer mehr Steuerentlastungen zu immer mehr Ausfällen im Staatssäckel führen.
Natürlich muss man seine Aussagen vor dem Hintergrund sehen, dass er seine Mehrheit in NRW behalten
möchte. Zumindest hat er aber die falsche Logik erkannt; das muss man zur Kenntnis nehmen.
({17})
Wenn Sie in der schwarz-gelben Koalition Lobbypolitik
machen - Lobbypolitik liegt Ihnen ja sehr am Herzen -,
rate ich Ihnen: Vertreten Sie doch auch einmal die Lobby
der Kommunalpolitik.
({18})
Die Linke fordert - diese Forderung werden wir natürlich auch mit Anträgen untersetzen - ein verbindliches Mitwirkungsrecht für die Kommunen, die Einsetzung eines Kommunalausschusses und eine verbindliche
und solide Finanzausstattung der Kommunen, zum Beispiel eine Investitionspauschale. Würde man in Deutschland die Vermögensteuer einführen und ihre Höhe auf
der Grundlage des Durchschnitts der OECD-Staaten
festlegen, würde dies 25 Milliarden Euro einbringen. Erzählen Sie also nicht immer, wir hätten zu wenig Geld.
Außerdem fordern wir, dass die Aufgaben, die vor der
Föderalismusreform vom Bund auf die Kommunen
übertragen wurden, weiterfinanziert werden.
Wenn die Städte und Gemeinden das Fundament dieser Gesellschaft sind, dann müssen wir es jetzt festigen
und dürfen es nicht immer spröder werden lassen.
Schönen Dank.
({19})
Für die Unionsfraktion hat der schon am Redepult befindliche Kollege Dr. Hans Michelbach das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Sehr
geehrte Damen und Herren! Die Krise hat die Kommunalhaushalte zweifellos ins Defizit getrieben. Die Sicherung der Kommunalfinanzen ist der CDU/CSU-Fraktion
ein wichtiges Anliegen; denn die Kommunen haben im
Bereich der Investitionen für das Gemeinwohl eine
wichtige Funktion.
({0})
Die Fragen, die wir uns sachlich stellen sollten, sind:
Wie überwinden wir diese Krise? Wie überwinden wir
das Finanzierungsdefizit, auch das unserer Kommunen?
({1})
Hierbei muss man natürlich eine klare ökonomische
Konzeption verfolgen.
({2})
Zunächst einmal haben wir das Konjunkturpaket II mit
10 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Ich gehe davon aus, dass auch die von Ihnen regierten Kommunen
die Möglichkeiten, durch energetische Sanierung von
Schulen und Kindergärten die Betriebskosten zu senken,
genutzt haben.
({3})
Das sind hervorragende Investitionen, die den Kommunen dienen und genutzt werden. Letzten Endes haben
diese Investitionen zu erheblichen Auftragszuwächsen
bei den Handwerkern geführt und zur Sicherung von Arbeitsplätzen beigetragen.
Wir müssen immer wieder deutlich machen, dass unsere Konzeption zum einen dadurch, dass unsere Haushaltspolitik antizyklisch ist, zum anderen dadurch, dass
wir ganz klar Wachstumspolitik betreiben, die Wirkungskraft entfalten wird, die wir brauchen, um diese
Krise zu bewältigen.
({4})
Das passt zusammen. Wachstum ist in dieser Situation
das einzige Ziel, das man anstreben kann. Die ökonomische Grundwahrheit heißt nun einmal: ohne Wachstum
keine Belebung der Nachfrage, ohne Wachstum keine
neuen Arbeitsplätze, ohne Wachstum keine Mehrung der
Kaufkraft, ohne Wachstum keine neuen Investitionen.
Deshalb müssen wir deutlich machen: An Steuerentlastungen - Wachstumsanreizen - führt kein Weg vorbei.
Mit der Erhöhung des Kindergeldes, mit der Verbesserung der Familienförderung haben wir genau das getan:
für die Mehrung der Kaufkraft gesorgt, die notwendig ist.
Mit den Korrekturen bei der Besteuerung der Unternehmen haben wir die Finanzierung der Unternehmen verbessert und damit dazu beigetragen, Arbeitsplätze zu
sichern. Das waren die Ziele des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes. Diese Maßnahmen haben zielführend zur
Krisenbewältigung beigetragen und werden auch in Zukunft dazu beitragen.
({5})
Wenn sich Herr Steinmeier hier in einem Niveau darstellt, das ich ihm nicht hätte unterstellen können, und
vom Hotelpopanz spricht,
({6})
will ich ihm einmal sagen, was die Hotels bei den Kommunen zuletzt an Einnahmeausfällen hervorgerufen haben. Über die Umsatzsteuerbeteiligung betrug der Verlust insgesamt 19 Millionen Euro. In meiner Heimatstadt
ist auf den Kämmerer ein Einnahmeverlust von
20 000 Euro zugekommen. Das bekommt er nun durch
die Gewerbesteuer der Hoteliers mehrfach wieder herein.
({7})
Was Sie hier aufführen, ist also ein absoluter Popanz.
({8})
Es muss jetzt darum gehen, unsere klare Konzeption
für Wachstumsbeschleunigung und Wachstumsanreize
fortzuführen. Dazu ist es sicherlich notwendig, dass wir
Steuerentlastungen vornehmen. Der Steuerzahler leidet
einfach unter der kalten Progression, die dazu führt, dass
ihm immer mehr abgenommen wird, je mehr er leistet.
Das ist leistungsfeindlich. So etwas können wir uns gerade in der Krise nicht leisten, meine Damen und Herren.
({9})
Wir dürfen die Menschen nicht überfordern. Wir müssen den Betrieben Freiraum geben. Dadurch wird letzten
Endes die konjunkturelle Basis wieder gestärkt, sodass
Bund, Länder und Kommunen - sie sitzen finanziell im
gleichen Boot - aus dieser Krise wieder herauskommen
und das Finanzierungsdefizit beenden können.
Die linke Seite dieses Hauses geht immer davon aus,
dass das Geld automatisch dem Staat gehört. Zunächst,
meine Damen und Herren, gehört es dem Bürger!
({10})
Davon müssen wir ausgehen, das ist der richtige Ansatz,
um Leistungsanreize zu schaffen und dadurch die Leistung zu erzeugen, die wir brauchen, um aus dieser Krise
herauszukommen.
({11})
Die Krise müssen wir bewältigen; das muss die Zielführung sein. Die Polemik dieser Stunde hilft dabei nicht.
Herzlichen Dank.
({12})
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Bernd
Scheelen das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Verehrter Kollege Michelbach, was Sie hier zugunsten
der Kommunen gesagt haben, waren aus meiner Sicht
reine Lippenbekenntnisse.
({0})
Was Sie tun, hat mit dem, was Sie sagen, nichts zu tun.
Die 20 000 Euro, auf die Sie das heruntergerechnet haben, sind möglicherweise die 20 000 Euro, die in Ihrer
Heimatgemeinde dem Arbeitslosenzentrum oder der Jugendbegegnungsstätte fehlen und dazu führen, dass solche Einrichtungen der dramatischen Finanzsituation zum
Opfer fallen.
({1})
Insofern geht es nicht nur um die Hotels - darauf
komme ich noch zurück -, sondern um das gesamte Paket, das Sie zulasten der Kommunen mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz geschnürt haben. Die darin
enthaltenen Maßnahmen belasten die Kommunen direkt
mit 1,6 Milliarden Euro. Die Kommunen rechnen natürlich zu Recht damit, dass die Länder die Ausfälle, die sie
durch die Maßnahmen dieses Paketes haben, teilweise
an die Kommunen weiterreichen. Das heißt, wir reden
hier nicht über 1,6 Milliarden Euro, sondern wahrscheinlich über 2,1 bis 2,2 Milliarden Euro.
({2})
Frau Tillmann, Sie haben hier zwar ein Bekenntnis
zur Gewerbesteuer abgegeben und all das hervorgehoben, was wir in der Großen Koalition gemeinsam beschlossen haben. Das, was wir gemacht haben, war größtenteils richtig und wichtig. Auch unter Rot-Grün haben
wir Dinge gemacht, die Sie später in der Großen Koalition für sich vereinnahmt haben. Aber jetzt sind Sie dabei, all das zurückzudrehen. Das ist der Skandal.
({3})
Das Johannesevangelium beginnt mit dem Satz: „Im Anfang war das Wort.“ In Ihrem Evangelium, dem Koalitionsvertrag mit 132 Seiten, fehlt der erste Satz. Der
erste Satz muss lauten: Im Anfang war der Wortbruch,
und zwar der Wortbruch gegenüber den Kommunen.
({4})
- Sie waren nicht dabei, reden Sie nicht immer dazwischen. Es geht darum, dass die Kanzlerin im Mai letzten
Jahres vor dem Deutschen Städtetag in Bochum am
13. Mai - einige von Ihnen waren vielleicht dabei und
wissen das noch - gesagt hat: Die Gewerbesteuer bleibt
unangetastet. Was machen Sie jetzt? Sie machen all das
rückgängig, was wir zugunsten der Kommunen beschlossen haben. Sie schaffen die Gewerbesteuer ab.
Herr Solms hat das hier ausdrücklich gesagt. Sie sollten sich in der Koalition einmal einigen, was Sie wollen
und ob das gilt, was im Koalitionsvertrag steht.
({5})
Im Koalitionsvertrag jedenfalls steht nicht, dass sich die
Regierungskommission mit der Lage der Kommunen beschäftigen soll, sondern die Kommission hat den Auftrag
- Frau Kollegin Tillmann, Sie haben versucht, das zu
verschleiern -, insbesondere die Abschaffung der Gewerbesteuer zu prüfen. Das ist der eigentliche Skandal.
Dagegen werden wir entschiedenen Widerstand leisten.
({6})
- Ersatz der Gewerbesteuer heißt die Abschaffung der
Gewerbesteuer, Herr Kollege. Sie wissen doch genau,
welche Modelle es gibt. All das ist schon hundertmal
überprüft worden. Es gab unter Hans Eichel eine Kommission, an der alle beteiligt waren. Sie hat alle Modelle,
die auf dem Tisch lagen, überprüft und ist zu der Überzeugung gekommen: Das einzig Sinnvolle ist, die Gewerbesteuer zu festigen. Das ist der Auftrag, den wir
unter Rot-Grün angegangen sind und in der Großen
Koalition fortgesetzt haben.
({7})
Lassen Sie die Finger von der Gewerbesteuer. Sie ist
zwar noch immer konjunkturreagibel, aber nicht mehr so
stark wie früher.
Die Schlussfolgerung, die Herr Solms zieht, lautet:
Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind schon durch
die Krise eingebrochen. Dann macht es nichts, wenn wir
den Kommunen durch gesetzgeberische Maßnahmen
weitere 2, 3 oder 4 Milliarden Euro an Belastungen aufbürden. Das ist ein Skandal. So funktioniert Politik
nicht.
({8})
Wir hatten gestern eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf, der mit einem sehr verwaltungstechnischen Titel daherkommt. Dieser lautet: „Entwurf eines Gesetzes
zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften“. Darin enthalten sind
weitere Maßnahmen, durch die die Kommunen wiederum mit 1,8 Milliarden Euro zusätzlich belastet werden.
({9})
Diese Maßnahmen führen die Kommunen endgültig
in die Krise. Der Kollege Koschyk wird auf seinen Beitrag in der Bayernzeitung eingehen und behaupten, es
gäbe bei der Müllentsorgung keine Probleme. Wir sind
sehr gespannt, ob nicht demnächst die Müllgebühren
steigen; denn die Maßnahmen, die Sie in Ihrem Koalitionsvertrag niedergelegt haben, bedeuten, dass auch die
Kommunen demnächst mehrwertsteuerpflichtig werden, wenn sie Abfallentsorgung betreiben.
({10})
Der Gesetzentwurf, den wir gestern in der Anhörung
beraten haben, ist von den Experten regelrecht zerrissen
worden.
({11})
Mit diesem Gesetzentwurf soll genau das rückgängig gemacht werden, Frau Kollegin Tillmann, was wir gemeinsam beschlossen haben, um die Gemeindefinanzen zu
stabilisieren. Sie destabilisieren die Einnahmesituation
der Kommunen. Sie sind auf dem falschen Weg. Ich
kann Ihnen nur raten: Kehren Sie um! Das, was Sie machen, bedeutet: Sie nehmen den Kommunen die Luft
zum Atmen. Sie verschärfen die Krise.
