Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/21/2012

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere Plenarsitzung. Ich möchte zu Beginn unserer Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul zu ihrem besonders runden Geburtstag gratulieren, den sie heute hier im Deutschen Bundestag begeht. ({0}) Herzliche Glückwünsche und alle guten Wünsche für die nächsten Jahre! Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne haben der Präsident des Parlaments der Republik Kasachstan, Herr Nurlan Nigmatulin, und seine Delegation Platz genommen. Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages begrüße ich Sie herzlich. ({1}) Für Ihren Aufenthalt in Berlin, in Deutschland und für die Gespräche mit vielen Mitgliedern des Hauses, insbe- sondere aber für die weitere parlamentarische Entwick- lung Ihres Landes wünschen wir Ihnen alles Gute und viel Erfolg. Wir setzen unsere Haushaltsberatungen - Tagesord- nungspunkt I - fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 ({2}) - Drucksachen 17/10200, 17/10202 - b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 - Drucksachen 17/10201, 17/10202, 17/10826 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider ({4}) Otto Fricke Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz ({5}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.9 auf: Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt - Drucksachen 17/10804, 17/10823 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Petra Merkel ({6}) Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz ({7}) Wir werden über den Einzelplan 04 nach Abschluss der Debatte namentlich abstimmen. Zu diesem Einzelplan liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Außerdem haben die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen je einen Entschließungsantrag eingebracht, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache dreieinhalb Stunden vorgesehen. Darf ich dazu Ihr Einvernehmen feststellen? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Peer Steinbrück für die SPD-Fraktion. ({8})

Peer Steinbrück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004165, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Zweifel: Deutschland steht im europäischen Vergleich zu vielen unserer Partner innerhalb der Europäischen Währungsunion und der Europäischen Union deutlich besser da. Das hat mehrere Gründe. Wir haben dafür Sorge getragen, dass wir eine industrielle Wertschöpfungskette erhalten, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern. Wir haben es mit einem sehr tüchtigen Mittelstand zu tun. Viele große deutsche Unternehmen haben sich restrukturiert. Das dreisäulige Kreditwesen hat sich gerade in schwierigen Zeiten und mit Blick auf die Finanzierung des deutschen Mittelstandes bewährt. Das duale Ausbildungssystem, das berufliche Ausbildungssystem in Deutschland wird von vielen beneidet. Wir haben es mit einer exzellenten Facharbeiterschaft und mit einer starken und sehr bewährten Sozialpartnerschaft zu tun. Das ist die gute Nachricht für unser Land. ({0}) Die schlechte Nachricht ist: Diese vergleichsweise gute Entwicklung hat mit der Arbeit dieser Bundesregierung in den letzten drei Jahren wenig zu tun. ({1}) Wir sind Alice im Wunderland, nicht wegen, sondern trotz dieser schwarz-gelben Bundesregierung. ({2}) Während eine von Gerhard Schröder geführte rotgrüne Bundesregierung mit mutigen, auch mit umstrittenen Reformen Deutschland modernisiert hat, während eine Große Koalition mit maßgeblichen Beiträgen der SPD für eine sehr kluge Antikrisenpolitik gesorgt hat, die Konjunktur und Beschäftigung in Deutschland stabilisiert hat, stellt sich die Frage, welche nennenswerten Initiativen die schwarz-gelbe Bundesregierung, die Koalition in den letzten drei Jahren für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland ergriffen hat. ({3}) Ja - Herr Gröhe -, dann schauen Sie doch einmal mit mir in das bundestagsinterne Recherchesystem; ich stelle Ihnen das anheim. Ich habe das gemacht. Ich habe zum Beispiel nach Gesetzesinitiativen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung gesucht. Dabei bin ich darauf gestoßen, dass es eine große leere Kiste ist, die man da findet. ({4}) Sucht man beispielsweise unter dem Stichwort „Wirtschaft“, bekommt man elf Treffer, und zwar von einem Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung über ein Gesetz zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen ({5}) bis zu einem Gesetz zur Änderung des Beherbergungsstatistikgesetzes. ({6}) Dann habe ich mir die Mühe gemacht, mit einem anderen Stichwort zu suchen - ich habe gedacht, da werde ich garantiert fündig -, und zwar mit dem Stichwort „Mittelstand“. Was habe ich gefunden? Null Treffer in diesem bundestagsinternen Recherchesystem! Null, gar nichts, kein einschlägiges Vorhaben für den deutschen Mittelstand seit drei Jahren! ({7}) Zum Schluss habe ich das Suchwort „Wachstum“ eingegeben. Tatsächlich habe ich zu meiner gelinden Überraschung einen Treffer gehabt, nämlich das berühmt-berüchtigte Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 4. Dezember 2009, mit dem Sie die Hoteliers versorgt haben, mit dem Sie die Erbschaft- und Schenkungsteuer gesenkt haben ({8}) und mit dem Sie die Umstrukturierung von Unternehmen im Bereich der Grunderwerbsteuer geregelt haben. Donnerwetter, was Sie in drei Jahren unter diesen drei Stichworten alles auf den Weg gebracht haben! ({9}) All das steht in einem, wie ich finde, ganz merkwürdigen Gegensatz zu Ihrer dröhnenden Selbstbeweihräucherung. Und kommen Sie mir nicht mit der Absenkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung und zur Rentenversicherung! Bei der Arbeitslosenversicherung haben Sie den Spielraum preisgegeben, den Sie in schlechteren Zeiten für die Reaktivierung des Kurzarbeitergeldes brauchen. ({10}) Bei der Rentenversicherung haben Sie - gleichermaßen zur Kritik von Arbeitnehmern und Arbeitgebern - sträflich versäumt, eine Demografiereserve anzulegen, die wir angesichts der Altersentwicklung unserer Gesellschaft dringend brauchen, um sehr sprunghafte Steigerungen zulasten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu vermeiden. ({11}) Diese Bundesregierung hat dieses Land weder im Hier und Jetzt gestaltet, noch hat sie für die Zukunft vorgesorgt. Nichts macht das deutlicher als zum Beispiel der Vergleich zwischen dem Koalitionsausschuss der Großen Koalition am 5. Januar 2009, in dem unter maßgeblicher Handschrift der SPD Schritte zur Bewältigung der damaligen Herausforderungen unternommen wurden, und zwar mit einer Kurzarbeitergeldregelung, mit einem kommunalen Investitionsprogramm, mit einer Abwrackprämie für Automobile und mit einer zusätzlichen Förderung der öffentlichen Infrastruktur, und Ihrem Koalitionsausschuss vom 4. November dieses Jahres. Welch ein Unterschied mit Blick auf die Qualität und die Bedeutung der Themen, über die dort diskutiert worden ist! ({12}) In diesem Koalitionsausschuss haben Sie sich mit keiner einzigen Frage beschäftigt, die den Bürgerinnen und Bürgern im Augenblick unter den Nägeln brennt. Stattdessen Sendepause und Handlungsunfähigkeit: zur Spaltung des Arbeitsmarktes mit Niedrigstlöhnen, zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern, zur Energiewende mit drohenden Strompreiserhöhungen sowohl für private Haushalte als auch für Industrieunternehmen, zur Undurchlässigkeit und Unterfinanzierung unseres Bildungssystems, zur ungerechten steuerlichen Behandlung von Alleinerziehenden, insbesondere Frauen, zu Geschiedenen, die gleichermaßen ihre Kinder betreuen, zu eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften oder zum nach wie vor skandalösen Ehegattensplitting. Nichts dazu! ({13}) Keiner dieser Punkte - nicht ein einziger! - und vor allen Dingen kein konzises Krisenmanagement in Absprache mit Frankreich zur augenblicklichen Lage in Europa standen auf Ihrer Tagesordnung. Tatsächlich, Herr Kauder, haben wir von Ihnen eher gewisse Maßregelungen Frankreichs gehört, wo doch eine bessere Verabredung und Vorbereitung der jetzt anstehenden Sitzungen sehr viel besser gewesen wäre. ({14}) Herr Brüderle karikierte sich einmal mehr selbst mit dem Wort vom „großen Sprung nach vorn“ als Ergebnis dieses Koalitionsausschusses. Autosuggestion, lieber Herr Brüderle, ist auch eine politische Kunstform; das gebe ich zu. ({15}) Diese Koalition kämpft nur mit und für sich selbst, aber sie kümmert sich nicht um die konkreten Probleme dieses Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger. Wer alle Kraft braucht, um die Koalition zusammenzuhalten - statt unser Land -, der sollte in die Rehabilitation. ({16}) Frau Bundeskanzlerin, wir haben im Schloss Bellevue bereits einen Präsidenten. Ich will damit sagen: Sie sind nicht eine über Ihrem Kabinett schwebende Präsidentin, die mit den Niederungen der innenpolitischen Herausforderungen nichts zu tun hat, ({17}) sondern Sie sind die Chefin einer Regierung, für deren Handwerk und Qualität in erster Linie Sie verantwortlich sind. ({18}) Deshalb ist auch Ihnen der Vorwurf zu machen, dass Sie die gute Zeit nicht genutzt haben und Vorsorge für angespannte Zeiten nicht getroffen haben. Dabei hat Ihre Koalition schlichtweg mehr Glück als Verstand: Gegenüber der ersten schwarz-gelben Finanzplanung für den Zeitraum 2010/2013 haben sich die Steuereinnahmen deutlich günstiger entwickelt, haben sich die Zinsausgaben deutlich günstiger entwickelt, haben sich die Arbeitsmarktausgaben deutlich günstiger entwickelt. Das dürfte Sie in einer Größenordnung von 130 Milliarden Euro entlastet haben. Darüber hinaus kann der Bundesfinanzminister in einer Art Eldorado deutsche Staatsanleihen zu einem Nahezu-Null-Zins platzieren, weil viele Deutschland als sicheren Hafen suchen, in dem sie ankern wollen - eine fantastische Situation für einen Bundesfinanzminister, die ich gerne gehabt hätte. ({19}) Der Versicherungskonzern Allianz rechnet Ihnen vor, dass sich im deutschen Staatshaushalt jährlich eine Zinsersparnis von über 10 Milliarden Euro ergibt, weil in der Krise in Europa alle diesen sicheren Hafen ansteuern und deshalb deutsche Staatsanleihen, sogar mit Verlust, kaufen. Das ist eine fantastische Lage. Jenseits des jährlichen haushaltspolitischen Rituals - mit der Erfolgspropaganda auf der einen Seite des Hauses und den vielen Belegen, dass das alles nicht der Fall ist, auf der anderen Seite des Hauses - bleibt nüchtern festzustellen: Nie zuvor war die haushaltspolitische Ausgangslage für eine ehrgeizige Konsolidierung und eine zügige Rückführung der Neuverschuldung in Deutschland so günstig wie heute. ({20}) Das haben Sie nicht genutzt. Sie haben - das entspricht Ihrer Mentalität - Einzelinteressen bedient, wofür die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 4. November beispielhaft stehen. Lenken Sie mir nicht ab - ich denke an die gestrigen Beiträge, verehrter Herr Schäuble -, indem Sie ankündigen, dass Sie das strukturelle Defizit einige Jahre vor 2016 erreichen wollen. Sie könnten bereits in der Finanzplanung für 2014 die Neuverschuldung insgesamt auf null senken - wenn Sie denn wollten. ({21}) 2013 wird nach vielen Prognosen ein wirtschaftlich schlechtes, einige sagen sogar: ein für weite Teile der Währungsunion und der Europäischen Union hochproblematisches Jahr. Das wird auf Deutschland abfärben. Obwohl die Wolken am Horizont immer dunkler werden und die Konjunktur sich erkennbar eintrübt, sorgen Sie mit diesem Haushalt nicht vor. Die Selbstbedienung beim Gesundheitsfonds und bei der KfW ist nicht nur haushaltspolitisch unseriös, sie ist in der Sache hanebüchen. ({22}) Für 2013 sollen zu den ohnehin vorgesehenen Kürzungen des Bundeszuschusses von 2 Milliarden Euro 0,5 Milliarden Euro hinzukommen, für 2014 weitere 2 Milliarden Euro. Statt hier angesichts eines demografischen Wandels, der sich mit mathematischer Sicherheit voraussagen lässt, Vorsorge zu betreiben, machen Sie „rechte Tasche, linke Tasche“. Der Gesundheitsfonds wird zum Sonderkonto für Wahlgeschenke, die Sie am 4. November zu verteilen beschlossen haben. ({23}) Es wird noch schlimmer: Als eine Neuauflage der Panzerknackerbande ({24}) begeht diese Koalition einen Bankraub von 1 Milliarde Euro bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Staatsbank muss herhalten, um Haushaltslöcher zu stopfen, Haushaltslöcher, die bei der aktuellen Einnahmesituation eigentlich gar nicht entstehen dürften. Die KfW, meine Damen und Herren von der Koalition, ist eine Förderbank, ({25}) die aus ihren Reserven Investitionsprogramme gestalten soll. Sie gestaltet Zukunft und Fortschritt in diesem Land mit Programmen, die wir angesichts der sich abschwächenden Konjunktur vielleicht dringender denn je benötigen. ({26}) Und Sie plündern diese Bank! Dass sich Schwarz-Gelb nun sogar bei Investitionsmitteln bedient, um Leistungen wie das Betreuungsgeld gegenzufinanzieren, das belegt einmal mehr: Das ist Politik von gestern und wird auf Kosten der Zukunft bezahlt. ({27}) Diese Bundesregierung tut nichts, um den erkennbaren Fliehkräften in unserer Gesellschaft Einhalt zu gebieten. Es sind keine kraftvollen Initiativen erkennbar, um Deutschland wirtschaftlich in der Champions League zu halten. Was ist mit dem gemeinsamen Fehler, den wir mit dem Kooperationsverbot im Grundgesetz gemacht haben, und der Notwendigkeit, das Bildungssystem in Deutschland zu reformieren? Welche Antworten hat die Bundesregierung auf die steigenden Energiepreise, auf die steigenden Belastungen von privaten Haushalten und Industriebetrieben? Welche Antworten haben Sie zur dramatischen Finanzlage der Kommunen, zur Unterfinanzierung von Bildung, zu den steigenden Mieten und wenig bezahlbarem Wohnraum und zur dramatischen Spaltung des Arbeitsmarktes? Welche Antworten liefern Sie der deutschen Öffentlichkeit? ({28}) Keine. Sie ignorieren sträflich die Drift in der Einkommensund Vermögensverteilung. Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland nimmt deutlich zu. Ich empfehle Ihnen, dazu das sehr lesenswerte Buch Der Preis der Ungleichheit des US-Ökonomen und Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz zu lesen. Der Preis der Ungleichheit bestehe darin, so schreibt er, dass eine Nation nicht mehr in der Lage sei, das Bestmögliche aus den Fähigkeiten ihrer Bürgerinnen und Bürger zu machen. Weiter heißt es, die vermögenden, teilweise durchaus nur noch ihr persönliches Interesse wahrnehmenden Eliten würden Infrastruktur, Bildung und Innovation kaputtsparen. Genau dieses Risiko lastet auch auf der Bundesrepublik Deutschland. ({29}) Ich stelle Ihnen diese Lektüre anheim. Sie ignorieren ebenso die Unterschiede in der Bezahlung von Frauen und Männern. Frauen verdienen in diesem Land durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Wo ist Ihre Initiative für ein Entgeltgleichheitsgesetz, das mit dieser Ungerechtigkeit aufräumt? ({30}) Frauen stoßen bei der Gestaltung ihrer Karriere nach wie vor an gläserne Decken. Was tun Sie dagegen? Sie streiten über eine sogenannte Flexi-Quote. Sie gaukeln mit Ihrem Gesetzentwurf zur kalten Progression den Bürgern einen Befreiungsschlag vor, der zwar für den Einzelnen vernachlässigbare Verteilungseffekte hat, wohl aber ernste Belastungen für alle Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik Deutschland hervorruft. Niedrigstverdiener haben von der Abschaffung der kalten Progression allenfalls eine Entlastung von knapp 2 Euro, mehr nicht. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Ja, selbstverständlich wird die SPD, auch auf Länderebene, die Erhöhung des steuerfreien Minimums mittragen. Wenn Sie einen Vorschlag machen würden, der den inflationsbedingten Staubsaugereffekt vornehmlich bei unteren und mittleren Einkommen beseitigen würde, und dies mit dem Vorschlag einer Gegenfinanzierung über einen erhöhten Spitzensteuersatz verbinden würden, dann würden wir in der SPD gemeinsam aufhorchen. ({31}) Die ungeahnten Folgen des chaotischen Ausstiegs aus dem Ausstieg des Ausstiegs aus der Kernenergie muss ich Ihnen nicht länger vorhalten. Diese sind nämlich so offensichtlich, dass Sie es inzwischen mit einer entsprechenden Kritik nicht nur von der SPD, den Grünen und den Gewerkschaften, sondern auch von vielen Unternehmern und Wirtschaftsverbänden zu tun haben. Dieser Ausstieg aus dem Ausstieg des Ausstiegs aus der Kernenergie ist jenes Projekt, das Sie mit großem Aplomb als „Energiewende“ bezeichnen. Besser als eine Ethikkommission, Frau Bundeskanzlerin, wäre damals eine Expertenkommission gewesen, die sich mit den Erzeugungskapazitäten, mit Kostenund Preisgerüsten, mit den technischen Voraussetzungen für ein immer dezentraleres Energieversorgungssystem und mit den infrastrukturellen Notwendigkeiten beschäftigt und Ihnen die Vorlage für einen Masterplan geliefert hätte. ({32}) Von einem solchen Masterplan kann bei Ihnen keine Rede sein, sondern Sie lassen das alles im Streit der Zuständigkeiten Ihrer Ressorts laufen und stimmen es mit den Ländern zu spät ab. Jede Frittenbude in Deutschland wird besser gemanagt als die Energiewende in diesem Land. ({33}) Statt eine energiepolitische Strategie aus einem Guss zu verfolgen, arbeiten Sie sich von Gipfel zu Gipfel voran. Niemand hier in diesem Saal weiß noch genau, welcher Gipfel eigentlich welches Ergebnis hatte. Es ist bei Ihnen wie immer dasselbe: Gipfel statt Strategie, Inszenierung statt Substanz, Palaver statt Lösungen, Nebel statt Klarheit. Aber darüber verliert diese Regierung Zeit, die unser Land nicht hat. ({34}) Sie sind die größte Investitionsbremse bei der Energiewende, worunter konkrete Unternehmen entlang der Küste längst leiden, zum Beispiel die SIAG Nordseewerke GmbH in Emden. ({35}) Dies schreiben Ihnen elf Windparkbetreiber, darunter die vier großen EVUs, in einem Brief ins Stammbuch. Ihre Reaktion ist aber gleich null. Frau Bundeskanzlerin, Sie sind mit Ihrer Semantikabteilung Weltmeisterin in der Erfindung von Etiketten. Es sind aber folgenlose Etiketten: „Energiewende“, „Bildungsrepublik Deutschland“, „Lebensleistungsrente“, was ein nackter Zynismus ist, ({36}) „Herbst der Entscheidungen“ - davon haben wir 2011 einmal gehört -, „Jahr des Vertrauens“ - das war auch 2011 -, „Lohnuntergrenze“ - Frau von der Leyen hat sich inzwischen in einer Talkshow damit gebrüstet, sie hätte den Mindestlohn erfunden -, ({37}) „Technologie, Talente und Toleranz“. Das alles sind Etiketten ohne jede Folge. Dazu gehört auch Ihr Spruch von „mehr Europa“. Damit sind wir bei Europa. Es ist nicht erst seit zehn Tagen klar, sondern eigentlich seit dem ersten Griechenland-Paket offensichtlich, dass die Probleme von Griechenland zu groß sind und dass Griechenland große Mühe hat, eine funktionsfähige und effiziente Staatsverwaltung aufzubauen, und bis heute nicht in der Lage ist, die Flucht von Kapital in Steueroasen zu bremsen. Es ist offensichtlich, dass die Rezession in diesem Land sich in eine Depression weiterentwickelt, zu einer Austerität führt und die staatliche und gesellschaftliche Ordnung dieses Landes zu destabilisieren droht. Es ist offensichtlich, dass Griechenland in diesem Jahrzehnt nicht wieder zu einigermaßen auskömmlichen Konditionen an die Kapitalmärkte zurückkehren wird. All dies ist offensichtlich. Es ist so offensichtlich, Frau Bundeskanzlerin, dass man diese Probleme „mit einem Mix aus Warten, Wursteln und Wegsehen“, wie die Süddeutsche Zeitung geschrieben hat, nicht mehr übertünchen kann. ({38}) Die Stunde der Wahrheit ist da. Nach allgemeiner Einschätzung, Frau Bundeskanzlerin, muss endlich eine konkrete Entlastung von Griechenland und nicht nur eine bloße Verschiebung des Schuldendienstes stattfinden. Griechenland muss substanziell entlastet werden. Bezogen auf den Radikalvorschlag von Frau Lagarde heißt das: Es ist gar nicht einmal das störende und sehr weit reichende Element, dass sie für einen weiteren Schuldenschnitt plädiert, das Sie in Verlegenheit bringt, sondern was Sie in Verlegenheit bringt, ist die dahinterstehende knallharte Analyse der Direktorin des Internationalen Währungsfonds, die Ihren Schleiertanz nach den Melodien „Kein Cent für die Griechen“ - das war im Frühjahr 2010 - bis hin zu „Es wird kein zusätzliches Geld für Athen geben“ - das ist die neue Melodie - auffliegen lässt. Diesen Schleiertanz haben Sie uns, der deutschen Öffentlichkeit und auch Ihrer eigenen Koalition zu lange vorgeführt, mit dem Ergebnis, dass Ihre Koalition, insbesondere Ihre Fraktion, Ihnen zunehmend rote Linien setzt, die Sie in Europa handlungsunfähig machen. Das ist das Zusammenspiel Ihres Schleiertanzes mit den darauffolgenden Reaktionen Ihrer eigenen Fraktion. ({39}) Sie haben so viele rote Linien aus Ihren eigenen Reihen zu beachten, dass Sie sich in Europa nicht mehr konstruktiv aufstellen können, um diese Krise zu lösen. Die Zeit des Lavierens, Abwartens und auch der Scheibchendiplomatie ist allerdings vorbei. Machen Sie sich selbst ehrlich und endlich eine klare Ansage! Die Finanzlücke Griechenlands ist ohne Inanspruchnahme des deutschen Steuerzahlers nicht zu schließen. Wir sind längst in einer Haftungsunion, und für die Stabilisierung der Europäischen Währungsunion werden wir wie für die deutsche Wiedervereinigung Opfer bringen müssen. Ein Schuldentilgungsfonds, eine faktische Entlastung Griechenlands, ist besser als eine unter wachsendem Problemdruck unkonditionierte Staatsfinanzierung durch die EZB. Sagen Sie dies endlich der deutschen Öffentlichkeit! ({40}) Sagen Sie einfach, was ist! Damit beginnt jede Politik. Es ist eine ganz einfache Ableitung: Erstens. Ein Kollaps Griechenlands führt zu unhaltbaren politischen und ökonomischen Kosten. Das ist die Erkenntnis, die Sie in der Sommerpause auch gewonnen haben. Zweitens. Deshalb muss Griechenland in der Euro-Zone gehalten und stabilisiert werden. Drittens. Dafür braucht es mehr Zeit und eine Streckung der Auflagen, die Griechenland erfüllen muss. Viertens. Dies führt unabweisbar zu einer Finanzlücke. Das ist eine ganz klare Ableitung. Sie ist nicht durch irgendein Mixtum compositum zu schließen, nach dem Motto: Dann reduzieren wir einmal die Zinsen ein bisschen, eventuell auf deutsches Niveau. Was würden denn Spanien und Italien dazu sagen, wenn gleichzeitig deren Zinsen hochgingen? Oder mit Blick auf eine Streckung in den Laufzeiten? Oder indem Geld zum Abkauf von Staatsanleihen bei Privaten zu einem günstigeren Kurs investiert wird? Oder indem sogar ein weiterer Schuldenschnitt ansteht? Alles kostet Geld. Alles betrifft diesen Bundeshaushalt. Deshalb wäre es angemessen, dass Sie bei diesen Unwägbarkeiten die Verabschiedung dieses Haushaltsentwurfes so lange verschieben, bis in Europa Klarheit ist. ({41}) Ich will mich mit den kurzfristigen Auswirkungen gar nicht beschäftigen, die eine Bonitätsabstufung von Frankreich und die Vertagung der gestrigen EuroGruppe haben. Das wollen wir alle nicht herbeireden. Aber womit ich mich beschäftige, ist: Wie reagieren denn die Finanzmärkte, wenn sie merken, dass Ihre Entscheidungen vom 29. Juni dieses Jahres im Europäischen Rat folgenlos gewesen sind? Haben Sie nicht bei Spanien die Hoffnung genährt, dass eine Direktkapitalisierung spanischer Banken aus dem ESM möglich ist? Das haben die sich ja nicht ausgedacht. Sie haben dies an eine Kondition gebunden. Mit der Erfüllung dieser Kondition rechneten diese mediterranen Länder zum 1. Januar 2013. Erkennbar ist Ihr Sinnen und Trachten darauf gerichtet, dass es zu dieser Bankenunion als Voraussetzung für eine solche Direktkapitalisierung nicht kommt. Aber wenn sie nicht kommt: Was heißt das für Spanien und für die Erwartungen der Finanzmärkte? Was heißt das, wenn das Draghi-Programm so nicht greift, wo er entgegen Ihren ursprünglichen Überzeugungen bereit ist, Staatsanleihen unlimitiert aufzukaufen, unter der Voraussetzung, dass sich die Länder vorher den Auflagen des ESM stellen? Aber vielleicht gibt es einige Länder, die sich diesen Auflagen gar nicht stellen wollen? Vielleicht ist Herr Rajoy mit der spanischen Regierung gar nicht bereit, diese Bedingungen zu erfüllen? Gerät damit die Bundesrepublik Deutschland und geraten Sie als Regierung auf eine Rutschbahn, an deren Ende Sie an dem Punkt landen, den wir Ihnen schon immer vorausgesagt haben, nämlich dass wir zahlen müssen? Die Frage ist, wie die Finanzmärkte reagieren, wenn sie feststellen, dass vieles folgenlos geblieben ist. Ich stelle in diesem Zusammenhang auch die Frage: Was ist eigentlich aus der Umsetzung des Wachstums- und Beschäftigungspaktes vom 29. Juni dieses Jahres geworden? ({42}) Was ist denn konkret mit der Umsetzung der Finanztransaktionsteuer? Sie können sich daran erinnern, dass nicht nur für meine Fraktion, sondern auch für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen diese beiden Punkte die Voraussetzung für unsere Zustimmung bei einer Zweidrittelmehrheit, die Sie brauchten, und von konstitutiver Bedeutung waren. Wenn wir uns in diesem Punkt von Ihnen hinter die Fichte geführt fühlen, dann werden wir Ihnen nicht erneut die Kastanien aus dem Feuer holen, wenn Sie wieder unsere Zustimmung brauchen. ({43}) Meine Damen und Herren, ob Haushaltskonsolidierung oder Ihre Europapolitik, ob endlose Streitereien über Dinge wie das Betreuungsgeld, die wir nicht brauchen, oder Ihr rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild, ob Tatenlosigkeit bei der sozialen Spaltung des Landes oder Ihr Dilettantismus bei der Energiewende: Diese Stümperei muss endlich aufhören! ({44}) Sie müssen, Frau Bundeskanzlerin, diese Fähigkeiten zum Aussitzen und Abwarten irgendwo gelernt haben, diese Neigung, sich nicht zu exponieren, schön in der Deckung zu bleiben, um dann auf den Zug zu springen, in dem die meisten Fahrgäste sind. Sie haben zu lange den Zusammenhalt Ihrer Koalition über die Interessen unseres Landes und die Interessen eines gemeinsamen Europas gestellt. Im September 2013 ist es endlich so weit, dass dies beendet werden kann. Dazu werde ich beitragen. ({45}) Dieser Haushaltsentwurf ist der letzte einer schwarzgelben Koalition, der zur Abstimmung entweder am Freitag ansteht oder später, wenn Sie auf meine Bitte eingehen, diese Verabschiedung zu verschieben. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({46})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Bundeskanzlerin. ({0})

