Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/12/2012

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Plenarsitzung und rufe gleich den Tagesordnungspunkt 1 auf: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes - Drucksache 17/11295 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Marlene Rupprecht ({0}), Katja Dörner, Diana Golze und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung - Drucksache 17/11430 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({1}) - Drucksache 17/11800, 17/11814 Berichterstattung: Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff Burkhard Lischka Raju Sharma Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen drei Änderungsanträge vor. Über die Gesetzentwürfe und die drei Änderungsanträge werden wir später namentlich abstimmen. Wir werden also voraussichtlich fünf namentliche Abstimmungen am Schluss der Aussprache durchführen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann haben wir das so vereinbart. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Stephan Thomae für die FDPFraktion. ({2})

Stephan Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004175, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Bundestag und Bundesregierung hatten in einem sehr sachlichen, sehr respektvollen und sehr ernsthaften Verfahren eine schwierige Frage zu meistern. Ich möchte zunächst allen Kolleginnen und allen Kollegen Dank und Respekt aussprechen, die derart konstruktiv an diesem Verfahren mitgewirkt haben. ({0}) Die Beschneidung von Knaben rührt an drei delikate Tabuthemen. Zum Ersten geht es um das Wohl von Kindern. Zu Recht gibt es einen Konsens in unserer Gesellschaft, dass Kinder, die sich nicht selbst schützen und nicht für sich selbst sprechen können, Anspruch auf den Schutz durch staatliche Gewalt haben. Zum Zweiten geht es um die religiösen Gefühle von Menschen und um den Schutz religiöser Minderheiten. Über die Religionsfreiheit gibt es in unserer Gesellschaft keinen derartigen Konsens mehr. Viele Menschen in Deutschland stehen der Religion gleichgültig, manche ablehnend und einige sogar feindselig gegenüber. Zum Dritten stehen Menschen jüdischen Glaubens im Mittelpunkt der Diskussion, und damit geht es auch um ein Stück deutscher Geschichte, bei dem in Deutschland zu Recht weiterhin der Konsens besteht, dass diese Geschichte unser Tun in die Pflicht nimmt. Die Zurückhaltung, bestimmte Dinge nicht einmal zu sagen oder auch nur zu denken, ist in Deutschland in Bewegung geraten. In der Mitte dieses Kräftedreiecks stehen der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung. Auch ich stand schon einmal hier, um den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der im Auftrag dieses Parlaments entstanden ist, zu vertreten. Heute will ich mich in meinem zweiten Beitrag zu dem Alternativentwurf und zu den Änderungsanträgen äußern. Der Alternativentwurf aus den Federn der Kolleginnen Dörner und Rupprecht will die Beschneidung erst ab dem 14. Lebensjahr des Knaben erlauben. Darin erblicke ich zwei Probleme. Erstens verlagert dieser Entwurf den frühesten Zeitpunkt einer Beschneidung in eine Lebensphase erwachender oder erwachter Sexualität eines Jungen, in der nach ärztlicher Expertise nicht nur die operativen Wunden langsamer verheilen als bei einem Säugling oder einem Kleinkind. Man erlegt auch die durchaus unvermeidlich schwierige Entscheidung, diesen immerhin nicht zu vernachlässigenden Eingriff an sich vornehmen zu lassen oder ihn abzulehnen mit der Konsequenz, dass man aus der Religionsgemeinschaft seiner Eltern, seiner Familie ausgeschlossen bleibt und an der kulturellen Identität seines eigenen Volkes jedenfalls nicht ganz und gar teilhaben kann, einem Jungen in seiner Pubertät auf. Und das ist kein kluger Weg. ({1}) Zweitens löst dieser Alternativentwurf nicht den Konflikt, den zu lösen doch unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist, nämlich Eltern jüdischen Glaubens einen Weg freizuhalten - der übrigens in allen Ländern der Welt und auch immer in der deutschen Geschichte freigehalten war -, ihre neugeborenen Söhne gemäß jahrtausendealter Tradition beschneiden zu lassen, ohne sich dabei strafbar zu machen. Dies gelingt dem Alternativentwurf nicht. Es gelingt aber dem Regierungsentwurf, der deshalb dem Alternativentwurf vorzuziehen ist. ({2}) Zu dem Regierungsentwurf stehen drei Änderungsanträge zur Abstimmung. Der Änderungsantrag, den die SPD-Kolleginnen und -Kollegen Lambrecht und Lischka verantworten, hat zweierlei zum Inhalt: Zum einen zielt er auf eine Evaluierung des Gesetzes nach Ablauf von fünf Jahren. Damit soll sicher auch Zweiflern eine Zustimmung erleichtert werden, denn gemäß diesem Antrag kann man nach fünf Jahren noch einmal über alles nachdenken und das Thema noch einmal aufrollen. Wir sollten jedoch den Mut haben, heute eine abschließende Regelung zu finden. Die Vertagung auf einen Zeitpunkt in der Zukunft weicht davor zurück. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Thomae, darf der Kollege Kilic Ihnen eine Zwischenfrage stellen?

Stephan Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004175, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Selbstverständlich, Herr Kollege Kilic, gerne.

Memet Kilic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004069, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. - Sie haben den alternativen Gesetzentwurf „unklug“ genannt. Was finden Sie am Regierungsentwurf so klug, wenn ein Säugling in einem medizinisch hochentwickelten Land ohne Arzt, ohne Krankenhaus, ohne entsprechende Betäubung beschnitten werden soll? Ist das aus Ihrer Sicht klug?

Stephan Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004175, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Kilic, vielen Dank für diese Zwischenfrage, mit der ich mich zum Teil schon in meiner ersten Rede befasst habe. Der Regierungsentwurf erlaubt religiösen Beschneidern, innerhalb einer bestimmten Zeit, nämlich in den ersten sechs Monaten nach der Geburt, die Beschneidung vorzunehmen. Nun schwebt uns vielleicht manchmal vor, dass es sich bei diesen Beschneidern um Menschen handelt, die eigentlich Geistliche sind, Theologen, Rabbiner, in der christlichen Version so etwas wie der Dorfpfarrer. Wir müssen aber von der Vorstellung Abschied nehmen, dass es sich dabei um reine Geistliche handelt, die lediglich für die Seelsorge zuständig sind, aber von der Beschneidung eines Kindes - also einem medizinischen Eingriff - keine Ahnung haben. In Deutschland sind, Herr Kollege Kilic, fünf Beschneider jüdischer Konfession tätig, die alle eine medizinische Qualifikation besitzen, die es ihnen erlaubt, diesen Eingriff medizinisch qualifiziert vorzunehmen; zudem haben sie eine lange berufliche Erfahrung. Deswegen glaube ich, dass wir gut daran tun, solchen Beschneidern, die vielleicht nicht so wie andere Ärzte am offenen Herzen oder Knochenbrüche operieren können, die aber insgesamt viel Erfahrung besitzen und sehr wohl in der Lage sind, diesen spezifischen Eingriff vorzunehmen, diese Maßnahme zu erlauben. ({0}) Erlauben Sie mir, zu dem Änderungsantrag der Kollegen Lischka und Lambrecht zurückzukehren, der des Weiteren verlangt, die medizinische Ausbildung nichtärztlicher Beschneider durch Rechtsverordnung zu regeln. Das ist genau das, wonach Kollege Kilic gefragt hat. Daraus spricht ein gewisses Misstrauen dahin gehend, dass die Glaubensgemeinschaften nicht selbst dafür Sorge tragen könnten, inwieweit die Beschneider diesen medizinischen Eingriff vornehmen können. Wie ich jedoch gerade ausgeführt habe, ist dem nicht so. Diese Rabbiner sind zum Teil selber Ärzte, die mit der Durchführung dieser Maßnahme Erfahrung haben und diesen Eingriff qualifizierter vornehmen können als viele andere Mediziner in Deutschland. Deswegen halte ich diesen Änderungsantrag für nicht stichhaltig. Die anderen Änderungsanträge befassen sich mit der Frage der Sechsmonatsfrist, innerhalb derer der Eingriff auch von einem anderen als einem Arzt vorgenommen werden kann. Damit aber eröffnen diese beiden Änderungsanträge wiederum das Problem in jenen Fällen, in denen die Beschneidung zum Beispiel wegen einer Frühgeburt oder einer nachgeburtlichen Gelbsucht erst einige Monate nach der Geburt vorgenommen werden kann. Der Regierungsentwurf orientiert sich hier an einer in Israel geübten Praxis; er verschafft auch in solchen Fällen Rechtssicherheit. Eltern können sich also in einer schwierigen Situation an der israelischen Praxis orientieren. Die Änderungsanträge rücken einen Nebenpunkt, nämlich die Frage der zeitlichen Fristen, unnötig in den Mittelpunkt. Denn der Zeitraum, innerhalb dessen eine Beschneidung durch einen nichtärztlichen Beschneider zulässig ist, ist für den Schutz des Kindes eigentlich von geringerer Bedeutung als ein anderer Punkt im Regierungsentwurf: die gesetzliche Maßgabe, dass die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden muss und der religiöse Beschneider bei Vornahme des Eingriffs eine Qualifikation aufweisen muss, die mit der Qualifikation des Arztes vergleichbar ist. Diese Bestimmung sorgt für den eigentlichen Kindesschutz. Denn die Regeln der ärztlichen Kunst sind nicht der freien Auslegung zugänglich. Die Regeln der ärztlichen Kunst können nicht das eine Mal streng und ein anderes Mal lockerer ausgelegt werden. Die Regeln der ärztlichen Kunst sind das Maß der Dinge. Sie sind der höchste Standard - bei der Qualifikation, bei der Aufklärung, bei der Dokumentation, bei der Durchführung und bei der Nachsorge. Insofern bringt der Regierungsentwurf nach Abwägung aller Gesichtspunkte die berührten Grundrechte von Kindern, Eltern und Glaubensgemeinschaft in den besten Ausgleich. Deswegen empfehle ich, diesen Regierungsentwurf heute ohne Änderungen anzunehmen. Vielen Dank. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Frank Walter Steinmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in den letzten Wochen in den jüdischen und muslimischen Gemeinden unterwegs war, der wird Verunsicherung gespürt haben. Insofern weiß jeder, dass eine gesetzliche Regelung zur Beschneidung jedenfalls zur Wiederherstellung von Rechtssicherheit zwingend erforderlich ist, eine Regelung, die unseren jüdischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus meiner Sicht die Aufrechterhaltung eines Ritus erlauben sollte, der für die Ausübung ihrer Religion unverzichtbar ist. Ich finde, der Regierungsentwurf orientiert sich an diesem Ziel; das will ich ausdrücklich einräumen. Insoweit ist er gut. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren aus der Koalition, Sie hätten vielen - und ich glaube, nicht nur aus der Opposition - die Zustimmung einfacher gemacht, wenn Sie an einigen Punkten wenigstens die Bereitschaft zur Diskussion gezeigt hätten. ({0}) Wir haben einige wenige, aber sinnvolle Verbesserungsvorschläge vorgelegt. Es wäre klug gewesen, im Rechtsausschuss wenigstens eine Verständigung über eine Rechtsverordnungsermächtigung hinzubekommen, mit der später zum Beispiel Aufklärungspflichten und Qualifikationsanforderungen an die Beschneider präziser hätten geregelt werden können. Auch den Zeitraum, in dem religiöse Beschneider den Eingriff vornehmen können, hätten wir vernünftig und - da bin ich mir sicher ohne Verletzung irgendwelcher religiöser Pflichten regeln können. ({1}) Das sind Vorschläge, meine Damen und Herren, die immerhin in Übereinstimmung mit dem Votum des Deutschen Ethikrates formuliert worden sind. Deshalb erstaunt mich schon, dass Sie in einer derart sensiblen Frage nicht mehr Wert auf eine aus meiner Sicht erreichbare gemeinsame Lösung gelegt haben. ({2}) Ganz unabhängig von dieser Kritik kann ich mir allerdings nicht vorstellen, dass wir hier in diesem Hause im Streit um die eine oder andere Ergänzung des Regierungsentwurfs am Ende zu einem Votum kommen, das den Ritus religiöser Beschneidungen gesetzlich aufhebt, strafrechtlich sanktioniert oder aber von entsprechenden Voraussetzungen abhängig macht und das faktisch Moslems und Juden ein Leben in Übereinstimmung mit ihren religiösen Grundregeln in unserem Land unmöglich macht. ({3}) Mit Blick auf die Tragweite der heutigen Entscheidung, mit Blick auf eine drohende Veränderung der Lebensumstände derjenigen, die wir eingeladen haben, mit uns zu leben und hier zu arbeiten, und erst recht derjenigen, die wir in Kenntnis ihrer religiösen Rituale aufgefordert und ermutigt haben, jüdisches Leben in Deutschland wiederzubegründen, mit Blick auf all das, meine Damen und Herren, dürfen Kritik und Verärgerung aus meiner Sicht nicht ausreichen, um in diesem Hause ein klares, breites und notwendiges Votum für den Fortbestand religiöser Beschneidung zu verhindern. ({4}) Ich unterstelle: Niemand von uns, auch ich nicht, macht sich die Entscheidung einfach; denn worüber wir entscheiden, das ist ebenso anspruchsvoll wie emotional. Die Beschneidung rührt für viele am Kern der religiösen Identität, für andere am Kern ihrer säkularen, vielleicht auch agnostischen Überzeugungen. So haben das in den letzten Monaten auch viele erfahren. Die E-Mails, die uns zugegangen sind, sind nicht nur zahlreich; sie sind in einem hohen Maße auch völlig unerfreulich. Da werden Befürworter einer gesetzlichen Regelung als Kinderschänder beschimpft; Gegner der Beschneidung werden dem Verdacht ausgesetzt, antisemitisch zu sein. Beide Vorwürfe sind völlig unangemessen. ({5}) So schwarz und weiß, wie uns das aus den Briefen oder E-Mails entgegenspringt, ist die Frage eben nicht. Im Grundgesetz ist das Kindeswohl zu Recht als hoher Wert definiert. Aber die ganze Wahrheit ist: Es steht eben nicht allein, sondern auf gleicher Ebene mit elterlicher Sorge, Religionsfreiheit und Freiheit der Religionsausübung. Das sind Rechtsgüter desselben verfassungsrechtlichen Ranges. Deshalb - das will ich begründen trägt für mich folgende Argumentation nicht: Ich bin für das Kindeswohl, und deshalb bin ich automatisch gegen Beschneidung. - Kindeswohl ist auch körperliche Unversehrtheit. Es erschöpft sich aber eben nicht darin, sondern es geht auch um Werte, Sicherheit und Identität. Kindeswohl bedeutet auch Zugehörigkeit. Deshalb wehre ich mich dagegen, einen Ritus, der für einen Teil unserer Mitbürger nun einmal zum Kern ihrer Identität, zum Kern ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft gehört, per se als kindeswohlfeindlich abzustempeln. ({6}) Ich finde es richtig, wenn Juden und Muslime diskutieren, ob bei der Beschneidung alles Notwendige getan wird, um Schmerzen und Beeinträchtigungen für das Kind zu vermeiden, um für sein Wohl und in seinem Sinne zu handeln. Aber aus meiner Erfahrung weiß ich: Das findet doch statt, und nicht mit weniger Sorge als in anderen Familien. Es ist doch gegen jede unserer Erfahrungen, dass das Kindeswohl in jüdischen und muslimischen Familien eine geringere Rolle spielt als in christlichen oder säkularen Familien. Offen gesagt - das zum Schluss -: Ich fühle mich ausgesprochen unwohl mit der Vorstellung, dass ausgerechnet wir Deutsche unseren jüdischen Mitbürgern beibringen, was Inhalt von Lebensschutz und Kindeswohl ist. ({7}) Dasselbe gilt für Muslime. Ich fände es sogar unerträglich, wenn wir das erste Land in Europa wären, das nichtärztliche oder ärztliche jüdische Beschneider mit dem Staatsanwalt verfolgt und mit Strafrecht sanktioniert, und das ab morgen, nach mehreren Tausend Jahren Geschichte. Ich vertraue auf die aktuellen und weiterführenden Diskurse in den Religionsgemeinschaften. Für mich bleibt das Prinzip der religiösen Toleranz ein Kern vom großen Erbe der europäischen Aufklärung. Vielen Dank. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Andrea Voßhoff ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Steinmeier, die Kritik, die Sie am Anfang Ihrer Rede geäußert haben, kann ich so nicht stehen lassen. Zumindest nach meinem Kenntnisstand ist auf politischer Ebene sehr wohl das Gespräch angeboten worden. Was die fachlich-inhaltliche Auseinandersetzung mit den Änderungsanträgen angeht - die von einer Vielzahl aus Ihren Reihen kommt -: Wir haben im Rechtsausschuss - Sie hätten dabei sein müssen, dann hätten Sie es auch gemerkt - inhaltlich sehr intensiv und sehr ausführlich diskutiert. So gesehen ist die Kritik nicht berechtigt. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schließen heute ein Gesetzgebungsvorhaben ab, das nicht in die Kategorie des politischen Alltagsgeschäfts passt, bei dem wir üblicherweise in einem Diskurs politisch unterschiedliche Grundauffassungen vorbringen und dann miteinander bzw. gegeneinander entscheiden. Unsere heutige Debatte bewegt sich in einer anderen Dimension. Mit dem Urteil des Landgerichts Köln wurde eine öffentliche Diskussion über das Für und Wider der religiös motivierten Beschneidung männlicher Kinder ausgelöst, die vor allem - das ist hier schon gesagt worden - in jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften für erhebliche Verunsicherung gesorgt hat. Bei manchen hat sie sogar die Frage aufgeworfen, ob insbesondere jüdisches Leben bei uns noch erwünscht ist. In einer Zeit, in der wir uns darüber freuen, dass jüdisches Leben in Deutschland zunehmend wieder selbstverständlich wird, ist das ein, wie ich finde, untragbarer Zustand. Natürlich stand jeder von uns plötzlich vor der Frage: Wie gehen wir damit um, mit einem jahrtausendealten religiösen Ritual, das in Deutschland bisher zwar erlaubt war, aber in unserer immer säkularer werdenden Welt doch sehr fremd erscheint, mit einer Tradition, die durch das Urteil des Landgerichts Köln infrage gestellt wurde, was eine öffentliche Diskussion ausgelöst hat, deren Tonlage uns manchmal erschrecken musste? Ich hätte mir gewünscht, wir hätten das Urteil eines Landgerichts als das nehmen können, was es ist, nämlich als Einzelfallentscheidung eines Gerichts ohne Bindungswirkung über den konkreten Fall hinaus. ({1}) Wir konnten das aus bekannten Gründen nicht. Ich bin daher der Mehrheit dieses Hohen Hauses außerordentlich dankbar, dass wir mit dem im Juli dieses Jahres beschlossenen Entschließungsantrag schnell und unmissverständlich deutlich gemacht haben, dass das, was bisher in Deutschland rechtlich zulässig war, auch weiterhin rechtlich zulässig sein soll. Wir alle haben uns mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt - jeder von Ihnen weiß das -; wir haben Gespräche geführt, Studien und E-Mails gelesen, und zwar noch intensiver als sonst üblich. Ich persönlich habe in der Zeit viel über die muslimische und die jüdische Religion und die Beschneidung erfahren. Ich bin dankbar für die Informationen, die ich in diesem Zusammenhang erhalten habe. Das Ritual der Beschneidung mag vielen von uns nach wie vor fremd bleiben; aber ich bekenne auch, dass ich mit Respekt erfahren habe, von welch elementarer Bedeutung das sichtbare Zeichen der Beschneidung für die jüdische und die muslimische Religionsgemeinschaft ist. Unsere Aufgabe im Lichte einer hektischen und teilweise irrlichternden öffentlichen Diskussion ist es nun, die Frage zu beantworten: Passt ein solches sichtbares Zeichen der Religionszugehörigkeit - und das ist die Beschneidung - weiterhin in unsere Rechtsordnung, in unsere Verfassung, die insbesondere auch die Religion und deren Riten schützt, wenn auch selbstverständlich nicht grenzenlos? Ja, ich bin der Auffassung, es passt auch weiterhin. Bin ich durch meine religiöse Bindung vielleicht voreingenommen? Meine religiöse Erziehung, meine mir von meinen Eltern ungefragt und ohne staatliche Einmischung gegebenen Wurzeln - meine religiöse Bindung, die sie mir mit auf den Weg gegeben haben - waren und sind für mich das wertvollste Rüstzeug meines Lebens, und ich bin dankbar dafür. Ich respektiere, wenn viele andere in ihrem Leben ohne religiöse Bindung und damit ohne die zugehörigen Riten und Symbole auskommen. Sind sie auch voreingenommen, weil ihnen religiöse Riten in Gänze fremd sind? Sicher nicht. Auch hier gilt: Vielfalt und Toleranz machen uns aus und verpflichten uns zur gegenseitigen Anerkennung. Auch darum geht es bei dem heute anstehenden Gesetzesvorhaben. Gerade der Gesetzgeber hat dies in besonderer Weise zu berücksichtigen. Das hätte ich mir - es sei mir erlaubt, dies zu sagen - auch vom Landgericht Köln gewünscht. ({2}) Aber der Gesetzgeber hat ebenso einen möglichst unverstellten Blick darauf zu werfen, was unsere Verfassung, was unsere Rechtsordnung zulässt. Er hat einen unverstellten Blick darauf zu werfen, ob insbesondere und gerade das Kindeswohl, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das elterliche Sorgerecht und die Religionsfreiheit im Einklang stehen. Ich denke, das haben wir in diesem Haus in mehreren Debatten in den Ausschüssen und in einer umfassenden Anhörung des Rechtsausschusses miteinander getan, auch wenn wir heute zu differenzierten Ergebnissen kommen. Zwei Gesetzentwürfe - das ist gesagt worden - liegen heute neben diversen Änderungsanträgen zur Abstimmung vor. Auch wenn ich dem Gesetzentwurf einer Gruppe von Kolleginnen und Kollegen nicht zustimmen kann, die die Beschneidung von Jungen erst ab dem 14. Lebensjahr unter bestimmten Voraussetzungen erlauben wollen und damit inzidenter das Verbot einer früher durchgeführten Beschneidung mit strafrechtlichen Konsequenzen in Kauf nehmen, weiß ich aus den geführten Diskussionen, dass dieser Gesetzentwurf nicht gegen jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland gerichtet ist. Ich achte auch die Motive der Initiatoren, die die Kindeswohlbelange in ihrem Sinne interpretieren. Ich lege aber auch und besonders Wert auf die Feststellung, dass diejenigen, die dem Gesetzentwurf der Bundesregierung heute zustimmen werden, weder einer Verharmlosung des Eingriffs der Beschneidung das Wort reden noch das Kindeswohl unzureichend im Blick haben. Dies vorausgeschickt sage ich: Der Gruppengesetzentwurf, der Beschneidung erst ab dem 14. Lebensjahr erlauben will, ist insbesondere abzulehnen, weil er verfassungsrechtlich bedenklich ist. Das hat uns die Mehrzahl der Sachverständigen in der Anhörung deutlich gemacht. Er könnte einen Verstoß gegen Art. 6 des Grundgesetzes beinhalten. Unsere Verfassung vertraut in Art. 6 die Erziehung der Kinder den Eltern an. Dieses Elternrecht beruht auf der Vorstellung, dass Eltern in aller Regel das Wohl ihres Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution. Bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen und Schlussfolgerungen sollten wir aus voller Überzeugung feststellen, dass jüdische und muslimische Eltern natürlich genau dieses Wohl der Kinder am Herzen liegt. ({3}) Für den Begriff des Kindeswohls ist nach unserem geltenden Familienrecht daher wesentlich, dass die Eltern seinen konkreten Inhalt bestimmen, dass sie entscheiden, was nach ihrem Verständnis dem Kindeswohl dienlich ist. Eine grundgesetzliche Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Kind ergibt sich nur dort, wo die von den Eltern getroffenen Entscheidungen klar und eindeutig nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar sind, wenn also das Kindeswohl gefährdet ist. Diese Grenze ist bei einem medizinisch nicht indizierten Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, also bei einem Eingriff in die in Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten Rechte, nicht automatisch überschritten. Das Wohl des Kindes

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Voßhoff, darf Frau Griese eine Zwischenfrage stellen?

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- gerne, ja - lässt sich nicht nur biologisch definieren, sondern es bezieht sich auf die gesamte persönliche Entwicklung. - Ich wollte zumindest den Satz beenden.

Kerstin Griese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe Sie den Satz gerne zu Ende sprechen lassen. Liebe Frau Kollegin Voßhoff, Sie haben auf die Anhö26078 rung verwiesen und gesagt, dass wir dort vieles gelernt haben. Der Kollege Steinmeier hat auch schon appelliert, dass es gut wäre, Anregungen aus diesen parlamentarischen Beratungen aufzunehmen. Deshalb will ich Sie ganz konkret etwas fragen, auch vor dem Hintergrund, dass die Kollegin Dr. Reimann und ich einen Änderungsantrag eingebracht haben, in dem wir fordern, die Frist, innerhalb der speziell ausgebildete Menschen, die nicht Ärzte sind, die Beschneidung vornehmen dürfen, auf zwei Monate zu setzen. Ich stelle meine Frage, weil der Sachverständige Professor Graf, der Leiter des Jüdischen Krankenhauses, in der Anhörung des Rechtsausschusses ausdrücklich gesagt hat, die Frist von sechs Monaten sei zu lang; eine solche Frist sei nicht notwendig. Auch Professor Hakenberg, Leiter der Urologischen Universitätsklinik in Rostock, hat gesagt, eine Frist von sechs Monaten sei zu lang. Ich erinnere daran, dass Professor Willutzki, der Familienrechtler, der am Gesetzentwurf mitgewirkt hat, ebenfalls gesagt hat, dass es für die Festlegung auf sechs Monate keine Begründung gibt. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert. Vonseiten des BMJ ist eingestanden worden, dass dies eine willkürlich gegriffene Zahl ist. Nun haben wir mit unserem Vorschlag versucht, einen Weg zu finden, der einerseits die Idee des Kollegen Montag, die Frist zu verkürzen, aufgreift, andererseits aber auch unserer Auffassung, dass 14 Tage ein sehr kurzer Zeitraum ist, gerecht wird. Deshalb haben wir zwei Monate vorgeschlagen. In dieser Zeit soll die jüdische Beschneidung von Mohalim vorgenommen werden können. Ich appelliere an Sie, diese Anregung aus der Anhörung aufzunehmen. Uns würde es dann leichter fallen, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zuzustimmen. Ich glaube, diese Frist festzulegen, ist auch in der Sache richtig. Denn uns haben die Medizinerinnen und Mediziner gesagt: Wenn nicht am achten Tag, wie es in der jüdischen Religion notwendig ist, oder ein paar Tage später, wenn zum Beispiel Gelbsucht bestand, beschnitten wird, dann sollte man lieber bis zu etwa einem Jahr warten und dann unter Vollnarkose beschneiden. Deshalb frage ich: Können Sie sich diesem Ansinnen anschließen?

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Griese, ich will Ihnen gern darauf antworten. ({0}) Wir haben ja auch schon im Rechtsausschuss darüber gesprochen. Auf eine ähnliche Frage eines Kollegen der Grünen hat auch schon Herr Thomae geantwortet. Man kann natürlich über die Festlegung der Frist diskutieren. Das haben wir selbstverständlich zugestanden. Aber bei dieser Forderung kommt eines nicht deutlich zum Ausdruck - das muss man auch einmal sagen -: Wir legen ja gerade im zweiten Absatz in der Ausnahmeregelung fest, dass die Mohalim es vergleichbar den Regeln der ärztlichen Kunst tun müssen. Das heißt, all diese Kriterien sind von den Mohalim zu berücksichtigen, Frau Kollegin Griese. Deshalb haben wir gesagt, dass diese Frist von sechs Monaten vertretbar ist. ({1}) Der Gruppengesetzentwurf sieht vor, die Beschneidung erst ab dem 14. Lebensjahr zuzulassen. Dies wäre ein staatliches Verbot, und dies wäre - ich habe das vorhin schon ausgeführt - ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die elterliche Sorge. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie diesen Gesetzentwurf unterstützen, er würde Eltern, die ihrem Kind weiterhin die Religionszugehörigkeit zugestehen wollen, dazu zwingen, ins Ausland zu gehen. Sie laufen Gefahr, die Eltern zu kriminalisieren. Das kann doch nicht ernsthaft gewollt sein. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine, wie ich finde, gute und tragfähige Lösung. Ich wiederhole gerne, was ich im Rechtsausschuss gesagt habe: Ich bin dem Bundesjustizministerium außerordentlich dankbar, Frau Ministerin, dass man gerade bei der Gesetzesbegründung sehr ausführlich war und sehr viel Wert darauf gelegt hat, alle infrage kommenden Faktoren sowie miteinander kollidierenden Rechte in Abwägung zu bringen und dann zu einem Ergebnis zu kommen, von dem ich meine, dass es verantwortbar ist. Ich hoffe, dass dieses Ergebnis heute eine große Mehrheit finden wird. Wir setzen die Voraussetzungen für die künftige Beschneidung dahin gehend, dass sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden muss, das heißt fachgerecht, hygienisch einwandfrei und natürlich auch mit der im Einzelfall notwendigen Schmerzbehandlung. Ich hätte hier eigentlich noch Ausführungen zur Frist gemacht; zu diesem Bereich habe ich aber bereits im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage der Kollegin Griese etwas gesagt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich freuen - auch im Interesse der jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften, die verunsichert sind -, wenn wir heute diesen Gesetzentwurf mit großer Mehrheit und im Ergebnis ohne Änderung beschließen. Vielen Dank. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Fraktion Die Linke erhält nun die Kollegin Diana Golze das Wort. ({0})

Diana Golze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003759, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat vor einigen Wochen ein, wie ich finde, sehr wichtiges Interview gegeben. Er hat darin gesagt - ich zitiere -: Wir müssen auch begründen, wie wir rechtfertigen, dass die körperliche Züchtigung eines Kindes - zu Recht - verboten ist, aber ihm ein Stück von der Vorhaut abzuschneiden soll in Ordnung sein. Genau zu diesen Rechtfertigungen, zu diesen Gründen, die dafür sprechen, haben wir uns in den letzten Wochen intensiv ausgetauscht, auch in der Anhörung im Rechtsausschuss. Ich möchte einige der Themen, die dort angesprochen worden sind, noch einmal aufgreifen. Da ist zunächst der Punkt der effektiven Schmerzbehandlung. In der Anhörung ist, wie ich finde, sehr deutlich geworden, dass die Anwendung der sogenannten Emla-Salbe, selbst wenn sie durch Schmerzzäpfchen ergänzt wird, aus der Sicht der Medizinerinnen und Mediziner absolut unzureichend ist. Ich frage diejenigen, die sich darüber noch keine Gedanken gemacht haben, ob sie sich einmal den Beipackzettel der Emla-Salbe angeschaut haben. Auf ihm steht - ich zitiere -: Die Wirksamkeit von Emla bei der Blutentnahme an der Ferse von Neugeborenen konnte durch Studien nicht belegt werden. Sie ist also nicht einmal ausreichend, um die Blutentnahme an der Ferse schmerzfrei zu gestalten. Es heißt dann weiter: Bei der Beschneidung von Neugeborenen hat sich die Anwendung … allerdings als unbedenklich erwiesen. Sie ist also unbedenklich, aber nicht effektiv. Deshalb finde ich, es ist zu wenig, wenn es in der Begründung des Regierungsentwurfs heißt, es könne wie bisher gehandhabt weitergehen. Ich werde aus diesem Grund dem Änderungsantrag des Abgeordneten Lischka und anderer zustimmen, in dem eine Rechtsverordnung gefordert wird, in der Mindeststandards auch für die Schmerzbehandlung festgelegt werden. Professor Graf - er ist Arzt am Jüdischen Krankenhaus Berlin - hat in der Anhörung gesagt, dass in seinem Krankenhaus eine Beschneidung mit medizinischer Indikation erst nach dem zweiten Geburtstag des Kindes vorgenommen wird, genau aus den Gründen, dass erst dann eine wirklich wirksame Schmerzprävention erfolgen kann. Meine Vorrednerinnen haben darauf verwiesen, dass die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen soll. Ein Nichtarzt hat gar nicht die gleichen Möglichkeiten wie ein Arzt: Er darf gar keine wirklich wirksame Anästhesie vornehmen; das verbietet ihm das Arzneimittelgesetz. Die Rechtfertigung: „Wir wollen ja auch, dass die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen wird“, ist also nicht haltbar; denn Nichtärzte dürfen gar nicht handeln, wie ein Arzt es darf. ({0}) Der Deutsche Ethikrat hat eine qualifizierte Schmerzbehandlung gefordert. An diesem Punkt bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung deutlich hinter den Vorgaben des Deutschen Ethikrates zurück. In meiner Fraktion haben wir sehr sachlich, sehr ausführlich, sehr intensiv über dieses Thema debattiert. Wir haben auch mit einem Betroffenen gesprochen. Er hat auf die Frage, warum erst jetzt solch eine Diskussion geführt wird und Widerstand aufkommt, gesagt: Bis zum Urteil des Landgerichts Köln dachte ich, ich wäre allein auf der Welt mit meinem Schmerz und meiner negativen Einstellung zur Beschneidung. Auch meine Eltern dachten, sie würden im Sinne des Kindeswohls handeln. Heute tut es ihnen unendlich leid, aber es ist nicht rückgängig zu machen. - Die Betroffenen empfinden den Gesetzentwurf der Bundesregierung als zweite Entrechtung. Sie beginnen nun, sich zu organisieren; es gibt bereits Petitionen dazu. Ich finde diese Debatte daher äußerst richtig und wichtig. ({1}) Die Debatte zur Beschneidung lief natürlich schon weit vor dem Kölner Urteil. Vor allem unter Kinder- und Jugendärzten ist sie geführt worden, aber auch in den Religionsgemeinschaften selbst, und sie wird auch nach der heutigen Beschlussfassung weitergehen. Werte Kolleginnen und Kollegen, Deutschland hat eine große Schuld auf sich geladen. Menschenrechte sind mit Füßen getreten worden. Jüdinnen und Juden, Muslimen und Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften ist unsägliches Leid zugefügt worden. Ich kann und will und werde das nie vergessen, ausblenden oder nicht berücksichtigen. Meine Generation trägt dafür selbstverständlich die politische Verantwortung. Sie trägt die politische Verantwortung auch dafür, deutlich zu machen, dass Menschenrechte in Deutschland heute zu Recht ein hohes Gut sind, das wir verteidigen müssen. Wir haben als Gesetzgeber die Verantwortung dafür. Kinderrechte haben in den letzten Jahrzehnten zum Glück eine deutliche Aufwertung erfahren. Aber ich kann mich doch nicht glaubhaft für das Recht des Kindes auf Schutz, Förderung und Beteiligung sowie für die Schaffung kindgerechter Lebensverhältnisse einsetzen, wenn ich gleichzeitig sage: Die Rechte des Kindes hören dort auf, wo Religion anfängt. ({2}) Den Vorwurf, mein Einsatz für Kinderrechte sei nur vorgeschoben und in Wahrheit steckten antisemitische oder muslimfeindliche Einstellungen dahinter, weise ich in aller Deutlichkeit zurück. ({3}) Ich bin sehr froh über die sachliche Debatte hier im Plenum und auch über die kritischen Töne, die zum Bei26080 spiel auch aus dem Zentralrat der Juden gekommen sind und zum Ausdruck bringen, dass die Argumente des Kinderschutzes sehr ernst genommen werden. Ich wünsche den jungen Männern, die schon jetzt davon betroffen sind, dass sie den Mut finden, sich anderen anzuvertrauen und ihre Einschätzungen über das, was mit ihnen geschehen ist, öffentlich zu machen. Ich wünsche ihnen die Kraft, die Debatte in die Gesellschaft zu tragen, vor allem in ihre Religionsgemeinschaften. Den zukünftigen Eltern wünsche ich die Chance, für ihre Kinder anders entscheiden zu dürfen, auch wenn der Gesetzentwurf der Bundesregierung heute eine Mehrheit findet. Vielen Dank. ({4})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will über Zweifel reden. Viele draußen und auch viele in meiner Fraktion haben gefragt: Müssen wir das denn regeln? Ist das nach vielen Jahrzehnten, in denen Muslime und Juden in diesem Land Beschneidungen vorgenommen haben, eigentlich notwendig? - Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Ja, wir müssen. Ich glaube, wir müssen das sogar sehr klar regeln. Warum? Wir als Deutscher Bundestag sind der Gesetzgeber, und uns obliegt es, den Anforderungen des Strafrechts gerecht zu werden. Das Strafrecht enthält nämlich ein Bestimmtheitsgebot, wonach das, was dort steht, tatsächlich so bestimmt und klar sein muss, dass die Menschen in ihrem Alltag damit umgehen können. Hier sind wir gefordert: Es muss so klar formuliert sein, dass die Tragweite, die Ausnahmen und der Anwendungsbereich der Normen für die Adressaten klar sind. Manche sagen jetzt: Es ging doch lange anders. Niemand wurde bestraft, außer jetzt in Köln, wo eine Entscheidung rechtskräftig gefällt und von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gesprochen wurde. - Ich sage Ihnen aber: Das wird in Zukunft nicht mehr so sein. Deshalb kommen wir um eine Entscheidung in diesem Hause nicht herum. ({0}) Es wird nicht mehr so sein, weil sich der nächste Richter eben nicht mehr auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum der einwilligenden Eltern beziehen kann. Insofern haben wir als Gesetzgeber jetzt die Aufgabe, für Klarheit zu sorgen. Manche haben gefragt: Können wir nicht ein Moratorium machen? - Ich habe auch darüber nachgedacht. Das Problem ist: Es geht hier um die körperliche Unversehrtheit, das elterliche Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit. Diese drei im Grundrechtsteil des Grundgesetzes normierten Bereiche können nicht einfach einem Moratorium unterworfen werden. Denn 365 Tage im Jahr müssen Menschen Entscheidungen treffen. Also sind wir jetzt an der Stelle, an der wir zu einem Ergebnis kommen müssen. Ich gebe für mich als Abgeordnete ganz persönlich zu, dass ich am Anfang des Sommers nach der Gerichtsentscheidung sehr schnell und klar gesagt habe: Ich möchte mit Ja stimmen. - Dann kamen mir nach vielen Veranstaltungen und Diskussionen Zweifel. Ich habe Veranstaltungen mit vielen Jüdinnen und Juden besucht, bei denen Menschen in scharfer Form gesagt haben: Das habt nicht ihr zu entscheiden. Das regeln wir, das ist Ausübung der Religionsfreiheit. - Ich habe darauf geantwortet: Doch, wir müssen das entscheiden; denn der Tatbestand der Körperverletzung ist erfüllt. Ich habe Debatten über die elterliche Sorge und die Frage erlebt, was Eltern dürfen und was nicht, auch Debatten über die Frage, was Eltern als Treuhänder des Kindes - das Kind darf ja nicht selbst entscheiden - dürfen. Bei der elterlichen Sorge und bei der elterlichen Erziehung geht es um eine treuhänderische Aufgabe im Sinne des Kindeswohls. Was dürfen die Eltern, was dürfen sie nicht? Ich habe viele Diskussionen über diese Frage mitgemacht und Zweifel erlebt. Auch in der Debatte über Religionsfreiheit und das Recht der Eltern, das Kind in ihre Gruppe, in ihre Religionsgemeinschaft aufzunehmen, ging es hin und her. Zeitweise wurde mit Blick auf das Judentum und den Holocaust auf die Historie verwiesen. Auch davon will ich meine Entscheidung nicht abhängig machen. Ich sage: Beschneidungen erfüllen den Tatbestand der Körperverletzung. Jetzt ist die Frage, ob es Rechtfertigungsgründe gibt - ähnlich wie im Falle von Notwehr und Notstand -, aufgrund derer man von einer strafrechtlichen Verfolgung absieht. Für Erwachsene gilt: Jeder und jede entscheidet selbst, ob er oder sie in einen bestimmten Eingriff einwilligt. Für minderjährige Kinder machen das die Eltern. Mit dieser Einwilligung nehmen die Eltern das Selbstbestimmungsrecht für ihr Kind wahr. In diesem Zusammenhang haben manche gesagt: Denkt an das Züchtigungsverbot; auch Züchtigungen sind verboten. - Zu Recht haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung; für dieses Recht wurde lange gekämpft. Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht: Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. Eine Beschneidung ist aber keine andere entwürdigende Maßnahme oder eine körperliche Bestrafung. Das hat mir also nicht weitergeholfen. Ich komme am Ende zu der Frage, ob Eltern als Treuhänder ihrer Kinder zu dem Ergebnis kommen können: Ja, wir willigen in die Beschneidung ein. - Finde ich, dass das im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit möglich ist, oder meine ich, dass das ein so großes Unrecht ist, dass dies ein strafrechtliches Unwerturteil verRenate Künast langt? Auch wenn ich das, was zum Beispiel im Judentum konstitutiv für den Bund mit Gott ist, vielleicht nicht verstehe, komme ich zu dem Ergebnis: Die möglichen Folgen will ich nach aller Abwägung, bei allen Zweifeln und Sorgen nicht haben. Ich will nicht, dass im Normalfall nach einer Beschneidung am Ende Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht stehen. Deswegen sage ich Ihnen: Die Konsequenz in der Praxis heißt für mich, Beschneidungen nicht zu kriminalisieren. Ich meine, dass Eltern vor dem Hintergrund der elterlichen Sorge und der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft bei gesunden Kindern und bei Einhaltung der Hygiene verantwortungsvoll zu dem Ergebnis kommen können, einer Beschneidung zuzustimmen. Ich würde mir wünschen, die Religion würde sich erneuern. Aber das entscheide nicht ich, sondern das entscheidet die Religion von innen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Regierungsentwurf. Ich bitte aber auch die Koalitionsfraktionen, kluge Änderungsanträge, die hier gestellt worden sind, aufzunehmen. Das wäre heute das richtige gesellschaftliche Zeichen. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Florian Toncar von der FDP-Fraktion ist der nächste Redner. ({0})

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen einer Debatte wie der heutigen sollten wir uns, so glaube ich, alle miteinander noch einmal klarmachen, dass eine Beschneidung zumeist nicht irgendeine leicht verschiebbare Beitrittserklärung zu einer Religion ist, sondern dass sie für Juden und für viele Muslime konstitutiv ist. Dabei spielt nicht allein die Religionszugehörigkeit eine Rolle, sondern oft auch die soziale Zugehörigkeit, also die Zugehörigkeit zur Familie, zur Gemeinschaft und zur Volksgruppe. Sie hat eine ganz hohe Bedeutung, und sie ist nicht leicht verschiebbar oder beliebig nachholbar. Die Beschneidung ist Voraussetzung für die Teilnahme an vielen religiösen oder gemeinschaftlichen Veranstaltungen und damit natürlich auch ein Stück weit die Voraussetzung dafür, dass ein Kind in einem von seiner eigenen Kultur oder Religion geprägten Umfeld unversehrt und gut aufwachsen kann. ({0}) Das sollten wir anerkennen, genauso wie wir uns klarmachen sollten, dass gerade Minderheiten oft ein besonders großes Interesse daran haben, dass die Mehrheit ihre Traditionen und Gepflogenheiten, mag sie sie auch nicht immer verstehen, zumindest akzeptiert und auch möglich macht. Die Verunsicherung - nicht nur in den jüdischen Gemeinden, sondern oft auch im Ausland unter Muslimen oder unter Ärzten war in den letzten Monaten mit Händen zu greifen. Das Urteil des Landgerichts Köln und auch einige Beiträge in der Debatte danach sind von vielen Betroffenen oft auch als Unwerturteil über ihre eigene kulturelle und religiöse Identität angesehen worden. Das gilt für die jüdische Gemeinde mit Blick auf die Geschichte der Juden in Deutschland und in Europa in ganz besonderer Art und Weise, und es ist gut, dass wir diese Verunsicherung heute beenden, indem wir eine gesetzliche Entscheidung treffen. ({1}) Natürlich gibt es auch Diskussionen im Judentum über den Stellenwert der Tradition der Beschneidung heute und über die Frage, ob das noch wünschenswert ist. Wir sollten diese Diskussion der Religionsgruppe überlassen. Wir sollten ihren Ausgang nicht gesetzgeberisch vorwegnehmen, sondern es der Religionsgruppe überlassen, das zu entscheiden. Vielleicht entscheidet sie es auch von Fall zu Fall ganz unterschiedlich. Vielleicht entwickelt sich die Diskussion auch. Aber es ist nicht Sache des Gesetzgebers, einer solchen Diskussion vorzugreifen. Wir haben im Falle der Beschneidung aus religiösen Gründen mehrere Grundrechte auszugleichen, nämlich die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Grundgesetz, das Recht bzw. die Pflicht der Eltern auf bzw. zur Erziehung der eigenen Kinder nach Art. 6 sowie die körperliche Unversehrtheit des Kindes nach Art. 2. Das Grundgesetz verlangt von uns, dass wir diese drei Grundrechte so in Ausgleich bringen, dass von jedem Grundrecht möglichst viel übrig bleibt und dass jedes dieser drei Grundrechte möglichst stark erlebbar und lebbar ist. Dass der Glaube nach Art. 4 und das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 des Grundgesetzes besonders stark geschützt sind, war eine Werteentscheidung, die der Parlamentarische Rat 1948 getroffen hat, um den Keimzellen der menschlichen Gemeinschaft Schutz vor zu starker staatlicher Einflussnahme zu geben. Denn der Parlamentarische Rat ist bei der Erarbeitung des Grundgesetzes davon ausgegangen, dass die Familien, das soziale Umfeld und auch die Religionsgemeinschaften Keimzellen menschlicher Gesellschaft sind, in die der Staat nicht eingreifen soll, außer es liegen zwingende Gründe dafür vor. ({2}) Ich habe im Übrigen - auch in Vorbereitung der heutigen Debatte und der Beratungen der letzten Wochen - ab und zu an eines gedacht: Viele der damals noch verbliebenen Demokraten, die 1948/49 im Parlamentarischen Rat unser Grundgesetz beraten haben, hätten sich wahrscheinlich nicht vorstellen können, dass nach der Katastrophe des Holocaust in Deutschland noch einmal jüdisches Leben, wie wir es heute haben, entstehen könnte. Das ist etwas, was sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes gewünscht hätten. Ich glaube, sie hätten auch gewollt, dass man dieses Leben möglich macht, ohne dass man dem das Strafrecht oder andere Hürden entgegenstellt. Ich glaube, dass das mit Blick auf die letzten 60 Jahre etwas ist, das sich viele der Gründerväter und -mütter unserer Bundesrepublik so nicht hätten vorstellen können und wofür wir als Deutsche alle miteinander dankbar sein sollten. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Toncar, darf der Kollege Sharma Ihnen eine Zwischenfrage stellen?