Eine Überschrift in Ihrer Koalitionsvereinbarung lautet zwar: „Der Weg aus der Krise“. Aber dort muss eigentlich stehen: Wie verschärfen wir die Krise? Im Anschluss folgen die Maßnahmen, die zur Verschärfung
beitragen.
({12})
Sie befinden sich auf einem Irrweg. Kehren Sie um!
Reuigen Sündern wird ab und zu auch vergeben.
Vielen Dank.
({13})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Birgit Reinemund für
die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege von der SPD, dass gerade Sie das Wort „Wortbruch“ in den Mund nehmen, ist schon dreist und mutig.
({0})
Ich erinnere Sie nur an die Mehrwertsteuererhöhung und
an das Wort „Merkel-Steuer“ im Wahlkampf. - So viel
zum Gedächtnisschwund der SPD.
Lassen Sie mich auf die Lage der Kommunen eingehen. Die Lage vor Ort ist ernst. Das ist mir als Stadträtin
in Mannheim, mitten in den kommunalen Haushaltsberatungen, schmerzlich bewusst.
({1})
Doch die aktuelle Finanzlage kann noch nichts mit den
Entlastungen zu tun haben, die im Januar 2010 in Kraft
getreten sind. Die katastrophale Haushaltslage der Kommunen ist zum einen krisenbedingt. Zum anderen treten
jetzt die strukturellen Defizite der Gemeindefinanzierung besonders deutlich hervor.
({2})
Diese Strukturprobleme waren auch Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen,
schon lange bewusst, spätestens seit den Steuereinbrüchen in der Krise 2002.
({3})
Da waren Sie an der Regierung.
({4})
Doch welche Konsequenzen haben Sie gezogen?
Keine. Im Gegenteil: Ob Kosten der Unterkunft für
Hartz-IV-Empfänger oder der Krippenausbau im Rahmen des Tagesbetreuungsausbaugesetzes, in den vergangenen Jahren haben Sie den Gemeinden immer mehr
Aufgaben übertragen, ohne gleichzeitig für einen Kostenausgleich zu sorgen.
({5})
Der Anteil der Gewerbesteuer an den Gemeindesteuern betrug 2009 in Deutschland 48 Prozent brutto
und 41 Prozent netto, das heißt nach Abführung der Gewerbesteuerumlage an Land und Bund. Damit ist der
Gewerbesteueranteil für viele Kommunen immer noch
ein wesentlicher finanzieller Grundstock. Leider ist dieser Grundstock auf keinem soliden Fundament gebaut,
sondern auf einem sehr schwammigen Boden. So
schwankte das Gewerbesteueraufkommen im Zeitraum
von 1999 bis 2008 zwischen 27 Milliarden und 41 Milliarden Euro - mit einem Einbruch auf 23,5 Milliarden
Euro im Jahr 2002. Planungssicherheit sieht anders aus.
({6})
2009 erlebten wir einen Konjunktureinbruch von
5 Prozent. Der Deutsche Städtetag schätzt gleichzeitig
den Rückgang des Aufkommens aus der Gewerbesteuer
2009 auf circa 18,3 Prozent brutto, wobei die einzelnen
Kommunen sehr unterschiedlich betroffen sind - teilweise mit einem Einbruch von über 40 Prozent.
Diese Zahlen belegen eindeutig die extreme Konjunkturabhängigkeit gerade der Gewerbesteuer.
({7})
Wir brauchen eine Alternative, eine stabilere und verlässlichere Finanzierungsgrundlage für die Kommunen.
({8})
Ich darf daran erinnern, dass gerade die FDP seit Jahren fordert, die Gewerbesteuer durch einen höheren
Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu
ersetzen,
({9})
mit einem eigenen Hebesatzrecht für die Kommunen.
({10})
- Ich freue mich sehr über Ihre Freude. Aber diese Debatte werden wir in den nächsten Monaten eindeutig führen.
({11})
Ein Mix aus Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteueranteilen ist einfacher, transparenter und deutlich weniger konjunkturabhängig. Zum Beispiel sind die
Einnahmen aus der Umsatzsteuer im Gegensatz zu den
Einnahmen aus allen anderen Steuerarten im Krisenjahr
2009 sogar leicht gestiegen. Hätten Sie früher auf die
FDP gehört, sähe es heute bei den Gemeindefinanzen
anders aus.
({12})
Voraussetzung für Steuereinnahmen sind wirtschaftlicher Erfolg, Arbeitsplätze und Wachstum. Jede verhinderte Insolvenz, jeder erhaltene Arbeitsplatz kommt direkt auch den Kommunen zugute. Das vergessen unsere
Kritiker sehr oft.
Prognosen sind keine statischen Zahlen, sondern
Hochrechnungen. Wirtschaft ist ein dynamischer Prozess. Mein Kollege Carl-Ludwig Thiele hat vor der Wahl
das damalige SPD-geführte Finanzministerium gefragt,
um wie viel die Steuereinnahmen bei einem Wirtschaftswachstum von 1 Prozent steigen. Die Antwort lautete,
dass dies den Finanzierungssaldo der öffentlichen Hand
um 0,5 Prozent verbessert. Ein halbes Prozent entspricht
etwa 5,5 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen, 3,5 Milliarden Euro höhere Sozialbeiträge sowie weniger Sozialausgaben, summa summarum circa 12 bis 13 Milliarden Euro. Das ist der Weg zur Konsolidierung.
({13})
Durch den von der SPD geforderten Rettungsschirm
würde den Kommunen mittel- und langfristig keine Planungssicherheit gegeben,
({14})
weil Flickschusterei niemandem hilft. Wir wollen eine
nachhaltige Gemeindefinanzreform und eine Strukturreform, durch die Fehlentwicklungen beseitigt werden.
Das Konnexitätsprinzip muss wieder zur Geltung kommen, damit wieder gilt: Wer bestellt, bezahlt. Das haben
Sie ausgehebelt.
({15})
Das werden wir auf den Weg bringen. Die Vorbereitungen dazu sind bereits in vollem Gange.
Vielen Dank.
({16})
Das Wort hat die Kollegin Britta Haßelmann für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde,
diese Aktuelle Stunde hat etwas gebracht, und zwar in
jeder Hinsicht.
({0})
Wir wissen nämlich erstens, dass kein Ende des
schwarz-gelben Chaos in Sicht ist. Das wurde durch die
unterschiedlichen Redebeiträge von Union und FDP
ganz eindeutig gezeigt.
({1})
Das Zweite ist wirklich fast ein Geschenk - das sage
ich in Richtung der Kolleginnen und Kollegen aus
NRW -: Reden Sie weiter so offen darüber, was Sie vorhaben. Die CDU sagt: „Wir bleiben bei Steuersenkungen“ - hört, hört -, und das, obwohl Jürgen Rüttgers
überall in Nordrhein-Westfalen verkündet, dass es mit
Ihnen im Bundesrat keine Zustimmung für weitere Steuersenkungen zulasten der Kommunen geben wird.
({2})
Ich finde das interessant. Herr Oettinger schließt sich
dem an.
Mein Fazit für heute ist also:
Erstens. Die CDU bereitet weitere Steuersenkungen
vor, die zulasten der Kommunen gehen.
({3})
Das sollten alle Bürgerinnen und Bürger wissen.
({4})
Zweitens. Die FDP schafft die Gewerbesteuer ab.
Auch diese Nachricht ist in den Städten in NRW sowie
in allen anderen Städten und Gemeinden hoffentlich gut
positioniert.
({5})
Es ist nicht so, dass man die Abschaffung der Gewerbesteuer einfach nur so beschließt und die Unternehmen
dann sagen: Ja, toll. - Frau Reinemund hat uns gerade
den Gefallen getan, zu sagen, wie man versucht, das
Ganze irgendwie ein bisschen zu kompensieren. Wissen
Sie, wer bei dem Modell der FDP am Ende die Zeche
zahlt? Aufgrund der höheren Umsatzsteuerpunkte zahlen
die Bürgerinnen und Bürger nach diesem Modell die
Rechnung.
({6})
Sie werden das Ganze nicht kompensieren. Das finde
ich interessant. Ich finde es gut, dass Sie das so offen sagen.
({7})
Sie sind also für weitere Steuersenkungen und die Abschaffung der Gewerbesteuer.
Ich sage Ihnen: Ich freue mich auf diese Auseinandersetzung; denn Sie zeigen damit, dass Sie keinerlei Ahnung davon haben, wie es den Städten und Gemeinden
geht und wie die Situation vor Ort wirklich ist.
({8})
Jetzt kommen wir einmal zum vielbeschworenen
Wachstum. Herr Michelbach und andere Wirtschaftspolitiker beschreien das ja so gerne.
({9})
Wissen Sie, wie die Steuerbeschlüsse in den letzten Jahren auf die Kommunen gewirkt haben? Ich nenne Ihnen
einmal ein paar Zahlen:
Die Konjunkturpakete I und II, die Sie hier gerade abfeiern - 10 Milliarden Euro für die Kommunen für zwei
Jahre -, haben für die Kommunen Mindereinnahmen in
Höhe von 2,5 Milliarden Euro bedeutet, durch das Bürgerentlastungsgesetz haben die Kommunen Mindereinnahmen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro, und durch das
sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben die
Kommunen Mindereinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Falls Sie nicht so schnell mitgerechnet haben,
nenne ich Ihnen die Summe insgesamt: Durch Ihre Steuerbeschlüsse haben die Kommunen zusätzliche Mindereinnahmen in Höhe von 5,8 Milliarden Euro.
({10})
Der Nächste steht schon im Raum. Sie lassen den
Rüttgers in Spiegel Online so etwas erklären, während Sie
hier gleichzeitig mit Ihrer Funktionsverlagerung durch einen kleinen Umdruck für ein Minus von 650 Millionen
Euro bei den Kommunen sorgen.
({11})
Ich finde, darüber muss man mit den Leuten vor Ort reden, weil Sie den Bürgerinnen und Bürgern dadurch die
Mittel für die Daseinsvorsorge im Gemeinwesen entziehen. Das heißt an diesem Punkt: höhere Beiträge für Kitas, Schließung von Theatern, die Frage, ob man sich
noch ein Schwimmbad leisten kann oder nicht.
Deshalb kommt hoffentlich der Zeitpunkt, an dem Sie
nicht nur auf Neujahrs- oder Frühlingsempfänge vor Ort
in Ihrem Wahlkreis gehen, sondern für die Politik, die
Sie hier machen, von Ihren Kommunalos vor Ort genagelt werden.
({12})
Vom Wachstumsmotor Kommunen kann doch keine
Rede sein. Reden Sie sich doch nicht schwindelig durch
die Theorie „Wir senken die Steuern, und dann kommt
das Wachstum schon vom Himmel heruntergefallen“.
Sie haben dramatische Beschlüsse gefasst, die gravierende negative Auswirkungen auf die Kommunen haben. Das sagt Ihnen nicht nur die Grüne Haßelmann,
sondern das sagen mittlerweile auch Petra Roth vom
Deutschen Städtetag und jeder kommunale Spitzenverband.
({13})
Was die verrückten Ankündigungen gerade vonseiten
der FDP angeht, kann ich nicht verstehen, dass Sie mit
diesem Credo weitermachen. Sie sind doch im freien
Fall. Besinnen Sie sich doch einmal ein bisschen! Sie
liegen heute bei 8 Prozent.
({14})
Sie haben doch gar keine Zustimmung mehr.
({15})
Sie haben doch ein Riesenproblem. In NRW liegen Sie
bei 6 Prozent. Sie machen aber einfach weiter mit dem
Credo von Steuersenkungen.
({16})
Sie wissen doch, was das für die Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden bedeutet.
Ich finde, die Situation nach 106 Tagen macht mehr
als deutlich, dass Sie nicht regieren können. Sie haben
sich nicht aufs Regieren vorbereitet, und Sie verstehen
sich nicht darauf, innezuhalten und zu sagen, wo es langgeht.
({17})
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, ein
kleiner Hinweis: Ich denke, es ist gut für das Haus und
diejenigen, die zuhören und sich ein Bild machen, wenn
eine Debatte lebhaft und mit Leidenschaft geführt wird.