Dr. Angela Merkel (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001478

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns in diesem Hause weitgehend einig darüber, dass wir diesen Haushalt in einer schwierigen europäischen und in einer schwierigen internationalen Lage vorlegen. Es ist gerade drei Jahre her, als wir den stärksten Wirtschaftseinbruch in der Geschichte unseres Landes hatten: 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wir mussten im Jahr 2010 einen Krisenhaushalt mit einer Neuverschuldung von über 80 Milliarden Euro vorlegen. Das war die höchste Neuverschuldung, die je in einem Haushalt stand. 2011 konnten wir als erstes großes Industrieland wieder das Vorkrisenniveau erreichen. ({0}) Das alles hat in den letzten drei Jahren stattgefunden. Es ist gelungen, was wir gerne wollten: dass Deutschland stärker aus der Krise herauskommt, als es hineingegangen ist. ({1}) Dazu haben viele einen Beitrag geleistet. Das wurde in der Großen Koalition begonnen, aber die christlich-liberale Koalition hat es weitergeführt. ({2}) Wir konnten Fehler korrigieren mit dem schon genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz, ({3}) indem wir mehr für Unternehmen gemacht haben, indem wir Erbschaften bessergestellt und damit Unternehmen das Verbleiben im Lande ermöglicht haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, diese Erfolgsbilanz darf man ja auch einmal ansprechen. Ein nüchterner Blick auf die Fakten zeigt: Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung. ({4}) Ich will das auch gerne begründen. Sie ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung, weil wir - das ist für die Menschen im Lande wichtig; das sollte man jetzt in diesem Haus nicht vergessen - den tiefsten Stand der Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung haben. ({5}) Das bedeutet mehr Teilhabe für Millionen von Menschen - von Bürgerinnen und Bürgern und ihren Familien. ({6}) Wir sind die erfolgreichste Bundesregierung, weil wir mehr für Forschung und Bildung ausgeben, als es seit der Wiedervereinigung jemals geschehen ist. ({7}) Das bedeutet mehr Chancen für junge Menschen. Wir sind die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung - ich glaube, sogar über die Wiedervereinigung hinaus -, weil es noch nie eine solche Entlastung für die Kommunen in unserem Lande gegeben hat. ({8}) Wir arbeiten an zwei ehrgeizigen Projekten. Zu dem einen, der Energiewende, kann ich nur sagen: Als Sie damals den Ausstieg unter Rot-Grün für 2022 veranlasst haben, haben Sie sich um keinerlei Vorsorge, was Leitungsbau, EEG und anderes anbelangt, gekümmert, meine Damen und Herren. ({9}) Wir haben an einer anderen Stelle akzeptiert, dass die Realität sich geändert hat. Wir haben die Wehrpflicht ausgesetzt. Wir bauen die Bundeswehr um. Das ist eines der ganz großen Projekte, die für unser Land wichtig sind. Nebenbei konnten wir noch einen Freiwilligendienst einführen, der seinesgleichen sucht, und das Ehrenamt in unserem Land sehr stärken. ({10}) Das heißt, die Menschen können sich auf uns verlassen. Aber sie können auch darauf bauen, dass wir in die Zukunft blicken. Wir wissen: Für eine gute Situation heute, die auch am morgigen Tag gilt, muss immer neu gearbeitet werden, und das in drei Bereichen: solide Finanzen, Solidarität mit den Schwächeren in der Gesellschaft und Erhaltung und Festigung der Wettbewerbsfähigkeit. Beginnen wir einmal mit den soliden Finanzen. Die Neuverschuldung ist auf ein Niveau von 17,1 Milliarden Euro heruntergekommen. ({11}) Das heißt, wir erfüllen, drei Jahre bevor die Schuldenbremse es von uns verlangt, die Vorgabe, die strukturelle Neuverschuldung auf 0,35 Prozent zu begrenzen. Das sucht seinesgleichen, zum Beispiel bei den Ländern, und zeigt, was der Bund hier leistet. ({12}) Des Weiteren sagen wir - das haben wir in dem schon genannten Koalitionsausschuss festgelegt -: Wenn sich die wirtschaftliche Lage vernünftig weiterentwickelt, dann werden wir 2014 daran arbeiten, die strukturelle Neuverschuldung noch einmal zu senken, und zwar auf null. Auch das ist ein ambitioniertes Ziel. 2016 - das können Sie der mittelfristigen Finanzplanung entnehmen - wollen wir die Neuverschuldung auf null geführt haben. Das wäre das erste Mal seit über 40 Jahren. Das ist unser Blick in die Zukunft, und der ist vernünftig. ({13}) Wir wissen aber: Solide Finanzen sind natürlich kein Selbstzweck, sondern es geht letztendlich darum, was die Menschen im Lande davon haben. Neben der Tatsache, dass wir zukunftsfähiger werden, wenn wir uns weniger neuverschulden und wenn wir langfristig Schulden abbauen, ist eines der wesentlichen Resultate der guten Situation auf dem Arbeitsmarkt, dass in den letzten Jahren auch die Einkommensungleichheit gesunken ist. Das zeigt sich daran, dass zum Beispiel zwischen 2005 und 2010 1 100 Euro mehr pro Haushalt im Osten und 600 Euro mehr im Westen inflationsbereinigt zur Verfügung standen. Diese Entwicklung setzt sich jetzt gerade fort. Einkommensungleichheit wird verringert, indem wir mehr Menschen in Arbeit bringen. Das ist die Lehre aus den letzten Jahren. Dieser Kurs muss fortgesetzt werden. ({14}) Ich weiß, dass die gute Situation, die sich heute in unserem Lande darstellt, ganz wesentlich von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Unternehmern in unserem Lande erarbeitet wurde, und zwar jeden Tag aufs Neue, mit viel Leidenschaft, mit viel Herzblut, mit viel Ausbildung und allem, was dazu gehört. Aber gerade deshalb bedeuten solide Finanzen natürlich auch, dass wir da, wo wir den Menschen Freiräume eröffnen können, sie ihnen auch eröffnen. Was wir geschafft haben, sind zwei Dinge: einerseits die sozialen Sicherungssysteme, auf die wir in diesem Land stolz sein können - Rentenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung -, zu stärken, ihnen ihre Aufgabenerfüllung zu ermöglichen, und andererseits da, wo es möglich ist, den Kurs durch Entlastung von Lohnzusatzkosten fortzusetzen, um wieder mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist genau der Kreislauf, auf den wir setzen, weil wir den Menschen im Lande etwas zutrauen, meine Damen und Herren; das ist vielleicht auch der Unterschied zwischen Ihnen und uns. ({15}) Deshalb sagen wir: Ja, wir senken den Rentenversicherungsbeitrag, so wie es im Übrigen die rechtliche Lage erfordert, ({16}) weil wir wissen, dass wir langfristig vor großen Herausforderungen stehen, aber auch, weil wir wissen, dass wir gerade jetzt in einem sehr fragilen Umfeld arbeiten und alles, was Entlastung möglich macht, wieder wachstumsfördernd wirkt. So haben wir es im Übrigen auch mit dem Gesundheitsbeitrag in der Großen Koalition gemacht. Das nur einmal zur Erinnerung. ({17}) Und wir haben die Praxisgebühr abgeschafft - auch das war der letzte Koalitionsausschuss -; das wurde offensichtlich von allen befürwortet. Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, der seines Zeichens ein Mitglied der SPD-Fraktion ist, hat darauf hingewiesen, dass es selten vorkommt, dass in so großer Einmütigkeit Entscheidungen getroffen werden. Meine Damen und Herren, sagen Sie einfach einmal Danke an die FDP, die das Abschaffen der Praxisgebühr ermöglicht hat. ({18}) Wir haben gleichzeitig den Vorschlag gemacht, dass wir in einer Zeit, in der die Einkommen nach langer Lohnzurückhaltung in Deutschland wieder steigen, nicht die Steuern senken, sondern dass wir nichts anderes machen, als den Menschen das, was ihnen durch die kalte Progression und die Inflation genommen wird, durch die Erhöhung des Grundfreibetrags wieder zurückzugeben. ({19}) Sie müssen mir einmal erklären, warum es gerecht sein soll, dass der Staat zwar den Menschen mit unteren und mittleren Einkommen das zurückgeben will, was er sich vorher, obwohl es ihm eigentlich gar nicht gehört und ihm nur durch Nebeneffekte zugefallen ist, genommen hat, dass er aber just in dem Moment zum Beispiel für die Mittelständler, die vielleicht etwas mehr verdienen, gleich noch einmal die Steuern erhöht. Mir leuchtet das nicht ein. Das ist nicht gerecht. ({20}) Oder um es andersherum zu sagen: Lieber geben Sie denjenigen mit unteren und mittleren Einkommen nichts zurück, wenn Sie nicht gleichzeitig denjenigen mit höheren Einkommen etwas nehmen können. Das ist eine tolle Politik in Zeiten der ersten Reallohnzuwächse seit Jahren, meine Damen und Herren. Das muss man hier einfach einmal aussprechen. Unsere Vorstellung von Gesellschaft ist, dass gerade auch die Kommunen Handlungsspielräume haben. In den Kommunen findet Politik nah bei den Menschen statt. Wir wissen, dass eine der großen Herausforderungen der Zukunft die demografische Veränderung ist. Wir wissen, dass Altersarmut ein Thema ist, das mit ansteigender Bedeutung gerade die Kommunen beschäftigen wird. Genau deshalb haben wir gesagt: Wir übertragen die Kosten der Grundsicherung auf den Bund, und zwar für alle Zeiten. Das ist einer der großen Beiträge für mehr freiheitliche Politik in unserem Land, für mehr kommunalen Handlungsspielraum. Die kommunalen Spitzenverbände erkennen das auch an. Das sollten Sie ebenfalls tun, meine Damen und Herren. ({21}) Was die zukünftigen Herausforderungen angeht, ist mit Sicherheit die demografische Veränderung eine der ganz großen Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Die Bundesregierung hat deshalb nicht nur die Lage analysiert und die Handlungsfelder, in denen wir agieren müssen, bestimmt; wir haben uns auch an alle Mitstreiter in dieser Frage gewandt. Im Übrigen haben wir auch sehr positive Antworten bekommen. Jetzt werden wir die Demografiestrategie Schritt für Schritt umsetzen zusammen mit den Kommunen, mit den Ländern, mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit anderen Akteuren. ({22}) Wir haben aber natürlich auch schon erste Schritte unternommen. Ich will hier nennen: die Allianz für Menschen mit Demenz, zusätzliche Leistungen für Demenzkranke - diese können wir jetzt endlich in der Pflegeversicherung besser darstellen - und die Förderung der privaten Pflegevorsorge. Das sind nur drei Punkte, bei denen wir ganz konkret beginnen, dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Natürlich wissen wir: Gerade in Zeiten, in denen sich die Bevölkerung so entwickelt, dass wir mehr ältere Menschen haben, in denen die Lebensdauer glücklicherweise auch länger ist, gilt es vor allen Dingen, den Familien den Spielraum und die Lebensmöglichkeiten zu geben, die Zukunft zu bewältigen; denn in Familien werden Werte vermittelt, die der Staat so nicht vermitteln kann. ({23}) Wir setzen daher auf Wahlfreiheit. Deshalb haben wir das Betreuungsgeld hier beschlossen. ({24}) Das haben wir hier ausführlich diskutiert. Dazu möchte ich heute gar nichts sagen. Die Problematik bezüglich der Wahlfreiheit zeigt sich aber natürlich vorrangig darin, dass Deutschland über Jahrzehnte zu wenige Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige hatte. Im Übrigen hat Rot-Grün in den Jahren seiner Regierung gar nichts daran geändert. Da mussten wir erst einmal kommen, meine Damen und Herren, um dafür zu sorgen, dass man damit überhaupt einmal einfängt. ({25}) Ohne eine CDU-Familienministerin in der Großen Koalition wäre es doch gar nicht dazu gekommen. Das müssen die Menschen im Lande doch einmal wissen. ({26}) Wir haben 4 Milliarden Euro für die Kleinkindbetreuung eingesetzt. Wir haben jetzt noch einmal 580 Millionen Euro draufgelegt. Wir zahlen die Betriebskosten. Das alles tun wir trotz der Nichtzuständigkeit des Bundes, weil wir überzeugt sind, dass die Zukunft unseres Landes davon abhängt. ({27}) Nachdem wir nun verabschiedet haben, dass wir noch einmal zusätzliches Geld in die Hand nehmen, sage ich - auch im Einvernehmen mit der zuständigen Ministerin -: Jetzt ist es an den Ländern, auch wirklich das Ziel umzusetzen, das wir gemeinsam vereinbart haben, nämlich den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zum 1. August 2013, meine Damen und Herren. ({28}) Natürlich müssen wir auch darauf achten, dass keine Generation über Gebühr belastet wird. Das wird uns in den nächsten Jahren ganz wesentlich beschäftigen; denn die jungen Menschen sind heute viel mobiler, als sie das früher waren. Keiner in Deutschland kann gezwungen werden, zu arbeiten. Deshalb müssen wir auf eine Generationenbalance achten. Wir haben eine Situation, in der wir bis 2030 6 Millionen Erwerbstätige weniger haben werden. Wir haben eine Situation, in der sich das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern bis 2030 von heute drei zu eins auf zwei zu eins, also zwei Erwerbstätige auf einen Rentner, verändern wird. ({29}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben darauf ja die richtige Antwort gefunden. ({30}) Wir haben gesagt: Wenn die Menschen länger leben, dann müssen wir die Arbeitszeit verlängern. Deshalb haben wir uns für die Rente mit 67 entschieden. ({31}) Ich rate uns allen dringend, den Menschen keinen Sand in die Augen zu streuen und heute nicht wieder so zu tun, als wäre das alles nicht nötig und als wäre es besser, bis 2020 zu warten und dann zu entscheiden. Dann würden die Einschnitte viel dramatischer sein. ({32}) Stattdessen sollten wir doch einmal das anschauen, was wir geschafft haben. 2001 betrug die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen 21 Prozent, war also jeder Fünfte erwerbstätig. 2011 waren es 44,2 Prozent. Das heißt, wir haben den Anteil verdoppelt. Ich bin damit nicht zufrieden. Ich weiß auch, dass diese Zahl bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen geringer ist. Aber sollten wir diese Entwicklung nicht lieber positiv aufnehmen und darauf aufbauen, anstatt den Menschen einzureden, das sei alles gar nicht nötig? ({33}) Wir sagen: Wir wollen, dass alle bis 64 oder 65 Jahre im Erwerbsleben sein können. Da werden auch viele Betriebe umdenken müssen. Aber diese Herausforderungen müssen wir annehmen. ({34}) Wenn man richtig hingehört hat, weiß man: Natürlich haben wir uns im Koalitionsausschuss mit dem Thema Altersarmut beschäftigt. ({35}) Wer jetzt behauptet, dass das Thema Altersarmut die Menschen nicht interessiert - denn angeblich beschäftigen wir uns ja nur mit Sachen, die die Menschen nicht interessieren -, ({36}) der sagt schlichtweg nicht die Wahrheit. ({37}) Denn das Thema Altersarmut ist ein Thema. ({38}) Sie haben damals unter Rot-Grün die Grundsicherung eingeführt. Wir haben damals die Grundsicherung übernommen. Das war eine richtige Entscheidung. Ich rate uns jetzt allen, diese Entscheidung, die so alt auch noch nicht ist, nicht wieder so schlechtzureden, dass die Menschen den Eindruck haben, das sei etwas, was gar nicht akzeptabel ist. So etwas wie eine Grundsicherung gibt es in vielen Ländern nicht. ({39}) Aber wir sagen auch: Wer 40 Jahre gearbeitet hat, wer privat vorgesorgt hat, der soll eine Rente aus der Rentenkasse bekommen. Dafür steht die christlich-liberale Koalition, und dafür werden wir unsere Vorschläge vorlegen. ({40}) Dann möchte ich daran erinnern, dass der wichtigste Faktor, mit dem wir unseren Wohlstand erhalten können, die Investition in Bildung und Forschung ist. Hier hat die Koalition mehr getan als alle Koalitionen vor ihr. Sie hat knapp 4 Milliarden Euro pro Jahr mehr investiert. Jeder weiß, dass Wissenschaftler aus dem Ausland zu uns zurückkommen, weil die Berechenbarkeit von Forschungsbedingungen in Deutschland inzwischen ein Standortmarkenzeichen geworden ist. Ich will auch noch an das erinnern, was wir in den Bereichen geschafft haben, in denen wir mit den Ländern zusammenarbeiten. 2008 hatten wir einen Qualifizierungsgipfel mit den Ministerpräsidenten. Wir haben inzwischen eine Studienanfängerquote von 50 Prozent. Wir haben inzwischen weniger Schulabbrecher. Wir haben inzwischen mehr Migrantinnen und Migranten, die einen Schulabschluss machen. Es sind aber immer noch zu viele, die keinen machen. Fast doppelt so viele müssten ihn machen. Aber wir sind auf einem guten Weg, und diesen Weg werden wir ganz gezielt fortsetzen, gerade im Bereich der Integration. Denn auch hier zeigt sich, wie wir in der Zukunft mit unserer Gesellschaft klarkommen können. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Jugendarbeitslosigkeit mit die geringste in Europa ist, dass sie in den letzten Jahren halbiert wurde, ist doch ein Riesenerfolg. Sagen wir doch den Jugendlichen: Hier arbeiten wir weiter. Keiner darf verloren gehen. - Aber malen wir doch nicht ein schwarzes Bild von Deutschland. ({41}) Wenn es um Kooperationsverbote geht, dann empfehle ich Ihnen einfach, der beantragten Änderung des Grundgesetzartikels 91 b zuzustimmen. Genau damit wollen wir das Kooperationsverbot im Wissenschaftsbereich aufheben. Die Bundesbildungsministerin ist glücklicherweise so mutig, einfach das zu machen, was notwendig ist, sei es in Baden-Württemberg, sei es in Berlin hinsichtlich der Kooperation von Charité und MaxDelbrück-Centrum. Aber es wäre schöner, wir könnten es auf eine gemeinsame Grundlage stellen. ({42}) Also, sträuben Sie sich nicht. Seien Sie mutig. Gehen Sie auf unser Anliegen ein, das Kooperationsverbot zuerst da abzuschaffen, wo es möglich ist. Das ist meine Aufforderung an Sie. ({43}) Meine Damen und Herren, natürlich werden wir gerade im Energiebereich vor große Herausforderungen gestellt. Wir haben jetzt glücklicherweise einen Arbeitsmodus mit den Ministerpräsidenten gefunden. ({44}) - Ja, eine vernünftige Kooperation. ({45}) - Eine vernünftige Kooperation. Sie wissen, dass wir, wenn ich mich recht erinnere, im Juni des Jahres 2011 die Energiewende beschlossen haben. Der Kooperationsmodus ist ein Jahr später in Kraft gesetzt worden. ({46}) Wir werden im Dezember den ersten Monitoringbericht bekommen. Den werden Sie beraten können. ({47}) Wir sagen doch überhaupt nicht, dass es nicht eine ganze Reihe von wirklichen Herausforderungen gibt. Vor welchen Herausforderungen wir stehen, haben wir bei der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zur Photovoltaik erfahren. Es waren nicht die Koalitionsfraktionen, die einen schnelleren Abbau verhindert haben, sondern es waren zum Schluss die Abstimmungsmechanismen mit dem Bundesrat. ({48}) Ich sage nur: Es geht um eine bessere Verzahnung. Das müssen wir schaffen. Deshalb werden wir bis März auch Vorschläge dazu vorlegen. Im Übrigen sind wir mit den Ministerpräsidenten darin übereingekommen, dass wir besser vernetzen und dass wir die zunehmende und inzwischen auch in vielen Bereichen und an vielen Stunden des Tages gleichrangige Versorgung mit erneuerbaren Energien mit grundlastfähigen Kraftwerken sichern, und zwar so, dass die Dinge Hand in Hand gehen: dass die Speichermöglichkeiten besser werden und dass wir dafür die entsprechenden Netze haben. Dazu befindet sich eine Vielzahl von Gesetzgebungsverfahren in Arbeit, die ich hier nicht alle aufzählen möchte. Wir werden die Energiewende allerdings nur schaffen, wenn wir auch im Bereich der Energieeffizienz etwas erreichen. Hier gehört es wirklich zu den Paradoxien, dass Sie das Wort „Energieeffizienz“ wunderbar im Munde führen, während die gesamte Gesellschaft, alle Verbände - von den Gewerkschaften über die Umweltverbände bis zu den kommunalen Spitzenverbänden, Handwerksverbänden und den restlichen Wirtschaftsverbänden - sagen: Bitte lasst uns ein steuerliches Anreizprogramm für Gebäudesanierung machen. - Darauf haben Sie uns bisher keine vernünftige Antwort gegeben. Das ist die Situation. ({49}) Sie wissen genau, eine solche steuerliche Förderung der Gebäudesanierung finanziert sich nicht nur aus sich heraus, sondern schafft noch Mehrwert. Das sagt jeder, der von der Sache Ahnung hat. Deshalb sollten Sie das wirklich noch einmal überdenken. ({50}) Meine Damen und Herren, natürlich ist Deutschland mit dem, was ich beschrieben habe, und mit dem, was wir noch in Angriff nehmen werden, nicht eine Insel, sondern tief vernetzt mit der Weltökonomie und mit der europäischen Wirtschaft. Europa befindet sich in einer eher ernsten Lage. Deshalb sollten wir mit Ruhe und Anerkennung auf das schauen, was in Europa passiert, aber auch mit der Erkenntnis, dass diese Dinge nicht in ein, zwei Jahren zu lösen sind. Der Chef des EFSF und des ESM, Herr Regling, sagte uns vor wenigen Tagen: Die Unterschiede in den Lohnstückkosten zwischen Nordeuropa und Südeuropa sind von 50 Prozent auf 20 Prozent gesunken. Das ist nicht alles, aber es ist ein wichtiger Indikator, der dafür spricht, dass daraus auch Arbeitsplätze entstehen werden, genauso wie aus den Arbeitsmarktreformen, die wir in Deutschland durchgeführt haben. ({51}) Wenn Sie die 500 Seiten, die wir Ihnen zu den Veränderungen in Griechenland übersandt haben, einmal durchschauen, dann wissen Sie, dass es hier nicht vorrangig um Sparauflagen geht. Es geht zwar auch um Sparen, insbesondere im öffentlichen Sektor. Aber hier geht es vor allem um einen tiefgreifenden und notwendigen Umbau des griechischen Staates, damit die Menschen in Griechenland auf lange Sicht wieder eine Chance haben, auch in Wohlstand zu leben und ihre Zukunft selbst gestalten zu können. ({52}) Ja, es ist richtig, dass es eine politische Entscheidung ist, zu sagen: Wir wollen, dass Griechenland im EuroRaum bleibt. Natürlich sind wir in Europa durch gemeinsame Werte verbunden. Aber das entbindet uns nicht davon, darauf zu achten, dass die Reformen in Griechenland zum Wohle der Menschen in Griechenland wirklich durchgeführt werden müssen. ({53}) Deshalb ist die Kombination von Anforderungen hinsichtlich Veränderungen auf der einen Seite und von Solidarität auf der anderen Seite genau die richtige Antwort Europas in dieser Situation. ({54}) Es ist eine gute Nachricht, dass die Troika bereits jetzt gesagt hat, dass die Vorgaben zu den Veränderungen in Griechenland erfüllt sind und dass die vorher durchzuführenden Maßnahmen - die sogenannten Prior Actions auch durchgeführt wurden. Das ist ein wichtiger Fortschritt, und ich weiß, wie viel Anstrengung das die griechische Regierung gekostet hat. Deshalb werden auch keinerlei Abstriche bei den Erwartungen an die Reformen gemacht, bei deren Umsetzung Deutschland im Übrigen hilft, sowohl im Gesundheitsbereich als auch beim Aufbau der lokalen Verwaltung. Aber angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland, aber auch in Europa und weltweit, gibt man Griechenland zwei Jahre mehr Zeit, um den Primärüberschuss zu erreichen, der vorher veranschlagt war. Wir kennen das im Übrigen auch; denn bei uns hat sich die Wachstumsprognose seit dem Frühjahr ebenfalls halbiert. Es ist also nicht so, dass nur die Prognosen für Griechenland nicht ganz richtig sind. Spätestens seit der Krise sind wir daran gewöhnt, da öfter einmal etwas Neues zu hören. Jetzt geht es darum, die notwendigen Finanzierungen bereitzustellen. Ich möchte zunächst einmal ein herzliches Dankeschön an den Bundesfinanzminister sagen, der immer noch auf der Regierungsbank sitzt, obwohl er die ganze Nacht gearbeitet und Sie dann noch alle informiert hat. Danke. ({55}) Aus diesen Informationen wissen Sie, wie die Planungen aussehen. Ich will das jetzt nicht im Detail darstellen. Man weiß es zwar nicht genau, aber ich glaube, es gibt Chancen, am Montag zu einer Lösung zu kommen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine Bemerkung machen. Diese Sehnsucht - darauf bin ich hier schon oft eingegangen -, es möge doch die eine Aktion, den einen Befreiungsschlag, die eine Wahrheit geben, welche bewirken, dass morgen diese Probleme nicht mehr auftauchen - diese Sehnsucht wird es nicht geben. ({56}) - Die Sehnsucht gibt es natürlich, aber die Antwort auf diese Sehnsucht wird es nicht geben. Diese Sehnsucht ist zwar menschlich verständlich, aber die Antwort wird es so nicht geben. Das Ganze ist ein Prozess. Was über Jahre und Jahrzehnte versäumt wurde, kann nicht plötzlich über Nacht realisiert werden. Deshalb werden wir auch weiterhin schrittweise vorangehen müssen. ({57}) Morgen beginnt ein Europäischer Rat, der wiederum von großer Bedeutung ist. Ich weiß nicht, ob wir morgen oder übermorgen schon zu abschließenden Ergebnissen kommen können. Wir wollen das; notfalls müssen wir uns Anfang des nächsten Jahres noch einmal treffen. Es geht um die mittelfristige finanzielle Vorausschau. Weil hier nach dem Wachstum gefragt wurde, will ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir den Wachstumspakt beschlossen haben. Dieser Wachstumspakt wird natürlich umgesetzt. Der kundige Thebaner weiß zum Beispiel, dass wir unser Geld für die Europäische Investitionsbank überwiesen haben. Der noch kundigere Thebaner weiß, dass damit schon erste Programme von Herrn Hoyer bearbeitet wurden. Wenn die Europäische Kommission dann noch alle Fragen rund um die Beihilfe geregelt hat, dann stehen für Portugal und für Griechenland 500 Millionen Euro und vieles andere bereit, was vorher nicht möglich war. Wir haben uns also richtig entschieden, als wir uns für eine Stärkung von Wachstum, Investition und für eine größere Rolle der Europäischen Investitionsbank eingesetzt haben. Da waren wir ja alle einer Meinung. Ich wollte Ihnen nur noch einmal mitteilen, dass das Ganze nun auch läuft. ({58}) Wenn Sie sich zugleich einmal anschauen, wie viel flexibler die Strukturfonds heute verwendet werden können - zum Beispiel zur Kofinanzierung für kleinere und mittlere Unternehmen, damit diese bei der Europäischen Investitionsbank einen Kreditantrag stellen können -, dann wissen Sie, dass wir für die Umsetzung der Beschlüsse aus dem Wachstumspakt bereits die richtigen Antworten gefunden haben. Die mittelfristige finanzielle Vorausschau ist nun die konsequente Fortsetzung. Deutschland hat sich stark gemacht, schon jetzt, Ende 2012, eine Entscheidung zu treffen. Neulich bin ich gefragt worden: Warum denn das jetzt auch noch? Darauf habe ich geantwortet: Damit es Planbarkeit und Planungssicherheit gibt. - Denn für viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die im Augenblick eine Haushaltskonsolidierung vornehmen, sind die europäischen Investitionsmittel fast die einzigen Mittel, die für Investitionen in die Zukunft zur Verfügung stehen. ({59}) Deshalb brauchen wir diese Planbarkeit, und deshalb sollte sich Deutschland dafür einsetzen. ({60}) Sie verstehen sicherlich, dass es natürlich auch eine Reihe von Eigeninteressen gibt - vom Agrarbereich bis hin zu den neuen Bundesländern -, die wir in den Verhandlungen ebenfalls vertreten werden. Das Auswärtige Amt, hier Staatsminister Link, hat hierfür intensive Vorbereitungen getroffen. Wir werden das in den nächsten Tagen in den Verhandlungen fortsetzen. Insgesamt geht es darum, wie sich Europa in der Zeit von 2014 bis 2020 aufstellen wird. Wir wollen zum Schluss sagen können: Ja, wir tun mehr für moderne Netze. Ja, wir tun mehr für Investitionen in Forschung und Entwicklung. Ja, wir haben in einigen Bereichen weniger Bürokratie. Ja, wir können besser investieren, da einige Dinge von der Kommission geleistet werden können. Meine Damen und Herren, wir werden also daran arbeiten. Ich will auf einen weiteren Bereich in Europa zu sprechen kommen, der natürlich wichtig ist. Wir alle wissen: Die Finanzkrise konnte nur dadurch entstehen, dass die Regulierung der Finanzmärkte nicht ausreichend war. Deshalb will ich auch an dieser Stelle eine klare Antwort geben: Es haben sich ausreichend Mitgliedstaaten gefunden, die in einer verstärkten Kooperation an einer Finanztransaktionsteuer arbeiten werden. Der Kommissionspräsident selber hat mir noch einmal gesagt, dass es für ihn oberste Priorität hat, dass wir das wirklich sehr schnell umsetzen. Insofern laufen die Verhandlungen. Sie wissen, dass Deutschland in vielen Fragen der Bankenregulierung Vorreiter war. ({61}) Wir haben die Leerkäufe verboten. Das ist inzwischen in Europa Gemeingut. Wir haben den Hochfrequenzhandel verboten. Wir hoffen, dass Europa folgt. Wir waren die Ersten, die ein Restrukturierungsgesetz für die Banken hatten. In Europa arbeitet man jetzt glücklicherweise daran. Beim nächsten G-20-Treffen - ich habe gerade mit dem russischen Präsidenten darüber gesprochen; Russland hat dann die G-20-Präsidentschaft inne - wird das Thema Schattenbanken, das in der Tat ein Riesenthema ist, eine zentrale Rolle spielen. Das Financial Stability Board hat am Sonntag genau dazu Vorschläge gemacht. Ich werde alle Kraft daransetzen - hoffentlich mit Ihrer Unterstützung -, ({62}) dass wir genau in dem Bereich vorankommen. Denn ansonsten schaffen wir nicht, was wir uns vorgenommen haben, nämlich dass jeder Finanzplatz, jeder Finanzmarktakteur und jedes Finanzprodukt einer Regulierung unterworfen werden, möglichst nicht nur in Deutschland, möglichst nicht nur in Europa, sondern möglichst überall auf der Welt. ({63}) Ich will auf die Initiative des Finanzministers verweisen, der zusammen mit dem britischen Finanzminister das Steueroasentum noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt hat. ({64}) Auch das ist eine ganz wichtige Initiative. Also, wir sollten gemeinsam daran arbeiten. Denn die Widerstände liegen weniger in Deutschland; sie liegen außerhalb Deutschlands. Da haben wir alle noch viel zu tun, meine Damen und Herren. ({65}) Wenn ich über die Lage in Europa spreche, dann sei auch ein Blick auf die internationale Lage geworfen. Wir sehen in diesen Tagen, dass die Menschen in einigen Regionen in einer sehr fragilen Situation leben. Ich möchte dem Bundesaußenminister danken, dass er jetzt im Nahen Osten unterwegs war und wichtige Impulse gesetzt hat, ({66}) dafür, dass wir einen Beitrag dazu leisten, einen Waffenstillstand zu erreichen, aber auch - ich sage das ganz bewusst - dass wir ein Zeichen an Israel senden. Denn die Gewalt hatte ihren Ausgangspunkt in Beschüssen vonseiten der Hamas auf israelisches Gebiet. Wir alle, die wir nicht dort waren, können uns, glaube ich, nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn man zusammen mit seiner Familie immer wieder Angst hat, beschossen zu werden. Deshalb sage ich ausdrücklich: Es gibt das Recht auf Verteidigung der eigenen Bevölkerung, und dieses Recht hat der israelische Staat, und er hat die Pflicht. ({67}) Nichtsdestotrotz - das wird heute in der außenpolitischen Debatte sicherlich noch eine Rolle spielen - werden wir natürlich alles daransetzen, eine Eskalation der Gewalt zu vermeiden, einen Waffenstillstand zu erreichen und den politischen Prozess so schnell wie möglich - so schwierig das auch ist - wieder in Gang zu setzen; denn zu ihm gibt es mittelfristig und langfristig keine vernünftige Alternative. ({68}) Meine Damen und Herren, wir erleben seit Monaten die quälende Situation in Syrien, wo Tausende und Abertausende von Menschen aufgrund der Gewalt sterben. Über 400 000 Flüchtlinge sind in den Nachbarländern Syriens. ({69}) Wir erleben, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht zu einer gemeinsamen Stimme findet, und dies ist bedrückend. Wir haben auch erlebt, dass ein Mitgliedstaat unseres Bündnisses, der NATO, angegriffen wurde. Deshalb hat die Bundesregierung, natürlich nach ganz engen Konsultationen mit Ihnen, gesagt: Wenn ein Partner in der NATO an uns einen Wunsch hat, dann prüfen wir das, dann versuchen wir natürlich, diesen Wunsch zu erfüllen. Natürlich schauen wir uns die Bedingungen an, und selbstverständlich wird das alles hier im Parlament umfassend diskutiert; das ist das Wesen unserer Parlamentsarmee. Dies zeigt aber auch, wie nah wir doch den Krisenregionen sind und wie kostbar das Gut des Friedens ist. Ich will einen weiteren Schwerpunkt nennen: Mali. Wir schicken uns an, dass eine Ausbildungsmission der Europäischen Union zusammengestellt wird. Auch hier erfolgt eine engste Abstimmung mit dem Parlament. Auch hier ist es, wie ich finde, richtig, zu sagen: Wir wollen keinen eigenen Einsatz; aber wenn es um den Kampf gegen den Terrorismus geht, sind wir schon verpflichtet, unser Wissen und unsere Fähigkeiten in der Ausbildung weiterzugeben. Deshalb diskutieren wir dies ganz intensiv. Wir werden noch in diesem Jahr beginnen, über ein neues Afghanistan-Mandat zu beraten. In diesem Zusammenhang möchte ich ganz klar sagen: Es gibt viel zu tun in Afghanistan. Aber wir befassen uns inzwischen mit dem Prozess der Übergabe von Verantwortung in Verantwortung. Wir können die Zahl unserer Soldatinnen und Soldaten reduzieren; das ist eine gute Nachricht. Wir haben Erhebliches bei der Ausbildung der afghanischen Streitkräfte und bei der Ausbildung der afghanischen Polizei erreicht; auch das ist wichtig. Ich male hier kein geschöntes Bild, ich kenne die Probleme; aber ich sage: Das ist ein ganz wichtiger Prozess. Wir sind uns einig, dass wir unseren Soldatinnen und Soldaten von Herzen für ihren Dienst in Afghanistan danken, der alles andere als einfach ist. ({70}) Wir sind uns einig - das zeigt auch die vernetzte Kooperation in der Bundesregierung -, ({71}) dass wieder das gilt, was für alle militärischen Konflikte gilt: Allein militärisch werden wir keinen Sieg erringen, es muss eine politische Kooperation, eine Entwicklungskooperation, eine Sicherheitskooperation geben. ({72}) Ich glaube, auch darüber gibt es eigentlich keine unterschiedlichen Meinungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Debatte findet also in einer schwierigen Situation in Europa, in einer fragilen Situation in vielen Regionen der Welt statt. Umso mehr können wir uns glücklich schätzen, dass wir in Europa leben, dass diese Europäische Union am 10. Dezember den Friedensnobelpreis verliehen bekommt, ({73}) und das im Übrigen nicht in einer Zeit, in der Europa große Erfolge zu verzeichnen hat - als der Kalte Krieg zu Ende ging, als die Europäische Union erweitert wurde, als der Euro eingeführt wurde -, sondern in einer Zeit, in der auch wir beweisen müssen, dass wir an unsere europäische Zukunft glauben. ({74}) Ich darf Ihnen sagen: Wir in der Bundesregierung tun alles dafür, damit der Satz, den wir anlässlich des 50. Jahrestages der Römischen Verträge gesagt haben: „Wir sind zu unserem Glück vereint“, auch in Zukunft gilt. Das ist ein wesentlicher Teil der Arbeit der christlich-liberalen Koalition. Andere habe ich Ihnen vorgestellt. Wir tun unsere Arbeit: für heute, für morgen, für die Zukunft und vor allen Dingen für die Menschen in diesem Lande. Das zeichnet uns aus. Herzlichen Dank. ({75})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich glaube, jetzt ist es gut. Wir können die Debatte fortsetzen. Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Katja Kipping.

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die bisherige Debatte verfolgt hat, hat gemerkt, dass sie so ein bisschen was von einer Castingshow hatte: Deutschland sucht den Superwahlkämpfer. Beide Kandidaten versuchen, sich ins rechte Licht zu setzen. Herr Steinbrück schenkt der Regierung mit viel rhetorischem Tamtam ein, Frau Merkel verteidigt sich tapfer. Die Fanblöcke sind aufmarschiert. Das alles ist etwas weniger glamourös als bei Deutschland sucht den Superstar; dafür ist aber Herr Lammert, finde ich, etwas sympathischer als Dieter Bohlen. ({0}) Am Ende aber ist es vor allen Dingen eine Show, und die Frage ist doch: ({1}) Wie groß sind die Unterschiede wirklich, wenn die Scheinwerfer aus sind und wenn es in den Backstagebereich geht? Wird nicht hinter der Bühne schon ganz heftig geflirtet?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Einen kleinen Augenblick, bitte, Frau Kipping. - Ich darf diejenigen, die jetzt der Debatte nicht weiter folgen können oder wollen, bitten, entweder den Saal zu verlassen oder jedenfalls für die gebotene Aufmerksamkeit zu sorgen. Bitte schön, Frau Kipping. ({0})

