Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/28/2012

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Wir wünschen uns gemeinsam einen schönen Nachmittag. ({0}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Fortschrittsbericht Afghanistan. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herr Michael Georg Link. Lieber Herr Staatsminister, ich darf Ihnen das Wort erteilen.

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, Ihnen heute im Namen der Bundesregierung den mittlerweile fünften Fortschrittsbericht zu Afghanistan vorlegen zu können. Erstellt wurde der Bericht wie immer durch die in Afghanistan engagierten Ressorts, also neben dem Auswärtigen Amt das Bundesministerium der Verteidigung, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Bundesministerium des Innern und natürlich auch das Kanzleramt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie es aus den vorangegangenen Berichten kennen, deckt die Bundesregierung in dem Fortschrittsbericht erneut die drei zentralen Aufgaben des internationalen Engagements in Afghanistan ab: Sicherheit, Staatswesen und Regierungsführung sowie Wiederaufbau und Entwicklung. Mit der Ausrichtung der Internationalen AfghanistanKonferenz in Bonn im Jahre 2011 hatte Deutschland im vergangenen Dezember den Auftakt für die Diskussion der Afghanistan-Politik nach dem Ende des ISAF-Einsatzes 2014 gesetzt. Seit Mai dieses Jahres haben wir auf weiteren Konferenzen in Chicago, Kabul und Tokio sehr intensiv gearbeitet. Das reflektiert sich bereits in den Ergebnissen des Fortschrittsberichtes. Dabei standen die weitere internationale Unterstützung für die afghanischen Sicherheitskräfte, der Regionalprozess mit dem arabesken Titel „Im Herzen Asiens“ und die zivile Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan 2014 im Mittelpunkt. Besonderes Gewicht fanden im Bericht die Ergebnisse der großen Afghanistan-Konferenzen und ihre jeweilige Umsetzung. Eng verbunden mit dem vorgestellten Bericht ist auch das heute Morgen im Bundeskabinett behandelte neue ISAF-Mandat. Deutschland hält, genauso wie seine ISAF-Partner, an der Entscheidung zu einer verantwortungsvollen Verringerung der Einsatzkräfte bis zum Abzug der ISAF-Truppen Ende 2014 fest. Zugleich wird Ende 2014 die sogenannte Transition, also die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände, abgeschlossen sein. Für das neue Mandat hofft die Bundesregierung auf breite und fraktionsübergreifende Unterstützung im Deutschen Bundestag. Das neue Mandat bekräftigt die Trendwende, die wir vor einem Jahr eingeleitet haben. Bis Ende Februar 2014 - so ist es mit Blick auf die Bundestagswahl vorgesehen, um einer sich dann bildenden Bundesregierung die Gelegenheit zu geben, das Mandat vorzubereiten, und dem Bundestag die Gelegenheit zu geben, es mit etwas Abstand zur Bundestagswahl zu behandeln - sollen mehr als 1 000 deutsche Soldatinnen und Soldaten Afghanistan verlassen haben. Das Ende unseres Kampfeinsatzes in Afghanistan rückt damit deutlich näher. Erstmals ist im Forschungsbericht deshalb eine Übersicht über die wichtigsten Aufgaben, die bis zum Ende des ISAF-Einsatzes für Deutschland, die internationale Gemeinschaft und Afghanistan Vorrang haben, enthalten. In Afghanistan liegen Licht und Schatten dicht beieinander. Mit Blick auf die Sicherheitslage setzte sich auch 2012 der leicht positive Trend des Vorjahres fort. Landesweit gab es bei deutlichen regionalen Unterschieden erneut weniger sicherheitsrelevante Zwischenfälle, aber die Sicherheitslage ist in vielen Teilen Afghanistans noch instabil. In diesem Zusammenhang ist die Zunahme der Zahl der Anschläge durch sogenannte Innen25562 täter in den afghanischen Sicherheitskräften auf ihre eigenen Kameraden und auf ISAF-Angehörige besonders besorgniserregend. Diese perfiden Anschläge nimmt die Bundesregierung sehr ernst. Diese Bedrohung ist nicht wegzureden, sondern es sind verstärkte Anstrengungen erforderlich. Zugleich können wir heute feststellen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Aufgaben immer besser und mit wachsender Selbstständigkeit erfüllen. Daraus ziehen wir - und das ist wichtig - die begründete Zuversicht, dass die afghanischen Sicherheitskräfte mit Abschluss der Transition Ende 2014 in der Lage sein werden, die Gesamtverantwortung für die Sicherheit in Afghanistan zu tragen. Um die Nachhaltigkeit des Erreichten wirklich sicherzustellen, werden wir uns weiterhin in Afghanistan engagieren. Wir wollen die afghanischen Sicherheitskräfte auch nach 2014 ausbilden, beraten und finanziell zu ihrer Ausrüstung beitragen. Vor diesem Hintergrund wird Deutschlands Beitrag künftig in der Hauptsache darin bestehen, Afghanistan bei der Verbesserung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lage zu unterstützen. Auf der internationalen Afghanistan-Konferenz von Tokio am 8. Juli 2012 vereinbarten Afghanistan und die internationale Gemeinschaft gegenseitige Rechenschaftspflichten. Deutschland ist Mitglied des Gebergremiums, das die Umsetzung der Ergebnisse von Tokio koordiniert. Diese Aufgabe nehmen wir besonders ernst. Neben ihrem entwicklungspolitischen Engagement wird die Bundesregierung deshalb den Vorsitz Deutschlands in der Internationalen Kontaktgruppe für Afghanistan und Pakistan nutzen, um die Ziele der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan zu erreichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Der neue Fortschrittsbericht zeigt den aktuellen Stand der Umsetzung unseres ressortübergreifenden Ansatzes in der Afghanistan-Politik. Es werden viele Punkte angesprochen, und zwar realistisch. Ich möchte deutlich machen, dass es allen beteiligten Ressorts, die zu diesem Bericht beigetragen haben - es war eine enorme Anstrengung aller beteiligten Ressorts; ich habe sie gerade ausdrücklich genannt -, wichtig war, die Verhältnisse realistisch zu schildern. Nicht Optimismus, nicht Pessimismus, sondern Realismus ist der einzige Weg, auf dem wir tatsächlich vorankommen und in Afghanistan helfen können. Man darf das Ganze nicht durch die rosarote Brille betrachten. Es ist wichtig, sich ehrlich zu machen und die Dinge ungeschminkt anzusprechen. Sie werden in dem Bericht viele sehr lesenswerte, gerade auch auf die kritische Lage eingehende realistische Lagebeschreibungen finden, positive und negative Bestandsaufnahmen. Ich empfehle im Namen der Bundesregierung diesen Bericht der breiteren Öffentlichkeit, aber insbesondere im Hinblick auf unsere Debatten einer intensiven Lektüre und freue mich auf Ihre Fragen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Jetzt bitte ich, Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den Herr Staatsminister Michael Georg Link berichtet hat. Als Erstem gebe ich das Wort unserem Kollegen Johannes Pflug.

Johannes Pflug (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, herzlichen Dank für Ihren Bericht. - Auf der Konferenz in Tokio wurde vereinbart, dass die weiteren Hilfszahlungen für die afghanische Regierung davon abhängig gemacht werden sollten, dass es messbare Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption, bei der Verbesserung der Sicherheitslage, der Einbeziehung der Nachbarn Afghanistans und im wirtschaftlichen Bereich gibt. Sehen Sie da irgendwelche quantifizierbaren Erfolge? Können Sie uns diese benennen?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Staatsminister, bitte.

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Herr Kollege Pflug, mit den Kriterien aus dem Tokyo Mutual Accountability Framework kann die Einhaltung der Selbstverpflichtungen der afghanischen Regierung genau überprüft werden. Auch dazu finden sich Angaben im Fortschrittsbericht. Die Afghanistan-Konferenz in Tokio war in diesem Zusammenhang ein wichtiger Fortschritt, sodass wir diese Punkte erstmals konkret benennen können. Der Prozess hat begonnen und muss nun intensiv weitergeführt werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Als Nächstem gebe ich dem Kollegen Roderich Kiesewetter das Wort.

Roderich Kiesewetter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Sie sprachen eben den Fortschrittsbericht an. Vielen Dank für diese sehr nüchterne Darstellung und auch für die Sprache, in der der Bericht gehalten ist. Sie haben über den vernetzten Ansatz gesprochen. Aus unserer Sicht gehören zum vernetzten Ansatz nicht nur die Zusammenarbeit mit den Nachbarn, sondern auch die enge Verzahnung ziviler und nichtziviler Mittel sowie der Versöhnungsprozess. Würden Sie bitte darstellen, wie sich aus Ihrer Sicht die Lehren, die sich aus dem bisherigen vernetzten Ansatz aus Afghanistan ergeben haben, auf weitere mögliche Einsätze auswirken und wie Sie auf den Versöhnungsprozess innerhalb der afghanischen Gesellschaft Einfluss nehmen? - Vielen Dank.

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Vielen herzlichen Dank. - Herr Kollege Kiesewetter, auch dazu stehen relativ ausführliche Punkte im Bericht. Deshalb möchte ich nur in kurzer Form, im Rahmen des Limits von einer Minute für die Beantwortung, sagen, dass man aus dem Einsatz in Afghanistan in der Tat einige Lehren für andere Einsatzorte ziehen kann. Der vernetzte Ansatz mit seiner Dreistufigkeit - zuerst Sicherheit, dann Aufbau von Governance, nach Abzug, nach Übergabe der Sicherheitsverantwortung, Fortsetzung der Aufbaumaßnahmen im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch in anderen Bereichen - ist der einzige, der wirklich tragfähig ist. Deshalb war es enorm wichtig, dass alle beteiligten Ressorts und andere Ressorts der Bundesregierung, die mit ihrem Fachwissen in anderen Bereichen, zum Beispiel im Bereich Gesundheit, mithelfen, intensiv am vernetzten Ansatz gearbeitet haben. Sicherheit gibt es nur vernetzt; Sicherheit ist weit mehr als Militär. Genau das stellt der Fortschrittsbericht aus unserer Sicht sehr deutlich dar.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Als Nächster gebe ich unserer Kollegin Frau Katja Keul das Wort.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Wir hören jetzt, dass die Begründung dafür, dass Sie kein gesondertes Abzugsmandat, sondern ein einheitliches Mandat vorgelegt haben, darin besteht, dass die Größenordnung der Gruppe derjenigen, die im Prinzip Möbelpacker sind, so unerheblich ist, dass sich das nicht lohnt; hier geht es um eine Größenordnung von 300 Personen. Heißt das, dass die anderen 3 000 noch im März 2014 einen Kampfauftrag haben? Ist beabsichtigt, die Zahl von 3 000 wirklich innerhalb von zehn Monaten auf null zurückzuführen?

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Frau Kollegin Keul, das Wort „Möbelpacker“ wird, glaube ich, der Aufgabe nicht gerecht. ({0}) Es ist ein außerordentlich komplizierter Auftrag, die Logistik für den geordneten Abtransport des Materials und vor allem für den Abzug der Soldaten selbst sicherzustellen. Wir haben hier ein sehr engagiertes Mandat. Wir, insbesondere das BMVg, haben es in der Vorbereitung so formuliert, dass alle erforderlichen Aufgaben abgedeckt sind. Gegenstand der heutigen Regierungsbefragung ist der Fortschrittsbericht, noch nicht das Mandat selbst. Insofern möchte ich der Befassung mit dem Mandat nicht vorgreifen. Wir werden uns in den Ausschüssen und voraussichtlich in der nächsten Sitzungswoche - davon gehe ich aus - in erster Lesung hier damit befassen. Insofern möchte ich auf die reguläre Mandatsbefassung verweisen, insbesondere auf die Kollegen aus dem Bundesministerium der Verteidigung, die das Mandat im Wesentlichen vorbereitet haben.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Als Nächstem gebe ich unserem Kollegen Wolfgang Gehrcke das Wort.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Auch meinerseits erst einmal herzlichen Dank für Ihren Bericht, Herr Staatsminister. - Sie müssen mir aber einiges erklären. Wie können Sie von einem Abzug reden, wenn das Mandat vorsieht, dass bis zu 4 400 Soldaten bleiben sollen und diese Anzahl nur möglicherweise, wenn es beispielsweise die Lage erlaubt, reduziert werden kann? Die Zahl könnte schon heute reduziert werden. Wie können Sie von einem Abzug sprechen, wenn das Mandat die Genehmigung enthält, in Afghanistan weiterhin Kampftruppen einschließlich Krisenspezialkräfte einzusetzen, und wenn im Mandat wörtlich die Möglichkeit genannt wird, Recce-Tornados in Afghanistan einzusetzen? Das ist doch kein Abzug, sondern ein Verbleib in voller Stärke in Afghanistan. Jetzt müssen Sie mir erklären, inwiefern das ein Abzug ist.

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Herr Kollege Gehrcke, ein Abzug, die Vorbereitung der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte, ist exakt das, was wir mit dem Mandat, über das wir heute Morgen im Bundeskabinett beraten haben, ermöglichen. Wir haben natürlich wie immer eine vorsichtige Planung zugrunde gelegt, weil man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein muss. Aber das Ziel wird im Fortschrittsbericht deutlich, auch im Mandatstext; ich bitte, ihn wirklich intensiv zu lesen. Sie können das wirklich gerne in den jeweiligen Debatten - nächste Woche in den Ausschüssen, in erster Lesung und nach Weihnachten in zweiter Lesung - kontrollieren. Dieses Mandat dient exakt der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Seite. So ist es im Detail vorbereitet und aufgeführt. Selbstverständlich müssen wir im Rahmen des Verbleibs unserer Soldatinnen und Soldaten bis Ende 2014 in Afghanistan auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Genau das leistet das Mandat, das wir in der nächsten Sitzungswoche im Bundestag in erster Lesung beraten werden.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Aber die Zahlen, die ich genannt habe, stimmen?

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Nein, es ist vorgesehen, dass wir die Anzahl der Soldaten auf 3 300 reduzieren. Ich bitte, alles Weitere im Rahmen der Mandatsbehandlung zu diskutieren.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Rolf Mützenich.

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, Sie sehen, dass wir während der Befragung noch intensiv in dem Bericht blättern. Das hätten Sie dem Parlament ersparen können, wenn Sie uns den Bericht - wie Sie es offensichtlich bei ausgewählten Medienvertretern getan haben - etwas früher zur Verfügung gestellt hätten. Wir werden daher in den nächsten Tagen und Wochen in den Ausschüssen intensiv über den Bericht sprechen müssen. Was ich bisher gelesen habe, bietet Anlass zu zwei Fragen. Sie beschreiben, dass insbesondere der Aussöhnungsprozess ein wichtiger Eckpfeiler für die Stabilisie25564 rung in Afghanistan ist. Sie haben bereits gesagt: Es gibt Licht und Schatten. Der Schatten scheint mir etwas zu überwiegen, weil sich die Taliban offensichtlich doch nicht so umfassend bereit erklärt haben, sowohl mit den USA als auch mit der internationalen Gemeinschaft zu reden; Widerstand und Gesprächsbereitschaft wurden gleichzeitig artikuliert. Vielleicht können Sie der Öffentlichkeit nähere Informationen dazu geben? Der zweite Aspekt: In den USA überlegt sich die Obama-Administration neue Regeln für den Drohneneinsatz, der insbesondere in Afghanistan seine Wirkung hat. Ist die Bundesregierung denn bereit, mit dem Partner USA nicht nur über diese Frage zu sprechen, sondern auch Anregungen zu geben, die sowohl das Völkerrecht als auch ethische Fragen berücksichtigen?

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Danke, Herr Kollege Mützenich. - Über einzelne Teile des Berichts wurde in den Medien spekulativ berichtet. Wenn überhaupt, dann findet sich dort nur etwas aus dem Einleitungstext. Ich empfehle, den aktuell upgedateten Bericht, der erst heute Morgen im Kabinett verabschiedet wurde, intensiv zu studieren. Von unserer Seite ist selbstverständlich überhaupt nichts vorher herausgegeben worden; denn die erste Information erfolgt gegenüber dem Parlament. Deshalb haben wir ihn heute nach der Kabinettsbefassung unverzüglich allen Abgeordneten zugestellt. Wichtig ist allerdings, festzuhalten, dass wir in diesem Bericht - Sie haben es erwähnt - auch auf die Versöhnungsbemühungen eingehen. In der Tat ist es so, dass die Taliban unterschiedliche Akzente setzen. Wir vonseiten der Bundesregierung bleiben für Gespräche mit allen versöhnungsbereiten Kräften offen. Wichtig ist allerdings, dass der Versöhnungsprozess, soweit Gespräche mit Taliban stattfinden sollten, auf jeden Fall in enger Abstimmung mit der afghanischen Regierung stattfindet. Aber ich kann nur bekräftigen, was Sie sagen: Hier ist gerade von den Taliban Unterschiedliches zu hören. Wir setzen darauf, dass auch in diesem Bereich das Gespräch mit versöhnungsbereiten Kräften gesucht werden kann.

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Was ist mit den Drohnen?

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Pardon, die Drohnen habe ich vergessen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Bitte.

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Was diesen Bereich betrifft, möchte ich auf die Kollegen im BMVg verweisen. Die Gespräche mit den USA sind sehr intensiv und umfassen selbstverständlich alle Bereiche.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin unsere Kollegin Frau Ute Koczy.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Mir geht es um die Zukunft der zivilen Aufbauarbeit nach dem Abzug. Wir haben mit Interesse gelesen, dass Frau Tanja Gönner, Vorsitzende der GIZ, der Bundesregierung mitgeteilt hat, dass man Probleme sehe, dass unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der GIZ zurzeit darüber diskutiert werde, inwieweit ein Engagement nach 2014 fortgeführt werden könne, und dass noch gemeinsame Hausaufgaben zur Notfallversorgung der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erledigen seien. Wie sehen Sie diesen kritischen Punkt? Kann es tatsächlich gelingen, die zivilen Helferinnen und Helfer nach dem Abzug vor Ort zu belassen? Welche Konzepte haben Sie für die Zeit nach 2014?

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Liebe Kollegin Koczy, danke für die Frage. - Das ist in der Tat ein Thema, das uns umtreibt. Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für die von Deutschland beschäftigten Ortskräfte. Das gilt nicht nur für GIZMitarbeiter, sondern das gilt selbstverständlich für Mitarbeiter aller Bereiche. Wir müssen uns dieser Sache intensiv annehmen. Wir befassen uns mit diesem Thema unter Federführung des Bundesinnenministeriums. Die Fragen aus den Mitarbeiterkreisen lassen auf eine sehr große Besorgnis schließen; das wissen wir. Diese Fragen sind auch durchaus berechtigt. Deshalb müssen wir daran arbeiten. Ich bekräftige hier noch einmal die Aussage des Bundesministers der Verteidigung, die in der FAZ von gestern wiedergegeben wurde: Zunächst sollten wir uns darum bemühen, den Mitarbeitern zu helfen, die in Bereichen tätig sind, in denen Sicherheitsbedenken bestehen, indem wir sie möglichst an einer anderen, sicheren Stelle im Land einsetzen. Wenn das nicht möglich ist, könnte es im Einzelfall erforderlich sein, sie tatsächlich nach Deutschland zu holen. Das muss man im Einzelfall prüfen. Ich wiederhole: Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für die von Deutschland beschäftigten Ortskräfte, insbesondere wenn ihre Sicherheit bedroht ist.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Jürgen Hardt.

Jürgen Hardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004050, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, wir haben den Bericht heute Morgen um 9.05 Uhr bekommen, also zeitgleich mit dem Beginn der Kabinettssitzung; das steht auf der E-Mail. Das finde ich ganz in Ordnung. Nur so viel zu den Äußerungen des Kollegen Mützenich. ({0}) Ganz bedeutend für den Erfolg in Afghanistan ist die Unterstützung durch die Nachbarstaaten. In dem Bericht sprechen Sie von einer konstruktiven Rolle Pakistans. Diesbezüglich interessiert mich Folgendes: Kann man das präzisieren? Hat sich die Situation im Verlauf der letzten Monate und Jahre verbessert? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch einen Satz dazu sagen könnten, wie Sie die Rolle des Iran im Zusammenhang mit der Entwicklung in Afghanistan bewerten. - Danke schön.

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Hinsichtlich Pakistans sehen wir tatsächlich eine konkrete Verbesserung. Ausdruck dieser Verbesserung ist der Besuch des Vorsitzenden des Hohen Friedensrates, von Herrn Rabbani, in Pakistan. Die Gespräche waren hilfreich. In diesem Bereich sehen wir weitere Möglichkeiten; denn es gibt noch viel Raum für Verbesserungen. Eine Herausforderung stellt sicherlich der Nachbar Iran dar, der ebenfalls eine besonders lange Grenze zu Afghanistan hat. Hier gibt es weiterhin extrem große Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Drogenwirtschaft an der iranisch-afghanischen Grenze. In diesem Bereich müssen wir noch intensiv arbeiten. Zu diesem Thema finden sich Formulierungen im Fortschrittsbericht. Dies ist aber sicherlich eine große Herausforderung, mit der man sich intensiv beschäftigen muss.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Als nächste Fragestellerin folgt unsere Kollegin Frau Dagmar Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, ich stelle meine Frage an Sie als Vorsitzende der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe. Aus vielen Gesprächen mit Vertretern aus dieser Region weiß ich natürlich um die Sorgen der Länder Tadschikistan, Kirgistan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan. Hat die Bundesregierung diese Sorgen im Blick, insbesondere hinsichtlich einer möglichen Evaluation der Zentralasien-Strategie der EU und hinsichtlich der Entwicklung der Entwicklungszusammenarbeit? Beispielsweise im grenzüberschreitenden Bereich gibt es interessante Projekte, unter anderem an der tadschikisch-afghanischen Grenze. Gibt es diesbezüglich weitergehende Überlegungen?

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Frau Kollegin Enkelmann, die Zentralasien-Strategie der EU ist ein spannendes Thema. Seitens der Bundesregierung ist immer wieder auf eine Weiterentwicklung gedrängt worden. Diese Strategie war ein wichtiger Schritt. Wir glauben, dass daran weitergearbeitet werden muss und sie vor allem weiterentwickelt werden muss. Die extreme Heterogenität der zentralasiatischen Staaten - auf der einen Seite gibt es Staaten, die punktuell modern sind, aber unter demokratischen Gesichtspunkten durchaus einige Fragen zu beantworten haben, und auf der anderen Seite Staaten, die sehr autokratisch sind - erfordert einen Ansatz, der es ermöglicht, sowohl auf bilateraler Ebene als auch bezogen auf die Gesamtregion voranzukommen. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit befürworten wir immer. Wenn möglich, unterstützen wir alle grenzüberschreitenden Projekte der afghanischen und der tadschikischen Regierungen. Aber auch diesbezüglich muss insbesondere der Sicherheitslage Rechnung getragen werden. Ich nenne nur die Stichworte Drogenhandel und Menschenhandel. Wir müssen aufpassen, dass es diesbezüglich keine Rückschritte gibt. Wir müssen Fortschritte erzielen. Ich sage es noch einmal: Wir sind absolut offen, und wir sind dafür - wir fordern das sogar -, dass die Zentralasien-Strategie der Europäischen Union weiterentwickelt wird.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller aus der Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Dr. Hans-Peter Bartels.

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, dieser Fortschrittsbericht ist die Grundlage für die beginnende Diskussion über das Nachfolgemandat. Wir empfangen Meldungen, die besagen, dass die USA für die Zeit nach dem Abzug ein bilaterales Abkommen mit Afghanistan anstreben. Es wird aber auch ein internationales Mandat geben. Strebt die Bundesregierung nur im Rahmen eines internationalen Mandats oder auch bilateral Vereinbarungen mit der afghanischen Regierung an? Nehmen wir auch Einfluss auf das, was die USA bilateral mit Afghanistan vereinbaren, weil das für die Gesamtsituation von Bedeutung ist? Welche der Ausbildungsprojekte, die wir jetzt im Bereich der Sicherheitsorgane haben, also in den Bereichen Militär und Polizei, werden wir fortführen?

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Danke schön. - Herr Kollege Bartels, Sie haben auf das bestehende Angebot, auch nach 2014 bei der Ausbildung zur Seite zu stehen, hingewiesen, das von der NATO geäußert wurde. Die genaue Trennung der drei Phasen ist deshalb wichtig: bis Ende Februar 2014 - darüber debattieren wir von nun an im Rahmen des Nachfolgemandats -, der Zeitraum zwischen Februar 2014 und dem Abzug Anfang 2015 und dann alles, was nach 2015 erfolgt. Einseitig bilateral zu handeln, ist sicherlich nicht unser Ansatz. Wir möchten, dass diese Sicherheitspartnerschaft weiterhin intensiv in NATO-Kreisen behandelt wird. Die Gespräche haben allerdings noch nicht begonnen oder befinden sich in der ersten Phase. Sie wissen, dass zur konkreten Ausgestaltung eines solchen Mandats nach 2015 gehört, dass sich alle Akteure dazu äußern. Zum Beispiel wäre denkbar, dass die afghanische Regierung zunächst einmal dazu einladen könnte und auch Formulierungsvorschläge dazu hätte. Für uns ist vorrangig, dass das, was nach 2015 kommt, völkerrechtlich absolut einwandfrei ist. Das ist der entscheidende Punkt. In diesem Zusammenhang sind wir in den Vorgesprächen offen; denn es muss klar sein, dass auch das Engagement danach bei der weiteren Begleitung und Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte völkerrechtlich auf einwandfreier Grundlage steht. ({0}) - Es gibt dazu bisher keinerlei bilaterale Gespräche, sondern wir selbst verfolgen den Ansatz innerhalb der NATO.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt unser Kollege Hans-Christian Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke. - Herr Staatsminister, in der Begründung des neuen Mandats lese ich zweimal den gleichen Satz. Er muss also sehr wichtig sein. Da steht: Der Grundsatz der Allianz in Afghanistan bleibt: gemeinsam hinein und gemeinsam heraus. - Nun habe ich gehört, dass unsere sehr engen Allianzpartner - beispielsweise Spanien und Frankreich - abgezogen sind. Warum sind wir nicht gemeinsam mit unseren Allianzpartnern abgezogen? Es gibt noch einige andere Länder, zum Beispiel Australien und Kanada, die ebenfalls Allianzpartner sind. Wie ist dieser Satz zu verstehen? Diese Frage hatte ich vorhin dem Herrn Außenminister gestellt. Er hat sie leider nicht beantwortet. Zur Zuverlässigkeit der afghanischen Armee als einem wichtigen Sicherheitsfaktor haben Sie vorhin unter anderem gesagt, die afghanische Armee werde mit wachsender Selbstständigkeit vorgehen. Lassen Sie dabei völlig außer Acht, dass aus der afghanischen Armee heraus ständig Innentäterangriffe auf ISAF-Soldaten und auch auf afghanische Soldaten stattfinden?

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Herr Kollege Ströbele, die Frage nach der Devise „together in, together out“, also „gemeinsam rein, gemeinsam raus“, müssen Sie den Vertretern der Länder stellen, die vorher abgezogen sind, wie Spanien. ({0}) - Sie haben die Beispiele selbst erwähnt. - Für uns ist klar - was wir auch im Bündnis immer deutlich kommuniziert haben -, dass wir im gegebenen Zeitrahmen, bis Ende 2014, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Seite wollen. Das haben wir früh kommuniziert und gemeinsam mit den Partnern in der NATO abgesprochen. Das erfordert natürlich, dass die afghanische Seite dazu auch in der Lage ist. Daran arbeiten wir im Bereich der Ausbildung. Wir leisten Assistenz und Finanzierungshilfe. Die schrittweise Übernahme der Verantwortung erfolgt bereits. Wir gehen davon aus, dass das auch gelingt. Es gibt hinreichende Gründe dafür, anzunehmen, dass das schrittweise immer mehr der Fall sein wird und vor allem zum Ende 2014 auch gelingt. Vergleichen Sie bitte einmal die jetzige Situation mit der, in der wir vor zwei Jahren waren. Dann sehen Sie, wie viel Spielraum wir in den folgenden zwei Jahren haben, um konkret voranzukommen. Vor zwei Jahren, also 2010, waren wir in einer Situation mit erheblichen Gefechtslagen innerhalb Afghanistans. Wir sind seither deutlich vorangekommen. Deshalb sind die verbleibenden zwei Jahre - bei Anstrengungen aller - absolut ausreichend, um tatsächlich so weit zu kommen, dass die afghanische Seite komplett die Sicherheitsverantwortung für Afghanistan selbst übernehmen kann.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben die Frage mit den Innentätern noch nicht beantwortet.

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Darf ich das mit Genehmigung des Präsidenten kurz ergänzen?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Machen Sie das. - Ich weise jedoch darauf hin, dass wir noch eine ganze Fülle von Fragestellern haben, die mir schon entsprechende Zeichen geben, damit sie auch zu Wort kommen. Aber beantworten Sie erst noch die Frage zu Ende, damit Herr Ströbele nicht sagen kann, er habe keine Antwort bekommen. ({0})

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Herr Präsident, vielen Dank. Eine Minute ist für die Beantwortung manchmal doch nicht ganz ausreichend. Die Innentäterproblematik ist extrem ernst zu nehmen; das wissen wir. Aber von einer kompletten Unterwanderung oder von einem kompletten Zerfall von innen zu reden, wie es teilweise einige Medienorgane tun, ist eindeutig übertrieben. Es erfordert jetzt allergrößte Anstrengungen der afghanischen Seite, dieses Problem anzugehen. Wir sind auch dabei hilfreich. Es ist ein Problem, das uns auf jeden Fall extrem besorgt. Daran wird intensiv gearbeitet.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Jetzt hat unser Kollege Tom Koenigs das Wort.