Für die Aktuelle Stunde haben wir uns selbst die Regel
gegeben, dass es weder Zwischenfragen noch Kurzinterventionen oder Reaktionen auf eventuelle persönliche
Angriffe geben soll. Ich bitte alle, ob sie sich per Zwischenruf an der Debatte beteiligen oder am Rednerpult
stehen, auf Bezichtigungen wie Arroganz oder Falschmünzerei zu verzichten.
({0})
- Ich denke, „Sie Falschmünzerin“ ist nichts, was wir
uns gegenseitig vorwerfen müssten. Wir können die Debatte auch anders führen.
Ich bitte für die kommenden Redebeiträge wie auch
für die weitere Teilhabe an der Debatte darum, dass wir
uns auf die Argumentation und die Auseinandersetzung
in der Sache beschränken.
Dazu hat jetzt der Kollege Peter Götz für die Unionsfraktion das Wort.
({1})
Vielen Dank, Frau Präsidentin, auch für den Hinweis,
wieder zur Sachlichkeit zurückzukehren.
({0})
- Frau Haßelmann, man hat das Gefühl, viele in der Opposition haben noch nicht verschmerzt, dass die Wählerinnen und Wähler den Regierungsauftrag jemand anderem erteilt haben.
Es ist unstrittig: Die weltweite Finanzmarkt- und
Wirtschaftskrise trifft alle politischen Ebenen - Bund,
Länder und Kommunen. Länder wie Griechenland sind
pleite. Das zeigt: Die internationale Krise ist noch lange
nicht überwunden. Daran gibt es nichts zu beschönigen.
Richtig ist auch, dass die Gewerbesteuereinnahmen in
den Kommunen von 34,3 Milliarden Euro in 2008 auf
28,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gesunken
sind. Das sind 17,4 Prozent weniger. Damit bewegen wir
uns bei den Gewerbesteuereinnahmen allerdings immer
noch auf einem höheren Niveau als 2005. Von den Vorjahren will ich gar nicht reden.
({1})
2007 und 2008 waren gute Jahre für die Kommunen.
Es waren die besten seit Bestehen der Bundesrepublik.
({2})
Die meisten Kommunen haben diese Zeit genutzt, um zu
investieren, Schulden abzubauen und Rücklagen zu bilden.
({3})
In Zeiten rot-grüner Regierungsverantwortung war daran
nicht zu denken.
({4})
Damals lag der kommunale Saldo jahrelang im Minus.
Der Investitionsstau wurde immer größer. Die kommunale Verschuldung stieg. Das war das Ergebnis einer katastrophalen rot-grünen Politik für die Kommunen.
({5})
Nur zur Erinnerung: 2003 betrug der Negativsaldo
der kommunalen Haushalte 8,4 Milliarden Euro. Der
Saldo lag also im Minus. Darunter, Herr Steinmeier, haben Wuppertal und viele andere große Städte in Nordrhein-Westfalen bis heute zu leiden. Das war Ihre Politik. Dafür tragen Sie die Verantwortung.
({6})
Wir wollen nicht daran denken, was es für die Städte
und Gemeinden bedeutet hätte, wenn in Zeiten von RotGrün die internationale Finanzmarktkrise gekommen
wäre, Herr Poß. Nicht auszuhalten wäre das gewesen!
({7})
Noch kurz vor Torschluss im Oktober haben Sie im Kabinett Schröder beschlossen, den Bundesanteil an den
Kosten der Unterkunft rückwirkend auf null zu senken.
Auf null!
({8})
Ich erinnere Sie an Ihre Erhöhung der Gewerbesteuerumlage. Frau Künast und Herr Steinmeier, Sie saßen damals im Kabinett einer rot-grünen Regierung und tragen
dafür die Verantwortung.
({9})
Wenn das alles, was Sie damals gemacht haben, kommunalfreundlich gewesen sein soll, dann weiß ich nicht
mehr.
({10})
Wenn Sie immer wieder die Korrekturen an der Gewerbesteuer im Wachstumsbeschleunigungsgesetz quasi
als Kronzeuge für das Schließen von sechs Schwimmbädern in Wuppertal anführen, dann ist das unredlich.
({11})
Erstens. Das Gesetz ist gerade sechs Wochen in Kraft.
Zweitens. Es führt laut Deutschem Städtetag in diesem
Jahr bei der Gewerbesteuer zu Mindereinnahmen in
Höhe von 0,3 Prozent. Lesen Sie die Presseerklärung der
jüngsten Konferenz des Deutschen Städtetags! Oder halten Sie sogar die Erhöhung des Kindergeldes und die
verfassungsgemäße Ausgestaltung in vielen Bereichen
für falsch?
({12})
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen.
Die meisten Unternehmen in Deutschland haben aufgrund des restriktiven Verhaltens der Banken ein Liquiditätsproblem. Das Kürzen von Gewerbesteuervorauszahlungen stellt für viele Firmen zugegebenermaßen
eine sehr kostengünstige Liquiditätshilfe dar. Das Geld
fehlt nun in den Kassen der Kommunen.
({13})
Aber eine anziehende Konjunktur führt schnell wieder
zu Gewerbesteuernachzahlungen und verbessert damit
die Einnahmesituation vor Ort. Wir haben auf kommunaler Ebene strukturelle Probleme. Deshalb wollen wir
die Gemeindefinanzen neu ordnen. Unser Ziel ist, die
kommunale Zusammenarbeit zu erleichtern, aber auch
vor allem die kommunale Selbstverwaltung zu stärken.
Wir müssen den Mut haben - das wurde bereits gesagt;
dazu lade ich alle ein -, unvoreingenommen und ohne
Tabus an eine Reform der Gemeindefinanzen heranzugehen.
({14})
Dazu gehören nicht nur die Einnahmen, sondern auch
die Ausgaben.
Vor allem müssen wir die Aufgaben in unsere Betrachtungen einbeziehen. Zum Konjunkturpaket ist
schon viel gesagt worden. Investitionen in die energetische Sanierung von Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten tragen zum Klimaschutz und zur Verbesserung der Bildungsinfrastruktur bei. Sie sichern wertvolle
Arbeitsplätze im Handwerk. Vor allen Dingen spart eine
energetisch sanierte Schule in Zukunft in erheblichem
Maß Betriebskosten.
(Beifall des Abg. Leo Dautzenberg ({15})
Die staatlichen Investitionen führen nicht zu Belastungen, sondern entlasten in wenigen Jahren die kommunalen Haushalte.
({16})
Lassen Sie mich abschließend sagen: Wenn Sie sich
unsere Koalitionsvereinbarung genau anschauen, werden Sie feststellen, dass dort auf vielen Politikfeldern
Weichen für die Stärkung der kommunalen Ebene gestellt sind, um gemeinsam gestärkt aus der Krise herauszukommen. Das geht nicht mit Jammern, sondern nur
mit Anpacken. Deshalb sollten wir es anpacken.
Vielen Dank.
({17})
Das Wort hat die Kollegin Petra Hinz für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Manchmal frage ich mich - gerade angesichts der letzten
106 Tage -, in welchem Raumschiff Sie unterwegs sind.
Zumindest sind Sie nicht in den Kommunen vor Ort;
denn diese sind gerade dabei, ihre Haushalte aufzustellen.
({0})
Herr Götz, wenn Sie mir jetzt zuhören, werden Sie
verstehen, warum das, was Sie in den letzten Tagen und
Wochen beschlossen haben, für die Kommunen sehr
wohl wichtig ist. Die Kommunen achten sehr genau darauf, was Sie mit dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht haben; denn die
Kommunen sind diejenigen, die nun die Haushalte aufstellen und den Genehmigungsbehörden darlegen müssen, wie sie mittelfristig aus der Verschuldung herauskommen wollen. Aber Sie sagen - quasi wie auf einer
rosafarbenen Wolke schwebend -: Wer will, der kann
auch. - Die Kommunen können nicht mehr.
({1})
Wenn Sie uns nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens dem Handelsblatt, das dargelegt hat:
Kommunen lehnen Steuersenkungen ab. … Viele
Bürgermeister sehen sich durch Regierungspläne zu
Gebührenerhöhungen und Leistungskürzungen gezwungen.
({2})
Sie sind die Partei für die Kommunen? In der Frankfurter Rundschau ist zu lesen: „Wieder trifft es die Kommunen“. Städten und Gemeinden brechen die Einnahmen
weg; die Infrastruktur ist infrage gestellt. Sie reden von
Familienpolitik, und gleichzeitig beschließen Sie im
Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes Kürzungen in der Größenordnung von 1,6 Milliarden Euro.
({3})
Der Sachverständigenrat hat Ihnen in seinem Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ins Stammbuch geschrieben, der Koalitionsvertrag sei „vage und in
jeder Hinsicht enttäuschend“. Weiter schreibt er, dass
Handlungsziele und Handlungsvorschläge absolut fehlen
und dass der Koalitionsvertrag an dieser Stelle nichts mit
Haushaltskonsolidierung zu tun hat.
Ich frage mich in diesem Zusammenhang: Kennen
Sie sich eigentlich mit dem föderalen Staat aus? Wo bleiben denn die Länder bei der ganzen Angelegenheit? Was
machen Sie, wenn Sie mit den Ländern zusammensitzen? Appellieren Sie dann an sie, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen?
({4})
Was heißt das zum Beispiel für Nordrhein-Westfalen?
Rüttgers redet von „unseren Kommunen“. Mit Blick auf
seine Kommunen und seine Stadtsäckel kann man nur
feststellen: Er hat den Kommunen in den vergangenen
Jahren 3 Milliarden Euro weggenommen.
({5})
Seine Kommunen? In Sonntagsreden sagt er, dass wir
die kommunale Selbstverwaltung unterstützen sollen.
Aber sein Handeln spricht eine andere Sprache.
({6})
- Herr Dautzenberg, dazwischenrufen nützt nichts; das
hören die Leute am Fernseher nicht. Zuhören kommt immer vor dem Verstehen.
({7})
Sie haben gerade einige Beschlüsse aus der Zeit der
Koalition mit den Grünen angesprochen. Ich will Ihnen
einmal sagen, was die Krise für meine Stadt, die Stadt
Essen, bedeutet: Alleine die Zinsen, die für die Kassenkredite aufzuwenden sind, belaufen sich für die Stadt
Essen auf 1,47 Millionen Euro. Das sind doch keine Peanuts! Die Stadt ist gar nicht mehr handlungsfähig.
({8})
Wenn Sie hier über Familienpolitik oder Bildungspolitik sprechen, dann ist das alles nur Makulatur, weil
Sie in einem Raumschiff unterwegs sind und letzten EnPetra Hinz ({9})
des nicht die Familien unterstützen. Allein das Wachstumsbeschleunigungsgesetz bedeutet für die Kommunen
in Nordrhein-Westfalen 400 Millionen Euro Mindereinnahmen. Wissen Sie, was diese damit machen könnten?
Tatsächliche Familienpolitik! Damit könnte die Stadt
Essen allen Kindern, die eine Kita besuchen wollen, die
Möglichkeit geben, das gebührenfrei zu tun. Ihre Steuergeschenke gehen in eine andere Richtung: Sie erfolgen
auf Pump und gehen auf Kosten der Kommunen und auf
Kosten der Menschen in den Kommunen.
({10})
All das, was wir hier beschließen, betrifft letzten Endes auch die Kommunen. Der 4. Dezember 2009 war deren schwärzester Tag.
({11})
An einem einzigen Sitzungstag, an einem Freitag, haben
Sie hier zuerst das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
beschlossen. Dann lassen Sie sich dafür abfeiern, dass
Sie Klientelpolitik betreiben. Zwei Tagesordnungspunkte später ging es um die Kosten für die Unterkunft.
Allein für meine Stadt, die Stadt Essen, bedeutet der Beschluss bezüglich der Beteiligung des Bundes weitere
Kosten in Höhe von 4 Millionen Euro.
({12})
Da reden Sie davon, dass man sparen könne? Die Kommunen sind handlungsunfähig; sie können nicht mehr.
Wir müssen über Entschuldung reden. Es gibt zwei Bundesländer in unserer Republik, Rheinland-Pfalz und
Sachsen-Anhalt, die anpacken, die etwas für ihre Kommunen tun. Sie versuchen im Rahmen einer Entschuldung, den Kommunen tatsächlich zu helfen.
({13})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Reden ist das eine,
Handeln das andere. Wenn Sie uns nicht glauben wollen,
dann glauben Sie Ihren Sachverständigen in den Anhörungen. Im Finanzausschuss gab es zwei Anhörungen,
und beide waren eine Pleite für Sie.