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Steinbrück, Sie haben auf Angriff gespielt. Die Frage ist aber doch: Wie glaubwürdig ist das? Werden Sie nicht einen Haushalt mit der gleichen Schwerpunktsetzung in den höchsten Tönen loben, wenn es nach der Wahl zu einer Großen Koalition kommt? Und dass es dazu kommen wird, pfeifen doch inzwischen schon die Spatzen von den Dächern. ({0}) Wir erleben hier eine Show. Die Medien werden morgen wieder Haltungsnoten vergeben. Die Frage ist doch: Reicht es wirklich, Haltungsnoten zu vergeben? Sind dafür die Probleme nicht viel zu groß? Immer mehr Menschen können ihre Stromrechnung nicht bezahlen und sind von Stromabschaltungen betroffen. Die Mieten explodieren, sodass viele Menschen aus den Wohngebieten der Innenstädte verdrängt werden. Eltern laufen sich die Hacken ab auf der Suche nach einem Kitaplatz. Die Schere zwischen Arm und Reich in diesem Land geht immer weiter auseinander, und Deutschland exportiert weiter fleißig Kriegswaffen und trägt damit zur Aufrüstung in der Welt bei. Meine Damen und Herren, das ist die Realität in diesem Land. Ich finde, angesichts dieser Realität müssen wir hier mehr liefern als eine Show. Politik muss mehr leisten als eine Castingshow. Wir brauchen einen wirklichen Wechsel, und darum geht es uns als Linke. ({1}) Wir wollen einen wirklichen Wechsel hin zu einem sozial-ökologischen Umbau, hin zu Umverteilung, damit die Reichen nicht immer reicher und die Armen nicht immer ärmer werden. Das ist unser Verständnis von Politik. ({2}) Zu einem wirklichen Wechsel gehört die Beendigung der Zweiklassenmedizin und die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, also einer Versicherung, in die alle - auch Abgeordnete und Beamte - einzahlen. Wir haben errechnet, dass dadurch der Beitrag sogar niedriger ausfallen würde. Er läge dann nämlich bei 10,5 Prozent. Meine Damen und Herren, das wäre doch etwas. Das könnten wir doch zusammen in Angriff nehmen. ({3}) Zu einem wirklichen Wechsel gehört eine soziale Energiewende. Diese muss den Wechsel hin zu erneuerbaren Energien garantieren, ohne dass die Ärmsten frieren und im Dunkeln leben müssen. Wir haben dazu Vorschläge gemacht. Um nur einen zu nennen: Wir meinen, dass wir endlich wieder eine funktionierende Preisaufsicht benötigen; denn sprudelnde Gewinne der Stromkonzerne bei steigender Energiearmut, das ist für uns als Linke nicht hinnehmbar. ({4}) Zu einem wirklichen Wechsel in diesem Land gehört auch ein Ende aller Kampfeinsätze. Deutschland ist der drittgrößte Kriegswaffenexporteur. Meine Damen und Herren, wir wissen es doch: Wenn die Waffen reden, schweigt die Vernunft. Niemand kauft sich einen Panzer, um ihn als Zierde in den Vorgarten zu stellen. Am Ende findet jede Waffe ihren Krieg. Deswegen sagt die Linke ganz klar: Wir brauchen einen sofortigen Stopp der Rüstungsexporte; denn mit dem Tod macht man keine Geschäfte. Das ist einfach unanständig. ({5}) Zu einem wirklichen Wechsel gehört aber auch, die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung ernst zu nehmen. Barrierefreiheit und Inklusion sind eben keine Almosen, die man mal gewährt, wenn es uns gerade in den Kram passt. Inklusion und Barrierefreiheit sind ein Recht. Im Übrigen würde Barrierefreiheit das Leben nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für alle Menschen besser machen. ({6}) Zu einem wirklichen Wechsel gehört, dass wir nicht nur auf dem Papier für jedes Kind einen Kitaplatz garantieren. Eltern wissen es: Man kann sich gar nicht früh genug um einen Kitaplatz bemühen, am besten fängt man schon vor dem Beginn der Schwangerschaft an. Das sind doch unmögliche Fristen. Das geht doch nicht! Als ich geboren wurde, haben meine Eltern einen Antrag auf einen Trabant gestellt, weil die Lieferfristen für Autos damals 18 Jahre betrugen. Über diese Seite der DDR-Mangelwirtschaft können wir heute nur lachen. Was mir heute Sorge bereitet, ist, dass in diesem reichen Land inzwischen Bildung zur Mangelware verkommt. Wir meinen, es kann nicht sein, dass sich Eltern die Hacken ablaufen müssen. Deswegen müssen wir die Gelder für den Kitaausbau aufstocken. ({7}) Das alles sind Maßnahmen, die man sofort angehen kann. Ich möchte im Folgenden über drei zentrale Bereiche reden, an denen man erkennen kann, wie ein wirklicher Wechsel aussehen kann. Ich möchte auch die Debatten zwischen CDU/CSU und SPD in diesen Bereichen daraufhin abklopfen, inwieweit es tatsächlich einen Unterschied zwischen ihnen gibt. Das erste Thema ist die sogenannte Euro-Rettung. Nun sind die Verhandlungen gestern gescheitert. In der Tat muss man deswegen die zentrale Frage aufwerfen: Wie seriös ist es angesichts des bisherigen Verhandlungsstandes überhaupt, in dieser Woche einen Haushalt zu beschließen? Wer von Ihnen kann denn wirklich ausschließen, dass am Ende Entscheidungen anstehen, die auf den Haushalt durchschlagen? Also: Am Ende stellen wir nur einen ungedeckten Scheck aus. Europa. Dieses Wort ist im Sprachgebrauch inzwischen untrennbar verbunden mit dem Begriff „Krise“. Aber wofür könnte Europa stattdessen stehen? Europa könnte für die große Menschheitshoffnung auf Frieden stehen. Europa könnte dafür stehen, dass die sozialen Grundrechte eben nicht nur Theorie sind, sondern verwirklicht werden. Europa könnte als Kraft des Fortschritts für die Beendigung von Rassismus und Nationalismus stehen. Leider muss ich all dies im Konjunktiv formulieren; denn der Kurs von Schwarz-Gelb in Europa führt in eine andere Richtung. Man muss sagen: Durch Ihren Kurs wird die Krise deutlich verschärft. Ja, Frau Merkel, es sind Ihre Kürzungsauflagen, die mit dazu führen, dass Schwangere in Griechenland nur dann in einen Kreißsaal gelassen werden, wenn sie Geld hinblättern. Es sind Ihre Kürzungsauflagen, die dazu führen, dass es in Kinderkrankenhäusern an dem Überlebensnotwendigen fehlt. Das Kürzungsdiktat führt aber nicht nur zu humanitären Katastrophen. Es ist auch volkswirtschaftlich falsch. Mit diesem Kürzungsdiktat reiten Sie Europa weiter in die Krise. Das wird letztlich auch für unser Land zum Bumerang werden; denn auch deutsche Unternehmen sind auf die Nachfrage in Südeuropa angewiesen. Das ist doch ganz einfach: Wenn Lohn- und Rentenkürzungen in Südeuropa zu einer flächendeckenden Verarmung führen, spätestens dann werden wir merken, dass sich dort kaum noch jemand einen Fernseher, ein Fahrrad und anderes leisten kann. Das heißt auch, dass man dorthin nichts mehr exportieren kann. Dann wird die Krise auch hier ganz anders zutage treten. Deshalb sagen wir als Linke ganz klar: Wir wollen einen Marshallplan, wir wollen einen sozial-ökologischen Umbau in Europa, und dafür muss man Geld in die Hand nehmen. ({8}) In den Debatten über die Euro-Rettung konnten wir hier oft SPD-Redner erleben, die Frau Merkel heftigst attackierten. Ja, reden können sie. Das lassen sich einige auch gut entlohnen. Am Ende lief es aber ab wie bei einer dieser Castingshows, wo die Kandidaten im Scheinwerferlicht miteinander konkurrieren und hinterher im Backstagebereich heftig flirten. Am Ende haben SPD und Grüne dem Fiskalpakt und der sogenannten EuroRettung - leider - treu und brav zugestimmt. Das Schlimme daran war nicht nur ihre Entscheidung, sondern vor allem die Begründung. Es hieß: Wir müssen die Finanzmärkte stabilisieren; wir müssen die Finanzmärkte beruhigen. Das sind verdammt teure Beruhigungspillen. Es war doch genau diese Haltung, das Erstarren vor den Finanzmärkten wie das Kaninchen vor der Schlange, die uns in diese Krise hineingeführt hat. Wenn uns die Krise eines deutlich vor Augen geführt hat, dann, dass wir die Finanzmärkte an die Kandare nehmen müssen. Deswegen lautet das Gebot der Stunde nicht, milliardenschwere Baldriantabletten für die Finanzmärkte in die Hand zu nehmen, sondern Regulierung. Sparkassen statt Zockerbanden - das ist das Gebot der Stunde. ({9}) Ich komme zum zweiten zentralen Bereich, zu Hartz IV. Erinnern Sie sich noch an die Debatten über den Hartz-IV-Regelsatz? Das glich rhetorisch einer Schlacht der Gigantinnen. Am Ende - welche Überraschung - lag der Unterschied bei 3 Euro. Von einem Regelsatz, der wirkliche Teilhabe garantiert, sind leider SPD wie CDU/CSU weit entfernt. Beide sind leider auch weit davon entfernt, die Sanktionen abzuschaffen. Wie diese wirken, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Eine Dresdnerin - das hat sie mir erzählt, als sie mich aufsuchte - sitzt in einem Vorstellungsgespräch. Am Ende dieses Gesprächs geht es um den Lohn. Dabei rutscht ihr der Satz heraus: Ups, der ist ja niedriger als Hartz IV. - Der Arbeitgeber meldet dies dem Jobcenter. Daraufhin wird dieser Frau Hartz IV um 30 Prozent gekürzt. Auch das ist Kern und Wesen von Hartz IV: Die Menschen sollen gefügig gemacht werden, sollen Dumpinglöhne akzeptieren. Hartz-IV-Sanktionen untergraben aber die Grundrechte. Ich möchte eine Gesellschaft, in der sich niemand als Untertan auf einem Amt fühlt. Ich möchte eine Gesellschaft, in der niemand auf einem Amt schikaniert werden kann. Auch deswegen sagt die Linke: Wir wollen Hartz IV durch eine soziale, sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzen. ({10}) Zum dritten Bereich, zur Rente. Wir wissen: Niedrige Löhne führen am Ende auch zu niedrigen Renten. Insofern ist unser Einsatz für gute Arbeit auch ein Einsatz für gute Renten. Unser Rentenkonzept sieht eine Rentenversicherung vor, in die alle einzahlen. Wir wollen außerdem eine solidarische Mindestrente, die wirklich vor Altersarmut schützt. Das ist eine Alternative zur drohenden Altersarmut: eine armutsfeste Rente und die Garantie, dass man im Alter nicht ins Bodenlose fällt. ({11}) Die Modelle von SPD und CDU/CSU - egal wie sie bezeichnet werden - werden dem nicht gerecht. Die inzwischen zur Lebensleistungsrente degradierte Zuschussrente wird gerade einmal 2 Prozent der Geringverdienenden irgendwie helfen. Ich finde, dass wir in diesem Bereich nicht kleckern dürfen; denn inzwischen ist Altersarmut auch in diesem Land Realität. Davon zeugt zum Beispiel das Schicksal einer 82-Jährigen, die mich vor einigen Wochen in meinem Wahlkreisbüro aufsuchte. Wegen einer Behinderung durfte sie ihr Leben lang nur halbtags arbeiten. Deswegen hat sie eine niedrige Rente. Sie hat fein säuberlich aufgeschrieben, wie viel Geld ihr pro Tag nach den notwendigen monatlichen Abzügen zum Leben bleibt: 8,47 Euro. Das reicht, um nicht zu verhungern. Aber viel mehr ist nicht drin. 8,47 Euro bedeuten beispielsweise, dass sie das letzte Mal vor 20 Jahren im Theater war. Bei Anschaffungen wird es schwierig. Sie sagte zu mir: Für den Sommer habe ich Sandaletten und für den Winter Stiefel. Aber was mache ich in der Übergangszeit? Da muss ich mich entscheiden, ob ich schwitze oder friere. - So sieht Altersarmut in diesem Land aus. Das haben alle bisherigen Bundesregierungen mit zu verantworten; denn niemand von Ihnen hatte den Mut und die Courage, eine Mindestrente einzuführen, die sicher vor Altersarmut schützt. Damit muss jetzt Schluss sein. ({12}) Die Unterschiede zwischen SPD und CDU/CSU in der Rentenpolitik muss man mit der Lupe suchen. Aber die Gemeinsamkeiten springen sofort ins Auge. Gemeinsam haben Sie die Rente erst ab 67 zu verantworten. Gemeinsam haben Sie sich für eine Senkung des Rentenniveaus ausgesprochen. Gemeinsam haben Sie bisher die Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert West immer wieder hinausgeschoben. Nun ist etwas Bewegung in die Frage der Ostrenten gekommen. Herr Steinbrück hat das als ein wichtiges Thema erkannt. Ich sage: Das ist ein wirklicher Erfolg der Linken. Wir haben dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt. ({13}) Hier zeigt sich einmal mehr: Die Linke wird immer mehr zum Ideengeber, zur Ideenwerkstatt. Es ist gut, wenn Sie bei uns abschreiben. Keine Sorge, wir nehmen dafür auch keine Gebühren. ({14}) Damit wir andere Wege in diesem Land einschlagen können, braucht es ein breites Bündnis für eine faire Umverteilung und einen sozial-ökologischen Umbau. Dazu möchten wir einladen. Doch wie reagieren Sie, Herr Steinbrück? Aus purer Ideologie schließen Sie jegKatja Kipping liche Kooperation aus. Ich meine, wer so handelt, der macht vor allen Dingen eines: Er schafft eine Überlebensversicherung für eine CDU-Kanzlerin Merkel. ({15}) Wer so agiert, ist vielleicht ein Versicherungsmakler, wenn es um Überlebensversicherungen für CDU-Kanzlerinnen geht, aber er verhindert auf jeden Fall einen wirklichen Wechsel. Sie verhindern mit diesem Agieren die Einführung von Mindestlöhnen, Mindestrenten und einer Mindestsicherung. Sie verhindern die Einführung einer Bürgerversicherung, und Sie verhindern den Stopp von Rüstungsexporten. Das haben Sie zu verantworten. ({16}) An dem vorliegenden Haushalt ist viel zu kritisieren. Ich möchte das an zwei Zahlen verdeutlichen. Die Linke hat vorgeschlagen, 22 Millionen Euro mehr für den Kampf gegen die Ausbreitung von Neonazis einzusetzen. 22 Millionen Euro sind nicht viel im Vergleich zum Volumen des gesamten Haushalts. Als die Studie „Die Mitte im Umbruch“ vorgestellt worden ist, waren wir alle betroffen. Wir haben gehört, dass jeder Vierte ausländerfeindlich und fast jeder Zehnte antisemitisch ist. Solch ein Befund erfordert mehr als bloße Betroffenheit. Da muss man doch etwas tun. Aber Sie waren nicht einmal bereit, etwas Geld in die Hand zu nehmen, um den Kampf gegen Rechtsradikalismus zu unterstützen. Das ist wirklich peinlich. ({17}) 8,6 Milliarden Euro - um diese Summe sollen die Mittel im Bereich Arbeitsmarkt gesenkt werden. Das ist eine massive Kürzung. Ihre Begründung, dass Sie hier aufgrund der sinkenden Arbeitslosenzahlen kürzen, zieht einfach nicht; denn die Zahlen werden im nächsten Jahr nicht so sehr sinken. Hier zeigt sich eines ganz klar: Sie wollen den Haushalt zulasten der Arbeitsmarktpolitik sanieren. Das ist ein Preis, den man eigentlich nicht zahlen kann. ({18}) In Haushaltsdebatten wird gern darüber gesprochen, was wir uns alles nicht leisten können. Ich möchte über drei Punkte sprechen, die wir uns aus Sicht der Linken tatsächlich nicht leisten können. Erstens. Verzicht auf einen Mindestlohn. Wenn wir einen flächendeckenden Mindestlohn hätten, dann hätten wir weniger Ausgaben, zum Beispiel für aufstockende Hartz-IV-Leistungen. Wenn wir höhere Löhne hätten, gäbe es mehr Einnahmen bei den Sozialversicherungen. Prognos hat es ausgerechnet: Ein flächendeckender Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde würde zu insgesamt 12 Milliarden Euro mehr in den Haushalten und den Sozialkassen führen. Das ist doch nicht nichts. Wir können es uns einfach nicht leisten, wie Schwarz-Gelb es handhabt, aus ideologischen Gründen darauf zu verzichten. Mit dieser Form von Ideologie muss Schluss sein, auch aus haushalterischen Gründen. ({19}) Zweitens. Ausgaben für das Militär. Wir haben es ausgerechnet: Pro Einwohner geben wir für das Militär im Jahr 400 Euro aus. Es ist sehr interessant: An allen wichtigen Stellen wird gekürzt. Für den Kitaausbau und den Kampf gegen Rechtsextremismus ist kein Geld vorhanden, aber beim Militär sind wir großzügig. Ich meine, diese Großzügigkeit können wir uns nicht mehr leisten. Hier gilt es, Geld einzusparen. ({20}) Drittens. Steuergeschenke an Superreiche, an Millionäre und an Konzerne. Die Steuerpolitik der vorangegangenen Bundesregierungen hat Konzerne und Reiche steuerlich enorm entlastet. Die Senkung des Spitzensteuersatzes und die Senkung der Körperschaftsteuer sind nur einige Beispiele. Die Gewerkschaft Verdi hat ausgerechnet, wie viel Geld uns durch diese Steuergeschenke seit dem Jahr 2000 durch die Lappen gegangen ist. Insgesamt wären auf allen Ebenen rund 500 Milliarden Euro zusammengekommen. Dieses Geld fehlt in den öffentlichen Kassen, zum Beispiel für den Ausbau von Kitas. 500 Milliarden Euro Steuerverlust seit 2000 - diese Großzügigkeit gegenüber den Reichen und den Konzernen können wir uns nicht mehr leisten. Deswegen sagen wir ganz klar: Wir brauchen jetzt einen Kurswechsel hin zu Steuergerechtigkeit, hin zu einer couragierten Besteuerung von Reichen und von Konzernen. ({21}) Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Die Probleme sind groß. Ich glaube, angesichts dessen müssen wir hier mehr leisten als eine Show im Scheinwerferlicht. Es geht um mehr als um Scheingefechte im Scheinwerferlicht. Es geht darum, wirkliche Alternativen zur Abstimmung zu stellen. Die Vorschläge der Linken zeigen diese auf. Ein erster Schritt wäre, wenn Sie unseren Änderungsanträgen heute zustimmen. Vielen Dank. ({22})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Rainer Brüderle ist der nächste Redner für die FDPFraktion. ({0})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kipping, nach Ihrer Rede wünscht man sich den Gysi geradezu zurück. ({0}) Der Auftritt des Kollegen Steinbrück hat heute keinen mehr überrascht. Er ist der Kollege in diesem Haus, der alles besser weiß. Ob er es besser kann, steht auf einem anderen Blatt. Der Kollege Steinbrück hat zu den meisten Themen mindestens zwei Meinungen im Angebot: Frauenquote, Rente mit 67, Griechenland-Insolvenz, Transparenz bei Nebentätigkeiten, Betreuungsgeld, Finanzmarktregulierung, Trennbankensystem. Selbst zu Ihrer Kanzlerkandidatur erklären Sie gestern dies, heute das Gegenteil. Ich habe die Zitate Ihrer Irrungen und Wirrungen dabei. ({1}) Wenn sich der Kollege Steinbrück korrigieren muss, spricht er nicht von Fehler, sondern von einer Lernkurve. ({2}) Seit der Ankündigung als Kanzlerkandidat kennt die Lernkurve von Herrn Steinbrück nur eine Richtung: steil nach unten. ({3}) Sie haben sich abhängig gemacht: nicht von den Großbanken, den Möbelhäusern, den Sparkassen und Stadtwerken, bei denen Sie gegen Geld Vorträge gehalten haben; das habe ich nie so gesehen, und das habe ich auch nicht kritisiert. ({4}) Nein, Sie haben sich abhängig gemacht von der SPDLinken. Sie hält zu dem unterirdischen Krisenmanagement im Moment öffentlich den Mund. Heute gab es den neuesten Fall. Die Welt titelt: „Steinbrücks ‚Heuschrecke‘ entsetzt die Genossen“. Sie haben den Autor des berühmten Buches Scheißkerle als Onlineberater vorgesehen und sich offenbar wieder von ihm getrennt - erneut ein „genialer“ Griff in die Personalkiste. ({5}) Sie sind offenbar „out of touch“. Ich hoffe, Sie sind nicht „out of space“. ({6}) Sie werden einen hohen Preis für das Schweigen Ihrer Linken zahlen. Jeden Linksschwenk müssen Sie mitmachen. Das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten sehen. Die linke Programmatik geben Ihnen Sigmar Gabriel und die Jusos vor. ({7}) Der Kandidat stürzt von einer Lernkurve zur nächsten. So kann man keinen Staat machen. ({8}) Das gilt übrigens auch für das Thema Griechenland. Sie haben erklärt - ich zitiere -: Griechenland ist pleite. Man müsse über eine Insolvenzordnung für Staaten nachdenken. - Sie haben erklärt: Ich wäre gern vorbereitet für den Fall einer griechischen Pleite. Man brauche einen Plan B. - Sie haben erklärt: In einigen Fällen mehren sich bei mir die Zweifel, ob alle Länder in der Euro-Zone gehalten werden können. Sie haben erklärt: Ich kann nicht erkennen, dass einige Länder die Lücke ihrer Wettbewerbsfähigkeit schließen können. Sie haben erklärt: Wenn aber Reformzusagen permanent gebrochen werden, zweifelt man, ob unsere Solidarität nicht vergeudet ist. Sie haben erklärt: ({9}) Ich gebe ja zu, dass man nicht immer zu geradlinigen Ergebnissen kommt. Man schwankt ja auch unter dem Eindruck sich aktuell verändernder Daten. Man müsse Griechenland wegen der Ansteckungsgefahr retten. - Das war nur eine kleine Auswahl Ihrer diversen Griechenland-Positionen. Welchen Steinbrück hätten Sie bei der SPD denn gern? Den Steinbrück der Insolvenz, den Steinbrück der Euro-Bonds oder den Steinbrück der Ansteckungsgefahr? Die Leute sagen: Der Peer hat alles im Angebot. ({10}) Diese Bundesregierung kämpft seit über zwei Jahren für eine Ausgewogenheit von Solidität und Solidarität. Griechenland hat unbestreitbar einige Fortschritte gemacht. Allerdings: Man ist noch nicht über den Berg. Für uns war die Reihenfolge immer klar: Die Troika legt ihren Bericht vor, danach wird auf Grundlage des Berichts entschieden. Europa ist solidarisch. Aber wir erwarten auch Gegenleistungen. Geld bringt dabei ein bisschen Zeit; aber es löst keine Strukturprobleme. Entscheidend ist, dass Griechenland die Strukturreformen im Parlament nicht nur beschließt, sondern sie auch wirklich konkret anpackt. Davon hängt die Entwicklung Griechenlands ab. ({11}) In ganz Europa brauchen wir mehr Stabilität, mehr Solidität, mehr Wettbewerbsfähigkeit. Natürlich brauchen wir Solidarität mit den Schwächeren; aber Deutschland darf auch nicht überfordert werden. Die hilfsbedürftigen Länder müssen die Unterstützung, die sie erfahren, auch nutzen. Sie müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Sie müssen Wachstum schaffen. Das ist übrigens die Kernfrage für ganz Europa, nicht nur für die Länder, die unter Rettungsschirmen stehen. Schauen Sie sich die Situation in Frankreich an: Dort hat man lange Zeit auf Konzepte der Steuererhöhung, auf Konzepte der Arbeitszeitverkürzung, auf Konzepte der frühen Verrentung gesetzt. Der neue Präsident wollte dies anfangs noch toppen. Als Erstes hat er die SarkozyReformen zurückgedreht. Er hat die Steuern erhöht, die Rentenreform gestoppt. Gleichzeitig musste er einen Wachstumseinbruch in Frankreich verkünden. Heute ist die Malaise noch größer: Rekordarbeitslosigkeit, viele Schulden und wenig Wettbewerbsfähigkeit. Der Economist, London, hat vergangene Woche Alarm geschlagen: Er warnte vor der Zeitbombe im Herzen Europas - „The time-bomb at the heart of Europe“. Dies wurde in Frankreich als zu drastisch empfunden. Wir wissen: Magazine brauchen Schlagzeilen, und auf der Insel wird manches anders gesehen. Aber diese Analyse einfach vom Tisch zu wischen, wäre nicht richtig. Ich darf zitieren, was Gerhard Schröder über die Politik der sozialistischen Regierung in Frankreich gesagt hat: Die Wahlkampfversprechen des französischen Präsidenten werden sich an der ökonomischen Situation brechen. Wenn es mit der Refinanzierung der Schulden schwierig wird, bekommt Frankreich echte Probleme. Auch das wurde in Frankreich als zu drastisch empfunden. Diese Woche hat jedoch die zweite Ratingagentur Frankreichs Kreditwürdigkeit herabgestuft. Die Franzosen warten auf den Mitterrand-Moment ihrer neuen Administration. François Mitterrand brauchte zwei Jahre, bis er die wirtschaftlichen Realitäten akzeptierte. Bei seinem ersten sozialistischen Nachfolger sind erste Ansätze erkennbar, dass er richtige Maßnahmen ergreift, etwa die Senkung der Unternehmensteuern in Frankreich. Europa braucht ein starkes Frankreich, Deutschland braucht ein starkes Frankreich. Deutschland und Frankreich sind gute Partner und Freunde. Deshalb wünschen wir unseren französischen Nachbarn, dass sie bald die Kraft haben, die richtigen Entscheidungen zum Erfolg hin zu treffen. ({12}) Wenn wir in andere Regionen der Welt schauen, sollte uns bewusst werden, wie viel Glück wir in Europa und mit Europa haben. Europa ist eine Friedens- und Wohlstandsgemeinschaft. Die Kanzlerin hat auf die Lage im Nahen Osten hingewiesen. Dort kann man sehen, wie Menschen leiden müssen, wenn das friedliche Zusammenleben immer wieder infrage gestellt wird. Ich teile die Sorgen der Bundeskanzlerin und des Bundesaußenministers zur Lage im Nahen Osten. Die Bilder, die uns täglich über die Medien, das Fernsehen erreichen, sind bedrückend. Israel hat das Recht, sich der Gewalt der Hamas-Raketen entgegenzustellen. Israel hat das Recht, sein Land und sein Volk zu verteidigen. Israels Regierung handelt zum Schutz ihrer Bürger; es ist die Reaktion auf die Raketen der Hamas. Diese terroristischen Angriffe von radikalen Islamisten stellen - das sollten wir nicht vergessen - auch unsere Werte der Freiheit infrage. Wir müssen alle ein Interesse daran haben, dass diese Zusammenhänge von Tod und Zerstörung besprochen werden. Die Bundesregierung setzt auf Verhältnismäßigkeit und Deeskalation. Der Bundesaußenminister war gerade zu Vermittlungsgesprächen, zu Sondierungsgesprächen in Israel, in Palästina. Er führt auch in Kairo Gespräche. Ägypten ist ein wichtiger Faktor. Ägypten hat Einfluss auf die Führung in Gaza. Präsident Mursi hat bisher sehr verantwortlich gehandelt. Wir wünschen uns von ihm, dass er seinen Einfluss geltend macht. Ein Stopp des Raketenbeschusses ist eine notwendige Bedingung für eine Waffenruhe. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, damit dieser Konflikt nicht eskaliert. Es darf keinen Flächenbrand in dieser Region geben. ({13}) Im Moment findet das fast schon traditionelle Ringen um den europäischen Gesamthaushalt für die nächsten sieben Jahre statt. Die meisten Geberländer, wie Deutschland, haben ein Angebot gemacht, das vernünftig und ausgewogen ist. Dabei geht es grob gesprochen um 1 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts. Großbritannien ist ausgeschert. Übrigens hat das zum Großteil die Schwesterpartei der SPD, die Labour Party, zu verantworten. Der britische Premier wäre mit einem Einfrieren des Finanzrahmens zufrieden gewesen. Das Unterhaus verlangt wegen der Labour Party eine Kürzung. Wo war da eigentlich der Kanzlerkandidat der SPD? Wo war da Sigmar Gabriel, der sonst an jeder Ecke die Sozialistische Internationale hochhält? Kein Ton war von Ihnen zu vernehmen. Ihre Schwesterpartei schwenkt zu den Euro-Skeptikern über. Sie hat die Fronten gewechselt, und von der SPD gibt es keine Reaktion zur veränderten Position der Labour Party Großbritanniens. ({14}) Dass manche Nehmerländer, wie Polen, mehr wollen, ist verständlich. Sie haben das Argument: Wir müssen 40 Jahre des Eisernen Vorhangs aufholen und sind auf einem guten Weg. - Hier sollte die Europäische Kommission ein Makler zwischen den Interessen sein. Aber diese Rolle ist im Moment nicht wirklich erkennbar. Zudem soll die Kommission eine gewisse Vorbildfunktion einnehmen. Günter Verheugen hat letzte Woche erklärt, dass auch die Kommission ein Zeichen der Haushaltskonsolidierung setzen sollte. Alle nationalen Regierungen, auch Deutschland, schnallen den Gürtel enger. Da kann die Kommission nicht übermäßig draufsatteln. Verheugen hat auch gesagt - ich zitiere -: Europa wird nicht untergehen, wenn wir etwas weniger Geld ausgeben, als die Kommission vorgeschlagen hat. Ich bin dem Ratspräsidenten Van Rompuy dankbar. Er hat sehr diskussionswürdige Vorschläge, etwa auch zum Agrarbereich, gemacht. Man muss allerdings fragen, warum die regionale Strukturpolitik europäisch ist, eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik aber nur in Umrissen erkennbar ist. Unser Außenminister und unser Verteidigungsminister, Westerwelle und de Maizière, arbeiten hart daran, dass sich da etwas ändert. Das ist richtig so. Will Europa im Konzert der Weltmächte mitspielen, dann darf es sich nicht nur währungspolitisch stark aufstellen, sondern muss dies auch in diesen Feldern tun. Europa muss sich außen- und sicherheitspolitisch europäisieren. Das ist ein langer Weg. Da geht es sicherlich um Jahre, vielleicht auch um Jahrzehnte. Aber ohne eine gemeinsame Armee, ohne eine gemeinsame Außenpolitik wird die europäische Integration nach meiner Überzeugung nicht gelingen. Deutschland geht es gut, besser als den meisten Ländern auf der Welt. Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Bei der Wettbewerbsfähigkeit liegt Deutschland auf den vorderen Plätzen. Deutschland ist ein sicherer Hafen des Wohlstands. Seit drei Jahren steigen die Reallöhne. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Das gilt auch für die Jugendarbeitslosigkeit und die Langzeitarbeitslosigkeit. Die Kinderarmut ist zurückgegangen. Zu dieser guten Bilanz haben viele beigetragen: fleißige Menschen, erfolgreiche Unternehmen, vernünftige Sozialpartner, aber auch die christlich-liberale Koalition. Die christlich-liberale Koalition hält Deutschland auf Kurs. ({15}) Wir konsolidieren, wir investieren, wir entlasten. ({16}) Drei Jahre früher als vorgeschrieben halten wir die Schuldenbremse ein. Ohne Zusatzbelastungen von außen hätten wir einen ausgeglichenen Haushalt. Durch die Einlage in den ESM haben wir europäische Verpflichtungen übernommen. Wir überweisen den Bundesländern über 10 Milliarden Euro. Vor allem die rot-grün geführten Länder haben sich die Zustimmung zum Fiskalpakt teuer bezahlen lassen. Das ist die Realität. Sonst hätten wir schon längst einen ausgeglichenen Haushalt. ({17}) Für die rot-grünen Regierungen ging es bei den Verhandlungen nicht um die Zukunft des Euro, sondern um möglichst viele Euro für ihre Staatskassen, um ihre Länderhaushalte aufzuhübschen. Das kann sehr hilfreich sein, wie man an der Situation in Nordrhein-Westfalen sieht. Baden-Württemberg hat 3 Milliarden Euro Mehreinnahmen und 5 Milliarden Mehrausgaben. So sieht grüne Nachhaltigkeit aus. Da kann man das bewundern. ({18}) Die christlich-liberale Koalition hingegen macht das anders. Die christlich-liberale Koalition macht das besser. ({19}) Wir setzen seit Beginn dieser Legislaturperiode auf strikte Ausgabendisziplin. Wären wir der „Wünsch dir was“-Opposition gefolgt, wären die Ausgaben Jahr für Jahr um Milliardenbeträge gestiegen. Allein für diesen Haushalt hat die SPD Erhöhungsanträge im Volumen von 7 Milliarden Euro gestellt. Kürzungsanträge: Fehlanzeige! Herr Steinbrück, googeln Sie mal! Dann finden Sie noch mehr Ausgabenwünsche von Sozialdemokraten und keine Beiträge dafür, den Haushalt zu konsolidieren. Googeln macht schlauer - auch Sie mit Blick auf Ihre eigene Partei. ({20}) Von den Grünen kommen 6 Milliarden Euro ohne Kürzungsvorschläge dazu. Rot-Grün will seine Zusatzausgaben anders finanzieren. ({21}) Sie wollen die Steuern massiv erhöhen. ({22}) Kollege Trittin gibt dabei den Möchtegern-Finanzminister. Glauben Sie wirklich ernsthaft, Herr Trittin, die Deutschen würden Ihnen ihr Geld anvertrauen? ({23}) Man kann in den Beschlüssen der Grünen nachlesen, was ein Finanzminister Trittin die Steuerzahler kosten würde: Erhöhung der Einkommensteuer: 5 Milliarden, Abschaffung des Ehegattensplittings: 3,5 Milliarden, ({24}) Einführung einer Vermögensabgabe: zehn mal 10 Milliarden, ({25}) Erhöhung der Lkw-Maut, Erhöhung der Diesel- bzw. Heizölsteuer, Erhöhung der Steuern für Firmenwagen, Einführung einer Kerosinsteuer: insgesamt 10 Milliarden Steuerbelastung; ({26}) Verdoppelung der Erbschaftsteuer: 4,4 Milliarden, Erhöhung der Unternehmensteuern: 3,5 Milliarden, Erhöhung der Mehrwertsteuer: 3,5 Milliarden. Die Kombilösung Trittin/Steinbrück wird teuer. Sie kostet uns im Jahr 40 Milliarden Euro. Das ist Ihr Werk. Sie wollen den Leuten das Geld abnehmen, weil Sie nicht bereit sind, zu sparen. Sie flüstern das nur; Ihr Parteitag schaffte die Wahrheit an den Tag. ({27}) - Frau Roth, nachdem Sie so degradiert wurden, strahlen Sie wieder. Ich freue mich für Sie. ({28}) Die Grundsteuer wollen Sie auch erhöhen. Sie wollen Freiberuflern die Gewerbesteuer aufhalsen und eine Bürgerzwangsversicherung. Das trifft voll den Mittelstand in Deutschland, das trifft voll die Wirtschaftsdynamik, das trifft voll die Konjunktur. ({29}) Ihre Mixtur aus Steuererhöhungen, Umverteilungsfantasien und staatlichem Dirigismus wäre ein Schrumpfungsprogramm für Deutschland. Das würde uns hinten herunterwerfen. Die Hälfte unserer Erfolge im Export erzielen wir durch Aufträge für Europa. Sie führen mit Ihrer Politik nicht nur Deutschland, sondern auch Europa in die Rezession. ({30}) Die christlich-liberale Koalition macht das anders. Die christlich-liberale Koalition macht das besser. Die christlich-liberale Koalition entlastet die Bürger. Wir schaffen die Praxisgebühr ab - Entlastung für die Bürger: 2 Milliarden. ({31}) Hinzu kommt die Ersparnis der Bürokratiekosten dafür Entlastung: 350 Millionen Euro. ({32}) Wir senken die Rentenbeiträge in einem Volumen von 5 bis 6 Milliarden Euro. Wir warten darauf, dass GrünRot die unsägliche Blockade beim steuerlichen Existenzminimum und bei der kalten Progression aufgibt. ({33}) Ihre Haltung ist doch schizophren. Sie erklären überall: „Tut was für die Binnennachfrage“, aber wenn Sie etwas dazu beitragen und mitentscheiden können, sind Sie dagegen. Sie wollten auch die Senkung der Rentenbeiträge im Bundesrat verhindern. Das wäre gegen Recht und Gesetz gewesen. Das wäre übrigens auch das Verhindern einer zukünftigen Rentenerhöhung gewesen. Wenn die Beiträge nicht gesenkt worden wären, dann wäre das nach der Rentenformel so. Ich kann ja noch verstehen, dass Sie uns keinen politischen Erfolg gönnen. Aber weshalb wollen Sie den Rentnerinnen und Rentnern nicht das Mehr an Rente ermöglichen? Weshalb wollen Sie nicht die Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reduzieren? Was haben Ihnen denn die Rentner und die Arbeitnehmer getan, dass sie von Ihnen so schlecht behandelt werden sollen? ({34}) Nein, Rentner und Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch, und sie haben einen moralischen Anspruch. In Wahrheit wollen Sie von Rot-Grün das Geld von den Berechtigten halten bzw. haben, um Ihre Idee von einer Einheitsrente voranzutreiben. Das Argument, dass Rücklagen gebildet werden sollen, ist an Fadenscheinigkeit gar nicht zu überbieten. Bislang gab es nur eine Regierung, die schamlos in die Schwankungsreserve der gesetzlichen Rentenversicherung eingegriffen hat: Das war Rot-Grün. Sie haben in die Schwankungsreserve eingegriffen. ({35}) Sich selbst hier aufzuplustern wie aufgeblasene Maikäfer, ist zutiefst unredlich. Obendrein haben Sie noch Nullrunden für die Rentnerinnen und Rentner verhängt. Das alles hätte nicht sein müssen. Hier an diesem Platz stand Gerhard Schröder mit gespielter Reue und erklärte: Ich habe mich geirrt, ({36}) als ich die Rentenreform von Norbert Blüm zurückgenommen habe. - Jetzt werden die Herren Steinbrück und Gabriel die Bundesrepublik wieder in ein rentenpolitisches Abenteuer stürzen, wenn sie es können. Die SPD behauptet immer: Ein Arbeitsplatz ist die beste Versicherung gegen Altersarmut. - Da hat sie recht. Aber wie passt das zu Ihren Rentenplänen? Sie wollen in den nächsten Jahren die Beitragssätze drastisch erhöhen. Sie wollen bis 2020 den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 90 Milliarden Euro zusätzlich abnehmen. Das kostet 200 000 Jobs. Es ist doch kein guter Weg, erst einmal die Arbeitslosigkeit zu erhöhen, um dann die Altersarmut in der Breite bekämpfen zu können. Machen Sie es doch gleich richtig, anstatt die Menschen zu Versuchskaninchen alter sozialistischer Rezepte zu machen. Das passt nicht mehr. ({37}) Die christlich-liberale Koalition macht es anders. Die christlich-liberale Koalition macht es besser. Wir entlasten nicht nur die Arbeitnehmer und die Unternehmen. Wir erhöhen nicht nur die Rente. Wir machen sie auch zukunftsfest. Wir wollen die dritte Säule stärken, die private Altersversorgung. Die junge Gruppe von CDU/ CSU und FDP hat einen guten Vorschlag zu Anrechnungsfristen bei der Grundsicherung erarbeitet. Das wollen wir umsetzen. ({38}) Wir führen eine Lebensleistungsrente ein. Sie erspart künftig Rentnerinnen und Rentnern den erniedrigenden Gang zum Sozialamt. Sie berücksichtigt aber auch: Wer mehr eingezahlt hat, muss auch mehr herausbekommen. Rente ist kein staatliches Almosen; sie ist ein eigentumsähnlicher Rechtsanspruch der Beitragszahler. Das wird von den grün-roten Umverteilern immer wieder verdrängt. Der Weg in die Einheitsrente ist mit der christlich-liberalen Koalition nicht zu machen. Das wollen CDU/CSU und FDP nicht mitmachen. ({39}) Die Stromversorger erhöhen im nächsten Jahr massiv die Preise: 10 Prozent und mehr. Auch die Stadtwerke Bochum sind dabei; ich will es am Rande erwähnen. ({40}) Dreister finde ich die Argumentation der Grünen. Die Grünen präsentieren Jahr für Jahr eine Studie zur Strompreisentwicklung, die sie selbst in Auftrag geben. Ich will auf die methodischen Mängel nicht eingehen; mir geht es um den Strompreispopulismus der Grünen. Sie behaupten: Die Konzerne sind schuld. - Dann frage ich Sie: Warum machen Sie da nichts dagegen, wo Sie politische Verantwortung tragen? Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg ist Großaktionär von EnBW. EnBW erhöht zum 1. Januar 2013 ebenfalls massiv die Preise. Was machen die Grünen dagegen? Nichts machen sie! Sie lamentieren nur. ({41}) Ihre ehemalige Vorsitzende, Frau Röstel, und andere Grüne nehmen gern die Aufsichtsratstantiemen mit und machen hier im Plenum Stimmung. Wo ist denn der Anstand, den die Spitzenkandidatin der Grünen und Vizepräsidentin dieses Hauses für sich reklamiert? Wo ist der Anstand der Grünen, wenn es um ihren dreisten Solarlobbyismus geht? ({42}) Herr Trittin hat bei der Einführung des EEG gesagt: Das kostet jeden Bürger nur eine Eiskugel im Monat. Das ist Arroganz und Ignoranz, die kaum zu überbieten sind. ({43}) Zur Kritik an den Ausnahmen des EEG für bestimmte Industriezweige: Wer hat sie denn eingeführt? Diese Ausnahmensystematik hat Trittin eingeführt. Die Leute mit dem kleinen Geldbeutel zahlen für die Klientelpolitik der Grünen. 300 Milliarden Euro an Subventionen kommen allmählich zusammen. Damit ist die Dimension der Steinkohlebeihilfe längst überschritten. ({44}) - Sie hören nicht zu. - Die vereinigte Linke im Bundestag in Deutschland fordert: Wir sollen weniger exportieren. - Sie nennen das verschwiemelt: Reduzierung der Leistungsbilanzüberschüsse. - Es geht um Hunderttausende Arbeitsplätze in der deutschen Exportindustrie. Die Welt beneidet uns um unsere Chemieindustrie, Automobilindustrie, Maschinenbauer und Mittelständler. Aber was schlägt die Opposition vor? Sollen wir in Deutschland eine Abwrackprämie einführen, damit die Franzosen mehr Absatz haben? Sollen wir schlechter werden, oder sollen die anderen besser werden? Es war auch die Forderung nach Ausweitung der Kurzarbeiterregelung zu hören. Meine Damen und Herren, wir haben derzeit 40 000 Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Das ist nicht schön, aber es ist doch nicht - der Kollege Steinbrück hat einen Vergleich zwischen dem Koalitionsausschuss auf dem Höhepunkt der Krise und dem Koalitionsausschuss heute gezogen - mit den 1,2 Millionen Kurzarbeitern vergleichbar, die wir 2008 hatten. Wer jetzt Panik schürt, betätigt sich als Angstverstärker. Ich halte das für unverantwortlich. ({45}) Genauso unverantwortlich ist es, Vermögenswerte in Höhe von 100 Milliarden Euro vergesellschaften zu wollen, wie Herr Kollege Trittin es tut. Man darf auch nicht an die Substanz der Unternehmen herangehen. Nein, die christlich-liberale Koalition, Bewahrer von Wohlstand und Freiheit, nimmt nicht den Menschen ihr Vermögen weg. Rot-Grün bedeutet Massenarbeitslosigkeit und Wohlstandsverluste. Sie haben 5 Millionen Arbeitslose hinterlassen. Wir haben das geändert und kräftig verbessert. ({46}) Deshalb hat Deutschland eine gute Regierung. Wir setzen alles daran, dass wir mit der bürgerlichen Regierung von CDU/CSU und FDP diese erfolgreiche Politik für Deutschland und Europa fortsetzen und Ihre Experimente in der Schublade bleiben. Vielen Dank. ({47})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun der Kollege Jürgen Trittin das Wort. ({0})