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte sehr.

Raju Sharma (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004156, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Toncar, Sie haben gesagt, diese Frage sollten die Religionsgemeinschaften selbst für sich entscheiden. Ich frage Sie: Können Sie sich bestimmte Rituale von bestimmten Religionsgemeinschaften vorstellen, die die Religionsgemeinschaften nicht selber regeln sollten, sondern bei denen der Gesetzgeber eingreifen sollte?

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, selbstverständlich gibt es auch Grenzen. Das hängt von der Schwere des Eingriffs ab. Dass sie eine Rolle spielt, ist aus der Gesetzesbegründung ohne Weiteres ersichtlich. Aber in dem konkreten Fall, über den wir reden - ich glaube, das ergibt sich nicht nur aus dem Gesetzentwurf selber, sondern auch aus der Anhörung -, ist eine Abwägung getroffen worden, die auch Schutzvorkehrungen für das Kindeswohl enthält und mit der es gelingt, die drei Grundrechte, um die es geht, möglichst schonend miteinander in Einklang zu bringen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Reimann möchte auch noch eine Frage stellen. - Bitte schön.

Dr. Carola Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege, Sie haben sehr auf die Akzeptanz des religiösen Ritus abgehoben. Wenn ich das richtig sehe, muss der Ritus nach § 1631 d Abs. 2 des BGB, wie ihn der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht, gewährleistet sein. Sehen Sie diese Akzeptanz auch gewährleistet, wenn die Frist für die Beschneidung von sechs auf zwei Monate verringert wird? In der Anhörung hatte die Fristsetzung eine große Rolle gespielt. Alle Experten haben gesagt, dass diese sechs Monate eine herausgegriffene Frist sind und dass das auch innerhalb von zwei Monaten gewährleistet ist.

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich wäre darauf noch eingegangen. Aber ich beantworte das gerne sofort. Die Frist orientiert sich an der Praxis in Israel, in einem Land, das damit, glaube ich, Erfahrung hat und eine solche Frist nicht grundlos oder - wie zum Teil behauptet - sogar willkürlich eingeführt hat. Natürlich stellt sich bei Fristsetzungen immer die Frage, wie sie zustande kommen. Da es sich heute offenbar um ein Hauptthema handelt, möchte ich dazu sagen: Ich glaube nicht, dass die Frage, ob die Frist sechs oder zwei Monate beträgt, letzten Endes entscheidend für das Kindeswohl ist. Von dieser Regelung sind zunächst nur die jüdischen Gemeinden betroffen. Es geht dabei um fünf nichtärztliche Beschneider, die Beschneidungen gemäß den Geboten des Judentums in Deutschland durchführen und die das in chirurgischer Hinsicht sehr gut können. Da eine Beschneidung in der Regel innerhalb der ersten acht Tage stattfindet - so verhält es sich beim Gros der Fälle; eine spätere Beschneidung ist eher die Ausnahme -, halte ich die Frage nach der Fristsetzung für nicht so entscheidend. Wenn es um das Kindeswohl geht, müssen wir also vor allem die Kinder im Blick haben, die innerhalb der ersten acht Tage beschnitten werden. Das bedeutet nicht, dass die Fristsetzung trivial wäre. Aber ich glaube, dass man beim Kindeswohl von dem Fall ausgehen muss, der die Regel ist. Der Regelfall ist eine Beschneidung innerhalb der ersten acht Tage durch nichtärztliche Beschneider nach den religiösen Geboten des Judentums. ({0}) Wie gesagt, es geht darum, drei Grundrechte schonend in Einklang zu bringen. Ich habe das Gefühl, dass im Alternativentwurf sehr einseitig das Kindeswohl betont wird, das übrigens überwiegend körperlich definiert wird. Die seelische Befindlichkeit, die im Zusammenhang mit der Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe steht, wird gar nicht richtig einbezogen. Zudem bleibt vom Erziehungsrecht der Eltern und von der Glaubensfreiheit im Alternativentwurf relativ wenig übrig. So wird empfohlen, dass das Kind im Alter von 14 Jahren die Entscheidung über den Eingriff selbst treffen soll. Das ist unter medizinischen Gesichtspunkten sowohl in körperlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die damit verbundenen seelischen Belastungen eigentlich nicht der bessere, sondern der schlechtere Zeitpunkt. Ich glaube, der Alternativentwurf krankt daran, dass Religionsfreiheit und Erziehungsrecht untergewichtet werden, ohne dass das Kindeswohl und die körperliche Unversehrtheit besser geschützt sind. Deswegen denke ich nicht, dass dieser Gesetzentwurf die bessere Alternative darstellt. Ich möchte mich bei der Bundesjustizministerin bedanken. Sie hat im Gespräch mit vielen Betroffenen und denjenigen, die sich damit auskennen, eine insgesamt sehr gelungene Abwägung bei einem schwierigen Thema vorgenommen. Sie leistet damit einen Beitrag dazu, dass religiöse Minderheiten in Deutschland auch in Zukunft rechtssicher leben können, ohne dass die Rechte und die Gesundheit des Kindes vernachlässigt werden. Wir werden deshalb dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zustimmen. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält jetzt die Kollegin Marlene Rupprecht. ({0})

Marlene Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger - Groß und Klein! Kinder sind - sie stehen heute im Mittelpunkt der lebendige Ausdruck für den Fortbestand des menschlichen Lebens. Deshalb beschäftigen wir uns alle mit großer Ernsthaftigkeit mit dieser Thematik, bei der es um einen Eingriff in das Leben von Kindern geht. Für das Aufwachsen von Kindern sind zuallererst die Eltern zuständig. Nach Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ist es ihr Recht und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht, Kinder zu erziehen. Das heißt auch, sie in Werten und für Werte zu erziehen, und dazu gehört die religiöse Erziehung ebenfalls. Es ist also ihre Pflicht, Kinder auf das Leben vorzubereiten und ihnen zu helfen, eigenständige Persönlichkeiten und verantwortungsbewusste Mitglieder unserer Gesellschaft zu werden. Da hat sich der Staat nicht einzumischen; aber dieses Recht der Eltern ist ein Verantwortungsrecht und kein Verfügungsrecht. Der Staat hat Kinder als Rechtssubjekte zu respektieren, als Inhaber von Grundrechten. ({0}) Das Elternrecht ist nicht grenzenlos. Das haben wir schon des Öfteren diskutiert und auch gesetzlich in § 1631 Abs. 2 BGB geregelt. Im Zusammenhang mit der gewaltfreien Erziehung haben wir dem Elternrecht Grenzen gesetzt. Wir haben in unserem Land das Recht, alles zu glauben und alles zu denken. Dafür stehe auch ich hier ein; aber wir haben nicht das Recht in diesem Land, alles zu tun. ({1}) Wodurch wird nun das Elternrecht begrenzt? Einmal durch die auch bei uns geltenden Allgemeinen Menschenrechte und zum anderen durch unsere nationale Wertebasis, nämlich das Grundgesetz. In Art. 2 Abs. 2 ist jedem Menschen das Recht auf körperliche Unversehrtheit verbrieft. Ich kann nachvollziehen, wenn Menschen dieses Recht hier nicht gefährdet sehen. Sie müssen sich aber mit den Erkenntnissen der Wissenschaft, speziell der Medizin, der letzten 30 Jahre auseinandersetzen: mit den Erkenntnissen der Schmerzforschung, mit der Erkenntnis, wie Gewebe aufgebaut ist, mit den Erkenntnissen der Traumaforschung bis hin zu denen der Psychologie. Dies haben die Fachverbände, die in diesem Bereich die Berufenen sind, getan. Sie haben sich eindeutig und klar dahin gehend geäußert, dass die Beschneidung ein sehr risikobehafteter, ein irreversibler und ein mit lebenslangen Folgen behafteter Eingriff ist. Wenn Sie zu dieser Erkenntnis kommen, müssen Sie dafür sorgen, dass wir, weil der Eingriff so gravierend ist, die Einsicht und die Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen brauchen. Dies haben wir mit unserem Alternativgesetzentwurf gemacht. Wir gehen aufgrund der Erkenntnisse der medizinischen Forschung davon aus, dass der Eingriff so gravierend ist, dass die Einsichtsfähigkeit von Kindern vorausgesetzt werden muss. Das muss generell gelten. Der Gesetzgeber kann nicht individuell entscheiden. Deshalb wollen wir bis zum 14. Lebensjahr der Kinder warten und sie dann fragen, ob sie mit dem Eingriff einverstanden sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Rupprecht, darf der Kollege Beck eine Zwischenfrage stellen?

Marlene Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn er meint, ja. Gerne.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Auch ich war schon einmal so großzügig bei Ihnen.

Marlene Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Genau.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Rupprecht, Sie haben in Ihrer letzten Rede zu diesem Thema hier im Plenum gesagt: Wir wollen nicht, dass Eltern vor den Kadi gestellt werden. - Ich frage Sie, was Ihrer Ansicht nach die Rechtsfolgen Ihres Gesetzentwurfs sind, wenn der Gesetzgeber mehrheitlich Ihrem Entwurf folgen würde. Ich habe diese Frage auch im Menschenrechtsausschuss dem Bundesjustizministerium gestellt. Dies hat mir gesagt: Selbstverständlich kann es dann zu Strafverfolgungen kommen, entweder aufgrund einfacher oder sogar aufgrund schwerer Körperverletzung; denn es ist eine schwere Körperverletzung, wenn man ein Skalpell benutzt und dafür keine rechtsgültige Einwilligung vorliegt. Auf die Frage „Welche Konsequenzen hat das beim Familienrecht?“ antwortete das Justizministerium: Die ganze Palette familienrichterlicher Interventionen ist dann denkbar. - Dies ist zum Beispiel bei einer Familie der Fall, in der schon ein Junge beschnitten ist und in der ein weiterer Junge geboren worden ist. Darf man dieses Kind noch bei den Eltern lassen, die es der Gefährdung einer Beschneidung aussetzen? Ich möchte von Ihnen wissen, was nach Ihrer Vorstellung die Konsequenz Ihres Gesetzentwurfs - Sie sagen, Volker Beck ({0}) die Eltern sollen nicht vor den Kadi gezogen werden sein soll. Was folgt Ihrer Ansicht nach aus der Verabschiedung Ihres Gesetzentwurfs in der Rechtswirklichkeit? Warum liegt da Ihrer Meinung nach das Bundesjustizministerium mit seiner Rechtsauffassung falsch?

Marlene Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir nehmen zunächst einmal an, dass ein Gesetz, das wir hier beschließen, beachtet und befolgt wird. Das ist angesichts unseres Gesetzentwurfs eine hohe Zumutung für Eltern. Das bedeutet für Eltern auch Schmerz. Aber in der Abwägung zwischen dem Schmerz der Eltern, etwas nicht zu tun, was sie als Verpflichtung sehen, und dem körperlichen Verändern und dem Schmerz beim Kind sind wir als Initiativgruppe zu der Überzeugung gekommen, dass wir den Schmerz den Erwachsenen - sie haben entwicklungsmäßig den Verstand, es sich klarzumachen - zumuten können, dass hingegen ein solcher Eingriff für ein Neugeborenes, ein kleines Kind eine Überforderung bedeuten würde, dass man ihm aufgrund der Tragweite dessen, was mit ihm - mit Auswirkungen für sein ganzes Leben - geschieht, einen solchen Eingriff nicht zumuten kann. ({0}) - Die Konsequenzen sind dieselben wie beim Regierungsentwurf: Wenn die Fristen nicht eingehalten werden und jemand ohne entsprechende medizinische Ausbildung den Eingriff vornimmt, wenn also jemand nach der Frist, die heute eventuell beschlossen wird - nach dem Regierungsentwurf beträgt sie sechs Monate -, einen solchen Eingriff nicht von einem Arzt durchführen lässt, ist der Vorgang ebenfalls strafrechtlich bewehrt. ({1}) Es ist ebenfalls strafrechtlich bewehrt, Herr Beck, wenn jemand eine Beschneidung vornimmt und ein Kind dabei verletzt; denn damit hat er eine Körperverletzung begangen, auch wenn er eigentlich ganz legal gehandelt hat. ({2}) Es gibt also keinen rechtsfreien Raum; das Ganze ist rechtlich klar geregelt. Ich will keine Eltern kriminalisieren. Das haben wir noch nie gemacht. ({3}) Aber ich möchte, dass sie die Verantwortung auch für die Kinder übernehmen. Wir wollen deshalb, dass die Beschneidung von Ärzten durchgeführt wird, und zwar von Kinderchirurgen. Wir haben gemeinsam, interfraktionell 2002 festgelegt, dass Kinder von Kinderärzten behandelt werden und nicht von anderen Medizinern. Ich nehme an, dass dieser Beschluss nicht aufgehoben wird. Wir sind der Überzeugung, dass dieser Eingriff von Kinderchirurgen durchgeführt werden muss.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin.

Marlene Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe gesagt: Wir muten unseren Eltern viel zu. Ich weiß dies und bin mir der Verantwortung bewusst. Ich stehe für alle, die wir glauben, dass wir Kindern noch wesentlich mehr zumuten. Die Diskussion hat begonnen, und ich hoffe, sie wird in den Religionsgemeinschaften fortgesetzt. Weltweit ist sie im Gange. Der Europarat wird im kommenden Frühjahr einen Bericht über die körperliche Unversehrtheit von Kindern verfassen. Ich hoffe, dass wir damit im Sinne der Kinderrechte einen Schritt weiterkommen. Danke. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Johannes Singhammer für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen heute mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eine klare Botschaft aussenden: Erstens. Die Beschneidung von Jungen ist zulässig. Zweitens. Alle Zweifel, welche das Landgericht Köln mit seiner Entscheidung vom 7. Mai dieses Jahres aufgeworfen hat, werden damit ausgeräumt. Wir haben sorgfältig beraten, die Argumente des Für und Wider gewichtet, gewertet und gewogen. Jetzt aber ist es an der Zeit, zu entscheiden, und es ist nichts auf die lange Bank zu schieben. Dabei haben wir das Kindeswohl, das elterliche Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit zu berücksichtigen. Für uns ist die Religionsfreiheit, die Freiheit der Religionsausübung, ein herausragendes Recht. Für zwei Religionsgemeinschaften ist die Beschneidung von zentraler religiöser Bedeutung. Für Menschen jüdischen Glaubens ist die Beschneidung konstitutiv, ein bindendes Gebot von höchster Bedeutung und zentraler Bestandteil jüdischer Identität. Die Beschneidung steht im Judentum symbolisch für den Bund zwischen Gott und dem jüdischen Volk. Im Islam zählt die Beschneidung zu den Glaubensüberzeugungen; bei den meisten schiitischen Rechtsschulen gilt sie als religiöse Pflicht. In unserem Land, in Deutschland, leben viele Menschen, die von ihrer Religion geprägt sind, die ihr Leben ausrichten an ihren religiösen Überzeugungen. Für andere in unserem Land spielt eine religiöse Überzeugung eine geringe Rolle. Eine nicht geringe Zahl von MenJohannes Singhammer schen lehnt ein religiöses Bekenntnis ebenso ab wie jede Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft. Manche Menschen bei uns in Deutschland, aber auch in Europa sind überrascht von der Wiederkehr des Religiösen. Sie fühlen sich unerwartet mit Religion konfrontiert, wo sie doch nicht mehr damit gerechnet haben, weil sie die Welt für säkularisiert, entzaubert, ernüchtert durch Wissenschaft und Politik gehalten und darin einen unumkehrbaren Prozess gesehen haben. So jedenfalls hat es ein bekannter Soziologe, nämlich Josef Schmid, vor kurzem in einer Rundfunksendung beschrieben. Und nun merken viele Menschen, dass sich ein nicht unbeträchtlicher Teil ihrer Mitbürger wesentlich über eine Beziehung zu Gott definiert. Alle denkbaren Entscheidungen, für oder gegen eine Glaubensgemeinschaft, sind in unserem Land möglich, und sie sind nicht nur möglich, sondern sie sind von unserer Verfassung garantiert - mit der Konsequenz: Was dem einen fremd erscheinen mag, darf der andere für eine unverzichtbare religiöse Identität und Heimat in Anspruch nehmen. Grundsätzlich unterschiedliche Betrachtungsweisen und Überzeugungen lassen sich, wenn es um Religion, um religiöse Überzeugungen geht, weniger durch sonst übliche klassische Kompromisse auflösen. Besser lassen sie sich mit Toleranz und Respekt bewältigen. ({0}) Dabei nutzt weniger eine theoretische Bereitschaft zur Toleranz, sondern mehr die Fähigkeit zu praktischer Toleranz. Dieser Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, ist eine in Form gegossene praktische Toleranz. ({1}) Das Kindeswohl bleibt ein sensibler Bereich jeglichen staatlichen Handelns, auch des Handelns des Gesetzgebers. Ich warne aber vor dem Versuch, über das Kindeswohl umfassend festzulegen, was zulässigerweise Inhalt einer Religion ist und was nicht. Der Gesetzentwurf wahrt das Kindeswohl, indem er festlegt: eine fachgerechte Durchführung der Beschneidung, eine effektive Schmerzbehandlung, eine umfassende Aufklärung und eine Beachtung des Kindeswillens, sofern er schon gebildet werden kann. Das elterliche Erziehungsrecht bleibt gewahrt. Dabei spielt eine Rolle, dass die Beschneidung seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden von Eltern praktiziert worden ist. Kinder können sich gegen die Religion ihrer Eltern entscheiden, wenn sie alt genug sind. Dass Eltern für Kinder Entscheidungen übernehmen und - auch aufgrund ihrer religiösen Erfahrungen - das Beste für sie wollen, ist nichts Absonderliches, sondern schlicht etwas Selbstverständliches. Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Ich bin froh über das Niveau der Debatte hier bei uns im Hohen Hause, froh darüber, dass die Verknüpfungen und Vergleiche mit der weiblichen Genitalverstümmelung hier nicht mehr vorkommen und keine Rolle mehr spielen; denn sie wären allenfalls mit dem bewussten Willen zum Missverständnis erklärbar. Unser Gesetzentwurf bringt Elternrecht, Kindeswohl und Religionsfreiheit in Einklang, in Balance, ins Gleichgewicht und leistet damit einen wichtigen Beitrag für den inneren Frieden in unserem Land. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Luc Jochimsen, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Lukrezia Jochimsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003777, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es wäre wunderbar, wenn wir freiwillig und selbstbestimmt unser Leben beginnen könnten. Aber die Realität des Anfangs unserer Existenz ist genau das Gegenteil: Wir kommen ungefragt auf die Welt. Wir können uns unsere Eltern nicht aussuchen, auch die Zeit nicht, in die wir hineingeboren werden, oder das Land. Ist Krieg? Herrscht Frieden, Armut oder Wohlstand? Als Neugeborene, als Säuglinge, als Kleinkinder und Kinder sind wir angewiesen auf Eltern, Familie, auf Erwachsene, die sich unserer annehmen. Wir sind angewiesen auf ihre Zuwendung und Verantwortung. Über den Anfang unseres Lebens entscheiden sie. Insofern sind die Kinder von den Eltern nicht zu trennen, und auch nicht das Kindeswohl vom elterlichen Willen. ({0}) Glauben und Religion gehören zu diesem frühen Eltern-Kind-Verhältnis für Millionen Menschen dazu, auch in unserer weitgehend säkularisierten Gesellschaft. Für Eltern kann der Weg ihres Kindes zu Gott, der Weg in die Religionsgemeinschaft existenziell sein. Da wir insgesamt die Kinder in die Obhut und Verantwortung der Eltern geben und geben müssen, müssen wir auch diese religiösen Haltungen achten. Kein Land auf der Welt verbietet Beschneidungen der Jungen aus religiösen Gründen. Eine Gruppe meiner Fraktion hält den Gedanken für unerträglich, dass Deutschland - ausgerechnet Deutschland! - das erste Land sein sollte, welches nun ein Verbot einführt. ({1}) Wie sollen wir in einem solchen Land mit Juden und Muslimen zusammenleben? Stellen wir uns vor, der Alternativvorschlag würde Gesetz und Eltern dürften nur dann in eine Beschneidung aus religiösen Gründen einwilligen, wenn der Sohn das 14. Lebensjahr vollendet hat und selbst einwilligt. Welche Auswirkungen hätte dies auf die Abertausend Jungen unter 14 Jahren, die beschnitten sind, und ihre Eltern in unserem Alltag, beim gemeinsamen Schulsport, bei den üblichen ärztlichen Untersuchungen, im vielfachen Miteinander? „Du bist beschnitten? Das ist aber verboten. Was haben deine Eltern da gemacht? Das ist hierzulande nicht erlaubt!“ Ausgrenzung wird sich verstärken, wo jetzt schon Ausgrenzung stattfindet. ({2}) Das Gefühl der Illegalität wird sich ausbreiten, ein gefährliches Gift im Zusammenleben, und eine Tendenz zur Isolierung, vor allem der jüdischen Minderheit, wird einsetzen. Wenn möglich, geht der jüdische Junge dann in einen jüdischen Kindergarten oder eine jüdische Schule. Wo das nicht möglich ist, wird er als anders empfunden und seine Eltern auch. Eine solche Situation können wir doch nicht wollen. Ich meine sogar, eine solche Situation dürfen wir nicht sehenden Auges schaffen. ({3}) Machen wir uns nichts vor: Das Zusammenleben mit der jüdischen und muslimischen Minderheit in unserem Land ist nach wie vor nicht selbstverständlich und frei von Ängsten. Ich erachte es als Aufgabe von uns Parlamentariern, gerade im Mehrheit-Minderheiten-Verhältnis hierzulande Rechtssicherheit und Schutz zu schaffen, anstatt Verbote aufzustellen. ({4}) Wie gesagt, kein einziges Land verbietet Beschneidung aus religiösen Gründen. Wir sollten und dürfen es auch nicht. Aus diesem Grund wird eine Gruppe der Linksfraktion für den Gesetzentwurf der Bundesregierung stimmen. Danke sehr. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort der Kollegin Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl ich den alternativen Gesetzentwurf mitgezeichnet habe, geht es mir wie manchen anderen: Eigentlich wäre mir gar kein Gesetz am liebsten gewesen. Wir können nämlich mit einer einfachgesetzlichen Regelung gar nicht beschließen, ob die Beschneidung eines Kindes rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Letztlich kommt es bei dieser Frage auf eine verfassungsrechtliche Abwägung von Grundrechtsgütern an. Die Grundrechte sind oft genannt worden: das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern. Zu welchem Ergebnis man an dieser Stelle auch kommt: Das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit können wir mit einer Regelung im Sorgerecht nicht außer Kraft setzen. ({0}) Ich verstehe den Alternativentwurf daher auch primär als eine deklaratorische Klarstellung gegenüber den Eltern, eine Klarstellung dahin gehend, dass wir die Beschneidung eines 14-Jährigen mit seiner Einwilligung für mit unserer Rechtsordnung vereinbar halten. Das ist insofern eine Verbesserung im Hinblick auf den bisherigen Zustand, aber auch die weitestgehende, die wir meiner Auffassung nach anbieten können. Worum geht es bei dieser grundrechtsrelevanten Entscheidung? Zunächst einmal kann es nicht darum gehen, eine Abwägung zwischen der Religionsfreiheit der Eltern und der körperlichen Unversehrtheit des Kindes vorzunehmen; denn die Religionsfreiheit eines Menschen kann nach unserer Grundwerteordnung niemals einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines anderen Menschen legitimieren, und das Kind ist unstreitig ein eigenes Rechtssubjekt. ({1}) Es kann daher nur um das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung und um die Religionsfreiheit des Kindes selbst gehen. Deshalb knüpft der Alternativentwurf auch konsequent an das Alter der Religionsmündigkeit des Kindes an. Das Erziehungsrecht der Eltern wiederum bezieht sich zweifelsohne auf die Vermittlung von religiösen Werten und Normen. Eine Einwilligung in nicht medizinisch indizierte Eingriffe ist allerdings auch sonst nicht vom elterlichen Sorgerecht umfasst. Der Arzt kann auch auf meinen ausdrücklichen Wunsch ohne medizinische Veranlassung bei meinem Kind kein Blut abnehmen und dazu eine Spritze setzen. Wenn schon ein solch kleiner ärztlicher Eingriff nicht in meinem elterlichen Ermessen steht, kann es ein deutlich schwererer erst recht nicht. ({2}) Ein solcher Eingriff bleibt rechtswidrig. Ob der Staat in diesen Fällen allerdings zum Mittel der Strafverfolgung greifen will, ist eine ganz andere Frage. Niemand hat in dieser Debatte verlangt, die Eltern muslimischer und jüdischer Kinder strafrechtlich zu verfolgen. Diese wiederholte Unterstellung gegenüber den Unterzeichnern des Alternativentwurfs weise ich ebenso zurück wie den Vorwurf des Antisemitismus. ({3}) Der Staat kann seine Schutzpflicht zwar nicht einfach aufheben, der Staat hat allerdings durchaus ein Ermessen, mit welchen Mitteln er dieser Schutzpflicht Nachdruck verleihen will. Ohne Strafantrag des Verletzten und ohne öffentliches Interesse bleibt eine KörperverletKatja Keul zung schon jetzt nach § 230 StGB ohne strafrechtliche Ahndung. ({4}) Auf diesem Wege können die Existenz und die Bedeutung religiöser Zeremonien rechtlich angemessen berücksichtigt werden. Und so ist es bisher schon immer geschehen, da es trotz der langjährigen Auseinandersetzung unter Juristen bei uns und in aller Welt um die rechtliche Bewertung der Beschneidung niemals zur Verurteilung islamischer oder jüdischer Eltern gekommen ist. Wenn mir jetzt an dieser Stelle entgegengehalten wird, das sei nun aber wegen des Kölner Urteils für die Zukunft zu befürchten, dann möchte ich doch für etwas mehr Vertrauen in unsere rechtsstaatlichen Institutionen plädieren. ({5}) Wem dieses Vertrauen nicht ausreicht und wer auf Nummer sicher gehen will, der müsste die Voraussetzungen der Straffreiheit tatsächlich normieren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Keul, darf der Kollege Volker Beck Ihnen eine Zwischenfrage stellen?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein danke, ich habe mit dem Kollegen Beck schon ausführlich diskutiert. ({0}) Vor einer solchen gesetzgeberischen Herausforderung standen wir Anfang der 90er-Jahre schon einmal. Beim Abtreibungsrecht haben wir bis heute die Situation, dass die Abtreibung zwar rechtswidrig, aber unter bestimmten Umständen nicht strafbar ist. Auch bei dieser grundrechtsrelevanten Konstellation wollte man den Eingriff nicht strafrechtlich verfolgen, weil alle wussten, dass er ohnehin vorgenommen würde. Das Bundesverfassungsgericht sah jedoch wegen Art. 1 Grundgesetz keine Möglichkeit, den Eingriff generell für rechtmäßig zu erklären. Der Staat hat an dieser Stelle Rücksicht genommen auf gesellschaftliche Realitäten und ungewünschte Nebenaspekte einer möglichen Strafverfolgung und hat ausdrücklich geregelt, unter welchen Umständen die Strafbarkeit entfallen soll. Wer also meint, es gäbe tatsächlich einen Regelungsbedarf im Hinblick auf die Straffreiheit von Beschneidungen, hätte konsequenterweise diesen Weg gehen müssen. ({1}) Eine Regelung im Sorgerecht kann dagegen nur präzisieren, nicht aber einen grundrechtswidrigen Eingriff für rechtmäßig erklären. Auch den Änderungsanträgen, die sich auf der Grundlage des Koalitionsentwurfs auf die Berücksichtigung des kindlichen Willens beziehen, kann ich nicht zustimmen. Diese Änderungsanträge versuchen die Quadratur des Kreises. Soll das Sorgerecht der Eltern die Beschneidung eines Säuglings mit umfassen, kommt es auf einen entgegenstehenden Willen des Kindes gerade nicht an. Kinder haben eben kein Recht, sich dem Erziehungsrecht ihrer Eltern zu entziehen; deswegen ist es ja auch ein Erziehungsrecht. Soll es auf den Willen des Kindes ankommen, dann kann dies konsequenterweise frühestens ab der Religionsmündigkeit gelten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Ende. Ich betone noch einmal abschließend: Niemand will muslimischen oder jüdischen Eltern die Staatsanwaltschaft ins Haus schicken. Der von der Mehrheit des Hauses vorgelegte Gesetzentwurf ist allerdings schlicht nicht geeignet, die von ihm selbst anvisierte und für nötig befundene Rechtsklarheit herzustellen. Vielen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Norbert Geis für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann in dieser Sache zwar verschiedener Auffassung sein. Eines kann man aber festhalten, nämlich dass diese Debatte im gesamten Gesetzgebungsverfahren sowohl hier im Bundestag als auch im Bundesrat sowie in den Ausschüssen zur Versachlichung des Themas beigetragen hat. Diese Feststellung, anknüpfend an die diesbezügliche Bemerkung von Herrn Thomae, scheint mir wichtig zu sein. Das Gleiche gilt auch für die Diskussion draußen in der Bevölkerung. Hier ist versucht worden und wird weiter versucht, sachlich Argument gegen Argument abzuwägen. Allerdings, Frau Kollegin Keul, glaube ich nicht, dass man die Möglichkeit der Beschneidung allein auf Straffreiheit stützen kann. Vielmehr muss ein klares Wort dazu gesprochen werden, dass die Beschneidung nicht nur straffrei, sondern darüber hinaus rechtsgemäß ist, dass sie im Einklang steht mit unserer Rechtsordnung. Das will der vorgelegte Gesetzentwurf erreichen, und insbesondere deswegen unterstützen wir ihn. ({0}) Wir diskutieren über dieses Thema, weil die Frage aufgekommen ist, ob ein Arzt oder eine Person, die von einer Religionsgemeinschaft dazu besonders autorisiert und ausgebildet worden ist, sich strafbar macht, also gesetz- und rechtswidrig handelt, wenn sie ein noch nicht einsichts- und urteilsfähiges Kind aus nichtmedizinischen Gründen beschneidet und hierzu die Einwilligung der Eltern vorliegt. Das ist die Frage, um die es geht. In anderen europäischen Ländern spielte diese Diskussion seit Jahrtausenden keine Rolle. Nun liegt jedoch das Urteil des Landgerichts Köln auf dem Tisch, und wir haben uns auch im Bundestag mit dieser Frage zu befassen. Man kann an dieser Frage nicht vorbeigehen, weil Unsicherheit in der Bevölkerung, insbesondere bei den Ärzten, entstanden ist. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung versucht, hier Klarheit zu schaffen, und ich meine, dies ist auch gelungen. Es gibt in der Rechtswissenschaft verschiedene Meinungen darüber, ob die Beschneidung, wenn sie aus religiösen Gründen vorgenommen wird, überhaupt tatbestandsmäßig im Sinne des § 223 StGB ist, ob sie also nicht sozial adäquat ist. Zum einen gibt es die Meinung, dass die Einwilligung der Eltern diese Tat rechtfertigt. Zum anderen gibt es die Meinung - sie wird auch hier teilweise vertreten -, dass die Beschneidung trotz Einwilligung der Eltern eine Körperverletzung bleibt und deshalb strafrechtlich zu verfolgen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Bundesregierung lässt die beiden genannten Fragen offen und entscheidet sich dafür, zu sagen, dass die Beschneidung im Einklang mit unserer Rechtsordnung steht. Es stellt sich zunächst einmal die Frage, was mit der Einwilligung der Eltern gemeint ist, die Voraussetzung für die Beschneidung ist. Die Einwilligung der Eltern basiert auf Art. 6 Grundgesetz, die sogenannte elterliche Sorge, die den Eltern zusteht. Das Recht aus Art. 6 Grundgesetz ist kein klassisches -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Der Kollege Ströbele würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lassen Sie mich diesen Gedanken gerade zu Ende führen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja, gerne. - Einen kleinen Augenblick, Herr Ströbele.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage, ob die Einwilligung der Eltern ein Recht nach Art. 6 Grundgesetz ist, ist zu bejahen. Art. 6 Grundgesetz ist kein klassisches Freiheitsrecht, sondern die Anerkennung des Staates, dass Eltern zusammen mit ihren Kindern, in der Familie, in einem Raum leben können, in dem der Staat zunächst einmal nichts zu suchen hat, sondern ihm nur das Wächteramt zugewiesen worden ist. Das ist, glaube ich, eine Voraussetzung, die man sich vergegenwärtigen muss, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Beschneidung mit unserer Rechtsordnung in Einklang steht. - Jetzt bitte, Herr Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Geis, ich bin trotzdem nicht überzeugt, dass der Vorschlag der Bundesregierung der richtige ist. Wirft nicht jede gesetzliche Regelung, die Sie hier treffen - wenn Sie sagen: „Das und das ist erlaubt“, oder: „Das und das ist das Recht der Eltern“ -, die Frage auf: Was ist denn, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind? Muss man dann nicht, wenn der Gesetzgeber überhaupt tätig wird, den Schluss ziehen: „Wenn der Gesetzgeber den einen Fall geregelt hat, dann meint er, das Recht der Eltern beziehe sich nicht auf den Rest“? Ich will es ganz konkret machen. Nehmen wir den in Art. 1 des Regierungsentwurfes vorgesehenen § 1631 d Abs. 2 BGB. Darin steht, dass in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes auch jemand, der nicht Arzt ist, eine Beschneidung durchführen kann. Was ist, wenn jemand, der nicht Arzt ist, nach sechs Monaten und drei Tagen eine Beschneidung durchführt? Sagen Sie nicht dadurch, dass Sie dieses Gesetz überhaupt machen, dass es in diesem Falle nicht mehr das Recht der Eltern ist, eine wirksame Einwilligung abzugeben? Deshalb sage ich: Manchmal ist es besser, gar kein Gesetz zu machen, als ein Gesetz zu machen, das ununterbrochen neue, zusätzliche Fragen aufwirft. Wir haben das Strafgesetzbuch seit mehr als 140 Jahren, und mir ist in diesem Zusammenhang nicht eine einzige Verurteilung bekannt, völlig zu Recht.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Ströbele, ich glaube, dass ein Gesetz notwendig ist, weil im Land, zum Beispiel bei den Ärzten, Verwirrung entstanden ist. Die Ärzte haben die Furcht, sich strafbar zu machen, wenn sie eine Beschneidung vornehmen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Personen, die dazu durch die Religionsgemeinschaften besonders autorisiert sind. Deswegen glaube ich, dass es schon notwendig ist, eine gesetzliche Regelung zu treffen. Ich unterstütze das ganz ausdrücklich. Ich möchte im Laufe meiner Ausführungen zu Ihrer weiteren Frage Stellung nehmen. Sie gehen, wie ich meine, auf ein Kernelement ein. Es geht um die Frage, welchem Ziel die Gewährung dieses Elternrechts nach unserer Verfassung dient. Ziel ist die Wahrung des Kindeswohls. Das Elternrecht heißt elterliche Sorge und hat keinen anderen Zweck und Sinn, als für das Kindeswohl zu sorgen. Nun muss man sich fragen: Was ist unter Kindeswohl zu verstehen? Ist eine Beschneidung im Sinne des Kindeswohls? Ich komme zu dem Ergebnis, dass die Eltern das ihnen von der Verfassung eingeräumte Recht haben, darüber zu entscheiden, was richtig und was falsch für das Kind ist, was dem Kindeswohl entspricht und was nicht. Nicht der Staat hat das Interpretationsrecht, nicht die Ärzte, nicht die Gesellschaft oder sonst irgendjemand, sondern zunächst haben allein die Eltern das Interpretationsrecht, zu entscheiden, was dem Wohl des Kindes entspricht. Wenn die Frage geklärt ist, ob den Eltern das Interpretationsrecht bezüglich des Kindeswohls zusteht, dann stellen sich weitere Fragen, nämlich ob das auch die Entscheidung über die Beschneidung erfasst - wie ich vorhin schon gefragt habe - und ob die Beschneidung dem Kindeswohl entspricht oder nicht. Hier muss man zubilligen, dass der Staat dies durch den freiheitlichen Raum ermöglicht, den er den Eltern zur Verfügung stellt. Natürlich ist nicht jede Entscheidung, die Eltern angeblich im Sinne des Kindeswohls treffen, wirklich im Sinne des Kindeswohls. Dann darf der Staat aufgrund seines Wächteramtes eingreifen. Die Frage ist, ob die Beschneidung dazugehört. Der Gesetzentwurf sagt ganz klar: Die Beschneidung gehört dazu. In dem Gesetzentwurf wird nicht nach den Motiven gefragt, es wird nicht gefragt, aus welchen Gründen die Beschneidung vorgenommen wird. Der Gesetzentwurf lässt dies offen, und zwar aus gutem Grund; denn es gibt vielerlei Gründe dafür, dass eine Beschneidung dem Kindeswohl entsprechen kann. Aber es gibt natürlich auch Gerichte, die unter Umständen sagen - diese Möglichkeit muss der Gesetzentwurf auch offenlassen -: Eine Beschneidung etwa aus kosmetischen Gründen entspricht nicht dem Kindeswohl. Da stellt sich natürlich die Frage: Könnte ein Gericht nicht auch sagen: Eine Beschneidung, die aus religiösen Gründen vorgenommen wird, entspricht nicht dem Kindeswohl? Wir leben im Zeitalter des Relativismus. Da ist es durchaus möglich, dass man den Einfluss der Religion zurückdrängt. Hier kommt Art. 4 Grundgesetz ins Spiel. Wir haben die Religionsfreiheit, und die Eltern haben die Pflicht und auch die Verantwortung, für das Kind die vielleicht wichtigste Entscheidung, nämlich ob und, wenn ja, welcher Religion es angehört, zu treffen. Hier kommt der Aspekt ins Spiel, der schon öfters erwähnt worden ist, dass nämlich für die Juden die Beschneidung ein konstitutives Element ist. Man kann nicht Jude werden, man kann nicht Mitglied des Bundes von Abraham und Gott werden - der über alle Jahrtausende hinweg bis heute getragen wurde -, wenn die Beschneidung nicht vorgenommen worden ist. Das haben wir zu respektieren. Ich glaube, dass der vorliegende Gesetzentwurf Klarheit schafft. Ich hoffe sehr, dass wir eine große Mehrheit dafür finden. Ich danke Ihnen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion. ({0})