Tom Koenigs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004077, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, alle Experten sagen, dass die Zukunft Afghanistans davon abhängt, dass es erfolgreiche Gespräche mit den Staaten der Region gibt und dass es erfolgreiche Gespräche mit den Taliban gibt. Dies wurde zuletzt vor zwei Tagen bei einer Veranstaltung in der Konrad-Adenauer-Stiftung gesagt. Ich glaube, Sie waren sogar da. Jetzt steht im Fortschrittsbericht, dass es mit Pakistan nicht vor und nicht zurück geht. Mit dem Iran wird überhaupt nicht geredet. Mit den Taliban geht es eher zurück. Sie haben am Anfang gesagt, dass Sie weder optimistisch noch pessimistisch, sondern realistisch sein wollen. Ist das nicht eher ein Anlass für Pessimismus?

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Wenn das Ansprechen der Probleme dazu führte, dass man am Schluss resignierend die Hände in den Schoß legt, dann, Herr Kollege, wären wir falsch verstanden worden. Es war der ausdrückliche und - das darf ich als Parlamentarier sagen - mehr als berechtigte Wunsch des Bundestages, realistische Berichte zu bekommen, die nichts in Rosa zeichnen. Deshalb spreche ich und sprechen wir in dem Bericht sehr deutlich die Defizite an. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir uns in irgendeiner Weise fatalistisch zurücklehnen. Vielmehr muss es darum gehen, die Möglichkeiten zu nutzen, die wir haben. Deshalb ist das Versöhnungsangebot an gesprächsbereite Kreise, auch aus dem Bereich der Taliban, auf dem Tisch, aber wir wollen natürlich nicht Versöhnung um jeden Preis, sondern selbstverständlich nur, wenn dadurch tatsächlich ein Mehr an Sicherheit und insbesondere die Beachtung der jetzt geltenden afghanischen Verfassung gewährleistet ist. Denn wir werden beim Schutz der Menschenrechte, gerade auch der Mädchen- und Frauenrechte, und im Bereich der Bildung, in dem es viele Errungenschaften gibt, die Afghanen selbstverständlich nicht im Stich lassen und schlicht und einfach sagen: Jetzt schaut einmal, wie ihr zurechtkommt. Im Gegenteil: Auch nach dem Abzug der Bundeswehr besteht unser Angebot, sehr intensiv mit der afghanischen Seite in allen Bereichen zusammenzuarbeiten, um die Entwicklung und den Versöhnungsprozess weiter voranzubringen. Wir sind nicht weg. Es geht um den Abzug der Bundeswehr und die Übergabe der Sicherheitsverantwortung. Es geht aber - das sage ich noch einmal - nicht darum, die Afghanen im Stich zu lassen. Afghanistan ist eine langfristige Aufgabe, der sich die Bundesregierung, in dem Fall besonders in Gestalt des BMZ, widmet.

Tom Koenigs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004077, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke sehr. Ich glaube, die Antwort war nicht optimistisch, sondern diplomatisch.

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Realistisch.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. Diplomatie ist natürlich auch eine Aufgabe eines Staatsministers im Auswärtigen Amt. - Kollegin Inge Höger, Sie sind die nächste Fragestellerin.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Staatsminister, Sie haben von einem realistischen Bericht gesprochen. Das finde ich gut. Dieser Bericht stellt unter anderem fest, dass Afghanistan die zweithöchste Kindersterblichkeitsrate in der Welt hat. Dieser Bericht stellt fest, dass jedes zehnte Kind unterernährt ist. Dieser Bericht stellt fest, dass die Alphabetisierungsquote bei Mädchen nach wie vor bei 22 Prozent und bei Jungen bei nur 51 Prozent liegt. Kann man bei alledem überhaupt noch von Fortschritt sprechen, oder muss man nicht konstatieren, dass dieser Krieg in Afghanistan ein Desaster ist?

Not found (Gast)

Ich glaube, man kann konstatieren - insbesondere wenn man die jetzige Lage mit der Situation zu der Zeit vergleicht, als die Taliban geherrscht haben -, dass wir einen deutlichen Fortschritt erzielt haben. ({0}) Aber Fortschritt ist nichts, was man linear extrapolieren kann, was immer automatisch weitergeht; er erfordert Anstrengungen. Wir haben aber wirklich einen deutlichen Fortschritt erzielt. Ich habe es erwähnt: Gerade im Hinblick auf die Bildung, insbesondere von Mädchen und Frauen, und die gesundheitliche Versorgung haben wir heute einen Zustand, der mit der Situation, die vor der Vertreibung der Taliban aus der Regierungsverantwortung vorherrschte, überhaupt nicht vergleichbar ist. Es kam zu einem sehr deutlichen Zugewinn bei der gesundheitlichen Versorgung und bei der Bildung, und zwar auch in der Fläche, bis hin zum Zugang zu Bildung für Mädchen und Frauen. Es ist mit Sicherheit noch lange nicht alles erreicht. Wir können deshalb auch keine Zeitpläne aufstellen. Aber wir sagen klar, woran wir arbeiten. Im Vergleich zur Situation vor diesem Einsatz ist ein deutlicher Zuwachs bei Sicherheit, Bildung und Gesundheit zu erkennen. Das ist ganz wesentlich auch dem Einsatz unserer Helferinnen und Helfer und vor allem der Bundeswehr zu verdanken.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller: unser Kollege Dr. Gernot Erler.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wir haben, glaube ich, einen breiten Konsens, dass es auch nach 2014 einen Bedarf an internationaler Unterstützung Afghanistans durch Hilfsorganisationen und NGOs geben wird und diese weiter gewährleistet werden muss. In diesem Zusammenhang kann ich auch nachvollziehen, dass da einige Fragen aufkommen. Eine Antwort, die wir von Herrn de Maizière bekommen haben, hat mich ein bisschen irritiert. Deswegen frage ich an dieser Stelle Sie: Wie ist das mit der Schutzkomponente, mit der Notfallevakuierung und mit der medizinischen Versorgung von NGOs und Hilfsorganisationen, die nach 2014 noch in Afghanistan tätig sind? Können Sie dazu etwas sagen?

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Danke, Herr Kollege. - Um die drei Hauptbereiche, in denen wir nach 2014 aktiv tätig sein wollen, noch einmal klar zu nennen: zivile Wiederaufbauhilfe, Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte und Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte, und zwar gemeinsam im NATO-Rahmen. Was das konkrete Mandat angeht, das Sie angesprochen haben und über das unter dem Namen ITAAM, International Training, Advisory and Assistance Mission, ja schon diskutiert wird, stehen wir, wie gesagt, noch ganz am Anfang. Aber klar muss natürlich sein: Auch wenn es für dieses Mandat kein Kampfprofil und keinen Kampfauftrag gibt - es ist ein Ausbildungsmandat, es ist ein Trainingsmandat, es ist ein Beratungsmandat -, muss selbstverständlich auch Vorsorge für außergewöhnliche Situationen getroffen werden. Im Hinblick auf die Frage, was zur Vorbereitung gebraucht wird, verweise ich darauf, dass diese Diskussionen in NATO-Kreisen zu führen sind, und auf das in diesem Falle federführende BMVg. Aber noch einmal: Verteidigungsminister de Maizière hat sehr deutlich gesagt, dass es sich hierbei um ein Mandat handeln soll, das keinen Kampfauftrag vorsieht, sondern den Schwerpunkt ganz eindeutig auf Ausbildung, Beratung und Unterstützung legt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller: unser Kollege Dr. Frithjof Schmidt.

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, Sie haben mehrfach die mögliche Truppenreduzierung erwähnt. Ich möchte darauf hinweisen: Das Mandat, das Sie uns vorlegen, enthält lediglich die Verpflichtung, bis zum Februar 2014 eine Obergrenze von 4 400 Soldaten nicht zu überschreiten. In der Begründung wird dann als Ziel genannt, die Truppe auf 3 300 Soldaten zu reduzieren, falls es die Umstände zulassen. Das bedeutet, dass am 1. März 2014 noch mindestens 3 300 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan sein werden; es können nach dem Mandat auch deutlich mehr sein. Halten Sie es angesichts der derzeitigen Situation und dieser hohen Zahl von Soldaten überhaupt für möglich, dass das Ziel, die Kampftruppen bis Ende 2014, dann also binnen zehn Monaten, vollständig abzuziehen, erreicht wird? Und was halten Sie von der Befürchtung, dass dieses Ziel angesichts der hohen Zahl an Soldaten nicht mehr erreicht werden kann?

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Herr Kollege, wir halten es eindeutig für erreichbar selbstverständlich. Vorsichtige Planung aber gebietet, dass man sich nicht bereits zur Unzeit auf exakte Zahlen festlegt. Das Mandat gibt den genauen Spielraum vor, es zeigt die genaue Richtung auf und gibt alle Instrumente, die wir brauchen, um - immer unter Voranstellung der Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten - diesen Abzug schrittweise vorzubereiten. Insofern erfüllt das Mandat genau diese Aufgabe. Ich verweise aber auch hier noch einmal auf die insbesondere mit dem BMVg zu führende Fachdiskussion im Rahmen der Mandatsdiskussion, die wir in der nächsten Sitzungswoche beginnen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Bedeutung dieses Themas sind Sie sicherlich damit einverstanden, dass wir alle Fragesteller aufrufen. Nächster Fragesteller ist Kollege Jan van Aken.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Link, Sie machen das sehr diplomatisch. Sie reden über Fortschritt, Mandat, Entwicklung, sodass man fast vergessen könnte, dass man hier über einen Krieg redet, einen Krieg, in dem Soldaten, auch deutsche Soldaten, jeden Tag ihr Leben riskieren, in dem jeden Tag Afghaninnen und Afghanen sterben. Mich interessiert: Wie viele Tote hat dieser Krieg im letzten Jahr gefordert? Wie viele Zivilistinnen und Zivilisten sind im Berichtszeitraum in Afghanistan bei Kampfhandlungen gestorben? Wie viele afghanische Soldaten sind gestorben?

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Herr Kollege van Aken, jedes einzelne Opfer - wir wissen, dass es sehr viele sind - ist eines zu viel. Aber noch einmal: Es handelt sich hier um einen Krieg, der insbesondere von Extremisten, Islamisten, al-Qaida, Taliban etc. angezettelt wurde. Es war extrem wichtig, dass wir der afghanischen Bevölkerung zu Hilfe gekommen sind. Denn die ISAF-Mission gewährleistet den Aufbau von Staatlichkeit, die Möglichkeit von wirtschaftlicher Entwicklung und die Wiederherstellung von Sicherheit. Ich stelle fest: Das ist mit den Mandaten - da mögen wir einen Dissens haben - schrittweise, nicht komplett, mehr und mehr gelungen. Ich habe darauf hingewiesen: Herstellung von Sicherheit ist kein linearer Prozess. Sie können das nicht politisch beschließen. Wir haben aber immer Mandate vorgelegt, die uns in die Lage versetzten, die Sicherheitslage in Afghanistan weiter zu steigern. Noch einmal: Jedes Opfer ist eines zu viel. Es sind immer noch sehr viele. Von daher gehen unsere Anstrengungen hier ganz entschieden weiter. Unser Dank gilt den Soldatinnen und Soldaten. Sie haben darauf hingewiesen, welch enormen Einsatz unsere Soldatinnen und Soldaten, aber auch unsere Polizisten und die zivilen Aufbauhelfer bringen. Dieser Einsatz ist in vielen Fällen mit dem Leben bezahlt worden. Deshalb haben wir eine Verpflichtung, alles zu tun, um über die Mandate die von uns entsandten Kräfte, aber auch - ich habe es vorhin erwähnt - die Ortskräfte zu schützen. Das tun wir.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Die Zahlen haben Sie tatsächlich nicht? Sie wissen nicht, wie viele Menschen im letzten Jahr in diesem Krieg gestorben sind?

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Herr Kollege van Aken, wenn Sie wissen, was exakt jede Minute geschieht, dann haben Sie hellseherische Erkenntnisse. Ich finde es ein bisschen unverschämt, dass Sie mit solchen Wortklaubereien arbeiten. Es sind enorme Opfer gebracht worden. ({0}) Jedes einzelne Opfer ist eines zu viel. Wir brauchen uns kein Schaugefecht über die exakte Zahl zu liefern. Sie wissen selbst, dass man das nicht immer exakt, bis auf die einzelne Person wissen kann. ({1})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Wir machen hier Frage und Antwort. - Die nächste Frage stellt der Kollege Johannes Pflug.

Johannes Pflug (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, laut Fortschrittsbericht lädt die Regierung von Kasachstan für Ende April zu einer regionalen Sicherheitskonferenz nach Astana ein. Eingeladen sind die zentralasiatischen Staaten, aber auch Pakistan und vor allen Dingen der Iran und Truppenstellernationen. Meine Frage: Ist die Bundesregierung bereit, diese Konferenz mit eigenen Vorschlägen zu bereichern? Und: Ist die Bundesregierung bereit, auf den Iran einzuwirken, dass auch seine Vertreter an der Konferenz teilnehmen? ({0})

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Herr Kollege, wir engagieren uns im Vorfeld dieser Konferenz intensiv bei den Vorbereitungen. Wir sprechen mit allen Partnern intensiv darüber, welche Möglichkeiten sie haben. Ich habe vorhin deutlich erwähnt, dass beim Iran besonders viel Luft nach oben ist. Das betrifft dieses Thema, aber auch alle anderen Themen. Wir bemühen uns also in diesem Bereich, aber hier ist gerade mit dem Iran noch ein sehr weiter Weg zu gehen. Die Astana-Konferenz bietet dafür eine Chance. Wir sollten sie im Rahmen des Möglichen wahrnehmen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Fragesteller: unser Kollege Omid Nouripour.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, wir wissen, dass für die Sicherheit Afghanistans nach ISAF zwei Punkte von Relevanz sind. Der erste - das ist zentral - ist ein Aussöhnungsprozess. Dafür ist wichtig, dass Pakistan mitspielt. Dafür wiederum bräuchte man vertrauensbildende Maßnahmen. Da stellt sich mir die Frage: Welche Rolle kann aus Sicht der Bundesregierung Indien dabei spielen, vertrauensbildende Maßnahmen mit Pakistan auf den Weg zu bringen? Das Zweite, was relevant ist, ist die Fähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte, selbst für Sicherheit zu sorgen. Wir haben eine gewisse Zahl von Sicherheitskräften ausgebildet. Dann wurde festgestellt - so ist zu lesen -, dass man die gar nicht alle bezahlen kann. Nun wird abgebaut: Über 100 000 afghanische Sicherheitskräfte, die an Waffen ausgebildet worden sind, sollen nun nicht mehr bei der afghanischen Sicherheit, also Polizei oder Armee, beschäftigt werden. Was mit denen passiert, ist eine andere Frage. Meine Frage jedenfalls lautet: Ab wann wird denn abgebaut?

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Indien ist in der Tat ein ganz wichtiger Partner in diesem Bereich. Wir sehen, dass in den Gesprächen, die zwischen Indien und Pakistan im letzten Jahr und in diesem Jahr stattgefunden haben, ein leichter Fortschritt erreicht wurde, allerdings alles noch relativ ungetestet. Gerade wenn wir den Gesamtraum sehen, spielt Indien für die regionale Entwicklung eine extrem wichtige Rolle. Wir werden alles dafür tun, damit sich Indien hier als konstruktiver Player einbringt, im Verhältnis zu Pakistan, aber auch im direkten Kontakt mit Afghanistan. Auch hier war allerdings ein sehr weiter Weg zurückzulegen. Ein Abbau der Zahl der afghanischen Sicherheitskräfte ist nicht das konkrete Ziel. Wir haben durch Modernisierung und Training der afghanischen Sicherheitskräfte einen konkreten Zugewinn an Sicherheit erreicht. Es geht nicht um die schiere Zahl, es geht um die Qualität, um das, was sie tatsächlich leisten können. Im Fortschrittsbericht Afghanistan stehen konkrete Aussagen, wie wir die Fähigkeiten, die Chancen der afghanischen Sicherheitskräfte bewerten. Deshalb kommen wir ja zu der begründeten Annahme, zu sagen: Jawohl, es ist zu schaffen, dass bis Ende 2014 die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung übernehmen können. Hätten wir nicht diesen Eindruck, würden wir das nicht sagen. Wir sagen es ja an anderer Stelle auch sehr deutlich, wenn wir glauben, dass wir noch nicht am Ziel sind. Wir bemühen uns auch im Hinblick auf die afghanischen Sicherheitskräfte, keinen rosa Bericht vorzulegen, sondern einen sehr realistischen Bericht. Die Frage, ob an einzelnen Stellen reduziert wird, ob abgebaut wird, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass diejenigen, die im Dienst sind, den Job auch wirklich können. Da haben wir, glaube ich, ganz konkrete Fortschritte erreicht.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Fragesteller: unser Kollege Rolf Mützenich.

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Es ist nicht meine Aufgabe, den Vertreter des Verteidigungsministeriums zu schützen. Meine Frage zu den Drohnen fiel aber schon in die Ressortzuständigkeit des Auswärtigen Amtes; denn insbesondere die Konsultationen mit unseren Partnern sind, denke ich, immer noch Aufgabe des Außenministers, und auch im Hinblick auf die sicherheitspolitische Verantwortung, die völkerrechtliche Verantwortung für den Drohneneinsatz bedarf es Gespräche des Außenministeriums. Deswegen würde ich gern noch einmal die Frage wiederholen, ob dazu überhaupt Gespräche stattfinden mit unseren Partnern. Zweiter Aspekt. Ich glaube, dass gerade die Korruption - bis in die höchsten Regierungskreise hinauf - mit Sicherheit einer der Schwachpunkte beim Aufbau eines wirklich stabilen und eines vertrauenswürdigen Staates Afghanistan ist. Vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen. Zum Dritten würde ich gerne noch einmal darauf hinweisen, dass viele Expertinnen und Experten der Meinung sind, dass der damalige Verfassungsprozess, der zu einer Zentralisierung der politischen Verantwortung geführt hat, die historische Entwicklung Afghanistans im Grunde genommen konterkariert hat. Also: Setzen wir uns in Zukunft auch stärker für eine dezentrale politische Verantwortung ein?

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Kollege Mützenich, der Stand bei der Bekämpfung der Korruption ist in weiten Bereichen wirklich noch sehr unbefriedigend. Deshalb war es ja so wichtig, dass es im Juli auf der Tokio-Konferenz gelungen ist, das Mutual Accountability Framework zu präzisieren und jetzt damit, konkret messbar, zu arbeiten. Dezentralisierung wäre ein wichtiger Weg. Wir wissen aus vielen Beispielen, dass Dezentralisierung ein Weg ist, zentral gesteuerte, teilweise auch pyramidenartig aufgebaute Korruptionsnetzwerke zu bekämpfen. Das ist ein weiter Weg. Wir sind uns des Problems bewusst und können nur sagen: Wir arbeiten daran, in diesem Bereich genauer hinzusehen und mit den Steuerungsinstrumenten, die wir haben, dann auch genau zu reagieren, wenn wir merken, dass eine Fehlverwendung von Mitteln stattfindet. Was die Drohnen angeht: Wir reden mit den USA natürlich über alle Themen und damit auch über dieses Thema. Konkrete Einzelergebnisse können wir an dieser Stelle noch nicht anführen; da möchte ich auf den Auswärtigen Ausschuss verweisen. Zu meinem Verweis vorhin auf den Verteidigungsminister möchte ich sagen: Es geht um zwei Aspekte. Ein Aspekt sind die militärischen Fragen: Was können Drohnen leisten? Was können sie nicht leisten? Wo sind sie geeignet? Wo sind sie nicht geeignet? - Diese Fragen möchte ich sinnvollerweise wirklich gerne an das Verteidigungsministerium weiterleiten. Daneben gibt es aber natürlich auch die völkerrechtlichen Aspekte; das ist absolut richtig. Da verstecken wir uns auch nicht. So, wie wir mit den USA über alle Themen reden, reden wir mit ihnen selbstverständlich auch darüber. Dazu aber zu gegebener Zeit gerne mehr im Auswärtigen Ausschuss.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Wir sind jetzt am Ende dieses Themenbereiches. Ich frage der Form halber: Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall. Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall, sodass ich die Regierungsbefragung beende. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 17/11611 Die Geschäftsbereiche werden in der üblichen Reihenfolge aufgerufen. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Frau Staatsministerin Cornelia Pieper steht hier zur Beantwortung zur Verfügung. Die Frage 1 des Kollegen Manuel Sarrazin wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 2 unseres Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Welche Weisung hat die Bundesregierung dem Ständigen Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen bezüglich des Abstimmungsverhaltens zum Antrag des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas an die UN-Vollversammlung, Palästina einen erweiterten Beobachterstatus zu verleihen, erteilt? Frau Staatsministerin, ich darf Sie um Beantwortung bitten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

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Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Abgeordneter Gehrcke, ich antworte auf Ihre Frage für die Bundesregierung wie folgt: Die Bundesregierung macht Weisungen an die deutschen Auslandsvertretungen grundsätzlich nicht öffentlich. Sollte es in der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu einer Abstimmung über den Resolutionsentwurf zur Verleihung eines Beobachterstatus an Palästina kommen, wird die Bundesregierung bei der Festlegung des deutschen Abstimmungsverhaltens mehrere Faktoren berücksichtigen. Dazu gehören unter anderem die Aussichten auf eine Wiederaufnahme des Verhandlungsprozesses zwischen den Konfliktparteien und die möglichen Auswirkungen einer Resolution auf die Lage vor Ort, dazu gehört das geplante Abstimmungsverhalten der anderen EU-Mitgliedstaaten, dazu gehört Deutschlands grundsätzliche Verpflichtung gegenüber der Sicherheit und der Existenz Israels, und dazu gehören die möglichen VN-politischen Konsequenzen einer Abstimmung, unter anderem hinsichtlich der Finanzierung der Vereinten Nationen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Kollege Wolfgang Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Da die Bundesregierung ihre Weisungen nicht öffentlich macht, darf ich mir erlauben, meinen Kenntnisstand öffentlich zu machen. Sie können ja dann sagen, ob er stimmt oder nicht. Mein Kenntnisstand ist, dass die Bundesregierung in der Europäischen Union derzeit noch mit Frankreich und anderen darüber verhandelt, ob Frankreich bereit ist, sein Ja, das es ja öffentlich geäußert hat, zurückzunehmen und sich zu enthalten. In diesem Falle wäre die Bundesregierung auch bereit, sich zu enthalten. Für den Fall, dass Frankreich dies nicht macht, hat die Bundesregierung angedroht, in der Vollversammlung mit Nein zu stimmen. Geht man so mit einem europäischen Partner, insbesondere mit Frankreich, um?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Das war die Frage des Kollegen Wolfgang Gehrcke.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, zumindest ist richtig, dass die Bundesregierung ein großes Interesse daran hat, dass die EU-Mitgliedstaaten einheitlich abstimmen. Ich kann das Letztgesagte aber nicht bestätigen und muss das auch zurückweisen, weil die Verhandlungen noch im Fluss sind; es wird auch an den Texten noch gearbeitet: panta rhei alles fließt! Wir arbeiten bei den Verhandlungen darauf hin, dass wir eine einheitliche Position der EU finden. Das haben Sie zu Recht ja auch angesprochen. Das wäre aus unserer Sicht die beste Lösung.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre zweite Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Man wird sehen, wer näher an dem Problem ist und wer hier recht gehabt hat. - Aber dann frage ich Sie andersherum: Wenn die Bundesregierung weiß, dass am Text noch gearbeitet wird, setze ich voraus, dass die Bundesregierung den Text kennt und dass sie auch weiß, dass selbst israelische Diplomaten zwar nicht öffentlich, aber immerhin geäußert haben, dass dieser Text für sie interessanter und akzeptabler ist als alles, was vorher vorgelegt worden ist. - Wie empfindet die Bundesregierung diesen Text, und wie bewertet die Bundesregierung diesen Text? Das können Sie uns ja sagen.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, wir kennen natürlich den Text. Da wir aber, wie ich sagte, noch in den Verhandlungen sind, werden wir heute nicht den letzten Stand bekannt geben können; denn wir wollen im Gespräch bleiben, auch mit den anderen EU-Mitgliedstaaten. Ich bitte dafür um Verständnis. Morgen ist die Abstimmung. Ich glaube - das habe ich Ihren Worten entnommen -, wir verfolgen dabei fast ein gemeinsames Ziel, was die einheitliche Positionierung der EU-Mitgliedstaaten anbelangt. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Die nächste Nachfrage hat unser Kollege Rolf Mützenich.

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, wir hatten heute Morgen im Auswärtigen Ausschuss die Gelegenheit, über diese Frage intensiv zu beraten. Da hat der Vertreter des Außenministeriums noch einmal gesagt, dass aus Sicht der Bundesregierung der jetzige Zeitpunkt der denkbar ungünstigste Zeitpunkt sei, den Antrag zu stellen. Nun kann man darüber philosophieren, ob man nicht vielleicht versuchen sollte, Präsident Abbas und Ministerpräsident Fajjad gerade in dieser Situation zu stärken. Aber wenn es der denkbar ungeeignetste Zeitpunkt ist: Würde denn die Bundesregierung hier gegenüber dem Parlament erklären wollen, dass dann, wenn die Palästinensische Autonomiebehörde diesen Antrag zu einem anderen Zeitpunkt stellen würde, die Bundesregierung hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens zu einer anderen Schlussfolgerung käme, also in Richtung Zustimmung zum Antrag?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter Mützenich, da noch nicht klar ist, wie das Verhalten sein wird, weil wir in Verhandlungen sind, auch mit den anderen Mitgliedstaaten, ist alles im Fluss. Ich kann und will Ihnen heute nicht sagen, weil wir dazu als Bundesregierung nicht verpflichtet sind und es auch nicht sagen können, um die Verhandlungen nicht zu gefährden, was morgen das Ergebnis sein wird. Dass wir alle ein großes Interesse daran haben, dass es eine einheitliche Positionierung der EU-Mitgliedstaaten gibt, ist klar geworden. Natürlich hat man auch die verschiedenen Aspekte, die Sie hier genannt haben, im Gespräch mit der Palästinensischen Autonomiebehörde berücksichtigt. Aber die Resolution - das wissen Sie ist über die sudanesische Regierung für die Palästinenser eingebracht worden, und die Resolution steht im Raum. Ich sehe jedenfalls im Moment den Spielraum, den Sie genannt haben, nicht.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Eine Nachfrage hat als Nächster Kollege Paul Schäfer.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Frau Staatsministerin, Sie haben am Anfang vorgetragen, dass die Bundesregierung eine Reihe von Kriterien heranziehen will, um letztlich ihr Votum festzulegen. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Opportunitätserwägungen, die man machen kann. Mir ist jetzt aber noch nicht klar geworden: Sagen Sie denn grundsätzlich, dass das Anliegen der Palästinensischen Autonomiebehörde, ihren Status bei den Vereinten Nationen aufwerten zu lassen, vollkommen in Ordnung und legitim ist? Das sagt ja noch nichts darüber aus, wie Sie abstimmen. Aber können Sie sich wenigstens dazu erklären, dass Sie sagen: „Es ist vollkommen Paul Schäfer ({0}) richtig, dass es jetzt eine Stärkung des palästinensischen Status bei den Vereinten Nationen geben muss“?

Not found (Gast)

Sie wissen, dass die Bundesregierung das Ziel verfolgt, die Palästinenser beim Staatsaufbau und auch in ihrem Recht auf einen eigenen Staat im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung zu unterstützen. Ich will aber auch noch einmal darauf hinweisen, dass es für uns wichtig ist, dass dieses Ziel der Zwei-Staaten-Lösung im Verhandlungsprozess mit Israel erreicht wird. Wir sehen schon die Gefahr, dass dieser Verhandlungsprozess durch diese Resolution blockiert wird.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. Wir kommen jetzt zur Frage 3, ebenfalls von unserem Kollegen Wolfgang Gehrcke: Welche Abstimmungen hat es zu dieser Frage unter den Botschaftern der Länder der Europäischen Union gegeben, und welche Position hat die Bundesregierung bei diesen Abstimmungen vertreten? Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union stimmen sich in wichtigen nahostpolitischen Fragen natürlich miteinander ab. Zu dem von den Palästinensern vorgelegten Resolutionsentwurf gibt es Abstimmungen auf verschiedenen Ebenen. So hat der Rat der Europäischen Union für Außenbeziehungen am 19. November dieses Jahres über die Resolutionsinitiative von Präsident Mahmud Abbas beraten. Auch die Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten bei den Vereinten Nationen in New York beraten über diese Initiative. Die Bundesregierung macht allerdings Position und Verlauf solch interner Beratung grundsätzlich nicht öffentlich.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Kollege Wolfgang Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Eine solche Aufführung wie Ihre, Frau Staatsministerin, nach dem Motto „Die Abgeordneten brauchen das, was wichtig ist, nicht zu erfahren“, werden wir nicht mitmachen. Morgen werden Sie einen Antrag meiner Fraktion erhalten, in dem wir fordern, dass der Bundestag darüber abstimmt, mit welcher Weisung der deutsche Botschafter in New York bei der UNO zu agieren hat. Jetzt zu meiner Frage: Gibt es noch ein Interesse, die Regierung von Präsident Abbas und Ministerpräsident Fajjad zu stärken, der schon nach den Gaza-Auseinandersetzungen derartig gedemütigt erscheint und immer schwächer wird? Wenn Abbas jetzt noch von der UNO unter der Verantwortung Deutschlands ohne Ergebnis nach Hause geschickt wird, glauben Sie, dass es dann noch eine Chance für eine Zweistaatenlösung gibt?