({14})
Zweimal haben Ihre eigenen Sachverständigen Ihnen
deutlich gemacht, dass Sie die Kommunen schröpfen.
({15})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Hartmut Koschyk.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Es ist gut, dass wir heute über die Lage der Kommunen
in Deutschland diskutieren; denn wir, die wir in der Bundespolitik Verantwortung tragen, tragen oft auch Verantwortung in den Kommunen: als Stadträte, als Kreisräte,
als Gemeinderäte. Wir wissen, dass die Kommunen die
Wiege unserer Demokratie sind, dass das, was Bürger an
Daseinsvorsorge von der Gemeinschaft erwarten, in erster Linie in den Kommunen gestaltet wird. Deshalb müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die kommunale
Finanzausstattung in Zukunft verbessern.
In der heutigen Debatte ist schon deutlich geworden,
dass die finanzielle Lage der Kommunen zum einen auf
die schwerste Krise, die unser Land nach dem Kriege
durchmachen musste, zurückzuführen ist.
Zum anderen ist sie darauf zurückzuführen, dass unsere Kommunen strukturelle Haushaltsprobleme haben,
die durch die Veränderung ihrer Einnahmesituation, aber
auch ihrer Ausgabenbelastung gelöst werden müssen.
({0})
Beiden Herausforderungen stellt sich diese Bundesregierung.
Ich bin Frau Kollegin Tillmann sehr dankbar, dass sie
deutlich gemacht hat, welche Impulse die Volkswirtschaft unseres Landes durch Wachstums- und Entlastungsmaßnahmen der Vorgängerregierung, aber auch der
jetzigen Regierung - denken Sie allein an das Jahr 2010 erhalten hat. Ich bedaure wirklich sehr, dass sich die
SPD so schnell von den Maßnahmen verabschiedet, die
sie selber mit auf den Weg gebracht hat.
({1})
Wenn man das Bürgerentlastungsgesetz, die Konjunkturpakete I und II, das Familienleistungsgesetz und die
Maßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes
zusammennimmt,
({2})
dann beträgt der Wachstumsimpuls in Deutschland, der
allein im Jahr 2010 haushaltswirksam wird, 30 Milliarden Euro.
({3})
Das sollte man nicht kleinreden.
Wir wissen doch: Wir haben 2005, als Angela Merkel
die Regierungsverantwortung übernommen hat, die
kommunalfeindliche Politik von sieben Jahren Rot-Grün
beendet.
({4})
Es ist hier deutlich gesagt worden, dass Sie noch im letzten Jahr der Regierungsverantwortung von Gerhard
Schröder die Beteiligung des Bundes an den Kosten für
die Unterkunft auf null gesenkt haben.
({5})
Wir haben die Beteiligung des Bundes, als wir in Regierungsverantwortung gekommen sind, wieder erhöht.
({6})
- Gegenüber Ihrem letzten Ansatz von 2005 haben wir
sie erhöht. Sie wollten sie auf null senken.
Eines haben wir in den letzten Jahren gespürt - daran
sollte sich vor allem die SPD erinnern -: Die Maßnahmen, die wir gemeinsam in der Großen Koalition 2005
eingeleitet haben, haben bis zum Hereinbrechen der
Krise im Jahr 2008/2009 zu Wachstumsimpulsen geführt. Peter Götz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
diese Maßnahmen in den Jahren 2006, 2007 und 2008
bis in das Jahr 2009 hinein zu einer einmaligen Finanzsituation der Kommunen geführt haben.
({7})
Es ist richtig, dass mit den Maßnahmen der Vorgängerregierung und den Maßnahmen, die die christlichliberale Regierung im Anschluss ergriffen hat, eine
Rückkehr zum Wachstum in Deutschland erfolgt. Dies
wird zu einer verbesserten Einnahmesituation der Kommunen führen.
({8})
Wachstumsimpulse sind richtig und wichtig.
Wir werden uns mit großer Entschiedenheit aber auch
den strukturellen Problemen in den kommunalen Haushalten stellen.
({9})
Noch im Februar wird das Kabinett den Beschluss fassen, dass eine Kommission eingesetzt wird, der Vertreter
der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen
Spitzenverbände angehören.
({10})
Das haben Sie in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung versäumt. Sie haben sich nie grundsätzlich um stabile Kommunalfinanzen gekümmert.
({11})
Liebe Kollegen von der SPD, wir gehen ergebnisoffen und ohne Tabuisierung an die Themen heran. Ich
kenne eine Reihe von Kommunalpolitikern, auch aus
den Reihen der SPD, die sich längst vom Dogma des
Festhaltens an der Gewerbesteuer verabschiedet haben.
({12})
Über die Ersetzung der Gewerbesteuer müssen wir mit
den kommunalen Spitzenverbänden ohne Tabu sprechen.
Eines ist klar: Auch innerhalb des Deutschen Städtetages gibt es längst eine andere Sicht. Ich glaube schon,
dass die Großstädte nach wie vor ohne Wenn und Aber
an der Gewerbesteuer festhalten wollen. In kleineren
und mittleren Städten ist eine Debatte darüber entbrannt,
ob die Kommunen durch ein Zusammenwirken von
Bund, Ländern und Gemeinden mit anderen, stetigen,
nicht so konjunkturabhängigen Steuereinnahmen ausgestattet werden können.
({13})
Ich will auch etwas zur Struktur der Ausgaben sagen.
Ich bin Mitglied eines Kreistags. Dort ist man sich über
alle Fraktionen hinweg einig, dass die Bundespolitik
manchmal Standards setzt, deren Umsetzung für die
Kommunen hohe Kosten bedeutet.
({14})
Ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie sich in dieser Kommission zu den Vorschlägen Ihrer eigenen Kommunalpolitiker stellen, ebendiese Standards zu verändern.
({15})
Selbstverständlich müssen wir in dieser krisenhaften
Situation der Kommunalfinanzen auch die Länder an
ihre Pflicht erinnern. Ich bin dem Kollegen Brauksiepe
sehr dankbar dafür, dass er mir auf der Regierungsbank
gerade gesagt hat, dass es in Nordrhein-Westfalen noch
nie eine so hohe Zuweisung an die Kommunen gegeben
hat wie in den letzten Jahren:
({16})
Im Jahr 2009 waren es 8 Milliarden Euro; 2010 werden
es 7,6 Milliarden Euro sein. Davon konnten die Kommunen in Nordrhein-Westfalen nur träumen, als Sie dort
Regierungsverantwortung getragen haben.
({17})
Angesichts dessen rate ich Ihnen: Hören Sie mit diesen Fastnachtsmätzchen auf. Arbeiten Sie über Ihre Landesminister in der Regierungskommission, die wir einsetzen, mit. Hören Sie auf, die Dinge zu tabuisieren.
Stehlen Sie sich nicht aus Ihrer Mitverantwortung für die
Unwucht bei den Kommunalfinanzen; schließlich waren
Sie viele Jahre in Regierungsverantwortung. Durch das,
was diese Regierung auf den Weg gebracht hat, werden
Wachstumsimpulse gesetzt. Mehr Wachstum wird den
Kommunen mehr Einnahmen bescheren. Wir wollen die
Grundfrage der kommunalen Finanzierung auf der Einnahme- und auf der Ausgabenseite endlich einmal
grundsätzlich angehen, und wir wollen nicht so ein
Flickwerk produzieren, wie Sie es getan haben, als Sie in
der Regierungsverantwortung gewesen sind.
Herzlichen Dank.
({18})
Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege
Michael Groschek.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt
doch noch Sternstunden im Parlament. Ich behaupte das,
obwohl so gut wie nichts gesagt wurde. Das, was gesagt
wurde, war allerdings bezeichnend. Wenn der Staatssekretär aus dem Wahlkreis Bayreuth Bayreuther Festspiele nach dem Motto „Tarnen, Tricksen, Täuschen“
aufführt und sich bei den Themen „Gewerbesteuer“ und
„Konjunkturpaket“ mit fremden Federn schmückt, dann
ist das das eine.
({0})
Wenn er aber Herrn Brauksiepe zitiert und sagt, den
Städten in NRW sei es noch nie so gut gegangen, dann
kann man nur lachen. Fragen Sie einmal Ihre schwarzen
Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister! Fragen
Sie Ihre schwarzen Landräte! Diese Personen demonstrieren nicht mit Rüttgers, sondern gegen Rüttgers. Sie
sehnen den 9. Mai herbei, wenn in Nordrhein-Westfalen
gewählt wird.
({1})
Wenn Herr Solms hier erzählt, die FDP, die „Mövenpick-Partei“, stehe nach wie vor fest zur Steuergerechtigkeit, dann kann man nur den Kopf schütteln; schließlich
bekennt er im gleichen Atemzug wie alle anderen Mitglieder dieser Partei: Ja, wir stehen zur Abschaffung der
Gewerbesteuer.
({2})
Was heißt das denn im Hinblick auf Steuergerechtigkeit?
Sie schonen die einen und belasten die anderen. Die kleinen Leute sollen die Abschaffung der Gewerbesteuer
zahlen. Das ist keine Steuergerechtigkeit, das ist Klientelpolitik. Dafür kriegen Sie die Klatsche. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
({3})
Jetzt kommen wir zu dem eigentlichen Thema; dazu
haben Sie wenig gesagt. Mich würde interessieren, wie
die Union dazu steht, dass sowohl die Regierung als
auch die „Mövenpick-Partei“ die fauchende Katze aus
dem Sack gelassen haben, als sie klipp und klar gesagt
haben: Unser Kampfauftrag ist klar; die Gewerbesteuer
muss abgeschafft werden. Ist das auch Ihre Denkart? Bekennen Sie sich doch gleich hier. Ein Abgeordneter Ihrer
Fraktion wird noch zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen. Nutzen Sie die Chance und schenken Sie den Menschen reinen Wein ein! Das haben sie nämlich verdient.
({4})
Die Bertelsmann-Stiftung - sie ist kein Institut der sozialen Demokratie - hat eindeutig gesagt: Die Finanzentwicklung in strukturschwachen Städten ist dramatisch. Gerade denjenigen Kommunen, die mit den
Auswirkungen des demografischen Wandels und der
Strukturschwäche der Wirtschaft sowie mit sozialen Lasten zu kämpfen haben, steht das Wasser schon höher als
bis Unterkante Oberlippe. Wie reagieren Sie darauf? Sie
wollen weiter belasten statt entlasten. Wir sagen Ihnen:
Die Städte brauchen keine Belastungsperspektive und
keine Bevormundung, sondern eine klare Soforthilfe, einen Rettungsschirm.
Noch einmal zum Mitdenken: Wir wollen, dass die
Städte und Gemeinden für die 1,6 Milliarden Euro entschädigt werden, die Sie ihnen durch das sogenannte
Wachstumsbeschleunigungsgesetz geraubt haben. Wir
wollen eine Überbrückungshilfe bei KdU. Wir wollen
letztendlich, dass Sie hier hinsichtlich der Finanzierungssicherheit der Gemeinden klar bekennen: Es wird
keine weiteren Steuersenkungen auf Pump geben.
({5})
Damit bin ich bei einem Punkt, der mich von der Naivität her erschreckt hat. Wer hier sagt - es ist noch nicht
einmal jemand aus der Union -: „Der Dr. Rüttgers ist
wach geworden und benennt Probleme“, den lade ich
herzlich nach Nordrhein-Westfalen ein; da wird er die
Realität kennenlernen.
Jetzt zu Dr. Rüttgers selbst. Er ist mit der Philosophie
angetreten: Privat vor Staat, Freiheit vor Gleichheit. Was
hat er gemacht? Mit einem Sofortprogramm hat er die
Mittel für die Arbeitslosenberatungszentren zusammengekürzt, er hat die Frauenberatungsläden quasi abgeschafft, er hat die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst
beschnitten, und er hat den Landesjugendplan geplündert. Das hat er bis zu einer Belastungshöhe von 3,1 Milliarden Euro fortgesetzt. Das ist die Fünfjahreswirklichkeit dieser Regierung in Düsseldorf.
Jetzt, fünf vor zwölf, sagt er auf einmal: Mit mir,
Jürgen Rüttgers, wird es im Bundesrat keine Zustimmung zu weiteren Steuersenkungen geben, von denen
die Kommunen negativ betroffen sind.
({6})
Das ist nicht Einsicht in die Notwendigkeit, sondern nur
der Panik angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse
geschuldet, und Panik ist ein falscher Ratgeber.