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Monaten der intensiven Debatte über den Umgang mit der Beschneidung von männlichen Kindern haben wir heute über zwei Gesetzentwürfe und mehrere Änderungsanträge zu entscheiden. Bei beiden Gesetzentwürfen steht das Kindeswohl im Mittelpunkt, und zwar völlig zu Recht; denn es geht um kleine Jungs, die noch nicht für sich selbst sprechen können. Obwohl in beiden Gesetzentwürfen das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt wird, werden unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Der Entwurf der Kollegin Rupprecht und anderer enthält nach einer Abwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, der elterlichen Sorge und der Religionsfreiheit die Schlussfolgerung, dass Beschneidung in Deutschland möglich sein soll, aber nur durch einen Arzt, unter Narkose und ab einem Alter des Jungen von 14 Jahren. Ich weiß, dass die Unterstützer dieses Gesetzentwurfs wollen, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland auch in Zukunft möglich ist. Tatsächlich wäre die Konsequenz aus diesem Gesetzentwurf aber - das haben wir schon mehrere Male gehört; das muss jedem bewusst sein -, dass dieses Leben entweder nicht mehr möglich wäre oder Eltern, Beschneider, Ärzte, die an diesem Ritual weiterhin festhalten, mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssten. Dessen muss man sich bewusst sein. ({0}) Auch wenn es für viele von uns ein fremdes Ritual darstellt, ist es für das Judentum konstitutiv, dass Jungen am achten Tag ihres Lebens beschnitten werden, von einem Mohel, in der Synagoge, ohne Narkose. Da stellt sich die Frage: Können wir das vor dem Hintergrund unseres Grundgesetzes und unserer Wertvorstellungen zulassen? Ich sage: Ja. Ich möchte das erläutern: Dieses jahrtausendealte Ritual ist im Judentum von so großer Bedeutung, dass es sogar durchgeführt wird, wenn dieser achte Tag auf Jom Kippur fällt, auf den höchsten Feiertag im Judentum, an dem sonst fast alles jüdische Leben stillsteht. Das verdeutlicht die Bedeutung des Ganzen: Durch diese Beschneidung - auch wenn es uns fremd ist; ich sage es noch einmal - wird der Junge mit Gott verbunden. Was im Judentum aber noch wichtiger ist als der Grundsatz der Beschneidung, ist ein Grundsatz, der sich - ich bitte um Verständnis, wenn ich das nicht ganz korrekt ausspreche - Pikuach Nefesch nennt. Dieser Grundsatz im Judentum besagt, dass die Gefährdung von Gesundheit und Leben unter allen Umständen zu vermeiden ist. Das heißt, dass kein Junge beschnitten werden darf, wenn eine Gefährdung der Gesundheit oder gar des Lebens droht. Das ist ein ganz klarer Grundsatz, der über dem Grundsatz der Beschneidung steht. Im Kern geht es hier um die Frage, ob die elterliche Sorge das Recht umfasst, in eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung, eine gefährliche Körperverletzung - man muss es so deutlich aussprechen -, einzuwilligen. Die elterliche Sorge muss zum Wohle des Kindes ausgeübt werden. Aber was ist das Kindeswohl in genau diesem Fall? Ist es wirklich ausschließlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit? Ich meine, das Kindeswohl ist viel umfassender zu begreifen. Wir alle sind uns einig, dass das Kindeswohl ganz klar eine gewaltfreie Erziehung umfasst. Es umfasst meiner Einschätzung nach aber auch die Entscheidung der Eltern darüber, dass das Kind im gesellschaftlichen Umfeld der Familie als akzeptiertes Mitglied aufwachsen und sich entwickeln kann. Diese Möglichkeit wäre nicht gegeben, wenn die Eltern die Entscheidung über eine Beschneidung nicht treffen könnten. Ganz klar ist: Die elterliche Sorge muss verantwortungsvoll ausgeübt werden. Das heißt, immer dann, wenn die Gesundheit des Kindes in Gefahr ist, muss von dieser Beschneidung abgesehen werden. Hiervon haben mich zahlreiche Gespräche mit jüdischen Eltern überzeugt. Diese haben ein zutiefst eigenes Interesse daran, ihre Söhne keiner gesundheitlichen Gefährdung auszusetzen, zum Beispiel, wenn das Kind als Frühchen mit einem ganz geringen Gewicht auf die Welt kommt oder eine Erkrankung, zum Beispiel eine Gelbsucht aufweist. Dann kommt der Grundsatz Pikuach Nefesch zum Tragen. Dann ist eine solche Beschneidung ganz klar verboten. Ich halte es für richtig, dass der Regierungsentwurf vorsieht, diese Regelung im Bereich der Personensorge anzusiedeln - genau da gehört er hin - und die Entscheidung bei den Eltern belässt. Ich hätte mir aber gewünscht - das muss ich noch einmal deutlich sagen -, dass einige Unklarheiten, die aus meiner Sicht sehr wohl vorhanden sind, im Interesse der Rechtssicherheit hätten geklärt werden können. Deswegen haben der Kollege Lischka, andere Kollegen und ich einen Änderungsantrag vorgelegt, der insbesondere die Frage der ärztlichen Aufklärung über die Risiken, über mögliche Folgen einer solchen Beschneidung regelt. Es wird klargestellt, dass darüber aufgeklärt werden muss, und zwar mit entsprechendem Sachverstand. An dieser Stelle möchte ich noch einmal an Sie, die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, appellieren: Stimmen Sie diesem Änderungsantrag zu. Er enthält Klarstellungen und ermöglicht dennoch gemäß dem Regierungsentwurf die Beschneidung des männlichen Kindes am achten Tag in der Synagoge ohne Narkose entsprechend dem jüdischen Ritual. Stimmen Sie diesem Änderungsantrag im Interesse der Rechtssicherheit zu. ({1}) Lassen Sie mich zum Schluss noch ganz kurz auf einen Vorwurf eingehen

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das muss aber jetzt ganz zügig erfolgen.

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- das mache ich ganz zügig -, der mich in den letzten Wochen und Monaten - das muss ich zugeben - sehr betroffen gemacht hat. Mir wurde vorgeworfen, ich würde, wenn ich jetzt heute hier zustimme, Tür und Tor dafür öffnen, dass auch weibliche Genitalverstümmelung in Zukunft möglich wird, weil auch das ein religiöses Ritual ist. Ich glaube, man muss schlicht und ergreifend darstellen: Weibliche Genitalverstümmelung ist nicht nur in Deutschland strafbar, sondern sie ist sogar eine Menschenrechtsverletzung. Dies haben die Vereinten Nationen bereits im Jahr 1995 klargestellt. ({0}) Deswegen kann doch niemand eine Verbindung zwischen der männlichen Beschneidung, über die es niemals eine solche Entscheidung gegeben hat, und einer Menschenrechtsverletzung herstellen. Niemand kann behaupten, ich wäre, weil ich die männliche Beschneidung zulasse, mit einer Menschenrechtsverletzung einverstanden. Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Wer sich heute für diesen Regierungsentwurf - mit den Änderungen, um die ich noch einmal bitte - entscheidet, öffnet keineswegs die Tür für weibliche Genitalverstümmelung. Diese muss in Deutschland strafbar bleiben. Vielen Dank für Ihre Geduld. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann. ({0})

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kölner Urteil - das hat auch die heutige Debatte wieder gezeigt - hat uns alarmiert. Es hat uns Wertungswidersprüche aufgezeigt und unsere Toleranz gegenüber Muslimen und Juden durchaus infrage gestellt. Im Ergebnis aber - das kann man heute sagen hat das Urteil durchaus Positives bewirkt. Dies möchte ich gerne darstellen. Die Fragen, die das Urteil aufgeworfen hat, können wir heute gut beantworten. Mit diesen Antworten leben wir besser als vor dem Urteil. Wir haben ein religiöses Ritual besser verstanden - dies gilt jedenfalls für mich -, seinen Wert für Muslime und Juden wahrgenommen und gleichzeitig den dahinterstehenden Grundrechtewiderstreit deutlich gemacht. Es hat eine Debatte gegeben, und sie hat - bei allem Disput im Einzelnen; diesen gibt es auch heute - ein klares und eindeutiges Signal gesetzt. Unser Signal heute heißt: Jüdisches und muslimisches Leben ist bei uns in Deutschland willkommen. ({0}) Im Sommer war das durchaus anders. Nach dem Kölner Urteil kamen zuerst die Leitung des Jüdischen Krankenhauses in Berlin, später weitere Ärzte, Bürger, Rabbiner und Muslime zu mir und zur Staatsanwaltschaft in Berlin. Sie alle trugen sehr besorgt vor, sie wüssten nicht, ob sie sich mit der Ausübung ihrer Religion strafbar machen. Lieber Herr Ströbele, ich kann IhSenator Thomas Heilmann ({1}) nen versichern: Kein Gesetz ist keine Lösung. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat mir sehr deutlich gemacht, dass sie ohne die Entschließung im Deutschen Bundestag vor der Sommerpause nach Abwägung aller Details Beschneidungen verfolgt hätte. Deshalb war der Beschluss, also der ernsthafte Wille des Gesetzgebers, es zu dulden, durchaus strafvermeidend und hat eine aus meiner Sicht furchtbare Debatte für Deutschland vermieden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Senator Heilmann, würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Beck gestatten?

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Ja, gestatte ich.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Schönen Dank, Herr Senator. - Sie haben eben noch einmal betont, dass mit diesem Gesetzentwurf das Zeichen gesetzt werden soll, dass jüdisches und muslimisches Leben in unserem Land gewollt und gewünscht ist. Könnten Sie diese Aussage vielleicht um den Satz erweitern, dass jüdisches und muslimisches Leben auch zu den Bedingungen der Juden und Muslime gewünscht ist und nicht nur zu unseren Bedingungen? Ich möchte das kurz erklären. Ich habe einige Jahre als Integrationsbeauftragte gearbeitet, und wir haben sehr hitzige Debatten über das Thema Leitkultur geführt. Es ging immer um die Frage: Wo ist das Recht auf Differenz? Wo müssen wir denen, die mit anderen Wertvorstellungen zu uns kommen, das Recht einräumen, ihr Leben so einzurichten, dass sie einen Teil davon behalten können? Schließlich wollen wir nur Integration und nicht Assimilation. Könnten Sie der Überlegung folgen, dass wir uns mit einer Setzung „Diesem inhärenten Teil des jüdischen und des muslimischen Glaubens können wir keinen Raum einräumen“ stark in Richtung einer Assimilationsaufforderung bewegen, statt das Recht auf Differenz und Vielfalt zu betonen, die eine Politik der Vielfalt eigentlich beinhalten muss?

Not found (Gast)

Mit Verlaub, ich kann in meinen acht Minuten jetzt keine ganze Integrationsdebatte ausrollen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Aber wenn Sie etwas lauter sprechen würden, würde das, was Sie erläutern wollen, auch ein bisschen besser zu verstehen sein.

Not found (Gast)

Ich kann Ihre Frage insofern eindeutig bejahen, als dass „willkommen“ heißt, dass sie ihre Identität wahren dürfen und sie nicht abgeben müssen. Darum geht es auch in diesem Einzelfall. Heißt das, dass sie dann alles dürfen, was sie mitgebracht haben? Natürlich nicht. ({0}) Ich fühle mich jetzt, ehrlich gesagt, leicht überfordert, das nun in aller Breite als Antwort auf Ihre Frage auszuführen. Heute können wir sagen - wenn ich fortfahren darf -, dass die Frage der Zulässigkeit der Beschneidung auch schnell und zügig beantwortet wird. Das ist zuallererst - ich habe es eben erwähnt - Ihrer Initiative, lieber Herr Kauder, zu verdanken. Ihnen, Frau Ministerin LeutheusserSchnarrenberger, ist aus meiner Sicht ein Gesetzentwurf gelungen, der heute in diesem Haus und am Freitag im Bundesrat eine breite Mehrheit erwarten kann. Somit kann ich in Berlin rasch Antwort geben. Das ist nicht selbstverständlich, und dafür danke ich heute. Es ist nach meiner festen Überzeugung nicht nur eine zügige und klare Antwort gelungen, sondern es ist vor allem die richtige Antwort gelungen. ({1}) Denn mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz wird nicht entschieden, dass und wann Beschneidungen an Knaben zu befürworten sind. Ich selbst gehöre nicht zu den Befürwortern einer Beschneidung, wenn sie an nicht einwilligungsfähigen Knaben vorgenommen wird. Mehr noch, ich begrüße es sogar, wenn sich Eltern trotz ihres Glaubens zu einem Verzicht auf eine Beschneidung ihres Sohnes durchringen können. Der Diskurs über die Beschneidung und ihre Begleitumstände ist aus meiner Sicht erwünscht - insofern gebe ich auch der linken Seite des Hauses durchaus recht -, gerade wenn er ausgewogen, sachlich und nicht feindlich geführt wird. Was das Gesetz aber festlegen muss, ist, dass das Strafrecht in dieser Debatte nichts zu suchen hat; darum geht es im Kern. ({2}) Das Strafrecht sichert die wichtigsten Regeln unseres Zusammenlebens im Interesse eines friedlichen Miteinanders in unserer Gesellschaft. Zu diesem Rechtsfrieden gehört insbesondere, dass die Strafjustiz nur als Ultima Ratio des Rechts eingesetzt wird, der Staat sich also zurückhält. Der Staat vertraut seinen Bürgern - allen Bürgern: Er vertraut seinen christlichen Bürgern genauso wie den atheistischen, seinen muslimischen Bürgern genauso wie seinen jüdischen Bürgern, und zwar gerade im Hinblick auf die Erziehung, Pflege und Liebe zu ihren Kindern. Die Zurückhaltung des Strafrechts ist eine Errungenschaft des Rechtsstaats. Wesentliche Elemente dieser Entwicklung waren und sind die Trennung von Kirche und Staat und der in Deutschland geltende Religionsfrieden. Senator Thomas Heilmann ({3}) In dieser Tradition - dieser Hinweis kam bisher nicht vor - hat schon der Staat Preußen - wohlgemerkt: per Gesetz von 1806 - Beschneidungen in Deutschland ausdrücklich gestattet. Die damalige gesetzlich normierte Wertung stellen wir heute wieder her. Für die, die es nicht wissen: Sie ist letztlich über den Nationalsozialismus verloren gegangen. Den Juden wurde vor fast 2 000 Jahren durch die Eroberung Jerusalems durch die Römer und den damit einhergehenden Massenmord ihr Staatsgebiet genommen. Die seitdem in alle Welt zerstreuten Juden fanden über die Jahrhunderte ihren bewundernswerten Halt in ihrer Religion. Identität fanden und finden sie eben nicht in einer Heimat, die sie nicht hatten, sondern in ihrem Bekenntnis, zu dem gehört, dass der Bund mit Gott in der Beschneidung seinen Ausdruck findet. Der Islam hat diese Tradition in abgewandelter Form übernommen. Der jahrtausendelange Überlebenskampf des jüdischen Volkes, der in der Schoah bekanntermaßen einen furchtbaren Höhepunkt erreicht hat, war auch deshalb erfolgreich, weil zur jüdischen Identität Rituale wie die Beschneidung gehören, ({4}) mit denen der Bund mit ihrem Gott symbolisiert wird jenem Gott, der seinem Volk Beistand zugesagt hat, auf den es in den finstersten Stunden der Geschichte hoffen durfte. Das verdient mehr als unseren Respekt. ({5}) Das verdient, dass wir als Staat diese Tradition im Wortsinne anerkennen, also erkennen und achten. Die Beschneidung der Knaben ist kein Symbol der Unterdrückung, wie etwa die Beschneidung von Mädchen, sondern ein Zeichen des Überlebenskampfes und des Bekenntnisses. Darin liegt der Unterschied. Deswegen werten wir auch unterschiedlich. Auch Muslime beanspruchen zu Recht unser Verstehen und unser Respektieren in gleicher Weise wie die Juden. Die Beschneidung ist integraler Bestandteil des Islam. Ohne sie gibt es für viele Muslime keine rituelle Reinheit. Auf der Basis eines solchen Anerkenntnisses lässt sich dann das Gespräch über denkbare Weiterentwicklungen der Beschneidung gut führen - mit und vor allem innerhalb der Religionsgemeinschaften. Der alternative Gesetzentwurf, der eine Beschneidung erst ab 14 Jahren vorsieht, leistet das gerade nicht. Deshalb kann man zwar die gute Absicht anerkennen, aber es wird eben genau zu dem führen, was wir nicht wollen, nämlich zur Einschaltung der Staatsanwaltschaft. In den letzten Monaten wurde aus meiner Sicht Gutes bewirkt. Wir haben nicht verschleiert, sondern deutlich gemacht, dass legitime Weltsichten und Normen in Deutschland aufeinandertreffen. Sie zu versöhnen, ist die Voraussetzung für eine gedeihliche Zukunft unseres Landes. Der ausgewogene Gesetzentwurf der Bundesregierung leistet einen wertvollen Beitrag dafür, dass unsere Gesellschaft zusammenwächst und das wechselseitige Verständnis größer wird. Dafür brauchen wir Respekt, Argumente und Debatten, aber eben keine strafrechtlichen Sanktionen. Deshalb unterstütze ich den neuen Gesetzentwurf ausdrücklich. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Jerzy Montag.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich unterstütze den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus der vollen Überzeugung heraus, dass der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber in Deutschland Eltern, die sich für eine Beschneidung ihrer Kinder aussprechen, nicht den Vorwurf machen sollte, sie verstießen gegen das Gesetz und würden ihre elterlichen Sorgfaltspflichten überschreiten. Wir wollen ihnen auch nicht den Vorwurf machen, dass sie eine Körperverletzung an ihren Kindern begehen. ({0}) Aber auch dieser Gesetzentwurf könnte noch verbessert werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Kindeswohl an zwei Stellen nicht ausreichend beachtet wird und er deswegen eine Änderung erfahren sollte. Beim ersten Punkt geht es um die Beachtung des kindlichen Willens. Wir müssen uns klar werden: Der Gesetzentwurf, über den wir gleich abstimmen, behandelt Beschneidungen an nicht einsichtsfähigen und nicht urteilsfähigen Kindern. Das sind nicht nur Babys. Nicht einsichts- und nicht urteilsfähig sind Kinder bis zum 14., manchmal bis zum 16. Lebensjahr. Es geht also um Jungen bis zu diesem Alter. Ich sage Ihnen: Wenn ein 13-jähriger Junge eindeutig und klar erklärt, er möchte nicht beschnitten werden, dann muss die Antwort des Gesetzes klar sein: Dieser Wille ist zu beachten. Der Fehler im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist hier, dass diese Beachtung nicht grundsätzlich stattfindet. ({1}) In der Begründung auf Seite 18 lesen wir, dass die Eltern in Ausnahmefällen eine solche Meinung ihres 13-jährigen Sohnes berücksichtigen könnten. Mir ist das zu wenig. Deswegen habe ich den Änderungsantrag gestellt, dass dann, wenn die Kinder alt genug sind, um eine klare Position zu beziehen, diese auch zu achten und eine Einwilligung gegen eine Erklärung des Kindes nicht zulässig ist. ({2}) Der zweite Punkt, der mir am Herzen liegt, ist die in Abs. 2 des neuen § 1631 d BGB geregelte Ausnahme. Bei der Beschneidung handelt es sich um einen medizinisch nicht indizierten operativen Eingriff. Ein medizinisch nicht indizierter operativer Eingriff muss nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden; das bedeutet: mit einer narkotisierenden Schmerzlinderung. Wir müssen jetzt also nach einer Lösung suchen, die das unbedingte Erfordernis des Kindeswohls - Schmerzlinderung - auf der einen Seite mit den Erfordernissen - ich sage das klar und deutlich - der jüdischen Kultusgemeinde, also der jüdischen Religion, auf der anderen Seite in Einklang bringt. Das ist möglich! Das ist deswegen möglich, weil, wie uns jedenfalls Ärzte gesagt haben, in den ersten 14 Lebenstagen leichte operative Eingriffe an Babys, wenn sie überhaupt vorgenommen werden, ohne Narkotisierung stattfinden, weil die Narkotisierung den Babykörper mehr belastet als der Eingriff selbst. Wir haben also mit der 14-Tage-Frist eine Frist, die medizinisch begründet ist, die vom Kindeswohl begründet ist und die die Möglichkeit der Beschneidung nach dem jüdischen Glauben am 8. Tag durch einen Mohel belässt. Die beiden Änderungsanträge, die wir jetzt zur Abstimmung stellen, sind nicht gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung gerichtet. Wir werden für diesen Gesetzentwurf stimmen. Aber wir könnten ihn besser machen. Wir könnten die Zustimmung in diesem Hause vergrößern. Ich bitte Sie herzlich, das noch einmal zu bedenken und den beiden Änderungsanträgen, die Kollegen und ich eingebracht haben, zu folgen. Danke schön. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bevor ich der Kollegin Özoğuz als letzter Rednerin das Wort erteile, darf ich diejenigen, die im Saal stehen, bitten, Platz zu nehmen, zumal, bevor wir in die Abstimmungen eintreten, noch einige Erläuterungen zum Abstimmungsverfahren erfolgen. Bitte schön, Frau Kollegin. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir sind nun am Ende der Debatte angelangt. Daher möchte ich nur noch auf wenige Punkte Bezug nehmen, die mir besonders wichtig sind. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist eine der zentralen Errungenschaften der Aufklärung. Aufklärung bedeutet auch, dass zum Beispiel Weltreligionen ihre Berechtigung im weltanschaulich neutralen Staat haben. Wir sind eine plurale und äußerst heterogene Gesellschaft in Deutschland. Das ist auf der einen Seite eine große Chance. Denn jeder und jede kann eine individuelle Lebensplanung und individuelle Priorisierung vornehmen; natürlich stets im Rahmen unseres Grundgesetzes. Auf der anderen Seite ist es aber auch anstrengend und erfordert ständige Mühen, anzuerkennen und manchmal auch auszuhalten, dass Menschen unterschiedliche Auffassungen darüber haben, was für sie wichtig ist oder nicht und was für sie richtig oder falsch ist. Was diese Debatte in meinen Augen erschwert, sind, wie häufig, die Emotionen. Inhaltlich wird hier von mehreren der Anstoß gegeben, darüber nachzudenken, ob eine jahrtausendealte Tradition heute noch ihre Richtigkeit hat und ob sie tatsächlich nützt oder nicht. In meinen Augen kann eine solche Frage oder Anregung niemals falsch sein. Ich würde mir eine gute und sachliche Debatte - und zwar hauptsächlich, wenn ich das einmal so sagen darf, innerhalb der Religionsgemeinschaften - darüber wünschen, auch wenn es zunächst einmal einige Irritationen darüber gab, dass ein solcher Stein durch ein Gerichtsurteil ins Rollen gebracht wurde. ({0}) Aber wir hier in diesem Hause können den Religionsgemeinschaften diese Debatte nicht abnehmen. Wir führen eine andere Debatte. Es ist mir auch ein besonderes Anliegen, auszudrücken, dass wir uns immer wieder die Mühe machen sollten, diejenigen, die ein ernsthaftes Anliegen haben - ich schaue einmal Marlene Rupprecht extra an -, deutlich von denjenigen zu unterscheiden, die jede Gelegenheit nutzen, um sich selbst und die eigenen Überzeugungen über die Lebensweise anderer zu stellen. Ich möchte erwähnen, dass es leider auch bei dieser Debatte, so etwa in Bürgerbriefen oder Mails, seit dem Urteil des Kölner Landgerichts in Teilen eine Begleitmusik gab, die überheblich, streckenweise verletzend und zum Teil respektlos bis hin zu islamophob und antisemitisch war. Das, glaube ich, dürfen wir alle nicht akzeptieren und hinnehmen. ({1}) In Klammern darf ich hinzufügen: Fast ein wenig absurd mutet es auch an, dass Muslime in diesen letzten Wochen und Monaten fast ein Stück erleichtert darüber sein mussten, dass das Urteil auch Jüdinnen und Juden in Deutschland betrifft. Sie haben selber immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass man gar nicht wissen möchte, wie diese Debatte sonst verlaufen wäre. Ich möchte das einfach mal kritisch gesagt haben. ({2}) Es geht doch heute um Folgendes: Der Deutsche Bundestag kann nicht darüber entscheiden, wie Religionsgemeinschaften - in diesem Fall Islam oder Judentum sich inhaltlich definieren und wie sie ihre Überlieferungen und Glaubensschriften deuten. Das ist ausdrücklich weder das Recht noch die Aufgabe des Deutschen Bundestags. Wir können und wollen heute festlegen, dass die Anhänger verschiedener Religionsgemeinschaften ihre Religionen bei uns leben können. Eine besondere He26094 rausforderung ist dabei natürlich auch, dass hier im Hause nur sehr wenige diesen Glaubensgemeinschaften - also der muslimischen, dem Islam, oder auch der jüdischen Glaubensgemeinschaft - angehören und das Bild entsteht, dass hier Mehrheiten über Minderheiten urteilen. Ich respektiere - das zu sagen ist mir ganz wichtig die Meinung derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich gegen die Beschneidung von Jungen aussprechen oder diese erst ab dem 14. Lebensjahr ermöglichen wollen, auch wenn ich persönlich diese Überzeugung nicht teile. Denn ich halte es nicht für einen richtigen Weg - das hat in meinen Augen auch nichts mehr mit Auseinandersetzung und Verständigung zu tun -, wenn wir in Zukunft durch ein Verbot die staatsanwaltschaftliche Verfolgung ermöglichen und damit Juden und Muslime sehr pauschal kriminalisieren. Ich bezweifle stark, dass Deutschland sich damit einen Gefallen tun würde, ausgerechnet mit einem solchen Weg weltweit eine Vorreiterstellung einzunehmen. Zu guter Letzt möchte ich noch sagen - das wurde in der ersten Beratung sehr schön dargestellt -, dass sich weder Juden noch Muslime vorwerfen lassen müssen, dass sie ihre Kinder weniger lieben und achten oder auf ihr Wohl nicht allergrößten Wert legen würden. ({3}) Damit möchte ich diese Debatte beschließen und noch einmal für die Änderungsanträge von Burkhard Lischka und Kerstin Griese werben. Vielen Dank. ({4})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die mit weiteren Wünschen nach Zwischenfragen oder Kurzinterventionen nicht zum Zuge gekommen sind, um Verständnis. Wir haben statt der vereinbarten Debatten- zeit von 90 Minuten jetzt zwei Stunden über das Thema diskutiert. Das ist sicherlich auch angemessen. Aber wir haben noch unsere weitere Tagesordnung zu bewältigen, was mich zu einer Anregung führt. Es kommt jetzt wiederum verständlicherweise eine Reihe der für die spätere Tagesordnung vorgesehenen angemeldeten Fragen für die Fragestunde mit dem Hin- weis auf schriftliche Beantwortung im Tagespräsidium an. Ich habe den Eindruck, dass wir möglicherweise für die Fragestunde nicht die vorgesehenen zwei Stunden brauchen, sondern uns vielleicht vorab auf eine oder ein- einhalb Stunden verständigen könnten. Ich bitte daher darum, vielleicht während der namentlichen Abstim- mung zwischen den Geschäftsführern eine Verständi- gung herbeizuführen. Darauf können dann auch die wei- teren Planungen für den späteren Nachmittag und Abend abzielen. Vielleicht kann das während der ersten na- mentlichen Abstimmung zwischen den Geschäftsführern geklärt werden. Bevor wir nun zur Abstimmung kommen, bitte ich um Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Abstim- mungsverfahren einschließlich des Hinweises, dass mir mehrere schriftliche Erklärungen nach § 31 unserer Ge- schäftsordnung zu den einzelnen Anträgen bzw. zum Gesetzentwurf vorliegen sowie die Bitte um eine münd- liche Erklärung des Kollegen Schwanitz, die ich nachher zwischen den Abstimmungen aufrufen werde.1) Interfraktionell ist vereinbart, zuerst über den Gesetzentwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht und weiterer Abgeordneter abzustimmen. Danach werden wir über die drei Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Bundesregierung und anschließend über diesen Gesetzentwurf in veränderter oder nicht veränderter Form abstimmen. Zu den Gesetzentwürfen wie auch zu den Änderungsanträgen ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt. Zur Feststellung der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen werde ich die Sitzung jeweils unterbrechen müssen, weil das Abstimmungsergebnis von Bedeutung für den jeweils folgenden Abstimmungsgegenstand ist. Bitte vergewissern Sie sich vor der Stimmabgabe, ob die Stimmkarte, die Sie verwenden, Ihren Namen trägt. Darf ich fragen, ob irgendjemand Einwände gegen die vorgeschlagene Reihenfolge und das Verfahren der Abstimmung erhebt? - Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das einvernehmlich so beschlossen. Wir stimmen zunächst über den von den Abgeordneten Marlene Rupprecht, Katja Dörner, Diana Golze und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung ab. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 17/11800 und 17/11814, diesen Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11430 abzulehnen. Es ist dazu eine namentliche Abstimmung verlangt. Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, mir ein Zeichen zu geben, wenn die Urnen jeweils doppelt besetzt sind. - Alle Urnen sind ordnungsgemäß besetzt. Ich eröffne damit die erste namentliche Abstimmung. Darf ich fragen, ob noch jemand im Saal anwesend und stimmberechtigt ist, der seine Stimmkarte für die erste namentliche Abstimmung nicht abgegeben hat? Das ist jedenfalls für uns erkennbar nicht der Fall. Dann schließe ich die erste namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. 1) Anlagen 2 bis 6 Präsident Dr. Norbert Lammert Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung bekannt - hier handelt es sich um den Gesetzentwurf der Kollegin Rupprecht und weiterer Kolleginnen und Kollegen -: abgegebene Stimmen 584. Mit Ja haben gestimmt 91, mit Nein haben gestimmt 462, 31 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 583; davon ja: 91 nein: 461 enthalten: 31 Ja CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt SPD Ingrid Arndt-Brauer Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding ({0}) Klaus Brandner Ulla Burchardt Ingo Egloff Karin Evers-Meyer Elke Ferner Angelika Graf ({1}) Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({2}) Christel Humme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Steffen-Claudio Lemme Caren Marks Hilde Mattheis Gerold Reichenbach René Röspel Karin Roth ({3}) ({4}) Annette Sawade Bernd Scheelen Ewald Schurer Dr. Carsten Sieling Rüdiger Veit Ute Vogt Andrea Wicklein Dagmar Ziegler DIE LINKE Agnes Alpers Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Annette Groth Heike Hänsel Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Michael Leutert Stefan Liebich Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Wolfgang Nešković Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Kathrin Senger-Schäfer Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Katja Dörner Bettina Herlitzius Uwe Kekeritz Memet Kilic Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Agnes Krumwiede Monika Lazar Friedrich Ostendorff Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({5}) Manfred Behrens ({6}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen ({7}) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({8}) Dirk Fischer ({9}) Axel E. Fischer ({10}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({11}) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({12}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({13}) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Präsident Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Karin Maag Hans-Georg von der Marwitz Stephan Mayer ({14}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({15}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({16}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({17}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({18}) Anita Schäfer ({19}) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({20}) Patrick Schnieder Nadine Schön ({21}) Dr. Kristina Schröder ({22}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({23}) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({24}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({25}) Stefanie Vogelsang Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({26}) Peter Weiß ({27}) Sabine Weiss ({28}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Rainer Arnold Sören Bartol Sabine Bätzing-Lichtenthäler Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann ({29}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({30}) Hubertus Heil ({31}) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe ({32}) Fritz Rudolf Körper Christian Lange ({33}) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Katja Mast Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({34}) Anton Schaaf Marianne Schieder ({35}) Werner Schieder ({36}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({37}) Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Dr. Marlies Volkmer Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({38}) Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({39}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({40}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({41}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dr. Martin Lindner ({42}) Michael Link ({43}) Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({44}) Präsident Dr. Norbert Lammert Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({45}) Dirk Niebel ({46}) Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Serkan Tören Johannes Vogel ({47}) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({48}) DIE LINKE Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Roland Claus Werner Dreibus Nicole Gohlke Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Harald Koch Caren Lay Sabine Leidig Ulla Lötzer Dorothée Menzner Niema Movassat Paul Schäfer ({49}) Michael Schlecht Dr. Axel Troost Kathrin Vogler BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({50}) Volker Beck ({51}) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Priska Hinz ({52}) Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Sven-Christian Kindler Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Fritz Kuhn Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Kerstin Müller ({53}) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({54}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Enthalten CDU/CSU Norbert Schindler SPD Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Peter Danckert Dagmar Freitag Gustav Herzog Petra Merkel ({55}) Ullrich Meßmer Stefan Rebmann Ulla Schmidt ({56}) Carsten Schneider ({57}) FDP Dr. Erwin Lotter Torsten Staffeldt DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Jutta Krellmann Dr. Gesine Lötzsch Kornelia Möller Thomas Nord Sabine Stüber Alexander Ulrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Anton Hofreiter Markus Kurth Undine Kurth ({58}) Tabea Rößner Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner ({59}) Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum gleichen Gegenstand. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/11800 und 17/11814, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Drucksache 17/11295 anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge vor. Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag der Abgeordneten Burkhard Lischka, Christine Lambrecht, Rainer Arnold und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 17/11815. Die Abgeordnete Viola von Cramon-Taubadel hat die Teilung der Frage nach § 47 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages beantragt - das ist vorhin erläutert worden -, der die Änderungsantragsteller nicht widersprechen. Deswegen soll zunächst über Nr. 2 des Änderungsantrags - hier geht es um das Inkrafttreten und die Evaluationspflicht - einfach abgestimmt werden. Danach soll über den Rest des Änderungsantrags namentlich abgestimmt werden. Wir kommen jetzt also zu Nr. 2 des Änderungsantrags auf Drucksache 17/11815. Wer stimmt für diesen Teil des Änderungsantrags? - Wer stimmt dagegen? - Das Zweite ist die Mehrheit, so ist hier oben die übereinstimmende Auffassung. Damit ist dieser Teil des Änderungsantrags abgelehnt. Wir stimmen jetzt über den übrigen Teil des Änderungsantrags auf der Drucksache 17/11815 auf Verlangen der SPD-Fraktion namentlich ab. Ich darf deswegen die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, wieder die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die zweite namentliche Abstimmung. Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimmkarte für die zweite namentliche Abstimmung nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die zweite namentliche Abstimmung und bitte um Auszählung. Bevor ich die Sitzung unterbreche, bis wir das Ergebnis dieser namentlichen Abstimmung erhalten, möchte ich Sie noch um Zustimmung zu einer kleinen Änderung im Ablauf der heutigen Plenarsitzung bitten. In der Zwischenzeit ist unter den Fraktionen eine Verständigung darüber erfolgt, dass die Fragestunde im weiteren Verlauf unserer heutigen Tagesordnung nicht zwei Stunden, sondern eine Stunde dauern soll. Darf ich dazu Ihr Einvernehmen feststellen? - Dann haben wir die einschlägigen Vereinbarungen in dieser Weise korrigiert. - Ich bedanke mich. Die Sitzung ist unterbrochen. ({60})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich darf Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung mitteilen - hier geht es um den Änderungsantrag der Kollegen Lischka, Lambrecht und anderer -: Zu dieser zweiten Abstimmung liegen 579 Stimmkarten vor. 69 Kollegen haben sich enthalten. Mit Ja haben gestimmt 131, mit Nein haben gestimmt 379. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 579; davon ja: 131 nein: 379 enthalten: 69 Ja SPD Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({0}) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Michael Hartmann ({1}) Hubertus Heil ({2}) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe ({3}) Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel ({4}) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Thomas Oppermann Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({5}) Annette Sawade Anton Schaaf Marianne Schieder ({6}) Werner Schieder ({7}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({8}) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({9}) Dagmar Ziegler FDP Frank Schäffler DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Matthias W. Birkwald Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Jan Korte Caren Lay Stefan Liebich Thomas Lutze Dorothée Menzner Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Nešković Jens Petermann Richard Pitterle Paul Schäfer ({10}) Sabine Stüber Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Harald Ebner Kai Gehring Thilo Hoppe Nicole Maisch Kerstin Müller ({11}) Beate Müller-Gemmeke Krista Sager Dr. Gerhard Schick Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Nein CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({12}) Manfred Behrens ({13}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen ({14}) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({15}) Dirk Fischer ({16}) Axel E. Fischer ({17}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({18}) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Präsident Dr. Norbert Lammert Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({19}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({20}) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Karin Maag Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({21}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({22}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({23}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({24}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({25}) Anita Schäfer ({26}) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({27}) Patrick Schnieder Nadine Schön ({28}) Dr. Kristina Schröder ({29}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({30}) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({31}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({32}) Stefanie Vogelsang Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({33}) Peter Weiß ({34}) Sabine Weiss ({35}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Bärbel Bas Dirk Becker Elke Ferner Michael Gerdes Klaus Hagemann Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({36}) Christel Humme Fritz Rudolf Körper Christian Lange ({37}) Steffen-Claudio Lemme Caren Marks Andrea Nahles Dietmar Nietan René Röspel ({38}) Bernd Scheelen Dr. Martin Schwanholz Peer Steinbrück Rüdiger Veit Andrea Wicklein Manfred Zöllmer FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({39}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({40}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({41}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dr. Martin Lindner ({42}) Michael Link ({43}) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({44}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({45}) Dirk Niebel ({46}) Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Präsident Dr. Norbert Lammert Serkan Tören Johannes Vogel ({47}) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({48}) DIE LINKE Agnes Alpers Steffen Bockhahn Christine Buchholz Sevim Dağdelen Werner Dreibus Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Heike Hänsel Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Katrin Kunert Sabine Leidig Michael Leutert Ulla Lötzer Ulrich Maurer Thomas Nord Ingrid Remmers Michael Schlecht Kathrin Senger-Schäfer Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Alexander Süßmair Frank Tempel Halina Wawzyniak BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Thomas Gambke Bettina Herlitzius Priska Hinz ({49}) Uwe Kekeritz Memet Kilic Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Markus Kurth Monika Lazar Friedrich Ostendorff Manuel Sarrazin Ulrich Schneider Dorothea Steiner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Enthalten CDU/CSU Norbert Schindler SPD Sabine Bätzing-Lichtenthäler Bernhard Brinkmann ({50}) Ulla Burchardt Karin Evers-Meyer Dagmar Freitag Angelika Graf ({51}) Michael Groß Dr. Eva Högl Hans-Ulrich Klose Karin Roth ({52}) Ulla Schmidt ({53}) Carsten Schneider ({54}) Dr. Carsten Sieling Wolfgang Tiefensee Brigitte Zypries DIE LINKE Dr. Martina Bunge Andrej Hunko Katja Kipping Harald Koch Jutta Krellmann Dr. Gesine Lötzsch Cornelia Möhring Yvonne Ploetz Dr. Kirsten Tackmann Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({55}) Volker Beck ({56}) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Undine Kurth ({57}) Dr. Tobias Lindner Dr. Konstantin von Notz Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth ({58}) Elisabeth Scharfenberg Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner ({59}) Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Jerzy Montag, Kerstin Andreae, Volker Beck und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 17/11816. Auch hier ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführer, mir ein Zeichen zu geben, wenn die Urnen besetzt sind. - Ich eröffne die dritte namentliche Abstimmung. Ist noch ein Kollege anwesend, der seine Stimme in der dritten namentlichen Abstimmung nicht abgegeben hat? Ich schließe den dritten Abstimmungsvorgang und bitte, auch hier das Ergebnis ähnlich schnell wie bei den ersten beiden Vorgängen auszuzählen. Die Sitzung ist unterbrochen. ({60})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich darf Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der dritten namentlichen Abstimmung mitteilen - hier geht es um den Änderungsantrag der Kollegen Jerzy Montag, Kerstin Andreae und weiterer Abgeordneter -: abgegebene Stimmen jetzt wieder 581. Enthaltungen 82, mit Ja haben gestimmt 71, mit Nein 428. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 581; davon ja: 71 nein: 428 enthalten: 82 Ja CDU/CSU Jürgen Hardt Rudolf Henke SPD Dr. h. c. Gernot Erler Michael Gerdes Oliver Kaczmarek Franz Müntefering Frank Schwabe Sonja Steffen Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Waltraud Wolff ({0}) FDP Christian Ahrendt Björn Sänger DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Eva Bulling-Schröter Dr. Rosemarie Hein Katja Kipping Präsident Dr. Norbert Lammert Michael Leutert Stefan Liebich Niema Movassat Paul Schäfer ({1}) Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({2}) Volker Beck ({3}) Cornelia Behm Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Agnes Brugger Ekin Deligöz Harald Ebner Hans-Josef Fell Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Priska Hinz ({4}) Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Fritz Kuhn Markus Kurth Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Kerstin Müller ({5}) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({6}) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Markus Tressel Daniela Wagner Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({7}) Manfred Behrens ({8}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({9}) Dirk Fischer ({10}) Axel E. Fischer ({11}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({12}) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({13}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({14}) Volker Kauder Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Karin Maag Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({15}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({16}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({17}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({18}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({19}) Anita Schäfer ({20}) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({21}) Patrick Schnieder Nadine Schön ({22}) Dr. Kristina Schröder ({23}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({24}) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({25}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({26}) Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({27}) Peter Weiß ({28}) Sabine Weiss ({29}) Präsident Dr. Norbert Lammert Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Lothar Binding ({30}) Bernhard Brinkmann ({31}) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann ({32}) Rolf Hempelmann Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({33}) Christel Humme Josip Juratovic Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Fritz Rudolf Körper Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christian Lange ({34}) Steffen-Claudio Lemme Caren Marks Katja Mast Petra Merkel ({35}) Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Heinz Paula Johannes Pflug Dr. Wilhelm Priesmeier René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({36}) ({37}) Annette Sawade Anton Schaaf Bernd Scheelen Marianne Schieder ({38}) Werner Schieder ({39}) Ulla Schmidt ({40}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({41}) Dr. Martin Schwanholz Rita Schwarzelühr-Sutter Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({42}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({43}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({44}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dr. Martin Lindner ({45}) Michael Link ({46}) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({47}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({48}) Dirk Niebel ({49}) Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Serkan Tören Johannes Vogel ({50}) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({51}) DIE LINKE Agnes Alpers Steffen Bockhahn Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Werner Dreibus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Heike Hänsel Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Katrin Kunert Sabine Leidig Ulla Lötzer Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Wolfgang Nešković Thomas Nord Jens Petermann Ingrid Remmers Michael Schlecht Kathrin Senger-Schäfer Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Alexander Süßmair Frank Tempel Johanna Voß Halina Wawzyniak BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Thomas Gambke Bettina Herlitzius Uwe Kekeritz Memet Kilic Agnes Krumwiede Friedrich Ostendorff Dorothea Steiner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Enthalten CDU/CSU Dr. Stefan Kaufmann Norbert Schindler Stefanie Vogelsang SPD Doris Barnett Sören Bartol Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Marco Bülow Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Dr. Edgar Franke Angelika Graf ({52}) Michael Groß Bettina Hagedorn Hubertus Heil ({53}) Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Dr. Eva Högl Präsident Dr. Norbert Lammert Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe ({54}) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Joachim Poß Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Sönke Rix Michael Roth ({55}) Carsten Schneider ({56}) Ewald Schurer Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Franz Thönnes Dagmar Ziegler FDP Michael Kauch DIE LINKE Matthias W. Birkwald Roland Claus Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Gregor Gysi Andrej Hunko Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Richard Pitterle Yvonne Ploetz Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Katja Dörner Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Undine Kurth ({57}) Tabea Rößner Krista Sager Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner ({58}) Wir kommen nun zu dem Änderungsantrag der Abge- ordneten Dr. Carola Reimann, Kerstin Griese, Sabine Bätzing-Lichtenthäler und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 17/11835. Auch hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, ihre Plätze einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn sie alle an den vorgesehenen Stellen versammelt sind. - Ich eröffne die vierte nament- liche Abstimmung. Ich darf den Kollegen Koeppen bitten, sich bei mir zu melden. Hat ein anwesendes Mitglied des Hauses seine Stimmkarte für die vierte namentliche Abstimmung - hier geht es um den Änderungsantrag der Abgeordneten Reimann und anderer - noch nicht eingeworfen? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich auch diese namentliche Abstimmung und bitte um Auszäh- lung.1) Nun erteile ich dem Kollegen Schwanitz das Wort zu einer persönlichen Erklärung. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die sich im Saal aufhalten, sich zu setzen.