Not found (Gast)

Wir sind weiterhin optimistisch, dass es diese Chance gibt. Ich sage aber noch einmal, Herr Abgeordneter, dass die Zweistaatenlösung nur im Laufe von Verhandlungen und politischen Gesprächen erreicht werden kann. Die Bundesregierung ist bemüht, ein Auseinanderfallen der EU nicht nur bei diesen wichtigen Fragen zu vermeiden. Ich will noch ergänzen, dass wir in diesem konkreten Fall einen Three-Way-Split nicht ausschließen können. Einige Mitgliedstaaten - wie Sie wissen, hat sich Frankreich schon öffentlich dazu erklärt - neigen zu einem Ja, während die Mehrheit der Mitgliedstaaten sich eine gemeinsame EU-Enthaltung wünscht. Eine offizielle Festlegung der deutschen Haltung hat es aber bisher noch nicht gegeben. Deswegen kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Es ist, glaube ich, auch gut, wenn man die Zeit bis morgen nutzt, um noch zu einer europaeinheitlichen Haltung zu kommen, die auf Enthaltung setzt. Deswegen sind die Beratungen dazu noch nicht beendet. Das ist, denke ich, auch der richtige Weg.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Der Kollege Wolfgang Gehrcke hat eine zweite Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich weiß nicht, ob es gestattet ist, eine Staatsministerin zu korrigieren.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Indem Sie eine Frage stellen.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Genau. Ich kleide es in eine Frage. - Frankreich hat beschlossen, mit Ja zu stimmen, wie es der französische Außenminister gestern um 16.52 Uhr der Presse mitgeteilt hat. Das dürfte auch der Bundesregierung nicht entgangen sein. Gleichzeitig hat Luxemburg öffentlich mitgeteilt, mit Ja zu stimmen, und auch Österreich hat mitgeteilt, mit Ja zu stimmen. Das ist die europäische Realität. Sollte die Bundesregierung nicht einen Schritt machen, sich positiv in diese europäische Realität einzufügen, statt sich außerhalb dieser Realität zu stellen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich habe bei Ihrer vorhergehenden Frage bereits erwähnt, dass Frankreich sich entschlossen hat, mit Ja zu stimmen. Ich habe Ihnen gerade geantwortet, dass es natürlich auch eine Lösung in Richtung Three-Way-Split geben kann. Es neigen in der Tat auch einige andere Mitgliedstaaten zum Ja, während die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für eine Enthaltung plädiert. Es ist nur legitim und im Interesse der zukünftigen Verhandlungen zwischen Palästina und Israel, die hoffentlich bald wieder in Gang kommen, dass man auf eine Enthaltung drängt und dadurch auch den Friedensprozess im Nahen Osten voranbringt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Eine weitere Nachfrage hat unser Kollege Rolf Mützenich.

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke, Herr Präsident. - Frau Staatsministerin, einzelne Regierungen oder auch Parlamente haben im Fall einer Abstimmung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen angekündigt, dass die finanzielle Unterstützung der Palästinensischen Autonomieregierung eingestellt oder auch weitere Sanktionen dort erwogen werden. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung in dieser Situation ein? Ist sie zum Beispiel bereit, mit den Partnern über dieses Aussetzen zu sprechen, bzw. welche Reaktion behält sich die Bundesregierung in diesem Falle vor?

Not found (Gast)

Sie wissen, Herr Abgeordneter, dass man - ich erinnere an das Verhalten der USA, die sich im vergangenen Jahr aus der Finanzierung der UNESCO zurückgezogen haben, nachdem Palästina in die UNESCO aufgenommen worden ist; der Anteil des Beitrags der USA betrug ungefähr 22 Prozent - auch befürchten muss, dass die Entscheidung negative Auswirkungen auf die Unterstützung haben wird. Die USA werden vielleicht Sanktionen verhängen, die zwar nicht alle Mitglieder der Vereinten Nationen, aber bestimmte Projekte in Palästina treffen werden. Deshalb drängen wir weiterhin darauf, eine Enthaltung der EU-Mitgliedstaaten zu erreichen. Wir sehen, dass die Lage durch die Annahme der Resolution für die Friedensverhandlungen nicht vereinfacht, sondern eher erschwert wird.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. - Die Frage 4 des Abgeordneten Tom Koenigs wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 5, gestellt von unserem Kollegen Jan van Aken: Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den ablehnenden Aussagen aus russischen Regierungskreisen ({0}) zur Stationierung von Patriot-Einheiten in der Türkei, und welche Rolle spielen diese Äußerungen bei den Erwägungen der Bundesregierung, diese Systeme in die Türkei zu verlegen? Bitte schön, zur Beantwortung, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Sehr gerne, Herr Präsident. - Ich beantworte die Frage des Abgeordneten van Aken wie folgt: Die Bundesregierung hat die Äußerung des stellvertretenden Außenministers der Russischen Föderation Sergej Rjabkow zur Kenntnis genommen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat am 23. November 2012 mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow telefoniert und diesen über den Stand der Beratungen im Bündnis unterrichtet. Die Bundesregierung wird ihre eigenen Entscheidungen wie auch die Entscheidungen der NATO der russischen Seite zeitnah und transparent erläutern. Ich darf hinzufügen, Herr Abgeordneter, dass es auch auf Arbeitsebene in unserem Haus mit der russischen Seite dazu Gespräche gibt und in den bilateralen Gesprächen Zweifel bereits ausgeräumt werden konnten.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Kollege Jan van Aken.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Pieper. - Es ist nicht nur Russland, das Bedenken geäußert hat, sondern auch verschiedene andere Länder haben das getan. Eines davon ist der Iran. Jetzt kann man sagen: Es ist uns doch egal, was der Iran sagt. - Nun haben wir aber die Situation, dass immer noch die ganz massive Drohung Israels im Raum steht, die iranischen Atomanlagen zu bombardieren. Dann hätten wir relativ schnell einen militärischen Konflikt zwischen Iran und Israel - und mittendrin im Nahostkonflikt dann deutsche Soldaten. Haben Sie sich schon entschieden, ob Sie in dem Falle, dass es eine militärische Eskalation zwischen Israel und Iran gibt, sofort die Bundeswehrsoldaten aus der Türkei wieder abziehen? Oder werden Sie sie im Nahostkonflikt belassen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich will noch einmal klarstellen, dass es sich bei der Stationierung des Luftverteidigungssystems Patriot um ein defensives Waffensystem zur Abwehr von Flugkörpern und Flugzeugen auf türkischem Gebiet handelt. Wie die offizielle türkische Anfrage an den NATO-Generalsekretär vom 21. November dieses Jahres klarstellt, wäre der Einsatzzweck des angefragten Luftverteidigungssystems Patriot rein defensiver Natur. Ich habe den Brief dabei. Das heißt mit anderen Worten: Sie können nicht davon ausgehen, dass die Gefahr besteht, dass die Türkei damit eine Flugverbotszone in Syrien einrichten will oder dass es zu anderen Zwecken als der Verteidigung eingesetzt wird.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre zweite Nachfrage, Herr van Aken.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Pieper, erstens, ich kenne diesen Brief der Türkei. Zweitens haben Sie eine Antwort auf eine Frage gegeben, die ich gar nicht gestellt habe. Vielleicht kommt ja noch eine Frage zur Flugverbotszone. Das war aber nicht meine Frage. Meine Frage war, ob Sie dann, wenn es zu einem Nahostkrieg zum Beispiel zwischen Israel und Iran kommt, die Bundeswehrsoldaten dort belassen würden. Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. Ich habe jetzt eine andere Frage, weil Sie zum zweiten Mal Herrn Rasmussen, den NATO-Generalsekretär, erwähnen. Er hat gestern der Presse gegenüber gesagt - ich zitiere das Original -: The alliance would not avoid using further measures for Turkey’s defense. Auf Deutsch: Die NATO wird keine Sekunde zögern, auch noch andere Mittel für die Verteidigung der Türkei zu ergreifen. - Das macht mich doch hellhörig. Es fängt jetzt an mit den Patriot-Raketen, die, wie Sie sagen, rein defensiv sind - auch darüber können wir uns unterhalten -, aber welche anderen Maßnahmen, die Herr Rasmussen hier angekündigt hat, wäre denn die Bundesregierung bereit auch noch mitzutragen?

Not found (Gast)

Die Kriterien für die Stationierung der PatriotRaketen sind klar; das habe ich eindeutig gesagt. Die rechtliche Grundlage ist Art. 51 der UN-Charta, in dem es um das Selbstverteidigungsrecht im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen geht. Sie gehen von anderen Kriterien aus, Herr Abgeordneter. ({0}) Diese Kriterien treffen nicht zu, jedenfalls nicht für die Stationierung der Patriot-Raketen. Deswegen würde ich jetzt nicht mit Äußerungen spekulieren, die so nicht verhandelt sind und die wir von türkischer Seite so auch nicht entgegengenommen haben. Sie selbst haben den Brief von türkischer Seite zitiert, wo ganz klar erläutert worden ist, dass es hier um eine defensive Maßnahme geht.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Mir liegen weitere Nachfragewünsche vor. Zunächst Kollege Wolfgang Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Entschuldigen Sie, Frau Staatsministerin: Ihr Außenminister hat im Auswärtigen Ausschuss als Rechtsgrundlage nicht Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen genannt, sondern Art. 3 des NATO-Vertrages. Ich frage jetzt noch einmal: Auf welche Rechtsgrundlage beruft sich die Regierung bei ihrer Entscheidung?

Not found (Gast)

Auf beide Rechtsgrundlagen beruft sich die Bundesregierung, Herr Abgeordneter. Ich habe mich jetzt insbesondere auf Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen bezogen. Aber natürlich trifft auch Art. 3 des NATOVertrages zu. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Die nächste Nachfrage ist von unserem Kollegen Hans-Christian Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Türkei - um eine Sicherheitszone in Syrien oder an der Grenze zu Syrien zu errichten, um gegen die dort sich bewaffnenden und inzwischen autonomen Kurden vorzugehen - kriegerische Maßnahmen ergreift, auch auf syrischem Gebiet, und dass dann, wenn die syrische Luftwaffe eingreift und gegen türkische Truppen vorgeht, dort stationierte deutsche PatriotRaketen zum Einsatz kommen?

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Sie fragten, Herr Abgeordneter Ströbele, ob die Bundesregierung das ausschließen kann. Darauf antworte ich mit Ja. Ich könnte es dabei belassen. Ich will trotzdem ergänzen, dass in der offiziellen türkischen Anfrage an den NATO-Generalsekretär klargestellt wurde, dass die angefragten Luftverteidigungssysteme ausdrücklich nicht zur Einrichtung oder Unterstützung einer Flugverbotszone oder einer Offensivoperation eingesetzt werden. Da Herr van Aken mit einem englischen Satz geglänzt hat, darf ich aus dem entsprechenden Brief einmal zitieren: … it will in no way support a no-fly zone or any offensive operation. Daher ist für uns klar: Es handelt sich um eine defensive Maßnahme.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Das waren jetzt die Nachfragen zur Frage des Kollegen Jan van Aken. Die Fragen 6 und 7 des Kollegen Omid Nouripour werden schriftlich beantwortet. Jetzt kommen wir zur Frage 8, gestellt von unserem Kollegen Niema Movassat: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Unterstützung der Rebellengruppe M 23 und anderer Rebellengruppen im Ostkongo durch Staaten wie Ruanda, Uganda und Burundi, und teilt sie die Einschätzungen aus dem UNAbschlussbericht, dass Ruanda und Uganda die Rebellengruppen unterstützen? Ich darf Sie bitten, zu antworten, Frau Staatsministerin.

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Sehr gern, Herr Präsident. - Herr Abgeordneter, der Bundesregierung sind die Berichte der unabhängigen Expertengruppe des Sanktionsausschusses des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen für die Demokratische Republik Kongo bekannt. Darin werden die ruandische Regierung und ugandische Sicherheitskreise beschuldigt, die kongolesische Rebellengruppe M 23 in den vergangenen Monaten unterstützt zu haben. Die Beweisführung zu den einzelnen Punkten ist sehr unterschiedlich. Die Republiken Uganda und Ruanda weisen die Anschuldigungen vehement zurück. Die Bundesregierung verfügt nicht über ausreichend belastbare Erkenntnisse, um die Vorwürfe im Einzelnen prüfen zu können. Sie wissen wahrscheinlich, Herr Abgeordneter, dass mit der Resolution 2076 vom 20. November 2012 der VN-Sicherheitsrat den Generalsekretär auffordert, in Abstimmung mit der Afrikanischen Union und der Internationalen Konferenz der Großen Seen über die Anschuldigungen externer Unterstützung für M 23 zu berichten.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Kollege Movassat.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Frau Staatsministerin, Sie haben im Prinzip den UN-Abschlussbericht bezüglich der Unterstützung Ruandas und Ugandas für die Rebellen bestätigt. Die Beweisführung bei Ruanda ist ja eindeutig. Was mich interessieren würde, ist: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorwurf, dass diese Länder Rebellengruppen im Ostkongo unterstützen, und aus der Tatsache, dass diese Rebellengruppen massivste Menschenrechtsverletzungen begehen, insbesondere aus Rohstoffinteressen, aus Interesse an Diamanten, Gold und Coltan, das im Ostkongo ja massenweise vorhanden ist und womit wirtschaftliche Interessen vieler Rebellengruppen verknüpft sind?

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Der Bundesregierung liegen natürlich zahlreiche externe Berichte auch über zum Teil schwere Menschenrechtsverletzungen durch die Rebellengruppe M 23 vor. Die Rebellengruppe M 23 wird unter anderem der außergerichtlichen Tötung, der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten sowie der Bedrohung von politischen Gegnern beschuldigt. Es werden auch Plünderungen und Vergewaltigungen genannt, wobei diesbezüglich die große Mehrheit der Berichte eher auf eine Verantwortung der Regierungsstreitkräfte hinweist. Schwere Menschenrechtsverletzungen werden weiterhin auch von anderen im Ostkongo aktiven Milizen, wie den Demokratischen Kräften zur Befreiung Ruandas und verschiedenen MaiMai-Gruppen, begangen. Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, setzt sich bilateral sehr intensiv, auch in der Europäischen Union und in den Vereinten Nationen, dafür ein, dass Menschenrechtsverletzungen unterbunden und die Verantwortlichen natürlich auch zur Verantwortung gezogen werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sie haben noch eine zweite Nachfrage.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Frau Staatsministerin, in der Europäischen Union gibt es eine Diskussion darüber, die UN-Mission, die derzeit aus 17 000 Soldaten besteht, auf 19 000 auszuweiten, sie mit einem robusteren Mandat auszustatten, ein Mandat für die Entwaffnung von Milizen zu geben sowie Drohnen zur Aufklärung einzusetzen. Gibt es Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, sich in irgendeiner Form daran zu beteiligen, und wie steht die Bundesregierung zu dieser Diskussion auf der europäischen Ebene?

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Herr Abgeordneter, für die Bundesregierung hat Priorität, das durch Gewalt, Not, Flucht und Vertreibung sowie, wie ich schon sagte, massive Menschenrechtsverletzungen bedingte Leid der Zivilbevölkerung im Ostkongo zu beenden. Dafür muss in einem ersten Schritt der gegenwärtige Konflikt beendet werden. In der Folge muss ein Prozess eingeleitet werden, in dem auch die tiefer liegenden Ursachen dieses historisch gewachsenen komplexen Konfliktes, für den viele Parteien Verantwortung tragen, bearbeitet werden. Um erfolgreich zu sein, bedarf es meines Erachtens des Engagements aller Schlüsselspieler in der Region. Wir diskutieren darüber hinaus nicht in der EU über weitere Maßnahmen in dem Bereich, den Sie nannten.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Weitere Nachfragen zu dieser Frage liegen nicht vor. Damit kommen wir zur Frage 9, die ebenfalls vom Kollegen Niema Movassat gestellt wurde: Welche aktuellen Informationen liegen der Bundesregierung zu neuen Flüchtlingswellen innerhalb Nord- und Südkivus sowie in die Nachbarländer vor, und welche unmittelbaren Konsequenzen ergeben sich aus der Kontrolle Gomas durch die M 23 für die deutsche und europäische humanitäre Hilfe? Ich darf Sie bitten, Frau Staatsministerin.

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Herr Präsident! Herr Abgeordneter, die bisherigen Kämpfe sowie die verübten Menschenrechtsverletzungen führen derzeit zu weiteren neuen Flüchtlingswellen im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Seit Ausbruch der gegenwärtigen Kämpfe am 15. November sind laut Quellen der Vereinten Nationen aktuell in und um Goma circa 140 000 Menschen auf der Flucht. Davon hält sich die Mehrheit von circa 125 000 Personen in den Lagern für Binnenvertriebene Mugunga I und III sowie Lac Vert auf. Weitere 7 000 Menschen sind in drei Schulen untergebracht. Das Don-Bosco-Camp beherbergt darüber hinaus circa 12 500 Personen. Neben den Binnenvertriebenen in Goma gibt es einen kleineren Rückkehrerstrom Richtung Goma aus der nun auch umkämpften Region Sake. Ebenso gibt es eine kleinere Flüchtlingsbewegung Richtung Süden. Genauere Informationen hierzu liegen zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht vor. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen in der Demokratischen Republik Kongo dürfte derzeit bei etwa 2,4 Millionen Menschen liegen. Die Sicherheitslage in Goma ist derzeit relativ stabil. Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen der M 23, wie ich sie schon nannte, im besetzten Goma konnten aus Quellen vor Ort allerdings nicht bestätigt werden. Die Menschen kehren zum Teil zurück. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Elektrizität ist sehr schlecht. Erste Hilfstransporte sind über die ruandische Grenze nach Goma gekommen. Der Friedensplan von Kampala sieht vor, dass die M 23 Goma rasch wieder räumt und zur Ausgangsstellung vor der jüngsten Offensive - 20 Kilometer nördlich der Stadt zurückkehrt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Kollege Movassat.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. - Frau Staatsministerin, Sie hatten vorhin schon die Rolle der kongolesischen Armee kurz angesprochen, die auch für die gesamte humanitäre Frage von großer Bedeutung ist. Beim Abzug der kongolesischen Armee aus Goma wurde nach Berichten die Stromversorgung durch die kongolesische Armee zerstört, was sozusagen die Strom- und Wasserversorgung in ganz Goma lahmgelegt hat. Das kann man auch als Kriegsverbrechen bezeichnen. Nun ist die kongolesische Armee auch Partner der UN-Mission vor Ort; die UN-Truppen kämpfen an der Seite der kongolesischen Armee. Welche Probleme sehen Sie in diesem Zusammenhang, und wie schätzen Sie die kongolesische Armee ein?

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Die Bundesregierung setzt sich natürlich dafür ein, dass der humanitäre Zugang schnellstmöglich wieder hergestellt wird. Dass wir dazu mit den vor Ort tätigen Partnerorganisationen in Verbindung stehen, ist ganz klar. Sie haben richtig gesagt, dass die Menschen dort abgeschnitten sind von Wasser und Strom; vom Zugang zu Grundnahrungsmitteln ganz zu schweigen. Für den Transport von Hilfsgütern und humanitären Mitteln brauchen wir natürlich dringend wieder den Zugang. Der Flughafen Goma ist derzeit noch nicht wieder in Betrieb. Auch das ist eine Schlüsselfrage in dem Zusammenhang. Darüber hinaus erschweren Proteste und Übergriffe gegen die VN und gegen internationale Organisationen die Leistung humanitärer Hilfe. Wir haben natürlich Erwartungen an alle Partner dort in der Region. Der Bundesaußenminister hat jüngst die Außenminister zum Gespräch geladen. Insbesondere über die Lage im Ostkongo hat er mit der ruandischen Außenministerin gesprochen. Ich glaube, dass wir alle Partner beteiligen müssen, auch die kongolesische Seite, um schnellstens das zu erreichen, was für uns ein primäres Ziel ist, nämlich wieder humanitäre Maßnahmen gewährleisten und sichern zu können.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sie haben die Möglichkeit einer weiteren Nachfrage.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. - Frau Staatsministerin, Sie hatten in einer der Antworten die Frage der Ursache des Konflikts angesprochen und gesagt, dass man da sozusagen ranmuss. Eine große Ursache dieses Konflikts sind die Rohstoffvorkommen im Ostkongo, die natürlich Begehrlichkeiten in der Region wecken, zumal der kongolesische Staat im Ostkongo praktisch nicht existent ist. Die Bundesregierung setzt in der Rohstofffrage vor allem auf Zertifizierungslösungen, sagt also: Man muss die Rohstoffe zertifizieren und nachweisen, woher sie kommen; das sei ein Mechanismus, um zu verhindern, dass Raubdiamanten etc. aus dem Land kommen. Die Realität zeigt allerdings, dass immer noch Rohstoffe aus dem Kongo geraubt werden, dass sie auch auf unsere Märkte kommen, dass die Zertifizierungssysteme also nicht funktionieren. Ruanda zum Beispiel verkauft Rohstoffe, die es gar nicht hat, kann aber irgendeine Art von Zertifizierung nachweisen, die jedoch nicht sehr glaubwürdig ist. Insofern meine Frage: Erwägt die Bundesregierung verschärfte Importkontrollen und Beschränkungen für Rohstoffe aus der Region auf nationaler wie europäischer Ebene?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung denkt über alle notwendigen Maßnahmen nach, damit der Friedensprozess in der Region eine Chance bekommt. Da spielt Ihr Vorschlag sicher auch eine Rolle. Aber ich will ganz deutlich sagen, dass es darauf ankommen wird, dass auch die Regierungen vor Ort zur Befriedung der Situation und zum Friedensprozess beitragen. Das ist aus meiner Sicht ganz wichtig. Deswegen gab es auch konstruktive Gespräche der Präsidenten Kagame, Museveni und Kabila am 21. November. Ich glaube, wir alle sollten uns darum bemühen, dass der Friedensprozess dort vorankommt, aber vor allen Dingen auch dafür sorgen, dass die humanitären Maßnahmen in der Region geleistet werden können.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nun haben wir den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes abgeschlossen. Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 auf, gestellt von unserem Kollegen Memet Kilic: Wie hat die Bundesregierung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Assoziationsrecht EU-Türkei umgesetzt, bzw. wie wird sie die Entscheidung umsetzen, nach der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes zum Nachweis eines Daueraufenthaltsrechts nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich des Assoziierungsabkommens der EU mit der Türkei eine Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren aufweisen und das Bestehen des zugrunde liegenden assoziationsrechtlichen DaueraufenthaltsVizepräsident Eduard Oswald rechts einschließlich seiner Rechtsgrundlage textlich eindeutig erkennen lassen muss ({0})? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat mit den Ländern abgestimmt, dass zur Umsetzung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts der Begriff „Daueraufenthaltsrecht“ nach Art. 7 als Zusatz zur Art des Titels im Anmerkungsfeld des elektronischen Aufenthaltstitels oder auf einem Zusatzblatt aufgenommen wird. Die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Übrigen Sache der örtlich zuständigen Ausländerbehörden. Dabei haben die zuständigen Landesbehörden die ausländerbehördliche Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung anzuleiten und zu beaufsichtigen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Kollege Kilic.

Memet Kilic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004069, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Bald werden wir das 50-jährige Bestehen des Assoziationsabkommens zwischen der Türkei und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft begehen. Dieses Assoziationsabkommen sieht sogar eine Freizügigkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach 22 Jahren vor. In den 50 Jahren hat der Gerichtshof der Europäischen Union mehr als 50 Urteile - die meisten zugunsten türkischer Staatsangehöriger - gesprochen. Aber die Bundesregierung weigert sich, diese Rechtsprechung ins materielle Recht der Bundesrepublik Deutschland einzubinden und damit diese Rechte für alle Ausländerbehörden und Verwaltungsbehörden sichtbar zu machen. Ist es nicht die Aufgabe der Bundesregierung, das Bundesrecht so zu gestalten, dass es auch höchstrichterlichen Urteilen und völkerrechtlichen Verpflichtungen entspricht?

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Selbstverständlich - und das machen wir auch. Natürlich ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für uns bindend. Wir tun alles dafür, dass die nachgeordneten Behörden sie auch umsetzen. Die Länder tun das in ihrem Verantwortungsbereich.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Da wollen Sie sicher noch nachfragen. Bitte schön, Herr Kollege.

Memet Kilic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004069, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Dr. Schröder, Assoziationsrecht ist kein einseitiges Geschäft, sondern es gibt zwei Seiten. Sicherlich hat auch die Türkei bestimmte Hausaufgaben zu machen. Ich nenne ein Beispiel: In der Türkei existiert nicht einmal eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für deutsche Staatsangehörige, die dort auf Dauer leben. Die deutschen Ehegatten wissen gar nicht, ob ihre Aufenthaltserlaubnis verlängert wird, falls der türkische Ehegatte ablebt. Im Arbeitsrecht der deutschen Staatsangehörigen in der Türkei ist es mehr oder minder ein Goodwill. Es ist nicht sicher geregelt. Ich habe nie gehört, dass, wenn Vertreterinnen und Vertreter der Türkei nach Deutschland kommen, Ihre Regierung diese mangelnden Rechte der deutschen Staatsangehörigen thematisiert. Sie ducken sich weg. Woran liegt das? Fehlt es an Sachkenntnis oder an Mut?

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Weder noch. Wir ducken uns nicht weg, sondern sind natürlich in partnerschaftlichen Gesprächen mit der Türkei. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Weitere Nachfragen dazu sehe ich nicht. Die Frage 11 des Kollegen Andrej Hunko und die Frage 12 der Kollegin Maria Klein-Schmeink werden schriftlich beantwortet. Das waren die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Vielen Dank, Herr Dr. Ole Schröder als Parlamentarischer Staatssekretär. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Hier steht zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung. Die Frage 13 des Kollegen Tom Koenigs und die Fragen 14 und 15 der Kollegin Dr. Eva Högl werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zur Frage 16, gestellt von unserem Kollegen Burkhard Lischka: Begleitet die Bundesregierung den Prozess der Prüfung der Angemessenheit der GEMA-Tarifreform, mit der das Bundesministerium der Justiz die Staatsaufsicht beim Deutschen Patent- und Markenamt beauftragt hat, und, wenn ja, in welcher Weise geschieht das? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Herr Präsident! Herr Kollege Lischka, ich darf die Frage 16 wie folgt beantworten: Die Bundesregierung ist über das Bundesministerium der Justiz, dem die Aufsicht über die Staatsaufsicht beim Deutschen Patent- und Markenamt obliegt, in die aufsichtsrechtlichen Prüfungen der Angemessenheit der neuen Tarife der GEMA einbezogen. Die Staatsaufsicht über die Verwertungsgesellschaften prüft intern und berichtet dem Bundesministerium der Justiz fortlaufend über den aktuellen Stand der aufsichtsrechtlichen Prüfungen. Herr Präsident, die Frage 17 betrifft den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen. Vielleicht bietet es sich an, sie ebenfalls jetzt zu beantworten und dann die Nachfragen en bloc zu stellen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Wie ich sehe, ist der Kollege Lischka damit einverstanden. Dann machen wir das so. Ich rufe also noch die Frage 17 des Abgeordneten Burkhard Lischka auf: Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Verhandlungen, und was unternimmt die Bundesregierung, damit es zu einvernehmlichen Regelungen zwischen der GEMA und ihren Gesamtvertragspartnern kommt?

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Der Bereich der gesamtvertraglichen Einräumung von Nutzungsrechten an urheberrechtlich geschützten Werken unterliegt bekanntlich der Privatautonomie der Verhandlungspartner. Deshalb sollte vorrangig eine Einigung zwischen den Verhandlungspartnern angestrebt werden. Nach Kenntnis der Bundesregierung hat sich die GEMA mit dem Bund Deutscher Karneval e. V., den Schützenbünden, dem Verband Deutscher Musikschaffender, den Deutschen Diskotheken Unternehmern sowie der Deutschen Disc-Jockey Organisation gesamtvertraglich auf Grundlage der neuen Veranstaltungstarife geeinigt. Dies begrüßen wir selbstverständlich. Nach Kenntnis der Bundesregierung verhandelt die GEMA daneben mit weiteren großen Nutzervereinigungen, etwa mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, dem Deutschen Tanzsportverband, der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sowie der Bundesvereinigung der Musikveranstalter.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Kollege Lischka, Sie haben nun insgesamt vier Nachfragen. Bitte schön.

Burkhard Lischka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, vielen Dank. Ich möchte nur von zwei Nachfragen Gebrauch machen. - Herr Staatssekretär, vor einigen Wochen, am 26. Oktober, fand im Deutschen Patent- und Markenamt eine Anhörung zur geplanten Tarifstrukturreform statt, gemeinsam mit den unterschiedlichen Verbänden, die dort involviert sind. Liegen Ihnen Ergebnisse dieser Anhörung vor, und, wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Ergebnisse?

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

In der Tat hat das Bundesministerium der Justiz im Rahmen seiner aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten darauf hingewirkt, dass es zu einem solchen Gespräch im Deutschen Patent- und Markenamt gekommen ist. Dieses Gespräch hat am 26. Oktober stattgefunden, und zwar mit zahlreichen Beteiligungen. Nach dem, was ich über den Verlauf erfahren habe, war diese Zusammenkunft sehr nützlich, weil dort eine Vielzahl von Fragen, die in der öffentlichen Diskussion aufgeworfen wurden, erörtert werden konnte. Es stellte sich heraus, dass man bei einigen Themen noch zusätzliche Erkenntnisse zum Sachverhalt braucht, sodass den Beteiligten Gelegenheit gegeben worden ist, diese nachzuliefern. Im Moment läuft die Auswertung dieser Anhörung. Die Ergebnisse werden dann in die weitere Meinungsbildung einfließen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre weitere Nachfrage, Kollege Burkhard Lischka.