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Brüderle, ich bin Ihnen dankbar. Sie haben Ihre Redezeit dafür verwendet, das grüne Programm vorzustellen. Das hilft uns. ({0}) Ansonsten kann ich Ihnen nur eines sagen: Mir ist jemand lieber, der etwas lernt. Deswegen ist mir Peer Steinbrück mit seiner Lernkurve lieber als Ihr Daueraufenthalt in einer pfälzisch genuschelten Lärmkurve. ({1}) Frau Bundeskanzlerin, Sie sind seit sieben Jahren Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Sie berufen sich dabei gerne auf Konrad Adenauer. Konrad Adenauer hat einmal gesagt: „Ich sage immer die Wahrheit, aber nie die ganze.“ ({2}) Sie haben dieses rheinische Motto zur Überschrift Ihrer Europapolitik gemacht. Sie sagen, was die EuroJürgen Trittin Krise angeht, den Bürgerinnen und Bürgern nicht einmal die halbe Wahrheit. ({3}) Sie haben wörtlich gesagt: Was mit mir auf keinen Fall gehen wird, das ist der Weg über die Vergemeinschaftung der Schulden. - Heute haben wir über 200 Milliarden Euro gemeinschaftliche Schulden und Staatsanleihen in der EZB. Heute Morgen präsentieren Sie uns den Vorschlag, statt Griechenland mit einem dritten Hilfspaket zu helfen, es mit zusätzlichen T-Bills in Höhe von 9 Milliarden Euro, also weiterer vergemeinschafteter Haftung, zu belasten. Das ist Ihre Form des Umgangs mit der Wahrheit. Dabei können Sie sich, glaube ich, nicht einmal mehr auf Konrad Adenauer berufen. ({4}) Ihre Strategie der kleinen Schritte und des Zögerns ist jetzt sichtbar an ein Ende gekommen. Sie haben das erste Hilfspaket für Griechenland aus Angst vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen blockiert. ({5}) Jetzt soll Griechenland zwei Jahre mehr Zeit bekommen. Das ist richtig wegen der negativen Effekte, die es geben würde, wenn man das nicht machen würde: Man würde die Rezession in Griechenland verlängern. Man würde nicht sparen, sondern mehr Schulden anhäufen. Aber Sie scheuen sich, den Menschen in Deutschland zu sagen, was das heißt. Das heißt, dass es Geld, auch Steuergeld, kosten wird. Dieses Ergebnis versuchen Sie zu verkleistern, zu verkomplizieren. Deswegen wollten Sie sich in der vergangenen Nacht nicht mit dem Rest Europas einigen. ({6}) Das Signal ist doch irre. Wir haben den Griechen immer gesagt: Wir sind solidarisch, wenn ihr das umsetzt, was wir mit euch vereinbart haben. - Jetzt bestätigt die Troika, dass die Griechen ihre Hausaufgaben gemacht haben, und in genau diesem Moment zeigt sich Europa handlungsunfähig, weil es sich über die Fragen nicht einigen kann. Wer ist denn da vertragstreu, die Griechen oder die Europäer? Ich finde, diese Nacht in Brüssel war eine schwarze Stunde. ({7}) Sie finanzieren zwischen, Sie legen T-Bills auf, Sie greifen auf den EFSF zurück, und Sie greifen auf die EZB zurück, anstatt schlicht und ergreifend zu sagen: Ja, wir müssen für die Rettung Griechenlands Geld in die Hand nehmen. Ich sage Ihnen: Ich verstehe das. Wenn man elf Landtagswahlen verloren hat, wenn man gerade davor steht, die zwölfte zu verlieren, dann hat man Angst vor den Wählerinnen und Wählern. ({8}) Aber die Menschen sind weiter. Sie verlieren diese Wahlen, und Sie werden auch die Niedersachsen-Wahl verlieren, nicht wegen der Wahrheit, sondern weil die Menschen den Eindruck haben, dass ihnen etwas vorgemacht wird. Das wollen sie nicht mehr. ({9}) Sieben Jahre sind Sie Bundeskanzlerin. WDR 4 wirbt ja mit dem Spruch: Gutes bleibt. - Was bleibt eigentlich von sieben Jahren Merkel? Krisenmanagement? Nehmen wir einmal die Finanzkrise. Ich zitiere die Bundeskanzlerin aus dem Jahre 2008. Sie haben gesagt: Keine Bank darf so groß sein, dass sie wieder Staaten erpressen kann. - Das war Angela Merkel im Jahr 2008. 2007 hatte die Deutsche Bank eine Bilanzsumme von 2 Billionen Euro; das ist das Sechsfache des Bundeshaushaltes. Heute - Sie haben sich eben zum Vorreiter der Bankenregulierung ausgerufen ({10}) beträgt die Bilanzsumme der Deutschen Bank 2,1 Billionen Euro. Nichts bleibt von Ihren Ankündigungen. ({11}) Gibt es eine Schuldenbremse für Banken? Nein. Gibt es jetzt eine Haftung für die Eigner und Gläubiger statt der Verstaatlichung von Bankschulden? Gibt es also Bail-in statt Bail-out? Nein, das gibt es nicht. Gibt es eine europäische Bankenunion mit einer scharfen Aufsicht, einem Bankenrestrukturierungsfonds, finanziert aus einer Bankenabgabe? Nein. Sie blockieren das Inkrafttreten genau dieser Bankenunion zum 1. Januar. ({12}) Krisenmanagement - es wird so weitergemacht wie vor der Krise: mit möglichst wenig Eigenkapital möglichst viel Geld hebeln, und wenn es schiefgeht, springt der Staat schon ein. Dann reden Sie davon, wir hätten es bloß mit einer Staatsschuldenkrise zu tun. Diese „NurStaatsschuldenkrise“ bringt zurzeit das historische Friedensprojekt Europa in ernste Gefahr. Der Zusammenhalt Europas ist gefährdet. Dass Europa noch nicht auseinandergebrochen ist, liegt nicht am Krisenmanagement der Bundeskanzlerin, sondern an unseren europäischen Partnern, an der EZB, am IWF, die Sie letztendlich gezwungen haben, immer wieder das zu tun, was nötig ist - aber in der Regel zu spät, und zu spät heißt immer zu teuer. ({13}) Sie haben damit aber eines geschafft - und das ist lange vor Ihnen keiner Bundesregierung gelungen -: Das Ansehen Deutschlands bei der G 20, innerhalb Europas und das Ansehen international war noch nie so schlecht. Noch nie waren wir in einer Frage dermaßen isoliert wie unter Ihrer Kanzlerschaft. Was von sieben Jahren Merkel bleibt, ist ein gewaltiger Ansehensverlust Deutschlands auf internationaler Ebene. ({14}) Damit wir uns nicht falsch verstehen: Man muss sparen, man muss reformieren, und man muss als Kreditgeber auch Bedingungen stellen. Aber machen wir uns doch nichts vor: Griechenland und Spanien haben schon lange kein Ausgabenproblem mehr. Sie haben gespart, dass es kracht. Griechenland hat in den vergangenen drei Jahren jedes Jahr 4,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung eingespart, Spanien allein im Jahr 2012 6 Prozent. - Nur einmal am Rande bemerkt, Frank: Bei der Einführung von Hartz IV war es nicht einmal 1 Prozent der Wirtschaftsleistung. - Das heißt, Ihr dauernder Appell, diese Staaten sollten sparen, zielt völlig daneben. Sie haben ein Einnahmeproblem, und dieses Einnahmeproblem kann man lösen. Aber dazu bedarf es eines gemeinsamen europäischen Handelns. Wir brauchen endlich einen gemeinsamen Steuerpakt für Europa, damit Reeder und andere ihre Steuern bezahlen und wir nicht hinterher finanzieren, dass Leute ihr Geld aus Griechenland abziehen. ({15}) Was machen Sie? Sie torpedieren alle Anstrengungen zu einer gemeinsamen Politik, zum Beispiel im Kampf gegen Steuerhinterziehung. Sie schließen ein bilaterales Abkommen mit der Schweiz mit dem Ergebnis, dass die Bemühungen zur Umsetzung der entsprechenden Richtlinie in Europa ins Stocken kommen. Jetzt wollen Sie uns allen Ernstes verkaufen, dass die UBS und die Credit Suisse für uns die Steuern bei den Vermögenden eintreiben. Firmen, gegen die deutsche Staatsanwälte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermitteln, sollen also die Steuern einziehen. Wissen Sie, woran mich das erinnert? Das kommt mir so vor, als würden Sie den Schutzgelderpresser von der Mafia damit beauftragen, gleich auch noch die Gewerbesteuer einzutreiben. ({16}) Außerdem haben Sie hier gesagt, Sie seien für Wachstum. Warum wollen Sie denn dann die im mehrjährigen Finanzrahmen derzeit vorgesehenen Ausgaben um 100 Milliarden Euro kürzen? Warum wollen Sie mitten in einer schweren Rezession im Süden Europas die Investitionsfähigkeit dieser Staaten auf diese Weise unterminieren? Wohin diese Kürzung führt, sieht man ja an dem Vorschlag der zypriotischen Präsidentschaft und an dem Vorschlag von Herman Van Rompuy. Wo wird denn eingeschnitten? Eingeschnitten wird bei Forschung, gespart wird bei Innovation, und zusammengestrichen werden die Connecting Europe Facilities. Es wird also dort gespart, wo Wachstum entstehen kann. Gleichzeitig erhält und konserviert man die alten Strukturen einer überalterten und veralteten Agrarpolitik. ({17}) Strukturen zu konservieren und Wachstum zu blockieren, ist das Falscheste, was man in einer solchen Situation machen kann. Ich sage Ihnen: Wir haben miteinander etwas anderes vereinbart. Wir haben uns zwar nicht über die Höhe verständigt. Das stimmt; da waren wir im Dissens. Aber Sie haben mit uns, mit der Opposition, gemeinsam beschlossen, dass es klare Prioritäten geben soll - für Wachstum, für Investitionen im mehrjährigen Finanzrahmen in Innovation und in die energetische Infrastruktur. Genau da wollen Sie jetzt kürzen. Sie sind wortbrüchig, Frau Bundeskanzlerin. ({18}) Es bleibt noch etwas von sieben Jahren Ihrer Kanzlerschaft. Sie raten dem Rest Europas immer, zu sparen. Frau Bundeskanzlerin, in den sieben Jahren Ihrer Kanzlerschaft wuchsen die Staatsschulden in Deutschland um ein Drittel, um 500 Milliarden Euro, also eine halbe Billion. Sie haben allen Sparsamkeit gepredigt. Gleichzeitig haben Sie in diesem Zeitraum die gesamtstaatliche Verschuldung von 63 Prozent - damit waren die Maastricht-Kriterien fast eingehalten - auf im nächsten Jahr über 84 Prozent gesteigert. Wenn auch nicht viel von Ihrer Kanzlerschaft bleibt: Dieser Haufen Schulden bleibt für kommende Generationen. Er bleibt sehr lange. ({19}) Sie haben auch von Gerechtigkeit und von Teilhabe gesprochen. Nun, die ganze Rabulistik über die Statistik kann über zwei Dinge nicht hinwegtäuschen. Wir haben lange Zeit Reallohnrückstände gehabt; jetzt erfolgt nur ein mäßiges Aufholen. Gleichzeitig war der Besitz, das Vermögen, in Deutschland noch nie so ungerecht verteilt wie heute. Gleichzeitig müssen Kommunen zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben mittlerweile Kassenkredite in einer Größenordnung von 50 Milliarden Euro allein in diesem Jahr aufnehmen. In dieser Situation streiten Sie dafür, die öffentliche Hand um noch einmal 6 Milliarden Euro zu erleichtern. Das ist unverantwortlich. Das hat übrigens auch nichts mit der kalten Progression zu tun. ({20}) Von diesen 6 Milliarden Euro würden übrigens 5 Milliarden, 83 Prozent, der oberen Hälfte der Einkommensbezieher zugutekommen und nicht der unteren Hälfte. Sie planen Steuergeschenke auf Pump für Leute, die das nicht brauchen. Was vernünftig wäre, wäre in der Tat, das steuerfreie Existenzminimum anzuheben, und zwar stärker, als Sie es wollen. Wir sind dazu gerne bereit. Aber wir sagen: Das muss man solide gegenfinanzieren, zum Beispiel durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes. Dann entlasten Sie alle mit einem Jahreseinkommen unter 60 000 Euro und lassen dafür diejenigen bezahlen, die mehr als 80 000 Euro verdienen. Das ist gerecht, und das ist finanziell verantwortbar. ({21}) Was also bleibt von sieben Jahren Merkel, ist ein schamloser Klientelismus, ({22}) von der „Mövenpick-Steuer“ bis hin zum Betreuungsgeld, einem Schnäppchen für die Versicherungswirtschaft. Das Betreuungsgeld ist das, was die CSU beim „Schrottwichteln“ am 4. November 2012 - Sie haben es Koalitionsausschuss genannt - bekommen hat. ({23}) Aber, meine Damen und Herren, das hilft nichts. Es schafft keine bessere Bildung. Wir müssen in Deutschland den Zustand überwinden, dass, wer einmal arm ist, arm bleibt, und dass, wer einmal reich ist, das ebenfalls bleibt, und die Mittelschicht zerbröselt. Was haben Sie an diesem Zustand geändert? Nichts. Dabei liegen die Gegenmittel auf der Hand: bessere Bildung von Anfang an; eine Frauenpolitik, die die gläserne Decke einreißt und dafür sorgt, dass das begabtere Geschlecht den Weg nach oben überhaupt gehen kann; eine Frauenquote; eine Arbeitsmarktpolitik, die sich an den Stärken der Menschen orientiert, sie aktiv fördert. Was machen Sie? Sie kürzen die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Was von sieben Jahren Merkel bleibt, ist, dass Sie das große Versprechen der sozialen Marktwirtschaft brechen, das Versprechen, dass der Fleißige nicht der Dumme ist, sondern den Aufstieg schaffen kann, dass es Chancengleichheit gibt. Unter Ihrer Kanzlerschaft ist diese Gesellschaft undurchlässiger geworden. Sie gehen schludrig mit dem Erbe von Ludwig Erhard um. ({24}) Nächste Woche wird die Klimakonferenz in Doha stattfinden. Ich bin nicht optimistisch, was ihren Ausgang angeht. Der Trend, dass immer mehr CO2 ausgestoßen wird - wir liegen mit 800 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß übrigens weltweit immer noch auf Platz sechs -, wird nicht gebrochen werden. Das hat etwas damit zu tun, dass in Doha Europa nicht mehr die Rolle des Antreibers spielt. Warum tut Europa das nicht mehr? Das tut Europa deswegen nicht, weil es von Deutschland gebremst wird. Es ist diese Bundesregierung, die blockiert, dass es ein europäisches Klimaschutzziel von minus 30 Prozent im Jahr 2020 gibt. Sie sind es, die verbindliche Energieeffizienzziele blockieren. Sie blockieren regelmäßig jeden Versuch ambitionierter Verbrauchsobergrenzen für Spritfresser. Ich frage Sie: Wie viele von den ökologisch schädlichen Subventionen in Milliardenhöhe haben Sie in den sieben Jahren Ihrer Kanzlerschaft abgebaut? Keinen einzigen Euro. Sie haben diese Subventionen ausgebaut. ({25}) Sie haben sie ausgebaut, indem Sie aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Subventionsmaschine für Schlachthöfe und Pommesfabriken gemacht haben. Sie haben die ökologisch schädlichen Subventionen hochgetrieben, indem Sie die Netzumlage nutzen, um Bankrechenzentren und Golfplätze zu finanzieren. ({26}) All das wird von den Verbraucherinnen und Verbrauchern bezahlt. Ich sage Ihnen eins, weil Sie gerade so schön gelacht haben: Diejenigen, die von den Stromnetzgebühren nicht befreit sind - etwa die Hälfte der energieintensiven Unternehmen sind mittlerweile von der Stromsteuer befreit -, zahlen die Rechnung für Ihre Subventionspolitik. Das sind nicht die großen, das sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Handwerker in diesem Lande. An denen halten Sie sich schadlos. ({27}) Nein, meine Damen und Herren, sieben Jahre Merkel waren sieben verlorene Jahre für dieses Land. Frau Merkel, Sie simulieren gerne, Sie seien in der Mitte. Das ist ein Irrtum. Man steht nicht in der Mitte, nur weil man zwischen „Crazy Horst“ und Rainer Brüderle steht. ({28}) Die Mitte Deutschlands liegt ganz woanders. Acht von zehn Deutschen wollen eine neue Wirtschaftsordnung, die Ressourcen schont und für sozialen Ausgleich sorgt. 89 Prozent der Deutschen finden die Einkommensunterschiede zu groß. 76 Prozent wollen einen Mindestlohn, 80 Prozent die Gleichstellung der Homo-Ehe. Das ist Deutschlands Mitte. Wer sich aus dieser Mitte ausschließt, der steht nicht in der Mitte, sondern rechts von der Mitte. Sie haben über sieben Jahre einen Mindestlohn und Frauenquoten blockiert. Sie haben sieben Jahre einen wirksamen Staatsschuldenabbau blockiert. Sie verhindern seit sieben Jahren ambitionierten Klimaschutz. Sie sind eine Dagegen-Kanzlerin. Einen Wandel zu Gerechtigkeit, zu Teilhabe, zu einer offenen Gesellschaft, zu Klimaschutz und Energiewende wird es erst geben, wenn Sie in der Opposition sitzen, und das wird ab nächstem September so sein. ({29})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder. ({0})

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Trittin, es ist schön gewesen, dass Sie uns an einen richtigen Satz erinnert haben, nämlich: Was gut ist, bleibt. - Ich sage Ihnen: Deswegen bleibt Angela Merkel Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. ({0}) Wir beraten heute den Bundeshaushalt 2013. Dass wir in diesem Bundeshaushalt zu einem guten Ergebnis kommen, hängt auch damit zusammen, dass wir in Deutschland eine stabile, gute wirtschaftliche Situation haben. Herr Trittin, es gehört schon ein Gutteil an Chuzpe oder Vergesslichkeit dazu, sich hier hinzustellen - das gilt auch für den Kollegen Steinbrück - und daran zu erinnern, was man alles machen wolle, wenn man an die Regierung kommt. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben den Schrott aufräumen müssen, den Sie von Rot und Grün in diesem Land hinterlassen haben. ({1}) Es gibt aber eine Langzeitfolge. Einen Großteil der hohen Arbeitslosigkeit und der Neuverschuldung haben wir zurückführen können durch eine kluge Politik im Rahmen der Großen Koalition. Aber eines bleibt, Herr Kollege Steinbrück und Herr Kollege Trittin: Es war die Regierung, die Sie damals als Koalition getragen haben, die in Europa das größte Chaos mit bleibenden Schäden angerichtet hat, indem sie die Stabilitätskriterien außer Kraft gesetzt hat. ({2}) Jetzt hierher zu kommen und Sprüche zu machen, wie es in Europa weitergehen soll, ist der absolute Hammer. Wenn man sich ansieht, was Sie in Ihrer Regierungszeit angerichtet haben, dann würde das ausreichen, Sie für viele Jahre von einer neuen Regierung auszuschließen. ({3}) Darüber werden wir in den nächsten Monaten reden. Es geht auch gar nicht, Herr Kollege Trittin, sich hier hinzustellen und der Bundesregierung zu sagen, man hätte noch mehr sparen können. Ich sage: Wir sind froh, dass wir die Schuldenbremse in der Großen Koalition gegen die Stimmen der Linken durchgesetzt haben. Teile der SPD-Fraktion - das weiß ich noch - haben gesagt, wir seien verrückt, eine Schuldenbremse einzuführen, weil das der Politik die Gestaltungsmöglichkeiten nehmen würde. ({4}) Nun haben wir die Schuldenbremse; vereinbart ist sie für 2016, erreichen werden wir sie 2013. Der Bundesfinanzminister weist regelmäßig darauf hin, dass die Absenkung der Staatsverschuldung und die Einhaltung der Schuldenbremse nicht ausschließlich Aufgabe des Bundes ist, sondern aller Institutionen in diesem Land. Da kann man sich als Grüner oder als Mitglied der SPD nicht davonstehlen, wenn in Baden-Württemberg seitens der neuen Regierung der bemerkenswerte Satz fällt: Zunächst müssen wir noch einmal richtig Schulden machen, damit wir danach sparen können. - Was ist denn das für eine Politik in heutiger Zeit? ({5}) Wir sagen: Wir müssen sparen und weniger Schulden machen. Sie müssen Ihrem grünen Hoffnungsträger Kretschmann einmal sagen, dass er die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat. Es ist schon merkwürdig, dass gerade bei einer Partei, die das Wort „Nachhaltigkeit“ ständig im Munde führt, bei der Umwelt und allen anderen möglichen Bereichen, dann, wenn es wirklich um Nachhaltigkeit geht, nämlich darum, die Schulden nicht weiter ausufern zu lassen, sondern sie zurückzuführen, um Chancen für die junge Generation zu schaffen, das Programm „Nachhaltigkeit“ auf einmal zu einem Schuldenaufwuchs führt, und das in einer Zeit, in der wir alle große Steuereinnahmen haben. Da kann ich nur sagen: Es sind die grün-rot und rot-grün regierten Bundesländer, die noch viel vor sich haben, wenn sie das erreichen wollen, was wir mit dem Bundeshaushalt 2013 erreichen werden. ({6}) Wir haben auch einen Fehler von Grün-Rot bzw. RotGrün korrigiert, die den Kommunen in diesem Land enorme Kosten aufgehalst haben. Es ist geradezu ein Treppenwitz, wenn sich hier Vertreter der Opposition hinstellen und darüber sinnieren, dass sich unsere Kommunen in einer schweren finanziellen Lage befinden. Sie haben den Kommunen damals mit einem einzigen Gesetz - insgesamt waren es noch viel mehr - mehr als 5 Milliarden Euro auf die Haushalte gedrückt, indem Sie die Grundsicherung für Ältere bei der Einführung den Kommunen angelastet haben. Wir nehmen das jetzt zurück. Sich aber hier hinzustellen und zu sagen: „Die Kommunen müssen entlastet werden“, ist wirklich ein Witz. Sie haben die Kommunen in größtem Maße belastet. Dies nehmen wir nun zurück. Deswegen kann ich nur sagen: Was Sie hier machen, ist absolut unredlich, Herr Kollege Trittin. ({7}) Gehen wir einmal einen Schritt weiter; das hat alles mit dem Haushalt zu tun. Reden wir einmal über das, was Wolfgang Schäuble gestern angesprochen hat, nämlich das Steuerabkommen mit der Schweiz. Ich bin einigermaßen überrascht, wenn ich höre, dass wichtige Gesetzgebungsvorhaben, die sich entlastend für fast alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land auswirken, nicht im Bundesrat beschlossen werden können, weil die Bundesländer - allen voran Nordrhein-Westfalen - meinen, sie könnten auf Steuereinnahmen nicht verzichten. Dass Nordrhein-Westfalen nicht darauf verzichten kann, kann man nachvollziehen; denn dort ist der Weg, den Baden-Württemberg jetzt geht, schon eingeschlagen worden: neue Schulden bis zur Verfassungswidrigkeit ihres Haushalts. ({8}) Wenn es aber so ist, dass die Länder sagen, sie könnten Vorhaben nicht auf den Weg bringen, die wichtig sind - die im Übrigen auch den Grünen wichtig sind -, zum Beispiel die energetische Gebäudesanierung, dann kann ich nicht verstehen - außer es handelt sich um ganz billige parteipolitische Taktik -, warum man das Angebot des Bundes nicht annimmt, mehrere Milliarden Euro, die eigentlich dem Bund zustehen würden, den Ländern und Gemeinden zu geben, um die Maßnahmen umsetzen zu können. Man müsste nur das Steuerabkommen abschließen. Herr Trittin, wir sind uns einig - auch der Kollege Steinmeier, davon bin ich felsenfest überzeugt -, dass wir es für richtig halten, das Gebäudesanierungsprogramm jetzt umzusetzen, und dass wir es für falsch halten, bei der KfW Mittel zu mobilisieren, weil wir so mehr Geld ausgeben müssten als bei einer steuerlichen Förderung. Das wissen Sie alles. Sie trauen sich nur nicht, Ihren Ländern zu sagen: Jetzt gebt euch mal einen Ruck. - Ich fordere Sie auf: Geben Sie sich einen Ruck und veranlassen Sie, dass die Länder und Kommunen die 3 bis 4 Milliarden Euro mehr erhalten können, die Wolfgang Schäuble ihnen zugesagt hat. Ich finde es unerträglich, sich hier hinzustellen, über die Situation der Kommunen zu klagen und dann das Geld, das ihnen angeboten wird, nicht anzunehmen. ({9}) Ich muss Ihnen einmal klar sagen: Das ist Heuchelei. So können wir nicht miteinander arbeiten. ({10}) Herr Trittin, gestern riefen Sie mir, während Wolfgang Schäuble sprach, über die Reihen hinweg zu: Wir wollen die gleichen Bedingungen wie Amerika. - Wolfgang Schäuble kann Ihnen im Detail erklären, dass wir in unserem Steuerabkommen mit der Schweiz bessere Bedingungen haben als Amerika. ({11}) Es gibt nämlich bei dem Abkommen mit Amerika keine Regelung für die zurückliegende Zeit. Wenn Sie einerseits die gleichen Bedingungen wie Amerika einfordern und sich andererseits hier hinstellen und beklagen, dass nicht alle Fälle, die in der Vergangenheit liegen, aufgelöst werden, dann kann ich nur sagen: Sie brauchen dringend Nachhilfeunterricht vom Bundesfinanzminister, damit Sie einmal kapieren, wo der Unterschied zwischen den Abkommen liegt. ({12}) Wir bekommen für die in der Vergangenheit liegenden Fälle von der Schweiz eine entsprechende Geldsumme, die wir den Kommunen zur Verfügung stellen wollen. Ich muss auch sagen: Herr Trittin, Sie können sich vielleicht über die Abgeltungsteuer beklagen; aber die SPD kann es nicht. Herr Kollege Steinbrück, die Abgeltungsteuer haben wir miteinander vereinbart. ({13}) Das Koch/Steinbrück-Papier hat die Voraussetzungen dafür geschaffen. Wie haben Sie gejubelt, was Sie alles auf den Weg gebracht haben! Die Abgeltungsteuer führt eben zur Anonymität: Sie wird abgezogen, und der Fall ist erledigt. Es kann nicht sein, dass man auf einmal, nur weil man Kanzlerkandidat der SPD geworden ist und die Linken zufriedenstellen muss, nicht mehr wahrhaben will, was man selber gemacht hat. So weit darf der Gedächtnisverlust nicht reichen, Herr Kollege Steinbrück. ({14}) Ich kann nur hoffen, dass Vernunft einzieht und der Bundesrat mit den Stimmen der von SPD und Grünen regierten Länder jetzt endlich das tut, worauf viele Menschen, etwa im Handwerk, warten: die Gebäudesanierung voranbringen. Ich habe nicht nur in allen Fachzeitschriften, sondern auch in Vorlagen von Ihnen, den Grünen, gelesen, dass der Gebäudebestand die größte Möglichkeit bietet, Energie einzusparen. Sie haben dafür gesorgt, dass wir da mindestens ein Jahr verloren haben. Das, was Sie hier machen, ist keine wirklich überzeugende ökologische Politik; das ist Obstruktion um der Parteiinteressen willen, nichts anderes. ({15}) Sie können das noch korrigieren; wir sind im Vermittlungsverfahren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schaffen mit diesem Bundeshaushalt die Voraussetzungen dafür, dass wir im Jahr 2014 zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt kommen. Das ist mehr, als wir zunächst erwartet haben. Dies ist auch Voraussetzung dafür, dass wir als Deutschland unsere Aufgaben und Herausforderungen in Europa angehen können. Mit der gigantischen Verschuldung, die Sie uns nach den Jahren der rot-grünen Bundesregierung hinterlassen haben, hätten wir gar nicht die notwendige Kraft gehabt, all diese Aufgaben zu meistern. Ich glaube, man sollte am heutigen Tage, an dem wir wissen, dass für Griechenland eine Lösung gesucht und in der nächsten Woche sicher auch gefunden wird, noch einmal deutlich machen, was unsere Auffassung ist und welche Probleme entstünden, wenn man Ihrem Kurs folgte. Wir haben klar und deutlich formuliert, dass wir solidarisch sind, dass wir aber verlangen, dass sich in dem Land, dem wir Geld geben, Dinge ändern. Das hat nicht einmal Herr Trittin bestritten; denn auch er sagt: Einer, der Kredite gibt, kann und muss entsprechende Auflagen beschließen. - Um es noch einmal klar und deutlich zu sagen, damit der Unsinn nicht weitergetrieben wird: Wir legen bei der Euro-Rettungspolitik vor allem Wert darauf - die Bundeskanzlerin sagt es regelmäßig -, dass wir in Europa wettbewerbsfähig werden. Nur wenn Europa wettbewerbsfähig ist, werden wir die He25250 rausforderungen meistern können, die mit einem Wettbewerb in der ganzen Welt verbunden sind. Deutschland hat eine solche Wettbewerbsfähigkeit erreicht - auch wir haben noch das eine oder andere zu tun -; aber andere eben nicht. Wir allein werden es nicht schaffen können, selbst wenn wir wettbewerbsfähig sind, dass Europa den Wettbewerb mit der Welt aufnehmen kann. Deswegen müssen alle mitmachen. Natürlich unterstützen wir unsere französischen Freunde dabei, den Weg konsequent in die richtige Richtung zu gehen. Herr Kollege Steinbrück, man kann sich aber nicht an dieses Rednerpult stellen und sagen, dass Wettbewerbsfähigkeit notwendig ist, um sich dann mit seinen sozialistischen Freunden zu treffen und denen ständig die falschen Ratschläge zu geben. Vielmehr müssten Sie ihnen sagen: Ihr müsst das nachholen, was wir mit der Agenda 2010 beschlossen haben. Sie dürfen sie nicht dabei unterstützen, sozialistischen Irrsinn in Europa zu verbreiten. - So funktioniert die Sache! ({16}) Es gibt einen alten, ganz einfachen Merksatz: Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Ich hoffe, dass in Frankreich die Realität sehr bald zur Kenntnis genommen wird. Gerhard Schröder hat seine Meinung dazu gesagt. Wir wollen natürlich in Europa Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Deshalb haben wir den Griechen auch keine Sparpolitik verordnet, sondern wir haben gesagt: Es müssen sich Strukturen ändern. Es wird geholfen, die Verwaltungskraft von Kommunen zu stärken, die Verwaltungskraft einer Steuerverwaltung aufzubauen und vieles andere mehr. Das braucht natürlich seine Zeit. Einige Maßnahmen sind bereits erfolgreich umgesetzt. Die Regierung Samaras macht mehr als jede Vorgängerregierung in Griechenland - das wollen wir durchaus anerkennen -, aber es müssen sich auch die Strukturen ändern. Ich glaube felsenfest: Durch das, was Sie die ganze Zeit vom Stapel lassen - nach dem Motto „Es muss auf jeden Fall geholfen werden“, Schuldenunion, EuroBonds usw. -, ({17}) nehmen Sie den Regierungen, die mutig aufgestanden sind und gesagt haben: „Wir reformieren“, die Kraft, die notwendigen Reformen auch durchzuführen. ({18}) Wenn Sie einfach nur bedingungslos Geld ausgeben nach dem Motto „Es spielt keine Rolle, was es kostet“, dann werden Sie niemanden wirklich motivieren, den harten und schweren Weg zu gehen. Deswegen bin ich dankbar für die Position der Bundesregierung, dankbar dafür, dass der Bundesfinanzminister die schwierigen Verhandlungen führt. Ich weiß, dass es sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Bundesfinanzminister nicht immer leicht haben. Man könnte sehr schnell der Versuchung erliegen, den Forderungen derjenigen, die gerne umverteilen wollen, nachzugeben. Ich kann nur sagen: Wir werden darauf achten, dass die Grundsätze von Solidarität und Solidität nicht ins Rutschen kommen. Das ist der Maßstab für unsere Europapolitik. ({19}) Wir schauen in diesen Tagen mit Sorge auf die Entwicklung im Nahen Osten. Wir alle hoffen, dass die diplomatischen Bemühungen wirklich tragen und ein Krieg verhindert werden kann. Als die Bundeskanzlerin heute Morgen darauf verwiesen hat, dass Israel ein Selbstverteidigungsrecht hat, dass Israel das Recht hat, sich gegen Angriffe zu wehren, kam aus allen Fraktionen Beifall, nur nicht von der Linken. Das hat mich einigermaßen bestürzt. Sie haben ein ungeklärtes Verhältnis zu Israel, meine Kolleginnen und Kollegen von der Linken, um es sehr vorsichtig zu formulieren. ({20}) Wir werden alles tun, was in unseren Möglichkeiten ist - ich bin dem Bundesaußenminister dafür dankbar -, um in dieser schwierigen Situation zu Israel zu stehen. Wir wollen aber auch alles dafür tun, dass eine diplomatische Lösung gefunden wird. Da wir schon bei diesem Thema sind: Ja, Mursi, der ägyptische Präsident, leistet dafür einen wichtigen Beitrag. Er wird demnächst, Frau Bundeskanzlerin, Deutschland besuchen. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir - bei allem, was wir an Positivem bei dem sehen, was Mursi jetzt in dem Konflikt im Nahen Osten macht - erwarten, dass er in gleicher Weise auf die Christen in Ägypten zugeht und sie am Verfassungsprozess gleichberechtigt beteiligt. ({21}) Es gibt keine Teilung der Menschenrechte. Was wir in den letzten Tagen gerade aus der verfassungsgebenden Versammlung in Ägypten gehört haben, lässt uns bei diesem Punkt doch manche Sorge haben. Ich bitte sehr darum, dass auch dies im Gespräch gesagt wird. Wir alle wissen, in welch glücklicher Situation wir leben. Vor wenigen Tagen haben wir am Volkstrauertag auf den Friedhöfen daran gedacht, was im letzten Jahrhundert, einem furchtbaren Kriegsjahrhundert, alles geschehen ist - auch durch unser Land, durch Deutschland. Deswegen haben wir allen Grund, uns dafür einzusetzen, dass Gewalt und Krieg keine Mittel der Politik sind. Aber wir haben aus unserer Geschichte auch gelernt, dass Gewalt und Krieg immer dort entstehen, wo es ungerecht zugeht, wo Menschenrechte - beispielsweise auch die Religionsfreiheit - nicht eingehalten werden. Deswegen vergessen wir über all die Debatten, die wir jetzt über den Bundeshaushalt und über Europa führen, nicht, dass dieses Europa mehr ist als ein Europa von Euro und Cent, sondern dass es eine Werte- und Schicksalsgemeinschaft ist, die wir uns erhalten wollen als ein Vorbild für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. ({22}) Ich glaube, dass wir mit dem Haushalt, den wir in dieser Woche verabschieden, einen wichtigen Schritt gehen, um für die junge Generation neue Chancen und Möglichkeiten zu eröffnen. Ich wäre froh, wir könnten im Bundesrat dadurch, dass wir die Korrektur der kalten Progression hinbekommen, ein deutliches Zeichen für die Menschen setzen. Es mag aus Ihrer Sicht so sein, dass Sie den Spitzensteuersatz erhöhen wollen. Sie können es sehr gerne machen, das so zu formulieren. Auch ich habe manchen Wunsch, den ich jetzt nicht umsetzen kann und deswegen in das Regierungsprogramm schreiben werde. Aber jetzt will ich Ihnen einmal eines sagen: Es darf doch die Parteipolitik nicht so weit gehen - das grenzt schon an Zynismus -, zu sagen: Weil wir eines unserer Ziele, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, nicht umsetzen können, werden wir den kleinen Leuten die steuerliche Entlastung nicht geben, die sie verdient haben. ({23}) Was ist denn das für eine Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerpartei? Da brauchen Sie gar nicht so zu grinsen. Das ist unglaublich! Schäbig ist das von der SPD, dass sie an diesem Punkt nicht mitmacht. ({24}) Deswegen bin ich froh, dass wir wenigstens eine Senkung der Beiträge hinbekommen haben - als ein Beispiel dafür, dass wir es ernst meinen damit, die Menschen zu entlasten. Jetzt will ich noch einen letzten Hinweis geben: Sie stellen sich hier hin und sagen - auch in verschiedenen Veröffentlichungen -: Es muss die Binnenkaufkraft gestärkt werden. - Im Übrigen verstehen wir als Binnenkaufkraft inzwischen europäische Binnenkaufkraft. Wenn man aber sagt, dass die Binnenkaufkraft gestärkt werden muss, und dann alles dafür tut, dass die Menschen nicht entlastet werden und nicht mehr Geld im Geldbeutel haben, ist das das glatte Gegenteil von Stärkung der Binnenkaufkraft. ({25}) Sie sollten sich einmal entscheiden, ob Sie hü oder hott wollen. Wir wollen die Binnenkaufkraft stärken und wollen, dass die Menschen von den Lohnerhöhungen, die sie Gott sei Dank jetzt bekommen, etwas mehr in der Tasche haben. ({26}) Sie verhindern dies aus ideologischen Gründen. Das alles können Sie den Menschen, die in den nächsten Wochen zu ihrem Weihnachtseinkauf gehen, erklären. Wir werden es auf jeden Fall machen. Politik für die Menschen in diesem Land sieht anders aus als das, was Sie gerade machen. ({27}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden deshalb diesen Bundeshaushalt am Freitag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen verabschieden. Er ist ein schönes Signal - das sagen wir immer wieder -: Die christlich-liberale Koalition hilft, damit es die Menschen jetzt und in Zukunft einfacher haben. ({28})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Joachim Poß für die SPDFraktion. ({0})