Rolf Schwanitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Ich gebe diese Erklärung auch im Namen meines Fraktionskollegen Rüdiger Veit ab. Sehr geehrte Damen und Herren! Der Schutz und die Weiterentwicklung der bürgerlichen Rechte gehören zum Kernbereich der demokratischen und offenen Gesellschaft. Deutschland hat seit 1949 viele ebenso große wie schwierige gesellschaftliche Diskussionen erlebt, an deren Ende sich das Parlament für die Stärkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger entschieden hat, und meist wurden diese Entscheidungen im Konflikt und gegen die traditionellen Gepflogenheiten in der Gesellschaft getroffen. Erinnert sei zum Beispiel an die Diskussionen über die Gleichstellung der Frau im Familienund Eherecht in den 50er- und 70er-Jahren, an die Gleichstellung unehelicher Kinder und an die bis heute nicht abgeschlossene Debatte über die Rechte von kranken und zu pflegenden Menschen in Deutschland. Auch und gerade die Rechte der Kinder unterliegen in Deutschland und weltweit einer solchen rechtspolitischen Entwicklung, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Jahrtausendelang wurden Kinder zum Besitztum der Eltern gezählt, mussten sich bedingungslos unterordnen und waren ausschließlich einer elterlichen Gewalt unterworfen. Spätestens seit der Kinderrechtskonvention ist aber anerkannt, dass Kinder eigenständige Träger von Rechten sind, dass allen Kindern die Menschenrechte zustehen, dass Kinder ein Recht auf Entwicklung haben und dass dabei das Wohl des Kindes stets Vorrang besitzt. Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf der Bundesregierung ist in meinen Augen ein rechtspolitischer Rückschritt und ein schwerer Rückschlag für die immer noch unzureichend geregelten Rechte der Kinder in Deutschland. ({0}) Der Gesetzentwurf relativiert das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit. Er legitimiert eine dauerhafte, irreversible und medizinisch nicht notwendige Verletzung des kindlichen Körpers. Er ignoriert die schweren gesundheitlichen Risiken und Folgen, die mit dieser Körperverletzung verbunden sind, und basiert deshalb auf einer fehlerhaften Güterabwägung. Der Gesetzentwurf sichert keine adäquate Schmerzbehandlung des Kindes, er erlaubt den schweren medizinischen Eingriff auch durch nicht hinreichend qualifiziertes, nichtärztliches Personal, eine Regelung, die in Deutschland sowohl dem geltenden Recht als auch den üblichen medizinischen und rechtspolitischen Standards widerspricht. ({1}) All dies meint die Bundesregierung so regeln zu müs- sen, weil nur so den Erwartungen und Traditionen von Religionsgemeinschaften entsprochen werden kann. Der 1) Ergebnis Seite 26104 C frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Dieter Grimm hat unlängst in der Süddeutschen Zeitung unter der Fragestellung „Was schuldet der Staat der Religion?“ darauf hingewiesen, dass - ich zitiere - „keiner Religionsgemeinschaft die öffentliche Infragestellung oder Kritik ihrer Glaubensinhalte, ihrer religiösen Praxis und ihrer Ansprüche an die Gläubigen erspart werden“ kann. Ich teile diese Einschätzung ausdrücklich. Es ist dem säkularen Rechtsstaat deshalb nicht erlaubt, die Grundrechte Einzelner wegen der tradierten Praxis von Glaubensgemeinschaften zurückzusetzen. ({2}) Eine solche Zurücksetzung ist auch dann nicht erlaubt, wenn alle Religionsgemeinschaften dies in einer seltenen Eintracht mit großem Nachdruck fordern. Die Rechte des Kindes werden im Gesetzentwurf zugunsten der Rechtssicherheit religiöser Gewohnheiten bewusst verleugnet. Dazu ist auch das Parlament nicht legitimiert; denn dies ist mit der Wertestruktur des Grundgesetzes nicht vereinbar. Deshalb kann ich dieses Gesetz nur als unrichtiges Recht, nur als gesetzliches Unrecht begreifen. ({3}) Zum Schluss kann ich der Mehrheit im Parlament auch eine Verfahrenskritik nicht ersparen: Mit der Art und Weise, wie mit den Gesetzentwürfen im Parlament umgegangen wurde, wie sie beraten worden sind, ist man der Schwere der zu entscheidenden Sachverhalte in keiner Weise gerecht geworden. ({4}) Das betrifft vor allem die kurze Beratungszeit und die Tatsache, dass im federführenden Ausschuss noch nicht einmal den kritischen Betroffenengruppen eine Teilnahme an der Anhörung eröffnet worden ist. ({5}) Bedenkt man zum Beispiel, dass der Gesetzentwurf zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs seit 18 Monaten im federführenden Rechtsausschuss liegt und die Beratungen darüber bis heute kein Ende gefunden haben, so erscheint das hier gewählte Eilverfahren unverhältnismäßig und unangemessen. All dies kann in meinen Augen nur eine Konsequenz haben: die Ablehnung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Herzlichen Dank. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere mündliche Erklärungen zur Abstimmung liegen mir nicht vor. Ich kann Ihnen nun das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der vierten namentlichen Abstimmung mitteilen - hier ging es um den Änderungsantrag der Abgeordneten Carola Reimann, Kerstin Griese und weiterer Abgeordneter -: abgegebene Stimmen wieder 581. Enthaltungen 49, mit Ja haben gestimmt 153, mit Nein haben gestimmt 379. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 581; davon ja: 153 nein: 379 enthalten: 49 Ja CDU/CSU Rudolf Henke SPD Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Sören Bartol Sabine Bätzing-Lichtenthäler Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({0}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({1}) Hubertus Heil ({2}) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe ({3}) Fritz Rudolf Körper Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christian Lange ({4}) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Katja Mast Petra Merkel ({5}) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({6}) Präsident Dr. Norbert Lammert Anton Schaaf Marianne Schieder ({7}) Werner Schieder ({8}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({9}) Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler FDP Michael Kauch DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Eva Bulling-Schröter Dr. Rosemarie Hein Katja Kipping Stefan Liebich Niema Movassat Paul Schäfer ({10}) Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({11}) Volker Beck ({12}) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Priska Hinz ({13}) Bärbel Höhn Thilo Hoppe Sven-Christian Kindler Tom Koenigs Oliver Krischer Fritz Kuhn Nicole Maisch Kerstin Müller ({14}) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Dr. Hermann E. Ott Brigitte Pothmer Claudia Roth ({15}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({16}) Manfred Behrens ({17}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen ({18}) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({19}) Dirk Fischer ({20}) Axel E. Fischer ({21}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({22}) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({23}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({24}) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Karin Maag Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({25}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({26}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({27}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({28}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({29}) Anita Schäfer ({30}) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({31}) Patrick Schnieder Nadine Schön ({32}) Dr. Kristina Schröder ({33}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({34}) Detlef Seif Präsident Dr. Norbert Lammert Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({35}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({36}) Stefanie Vogelsang Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({37}) Peter Weiß ({38}) Sabine Weiss ({39}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding ({40}) Ulla Burchardt Ingo Egloff Elke Ferner Gabriele Fograscher Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({41}) Christel Humme Steffen-Claudio Lemme Caren Marks René Röspel ({42}) Bernd Scheelen Rüdiger Veit Andrea Wicklein Manfred Zöllmer FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({43}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({44}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({45}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dr. Martin Lindner ({46}) Michael Link ({47}) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({48}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({49}) Dirk Niebel ({50}) Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Serkan Tören Johannes Vogel ({51}) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({52}) DIE LINKE Agnes Alpers Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Heike Hänsel Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Jan Korte Katrin Kunert Sabine Leidig Michael Leutert Ulla Lötzer Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Wolfgang Nešković Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Ingrid Remmers Michael Schlecht Kathrin Senger-Schäfer Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Frank Tempel Johanna Voß Halina Wawzyniak BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bettina Herlitzius Uwe Kekeritz Memet Kilic Agnes Krumwiede Markus Kurth Monika Lazar Friedrich Ostendorff Dorothea Steiner Markus Tressel Dr. Valerie Wilms Enthalten CDU/CSU Norbert Schindler SPD Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Angelika Graf ({53}) Hans-Ulrich Klose Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Gerold Reichenbach Karin Roth ({54}) Annette Sawade Ulla Schmidt ({55}) Carsten Schneider ({56}) Ewald Schurer Dr. Carsten Sieling Waltraud Wolff ({57}) Brigitte Zypries DIE LINKE Roland Claus Dr. Diether Dehm Dr. Gregor Gysi Andrej Hunko Harald Koch Jutta Krellmann Caren Lay Dr. Gesine Lötzsch Yvonne Ploetz Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Katja Dörner Dr. Anton Hofreiter Ingrid Hönlinger Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Präsident Dr. Norbert Lammert Sylvia Kotting-Uhl Undine Kurth ({58}) Dr. Tobias Lindner Lisa Paus Tabea Rößner Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner ({59}) Wir kommen nun zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Ich darf diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen bitten. - Wer stimmt dagegen? - Wer ent- hält sich der Stimme? - Das war eine deutliche Mehrheit bei zahlreichen Gegenstimmen und wenigen Enthaltun- gen. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Auch hierzu ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich darf um ein Zeichen bitten, wenn die Urnen besetzt sind. - Ich eröffne die fünfte und letzte namentliche Abstimmung zu diesem Themenkom- plex. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme für die letzte namentliche Abstimmung - hier geht es um den Gesetzentwurf der Bundesregierung - nicht abgegeben hat? - Alle, die sich jetzt noch melden, kommen zu spät. Ich schließe damit die fünfte namentli- che Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, das Ergebnis auszuzählen. Wir werden es, wie üblich, nach Vorliegen während des nächsten Tages- ordnungspunktes bekannt geben.1)

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Beratung des Antrags der Bundesregierung Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung ({0}) sowie des Beschlusses des Nordatlantikrates vom 4. Dezember 2012 - Drucksache 17/11783 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({1}) Innenausschuss Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Die Fraktionen sind damit einverstanden. Dann haben wir das so beschlossen. Ich darf als erstem Redner in unserer Debatte für die Bundesregierung das Wort Herrn Bundesminister Dr. Thomas de Maizière erteilen. Bitte schön, Herr Bundesminister. ({2})

Not found (Minister:in)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Türkei ist das vom syrischen Bürgerkrieg am meisten betroffene Land. Mehr als 150 000 syrische Flüchtlinge befinden sich mittlerweile in der Türkei. Die Türkei ist in einer außergewöhnlich großzügigen und offenherzi- gen Weise auf diese Flüchtlinge zugegangen, im Übrigen - nur ganz leise gesagt - besser als manches EU-Land. Bis heute gab es zahlreiche Grenzverletzungen von syri- scher Seite mit Toten unter der türkischen Zivilbevölke- rung. Syrien verfügt über eine große Anzahl von Rake- ten, die nahezu jeden Ort in der Türkei erreichen könnten. Diese Raketen sind auch mit chemischen Waf- fen bestückbar. Ich sage ausdrücklich: Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass Syrien die Absicht haben könnte, diese Waffen einzusetzen, aber die Fähigkeit dazu besitzt Syrien. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sich die Men- schen in der Türkei zunehmend von der Lage in Syrien bedroht fühlen und sich Sorgen machen. Dies gilt erst recht, wenn - meine Damen und Herren, ich sage das mit Bedacht und ganz vorsichtig - dieser Bürgerkrieg viel- leicht schon bald in die Schlussphase übergeht, wofür es einige Anzeichen gibt. Am 21. November dieses Jahres hat die Türkei die NATO zum Schutz ihrer Bevölkerung und ihres Territo- riums um Unterstützung gebeten. Konkret wurden die modernen Flugabwehrraketensysteme Patriot zur Ver- stärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO durch die Türkei angefragt. Die USA, die Niederlande und Deutschland verfügen über diese Systeme. Der Nordatlantikrat hat dieser Bitte durch seinen Beschluss vom 4. Dezember entsprochen. Mit der Stationierung der Patriot-Systeme sollen eine Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzungen über Syrien hinaus und eine Beeinträchtigung der Sicherheit der Türkei gerade verhindert werden. Wir sind bereit, uns - gemeinsam mit den Niederlanden und den USA - mit zwei Feuereinheiten Patriot an dieser Maßnahme zu beteiligen. Für den Einsatz unserer Soldaten sind drei Punkte entscheidend: Erstens. Der Einsatz erfolgt ausschließlich zu defensi- ven Zwecken: zum Schutz der türkischen Bevölkerung und des türkischen Staatsgebietes. Zweitens. Eine Einrichtung oder Unterstützung einer Flugverbotszone in Syrien wird explizit ausgeschlossen. Das steht so in dem türkischen Antrag, das steht so in 1) Ergebnis Seite 26110 C dem Beschluss der NATO, und das ist auch im Bundestagsmandat klar niedergelegt. Drittens. Unsere Soldaten werden dem NATO-Oberbefehlshaber und den NATO-Kommandostrukturen unterstellt. Das heißt: Nur die NATO ist zur Führung unserer Soldaten beauftragt, und nur die NATO kann über einen gegebenenfalls erforderlichen Einsatz entscheiden. Ein Stationierungsort - ich weiß, dass das in den Ausschusssitzungen heute eine Rolle gespielt hat - wird in enger Abstimmung mit den beteiligten Nationen und der Türkei in Kürze festgelegt. Dieser Ort wird sich nicht in unmittelbarer Nähe der türkisch-syrischen Grenze befinden. Er wird aber natürlich so gewählt, dass man von dort aus den Schutzauftrag erfüllen kann. Die Wirkung bleibt auf türkisches Gebiet begrenzt, um das unmissverständlich zu sagen. ({0}) Ich weiß, dass dies, wenn es darum geht, zuzustimmen, für viele ein wichtiger Punkt ist. Deswegen lege ich auf diesen Punkt besonderen Wert. Die personelle Obergrenze wird auf bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten festgelegt. Ich will dazu ganz kurz etwas sagen: Natürlich werden für ein Patriot-Modul aus zwei Feuereinheiten nur etwa 170 Soldatinnen und Soldaten benötigt. Es werden aber zusätzlich Soldaten benötigt, damit das System aufgebaut und dauerhaft einsatzbereit gehalten werden kann. Damit sind Kräfte der Einsatz- und Führungsunterstützung, Sanitätskräfte, Kräfte für logistische und sonstige Unterstützung, aber auch die Militärseelsorge usw. gemeint. Im Mandatsumfang und in der Mandatsbeschreibung sind auch Soldatinnen und Soldaten enthalten, die Aufgaben in der Aufklärung und Überwachung erfüllen. Diese versehen unter dem Kommando der NATO ihren Dienst in den AWACS-Flugzeugen und liefern dort einen wichtigen Beitrag für ein umfassendes Lagebild. Wann und wie diese AWACS-Aufklärungsflugzeuge eingesetzt werden, entscheidet wiederum der NATO-Oberbefehlshaber. Das liegt in seiner Befugnis und ist gängige Routine. Im Zusammenhang mit diesem Einsatz haben wir, um verfassungsrechtlich auf der sicheren Seite zu sein, die Beteiligung an den AWACS-Flügen mit mandatiert. Ich glaube, auch das ist ein Schritt zu auf manche, die sich sonst vielleicht schwergetan hätten, diesem Einsatz zuzustimmen. ({1}) In der NATO und in der Türkei sind noch einige Details offen, zum Beispiel der genaue Umfang dessen, was die Türkei an Unterstützungsleistungen zur Verfügung stellt. Wir haben deshalb eine gewisse Personalreserve von etwa 50 Soldatinnen und Soldaten vorgesehen, die in den 400 enthalten ist. Ich bitte um Verständnis dafür, dass diese Zahl jetzt nicht detaillierter begründet werden kann; aber ich glaube, die Obergrenze gibt genügend Sicherheit. Ich will noch ein Wort zur Mandatsdauer sagen. Wir hoffen, dass der Einsatz nicht bis zum 31. Januar 2014 dauert. Es könnte sein, dass die Auseinandersetzung um das Assad-Regime in die Schlussphase kommt. Trotzdem schlagen wir ein Mandat für fast 14 Monate vor, um auch hier auf der sicheren Seite zu sein und den Grundsatz, dass wir Mandate in der Regel für ein Jahr erteilen bzw. verlängern, beizubehalten. Wenn wir Soldaten in die Türkei entsenden, dann ist das ein klares Zeichen an die Türkei und an die internationale Völkergemeinschaft, dass die Sicherheit der Türkei alle Bündnispartner angeht. Wir Deutsche haben Jahrzehnte davon profitiert, dass unsere Partner uns das Gefühl einer verlässlichen Sicherheit gegeben haben. Jetzt sind wir in der Lage - ich füge hinzu: und in der Pflicht -, einmal unseren Teil beizutragen. ({2}) Es ist an uns, zu zeigen, dass das für uns selbstverständlich ist und dass es uns ernst ist mit unserer internationalen Verantwortung und unserer Bündnissolidarität. Wir haben dieses Mandat umfangreich konsultiert und in den Ausschüssen im Wege der Selbstbefassung beraten. Dafür bedanke ich mich. Ich hoffe sehr auf eine breite Unterstützung durch dieses Parlament. Vielen Dank. ({3})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Als Nächstes gebe ich unserem Kollegen Dr. Rolf Mützenich für die Fraktion der Sozialdemokraten das Wort. Bitte schön, Kollege Rolf Mützenich. ({0})

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn derzeit nur wenig darauf hindeutet: Wir alle wünschen den Menschen in Syrien, dass die Waffen schweigen und Frieden endlich wieder eine Chance bekommt. Wir danken denen, die sich für eine Waffenruhe einsetzen, an erster Stelle dem Beauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationalen, Lakhdar Brahimi. ({0}) Umso mehr sage ich in Richtung der Landesregierungen, aber auch der Bundesregierung: Ich hätte mir schon gewünscht, dass insbesondere der Zuzug von Familienangehörigen zu ihren syrischen Verwandten, die derzeit in Deutschland wohnen, etwas einfacher möglich wäre und dass wir vielleicht auch ohne andere Partner bereit wären, stärker Flüchtlinge aufzunehmen. Ich finde, das gehört genauso in diese Debatte. ({1}) Meine Damen und Herren, zu Beginn dieser Debatte war nach meinem Dafürhalten durchaus Skepsis angebracht. Diese Skepsis hat die Bundesregierung meiner Meinung nach mit zu verantworten, weil sie zunächst einmal die Frage gestellt hat: Brauchen wir überhaupt ein Mandat? Dann ging es um AWACS und vieles andere. Es wurden Fragen aus dem Parlament heraus vorgetragen. Dies haben einige Kolleginnen und Kollegen dieses Parlaments so kommentiert: Wir müssen uns fremdschämen. - Das ist nicht mein Verständnis von einem Parlament, wie wir mit einem Mandat umzugehen haben. Wir müssen vorher unsere Fragen stellen, unsere Skepsis äußern ({2}) und, wie ich glaube, durchaus auch einen Hinweis an die Bundesregierung geben dürfen. Ich finde, dieses Verfahren hat sich gelohnt. In dem Mandat, das dem Deutschen Bundestag heute vorliegt, sind die Kriterien, unter denen die Bundeswehr in die Türkei gehen kann und denen sich die türkischen Streitkräfte im Rahmen dieses Mandats unterzuordnen haben, besonnen, unabhängig und sorgfältig erörtert worden. Ich finde, auch das ist eine wichtige Festlegung, weil die Türkei jetzt in internationale Strukturen und Regeln eingebettet ist. ({3}) Das ist auch ein wichtiges Zeichen dieses Mandates und, ich denke, ein Erfolg der Diskussion, die dieser Deutsche Bundestag gemeinsam geführt hat. ({4}) Ich glaube, die rein defensive Stationierung, die defensive Aufstellung der Raketen, ist, wie es auch in dem Brief des türkischen Botschafters bei der NATO zum Ausdruck gekommen ist, als Zeichen an die internationale Politik und in Richtung der Sicherheitspolitik richtig und wichtig. Dadurch werden weiter Chancen eröffnet, zu einer diplomatischen Lösung zu kommen. Wir haben heute im Ausschuss erfahren, dass die PatriotSysteme - und offensichtlich auch die niederländischen Systeme - rund 100 Kilometer von der Grenze entfernt stationiert werden. Dass sie nicht in den syrischen Luftraum hineinwirken werden, ist ein wichtiger Beitrag dazu, die defensive Struktur zu unterstreichen. Gleichzeitig ist dieses Mandat auch rechtsfest gemacht worden. Wir haben heute im Auswärtigen Ausschuss in der Tat noch Fragen an die Bundesregierung gestellt, die nach meinem Dafürhalten befriedigend beantwortet worden sind, soweit dies möglich war. Wir haben über die Äußerung von Rasmussen gesprochen. Herr Staatsminister Link, Sie haben die Antworten sozusagen in einen gewissen Rahmen eingebunden. Wir haben auch über die roten Linien gesprochen. Diese Debatte muss, wie ich finde, in den nächsten Wochen weiter erfolgen. Sie endet nicht mit dem Mandat. Die Herausforderungen sind letztlich vorhanden, insbesondere was die Rolle einzelner Nationen betrifft. ({5}) Der Iran und Russland haben Bedenken gegen die Stationierung geäußert. Vielleicht wird der eine oder andere gleich auf Russland und den Iran zu sprechen kommen. Meine Bitte in diesem Zusammenhang ist, zu überlegen, ob das wirklich gute Ratgeber sind - gerade diese beiden Länder, die nichts unversucht gelassen haben, mit Waffenlieferungen diesen Konflikt anzuheizen. Deswegen: Vorsicht vor Ratgebern, die in diesem Konflikt bisher leider nicht die diplomatische Rolle übernommen haben, wie wir es uns gewünscht hätten! ({6}) Zur Realität und zur Wahrheit gehört mit dazu: Syrien bedroht die Region mit einer Mehrzahl von Waffen und Trägersystemen, die über mehrere Hundert Kilometer reichen. Wenn ich das richtig gelesen habe - es gibt dazu unterschiedliche Äußerungen -, wird von mehreren Hundert bis zu tausend gesprochen. Wir müssen bedenken: In der vergangenen Woche sind vonseiten der syrischen Streitkräfte das erste Mal Scud-Raketen auf Aleppo abgeschossen worden. Auch das gehört nach meinem Dafürhalten mit zu einer angemessenen und wahrheitsgemäßen Bedrohungsanalyse. Verantwortung trägt das Regime Assad an der Brutalisierung dieses Konfliktes in den ersten Monaten. Meine Damen und Herren, ob wir wollen oder nicht, ist mit dieser Entscheidung erneut die Rolle Deutschlands in Partnerschaften und Bündnissen angesprochen worden. Ich hatte gedacht, dass diese Fragen, die es in den letzten Wochen und Monaten immer wieder an Deutschland gegeben hat, nach einer langen Politik verschiedener und auch unterschiedlich getragener Bundesregierungen eigentlich nicht mehr erforderlich sind. Dabei geht es um die Frage der Verlässlichkeit in Bündnissen. Diese Frage ist auch deshalb aufgekommen, weil die Bundesregierung sie sowohl in europapolitischen Zusammenhängen als auch insbesondere im Zusammenhang mit der Libyen-Entscheidung - vielleicht auch unbewusst - auf den Tisch gebracht hat. Wenn ein polnischer Außenminister fragt, ob Deutschland noch verlässlich ist, und sagt, ihm sei ein Deutschland lieber, das seine Rolle übernimmt, dann müssen bei uns, so glaube ich, die Alarmglocken schlagen. In dieser Frage hier übernehmen wir Verantwortung. Dass aber im Zusammenhang mit diesem Mandat die Frage nach der Verlässlichkeit hintergründig wieder aufgekommen ist, hat mich erschreckt. Wir Sozialdemokraten rufen nicht Hurra, aber wir entziehen uns auch nicht der Verantwortung in Form einer Ohne-mich-Politik, die ansonsten von einer immer stärker vernetzten Welt gut lebt. Als Sozialdemokraten wissen wir: Entspannungspolitik war nur im Bündnis möglich. Die erfolgreiche Politik von Willy Brandt, von Egon Bahr, von Helmut Schmidt und vielen anderen wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht Bündnispartner zu dieser Entspannungspolitik gestanden hätten. Zum Abschluss will ich Willy Brandt zitieren. Am 7. August 1983 hat in der Washington Post gestanden: Meine sozialdemokratische Partei hat das Bündnis mit dem Westen unterstützt und mitgeholfen, seine Politik zu gestalten. Unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern und Verteidigungsministern hat die Bundeswehr … ihren Beitrag zur westlichen Sicherheit erhöht. Die westlichen Demokratien werden Partner der Sicherheit bleiben, und wir werden Partner im Atlantischen Bündnis bleiben. Auch im Sinne dieser Interpretation werden wir am Freitag mit großer Mehrheit dem Mandat zustimmen. Vielen Dank. ({7})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rolf Mützenich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich dem nächsten Redner, Herrn Staatsminister Michael Link, das Wort gebe, darf ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung bekannt geben - es ging um den Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes -: abgegebene Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 434, mit Nein haben gestimmt 100, Enthaltungen 46. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 580; davon ja: 434 nein: 100 enthalten: 46 Ja CDU/CSU Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Manfred Behrens ({1}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({2}) Dirk Fischer ({3}) Axel E. Fischer ({4}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({5}) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({6}) Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({7}) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Karin Maag Hans-Georg von der Marwitz Stephan Mayer ({8}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({9}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({10}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({11}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({12}) Anita Schäfer ({13}) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Tankred Schipanski Vizepräsident Eduard Oswald Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({14}) Patrick Schnieder Nadine Schön ({15}) Dr. Kristina Schröder ({16}) Dr. Ole Schröder Uwe Schummer Armin Schuster ({17}) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({18}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({19}) Stefanie Vogelsang Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({20}) Peter Weiß ({21}) Sabine Weiss ({22}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Sören Bartol Sabine Bätzing-Lichtenthäler Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({23}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Gabriele Fograscher Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({24}) Hubertus Heil ({25}) Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe ({26}) Fritz Rudolf Körper Christian Lange ({27}) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Katja Mast Petra Merkel ({28}) Franz Müntefering Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Mechthild Rawert Stefan Rebmann Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({29}) Anton Schaaf Marianne Schieder ({30}) Werner Schieder ({31}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({32}) Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({33}) Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({34}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({35}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth ({36}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dr. Martin Lindner ({37}) Michael Link ({38}) Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({39}) Dirk Niebel ({40}) Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Serkan Tören Johannes Vogel ({41}) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({42}) DIE LINKE Christine Buchholz Dr. Martina Bunge Roland Claus Werner Dreibus Nicole Gohlke Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Harald Koch Caren Lay Ulla Lötzer Dorothée Menzner Paul Schäfer ({43}) Michael Schlecht Dr. Axel Troost BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({44}) Volker Beck ({45}) Cornelia Behm Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Priska Hinz ({46}) Bärbel Höhn Sven-Christian Kindler Tom Koenigs Vizepräsident Eduard Oswald Fritz Kuhn Nicole Maisch Kerstin Müller ({47}) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({48}) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Olav Gutting Dr. Egon Jüttner Andreas Mattfeldt SPD Ingrid Arndt-Brauer Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding ({49}) Ulla Burchardt Ingo Egloff Karin Evers-Meyer Elke Ferner Dagmar Freitag Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({50}) Christel Humme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Steffen-Claudio Lemme Caren Marks Gerold Reichenbach René Röspel Karin Roth ({51}) ({52}) Annette Sawade Bernd Scheelen Ulla Schmidt ({53}) Ewald Schurer Dr. Carsten Sieling Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Dagmar Ziegler FDP Christian Ahrendt Sylvia Canel Heiner Kamp Burkhardt Müller-Sönksen Torsten Staffeldt DIE LINKE Agnes Alpers Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Annette Groth Heike Hänsel Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Sabine Leidig Michael Leutert Stefan Liebich Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Wolfgang Nešković Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Kathrin Senger-Schäfer Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Johanna Voß Halina Wawzyniak Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Katja Dörner Harald Ebner Kai Gehring Bettina Herlitzius Uwe Kekeritz Memet Kilic Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Agnes Krumwiede Monika Lazar Friedrich Ostendorff Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Valerie Wilms Enthalten CDU/CSU Eckhard Pols Norbert Schindler Bernhard Schulte-Drüggelte SPD Dr. Peter Danckert Petra Ernstberger Dr. Edgar Franke Angelika Graf ({54}) Rolf Hempelmann Gabriele Lösekrug-Möller Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Dr. Sascha Raabe Carsten Schneider ({55}) Dr. Martin Schwanholz FDP Dr. Erwin Lotter Dr. Martin Neumann ({56}) DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Eva Bulling-Schröter Jutta Krellmann Dr. Gesine Lötzsch Kornelia Möller Niema Movassat Alexander Ulrich Kathrin Vogler Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Agnes Brugger Dr. Anton Hofreiter Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Oliver Krischer Markus Kurth Undine Kurth ({57}) Dr. Tobias Lindner Tabea Rößner Krista Sager Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner ({58}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fahre in der Rednerliste fort und erteile nun, wie angekündigt, Herrn Staatsminister Michael Link das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Michael Link. ({59})

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich zu Anfang den Dank der Bundesregierung dafür ausdrücken, dass sich der Bundestag bereit erklärt hat, diesen Mandatsantrag so schnell zu behandeln - wir wissen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist -, gleichzeitig aber auch gründlich. Es ist darauf hingewiesen worden: Die Ausschüsse, der Auswärtige Ausschuss und der Verteidigungsausschuss, haben sich heute Morgen bereits in Selbstbefassung damit befasst. Das zeigt, was unser bewährtes parlamentarisches Verfahren leistet, nämlich einerseits die Grundlage für den Charakter der Bundeswehr als Parlamentsarmee zu erhalten und andererseits trotzdem, wo nötig, Schnelligkeit, Präzision und Gründlichkeit unter einen Hut zu bringen. Das ist ein ganz wichtiges Signal, das wir hier gemeinsam geben. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Außenminister Westerwelle nimmt heute in Marrakesch am Treffen der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes teil. Einige von Ihnen werden es bereits über die Agenturen gehört haben: Die Gruppe hat heute in Marrakesch beschlossen, die Nationale Koalition der syrischen Revolution als die legitime Vertretung des syrischen Volkes anzuerkennen, und damit deren Einbindung in den politischen Prozess deutlich vorangetrieben. Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten aus Punkt 13 der Erklärung zitieren und werde den Fraktionen diese Erklärung, die heute in Marrakesch verabschiedet wurde, auch nachher zur Kenntnis geben. Darin wird ausdrücklich gesagt - ich übersetze frei -, dass die Nationale Koalition als die Dachorganisation, unter der sich die syrischen Oppositionsgruppen versammeln und arbeiten, anerkannt wird. Das ist - weil es dazu Fragen gab - das, was heute in Marrakesch zu diesem Thema beschlossen wurde. ({1}) Es bleibt auf jeden Fall dabei, dass die Lage in Syrien extrem unübersichtlich ist.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Hänsel aus der Fraktion Die Linke?

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Während der Einbringung bitte nicht. Ich möchte das im Zusammenhang darstellen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sie haben es gehört, Frau Kollegin. - Herr Staatsminister, bitte fahren Sie fort.