Burkhard Lischka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe noch eine abschließende Nachfrage. Herr Stadler, angenommen, dass es in dem weiteren Verfahrensablauf nicht zu einem Abschluss der Verhandlungen und auch nicht zu einer Einigung bzw. zu einem allgemein akzeptierten Einigungsspruch kommt: Kann sich die Bundesregierung vorstellen, in diesem Zusammenhang eine Vermittlerrolle zu übernehmen?

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Die Bundesregierung hat insoweit schon vermittelnd eingewirkt, als sie - wie ich geschildert habe - daran beteiligt war, dieses umfassende Gespräch zu initiieren, und sich auch Fragestellungen erbeten hat, die in diesem Zusammenhang erörtert wurden. Nunmehr liegt die weitere Diskussion bei den Beteiligten: der GEMA auf der einen Seite und den Verbänden auf der anderen Seite. Ich finde es sehr erfreulich, dass insbesondere mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter - nach meiner Kenntnis am morgigen Tag - ein Gespräch stattfinden wird. Hier lagen in den letzten Monaten die Vorstellungen über die neuen Tarife wohl recht weit auseinander, sodass es günstig ist, wenn der Gesprächsfaden jetzt wieder aufgenommen wird. Man muss zudem noch erwähnen, dass es einige Schiedsverfahren gibt. Das ist nämlich der rechtsförmliche Weg, wie man zu einem Vermittlungsergebnis kommt. In einem dieser Schiedsverfahren hat es bereits eine mündliche Verhandlung gegeben, und zwar am 21. November. Eine weitere mündliche Verhandlung ist für den 19. Dezember vorgesehen. Sie sehen also, dass die Bemühungen um eine konsensuale Lösung in vollem Gange sind.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Der Kollege Paul Lehrieder hat eine Nachfrage. Bitte schön, Kollege Paul Lehrieder.

Paul Lehrieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage hinsichtlich des von Ihnen angesprochenen Schiedsverfahrens: Gibt es Bestrebungen des Bundesjustizministeriums, auf die GEMA insofern Einfluss zu nehmen, als man bis zum Abschluss des Schiedsverfahrens von der beabsichtigten Inkraftsetzung der neuen Tarife, die nach jetzigem Stand zum 1. April erfolgen soll, absehen möge?

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Herr Kollege Lehrieder, wie Sie wissen, gibt es keine Möglichkeit der rechtlichen Einflussnahme auf die GEMA. Sie ist ein Verein, der die Interessen seiner Mitglieder, beispielsweise der Komponisten, der Textdichter, der Kreativen, treuhänderisch wahrzunehmen hat. Wohl aber beobachten wir, dass die GEMA die neuen Tarife entgegen ursprünglichen Vorstellungen nicht zum 1. Januar 2013, sondern zum 1. April 2013 in Kraft setzen möchte. Bis dahin ist also noch viel Zeit, sich zu einigen. Ich habe bereits erwähnt, dass am 19. Dezember eine mündliche Verhandlung stattfindet. Wir sollten jetzt diesen Prozess der Einigung zwischen den Vertragspartnern abwarten und dann weitere Diskussionen darüber führen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 18 unserer Kollegin Sonja Steffen: Welche Änderungen beabsichtigt die Bundesregierung in Bezug auf die strafrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch noch in dieser Legislaturperiode in den Deutschen Bundestag einzubringen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Die Frage einer Änderung der Fristen der strafrechtlichen Verjährung bei sexuellem Missbrauch wird derzeit im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs erörtert. Die Entscheidung darüber, welches Ergebnis am Ende erzielt wird, liegt somit beim Deutschen Bundestag.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.

Sonja Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Teilt das BMJ die Erkenntnis, dass bei vielen Sexualstraftaten, die während der Minderjährigkeit der Opfer begangen wurden, ein sogenanntes Coming-out erst sehr spät erfolgt, also die Opfer oftmals sehr spät erst in der Lage sind, über die Tat, die an ihnen begangen wurde, zu reden?

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Frau Kollegin Steffen, diese Erkenntnis ist zweifellos richtig. Sie ist auch beim Runden Tisch, den die Bundesregierung initiiert hat, erörtert worden. Das Bundesministerium der Justiz orientiert sich bei seinem weiteren Vorgehen sehr stark an den Ergebnissen des Runden Tisches. Das hat dazu geführt, dass wir mit dem von mir gerade schon erwähnten Gesetzentwurf dafür eintreten, die Frist der zivilrechtlichen Verjährung in solchen Fällen deutlich, nämlich auf 30 Jahre auszudehnen - bisher waren es drei Jahre - und es entgegen ursprünglichen Überlegungen dabei zu belassen, dass die Verjährungsfrist erst mit dem 21. Lebensjahr beginnt, sodass den Opfern viel Zeit bleibt, ihre Ansprüche geltend zu machen. Zwischen den Fraktionen gibt es Gespräche, ob man bei der strafrechtlichen Verjährung in ähnlicher Weise vorgehen könnte. Es ist kein Geheimnis, dass auch hier überlegt wird, den Beginn der Verjährungsfrist auf ein späteres Lebensjahr hinauszuschieben, sodass die Opfer bei einem späteren Coming-out auch strafrechtlich gegen den Täter vorgehen können.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre weitere Nachfrage, Frau Kollegin.

Sonja Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das Ergebnis der Diskussionen des Runden Tisches in Bezug auf die zivilrechtlichen Verjährungsfristen war relativ eindeutig. 30 Jahre sind eine lange Zeit. Viele von uns wünschen sich eine entsprechende Verlängerung der Verjährungsfrist im Strafrecht. Was mich in diesem Zusammenhang besonders umtreibt, ist die Tatsache, dass sich die Beweislage im Laufe der Zeit verschlechtert; es ist ein großes Problem, dass es nach dieser langen Zeit Beweisschwierigkeiten gibt. Im Grunde genommen sind diese Schwierigkeiten in zivilrechtlichen Verfahren wesentlich größer, weil es hier den Parteien überlassen ist, die Beweisführung anzutreten. In einem strafrechtlichen Verfahren hingegen ist dies wesentlich einfacher, weil man hier eben auch die Hilfe der Staatsanwaltschaft und der Polizei in Anspruch nehmen kann. Ganz konkret gefragt: Gehen Sie davon aus, dass sich Ihr Ministerium in dieser Legislaturperiode noch mit den strafrechtlichen Verjährungsfristen befassen wird? Es gibt bereits entsprechende Gesetzesinitiativen; darauf haben Sie hingewiesen.

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Frau Kollegin Steffen, Sie haben völlig zu Recht auf fortschreitende Beweisschwierigkeiten hingewiesen. Je länger ein Sachverhalt zurückliegt, desto schwieriger ist die Aufklärung durch die Gerichte. Das ist unter anderem ein Grund dafür, dass es überhaupt Verjährungsfristen gibt. Der Staat verzichtet aufgrund dieser Erwägung auf die Durchsetzung des Strafanspruches nach einem gewissen Zeitablauf. In diesem speziellen Bereich ist von der Bundesregierung auf Grundlage eines Entwurfs des Bundesministeriums der Justiz ein Gesetz auf den Weg gebracht worden, nämlich das sogenannte StORMG. Die Fraktionen überlegen jetzt, wie man die strafrechtliche Verjährung dort ändert. Es gibt noch keine Einigung auf ein genaues Modell, aber Sie können davon ausgehen, dass es am Ende auf einen längeren Zeitraum, in dem eine solche Straftat noch verfolgt werden kann, hinauslaufen wird.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Wir sind immer noch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 19 der Kollegin Martina Bunge wird schriftlich beantwortet. Vizepräsident Eduard Oswald Ich rufe die Frage 20 unseres Kollegen Ingo Egloff auf: Wird die Bundesministerin der Justiz noch im Internationalen Jahr der Genossenschaften 2012 einen Gesetzentwurf zur Entlastung kleiner Genossenschaften vorlegen, nachdem sie im Februar 2012 erklärt hatte, ihr Haus entwickle hierfür Ideen, und nachdem am 13. November 2012 im Handelsblatt zu lesen war, bei dieser Idee handle es sich um die Schaffung einer neuen Rechtsform „Kooperativgesellschaft ({0})“? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Herr Kollege Egloff, ich kann bestätigen, dass im Bundesministerium der Justiz an einem Gesetzentwurf zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften gearbeitet wird, bei dem es insbesondere um die Entlastung kleinster Genossenschaften geht. Sie hatten gefragt, ob der Gesetzentwurf noch im Internationalen Jahr der Genossenschaften vorgelegt wird, also noch in 2012. In diesem Jahr wird der Gesetzentwurf nicht mehr vorgelegt werden können, zumal die offizielle Abschlusszeremonie des Internationalen Jahres der Genossenschaften bei den Vereinten Nationen bereits stattgefunden hat. Kernstück des Gesetzentwurfes soll die Einführung der sogenannten Kooperativgesellschaft ({0}) sein. Kleinstgenossenschaften sollen sich künftig als Kooperativgesellschaft gründen können und sind dann - das ist der entscheidende Punkt - von der Pflichtmitgliedschaft in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband und von der genossenschaftlichen Pflichtprüfung befreit. Damit werden Kleinstgenossenschaften kostenmäßig entlastet. Die Rechtsform wird somit für Kleinstunternehmen attraktiver. Wichtig ist aus unserer Sicht: Die Kooperativgesellschaft soll keine neue Rechtsform sein, sondern eine Unterform der Genossenschaft. Durch diese besondere Firmierung als Kooperativgesellschaft wird für Gläubiger deutlich, dass keine Prüfung stattfindet.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sie haben eine Nachfrage?

Ingo Egloff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004213, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist denn damit zu rechnen, dass der Gesetzentwurf noch im Laufe dieser Legislaturperiode das Parlament erreicht?

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Herr Kollege Egloff, damit rechne ich schon. Es kommt hinzu, dass Ihre Fraktion erfreulicherweise am 20. November einen Antrag eingereicht hat - der offenkundig von Ihnen initiiert wurde -, um Genossenschaftsgründungen zu erleichtern. Unsere Überlegungen gehen in dieselbe Richtung. Vielleicht gibt es in Nuancen Unterschiede, wenn es darum geht, was genau man in das Gesetz hineinschreiben sollte. Aber da offenbar fraktionsübergreifend das Bedürfnis besteht, gesetzgeberisch tätig zu werden, stehen die Chancen gut, dies noch in dieser Legislaturperiode zustande zu bringen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre weitere Nachfrage?

Ingo Egloff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004213, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass Kleinstgenossenschaften von der Pflichtprüfung entbunden werden sollen. Die entscheidende Frage ist: Ab welcher Grenze fängt eine Kleinstgenossenschaft an? In den Diskussionen, die es zu diesem Bereich zuhauf gibt, ist immer wieder - in Anlehnung an die GmbH - von § 267 Abs. 2 HGB die Rede. Die Frage ist: Verfolgt die Bundesregierung bei der Schaffung von Kleinstgenossenschaften das Ziel, diesen Rahmen zu nutzen? Oder würden Sie sagen, dass die Grenze wesentlich niedriger anzusetzen ist?

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Herr Kollege Egloff, genau diese Frage ist mit ein Grund, warum wir jetzt einen Gesetzentwurf erarbeiten. Wir können Ihnen diesen Gesetzentwurf allerdings noch nicht vorlegen. Der Abgrenzungsfaktor ist entscheidend dafür, wie viele Genossenschaften unter die neue Firmierung fallen. Diesbezüglich läuft gerade der Abstimmungsprozess, und zwar sowohl in unserem Haus als auch innerhalb der Bundesregierung. Wir werden Sie danach über das erzielte Ergebnis informieren. Man muss berücksichtigen, dass es auf der einen Seite das verständliche Bedürfnis gibt, solche Gründungen zu erleichtern, auf der anderen Seite muss man aber auch Mechanismen finden, sowohl Gläubiger als auch die Mitglieder der Genossenschaften zu schützen. An all dem arbeiten wir noch, sodass ich Ihnen zu Fragen zur konkreten Abgrenzung - hier geht es zum Beispiel um die Größe der Genossenschaft als Kriterium - erst zu einem späteren Zeitpunkt Auskunft geben kann.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Zu dieser Frage hat auch unser Kollege Hans-Christian Ströbele eine Nachfrage. Bitte.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich muss ausnahmsweise sagen: Diese Töne höre ich gerne. Das zeigt, dass Sie sich Gedanken in dieser Richtung machen. Auch in unserer Fraktion stellen wir entsprechende Überlegungen an. Ich fordere das im Grunde schon, seitdem ich Mitglied des Deutschen Bundestages bin, seit über zehn Jahren. Für mich ist das ein besonderes Problem, weil ich als Rechtsanwalt früher, als es nicht möglich war, Kleinstgenossenschaften zu gründen bzw. sie in Genossenschaftsverbänden unterzubringen, empfohlen habe, Vereine zu gründen. Deshalb die Frage an Sie: Wie unterscheidet sich die Kleinstgenossenschaft - abgesehen von dem Merkmal Größe - von Vereinen? Würden Sie erwägen, dass man in Zukunft, wenn man einen wirklich schlüssiHans-Christian Ströbele gen, guten Gesetzentwurf hat, diese Kleinstgenossenschaften Kollektive nennt? Denn sie haben sich als solche seit langem in der Gesellschaft etabliert, auch wenn sie als Vereine konstruiert waren.

Dr. Max Stadler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002805

Lieber Kollege Ströbele, da wir uns gut kennen, darf ich Folgendes sagen: Es ist erfreulich, dass Sie immer wieder in den Deutschen Bundestag gewählt worden sind; denn so können Sie sich an diesem Gesetzgebungsvorhaben, das Ihnen offenkundig so sehr am Herzen liegt, beteiligen. Was die Firmierung als Kollektiv anbelangt, vermute ich allerdings, dass in Teilen Ihrer Fraktion mehr Bereitschaft dazu besteht als in den Regierungsfraktionen, sodass ich Ihnen eine solche Bezeichnung nicht in Aussicht stellen kann.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Jetzt wissen wir auch das, wobei ich davon ausgehe, dass das im Grunde schon vorher bekannt war. Wir haben damit den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz abgeschlossen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter zur Verfügung. Ich rufe die Frage 21 unseres Kollegen Manfred Kolbe auf: Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Jahresgehalt des griechischen Zentralbankpräsidenten Georgios A. Provopoulos, und hat sich dieses durch die Krise verändert? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Herr Kollege Kolbe, ich möchte Ihnen antworten, dass die Bundesregierung keine Kenntnis über das Jahresgehalt des Präsidenten der griechischen Zentralbank hat. Unsere Recherche hat ergeben, dass Griechenland, soweit wir es erkennen konnten, dazu keinerlei Angaben veröffentlicht hat.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Kollege Kolbe, Sie haben die Möglichkeit zur ersten Nachfrage. - Keine. Dann rufe ich die Frage 22 unseres Kollegen Manfred Kolbe auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass der griechische Zentralbankpräsident und damit auch das Mitglied des Rates der Europäischen Zentralbank bei seinem Amtsantritt von seinem früheren Arbeitgeber, der Piraeus Bank, eine Abfindung in Höhe von 3,4 Millionen Euro erhalten haben soll, und wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang, sollte er diese Zahlung erhalten haben? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Herr Kollege Kolbe, die Frage bezieht sich auf einen Sachverhalt, den auch die Bundesregierung nur über die Presse zur Kenntnis genommen hat. Wir haben allerdings keinerlei Primärerkenntnisse und beabsichtigen daher nicht, diesen Sachverhalt in irgendeiner Art und Weise zu kommentieren.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre Nachfrage, Kollege Manfred Kolbe.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Sie die Frage nicht wie üblich vorgetragen haben, darf ich das hier tun. Es geht darum, dass der Präsident der griechischen Zentralbank, nachdem er das Amt angetreten hat, von seinem früheren Arbeitgeber, der Piraeus Bank, eine Abfindung in Höhe von 3,4 Millionen Euro erhalten haben soll. Er ist gleichzeitig Mitglied des EZB-Rates. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass dieser Sachverhalt sie überhaupt nicht zu interessieren hat und er ihr deshalb relativ egal sein kann?

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Herr Kollege Kolbe, die Fragestunde bezieht sich nicht darauf, was die Bundesregierung interessiert und ob ihr Sachverhalte egal sind. Die verfassungsrechtliche Grundlage der Fragestunde hat das Bundesverfassungsgericht dahin gehend präzisiert, dass es darum geht, Ihnen aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung Antworten zu geben, die Sie für die Bewertung von politischen Sachverhalten oder für Ihre politische Arbeit brauchen. Ich glaube, dass die Frage, die sich auf einen zivilrechtlichen Vertrag zwischen einem griechischen Staatsangehörigen und einer griechischen Bank bezieht, nicht im Verantwortungsbereich der Bundesregierung liegt. Daher bedaure ich, dass ich aus Sicht der Bundesregierung keine Bewertung abgeben kann. Alle anderen Fragen und Insinuationen, die Sie dargelegt haben, werden nicht vom Fragerecht abgedeckt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Trotzdem hat sich der Kollege Manfred Kolbe noch einmal zu einer Nachfrage gemeldet.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wir befinden uns nicht im Rahmen des reinen Zivilrechts. Immerhin ist der fragliche Präsident Mitglied des EZB-Rates. Auf die EZB soll demnächst auch die Bankenaufsicht - auch die Aufsicht über deutsche Banken - übertragen werden. Ist die Bundesregierung nach wie vor der Meinung, dass eine Abfindung in Millionenhöhe keinerlei Auswirkungen auf das Agieren einer solchen Person hat und dass ihr deshalb ohne Weiteres die Aufsicht über andere Banken in Europa anvertraut werden kann?

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Herr Kollege Kolbe, ich habe Ihnen in meiner Antwort auf Ihre Frage schon mitgeteilt, dass die Bundesregierung keine primären Erkenntnisse über das zivilrechtliche Geschäft hat, über das in der Presse berichtet wurde. In meiner Antwort auf Ihre Nachfrage habe ich darauf hingewiesen, dass wir in der Fragestunde Sachverhalte bewerten und dazu gern Auskunft geben, die in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung fallen. Ich kann diese Presseberichte daher nicht weiter kommentieren. Ich will Ihnen aber sagen, dass die Bundesregierung als Vertragspartner bei der Umsetzung der europäischen Bankenunion sehr darauf achten wird, dass die Aufsicht über die systemrelevanten Banken mit einem hohen Maß an Kompetenz und orientiert an allgemein akzeptierten Grundlagen ausgeübt wird. Wir legen darauf Wert, dass das dafür erforderliche Personal - auch das Leitungspersonal - tadellos handelt und fachlich kompetent ist. Das möchte ich Ihnen hiermit ausdrücklich bestätigen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Wir sind immer noch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 23 des Kollegen Hans-Christian Ströbele, die Fragen 24 und 25 der Kollegin Katrin Kunert, die Fragen 26 und 27 der Kollegin Heidrun Bluhm, die Fragen 28 und 29 des Kollegen Steffen Bockhahn, die Fragen 30 und 31 des Kollegen Dr. Axel Troost sowie die Frage 32 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 33 unserer Kollegin Cornelia Behm: Zu welchen Ergebnissen ist die Arbeitsgruppe SBZ-Enteignungen im Bundesministerium der Finanzen gekommen, die entsprechend dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP prüfen sollte, ob es im Hinblick auf die Enteignungen in der SBZ von 1945 bis 1949 noch Möglichkeiten gibt, Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb anzubieten, und welche diesbezüglichen Umsetzungspläne verfolgt die Bundesregierung ({0})? Die Antwort gibt der Parlamentarische Staatssekretär.

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Sehr geehrte Frau Kollegin Behm, Sie haben nach dem Sachstand der Arbeitsgruppe SBZ-Enteignungen gefragt. Ich möchte Ihnen antworten, dass die Arbeitsgruppe laut Koalitionsvertrag im Hinblick auf die Enteignungen der SBZ von 1945 bis 1949 prüfen soll, ob es noch Möglichkeiten gibt, Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb anzubieten. Diese Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit im Januar 2010 aufgenommen. Nachdem sie zunächst nur auf der Ebene unseres Hauses, also des Bundesministeriums der Finanzen, getagt hat, wurden in der Folgezeit alle betroffenen Ressorts der Bundesregierung eingebunden. Hierzu gehören das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das Bundesministerium des Inneren, vertreten durch den Stab Aufbau Ost, das Bundesministerium der Justiz, das Bundesministerium der Verteidigung, das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie das Bundeskanzleramt. Die Arbeitsgruppe hat zwischenzeitlich einen Redaktionsentwurf ihres Arbeitsberichts verfasst. Der Abstimmungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Entscheidungen, die ich Ihnen darüber hinaus mitteilen könnte, wurden noch nicht getroffen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sie haben eine Nachfrage?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn ich Ihnen so zuhöre, denke ich mir, dass es wahrscheinlich keinen Sinn hat, nachzufragen, was das Ergebnis dieser Prüfung ist. Deswegen frage ich: Wann legen Sie das Ergebnis offen? Es verwundert doch außerordentlich, dass trotz stattfindender Prüfung weiterhin Flächen, die sich in öffentlicher Hand befinden, veräußert werden. Wie passt das zusammen? Meine Frage lautet also: Wird es jetzt zeitnah eine Offenlegung des Ergebnisses der Prüfung geben, und wann wird geklärt werden, wie damit umgegangen wird?

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Sehr geehrte Frau Kollegin Behm, ich kann Ihre Nachfrage menschlich wie politisch durchaus nachvollziehen, halte mich aber - auch wenn ich das sehr bedaure - mit Einschätzungen, wann wir zu Ergebnissen kommen, sehr zurück. Ich denke, dass das in dieser Legislaturperiode zweifelsohne abgeschlossen wird. Aber die Erörterungen sind nicht ganz trivial. Die Konflikte, die Sie aus Ihrer parlamentarischen Tätigkeit ebenso kennen wie viele andere Kolleginnen und Kollegen, sind nicht ganz einfach zu lösen. Deswegen kann ich Ihnen nur zusagen, dass die Bundesregierung, sobald sie sich intern abgestimmt hat, Sie und die übrigen Mitglieder des Deutschen Bundestages in angemessener Form unterrichten wird. Alle weiteren Beschlüsse, die dann möglicherweise auf einer von mir noch nicht abzusehenden Berichtsgrundlage zu treffen sind, wird die Bundesregierung sowieso mit dem Parlament abstimmen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre weitere Nachfrage.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es wäre sehr sinnvoll, wenn die Offenlegung der Ergebnisse möglichst zeitnah erfolgt, damit Schlussfolgerungen gezogen werden können. Andernfalls ist die Bundesregierung nicht in der Lage, den Koalitionsvertrag in diesem Punkt einzuhalten. Sie wird wahrscheinlich nicht die Gelegenheit haben, es in der nächsten Legislaturperiode zu tun. Aber ich will mich in dieser Frage nicht festbeißen. Warten wir ab, was Sie liefern werden. Ich habe noch eine andere Frage. Ich würde gerne wissen, aus welchem Grund die Bundesregierung beim begünstigten Erwerb von BVVG-Agrarflächen bis heute daran festhält, dass Alteigentümer, die bereits als Pächter Flächen begünstigt erworben haben, sei es auch nur 1 Hektar, ihre Ausgleichsleistung, die ihnen als Alteigentümer zusteht, nicht mehr für den begünstigten Erwerb von BVVG-Flächen einsetzen können? Sieht die Bundesregierung darin keine Benachteiligung dieser Alteigentümer? Widerspricht dieses Kumulationsverbot nicht dem Geist des EALG? Dies frage ich auch vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrages, in dem Sie dieser Personengruppe Verbesserungen zugesagt haben.