({7})
Wir erwarten von verantwortlicher Politik, sich eben
nicht durch miserable Umfrageergebnisse treiben zu lassen und panikartig zu reagieren. Es geht um die Übernahme von politischer Verantwortung. Sie beweisen nur
eines, nämlich dass Sie kommunalpolitisch verantwortungslos sind. Wir erwarten von Ihnen, meine Damen
und Herren der Union, dass Sie hier klipp und klar bekennen - auch Ihren eigenen Leuten gegenüber -, ob Sie
für oder gegen die Gewerbesteuer sind.
Ich freue mich auf ein Wiedersehen im Landtagswahlkampf Nordrhein-Westfalen.
({8})
Manfred Kolbe hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich zum Schluss der Aktuellen Stunde ein
paar Punkte zusammenfassen:
({0})
Erstens. Wir als CDU/CSU-Fraktion sind die kommunal, also vor Ort, verankerte Fraktion.
({1})
Sie brauchen sich doch nur das Ergebnis der letzten Bundestagswahl anzuschauen. Unsere Fraktion umfasst
239 Abgeordnete. Davon sind 218 direkt gewählt.
({2})
Man wird in Deutschland nicht direkt gewählt, wenn
man keinen Kontakt zur kommunalen Basis hat.
({3})
Wenn man nicht die Interessen der Kommunen vertritt,
dann gewinnt man keine Wahlkreise. Weil wir das tun,
haben wir so viele Wahlkreise gewonnen. In Sachsen haben wir alle 16 Bundestagswahlkreise gewonnen. Wir
haben alle zehn Landratsämter gewonnen. Wir stellen
die Oberbürgermeisterin in Dresden. Das wäre doch
nicht der Fall, wenn wir eine kommunalfeindliche Politik betreiben würden. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
({4})
Nun zu den Grünen. Frau Künast sehe ich gar nicht
mehr. Sie muss sich offenbar von Ihrem eigenen Redebeitrag erholen.
({5})
Sie, Frau Haßelmann, haben sich hier aufgeplustert. Ihre
Partei ist kommunal überhaupt nicht verankert.
({6})
Ich kann die Anzahl der kommunalen Vertreter Ihrer
Partei in meinem Wahlkreis an einer Hand aufzählen.
Das ist fast bedauerlich.
({7})
Schauen wir uns doch einmal die kommunale Leistungsbilanz seit 2005 an.
({8})
Das Jahr 2005 ist geradezu eine Zäsur für die kommunalen Finanzen.
({9})
Im Jahr 2005 - das nur zur Erinnerung - wurde Angela
Merkel Bundeskanzlerin.
({10})
Die Steuereinnahmen der Gemeinden sind seitdem vier
Jahre lang kontinuierlich gestiegen. Der Finanzierungssaldo der Kommunen war letztmals 2005 negativ. Die
Kommunen hatten 2006, 2007 und 2008, einen positiven
Finanzierungssaldo erwirtschaftet.
({11})
Die kommunalen Investitionen betrugen im Jahr 2005
nur18,6 Milliarden Euro und hatten somit einen Tiefststand erreicht. Sie sind seitdem kontinuierlich gestiegen,
nämlich auf 19,1 Milliarden Euro in 2006, 20 Milliarden
Euro in 2007, 21,5 Milliarden Euro in 2008 und 22,5 Milliarden Euro im letzten Jahr. Das sind die Zahlen. Sie sagen mehr aus als manches hysterische Wort hier in diesem Saal.
({12})
Dann kam die internationale Finanzkrise. Sie ist den
Kommunen nicht von der Bundesregierung aufgezwungen worden und hat uns alle getroffen. Da haben wir alle
Fehler gemacht, der Bund, die Länder und auch manche
Kommune. Ich denke zum Beispiel an die Cross-BorderGeschäfte der Stadt Leipzig, die für die Kommunalen
Wasserwerke ein finanzielles Risiko in Höhe von
290 Millionen Euro mit sich brachten. Da wir alle Fehler
gemacht haben, sind wir alle gefordert.
Die Kommunen haben jetzt in der Tat ein Finanzierungsdefizit:
({13})
Letztes Jahr lag es bei 4,5 Milliarden Euro; dieses Jahr
droht eines in Höhe von bis zu 12,0 Milliarden Euro. Ich
sage ganz klar für meine Fraktion - das hat der Staatssekretär schon ausgeführt -: Wir alle sind gefordert. Wir
müssen darüber nachdenken, und wir müssen auch handeln.
({14})
Wenn man ehrlich ist, dann kommt man zu dem Schluss
- das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen -, dass die
Hauptursache für den augenblicklichen Rückgang der
kommunalen Einnahmen die starke Konjunkturabhängigkeit der Gewerbesteuereinnahmen ist.
({15})
Angesichts dessen sollte man nicht immer gleich mit
dem Totschlagargument kommen: Ihr wollt die Gewerbesteuer abschaffen. Das will doch keiner.
({16})
Wir wollen die kommunalen Einnahmen verstetigen und
weniger konjunkturanfällig gestalten.
({17})
Diese Bundesregierung unter Angela Merkel hat übrigens sofort gehandelt - Sie von der SPD, Frau Kressl
und andere könnten da ruhig klatschen, waren noch dabei: Wir haben ein erstes Konjunkturpaket aufgelegt; wir
haben ein zweites Konjunkturpaket aufgelegt; wir haben
die Straßenbaumittel des Bundes um 4 Milliarden Euro
erhöht.
({18})
Als Ausblick auf diese Legislaturperiode sei gesagt: Wir
werden auch in dieser Legislaturperiode handeln. Das
können Sie in der Koalitionsvereinbarung nachlesen. Da
steht, dass wir die kommunale Selbstverwaltung stärken,
({19})
die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und
Kommunen überprüfen und
({20})
die Beteiligung der Kommunen an der Gesetzgebung
verbessern wollen,
({21})
damit die Kommunen nicht immer die Suppe auslöffeln
müssen, wenn Bund und Länder etwas zulasten Dritter
beschlossen haben. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt,
der einmal angegangen werden muss. Das werden wir in
dieser Legislaturperiode tun.
({22})
- Danke schön.
Die CDU/CSU-Fraktion steht zu den Kommunen und
wird auch zugunsten der Kommunen handeln.
({23})
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck ({0}), Ingrid Hönlinger, Memet Kilic,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Parteispenden begrenzen
- Drucksache 17/547 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({1})
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Halina
Wawzyniak, Jan Korte, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Parteispenden von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden verbieten
- Drucksache 17/651 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({2})
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss
Wir wollen hierzu verabredungsgemäß eine halbe
Stunde debattieren. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch.
Dann ist das so beschlossen.
Als Erstem gebe ich das Wort dem Kollegen Volker
Beck für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute hier über die Reform des Parteiengesetzes,
weil die Mövenpick-Spende des Barons von Finck an die
FDP im Zusammenhang mit der auch von Herrn
Pinkwart kritisierten Mehrwertsteuersenkung für die
Hotellerie den Eindruck erweckt hat, man könne politische Entscheidungen in Deutschland durch Spenden beeinflussen.
Friedrich Nowottny schreibt im Berliner Kurier etwas
zugespitzt:
Alles ist gesetzlich geregelt. Mehrfach hat das Bundesverfassungsgericht beraten und entschieden.
Trotzdem: Um Parteispenden weht der üble Geruch
von Korruption.
Der Spiegel schreibt:
Die „Mövenpick“-Spende ist so legal wie anrüchig.
Meine Damen und Herren, die FDP erweckt den Eindruck, es sei legal verbucht, legal vermeldet, und deshalb sei auch alles in Ordnung.
({0})
Darin zeigt sich, dass Sie, meine Damen und Herren von
der FDP, die Grundlagen des jetzigen Parteiengesetzes
nicht verstanden haben. Es geht um Transparenz zur Ermöglichung von Kritik. Deshalb kann einem eine
Spende bei Umfragen und Wahlen unter Umständen
teuer zu stehen kommen, wie man aktuell sieht.
Volker Beck ({1})
Im eher konservativen Grundgesetzkommentar von
Maunz/Dürig wird die Logik des Parteiengesetzes dargelegt. Klein schreibt darin:
Die Pflicht zur Offenlegung der finanziellen Verhältnisse dient dem Zweck, einerseits die Bürger,
andererseits aber auch die um deren Stimme konkurrierenden Wettbewerber über die Ressourcen zu
informieren, über welche die Parteien verfügen,
aber auch darüber, woher sie kommen, weil es sich
dabei um einen wesentlichen Indikator der von ihnen verfolgten Ziele handeln kann. ...
Weiterhin formuliert das auf der Grundlage des
Art. 21 Abs. 3 des Grundgesetzes ergangene Parteiengesetz Veröffentlichungspflichten, denen wiederum der Gedanke zugrunde liegt, der Öffentlichkeit und jedem Bürger die Beurteilungsgrundlagen
zur Verfügung zu stellen, deren sie für die sinnvolle
Ausübung ihrer Kontrollfunktionen bedürfen.
Dass Sie jetzt argumentieren: „Was legal ist, ist auch
in Ordnung“, zeigt, dass die Grundlagen unseres Parteiengesetzes so nicht mehr von allen geteilt werden. Ich fand
die Mövenpick-Spende im Zusammenhang mit dem
Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht in Ordnung.
Das sieht die Mehrheit der Bevölkerung auch so.
({2})
Wenn Sie diese Grundlagen nicht mehr akzeptieren,
dann brauchen wir ganz offensichtlich eine Reform des
Parteiengesetzes, die mehr Transparenz schafft und die
die Möglichkeiten der Spenden so begrenzt, dass die
Schwächsten im Parteiensystem durch Spenden in ihrer
politischen Entscheidungspraxis, in ihrer Regierungstätigkeit nicht beeinflusst werden können. Deshalb
schlagen wir vor, auf Grundlage des GRECO-Berichts,
des Berichts der Staatengruppe gegen Korruption im
Europarat, eine jährliche Obergrenze von Spenden durch
natürliche und juristische Personen in Höhe von
100 000 Euro einzuführen. Das ist eine angemessene
Summe. Das ist moderat; dies gestehe ich Ihnen zu. Man
könnte da auch radikaler sein. Aber wir wollen Ihnen ein
ehrliches Angebot zur Reform des Parteiengesetzes machen, damit wir hier einen Schritt weiterkommen.
({3})
Wir wollen sicherstellen, dass in Zukunft noch transparenter gehandelt wird. Es ist gut, dass der Bundestagspräsident jetzt sagt, er werde immer unverzüglich und
nicht nur einmal im Monat veröffentlichen. Wir wollen
außerdem die Transparenzgrenze von 50 000 Euro auf
25 000 Euro herabsetzen, damit noch klarer wird, ob es
unmittelbare Zusammenhänge von Spenden und politischen Entscheidungen gibt. 25 000 Euro mögen auf der
Bundesebene keine große Summe sein. Aber wenn eine
Spende in dieser Höhe bei einem Ortsverband oder bei
einem Kreisverband im Rahmen eines Kommunalwahlkampfs eingeht, dann sollte dies den Wählerinnen und
Wählern bekannt sein, damit sie ihre Entscheidung für
die Stimmabgabe auf Grundlage dieser Information treffen können.
Wir wollen auch, dass zukünftig die Wahlkampfkosten zeitnah offengelegt werden müssen und dass Aktiengesellschaften und Unternehmen, die Geschäftsberichte
schreiben müssen, darin aufführen müssen, wie viel
Geld sie an welche Parteien gespendet haben.
({4})
Darauf haben die Eigentümer, die Aktionäre, einen Anspruch; denn es kann durchaus eine Divergenz geben,
über die demokratisch diskutiert werden sollte.
Wir wollen auf Grundlage des GRECO-Berichts eine
Anhörung im Innenausschuss zur Unabhängigkeit bei
der Kontrolle, zu Spenden an MdBs, zur Finanzierung
von Wählervereinigungen durchführen. Der zentrale
Punkt sind die Transparenz und die Begrenzung von
Spenden. Die Reform des Parteienrechtes ist in den letzten Jahrzehnten immer wieder vom Bundesverfassungsgericht oder von der Empörung aufgrund von Parteispendenskandalen - ich nenne nur die Flick-Affäre und
die Kohl-Spende - angestoßen worden.
Herr Kollege!