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kauder, ich finde, dass schäbig heute Mittag oder heute Morgen besonders die Art und Weise war, wie Sie mit der Wahrheit umgegangen sind. ({0}) Das kann man an verschiedenen Beispielen darstellen: Sie reden von Problemen in Baden-Württemberg, die Ihr Zögling Mappus hinterlassen hat, und lasten das jetzt seinem Nachfolger an. ({1}) Sie reden von Problemen in Frankreich, die Ihr Freund Sarkozy hinterlassen hat, und lasten das seinem Nachfolger an. ({2}) Das ist Ihre Methode, Herr Kauder, mit der Wahrheit umzugehen. Damit kommen Sie nicht durch, jedenfalls bei uns nicht. Diese Art von Legendenbildung ist Vorbereitung auf den kommenden Wahlkampf. Das gilt auch für die anderen Themen. Energetische Gebäudesanierung: Sicherlich sollten sich die Länder da bewegen, aber die Bundesregierung muss sich in gleicher Weise bewegen. Wir brauchen einen Kompromiss; ({3}) das sage ich Ihnen. Das ist meine persönliche Überzeugung. Das sage ich auch den Ländervertretern. Daran arbeiten wir. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir im Interesse der Sache zu einem Kompromiss kommen müssen. Auf der Strecke dahin können Sie aber nicht eine Seite diffamieren, wie Sie das hier gemacht haben. Das geht nicht, Herr Kollege Kauder. ({4}) Unredlich und fachlich gänzlich daneben - die Kanzlerin äußert sich gelegentlich in ähnlich unqualifizierter Weise - äußern Sie sich wieder zu den Veränderungen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts 2004/ 2005. Ohne die damaligen Veränderungen - jenseits der politischen Hintergründe - hätten wir die heutige Schuldenbremse nicht - die waren nämlich das Muster dafür -, hätten wir in der Großen Koalition zusammen nicht relativ erfolgreich die Finanz- und Wirtschaftskrise bekämpfen können. Nur so hatten wir die Möglichkeit, die großen Konjunkturpakete zu schnüren - das war der präventive Arm -, von denen vor allem die Kommunen profitiert haben, über die Sie so viel geredet haben. ({5}) Nur so war das zu erklären. Inzwischen gibt es sogar wissenschaftliche Ausarbeitungen dazu. Ich habe deren Lektüre Herrn Brüderle auch schon einmal empfohlen; ich bitte auch Sie, Herr Kauder, sich vielleicht einmal ein bisschen mit den Fakten zu beschäftigen, bevor Sie entweder aus Mangel an Kenntnis oder vorsätzlich das Volk belügen. Das wäre wirklich zu empfehlen. ({6}) Im Übrigen gehört zu einer erfolgreichen Regierung - Frau Merkel hat ja von der „erfolgreichsten Regierung seit der Wiedervereinigung“ gesprochen -, ({7}) dass sie - Kollege Meister, Sie sind doch ein integrer Mensch; gehen Sie voran! ({8}) den Menschen die Wahrheit sagt. In Sachen Griechenland und in Sachen „Krise in der Euro-Zone“ haben Sie eben und systematisch die Unwahrheit gesagt, ({9}) zumindest getäuscht oder angetäuscht. Das ist Ihre Methode. Aber damit scheitern Sie. Ihre Täuschung führt auch zu großen Orientierungsproblemen in den Reihen von Schwarz-Gelb. Gelegentlich war auch geistige Verwirrung festzustellen. Deswegen hat sich der Kollege Schäuble - zumindest hatte ich den Eindruck - heute Morgen bei seiner Berichterstattung in der SPD-Bundestagsfraktion durchaus wohlgefühlt, wegen der sachlichen Debatte. Ich glaube, er hatte mehr Sorgen, als er zu Ihnen in die Fraktion kam, um die Ergebnisse von gestern Nacht zu erklären, die nun weiß Gott nicht berühmt waren. ({10}) Man sollte mit so großen Worten wie „erfolgreichste Regierung seit der Wiedervereinigung“ vorsichtig sein. Frau Merkel hat heute Morgen wieder eine Rede nach dem Motto „Gut geklaut ist halb gewonnen!“ gehalten. Ich meine damit, dass sie sich die Früchte der Politik, der Leistungen oder der Forderungen anderer ans Revers geheftet hat. ({11}) Auch das war bereits Teil Ihrer Vorbereitung für das nächste Jahr. Auch das lassen wir so nicht durchgehen. Das gilt für das, was sich für die Kommunen getan hat; das gilt für die Beschäftigungssituation, die Sie sich zugutehalten. Die Menschen in Deutschland sehen das im Übrigen ganz anders als die Regierung; darauf wurde gestern schon hingewiesen. Frau Merkel, Sie führen nicht die erfolgreichste Regierung seit der Wiedervereinigung. Sie führen die Regierung, der aus der Bevölkerung am meisten Misstrauen begegnet, weil sie Ihnen jenseits Ihrer guten persönlichen Werte, Frau Merkel, im Prinzip nichts zutraut. Es mag sein, dass Sie vielleicht als Einzige aus der Schar, die sich hier darbietet - das will ich nicht näher bewerten -, herausragen. Aber 70 Prozent der Deutschen sagen: Die Regierung Merkel betreibt nur Klientelpolitik. Recht haben diese 70 Prozent. ({12}) 65 Prozent sagen, die Regierung Merkel kümmere sich nicht um die Zukunftsprobleme. Da haben die 65 Prozent ebenfalls recht; denn Sie haben in den letzten drei Jahren überhaupt keine Antworten auf das gefunden, was uns zum Beispiel aufgrund des demografischen Wandels bedrängt. Das, was Sie als „Lebensleistungsrente“ ausgeben, ist ein Treppenwitz. Das ist eine Beleidigung für diejenigen, die ein Leben lang gearbeitet haben; das muss man deutlich sagen. ({13}) Sie kommen mit semantischen Antworten, aber eben nicht mit richtigen Problemlösungen. Was bleibt eigentlich als Ergebnis Ihrer Regierungsarbeit? Kollege Trittin hat gefragt: Was bleibt eigentlich von der Kanzlerin Merkel nach sieben Jahren? Ich will ganz sachlich fragen: Was bleibt eigentlich als Ergebnis der Regierungsarbeit von Schwarz-Gelb? Was bleibt eigentlich jenseits von Griechenland-Krise und EuroLand-Stabilisierung? Sind irgendwo Probleme grundlegend und umfassend angegangen und nachhaltig gelöst worden? Wohl eher nicht! Was von dieser Regierung bleibt, sind Stichworte wie „Hotelsteuer“, „Betreuungsgeld“ sowie „Inkompetenz“ und „soziale Ignoranz“. Ja, „Inkompetenz“ und „soziale Ignoranz“ sind die Markenzeichen dieser Bundesregierung und dieser Koalition. Ich vermute, dass so listige Menschen wie Herr Brüderle und andere in den Reihen von Schwarz-Gelb sogar froh sind, dass die Griechenland-Krise und die Staatsfinanzierungsprobleme im Euro-Raum den Blick auf die umfassende Erfolglosigkeit und den Dauerstreit in der schwarz-gelben Regierung verstellen, dass sich das alles vielleicht sogar zur Ablenkung eignet. Wir spüren aber, dass die Merkel’sche Griechenland- und Europa-Taktik jetzt an ihr Ende gelangt. Sie, Frau Merkel, und die Koalition werden den großen gesellschaftlichen Herausforderungen auch bei der Pflege oder bei der anwachsenden Altersarmut nicht gerecht. Ihre Politik ist das genaue Gegenteil von Problemlösung und Fortschritt. Das gilt zum Beispiel beim Betreuungsgeld oder auch beim von Ihnen organisierten Kahlschlag in der aktiven Arbeitsmarktpolitik. ({14}) Wer wie ich aus dem Ruhrgebiet oder auch aus anderen entsprechenden Teilen Deutschlands - egal ob aus Ostdeutschland oder Westdeutschland - kommt und sieht, wie vielen jungen Menschen durch die radikale Streichung von Arbeitsmarktmitteln - über 26 Milliarden Euro - Lebenschancen genommen werden, muss sagen: Es ist eine Schande, dass eine christlich-liberale Koalition - so nennen Sie sich ja - eine solche Politik vertritt. ({15}) Diese Reihe könnte man fortsetzen: gescheiterte Bildungsgipfel, Energiewendegipfel und anderes mehr. Das ist sogar von einem konservativen Kommentator eines Massenblatts kürzlich aufgegriffen worden. Er hat Ihnen prophezeit, dass es letzten Endes von allen über Steuern und Abgaben zu tragen ist, wenn Sie - wie auf dem letzten Gipfel - ganz nebenbei Gelder verteilen. Das unterscheidet uns. Wir wollen in der Tat eine höhere steuerliche Belastung von Spitzenverdienern und Vermögenden. Wir wollen aber nicht eine höhere Belastung für alle. Das zeigt deutlich - darüber werden wir im nächsten Jahr sprechen -, was uns unterscheidet. Der Sinn für sozialen Ausgleich ist in den letzten drei Jahren in Deutschland regelrecht unter die Räder gekommen, und das werden wir ändern. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann Otto Solms für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will in der kurzen Redezeit, die ich habe, nur auf einen Zusammenhang hinweisen, nämlich auf den makroökonomischen Zusammenhang von Abgaben- und Steuerbelastungen einerseits und Beschäftigung andererseits. Als wir im Oktober 2009 mit den Koalitionsverhandlungen begonnen haben, war unsere größte Sorge: Wie schaffen wir es, diesen Haushalt in Ordnung zu bringen? Die Große Koalition und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück hatten uns einen Haushaltsplan mit einer Neuverschuldung von 86 Milliarden Euro übergeben; dies sollten wir verantworten. 86 Milliarden Euro Neuverschuldung waren für das Jahr 2010 geplant. Wie kommen wir aus dem Debakel heraus? Das war die zentrale Frage bei den Verhandlungen. Wir haben uns dann entschieden, auf Wachstum zu setzen, weil wir nur durch Wachstum mehr Beschäftigung bekommen. Wie können wir Wachstum beschleunigen? Was können wir dafür tun? Wir haben mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Entlastungen beschlossen. Wir haben im Laufe der Legislaturperiode weitere Entlastungen beschlossen, insbesondere bei den Sozialabgaben, bei der Rentenversicherung. Alles in allem beläuft sich die Entlastung - dies hängt noch davon ab, ob Sie beim Abbau der kalten Progression zustimmen - auf einen Betrag von 36 Milliarden Euro. Das hat dazu beigetragen, dass wir diese fantastische Situation auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland haben, die wir heute feststellen können. Das ist das einmalige Wirtschaftswunder, das wir heute erleben. Ich verstehe Herrn Trittin nicht; ich weiß nicht, wo in der Welt er sich herumtreibt. Er hat erzählt, was ihm alles gesagt wird. Überall dort, wo ich hinkomme, fragen mich die Menschen: Wie schafft ihr das? Wie habt ihr das erreicht? Das ist ja eine unglaubliche Leistung. Überall in Europa gehen die Wachstumszahlen zurück, aber in Deutschland bleiben sie stabil, die Beschäftigung bleibt hoch, und die Arbeitslosigkeit bleibt niedrig. ({0}) Das ist die einmalige Erfolgsbilanz dieser Regierung. Sie ist überhaupt nicht wegzudiskutieren; Herr Poß, Sie haben das in Zweifel gezogen. Es ist auch eine entscheidende sozialpolitische Leistung. Es ist doch unser Anliegen, unsere sozialpolitische Aufgabe, allen Menschen, die arbeiten wollen, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen wollen, die Möglichkeit dazu zu geben. Die Zahl der Beschäftigten, der Erwerbstätigen, ist heute auf einem Stand, auf dem sie nie zuvor in der Bundesrepublik war: 41,85 Millionen Beschäftigte. Die Zahl der Arbeitslosen ist um 1,9 Millionen deutlich zurückgegangen, während die Zahl der Beschäftigten um 2,3 Millionen gestiegen ist. Das ist doch eine Bilanz, die unvergleichbar ist, insbesondere wenn Sie sich an die Krisensituation zurückerinnern, die wir 2009 erlebt haben. Ich hätte nie gedacht, dass es in drei Jahren gelingen würde, den Haushalt auf den Stand zu bringen, auf dem wir heute sind. Wir haben im Kernhaushalt quasi eine Nullverschuldung, wenn Sie bedenken, dass wir den Ländern und Gemeinden etwa 10 Milliarden Euro an Belastungen abgenommen haben ({1}) und über 8 Milliarden Euro als Eigenkapital für den ESM zur Verfügung stellen mussten. ({2}) Das heißt auf Deutsch: Wir haben eine riesige Erfolgsbilanz im Haushalt. Wir können heute mit Stolz sagen: Wir haben diese Herkulesaufgabe bewältigt. Dies hatte uns niemand zugetraut; wir hatten es uns auch selbst nicht zugetraut. Wir sind heute stolz darauf, dass wir das erreicht haben. Es steht uns auch zu, das in der Öffentlichkeit so zu sagen. Deswegen kann ich Ihnen nur empfehlen: Schließen Sie sich dem Erfolg an! ({3}) Falls das Unglück geschehen sollte, dass Sie an die Regierung kommen, sollten Sie nicht die Gegenstrategie, die Sie heute verkünden, wahrmachen, nämlich den Menschen wieder in die Tasche zu greifen, ({4}) die Steuern an allen Ecken und Enden zu erhöhen und damit die Basis für Wachstum und Beschäftigung wieder zu zerstören. Denken Sie daran, Herr Poß - das wissen Sie genauso gut wie ich -, dass die Einkommensteuer die Betriebsteuer für Personengesellschaften und Einzelkaufleute ist. Wenn Sie die Einkommensteuer erhöhen, dann senken Sie die Investitionsquote des Mittelstandes, und dann legen Sie die Axt an die Beschäftigung in diesem Land. ({5}) Deswegen warne ich Sie davor, diese Dummheit zu begehen. 2002 haben Sie eine vernünftige Steuerreform gemacht. Erinnern Sie sich daran! Das war erfolgreich. Diese Politik muss fortgesetzt werden. Aber das wird wohl nur mit der Koalition, die heute regiert, gelingen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Gerda Hasselfeldt für die Unionsfraktion. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten sind normalerweise eine gute Gelegenheit für die Opposition, eigene Vorschläge vorzulegen, vernünftige, zielführende, zukunftsweisende Alternativen aufzuzeigen und zu begründen. ({0}) Wenn wir uns die Debatten von gestern und heute vor Augen führen, dann kann man dazu nur sagen: Fehlanzeige! Diese Chance haben Sie verpasst. ({1}) Objektiv betrachtet muss man natürlich sagen: Es ist auch nicht so einfach, Alternativen vorzulegen, und zwar deshalb nicht, weil die finanzpolitische, die wirtschaftspolitische, die arbeitsmarktpolitische und die soziale Situation in unserem Land eine gute ist; das hat ja sogar Herr Steinbrück heute zugegeben. Das ist das Ergebnis der guten Arbeit der Menschen im Land, einer guten mittelständischen Struktur und einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Aber, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist auch das Ergebnis einer zukunftsweisenden, einer verantwortungsvollen, einer guten Politik dieser Regierung seit Jahren. ({2}) Es geht um die Grundlagen der Finanzen, um einen sparsamen Umgang mit den Steuergeldern. Bei dem, worüber wir immer unter dem Stichwort „Haushaltskonsolidierung“ sprechen, geht es ja um nichts anderes als um einen sparsamen Umgang mit den Steuergeldern, mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger. Da gesagt wurde: „Ihr könntet noch mehr sparen“, will ich von meiner Seite daran erinnern: Zu Beginn dieser Legislaturperiode lag vom Finanzminister aus der Zeit der Großen Koalition ein Haushalt mit einer Nettokreditaufnahme von 86 Milliarden Euro vor. Heute, drei Jahre später, sind wir bei 17 Milliarden Euro. Das muss uns erst einmal jemand nachmachen! ({3}) Wenn man dann gerade von Herrn Steinbrück hören muss: „Es ist noch nicht alles konsolidiert, und man hätte das viel besser machen können“, sollte man an seine Tätigkeit als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen erinnern. Sie dauerte drei Jahre, dann ist er gescheitert. Das Ergebnis dieser drei Jahre war eine Erhöhung der Nettoneuverschuldung von etwa 83 Milliarden Euro auf 108 Milliarden Euro, also um 25 Milliarden Euro - eine Größenordnung, die dem damaligen Schuldenstand von gesamt Bayern entsprach. Das heißt, in drei Jahren sind in Nordrhein-Westfalen unter seiner Regierung genauso viele neue Schulden gemacht worden, wie sich in 60 Jahren in Bayern angehäuft haben. ({4}) Meine Damen und Herren, von so einem Menschen müssen wir uns nicht sagen lassen, wie Haushaltskonsolidierung geht, wie sparsamer Umgang mit Steuergeldern geht; das kann doch wirklich niemand ernst nehmen - wir nicht und auch die Bevölkerung nicht. ({5}) Sparen, sparsamer Umgang mit Steuergeldern, Haushaltskonsolidierung, das ist kein Selbstzweck, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sondern das machen wir aus Verantwortung für die nachwachsenden Generationen, für unsere Kinder und Enkelkinder, denen wir keine Schulden überlassen wollen, sondern Freiräume zur Gestaltung ihres Lebens. Das machen wir aber auch deshalb, weil uns nicht zuletzt die Staatsschuldenkrise in Europa lehrt, dass solides Haushalten, solider Umgang mit öffentlichen Geldern die Grundlage ist für ein solides Wachstum, für gutes Wirtschaften, für Freiraum der einzelnen Menschen und dafür, dass es den Menschen im Land und in Europa gut geht. Sparen und Haushaltskonsolidierung stehen bei uns deshalb nicht nur auf dem Papier, sondern sind ein wichtiges Anliegen von uns allen. ({6}) Wir schauen da nicht nur auf den Bundeshaushalt. Wir haben in dieser Legislaturperiode in ganz besonderer Weise auch auf die Haushalte der Kommunen geschaut. Es ist vorhin schon angesprochen worden: Wir geben den Kommunen im Bereich der Grundsicherung zurück, was Sie ihnen vorher genommen haben. ({7}) Rot-Grün hat den Kommunen die Aufgabe der Grundsicherung übertragen. Wir übernehmen nun diese Ausgaben, damit die Kommunen Freiraum bekommen. ({8}) Die gleiche Unterstützung lassen wir den Kommunen bei der Kinderbetreuung angedeihen. Ich sage ganz bewusst - gerade auch für die CSU -: Der Ausbau der Kinderbetreuungsstätten für unter Dreijährige ist uns ein ganz großes Anliegen. Das zeigt sich an der hohen Beteiligung des Bundes an den Ausbaukosten und den Betriebskosten, obwohl dafür eigentlich nicht der Bund zuständig ist, sondern die Länder und Kommunen. Das zeigt sich insbesondere an Bayern: Dort ist die Dynamik des Ausbaus der Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige größer als in allen anderen Bundesländern. Übrigens ist in Bayern auch die Erwerbstätigkeitsquote der Frauen am höchsten - was uns von vielen gar nicht zugetraut wird. Wie ich jetzt gelesen habe, hat man auch mir persönlich manches in meinem Leben gar nicht zugetraut; das will ich aber nur am Rande erwähnt haben. ({9}) In Bayern liegt der Ausbaustand der Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige schon weit über dem Stand, der im Bundesdurchschnitt angestrebt ist: Wir haben nämlich für mehr als 40 Prozent der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze. Und das in einem Land mit einer Partei in der Regierung, die gerade in den letzten Monaten an dem wichtigen Projekt Betreuungsgeld festgehalten hat! Damit machen wir deutlich: Wir brauchen beides. ({10}) Wir setzen uns für beides ein, für den Ausbau der Kinderbetreuungsstätten genauso wie für das Betreuungsgeld, und zwar deshalb, weil wir Ja zur Kinderbetreuung sagen, Ja auch zu Kinderbetreuungseinrichtungen sagen, aber Nein zu staatlicher Bevormundung in der Erziehung. Das ist der wesentliche Unterschied zu Ihnen. ({11}) Entlastung im öffentlichen Bereich, Haushaltskonsolidierung, das ist die eine Seite. Schwerpunktsetzungen bei den Familien, in der Bildung, in der Forschung, bei Innovationen, bei allem, was mit Investitionen zu tun hat, das ist die zweite Seite. Das, meine Damen und Herren, ist letztlich der Markenkern dieser Regierung: eine nachhaltige Finanzpolitik, eine Finanzpolitik, die geprägt ist auf der einen Seite vom sparsamen Umgang mit Steuergeldern und auf der anderen Seite von der Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Das Ergebnis gibt uns recht. Das Ergebnis unserer Arbeit ist nämlich ein Rückgang der öffentlichen Verschuldung, ein Rückgang der Arbeitslosigkeit und eine Zunahme des Wachstums. Das Ergebnis Ihrer Regierungszeit war ein anderes. ({12}) - Ja. Das waren nämlich steigende Arbeitslosenzahlen, das war steigende Verschuldung, und das war Nullwachstum. ({13}) Die Ziele, die Sie verfolgt haben, unterscheiden sich diametral von den unsrigen. ({14}) In einer Zeit, in der sich weltwirtschaftlich so vieles verändert hat und schwieriger geworden ist, in so einer Zeit muss man genau prüfen, ob die Maßnahmen, die man vorschlägt, nicht das Erreichte wieder kaputt machen. Ich will nur einige Dinge nennen, die nicht nur nicht geeignet sind, sondern das Erreichte mit Sicherheit kaputt machen würden. Sie schlagen unter anderem die Erhöhung des Spitzensteuersatzes vor, sogar noch als Kompensation für die Abschaffung der kalten Progression; das ist vorhin schon angesprochen worden. Meine Damen und Herren, wie kann man nur so etwas machen wollen! Sie sind doch eine Partei, die sich auf die Fahne geschrieben hat, für die Arbeitnehmer, für die kleinen Leute da zu sein. ({15}) Vor diesem Hintergrund verstehe ich aber nicht, warum man über ein Jahr lang im Bundesrat eine Regelung blockiert, die zur Entlastung dieser kleinen Leute, der Arbeitnehmer, der fleißigen Menschen führt, denen die Früchte ihrer Arbeit zurzeit nicht gegönnt werden, weil die Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen durch die Progressions- und Inflationswirkung zunichtegemacht werden. Wie man zum Abstellen dieser Ungerechtigkeit, was wir mit unserem schon beschlossenen Gesetz vorsehen, sagen kann: „Nein, das wollen wir als Arbeitnehmerpartei nicht“, das müssen Sie dem Volk wirklich einmal erklären. Ich kapiere das nicht. ({16}) Wenn Sie wenigstens einen Vorschlag machen würden, der vernünftig wäre, dann würde mir das noch eingehen. Aber mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes treffen Sie gerade die Leistungsbereiten, die Leistungsfähigen, die Arbeitnehmer und die Unternehmer. 80 Prozent unserer Unternehmen sind mittelständisch organi25256 siert und bezahlen Einkommensteuer. 80 Prozent! Sie stellen Arbeitsplätze zur Verfügung. Wie die Erhöhung des Spitzensteuersatzes zum Arbeiten, zu neuen Investitionen sowie zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen motivieren soll, verstehe ich nicht. Es wird eben nicht motiviert. Mit diesem Vorhaben machen Sie jeden Investitionsmotor von Anfang an kaputt. Sie blockieren jede weitere Leistungsbereitschaft und produzieren damit zusätzliche Arbeitslose. So wollen Sie Verantwortung wahrnehmen. ({17}) Ähnlich verhält es sich bei Ihren Vorstellungen zur Einführung einer Vermögensteuer, zur Erhöhung der Erbschaftsteuer, zu einer Vermögensabgabe usw. Mit Verlaub: Das sind Vorschläge aus der Mottenkiste. Teilweise haben Sie die alle schon probiert. Sie sind lediglich dazu geeignet, Neiddebatten zu führen. Aber sie sind in der jetzigen Phase nicht geeignet, Wachstum und Beschäftigung zu halten bzw. auch noch zu verbessern. Mit diesen Vorstellungen zerstören Sie das, was aufgebaut wurde, vom Kern her. Sie verstehen unter Konsolidierung nichts anderes als maßlose Steuererhöhungen, als Abkassieren von denjenigen Menschen, die leistungsfähig und leistungsbereit sind. ({18}) Dieser Kurs, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist ein völlig anderer als der Kurs, den wir bisher gefahren sind und den wir auch weiterhin fahren werden. Kollege Dr. Solms hat es angesprochen: Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode stark darauf gesetzt, Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Dies ist gelungen. Wir sind Vorbild mit unserer Politik der Haushaltskonsolidierung, mit unserer nachhaltigen Finanzpolitik, mit unserer wachstumsorientierten Politik in ganz Europa und darüber hinaus. Das, meine lieben Freunde, sollten wir auch künftig bleiben. ({19})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Axel Schäfer für die SPDFraktion. ({0})

Axel Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003624, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal möchte ich dem Kollegen Schäuble gratulieren. Nein, nicht zu dem Haushalt; denn dazu haben wir doch eine ganze Menge berechtigte Kritik. Ich möchte ihm dazu gratulieren, dass er fast auf den Tag genau seit 40 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestages ist - eine sicherlich außergewöhnliche Leistung. Ich glaube, er hat in vielen Bereichen Bedeutendes geleistet. Als Sozialdemokrat war ich natürlich mit einer Reihe seiner Positionen nicht einverstanden. Aber darauf kommt es nicht an. Er hat sicherlich Bleibendes geleistet mit seiner Grundsatzrede zum Thema „Hauptstadt - Berlin oder Bonn?“, ({0}) die ich in jedem einzelnen Wort unterstütze und die dazu beigetragen hat, dass wir hier sitzen. ({1}) Was ansonsten die Situation dieser Regierung anbelangt: Das kann man fast überhaupt nicht weiter dramatisieren. Für jemanden, der sehr oft und sehr lange in Europa unterwegs ist, sind die Fakten ernüchternd, manchmal auch erschlagend. Ich habe in den letzten 30 Jahren bei meinen Gesprächen noch nie erlebt, dass eine deutsche Bundesregierung in so vielen europäischen Hauptstädten ein solch schlechtes Image hatte wie die aktuelle. Ich habe das nicht einmal erlebt unter Helmut Kohl, der ja durchaus ein paar umstrittene Sachen gemacht hatte, und auch unter Gerhard Schröder nicht. Als europapolitischer Koordinator bin ich oft in der Situation, dass ich sagen muss: Moment, bei Frau Merkel gilt dieses und jenes. ({2}) Die mittlerweile vorhandene Kritik ist schlecht für das Ansehen unseres Landes. Das muss einfach einmal deutlich ausgesprochen werden. Unser Ansehen ist schlecht, weil teilweise nicht klar ist, welcher Regierungskurs gefahren wird, was man als nächste Maßnahme ergreift und wo und wie lange man zu seinen eigenen Vorschlägen steht, und weil aus der Mitte dieser schwarz-gelben Koalition viele Länder durch eine maßlose Rhetorik, die mit der Realität, zum Beispiel in Griechenland, nichts mehr zu tun hat, beschämt und auch beschädigt worden sind. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen der Kanzlerin und dem künftigen Kanzler Peer Steinbrück. ({4}) - Hören Sie einmal genau zu! ({5}) Er hat bezogen auf die Große Koalition gesagt - das ist der Unterschied -: Bezüglich des damals beschlossenen Kooperationsverbots in der Bildung ist Selbstkritik nötig. Sie waren dagegen weder in Bezug auf die Entspannungspolitik von 1972 noch sonst bis heute irgendwann einmal in der Lage, zu sagen: Jawohl, da haben wir politische Fehler gemacht; die müssen wir korrigieren. Die Bürgerinnen und Bürger werden bei der Wahl im September 2013 die Möglichkeit haben, Ihre Fehler zu korrigieren. ({6}) Axel Schäfer ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch ganz einfach, das auszusprechen, was notwendig ist, damit die Bürgerinnen und Bürger unsere jetzige Situation in Europa verstehen, aber das wird nicht getan. Erstens. Wir müssen immer wieder wiederholen: Es kann uns in Deutschland nur gutgehen, wenn es den anderen Ländern nicht schlecht geht. Das ist die Grundlage überhaupt! Zweitens. Da wir in Deutschland die wirtschaftlichen Gewinner der Einigung sind, ist es richtig, dass wir als Nettozahler einen adäquaten und ansehnlichen finanziellen Beitrag leisten. Drittens. Wir dürfen nicht nur so tun, als wüssten wir von allem den Preis, sondern wir müssen auch deutlich machen, was der Wert dieser Gemeinschaft ist. Genau diese Grundhaltung ist bei Ihnen nicht vorhanden. Das ist eine der Ursachen dafür, dass wir die aktuellen Schwierigkeiten in Europa haben. ({8}) Was ich zu Wert und Preis gesagt habe, wird sich in den nächsten Tagen beweisen; denn Ihre Politik, die substanziell und essenziell darin besteht, das Parlament eher zu schwächen und das Intergouvernementale zu stärken, wird sich schon an diesem Wochenende rächen. Sie werden sehen: Wir werden keinen mittelfristigen Finanzrahmen hinbekommen, der vom Europäischen Parlament mitgetragen wird. Ich kann die Kolleginnen und Kollegen dort nur ermutigen - gerade auch bei Liberalen und Christdemokraten gibt es da viel Kritik -, zu diesem MFR Nein zu sagen, weil er genau das nicht ermöglicht, was wir in Europa brauchen: Wachstum, Beschäftigung, Nachhaltigkeit. All das, was versprochen ist, kann nämlich mit diesem Mittelfristigen Finanzrahmen nicht gehalten werden. ({9}) Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zitiere ich einmal, was das Auswärtige Amt gerade dazu geschrieben hat: In den Weisungen des Auswärtigen Amtes für den Ständigen Vertreter Deutschlands bei der EU vom 15. November heißt es: „Die Kürzungsvorschläge im Bereich 1b“, also wirtschaftliche, soziale und territoriale Kohäsion, „sind nicht ausreichend.“ Das heißt, es soll noch mehr gekürzt werden. Das heißt auch, dass es noch weniger Mittel für das geben soll, was nötig ist: Förderung der Beschäftigung, Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und Fortschritte bei der Nachhaltigkeit in Europa. Das ist in der Praxis die Politik dieser Bundesregierung in Europa. Darum wird es gehen. Ich sage Ihnen auch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir als SPD befinden uns heute in einer sehr entspannten Situation. Deshalb konnte Kollege Solms sagen: Wenn Sie nächstes Jahr an die Regierung kommen, bedenken Sie dies und das. - Wir haben jetzt schon in der Debatte erlebt, dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und Grüne in den zentralen Fragen sehr nahe beieinander sind. Der Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen hat gezeigt, dass es ein hohes Maß an Geschlossenheit gibt. Die Nominierung von Peer Steinbrück auf dem SPD-Parteitag am 9. Dezember wird dieses Maß an Geschlossenheit noch einmal in besonderer Weise verdeutlichen. (Lachen der Abg. Dr. Gesine Lötzsch ({10}) Ich bin davon überzeugt: Es gibt bei uns die Entschlossenheit, Sie im nächsten Jahr abzulösen. Das werden wir machen. Dafür werden wir werben. Glück auf! ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Rüdiger Kruse. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, in der Generaldebatte darf man generell so ziemlich alles sagen und machen. Sie haben eine Ermutigungsrede für einen Parteitag gehalten. Das scheinen Sie nötig zu haben. Ich will mich gar nicht einmischen und Stellung beziehen, ob Ihre Prognose richtig ist. Auch ich glaube, Steinbrück wird Kanzlerkandidat; darin stimmen wir überein. Auch in Ihrer Beurteilung von Wolfgang Schäuble stimmen wir überein. Sie haben dann ein paar Ausführungen zu unseren Nachbarn gemacht und dazu, wie man denen helfen soll, damit es ihnen wieder gutgeht. Das ist alles richtig. Nur: Wenn Sie einen Ertrinkenden retten wollen, dann müssen Sie selber schwimmen können. Wenn Sie dazu beitragen, dass die Arme und Beine des Rettungsschwimmers immer stärker gefesselt werden, dann wissen Sie genau, welches Schicksal ihm droht. In diese Richtung gehen Ihre Politikvorschläge. Sie haben eben auf große Gemeinsamkeit zwischen Rot und Grün hingewiesen. Mein Part am Ende der Debatte ist es immer, auf das Thema Kultur zu kommen, weil das ja die Spitze der Bewegung ist. Weil es eine Haushaltsdebatte ist, kann man einmal schauen: Wie hat sich denn diese Gemeinschaft von Rot-Grün ausgewirkt? Wir wissen, der damalige Kanzler hatte viele Künstlerfreunde und war in dieser Richtung wirklich interessiert. Er hat sich auch einen schöngeistigen Staatsminister für Kultur besorgt. Wie haben sich denn damals die Haushalte für Kultur entwickelt? Rot-Grün hat in seiner Zeit, vom Anfang bis zum Ende, den Etat für Kultur verändert: um 10 Millionen Euro nach unten. ({0}) Okay. Was hat denn Schwarz-Rot gemacht? In den vier Jahren Schwarz-Rot wurde der Etat über die Jahre verän25258 dert: um 80 Millionen Euro nach oben. Okay, Schwarz wirkt. Was hat Schwarz-Gelb in den letzten Jahren gemacht? Schwarz-Gelb hat auch den Etat verändert: um 134 Millionen Euro nach oben. ({1}) Was kann man an dieser Farbenlehre sehen? RotGrün bringt gar nichts und ist für die Kultur kontraproduktiv. Das Einzige, was es bringt, sind schöngeistige Reden und Beileidsbekundungen für die schlechte Situation der Kultur. Je höher der Anteil von Schwarz wird, desto besser geht es der Kultur. Jetzt könnte man nach Schwarz-Gelb sagen: Probieren wir einmal eine Runde Schwarz pur aus. ({2}) Auch damit habe ich kein Problem. Ich muss aber nach den Beratungen sagen, dass sich die Koalitionäre der christlich-liberalen Koalition wirklich vorgenommen haben, im Zusammenspiel in diesen Jahren substanziell etwas zu leisten und substanziell die Kultur in diesem Lande zu stärken. Das ist uns gelungen. Ich freue mich auch über die gute Zusammenarbeit mit Jürgen Koppelin, die in langen und manchmal auch sehr streitvollen Gesprächen sehr gute Ergebnisse gezeigt hat. ({3}) Es ist ja in Europa im Augenblick nicht selbstverständlich, dass Kulturetats erhöht werden. In Frankreich - ich weiß nicht, ob das an den grün-roten Vorlieben für Hollande liegt; Sie besuchen ihn auch zu oft; sein Rating wird jedes Mal schlechter ({4}) wurde der Kulturetat zusammengestrichen, natürlich hauptsächlich bei den Projekten, die die Vorgängerregierung auf den Weg gebracht hat. Es gibt ja die Grundvermutung, alle Künstler seien links, was natürlich Quatsch ist, aber bleiben wir erst einmal dabei. Zur Szene der Kulturschaffenden gehören sicherlich nicht überwiegend Mitglieder meiner Partei. Stellen Sie sich einmal vor, wir wären auf die Idee gekommen, alle diese Einrichtungen dichtzumachen. Aber es gibt einen kulturpolitischen Ansatz, dessen Vertreter so denken. Dieser Ansatz kommt von den Rändern der politischen Gesellschaft, die dazu neigen, Kultur in Sklavenhaft zu nehmen und sie als Verkündungsinstrument zu missbrauchen. Das tun Bürgerliche nicht, und es gibt nur eine bürgerliche Regierung. ({5}) Die christlich-liberale Regierung hat dort Akzente gesetzt, wo wir nationale wie internationale Bedeutung und Innovationen sehen. Ich glaube auch, dass das die Aufgabe des Bundes ist. Es ist den Kommunen oftmals schwergefallen, Kulturprojekte weiter zu fördern. Oftmals wird auch, so verkehrt es ist, zuerst bei der Kultur gespart. Wir werden so nicht verfahren, sondern wir halten an unserer Linie fest. Das ist uns auch gut gelungen. Die Mittel für die Filmförderung sind um 10 Millionen Euro auf 70 Millionen Euro gestiegen. Das ist ein Bereich, in dem sich Kultur sehr direkt mit der Wirtschaft trifft. Wir haben in der Musikwirtschaft, ausgehend von entsprechenden Initiativen, ein ähnliches Programm im Aufbau. Ich sage nicht, in welcher Höhe, damit jetzt niemand in die Luft springt. Aber auch hier kann Deutschland von einem reinen Import- zu einem Exportland werden. All das, was wir für den Denkmalschutz tun, wirkt in der Fläche und kommt damit allen zugute, weil es keine schwarzen, grünen, gelben oder roten Denkmäler gibt. Es geht uns dabei natürlich nicht um tote Steine: Wir fordern immer Nutzungskonzepte und richten uns auch sehr explizit an die Lebenden, die heutigen Künstler und Kulturaktiven, wie es heute so schön heißt; denn den Begriff „Kulturschaffende“ mag ich nicht. ({6}) - „Kulturaktive“ hat Wolfgang Börnsen neulich gesagt. Dieses Wort fand ich sehr schön. Auf jeden Fall können wir eines feststellen: Wo immer sich der Künstler selber verortet - am besten geht es ihm unter einer bürgerlichen christlich-liberalen Regierung. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Siegmund Ehrmann für die SPD-Fraktion. ({0})