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Frau Kollegin Behm, dass Sie uns im ersten Teils Ihrer Frage auffordern, den Koalitionsvertrag an dieser Stelle einzuhalten, zeigt, dass dieses Vorhaben auch von der Opposition unterstützt wird. Dafür möchte ich mich bedanken. Ich möchte Ihnen aber in dem Punkt widersprechen, dass Sie erwarten, dass diese erfolgreiche Koalition in der nächsten Legislaturperiode nicht weiterarbeiten wird. Ihre Erwartung werden wir durch ein gutes Wahlergebnis unsererseits enttäuschen. Zuletzt würde ich Sie darum bitten, mir Dispens zu erteilen, da sich Ihre Nachfrage sicherlich nicht auf den Sachverhalt bezieht, den Sie mit der eingereichten Frage angesprochen haben. Auf diese Sachverhalte, die eine Rechtsauslegung des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes betreffen, würde ich gerne schriftlich eingehen. Ich glaube, das ist entsprechend der Regeln hier durchaus möglich.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dispens erteilt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Die Frau Kollegin freut sich auf Post. Die Fragen 34 und 35 der Kollegin Barbara Höll werden schriftlich beantwortet. Damit schließen wir den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen ab. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Hier steht zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe zur Verfügung. Die Fragen 36 und 37 der Kollegin Beate WalterRosenheimer sowie die Frage 38 des Kollegen Volker Beck werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 39, die von unserer Kollegin Frau Britta Haßelmann gestellt wurde: Inwiefern ist die Bundesagentur für Arbeit beauftragt, wie in der 47. Kalenderwoche geschehen ({0}), Modellrechnungen für bestimmte alternative Konstellationen vorzunehmen, um deren finanzielle Auswirkungen abzuschätzen, und kann nach Ansicht der Bundesregierung auch der Bundesgesetzgeber solche Berechnungen in Auftrag geben? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Haßelmann, ich antworte Ihnen wie folgt: Die Bundesagentur für Arbeit ist Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. In ihrer fachlichen Verantwortung liegt insbesondere die Erbringung des Arbeitslosengeldes II durch die gemeinsamen Einrichtungen. In dieser Funktion kann sie sich zu Entwicklungen und Prognosen äußern. Die Befassung mit den Folgen von Veränderungen der Regelsatzhöhe spiegelt die Verantwortung der Bundesagentur für Arbeit für einen wirtschaftlichen Umgang mit den Mitteln des Bundes wider. Einen konkreten Auftrag, Modellrechnungen in dieser Angelegenheit durchzuführen, haben weder der Gesetzgeber noch die Bundesregierung erteilt. Grundsätzlich wären beide dazu berechtigt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Es ist ja sehr schön, Herr Staatssekretär, dass Sie mich über die Rechte aufklären; ich hatte mir schon gedacht, dass es in unserer und Ihrer Kompetenz liegt, die BA dazu aufzufordern. Mich würde interessieren, ob die Bundesregierung es für angemessen hält, dass sich die BA in tagespolitische Diskussionen einmischt und sich ausgerechnet an dem Tag, an dem die Beratungen zum Haushalt des Arbeitsund Sozialministeriums und die Kommentierung von Parteitagsbeschlüssen, zum Beispiel des Bündnisses 90/ Die Grünen, im Mittelpunkt standen, veranlasst sieht, offensiv Pressearbeit zu machen.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, ich habe Ihre Frage so beantwortet, wie Sie sie gestellt haben. ({0}) - Sie haben die Frage gestellt, ob auch der Bundesgesetzgeber solche Berechnungen in Auftrag geben kann. Ich bin davon ausgegangen, dass diese Frage ernst gemeint war, und habe sie von daher auch entsprechend ernsthaft beantwortet. Frau Kollegin, ich weiß nicht, inwieweit es sich hierbei um eine tagespolitische Frage handelt und was Sie darunter verstehen. Ich kann Ihnen nur sagen: Über die Angemessenheit öffentlicher Äußerungen entscheidet die Bundesagentur für Arbeit in eigener Zuständigkeit. Die Notwendigkeit eines aufsichtlichen Eingreifens durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird in diesem Zusammenhang nicht gesehen. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön. Ich hätte Sie jetzt gefragt, ob Sie das möchten.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Genau. - Auf welcher Faktenlage und auf welchem Zahlenmaterial beruhen die Angaben von Herrn Alt, der sich in der Presse geäußert hat, und inwiefern sind diese Zahlen mit den Zahlen abgeglichen, mit denen Sie, Herr Brauksiepe, und Herr Fuchtel als Staatssekretäre und die Bundesministerin arbeiten?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, die Ermittlung dieser Zahlen ist von der Bundesagentur für Arbeit beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Auftrag gegeben worden. Dazu ist das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auch in der Lage; dafür ist es da. Es hat ein entsprechendes Mikrosimulationsmodell erstellt und auf Basis dieses Modells Schätzungen durchgeführt. Dieses Modell berechnet für eine Stichprobe von Haushalten, das sogenannte Sozio-oekonomische Panel, Steuern und Abgaben sowie Ansprüche auf die wichtigsten Sozialleistungen. Die Ermittlung der Zahlen ist, wie gesagt, von der BA in Auftrag gegeben worden. Das sind die Zahlen, die dabei herausgekommen sind. Die Bundesregierung hat keinen Anlass, an der Plausibilität dieser Berechnungen zu zweifeln; nur darum geht es ja. Es geht nicht darum, etwas exakt zu beweisen, sondern es handelt sich um Modellrechnungen bzw. Simulationen, die, wenn ihre Ergebnisse sinnvoll sein sollen, auf plausiblen Annahmen beruhen müssen. Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, an der Plausibilität der entsprechenden Berechnungen zu zweifeln. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Haßelmann, Sie können keine dritte Nachfrage stellen. ({0}) - Sie müssen dem Staatssekretär überlassen, wie er antwortet. ({1}) Herr Kurth hat eine Nachfrage.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, die Bundesagentur für Arbeit könne solche Äußerungen in eigener Verantwortung treffen und entsprechende Berechnungen in eigener Verantwortung durchführen. Nun haben sich diese Berechnungen ja eindeutig auf einen Beschluss des Parteitags von Bündnis 90/Die Grünen bezogen. In die Berechnungen sind allerdings nicht die Parameter eingeflossen, die dem Parteitagsbeschluss zugrunde gelegen haben. Überdies waren die Äußerungen vonseiten der BA mit politisch wertenden Aussagen verbunden. So hat das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit Heinrich Alt gesagt, dass Hartz IV nicht zum Lebensmodell werden und Deutschland kein Volk von Transferempfängern werden darf. Halten Sie es für angemessen, dass die BA solche wertenden politischen Äußerungen trifft, und, falls ja, sind Sie dann damit einverstanden, wenn Vorstandsmitglieder der Bundesagentur etwa nach dem jetzt kommenden CDU-Parteitag über Ihre politischen Ergebnisse in ähnlicher Weise einseitig, selektiv, berechnend und wertend urteilen?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Zum ersten Teil der Frage: Ja. Des Weiteren kann ich nur wiederholen: Es gehört zum Verantwortungsbereich der Bundesagentur für Arbeit, auf einen wirtschaftlichen Umgang mit den Mitteln des Bundes hinzuwirken. Die Plausibilität der vorgenommenen Berechnungen ist aus Sicht der Bundesregierung nicht zu bestreiten. Das kann ich von daher nur wiederholen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann kommen wir zur Frage 40 des Abgeordneten Markus Kurth: Wie sind nach Ansicht der Bundesregierung die Äußerungen des Vorstandsmitglieds der Bundesagentur für Arbeit, BA, Heinrich Alt zu den Folgen einer Regelsatzerhöhung auf 432 Euro bzw. 482 Euro ({0}) vor dem Hintergrund des Gebotes der Neutralität und Unabhängigkeit, das die BA immer wieder betont, zu bewerten? Herr Staatssekretär.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Vielen Dank. - Herr Kollege Kurth, Sie beziehen sich in Ihrer Frage auf den gleichen Sachverhalt. Deswegen werden Ihnen Teile der Antwort vermutlich bekannt vorkommen. Denn ich antworte Ihnen wie folgt: Die Bundesagentur für Arbeit ist Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. In ihrer fachlichen Verantwortung liegt insbesondere die Erbringung des Arbeitslosengeldes II durch die gemeinsamen Einrichtungen. In dieser Funktion kann sie sich über Entwicklungen und Prognosen äußern. Die Befassung mit den Folgen von Veränderungen der Regelsatzhöhe spiegelt die Verantwortung der Bundesagentur für Arbeit für einen wirtschaftlichen Umgang mit den Mitteln des Bundes wider.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kurth, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Kern der Frage 40 war, wie diese Äußerung vor dem Hintergrund des Gebotes der Neutralität und Unabhängigkeit der BA, das die BA selbst immer betont, zu bewerten ist. Ich will Sie in diesem Zusammenhang von einem Schreiben von Heinrich Alt in Kenntnis setzen. Ich hatte ihn im Oktober gebeten, uns bezüglich des Verfahrens der Anrechnung von Einkommen Modellrechnungen zur Verfügung zu stellen und unsere parlamentarische Arbeit zu unterstützen. Herr Alt hat mir am 16. November, also vor gar nicht langer Zeit und nur wenige Tage vor seinen Äußerungen, geantwortet - ich zitiere -: Solche Modellrechnungen gehen über den Auftrag und die Rolle einer amtlichen Statistik hinaus. Um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, muss die BA die Gebote der Neutralität und Unabhängigkeit beachten. ({0}) Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund dessen, was Sie ausgeführt haben, und vor dem Hintergrund, dass Sie meiner Kollegin Haßelmann mitgeteilt haben, auch der Bundesgesetzgeber könne Aufträge erteilen, diese Antwort von Herrn Alt?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege Kurth, ich kann nur meine Auffassung wiederholen, dass die Vorlage plausibler Simulationsrechnungen keinerlei Verstoß gegen das Neutralitätsgebot beinhaltet. Ich bin der Meinung, dass man die Bundesagentur für Arbeit nicht für die Beschlüsse irgendeiner Partei verantwortlich machen kann. Man kann ihr darum auch nicht die Schuld für diese Beschlüsse zuschieben und kann nicht den Vorwurf erheben, dass sie zu einem bestimmten Thema plausible Simulationsrechnungen vorlegt. Ich möchte betonen, dass die Simulationsrechnungen, die in diesem Zusammenhang vorgelegt worden sind, alternativ von einer Erhöhung des Regelsatzes auf 432 Euro und 482 Euro ausgehen; das ist nie bestritten worden. Weder die eine noch die andere Zahl entspricht exakt der Beschlusslage irgendeiner Partei; aber es geht in die Richtung. Von daher sind plausible Simulationsergebnisse in diesem Zusammenhang durchaus von Relevanz.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kurth, Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte schön.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Halten Sie es für einen Zufall, dass diese Zahlen inklusive der einseitigen politischen Wertung durch Herrn Alt drei Tage nach Abschluss des Bundesparteitags von Bündnis 90/Die Grünen öffentlich geworden sind und just an dem Tage medienwirksam wurden, an dem der entsprechende Etat im Bundestag beraten wurde?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Nein. Ich sage nur noch einmal: Es geht nicht um Einseitigkeit. Wenn eine Modellrechnung durchgeführt wird auf der Basis eines Regelsatzes, der ziemlich genau auf der Höhe liegt, die von einer Partei angestrebt wird, und sich dabei plausibel Mehrkosten in Höhe von ungefähr 7,4 Milliarden Euro ergeben, dann ist das zunächst einmal eine Feststellung. Wenn Sie sagen: „Das ist aus unserer Sicht nicht viel Geld“, dann ist das Ihre politische Bewertung. Herr Alt hat diese Zahl nicht in irgendeiner Form bewertet, sondern er hat eine plausible Simulationsrechnung erstellen lassen und die Ergebnisse vorgetragen. Die Bewertung obliegt Ihnen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Haßelmann hat eine Nachfrage.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Brauksiepe, Sie nehmen in Ihren Stellungnahmen dauernd Bezug darauf, wie wichtig diese Modellberechnungen des IAB für Sie sind. Deshalb meine Frage: Beabsichtigen Sie, die Zahlen, die Sie in den Haushaltsplanberatungen für das BMAS und auch für das Bundesfinanzministerium zugrunde gelegt haben, jetzt zu korrigieren? Ihre Zahlen stimmen ja nicht mit den Zahlen des IAB überein.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, ich wage mich nicht - zumal in Anwesenheit des Staatssekretärs beim Bundesminister der Finanzen - in das Aufgabengebiet des Bundesfinanzministeriums. Soweit ich die Dinge im haushaltspolitischen Bereich kenne, werden für die Planungen der Bundesregierung im Haushalt entsprechende Ansätze gebildet. Mir ist nicht bekannt, dass für jeden Parteitagsbeschluss irgendeiner Partei ({0}) der Bundesfinanzminister oder eine andere Institution dann eine finanzielle Modellrechnung vorlegt. Ich sage noch einmal: Wir haben diese Modellrechnung nicht in Auftrag gegeben. Die Bundesagentur für Arbeit hat sie in Auftrag gegeben, offensichtlich aus gegebenem Anlass. Soweit mir das bekannt ist, haben die Grünen bei dem, was sie auf ihrem Parteitag beschlossen haben, nur Mehraufwendungen berücksichtigt, die bei denen anfallen, die tatsächlich schon im Leistungsbezug sind. Wenn Sie - im Gegensatz zu den plausiblen Annahmen des IAB - nicht berücksichtigen wollen, dass zusätzliche Menschen in den Leistungsbezug kommen, dass das Auswirkungen auf das SGB XII hat, dass das Auswirkungen auf das Einkommensteueraufkommen hat, dann ist das Ihr gutes Recht. Es ist aber auch das gute Recht der BA, beim IAB eine Studie in Auftrag zu geben, in der all diese plausiblen Annahmen zugrunde gelegt werden. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt kommen wir zur Frage 41 des Kollegen Markus Kurth: Ist es richtig, wie die Mitteldeutsche Zeitung am 22. November 2012 berichtet, dass die Bundesregierung „den Entwurf des vierten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung auf Betreiben der FDP deutlich geglättet“ habe, und welche Änderungen wurden konkret vorgenommen?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Kurth, ich antworte Ihnen wie folgt: Der Armuts- und Reichtumsbericht ist ein Bericht der Bundesregierung, zu dem alle Ressorts aus ihrem Zuständigkeitsbereich Beiträge erstellen. Der Gesamtentwurf ist nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung innerhalb der Bundesregierung abzustimmen. Derzeit erhalten Verbände und Wissenschaftler Gelegenheit zur Stellungnahme. Bis zur Vorlage der im Ressortkreis konsentierten Kabinettsfassung sind die Abstimmungs- und Änderungsprozesse noch nicht abgeschlossen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kurth, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie bewertet die Bundesregierung erstens, dass im vorliegenden Berichtsentwurf im Vergleich zu dem vom September nicht mehr von einer allgemeinen angemessenen Lohnuntergrenze die Rede ist? Zweitens. Wie bewertet die Bundesregierung, dass nicht mehr davon die Rede ist, dass Wirkungen des Betreuungsgeldes auf die Erwerbstätigkeit von Frauen überprüft werden müssen, und ebenso etwa der Hinweis fehlt, dass eine nachhaltige Finanzierungsbasis öffentlicher Aufgaben auch durch Vermögende geschaffen werden kann?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege Kurth, ich habe Sie darauf hingewiesen - unabhängig davon, dass ich davon ausgehe, dass Ihnen das bekannt ist -, dass der vierte Armuts- und Reichtumsbericht in der Ressortabstimmung ist und dass zurzeit Verbände und Wissenschaftler Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, den jetzigen Berichtsentwurf, der ja immer noch eine Entwurfsfassung ist und jetzt mit der Bitte um Stellungnahme an die entsprechenden Institutionen versandt worden ist, zu vergleichen mit einer früheren Entwurfsfassung, die es gegeben hat. Es ist ganz selbstverständlich, dass ein solcher Prozess innerhalb der Bundesregierung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Maßgeblich für die Position der Bundesregierung wird am Ende nicht das sein, was in irgendeiner Entwurfsfassung stand, sondern das, was im Armutsund Reichtumsbericht selbst steht. Ich kann Ihnen versichern - - Nein, versichern kann ich es Ihnen nicht, weil wir noch über einen Entwurf reden; aber ich kann Ihnen sagen: Ich gehe davon aus, dass das Thema „freiwilliges Engagement Vermögender“ auch in der Endfassung des Armuts- und Reichtumsberichts eine Rolle spielen wird. So ist es auch in früheren Entwurfsfassungen gewesen. Änderungen an dem Entwurf sind an vielen Stellen vorgesehen, was in diesem Zusammenhang ein völlig übliches Verfahren ist.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kurth, Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte schön.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Was sind die Gründe für die neuerliche Verschiebung der endgültigen Befassung des Kabinetts mit dem Armuts- und Reichtumsbericht? Ursprünglich sollte das bis Ende des Jahres geschehen. Wie kommt es, dass diese Verschiebung heute vom Bundeswirtschaftsministerium bekannt gegeben wurde, obwohl doch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales federführend ist?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Der Grund für die Verschiebung ist, dass die Ressortabstimmung noch nicht abgeschlossen ist. Ich bin nicht befugt, für das Bundeswirtschaftsministerium zu sprechen; der verehrte Staatssekretär Peter Hintze ist ja anwesend. Das Wichtige ist: Die Ressortabstimmung ist noch nicht abgeschlossen. Solange sie noch nicht abgeschlossen ist, gibt es diesen Bericht eben nicht. Er wird Ihnen aber in absehbarer Zeit vorliegen, und es wird dann genügend Gelegenheit geben, ihn zu diskutieren, Herr Kollege.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine Nachfrage der Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Brauksiepe, nach Ihren Ausführungen kann man also davon ausgehen, dass die Pressemeldungen vom heutigen Tag richtig sind, und zwar dahin gehend, dass zwischen dem Arbeits- und Sozialministerium und dem Wirtschaftsministerium große Konflikte in Bezug auf die Einschätzung der Armuts- und Reichtumssituation in Deutschland bestehen, deren Entwicklung ja dramatisch ist. Von einer Glättung des Berichtes ist ja schon die Rede gewesen. Meine Frage: Trifft es zu, dass dieser Bericht wirklich erst im nächsten Jahr im Kabinett vorliegen und somit auch erst im nächsten Jahr parlamentarisch beraten werden soll?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin Haßelmann, ich bitte um Verständnis dafür, dass mir nicht jede Pressemitteilung vom heutigen Tage bekannt ist, die ich nicht selbst verfasst habe. ({0}) Ich kann Ihnen nur noch einmal zusichern, dass der Bericht in Kürze vom Kabinett beschlossen werden soll und Sie genügend Gelegenheit bekommen werden, sich damit dann auch parlamentarisch auseinanderzusetzen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Fragen 42 und 43 des Abgeordneten Josip Juratovic werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 44 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert: Welche Rolle spielten Aktivitäten und Fragen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bei den DeutschRussischen Regierungskonsultationen sowie beim Petersburger Dialog im November 2012 in Moskau, und in welcher Weise waren Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen an diesen Ereignissen beteiligt?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Seifert, ich antworte Ihnen wie folgt: Die Behindertenpolitik und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sind grundsätzliche Anliegen in der bilateralen Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit Russland. Russland hat am 25. September 2012 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und ist an einem Austausch über Erfahrungen zur Umsetzung der Konvention interessiert. Deshalb wurde dieses Thema bereits im Rahmen eines bilateralen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Austausches auf Staatssekretärsebene im Juli 2011 aufgegriffen. Am 16. November 2012 fanden in Moskau die 14. Deutsch-Russischen Regierungskonsultationen statt. Dabei wurde zwischen dem russischen Ministerium für Arbeit und Sozialschutz und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vereinbart, ein sogenanntes MoU, ein Memorandum of Understanding, über die Zusammenarbeit zwischen beiden Ministerien zu erarbeiten, das auch Fragen bezüglich der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention behandeln soll. Da es sich hierbei um Regierungskonsultationen handelte, waren Verbände behinderter Menschen nicht beteiligt. Der Petersburger Dialog dagegen ist kein Regierungs-, sondern ein offenes Diskussionsforum, das die Verständigung zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder fördern soll. Es steht unter der Schirmherrschaft der jeweils amtierenden deutschen Bundeskanzlerin bzw. des jeweils amtierenden deutschen Bundeskanzlers und des jeweils amtierenden russischen Präsidenten bzw. der jeweils amtierenden russischen Präsidentin und findet in der Regel einmal jährlich abwechselnd in Deutschland und in Russland statt. Der Petersburger Dialog ist als bilaterale Tagung angelegt, die sich gesellschaftlichen Zeitfragen und Fragen der deutsch-russischen Beziehungen widmet. Teilnehmer sind Experten und Multiplikatoren aus allen Bereichen der Gesellschaften Deutschlands und Russlands. Der Petersburger Dialog wird von deutscher und von russischer Seite durch einen paritätisch besetzten, unabhängigen Lenkungsausschuss koordiniert, der das Gesprächsforum plant, thematisch vorbereitet und einberuft sowie die Finanzen für seine Durchführung sichert.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Seifert, Sie haben eine Nachfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Antwort, der ich entnehme, dass immerhin eine Vereinbarung getroffen wurde, dass weiterhin darüber geredet werden soll, wie die Konvention umgesetzt wird. Aber in der Konvention selbst steht - dazu haben sich Deutschland und Russland verpflichtet -, in allen Belangen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, diese Menschen und deren Organisationen einzubeziehen. Erstens eine Nachfrage in Bezug auf die Regierungskonsultationen: Wie wird das auf dieser Ebene gemacht? Die zweite Nachfrage: Sie sprachen gerade davon, dass der Petersburger Dialog ein sehr offener Gesprächskreis ist, wenn auch sehr hoch angesiedelt. Wie wird die Bundesregierung mit ihren Möglichkeiten darauf hinwirken - immerhin ist auf deutscher Seite die Kanzlerin die Chefin -, dass dieses Thema dort nicht nur immer wieder auf der Tagesordnung steht - es ist immerhin ein Menschenrechtsthema -, sondern dass auch die Betroffenen und ihre Organisationen in angemessener Weise einbezogen werden?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege Seifert, Sie wissen, dass der Bundesregierung die Behindertenpolitik und insbesondere das Thema der Inklusion ein großes Anliegen ist und dass wir es breit diskutieren. Sie kennen den Nationalen Aktionsplan und alle damit zusammenhängenden Aktivitäten. Auch wir persönlich begegnen uns bei zahlreichen solcher Aktivitäten und Veranstaltungen. Ich kann nur wiederholen, dass bei deutsch-russischen Regierungskonsultationen wie bei allen Regierungskonsultationen, wie der Name schon sagt, Regierungen miteinander reden und nicht Verbände. Dabei handelt es sich nicht um den Ausschluss von Verbänden für Menschen mit Behinderungen, sondern Regierungskonsultationen werden zwischen Regierungsmitgliedern geführt und nicht mit Verbänden. Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob ein Verband ein Verband für Menschen mit Behinderungen ist oder eine andere Funktion hat. Ich will auch noch einmal betonen, da Sie von „Chefin“ sprachen: Die Bundeskanzlerin ist Schirmherrin des Petersburger Dialoges. Das hat nichts mit dem Erteilen von Befehlen, mit Befehl und Gehorsam sowie mit Chefin bzw. Vorgesetzter und Nachgesetzter zu tun. ({0}) Sie ist die Schirmherrin. Ich wiederhole es gerne: Es gibt einen paritätisch besetzten, unabhängigen Lenkungsausschuss, der den Petersburger Dialog koordiniert, ihn plant, thematisch vorbereitet, einberuft und die Finanzen für seine Durchführung sichert. Diesem unabhängigen Lenkungsausschuss obliegen die Fragen, die Sie vermutlich mit dem Begriff „Chefin“ umschreiben wollen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Seifert, Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte schön.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, wenn ich die Presse richtig verfolge, dann sind, wenn auf Regierungsebene Gespräche geführt werden, im Gefolge einer solchen Regierungsdelegation immer auch Expertinnen und Experten, insbesondere aus der Wirtschaft, dabei, die in Gegenwart der Kanzlerin und der Ministerinnen und Minister verschiedene Verträge abschließen und auch anderes tun. Wieso können in einer solchen Delegation nicht auch Mitglieder von Behindertenorganisationen als Berater oder Beraterinnen sein? Wieso müssen das immer Vertreter von Wirtschaftsverbänden sein? Was den unabhängigen Lenkungsausschuss angeht: Ich finde es sehr gut, dass er unabhängig ist; das ist gar nicht mein Problem. Ich hatte Sie danach gefragt, welchen Einfluss Sie innerhalb dieses Lenkungsausschusses darauf nehmen, dass das Thema der Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention auf die Tagesordnung gesetzt wird und dass es mit den entscheidenden Expertinnen und Experten in eigener Sache verhandelt wird. Ich frage nicht, wie die Sache formal ist, sondern welchen Einfluss Sie in der bescheidenen Weise, die der Bundesregierung nun mal zusteht, nehmen.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege Seifert, es ist richtig, dass anlässlich von Regierungskonsultationen auch Abkommen unterzeichnet werden. Es gibt aber nicht für bestimmte Verbände sozusagen ein Privileg, im Rahmen von Regierungskonsultationen Abkommen unterzeichnen zu können. Ich wiederhole: Die Konsultationen werden zwischen den Regierungen geführt. ({0}) Dann, Herr Kollege Seifert, wenn ich in meinem bescheidenen Rahmen vertretungsweise an Regierungskonsultationen teilnehmen konnte, wurde ich von Vertretern des BMAS und der jeweils dort ansässigen deutschen Botschaft begleitet. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann. Regierungskonsultationen werden von Regierungsvertretern geführt. Der Lenkungsausschuss für den Petersburger Dialog ist unabhängig, und die Bundesregierung arbeitet mit großer Entschlossenheit an der Erfüllung der Pflichten, die sie auch durch die UN-Behindertenrechtskonvention und den Nationalen Aktionsplan eingegangen ist. Mit Verlaub, mein Eindruck ist: Im Weltmaßstab - wir reden nämlich über eine Behindertenrechtskonvention, die auf globaler Ebene existiert stehen wir als Bundesrepublik Deutschland nicht schlecht da. Die Bundesregierung leistet dazu ihren Beitrag.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ich rufe die Frage 45 der Abgeordneten Cornelia Behm auf: Hat die Bundesregierung bereits bzw. bis wann wird sie entsprechend der Bitte der Agrarministerkonferenz am 28. September 2012 in Schöntal zum Tagesordnungspunkt 39 „EEG und Biogas“ eine Studie in Auftrag geben, in der die Auswirkungen der Biogaserzeugung ({0}) und des dafür erforderlichen Energiepflanzenanbaus auf die Boden- und Pachtmärkte, die innersektoralen Wechselwirkungen sowie auf die Ernährungs- und Futtermittelindustrie mit transparenten Indikatoren untersucht werden, und wann ist mit der Vorlage der Ergebnisse zu rechnen bzw. ist sie geplant? Zur Beantwortung steht zur Verfügung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller.

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Frau Präsidentin, ich beantworte die Frage der Kollegin Behm mit einem freudigen Ja.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Behm, haben Sie eine Nachfrage?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das begrüße ich erst einmal. - Ich würde gerne wissen, ob die Bundesregierung unabhängig vom Inauftraggeben der Studie schon ein Zwischenfazit aus den zu Beginn des Jahres 2012 in Kraft getretenen Änderungen bei der EEG-Vergütung für Strom und Biogas ziehen kann, insbesondere unter Berücksichtigung dieser Verwerfungen oder Wirkungen auf Boden- und Pachtmärkte, auf die intersektoralen Wechselwirkungen sowie auf die Ernährungs- und Futtermittelindustrie.

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Diese Frage beantworte ich wie folgt: Das können wir sicherlich, aber nicht hier und nicht durch mich in dieser Fragestunde.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Behm, Sie haben eine weitere Nachfrage.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Die Diskussion über die Auswirkungen der Biogaserzeugung und des dafür erforderlichen Energiepflanzenanbaus auf die Boden- und Pachtmärkte und anderes wird seit Jahren geführt, auch auf der Basis von Studien. Die Debatte wird auch sehr kontrovers geführt. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung bisher aus diesen Studien gezogen? Wenn wir jetzt eine weitere Studie in Auftrag gegeben haben, dann liegt uns ein Konzert von Studien vor. Ich frage Sie: Verspricht sich die Bundesregierung von dieser weiteren Studie endlich Klarheit und eine klare Handlungsempfehlung für die zukünftige Gestaltung der Förderung der Biogaserzeugung?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Ja, das erwarten wir von dieser Studie. Deshalb haben wir sie in Auftrag gegeben. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin Behm, Sie hatten zwei Nachfragen. Eine weitere können Sie nicht stellen.

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

In den nächsten Monaten. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt steht bereit zur Beantwortung der Fragen. Wir kommen zur Frage 46 des Abgeordneten Ströbele: Bestätigt die Bundesregierung, dass rechtsextreme Äußerungen und Aktivitäten von Uwe Mundlos, NSU, bereits im Jahr 1994 während seines Wehrdienstes von Bundeswehrdienststellen festgestellt, an Behörden des Verfassungsschutzes übermittelt und vom Militärischen Abschirmdienst oder vom Verfassungsschutz bei Uwe Mundlos nachgefragt wurden ({0}), und wie rechtfertigt die Bundesregierung, dass sie meine schriftliche Frage 43 auf Bundestagsdrucksache 17/10583 nach rechtsextremen Äußerungen und Aktivitäten von Uwe Mundlos während oder vor seinem Wehrdienst ab 1994 am 31. August 2012 somit unvollständig und falsch beantwortet hat?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege, auf Ihre Frage kann ich antworten, dass es zutrifft, dass Uwe Mundlos, ein Mitglied der Terrororganisation NSU, bereits im Jahre 1994 in seiner Wehrdienstzeit durch rechtsextreme Äußerungen und Aktivitäten aufgefallen ist. Dies ist dem Militärischen Abschirmdienst durch Vorgesetzte des Uwe Mundlos gemeldet worden. Der MAD hat die operative Bearbeitung im September 1994 aufgenommen und Uwe Mundlos am 8. oder 9. März 1995 befragt. Dies ist dem 2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode, also dem NSU-Untersuchungsausschuss, im September dieses Jahres mitgeteilt worden, nachdem im MAD-Amt die nicht mehr genutzte Datei VERANDA, das heißt Verfahren zur Registrierung und Auswertung nachrichtendienstlicher Daten, zu Uwe Mundlos ausgewertet werden konnte. Dieser VERANDA-Auszug vom 19. September war bei der Antwort meines Kollegen Thomas Kossendey auf Ihre Frage vom 31. August in der von Ihnen in dieser Frage erwähnten Bundestagsdrucksache noch nicht bekannt. Gleichwohl war die Antwort vom 31. August dieses Jahres auch im Lichte des zu einem späteren Zeitpunkt aufgefundenen VERANDA-Auszuges zu Uwe Mundlos korrekt. Insbesondere ist in dieser Antwort keine Aussage zur Anzahl von Befragungen des Uwe Mundlos getroffen worden. Dessen ungeachtet lässt sich - das ist jetzt der Stand, den wir haben - dem VERANDA-Auszug vom 19. September lediglich eine Befragung durch den MAD entnehmen. Soweit in den von Ihnen zitierten Presseartikeln der Eindruck mehrerer Befragungen durch den MAD erweckt wird, kann eine mehrfache Befragung aufgrund der hiesigen Erkenntnisse jedenfalls nicht bestätigt werden. Im Übrigen findet eine Bewertung von Zeugenaussagen durch die Bundesregierung in einem laufenden Strafverfahren, in dem wir uns insofern gegenwärtig befinden, als über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden wird, nicht statt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Ströbele, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, dann halte ich erst einmal fest, dass Sie einräumen, dass die Bundesregierung meine Frage unvollständig und damit unrichtig oder falsch beantwortet hatte, weil sie auf die Frage nach den Aktivitäten und Äußerungen rechtsextremer Art des Herrn Mundlos lediglich die Befragung vom Frühjahr 1995 mitgeteilt hat, in der es um etwas ganz anderes gegangen ist, nämlich um rechtsextreme Gesänge innerhalb der Kaserne, gemeinsam mit vier anderen Kameraden, die im Zusammenhang mit der Befragung von Herrn Mundlos auch befragt worden sind. Die sind ja gleichzeitig befragt worden. Von den Ereignissen 1994, also ein Jahr vorher, war in der Antwort überhaupt keine Rede. Wie können Sie das denn erklären? Die Ereignisse 1994 waren doch sehr zahlreich. Damals ist Mundlos verhaftet und eine Nacht lang festgehalten worden, er ist nicht zum Dienst erschienen, es wurde ein strafrechtliches Verfahren gegen ihn durchgeführt, es ist sogar ein Strafbefehl erlassen worden und, und, und.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, Sie fragen mich nach MAD-Befragungen, die, wie wir wissen, für Strafverfahren nicht in dem Sinne herangezogen werden können, dass sie Teil eines Strafverfahrens sind. Es gab eine nachrichtendienstliche Aufklärung des MAD. Diese Befragung hat nach unseren Unterlagen - das lässt sich nicht mehr ganz genau anhand dieser wieder aktivierten VERANDA-Datei feststellen - entweder am 8. oder 9. März 1995 stattgefunden. Insofern muss ich Ihre Unterstellungen zurückweisen. Es handelt sich um den Vorgang, der den Zeitraum des Grundwehrdienstes von Uwe Mundlos vom 1. April 1994 bis zum 31. März 1995 betrifft. Es ist richtig: Er hat zu einer Gruppe von sechs Soldaten gehört, die durch gemeinsames Hören von Skinmusik und teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten aufgefallen waren. In der Folge wurden sie durch den Militärischen Abschirmdienst als Verdachtspersonen bearbeitet. Das ist die operative Bearbeitung, die im September 1994 begonnen hatte und dann nach unseren Unterlagen zu der Befragung im März 1995 geführt hat. Jedenfalls sind mir im Augenblick keine weiteren Unterlagen über Befragungen zugänglich. Wenn ich sie hätte, würde ich Ihnen aus diesen Unterlagen selbstverständlich Informationen geben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich weise darauf hin, dass in etwa fünf Minuten die Aktuelle Stunde beginnen wird. Ich gebe dem Kollegen Ströbele das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich muss leider darauf beharren: Meine Frage bezog sich auf „Äußerungen“, also Mehrzahl, und „Aktivitäten“, nicht „Aktivität“. Sie haben lediglich eine Aktivität bzw. Äußerung, also das Singen rechtsextremer Skinmusik, erwähnt, während Sie das, was ein Dreivierteljahr vorher gewesen ist, überhaupt nicht erwähnt haben. Also war es doch unvollständig. Das war dann die Befragung, von der Sie reden: die Befragung, bei der dieses andere Ereignis offenbar überhaupt nicht erwähnt worden ist, wie Sie behaupten - das von 1994 -, und bei der der MAD versucht hat, Herrn Mundlos als Informanten zu gewinnen. Trifft das zu?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege Ströbele, irgendwie sträube ich mich etwas dagegen, dass wir uns auf der Ebene von Spitzfindigkeiten unterhalten. Das kennen wir beide von unserem Niveau her nicht. Ich will noch einmal sagen, dass der Kollege Kossendey mitnichten nur von einem Vorfall oder von der Skinmusik berichtet hat. Ich habe seine Antwort da: „… teilweise mit rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten …“ - „Verhalten“ kommt hier also im Singular vor. Aber Verhalten misst sich üblicherweise an mehreren Vorkommnissen, sodass sich hier die Subsumtion möglicherweise ergeben soll. Wenn ich dann noch Ihre geschätzte Information erhalten sollte, worauf Ihr Vorwurf abzielt, dann werde ich mich auch bemühen, Ihre Frage zu beantworten. Aber irgendwie habe ich nicht den Punkt erreicht, dass ich Ihnen sagen müsste, mein Kollege Kossendey oder ich hätten in irgendeiner Weise Informationen vorenthalten, die dem Untersuchungsausschuss ja auch vorliegen. Sie wissen, das ist den Umweg über die sächsischen Verfassungsschutzunterlagen gegangen, sodass da wieder Unterlagen aufgetaucht sind. Soweit mir bekannt ist, hat sich bereits der NSU-Ausschuss auch mit diesem Komplex in der Befragung von Verantwortlichen des MAD auseinandergesetzt. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Ströbele, Sie hatten zwei Nachfragen. Daher müssen Sie die Kommunikation anderswo fortsetzen. Die Frage 47 der Abgeordneten Katja Keul wird schriftlich beantwortet. Die Frage 48 des Abgeordneten van Aken wird gar nicht beantwortet, weil der Kollege nicht anwesend ist. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Die Fragen 49 und 50 der Abgeordneten Monika Lazar werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach zur Verfügung. Die Frage 51 der Abgeordneten Dr. Martina Bunge wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 52 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert: Wie bewertet und berücksichtigt die Bundesregierung die Hinweise und Forderungen des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe, zum Entwurf der Bundesregierung zur Rechtsverordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, PID-Verordnung, und in welcher Weise waren Menschen mit Behinderung und deren Organisationen an der Erarbeitung des Entwurfs beteiligt ({0})? Frau Flach, bitte.