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Die Lage in Syrien bleibt unübersichtlich, und die Verbrechen des syrischen Regimes gegen seine Bevölkerung gehen weiter. Vieles deutet darauf hin, dass sich das Regime in seiner Endphase befindet. Unser Bündnispartner Türkei hat deshalb die NATO um Unterstützung gebeten, und die NATO hat am vergangenen Dienstag beschlossen, diese Unterstützung zu gewähren. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist konkrete Bündnissolidarität im Sinne einer gegenseitigen Rückversicherung. Das zeigt auch: Die NATO ist kein Schönwetterbündnis, sondern steht zusammen, wenn es darauf ankommt. Daran, Kollege Mützenich, lassen wir auch keinen Zweifel. Wir verstehen natürlich, dass es kritische Fragen gibt. Sie sind auch aus Sicht der Bundesregierung selbstverständlich immer willkommen. Aber gerade in Sachen NATO ist es, glaube ich, völlig klar, dass bei Bündnisfragen Bündnissolidarität immer an erster Stelle steht. Daran haben wir niemals einen Zweifel gelassen. Im Gegenteil: Wir haben das von Anfang an in den Vordergrund gestellt und dann zusammen an diesem Mandat gearbeitet. In der Tat, weil wir eine möglichst große Unterstützung auch hier im Hause anstreben, war es dabei auch wichtig, dass aus allen Fraktionen immer wieder die eine oder andere kritische Frage kommt. Die Oppositionsfraktionen haben kritisch gefragt. Aber lassen Sie mich versichern: Kein Abgeordnetenmandat zählt hier geringer. Auch die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen haben sehr präzise und konkret nachgefragt, wie das eine oder andere im Mandat formuliert sein könne. Insofern ist das, glaube ich, ein Punkt, den wir - das darf ich als Abgeordneter sagen - in diesem Bereich gemeinsam hinbekommen haben. Es geht, wie gesagt, konkret um die Verlegung der Patriot-Systeme. Zu der Mandatsobergrenze, der Bestückung, der Personenzahl und der Zahl der Mannschaften, hat der Verteidigungsminister bereits Ausführungen gemacht. Lassen Sie mich deshalb noch auf einige wichtige politische Elemente dieses Mandatsantrags eingehen. Der Einsatz der zu verlegenden Systeme erfolgt - das möchte ich ausdrücklich wiederholen - zu rein defensiven Zwecken. Das hat die Türkei in ihrem Ersuchen auch ausdrücklich so festgehalten, und der NATO-Rat hat es bekräftigt. Das Einsatzgebiet ist so definiert, dass die Systeme nicht zur Errichtung einer Flugverbotszone im syrischen Luftraum oder zu anderen offensiven Maßnahmen beitragen können. Das ist im Mandatstext festgehalten. Gerade weil heute noch einmal die Diskussion aufkam, möchte ich ausdrücklich festhalten: Die Systeme werden dem militärischen Oberbefehlshaber der NATO, dem SACEUR, unterstellt, der durch den NATORat politisch mandatiert ist. Das ist ausdrücklich so der Fall. All diese Punkte waren in den Gesprächen im NATORat wichtige Anliegen. Sie belegen, wie gesagt, den rein defensiven Charakter. Es geht ausschließlich um den Schutz der Bevölkerung und des Territoriums unseres türkischen Alliierten. Daran werden sich auch die deutschen Besatzungen beteiligen, die - wie bisher - routinemäßig zur Überwachung des Luftraums in AWACSFlugzeugen eingesetzt sind. Aus Gründen der Mandatsklarheit sind auch diese Einsätze im Mandatsantrag der Bundesregierung erwähnt. Auch diese Soldaten sind von der Personalobergrenze des Mandats gedeckt. Was nun die Standorte der Patriot-Einheiten angeht, so haben wir uns hier eng mit unseren türkischen und niederländischen Verbündeten abgestimmt. Die gegenwärtigen Planungen laufen auf eine Verlegung in die Stadt Kahramanmaras hinaus, die rund 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegt. In jedem Fall werden wir das berücksichtigen, was im Mandatsantrag eindeutig festgelegt ist. Die Patriot-Systeme werden nicht in den syrischen Luftraum hineinwirken. Mit ihrer Reichweite von rund 70 Kilometern können sie das auch gar nicht. Auch dies belegt den defensiven Charakter des Einsatzes noch einmal. Darauf hat auch der Außenminister bei der Vorbereitung ausdrücklich hingewiesen. Mit der Patriot-Verlegung schaffen wir eine glaubwürdige Abschreckung und einen effizienten Schutz gegen ein syrisches Regime, das in seinem Untergang auch zu Verzweiflungstaten in der Lage sein könnte. Die Türkei hat die berechtigte Sorge, dass sich solche Taten auch gegen sie richten. Angesichts des syrischen Raketenarsenals und dessen Reichweite teilen wir diese Sorge und leisten unseren Beitrag zum Schutz unseres Verbündeten. Ich möchte auf Punkt 6 der Erklärung von Marrakesch, die wir nachher an Sie verteilen, hinweisen, in dem die heute in Marrakesch versammelten Außenminister den Einsatz der NATO und die Patriot-Stationierung in der Türkei als einen Beitrag zur Reduzierung der Bedrohung der Türkei ausdrücklich begrüßen. Eine breite Unterstützung aus diesem Hohen Hause wäre ein wichtiges Signal für die Angehörigen der Bundeswehr, die wir in die Türkei entsenden wollen. Wir wären dankbar für ein möglichst starkes und geschlossenes Signal in diesem Bereich. Auch die Türkei selbst, glaube ich, wäre dafür dankbar. Es ist ein wichtiger Schritt der gegenseitigen Rückversicherung. Was wir hier machen, ist gelebtes Bündnis, auch in der offenen Debatte um das Mandat, das wir Ihnen zur Entscheidung vorlegen. Wir bitten nach der endgültigen Befassung der Ausschüsse um - wie beantragt - eine zeitnahe Abstimmung am kommenden Freitag. Ich danke Ihnen. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Staatsminister Michael Link. Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke unser Kollege Jan van Aken. Bitte schön, Kollege Jan van Aken. ({0})

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wollen einen völlig neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr beschließen. 400 deutsche Soldaten samt Patriot-Raketen sollen in der Türkei stationiert werden, und zwar direkt an der syrischen Grenze. 25 Millionen Euro soll uns das kosten. ({0}) Ich frage mich - ich glaube, das geht ganz vielen Menschen draußen genauso -: Warum eigentlich? Sie nennen genau zwei Gründe für diesen neuen Bundeswehreinsatz: Die Türkei sei bedroht, und man müsse einem NATO-Partner zur Seite stehen. Sie wissen doch ganz genau, dass der erste Grund komplett falsch und der zweite auch nicht ganz richtig ist. Kommen wir zum ersten Grund. Sie behaupten, es gebe eine Bedrohung der Türkei durch Syrien. Sie alle wissen doch ganz genau, dass das kompletter Unsinn ist. ({1}) Das Assad-Regime in Syrien hat die Türkei nicht bedroht und bedroht sie auch jetzt nicht. Assad weiß doch ganz genau, dass nur eine einzige Rakete aus Syrien Richtung Türkei fliegen muss, und schon ist die gesamte Militärmacht der NATO da und würde einmarschieren. Innerhalb weniger Tage wäre das Assad-Regime hinweggefegt. Das wäre politischer Selbstmord, und Assad weiß das natürlich. ({2}) Herr de Maizière, Sie haben die Chemiewaffen angesprochen. Sie können jetzt aber nicht die gleiche Panik mit Hinweis auf die Chemiewaffen schüren wie vor zehn Jahren im Zusammenhang mit den Biowaffen im Irak. ({3}) Sie wissen ganz genau, dass die syrischen Chemiewaffen überhaupt nichts mit dem Einsatz der Patriot-Systeme zu tun haben. Ich finde, Herr de Maizière, wenn Sie noch einmal diese Chemiewaffen anführen, dann sollen Sie wirklich viele Jahre - eingeklemmt zwischen Colin Powell und George W. Bush - im Fegefeuer schmoren. ({4}) Natürlich gab es in den letzten Wochen Granateneinschläge auf türkischem Gebiet; dabei sind Menschen gestorben. Das ist schlimm. Aber selbst die türkische Regierung hat gesagt: Das waren Fehlschläge; das war nicht gegen die Türkei gerichtet. - Die Türkei fühlt sich also gar nicht bedroht. Aber Sie begründen nun einen Auslandseinsatz der Bundeswehr mit einer angeblichen Bedrohung der Türkei. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Damit ist der erste Grund schon einmal hinfällig. ({5}) Ich komme zum zweiten Grund, den Sie nennen. Das ist die Bündnistreue: Ein NATO-Partner ist bedroht. Da muss man doch helfen. - Dazu will ich eines klarstellen; denn darüber gibt es in der Bevölkerung eine große Verwirrung und Missverständnisse: Deutschland muss überhaupt nichts. Deutschland muss auch in Afghanistan nichts, Deutschland musste auch im Irak nichts, in Libyen nichts, und auch jetzt, im Fall der Türkei, gibt es keinen einzigen Vertrag, der die Bundesregierung zwingt, deutsche Soldaten in den Nahen Osten zu schicken. Das ist schon einmal die erste Bemerkung dazu. Dann muss man sich genau anschauen, wofür die Türkei jetzt Beistand haben möchte. Sie blenden völlig aus, dass die Türkei doch ganz eigene Interessen in der Region verfolgt, ({6}) dass sie seit vielen Jahren - im Moment ganz besonders - daran arbeitet, zur Regionalmacht zu werden. Das ist der Grund, warum die türkische Regierung syrische bewaffnete Rebellen unterstützt, womit sie schon jetzt Teil des syrischen Bürgerkriegs geworden ist. ({7}) Sie können doch keine, Sie dürfen keine Bündnistreue zeigen, weil die Türkei ganz eigene Interessen verfolgt. ({8}) Mit diesem Einsatz kann Deutschland direkt Konfliktpartei im Nahen Osten werden. Das ist doch ein PulJan van Aken verfass. Es genügt ein Funke in Syrien oder im Iran, und - paff! - schon ist die Bundeswehr mitten in einem neuen Kriegsgebiet. Deshalb wird die Linke diesen Antrag ablehnen. ({9}) Anstatt militärisch aufzurüsten, könnten Sie auf ziviler Ebene helfen. Das ist schon angesprochen worden. Warum helfen Sie nicht einmal ganz anders? Warum helfen Sie nicht den Menschen in Syrien auch dadurch, dass Sie syrische Flüchtlinge nach Deutschland lassen? ({10}) Machen Sie doch die Grenzen auf für die Menschen, die im Moment unter diesem Bürgerkrieg leiden! Sie machen die Grenzen zu und versuchen, mit deutschen Soldaten an der syrischen Grenze zu helfen. Ich glaube, das können Sie nicht wirklich ernst meinen. Am besten wäre den Menschen in Syrien natürlich mit einer schnellen Beendigung des Bürgerkriegs geholfen. Dafür bedarf es Länder und Institutionen, die eine politische Lösung wollen, das Ziel einer Lösung verfolgen und die vermitteln können. Aber diese Rolle haben Sie völlig aufgegeben. Jetzt, da Sie deutsche Soldaten an die syrische Grenze entsenden, können Sie nicht mehr Vermittler sein, auf gar keinen Fall. ({11}) Dieser Militäreinsatz ist das Gegenteil von Hilfe. Er wird die Situation weiter eskalieren lassen. Deswegen lehnen wir ihn ab. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte. Ich danke Ihnen. ({12})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Omid Nouripour. Bitte schön, Kollege Omid Nouripour.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein Partnerstaat um Beistand bittet, dann braucht man sehr gute Gründe, wenn man nicht Ja sagen will. Deshalb wäre es höchste Zeit, dass die Bundesregierung uns einmal erklärt, warum sie eigentlich nicht, so wie die Türkei es sich gewünscht hat, diesem Land bei der Unterstützung der Flüchtlinge, die über die Grenzen gekommen sind, hilft. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass die Türkei die gesamte Last trägt und kaum Unterstützung seitens der Europäischen Union findet. ({0}) Diese Begründungsverpflichtung besteht aber auch dann, wenn die Türkei um ein Waffensystem zum eigenen Schutz bittet. Kommen wir zur Frage der Bedrohung. Herr Kollege van Aken, ich bin ein wenig verwirrt; denn Sie haben vieles gesagt, was ich richtig finde. ({1}) Aber eines haben Sie ausgeblendet. Sie haben gesagt, Assad habe gar keinen Grund, die Türkei anzugreifen. Ich teile diese Meinung; das wäre hoch irrational. Aber Sie verkennen, dass wir es in Syrien mittlerweile mit einem zerfallenden Staat zu tun haben, in dem nicht mehr klar ist, wie lange welche Kommandostrukturen halten werden. Deshalb greift die Analyse der Bedrohungssituation, die Sie gerade dargelegt haben, ein Stückchen zu kurz. Auf der anderen Seite reicht es nicht, nur auf die Bündnisverpflichtung zu verweisen. Wir als Parlament, das die Armee entsendet, haben Prüfaufträge. Es geht nicht nur darum, zu schauen, welche Risiken es für die Soldatinnen und Soldaten gibt, sondern auch darum, zu analysieren, in welches politische Umfeld wir sie schicken. Ich finde die einen, die sofort Nein sagen, genauso suspekt wie diejenigen, die sofort Ja sagen. Ich bin ziemlich stolz darauf, dass meine Fraktion viele Diskussionen geführt hat und wir ernsthaft viele Fragen gestellt haben, von denen viele beantwortet worden sind. Ich komme gleich darauf zurück. Wir werden morgen eine Sondersitzung unserer Fraktion haben, in der wir abschließend miteinander sprechen werden. Uns geht es um zwei Dinge. Das eine ist, dass in das syrische Territorium nicht hineingewirkt werden darf. Das ist nicht nur deswegen wichtig, weil das völkerrechtswidrig wäre, sondern auch deswegen, weil wir nicht wollen, dass die NATO in diesen Konflikt hineingezogen wird; denn das hätte ein riesiges Eskalationspotenzial. Nicht in das türkische Gebiet hineinzuwirken, das steht jetzt im Mandat. ({2}) Wir haben als Bedingung formuliert: Das Kommando muss bei der NATO sein. Auch das steht jetzt im Mandat. Wir haben gefordert, dass die Flugverbotszone von Patriots nicht unterstützt werden darf. Auch das steht im Mandat. Ich bin dafür sehr dankbar. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass unsere Soldatinnen und Soldaten nicht dort stehen sollen, wo sie einfach beschossen werden können, und zwar deswegen, weil das ein Politikum wäre und weil es auf der anderen Seite der Grenze einen Haufen von Provokateuren gibt. Ich gebe dem Kollegen van Aken recht: Es sind in erster Linie nicht die Anhänger von Assad, die einen Nutzen davon hätten, die NATO in einen Konflikt hineinzuziehen, der mittlerweile dschihadistisch, der mittlerweile regional, konfessionell und ethnisiert ist. Deshalb ist die Frage des Standortes so unglaublich wichtig. ({3}) Deshalb ist es so wichtig, dass die Systeme nicht direkt an der Grenze stehen. Uns ist heute im Ausschuss gesagt worden: Erst morgen wird entschieden. - Vieles spricht dafür, dass es so kommen wird, wie es heute im Ausschuss gesagt worden ist: Die Bundesregierung hat auch diese Bedingung erfüllt. Man muss den morgigen Beschluss also abwarten. Wesentlich ist das, was wir an Bedingungen gestellt haben. Deren Erfüllung ist aus unserer Sicht notwendig, damit es nicht zu einer Rutschbahn kommt, damit die NATO in Syrien nicht Bürgerkriegspartei wird. Es ist schlicht nicht ganz seriös, wenn man Bedingungen nennt, sie werden erfüllt, und dann macht man sich von dannen. Insofern werde ich meiner Fraktion morgen empfehlen, dem Mandat zuzustimmen. ({4}) Ich will zum Schluss aber noch eines sagen: Wir machen das nicht, um der Bundesregierung aus der LibyenPatsche zu helfen. Wir machen das wegen der Sache und weil wir eine lange Abwägung vorgenommen haben. Wir sehen nämlich, dass in diesem Fall nicht nur die Bündnissolidarität zählt, sondern dass der Einsatz auch Sinn machen kann. ({5})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Omid Nouripour. - Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU Dr. Andreas Schockenhoff. Bitte schön, Kollege Schockenhoff. ({0})

Dr. Andreas Schockenhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002053, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über vier Jahrzehnte haben die Nordatlantische Allianz und unsere Verbündeten die Freiheit und Sicherheit Deutschlands verteidigt. Wenn sich heute ein Bündnispartner bedroht fühlt, sollte unsere Solidarität deshalb eine Selbstverständlichkeit sein. Die CDU/CSU wird deshalb der Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO durch die Stationierung von Patriot-Systemen in der Türkei zustimmen. Wir stehen an der Seite unseres Bündnispartners Türkei. ({0}) Die Luftangriffe des Assad-Regimes auf syrische Städte und Dörfer an der türkischen Grenze bedrohen auch die türkische Bevölkerung. Erst in der vergangenen Woche sind bei Luftangriffen auf die syrische Stadt Ras al-Ain an der türkischen Grenze zum wiederholten Male Geschosse in einer benachbarten türkischen Stadt eingeschlagen. Das gesamte Bündnis kann diese Bedrohung eines Bündnispartners nicht ignorieren. Dies gilt erst recht, da niemand darauf vertrauen kann, dass das untergehende Assad-Regime nicht auch seine Scud-Raketen oder gar chemische Massenvernichtungswaffen einsetzt. Der Kollege Mützenich hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Regime im vergangenen Jahr immer wieder auf zynische Weise seine Irrationalität und Unmenschlichkeit unter Beweis gestellt hat. Die Patriot-Stationierung soll eine abschreckende und damit deeskalierende Wirkung haben. Die Stationierung der Patriots und die Geschlossenheit der NATO sind unzweideutige Signale an das Assad-Regime, den Konflikt in Syrien nicht weiter über die Landesgrenzen hinauszutragen. Der Einsatz der Bundeswehr erfolgt ausschließlich auf NATO-Gebiet. Er ist rein defensiv. Es geht nicht um eine Flugverbotszone in Syrien oder gar um ein aktives Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg. Beides wird in dem von der Bundesregierung vorgelegten Mandat eindeutig ausgeschlossen. Das haben die Vorredner hinreichend dargelegt. Wichtig ist uns dabei allerdings auch, dass das Handeln der Bündnispartner, auch das der Türkei, in den politischen Ordnungsrahmen der Allianz eingebunden ist. Das heißt im konkreten Fall: Die deutschen Patriots und ihr Bedienungspersonal werden voll in die NATOKommandostruktur eingegliedert und damit dem NATOOberbefehlshaber unterstellt - und niemandem sonst. Ein Zweites ist für uns politisch wichtig: Es hat seit der Libyen-Entscheidung immer wieder im Bündnis, vor allem hinter vorgehaltener Hand, Äußerungen gegeben, die Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner zum Ausdruck brachten. Solche Zweifel waren nicht gerechtfertigt. Aber es war zu spüren, dass derartige Zweifel beispielsweise ein Hindernis für die notwendige Vertiefung der Zusammenarbeit in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bedeuteten; ich nenne nur die Stichworte „Pooling“ und „Sharing“. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Bündnispartner wissen: Auf Deutschland können sie sich verlassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, viel zu lange schon lesen wir täglich Berichte über Bombardierungen syrischer Städte durch Assads Luftwaffe - mit vielen zivilen Toten. Insgesamt kamen schon über 40 000 Menschen ums Leben. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns dann nicht auch die Frage stellen, ob es keinen eindeutigeren Fall für eine Schutzverpflichtung der internationalen Gemeinschaft gibt als das massenhafte Töten von Zivilisten in Syrien, das es zu unterbinden gilt? Da der UN-Sicherheitsrat bis heute blockiert ist und keine wirksamen Maßnahmen ergreifen konnte, war kein anderer Weg möglich, als die syrische Opposition mit Waffen zu versorgen, um das syrische Regime zu stoppen. ({1}) - Ja, ich sage das ganz offen, und ich sage das auch mit dem Hinweis darauf, dass durch das monatelange Nichthandeln des UN-Sicherheitsrates auch Kräfte wie al-Qaida in Syrien tätig geworden sind, die die Lage - insbesondere dann auch nach einem Ende des AssadRegimes - nur noch schwieriger machen. ({2}) Ich sage in aller Deutlichkeit: Diejenigen, die den Sicherheitsrat in der Syrien-Frage immer wieder blockiert haben, tragen dafür eine Mitverantwortung. ({3}) Wir hoffen, dass das Jahr 2013 das Jahr des freien Syrien wird, wie es der französische Außenminister Fabius gestern formuliert hat. Wir begrüßen daher die Entscheidung der Bundesregierung, die Beziehungen zum jetzigen Regime auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Wir hoffen, dass dann der syrische Oppositionsblock als die legitime Vertretung des syrischen Volkes zu einer Befriedung der Bevölkerungsgruppen in der Lage ist. Dafür werden ihm die EU und die Freunde Syriens jede politische und wirtschaftliche Unterstützung geben müssen. Bis das erreicht wird, besteht die Gefahr - darauf haben Sie, Herr Mützenich und Herr Staatsminister Link, hingewiesen -, dass das Assad-Regime in seiner Irrationalität den Einsatz von chemischen Waffen und weitere Eskalationen zu verantworten haben wird. Ich hoffe nicht, dass wir über konkrete Maßnahmen beraten müssen, weil diese rote Linie überschritten wurde. Ich bin mir aber sicher, dass erst recht nach einem Sturz des Assad-Regimes das syrische Volk unsere Solidarität und Unterstützung braucht. Deswegen ist am Freitag ein breites Votum für die Stationierung von Patriot-Raketen ein wichtiges Signal, dass wir im Bundestag gemeinsam auch längerfristig, über diese Entscheidung hinaus, dem geschundenen syrischen Volk helfen wollen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Kollege Dr. Andreas Schockenhoff war der letzte Redner in unserer Aussprache, die ich damit auch schließe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/11783 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Sie sind damit einverstanden; ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie einverstanden sind, kommen wir zum Tagesordnungspunkt 3, den ich damit auch aufrufe: Befragung der Bundesregierung ({0}) - Ich darf Sie bitten, sicherzustellen, dass die Befragung auch möglich ist. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Reform des Verkehrszentralregisters. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer. Bitte schön, Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist etwas ungewohnt, nicht vom Rednerpult aus zu sprechen. Die Usancen der Regierungsbefragung legen es dem Redner auf, vom Platz aus zu sprechen. Deswegen stehe ich jetzt hier an der Regierungsbank. Meine Damen und Herren, das Bundeskabinett hat heute die Reform des Verkehrszentralregisters oder - wie es im Umgangsdeutsch heißt - die Punktereform durch Beschluss eines Entwurfs zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnisverordnung gesetzgeberisch auf den Weg gebracht. Diesem Kabinettsbeschluss ging eine lange Vorarbeit voraus. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine ausgesprochen intensive Abstimmung mit den Ländern betrieben. Wir haben vor allen Dingen erstmals eine sehr umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung hergestellt, indem wir in den ersten Mai-Wochen dieses Jahres eine dreiwöchige Internetanhörung mit über 30 000 Eingaben durchgeführt haben, die wir in mehreren Punkten auch berücksichtigt haben. Sowohl bei der Länderanhörung als auch bei der Internetanhörung hat sich gezeigt, dass diese Materie von einer ausgesprochen großen Überparteilichkeit, von einer Unabhängigkeit von den Fraktionsgrenzen geprägt ist. Es ist also eine Materie mitten aus dem praktischen Alltag der Öffentlichkeit heraus. Es hat sich auch eines gezeigt: Entgegen unseren Erwartungen sind bei der Internetanhörung weniger Klagen darüber gekommen, dass etwas strenger wird, sondern - im Gegenteil; das hat uns überrascht - es sind in hohem Maße Verschärfungen gefordert worden. Das ist erklärbar mit dem übergeordneten Ziel, das wir mit dieser Reform verbinden, nämlich mehr Verkehrssicherheit herzustellen. Das ist das überragende Ziel. Deswegen setzen wir auch an der Fahreignung eines Verkehrsteilnehmers an. Deswegen wird das Verkehrszentralregister auch in Fahreignungsregister umbenannt. Es geht also immer um die Frage: Gibt der Verkehrsteilnehmer die Gewähr dafür, dass er zuverlässig und regelkonform am Straßenverkehr teilnimmt? Das gilt übrigens nicht nur für Fahrzeughalter, also für Personen mit motorisierten Fahrzeugen jeder Art, sondern auch für Radfahrer oder - theoretisch und praktisch - für Fußgänger. Das wird gerne übersehen, ist aber nicht minder wichtig. Wir wollen damit auch erreichen, dass das ganze System einfacher wird, dass es gerechter und vor allen Dingen auch überschaubarer, transparenter wird. Die wichtigsten Änderungen in einem kurzen Überblick: In Zukunft wird jeder Verstoß für sich verjähren. Jeder Punkt, der in Zukunft gegeben wird, wird für sich abgebaut und nicht in komplizierten gegenseitigen Verwebungen stehen, die im Grunde genommen nur noch ganz wenige ausgewiesene Experten im Detail überblickt haben. Mit Punkten werden außerdem nur noch solche Verstöße geahndet, die wirklich verkehrssicherheitsrelevant sind. Verstöße, die nicht die Sicherheit gefährden, werden in Zukunft nicht mehr erfasst, beispielsweise das Einfahren in eine Umweltzone ohne die erforderliche Plakette. Dafür gab es nach dem alten System bisher einen Punkt. In Zukunft wird das nicht mehr der Fall sein, weil das nicht die Sicherheit gefährdet. Gleichwohl - das will ich betonen - muss derjenige, der dabei erwischt wird, künftig mit 80 Euro Verwarngeld rechnen. Wir haben in Zukunft eine klare Differenzierung nach drei Punktekategorien. In die Kategorie ein Punkt fallen schwere Verstöße, in die Kategorie zwei Punkte besonders schwere Verstöße und in die Kategorie drei Punkte besonders schwere Verstöße, die mit einem Straftatbestand verbunden sind. Das ist beispielsweise der Fall, wenn zu einer Fahrt unter Alkoholeinfluss Fahrerflucht hinzukommt. In Zukunft haben wir auch eine sehr klare Einstufung in unterschiedliche Kategorien. Wenn drei Punkte angesammelt sind, kommt es zu einer Vormerkung, der Betroffene wird also noch nicht informiert. Bei vier und fünf Punkten kommt es zu einer Ermahnung, das heißt, er wird informiert und ihm wird Hilfe angeboten, wie er sich bessern kann. Bei sechs und sieben Punkten kommt es zu einer Verwarnung. Dabei wird auch ein Seminar angeordnet. Bei acht Punkten kommt es schließlich zum Entzug der Fahrerlaubnis. Das war bisher bei 18 Punkten der Fall. Also: Es wird nicht bei 18 Punkten, sondern bereits bei acht Punkten der Führerschein entzogen. Dafür gibt es aber nicht, wie bisher, bis zu sieben Punkte für eine Tat, sondern nur bis zu drei Punkte. Wir werden die Eintragungsgrenze von bisher 35 Euro auf 55 Euro anheben. Das heißt, ab 60 Euro wird ein Punkt eingetragen. Auch dieser Vorschlag, dass hier schärfer zugegriffen werden soll, kam aus der öffentlichen Anhörung. Es gibt aber einige Ausnahmen: Das BMU hat beispielsweise verlangt, dass für das Einfahren in eine Umweltzone ohne Plakette ein Verwarngeld von 80 Euro fällig werden soll, auch wenn es dafür keinen Punkt mehr gibt. Das waren in Kürze der Hintergrund und die wichtigsten Bestandteile dieser Reform. Ich bedanke mich.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Eine Fülle von Fragestellern hat sich schon gemeldet. Erster Fragesteller ist unser Kollege Sören Bartol.

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Ramsauer, vielen Dank für Ihre Ausführungen. - Ich habe eine Frage: Schließen Sie bei der Umstellung des geltenden Systems eine Amnestie, also eine Streichung von Punkten, generell aus? Wenn nein: Für welche Fälle können Sie sich eine Streichung von Punkten vorstellen?

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Bei der Umstellung vom alten System auf das neue System wird wie folgt vorgegangen: Am Stichtag - das ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens - wird festgestellt, welcher Punktestand für einen Verkehrsteilnehmer beim Verkehrszentralregister - so heißt es noch bis zu diesem Zeitpunkt - aufgelaufen ist. Dieser Punktestand wird dann in das neue System umgerechnet. Dabei wird so vorgegangen, dass dieser erreichte Punktestand zunächst um diejenigen Punkte bereinigt wird, für die im neuen System keine Punkte gegeben werden. Das ist keine Amnestie, sondern eine Bereinigung. ({0}) - Ich verstehe nicht. Sie sind die ersten Lacher. ({1}) Liebe Kollegen aus der Sozialdemokratie und von den Grünen - nur ein Grüner ist noch verblieben, das ist ja ziemlich wenig; die interessieren sich nicht dafür -, mit Ihren Länderkollegen habe ich ausgesprochen ernsthaft zusammengearbeitet, und ich bin außerordentlich dankbar, dass ich sozialdemokratische und grüne Länderkollegen habe, die so sachgerecht arbeiten. Das möchte ich an dieser Stelle auch einmal gesagt haben. In diesem Zusammenhang möchte ich einen grünen Kollegen zitieren, nämlich den Kollegen Hofreiter, der in der Schweriner Volkszeitung am 14. November dieses Jahres Folgendes gesagt hat: ({2})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ja, ist schon klar. Ich brauche keinen Hinweis, ich mache das schon. - Herr Bundesminister, Sie haben nicht die Erfahrung wie so manch anderer, der öfter an dieser Stelle steht. Ich weise darauf hin, dass wir uns gemeinsam ein Zeitkontingent für die Beantwortung der Fragen gegeben haben. Ich wäre dankbar, wenn Sie jeweils kurz antworteten. Für die Frage haben Sie eine Minute und für die Antwort auch eine Minute.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Okay; dann mache ich das schneller. - Der Kollege Hofreiter hat gesagt: Eine Amnestie für … rücksichtslose Raser und Drängler ist ein falscher und gefährlicher Weg. Da hat er vollkommen recht. Ich unterstreiche diesen Satz ausdrücklich. Allerdings muss ich festhalten: Erstens gibt es keine Amnestie und zweitens schon gleich keine solche; denn Drängler und Raser werden in Zukunft heftigst bepunktet. Für diese Leute brechen schwere Zeiten an. Das sind andere Verkehrssünder als diejenigen, die in eine Umweltzone einfahren oder die im Sommer, wenn überall die Volksfeste stattfinden, einen Festwagen mit einer Girlande schmücken, die das Kennzeichen verdeckt, und die deshalb bisher einen Punkt bekommen haben. Da gibt es einen großen Unterschied.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister, Sie haben gerade eben etwas versprochen.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Kurze Antwort: Keine Amnestie.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Jawohl, kurze Antworten, kurze Fragen. - Der nächste Fragesteller kommt jetzt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Stephan Kühn.

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, folgende Frage: Sie wollen das freiwillige Aufbauseminar zum Punkteabbau abschaffen. Mich würde interessieren, ob Sie die bisherigen Aufbauseminare in der Evaluierung für nicht erfolgreich halten. Gab es sozusagen Wiederholungstäter, die das Instrument missbraucht haben? Wenn nun diese Abbaumöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen, wie geht man mit denjenigen um, die das „Begleitete Fahren mit 17“ als Erwachsene unterstützen sollen, oder speziell mit Taxifahrern, die ja auch sehr schnell in eine solche Situation geraten können und dann keine Möglichkeit mehr haben, Punkte abzubauen?

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Konkrete Antwort: Die Erfahrungen mit dem freiwilligen Aufbauseminar zum Punkteabbau, bei dem man bisher drei oder vier Punkte abbauen konnte, wenn man sich der Zahl von 18 Punkten genähert hat, waren so - das haben alle Praktiker gesagt, egal ob Fahrlehrer, Polizei oder Verkehrspsychologen -, dass ein überwiegender Anteil der Teilnehmer in die Schulungen hineingeht, dort das angeordnete Seminar absitzt, wieder hinausgeht und dann genau so weiterfährt wie vorher. Da muss ich sagen, dass damit nicht viel bewirkt ist. Deshalb bieten wir jetzt einem Verkehrsteilnehmer, der mit vier Punkten auffällig wird, die Möglichkeit an, freiwillig an einem solchen Seminar teilzunehmen, allerdings ohne dass er damit Punkte abbauen kann. Eine Ausnahme machen wir in solchen Fällen, in denen - das ist Ihr Punkt - jemand als Erwachsener für das „Begleitete Fahren ab 17“ eingetragen ist, sodass diese Person nicht über die Drei-Punkte-Grenze kommt. Hierbei dürfen nicht mehr als zwei Punkte aufgelaufen sein.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Bundesminister. Nächster Fragesteller ist der Kollege Uwe Beckmeyer.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, es geht ja um Vereinfachung. Worin sehen Sie die Vereinfachung bei der Anwendung des Tattagsprinzips zur Berechnung des Punktestandes, welches weiterhin eine einjährige Überliegefrist erfordert, die sich an die Tilgungsreife anschließt und nach der erst die endgültige Tilgung der Punkteeintragung erfolgt?

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Herr Kollege Beckmeyer, das ist in der Tat ein schwer zu erklärendes Phänomen, das unter heftiger Mitwirkung des Bundesjustizministeriums zustande kam. ({0}) - Da muss ich selbst etwas schmunzeln; das gebe ich zu. Aber wissen Sie, wenn man Juristen darübergehen lässt, dann - ({1}) Das ist ein fraktionsübergreifendes Phänomen; ich glaube, da sind wir alle uns einig. Insofern, Herr Beckmeyer, danke für die Frage. Ich habe sie mir selbst oft gestellt. Ich versuche, es Ihnen zu erklären: Mit dem Tattag kommen die Punkte zustande, aber erst mit dem Tag der Rechtskraft - das kann in Deutschland bis zu eineinhalb Jahren dauern - beginnt die Tilgungsfrist. Wir setzen beginnend am Zeitpunkt des Eintritts der Tilgungsreife, also wenn die Punkte getilgt sind - wir haben hier Fristen von zwei Jahren, fünf Jahren oder gar zehn Jahren, je nach Schwere des Delikts -, eine Überliegefrist von einem Jahr drauf, um sicherzustellen, dass erfasst wird, ob zwischen dem Tag der Rechtskraft und der Tilgungsreife eine neue Tat begangen wurde, die angesichts der dabei erworbenen Punkte zu einer Maßnahme führt. - Das ist die kürzestmögliche Antwort, lieber Herr Kollege Beckmeyer. Ich lade Sie ein, zu mir zu kommen. Ich erkläre es Ihnen gerne auch noch grafisch. ({2})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister, es gibt auch die Chance, bestimmte Dinge hinterher im Protokoll nachzulesen, um sich das wirklich zu vergegenwärtigen. Vielen Dank. Herbert Behrens ist der nächste Fragesteller.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, Sie haben auf die Bedeutung der Seminare hingewiesen, die dazu führen sollen, dass die Delinquenten zu einem besseren Fahrverhalten kommen. Diese Seminare werden wohl um die 600 Euro kosten. Bei bestimmten Vergehen, wie Trunkenheit am Steuer, ist es durchaus üblich, dass Bußgelder nach Tagessätzen erhoben werden. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, auch die Kosten von Fahreignungsseminaren nach Tagessätzen zu berechnen, entsprechend der Schwere des Vergehens?

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Darf ich einmal nachfragen? Ich habe jetzt den Kern Ihrer Frage nicht ganz verstanden: Welche Verbindung stellen Sie zwischen den Tagessätzen und den Kosten eines solchen Seminars her?

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es ist in der Tat so, dass je nachdem, welches Vergehen ein Delinquent verursacht hat - etwa bei Trunkenheit am Steuer -, gesagt wird: Das Bußgeld für das Vergehen wird in Tagessätzen, gemessen am Einkommen, erhoben. Gleichwohl liegt die Gebühr für die verpflichtende Teilnahme an Eignungsseminaren, wenn ich es richtig lese, statisch bei 600 Euro.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Jetzt habe ich es verstanden. Vielen Dank. - Man muss bei dem, was im künftigen Fahreignungsregister aufläuft, zwischen der Sphäre der Gerichte und dem, was die Behörden auferlegen, unterscheiden. Die Gerichte sind in ihrer Sphäre - innerhalb der gegebenen Leitplanken des Gesetzes und der Rechtsprechung - in ihrem Urteil darüber, welches Einkommen und welche Tagessätze sie zugrunde legen, quasi frei. Völlig unabhängig davon ist die Frage, welche Maßnahme auferlegt wird. Wenn ein Besserungsseminar oder gar eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet wird, dann müssen die entsprechenden Kosten getragen werden. Ich sehe im Grunde genommen keine praktikable Möglichkeit, auch bei den Kosten dieser Maßnahmen nach Einkommen oder ähnlichen sozial relevanten Größen zu differenzieren.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt unsere Kollegin Frau Kirsten Lühmann. Bitte schön, Frau Kollegin Lühmann.

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, es geht nochmals um die schon mehrfach angesprochenen Kurse, die, wie wir gehört haben, recht teuer sind. Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man jederzeit freiwillig an einem solchen Kurs teilnehmen. Dies hat aber im Hinblick auf das Fahreignungsregister nur eine Auswirkung: Wenn man innerhalb der ersten zwei Jahre nach Teilnahme an einem solchen Kurs die von Ihnen erwähnte Grenze von sechs oder sieben Punkten überschreitet, kann der Kurs nicht noch einmal angeordnet werden. Wenn man also freiwillig am Kurs teilgenommen hat - so habe ich das gelesen -, kann die nochmalige Teilnahme nicht angeordnet werden. Jetzt könnte man sagen: Das hat auch keine Wirkung. Wenn man aber in Ihrem Entwurf weiterliest, sieht man, dass dort steht: Wenn man zweimal innerhalb von zwei Jahren einen solchen Kurs angeordnet bekommt, dann wird der Führerschein entzogen. Ich bitte um eine Erklärung Ihrerseits. Heißt das: Wenn ich genug Geld habe oder clever genug bin, dann mache ich freiwillig einen Kurs, wodurch beim ersten Mal der Kurs nicht angeordnet und deshalb beim zweiten Mal die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird? Ich kaufe mir also ein bisschen Zeit, weil so erst beim dritten Mal der Führerschein entzogen wird? Das ist doch eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen, die diese Möglichkeit nicht ausschöpfen können, weil sie nicht das Geld haben oder diese Regelung nicht kennen.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Es ist allgemein festzustellen, dass im Straßenverkehr jeder gleich zu behandeln ist. Das darf nicht von sozialen Kriterien abhängen, zum Beispiel was jemand verdient oder ob er Arbeit hat oder nicht. Die Regeln müssen überall gleich angewandt werden. Zu den Seminaren. Es ist in der Tat so: Wenn es zu einer Ermahnung kommt, dann kann der Betroffene freiwillig - ohne dass das zu einem Punkteabbau führt - ein Seminar besuchen. Das angeordnete Seminar muss absolviert werden, bevor der Führerschein entzogen wird. Ich bitte Sie, den komplexen Fall, den Sie vorgetragen haben, sauber zu Papier zu bringen. Wir werden Ihnen dann schriftlich die Regelung, die für Ihren speziellen, fast künstlich verkomplizierten Fall gilt, differenziert darlegen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller, unser Kollege Michael Groß.

Michael Groß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004045, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe eine Frage zu einem Punkt, den Sie in Ihrer Einführung zweimal erwähnt haben: das Fahren in einer Umweltzone ohne gültige Plakette. Sie haben dargestellt, dass es dafür demnächst keinen Punkt mehr gibt; stattdessen wird das Bußgeld von 40 auf 80 Euro erhöht. Können Sie das vor dem Hintergrund, dass verschiedene Gutachten die Wirksamkeit von Umweltzonen infrage stellen, begründen?

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Bei Gutachten muss man immer schauen, wer sie schreibt. Aus eigener früherer wissenschaftlicher Tätigkeit weiß ich sehr genau, wie das mit Gutachten ist. Man muss immer darauf achten: Wer schreibt welche Gutachten? Außerdem können Sie zu jedem Gutachten ein Gegengutachten in Auftrag geben. So viel zum Thema Gutachten im Allgemeinen. Sie haben Gutachten genannt, die die Wirksamkeit von Umweltzonen infrage stellen. Damit wird die Wirksamkeit aber noch lange nicht verneint. Ich sage Ihnen eines: Wenn ein älterer Verkehrsteilnehmer versehentBundesminister Dr. Peter Ramsauer lich ohne Umweltplakette widerrechtlich in die Innenstadt fährt, dann wird dadurch nicht die Umwelt in dieser Innenstadtlage verpestet. Das sind Ausnahmefälle. Vor allen Dingen führt dies nicht zu einer Gefährdung der Sicherheit. Wir knüpfen an die Frage der Verkehrssicherheit an, an die Sicherheitsgefährdung als solche. Deswegen haben sich BMJ, BMU und mein Ressort auf den Kompromiss geeinigt, dass wir der Vereinfachung wegen zwar keinen Punkt mehr geben, aber gleichwohl 80 Euro nehmen. Auch von diesen 80 Euro geht eine abschreckende Wirkung aus, sodass Ihre Befürchtung, dass Ortskerne verpestet werden, nicht eintreffen wird.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Es folgt eine Fragestellung aus der Fraktion der CDU/CSU. Frau Kollegin Daniela Ludwig.

Daniela Raab (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben in Ihrem Eingangsstatement erwähnt, dass Sie im Hinblick auf die Reform eine umfangreiche Bürgerbeteiligung durchgeführt haben. Ich möchte vorausschicken: Es haben sich nicht wenige an der Reform von Flensburg - wie es im Volksmund so schön heißt - versucht und sind meistens daran gescheitert, weil das sehr kompliziert ist. Ich möchte festhalten, dass es in meinen Augen gelungen ist, für Transparenz und Vereinfachung zu sorgen. Mich würde trotzdem interessieren - ich gehe davon aus, Ihr Haus verfügt über entsprechende Zahlen -: Wie viele Bürger haben sich aktiv an der Onlinediskussion beteiligt? Und können Sie uns etwas zu den inhaltlichen Schwerpunkten sagen? Vielen Dank.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Frau Kollegin Ludwig, an dieser Internetumfrage haben sich über 30 000 Personen beteiligt. Allein die Zahl der Seitenaufrufe liegt im sechsstelligen Bereich; die genaue Zahl müsste ich heraussuchen. Interessant ist auch die durchschnittliche Verweildauer auf der Seite: siebeneinhalb Minuten. Das ist sensationell lang. ({0}) - Ich finde, das ist sehr lang. ({1}) In diesen drei Wochen standen in einem Schaltraum - ich glaube, von 7 bis 22 Uhr - sechs Experten und Expertinnen zur Verfügung, die telefonisch oder per E-Mail eingehende Fragen beantwortet haben. Dies zeigt, wie gut, wichtig und ertragreich es ist, die Öffentlichkeit zu beteiligen. Man kann auch sagen: Dies ist der allererste Gesetzentwurf einer Bundesregierung, der in der Internetöffentlichkeit zustande gekommen ist. Ich glaube, auch das ist ein Wert an sich, getreu dem Grundsatz, Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Nächster Fragesteller ist der Kollege Gustav Herzog. Bitte schön.

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister - - Bei diesem Mikrofon braucht man Geduld. ({0}) - Herr Kollege, ich bin nominiert. ({1}) Herr Bundesminister, Stichtage sind immer eine schwierige Angelegenheit. Für den Rechtsunterworfenen kann es durchaus interessant sein, ob er für seine Tat nach altem oder nach neuem Recht sanktioniert wird. Deswegen die Frage: Angenommen, Ihr Praktikant fährt heute viel zu schnell und kassiert Punkte, hat aber gute Anwälte und stellt fest, dass er nach neuem Recht besser behandelt würde. Jetzt hat er die Tat aber sozusagen noch unter altem Recht begangen. Können Sie mir als Nichtjuristen die entsprechende Übergangsregelung erläutern?

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Herr Kollege Herzog, auf den ersten Teil Ihrer Frage, der mit Ihrer Aussage, dass Sie nominiert sind, zu tun hat, kann ich nicht antworten, weil ich diesen Teil der Frage nicht verstanden habe. ({0}) - Ach so, das hatte nichts mit Fahreignung zu tun. Dann habe ich das falsch verstanden. ({1}) - Ich höre Ihnen besonders aufmerksam zu. Ich möchte Ihnen die Sache mit den Stichtagen noch einmal erläutern. Das Inkrafttreten des neuen Fahreignungsregisters erfolgt am Monatsersten des sechsten Monats nach Verkündung des Gesetzes. Wenn das Gesetz beispielsweise am 20. Juni 2013 verkündet wird, tritt das Gesetz am Monatsersten des sechsten folgenden Monats in Kraft, also am 1. Dezember. Alle Punkte, die bis dahin aufgelaufen sind - das Auflaufen der Punkte beginnt mit dem Tattag; das habe ich vorhin erläutert -, werden nach altem Recht behandelt. Alles, was ab diesem Stichtag aufläuft, wird nach neuem Recht behandelt. Die Punktestände werden nach einem gewissen Muster umgerechnet, das ich Ihnen gerne erläutere. - Die Lampe blinkt noch nicht. Die Uhr ist abgeschaltet. ({2}) Ich kann Ihnen das gerne erläutern. - Einen Augenblick, bitte.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Wir haben ja noch lange Zeit. Bitte. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Die Überführung der Punkte erfolgt nach folgendem Muster: Ein Punktestand von ein bis drei Punkten vor dem Stichtag wird umgerechnet in einen neuen Punkt. Vier oder fünf alte Punkte werden in zwei neue Punkte umgerechnet. Sechs oder sieben alte Punkte werden in drei neue Punkte umgerechnet. Acht, neun oder zehn alte Punkte werden in vier neue Punkte umgerechnet. 11, 12 oder 13 alte Punkte werden in fünf neue Punkte umgerechnet. 14 und 15 alte Punkte werden in sechs neue Punkte umgerechnet. 16 und 17 alte Punkte werden in sieben neue Punkte umgerechnet. 18 und mehr alte Punkte entsprechen acht neuen Punkten und somit dem Entzug der Fahrerlaubnis. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Gustav Herzog hat alles verstanden wie auch der Präsident hier oben. ({0}) Martin Burkert ist der nächste Fragesteller.