Lassen Sie uns die aktuellen Vorgänge für eine Reform nutzen! Das dient dem Ansehen der Parteien als eines Trägers der politischen Willensbildung, und es dient
der Legitimität der parlamentarischen Demokratie. Lassen Sie uns den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass in
Deutschland politische Willensbildung nicht käuflich
ist!
({0})
Der Kollege Ingo Wellenreuther hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Korruptionsbekämpfung ist grundsätzlich eine
wichtige Sache, und Transparenz bei politischen Entscheidungen ist für eine Demokratie unverzichtbar. Was
Korruptionsbekämpfung angeht, liegen wir in Deutschland richtig und befinden wir uns auf einem guten Weg.
Nach der aktuell veröffentlichten Korruptionsliste von
Transparency International belegt Deutschland unter
180 Staaten weltweit einen der vordersten Plätze. Ich
begrüße, dass wir bereits 1999 der beim Europarat eingesetzten Staatengruppe zur Korruptionsbekämpfung,
GRECO genannt, beigetreten sind.
Die Anträge der Grünen und der Linken, die uns
heute jedoch vorliegen, zielen darauf ab, das Parteiengesetz zu ändern. Das Ärgerliche daran ist, dass sie sich
eines Etikettenschwindels bedienen, indem sie diese Anträge durch Verweis auf den GRECO-Bericht des Europarates in einen Zusammenhang mit Korruptionsbekämpfung stellen bzw. eine unzulässige Einflussnahme
auf politische Entscheidungen durch Spenden unterstellen.
Ich sage es ganz offen: Ich halte es für unverantwortlich, dass Sie damit das eminent wichtige Thema der
Korruptionsbekämpfung in geradezu populistischer
Weise missbrauchen,
({0})
nur des parteipolitischen Vorteils wegen. In Wahrheit
geht es Ihnen überhaupt nicht um die Empfehlung des
Europarates. Nein, der GRECO-Bericht muss als Feigenblatt herhalten, um aus Kalkül heraus den politischen
Gegner und die Spender zu kriminalisieren und in Verruf
zu bringen.
({1})
Herr Wellenreuther, Herr Kollege Beck hat eine Zwischenfrage.
Nein, Herr Beck hat genug gesprochen.
Ehrlicher wäre es gewesen, wenn Sie gleich gesagt
hätten, worum es Ihnen wirklich geht. Sie wollen den
politischen Gegner treffen, Sie wollen die politischen
Parteien mit wesentlich größeren Spendenaufkommen
diskreditieren, und Sie wollen die Spender verunsichern.
Dieses Ansinnen ist nur allzu durchsichtig, und deshalb
ist Ihr Vorhaben in hohem Maße unehrlich.
Herr Kollege, der Kollege Montag würde Ihnen gerne
eine Zwischenfrage stellen.
Nein, ich würde gerne im Zusammenhang vortragen.
Wir können uns später austauschen. - Wie gesagt: Es
wäre ehrlicher gewesen, wenn Sie gleich gesagt hätten,
worum es Ihnen geht. Ich halte es für unerträglich, dass
Sie in der Öffentlichkeit bewusst den Eindruck erwecken, man könne in unserem Land Entscheidungen kaufen.
({0})
Für unerträglich halte ich auch, dass Sie so tun, als ob
eine Beschränkung der Parteispenden auf eine bestimmte Höhe bzw. ein Verbot von Parteispenden durch
juristische Personen dazu beitragen könnte, Korruption
zu bekämpfen.
Was die Parteispenden anbelangt, ist das entscheidende Kriterium die Transparenz.
({1})
- Sie müssen zuhören, dann begreifen Sie es vielleicht,
Herr Poß. - Das Parteiengesetz in der Fassung vom Juni
2002 hat sich insofern bewährt. Sie wissen genau, dass
gemäß § 25 des Parteiengesetzes Spenden über
10 000 Euro im Rechenschaftsbericht angegeben werden
müssen. Spenden über 50 000 Euro müssen dem Bundestagspräsidenten direkt angezeigt werden. Das Ganze
wird in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Das
sind vernünftige Regelungen voller Transparenz, die
sich - auch nach Auskunft der Bundestagsverwaltung im Laufe der Jahre hervorragend bewährt haben.
Darüber hinaus begrüße ich, dass der Bundestagspräsident angekündigt hat - Herr Kollege Beck, Sie haben
es angesprochen -, dass er Spenden zeitnah im Internet
veröffentlichen wird. Damit wird dem Transparenzgebot
in ganz besonderer Weise Rechnung getragen.
({2})
Bei der Frage, wie sich Parteien als Verfassungsorgane im weiteren Sinne, das heißt als Faktoren des
Verfassungslebens und damit des politischen Wettbewerbes, finanzieren, darf man die Stichworte „Chancengleichheit“, „Staatsunabhängigkeit“ und „Meinungsfreiheit“ nicht außer Acht lassen. Wir haben uns in
Deutschland ganz bewusst gegen eine rein staatliche Alimentierung der Parteien entschieden und die gesellschaftliche Verankerung als Wesenselement politischer
Parteien definiert.
Die Parteienfinanzierung hat - das wissen Sie - drei
Säulen:
({3})
Neben den Mitgliedsbeiträgen und den staatlichen Zuwendungen erhalten sie Spenden natürlicher und juristischer Personen.
({4})
Spenden zu leisten, ist eine private Entscheidung der
Bürger in unserem Land, die dies gegenüber sich, ihrer
Familie, ihrem Vorstand, ihrem Aufsichtsrat, ihren Aktionären und der Öffentlichkeit zu rechtfertigen haben,
aber sicherlich nicht gegenüber dem politischen Gegner.
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Spendenrechts entspricht der grundgesetzlich verankerten
Parteienfreiheit. Dies drückt sich im Recht aus, dass natürliche oder juristische Personen den Parteien als legitime Formen der Teilhabe an der politischen Willensbildung Spenden zukommen lassen. Berechtigterweise darf
es den Spendern darauf ankommen, die politischen Ziele
der entsprechenden Parteien zu unterstützen. Genau das
ist nach dem Grundgesetz, dem Parteiengesetz und der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so vorgesehen. Das Verfassungsgericht sieht Parteispenden
ausdrücklich als eine Form zulässiger Interessenwahrnehmung und politischer Teilhabe an.
Bei der vorigen Debatte wurde angesprochen, dass
Spenden auch ein Indikator für den Erfolg einer Partei
sind.
({5})
Oft spiegelt sich darin die Verankerung der Mandatsträger in den Wahlkreisen wider. Damit haben speziell die
Grünen und die Linken Probleme. Genau das ist es, was
Sie stört und worauf Ihre Anträge abzielen. Durch die
beantragte Begrenzung der Spendenhöhe oder gar durch
das von den Linken beantragte Verbot von Unternehmensspenden verspricht man sich Vorteile im politischen
Wettbewerb. Wie heuchlerisch Ihre Argumentation ist,
zeigt sich schon daran, dass beispielsweise Sie von den
Grünen sich in den letzten Jahren sehr gerne durch Großspenden aus der Solar- und Windenergiebranche haben
unterstützen lassen.
({6})
Wenn Sie mögen, kann ich die einzelnen Beträge nennen.
Um in Ihrem Gedankengebäude zu bleiben, müssten
Sie Ihre eigene Integrität wegen Ihres Einsatzes für die
Förderung regenerativer Energien infrage stellen.
({7})
Die politischen Ziele Ihrer Spender deckten sich schließlich mit denen Ihrer Partei.
({8})
Sie sehen daran, wie scheinheilig Ihre Argumentation
ist.
({9})
- Ja, genau, aber im Unterschied zu Ihnen mit Verstand,
Herr Poß.
Ihnen von der Linken müsste eigentlich die Schamesröte ins Gesicht steigen, da das Verwaltungsgericht in
Berlin vor einigen Wochen, im Januar 2010, festgestellt
hat, dass die Partei Die Linke gegen das Transparenzgebot des Parteiengesetzes verstoßen hat, weil sie eine
Spende in Höhe von 146 000 Euro, die im Zusammenhang mit dem Landtagswahlkampf Rheinland-Pfalz im
Jahre 2006 geflossen ist, nicht im Rechenschaftsbericht
angegeben hat.
Es fällt uns schwer, Ihre Anträge ernst zu nehmen.
Deswegen lehnen wir sie ab.
Herzlichen Dank.
({10})
Gabriele Fograscher hat das Wort für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Anlass für diesen Tagesordnungspunkt - das kann
und will ich Ihnen gar nicht ersparen - sind die Entscheidung der Regierungskoalition, den Mehrwertsteuersatz
für Hotelübernachtungen zu senken, und die großzügige
Spende der Hotelkette Mövenpick, von Herrn von Finck,
die FDP und CSU erhalten haben. Problematisch ist dabei nicht die Spende an sich. Alle Parteien sind auf
Spenden angewiesen. Was die öffentliche Diskussion
ausgelöst hat, ist die zeitliche Nähe der Spende zu dieser
isolierten, einseitigen steuerlichen Entlastung für Hotelübernachtungen.
({0})
Einfach, niedrig und gerecht soll das Steuersystem
werden. Das wiederholen Sie gebetsmühlenartig. Aber
Sie tun das Gegenteil. Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen schafft mehr Aufwand
bei der Abrechnung, fügt dem Dschungel der Ausnahmetatbestände eine weitere Schlingpflanze hinzu, und
die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen
werden dadurch niedriger. Das mag sich für die CSU
und die FDP ja finanziell gelohnt haben, ob sich das aber
auch politisch gelohnt hat, bezweifeln inzwischen nicht
nur Herr Pinkwart von der FDP und Herr Rüttgers von
der CDU.
({1})
Mit Die Gefahr des bösen Scheins ist ein Beitrag des
FDP-Politikers Burkhard Hirsch in der Süddeutschen
Zeitung vom 1. Februar 2010 überschrieben.
({2})
Er führt aus - ich zitiere -:
Der Gesetzgeber hat den bösen Schein von Spenden
geahnt. Im Parteiengesetz verbietet er die Annahme
von „Spenden, die der Partei erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden“. Diese gutgemeinte Bestimmung hat keine
praktische Bedeutung erlangt.
In dem Artikel macht Burkhard Hirsch Vorschläge,
die wir von der SPD zwar nicht alle teilen, das Ziel jedoch, die Gefahr des bösen Scheins von Parteispenden
zu bannen, teilen wir ausdrücklich.
({3})
Deshalb brauchen wir mehr öffentliche Kontrolle und
mehr Transparenz. Bürgerinnen und Bürger müssen die
Möglichkeit haben, nachzuvollziehen, von wem und in
welcher Höhe politische Parteien finanzielle oder auch
materielle Zuwendungen erhalten.
({4})
Deshalb halten wir Änderungen im Parteiengesetz für
notwendig. Wir sind für die Einführung einer jährlichen
Spendenobergrenze in Höhe von 100 000 Euro. Wir unterstützen die Forderung, dass Spenden ab einer Höhe
von 25 000 Euro statt bisher 50 000 Euro unverzüglich
dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden müssen.
Wir begrüßen, dass diese Spenden in Zukunft unverzüglich veröffentlicht werden.
({5})
Ein Spendenverbot für juristische Personen, das die
Linke vorschlägt, und eine Spendenobergrenze von jährlich 25 000 Euro halten wir für nicht sinnvoll. Spenden
würden gestückelt und von natürlichen Personen, zum
Beispiel Führungskräften des Unternehmens, getätigt.
Interessant für die Öffentlichkeit ist nicht, ob eine Person X an eine Partei Y spendet, sondern ob Unternehmensinteressen mit dieser Spende verbunden sind.
({6})
Allerdings halten wir das Verbot von Verbandsspenden
für notwendig.
({7})
Die Berliner Zeitung vom 9. Februar 2010 greift die
Spendenpraxis des Verbands der Bayerischen Metallund Elektroindustrie auf. Dieser Verband gehört zu den
größten Parteispendern der Republik. Seit 2002 gingen
mehr als 3,5 Millionen Euro an CSU und FDP.
({8})
Die Zuwendungen an andere Parteien fielen entschieden
geringer aus.
({9})
In dem Artikel in der Berliner Zeitung „Das teure
Schweigen der Bayerischen Metallindustrie“ ist zu lesen, dass nicht einmal alle Mitglieder des VBM von dieser Spendenpraxis wissen.