Ulrike Flach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003119

Danke, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege Dr. Seifert, die Beteiligung von Verbänden und Fachkreisen, deren Belange berührt sind, erfolgt im Rahmen der Erarbeitung der Rechtsverordnung auf der Grundlage des für die Rechtsetzung vorgesehenen Verfahrens der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Dies gilt auch für die Beteiligung des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Der Referentenentwurf der Verordnung ist darüber hinaus entsprechend dieser GGO durch das federführende Ressort in das Internet eingestellt worden. Damit wurde der Öffentlichkeit die Möglichkeit eingeräumt, von dem Verordnungsinhalt Kenntnis zu nehmen und dazu eine Stellungnahme abzugeben. Insgesamt war es damit den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, so auch Verbänden behinderter Menschen, möglich, ihre Positionen zu dem Verordnungsentwurf vorzutragen. Bei der Erarbeitung des Regierungsentwurfs, den das Kabinett in seiner Sitzung am 14. November 2012 beschlossen hat, ist den Bedenken des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen insoweit Rechnung getragen worden, als dies rechtlich möglich und Vorgaben nicht im Präimplantationsdiagnostikgesetz selbst begründet waren.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Abgeordneter Seifert, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatssekretärin, die Kritik des Behindertenbeauftragten war ja ziemlich deutlich und hatte zum Inhalt, dass die jetzt vorliegende Verordnung wesentlich weiter geht als das Gesetz, das der Bundestag beschlossen hat. Meine Frage dazu war, wieweit Sie das nicht nur bewerten, sondern auch berücksichtigen. In dem Zusammenhang möchte ich einfach die Frage stellen: Wie wichtig sind der Bundesregierung die Funktion und die Aufgaben des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen? Spricht er im Namen der Regierung, oder spricht er gegen die Regierung? Ich kann das nicht so richtig erkennen.

Ulrike Flach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003119

Herr Kollege Dr. Seifert, wir können eine Verordnung nur so abfassen, wie es das Parlament in seiner übergroßen Mehrheit gewollt hat. ({0}) So haben wir es getan, und wir können nicht darüber hinausgehen. Das haben wir auch nicht getan, ({1}) sondern wir haben uns ganz eng an die Vorgaben des Präimplantationsdiagnostikgesetzes gehalten. Der Behindertenbeauftragte hat eine sehr eigenständige Position; das wissen Sie. Er berät uns, aber er ist nicht Teil der Bundesregierung in dem Sinne, dass er sozusagen zwangsläufig mit eingebunden wird wie ein normales Ressort. Das, was er vorträgt und was wir als für diese Verordnung gegeben erachten, haben wir selbstverständlich berücksichtigt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Seifert, haben Sie eine weitere Nachfrage? Bitte schön.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Dazu kann ich jetzt nicht viel sagen. Offensichtlich ist es aber so, dass die Meinungen darüber, was in dem Gesetz steht, sehr unterschiedlich sind. Wir wissen, Frau Staatssekretärin, dass Sie und ich insoweit unterschiedlicher Meinung sind. Aber der Beauftragte sieht es offensichtlich nicht so, dass alles das, was in dem Gesetz steht, eingehalten worden ist; vielmehr meint er, dass wesentlich darüber hinausgegangen worden ist. Ich rede jetzt nicht von meiner Meinung, sondern von demjenigen, der von Ihrer Regierung dazu beauftragt worden ist, die Belange von behinderten Menschen wahrzunehmen. Ich meine, dass man zumindest sein Wort etwas ernster nehmen sollte als vielleicht das Wort eines kleinen Oppositionsabgeordneten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Flach, möchten Sie antworten?

Ulrike Flach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003119

Frau Präsidentin! Wir berücksichtigen immer das, was gegeben erscheint. In diesem Falle aber hat der Behindertenbeauftragte von vornherein eine völlig gegensätzliche Meinung zu dem, was das Parlament hier in seiner großen Mehrheit beschlossen hat. Wir können uns aber nur in diesem Rahmen bewegen, Herr Kollege Seifert.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Es gibt noch eine Nachfrage der Kollegin Vogler.

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt und wie bewertet die Bundesregierung es, dass es auch aus den Kreisen derjenigen Abgeordneten, die damals den Gesetzentwurf zur Präimplantationsdiagnostik, der schlussendlich zu dieser Verordnung geführt hat, eingebracht haben, erhebliche Kritik an dieser Verordnung gibt und sie ihre gesetzgeberische Intention, nämlich die PID für eine sehr begrenzte Zahl von Fällen zu ermöglichen, in dieser Verordnung völlig falsch wiedergegeben sehen?

Ulrike Flach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003119

Frau Kollegin Vogler, auch Sie waren ja nicht der Meinung der Mehrheit dieses Parlaments. Sie können si25592 cher sein, dass wir dieser Mehrheit sehr klug gefolgt sind. Sie haben mich gefragt, ob ich Einwände aus dem Kreis derjenigen, die unseren Antrag mitgetragen haben, kenne. Mir ist ein Schreiben eines Kollegen aus Ihrer Fraktion bekannt. Dieses Schreiben ist an den Bundesminister für Gesundheit gegangen und ist auch entsprechend beantwortet worden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1, Aktuelle Stunde, auf: Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Ökonomische und verfassungsrechtliche Auswirkungen der Vermögensteuerpläne von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich gebe das Wort dem Kollegen Olav Gutting für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Olav Gutting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Steuereinnahmen in Deutschland werden im laufenden Jahr die Rekordsumme von mehr als 600 Milliarden Euro überschreiten. In dieser Situation der Rekordeinnahmen auf Steuerseite fällt Rot-Grün nichts anderes ein, als nach weiteren Steuererhöhungen zu rufen - als da sind: die Erhöhung der Einkommensteuer um 7 Prozentpunkte, die Verdopplung der Erbschaftsteuer, die Anhebung des Rentenversicherungsbeitrages auf 22 Prozent - zumindest von der SPD vorgeschlagen -, viele weitere Abgabenerhöhungen und auch eine Vermögensteuer oder, wie es bei den Grünen heißt, eine Vermögensabgabe. Wir sind seit Jahren erfolgreich dabei, den Standort Deutschland in der europäischen Krise wettbewerbsfähig zu halten. Ganz am Anfang dieser Bemühungen waren ja auch Sie von der Opposition noch dabei. Diese Regierung, meine Damen und Herren, hat Deutschland wieder zur Wachstumslokomotive in Europa gemacht. Die Beschäftigungsquote ist sensationell, die Sozialversicherungskassen sind prall gefüllt, und die Steuerquellen sprudeln. ({0}) Und in dieser Situation wollen Sie mit einer Vermögensteuer oder mit einer Vermögensabgabe gerade unsere renditeschwachen Mittelständler ganz hart treffen! Mit dieser Vermögensteuer kommt es zu einer offenen oder auch verdeckten Substanzbesteuerung von Betriebsvermögen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW in Mannheim hat ausgerechnet, dass die effektive steuerliche Gesamtbelastung der Unternehmen durch Ihre Pläne um bis zu 19 Prozentpunkte steigt. ({1}) In dieser Situation fällt mir nur ein Spruch ein: Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis. ({2}) Vor wenigen Monaten hat die SPD-Troika den französischen Wahlkampf begleitet, hat ganz gespannt auf den Wahlkampf der Sozialisten in Frankreich geschielt. Tatsächlich hat ja François Hollande in Frankreich die Wahlen gewonnen, unter anderem mit der Forderung nach einem Spitzensteuersatz von 75 Prozent. Nun, der Katzenjammer folgt auf dem Fuß. Jeder, der immer noch daran geglaubt hat, dass man mit diesen Rezepten aus der sozialistischen Mottenkiste Staat machen kann, der braucht nur nach Frankreich zu blicken. Dort sieht man, wie die Grande Nation aktuell einen wirtschaftlichen Niedergang erlebt - und das wegen falscher Politik mit solchen Maßnahmen wie massiven Erhöhungen der Steuern. ({3}) Ihr Plan ist es, möglichst hohe Steuern aus einer möglichst kleinen Gruppe herauszupressen. Aber damit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, untergraben Sie die Steuerbasis in diesem Land. Sie untergraben die Steuerbasis der Gemeinschaft. Wenn Sie das Gefälle zwischen denjenigen, die Steuern bezahlen, und denjenigen, die verschont werden, immer größer werden lassen, setzen Sie zusätzliche Anreize, Steuern zu vermeiden - legal und illegal. Das zu verhindern, das müsste doch eigentlich unser aller Ansatz sein. Schauen wir uns einmal an, wie oftmals mit legalen Steuervermeidungsstrategien multinationale Unternehmen in Deutschland, in Europa Steuern vermeiden; Stichwort „Facebook“, Stichwort „Amazon“ oder „Google“. Dem müssen wir doch einen Riegel vorschieben. Gewinne, die in Deutschland, die in Europa gemacht werden, müssen auch hier versteuert werden. ({4}) Ich bin froh, dass Wolfgang Schäuble, unser Finanzminister, beim letzten G-20-Gipfel in Mexiko hier endlich die Initiative ergriffen und deutlich gemacht hat, dass es so nicht mehr weitergeht. Anstatt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, diejenigen immer stärker abzukassieren, die es noch in diesem Land hält und die in diesem Land regelmäßig ehrlich ihre Steuern bezahlen, sollten Sie sich lieber zusammen mit uns darum kümmern, dass wir Steuerschlupflöcher schließen und dass wir aggressive internationale Steuervermeidungsstrategien verhindern; denn die prellen unseren Staat, die prellen unsere Gemeinschaft. ({5}) Das beste Beispiel ist das von Ihnen hier und im Bundesrat abgelehnte Steuerabkommen mit der Schweiz. ({6}) Da hätten Sie die Möglichkeit gehabt, abgewandertes Vermögen in der Schweiz regelmäßig zu besteuern; 10 Milliarden Euro allein für die Vergangenheit. Was machen Sie? Aus parteitaktischen Gründen lehnen Sie das ab und schießen 10 Milliarden Euro in den Wind. Stattdessen wollen Sie die Steuern für die Ehrlichen hier in Deutschland noch erhöhen. ({7}) Eigentlich müsste man ja froh sein, dass Sie mit diesen Plänen den Wählerinnen und Wählern in diesem Land Ihr wahres Gesicht zeigen. Aber leider ist es so, dass allein schon durch diese Pläne massive Verunsicherung entsteht, massive Verunsicherung auch mit Blick auf Investitionen. Man kann zu Ihren Steuerplänen nur sagen: Sie sind verfassungswidrig. Sie sind arbeitsplatzgefährdend. Sie treffen am Ende sogar die sozial Schwachen, zum Beispiel bei der Miete. Sie sind krisenverschärfend, und sie sind deshalb unverantwortlich. Hören Sie damit auf! ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Joachim Poß hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihre Rede, Herr Gutting, hat gezeigt, was das Hauptproblem von Schwarz-Gelb ist: Sie sind entweder unfähig oder unwillig, die Realitäten in unserem Land zu erkennen. ({0}) Das ist offenkundig; denn die hinter unseren Vermögensteuerplänen stehende gesellschaftliche Realität, die zunehmende soziale Spaltung in Deutschland, spielt für Schwarz-Gelb keine Rolle. Nein, Sie verschärfen diese Spaltung noch durch Ihre Politik. ({1}) Noch in dem Entwurf des Armuts- und Reichtumsberichts hat Ihre Regierung festgestellt, wie die Situation ist. Dann manipulieren Sie einen solchen Bericht je nach politischem Bedarf. Die Realität wird dann durch Manipulation einfach ausgeklinkt. ({2}) Wie soll man denn auf einer solchen Grundlage zu einer vernünftigen Politik kommen? Gesellschaftspolitische Ignoranz bleibt das Markenzeichen von Schwarz-Gelb. Deswegen versuche ich mal, Ihnen die Realität zu schildern. Bei der Entwicklung der Einkommen haben wir auf der einen Seite Reallohnverlust bzw. -stagnation für Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den letzten 15 Jahren und auf der anderen Seite die Explosion von Managergehältern. ({3}) Auch die Vermögen unterliegen einer zunehmenden Konzentration. Die reichsten 10 Prozent halten 60 Prozent des privaten Gesamtvermögens. Über die soziale Spaltung darf man nicht einfach hinweggehen, wenn man dem Geist unserer Verfassung entsprechen will: Wir sind schließlich ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat. Also handeln Sie danach und beschäftigen Sie sich mit den Konsequenzen, die sich aus diesen Zahlen ergeben! ({4}) Übrigens: Starke materielle Ungleichheit destabilisiert eine Gesellschaft. Nur Ideologen behaupten das Gegenteil. Es gibt in Ihren Reihen Leute, die das Gegenteil behaupten. ({5}) Starke materielle Ungleichheit ist auch ökonomisch schädlich. Auch dazu gibt es interessante Studien. Das heißt, das Ausmaß an sozialer Ignoranz und Realitätsleugnung im konservativen Lager, mit Frau Merkel an der Spitze, ist erschreckend. Viele, auch in der sogenannten ökonomischen Elite unseres Landes, verschließen einfach die Augen vor dem, was sich um sie herum abspielt. Da wird von Ihnen ein juristischer Popanz aufgebaut. Mit argumentativen Winkelzügen wird behauptet, eine laufende Vermögensteuer sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Dagegen spricht allein schon, dass es in der Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte eine Vermögensteuer gegeben hat. ({6}) Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 diese Vermögensteuer nicht abgeschafft, sondern hat wegen der damaligen ungleichen Bewertung von Geld- und Immobilienvermögen lediglich ihre Erhebung in der damaligen Form nicht mehr gestattet. Ihnen geht es hier einzig und allein darum, im Interesse der Privilegierten in dieser Gesellschaft, von Milliardären und Multimillionären, zu einer Schonung von Vermögen zu kommen. Das ist Ihr eigentliches gesellschaftspolitisches Ziel und nichts anderes. ({7}) Hier wird von Ihnen außerdem immer die Betroffenheit des Mittelstandes vorgeschoben. ({8}) Es wird so getan, als seien die Mittelschicht und der Mittelstand in großer Weise betroffen. Sie bauen wie immer Pappkameraden auf, weil Ihre ganze Politik von der Feindbildpflege abhängt. Darauf reduzieren Sie sich. ({9}) Das ist zu wenig, um ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland zu führen. Richtig ist, dass eine wieder erhobene Vermögensteuer so ausgestaltet werden muss, dass betriebliche Investitionen und Beschäftigung nicht beeinträchtigt werden. Einen solchen Ansatz verfolgen wir. Sie machen aber etwas ganz anderes: ({10}) Ihre ökonomische Analyse ist unsachlich und demagogisch. Nach Ihnen geht die Welt unter, wenn die Vermögensteuer wieder eingeführt wird. Im Übrigen habe ich den Eindruck, dass diese Aktuelle Stunde Teil einer Kampagne von Wirtschaftsverbänden und einzelnen Medien mit dem Ziel ist, vor allem, wie ich es schon ausgedrückt habe, hohe und höchste Privatvermögen zu schützen. Ein moderner Staat, der Schulden zurückführen will, der Zukunftsinvestitionen realisieren will und der die Ungleichheit bekämpfen will, braucht aber eine angemessene finanzielle Beteiligung von Spitzenverdienern und sehr hohen Vermögen. Das müsste zumindest in der Volkspartei CDU/CSU verstanden werden. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Dr. Volker Wissing hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst hat die SPD die Vermögensteuer mit großem Tamtam angekündigt, dann hat das rot-grüne RheinlandPfalz einen konkreten Vorschlag vorgelegt, und jetzt bekommen Sie kalte Füße, weil Ihnen jeder vorrechnen kann, welchen Schaden Sie mit dieser Vermögensteuer in Deutschland anrichten würden. ({0}) Es ist doch klar, dass der Staat wenig von einer solchen Steuer hat. Der Erhebungsaufwand ist groß; die Steuergewerkschaft warnt, dass mit dem bisherigen Personalbestand eine solche Steuer gar nicht erhoben werden kann, ansonsten würde es zu massiven Ausfällen bei der Einkommensteuer kommen. Das heißt: Bestenfalls können Sie mit diesen Steuereinnahmen mehr Personal finanzieren, aber sonst gar nichts. Diese Steuer richtet großen Schaden an. Sie nützt niemandem, und zuletzt nützt sie dem Sozialstaat. ({1}) In Wahrheit ist es so, dass die SPD-Parteilinke ihren Kanzlerkandidaten wie einen „Tanz-Peer“ an der Nase durch die Arena geführt hat; ({2}) dann hat er gemerkt, dass das nicht zum Bild des Möchtegern-Helmut-Schmidt passt, und plötzlich warnt er davor, beim Thema Steuern zu überziehen. ({3}) Sie haben diese Warnung von Peer Steinbrück nicht nur ignoriert; Sie haben auch ganz gehörig bei den Ausgaben überzogen, indem Sie mal eben ein 30-MilliardenEuro-Rentenkonzept beschlossen haben. Sie haben außerdem mit Ihren Steuerforderungen gehörig überzogen. Ihre Vermögensteuer ist eine Substanzsteuer, die Unternehmen bei rückläufigen Gewinnen nur durch den Abbau von Arbeitsplätzen erwirtschaften können. Deswegen ist sie unsozial; denn sie nimmt denen die soziale Sicherheit, die sie am dringendsten brauchen, nämlich den Beschäftigten, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir werden Deutschland davor bewahren, dass Sie Hand an Arbeitsplätze anlegen. ({4}) Das Problem der Vermögensteuer als Substanzsteuer liegt darin, dass sie genau an dem Ast sägt, auf dem der Sozialstaat sitzt. Wenn Sie private Vermögenssubstanz wegbesteuern, nimmt der Staat durch diese Steuer am Ende nämlich überhaupt nichts mehr ein. ({5}) Das soll jetzt nur nicht deutlich werden; im Wahlkampf wollen Sie in der Öffentlichkeit kein konkretes Steuermodell diskutieren. Der SPD-Linken haben Sie die Enteignung von Privatvermögen versprochen, ({6}) und Peer Steinbrück darf so tun, als sei er ein guter Onkel, den der Mittelstand ruhig wählen kann. Das werden wir Ihnen aber nicht durchgehen lassen, sondern wir werden das aufdecken. ({7}) Was Rot-Grün wirklich will, das können Sie anhand der grünen Vermögensabgabe deutlich erkennen. Sie wollen an Privatvermögen in Deutschland heran. Sie wollen eben nicht, Herr Kollege Poß, an die Konzernvermögen heran. Die sind bei den Grünen extra ausgenommen. ({8}) Beteiligungsgesellschaften, Konzerne: keine Vermögensabgabe; private mittelständische Unternehmer: Vermögensabgabe. Das ist die Wahrheit. Sie täuschen die Öffentlichkeit, indem Sie eine Verdrehung der Tatsachen hier an diesem Pult vortragen. ({9}) - Wissen Sie, der SPD kommt doch Ihre Vermögensabgabe entgegen, weil danach das gesamte SPD-Parteivermögen verschont bleibt. Das ist doch die scheinheilige Strategie dieser Sozialdemokraten: dem privaten Mittelstand in die Tasche greifen und das eigene Parteivermögen von der Besteuerung ausnehmen! ({10}) Ihre Strategie geht nicht auf. Sie sind entlarvt. ({11}) Sie wollen den Mittelstand abkassieren, nicht Konzerne und Beteiligungsgesellschaften. Sie wollen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Inflationsausgleich durch Abbau der kalten Progression verweigern. Selbst die Anhebung des steuerfreien Existenzminimums, was verfassungsrechtlich geboten ist, verweigern Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. ({12}) Das SPD-Parteivermögen wollen Sie vor Steuern schützen. Im Grunde genommen planen Sie genau das Gleiche wie beim letzten Mal. Mit einer Vermögensteuer werden Sie Ihre Mehrausgaben in Milliardenhöhe nicht finanzieren können. Sie wollen sich das Geld von denen holen, von denen Sie es sich schon immer geholt haben, nämlich von den Beschäftigten, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der arbeitenden Mitte in Deutschland. Wie das funktioniert, haben Sie schon einmal vorgeführt: ({13}) 25 Milliarden Euro hat die SPD sich über die Mehrwertsteuererhöhung von der gesellschaftlichen Mitte geholt ({14}) und nur 500 Millionen Euro über die Reichensteuer. Sie stellen die Vermögensteuer ins Schaufenster; finanzieren wollen Sie Ihre Ausgaben jedoch mit dem Geld der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das wollen Sie der Öffentlichkeit verschweigen. Deswegen ziehen Sie Ihre konkreten Pläne zurück. Wir werden das transparent machen und werden Sie an diesem Punkt stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({15}) Mit der Verweigerung der Anhebung des Existenzminimums und des Inflationsausgleichs für Beschäftigte haben Sie bereits mit dieser unsozialen Politik begonnen. Soziale Gerechtigkeit ist eben mehr als ein Versprechen höherer Sozialleistungen. Soziale Gerechtigkeit besteht auch in einer gerechten Besteuerung der Leistungsträgerinnen und Leistungsträger dieser Gesellschaft, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie verweigern ihnen Gerechtigkeit. Sie wollen Vermögen besteuern, die SPD aber ausnehmen. Ich sage Ihnen: Wenn Unvermögen besteuert würde, dann müsste die SPD bezahlen. ({16})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Barbara Höll hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissing, wer sich im Rahmen der Haushaltsberatungen einfach mal so bei der KfW und den Sozialkassen bedient, der sollte hier lieber schweigen. ({0}) Die Diskussion zu Vermögensteuer und Vermögensabgabe wirft verschiedene Fragen auf. Erstens: Entsprechen sie dem Grundgesetz? Das müssen wir uns als Gesetzgeber immer fragen. Die klare Antwort lautet: Ja. Das brachte Professor Böckenförde bereits 1995 in seinem Minderheitenvotum zum Ausdruck. Inzwischen gibt es viele entsprechende Gutachten. ({1}) Das ist geklärt: Sowohl eine Vermögensbesteuerung als auch eine Vermögensabgabe sind verfassungskonform. 25596 Nebenbei gesagt: Wir haben bereits 1999 und 2001, damals als PDS, Anträge auf Wiedererhebung der Vermögensteuer gestellt. Damals haben dies alle abgelehnt. Ich bin froh, dass inzwischen drei Fraktionen die Position vertreten, dass wir das machen können und müssen. ({2}) Zweitens: Ist es berechtigt? Ja. Die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen hat seit 2000 massiv zugenommen. Es gibt dafür zwei Hauptgründe. Der eine Grund ist die Steuergesetzgebung, für die Rot-Grün verantwortlich war: Der Spitzensteuersatz wurde gesenkt, der Körperschaftsteuersatz wurde gesenkt, die Steuerfreiheit bei Veräußerungsgewinnen wurde eingeführt. Wenn man all das zusammenrechnet, sprich: wenn wir heute die Steuergesetzgebung von 1999 hätten, dann hätten wir insgesamt mindestens 490 Milliarden Euro mehr eingenommen. Der zweite Grund ist die Niedriglohnpolitik, die seit Rot-Grün massiv vorangetrieben wird; Sie haben sie fortgeführt. Wir haben Reallohnverluste von 4 Prozent. Man muss sagen: Gerade die Menschen, die schon im Niedriglohnsektor tätig sind, haben noch viel höhere Reallohnverluste zu verzeichnen, nämlich bis zu 19 Prozent. Das Ergebnis dessen: eine wachsende Armut und eine schrumpfende Mittelschicht. Wenn Sie sich hier so gerieren, sollte Ihnen vor allem Folgendes zu denken geben: 1998 zählten noch gut 64 Prozent der Bevölkerung zur Mittelschicht; dieser Anteil ist innerhalb von 10 Jahren um knapp 6 Prozentpunkte geschrumpft. Diejenigen, die sich jetzt noch zur Mittelschicht zählen, wissen, dass sie kaum noch eine Chance haben, nach oben zu kommen; es gibt eine massiv verbreitete Angst, abzurutschen. Das ist garantiert nicht motivationsfördernd, und dafür sind Sie mit Ihrer Politik verantwortlich. ({3}) Die öffentliche Hand ist so verschuldet, dass ein regelrechter Investitionsstau entstanden ist, insbesondere auf Kosten der Kinder und Jugendlichen. Schauen Sie doch einmal, wie es in den Kommunen aussieht: Sporthallen fallen zusammen, ({4}) Schulen fehlen, Kitas werden nicht geschaffen. Eine Steuer, auch eine Vermögensteuer, kann die primäre Ungleichverteilung in der Bundesrepublik sicher nicht beseitigen. Wir brauchen Mindestlöhne und Reallohnanwüchse; das ist völlig unbestritten. Aber Steuerpolitik kann ihrem Namen gerecht werden und tatsächlich steuern. Dazu ist die Vermögensteuer da. In besonderen Fällen kann man auch eine Abgabe erheben, in diesem Falle eine Vermögensabgabe. ({5}) Drittens: Spricht nun etwas dagegen? ({6}) Wir haben gestern eine Diskussion mit der Industrie geführt. Da wurde gesagt: Es gibt keine Datenbasis; das alles ist unseriös. - Das finde ich nun wirklich extrem dreist. Die Datenbasis fehlt seit der Aussetzung der Erhebung der Vermögensteuer im Jahr 1997. Sie haben sich in keiner Weise bemüht, irgendwie an entsprechende Daten heranzukommen, ({7}) aber werfen denjenigen, die Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen anführen, vor, das sei unseriös. Das ist eine Frechheit ohnegleichen. ({8}) Es gibt jedoch einen Vergleich mit anderen Staaten in Europa. Der Anteil der Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern, also aus Grundsteuer, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer und Vermögensteuer, am Bruttoinlandsprodukt beträgt in Deutschland 0,9 Prozent. Im OECD-Durchschnitt sind es 1,8 Prozent, also doppelt so viel. ({9}) In den EU-27-Staaten beträgt der Anteil 2,6 Prozent. In unserer Staatskasse wäre viel mehr Geld, wenn wir wenigstens den Durchschnitt der OECD-Staaten erreichen würden. ({10}) Sie sagen, eine Vermögensteuer bedrohe die Wirtschaft. Mir ist nicht bekannt, dass die Wirtschaft vor 1997 völlig am Boden lag, weil es eine Vermögensteuer gab. Ich weiß deshalb nicht, warum das jetzt der Fall sein sollte, wenn wir sie wieder erheben. Sie sprechen von Erhebungskosten, Herr Wissing. Das ist doch Quatsch. Natürlich sagt die Steuer-Gewerkschaft: Wenn wir eine weitere Steuer erheben sollen, dann brauchen wir mehr Steuerbeamte. - Das ist doch auch logisch. Das ist keine Warnung; das ist eine berechtigte Forderung. Die Erhebungskosten sind trotzdem nicht so hoch, weil wir durch die Neuregelung der Erbschaftsteuer bereits eine Grundlage dafür haben, wie Grund und Boden verkehrsnah bewertet werden können. Sie sagen immer, die Reichen seien schon so belastet. Da blutet mir immer das Herz. Ein Drittel der Menschen, die abhängig beschäftigt sind, zahlen gar keine Steuern, weil sie zu wenig verdienen. Die Höhe des Anteils, welchen eine bestimmte Gruppe leistet, sagt doch nichts über ihre Belastung aus. Das ist doch, als vergleiche man Birnen mit Äpfeln. Das hat doch keinen Aussagewert. Nehmen wir einmal an, ein einziger Mensch würde das gesamte Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik verdienen und alle anderen bekämen Hartz IV, ({11}) nur dieser eine würde also Steuern zahlen. Er hätte dann eine Belastung von 100 Prozent. Ob derjenige aber 1 Million oder 1 Milliarde Steuern zahlen müsste, ist etwas völlig anderes. Lassen Sie dieses Argument deshalb also beiseite. ({12}) Es gibt zwei Aufgaben, die wir erledigen müssen ich möchte sie kurz nennen -: Wir brauchen Infrastruktur, und wir brauchen eine Vorsorge für die Risiken, die mit der Euro-Krise verbunden sind. Deshalb: Ja zur Vermögensteuer und Ja zur Vermögensabgabe. Ich danke Ihnen. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für Bündnis 90/Die Grünen hat Lisa Paus das Wort.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Koalition! Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken, dass ich heute im Rahmen der Aktuellen Stunde noch einmal das Konzept der Grünen zur Vermögensabgabe vortragen kann, auch wenn es dafür keinen aktuellen Anlass gibt. ({0}) Unser Konzept gibt es schon länger. Wir haben es ausgearbeitet, wir haben die Erstellung eines Gutachtens beauftragt, und seit September dieses Jahres liegt diesem Haus ein fertiger Gesetzentwurf vor. Wir haben ihn nicht zurückgenommen, er liegt vor, und wir wollen ihn diskutieren. ({1}) Wir finden es bedauerlich, dass wir nach wie vor die einzige Partei im Deutschen Bundestag sind, die einen konkreten Vorschlag vorlegt, wie man die Schulden in Deutschland tatsächlich abbauen kann. ({2}) Sie reden davon, dass es Rekordsteuereinnahmen gibt, machen aber neue Schulden. Sie reden davon, dass Sie ab 2014 keine neuen Schulden machen wollen, tun aber nichts für den konkreten Schuldenabbau. ({3}) Unser Vorschlag liegt vor. Seit drei Jahren beschäftigen wir uns mit den Kosten, die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise entstanden sind. Die Schuldenstandquote Deutschlands hat sich von 60 auf 80 Prozent erhöht. Ihre Bundeskanzlerin Angela Merkel ist verantwortlich für 400 Milliarden Euro neue Schulden. Von Ihnen kommt kein einziger Vorschlag zum Schuldenabbau. ({4}) Wir haben einen. Setzen Sie sich damit vernünftig auseinander. ({5}) Wir fragen: Wer soll das alles zahlen? Sie bleiben eine Antwort darauf schuldig. Wir haben uns entschieden: Es sollen eben nicht die Ärmsten der Armen zahlen, und wir wollen auch keinen weiteren Soli einführen. Wir sagen: Es ist berechtigt, zur Deckung der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise entstandenen spezifischen Kosten eine einmalige Vermögensabgabe zu erheben, die ganze 330 000 Personen in Deutschland treffen wird, also weniger als 1 Prozent der Steuerpflichtigen in Deutschland. Die Einführung einer Vermögensabgabe würde einen signifikanten Beitrag zum Abbau der Verschuldung leisten. 100 Milliarden Euro über zehn Jahre wären dadurch einzunehmen. ({6}) Diese einmalige Abgabe in Höhe von 1,5 Prozent pro Jahr, über zehn Jahre zahlbar, ist von natürlichen Personen zu entrichten. Ich habe von 330 000 Personen gesprochen. Wie kommt diese Zahl zustande? In unserem Modell sind relevant hohe Freibeträge vorgesehen: 1 Million Euro pro Person und 250 000 Euro pro Kind. ({7}) Außerdem haben wir die Extraregelung vorgesehen, dass für Betriebsvermögen ein Freibetrag von 5 Millionen Euro gilt. Eine Substanzbesteuerung von Betriebsvermögen haben wir definitiv ausgeschlossen. Wer keine Gewinne macht, der muss auch keine Abgabe zahlen. ({8}) Maximal 35 Prozent des Gewinnes würden der Vermögensabgabe unterliegen. ({9}) Ein Beispiel: Bei einem Betriebsvermögen von 6 Millionen Euro, wären für die Vermögensabgabe ganze 0,25 Prozent pro Jahr fällig. Das ist eine zusätzliche Belastung. ({10}) Sie ist aber tragbar. - Damit unterbreiten wir einen vernünftigen Vorschlag, anders als die FDP in Bayern. ({11}) Ihnen ist die Aufkündigung der Solidarität tatsächlich den wahnwitzigen Vorschlag wert, für das Land Berlin eine Einkommensteuer mit einem Spitzensteuersatz von 71 Prozent einzuführen. Die FDP von Bayern rühmt sich, zusammen mit Herrn Professor Lars Feld einen Vorschlag vorzulegen, der folgende Einkommensteuerspitzensätze zur Folge hätte: Niedersachsen 55 Prozent, Berlin 71 Prozent, ({12}) Brandenburg 51 Prozent. Die FDP macht solche Vorschläge und erzählt uns etwas von irgendwelchen nicht tragbaren Belastungen. Das ist einfach absurd. ({13}) Dann wurde wieder das Argument vorgebracht, dass die Unternehmen und die Reichen flüchten würden. Auch das ist nach unserem Konzept für eine Vermögensabgabe schlichtweg nicht möglich, weil ein Stichtag vorgesehen ist, der in der Vergangenheit liegt. ({14}) Deswegen sind die üblichen Diskussionen, eine Vermögensteuer führe zu Ausweichmöglichkeiten und Anpassungsproblemen, die negativ auf die Wirtschaft wirkten, bei diesem Konzept definitiv nicht angebracht. ({15}) Im Gegenteil: Da der Stichtag in der Vergangenheit liegt und man sich der Vermögensabgabe nicht entziehen kann, der Schuldenstand in Deutschland dadurch aber signifikant reduziert wird und die Wettbewerbsbedingungen des Standorts Deutschland verbessert werden, ist die Vermögensabgabe eher ein Grund, hierzubleiben, als Deutschland zu verlassen. Insofern ist dieses Argument nachgerade absurd. Es bleiben noch zwei letzte Argumente: Wenn ihr nichts mehr einfällt, dann bringt die FDP das Thema Bürokratiekosten vor. Das ist völlig klar. ({16}) Auch diesbezüglich sollten Sie bei der Wahrheit bleiben und sich konkret mit unserem Konzept auseinandersetzen. Unser Vorschlag zur Vermögensabgabe würde weniger als 1 Prozent Erhebungskosten mit sich bringen. Den Vorwurf „Bürokratie“ lasse ich mir von einer Koalition, die ein sogenanntes Bildungs- und Teilhabepaket beschlossen hat, mit dem ein Bürokratieaufwand von 30 Prozent verbunden ist - für jeden ausgereichten Euro sind 30 Cent Bearbeitungskosten notwendig -, nicht aufs Butterbrot schmieren. ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, Sie wäre dann am Ende Ihrer Redezeit.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gut, dann komme ich zum Ende. ({0}) Ich hätte noch viel zu sagen. Ich würde auch zur Verfassungsdebatte gerne noch etwas sagen. Das spare ich mir aber jetzt. Stattdessen gebe ich Ihnen nur noch Folgendes mit auf den Weg:

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin!

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es war schon mehrmals so, dass die übrig gebliebenen Sympathisantinnen und Sympathisanten von dieser Koalition ({0}) zumindest weiter waren als die FDP. Ihren Vorschlag einer Steuersenkung haben Sie schon wieder korrigiert. Bei diesem Thema ist die Situation ähnlich: Über 60 Prozent aller, auch Ihrer Wählerinnen und Wähler wollen eine Vermögensbesteuerung; das verdeutlichen die Umfragen. Folgen Sie endlich dem Wunsch Ihrer Wählerinnen und Wähler. Herzlichen Dank. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU hat das Wort der Kollege Dr. Mathias Middelberg. ({0})

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich greife als Erstes das Stichwort „Schuldenabbau“ auf, das Frau Paus genannt hat. Dabei hat sie mustergültig die Vermögensabgabe als Lösung präsentiert. Beim Thema Schuldenabbau können einem natürlich auch andere Dinge einfallen: Strukturen umbauen, einfach einsparen oder Bürokratie abbauen. Auch durch solche Maßnahmen kann man sparen. Das tun wir zum Beispiel, indem wir die Bundeswehr reformieren und dafür sorgen - das können Sie feststellen, wenn Sie das aufmerksam verfolgen -, dass das Ausgabentableau des Bundeshaushalts seit mehreren Jahren, seitdem wir die Verantwortung traDr. Mathias Middelberg gen, stabil ist. Wir haben die Ausgaben in diesem Land nicht gesteigert, und obwohl wir relativ niedrige, wettbewerbsfähige Steuersätze in Europa haben, haben wir Rekordsteuereinnahmen zu verzeichnen. Wir haben also überhaupt keinen Grund, ({0}) hier über Steuererhöhungen oder neue Steuern nachzudenken. Damit würden wir nur den negativen Beispielen in Europa nacheifern. Bei Ihnen ist das Programm noch viel heftiger: Es geht um die neue Vermögensteuer. Es geht darum, dass Sie die Einkommensteuer um 7 Prozentpunkte anheben wollen. Sie wollen die Abgeltungsteuer anheben, wenn Sie regieren. Sie wollen die Unternehmensteuern insgesamt anheben. Sie wollen die Gewerbesteuer ausdehnen, und Sie wollen zusätzliche Abgaben in den Bereichen Rente und Gesundheit. - Wer Sie in einem Jahr wählt, der organisiert also eine riesige Steuer- und Abgabenorgie für das ganze Land. Das muss man den Menschen schon jetzt ehrlich sagen. ({1}) Wer das, was Sie uns als Modell präsentieren, aufmerksam verfolgt und analysiert, der sieht, dass das das Modell Frankreich ist. Die Franzosen fahren mit diesem Modell im Moment fast schon an die Wand. In Frankreich gibt es schon jetzt eine höhere Staatsquote. Diese würden auch wir bekommen, wenn wir die Reform so umsetzen, wie Sie das auf Ihren Parteitagen beschlossen haben. Wir haben jetzt eine Staatsquote von 47 Prozent. In Frankreich liegt die Quote bei 57 Prozent. Deshalb hat man dort große Probleme. Die Franzosen haben schon höhere Steuersätze, und sie haben eine Vermögensteuer. Trotzdem haben sie daraus geringere Steuereinnahmen, weil die Leute - ich sage das ganz offen - keine Lust haben, an diesem Standort zu investieren. Sie gehen im Zweifel lieber nach Deutschland und investieren dort. Wir finden es richtig und gut, dass man bei uns investiert, dass wir vielleicht nicht ganz so hohe Steuern erheben, dass die Steuererträge aber hier bei uns anfallen und dass wir die Arbeitsplätze haben. ({2}) Das ist die Wahrheit. Gleiches gilt für das Thema Rente. Sie verabschieden sich gerade von der Rente mit 67. Die Franzosen haben eine Rente mit 60. Das schafft doch die Probleme. In Frankreich ist die Arbeitslosigkeit fast doppelt so hoch. Die Jugendarbeitslosigkeit ist fast dreimal so hoch. Das ist doch kein Vorbild. Da wollen wir doch nicht hin. ({3}) - Herr Poß, wenn wir all das machen würden, was Sie auf Ihren Parteitagen beschließen, dann würden wir genau dahin kommen, wo die Franzosen jetzt sind. Die Franzosen sind nicht unser Vorbild. Da wollen wir nicht hin. ({4}) Hollande fängt allmählich an, das zu kapieren. Er steuert um, indem er jetzt ein Programm einleitet, um die Unternehmen steuerlich zu entlasten, ({5}) weil er das erkannt hat und klüger ist als Sie. Die Vermögensteuer trifft nicht nur irgendwelche reichen Privatleute, die nichts mit ihrem Geld anzufangen wissen, sondern vor allem den Mittelstand in diesem Land. Das verschweigen Sie gern. Sie trifft das Rückgrat dieser Wirtschaft und damit letzten Endes auch die Arbeitsplätze. Der Kollege Gutting hat eben zu Recht gesagt: Das ZEW hat Mehrbelastungen zwischen 14 und über 19 Prozent für die mittelständischen Unternehmen ausgerechnet. ({6}) Was meinen Sie, wie diese Unternehmen das Geld wieder hereinholen? Sie müssen doch sparen, um das Geld wieder hereinzubekommen. ({7}) Es macht doch kein Unternehmen 14 oder 19 Prozent Gewinn. Das heißt, das Geld muss irgendwie wieder hereinkommen. Ich will Sie an ein Zitat eines Finanzpolitikers erinnern, der, zumindest was seine damalige Erkenntnis anging, nicht ganz schlecht drauf war. ({8}) Es ging dabei um die Unternehmensteuerreform 2007/ 2008. Er sagte: Wenn wir jetzt keine Steuerreform machen - es ging damals um die Absenkung der Unternehmensteuer -, dann wird Deutschland weiter an Steuerbasis verlieren, und die Staatseinnahmen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben werden auf Dauer nicht mehr, sondern weniger. - Das hat er damals klug erkannt. Sie haben es richtig erraten: Das war Ihr Kanzlerkandidat. Es ist bedauerlich und blamabel, dass Herr Steinbrück heute nicht an dieser Debatte teilnimmt; denn er müsste jetzt das genaue Gegenteil von dem vertreten, was er uns damals verkündet hat. ({9}) Er hat uns damals gesagt: Mit niedrigeren Unternehmensteuern locke ich Unternehmen an. Ich verbreitere die Steuerbasis und mache dieses Land tragkräftiger. Ich stärke den Mittelstand und schaffe zusätzliche Arbeitsplätze. - Diese Erkenntnis war damals richtig. Sie ver25600 kaufen uns hier heute einen Popanz. Das ist eine riesige Täuschungsorgie, und der, der das vertreten soll, ist gar nicht präsent und kämpft dafür. Das zeigt, dass er gar nicht dahintersteht. Deshalb können wir dem in keinster Weise auch nur gedanklich nachfolgen. ({10}) Mit einer Vermögensteuer würden wir die Substanz unseres Mittelstandes treffen und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland vor die Wand fahren. Danke. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für den Bundesrat erhält jetzt der Landesminister Carsten Kühl das Wort. ({0}) Dr. Carsten Kühl, Staatsminister ({1}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst sehr herzlich für die Gelegenheit, hier als Ländervertreter zu reden. Die Vermögensteuer ist eine Ländersteuer. Daher ist es vielleicht ganz interessant, was die Länder dazu zu sagen haben. Nach einigen Vorreden habe ich, so denke ich, die Gelegenheit, mit dem einen oder anderen hartnäckigen Vorurteil aufzuräumen bzw. zur Versachlichung der Diskussion beizutragen. Wer über die Vermögensteuer redet, der muss über Veränderungen in unserer Gesellschaft reden, über die demografischen Veränderungen und darüber, dass sich die Einkommens- und Vermögensverteilungen in unserer Gesellschaft verändert haben. Dies geht man nicht an, indem man im Vorwort zum Armuts- und Reichtumsbericht den Satz wegnimmt, dass sich die Privatvermögen in den letzten Jahren deutlich unterschiedlich verteilt haben. ({2}) Wer über die Vermögensteuer redet, der muss darüber reden, dass sich unsere finanzpolitischen Leitlinien verändert haben, dass wir alle gemeinsam der Auffassung sind, dass mit der Schuldenbremse die Konsolidierung eine besondere Priorität erhalten hat. Dass wir weniger, dass wir älter und dass wir bunter geworden sind, das ist kein Geheimnis mehr. Diese demografische Entwicklung schlägt sich auf der Ausgabenseite unserer Haushalte nieder. Natürlich gibt es an manchen Stellen so etwas wie eine demografische Dividende, also einen Minderbedarf, aber gleichzeitig haben wir Mehrbedarfe. Das kennen Sie aus dem Bereich der Sozialversicherungssysteme, und das sehen wir, wenn wir beispielsweise darum ringen, den ländlichen Raum - Rheinland-Pfalz ist ein Flächenland mit einem ausgeprägten ländlichen Raum - als Lebensstandort, als Arbeitsstandort und als Wohnstandort attraktiv zu halten. Unter dem Strich ist relativ klar: Der Finanzbedarf pro Einwohner wird in den nächsten Jahren nicht zurückgehen, wenngleich wir durch die Konsolidierungsanstrengungen aufgefordert sind, auf der Ausgabenseite harte Einschnitte vorzunehmen. Aber auf der Einnahmeseite erkennen wir eine andere Entwicklung. Wenn wir weniger und wenn wir älter werden, dann wird sich die Bedeutung der Einkommensteuer in unserem Steuersystem verringern. Sie wird eine immer weniger bedeutende Rolle einnehmen, weil eben immer weniger Menschen im Erwerbsleben und immer mehr Menschen im Rentenalter sind. Wir haben uns zwar vor einigen Jahren für eine nachgelagerte Besteuerung entschieden. Es wird aber zwangsläufig dazu kommen, dass der Anteil der Einkommensteuer am gesamten Steueraufkommen zurückgeht. Wir haben zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren, wenn Finanzbedarfe konstant bleiben und eine der bedeutendsten Steuern in unserem System zurückgeführt wird: Wir können das entweder durch Verschuldung oder durch Steuer- und Abgabenerhöhungen an anderer Stelle kompensieren. Die Verschuldung ist keine Alternative. Wenn die Einkommensteuer nicht zur Verfügung steht, um diese Kompensation zu leisten - es sei denn, wir wollten Spitzensteuersätze generieren, die wir uns nicht leisten können -, dann bleiben zwei Möglichkeiten: entweder die Konsumbesteuerung oder die Vermögensbesteuerung. Damit bin ich bei der Verteilungsgerechtigkeit. Natürlich ist die Konsumbesteuerung eine Besteuerung, die stärker diejenigen belastet, die einkommensschwächer sind. Sie ist regressiv. Wenn man das Leistungsfähigkeitsprinzip als tragendes Prinzip unseres Steuersystems aufrechterhalten will - nicht weil es irgendein akademisches Hirngespinst ist, sondern weil es das tragende Prinzip der sozialen Marktwirtschaft ist -, muss gefragt werden: Wo sind andere Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit? Dann wird man im Zuge des demografischen Wandels nolens volens zu den Vermögenden kommen. ({3}) Es ist nicht Aufgabe der Konsolidierung, den Staat aus seiner sozialen Verantwortung zu entlassen, sondern es ist Aufgabe der Konsolidierung, die Entschuldung der öffentlichen Haushalte sozialverantwortlich zu gestalten. Wenn dem so ist, dann müssen wir uns fragen - Frau Paus hat darauf hingewiesen -, ob es angesichts unserer Konsolidierungsbedürfnisse nicht notwendig ist, neben einer strengen Ausgabenkonsolidierung, die alle Länder vornehmen und dies auch vor dem Stabilitätsrat Jahr für Jahr nachweisen, auch etwas auf der Einnahmeseite zu tun. ({4}) Staatsminister Dr. Carsten Kühl ({5}) Herr Gutting sagt: Es gibt Rekordsteuereinnahmen. Deswegen sei das nicht notwendig. - Wenn Herr Gutting jetzt noch anwesend wäre, dann würde ich ihm sagen: Wenn wir keine Rekordsteuereinnahmen haben, dann brennt die Hütte in Deutschland. Das ist immer dann so, wenn wir negative Wachstumsraten haben. Das heißt, ein Steuersystem mit einer Aufkommenselastizität größer eins muss, wenn es eine einigermaßen vernünftige wirtschaftliche Entwicklung im Land gibt, gleichzeitig zu steigenden Steuereinnahmen führen. ({6}) Herr Middelberg spricht von Abgabenerhöhungsorgien. ({7}) Brennelementeabgabe, Bankenabgabe, Luftverkehrsabgabe, Tabaksteuererhöhung, Abschaffung von Ökosteuerprivilegien und Erhöhung von Sozialabgaben, wenn die Sozialversicherungssysteme dies notwendig machen ({8}) all das haben Sie in dieser Legislaturperiode gemacht. ({9}) Ich verstehe zum Teil, warum Herr Schäuble diese Dinge veranlasst hat. Herr Schäuble wird sich irgendwann gesagt haben: Ich kann den gesamten Konsolidierungsprozess in Zeiten der Schuldenbremse nicht über die Ausgabenseite organisieren; ich muss auch die Einnahmeseite heranziehen. Ungefähr 30 Prozent der Konsolidierungsaufgaben, die Sie zu bewältigen haben, wollen Sie über die Einnahmeseite erbringen. Die Länder können das aber nicht so wie Sie. ({10}) Weil alle Steuern, die Sie erhöht haben, indirekte Steuern sind, kommen die Einnahmen nicht den Länderhaushalten zugute. Außerdem reduzieren Sie, zumindest teilweise, die Bemessungsgrundlage der Steuern, deren Einnahmen den Ländern zustehen. Ich finde, die Länder sind richtig aufgestellt, wenn sie dann darüber nachdenken, wie sie unabhängig von den steuerpolitischen Egoismen dieser Bundesregierung versuchen können, ihren Konsolidierungsanteil über die Einnahmeseite zu erbringen. ({11}) Wir haben eine einzige Steuer; das ist die Grunderwerbsteuer. Die haben mittlerweile alle Länder von 3,5 auf 5 Prozent erhöht. Dadurch können die Länder - je nachdem, wie groß ihr Konsolidierungserfordernis ist - zwischen 5 und 10 Prozent der Konsolidierungsnotwendigkeiten bis 2020 bewerkstelligen. Wir wollen nur so viel, wie sich diese Bundesregierung gönnt, um ihre Konsolidierungsanstrengungen erfolgreich zu Ende zu führen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Ausgestaltung der Vermögensteuer muss man beachten, was die Gerichte sagen. Die Gerichte sagen uns, dass wir den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten müssen und keine unbotmäßige Privilegierung vornehmen dürfen; so haben sich der Bundesfinanzhof und das Bundesverfassungsgericht geäußert. Sie sagen nicht: Ihr dürft keine Vermögensteuer erheben, sondern sie sagen: Wenn ihr eine Vermögensteuer erhebt, dann dürft ihr Unternehmen und Betriebsvermögen nicht über Gebühr verschonen bzw. begünstigen. Sie ziehen daraus offensichtlich den Schluss: Wenn wir gleichbehandeln müssen, dann erheben wir die Steuer gar nicht. Sie sind, wie jetzt bei der Erbschaftsteuer - das macht mich schon stutzig -, nicht einmal bereit, die Gestaltungsmöglichkeiten, die offensichtlich vorhanden sind, die vom Gesetzgeber aber nicht intendiert sind und von den Gerichten kritisiert werden, zu beseitigen. Ich rede davon, dass Sie die Regelungen zu den Cash-GmbHs verändern. Sie haben zu den Einlassungen des Bundesrates gesagt, dass Sie ein Regelungsbedürfnis erkennen, aber keine Handlungsnotwendigkeit sehen. ({12}) Wir haben einen Vorschlag gemacht, der die Gestaltungsmöglichkeiten, die momentan vorhanden sind, beseitigt hätte. ({13}) Herr Wissing, Sie sagen, die Vermögensteuer habe Elemente der Substanzbesteuerung. Ja, das ist so. Das ist bei der Grundsteuer und der Erbschaftsteuer im Übrigen genauso. Sie haben in dieser Legislaturperiode Regelungen zur Mindestbesteuerung und zur Verlustverrechnung beschlossen, ({14}) Sie haben Regelungen zum Mantelverkauf beschlossen, Sie haben die Einführung einer Zinsschranke beschlossen, und Sie haben Regelungen zur gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung verabschiedet. ({15}) All das sind Dinge, die, wenn man sie zu Ende dekliniert, ebenfalls substanzbesteuernd wirken können. Staatsminister Dr. Carsten Kühl ({16}) ({17}) Das ist durchaus vernünftig. Nur: Dann sollten Sie auch anerkennen, dass man, wenn man für ein faires und gerechtes Steuersystem eintritt, eine Substanzbesteuerung nicht zwingend zum Tabu erklären muss. ({18}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wer darüber nachdenkt, wie man unser Steuersystem demografiefest weiterentwickeln kann, ohne den Grundsatz der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit aufzugeben und ohne Betriebsvermögen über Gebühr zu belasten - denn dass dies geschieht, wollen wir vermeiden -, der handelt nicht fahrlässig, sondern verantwortungsvoll. Wer so handelt, der handelt im Sinne unserer Verfassung; denn unsere Verfassung gibt uns vor, die Schuldenbremse in einem angemessenen Zeitrahmen einzuhalten. ({19}) Zugegebenermaßen: Dies ist verbunden mit dem Anspruch - vielleicht unterscheiden wir uns an dieser Stelle -, dass der Staat, und zwar auf allen Ebenen, handlungsfähig bleibt. Ein starker Staat, Herr Kollege, misst sich am Umgang mit den Schwachen. ({20}) - Das mögen Sie komisch finden. ({21}) Aber ich möchte, dass der Staat in diesem Sinne auch in Zeiten der Konsolidierung stark bleibt. Dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen auch die Starken einen angemessenen Beitrag leisten. Vielen Dank. ({22})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Dr. Daniel Volk das Wort. ({0})