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich will Sie fragen, was Sie unternommen haben oder unternehmen werden, um zu verhindern, dass es bei den Fahreignungsseminaren, die zukünftig erforderlich sind, in Flächenländern, also zum Beispiel bei uns in Bayern, im ländlichen Raum, zu Kapazitätsproblemen kommt. Denn im Entwurf ist vorgesehen, dass nur noch drei Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer an dieser verkehrspädagogischen Maßnahme teilnehmen dürfen und dass das Seminar innerhalb von drei Monaten absolviert werden muss. Ich gehe davon aus, dass bei so etwas nicht mit Praktikanten gearbeitet werden kann.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Lieber Kollege Martin Burkert, das ist eine Frage, die inhaltlich all den Sorgen zuwiderläuft, die an mich herangetragen werden. Mir ist von den Betroffenen gesagt worden, es führe möglicherweise zu erheblichen Überkapazitäten bzw. einer erheblichen Unterbeschäftigung der hierfür derzeit bestehenden Kapazitäten in den Bereichen Schulung, Verkehrspsychologie und Verkehrspädagogik, weil das bisherige freiwillige Absitzen entfällt. Man befürchtet also keine Kapazitätsengpässe, sondern man befürchtet, dass Überkapazitäten entstehen. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt. Wir werden das genau beobachten. Eines ist mir dabei wichtig: Wir arbeiten an einer deutlichen strukturellen und inhaltlichen Verbesserung des Fahreignungsseminars. Die Bundesanstalt für Straßenwesen arbeitet sehr stark wissenschaftlich, also auch verkehrspsychologisch und verkehrspädagogisch. Wir wollen, dass die Fahreignungsseminare psychologisch und pädagogisch noch besser und nachhaltiger wirken, damit der- oder diejenige, der oder die solch ein Seminar absolviert hat, sich dann im Straßenverkehr tatsächlich sicherheitskonformer und regelkonformer verhält, als es bislang der Fall war. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Danke. - Jetzt Stephan Kühn. Bitte schön, Kollege Stephan Kühn.

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich habe eine Frage dazu, dass Sie künftig nur noch Punkte für Verstöße, die tatsächlich verkehrssicherheitsrelevant sind, vergeben wollen. In diesem Zusammenhang ist im Entwurf neben dem Thema Umweltzone vom Kennzeichenmissbrauch die Rede gewesen. Nun ist Kennzeichenmissbrauch zum Beispiel im Zusammenhang mit Fahrerflucht aus meiner Sicht durchaus verkehrssicherheitsrelevant. Ich habe nicht alle Details der finalen Fassung des Entwurfs lesen können. Daher frage ich, ob weiterhin vorgesehen ist, dass Kennzeichenmissbrauch, der bei einer Unfallflucht durchaus verkehrssicherheitsrelevant sein kann, nicht mit Punkten bestraft werden soll.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Bei der Ahndung und Verfolgung solcher Delikte, wie Sie sie gerade darstellen, Herr Kollege Kühn, sind andere Bestandteile der Tat sicherlich wesentlich virulenter und wichtiger als die Frage, was mit dem Kennzeichen passiert ist. Hier gilt die alte Volksweisheit: Das große Wasser nimmt das kleine mit. Wir denken dabei an folgende Fälle - ich wiederhole es noch einmal -, die wir alle kennen: Wenn zum Beispiel im Mai und Juni die Umzüge und Feste bei uns im Land stattfinden, kann es sein, dass geschmückte Festwagen ein Stück über öffentliche Straßen fahren müssen und ein Kennzeichen durch ein Banner, ein Schmucktuch oder eine Girlande verdeckt ist. Ich bin schon des Öfteren heftigst angegangen worden nach dem Motto: Jetzt nehmen wir uns die Zeit und schmücken ein Pferdegespann, einen Festwagen, und wenn wir so das Stück bis zum Beginn des Festzuges fahren, erwischt uns die Polizei und wir müssen bezahlen. - Da sollte man die bisherigen Regelungen wirklich überdenken und diese Fälle anders behandeln als solche, in denen mit einem Auto vorsätzlich schwere Straftaten begangen werden und damit die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gefährdet wird.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Nächster Fragesteller: Kollege Herbert Behrens.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, Sie haben gesagt, dass sich an der Diskussion im Internet etwa 30 000 Menschen beteiligt haben. Ich habe die Kollegin Ludwig so verstanden, dass sie auch nach den Schwerpunkten der Beiträge gefragt hat. Darauf haben wir noch keine Antwort. Sie haben Anregungen vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat oder vom Kollegen Luksic, der sagte, freiwillige Seminare sollten auch zum Punkteabbau führen, und möglicherweise auch andere Vorschläge aus der Internetdiskussion offenbar nicht aufgenommen. Warum haben Sie das nicht getan? Was wir jetzt sehen, unterscheidet sich ja nicht sehr groß von dem ursprünglichen Entwurf.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Herr Kollege Behrens, wir haben uns mit allen Verkehrssicherheitsverbänden - davon gibt es eine ganze Reihe - intensivst beratschlagt, ebenso mit anderen Verbänden wie Automobilklubs oder Fahrradklubs, kurz: mit allem an verbandlicher Organisation, was sich mit der Straßenverkehrssicherheit befasst. Wir haben - das gehört zu dem übergreifenden Ansatz, von dem ich eingangs gesprochen habe - hier wirklich breiteste Übereinstimmung erzielt. Ich habe noch einmal die Unterlagen zur Bürgerbeteiligung herausgesucht. Es waren 160 000 Seitenaufrufe; diese Zahl wollte ich noch nennen. Sie haben gefragt: Was haben die Bürgerinnen und Bürger gefordert? Ich nenne nur einige Beispiele: Es wurde eine größere Differenzierung bei den Punkten gefordert. Dafür haben wir gesorgt. Ursprünglich waren nur zwei Punkte vorgesehen: einer für schwere und zwei für besonders schwere Vergehen. Nun sind wir auf drei Punkte hochgegangen. Wir haben das mit dem Parlament immer wieder intensiv abgestimmt. Ich erinnere mich an ein langes Telefonat mit dem Kollegen Luksic; er schaut gerade her. ({0}) - So schnell geht das. Viele haben eine Änderung des Bußgeldkatalogs in Form von Erhöhungen gefordert. Gefordert wurden auch Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit, zum Beispiel mehr Kontrollen. Wir bekommen - das ist interessant - zwei Arten von Beschwerden: Wir bekommen Beschwerden über zu viele Kontrollen; wir bekommen aber auch Beschwerden über zu wenige Kontrollen. Je betroffener jemand ist - zum Beispiel wenn er an einer Durchgangsstraße wohnt -, desto mehr Kontrollen verlangt er. Das ist das Phänomen der mehreren Wahrheiten. Gefordert wurde auch, den Punkteabbau weiter zu ermöglichen. Auch hier haben wir reagiert. Ich könnte hier noch mehr ausführen zu Punkten, die von den Bürgerinnen und Bürgern unterstützt worden sind - ich weiß nicht, ob Sie das noch interessiert -; aber hier blinkt es rot. Ich breche an dieser Stelle ab.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

So ist das, Herr Minister. Trotzdem herzlichen Dank für die umfassende Beantwortung. Ich habe noch zwei Wortmeldungen zur Befragung der Bundesregierung, lasse die auch noch zu und werde das dann entsprechend unseren Regeln auf die Fragestunde anrechnen. - Die Kollegin Lühmann hat das Wort.

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich muss noch einmal auf die Frage des Kollegen Kühn eingehen. Ich glaube, da gab es ein Missverständnis. Wenn ich den Kollegen Kühn richtig verstanden habe - wenn ich ihn falsch verstanden habe, stelle ich diese Frage -, ging es ihm nicht um ein Fahren mit verdecktem oder verdrecktem Kennzeichen, wie Sie es bei den Festumzügen erlebt haben - das kostet 10 Euro; das kann, glaube ich, jede Vereinskasse tragen -, sondern dem Kollegen Kühn ging es um Kennzeichenmissbrauch. Kennzeichenmissbrauch - wenn jemand an einem Fahrzeug, das nicht zugelassen ist, ein Kennzeichen anbringt, das den Anschein eines amtlichen Kennzeichens erweckt, oder wenn jemand an einem Fahrzeug, das zugelassen ist, ein anderes Kennzeichen anbringt - ist eine Straftat. Wenn ich nur das mache, dann ist das zwar eine Straftat, aber das zieht kein Fahrverbot nach sich. Ich tue das dann allerdings mit einer gewissen Intention. Diese Intention könnte eine andere Straftat sein. Vielleicht werde ich aber entdeckt, bevor ich diese andere Straftat, wie zum Beispiel Tanken, ohne zu bezahlen, oder Unfallflucht, begehe. Wenn ich also vor dieser anderen Straftat erwischt werde, dann habe ich nur die Straftat des Kennzeichenmissbrauchs begangen, wofür ich kein Fahrverbot und nach den von Ihnen jetzt vorgesehenen Regelungen auch keine Punkte bekommen würde. Halten Sie das bei einem so schweren Vergehen wie dem Kennzeichenmissbrauch für sinnvoll? Noch einmal: Es geht nicht um ein verdrecktes oder verdecktes Kennzeichen.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Ich verstehe Sie schon. - Nein, das hielte ich in der Praxis natürlich für nicht gerechtfertigt. Deswegen steht es dem Gericht bei Vorliegen einer solchen Straftat, bei entsprechenden Erkenntnissen über eine solche Art von Vorsatz letztlich selbstverständlich frei, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Diese kann dann nur entsprechend den gegebenen Regelungen wiedererlangt werden, zum Beispiel durch das Ableisten eines Seminars oder möglicherweise durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Auch diese Debatte müssen Sie anderswo fortsetzen. - Der Kollege Gustav Herzog hat noch eine Nach26124 Vizepräsidentin Petra Pau frage. Das ist dann auch die letzte bei diesem Tagesordnungspunkt.

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, Sie haben in Ihren einleitenden Worten ja mit der Bürgerbeteiligung begonnen. Ich finde es gut, dass sich so viele Tausend Menschen über das Internet mit einer Eingabe an der Diskussion beteiligt haben. Sie haben im Frühjahr aber auch eine Hochglanzbroschüre herausgegeben. Dazu stelle ich meine Fragen - Sie können sie auch gerne schriftlich beantworten -: Wie viele Bürgerinnen und Bürger haben sich aufgrund der Hochglanzbroschüre an dem Diskussionsprozess beteiligt? Können Sie mir sagen, was die jeweiligen Instrumente, also die Schaltung im Internet und die Hochglanzbroschüre, gekostet haben?

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Ich habe damals die Eckpunkte dieser Reform vorgestellt. Entweder wollen wir Transparenz der Gesetzgebung oder wir wollen sie nicht. Gleichzeitig haben wir an dem Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung bei der Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor gearbeitet. Ich wollte damit demonstrieren, dass wir auch in der Gesetzgebung Transparenz herstellen und die Möglichkeit breitester Bürgerbeteiligung garantieren wollen. Dazu, dass jetzt daran herumgekrittelt und gesagt wird, dass das zu teuer ist, kann ich nur sagen: Transparente Demokratie und Bürgerbeteiligung müssen ihr Geld auch wert sein. ({0}) Ich stelle das ganz klar fest. Sie sind es vielleicht gewohnt, alles in die Schemata von Tarifverträgen hineinzupressen. Solche Dinge tue ich nicht. Es ist schlicht und einfach Erbsenzählerei, das zu einer Informationsbroschüre zu fragen, die übrigens keine Hochglanzbroschüre war, sondern ein einfaches Faltblatt, das mit minimalen Kosten hergestellt werden kann. Ich würde das sofort wieder tun. Dass es richtig war, zeigt die Tatsache, dass es uns regelrecht aus den Händen gerissen worden ist. Das war eine richtige Maßnahme und ist ein hervorragender Beitrag zur Bürgerbeteiligung. Ich bedanke mich für mein Haus und für die Bundesregierung bei allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, die von dieser Bürgerbeteiligung Gebrauch gemacht haben, und ich bedanke mich auch deshalb dafür, weil dadurch sehr viel praktisches Wissen in diese Gesetzgebung eingeflossen ist. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Danke, Herr Minister. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Fragestunde - Drucksache 17/11786 Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/11786 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung. Bevor wir zu den Fragen kommen, mache ich darauf aufmerksam, dass es im Laufe des Nachmittags die Verständigung zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern gegeben hat, dass wir die Fragestunde auf maximal 60 Minuten begrenzen. ({0}) Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter sollen schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Uwe Beckmeyer auf: Warum hat sich der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, trotz öffentlicher Zusicherung nicht für die Umsetzung des Auftrages aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP eingesetzt, in den Bundeshaushalten für die Jahre 2012 und 2013 eine Direktzuweisung der Lkw-Maut an die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH, VIFG, vorzunehmen, und plant die Bundesregierung eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Koalitionsvertrag sieht lediglich die Prüfung einer direkten Zuweisung der Einnahmen aus der Lkw-Maut an die VIFG vor. Feste Zeitvorgaben gibt es darin nicht. Die Prüfung ist abgeschlossen. Eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode erfolgt daraufhin nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kann die Bundesregierung Medienberichte bestätigen, wonach der Bund bereit ist, auf einen Teil seiner Schadenersatzforderungen gegenüber dem Betreiberkonsortium Toll Collect GmbH zu verzichten?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herr Kollege, diese Presseberichte kann ich nicht bestätigen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Welche Bedingungen müssten aus Sicht der Bundesregierung erfüllt werden, um entsprechende Verabredungen mit den Beklagten zu erfüllen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Da es um laufende Verhandlungen geht, kann ich darüber hier keine Auskunft geben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen zur Frage 4 des Kollegen Uwe Beckmeyer: Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das sogenannte Mautmoratorium vor dem Hintergrund der inzwischen eingeführten Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen nicht länger aufrechtzuerhalten ist, und wird das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung innerhalb der nächsten zehn Monate eine neue Verordnung zur Festsetzung der Höhe der Autobahnmaut für schwere Nutzfahrzeuge vorlegen, um Euro-6-Fahrzeuge einzubeziehen und eine Internalisierung externer Kosten zu erreichen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage wie folgt: Das Mautmoratorium bezieht sich darauf, die Lkw-Mautsätze in dieser Legislaturperiode nicht zu erhöhen, während die Einführung der Lkw-Maut auf vier- und mehrstreifigen Bundesstraßen als eine Ausweitung des mautpflichtigen Streckennetzes anzusehen ist. Diese Strecken besitzen einen autobahnähnlichen Ausbaustandard und unterliegen denselben Mautsätzen wie Autobahnen, sodass das Mautmoratorium auch weiterhin Bestand hat. Nach Vorlage der relevanten Ergebnisse des in Arbeit befindlichen neuen Wegekostengutachtens ist vorgesehen, neue Mautsätze mit Gültigkeit ab Oktober 2013 noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen. Euro-6-Fahrzeuge sollen Bestandteil dieser Regelung sein, eine Internalisierung externer Kosten hingegen nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist der Abschluss des Schiedsverfahrens zwischen Bund und Toll Collect nach Einschätzung der Bundesregierung die Voraussetzung dafür, dass der Bund Anteile an dem Unternehmen an neue Gesellschafter verkaufen kann?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Der Abschluss des Schiedsverfahrens hängt vor allem davon ab, dass wir erst einmal einen Vorsitzenden des Schiedsgerichts bekommen, nachdem der bisherige Vorsitzende ausgefallen ist. Von daher kann man den Abschluss dieses Schiedsverfahrens noch nicht absehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wann soll die Beratergruppe Maut 2015 erste Ergebnisse vorlegen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die Beratergruppe Maut wird bis dahin nichts vorlegen. Vielmehr haben wir bereits ein Wegekostengutachten in Auftrag gegeben, das in der ersten Hälfte 2013 vorgelegt werden soll. Daraufhin werden die Mautsätze neu berechnet und dementsprechend umgesetzt. Von einem Zeitpunkt 2015 kann hier keine Rede sein.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen zur Frage 5 des Kollegen Martin Burkert: Warum hat sich der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, trotz öffentlicher Zusicherungen nicht für die Umsetzung des Auftrags des Koalitionsvertrags, die rechtlichen Voraussetzungen für eine begrenzte Kreditfähigkeit der VIFG zu schaffen, eingesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird ({0})? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Koalitionsvertrag sieht die Prüfung der Kreditfähigkeit der VIFG vor. Ein Auftrag zu ihrer Herstellung oder feste Zeitvorgaben sind damit nicht verbunden. Die Einführung einer Kreditfähigkeit der VIFG in dieser Legislaturperiode wird nicht erfolgen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung überhaupt irgendwelche Maßnahmen ergriffen, wie in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, um die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft weiterzuentwickeln?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Wir befinden uns in einem ständigen Dialog mit der Gesellschaft. Wir halten ihre Arbeit für ausgezeichnet und unterstützen sie nachdrücklich.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die zweite Nachfrage.

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage nach: Welche Rolle wird die VIFG im Rahmen der Planungen für den Bundesverkehrswegeplan 2015 spielen? Spielt sie überhaupt eine Rolle?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die Erstellung des Bundesverkehrswegeplans wird durch die Länder, die DB Netz AG sowie die Wasserund Schifffahrtsverwaltung und natürlich durch unser Haus bestimmt. Die VIFG hat dabei keine spezifische Aufgabe.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 6 des Kollegen Martin Burkert: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine rechtliche Voraussetzung für die Finanzierung nichtbundeseigener Eisenbahninfrastruktur für die Einbindung in das Schienengüterfernverkehrsnetz zu schaffen, nicht umgesetzt, und auf welcher Grundlage sollen die vom Bundeshaushaltsgesetzgeber für das Jahr 2013 bereits zur Verfügung gestellten Mittel vergeben werden? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich bin dem Kollegen Burkert sehr dankbar für diese Frage, die ich wie folgt beantworte: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung setzt den Auftrag des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und FDP um. Die Ressortabstimmung und die Anhörung der Länder und Verbände zu einem entsprechenden Gesetzentwurf sind eingeleitet. Das Gesetzesvorhaben schafft die Grundlage für die Vergabe der Mittel, die der Bundeshaushaltsgesetzgeber für das Jahr 2013 zur Verfügung gestellt hat.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage.

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. - Welche Bewertungskriterien werden für die Förderung dieser nichtbundeseigenen Eisenbahnstrecken angesetzt, und wann ist konkret mit einem ersten Mittelabfluss zu rechnen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Mit einem Mittelabfluss ist, wenn der Gesetzentwurf durch dieses Hohe Haus verabschiedet wird, im Jahr 2013 zu rechnen. Als Förderkriterium gilt, dass es sich um Strecken handelt, bei denen Investitionen in die Infrastruktur vorgenommen werden. Dabei muss es sich um Schienengüterfernverkehr handeln. Dieser ist definiert als Verkehr auf einer Strecke von mindestens 50 Kilometern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Werden bei diesen Güterfernverkehrsstrecken nur Eigentümer dieser Strecken anspruchsberechtigt sein, oder ist es auch möglich, dass Pächter diese Mittel beantragen können?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Wir haben in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass Antragsteller immer die Eigentümer der jeweiligen Infrastruktur sein müssen. Das ergibt sich logischerweise daraus, dass nur sie die Investitionen rechtssicher vornehmen können. Die Maßnahmen werden dann eingereicht und von uns mit 50 Prozent bezuschusst. Das lässt den Ländern die Möglichkeit, eine eigene Regelung über die anderen 50 Prozent zu schaffen. Da wollen wir nicht eingreifen. Wir beziehen uns nur auf die bundesseitige Förderung. Sie wird für solche Strecken bei 50 Prozent liegen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 7 des Kollegen Florian Pronold: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine ertragsoptimierte Privatisierung der Transport- und Logistiksparten der Deutschen Bahn AG schrittweise einzuleiten, trotz persönlicher Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage nach der Kapitalprivatisierung wie folgt: Die Voraussetzungen für eine solche Kapitalprivatisierung sind derzeit nicht gegeben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es Pläne der Bundesregierung oder der sie tragenden Fraktionen zu einer solchen Kapitalprivatisierung, wie man aus manchen Andeutungen in den Medien schließen kann?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Solche Medienberichte kann ich nicht bestätigen. Im Übrigen sollten wir uns in der Politik nicht auf Medienberichte fokussieren. Ich kann nur feststellen: Solche Bestrebungen gibt es derzeit nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zweite Nachfrage? - Sie verzichten. Dann kommen wir zur Frage 8 des Kollegen Florian Pronold: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, bei der Deutschen Bahn AG Doppelmandate bei der Holding und den Infrastrukturgesellschaften auszuschließen, trotz öffentlicher Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Frage der Doppelmandate ist Teil des Vertragsverletzungsverfahrens zum ersten Eisenbahnpaket. Das Urteil steht noch aus. Anschließend wird die Bundesregierung das weitere Vorgehen prüfen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage.

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehen Sie es denn gerade in der aktuellen Debatte um Stuttgart 21, wo der Vorstand Dr. Kefer eine solche Doppelfunktion wahrnimmt, nicht als problematisch an, dass Sie für diese Trennung nicht gesorgt haben?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herr Dr. Kefer ist eine herausragende Persönlichkeit mit einer hohen Fachkompetenz, und deswegen sehe ich das als nicht problematisch an.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich sehe, Sie haben nicht den Wunsch nach einer zweiten Nachfrage. Dann erlaube ich mir den Hinweis an die fragenden Kolleginnen und Kollegen und an die Mitglieder der Bundesregierung - wir haben uns im Präsidium gerade noch einmal vergewissert -: Wir haben die Regeln für die Fragestunde nicht geändert. Daraus folgt - das auch als Erklärung für diejenigen, die unsere Debatte hier verfolgen -, dass diejenigen, die fragen, und diejenigen, die antworten, sich zu diesem Zwecke erheben, sich also gegenüberstehen. Offensichtlich sind einige nach dem unüblichen Ablauf des heutigen Plenartags etwas erschöpft und haben diese Regel vergessen. Aber wir machen ab sofort so weiter. Die Frage 9 des Kollegen Hans-Joachim Hacker wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Ulrich Kelber auf: Wie bewertet die Bundesregierung das Modell für Lärmschutz, bei dem die Umrüstung von Güterwaggons auf lärmmindernde Bremssysteme neben gespreizten Trassenpreisen auch mit einem nahezu 100-Prozent-Zuschuss gefördert wird, wie es beispielsweise in der Schweiz umgesetzt wird, und welche Konsequenzen erwartet die Bundesregierung daraus im Hinblick auf die ab 2020 in der Schweiz verbotenen Graugussbremsen auf den Schienengüterverkehr in Deutschland? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich antworte wie folgt: Die Bundesregierung hat mit dem Netzfahrplan 2012/2013 ein lärmabhängiges Trassenpreissystem eingeführt. Die Förderung des Bundes in Höhe von maximal 152 Millionen Euro über acht Jahre für die Umrüstung von Bestandsgüterwagen auf lärmarme Verbundstoffbremssohlen unterliegt der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission. Die von der Schweiz geleistete Förderung kann daher nicht in gleicher Weise von einem EU-Mitgliedstaat gewährt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bis 2020 etwa 80 Prozent der Bestandsgüterwagen umgerüstet sein werden. Das von der Schweiz beabsichtigte faktische Verbot der Graugusssohle ab 2020 schafft einen zusätzlichen Anreiz zur Umrüstung.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Aufgrund welcher Erkenntnisse geht die Bundesregierung davon aus, dass 80 Prozent der Güterwaggons bis 2020 umgerüstet sein werden? Die derzeitige Umrüstungsgeschwindigkeit auch aufgrund eines Zuschusses, der sich im Vergleich zur Schweiz im Promillebereich bewegt - lässt eher eine Fertigstellung der Umrüstung im Jahr 2200 vermuten.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die Zahlen sind Bestandteil unseres Lärmschutzprogramms.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auf welcher Grundlage kommt man mit Blick auf das Lärmschutzprogramm zu der Ansicht, dass die Geschwindigkeit der Umrüstung der Güterwaggons unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Zuschuss der Bundesregierung im Vergleich zum Schweizer Programm nur im Promillebereich bewegt, derartig zunimmt, dass die Umrüstung bis 2020 80 Prozent der Waggons umfasst und nicht erst - hochgerechnet - im Jahr 2200 endet?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Wir gehen davon aus, Herr Kollege, dass alle, die Eisenbahngüterverkehr betreiben bzw. ihn steigern wollen - eine solche Steigerung ist das erklärte Ziel der Bundesregierung -, ein Interesse daran haben, die Akzeptanz des Schienengüterfernverkehrs zu erhöhen. Dafür sind Verbesserungen am Rad-Schiene-System notwendig. Deswegen gehen wir davon aus, dass wir mindestens 80 Prozent erreichen werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dazu hat nun der Kollege Gustav Herzog eine Nachfrage.

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welches Interesse soll nach Ihrer Meinung ein Wageninhaber bei einem Aufschlag auf den Trassenpreis von 1 Prozent und deutlich erhöhten Betriebskosten haben, schon jetzt umzurüsten? Warum sollte er mit der Umrüstung nicht bis kurz vor 2020 warten?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herr Kollege, das gilt sicherlich für die K-Sohle in besonderem Maße, weil die Kosten hier höher sind als bei der LL-Sohle. Wir gehen davon aus, dass ab 2013 die LL-Sohle genehmigt wird, sodass wir sie einsetzen lassen können. Dann werden die Kosten wesentlich geringer sein. Das heißt, der Anreiz für eine Umrüstung wird wesentlich höher sein.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Ulrich Kelber auf: Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, um ein EU-weites Umrüstprogramm für laute Güterwaggons zu erreichen, um damit den Schienenlärm bis 2020 zu halbieren? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Erarbeitung der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraumes sowie auf Arbeitsebene wiederholt für die einheitliche Handhabung von lärmabhängigen Trassenpreissystemen eingesetzt, um Anreize für die Umrüstung lauter Güterwagen zu schaffen. Hinsichtlich eines faktischen Verbots der lauten Graugussbremssohlen wirbt die Bundesregierung für eine EU-weite Regelung schon ab 2013, die möglichst zeitnah wirksam werden soll.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ihre Antwort hat nicht ganz zu meiner Frage gepasst. In meiner Frage geht es um ein Umrüstprogramm, aber nicht um ein einheitliches System für Trassenpreise, auch nicht um einheitliche Grenzwerte für neue Güterwaggons und auch nicht um ein entsprechendes Verbot. Ich frage daher nach: Gibt es einen konkreten Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission in Brüssel für ein europäisches Umrüstprogramm geworben hat, bei dem es dann die von Ihnen bei der Beantwortung meiner letzten Frage erwähnten beihilferechtlichen Probleme nicht geben würde?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

In einer ganzen Reihe von Gesprächen hat die Bundesregierung darauf gedrungen, dass es zu einem Programm kommt. Bis zum heutigen Tage ist darüber jedoch noch nicht entschieden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme auf meine Frage zurück. Bitte nennen Sie mir konkret einen Anlass, bei dem die Bundesregierung diesen Wunsch in Brüssel vorgebracht hat, damit ich diesen Zeitpunkt prüfen kann.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Damit Sie es intensiv prüfen können, werde ich diese Frage schriftlich beantworten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Gustav Herzog stellt noch eine Nachfrage.

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich stelle eine weitere Frage zu Europa, Herr Staatssekretär. Die Kommission hat vorgeschlagen, das Beihilferegime kurzfristig nicht zu genehmigen, und Sie mussten umplanen. Können Sie mir sagen, auf welcher Ebene die Verhandlungen mit der Kommission geführt worden sind? Waren der Minister persönlich oder Sie als zusätzlicher Parlamentarischer Staatssekretär im Einsatz? Wie wichtig hat die Bundesregierung das Thema, auch was den persönlichen Einsatz betrifft, genommen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich weiß nicht, ob ich „zusätzlich“ bin, aber auf jeden Fall ist von allen Ebenen hierauf Einfluss genommen worden. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir bleiben beim Kollegen Gustav Herzog. Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Gustav Herzog auf: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, „die … verstärkte Berücksichtigung der Bundeswasserstraßen bei der Verteilung von Investitionsmitteln fortsetzen“ zu wollen, nicht umgesetzt und die Mittel für den Ausbau und Erhalt von Bundeswasserstraßen im Vergleich zum Jahr 2009 gesenkt ({0})? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der Koalitionsvertrag wurde im Hinblick auf die Entwicklung der Investitionen im Bereich der Bundeswasserstraßen umgesetzt. Die Ansätze der in den Kapiteln 1203 und 1202 veranschlagten Investitionen liegen seit 2009 rund 10 Prozent über den Ansätzen von 2008 und sind seitdem auf dem verstärkten Niveau gehalten worden. Die bereitgestellten Mittel für Ausbau und Erhalt der Bundeswasserstraßen stiegen in diesem Zeitraum sogar von 590 Millionen Euro auf im Mittel gleichbleibend rund 780 Millionen Euro. Die Entwicklung der Sollansätze für die Wasserstraßeninvestitionen ist einer TaParl. Staatssekretär Enak Ferlemann belle zu entnehmen, auf die ich hinweisen möchte. Ich kann die einzelnen Zahlen vorlesen, wenn der Kollege Herzog es wünscht. - Ich sehe, der Kollege wünscht das. 2008 standen für Investitionen insgesamt 800 Millionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 590,159 Millionen Euro. 2009 standen für Investitionen 889,800 Millionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 783,331 Millionen Euro. 2010 standen für Investitionen 863,526 Millionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 743,555 Millionen Euro. 2011 waren es für Investitionen 878,217 Millionen Euro, für Um-, Ausund Neubau sowie Erhaltung 786,977 Millionen Euro. 2012 standen für Investitionen insgesamt 882,200 Millionen Euro zur Verfügung, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 795,661 Millionen Euro. Im Mittelwert der Jahre - das dürfte für die Diskussion interessant sein - sind Investitionen von insgesamt 878,436 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden, für Um-, Aus- und Neubau sowie Erhaltung 777,381 Millionen Euro. Zusätzlich wurden 2009 bis 2011 aus dem Konjunkturprogramm I insgesamt 430 Millionen Euro und aus dem Konjunkturprogramm II weitere 350 Millionen Euro bereitgestellt. Des Weiteren werden ab 2012 aus dem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm I mit einem Ansatz von 1 000 Millionen Euro für den Neubau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Außerdem sind im Infrastrukturbeschleunigungsprogramm II, das heute vom Haushaltsausschuss genehmigt wurde, für Bundeswasserstraßenvorhaben 140 Millionen Euro mit Fälligkeit in den Jahren 2013 und 2014 eingeplant.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die präzise Beantwortung. - Die aufstockenden Mittel aus den Konjunkturprogrammen I und II haben wir gemeinsam beschlossen, und zwar in einer schwierigen Zeit. Jetzt haben Sie die zusätzlichen Mittel angesprochen, die noch on top kommen. Halten Sie es für hilfreich für die Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen im Wasserstraßenbereich, wenn immer um Weihnachten herum der Bundesminister um zusätzliches Geld nachsucht, er es bekommt und dann geschaut wird, wo man es investieren kann? Wäre es nicht besser, die Mittel langfristig zu erhöhen? Ich bin für die Mittel für Brunsbüttel und freue mich über die Mittel für die Moselschleuse. Teilen Sie meine Auffassung, dass hier - bei Bauprojekten, deren Planung und Umsetzung Jahre dauern - eine langfristige Aufstockung wesentlich besser wäre?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die Bitte des Ministers hat nichts mit Weihnachten zu tun, sondern hängt einfach damit zusammen, dass in diesem Zeitraum die Haushaltsplanberatungen laufen und somit entsprechende Beschlüsse und deren Umsetzung anstehen. Sicher ist es gut, dass wir zusätzliche Mittel bekommen haben. Wir freuen uns sehr darüber. Ich freue mich auch sehr, dass Sie uns dabei unterstützen und sich ebenfalls freuen, dass wir die Schleusenreparatur in Trier ebenso wie die in Brunsbüttel und viele andere Maßnahmen finanzieren können. Insgesamt muss man sagen: Für ein Bauressort, für ein Verkehrsressort ist es immer sinnvoll, über viele Jahre einen Plafond für die Mittel zu haben und diesen Plafond anzuheben. Sie wissen, dass sowohl der Minister als auch ich uns seit vielen Jahren dafür einsetzen, diesen Mittelansatz insgesamt zu erhöhen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wie ich sehe, verzichten Sie auf die zweite Nachfrage, Herr Herzog. Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Gustav Herzog: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, ein Gesetz zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vorzulegen, noch nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird ({0})?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Für die im 5. Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Reform der WSV des Bundes genannten organisatorischen Veränderungen ist kein WSV-Reformgesetz erforderlich. Die WSV-Reform ist damit in dieser Legislaturperiode nach Beschluss des Verkehrsausschusses und des Haushaltsausschusses umgesetzt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage, Herr Herzog. - Sie verzichten. Dann kommen wir schon zur Frage 14 der Kollegin Kirsten Lühmann: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine gesetzliche Initiative zur Präzisierung des Luftverkehrsgesetzes mit dem Ziel, international wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicherzustellen, vorzulegen, trotz öffentlicher Zusicherung nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird ({0})?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Der Lärmschutz der Bevölkerung, insbesondere in der Nacht, hat für die Bundesregierung einen hohen Stellenwert. Zu den nachteiligen Auswirkungen des Flugverkehrs gehören leider auch Lärmbelastungen. Wichtig ist, dass im Umgang mit Lärm auf den größtmöglichen Ausgleich aller Interessen gesetzt wird und dass bestmögliche Kompromisse und Lösungen gefunden werden. Insoweit hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wichtige Hinweise zur Anwendung des Luftver26130 kehrsgesetzes gegeben. Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass hiernach auch weiterhin in Deutschland Nachtflüge grundsätzlich zugelassen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies jedoch wegen der betroffenen Lärmschutzinteressen der Flughafenanwohner mit einem gesteigerten Rechtfertigungszwang verbunden. Es muss hiernach ein über das allgemeine Verkehrsbedürfnis deutlich hinausgehender gesteigerter Bedarf für die Durchführung von Nachtflügen dargelegt werden, differenziert nach Kernstunden und Randstunden der Nacht. Angesichts dieser klaren Darlegung des Gerichts sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit einer Präzisierung des Luftverkehrsgesetzes.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das nehme ich zur Kenntnis. - Was sagt die Bundesregierung zu den Wünschen der Luftverkehrswirtschaft? Die Luftverkehrswirtschaft weist nämlich darauf hin, mit der bestehenden Regelung habe sie keine ausreichende Planungssicherheit. Sie wünscht sich von der Bundesregierung, dass sie diese Planungssicherheit wieder bekommt.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Frau Kollegin, Planungssicherheit haben wir. Es gibt hier ein Gerichtsurteil. Das haben wir umzusetzen und zu beachten. Von daher gibt es eigentlich keine offenen Fragen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie eine zweite Nachfrage?

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. - Das sieht die Wirtschaft anders. Also müssen wir das so stehen lassen. Ich stelle fest, dass wir das unterschiedlich sehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gut. - Dann kommen wir zur Frage 15 der Kollegin Lühmann: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer den Auftrag des Koalitionsvertrags, eine weitere Entbürokratisierung der Fahrzeugzulassung zu prüfen und über eine Neuregelung im Sinne eines Onlinezulassungsverfahrens zu entscheiden, trotz öffentlicher Zusicherung noch nicht umgesetzt, und stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen wird ({0})?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag mehrere Rechtsvorschriften verabschiedet, die der Entbürokratisierung der Fahrzeugzulassung dienen, darunter die Ermöglichung landesrechtlicher Ausnahmen von der Fahrzeug-Zulassungsverordnung - das ist die Verordnung zur landesrechtlichen Regelung von Ausnahmen von der Fahrzeug-Zulassungsverordnung vom 24. November 2010 - und die Verordnung zur Verringerung von Meldepflichten. Außerdem wurden, wie ebenfalls im Koalitionsvertrag erwähnt, die Pilotverfahren des Onlinezulassungsverfahrens fortgesetzt und durch das Statistische Bundesamt auf ihre Entlastungswirkung für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung überprüft. Das steht in der Studie Einfacher zur Fahrzeugzulassung des Statistischen Bundesamtes von September 2011. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass für die bundesweite Einführung entsprechender Lösungen keine weiteren Änderungen von Rechtsvorschriften erforderlich sind. Da den Ländern die Ausführung des Zulassungsrechts als eigene Angelegenheit obliegt, wurde ihnen empfohlen, die Schlussfolgerungen im praktischen Verwaltungsvollzug umzusetzen. Darüber hinaus wird das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf der Grundlage der Ergebnisse der Projektgruppe „Kfz-Wesen“ einen Vorschlag für weiter gehende Regelungen für die internetbasierte Zulassung erarbeiten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage.

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bis zur Vorlage dieses Vorschlags habe ich keine weitere Nachfrage.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dann kommen wir zur Frage 16 des Kollegen Sören Bartol: Warum hat sich Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer trotz öffentlicher Zusicherungen nach drei Jahren nicht für eine Umsetzung des Auftrags des Koalitionsvertrags, bis Mitte der Legislaturperiode über die Höhe der Finanzausstattung für die ehemalige Gemeindeverkehrsfinanzierung bis 2019 zu entscheiden, eingesetzt, und wird die Bundesregierung die Finanzausstattung auf dem bisherigen Niveau fortführen oder erhöhen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die Antwort lautet wie folgt: Im Zuge der Beratungen zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages haben Bund und Länder vereinbart, dass eine Entscheidung über die Höhe der vom Bund für den Zeitraum 2014 bis 2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder zu zahlenden Kompensation nach Art. 143 c des Grundgesetzes, sogenannte Entflechtungsmittel, zum Beispiel zur Verbesserung der kommunalen Verkehrsverhältnisse, im Herbst dieses Jahres erfolgt. Der Bund hat in verschiedenen Gesprächen Bereitschaft zu einer Verständigung signalisiert; eine Einigung mit den Ländern konnte dennoch bislang nicht erfolgen. Die Gespräche unter Federführung des BMF werden fortgesetzt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage.

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Erst einmal vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Frage. Sie haben sie allerdings nicht ganz beantwortet. Ich habe ja auch gefragt, welches Niveau Sie anstreben. Meine Nachfrage: Halten Sie es für ausgeschlossen, dass in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss im Ergebnis eine Fortführung der Mittel auf dem bisherigen Niveau bis 2019 beschlossen wird, und sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass im Moment Projekte, die notwendig sind, jetzt auf die lange Bank geschoben werden, weil nichts vorangeht?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Im Vermittlungsausschuss liegt dazu bisher nichts. Aber es gibt Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. In der Tat ist es so, dass wir uns wünschen, möglichst schnell zu einem Abschluss zu kommen, weil Planungs- und Investitionssicherheit für die Länder und für die Kommunen gegeben sein müssen. Deswegen drängen wir sehr stark auf einen schnellen Abschluss der Verhandlungen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nachfrage? - Sie verzichten auf die zweite Nachfrage. Dann kommen wir gleich zu Ihrer Frage 17, Kollege Bartol: Warum hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer trotz gegenteiliger öffentlicher Zusicherung den Auftrag des Koalitionsvertrags, dass „die Städtebauförderung … auf bisherigem Niveau“ fortgeführt wird, nicht umgesetzt und seit 2009 die Fördermittel kontinuierlich zusammengestrichen ({0})? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Bund hat für die Städtebauförderung im Jahr 2009 Finanzhilfen in Höhe von rund 570 Millionen Euro bereitgestellt, im Jahre 2010 in Höhe von rund 535 Millionen Euro und in den Jahren 2011 und 2012 in Höhe von jeweils 455 Millionen Euro. Im Jahr 2013 werden im dritten Jahr in Folge wiederum 455 Millionen Euro bereitgestellt werden. Die Annahme des Fragestellers, dass die Fördermittel kontinuierlich zusammengestrichen worden sind, trifft somit offensichtlich nicht zu.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage.