Siegmund Ehrmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003521, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich sollte Petra Merkel, unsere Haushälterin, zu diesem Einzelplan sprechen. Sie ist aber kurzfristig erkrankt, und ich erlaube mir, ihr von dieser Stelle aus die besten Genesungswünsche zu übermitteln. ({0}) Diesen Kulturhaushalt, der jetzt nach den Beratungen sowohl im Ausschuss für Kultur und Medien als auch im Haushaltsausschuss vorliegt, bewerte ich als einen Kulturhaushalt der Ambivalenz. Herr Kruse, es war ein bisschen selbstgefällig, wie Sie das alles geschildert haben. ({1}) In der Tat haben wir einen Aufwuchs von 100 Millionen Euro insgesamt in diesen Beratungen erreicht. Punktuell decken sich die Positionsverbesserungen bei einzelnen Etatposten auch mit den Vorstellungen der Sozialdemokratie, zum Beispiel bei der Kulturstiftung des Bundes und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, aber auch, was den Aufwuchs bei der Stiftung Aufarbeitung angeht. Es reicht aber nicht, Herr Kruse, wenn es einen kulturaffinen Haushälter gibt. Die Kulturgruppe im Ausschuss für Kultur und Medien hat sich der inhaltlichen Debatte völlig verweigert. Das, was in den Haushalt eingestellt wurde, ist nicht inhaltlich begründet worden. Im Gegenteil, es wurde blind abgestimmt, und es wurde ganz allein Ihnen überlassen. Das war eine Ein-MannShow, die dafür gesorgt hat, dass diese Positionen vom Haushaltsausschuss im Haushalt verankert worden sind. Dabei ist Kulturpolitik nicht alleine Ressortpolitik. Wir sollten bestimmte Dinge in Zusammenhang bringen. Die Mittel für die Goethe-Institute sind um 2,5 Millionen Euro gekürzt worden. Zudem sind im Etat des Auswärtigen Amtes 5 Millionen Euro an Mitteln für Sprachförderung gesperrt worden. Zeitgleich wird im Kulturetat verankert, dass ein sudetendeutsches Museum errichtet werden soll und dass der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, ({2}) obwohl es in der letzten Wahlperiode keinen entsprechenden Mittelabfluss gab. Was für Bilder nach innen und nach außen transportieren Sie mit diesen Aktivitäten? ({3}) Ein weiteres Thema - ressortübergreifend betrachtet ist die kulturelle Bildung. Ja, das ist ein ganz zentraler Punkt. Es ist gut, dass sich der Bund in dieser Hinsicht anstrengt, aber es ist Kernaufgabe der Länder. Es sind große Programme aufgelegt worden. Aber wie sind sie verteilt worden? Ohne Abstimmung mit den Ländern, ohne Koordination sind riesige Beträge, die sicherlich von den Empfängern dankbar entgegengenommen werden, verteilt worden. Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung erhält 20 Millionen Euro, der Verband deutscher Musikschulen 20 Millionen Euro, der Deutsche Bühnenverein 10 Millionen Euro, die Stiftung Lesen 6 Millionen Euro. Sicherlich geht das Geld in ordentliche Hände, aber Nachhaltigkeit wird doch nur gewährleistet, wenn man das im Verbund von Kommunen, Ländern und Bund kommuniziert. Nur wenn man das miteinander bespricht, gewährleistet man einen wirksamen Mitteleinsatz. Davon kann nicht einmal in Ansätzen die Rede sein. ({4}) Sie haben die Initiative Musik angesprochen. Was geschieht dort? Wir ringen seit Jahren darum, dass Spielstätten, die es schwer haben - es geht insbesondere um Spielstätten im Bereich des Jazz, aber auch des Pop und des Rock -, mit einem Spielstättenpreis ermutigt werden. Das ist eine gute Initiative. Der Bund stellt in diesem Haushalt der Initiative Musik richtigerweise Geld zur Verfügung. Es wird aber einfach erwartet, dass die Länder 540 Millionen Euro beisteuern, ohne dass man mit den Ländern redet. Wie soll in diesem Sektor, in dem Förderung und Impulsgebung notwendig sind, ohne Kooperation mit den Ländern etwas Wirksames geschehen? Ich vermag es nicht zu erkennen. ({5}) Angesprochen wurde das Denkmalschutzprogramm. Es ist in der Tat sehr gut, dass sich der Bund auch in diesem Jahr dafür deutlich engagiert. Über 30 Millionen Euro werden wieder eingestellt. Aber was geht mit diesem Denkmalschutzprogramm in diesem Haushalt, der jetzt zu verabschieden sein wird, einher? Die Kriterien werden aufgeweicht. Es werden jetzt auch historische Wasser-, Schienen- und Luftfahrzeuge gefördert, aber auch Neubauten, zum Beispiel der Neubau eines Dokuzentrums für die Opfer deutscher Diktaturen in Rostock und - so weit geht der Haushaltsausschuss; man riecht, dass es da nur um konkrete Wahlkreisinteressen gehen kann - der Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ in Lauenburg. Herzlichen Glückwunsch an den Kollegen, der das im Bundeshaushalt verankern konnte! ({6}) Was ist das aber für eine inhaltliche Linie, wenn ich über Denkmalschutzprogramme rede? In weiten Bereichen zeugt dieser Haushalt von einer sehr paternalistischen Haltung. Es ist sehr viel Geld zur Verfügung gestellt worden, es wird nach merkwürdigen Kriterien verteilt, aber eine inhaltliche Debatte über Konzepte findet nicht in Ansätzen statt. ({7}) Lassen Sie mich auf ein ganz großes Projekt zu sprechen kommen. Das ist die Deutsche Digitale Bibliothek. Wir als Deutscher Bundestag sind schon seit geraumer Zeit hinter der Bundesregierung her, dass sie endlich konzeptionelle Überlegungen vorlegt. Wir finden in diesem Haushalt dazu eine kleine Aussage, quasi eine Hausnummer. Es geht um die Digitalisierung des Filmerbes. Wenn man weiß, dass es 30 000 Institutionen in öffentlicher Hand in unserem Land gibt, die Digitalisierungsbedarf haben, dann muss dieser Aufgabenstrang einmal geordnet werden. Es müssen Prioritäten definiert werden. Es kann nicht sein, dass, weil der Kulturstaatsminister bekannterweise filmaffin ist, gerade in diesem Segment eine Priorität gesetzt wird, ohne dass man inhaltlich darlegt, in welchen Bereichen es sinnvoll ist, große Aktivitäten zu entfalten. Kurzum, im Kulturbereich haben wir in diesem Haushalt einen Aufwuchs, aber es findet keine verantwortliche Debatte statt. Die aber fordern wir ein. Wir erwarten von der Bundesregierung und auch von den Koalitionsfraktionen, dass sie sich inhaltlich diesen Themen stellen und gut begründet darlegen, was sie mit dem vielen Geld zu tun gedenken. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Börnsen für die Unionsfraktion. ({0})

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Siggi, den guten Genesungswünschen für Petra Merkel schließen wir uns gerne an eine sehr engagierte, seriöse und hilfsbereite Kollegin. ({0}) Deiner Rede schließen wir uns nicht an. Sie war - du kannst es viel besser - ein wenig zu kleinkariert. Du hast auch vergessen, mitzuteilen, dass sich - im Gegensatz zu allen Staatsministern vorher - dieser Staatsminister jeder Sitzung des Kulturausschusses stellt. Er ist jedes Mal dabei. Jedes Mal gibt es inhaltliche Diskussionen. Das ist ein konzeptionell wirklich kluges Programm - auch mit eurer Hilfe. Danke schön! ({1}) Vor genau sieben Jahren schrieb eine Zeitung: Das Büro des Kulturstaatsministers im achten Stock galt bisher als Horst der bunten Vögel. Nun ist dort ein schwarzer Rabe im Anflug, ({2}) vielleicht auch ein kluger Uhu. Am 21. November 2005 präsentierte Angela Merkel Bernd Neumann als neuen Kulturstaatsminister - eine kluge Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, ein Gewinn für die Kulturpolitik in Deutschland. ({3}) Seit seiner Nominierung wurde der Kulturhaushalt achtmal in Folge auf jetzt 1,28 Milliarden Euro erhöht auch dank verständnisvoller Haushälter. Das ist ein Rekord, wie es ihn in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben hat. ({4}) Ein solches Förderprogramm ist gut für unsere Bürgerinnen und Bürger, für Kulturaktive, für Künstler, für Kreative und ganz besonders für den Kulturstandort Deutschland, den jährlich immerhin 60 Millionen Menschen aus aller Welt besuchen. Diesen Kulturausbau seit acht Jahren nenne ich meisterlich gehandelt von Bernd Neumann, wie wir ihn kennen: pragmatisch, praktisch, produktiv und konstruktiv. ({5}) Doch das Bundesbeispiel macht keine Schule. In Städten und Gemeinden bleibt ein beherztes Wachstum für Kultur aus. Noch kritischer: In den meisten Ländern befindet sich die Kulturfinanzierung auf dem Rückzug, und zwar ganz deutlich. Obwohl die Förderung der Kultur in fast allen Ländern Verfassungsrang hat, führen offensichtlich Finanzlage und Sparzwänge zu solchen Verzweiflungsrückschritten. Trotz der Tatsache, dass die Kulturausgaben der öffentlichen Haushalte gerade einmal 1,6 Prozent ausmachen, setzt man dort den Rotstift an. Das ist falsch. Länder und Gemeinden sind mit 88 Prozent Hauptverantwortliche für die Kulturförderung. Wenn sie bereits in guten Jahren Zweifel an einer offensiven Förderung aufkommen lassen, wie soll es dann erst in Krisenzeiten werden? Verantwortungsbewusste Politik muss Vorsorge betreiben. Die Kultur in unserem Land braucht ein stabiles Fundament. Wir benötigen eine Allianz für die Kultur in Deutschland. Dieser Konvent sollte sich aber nicht nur mit den monetären Herausforderungen befassen. Eine kritische Überprüfung der kulturellen Infrastruktur gehört auch dazu: Wer hat an welchem Ort die besten Voraussetzungen für die Kulturförderung? Ein weiterer Sachverhalt muss ebenfalls auf den Prüfstand gestellt werden: Es geht - damit ist es uns wirklich ernst - um die Sicherung der materiellen Existenzgrundlagen für Kulturaktive. Oder, wie es Volker Kauder, der Vorsitzende unser Fraktion, formuliert hat: „Wir müssen die Grundlagen dafür erhalten, dass ein Künstler von seiner Arbeit leben kann.“ Beim Urheberrecht haben wir von der Unionsfraktion Position bezogen. Bei der Künstlersozialversicherung und beim Arbeitslosengeld für Kultur-, Film- und Fernsehschaffende haben wir deutliche Verbesserungen erzielt. Doch das alles reicht noch nicht. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Kulturaktiven beträgt 12 500 Euro. Fast jeder zweite bildende Künstler muss mit 5 Euro pro Stunde auskommen. In anderen Kulturbereichen ist es nicht besser. Ein Bundeskonvent für die Kultur hat sich dieser Herausforderung anzunehmen. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden uns weiter aktiv für die Existenzsicherung und die Einkommensverbesserung einsetzen. Ein Beispiel, wie das gelingen kann, haben wir mit der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung geschaffen. Das ist eine Erfolgsgeschichte. Hans-Joachim Otto, Dagmar Wöhrl und andere haben engagiert dafür gearbeitet. Über 250 000 Freiberufler und Kleinunternehmer von der Architektur bis zum Theater und zum Spielebereich machen diese bunte Kreativszene aus. Mehr als 1 Million Menschen sind inzwischen dort tätig, und es boomt weiter. Das ist, finde ich, eine Erfolgsgeschichte. Ich bedanke mich am Ende der Beratungen dieses Haushaltsbereichs ganz besonders bei den vielen Privatinitiativen, bei den Kirchen, die mit 3 Milliarden Euro Kulturförderung betreiben, bei den Stiftungen, die mit 4 Milliarden Euro dabei sind, auch bei der deutschen Wirtschaft und bei dem deutschen Mittelstand, der mit fast 400 Millionen Euro jährlich Kultursponsoring betreibt. Das ist Ausdruck eines guten Bürgersinns. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Rahmenbedingungen für die Kulturförderungen in der Bundesrepublik DeutschWolfgang Börnsen ({6}) land stimmen. Dafür zuständig ist nicht zuletzt ein Staatsminister, der als kluger Uhu im Horst des Bundeskanzleramtes gelandet ist. Danke schön. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Lukrezia Jochimsen für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Lukrezia Jochimsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003777, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die abschließende Beratung des Haushalts 2013 gibt die Gelegenheit, sich grundsätzlich mit der Kulturpolitik des Bundes zu befassen, besonders dann, wenn diese Debatte gegen Ende einer Legislaturperiode stattfindet. Die Linksfraktion ist davon überzeugt, dass es kein einfaches Weiter-so der Bundeskulturpolitik - ohne inhaltliche Debatte und mit vielen fragwürdigen Investitionen - mehr geben darf. ({0}) Kein Weiter-so auch mit dieser Wurmfortsatzdebatte, wie wir sie heute wieder einmal führen müssen, am Ende der sogenannten Elefantenrunde, wenn noch ein paar Minuten für eine Kulturdiskussion übrig bleiben. Für diese Debatte muss man sich fast entschuldigen, so wenig passt sie in die Generalauseinandersetzung mit der Politik der Kanzlerin, und so wenig kann man zum Thema selbst einbringen. Also kein Weiter-so, sondern vom nächsten Jahr an eine veritable Debatte über Glanz und Elend deutscher Kulturpolitik ({1}) in Auseinandersetzung mit einem veritablen Kulturminister, mit eigenem Ressort, gleichberechtigt im Kabinett und vor allem als Gleicher unter Gleichen in Europa. Ja, wir fordern für die Zukunft ein Bundeskulturministerium. ({2}) Diese Forderung ist nicht neu. Als Sondervotum der Fraktion Die Linke ist sie im Bericht der EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ von Dezember 2007 bereits dokumentiert. Ich darf zitieren: Die Fraktion DIE LINKE. spricht sich für eine weitere Stärkung der Bundeskulturpolitik durch die Einführung des Amtes eines Bundeskulturministers mit Kabinettsrang aus. Wir plädieren für eine Bündelung der verschiedenen Aufgabenfelder in einem Kulturministerium, um die Belange der Kultur gegenüber anderen Ressorts sowie auf europäischer Ebene wirksamer vertreten zu können. Darüber hinaus halten wir eine grundlegende Reform der Kompetenzverteilung im Rahmen der Föderalismusreform II in Richtung eines kooperativen Kulturföderalismus … und einer einheitlichen Außenvertretung in der Europäischen Union für dringend notwendig. Was vor fünf Jahren eine richtige und wichtige Forderung war, ist es heute erst recht. ({3}) Das sieht inzwischen interessanterweise auch das Kulturforum der Sozialdemokratie so, und es hat im Dezember vorigen Jahres festgestellt - ich darf kurz zitieren -: Das Gewicht von Kulturpolitik auf Bundesebene ist im Rahmen eines kooperativen Kulturföderalismus in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Um dieser Aufgabe in einem nationalen, europäischen und internationalen Kontext zu entsprechen, braucht Kulturpolitik im Bund ein eigenständiges Ministerium. Viele wichtige politische Zukunftsaufgaben sind ohne den Beitrag der Kultur nicht zu lösen. Wohl wahr - Kompliment an das Kulturforum der Sozialdemokratie! Was würde sich mit der Ernennung eines Bundeskulturministers ändern? Erstens. In Europa hätten wir einen gleichrangigen Bundeskulturminister, nicht nur einen Beobachter am Katzentisch. ({4}) Zweitens. Wir hätten einen vom Bundeskanzleramt unabhängigen Bundeskulturminister. Kulturförderung ist ein sensibler Bereich der Politik, und die Nähe zum Machtzentrum der Republik ist äußerst problematisch. ({5}) Drittens. Wir hätten im Kabinett einen bei Ressortabstimmungen gleichberechtigten Bundeskulturminister oder eine -ministerin. Auch das ist nicht unerheblich und wäre ein Signal für das ganze Land: Kultur ist uns genauso wichtig wie die anderen Ressorts. Vielleicht ließe sich dann auch das Staatsziel Kultur endlich erreichen. ({6}) Viertens. Wir hätten es mit einem eigenen Kulturhaushalt zu tun und mit einer eigenständigen Haushaltsdebatte, anstelle dieser Zwitternummer, die wir nun seit Jahren absolvieren mit dem Seufzer: Jetzt muss auch noch etwas zur Kultur gesagt werden. Seit 14 Jahren gibt es das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Ja, es ist eine Erfolgsgeschichte von drei unterschiedlichen Regierungen und vier Beauftragten. Aber jetzt geht es darum, Kulturpolitik weiter zu entwickeln, wohlgemerkt ohne die föderale Zuständigkeit der Länder und der Kommunen zu verringern. Im Gegenteil: Es geht um Stärkung, Verstärkung eines kooperativen Kulturföderalismus. Gerade in Zeiten wie unseren, geprägt von globalen Krisen, Verunsicherung und Not, wird Kultur für das Individuum wie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt immer wichtiger: als Halt, als Verständigung, als Selbstversicherung und damit als Hoffnung für die nächste Generation. Das sollte uns so wichtig sein, dass wir umdenken, nach vorne schauen und endlich grundsätzlich Neues zu schaffen bereit sind. Ich danke Ihnen. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Koppelin für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorab auf das eingehen, was von den Sozialdemokraten gesagt wurde. Es gab den Vorwurf, das, was wir gemacht haben, sei inhaltlich teilweise oder überwiegend nicht begründet. Es ist nun einmal im Haushaltsausschuss so, dass in letzter Minute zusätzliche Gelder zur Verfügung gestellt werden können. Ich habe in meinem Beitrag Dank zu sagen. Vor allem danke ich Gerda Hasselfeldt, Volker Kauder und Rainer Brüderle, die uns die Möglichkeit gegeben haben, diesen Etat aufzustocken. ({0}) So einfach ist das ja alles nicht. Ich nenne hier die 31,5 Millionen Euro für Substanzerhaltung und Restaurierung von Kulturdenkmälern. Viele Bürger und Bürgerorganisationen haben diese Sache in die Hand genommen, weil die Länder - warum also soll ich mich mit ihnen abstimmen? - ihre Etats gekürzt haben. Sie sind nicht in der Lage, die Kulturdenkmäler zu erhalten. Das machen teilweise Bürgerinitiativen. Sie organisieren Veranstaltungen bis hin zum kleinen Basar, um etwas Gewinn zu erzielen und um etwas tun zu können. Ihnen wollen wir helfen. Diese Aktivitäten wollen wir unterstützen. Das ist einer unserer Gründe. ({1}) Ich nenne Ihnen aber auch noch andere Gründe. Kommen Sie mir nicht damit, dass das inhaltlich nicht begründet sei. Gerade aus aktuellem Anlass sage ich, dass es uns gelungen ist, die Barenboim-Said-Akademie zu unterstützen, ein wunderbares Orchester, zusammengesetzt aus Israelis und Palästinensern. Das ist doch eine tolle Sache. Das müssen Sie doch auch so sehen! ({2}) Ich möchte ausdrücklich dem ehemaligen Staatsminister Naumann danken, dass er hier die Initiative ergriffen hat. Alle Achtung, kann ich da nur sagen! Ich habe mich auch sehr für das Jüdische Museum engagiert. Ich möchte an dieser Stelle im Deutschen Bundestag, ohne ins Detail zu gehen, Herrn Professor Michael Blumenthal ganz herzlich danken, der in Oranienburg geboren ist und aus Deutschland flüchten musste. Er hat die Initiative übernommen, das Jüdische Museum in Berlin zu schaffen. Eine tolle Sache. Dank an Mike Blumenthal! ({3}) Kommen Sie also nicht damit, das sei nicht begründet! Ich sage ganz offen: Ich habe lange in Hamburg gearbeitet und sah in der Nähe immer eine ausgebombte Kirche. Das hat mich sehr geprägt, auch in meiner politischen Haltung. Dort gibt es eine Initiative, die diese ausgebombte Kirche erhalten will. Wir unterstützen das. Jetzt kann dieses Denkmal gegen den Krieg erhalten werden. Das ist eine tolle Sache, und Sie sollten Beifall klatschen, anstatt hier herumzumosern. ({4}) Aber es gibt auch noch andere Dinge. Nehmen wir die Produktion von Filmen in Deutschland. Deutschland ist ein bedeutender Standort. Wir haben die Förderung um 10 Millionen Euro erhöht. Das ist eine ganz wichtige Sache. Der Standort Deutschland wird gefördert, beispielsweise in Brandenburg, überall dort, wo Filme gedreht werden. Man müsste eigentlich sagen: Alle Achtung! Wenn Sie von „Abstimmung mit den Ländern“ reden, sage ich: Ich stelle fest, dass die Länder überall gekürzt haben. Sie haben kein Geld. Wir helfen jetzt denjenigen, die die Initiative ergreifen wollen. Weil meine Zeit um ist, möchte ich an dieser Stelle abschließend ganz besonders Staatsminister Neumann danken. Sein Engagement - ebenso wie das Engagement der Kulturpolitiker und der Mitglieder des Haushaltsausschusses - hat dafür gesorgt, dass Kultur in Deutschland wieder eine bedeutende Rolle spielt. Lieber Herr Neumann, herzlichen Dank für Ihre Aktivitäten. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bevor ich der letzten Rednerin in dieser Debatte das Wort erteile: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben für alle 620 Mitglieder des Deutschen Bundestages eine Sitzgelegenheit, sprich: einen Sessel, in diesem Saal. Ich bitte, damit wir auch der letzten Rede noch folgen können, davon Gebrauch zu machen. ({0}) Vizepräsidentin Petra Pau Vielleicht können das die Fraktionen den Kollegen, die in Gespräche verwickelt sind und gerade diesen Hinweis nicht aufnehmen konnten, noch vermitteln. Das Wort hat jetzt die Kollegin Tabea Rößner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Koppelin, wir mosern nicht die ganze Zeit herum. Auch wir begrüßen natürlich den Aufwuchs des Kulturetats - 100 Millionen Euro mehr sind eingestellt worden - und vor allen Dingen, dass Sie unserer Forderung, die Mittel der Kulturstiftung des Bundes zu erhöhen, nachgekommen sind. Das finden wir wirklich gut. ({0}) Aber - Siggi Ehrmann und Luc Jochimsen haben schon darauf hingewiesen - es geht darum, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist. Hierzu möchte ich Ihnen die Frage stellen, Herr Dr. Koppelin: Wie passt es mit dem demokratischen Verständnis dieses Hauses zusammen, wenn mal eben in einer Last-MinuteEntscheidung 10 Millionen Euro für ein sudetendeutsches Museum eingestellt werden, ohne den Kulturausschuss zu beteiligen und ohne darüber dort zu beraten? Das müssen Sie mir einmal erklären. ({1}) Das ist nicht transparent, sondern undemokratisch. Das muss man, denke ich, deutlich sagen. Ich will mich heute aber vornehmlich mit einem anderen wichtigen Thema beschäftigen, das für unsere Demokratie ebenso elementar ist und das von der Bundesregierung ziemlich vernachlässigt wird. Zu diesem Thema wird hier leider auch nicht geredet. Es geht um die Medien. Vlothoer Anzeiger, Deister-Leine-Zeitung, Abendzeitung Nürnberg - das sind nur drei von insgesamt elf Zeitungen, die seit Beginn Ihrer Regierungszeit pleitegegangen sind oder ihre Hauptredaktionen geschlossen haben. Vergangene Woche eine neue Schreckensmeldung: Die Frankfurter Rundschau hat Insolvenz angemeldet. ({2}) Ob die Financial Times Deutschland überleben wird, entscheidet sich noch. Es besteht zwar kein direkter Zusammenhang zwischen Ihrem Regierungsantritt und dem Zeitungssterben, aber fest steht: Sie haben in den drei Jahren wenig unternommen, um die Pressekrise abzuwenden. ({3}) Im Kulturausschuss sagte Kollege Müller-Sönksen, dass die Koalition mit dem Leistungsschutzrecht und den Änderungen zum GWB genug für die Medienvielfalt getan habe. ({4}) Da kann ich nur feststellen: Das sind gleich zwei Insolvenzen auf einmal - die der Frankfurter Rundschau und die Bankrotterklärung schwarz-gelber Medienpolitik. ({5}) Nichts von dem, was Sie getan haben oder was Sie noch vorhaben, hätte die Frankfurter Rundschau gerettet, auch nicht das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Denn die Probleme der Frankfurter Rundschau liegen nicht im Onlinebereich, sondern im Printbereich. ({6}) Das Leistungsschutzrecht ist ein rückwärtsgewandtes Gesetz, das nicht den kleinen Verlagen, nicht der Nürnberger Abendzeitung und schon gar nicht den Journalisten in der Krise helfen wird. Es belohnt und entlohnt den Boulevardjournalismus im Netz. Es ist ein Wahlgeschenk an die großen Verlage, allen voran an Springer. Sie haben die Betroffenen glauben lassen, dass sie nur ein Stück von dem großen Google-Kuchen bräuchten, dann würde alles gut werden. Die kleinen Verlage werden aber kaum davon profitieren, und am Ende zahlen sie noch drauf, wenn zum Beispiel Google ihre Angebote nicht mehr listet. Daher frage ich Sie: Wie, bitte, soll das Leistungsschutzrecht die Medienvielfalt erhalten? ({7}) Das andere Projekt der Bundesregierung sind die Änderungen im Kartellrecht. Durch die Lockerung der Pressefusionskontrolle können größere Verlage ihre kleineren Mitbewerber noch einfacher schlucken. Fusionen waren schon vorher möglich, nur mussten sie geprüft werden. Jetzt geht das ganz geräuschlos, und der Wettbewerb zwischen den Blättern wird durch einen Einheitsbrei ersetzt. Das, meine Damen und Herren, ist einfach das Gegenteil von Medienvielfalt. ({8}) Vor allen Dingen wird aber herumreguliert, ohne zu wissen, was überhaupt notwendig ist. Weder Kartellamt noch Monopolkommission haben einen Anlass für eine Änderung im Kartellrecht gesehen. Weil kaum Daten über den Pressemarkt vorliegen, wird einfach so im Nebel herumgestochert. Daher fordern wir eine Mediendatenbank. Die vorgelegte Studie ist das nicht; sie muss zu einer echten Datenbank weiterentwickelt und regelmäßig aktualisiert werden. Sehr geehrter Herr Neumann, Sie haben das bis jetzt immer abgelehnt. Ich hoffe, Sie ändern noch Ihre Meinung, im Sinne einer fundierten Medienpolitik. ({9}) In der Krise müssen wir uns trauen, neue Wege zu erdenken. Denn gerade die Presse ist ein sehr diffiziles Gut, grundlegend für unsere Demokratie und deshalb zu Recht staatsfern organisiert. Wir können und wollen Verlage nicht einfach subventionieren oder ihnen Geschäftsmodelle diktieren; das ist völlig klar. Aber es braucht mehr als Geschenke an die großen Verlage, um vor allem die Medienvielfalt, also auch die lokalen und regionalen Redaktionen zu erhalten. Stiftungsmodelle und die Förderung der Weiterbildung von Journalisten sind in der Diskussion; darüber muss man weiter diskutieren. Wir müssen uns aber auch Gedanken über die Zukunft des Journalismus an sich machen, darüber, wie dieser zukünftig finanziert werden kann, wie Journalisten von ihrer Arbeit leben können. Zum Beispiel brauchen wir dringend Änderungen im Urhebervertragsrecht, Herr Börnsen, und da hat die Regierung bisher versagt. ({10}) Uns Medienpolitiker eint doch eines: Wir betonen immer wieder, dass die Medien eine wichtige Stütze der Demokratie sind. Wenn die Medien die Säule sind, dann ist die Lokalpresse der Fuß der Säule. Die Lokalpresse ist der Ort, an dem viele Journalisten ausgebildet werden; sie informiert die Menschen vor Ort über die Politik in ihrer Stadt oder ihrem Kreis. Wir dürfen das Pressesterben nicht einfach hinnehmen. Die Lage ist brenzlig, aber es ist noch nicht zu spät. Sie haben noch knapp ein Jahr, um endlich Bewegung in die Sache zu bringen. Tun Sie es, sonst machen wir es! ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- plan 04 - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt - in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11527 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Ände- rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- nen, bei unterschiedlichem Abstimmungsverhalten in der SPD-Fraktion - hier gab es Gegenstimmen und Ent- haltungen -, gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir stimmen nun über den Einzelplan 04 namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind an allen Ab- stimmungsplätzen Schriftführer? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung über den Einzelplan 04. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1) Ich erlaube mir, meinen Hinweis von vorhin zu wiederholen: Wir haben für alle Mitglieder des Deutschen Bundestages eine Sitzgelegenheit. Ich bitte Sie, diese einzunehmen, damit ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen kann. Dies gilt im Übrigen sowohl für das Parlament als auch für die Bundesregierung. Auch hier ist Vorsorge getroffen, dass jeder der Debatte im Sitzen folgen kann. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.10 auf: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt - Drucksachen 17/10805, 17/10823 Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sven-Christian Kindler Zu dem Einzelplan 05 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Klaus Brandner für die SPD-Fraktion. ({0})