({10})
Audi-Unternehmenssprecher Jürgen de Graeve wird in
diesem Artikel wie folgt zitiert:
Wir sind im VBM, damit der Verband Tarifpolitik
für uns macht, nicht damit er an Parteien spendet.
Zur Erhöhung der öffentlichen Kontrolle gehört für
uns auch, dass Kapitalgesellschaften verpflichtet werden, ihre Spenden an Parteien in ihren Geschäftsberichten öffentlich auszuweisen. Es muss im Interesse aller
demokratischen Parteien sein, den Verdacht von Einflussnahme oder, schlimmer noch, von Käuflichkeit auszuräumen. Deshalb war es guter Brauch - es ist immer
gelungen -, Regelungen zur Parteienfinanzierung fraktionsübergreifend zu vereinbaren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, ich fordere Sie auf, über die Vorschläge zur
Verbesserung der Transparenz offen mit uns zu diskutieren und mit uns gemeinsam zu Neuregelungen zu kommen.
Danke sehr.
({11})
Der Kollege Dr. Stefan Ruppert hat das Wort für die
FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Die Finanzierung von Parteien in Deutschland ist eng verbunden mit einem demokratischen Verständnis, das in diesem Lande geprägt wird.
({0})
Mit den vorliegenden Anträgen verlassen Grüne und
Linke die gute Tradition, dass wir uns über die Frage,
wie wir uns als Parteien finanzieren und wie wir Demokratie gestalten, im Konsens der Demokraten unterhalten. Sie gehen auf Kosten eines kleinen parteipolitischen
Vorteils einseitig vor. Das ist eine sehr kleine parteipolitische Münze, die Sie hier ausspielen.
({1})
Ein genauerer Blick auf die deutsche Parteienfinanzierung lohnt sich.
({2})
- Ich bin relativ neu in diesem Haus, Herr Poß, aber ich
bin auf kommunaler Ebene von Ihrer Partei ein höheres
Niveau gewohnt, als Sie es hier darstellen.
({3})
Das Infame an Ihrer Kampagne ist doch, so zu tun, als
seien die Vorgänge der Vergangenheit intransparent gewesen. Keinesfalls waren sie das.
({4})
Alles wurde rechtzeitig veröffentlicht. Die Spenden sind
ordnungsgemäß verbucht und eingegangen. Auch unser
Parteiensystem ist keinesfalls so intransparent, wie Sie
es darstellen. 1 000 Euro dürfen Sie in bar nicht annehmen, 10 000 Euro müssen im Rechenschaftsbericht verzeichnet werden und 50 000 Euro müssen dem Bundestagspräsidenten gemeldet und veröffentlicht werden. All
das ist geschehen.
Was wollen nun Ihre Anträge? Die Grünen wollen
eine Höchstgrenze für Spenden von juristischen Personen festlegen. Die Linken wollen Spenden von juristischen Personen gleich ganz verbieten,
({5})
weil sie keine bekommen haben, nicht aber die von natürlichen Personen. Diese Unterscheidung wird nicht begründet.
Wir müssen uns fragen, welche demokratische Kultur
wir in diesem Land eigentlich fördern wollen.
({6})
- Genau, ich stelle diese Frage. - Wollen wir ein stärker
auf Personen ausgerichtetes System wie etwa in den
USA, wo der Einzelne dafür sorgen muss, dass er seinen
Wahlkampf finanziert? Dies kann er, wenn er zu den
reichsten 1 bis 2 Prozent Menschen seines Landes gehört
oder wenn er die medialen Möglichkeiten hat, sich selbst
zu inszenieren, weil er die Medien, die das tun können,
besitzt, wie es in manchen Ländern der Fall ist.
({7})
Wir wollen Parteien, die Politik organisieren, die demokratische Auswahl ermöglichen, ein Forum für den
politischen Diskurs liefern. Dazu brauchen sie Geld.
Dieses Geld - das sage ich ausdrücklich - soll nicht allein vom Staat kommen, sondern es soll aus der Mitte
der Gesellschaft stammen.
({8})
Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt: Die Selbstfinanzierung von Parteien hat Vorrang
vor der Staatsfinanzierung.
({9})
Außerdem hat es festgestellt, dass Spenden von juristischen Personen erwünscht seien. Was wäre das für eine
Demokratie, meine Damen und Herren von der Linken,
von der SPD und von den Grünen, in der Parteien zu bloßen Staatsagenturen verkümmerten?
({10})
- Sie können sich gleich in Ihrer Rede dazu äußern.
Im Antrag der Linken wird dieses Modell im Ergebnis propagiert.
({11})
Im Gegenzug kritisieren Sie aber die Parteienfinanzierung der NPD nach den selbst aufgestellten Kriterien.
Als Liberaler, der politischen Extremismus, übrigens
auch den auf Ihrer Seite, bekämpft, hoffe ich, dass ich
als Parteipolitiker nie von der staatlichen Parteienfinanzierung, die Sie politisch wollen, abhängig sein werde.
({12})
- Herr Poß, Sie können gerne noch lauter schreien oder
hier reden. Aber das ändert nichts.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich Parteien in
Deutschland unterschiedlich finanzieren. Sie von den
Linken beispielsweise profitieren vom SED-Vermögen.
({13})
Wo wir Miete für eine Kreisgeschäftsstelle zahlen, war
bei Ihnen der Weg vom volkseigenen Vermögen in Ihre
Parteikasse nicht weit.
({14})
Andere profitieren von massiver gewerkschaftlicher Unterstützung.
({15})
- Ich kenne das aus meinem Wahlkampf, Herr Poß.
({16})
Mein Gegenkandidat war von einer Gewerkschaft wochenlang freigestellt.
({17})
Das ist eine Möglichkeit, die ich nicht hatte.
({18})
Der Kollege Poß würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie sie zulassen?
Ich führe meinen nächsten Satz zu Ende, dann gerne. ({0})
Bei der letzten Bundestagswahl hat zum Glück der Satz
gegolten: Geld allein schießt keine Tore. - Das gilt auch
für das Geld, über das Sie aufgrund Ihrer Medienbeteiligungen verfügen und das deutlich mehr ist als unsere
Parteispenden.
({1})
Jetzt können Sie gerne Ihre Zwischenfrage stellen.
Herr Poß, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Kollege, können Sie einen Fall
nennen, einen aktuellen oder einen aus den letzten Jahrzehnten, in dem es eine Gewerkschaftsspende für die Sozialdemokratie gab?
Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie den Satz, den
ich gesagt habe, gehört. Mein Gegenkandidat im Wahlkampf profitierte davon, dass er für diesen Wahlkampf
wochenlang von einer Gewerkschaft freigestellt war,
während ich am Max-Planck-Institut Grundlagenforschung betreiben musste.
({0})
Diese Freistellung hat ihm sehr wohl einen Wettbewerbsvorteil verschafft.
({1})
Es geht nämlich nicht nur um direkte Finanzierung.
({2})
Die Grünen bekommen viele Spenden von Wind- und
Solarenergieunternehmen. Es ist bemerkenswert, dass
Sie die Kappungsgrenze genau oberhalb der Zahl festlegen wollen, die Sie regelmäßig als Spenden bekommen.
({3})
Das hat natürlich ein Geschmäckle. Vor diesem Hintergrund bekommt das Wort „Einspeisevergütung“ einen
völlig neuen Bedeutungsgehalt.
({4})
Die FDP hat den kleinsten Parteiapparat. Auf die Unterstützung großer Institutionen hoffen wir vergeblich.
({5})
- Herr Poß, was Sie vielleicht besonders ärgert, ist, dass
10 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder uns sogar gewählt haben.
({6})
Sie können das vielleicht nicht verstehen, aber es ist so.
({7})
- Wir sind da gelassener als Sie und warten ab, was die
Zukunft bringt.
Wir wollen die Demokratie in Deutschland im Konsens mit Ihnen weiterentwickeln. Wir wollen nicht
kleine parteipolitische Münze quasi eine halbe Stunde
vor Karneval, sondern wir wollen, dass alle Menschen
aus der Mitte der Gesellschaft,
({8})
auch Unternehmer, die jeden Tag hart arbeiten müssen
und keine Zeit haben, sich politisch zu engagieren,
({9})
in diesem Parlament repräsentiert sind und nicht nur Gewerkschaftssekretäre und Linke. Wir wollen, wie gesagt,
dass hier alle Menschen aus der Mitte der Gesellschaft
repräsentiert sind.
({10})
Deshalb fordere ich Sie auf: Kehren Sie zur ernsthaften
Debatte zurück! Wir können in Ruhe über dieses Thema
diskutieren. Die vorliegenden Anträge lehnen wir ab.
Danke.
({11})
Für die Fraktion Die Linke spricht die Kollegin
Halina Wawzyniak.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich habe selten eine Debatte verfolgt, die von so
wenig Problembewusstsein geprägt war.
({0})
Wenn Sie die SED-Millionen suchen,
({1})
rate ich Ihnen: Fragen Sie einmal beim Nachfolger der
Treuhandanstalt und bei der Unabhängigen Kommission
zur Überprüfung des Parteienvermögens nach.
({2})
Sie können allerdings auch einen Stift zur Hand nehmen
und mitschreiben, was ich Ihnen jetzt sage. Sie können
nämlich auch unter http://www.die-linke.de/partei/ge
schichte/und dort unter Punkt acht nachlesen, dass wir
seit dem 1. September 1991 auf dieses Geld verzichtet
haben. Aber dafür muss man natürlich lesen können.
({3})
Die FDP schreibt:
Spenden sind ein wichtiger und sehr persönlicher
Beitrag des einzelnen Bürgers für die Politik seiner
Wahl und Ausdruck persönlicher Willensbekundung.
Wenn die FDP auch noch zu der Erkenntnis kommen
könnte, dass dies auch für Bürgerinnen gilt, könnte ich
dem sogar zustimmen.
({4})
Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Damit nicht
Wirtschaftsverbände und Unternehmen die Politik bestimmen, fordern wir ein Verbot von Parteispenden juristischer Personen.
Auch Spenden von Bürgerinnen und Bürgern sollen
begrenzt werden, weil andernfalls diejenigen, die viel
Geld haben, Politik kaufen, während diejenigen, die
Transferleistungen empfangen, nur alle vier Jahre ihre
Stimme abgeben dürfen. Das ist uns zu wenig.
({5})
Bleiben wir bei dem Zitat der FDP. Wenn eine Spende
Ausdruck persönlicher Willensbekundung ist, wie müssen wir uns das dann bei der Spende eines Unternehmens
vorstellen?
({6})
Welche höchstpersönliche Willensbekundung soll hier
zum Ausdruck kommen? Wird zur Entscheidungsfindung, welche Partei in welcher Höhe mit einer Spende
bedacht wird, eine Mitarbeiterversammlung einberufen?
Ist der Betriebsrat beteiligt? Findet gar eine Urabstimmung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern statt?
Welches Quorum ist notwendig, um die Entscheidung
herbeizuführen? Und wie sieht es aus, wenn die Geschäftsführung andere Präferenzen als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat? Wir alle wissen doch, dass die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen bei
solchen Entscheidungen außen vor bleiben. Insofern
sind Spenden von Unternehmen gerade nicht Ausdruck
einer höchstpersönlichen Entscheidung. Wir sagen: Mit
Spenden von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden
soll Politik im Interesse der juristischen Personen erkauft
werden.
Juristische Personen, also Unternehmen, sind rechenschaftspflichtig, eine Aktiengesellschaft vor allen Dingen gegenüber den Aktionären. Die Aktionäre müssten
eigentlich sauer sein, wenn der Vorstand mit Genehmigung des Aufsichtsrates enorme Summen an Parteien
verschenkt. Diese Spenden sind allerdings Geschenke,
für die Gegenleistungen erwartet werden. Worin soll
diese Gegenleistung bestehen, wenn nicht in Politik, die
dem Unternehmen genehm ist?
Ich glaube nicht, dass ich bei Ihnen auf offene Ohren
stoße; aber vielleicht können die Grünen einmal darüber
nachdenken, ob sie sich unserem Antrag anschließen im Sinne der Demokratie.
Die FDP hat nicht nur jüngst von Spenden profitiert.
Eine Richterin am Verwaltungsgericht Berlin kam neulich zu dem Schluss, dass die FDP infolge der Möllemann-Affäre eigentlich eine Strafe von 11 Millionen
Euro hätte zahlen müssen. Das hat sie nicht, weil der
Bundestagspräsident als Vertreter der Bundestagsverwaltung - sagen wir einmal - großzügig war.