Dr. Daniel Volk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003894, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde zur Frage der Vermögensteuerpläne der Opposition ist richtig und wichtig, wenn man einmal genau zuhört. Herr Landesminister Kühl aus dem Land Rheinland-Pfalz, es war schon erhellend, dass Sie Ihre gesamte Redezeit von neun Minuten auf die Frage der Einnahmeseite des Staates konzentriert ({0}) und vorsichtshalber die gesamte Ausgabeseite ausgeblendet haben. Ich kann mir auch ungefähr vorstellen, warum. Als Landesfinanzminister eines Bundeslandes, welches 300 Millionen Euro in einen Freizeitpark versenkt hat, ({1}) würde ich einen Bogen ganz weit um die Ausgabeseite des Landes schlagen. Das würde ich wirklich machen. Alles, was hier sozusagen vorgegaukelt wird, ist, dass der Staat ausschließlich ein Einnahmeproblem hätte und deswegen neue Steuern unbedingt erfunden, erhoben werden müssten. ({2}) Unser Ansatz ist, den Schwerpunkt zunächst auf die Ausgabeseite des Staates zu legen. Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass wir eine Konsolidierung der Staatshaushalte deutlich über die Ausgabeseite erreichen können, wenn wir gleichzeitig eine vernünftige Steuerund Finanzpolitik betreiben, ({3}) die das Wirtschaftswachstum in Deutschland nicht bremsen, sondern - ganz im Gegenteil - fördern. Es ist schon auffällig, dass wir in Zeiten der höchsten Steuereinnahmen ({4}) der Bundesrepublik Deutschland, ({5}) die übrigens grob zu 70 Prozent den Ländern und Kommunen zufließen, gerade in den Bundesländern, in denen Rot-Grün Regierungsverantwortung haben, eine Haushaltspolitik haben, die eben gerade immer noch in eine stärkere Neuverschuldung statt in eine verantwortungsvolle Konsolidierung geht. ({6}) Ich darf das zuspitzen. Das Problem an einer Vermögensteuer, die sowohl Privat- als auch Betriebsvermögen treffen muss - da besteht Einigkeit hier im Hause, ({7}) das ist die verfassungsrechtliche Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts -, ist: Sie entzieht den Unternehmen Eigenkapital. Wir wissen, wie wichtig Eigenkapital gerade in Zeiten einer Finanzkrise ist. Wenn man Unternehmen Eigenkapital entzieht, führt das zwangsläufig zu einem Abbau von Arbeitsplätzen, was die Basis der Einkommensteuer reduzieren wird. Das ist wie das Amen in der Kirche. ({8}) Dieser Wahrheit verweigern Sie sich leider Gottes. Ich sage Ihnen eines ganz ehrlich: Ich habe lieber das Kapital produktiv in Unternehmen, die in Deutschland Arbeitsplätze schaffen, als bei Bundesländern, die ganz gerne einmal Achterbahnen in Freizeitparks bauen und dafür 300 Millionen Euro in den Sand setzen. Das sei hier einmal ganz deutlich gesagt. ({9}) Frau Paus, Sie haben hier als Berliner Abgeordnete der Grünen-Fraktion darauf abgestellt, was die FDP zu dem Thema Länderfinanzausgleich sagt. ({10}) Zur Deutlichkeit und Vollständigkeit gehört dazu, dass es schon ein Problem im Rahmen des Länderfinanzausgleichs ist, dass wir zum Beispiel ein Land Berlin haben, das nicht in der Lage ist, einen Flughafen zu den voraussichtlichen Kosten zum voraussichtlichen Zeitpunkt in Betrieb zu nehmen, und das Ganze nach dem Motto „Was soll der Geiz mit fremdem Geld“, nämlich dem Geld anderer Bundesländer. ({11}) Ich glaube, wir müssen uns Gedanken darüber machen, ob wir nicht die Finanzführung der jeweiligen Bundesländer auch in die Verantwortung dieser jeweiligen Bundesländer legen müssen. Denn eines ist klar: Es ist nicht gerecht, dass Steuerzahler aus den Geberländern eine verschwenderische Finanzpolitik der Nehmerländer unterstützen müssen, ohne dass wir im Rahmen des Länderfinanzausgleichs überhaupt einen Anreiz hin zu einer soliden Haushaltsführung haben. ({12}) Das muss der Ansatzpunkt sein. Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Wir sollten in diesem Bereich keine Denkverbote aufstellen, wie Sie es versucht haben. Wer nach dem Motto „Was soll der Geiz mit fremdem Geld?“ agiert, sollte erst recht nicht damit kommen, wir bräuchten neue Steuern, damit der Staat - in Zeiten höchster Steuereinnahmen - mehr Geld zur Verfügung habe, um Schulden abzubauen. Das Gegenteil ist immer der Fall gewesen: Sobald die Steuern mit der Begründung „Wir werden damit Schulden abbauen“ erhöht wurden, ist nur ein Bruchteil davon in den Schuldenabbau gegangen. Das meiste ist in den Konsum gegangen. Das ist nicht der richtige Weg. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Dr. Carsten Sieling hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Carsten Sieling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Debatte in dieser Art und Weise fortsetzen würde, müsste ich jetzt den bayerischen FDP-Abgeordneten darauf hinweisen, dass die bayerische Landesregierung bei der Bayerischen Landesbank durch falsche Politik 10 Milliarden Euro versenkt hat. Ich müsste auch etwas erzählen von Ministerpräsident Mappus in BadenWürttemberg. ({0}) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind nicht hier, um über die Misswirtschaft in CDU-, CSU-, FDPgeführten Bundesländern zu sprechen, sondern über das Thema, zu dem die Koalition diese Aktuelle Stunde aufgesetzt hat: die Vermögensteuer. Ich möchte gerne eingangs einen Satz zitieren, der in doppelter Weise die Realität in Deutschland wiedergibt. Der Satz lautet: „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt.“ Dieser Satz ist richtig. Er stammt aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Dieser Satz ist gleichzeitig ein Dokument der Wahrheitsliebe dieser Koalition; denn er ist - auf Initiative des FDP-Bundeswirtschaftsministers Rösler - gestrichen worden. Dieser Satz allein zeigt, wie weit Sie in der Lage und fähig sind, mit den Wirklichkeiten in diesem Land umzugehen, und wie unfähig Sie sind, hierauf die richtigen Antworten zu geben. ({1}) Ich möchte mich in meiner Zeit hier vor allem dem Argument widmen, dass wir mit unseren Vorschlägen, die vom Bundesverfassungsgericht nicht verworfene, sondern nur ausgesetzte Vermögensteuer wieder einzu25604 führen - also das Recht, das in Deutschland gilt, wieder wirksam zu machen -, gerade das Rückgrat des Mittelstandes treffen würden. Dazu muss man sich einmal sehr nüchtern anschauen, wie die Verhältnisse sind, die die Bundesarbeitsministerin, wie ihr Entwurf des Armutsund Reichtumsberichts zeigt, offensichtlich sieht, aber nicht sehen darf. In Deutschland fällt die Verteilung der Einkommen deshalb so exorbitant auseinander, weil beim reichsten Prozent der Bevölkerung - bei 1 Prozent von 82 Millionen Menschen, also etwa 800 000 Menschen - ein Drittel des Vermögens - das sind 3 Billionen Euro - gebündelt ist. ({2}) Der deutsche Mittelstand umfasst mehr als 800 000 Menschen. Der deutsche Mittelstand besteht aus fleißigen Handwerkern, aus guten Dienstleistern, aus vielen Menschen, die täglich ihrer Arbeit nachgehen. ({3}) Das sind mindestens die 40 Millionen Menschen in diesem Land, die erwerbstätig sind. Um die sollte es uns gehen. Ihr Blick ist dagegen ausschließlich auf obige 800 000 gerichtet. Der Vorschlag, die Vermögensteuer wieder einzuführen, würde nur 300 000 Menschen treffen, also nur einen kleinen Teil dieser mittlerweile Superreichen in diesem Lande. Bei diesen 300 000 davon zu reden, dass der Mittelstand im Herzen getroffen wird, ist barer Unsinn, ja Demagogie. Von der Realität ist das sehr weit entfernt. ({4}) Das Handelsblatt und andere Medien sind zurzeit dabei, gegen diese Gerechtigkeitssteuer anzugehen. Weil sie den Gerechtigkeitskanzlerkandidaten ansprechen wollen, ersetzen sie, wenn sie von der Gerechtigkeitssteuer reden, ein Wort, sprechen von der „SteinbrückSteuer“ und versuchen, dagegen Stimmung zu machen. Meine Damen und Herren, da wird das zitiert und dargelegt, worüber man wirklich offen reden kann. Ich muss sagen: Was in diesem Artikel dargelegt wird, eignet sich für mich als Redemanuskript. In dem dort gerechneten Beispiel verfügt der 38-jährige verheiratete Unternehmer über 10 Millionen Euro Vermögen, darunter eine Uhrensammlung im Wert von 500 000 Euro. ({5}) Mir kommen die Tränen! Wenn ich so etwas lese, dann sehe ich den leistungsfähigen Mittelstand vor mir und frage mich, ob die Erbschaftsteuer in Deutschland eigentlich wirksam ausgestaltet ist. Wenn dieser arme Mann zu einer Vermögensteuer in Höhe von 87 000 Euro herangezogen wird, dann ist das aus meiner Sicht gerecht, und das vermindert nicht seine Leistungsfähigkeit. ({6}) Deshalb dürfen wir uns davon nicht treffen und verwirren lassen, weil es in der Tat darum geht, dass wir den Mittelstand stärken und nur bei Ausreißern zugreifen, sodass wir mit einer Summe von bis zu 10 Milliarden Euro im Jahr etwas für die Haushalte der Länder tun können. Damit haben hier alle recht. Wir tun das deshalb, weil wir mit dieser Vermögensteuer die Investitionen in Bildung, in unsere Kinder, in die Schulen verstärken wollen. ({7}) Das ist eine kluge Mittelstandsförderungspolitik, und unser Wirtschaftsstandort wird davon profitieren. Die Vermögensteuer ist nicht nur gerecht, sie ist auch wirtschaftlich vernünftig. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({8})

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Einen schönen -

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Norbert Schindler hat offensichtlich das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich grüße zunächst einmal Deutschlands Jugend auf den Tribünen. Bis jetzt hat in dieser Debatte nämlich keiner die Gäste begrüßt. Es tut gut, zu sehen, wie aufmerksam Sie die Debatte verfolgen. ({0}) Deswegen sollte man schon einmal auch auf die Grundbegriffe eingehen. Herr Kollege Sieling, Sie sprachen von den Superreichen. ({1}) - Der Herr Poß sollte ruhig auch einmal zuhören und nicht immer nur dazwischenbläffen. Die Familie Engelhorn hatte eine Holdinggesellschaft mit Sitz auf den Bermudas gegründet, die Eigentümerin von Boehringer war. Vor zehn, zwölf Jahren hatte RotGrün ein richtiges Problem: Wie besteuert man sie bei einer Veräußerung und entsprechender Erhöhung ihres Kapitals? Damit will ich nur einmal zum Ausdruck bringen: Ihr habt die Probleme gehabt und konntet sie nicht lösen, weil die Superreichen anders als die Mittelständler die Möglichkeit haben, diesen Staat zu verlassen. Das tun die reichen Franzosen derzeit ebenfalls, indem sie in Belgien ihren ersten Wohnsitz anmelden. Ich will hier nur einmal auf die gesellschaftliche Entwicklung und die Probleme hinweisen, die wir hatten. Was bedeutet das? Herr Kühl, ich kann Ihnen schon nachfühlen, was es bedeutet, die Probleme mit dem Nürburgring jetzt schultern zu müssen, obwohl das gar nicht Ihr persönliches Verschulden war. In der Gesamtdebatte muss man aber sehen: Laut dem Kompromiss von 1997 wurde die Grunderwerbsteuer aufgrund des Wegfalls der Vermögensteuer von 1,5 Prozent auf 3,5 Prozent erhöht. Diese auf 3,5 Prozent erhöhte Grunderwerbsteuer stand also die ganzen Jahre in den Bilanzen der Länder, und es kam nun darauf an, was die Länder daraus gemacht haben. ({2}) Damals, 1997, war ich schon im Bundestag. Frau Paus, das Schlimme an dem Vorschlag der Grünen ist, dass Sie die Daten von 3 bis 5 Millionen Personen prüfen müssen, im Endeffekt aber nur auf 300 000 Personen abzielen, von denen 200 000 das Land verlassen werden. Was heißt das im Kleingedruckten? Durch die Vermögensteuer nahm der Staat damals 4 Milliarden D-Mark ein. Dem standen die Aufwendungen für Verwaltung und Kontrolle von nachweislich rund 2 Milliarden D-Mark gegenüber. Nach Ihrem Vorschlag muss eine jährliche Überprüfung stattfinden. Sie werden dann zwar 200 000 bis 300 000 Fälle haben, gleichzeitig aber bis zu 5 Millionen Personen überprüft haben. Herr Kühl, es ehrt Sie, dass Sie nach Steuereinnahmen suchen; das hat Herr Schäuble ja auch tun müssen. Man wird aber zum Beispiel die Frage beantworten müssen, ob Personen, die 10 Hektar Land verpachtet haben, Landvermögen besitzen und unter die Vermögensteuer fallen. Der Vermieter, der ein Mietshaus besitzt, in dem drei Parteien wohnen, wird versuchen, die Kosten von seinen Mietern zurückzubekommen, indem er die Vermögensteuer abwälzt. Zusätzlich kann er unter Umständen den Freibetrag geltend machen. Das muss genauso überprüft werden wie die Frage, ob eine teure Druckmaschine in irgendeinem Werk oder metallverarbeitenden Unternehmen ein Vermögenswert oder kein Vermögenswert ist. Ich will ja nur darauf hinweisen, welche zusätzliche Bürokratie das auslöst. ({3}) - Wenn Sie etwas wollen, dann stellen Sie eine Zwischenfrage. - Schauen Sie sich doch an, was dazu in der Verfassung steht und was die Gerichtsurteile aus Karlsruhe zum Spitzensteuersatz ergeben haben! Lieber Herr Kollege Poß, Sie waren damals schon im Bundestag. Der Finanzminister Ihrer Partei hat damals für eine Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und eine Absenkung des Spitzensteuersatzes geworben. Das wurde von uns in der Opposition damals nicht gutgeheißen. ({4}) Trotzdem hat das diesem Staat langfristig erhebliche Steuermehreinnahmen gebracht. Mit denen können wir derzeit einen Bundeshaushalt im Volumen von über 300 Milliarden Euro ermöglichen. Es ist mehr die Frage, wie wir die Kosten auf der Ausgabenseite reduzieren. Aber noch einmal: Angesichts dessen, was die Steuerbeamten an Aufwand betreiben müssen, um Ihren Vorschlag einigermaßen zu erfassen und umzusetzen, ist er absolut zu verwerfen. Er taugt nicht in der Realität. Er bestraft die braven Steuerzahler in dieser Republik. Stichwort braver Steuerzahler: Herr Kühl, eine letzte Bemerkung. Am 12. Dezember findet eine Sitzung des Vermittlungsausschusses statt, und am 14. Dezember ist die letzte Sitzung von Bundestag und Bundesrat. Es geht mir um das Abkommen mit der Schweiz. Die Summe von 10 Milliarden Euro, die wir im Nachhinein aufgrund der Nachbesteuerung bekommen könnten, würde den Bundesländern zugutekommen. ({5}) Aber nein, Sie wollen ein Modell, aufgrund dessen die braven Steuerzahler in der Bundesrepublik Deutschland zusätzlich belastet würden. Selbst die Tatsache, dass viele Sportler und Filmschauspieler - diese bejubeln wir auch noch - dem Steuerstandort Deutschland gerne entfliehen, während für den Mittelständler, ({6}) der diesen Staat trägt und für den die Steuergerechtigkeit so aussieht, dass er 40 bis 50 Prozent der Steuereinnahmen finanziert - die anderen 50 Prozent kommen von den oberen 10 Prozent der Einkommensbezieher; auch sie fallen unter den Spitzensteuersatz; das muss man in dieser Neiddebatte leider Gottes anführen -, nutzen Sie für den beginnenden Wahlkampf. Danke schön. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Lothar Binding hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon im ersten Satz von Olav Gutting gehört: Wir haben die Lothar Binding ({0}) höchsten Steuereinnahmen. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit. Die Sozialkassen sind prall gefüllt. ({1}) Da fragen wir uns natürlich: Warum macht ihr trotzdem 17 Milliarden Euro neue Schulden? ({2}) Der Grund für diese gute Situation ist allerdings relativ einfach: Die aktuelle Lage ist immer eine Folge der Strukturpolitik von gestern. Wenn wir jetzt eine gute Lage haben, hat das mit eurer Politik fast nichts zu tun. Das muss man sich einmal klarmachen. ({3}) Armut, soziale Schieflage, prekäre Beschäftigung kommen eben nicht durch Kurzzeiteffekte und tagesaktuelle Politik zustande. Sie sind die Folge einer langfristig angelegten Strukturpolitik. Ich will das einmal ein bisschen genauer analysieren, auf einen längeren Zeitraum zurückblicken, jedenfalls länger zurück, als die meisten hier im Bundestag sind. Nach der Vereinigung - wir erinnern uns - hatten wir einen Vereinigungsboom. Dieser war natürlich schuldenfinanziert, aber das hat keiner übel genommen. Dann gab es blühende Landschaften, bezahlt aus der Portokasse. Der Aufbau dieser Landschaften dauerte länger und länger und war viel teurer als gedacht. Auch das haben wir noch nicht übel genommen. Die Staatsverschuldung stieg und stieg. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 5 Millionen. Dann kam Rot-Grün. ({4}) Übrigens haben wir euch noch im April 1998 geholfen, das Rentenversicherungssystem zu retten. Das habt ihr nur mit den Stimmen der Opposition geschafft, sonst wäre das Rentensystem zusammengebrochen. Aber wir erinnern uns: Unter der Last von Dotcom, der Spekulationsblase, hatte Rot-Grün am Anfang ziemlich zu kämpfen. Die Konsolidierung ging nur langsam voran, auch weil wir mit unseren hohen Steuersätzen statt im europäischen Mittelfeld am oberen Rand lagen. Das war ein Riesenhemmnis für die Wirtschaft und das Einkommen der Menschen. Es ging langsam voran. Dann kam die Kombination - vielleicht erinnern Sie sich noch - aus Jugendwahn und Altersdiskriminierung. Viele Konzerne haben ältere Mitarbeiter entlassen, die dann bis zur Rente Sozialhilfe bezogen. Damit stieg die Arbeitslosigkeit wieder, übrigens schon beginnend ab 1985. Dann haben wir etwas gemacht, von dem ihr heute noch zehrt. Wir haben etwas eigentlich Schlimmes gemacht, was aber gut gewirkt hat, ({5}) nämlich die Einführung von Arbeitslosengeld II im Rahmen der Agenda 2010. Damit konnte dieser Prozess gestoppt werden. Dann haben wir noch die prozyklischen Wirkungen des Maastricht-Vertrages korrigiert. ({6}) Ohne diese Korrektur könntet ihr heute gar nicht die Politik machen, die ihr macht. Auch haben wir die Wirkung der kalten Progression vorauseilend kompensiert, ({7}) sodass die kalte Progression seit Anfang des neuen Jahrtausends überhaupt nicht mehr auftritt. Die Große Koalition hat von all diesen Dingen profitiert, und dann kam die Bankenkrise. Dann folgten die Konjunkturpakete I und II unter Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier und die Ausweitung der Kurzarbeit unter Olaf Scholz. Damit sind wir ganz gut aus der Krise gekommen - bis heute. ({8}) Allmählich allerdings beginnt die Wirtschaftspolitik von Schwarz-Gelb zu wirken. 2013 und 2014 wird sich zeigen, wie sich eure Politik in der Zukunft auswirken wird. Dann wird sich zeigen, ob eure Politik gut oder schlecht war. ({9}) In dieser langen Zeit gibt es aber einen stabilen Faktor: 1992 betrug das Nettovermögen der privaten Haushalte 4 700 Milliarden Euro; im Jahr 2010 waren es über 10 000 Milliarden. ({10}) Man kann sagen, dass trotz der Politik in diesem Bereich, die im Wesentlichen ihr zu verantworten habt, dieses Vermögen exorbitant gewachsen ist, sodass wir jetzt sagen: Von 10 000 Milliarden Euro wollen wir ein Steueraufkommen für die Länder generieren. Es geht um 0,1 Prozent. ({11}) Man merkt sofort, dass von diesen 0,1 Prozent keine wirklichen volkswirtschaftlichen Gefahren ausgehen. Sie sind jedenfalls viel geringer als die, die von eurer Politik ausgehen. Wir glauben, dass wir, wenn wir damit eine Gerechtigkeitslücke schließen, eine sehr gute Sozialpolitik machen können. ({12}) Zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts hat Carsten Kühl sehr viel gesagt und gute Lösungen vorgetragen. Wenn man berücksichtigt, in welchem Maße die CDU/CSU und die FDP die Länder und Kommunen vergessen, dann wird klar, dass die Länder diese Steuereinnahme unbedingt brauchen. Lothar Binding ({13}) ({14}) Wir merken auch, dass durch die geringe volkswirtschaftliche Belastung von insgesamt 0,1 Prozent weder die Privaten und Superreichen noch die Konzerne, die es sich leisten können, jemals einen Schaden haben werden. Aber für den Gesamtstaat, die soziale Gerechtigkeit und die Verminderung der Geschwindigkeit, in der die Reichen reicher und die Armen ärmer werden, kann diese Steuer sehr gut wirken. Ich denke, bei diesen positiven Gesamtwirkungen könnt ihr noch einmal über die Vermögensteuer nachdenken. Wenn ihr ein bisschen nachdenkt, kommt ihr vielleicht auch dazu, dass das strukturpolitisch eine recht gute Idee ist. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Dr. Georg Nüßlein hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Nach diesem Schnellseminar in Geschichtsklitterung folgt wieder etwas zum Thema. Ich fühlte mich an die Agenda 2010 erinnert, die der Kollege Binding kurz gestreift hat, als ich das Programm der SPD mit der vielversprechenden Überschrift „Deutschland 2020: So wollen wir morgen leben - Bausteine eines Modernisierungsprogrammes“ gelesen habe. Das ist ein vielversprechender Titel, aber er hat mit der Agenda 2010 nichts mehr zu tun. ({0}) Es ist das krasse Gegenteil dessen, was Sie damals gemacht haben und was in der Tat heute noch hilfreich wirkt. Insgesamt findet man in diesem Programm wenig Neues. Im Finanzbereich sind es nur Ankündigungen von Steuererhöhungen. Nachdem ich Staatsminister Kühl zugehört habe, habe ich verstanden, wie Sie in dieser Frage denken. Herr Kühl, Sie behaupten allen Ernstes, Haushalte könne man nur über die Einnahmeseite ausgleichen. Ich empfehle Ihnen: Schreiben Sie Ihrem badischen Kollegen einen freundlichen Brief und bitten Sie ihn um Amtshilfe. Er wird sie Ihnen sicherlich gewähren und Ihnen erklären, wie man es auch anders machen kann, nämlich durch eine ordentliche Politik, statt bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern abzukassieren. ({1}) Wenig neu ist in diesem Programm auch die Behauptung, es treffe nur die anderen. Diese Behauptung muss man aufstellen, wenn man versucht, Neid und Missgunst anzustoßen. ({2}) Das geht nämlich nur, indem man sagt: Es trifft nur die anderen. Auch in dieser Diskussion ist von Multimillionären, Milliardären, Topmanagern und was auch immer die Rede. ({3}) Ich empfehle denen, die Ihnen heute zugehört haben, ihren eigenen Gehaltszettel anzuschauen und zu vergleichen, wo zum Beispiel Ihr erhöhter Spitzensteuersatz in Zukunft anfangen wird. Da wird mancher sein blaues Wunder erleben, wenn er sieht, wo er aus Ihrer Sicht einzustufen ist, nämlich bei den Topverdienern. ({4}) Das muss man so klar sagen, Herr Kollege, weil sich manche Ihrer Wähler Illusionen machen und glauben, dass man das Geld bei den Superreichen holen kann. Am Schluss wird es aber in der Tat die Mittelschicht treffen, und die wird das Ganze bezahlen müssen. Alles andere als neu ist, dass man versucht, ein Substitut für die Enteignung zu finden und die Substanzbesteuerung ins Spiel bringt. Es ist eine ganz alte Forderung, die Vermögensteuer wieder einzuführen, die wir 1997 abgeschafft haben - wohl überlegt abgeschafft haben -, im Übrigen auch aufgrund der verfassungsrechtlichen Situation. ({5}) Schon damals ist es nicht gelungen, das Vermögen in Gut und Böse zu unterteilen, wie Sie es gerne hätten. Wenn Sie aufmerksam lesen, was der Bundesfinanzhof aktuell zum Erbschaftsteuerrecht gesagt hat, werden Sie feststellen, dass auch bei der Erbschaftsteuer die Aufteilung in Betriebs- und Privatvermögen höchst problematisch ist. Wir werden die Differenzierung, die Sie machen müssten, um insbesondere den gewerblichen Mittelstand zu verschonen, am Ende so nicht machen können. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn Sie dann trotzdem Vermögen besteuern, dann ist in einer Situation, in der ein Unternehmen Verluste schreibt, die Besteuerung arbeitsplatzgefährdend. Deshalb kann ich nur davor warnen, die Substanzbesteuerung in dieser Weise voranzutreiben. Auch wenn diese Aufteilung in Privat- und Betriebsvermögen gelänge, wären wir in der Situation, dass Sie damit der Gestaltung der Steuerschuld Tür und Tor öffnen würden. Das heißt, wir führen wieder eine Steuer ein, die zur Gestaltung anregt. Die ganz oben sind, werden ihre Steuerschuld gestalten können, aber die, die sich in der Mitte befinden, wird es am Schluss treffen. Aus diesem Dilemma kommt man aus meiner Sicht nur heraus, wenn man auf eine solche Substanzbesteuerung verzichtet. Im Übrigen sage ich auch ganz klar: Wenn Sie die Wirkung sehen wollen, dann sollten Sie sich die Erbschaftsteuer anschauen. Wenn wir das tun würden, was wir tun müssten, nämlich das Steuerheberecht den Ländern überlassen würden, sodass die, die das Geld kassieren, den Steuersatz festlegen, dann würden Sie am Ende sehr schnell merken, wohin die Leute ziehen. Wir haben heute schon einmal von solch einem volkswirtschaftlichen Minimodell gehört. Dieses Modell können Sie einmal auf der Bundesebene einführen. Dann werden Sie sehen, wohin der Zug geht. Sie wollen eine Kuh auf einer Wiese melken, die keinen Zaun hat. Sie werden erleben, wie schnell die Kuh weg ist, wenn sie nicht gemolken werden will. Deshalb fände ich es viel besser, wenn Sie das täten, was etliche Kollegen angeregt haben, nämlich dem Steuerabkommen mit der Schweiz zuzustimmen. Das kann ich empfehlen. Da können Sie tatsächlich Millionäre zur Kasse bitten. Wenn Sie zeigen wollen, dass Sie nicht die Mittelschicht belasten wollen, dann sorgen Sie dafür, dass etwas zur Vermeidung der kalten Progression geschieht. Tun Sie es. Da können Sie zeigen, wen Sie belasten und wen Sie entlasten wollen. Ansonsten erzählen Sie uns hier keine Geschichten. Vielen herzlichen Dank. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Christian von Stetten für die CDU/CSU-Fraktion.

Christian Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003639, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So eine Aktuelle Stunde bietet den betroffenen Parlamentariern auch die Chance, einmal darzulegen, wie denn ihre konkreten Steuerpläne überhaupt aussehen. Diese Chance zur Darlegung ihrer Vermögensteuerpläne hat die SPD heute definitiv verpasst und nicht genutzt. ({0}) In keinem einzigen Beitrag ist deutlich geworden, was Sie eigentlich wollen. Vier Redebeiträge, und kein einziges Mal ist der Steuersatz gefallen, den die SPD in Zukunft - immerhin sind wir acht Monate vor der Bundestagswahl - festsetzen will. Es ist von Vermögensteuer die Rede, die den Ländern zustehen soll, und es ist von einer Vermögensabgabe die Rede, die dem Bund zustehen soll. Es ist das Wort von der Erhöhung des Spitzensteuersatzes gefallen. Zusätzlich wollen Sie den Mittelstand belasten und das Erbschaftsteueraufkommen verdoppeln, aber es kamen keine konkreten Daten und Fakten zu dem eigentlichen Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde. ({1}) Die SPD darf bei den Steuern nicht überziehen. Diese Aussage ist richtig. Sie stammt von Ihrem designierten Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Nach Angaben des Deutschlandradios hat er letzte Woche noch hinzugefügt, wer das Loblied auf den deutschen Mittelstand singe, der dürfe diesen nicht verprellen. Anstatt „verprellen“ kann man in diesem Zusammenhang auch „ausplündern“ sagen; denn die gesamten Steuervorschläge, die die Opposition in den letzten Wochen und Monaten unterbreitet hat, sind ein Anschlag auf den Mittelstand und die dort Beschäftigten. ({2}) Liebe Kollegen, nach dieser Debatte ist festzustellen: Die SPD von Sigmar Gabriel und Andrea Nahles verlangt wieder einmal die Einführung einer Neidsteuer, und der designierte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schlägt sich in die Büsche. ({3}) Zum Thema Vermögensteuer ist vom Kanzlerkandidaten trotz intensiver Suche kein Wort zu lesen, kein Wort zu hören. Er windet sich, er hat keine Meinung, lässt andere für sich reden. Ich frage mich: Wie lange, glauben Sie, geht das gut? Wie lange geht das in Ihrer Partei gut? - Das hat uns nicht zu interessieren. - Was glauben Sie, wie lange geht das bei der Bevölkerung gut? Die Bevölkerung will acht Monate vor der Bundestagswahl wissen, was auf sie zukommt, wenn die SPD in die Regierungsverantwortung kommt. Klarer äußert sich da einer Ihrer wichtigsten Wahlkampfverbündeten, die Gewerkschaft Verdi. Frank Bsirske hat erklärt, er wolle Vermögensteuer und Vermögensabgabe zum Bundestagswahlkampfthema machen. Die Gewerkschaft fordert eine jährliche Vermögensteuer von 1 Prozent zum Verkehrswert, welche nach ihrer Angabe dann 20 Milliarden Euro jährlich einbringen soll; Sie von der SPD gehen noch von 10 Milliarden Euro aus. Vorab will Frank Bsirske eine einmalige 15-prozentige Vermögensabgabe erheben, welche die Bürger um 300 Milliarden Euro schröpfen soll. Damit ist man ganz nah bei dem, was die Grünen wollen: Auch sie wollen hier eine Vermögensabgabe in Höhe von 15 Prozent. ({4}) Frau Höll, Sie sind leider der letzte Vertreter der Linkspartei hier. ({5}) - Vertreterin. - Auch in Ihren Reden ist kein Wort dazu gekommen, wie Ihre Vermögensteuerpläne aussehen. Sie haben vor einem halben Jahr im Deutschen Bundestag einen Antrag eingebracht. Darin ist immerhin von einer Vermögensteuer von 5 Prozent zum Verkehrswert die Rede. Ich glaube, das ist Ihnen mittlerweile selber so peinlich, dass es keiner mehr erwähnt. Sie wollen zugegebenermaßen einen Freibetrag von 1 Million Euro. Damit suggerieren Sie, davon seien nur die Millionäre betroffen und nicht die normalen Leute. Tatsächlich ist es natürlich so: Diese Neidsteuer betrifft den Mittelstand, die Familienbetriebe, die dort Beschäftigten. Diese Beschäftigten müssen dann schauen, wo sie bleiben, wenn ihre Arbeitgeber das Land verlassen. Außerdem sind vor allem die Mieter betroffen; daher beschämt es mich ganz besonders, dass dieser Vorschlag von der linken Seite dieses Parlamentes kommt. Es sind doch nicht die Vermieter, die darunter leiden, dass sie 5 Prozent Vermögensteuer zahlen müssen. ({6}) Nehmen wir einmal einen wohlhabenden Vermieter mit verschiedenen Mietwohnungen. Er erzielt eine Verzinsung von 3,5 Prozent, soll darauf Ertragsteuern und jährlich zusätzlich 5 Prozent Vermögensteuer zum Verkehrswert zahlen. Er hat dann ein Renditeobjekt, das eine Minusrendite erbringt. Also wird er versuchen, dieses Renditeobjekt so schnell wie möglich zu verkaufen. Er wird allerdings niemanden finden, der dieses Minusrenditeobjekt kauft, und deswegen wird er die komplette Vermögensteuer von 5 Prozent jährlich auf den Mietpreis umlegen. Das ist ein Problem, das Sie nicht ausklammern können. Ihre Pläne sind mieterschädlich. Die Umlage von 5 Prozent Vermögensteuer zum Verkehrswert auf die Mieten bedeutet eine Mieterhöhung um 50 Prozent. Mieterhöhungen bis hin zu einer Verdopplung des Mietwerts wären also möglich. Herr Minister Kühl, keiner, der ein hohes Einkommen hat, hat etwas dagegen, dass er Steuern zahlen muss. Wenn unsere Betriebe, die Mittelständler ein gutes Jahr und hohe Erträge gehabt haben, dann zahlen sie gern Steuern. Aber wenn Sie selbst dann Steuern verlangen wollen, wenn in einem Jahr gar nichts verdient worden ist, wenn in einem Jahr ein Minus gemacht worden ist, wenn von der Substanz eines Unternehmens gezehrt worden ist, dann ist das nicht nur unverständlich, sondern wirtschaftlich schädlich. Das werden wir, diese Koalition, gemeinsam verhindern. Herzlichen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Die nächste Sitzung berufe ich auf morgen, Donnerstag, den 29. November, 10 Uhr, ein. Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Einsichten. Die Sitzung ist geschlossen.