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den Einzelplan zu sprechen komme, möchte ich es nicht versäumen, den Berichterstattern zum Einzelplan 05, insbesondere Herrn Hauptberichterstatter Kollegen Frankenhauser, sowie den Mitarbeitern des Haushaltsreferats meinen Dank für die offene, präzise, konstruktive und verlässliche Zusammenarbeit, auch unter neuer Referatsleitung, auszusprechen. ({0}) Wir haben heute die Haushaltsberatungen in der Abschlussrunde vorzunehmen und dabei ein Resümee zu ziehen. Mein Fazit vorweg: Die Regierungskoalition stolpert auch mit diesem Haushaltsentwurf kraft- und konzeptionslos ins Wahljahr 2013. Leider gilt dieses Resümee in weiten Teilen auch für den Etat des Auswär- tigen Amtes. Ich spreche dabei besonders die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik an. Auch hier finden sich im Koalitionsvertrag, also der wichtigen Grundlage der 1) Ergebnis Seite 25266 D Regierungskoalition, klare Worte, die sich am Ende aber leider nur als Lippenbekenntnisse herausstellen. Es heißt dort: Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist eine tragende Säule der deutschen Außenpolitik. Sie ist also die tragende Säule. Darin stimmen wir völlig überein. Weiter heißt es: Wir werden die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik finanziell bestmöglich ausstatten und verstehen dies als langfristige politische, kulturelle und wirtschaftspolitische Investition. Dieses Versprechen, meine Damen und Herren, wurde aber mehrmals gebrochen. Zum Beispiel wurden die Sondermittel für Bildung und Forschung regelmäßig zweckentfremdet. In den letzten drei Jahren wurden die von Bundesministerin Schavan und Bundeskanzlerin Merkel versprochenen Sondermittel - immerhin in Höhe von 92 Millionen Euro - in diesem Haushalt für Bildung und Forschung nicht zusätzlich zur Stärkung der auswärtigen Bildungs- und Wissenschaftsarbeit genutzt, sondern zweckentfremdet, um andere Haushaltslöcher zu stopfen. Mit solchen Tricksereien schwächen Sie, sehr geehrter Herr Minister, die tragende Säule der deutschen Außenpolitik. ({1}) Diese Haushaltslöcher, Herr Minister, sind im Übrigen entstanden, weil Sie nicht die nötige Kraft oder den Willen aufbringen, um eine ausreichende Mittelausstattung Ihres Ministeriums sicherzustellen. Das sehen wir im Übrigen in vielen Bereichen, zum Beispiel bei den Auslandsschulen. Zuerst die gute Nachricht: Die Koalition hat die dringend notwendigen zusätzlichen Mittel für die Auslandsschulen in der Bereinigungssitzung noch bereitgestellt. Damit sind Sie den Forderungen der SPD gefolgt. Ich spreche den Berichterstattern meine Achtung aus. Im Übrigen sieht man ganz deutlich, Kollege Frankenhauser und Kollege Koppelin, dass Berichterstatter am Werk sind, die Kraft haben und Einfluss nehmen, obwohl ich sagen muss, dass ich nicht immer Ihren Aktivitäten folgen kann. In diesem Punkt aber haben Sie wirklich Gutes geleistet. Dafür herzlichen Dank! ({2}) Diese Fehlerkorrektur im Auslandsschulbereich kann überhaupt nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vollmundig angekündigte Reform des deutschen Auslandsschulwesens bisher nur Schall und Rauch ist. Diese Reform hat für viel Ärger und vor allen Dingen Verunsicherung gesorgt. Sie hat auch außerhalb unserer Beratungen für viel Verdruss gesorgt. Wir hätten uns hier, sehr geehrter Herr Minister, ich darf das so sagen, Ihre ordnende Hand gewünscht. Sie ist an diesem Punkt leider ausgeblieben. Nach wie vor gilt: Der drastische Reformbedarf bleibt. Die unzureichenden Versuche, hier eine Lösung zu finden, werden im Übrigen auch durch den Bericht des Bundesrechnungshofes aufgezeigt, der ein katastrophales Bild der Politik für die deutschen Auslandsschulen zeichnet. Er ist nachzulesen; ich verweise einfach darauf. In der auswärtigen Kulturpolitik gibt es eine Abstrafung des Goethe-Instituts. Auch hierzu gibt es wichtige Haushaltsberatungen, die zeigen, dass die allgemeine Kulturarbeit, die der Bundesregierung, wie wir gerade beim vorherigen Einzelplan gehört haben, doch sehr am Herzen liegt, im Bereich des Auswärtigen leider nicht zusätzlich begünstigt wurde. Das ist sehr bedauerlich. Der Kulturetat im Bundeskanzleramt dagegen hat in den Haushaltsberatungen noch einmal eine Aufstockung um 100 Millionen Euro erfahren. Man kann sich auch fragen - Herr Minister, ich frage das auch ganz offen -, ob Sie dabei in der Bundesregierung die besten Karten haben. Denn warum wird gerade der Kulturetat des Bundeskanzleramtes um 100 Millionen Euro aufgestockt; während im Etat des Auswärtigen Amtes davon nichts zu spüren ist? ({3}) Ich muss Sie natürlich fragen: Haben Sie nicht ausreichend dafür gekämpft? Es besteht ein erheblicher Mittelbedarf. Ich verweise zum Beispiel auf die Programmarbeit. Hier wird um 8 Millionen Euro gekürzt. Das bedeutet übrigens das Aus für wichtige Kulturprojekte auf diesem Sektor. Damit nicht genug: Sie haben es noch nicht einmal verhindern können, dass völlig einseitige Mittelreduzierungen beim Goethe-Institut durchgesetzt wurden. ({4}) Das schränkt die Arbeitsgrundlagen dieses renommierten Instituts drastisch ein. Das ist unfair. Das muss ich hier so kritisch anmerken. ({5}) Kritisch will ich insbesondere die Konzeptionslosigkeit beim Thema Afghanistan anmerken. Die Bundeskanzlerin hat heute Morgen noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig es ihr ist, dass wir eine sicherheitspolitische Kooperation pflegen und ausbauen. Auf der letzten Afghanistan-Geberkonferenz in Tokio am 8. Juli dieses Jahres haben Sie, Herr Außenminister, zum Beispiel versprochen, dass Deutschland die zivile Hilfe auf dem derzeitigen Niveau von etwa 430 Millionen Euro pro Jahr fortführen wird, und das mindestens bis 2016. Nun sollen die Leistungen im Rahmen des Stabilitätspakts Afghanistan um 10 Millionen Euro gekürzt werden. ({6}) War das mit Ihnen abgesprochen, Herr Minister? Ihr Haus jedenfalls war von dieser Aktivität völlig überrascht; denn diese Kürzungen stehen nicht im Einklang mit den Regierungszusagen. Damit senden Sie ein fatales Signal an die Menschen in Afghanistan und unsere internationalen Partner. Von Verlässlichkeit und Werteorientierung in der Außenpolitik ist an diesem Punkt nichts zu spüren. ({7}) Verlässlichkeit sieht bei der SPD anders aus. Ein weiteres Beispiel ist die Umsetzung der AABMZ-Vereinbarung. Wir waren uns darüber im Klaren, dass zwischen CDU und CSU das eine oder andere Scharmützel ausgetragen wird. Die liberalen Regierungsmitglieder wollten dem anscheinend nicht nachstehen. Der Bruderkrieg an der Spitze, den Minister Niebel vor einigen Wochen angezettelt hat, überbietet aber, wie ich finde, all das bei weitem. Er offenbart die tiefen Gräben und persönlichen Abneigungen innerhalb Ihrer eigenen Partei. Minister Niebel hat Ihnen in der Presse Untätigkeit und Vernachlässigung der humanitären Hilfe in Kenia vorgeworfen. Es könne doch nicht sein, dass über Hunderttausend Menschen unter der Untätigkeit des Außenamtes litten. „Jetzt muss es“ - wörtliches Zitat; gemeint ist das Außenministerium - „Verantwortung zeigen.“ Als ich das gelesen habe, habe ich zuallererst gedacht: Es ist schon ein besonderer Stil, wenn ein Regierungsmitglied im Ausland derart negativ über Kollegen spricht. Dabei ist der Eindruck vermittelt worden, Hunderttausende von Menschen würden hungern und Tausende würden vor sich hindarben und medizinisch nicht versorgt werden, weil das Außenamt nicht handelt. Ich bin froh darüber, dass das Außenamt schnell reagiert hat und deutlich gemacht hat, dass das zumindest nicht an der Mittelvergabe und an der Aktivität des Außenamtes liegt. Das war wichtig. Es ist genug Porzellan zerschlagen worden. Es wurde der Eindruck vermittelt, dass hier Chaos und Streitigkeiten vorherrschen. Das hat dem Ruf Deutschlands und der deutschen Außenpolitik geschadet - das ist schon schlimm genug -, und das in einer sogenannten bürgerlichen Koalition. ({8}) Abschließend will ich Ihnen sagen, dass Ihnen die Kraft und der Wille zu Reformen im eigenen Haus fehlen. Sie, Herr Minister, haben sich in Ihrer Amtszeit viel um Äußeres und um Äußerlichkeiten gekümmert. Sie haben allerdings die inneren Angelegenheiten des Auswärtigen Amtes nicht immer so verfolgt, wie wir uns das vorstellen. Ihnen fehlten die Kraft und der Wille für wichtige Reformen im Inneren. Beim Auswärtigen Amt mangelt es nämlich an vielen Ecken und Enden. Zum Beispiel gibt es unhaltbare Zustände für die Beschäftigten in zahlreichen Visastellen. Mitarbeiter berichten von dramatischen Zuständen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Brandner, denken Sie bitte an die Zeit.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin sofort fertig. - Sie berichten, dass es viel zu wenig Personal und zu wenige Räumlichkeiten gibt. Sie berichten von Arbeitsüberlastung und Überstunden ohne Ende. Auch hier haben Sie eine Fürsorgepflicht. Ein Problem ist auch der Investitionsstau bei den Botschaften. Der Bundesrechnungshof hat einen Investitionsstau mit einem Volumen von 500 Millionen Euro ermittelt. Eine gute Politik nimmt sich dieser Hausaufgaben an, sorgt dafür, dass im Haus Aufgabenkritik geübt wird und die notwendigen Investitionen rechtzeitig erfolgen. Das wünschen wir uns; denn so handelt ein Außenminister, der seine Aufgabe ernst nimmt. Insofern haben Sie noch viel zu tun, um uns zu überzeugen. Diesem Haushalt können wir, jedenfalls so, wie er jetzt vorliegt, nicht zustimmen. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Einzelplatz 04 - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt - bekannt: abgegebene Stimmen 581. Mit Ja haben gestimmt 316, mit Nein haben gestimmt 265, Enthaltungen keine. Der Einzelplan 04 ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 581; davon ja: 316 nein: 265 Ja CDU/CSU Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Manfred Behrens ({1}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer ({2}) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({3}) Axel E. Fischer ({4}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Olav Gutting Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({5}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({6}) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers ({7}) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({8}) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({9}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({10}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({11}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({12}) Anita Schäfer ({13}) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt ({14}) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön ({15}) Dr. Kristina Schröder ({16}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({17}) Detlef Seif Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({18}) Lena Strothmann Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({19}) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({20}) Peter Weiß ({21}) Sabine Weiss ({22}) Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({23}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({24}) Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({25}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner ({26}) Michael Link ({27}) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({28}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({29}) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({30}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Dr. Max Stadler Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel ({31}) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({32}) Nein SPD Ingrid Arndt-Brauer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({33}) Gerd Bollmann Willi Brase ({34}) Marco Bülow Ulla Burchardt Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf ({35}) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({36}) Hubertus Heil ({37}) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({38}) Frank Hofmann ({39}) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Christine Lambrecht Christian Lange ({40}) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dietmar Nietan Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({41}) Marlene Rupprecht ({42}) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer ({43}) Marianne Schieder ({44}) Werner Schieder ({45}) Ulla Schmidt ({46}) Silvia Schmidt ({47}) Carsten Schneider ({48}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({49}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({50}) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Agnes Alpers Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Wolfgang Nešković Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer ({51}) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Raju Sharma Kersten Steinke Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({52}) Volker Beck ({53}) Cornelia Behm Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz ({54}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({55}) Monika Lazar Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({56}) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({57}) Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner ({58}) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ({59}) Ich erteile jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Stinner von der FDP-Fraktion. ({60})

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle stehen heute sicherlich unter dem Eindruck der kriegerischen Auseinandersetzung im Nahen Osten. Unser Mitgefühl gilt allen unbeteiligten Zivilisten, die darunter leiden müssen. Ich spreche sicherlich im Namen des ganzen Hauses, wenn ich hier und heute insbesondere unserem Außenminister Guido Westerwelle für seine unermüdlichen Bemühungen um eine Friedenslösung im Nahen Osten danke. ({0}) Dieser Einsatz wird, wie wir gestern Abend - vielleicht zu Ihrem Unwillen - vernehmen konnten, im In- und Ausland breit unterstützt und anerkannt. Dieser Würdigung schließen wir uns ausdrücklich an. Dieses Engagement des Außenministers ist Teil eines Dreiklangs der deutschen Außenpolitik in den letzten drei Jahren, die diese Bundesregierung konsequent betrieben hat: erstens aktive Wahrnehmung der internationalen Verantwortung für Frieden und Sicherheit, ({1}) zweitens aktive Weiterentwicklung unserer Bündnisse und drittens aktive Gestaltung einer Welt im Wandel. Zu allen drei Aspekten möchte ich kurz Stellung nehmen. Erstens: internationale Verantwortung für Frieden und Sicherheit. Auf die Bemühungen von Außenminister Westerwelle im Nahen Osten habe ich hingewiesen. Das ist ein komplexes Thema, gar keine Frage. Es kann nur eine politische Lösung geben. Daran wollen wir uns gerne beteiligen. Weitere Vermittlungsbemühungen sind gefragt. Israel ist genauso groß wie Hessen. Stellen Sie sich bitte einmal vor, was bei uns los wäre, wenn in den letzten Monaten über 1 500 Raketen auf Hessen abgefeuert worden wären. Deshalb sage ich hier und heute: Die israelische Regierung hat angesichts der Situation das Recht - ich sage sogar: die Pflicht -, ihre Bevölkerung gegen einen solchen Angriff zu verteidigen. ({2}) Das ist völlig unabhängig von sonstigen Diskussionen, die wir über die israelische Politik in diesem Hause führen. Deutschland hat in den letzten zwei Jahren eine aktive Rolle im Weltsicherheitsrat gespielt. Das hat so große Anerkennung gefunden, dass Deutschland unmittelbar danach trotz anderer Bewerber als Mitglied in den UNMenschenrechtsrat gewählt wurde. Das zeigt, welche Anerkennung deutsche Politik international gewonnen hat. ({3}) Deutschland nimmt aktiv an den E-Drei-plus-DreiGesprächen teil, obwohl wir nicht, wie wir alle wissen, permanentes Mitglied des Sicherheitsrates sind. Auch hier zeigen wir, dass wir internationale Verantwortung übernehmen. Unser Land und insbesondere unser Außenminister hat sich seit Beginn des arabischen Frühlings um die Region aktiv gekümmert, und zwar im Vergleich zu anderen Ländern sicherlich überdurchschnittlich. Wir werden in der Region anerkannt, und unser Engagement ist gern gesehen. Deutschland nimmt weiterhin eine aktive, positiv gestaltende Rolle in Afghanistan wahr. Aufgrund der deutschen Außenpolitik und des Engagements unseres Außenministers konnte die Londoner Konferenz erstmals - wie wir alle wissen: viel zu spät - ein gemeinsames Konzept entwickeln. Nach diesem Konzept werden wir gemeinsam den Übergang und die Übergabe in Verantwortung gestalten. Hier spielt Deutschland eine aktive Rolle. ({4}) Zweitens: zu unserer aktiv gestaltenden Rolle in den Bündnissen. Zu unserem Beitrag zur Finanzsituation in der EU brauche ich, glaube ich, hier nichts mehr zu sagen. Aber auch außerhalb der EU-Finanzen spielt Deutschland eine aktive Rolle. Ich wiederhole gerne unser Bekenntnis zu Europa. Wir, die Koalitionsfraktionen, wissen, dass Europa Deutschlands Zukunft ist. Wir wissen, dass wir die Welt nur mitgestalten können, wenn wir Teil eines geeinten, starken Europas sind. Deshalb engagieren wir uns nach wie vor sehr stark für Europa. Der Bundesregierung ist es bisher zum Glück gelungen, die delikate Balance zwischen erwünschter Führung und nicht erwünschter Dominanz in Europa zu wahren. Dafür gilt Ihnen, Herr Außenminister, mein persönlicher Dank. In den Dank schließe ich ausdrücklich Staatsminister Michael Link ein, der diese Rolle perfekt wahrnimmt. Vielen Dank. ({5}) Die NATO spielt nach wie vor eine wichtige Rolle für unsere Sicherheit; das ist gar keine Frage. Im aktuellen Fall geht es um Bündnissolidarität mit der Türkei. Ich sage hier sehr deutlich für meine Fraktion, dass wir diesem verlässlichen Bündnispartner Türkei natürlich die Solidarität zukommen lassen, von der wir über mehrere Jahrzehnte hinweg in Deutschland gelebt haben. ({6}) Ich sage sehr deutlich, Herr Gehrcke, dass es hier ausschließlich darum geht, das Territorium der Türkei zu schützen. Es ist in keinster Weise das beabsichtigt oder intendiert und auch nicht die Gefahr gegeben, die einige von der Opposition an die Wand gemalt haben, nämlich dass damit die Einbeziehung in den syrischen Bürgerkrieg vorbereitet, geplant oder vorgenommen wird. Das ist nicht der Fall. Es geht darum, das Territorium eines verlässlichen Partners zu schützen. ({7}) Meine Fraktion ist der Meinung, dass die Verlegung der Patriots, wenn sie denn kommt, mandatiert werden muss. Das ergibt sich nach meinem Dafürhalten eindeutig aus dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 7. Mai 2008. ({8}) Die dritte Aufgabe, die aktive Gestaltung einer sich wandelnden Welt, nimmt in der deutschen Außenpolitik in den letzten drei Jahren eine zunehmend größere Rolle ein. Diese Bundesregierung hat erstmals ein Konzept vorgelegt - es trägt den vielleicht nicht ganz charmanten Namen Gestaltungsmächtekonzept -, das aufzeigt, wie wir mit den Ländern umgehen, die zunehmend ihren Platz in der Welt einnehmen wollen. Dies bezieht sich auf Länder auf allen Kontinenten, nicht nur auf China. Es gibt auch im Verhältnis zu unserem wichtigsten Partner, den Vereinigten Staaten, wichtige Aufgaben. Ich möchte mich hier auf eine Aufgabe konzentrieren, weil ich sie für besonders wichtig halte. Das ist der Abschluss eines Freihandelsabkommens. Nach meinem Dafürhalten hat der Abschluss eines solchen Abkommens politische Wirkungen, die weit über zu erwartende Wohlfahrtseffekte auf beiden Seiten hinausgehen. Es wäre ein Zeichen, wenn es gelingen würde, dass 800 Millionen westlich orientierte Menschen und ihre Gesellschaften zusammen eine Freihandelszone bilden. Ich sage nur: Wir alle konnten heute Morgen lesen, dass in Asien Pläne bestehen, eine Freihandelszone aufzubauen, der sage und schreibe die Hälfte der Menschheit angehören würde. Daran sieht man, um welche Dimensionen es sich handelt, wenn wir über diese Themen sprechen. Die Bundesregierung hat die Zeichen der Zeit erkannt. Kein anderes Land hat mit so vielen Ländern intensive Regierungskonsultationen: China, Indien, Russland, auch Israel und Palästina. Damit wird der deutsche Einfluss in der Welt gesichert. Unsere Werte und Interessen werden in der Welt gut vertreten. Die Bundesregierung und der Außenminister setzen Vertrauen in Partner und Freunde, sie sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, und sie treten im Ausland bestimmt, aber nicht arrogant auf. Diese Bundesregierung hat im Ausland Vertrauen erworben. Dieses Vertrauen kann und soll die Bundesregierung auch in unserem eigenen Land haben. Vielen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Michael Leutert. ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Haushalt des Auswärtigen Amtes betrachtet, sieht man große Ansprüche bei den gestellten Aufgaben, aber keine entsprechende Ausstattung mit finanziellen Mitteln. Die Aufgaben werden im Vorwort des Einzelplanes klar definiert. Danach dient der Auswärtige Dienst unter anderem erstens einer dauerhaften, friedlichen und gerechten Ordnung in Europa und der Welt, zweitens der Wahrung der Menschenrechte sowie drittens dem Aufbau eines vereinten Europas. Schauen wir uns an, wie viel Geld bereitgestellt wird, um diese großen und wichtigen Aufgaben zu erfüllen, so kann man nur feststellen, dass gemessen an diesen Aufgaben der Auswärtige Dienst nur mangelhaft ausgestattet ist. Das Auswärtige Amt verfügt über 3,5 Milliarden Euro. Das sind gerade einmal 1 Prozent des Gesamtetats. Im Gegensatz dazu verfügt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über 6,4 Milliarden Euro, also über fast doppelt so viel. Auch wenn der nächste Vergleich etwas hinkt, da die Bundeswehr wesentlich mehr Personal hat als das diplomatische Korps, ist er trotzdem erwähnenswert. Der Verteidigungsminister hat immerhin Zugriff auf 11 Prozent des Bundeshaushaltes; das sind circa 33 Milliarden Euro. Der entscheidende Fakt, auf den ich hinweisen möchte, ist der Umstand, dass der Verteidigungsminister in den letzten vier Jahren noch einmal 2 Milliarden Euro mehr bekommen hat. Noch einmal zum Vergleich: Das Auswärtige Amt verfügt über insgesamt 3,5 Milliarden Euro, der Verteidigungsminister hat in den letzten vier Jahren 2 Milliarden Euro on top bekommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das macht deutlich, dass wir uns in einer Schieflage befinden. Der Kollege Frankenhauser hat in den diesjährigen Haushaltsverhandlungen mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass wir uns über die Problematik der Finanzausstattung des Auswärtigen Amtes Gedanken machen müssen. Entweder wir verfahren nach dem Top-downPrinzip - das heißt, es gibt die Festlegung, dass für die Außenpolitik lediglich 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, und dann müssen die Haushälter sehen, wie das Geld verteilt wird -, oder aber es werden zuerst die Aufgaben definiert, und anschließend nehmen wir das Geld in die Hand, das wir tatsächlich benötigen, um diese Aufgaben wahrnehmen zu können. Derzeit wird nach der Top-down-Methode verfahren; das heißt, wie gesagt, dass der vorab umrissene Finanzrahmen nicht überschritten werden darf. Für jede Änderung, die in den Verhandlungen vorgenommen wird, muss also auch eine Deckungsmöglichkeit im Etat des Auswärtigen Amtes gefunden werden. Das führt dann allerdings zu absurden Anträgen der Koalition, zum Beispiel bei dem sehr richtigen und wichtigen Projekt der Intensivierung der europäischen Integration 1 Milliarde Euro obendrauf zu legen, dieses Geld allerdings im Bereich der Abrüstung einzusparen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir von der Linken für den falschen Weg. ({0}) Die Linke will im Gegensatz dazu mehr Ausgaben in den Bereichen humanitäre Hilfe, Förderung der Menschenrechte, Abrüstung und Rüstungskontrolle. Wir schlagen vor, in diesen drei Bereichen insgesamt 215 Millionen Euro mehr auszugeben. Das ist noch bescheiden, wäre aber eine annähernd angemessene Finanzierung. Noch deutlicher wird die Unterfinanzierung im Übrigen, wenn man sich vor Augen hält, dass die Hälfte des Budgets des Außenministers durch Personal- und Betriebskosten und durch Pflichtbeiträge an internationale Organisationen gebunden ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei solch einer Unterfinanzierung ist an große Projekte und außenpolitische Strategien natürlich nicht zu denken. Für eine strategische Ausrichtung des Auswärtigen Amtes und seiner Politik bedarf es zudem nicht nur des Geldes, sondern auch der dazugehörigen Kompetenzen. Da herrscht meines Erachtens einiges Durcheinander. Ich möchte das gern an zwei Beispielen verdeutlichen. Erstens ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Auswärtigen Amt zu benennen. Als die FDP vor vier Jahren angetreten ist, wollte sie ja eigentlich das BMZ ins Auswärtige Amt integrieren. Das galt so lange, solange Dirk Niebel noch nicht Minister war. Mittlerweile, nach vier Jahren Arbeit von Schwarz-Gelb, hat das Entwicklungshilfeministerium einen zweimal so umfangreichen Etat und auch noch doppelt so viel Aufwuchs wie das Auswärtige Amt zu verzeichnen. Zusätzlich wird nun versucht, durch Übertragung von Projekten und Personal Aufgaben neu zu verteilen. Zweitens ist das Thema Europa zu benennen. Da stellt sich die Frage, wer in der Bundesregierung in europäischen Angelegenheiten eigentlich den Hut aufhat. So richtig Außenpolitik ist es ja nicht mehr. Aus diesem Grund wurden folgerichtig auch die europäischen Auslandsschulen in das Ressort des Bildungs- und Forschungsministeriums verschoben. Der Finanzminister Herr Schäuble darf die Zukunft Europas im Milliardenrahmen verhandeln, während sich Minister Westerwelle mit 3 Millionen Euro begnügen muss, um die Aufgabe des Aufbaus eines vereinten Europas zu erledigen. Zusammengefasst sieht es letztendlich so aus: In den Ländern, in denen militärische Konflikte stattfinden, ({1}) hat mittlerweile der Verteidigungsminister das Sagen. ({2}) In den Ländern, in denen keine bewaffneten Auseinandersetzungen stattfinden, kann der Entwicklungshilfeminister mit 6 Milliarden Euro im Rücken großzügig Projekte anschieben. In den europäischen Fragen geben die Kanzlerin und Schäuble die Richtung vor. Dem Außenminister bleibt nichts weiter übrig, als ein paar Hände zu schütteln. ({3}) Wenn dieser Zustand nicht geändert wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir nicht weiter über Außenpolitik zu reden, auch nicht über außenpolitische Strategien. Diesen Weg hält die Linke für falsch. Wir wollen ein starkes Auswärtiges Amt als die tragende Säule der zivilen Außenpolitik. Wir wollen, dass in den Bereichen Menschenrechte, humanitäre Hilfe und Abrüstung endlich die Gelder eingestellt werden, die dafür benötigt werden. Erst wenn diese Bereiche so finanziert sind, dass diese Aufgaben tatsächlich erledigt werden können, können wir dem Haushalt zustimmen. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Philipp Mißfelder. ({0})

Philipp Mißfelder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003810, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im September dieses Jahres hat Deutschland für einen Monat den rotierenden Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen übernommen. Vergangene Woche wurde Deutschland mit einem exzellenten Ergebnis zum zweiten Mal in den Menschenrechtsrat gewählt. Diese beiden Ereignisse zeigen, welch großes Ansehen Deutschland in der Organisation der Vereinten Nationen genießt und mit welchem Respekt uns entgegengetreten wird. Die erfolgreiche Präsidentschaft im UNO-Sicherheitsrat und die Wahl in den Menschenrechtsrat sind auch das Ergebnis Ihrer sehr guten Arbeit, sehr verehrter Herr Minister, und Anerkennung der internationalen Arbeit der Bundesregierung. Deshalb danke ich Ihnen und möchte Ihnen zu diesen beiden großen Erfolgen recht herzlich gratulieren. ({0}) Mein Kollege Stinner hat den gestrigen Tag erwähnt. Wir alle haben mit großer Spannung verfolgt, was unser Bundesaußenminister gestern geleistet hat. Ich hoffe und wünsche, dass wir in dieser wichtigen Mission Erfolg haben. Ich glaube, man hat gestern gemerkt, welchen Stellenwert Deutschland im Nahen Osten mittlerweile hat. Herr Minister, auch dazu ein großes Kompliment von meiner Fraktion! ({1}) Wir haben in den vergangenen Jahren Schwerpunkte gesetzt, und wir setzen auch im Rest der Legislaturperiode Schwerpunkte. Deutschland spielt in den großen Konflikten der Welt eine sehr starke Rolle, sowohl was die Frage des arabischen Frühlings angeht, als auch in der aktuellen Situation im Nahen Osten. Deutschlands führende Rolle in der Verschuldungskrise, in der Vertrauenskrise in der Euro-Zone, ist ebenfalls schon erwähnt worden. ({2}) Deutschland genießt bei seinen Partnern extrem hohes Ansehen. Das wird auch von unseren Nachbarn so wahrgenommen. Ich möchte an dieser Stelle nur den polnischen Außenminister Sikorski zitieren, der bei einem Vortrag in der DGAP gesagt hat: Ich bin wahrscheinlich der erste polnische Außenminister in der Geschichte, der das sagt, aber hier ist es: Ich habe weniger Angst vor deutscher Macht, als ich anfange, mich vor deutscher Inaktivität zu fürchten. Ich glaube, eine größere Anerkennung durch unsere Nachbarn kann es kaum geben, ({3}) gerade wenn man sich anschaut, wie das deutsch-polnische Verhältnis früher ausgesehen hat. Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass wir tatsächlich mit Stolz zurückblicken können und daran weiterarbeiten sollten, dass dieses Ansehen erhalten bleibt. ({4}) Herr Sarrazin, Sie tragen einen bekannten Namen und tönen ja auch hier herum. Ich sage Ihnen jetzt einmal etwas zu Ihrem Parteitagsbeschluss. Seitens der Bundesregierung wird verantwortungsbewusst Außenpolitik gemacht. Wenn man sich dagegen anschaut, mit wie wenig Verantwortungsbewusstsein bei Ihnen Beschlüsse zustande kommen, muss man sich schon wundern. Sie plädieren doch immer dafür, die Türkei möglichst eng an Europa zu binden. Doch wenn ein NATO-Partner unsere Hilfe braucht, dann sagen Sie Nein und wenden sich ab und wollen den Einsatz von defensiven Maßnahmen nicht gestatten. Ich appelliere an Ihre Vernunft: Überdenken Sie Ihre Position, geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck, machen Sie einfach mit bei dieser wichtigen Erfüllung unserer Bündnissolidarität! Ich glaube, dass großer Handlungsbedarf besteht, wenn es darum geht, unserem wichtigen Freund und Partner, der Türkei, in dieser schwierigen Situation beizustehen. ({5}) Mein Kollege Stinner hat es angesprochen: Deutschland spielt eine zentrale Rolle. Wir definieren unsere Interessen, wenn es darum geht, deutlich zu machen, wo die Gratwanderung - manchmal der Widerspruch - zwischen interessengeleiteter Außenpolitik und Werteorientierung stattfindet. Demzufolge war es konsequent, dass die Bundesregierung, das Auswärtige Amt, mit der Implementierung des Gestaltungsmächtekonzepts gezeigt hat, wo zukünftige Herausforderungen liegen. Die demografischen Veränderungen, die großen Verwerfungen, die die Ressourcenknappheit mit sich bringen wird, aber auch die großen Konflikte unserer Zeit, der Einsatz in Afghanistan, das Aufkommen neuer Organisationen wie der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder der ASEAN, die Neudefinition der chinesischen Außenpolitik, all das wird mit sehr großer Ernsthaftigkeit und mit verhältnismäßig geringem Mittelaufwand effizient verfolgt. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass wir, wenn wir diese Haushaltsdiskussion führen, zu Recht sagen können, dass die aktuellen Herausforderungen des Weltgeschehens vom Auswärtigen Amt professionell und effizient beantwortet werden. Deshalb sollten wir seine Arbeit weiter konsequent unterstützen. Es gibt sicherlich noch Punkte - der eine oder andere wird wohl noch etwas dazu sagen -, über die man diskutieren kann. Die auswärtige Kulturpolitik ist ein Bereich, mit dem nicht alle zufrieden sind. Aber das Gesamtbild, das sich ergibt, kann sich sehen lassen. Es zeugt nämlich von einer nachhaltigen und überlegten außenpolitischen Konzeption. Davon sind andere weit entfernt. Diesen Partnern müssen wir offen sagen, wenn wir mit ihnen nicht übereinstimmen. Das macht die Bundesregierung sehr gelassen und professionell in einem Ton, der, wie ich finde, angemessen ist. Wir waren am vergangenen Freitag gemeinsam mit unserer Bundeskanzlerin in Russland. Ich glaube, auch dieser Besuch hat gezeigt, dass Deutschland in der Lage ist, gegenüber wichtigen Partnern, Verbündeten und Freunden kritische Punkte anzusprechen. Der Stil, in dem der Petersburger Dialog in der vergangenen Woche in Moskau abgelaufen ist, hat gezeigt, wie belastbar das deutsch-russische Verhältnis ist. ({6}) Ich meine, dass wir in diesem Sinne als Freund von wichtigen Partnern in der Welt weiter an dieser ausgeglichenen Haltung arbeiten sollten. Der Handlungsbedarf, den wir weiterhin sehen, liegt auf der Hand. Den Nahen Osten haben meine Vorredner und auch ich schon angesprochen. Die Neuausrichtung des nordafrikanischen Raums und des arabischen Raums ist eine besondere Herausforderung für uns. Die Kanzlerin hat heute klare Worte gesprochen, was die großen Herausforderungen in Bezug auf Mali betrifft. Auch da ist Deutschland bereit, seiner Verantwortung gerecht zu werden. Ich möchte an diesem Tag noch eine Initiative unseres Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder erwähnen, sich besonders der Lage der Christen in der Welt anzunehmen. Gerade weil die christlich-demokratische/christlich-soziale Fraktion im Deutschen Bundestag dafür wirbt, für die Verwirklichung der universalen Menschenrechte einzutreten, müssen wir uns vor Augen führen, dass gerade die Christen der Welt im Augenblick in einer besonders schwierigen Situation sind. Ich danke Volker Kauder dafür, dass er dieses Thema, das früher ein Schattendasein geführt hat, mittlerweile bei jeder Reise, bei jeder außenpolitischen Initiative anspricht und in den Mittelpunkt rückt. Wir können auf Erfolge zurückblicken, was sowohl die Situation im Irak angeht, wo Deutschland eine stabilisierende Rolle spielt, was aber auch die schwierige Situation in der Türkei angeht. Insbesondere in Ägypten sind die verlässlichen Partnerschaften, die wir eingegangen sind, wichtig. All das führt dazu, dass Christen in diesen Ländern ein geschütztes Leben führen können. Da wollen wir uns auch weiterhin engagieren. ({7}) Bei vielen Begegnungen im Ausland habe ich mit Interesse Vergleiche anstellen und feststellen können, wie unterschiedlich internationale Organisationen auftreten, wie sich Länder interessengeleitet verhalten und versuchen, ihre nationalen Interessen durchzusetzen. Eine Sache, die uns besonders auszeichnet, ist, dass wir versuchen - das ist in Brüssel nicht gerade einfach -, unsere außenpolitische Konzeption immer in einen größeren Rahmen einer gemeinsamen und abgestimmten europäischen Position zu setzen. Erstens machen das nicht alle Länder in Europa so. Zweitens führt die Art und Weise, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes versuchen, deutsche und europäische Interessen vernünftig und sachorientiert zu vertreten, zu großem Respekt, wofür wir ihnen danken sollten. Auf schwierigeren Posten von Kabul bis Bagdad genauso wie auf Posten, die vermeintlich einfacher sind, beispielsweise in Athen oder in Madrid, leisten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Auswärtigen Dienst hervorragende Arbeit. Ich möchte deshalb - oft wird es als selbstverständlich angesehen, dass das Diplomatische Korps professionell arbeitet - den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Ortskräften, aber auch den Familien, die häufig mit zeitlicher Entbehrung zu leben haben, danken. An einem solchen Tag geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um die Anerkennung dessen, was Menschen im Namen der Bundesrepublik Deutschland leisten. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Kollege Sven-Christian Kindler.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind wohl alle während dieser Haushaltswoche mit den Gedanken im Nahen Osten. Die Hoffnungen von gestern Abend haben sich leider nicht erfüllt. Es gibt noch immer keine Waffenruhe im Nahen Osten. Hier ist klar festzustellen: Dieses Jahr sind Hunderte Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden. Die israelische Regierung hat daraufhin reagiert. Die Raketenangriffe der Islamisten aus dem Gazastreifen sind klar zu verurteilen. Natürlich hat Israel das Recht, sich selbst und seine Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen und zu schützen. ({0}) Klar ist aber auch: Für eine Deeskalation dieses Konflikts, die jetzt dringend notwendig ist, müssen sich natürlich beide Seiten bewegen. Ich hoffe weiterhin, dass es dort schnell zu einem Waffenstillstand kommt. Wir begrüßen, dass es vielfältige diplomatische Initiativen von Ägypten, von den USA und von der Europäischen Union gibt. Herr Außenminister Westerwelle, ich begrüße es, dass Sie in der Region aktiv sind und sich eingeschaltet haben. Ich glaube nur, dass das langfristig nicht reichen wird. Natürlich ist es wichtig, dass es wieder zur Aufnahme von Friedensverhandlungen kommt, weil nur das echte Stabilität garantieren kann. Für die Aufnahme von Verhandlungen ist es notwendig, dass sich beide Seiten bewegen. Dies muss einerseits zur Beendigung der Gazablockade für zivile Güter, wie zum Beispiel für Baustoffe - also nicht für Waffen -, und andererseits zu einem Siedlungsstopp in der Westbank führen. Klar sein muss aber natürlich auch, dass die Palästinenser ein für alle Mal Gewaltverzicht üben und das Existenzrecht Israels anerkennen müssen. Das ist vor allen Dingen deshalb notwendig, weil wir wissen, dass wir dort einen echten und langfristigen Frieden brauchen, der wichtig für die Sicherheit Israels und der Palästinenser ist. ({1}) Ich komme nun zu einem anderen aktuellen Thema in der Region, nämlich zur Auseinandersetzung an der türkisch-syrischen Grenze. Wie es aussieht, wird die Türkei vermutlich noch in dieser Woche einen Antrag an die NATO auf Entsendung von Patriot-Raketen stellen. Herr Mißfelder, ich glaube, Sie haben das falsch verstanden. Es gibt bisher keine festgelegte Position für ein mögliches Abstimmungsverhalten, weil uns das Mandat noch gar nicht vorliegt. Wir haben bisher nur viele Fragen und Zweifel. Ich will gar nicht verschweigen: Wir haben Zweifel hinsichtlich der Verlegung. Denn dieser Einsatz wäre natürlich auch mit Risiken und Gefahren verbunden. Man muss sich auch vor Augen führen, dass Patriot-Raketen bei den bisherigen Angriffen aus Syrien auf das türkische Territorium mit Mörsergranaten und Artillerie nicht geholfen hätten. Ich finde, es muss auch ausgeschlossen werden, dass die Bundeswehr und die NATO durch die Hintertür in den Syrien-Krieg hineingezogen werden. ({2}) Klar ist auch - daran führt kein Weg vorbei -: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Sollte sich die Bundesregierung entscheiden, Patriot-Raketen und Bundeswehrsoldaten in die Türkei zu entsenden, dann muss dieses Mandat hier im Deutschen Bundestag beschlossen werden. ({3}) Aber nicht nur die Brandherde im Nahen Osten zeigen uns wieder einmal, dass wir in einer Welt mit vielen gewalttätigen Konflikten und Kriegen leben. Damit sind wir mitten in dieser Haushaltsdebatte, weil die Bewälti25274 gung von Konflikten natürlich auch mit Geldern im Haushalt zu tun hat. Es gibt zum Beispiel für die Länder des arabischen Frühlings Transformationsgelder. Diese Gelder sind in den Haushalt eingestellt worden - das war auch richtig so -, weil wir natürlich wissen, dass die Bürgerinnen und Bürger dort unterstützt werden müssen, damit aus alten Diktaturen nicht wieder neue Diktaturen werden. Der Demokratieaufbau braucht einen langen Atem. Das Problem ist: Laut der Finanzplanung sind die Mittel ab 2014 nicht nachhaltig gesichert. Es gibt keine Konstanz und Verlässlichkeit. Das ist ein Problem dieser Bundesregierung: Es gibt keine vorausschauende und verlässliche Außenpolitik. ({4}) Wie verheerend das sein kann, erkennt man zum Beispiel auch, wenn man sich die letzte Bereinigungssitzung zum Haushalt anschaut. In einer Nacht-undNebel-Aktion haben die schwarz-gelben Haushälter 10 Millionen Euro beim Stabilitätspakt Afghanistan gekürzt. Dabei geht es um Polizeiaufbau, um Justizaufbau, um Rechtsstaatlichkeit, um Gesundheitsprojekte und um Menschenrechte. Das ist ein verheerendes Zeichen an die Menschen in Afghanistan, weil damit signalisiert wird: Deutschland und diese Bundesregierung verabschieden sich aus der Verantwortung. Das kann man den Menschen in Afghanistan nicht zumuten. Diese Unterstützung Deutschlands für Afghanistan im zivilen Bereich muss weitergehen. ({5}) Noch im Juli haben Sie, Herr Westerwelle, in Tokio die Zusage gemacht, es gebe weiterhin 430 Millionen Euro für den zivilen Aufbau in Afghanistan. Was ist vier Monate später passiert? Ihre Haushälter haben Ihnen 10 Millionen Euro weggekürzt. Sie waren nicht darüber informiert. Es ist natürlich peinlich, dass das Auswärtige Amt nicht involviert war. Dies war eine Blamage für Ihr Haus, weil intern klar wird, wie planlos die schwarzgelbe Außenpolitik ist. Dies war aber auch eine Blamage ersten Ranges auf internationalem Parkett, weil sich zeigte: Diese Bundesregierung ist international nicht verlässlich. ({6}) Wir wollen diese Kürzung rückgängig machen und haben einen Antrag dazu gestellt. Dem können Sie zustimmen; ich bitte Sie darum. Herr Westerwelle, auch Sie können ihm zustimmen. Die nachhaltige Entwicklung Afghanistans darf nicht durch den Zickzackkurs dieser Bundesregierung gefährdet werden. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle. ({0})