({7})
Allianz, Deutsche Vermögensberatung, Deutsche
Bank und Arbeitgeberverbände wie Südwestmetall und
der Verband der Chemischen Industrie spendieren Union
und FDP seit Jahren Unmengen von Geld. Unternehmen
entsenden Mitarbeiter in Ministerien. Deutschland ist
damit eine Wirtschaftsdemokratie. Die Politik sollte aber
demokratisch sein: getragen von dem Willen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger.
({8})
Die Wahl ist eine höchstpersönliche Willensbekundung. Da nur die Bürgerinnen und Bürger wählen können, nicht aber Unternehmen und Wirtschaftsverbände,
ist es nur konsequent, dass sich die FDP rasant dem erHalina Wawzyniak
mäßigten politischen Mehrwertstimmensatz von 7 Prozent nähert. Vielleicht lernen Sie dann, dass Geld und
Spenden allein nicht glücklich machen.
({9})
Stephan Mayer erhält das Wort für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Sehr verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir erleben heute wiederholt den vollkommen plumpen und durchsichtigen
Versuch der Opposition, sich parteipolitisch zu profilieren.
({0})
Es wird versucht, aus einem Vorgang politischen Profit
zu schlagen, indem man ihn skandalisiert.
Dafür fehlt jegliche Grundlage; denn eines ist klar
- das ist intensiv geprüft worden -: Alle Spenden, die
die Opposition zum Gegenstand ihrer Anträge gemacht
hat, sind vollkommen rechtmäßig gewesen, ordentlich
verbucht und entsprechend den geltenden Regelungen
des Parteiengesetzes öffentlich gemacht worden.
({1})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, ich bitte Sie, insoweit nur etwas weiter
zu denken. Ich habe die große Befürchtung, dass durch
die Diskussion, die Sie vom Zaun gebrochen haben,
({2})
die gesamte politische Klasse in Deutschland diskreditiert wird. Sie schädigen damit, dass Sie wie ein Agent
Provocateur fungieren, uns alle.
({3})
Sie versuchen dadurch, dass Sie den Vorgang skandalisieren - dies entbehrt, wie gesagt, jeglicher Grundlage -,
den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland zu suggerieren, die gesamte politische Klasse in Deutschland sei
käuflich. Das ist - Gott sei Dank - nicht der Fall.
({4})
Meine liebe Frau Kollegin Fograscher, bei den Vorschlägen, die Sie für die SPD-Fraktion gemacht haben,
hat mir ein konkreter Vorschlag gefehlt. Sie haben in
keiner Weise eine Aussage dahin gehend getroffen, wie
Sie die wirtschaftliche Betätigung von Parteien einschränken wollen, wie Sie die Beteiligung von Parteien
an Mediengesellschaften begrenzen wollen. Ein Schelm,
wer Böses dabei denkt.
({5})
Es gibt einen überfraktionellen Kompromiss zur Novellierung des Parteiengesetzes aus dem Jahr 2002, der
weiterhin Bestand hat. Er hat meines Erachtens die
Spendenpraxis in Deutschland sehr wegweisend und
sehr zukunftsgerichtet neu gestaltet. Der wesentliche
Punkt der Novellierung aus dem Jahr 2002 war, dass die
Spenden von juristischen Personen, von Kapitalgesellschaften nicht mehr als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig sind.
Herr Kollege, Frau Hendricks möchte Ihnen gerne
eine Zwischenfrage stellen.
Selbstverständlich, sehr gerne.
Bitte schön.
({0})
Es ist völlig richtig, dass Spenden von Unternehmen
nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden können.
Aber gerade der Vorschlag der SPD-Fraktion, der darauf
abzielt, dass Unternehmensverbände oder andere Verbände zukünftig nicht mehr spendenberechtigt sein sollen, beinhaltet zum einen den Aspekt der Transparenz,
weil man bei Spenden eines Verbandes gar nicht so recht
weiß, wer dahintersteckt. Er beinhaltet zum anderen
auch den Aspekt der steuerlichen Gleichbehandlung,
denn einen Mitgliedsbeitrag in einem Unternehmensverband kann man selbstverständlich als Betriebsausgabe
geltend machen. Auf diese Weise werden Unternehmensspenden auf einmal doch wieder steuerlich begünstigt. Wollen Sie das bitte zur Kenntnis nehmen?
({0})
- Ja, genau dazu komme ich jetzt. Wollen Sie bitte im
Übrigen zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom März des Jahres 2008
die Beteiligungen der SPD an Medienunternehmen wie
übrigens die Beteiligungen von Parteien an Unternehmen für in Ordnung und für völlig unproblematisch gehalten hat?
({1})
- Das ist ein höchstrichterliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2008. Nehmen Sie das bitte
zur Kenntnis. Ich empfehle es Ihnen zur Lektüre.
({2})
Wollen Sie im Übrigen bitte zur Kenntnis nehmen,
dass wir bei unseren Beteiligungen mit einer Ausnahme
immer Minderheitengesellschafter sind?
({3})
- Eine Ausnahme: Bei einem Verlag sind wir mehrheitsbeteiligt, bei allen anderen sind wir minderheitsbeteiligt.
({4})
Wollen Sie darüber hinaus zur Kenntnis nehmen, dass
Sie immer dann, wenn Sie versuchen, unsere ordentliche
Geschäftstätigkeit zu diskreditieren, zugleich mittelbar
die Mehrheitsgesellschafter aus dem mittelständischen
Bereich treffen?
({5})
Meine liebe Frau Kollegin, ich nehme zur Kenntnis,
dass das Bundesverfassungsgericht dezidiert darauf hingewiesen hat, dass die Eigenfinanzierung der Parteien zu
einem gewissen Teil sogar ein erhebliches Wesensmerkmal unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung
ist und dass die Novellierung des Parteiengesetzes aus
dem Jahr 2002, die ich erwähnt habe, meines Erachtens
- diese Entscheidung ist interfraktionell gefällt worden wirklich sehr austariert und ausgewogen ist. Dadurch
wurde das Finanzierungssystem der Parteien auf ein sehr
verlässliches Fundament gestellt.
Ich möchte darauf hinweisen, dass ich die wirtschaftliche Betätigung der SPD in keiner Weise diskreditiert
habe. Ich habe nur darauf aufmerksam gemacht, dass es
mich verwundert, dass Frau Fograscher sehr weitreichende Vorschläge zur Novellierung des Parteiengesetzes gemacht hat, aber diesen einen Punkt, aus welchen
Gründen auch immer, vergessen oder übersehen hat.
({0})
Ich sage dazu ganz offen, meine liebe Frau Kollegin: Ein
Schelm, wer Böses dabei denkt.
Genauso verwundert es mich auch, dass die Grünen
einen Antrag gestellt haben, in dem für Spenden eine
Höchstgrenze von 100 000 Euro vorgesehen ist. Die
Grünen haben in den letzten Jahren durchaus namhafte
Großspenden bekommen, aber zufälligerweise keine
Einzelspende über 100 000 Euro.
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Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Ich möchte nur darauf hinweisen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass zum
Beispiel Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender
Ulrich Kelber über drei Jahre hinweg Einzelspenden von
Solarworld in Höhe von jeweils 25 000 Euro erhalten
hat. Um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken,
gehe ich aber nicht so weit, auch nur im Entferntesten
anzunehmen, dass der Kollege Kelber deshalb eine bestimmte Position im Bereich des EEG oder der Energiepolitik vertritt.
({2})
Diesen Punkt habe ich vorher ausgeführt. Ihre Anträge sind deshalb so kurzsichtig, weil sie uns alle diskreditieren. Sie bringen uns alle in den Ruf der Käuflichkeit, sei es durch die Solarbranche, sei es durch die
Automobilbranche, sei es durch die Hotelbranche.
({3})
Das ist die große Gefahr, die in diesen Anträgen und
auch in dieser Debatte steckt.
Es ist doch vollkommen klar: Spenden, auch Spenden
von Unternehmen, sind in einer Demokratie, die nun einmal zur Grundlage hat, dass Parteien zur politischen
Willensbildung beitragen, überhaupt nichts Anrüchiges
und Verwerfliches.
({4})
In § 25 Abs. 2 des Parteiengesetzes steht ganz genau, unter welchen Parametern Spenden unzulässig sind. Dies
sind insgesamt acht Ziffern. In Ziffer 7 wird dezidiert
aufgeführt, dass Spenden unzulässig sind, wenn sie erkennbar als Gegenleistung oder in Erwartung für einen
politischen oder wirtschaftlichen Vorteil gewährt werden.
({5})
Genau das, was Sie anprangern, steht schon im Gesetz.
Deswegen bedarf es der von Ihnen angestoßenen Änderungen überhaupt nicht.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie haben auf den GRECO-Bericht abgehoben. Ich
möchte Sie darauf hinweisen, dass im GRECO-Bericht
nicht die Empfehlung ausgesprochen wird, dass wir in
Deutschland Höchstgrenzen für Spenden festlegen sollen. Ganz im Gegenteil: Der GRECO-Bericht hat sogar
zum Inhalt, dass Großspenden wesentlich weniger anfällig dafür sind, dass damit die politische Willensbildung
beeinflusst wird, als dies bei zahllosen Kleinspenden der
Fall wäre.
Im GRECO-Bericht wird schwerpunktmäßig dazu
aufgefordert, dass kein zeitlicher Verzug zwischen der
Gewährung und der Veröffentlichung der Spende eintritt.
Im Parteiengesetz existiert zwar schon jetzt die Regelung, dass Einzelspenden über 50 000 Euro zeitnah veröffentlicht werden müssen. Ich bin dem Bundestagspräsidenten aber sehr dankbar dafür, dass er in seiner
Weisung vom 27. Januar 2010 unmissverständlich und
Stephan Mayer ({6})
eindeutig festgelegt hat, dass zeitnah sofort bedeutet. Insoweit kann man sagen: Der Bundestagspräsident hat
sofort nach diesen Vorgängen gehandelt und präzisiert,
was ohnehin schon jetzt gültiges Recht im Parteiengesetz ist.
Ich möchte auf Ihren Vorschlag eingehen, dass eine
Höchstgrenze festgelegt wird. Sie von den Grünen fordern eine Grenze von 100 000 Euro. Meine lieben Kollegen von der Linkspartei,
({7})
Sie fordern 25 000 Euro. Man macht sich falsche Vorstellungen davon, welche Auswirkung es hat, wenn man
Höchstgrenzen festlegt. Hier besteht Aufklärungsbedarf.
Ich finde es interessant, dass die Linkspartei explizit auf
das Beispiel USA verweist; das an sich halte ich schon
für einen bemerkenswerten Vorgang. Ich bitte, den Blick
wirklich einmal in die USA zu richten. Wie wird dies
denn dort gehandhabt? Es ist richtig, dass es in den USA
Höchstgrenzen für Parteispenden gibt. Nur, wie wird in
der Praxis vorgegangen? Es werden zahlreiche, teilweise
Hunderte von Mitarbeitern aufgefordert, Kleinspenden
zu leisten. Eine Festlegung von Höchstgrenzen kann
sehr leicht durch die Stückelung von Spenden umgangen
werden, ist also kein probates und geeignetes Mittel, um
den Umstand, den Sie zu suggerieren versuchen, nämlich dass Großspenden dazu anhalten, politische Entscheidungen zu beeinflussen, auszuräumen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der
GRECO-Bericht ist insoweit bemerkenswert, als in ihm
klargemacht wird: Transparenz ist wichtig. Dem verschließen wir uns von der Unionsfraktion in keiner
Weise. Wie gesagt, schon heute gibt es meines Erachtens
ein sehr verlässliches und sehr strapazierfähiges Parteiengesetz, das genau festlegt, unter welchen Regelungen bzw. Kautelen Parteispenden veröffentlicht werden
müssen. Daran gilt es festzuhalten. Deswegen kann man
den Anträgen der Oppositionsfraktionen aus guten Gründen und mit guten Argumenten die Ablehnung erteilen.
Herzlichen Dank.
({8})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/547 und 17/651 an die Ausschüsse
vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung finden. - Ich
sehe, dass Sie damit einverstanden sind. Dann ist so beschlossen.
Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 24. Februar 2010, 13 Uhr,
ein.
Genießen Sie die gewonnenen Einsichten und den
restlichen Tag.
Die Sitzung ist geschlossen.