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Herr Staatssekretär, das ist offensichtlich eine falsche Antwort. Natürlich haben Sie die Mittel für die Städtebauförderung gekürzt; das wissen Sie. Sie können nicht Mittel dazurechnen, die nicht in die Systematik der Städtebauförderung gehören. Deswegen bitte ich Sie, Ihre Antworten präziser zu fassen. Konkrete Nachfrage. Sie wissen, dass gerade die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ massiv gekürzt worden sind. Wie bewerten Sie die Kritik der Städte und Kommunen, dass gerade durch Ihre Kürzungspolitik Projekte vor Ort jetzt eingestellt werden müssen oder neue Projekte erst gar nicht begonnen werden können?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Sehr geschätzter Herr Kollege, die Mittel - ich habe sie genannt - sind nicht gekürzt worden, sondern fortgeschrieben worden, zumindest für die Jahre 2011, 2012 und 2013. Richtig ist, dass innerhalb des Programms Ansätze erhöht worden sind und Ansätze gekürzt worden sind. Dass bei erhöhten Ansätzen natürlich immer große Freude bei betroffenen Kommunen und Ländern herrscht, ist klar. Wo Kürzungen vorgenommen werden müssen, ist Kritik da; das ist auch klar. Aber im Endeffekt stehen insgesamt die Mittel zur Verfügung, die wir vorgesehen haben, auch wieder für den Haushalt 2013.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Staatssekretär, Sie sind ja nicht ganz so leicht zu fassen. Ich glaube, Ihre Regierungszeit begann schon etwas früher, und da waren die Mittel höher. Das war auch in der Frage so angelegt, nämlich: seit 2009. Seitdem sind die Mittel nicht auf der gleichen Höhe geblieben. Sie können jetzt gern noch einmal versuchen, das zu präzisieren. Wie bewerten Sie denn den Umstand, dass der Haushaltsausschuss in seinen Beratungen in der Bereinigungssitzung die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ um weitere 10 Millionen Euro gekürzt hat, und was sagen Sie den Leuten vor Ort?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Der Bundesregierung steht es nicht zu, dem Hohen Haus irgendwelche Vorgaben zu machen und Bewertungen abzugeben. Natürlich habe ich meine persönliche Meinung; die spielt hier aber keine Rolle. Wenn das Hohe Haus eine solche Vorgabe macht und das im Haushalt so beschlossen wird, haben wir als Regierung das zu akzeptieren und auszuführen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Lühmann hat noch eine Nachfrage.

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich finde es bemerkenswert, wie Sie den Parlamentarismus erklärt haben. Meine Frage ist: Was hat denn die Bundesregierung getan und welche Argumente hat sie dem Haushaltsausschuss vorgelegt, damit dieser die Kürzungen nicht beschließt?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Wir haben einen Haushaltsentwurf gemacht, auf dessen Grundlage dann die Beratungen begonnen haben. Während der Beratungen haben wir immer wieder für unsere Position geworben; wir haben den Beschluss aber so hinzunehmen, wie er gefasst worden ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Fragen 18 und 19 der Kollegin Gottschalck wie auch die Frage 20 des Kollegen Hacker und die Frage 21 der Kollegin Kumpf werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Michael Groß auf: Wie viele Brückenbauwerke bundesweit an Bundesfernstraßen sind dem Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer bekannt, die konkret zurzeit gesperrt sind bzw. drohen innerhalb eines Jahres gesperrt zu werden ({0})?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bauwerksprüfungen von Brücken im Zuge von Bundesfernstraßen werden im Rahmen der Auftragsverwaltung durch die Länder durchgeführt. Der Zustand wird kontinuierlich, systematisch und umfassend geprüft. Die sich daraus ergebenden Bauwerks- und Zustandsdaten werden jährlich jeweils zum 1. März und zum 1. September durch die Länder an die Bundesanstalt für Straßenwesen geliefert, die auf dieser Basis jeweils eine aktuelle Auswertung erstellt. Entsprechende statistische Auswertungen werden in der Regel auch in den Verkehrsinvestitionsbericht aufgenommen. Diese Daten sind jedoch nicht tagesaktuell. Dem Bundesministerium sind keine konkreten Zahlen zu zurzeit gesperrten Brücken bzw. zu Brücken, bei denen innerhalb eines Jahres eine Sperrung droht, bekannt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Michael Groß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004045, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist es richtig, dass Sie speziell die Länder vor zwei Jahren aufgefordert haben, Problembrücken aufzuzeigen und Ihnen zu melden?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Das ist richtig.

Michael Groß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004045, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber anscheinend gibt es darüber keine Liste, die aktuell verwendbar ist.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Doch, es gibt diese Listen, die aktuell verwendbar sind. Diese können Sie auch einsehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 23 des Kollegen Groß: Welche kurzfristigen Lösungen bietet Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer in Zusammenarbeit mit den Bundesländern an, um dem Problem gesperrter Bundesfernstraßenbrücken, den damit zusammenhängenden Staus, dem Verkehrschaos sowie der in diesem Zusammenhang stehenden stärkeren Belastung von Ausweichstrecken zu begegnen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich gebe dazu folgende Antwort: Bei Brückensperrungen ist zu unterscheiden zwischen geplanten Maßnahmen, um zum Beispiel Brückensanierungsarbeiten durchzuführen, und kurzfristig erforderlichen Maßnahmen, zum Beispiel aufgrund von Unfallschäden oder plötzlich auftretenden Brückenschäden. Soweit Brückensperrungen im Rahmen von Sanierungsarbeiten, wie zum Beispiel einer Deckenerneuerung oder dem Austausch von Farbe an Übergängen, erforderlich sind, erfolgt selbstverständlich durch die zuständige Landesstraßenbauverwaltung eine Abstimmung zu Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, wobei auch die möglichen Umleitungsstrecken einbezogen werden. Bei kurzfristig erforderlichen Brückensperrungen, die jedoch relativ selten sind, sind derartige Abstimmungen in der Regel nicht im Voraus möglich, da jeweils die aktuelle regionale und bei weiträumigen Umleitungen auch überregionale Verkehrssituation einzubeziehen ist. Grundsätzlich erfolgen aber eine kurzfristige Berücksichtigung im Verkehrsfunk sowie im Rahmen der Straßenverkehrstelematik und eine entsprechende Beschilderung. Gegebenenfalls sind auch kurzfristige Anpassungen im Netz, zum Beispiel durch Ummarkierungen in Knotenpunkten oder bei Anschlussstellen, von den Landesstraßenbauverwaltungen zu prüfen. In relativ kurzer Zeit kann in begrenztem Umfang auch Festbrückengerät mit Spannweiten von bis zu 80 Metern als provisorisches Ersatzbauwerk zum Einsatz kommen. Ein Beispiel hierfür ist die Brücke Dormagen für die A 57 nach dem Brandschaden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage, bitte.

Michael Groß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004045, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Jetzt war zu lesen, dass einer Ihrer Staatssekretäre in NRW mit einem Schutzhelm unterhalb einer Brücke - Stichwort: Sperrung A 1 - unterwegs war und zugesagt hat, dem Land Nordrhein-Westfalen 1 Million Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Avisieren Sie jetzt jedem Land zusätzlich 1 Million Euro für die Planung neuer Brücken?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Wenn Schäden auftreten und gehandelt werden muss, ist das Ministerium jederzeit in der Lage - egal, in welchem Bundesland und auf welcher Autobahn oder Bundesstraße -, Hilfestellung auch finanzieller Art zu geben. Wir sind dafür verantwortlich, dass der Verkehrsfluss gewährleistet ist. Bei der Brücke in Leverkusen, die Sie ansprechen, geht es darum, Ermittlungen darüber anzustellen, ob die Brücke in Zukunft standsicher ist und ob sie auch für den Schwerlastverkehr wieder freigegeben werden kann, was dafür gemacht werden muss bzw. welche Notwendigkeiten bestehen. Das soll sehr kurzfristig geschehen. Daneben sollen Planungen aufgenommen werden für den Ersatzbau dieser Brücke. Ich finde es nur richtig und gut, dass sowohl die Auftragsverwaltung des Landes NRW als auch das Bundesverkehrsministerium sich schnell darauf verständigt haben, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, um einen zügigen Ablauf zu gewährleisten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Michael Groß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004045, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das heißt, Sie haben ein Konzept, das Sie verfolgen, und Sie wissen genau, welche Brücken demnächst saniert werden müssen. Stehen die notwendigen Haushaltsmittel auch zur Verfügung?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Im Rahmen der Mittel, die wir den Ländern zuweisen, stehen auch Mittel für die Brückensanierung - auch für den Ersatzneubau - zur Verfügung. Jedoch würden wir gerne mehr Geld einsetzen, weil wir die zunehmende Problematik sehen. Die Brücken sind zum Teil aus den 60er-, 70er-Jahren und nicht für den heutigen Schwerlastverkehr ausgelegt. Deswegen müssen wir an vielen Stellen noch zusätzliche Maßnahmen vornehmen, die eigentlich so nicht eingeplant waren, für die wir aber das Geld dann bereitstellen werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Fragen 24 und 25 des Kollegen Kühn werden schriftlich beantwortet, wie auch die Frage 26 der Kollegin Brugger und die Frage 27 der Kollegin Behm. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Gerd Bollmann auf.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Der ist aber nicht da.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dann verfahren wir mit Frage 28 und auch mit Frage 29 des Kollegen Bollmann, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 30 und 31 der Kollegin Kofler sollen schriftlich beantwortet werden, wie auch die Fragen 32 und 33 des Kollegen Ott. Die Fragen 34 und 35 der Kollegin Paus werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich schaue einmal: Auch der Kollege Schwabe ist nicht im Saal. Dann verfahren wir mit den Fragen 36 und 37 des Kollegen Schwabe, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Sylvia KottingUhl sollen schriftlich beantwortet werden. Damit, Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank für die Vorbereitung und Übermittlung der Antworten an die Kolleginnen und Kollegen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Auch hier sollen die Fragen 40 und 41 der Kollegin Schieder, die Frage 42 des Kollegen Kaczmarek sowie die Fragen 43 und 44 des Kollegen Swen Schulz schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung. Die Frage 45 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann sowie die Fragen 46 und 47 der Kollegin Höhn sollen schriftlich beantwortet werden. Die Fragen 48 und 49 des Kollegen Krischer werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 50 des Kollegen Jan van Aken auf: Wann und in welcher Höhe hat das Unternehmen Neupack Verpackungen GmbH & Co. KG in den zurückliegenden 20 Jahren öffentliche Fördermittel im Rahmen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung erhalten? Bitte, Herr Staatssekretär.

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber Herr Kollege van Aken, wie Sie sicherlich wissen, ist die Beantwortung einer solchen Frage in einer mündlichen Fragestunde aus vielerlei Gründen nicht zulässig. Dagegen spricht zunächst einmal das Datenschutzrecht. Die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unterliegt Art. 12 Grundgesetz, was die Bundesregierung natürlich auch bei der Beantwortung parlamentarischer Fragen beachten muss. Einfachgesetzlich sind Betriebsund Geschäftsgeheimnisse den Sozialdaten gleichgestellt; auch sie unterliegen dem Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I. Die Informationen - jetzt komme ich schon zu Ratschlägen und Anregungen - dürfen daher nur dann weitergegeben werden, wenn das Geheimhaltungsinteresse wirksam geschützt ist. Eine Unterrichtung im Rahmen des parlamentarischen Informationsanspruchs kann daher nur in nichtöffentlicher, vertraulicher oder geheimer Form in Betracht gezogen werden. Ich rege an, Herr Kollege van Aken, dass Sie, wenn Sie wirklich eine Antwort auf Ihre Fragen wünschen, in schriftlicher Form nachfragen, damit wir Ihnen über den Weg der Verschlusssache antworten können.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie trotzdem Nachfragen? - Dann haben Sie natürlich das Wort.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Auf jeden Fall habe ich Nachfragen. - Zunächst einmal: Ich werde meine Frage schriftlich einreichen. Dann werde ich die Antwort wahrscheinlich als Verschlusssache zugesandt bekommen.

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Zugesandt nicht, aber einsehen können Sie sie.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das werde ich dann machen. Es ist schade, dass Sie über diese Daten nichts sagen können. Aber, wie man in Hamburg sagt: Es ist, wie es ist. Ich habe trotzdem eine Nachfrage: Die Firma Neupack wird seit über 40 Tagen bestreikt, weil sie keinen Tarifvertrag abschließen will, weil sie Billiglöhne zahlt. Viele der Beschäftigten müssen aufstocken. Da stellt sich mir doch die Frage, ob Sie oder die Bundesregierung es eigentlich richtig finden, dass öffentliche Fördermittel und Steuergelder an Betriebe fließen, die Billiglöhne zahlen und die keinen Tarifvertrag abschließen. Ich halte es für eine sehr gute Idee, in die Kriterien für die Vergabe solcher öffentlichen Fördermittel das Kriterium „gute Arbeit“ aufzunehmen, das heißt, kein Geld für Firmen, die keine Tarifverträge abschließen. Das Ganze wäre auch keine Weltrevolution. Wie Sie wissen, gibt es Bundesländer, in denen es beispielsweise Höchstquoten für Leiharbeitnehmer gibt. Können Sie sich also vorstellen, Kriterien wie „gute Arbeit“, „keine Aufstockerlöhne“ und „Tarifverträge“ mit in Ihre Förderprogramme aufzunehmen?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Lieber Herr Kollege van Aken, auch durch die Hintertür kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Sie haben eben unterstellt, dass das Unternehmen Neupack öffentlich-rechtliche Förderleistungen bekommt. Das kann ich Ihnen aber aus den eben geschilderten Gründen nicht bestätigen. Ich denke auch, dass eine Verknüpfung dieser beiden Punkte, also die Tarifgebundenheit eines einzelnen Unternehmens und öffentliche Fördermittel, sehr schwierig sein wird. Deswegen ist es, glaube ich, nicht sehr sinnvoll, jetzt am Beispiel Neupack solche grundsätzlichen Fragen zu erörtern. Das würde meines Erachtens zu weit führen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie eine zweite Nachfrage?

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Nicht wirklich. - Ich weiß aber nicht, warum das zu weit führen würde. Sie könnten doch generell antworten, aber das wollen Sie nicht. Dann kann ich mir die zweite Frage im Grunde sparen. Ich bedanke mich.

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Herr Kollege van Aken, es gibt gesetzliche Kriterien. Es liegt nicht im Ermessen des Bundeswirtschaftsministeriums, welche Fördermittel verteilt werden, sondern hierfür gibt es klare Kriterien. Wenn Sie diese Kriterien ändern wollen, wenn Sie andere, zusätzliche Kriterien einführen möchten, dann steht Ihnen dafür der parlamentarische Weg offen. Aber Sie können jetzt doch nicht von mir als Staatssekretär verlangen, Ihnen zu sagen, ob ich das für gut hielte oder nicht. ({0}) - Nein, darum geht es nicht. Es ist die Aufgabe des Parlamentes, der Regierung Kriterien vorzugeben, nach denen Fördermittel verteilt werden. Wir vergeben die Fördermittel getreu den gesetzlichen Bestimmungen, im Einklang mit den Gesetzen. Die Gesetze machen Sie, das Parlament, und die Bundesregierung fühlt sich daran gebunden. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gleichwohl hat die Kollegin Zimmermann eine Nachfrage.

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie wissen vielleicht, dass gerade bei Neupack Stundenlöhne von 8 Euro und darunter gezahlt werden. Das bedeutet natürlich, dass die Kolleginnen und Kollegen aufstocken müssen. Da stellt sich für uns schon die Frage, inwieweit es nach Ansicht der Bundesregierung vertretbar ist, dass Unternehmen ihr Geschäftsmodell darauf aufbauen, dass die Kolleginnen und Kollegen so wenig verdienen und sich noch Zuschüsse vom Amt holen müssen.

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Liebe Frau Kollegin Zimmermann, ich weiß nicht, ob bei Neupack 8 Euro in der Stunde oder mehr oder weniger gezahlt werden. Ich kenne allerdings die Presseberichte, dass es dort einen sehr heftigen und langandauernden Streik gibt. Welche Löhne dort aber tatsächlich gezahlt werden, weiß ich nicht. Es ist auch nicht die Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums, dort nachzufragen. Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Es ist auch nicht die Aufgabe der Bundesregierung, hier einzelne Unternehmen und deren Lohnpolitik zu bewerten. Es steht Ihnen als Abgeordnete des Deutschen Bundestages absolut frei, hier einen solchen Wunsch zu äußern. Die Bundesregierung hat sich in diesen Fällen jedoch neutral zu verhalten. Hierfür bitte ich um Verständnis.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage hierzu stellt der Kollege Lenkert.

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich habe mir einmal die Mühe gemacht, auszurechnen, wie hoch die Fördermittel pro Arbeitsplatz, also die Investitionszuschüsse, in etwa sind. Das sind in etwa 40 000 bis 45 000 Euro pro geschaffenen Arbeitsplatz. Gerechtfertigt wird dies mit den Mehreinnahmen, die durch die wirtschaftliche Belebung und die höheren Steuerzahlungen erzielt werden. Wie ist die Haltung der Bundesregierung - unabhängig von der Firma und vom Einzelfall -, wenn mit solchen Fördermitteln Arbeitsplätze geschaffen werden und die Mitarbeiter danach zum Aufstocken zum Arbeitsamt gehen müssen? Haben Sie als Bundesregierung - Sie haben ja auch ein Gesetzgebungsvorschlagsrecht - die Absicht, die Förderrichtlinien dahin gehend zu überarbeiten, dass zukünftig Unternehmen, die keine Mindestlöhne zahlen und das Aufstocken nicht verhindern, von Fördermaßnahmen der Bundesregierung ausgeschlossen werden?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Lieber Herr Kollege, Sie haben gleich eine ganze Fülle von Unterstellungen gemacht, die ich in dieser Form nicht bestätigen kann und möchte. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob bei dem Unternehmen Neupack überhaupt eine Tarifgebundenheit vorliegt oder ob 8 Euro Stundenlohn gezahlt werden. Das kann ich Ihnen nicht bestätigen. Ich kann Ihnen aus den eben genannten Gründen auch nicht bestätigen, ob es - etwa sogar in der Höhe, die Sie eben genannt haben - irgendwelche öffentlichen Fördermittel gibt. Klar ist, dass Fördermittel nach klaren Kriterien vergeben werden. Diese Kriterien können Sie selbst einsehen. Mir ist im Moment nicht bekannt, dass es irgendwelche Initiativen der Bundesregierung mit dem Ziel gibt, diese Kriterien zu verändern. Aber Ihre Fraktion ist selbstverständlich in der Lage, einen Antrag zu stellen und darin zu fordern, dass die Förderkriterien beispielsweise berücksichtigen, dass Tarifgebundenheit, Mindestlöhne und was auch immer gegeben sind. Die Frage ist - ich kann sie ebenfalls nicht beantworten -, ob es in diesem Bereich überhaupt Mindestlöhne gibt. Denn Mindestlöhne sind, wie Sie wissen, nicht in allen Bereichen vorgesehen. Fragen Sie mich deswegen jetzt nicht nach konkreten Einzelheiten bei der Firma Neupack. Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, Fragen zu solchen Einzelfällen zu beantworten; das überlasse ich Ihnen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Frage 51 der Kollegin Keul soll schriftlich beantwortet werden. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung. Die Frage 52 der Kollegin Keul wie auch die Fragen 53 und 54 des Kollegen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 55 der Kollegin Dittrich auf: Welche Gründe führen nach Kenntnis der Bundesregierung dazu, dass für palästinensische Studierende in der Bundesrepublik Deutschland, vor allem angesichts der Anerkennung des Beobachterstatus Palästinas am 29. November 2012 vor den Vereinten Nationen, in den ausgestellten Pässen der Autonomiebehörde Palästinas jeweils verschiedene Staatsangehörigkeitsangaben wie „Keine“ oder „Staatenlos“ oder „Sonstige asiatische Länder“ eingetragen werden?

Not found (Gast)

Frau Abgeordnete, bei den von der Palästinensischen Behörde ausgestellten Dokumenten handelt es sich um ein „Passport/travel document“ mit Bezug auf das Osloer Interimsabkommen von 1995, also nicht um einen Reisepass im klassischen Sinne, wie wir ihn kennen. Die Dokumente enthalten in Übereinstimmung mit dem insoweit maßgeblichen Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrtorganisation lediglich in der maschinenlesbaren Zone mit „PSE“ eine Angabe zur Nationalität.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Heidrun Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004028, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich hatte in meiner Frage nach der Angabe der Nationalität gefragt: Wie kann es sein, dass „Keine“ oder „Staatenlos“ oder „Sonstige asiatische Länder“ eingetragen wird? Ich habe auch gefragt, ob es Änderungen bei den Eintragungen gibt, seit Palästina bei den Vereinten Nationen den Beobachterstatus beantragt hat und genehmigt bekam.

Not found (Gast)

Nein, Änderungen gibt es nicht; es bleibt so, wie es ist. Ich erläutere es noch einmal: Das Osloer Interimsabkommen von 1995 sieht vor, dass die Palästinensische Behörde für die palästinensischen Bewohner des Westjordanlands und des Gazastreifens von Israel anerkannte Reisedokumente erstellen kann. Das Interimsabkommen präzisiert, dass diese Reisedokumente ihre Inhaber dazu berechtigen, über die sicheren Übergänge zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland und über Ausreisepunkte in Israel ins Ausland zu reisen. Was den Status anbelangt, kann ich nur wiederholen, Frau Abgeordnete, dass die Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat in der VN-Generalversammlung an den visarechtlichen Bestimmungen, die ich Ihnen vorgetragen habe, nichts ändert.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte.

Heidrun Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004028, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Mit welchen Staatsangehörigkeiten reisen die palästinensischen Studierenden überwiegend ein, und welche Eintragung gibt es, wenn sie aus dem Gebiet des Gazastreifens oder aus dem Westjordanland kommen?

Not found (Gast)

Ich habe ein solches Visadokument, einen solchen Passport dabei. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen; Sie können es sich gerne ansehen. Es ist so, wie ich es Ihnen sagte: Die einzige Eintragung, die es gibt, ist „PSE“. Sie steht für „Occupied Palestinian Territory“. Es gibt keine anderen Eintragungen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Staatsministerin. Die übrigen Fragen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 56 und 57 der Kollegin Kerstin Müller, die Frage 58 des Kollegen Tom Koenigs und die Frage 59 der Kollegin Sevim Dağdelen. Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um Frage 60 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz, Frage 61 der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel sowie um die Fragen 62 und 63 des Kollegen Volker Beck. Die Frage 64 des Kollegen Andrej Hunko zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um Frage 65 des Kollegen Klaus Ernst und Frage 66 der Kollegin Cornelia Behm. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 67 des Kollegen Gehring und die Frage 68 des Kollegen Hunko werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 69 der Kollegin Heidrun Dittrich auf: Wie viele Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II sind nach Kenntnis der Bundesregierung unter Betreuung gestellt worden, nachdem sie vom Jobcenter zu einer psychiatrischen Begutachtung gesandt wurden? Der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel steht bereit, um diese Frage zu beantworten. Bitte, Herr Staatssekretär.

Hans Joachim Fuchtel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000616

Verehrte Frau Kollegin, der Bundesregierung liegen zu der Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II, die unter Betreuung gestellt worden sind, nachdem sie vom Jobcenter zu einer psychiatrischen Begutachtung gesandt wurden, keinerlei Informationen vor.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie dazu noch eine Nachfrage?

Heidrun Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004028, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Welche Maßnahmen können Sie ergreifen, um sich diese Informationen zu beschaffen?

Hans Joachim Fuchtel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000616

Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass uns keine Informationen vorliegen. ({0}) Es ist so, dass die Jobcenter unter Umständen, die ich Ihnen gerne näher erläutere, psychologische Gutachten einholen können. Aber in gar keinem Fall wird durch diese psychologischen Dienste begutachtet, ob die Notwendigkeit einer Betreuung gegeben ist. Daher ist klar, dass weitere Untersuchungen nicht möglich sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Heidrun Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004028, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Als Expertin für den sozialen Bereich, vor allem für die Bundesagentur für Arbeit, könnte ich der Bundesregierung einen Tipp geben. Monatlich wird die Arbeitslosenstatistik erstellt. Sie haben daher die Möglichkeit - ich denke, Ihre Computer lassen das zu -, dort eine Rubrik einzuführen, in der aufgeführt wird, was das Jobcenter unternimmt und wohin das Jobcenter die Menschen zur psychiatrischen Begutachtung sendet. Das heißt, Sie könnten diese Daten erheben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das war jetzt keine Nachfrage, Herr Staatssekretär; vielmehr hat die Kollegin einen Hinweis zu Protokoll gegeben. - Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Alle übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Panzerlieferungen an Saudi-Arabien - Rüstungsexportentscheidungen der Bundesregierung und Vereinbarkeit mit den geltenden Regeln Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Klaus Barthel für die SPD-Fraktion. ({0})

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat diese Aktuelle Stunde heute beantragt, weil wir in Bezug auf die Rüstungsexporte gegenüber diesem Parlament und der Öffentlichkeit riesigen Aufklärungs-, Diskussions- und vor allen Dingen Korrekturbedarf sehen. ({0}) Es ist doch gespenstisch, dass einerseits heute im federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Technologie - auf Antrag der Koalition wohlgemerkt - der Rüstungsexportbericht für das Jahr 2010 beraten wird, dieser dann 2013 im Plenum beraten werden soll und er von Vorgängen handelt, die zwei bis drei Jahre zurückliegen, und andererseits in der Öffentlichkeit über mehrere aktuelle, sehr fragwürdige Rüstungsexportentscheidungen der Bundesregierung diskutiert wird. Es handelt sich dabei um mögliche Entscheidungen, die eine Abkehr von den bisher geltenden Richtlinien bedeuten, die einen Paradigmenwechsel nicht nur in der Rüstungsexportpolitik, sondern möglicherweise in der gesamten Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik bedeuten. Es ist doch ein Stück aus dem Tollhaus, dass unseren Anträgen, den Bundestag zeitnäher, umfassender und zunächst vertraulich über Rüstungsexportgenehmigungen zu informieren, immer wieder entgegengehalten wird: Das ist alles wegen Sicherheitsinteressen und zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ganz geheim. Gleichzeitig wird, ohne dass irgendein sozusagen undichter Abgeordneter auch nur ein Blatt Papier oder eine Mail gesehen hat, in den einschlägigen Medien über Rüstungsexporte berichtet. Aktuell geht es um Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien, vorher ging es um Algerien und davor um Indonesien usw. Sie, liebe Abgeordnete der Koalition, müssen später etwas vertreten, was Sie eigentlich gar nicht wissen dürfen und was Sie auch gar nicht begründen können. Dann sagen die einen, wie heute Vertreter der Bundesregierung im Auswärtigen Ausschuss: Es gibt keinen Paradigmenwechsel. - Die anderen sagen aber etwas anderes. Das kann man alles nachlesen. Die Aussagen der Kanzlerin in der sogenannten Strausberger Rede will ich aus Zeitgründen gar nicht erst zitieren. Verteidigungsminister de Maizière sagte - das steht im Spiegel -: „Das Thema ‚Ertüchtigung statt Einmischung‘ ist richtig.“ Er redet von der Erweiterung der Märkte und von Absatzchancen für Rüstungsgüter. Der Fraktionsvorsitzende Kauder, ein großer Kämpfer gegen die Christenverfolgung, sagte der Welt am Sonntag zur Verteidigung der Panzerlieferungen: Die Saudis mögen selbst judenfeindlich sein, ({1}) aber sie sorgen auch dafür, dass der Iran die Juden nicht ins Meer treiben kann. Das ist das alte Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Er gibt sogar zu, dass es Menschenrechtsverletzungen gibt und es leichter ist, Panzer nach SaudiArabien zu liefern als deutsche Bibeln. Ich möchte einmal wissen, wie diese Äußerungen, die wir alle hören, zu verstehen sind. Nicht zu vergessen die FDP. Frau Hoff sagte: Die Bundesregierung wird sicher noch aktiver als bisher die deutsche wehrtechnische Industrie im harten internationalen Wettbewerb unterstützen müssen. Nennen Sie mir eine gültige Rüstungsexportrichtlinie oder ein Gesetz, wodurch solche Äußerungen irgendwie abgedeckt sind. ({2}) Schauen wir in den Rüstungsexportbericht 2011 - klare Sprache -: Der Anteil der Einzelausfuhrgenehmigungen an sogenannte Drittstaaten beträgt mittlerweile 42 Prozent - ein Jahr vorher waren es 29 Prozent -, und das bei einem gleichzeitigen Anstieg des Gesamtvolumens der Genehmigungen. Als ich im Mai dieses Jahres hier ausgeführt habe, dass der deutsche Rüstungsexport in den letzten fünf Jahren um mehr als 50 Prozent schneller gewachsen ist als der weltweite Rüstungshandel, vermerkte das Protokoll einen interessanten Zwischenruf aus den Reihen der CDU/CSU: „Das ist doch erfreulich!“ Wenn das alles keine Hinweise auf einen Paradigmenwechsel im Bereich des Rüstungsexports sein sollen, dann soll uns die Bundesregierung das hier einmal erklären, anstatt sich hinter Geheimhaltung zu verschanzen. ({3}) Wenn das alles nicht so ist, wie wir behaupten, dann stimmen Sie bitte wenigstens in der Schlussberatung im Plenum im nächsten Jahr den Anträgen von SPD und Grünen zu, in denen nichts anderes als die Einhaltung der bisherigen Regeln und die Einführung parlamentarischer Kontrollen gefordert wird. Sie brauchen keine Angst zu haben - Ihre Reden kenne ich schon -; denn wir fordern das in Zukunft auch von einer rot-grünen Koalition. ({4}) Beweisen Sie einmal Weitsicht - das ist in Ihrem eigenen Interesse -, und unterstützen Sie diese Anträge. Sie könnten das vielleicht brauchen. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die Unionsfraktion. ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Barthel, wir führen hier eine Debatte aufgrund von Zeitungsmeldungen. ({0}) Diese Debatte führen wir zum wiederholten Mal auf Ihren Antrag hin. Sie sitzen nicht im Bundessicherheitsrat, ich sitze nicht im Bundessicherheitsrat. Selbst wenn Sie dort säßen, könnten Sie hier nicht an das Pult treten und Erklärungen dazu abgeben, weil die Sitzungen des Bundessicherheitsrates geheim sind. ({1}) - Herr Barthel, bevor Sie sich weiter aufregen: Die ganze Konstruktion des Bundessicherheitsrates und die Entscheidungskriterien stammen aus rot-grünen Zeiten. ({2}) Man muss doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung auf der Basis der von Ihnen geschaffenen Grundlagen Entscheidungen fällt. ({3}) Herr Barthel, Sie dürfen nicht einfach alles durcheinanderrühren. Sie dürfen der Öffentlichkeit nicht suggerieren, dass die SPD der Heilsbringer ist, und darauf verweisen, dass wir Ihre Anträge nächstes Jahr, wenn Sie regieren, vielleicht brauchen. ({4}) Wir haben jetzt zwei Anhörungen im Wirtschaftsausschuss durchgeführt, eine Anhörung zum Rüstungsexport und die andere zum Außenwirtschaftsgesetz. Herr Barthel, ich weiß nicht, ob Sie dabei waren; vielleicht konnten Sie der Debatte ja nicht folgen. Ich sage Ihnen daher: Kein einziger Gutachter hat die Dinge, die Sie vorschlagen - ich habe das heute extra im Protokoll nachgelesen -, positiv gesehen. ({5}) Alle Gutachter haben gesagt, dass man sich genau überlegen muss, ob man Änderungen des Modus will, ob man im Rahmen des Parlaments wirklich ein Geheimgremium braucht, das über Entscheidungen der Regierung zeitnah unterrichtet wird. Das wissen Sie ganz genau. Es wurden große Vorbehalte bezüglich der Modelle in Großbritannien und Schweden, die immer genannt werden - auch gestern wieder bei der Anhörung -, angeführt. ({6}) Sie können im Protokoll nachlesen, dass berichtet wurde, unter welchem Druck aufgrund der großen Aktenberge die Abgeordneten in Großbritannien stehen und dass sie diese Entscheidungen daher überhaupt nicht nachvollziehen können. ({7}) Die Anträge der SPD werden nicht besser. ({8}) Sie schreiben immer das Gleiche. Ich sage es noch einmal: Entscheidungsgrundlage der Bundesregierung heute sind die Kriterien, die Sie aufgestellt haben. Wenn Sie die Entscheidungen jetzt kritisieren, dann kritisieren Sie das, was Sie früher gemacht haben. Das ist ganz einfach. Sie müssen sich einmal an Ihre eigene Nase fassen und überlegen, ob das, was Sie in Gang gesetzt haben, möglicherweise falsch war. ({9}) Ich möchte noch etwas anmerken, damit deutlich wird, dass die Heuchelei auf diesem Gebiet keine Grenzen kennt. Der oberste Lobbyist für die Rüstungsindustrie - er war auch bei der letzten Anhörung anwesend ist ein Mitglied der SPD. Sie sollten vielleicht einmal mit diesem Herrn sprechen und ihn fragen, warum er für die Wehrwirtschaft lobbyiert. Wir sagen: Die Wehrwirtschaft ist ein sehr wichtiger Industriezweig in Deutschland. Das sagen sogar die Gewerkschaften. Herr Barthel, Sie vertreten doch die Gewerkschaften. Die Gewerkschaften schreiben uns, dass wir dafür sorgen sollen, dass die wehrtechnische Industrie in Deutschland erhalten bleibt, dass sie genügend Möglichkeiten hat, ihre Produkte abzusetzen. - Mir ist klar, dass Sie das über die Gewerkschaften nicht hören wollen; deshalb hören Sie mir gerade wohl nicht zu. ({10}) Ich will noch einmal deutlich sagen: Die Heuchelei bei Ihnen kennt keine Grenzen. Es wäre sinnvoll, in einer ruhigen Atmosphäre darüber zu sprechen, wie man erreichen kann, dass der Rüstungsexportbericht zeitnaher ins Plenum kommt. Ich habe schon mehrfach von diesem Rednerpult aus gesagt, dass auch ich es nicht gut finde, dass wir erst jetzt über den Rüstungsbericht von 2011 diskutieren. Aber das ändert nichts an den Entscheidungskriterien. Diese beiden Themen muss man auseinanderhalten. Der Exportbericht ist praktisch ein Blick nach hinten. Wir sollten zeitnäher darüber beraten, aber auch das würde nichts daran ändern, dass die Grundlagen, auf denen die Entscheidungen getroffen werden, von Ihnen geschaffen wurden. ({11}) Ich sehe der Beratung Ihrer Anträge sehr zuversichtlich entgegen. Dem Betrachter der Szene fällt mittlerweile auf, dass Sie nicht um des Themas willen hier diskutieren, sondern dass Sie auf der Grundlage von Zeitungsmeldungen versuchen, der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass die Entscheidungen bereits getroffen wurden. Dies kann ich nicht bestätigen, Herr Barthel, und Sie wissen es genauso wenig wie ich. Vielen Dank. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Inge Höger hat für die Fraktion Die Linke das Wort. ({0})

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Rüstungsgeschäfte sind todsichere Geschäfte. Jede Waffe findet ihren Krieg. Die deutsche Rüstungsindustrie ist inzwischen drittgrößter Waffenlieferant weltweit. Das ist ein Skandal. ({0}) Deutsches Kriegsgerät wird immer ungenierter an Diktatoren und in Spannungsgebiete geliefert. Entgegen anderen Behauptungen schaffen Rüstungsexporte weder Frieden noch Stabilität. Die aktuell diskutierte Lieferung von Radpanzern des Typs Boxer an Saudi-Arabien ist nur das neueste Beispiel einer ganzen Reihe verheerender Entscheidungen des Bundessicherheitsrates. Im letzten Sommer wurde der Export von Leopard-2-Panzern nach Saudi-Arabien genehmigt, auch wenn immer noch die Rede davon ist, dass man dies ja nicht wisse, weil es ja geheim ist. Ich denke, dass diese Meldung richtig war. Die Spezialausrüstung dieser Panzer ermöglicht Einsätze gegen Barrikaden und im Häuserkampf. In diesem Sommer haben deutsche Soldaten beim Schießtraining mit ebendiesen Panzern assistiert. Seit Bekanntwerden dieser Exportgenehmigung fordern viele Menschen: Legt den Leo an die Kette! ({1}) Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall freuen sich sicherlich über die Umsatzsteigerung durch den Export des Leos und des Boxers. Für all diejenigen, die Frieden und Menschenrechte noch ernst nehmen, ist der Export dieser Hightechkriegsgeräte eine Tragödie. Ein Inhaber einer dieser Firmen hat behauptet, er habe nie gewusst, dass Rüstungsexporte getätigt werden. Das muss ich anzweifeln; denn wenn man Aktien hält und im Aufsichtsrat sitzt, dann weiß man das auch. Allein die Lobeshymnen, die die Rüstungsindustrie selber über das Gefechtsfahrzeug Boxer singt, sollten einen Export insbesondere in Krisenregionen undenkbar machen. Experten schwärmen davon, dass die gestiegenen militärischen Anforderungen hinsichtlich einer großen Mobilität durch die hohe Geschwindigkeit des Boxers erfüllt werden. Die Radpanzer können sowohl gegen feindliche Armeen als auch gegen Demonstranten im eigenen Land eingesetzt werden. Es darf nicht sein, dass wieder einmal deutsche Waffen für den Häuserkampf und für den Bürgerkrieg geliefert werden! ({2}) Aber nicht nur für die innenpolitischen Situationen sind Waffenlieferungen in den Nahen und Mittleren Osten brandgefährlich. Gleiches gilt für die außenpolitische Situation: Wer die Golfstaaten gegen den Iran aufrüstet, der verschärft das Wettrüsten und erhöht die Kriegsgefahr in der gesamten Region. Ähnliches gilt für Waffenlieferungen an Israel. In derselben unsäglichen Sitzung des Bundessicherheitsrates, in der der Export an die Saudis angebahnt wurde, wurde eine Lieferung von Abschussgeräten für Panzerfäuste und für bunkerbrechende Munition an Israel genehmigt. Es besteht die Gefahr, dass diese Waffen für den Häuserkampf bei einer Bodenoffensive in Gaza eingesetzt werden. Die Bundesregierung bestärkt somit Israel auf dem Weg in die militärische Sackgasse. Wer politische Lösungen will, der muss sich für Verhandlungen und Abrüstung einsetzen. Waffenlieferungen sind das falsche Signal. ({3}) Deutsche Waffen und deutsche Soldaten machen die Welt nicht besser und nicht sicherer. Statt Konflikte friedlich zu lösen, werden deutsche Truppen geschickt oder deutsche Waffen geliefert. Dies kommt einer Bankrotterklärung der deutschen Außenpolitik gleich. ({4}) Wir erleben hier eine Bundesregierung, die Machtpolitik und die Verfolgung von wirtschaftlichen Interessen über alle rechtlichen und moralischen Erwägungen stellt. Diese Tradition begann aber lange vor Frau Merkel. Die zur Schau gestellte Entrüstung von RotGrün ist heuchlerisch. ({5}) Es war die rot-grüne Regierung, die im Verhältnis zur Kohl-Regierung die deutschen Rüstungsexporte mehr als verdoppelt hat. ({6}) Rot-Grün genehmigte die Lieferung von Komponenten für Panzer, Kampfflugzeuge und Maschinengewehre an Saudi-Arabien. ({7}) Diese Liste ließe sich fortsetzen. Exkanzler Schröder sorgte - teils persönlich -, wenn Regierungsdelegationen arabische Staaten besucht haben, für die Anbahnung von Rüstungsgeschäften. Diese unselige Tradition setzt Frau Merkel nun fort. Damit wird eines klar: Die angeblich restriktiven Regelungen der deutschen Rüstungsexportpolitik haben viel zu viele Schlupflöcher. Die Gesetzeslage muss geändert werden. Wir brauchen ein eindeutiges und vollständiges Verbot von Rüstungsexporten. ({8}) Stoppt den Export von Rüstungsgütern in alle Welt! ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr. Martin Lindner hat nun für die FDPFraktion das Wort. ({0})

Dr. Martin Lindner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004096, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich werde heute nicht zu dem Thema Ihrer Anträge sprechen; dazu findet eine gesonderte Beratung statt. Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde sind etwaige Exporte von Panzern nach Saudi-Arabien. Sie sollten sich wenigstens an die selbst gewählte Thematik halten! ({0}) Eine zweite Vorbemerkung, an meine Vorrednerin gerichtet: Man muss entschieden trennen zwischen etwaigen Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien oder anderswo und Hilfen, die wir selbstverständlich an unseren Hauptverbündeten in dieser Region - Israel - leisten. ({1}) Es ist für diese Bundesregierung und diese Koalition selbstverständlich, dass wir Israel auf allen Ebenen beistehen. ({2}) Daran wird sich, jedenfalls solange wir regieren, überhaupt nichts ändern. ({3}) Zu den etwaigen Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien. Ich habe mir die politischen Grundsätze, die RotGrün damals selbst so aufgestellt hat, noch einmal vor Augen gehalten. Unter „Allgemeine Prinzipien“ heißt es: 3. Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression … missbraucht werden. ({4}) Die in Rede stehenden Panzer Boxer und Leopard 2 sind nicht primär geeignet, um Aufruhr oder innere Aufstände niederzuschlagen. ({5}) - Ihre heilige Einfalt bei diesen Dingen kann und will ich nicht stören, aber diejenigen, die ein bisschen interessierter sind und versuchen, sich sachlich damit zu beschäftigen, kommen zu dem Ergebnis, dass dies primär Waffen sind, die dazu geeignet sind, wenige Menschen über ein militärisches Gefechtsfeld zu transportieren. Die Waffen, die unter Ihrer Verantwortung nach SaudiArabien geliefert wurden, beispielsweise 1 200 Panzerfäuste, sind dagegen wesentlich geeigneter zur Aufruhrbekämpfung als ein Radpanzer, der mehrere Millionen Euro teuer ({6}) und eher dazu geeignet ist, sich defensiv über ein Gefechtsfeld zu bewegen. ({7}) Aber wie gesagt: Wer sich sachlich nicht damit beschäftigen will und in seiner Welt abgeschlossen ist, der braucht sich mit solchen Details nicht aufzuhalten. ({8}) Ich komme zu dem nächsten Punkt. Der Beachtung der Menschenrechte in bestimmten Bestimmungs- und Endverbleibsländern wird bei der Entscheidung über Exporte von Kriegswaffen besonderes Gewicht beigemessen. Man kann sich natürlich darauf zurückziehen - wie Sie das tun - und sagen: Wir mischen uns nicht ein; wir exportieren in diese Länder gar nicht. - Ich sage Ihnen aber: Wenn Sie es mit den Menschenrechten ernst meinen, dann sollten Sie eher überlegen, ob es nicht gerade im Sinne eines positiven Einflusses in diesen Regionen und Ländern wesentlich besser wäre, Sicherheitspartnerschaften mit ihnen zu begründen und zu unterhalten. ({9}) Auf diese Weise würden wir nämlich durch eine Interdependenz in den Beziehungen über ganz andere Einflussmöglichkeiten verfügen, als wenn wir einseitig von der Dr. Martin Lindner ({10}) Lieferung energetischer oder nichtenergetischer Rohstoffe aus diesen Ländern abhängig sind. ({11}) Sie müssen sich einfach einmal den Unterschied zwischen Ländern wie China, den USA und uns anschauen, wenn es um Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien geht. Sie werden dann zu folgendem Ergebnis kommen: Bezogen auf ihre Gesamtexporte sind China und die USA wesentlich stärker in Saudi-Arabien engagiert als wir. Sie können sich also in etwa ausrechnen, wer dort wesentlich stärker Einfluss nehmen kann als wir. Ich glaube, wenn Sie das nüchtern überlegen, dann werden Sie zum Ergebnis kommen, dass man gerade beispielsweise über Schulungen und Wartungen ganz andere Möglichkeiten hat, langfristig positiv in diesen Ländern Einfluss zu nehmen, ({12}) als wenn man sich einfach bequem an den Rand stellt. Dadurch kann man vielleicht in der einen oder anderen Diskussion im Wahlkreis besser bestehen, ({13}) aber verantwortungsvolle Politik sieht nicht so, sondern ganz anders aus: Gerade in diesen Regionen muss man versuchen, über alle möglichen Sicherheitspartnerschaften und Rohstoffpartnerschaften in unserem Sinne positiv etwas zu bewirken. ({14}) Dadurch kann man wesentlich mehr erreichen als durch populistische Anträge und das Bemühen, vor der einen oder anderen Galerie zu glänzen. ({15}) Das ist das typische Gehabe einer Opposition, und das werden Sie auch immer bleiben. ({16}) Sie, die SPD, müssen sich aber wirklich überlegen, ob Sie sich als große Oppositionsfraktion auf diese Ebene hinabführen lassen ({17}) oder nicht versuchen und sich bemühen wollen, gemeinsam mit uns berechtigte Fragen, wie zur lückenhaften Information des Parlaments, zu stellen und sich hier ein wenig redlicher, ehrlicher und verantwortungsbewusster - auch aufgrund Ihrer Verantwortung in den vergangenen Jahren, als Sie selbst in Regierungsverantwortung waren - zu zeigen und zu versuchen, die Dinge in schwierigen Regionen der Welt - das wissen Sie genau; da gibt es kein Schwarz und kein Weiß, sondern sehr viel Grau - in die richtige Richtung zu manövrieren. Dies kann man dort langsam versuchen. ({18}) Dann sind Sie auch herzlich eingeladen, hier ernsthaft zu diskutieren. Mit Populismus und Schaumschlägerei wie von der ganz linken Seite des Hauses und teilweise von den Grünen sollten Sie als SPD nichts zu tun haben. Herzlichen Dank. ({19})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das Schlimmste in dieser Debatte haben wir hinter uns. ({0}) Ich möchte mit einem Zitat beginnen: Körperstrafen wie z. B. das Auspeitschen werden regelmäßig vollzogen, Dissidenten werden inhaftiert, Geständnisse erzwungen, Frauen werden wesentliche Menschenrechte vorenthalten, minderjährige Mädchen zwangsverheiratet, freie Meinungsäußerung ist nur teilweise möglich, die Religionsausübung für nicht-muslimische Religionen verboten … Das ist keine Aussage einer Nichtregierungsorganisation und auch keine Aussage eines staatlichen Geheimdienstes. Das ist ein Zitat aus dem aktuellen und öffentlichen Menschenrechtsbericht der Bundesregierung. ({1}) Warum dürfen wir das dann nicht endlich im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften thematisieren? ({2}) Meinen Sie im Ernst, dass das zu mehr diplomatischen Verwicklungen führt als Ihr schriftlicher Bericht? Das hätte ich übrigens gern auch das Auswärtige Amt gefragt, das aber nicht mehr vertreten ist. ({3}) Der wahre Grund, warum Sie über Panzerlieferungen auf die Arabische Halbinsel lieber im Geheimen entscheiden, ist doch schlicht, dass es Ihnen unangenehm ist, Ihre Gründe zu nennen und zu Ihrer Entscheidung zu stehen. Immer wieder versichern Sie uns in jeder Antwort, dass Sie sich an die Grundsätze, die sogenannte Rüstungsexportrichtlinie, halten wollen. Darin werden aber systematische Menschenrechtsverletzungen als Ausschlusskriterium deutlich benannt. Jetzt müsste Herr Westerwelle, wenn er da wäre, einmal erklären, was systematische Menschenrechtsverletzungen anderes sein sollen als das, was wir in dem in Ihrem Ressort erstellten Bericht beschrieben finden. ({4}) Mit Blick auf die Kanzlerin sage ich ganz deutlich: Wer autokratische Regime aufrüstet, macht sich mitschuldig, wenn die gelieferten Waffen eines Tages gegen die Bevölkerung eingesetzt werden oder gar den internationalen Frieden bedrohen. Über diesen Umstand kann auch die sogenannte Merkel-Doktrin nicht hinweghelfen, wonach wir seit neuestem strategische Partner durch deutsche Waffen ertüchtigen, um damit eigene Militäreinsätze zu vermeiden. Schlau daran ist, dass Rüstungsexporte hinter verschlossener Tür genehmigt werden, während Militäreinsätze dummerweise immer im Parlament diskutiert werden müssen. ({5}) Weniger schlau ist, zu glauben, der Feind meines Feindes sei automatisch mein strategischer Partner. Das ist keine Doktrin, sondern schlicht mangelnder strategischer Weitblick. ({6}) Wir können davon ausgehen, dass die Haltbarkeit deutscher Panzer deutlich länger währt als die aktuellen Frontverläufe und Interessenkoalitionen im Nahen und Mittleren Osten. Wenn das kein Spannungsgebiet im Sinne der Richtlinie ist, dann gibt es wohl weltweit kein Spannungsgebiet. Geben Sie doch endlich ehrlich zu, dass in Ihrer neuen Doktrin kein Platz für die alten Grundsätze ist. Nicht einmal die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands eignen sich zur Begründung solcher Exporte. Die Sorgen und Nöte der deutschen Rüstungsindustrie sind hausgemacht. Der Kalte Krieg ist seit über 20 Jahren vorbei. Die Bundeswehr wird grundlegend umgebaut und verkleinert; ihre Hauptaufgabe ist längst nicht mehr die Panzerschlacht um die Lüneburger Heide. Alles hat sich verändert - nur die Rüstungsindustrie nicht. Wir leisten uns weiterhin industrielle Fertigungskapazitäten für ein Fähigkeitsspektrum, das die Bundeswehr längst nicht mehr braucht. Allein in Deutschland gibt es mit Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann zwei Hersteller, die sich auf Panzerbau spezialisiert haben. Der Exportdruck der Industrie rührt daher, dass wir längst weniger staatlichen Eigenbedarf haben und unsere Bündnispartner ihre Militärhaushalte massiv zusammenstreichen. ({7}) Bald wird die Hälfte der deutschen Rüstungsexporte in Staaten außerhalb von EU und NATO gehen. Die Ausnahme wird so immer mehr zur Regel. An einer Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie führt aber langfristig kein Weg vorbei. Um diesen Prozess politisch zu steuern, müssten wir in Europa zunächst einmal gemeinsam militärische Kernfähigkeiten definieren. Was an Wehrindustrie nicht mehr gebraucht wird, muss auf zivile Produktion umgestellt werden. ({8}) Hierzu könnte der Staat Anreize liefern und bei Bedarf Hilfestellung leisten. Technologien, die sich bei geringer Produktionskapazität nicht wirtschaftlich rechnen, aber zum sicherheitspolitischen Kernbereich gehören, müssen dann eben anderweitig gefördert werden; dann allerdings transparent und nicht geheim. Haben Sie endlich den Mut, sich dieser Debatte im Parlament und in der Öffentlichkeit zu stellen! Wir Grüne fordern seit langem weniger Geheimhaltung und mehr parlamentarische Beteiligung. Wir wollen die freiwilligen Grundsätze der Bundesregierung im Hinblick auf Menschenrechte und Spannungsgebiete endlich verbindlich in Gesetzesform beschließen und die Möglichkeit eröffnen, die Genehmigungen von Rüstungsexporten langfristig im Wege der Verbandsklage gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Kirchen haben diesen Vorschlag in ihrem am Montag vorgestellten Bericht der GKKE ausdrücklich gelobt. Erfreulicherweise wird auch in Ihren eigenen Reihen der Widerstand immer lauter. Als Erster kritisierte Herr Polenz: Man muss über diese Fragen grundsätzlich öffentlich reden können. - Der Kollege Stinner wünscht sich inzwischen ein Gremium des Bundestages, das vor kritischen Rüstungsentscheidungen informatorisch eingeschaltet wird. ({9}) Selbst der Parlamentarische Staatssekretär Schmidt findet, es bestehe ein legitimes Interesse an der Information, ob die Richtlinie eingehalten wird. ({10}) Ich begrüße es sehr, dass nach jahrelangem Verharren in alten Denkmustern endlich Bewegung in Ihre Reihen einzieht. ({11}) Lassen Sie uns etwas daraus machen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Vielen Dank. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange für die Unionsfraktion. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Wirtschafts- und Handelsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist zunächst auf dem freien weltweiten Austausch von Wirtschaftsgütern aufgebaut. Eine Ausnahme davon sind Rüstungsgüter, und dies seit Jahrzehnten. Mit dieser Aktuellen Stunde versuchen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ein bisschen den Eindruck zu vermitteln, als ob Rüstungsexporte etwas Negatives sind. ({0}) - Jawohl: Schwerter zu Pflugscharen; ({1}) ich müsste jetzt eigentlich zitieren, was der Kollege Grund vorhin gesagt hat. - Sie unterliegen aber, glaube ich, in unserem Land sehr strengen Exportkontrollen. Ein Blick in die derzeitigen Richtlinien der Rüstungsexportkontrolle zeigt, dass man sowohl begründen als auch argumentieren muss, wenn man ausführt. ({2}) Sie verlangen eine sorgfältige Abwägung außenpolitischer und sicherheitspolitischer Aspekte, die Berücksichtigung von Menschenrechtsargumenten, Konfliktprävention und die Beachtung der Menschenrechte in den Empfängerländern. ({3}) - Jawohl, wir sind uns einig. ({4}) Warum sind wir uns einig, meine Damen und Herren vor allem der SPD? Weil wir uns an den Kodex halten, den Sie selber in der rot-grünen Koalition aufgestellt haben. ({5}) Die aktuell gültigen politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern haben Sie festgelegt, ({6}) und an die halten wir uns. ({7}) - Daran halten wir uns. Liebe Kollegin der Grünen, Ihre wiedergewählte Parteivorsitzende Claudia Roth war sogar in der interministeriellen Arbeitsgruppe dabei, als diese Richtlinien aufgestellt worden sind. ({8}) Deshalb verstehe ich nicht, wieso Sie uns das, was Sie selber beschlossen haben, jetzt vorhalten. Es ist schön, dass Sie sich jetzt kurz vor Weihnachten einig sind, was den großen Weltfrieden betrifft. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass es 2004 nach dem Ende des Waffenembargos gegen Libyen - Libyen ist vorhin angesprochen worden - die rot-grüne Regierung war, die erste Rüstungsexporte dorthin zugelassen hat. Ich halte das Ganze für etwas pharisäerhaft angesichts der Tabelle, in der aufgeführt ist, wann wir die bisher höchste Zahl an Rüstungsexporten hatten, ({9}) nämlich 2007. Die Exportanträge damals sind unter RotGrün eingegangen und genehmigt worden. Wenn Sie uns das jetzt vorhalten, Kollege Barthel, dann muss ich nur nachschauen, wie viele Anträge wir auch in der Großen Koalition genehmigt haben. Also bleiben wir doch bitte bei den Fakten. Verantwortungsbewusste Rüstungsexportpolitik sollten wir anerkennen. ({10}) Auch ist die wehrtechnische Industrie ein nicht unerheblicher Wirtschaftsfaktor in der Bundesrepublik Deutschland, wenn man so wie wir verantwortungsbewusst damit umgeht. ({11}) Zur Parlamentskontrolle: Beim Bundesausfuhramt gehen jährlich circa 16 000 Genehmigungsanträge ein. Über mehr als 2 000 wird unter Beteiligung des Auswär26144 tigen Amtes und zum Teil des Bundesministeriums für Verteidigung entschieden. Ich weiß nicht, wie wir eine sinnvolle Kontrolle durch das Parlament durchführen sollten. ({12}) Dass das Ganze außerdem Sache der Exekutive und nicht bei uns angesiedelt ist, brauche ich, glaube ich, nicht zu erörtern. Wenn ich diese Debatte heute verfolge, dann frage ich mich, wie Kunden bzw. Empfängerländer, denen wir rechtmäßig liefern, zukünftig mit uns und unseren Firmen umgehen, wenn hier alles in dieser Form in der Öffentlichkeit diskutiert wird. ({13}) Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist, um solche Geschäfte zu stützen. ({14}) Eine Ausdehnung der parlamentarischen Kontrollrechte ist unseres Erachtens derzeit nicht sinnvoll. Eine Vielzahl von politischen, wirtschaftlichen und praktischen Problemen steht auf der Tagesordnung. Ich glaube, die geltende Rüstungskontrolle, die sich an den Maßstäben von Rot-Grün orientiert und an die wir uns halten, ist der richtige Weg. Wir haben ein funktionierendes Kontrollsystem. Wir werden es weiter stärken. ({15}) Herzlichen Dank. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße, dass Herr Staatssekretär Otto nicht mehr ganz alleine auf der Regierungsbank sitzt. ({0}) Er könnte mehr Gesellschaft haben. Schließlich geht es hier um ein Thema des Bundessicherheitsrats; dieser ist etwas größer als die Versammlung auf der Regierungsbank. Ich will ein paar Anmerkungen zur Geschichte von Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien machen. Fangen wir einmal im Jahr 1990 an. Damals gab es die Anfrage nach der Lieferung von Fuchs-Spürpanzern. Die damalige Kohl-Regierung hat die Betreffenden - quasi mit langen Zähnen - hingehalten. Nach der Bundestagswahl und erneuten Erörterungen in der Bundesregierung gab es plötzlich im Februar 1991 eine Genehmigung. Worüber man sich schon damals wunderte, war der Preis: 36 gebrauchte Panzer für 446 Millionen D-Mark. Experten sagten, 100 Millionen D-Mark seien realistisch. Man hat dann später gerichtliche Nachforschungen darüber anstellen können. Ich lese Ihnen vor, was die Süddeutsche Zeitung über den Abschluss des Thyssen-HenschelProzesses am 12. Januar 2007 - es hat lange gedauert geschrieben hat: Im Gesamtpreis … waren etwa 220 Millionen sogenannter Provisionen versteckt. Der Löwenanteil davon ging mutmaßlich an Mitglieder der saudischen Königsfamilie. 28 Millionen aber kassierte der Lobbyist Karlheinz Schreiber. Ein Großteil dieses Geldes lagerte er auf Schweizer Rubrikkonten, deren Bezeichnungen verschlüsselt auf die Personen verwiesen, denen das Geld zugedacht war - „Holgart“ zum Beispiel für den früheren Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls. „Winter“ stand für Winfried Haastert, „Jürglund“ für Jürgen Maßmann. Beide waren Manager bei Thyssen Henschel. Die Geschichte ist sicherlich dem einen oder anderen noch geläufig. ({1}) Es gab Haftstrafen auf Bewährung für die Manager. Herr Schreiber und Herr Pfahls haben versucht, sich durch Flucht der Strafverfolgung zu entziehen. Man hat sie dann eines Tages doch vor Gericht stellen können und beide zu Haftstrafen verurteilt. Ein Ausfluss dieses Skandals, der damit noch nicht zu Ende war, war die Parteispendenaffäre 1999. Im Jahr 1991 ist 1 Million D-Mark von Herrn Schreiber an den damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben worden. Niemand kann sagen, warum. 1994 wurden 100 000 D-Mark an Herrn Schäuble übergeben. Niemand weiß, warum. Es handelte sich eben um Spenden. 1999 wurde daraus eine Affäre, in deren Folge der damalige Parteivorsitzende Schäuble zurücktrat und Frau Merkel die Chance bekam, CDU-Vorsitzende zu werden. Heute hat sie als Bundeskanzlerin erneut über Lieferungen an Saudi-Arabien zu entscheiden. Ich kann ihr nur zurufen: Vorsicht bei Saudi-Arabien! Das ist ganz dünnes Eis. Bei der Lieferung deutscher Panzer an Saudi-Arabien geht es um eine Korruptionsgeschichte. ({2}) Zur Lieferung von Eurofightern von Großbritannien nach Saudi-Arabien wollte das Unterhaus einen Untersuchungsausschuss einrichten. Es ist zwar nicht dazu gekommen. Aber hier war von Korruption nicht allein die Rede. Vielmehr hat man dazu entsprechende Unterlagen gesammelt. Ich erinnere an ein Projekt der EADS, die Absicherung der saudischen Grenze. Eine britische Firma ist in diesem Zusammenhang Gegenstand einer Untersuchung britischer Antikorruptionsermittler. Jetzt reden wir über Leopard- und Boxer-Panzer. Ich hoffe, dass das in Ordnung ist. Wir können die Bundesregierung ja fragen. ({3}) Unser Problem besteht darin, dass Sie ein Geschäft zu verteidigen versuchen, von dem Sie noch gar nicht sagen können, ob es überhaupt genehmigt ist. Worüber reden wir hier eigentlich? ({4}) Das ist das Problem der Rüstungsexportpraxis. Wir brauchen eine Information des Parlaments, wenn es im Bundessicherheitsrat positive Entscheidungen gegeben hat, insbesondere dann, wenn diese mit einem Strategiewechsel verbunden sind. Die Aussage von Frau Bundeskanzlerin, neue Partnerschaften zu suchen, ist schon zitiert worden. Dazu kann ich nur sagen: Über Partnerschaften in der Welt kann man reden. Die wollen wir suchen. Wir haben eine solche mit Indien und wollen sie mit Australien. Aber Saudi-Arabien ist ganz bestimmt kein strategischer Partner und kein Partner für den Rüstungsexport aus Deutschland. Schönen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten konnte man erleben, dass das deutsche Sprichwort „Das Sein prägt das Bewusstsein“ so dokumentiert wird wie in dieser Debatte. ({0}) Wenn ich höre, wie Herr Barthel und Frau Keul und jetzt auch Herr Bartels Saudi-Arabien skizzieren und kritisieren, dass in dieses schlimme Land Waffen exportiert werden, ({1}) sie aber mit keinem Wort erwähnen, dass auch in ihrer Regierungszeit Saudi-Arabien kein Hüter von Menschenrechten und kein Ausbund an Rechtsstaatlichkeit war, die damaligen Bundesregierungen aber dennoch Waffen nach Saudi-Arabien geliefert haben, dann kann ich doch mit Fug und Recht sagen, dass hier offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen wird. Als Sie, Frau Keul, an der Regierung waren, war das alles in Ordnung, wenn wir an der Regierung sind, dann ist das falsch. ({2}) - Ich komme gleich zu dem Unterschied der Waffen. Ich sehe in Ihren Reihen viele Waffenexperten; darauf würde ich gerne eingehen. Ich finde es fabelhaft, wie Sie über Panzerfäuste geredet haben. Das war ganz großartig. Das zeugt von großem Wissen darüber, was man mit Panzerfäusten macht. Ich gehe davon aus, dass diese Bundesregierung in gleicher Art und Weise ihre Verantwortung wahrnimmt, wie das vorherige Bundesregierungen gemacht haben, ({3}) unter einem Außenminister Fischer und unter einem Außenminister Steinmeier, einer von den Grünen, der andere von der SPD, die auch Waffenexporte nach SaudiArabien gebilligt haben. Da ging es um Teile für gepanzerte Fahrzeuge im Jahr 1999, um Handfeuerwaffen, Revolver, Pistolen, Munition, Herstellungsausrüstung für Teile von Maschinenpistolen, Herstellungsausrüstung für Handfeuerwaffen, Maschinengewehre etc. pp. Jetzt sage ich Ihnen etwas dazu: Wenn Sie mir erzählen wollen, dass die Bedrohung für Aufständische durch Panzer, die schwerfällig sind, größer ist als die durch Maschinengewehre, ({4}) dann kann ich nur feststellen, dass Sie die Zahl der Menschen, die bei der Aufstandsbekämpfung in den letzten Jahrzehnten umgekommen sind, überhaupt nicht kennen. ({5}) Mit der Lieferung von Maschinengewehren bedrohen Sie Aufständische viel mehr, als wenn Sie Boxer und andere Fahrzeuge liefern würden. ({6}) Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass diese Bundesregierung mit derselben Verantwortung, die ich früheren Bundesregierungen zugestanden habe, ihre Aufgabe wahrnimmt. Ich komme zum zweiten Aspekt, zur Information. Ich bin hier angesprochen worden. Ich persönlich gestehe zu - das habe ich auch öffentlich gesagt -, dass ich mit der Informationspolitik nicht zufrieden bin. Hier muss ich an die Bundesregierung appellieren und sagen: Dafür, dass geleakt wird, haben Sie die Verantwortung, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Dass wir als Abgeordnete dafür in Anspruch genommen werden, finde ich nicht gut. Wenn es so ist, dass Sie nicht dichthalten können, dann müssen wir etwas daran ändern. ({7}) In unseren Fraktionen reden wir darüber. Wir haben uns noch keine abschließende Meinung gebildet. Deshalb kann ich auch noch kein Ergebnis hier verkünden. Aber ich sehe das Problem sehr wohl. Ich habe das sehr offen angesprochen. Da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube. ({8}) Lassen Sie mich noch auf ein drittes Thema eingehen, das ich für sehr wichtig halte. Wir müssen uns ehrlich machen, was die Rolle der deutschen wehrtechnischen Industrie betrifft. ({9}) Da gilt für mich folgender Dreisatz: Erstens. Ich bin dafür, dass wir weiterhin eine Bundeswehr haben. Ich glaube, alle hier vertretenen Parteien bis auf die Linke sind dafür. Zweitens. Ich bin nachhaltig dafür, dass diese Bundeswehr nicht nur mit ausländischen Waffen ausgestattet wird. ({10}) - Wenn Sie diesen beiden Punkten zustimmen, liebe Frau Keul, dann folgt daraus: Drittens. Da weder Sie noch wir noch irgendeine Partei wollen, dass unser Wehretat so hoch ist, dass wir eine veritable deutsche Rüstungsindustrie erhalten können, damit sie die Bundeswehr ausstatten kann, kommt das Thema Rüstungsexport zwangsläufig ins Spiel, ({11}) wenn wir eine ehrliche Debatte führen wollen. Frau Keul, Sie haben nach meinen ersten beiden Punkten genickt: Jawohl, eine Bundeswehr zu haben, ist richtig. Jawohl, auch Sie sind dafür, dass wir die Bundeswehr nicht nur mit amerikanischen, britischen, tschechischen und was auch immer für Waffen ausstatten. Die Konsequenz daraus ist, dass eine wehrtechnische Industrie in Deutschland weiterhin notwendig ist. ({12}) - Richtig. Ich habe ja gar nichts gegen eine europäische wehrtechnische Industrie. Ich habe gar nichts gegen Konsolidierung. Aber dieses Thema wird für Sie doch nicht besser, wenn wir sagen: Die Panzer bauen jetzt die Franzosen, und die Franzosen, also Europäer, exportieren Panzer dorthin, wo sie Ihrer Meinung nach nicht hinsollen. Das löst Ihr Problem doch in keiner Weise. Daher ist das nicht glaubwürdig. Sie müssen sich dieser Debatte stellen. Sie können ja sagen: Wir wollen das alles nicht. Sie können sagen - das sagen die Damen und Herren von der Linken -: Wir wollen keine Bundeswehr. Sie können auch sagen: Wir wollen keine wehrtechnische Industrie. Das müssen Sie dann aber auch gegenüber den Betrieben vertreten. Herr Barthel, tun Sie das bitte! Wir gehen sehr gern gemeinsam mit Ihnen in Betriebe der wehrtechnischen Industrie. Wir gehen sehr gern gemeinsam mit Ihnen zu den Betriebsräten. Wir gehen sehr gern gemeinsam mit Ihnen zu Betriebsversammlungen. Dann möchte ich einmal sehen, wer von uns beiden dabei besser aussieht. Frohes Gelingen! Ich danke Ihnen. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr. Rolf Mützenich spricht nun für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte diese Aktuelle Stunde gern dazu benutzen, das Selbstverständnis dieses Parlamentes zu referieren oder zumindest ein bisschen zu stärken. Ich versuche, das gegenüber allen Fraktionen zu tun. Wir sollten nämlich als Parlament erst einmal so auftreten, dass wir in der Außenpolitik noch stärker mitreden können, als wir es in den letzten Jahren geschafft haben. Die Außenpolitik war lange Jahre, ja Jahrzehnte eigentlich immer nur ein Gebiet der Bundesregierung. Es ist durchaus schwer gewesen, das Parlament stärker in die Verantwortung einzubeziehen. Die Bundesverfassungsgerichtsurteile über eine Parlamentsarmee und viele andere Dinge gehören letztlich mit dazu. Deswegen glaube ich - das ist mein Selbstverständnis -, dass die derzeitige Praxis bei der Frage der Rüstungsexporte vordemokratisch ist. ({0}) Wir brauchen eine andere Form der Mitbestimmung, der Mitberatung und letztlich auch der Empfehlung. Ich finde, zu einem Parlament, das ein gewisses Selbstverständnis und auch eine gewisse Stärke einzubringen hat, gehört auch, diese Forderung aufzustellen. Das ist etwas, was ich mir als Abgeordneter wünsche. Insofern wäre es mir schon recht gewesen, wenn auch das Bundeskanzleramt heute Abend mit dabei wäre; denn es sitzt auch dem Bundessicherheitsrat vor. Ich finde zwar schön, dass die im Bundessicherheitsrat vertretenen einzelnen Ressorts hier anwesend sind, aber ich hätte mir letztlich schon gewünscht, dass gerade das Bundeskanzleramt hier das hört, was ein selbstbewusstes Parlament in diese Debatte mit einbringen will. Ein Weiteres. In der Tat kritisieren Sie oft genug und, wie ich glaube, in einzelnen Teilen zu Recht das, was Vorgängerregierungen getan haben. Aber Sie vergessen dabei immer einen Aspekt: Abgeordnete meiner Fraktion haben bestimmte Entscheidungen auch zu rot-grüner Zeit - darauf bin ich stolz - kritisiert. Da hätte ich Sie gern an unserer Seite gehabt. Eine solche Kritik kennzeichnet ein selbstbewusstes Parlament, das mit der Frage der Rüstungsexporte umgeht. ({1}) Ich finde, dieses Parlament verdient schon, dass wir über die Rüstungsexporte kritisch diskutieren, egal wer in der jeweiligen Situation die Koalition stellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, ich würde mir schon wünschen, dass Sie mit der Bundeskanzlerin hinter verschlossenen Türen - ich glaube, da gehört diese Sache erst einmal hin - über die gefährliche Gratwanderung reden, die sie hinsichtlich der Rüstungsexporte in den letzten Monaten offensichtlich begonnen hat. Weil sie weiß, dass es bei den Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern nicht populär ist, ({2}) für Auslandseinsätze einzutreten, hat sie die Schlussfolgerung gezogen: Dann liefere ich doch lieber Waffen an andere Länder. Ich glaube, der eine oder andere in den Koalitionsfraktionen weiß, welch gefährliche Gratwanderung die Bundesregierung hier gerade zu machen versucht. Schauen wir uns noch einmal die Zahlen der Rüstungsindustrie an: Die Rüstungsindustrie ist doppelt so stark gewachsen wie die deutsche Industrie insgesamt. Das ist doch bereits die Antwort auf diese neue Doktrin. Damit bin ich bei einem weiteren Aspekt, der für ein selbstbewusstes Parlament spricht. Bitte helfen Sie dabei mit, die Bundesregierung auf einen anderen Weg zu bringen! Man darf Waffenlieferungen nicht mit deutscher souveräner Außenpolitik verwechseln. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von den Koalitionsfraktionen, wir haben noch einige Monate in dieser Legislaturperiode. Ich bin Herrn Stinner, Herrn Polenz und vielen anderen sehr dankbar, die gesagt haben: In der Tat, da gibt es Nachbesserungsbedarf. - Ich habe Sie vor einigen Tagen eingeladen und gesagt: Lassen Sie uns darüber reden und möglicherweise auch Vorschläge einbringen! Wenn ich aus der heutigen Ausschusssitzung referieren darf: Sie wollen ja auch mehr Information. Sie wollen im Grunde genommen auch den souveränen Abgeordneten in die Diskussion bringen, mit dem Ziel, die Bundesregierung zu beraten und von bestimmten Entscheidungen abzuhalten. Dann lassen Sie es uns doch gemeinsam tun und die Bundesregierung auf einen neuen Weg bringen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie sich einen Ruck! Ich glaube, gerade die bundesrepublikanische Politik hätte es verdient, dass nicht nur über eine andere Rüstungsexportpolitik diskutiert wird, sondern dass das Parlament auch stärker einbezogen wird. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Erich G. Fritz hat nun für die Unionsfraktion das Wort. ({0})

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Barthel, Sie haben ja nur das Spiel gespielt: Die einen sind die Bösen, die anderen die Braven oder die Guten. Ich glaube, solange die Debatte so läuft, wird man eine konstruktive Auseinandersetzung um den richtigen Weg eher verhindern als befördern. Das Kanzleramt übrigens - wenn ich das eben sagen darf - hat sich entschuldigt. ({0}) - Deshalb sage ich es ja. - Die Vertreter sind bei einer parallel stattfindenden Ausschusssitzung. Bismarck hat einmal gesagt, dass sich das Schicksal einer Nation in der Außenpolitik entscheidet. ({1}) - Es gibt in der Hinsicht bestimmt noch weitere gute Zitate, die wir austauschen können. Richtig ist, dass wir Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Frage einer wehrtechnischen Basis, einer Bündnisfähigkeit, einer Kooperationsfähigkeit und der Entwicklung einer europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht jeweils getrennt voneinander behandeln sollten. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir den Versuch machen, das zusammenzudenken. ({2}) Nur dann wird ein Schuh daraus. ({3}) Ganz klar ist: Sie haben diese Aktuelle Stunde unter Vortäuschung falscher Tatsachen angemeldet. ({4}) Das Thema haben Sie gar nicht verfolgt. ({5}) Es ging Ihnen um die Fortsetzung der Diskussion, die wir heute Morgen schon in zwei Ausschüssen in, ich finde, vergleichsweise guter Art geführt haben. Worum geht es? Es geht im Kern um den Vorwurf, die jetzige Rüstungsexportpolitik unterscheide sich massiv von der der Vorgängerregierung. ({6}) Dafür gibt es von den Zahlen her keinen Beleg. ({7}) - Nein. Der zweite Vorwurf ist, es gebe einen Paradigmenwechsel. ({8}) Den entwickeln Sie aus zwei Sätzen der Bundeskanzlerin - aus zwei Sätzen! ({9}) in der Strausberger Rede. Der eine Satz lautet, es sei darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoller sein kann, Partner, Sicherheitspartner auszustatten, ({10}) anstatt eigene Soldaten hinzuschicken. Diesen Gedanken halte ich für legitim. ({11}) Ich möchte, dass es eine ausführliche Debatte darüber gibt ({12}) und dass so etwas nicht sofort als Kampfmittel instrumentalisiert wird. Richtig ist doch, dass die rüstungspolitischen Grundsätze der Bundesregierung immer lange getragen haben, dass sich aber auf dieser Strecke die außen- und sicherheitspolitische Lage permanent verändert hat ({13}) und dass jede Bundesregierung vor der Notwendigkeit stand, darauf jeweils adäquat zu reagieren. ({14}) Wenn ich bei dieser Debatte hier Frau Keul gewesen wäre, hätte ich die ganze Rede darauf beschränkt, den Menschenrechtsbericht zu Saudi-Arabien vorzulesen. Der ist nämlich noch viel spannender als das, was sie zitiert hat. Ich glaube, jeder im Parlament kann verstehen, dass nach diesem Menschenrechtsbericht alleine der Gedanke an solche Lieferungen, wie sie jetzt angeblich im Raume stehen - wir wissen es ja gar nicht; es hat offensichtlich auch keine Beschlüsse gegeben -, dazu führt, dass nicht nur Fragen entstehen, sondern auch Emotionen. Das ist mir auch ganz klar. Das geht mir doch nicht anders. Aber man kann nur dann eine Antwort darauf finden, wenn man sich einer umfassenden Debatte stellt. ({15}) Ich habe von diesem Pult aus schon mehrfach gesagt - deshalb bin ich jetzt ein bisschen sauer, dass ich nicht zitiert worden bin -, ({16}) dass das jetzige Vorgehen eine Zumutung für das Parlament ist und nicht so bleiben kann. ({17}) Ich habe mich sehr gefreut, dass nicht nur Herr Stinner heute Abend hier, sondern dass unser Koalitionspartner sowohl im Auswärtigen Ausschuss als auch im Wirtschaftsausschuss dezidiert gesagt hat, dass er ebenfalls für eine solche Veränderung ist. ({18}) Ich habe Kollegen von Ihnen schon vor vier, fünf Monaten gesagt: Wenn ihr aufhört, das Thema ständig in der Weise zu behandeln, dann wird es leichter, darüber zu reden und etwas zu ändern, als wenn dauernd dieser Verteidigungsdruck da ist. Es ist doch ganz klar, dass jede Regierung - egal, wie sie aussieht - Verantwortung übernehmen muss in der Frage: Sind wir kooperationsfähig und in der Lage, Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, etc.? - Ich bin sicher, dass wir einen Weg finden werden, der das, was wir gemeinsam beklagen, ein Stück weit verändert. Ob es möglich sein wird - die Anhörungen haben ja eine Fülle von Material dafür geboten -, alles sozusagen in der öffentlichen Debatte auszutragen, weiß ich nicht. Ich glaube eher, nein. Aber dass die Arbeitsteilung „Wir tagen geheim, und ihr als jeweilige Mehrheitsfraktionen verteidigt das“ so nicht bleiben wird, da bin ich ganz sicher. ({19})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Christoph Strässer aus der SPD-Fraktion. ({0})

Christoph Strässer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003644, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Fritz, herzlichen Dank für Ihre Rede. Ich glaube, sie führt uns auf den richtigen Pfad. Sie haben zwei Stichwörter genannt, die ich gerne aufgreifen möchte. Das ist - das wird Sie nicht wundern - das Thema Menschenrechte in Saudi-Arabien, aber es ist auch das Thema eines Paradigmenwechsels. Ich erlaube mir ganz einfach, Herr Stinner und Herr Lindner, einen früheren gemeinsamen Parteivorsitzenden von uns zu zitieren, nämlich Hans-Dietrich Genscher. Sie wissen wahrscheinlich, dass ich bis 1982 in der FDP gewesen bin. ({0}) Hans-Dietrich Genscher hat am 2. November 2012 in der Zeit eine, wie ich finde, bemerkenswerte Feststellung in Richtung der aktuellen und früheren Rüstungsexportpolitik getroffen. Er hat gesagt - so jedenfalls das Zitat -: Die deutsche Zurückhaltung in der Rüstungsexportpolitik hat sich auch rückblickend als richtig erwiesen, und man sollte daran festhalten. Zitat von Hans-Dietrich Genscher. Vielleicht hören Sie auf ihn. Er hat das natürlich angesichts der aktuellen Diskussion über die möglichen, wahrscheinlichen, jedenfalls in der Öffentlichkeit stehenden Exporte von Panzern nach Saudi-Arabien gesagt. Ich sage nur: Recht hat der Mann. ({1}) Das ist die eine Geschichte. Die zweite Geschichte, Herr Lindner und Herr Stinner, ist: Sie haben die unterschiedliche Qualität von Waffen bei der Aufstandsbekämpfung angesprochen. Ich will das an dieser Stelle nicht auf Saudi-Arabien beschränken, sondern Sie - Sie wissen es möglicherweise; auch das hat mit deutscher Rüstungsexportpolitik zu tun - auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen die Firma Heckler & Koch hinweisen. Die Firma Heckler & Koch - das scheint sich zu bestätigen - hat mehr als 4 000 G-36-Gewehre an vier Provinzen in Mexiko geliefert. Diese vier Provinzen, insbesondere Chiapas, wurden von allen Bundesregierungen bisher als so gefährlich eingestuft, dass Rüstungsexporte dorthin schlichtweg untersagt waren. Dort sind diese Gewehre jetzt aufgetaucht. Ich halte es für einen Skandal, dass wir dies aus der Öffentlichkeit erfahren und hier im Parlament nicht diskutieren. Das ist ganz schlimm. Diese G-36-Gewehre sind die modernsten auf dem Markt. Dies muss aufhören. ({2}) Zu Saudi-Arabien. Herr Lindner, ich fand es bemerkenswert, wie Sie über das Thema Menschenrechte gesprochen haben. Ich glaube, Sie unterliegen immer noch dem Irrglauben, dass man Menschenrechte dadurch verteidigen bzw. verwirklichen kann, dass man Panzer und Waffensysteme an menschenverachtende Regime liefert. Nichts anderes ist das saudi-arabische Regime. Es steht in der Hierarchie der Menschenrechte an unterster Stelle. Ich will Ihnen diese Tatsache nicht verschweigen. Das Thema Frauenrechte ist schon angesprochen worden. Wir sind uns über das, was dort passiert, einig. Frauen, die heiraten wollen, stehen unter der Vormundschaft ihres Mannes. Wenn sie ein Studium aufnehmen wollen, stehen sie unter der Vormundschaft ihres Ehemannes. Es gibt weitere Beispiele. Ich will jetzt aber ein Thema aufgreifen, das heute überhaupt noch keine Rolle gespielt hat. Das ist das Allerschlimmste. Es ist das Thema Todesstrafe. Ich kann wirklich nicht akzeptieren, dass wir einem Regime Waffen liefern, das im Jahr 2011 mindestens 86 Menschen hingerichtet hat. ({3}) Sie sollten sich über den Charakter dieses Regimes im Klaren sein. Wenn wir argumentieren wie Frau Merkel, wie Herr Kauder und andere, dann haben wir das Thema „lessons learnt“ noch nicht begriffen. Punkt 2 der Rüstungsexportrichtlinien besagt nicht, dass zwischen Menschenrechten und anderen Interessen abzuwägen ist, sondern er besagt, dass Menschenrechte ein besonderes Gewicht haben. Unter diesem Aspekt sind natürlich auch solche Entscheidungen zu diskutieren. Es ist völlig klar, dass der Export von Waffen nach Saudi-Arabien, in diese Region überhaupt - das ist meine feste Überzeugung nach den Erfahrungen, die wir in Libyen, in Syrien, in Jordanien und anderen Ländern gemacht haben - diese Region nicht stabilisiert, sondern destabilisiert. Hinterher werden wir wieder aufgefordert, wenn die Menschen auf die Straßen gehen, denjenigen die Waffen abzunehmen, denen wir sie geliefert haben. Das haben wir gelernt. Daraus sollten wir Schlüsse ziehen und Schluss machen mit Rüstungsexporten in diese Länder. Herzlichen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. Dezember 2012, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen heute Abend noch ein wenig Erholung.