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe noch sehr unter dem Eindruck des Besuches in Israel und in Ägypten in den letzten beiden Tagen. Ich glaube, dass es aus diesem Anlass entgegen der sonstigen Übung angemessen ist, dass ich hier auch in der zweiten Runde der Haushaltsdebatte das Wort ergreife. Ich möchte vorab noch einmal zum Ausdruck bringen: Wir alle sind enttäuscht darüber, dass gestern Abend eine Waffenruhe nicht möglich wurde. Gleichzeitig ist die Bundesregierung der Auffassung: Wir werden unsere Bemühungen, dass eine Waffenruhe aufgrund internationaler Hilfe doch noch zustande kommt, nicht einstellen. Im Gegenteil: Wir werden im Interesse der Menschen unsere Bemühungen noch verstärken. Wir wollen, dass eine Waffenruhe erreicht wird. Wir wollen aber gleichzeitig mit dieser Waffenruhe die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ein nachhaltiger Waffenstillstand erarbeitet werden kann. Dazu gehören drei Säulen: Erstens. Die Raketenangriffe aus Gaza nach Israel müssen unverzüglich eingestellt werden. Das ist ein Verbrechen, das durch nichts gerechtfertigt werden kann. ({0}) Zweitens. Der Raketen- und Waffenschmuggel nach Gaza ist eine der Ursachen für die innere Bewaffnung, auch von militanten Gruppen im Gazastreifen selbst. Deswegen wird es einen nachhaltigen, stabilen Waffenstillstand nur geben, wenn der Waffenschmuggel eingestellt wird. Wir appellieren auch an Ägypten, diese Aufgabe anzunehmen, diese Verantwortung wahrzunehmen. Ägypten hat sich in diesen letzten Tagen als ein sehr verantwortungsvolles Land gezeigt. Jetzt geht es darum, dass der Waffenschmuggel unterbunden wird. Er ist eine Bedrohung für die Sicherheit der gesamten Region, nicht nur für die Sicherheit von Israel. ({1}) Drittens. Für uns ist völlig klar, dass es einen nachhaltigen Waffenstillstand und eine stabile, gute und friedliche Entwicklung für die gesamte Region nur geben kann, wenn auch die Menschen in Gaza selbst eine wirkliche Entwicklungsperspektive haben. Ich war vor zwei Jahren der erste Außenminister der westlichen Welt, der nach der ersten Lockerung der Blockade im Gazastreifen gewesen ist. Ich habe die Kinder dort gesehen, und ich habe dort Schulen besucht. Das ist etwas, was man natürlich nicht vergisst. Deswegen sage ich hier noch einmal ganz klar: Für uns ist selbstBundesminister Dr. Guido Westerwelle verständlich, dass die Menschen in Gaza eine Perspektive brauchen, dass sie eine Möglichkeit haben müssen, sich auch wirtschaftlich zu entfalten. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass die Radikalen und die Gewaltbereiten die friedlichen Menschen in Gaza nicht länger in Geiselhaft nehmen können. Dieser Zusammenhang muss gesehen werden. ({2}) Ich will hinzufügen: Israel ist unser Freund. Die friedlichen Palästinenser sind es ebenfalls. ({3}) Aus der Tatsache, dass wir Raketenangriffe aus dem Gazastreifen gegen den Süden Israels in aller Klarheit verurteilen, eine unbalancierte Einseitigkeit herauszulesen, beinhaltet einen Vorwurf, der der Sache nicht gerecht wird. Wenn wir die Raketenangriffe verurteilen und das Recht von Israel, sich zu verteidigen, unterstreichen, dann ist das keine Parteinahme. Wenn es eine Parteinahme ist, dann ist es eine Parteinahme für die Menschen und für die Menschlichkeit und für den Frieden. Zu dieser Parteinahme und auch zu dieser Parteilichkeit bekennen wir uns gerne. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Westerwelle, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hänsel von der Linken?

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Bitte sehr.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Hänsel.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident. - Danke, Herr Minister Westerwelle, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben davon gesprochen, dass es der Bundesregierung um einen nachhaltigen Frieden geht. Sie haben eben ein paar Bedingungen genannt. Aber den grundlegenden Konflikt aufgrund der seit Jahrzehnten andauernden Besatzung haben Sie nicht angesprochen. Es gibt nicht nur die Auseinandersetzung zwischen der Hamas und der israelischen Regierung; es gibt auch eine völkerrechtswidrige Besatzung seit über vierzig Jahren. In dieser Zeit ist sehr viel Land in der Westbank verloren gegangen. Das wissen wir doch alle. Wie viele Delegationen fahren denn jedes Jahr in die Westbank und sehen, wie viel Land geraubt wird und nicht mehr verfügbar ist, um einen palästinensischen Staat aufzubauen? Wenn wir zu einem nachhaltigen gerechten Frieden kommen wollen, dann können wir nicht isoliert über Gaza und die israelische Regierung diskutieren, sondern wir müssen ernsthaft auf die Frage antworten, wie wir uns eine Zwei-Staaten-Lösung vorstellen. Denn wenn wir dazu schweigen, dann gibt das immer nur radikalen Kräften Auftrieb. Es gibt eine Spirale der Gewalt, aber es fehlt die Lösung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kommen Sie bitte zum Punkt. ({0})

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Deswegen mein Appell an Sie: Wir müssen da zu einer Änderung kommen.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Frau Kollegin, ich fürchte, dass Ihrer Frage nicht nur eine falsche Annahme, sondern auch eine falsche Politik zugrunde liegt, und zwar unter folgendem Gesichtspunkt: Hamas spricht nicht für die Palästinenser, ({0}) sondern Hamas spricht für die Gewalt. Die Palästinenser werden durch Präsident Mahmud Abbas repräsentiert, den ich selber gestern aufgesucht habe und der in großer Klarheit immer und immer wieder gesagt hat: Die Raketenbeschüsse aus Gaza in Richtung Israel sind nicht die Politik von Palästina und der palästinensischen Autoritäten; sie sind zu verurteilen. Wir dürfen die Unterschiede auch innerhalb dieser Kräfte nicht unterschätzen. Deswegen habe ich ausdrücklich gesagt: Die friedlichen Palästinenser sind unsere Freunde. Dass wir auf dem Verhandlungswege eine Zwei-Staaten-Lösung wollen, ist von dieser Bundesregierung und übrigens auch von mir selbst, zuletzt in meiner Rede vor den Vereinten Nationen, immer und immer wieder unterstrichen worden. - Vielen Dank, Frau Kollegin. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Westerwelle, auch Frau Wieczorek-Zeul würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Ich habe gehört, Sie haben heute Geburtstag. Wie könnte ich da anders entscheiden? ({0}) Herzlichen Glückwunsch, Frau Kollegin!

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002503, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich mache eine Zwischenbemerkung. - Herr Außenminister, Sie haben heute zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht die Hamas für Palästina spricht, sondern Präsident Abbas. Ich erwarte jetzt von Ihnen, dass Sie deutlich machen, dass die Bundesregierung und Sie selbst bereit sind, in der UN-Generalversammlung dem Antrag zuzustimmen, den Präsident Abbas, der für den multilateralen, friedlichen Weg steht, für eine bessere internationale Anerkennung Palästinas stellt. Ich erwarte auch, dass Sie innerhalb der Europäischen Union dafür sorgen, dass diesem Antrag zugestimmt wird. Meine Begründung ist: Man kann doch nicht einerseits - das haben die Minister im Rat für Auswärtige Angelegenheiten auch gesagt - die Hamas zu Recht wegen der Gewalt kritisieren und andererseits Abbas den friedlichen Weg vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Aufwertung des Status versperren. Das passt nicht zusammen. ({0}) Ich erwarte, dass Sie eine klare Aussage hierzu machen. ({1})

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Frau Kollegin, wenn Sie freundlicherweise stehen bleiben würden, solange ich Ihre Frage beantworte nicht aus Gründen der Courtoisie, sondern damit der Präsident nicht den falschen Knopf drückt und die Antwort zulasten meiner Redezeit geht. ({0}) Frau Kollegin, Sie waren selber viele Jahre Mitglied der Bundesregierung. Deswegen wissen Sie, dass man in der Außenpolitik Fragen dann beantwortet, wenn sie sich stellen, und nicht immer dann, wenn sie einem gestellt werden. Wir werden die Entscheidung fällen, und zwar dann, wenn wir den Antrag kennen, wenn er tatsächlich vorliegt, wenn er tatsächlich zur Abstimmung gestellt werden sollte und wenn wir mit allen unseren Verbündeten ausreichende Konsultationen getätigt haben. Dann entscheide ich über das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung. Das ist verantwortungsvolle Außenpolitik. ({1}) Keine verantwortungsvolle Außenpolitik wäre es, jetzt irgendwelche Schaufensterankündigungen zu machen, nur weil das hier vielleicht gerne gehört wird. Das wäre außenpolitisch ein großer Schaden für unser Land. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Minister, erlauben Sie noch eine Nachfrage der Kollegin Wieczorek-Zeul? Das wäre aber jetzt die letzte Zwischenfrage, die ich zulasse.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Aber dann muss es schon ein runder Geburtstag von Ihnen heute sein. ({0}) - Ich gratuliere von Herzen, Frau Kollegin. ({1}) Das hält keiner hier für möglich.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002503, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben gesagt, die Frage sei nicht gestellt worden. Ich wollte Sie darauf hinweisen, dass Ihr Ministerium uns eine Nachricht des Außenministerrats vom 19. November über eine Beratung innerhalb der Europäischen Union zugeschickt hat. In der Nachricht steht, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union vermutlich enthalten. Andere Länder haben gesagt, dass sie dafür stimmen. Die Frage ist also gestellt. Ich bin ganz sicher, dass auch Herr Abbas Sie darauf angesprochen hat. Am 29. November, in ungefähr einer Woche, geht es in der UN-Generalversammlung um den Antrag. Ich bitte Sie, auch vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Erfahrungen, sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sich in dieser Debatte nicht wegducken, sondern dass sie mit ihrer Stimme diesem Antrag Nachdruck verleihen und damit die Position von Präsident Abbas stärken. ({0})

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Ich will dazu Folgendes sagen: Zunächst einmal ist es nicht angebracht, den Eindruck zu erwecken, als hätte Ihnen mein Amt ein Abstimmungsverhalten der Europäischen Union oder einzelner Mitgliedstaaten angekündigt; Sie haben vielmehr eine Unterrichtung von den Beratungen erhalten, an denen ich selber noch am Montagmittag teilgenommen habe. Das wichtigste Wort, das Sie erwähnt haben, ist „vermutlich“. Nur, auf der Basis einer Vermutung kann kein Außenminister ein Abstimmungsverhalten festlegen. Das würden auch Sie in meiner Situation nicht tun, wobei ich sagen muss, dass Sie in diese Situation aus meiner Sicht nicht kommen werden. ({0}) - Bitte, Frau Kollegin, ich möchte noch zu Ende antworten. Ich habe nur noch eine Minute und 13 Sekunden Redezeit. Daher müssen Sie noch stehen bleiben. Ich will noch einen ernsten, inhaltlichen Grund sagen, warum wir all dies mit allen anderen Europäern sorgfältig beraten werden, übrigens auch mit den anderen Verbündeten, die wir international haben. Dass das gestern natürlich ein Thema bei Präsident Mahmud Abbas geweBundesminister Dr. Guido Westerwelle sen ist, wissen Sie. Das war auch im September, als ich ihn ebenfalls getroffen habe, so. Das ist regelmäßig ein Thema zwischen uns. Der Punkt ist nur: Was hilft dem Anliegen einer wirklichen Zwei-Staaten-Lösung am meisten, einseitige Schritte oder ein Ergebnis von Verhandlungen? Wir sind der Überzeugung, dass eine Verhandlungslösung das Beste ist, was man in dieser Situation erreichen kann. Deswegen werde ich keine spekulativen Ankündigungen hier machen. Wir werden diesem Prinzip weiterhin folgen, wie es übrigens auch die Vorgängerregierungen stets getan haben. Es ist noch nicht allzu lang her, dass Sie selber regiert haben. Meine Damen und Herren, ich will noch eine Bemerkung zu einem Thema machen, das von den Kollegen Mißfelder und Kindler angesprochen worden ist, nämlich zum Thema Patriots. Ich rechne damit, dass in kurzer Zeit eine Anfrage der Türkei für die Stationierung von Patriot-Raketen bei der NATO eingeht. Ich habe den deutschen Botschafter angewiesen, einen solchen Antrag - natürlich nur, wenn die Bedingungen erfüllt sind, und unter den üblichen Vorbehalten - positiv anzunehmen; denn es wäre ein schwerer Fehler, wenn wir einem NATO-Mitgliedsland in einem Moment, in dem sich dieses Mitgliedsland Angriffen von außen ausgesetzt sieht, eine defensive Unterstützung verweigern würden. Ich glaube, wenn die Bitte eines NATO-Mitgliedslandes nach defensiver Hilfe von einem anderen Bündnispartner, zum Beispiel Deutschland, abgelehnt und damit eine Entscheidung der NATO blockiert würde, hätte das unabsehbare Folgen für das Bündnis. Manchmal braucht man auch selber Solidarität. Das muss man immer dann im Kopf haben, wenn andere in einem Bündnis nach Solidarität fragen. Das ist die Richtung, in die wir gehen wollen. ({1}) Allen Parlamentsvorbehalten wird selbstverständlich Rechnung getragen. Herr Kollege, auch ich glaube, dass eine Befassung des Deutschen Bundestages und eine Abstimmung erforderlich sind. Zum Abschluss möchte ich mich bei den Damen und Herren der Ausschüsse, vor allen Dingen des Haushaltsausschusses, und bei den Berichterstattern bedanken. Ich danke von Herzen für eine sehr kollegiale Zusammenarbeit. In diesen Dank schließe ich ausdrücklich die Damen und Herren - in diesem Fall die Herren - der Opposition ein, und zwar für ihre Berichterstattung und für ihre Arbeit insbesondere im Haushaltsausschuss. Es war eine gute, faire Zusammenarbeit. Ich verstehe und respektiere, dass Kollegen der Opposition immer etwas finden müssen. Das soll auch so sein. Im Kern kommt es aber auf eine Sache an: Ist es der Bundesregierung in den letzten drei Jahren gelungen, das Ansehen unseres Landes in der Welt zu mehren, ja oder nein? ({2}) Da wir vor zwei Jahren in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und vor wenigen Wochen nach kontroverser Diskussion in einer geheimen Abstimmung in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt worden sind, scheint der Blick der Welt auf unsere Außenpolitik offensichtlich besser zu sein als der Blick der Opposition. Damit kann ich leben. Vielen Dank. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Gernot Erler das Wort. ({0})

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Die ganze Welt schaut auf die Lage in Nahost, auf die Konfliktentwicklung in Israel und in den Palästinensergebieten. Gestern gab es einige Stunden lang Hoffnung auf eine rasche Feuerpause. Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Es wird weiter geschossen. Wie immer sind dabei Zivilisten, Frauen und Kinder die ersten und zahlenmäßig die meisten Opfer. Jeder, der den Waffenstillstand weiter aufschiebt, aus welchen Gründen auch immer, lädt Schuld auf sich - Schuld am Tod und an Verletzungen von unschuldigen Opfern des Konflikts. Ich bin mir sicher: Der gesamte Deutsche Bundestag unterstützt nicht nur eine sofortige Waffenruhe, sondern fordert sie unmissverständlich ein. ({0}) Herr Außenminister, Sie haben sich eingeschaltet und sind innerhalb von 24 Stunden in Jerusalem, Ramallah und Kairo gewesen. Es kann sein, dass der deutsche Einfluss in Nahost überschaubar ist, wie der Kollege Stinner heute Morgen im Radio gesagt hat; es kann sein, dass es vorerst nur „im Trippelschritt zur Feuerpause“ kommt, wie eine Tageszeitung heute schreibt. Aber Sie, Herr Minister, haben sich bemüht, dass diese kleinen Schritte wenigstens in die richtige Richtung gehen. Dafür haben Sie unsere Anerkennung und unsere Unterstützung auch bei weiteren Versuchen dieser Art. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich muss es politisch weitergehen, wenn erst einmal das Wichtigste, also das Schweigen der Waffen, erreicht ist. Was muss eigentlich noch passieren, bis alle verstehen, dass in Wirklichkeit der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern die Mutter aller Konflikte in der Großregion des Broader Middle East, das nördliche Afrika mit eingeschlossen, ist? Eine nachhaltige Lösung - Herr Minister, Sie haben diesen Begriff auch gebraucht - dieses Konflikts ist unverzichtbar, und zwar für alle Schauplätze von Iran über Syrien bis Mali, für alle Regionen, in denen Extremisten und Dschihadisten Zulauf haben. Es kann nicht sein, dass ein Ausweg aus der jetzigen dramatischen Situation nur wieder in eine Sackgasse führt, die in drei Jahren erneut in einem Gewaltausbruch endet, wie das Ende 2008, Anfang 2009 der Fall war und jetzt in diesen Tagen der Fall ist. Wer eine nachhaltige Lösung dieses Konflikts will, muss auch bereit sein, sich selbst zu bewegen. Ich persönlich vertrete schon länger die Position, dass man am Ende doch mit den Vertretern der Hamas direkt verhandeln muss. Längst ist klar: Im Gazastreifen muss sich die Hamas inzwischen weit radikalerer Dschihad-Gruppen erwehren. Wie kann es denn sein, dass die ganze Welt jetzt auf die Vermittlungsfähigkeiten des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi baut, wo doch jeder weiß, dass die Muslimbruderschaft, aus der Mursi kommt, die Hamas als Familienmitglied betrachtet? Das hat für mich keine Logik. Zumindest muss man konstatieren, dass die Ausgrenzungsstrategie, die viel mit Selbstausgrenzung zu tun hat, in der Sache bisher keinen Schritt nach vorne geführt hat. Ich möchte noch zu einem anderen tagesaktuellen Thema kommen, das Sie ebenfalls hier behandelt haben, Herr Minister, nämlich zu der offenbar bevorstehenden türkischen Bitte um Unterstützung durch das Abwehrsystem Patriot PAC-3, das in drei NATO-Ländern in Gebrauch ist, auch in Deutschland. Herr Außenminister, ich halte auch dies für eine politische Frage, die in Ihr Ressort fällt. Ich sage „auch dies“, da wir seit einiger Zeit beobachten, dass Ihr Ressort, bildlich gesprochen, einem Schrumpfungsprozess bei den Aufgaben ausgesetzt ist. Eigentlich ist der Werdersche Markt auch für Europa zuständig, eigentlich auch für die deutsche RusslandPolitik, die in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht hat. Sie nehmen aber einfach hin, dass für alle sichtbar hier das Bundeskanzleramt die Hauptrolle übernommen, um nicht zu sagen: usurpiert hat. ({2}) Genauso haben Sie sich für alle sichtbar aus der politischen Federführung für das deutsche Engagement in Afghanistan verabschiedet. Jetzt droht das Ganze offensichtlich auch bei den nächsten beiden absehbaren deutschen Auslandsmissionen, nämlich beim Einsatz der Patriots an der türkisch-syrischen Grenze und bei der Mission im westafrikanischen Mali - nur dass hier das BMVg das Kommando übernommen hat. Alle diese Zuständigkeitsverlagerungen sind problematisch und finden nicht unsere Zustimmung. Wir haben großen Respekt vor dem, was die Türkei als Nachbar des syrischen Dramas leistet, vor allem mit der klaglosen Aufnahme von bisher mehr als 130 000 Flüchtlingen aus Syrien, zu denen täglich Hunderte, manchmal sogar Tausende dazukommen. Angesichts der prekären Lage an der 900 Kilometer langen syrisch-türkischen Grenze haben wir auch großes Verständnis für türkische Sorgen und stehen zu unseren Bündnispflichten. Aber es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass jeder deutsche Einsatz in dieser gefährlichen Situation, die erhebliche Eskalationspotenziale aufweist, ein Mandat des Deutschen Bundestages braucht und dass bei dieser Entscheidung natürlich Text und Begründung des erwarteten türkischen Antrags von uns sorgfältig geprüft werden müssen. Ich verstehe überhaupt nicht, Herr Mißfelder, Herr Stinner, warum Sie hier einem vorauseilenden Bündnisgehorsam das Wort reden. ({3}) Es ist doch gerade der Sinn des Parlamentsvorbehalts in Deutschland, dass wir das sorgfältig prüfen, bevor wir in einen Einsatz gehen. ({4}) Dazu müssen uns aber die entsprechenden Texte vorliegen. Dass zum Beispiel nach dem Artikel von Herrn Senator McCain in den letzten Tagen und auch nach türkischen Äußerungen vor einiger Zeit einiges erklärt werden muss, ist klar. Ich bin ganz sicher, dass wir, wenn wir zu dieser Selbstverständlichkeit des gemeinsamen Prüfens zurückkehren, eine vernünftige Entscheidung treffen können. Es ist eigentlich eine traurige Angelegenheit, dass wir die Bundesregierung erst wieder mit unseren Möglichkeiten zu dieser Selbstverständlichkeit zurückgeführt haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt hat das Wort die Kollegin Erika Steinbach von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Erika Steinbach-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002808, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein herzliches Dankeschön an Sie, Herr Außenminister, für Ihren wirklich sehr engagierten Einsatz für den Frieden im Nahen Osten. Ich wünsche Ihnen und uns im Interesse der Menschen dort viel Erfolg dabei. ({0}) Menschenrechtspolitik ist eine Grundkonstante dieser Bundesregierung, dieser christlich-liberalen Koalition. Die Einhaltung von Menschenrechten ist auch ethisches Fundament für die demokratische, für die kulturelle und sogar für die wirtschaftliche Entwicklung eines jeden Landes. Dafür engagieren wir uns, und zwar sehr. Für diese Querschnittsaufgabe setzt sich die deutsche Außenpolitik ein. Ein erheblicher Teil der Aufgaben liegt natürlich im Bereich der Außenpolitik. Die Herausforderungen, denen sich Deutschland in diesem Bereich gegenübersieht, sind in den letzten Jahren deutlich erkennbar gewachsen. Es sind schwierige Herausforderungen; denn zunehmend prallen in vielen Regionen der Welt religiöse, ethnische oder ideologische Vorstellungen aggressiver aufeinander als in vielen Jahren zuvor. Mit großer Sorge schauen wir auf die Situation in Syrien und auf das unendliche Leid, das durch den viel zu lange währenden Bürgerkrieg über viele Menschen gekommen ist und immer noch kommt. Die Bundesregierung unterstützt die Opfer dieses Krieges, soweit es überhaupt möglich ist - im Landesinneren Syriens ist es ganz schwierig -, durch bilaterale und auch durch Hilfen im Rahmen der Europäischen Union. Wir befürworten ausdrücklich, was die Bundesregierung dort leistet. Durch den bevorstehenden Winter - das kann sich jeder vorstellen - verkompliziert sich die Lage für die Flüchtlinge. Insbesondere entstehen in den Nachbarländern Syriens, in Libanon, Jordanien und der Türkei, aufgrund der vielen syrischen Flüchtlinge schwierige Situationen. Die Umbrüche im Nahen Osten und in Nordafrika im vergangenen und in diesem Jahr sind sicherheitspolitisch von hoher Brisanz. Das betrachten wir allesamt miteinander - ich meine damit alle Fraktionen in diesem Hause - nicht ohne Sorge. Deutschland unterstützt alle Maßnahmen, die die Hilfsorganisationen in den betreffenden Ländern leisten können, soweit sie überhaupt in die jeweiligen Länder hineinkommen. Das schlägt sich auch im Haushalt des Auswärtigen Amtes nieder. Unsere Aufmerksamkeit gilt akut unter anderem natürlich dem afrikanischen Norden. Die Sahelzone - das wurde bereits angesprochen - wird von marodierenden Banden und von al-Qaida destabilisiert. Das hat dramatische Folgen für die Menschen in dieser Region. Von deutscher Seite wurden 39 Millionen Euro für die Nahrungsmittelhilfe bereitgestellt. Die demokratische Entwicklung in den Ländern der sogenannten Arabellion ist - das können wir jetzt erkennen - leider kein Garant für die Durchsetzung und für die Einhaltung von Menschenrechten. Da mache sich niemand etwas vor! Demokratisierung kann dort auch zu Islamisierung führen. Die Zukunft der Minderheiten dort ist durchaus nicht so gesichert, wie wir es uns alle wünschen und wünschen müssen. Insbesondere die Christen und die Bahai in dieser Region leben in Sorge um ihre Zukunft. Darum danke ich unserem Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, der erst in der vergangenen Woche Gespräche mit dem Vorsitzenden der ägyptischen Partei für Freiheit und Gerechtigkeit - das ist die Partei der Muslimbrüder - geführt hat. Sein Anliegen war insbesondere, für den Schutz der religiösen Minderheiten zu sensibilisieren. Es gab die Zusage, dass der Schutz von Minderheiten in der neuen ägyptischen Verfassung verankert werden solle. Das begrüßen wir seitens der christlich-liberalen Koalition ganz ausdrücklich. Ich glaube aber, dass wir den Prozess sehr aufmerksam beobachten müssen. Mehr können wir ohnehin nicht tun. Wir können aber auch immer wieder in Gesprächen und im Dialog mahnen und versuchen, zu sensibilisieren. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in Europa gibt es für die Menschenrechte gehörig viel zu tun. Die Entwicklung der Menschenrechte und der Demokratie in Russland, der Ukraine oder in Weißrussland muss uns beschäftigen. Es ist wirklich gut, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in Moskau sehr deutlich auf Defizite in Russland hingewiesen hat - in der gebotenen Tonart, aber sie hat es sehr deutlich getan. ({1}) Das war nicht immer so. Die europäischen Mitgliedstaaten, darunter selbstverständlich Deutschland, schauen besorgt auch auf die Ukraine. Die Strafverfolgung gegen die ehemalige Ministerpräsidentin Julija Timoschenko, gegen Vertreter ihrer damaligen Regierung und deren Umfeld ist erkennbar politisch motiviert. Die Haftbedingungen sind unvereinbar mit menschenwürdigen Grundsätzen und europäischen Werten. ({2}) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fällte 2011 822 Entscheidungen zur Ukraine. 814 davon betrafen Menschenrechtsverletzungen, insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren. Das Verfassungsgericht der Ukraine ist, wie alle registrieren können, letztlich nur noch ein willfähriges Organ der Exekutive. Die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ sieht die Ukraine auf Platz 116, was die Pressefreiheit anbelangt. Damit befindet sich dieses europäische Land in der Rangfolge der defizitären Staaten in Gesellschaft von Venezuela und Simbabwe, die auf Platz 117 stehen. Das spricht für sich, und das spricht Bände. Menschenrechte sind also auch bei uns in Europa bei weitem noch nicht in allen Ländern selbstverständlich. Auch auf unserem Kontinent gibt es Defizite und damit Herausforderungen, die wir immer wieder anpacken müssen. Dem stellt sich die Bundesregierung, und dem stellt sich die christlich-liberale Koalition. Ich glaube, wir alle miteinander haben da noch viel zu tun. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege Wolfgang Gehrcke. ({0})

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Punkt anfangen, bei dem ich überzeugt bin, dass wir uns darüber hier im Hause einig sind: Die Außenpolitik meiner Fraktion weist in eine völlig andere Richtung als die Außenpolitik anderer Fraktionen und der Bundesregierung. ({0}) Diese Feststellung ist mir wichtig, und ich will sie Ihnen im Einzelnen begründen. Beginnen möchte ich mit der Debatte zum Nahen Osten. Ich bin sehr traurig und es bewegt mich sehr, dass es heute in Tel Aviv einen erneuten Anschlag gegeben hat und dass wieder Menschen zu Schaden gekommen sind. Ich bin sehr besorgt darüber, dass die Waffenruhe möglicherweise nicht zustande kommt. Wenn die Waffenruhe nicht zustande kommt, wird es keinen Waffenstillstand geben. Dann wird es weiterhin keine Chance auf irgendeine Verhandlungslösung geben. Man muss sich darüber klar werden, was dort eigentlich abläuft. Ich habe oftmals den Eindruck, als gebe es eine Seelenverwandtschaft zwischen extremen Palästinensern und extremen Israelis. Immer wenn die Chance auf einen Frieden gegeben ist, erfolgt ein solcher Anschlag, erfolgt eine solche Zuspitzung. Aus diesem Teufelskreislauf muss man herauskommen, man muss eine andere politische Richtung einschlagen. ({1}) Mir ist es sehr wichtig, dass wir versuchen, in dieser verzweifelten Situation das Richtige zu tun. Herr Außenminister, nehmen Sie es mir ab: Wenn Sie wirklich dazu beigetragen haben, dass es zu einer Waffenruhe kommt, will ich Sie gar nicht kritisieren. Ich habe allerdings gelesen, was die Presse schreibt und was Kollegen aus Palästina schreiben, wie beispielsweise Frangi, der ja lange in Deutschland Politik gemacht hat und der Ihnen Einseitigkeit vorhält. Was Sie hier vorgetragen haben, war einseitig. Das war kein Appell an beide Richtungen. ({2}) Meine Fraktion ist fest davon überzeugt, dass man sagen muss: Schluss mit den Raketenangriffen auf Israel und Schluss mit den Bombenangriffen auf Palästina! Beides muss sofort eingestellt werden. ({3}) Wer von einer Seite Vorleistungen fordert, wird keinen Waffenstillstand erreichen. Was Sie hier zum möglichen Antrag der Palästinenser in der UNO gesagt haben, war doch nur ein Ausweichen. Aus Ihrem Hause hört man etwas ganz anderes. Da hört man, dass die Entscheidung bereits getroffen ist. Das sagen nicht Sekretärinnen, sondern das sagt Ihre Führungsetage. Ich sage hier: Deutschland wird in der Vollversammlung der Vereinten Nationen - ich kritisiere das - leider nicht für den Antrag Palästinas stimmen. Das halte ich für einseitig und politikunfähig; das gefährdet den Frieden im Nahen Osten. ({4}) Arafat ist einst mit einer Pistolentasche am Gürtel - ich weiß nicht, ob darin eine Pistole war - und einem Ölzweig in der Hand vor die Generalversammlung getreten. Abbas ist mit dem Antrag auf Aufnahme in die Vereinten Nationen vor die Generalversammlung getreten. Was, bitte sehr, ist einseitig daran, wenn sich jemand an die UNO wendet und sich dem Diktat der UNO unterwerfen will? Das ist keine Einseitigkeit; das ist Vernunft. Es ist ein Angebot für eine friedliche Zusammenarbeit. ({5}) Ich denke, man kann zu Ihrer Außenpolitik eine ganze Reihe von Punkten auflisten. Ich habe mir auch überlegt, was ich zu Ihrer Entlastung anführen kann; denn ich versuche immer, gerecht zu sein. Da kriegen Sie schon größere Angst; das weiß ich. Sie könnten zu Ihrer Entlastung anführen, dass Sie nur das weitergeführt haben, was Rot-Grün und Schwarz-Rot angefangen haben. ({6}) Im Wesentlichen stimmt das: Sie haben eine falsche Politik fortgesetzt. ({7}) Das entlastet Sie aber nicht; die Politik bleibt falsch. Einmal habe ich Sie gelobt - da haben Sie einen Schreck gekriegt -, und zwar dafür, dass sich Deutschland im Weltsicherheitsrat in der Libyen-Frage der Stimme enthalten hat. Mein Eindruck ist, dass Sie heute davon ablenken wollen. Das war jedoch eine vernünftige Entscheidung. Ich muss Ihnen vorhalten, dass Sie hier am Pult faktisch gesagt haben: Wenn der Antrag der Türkei kommt - und er kommt -, werden wir diesem Antrag zustimmen. - Sie haben ein bisschen darum herumgeredet; aber die Auskunft war eindeutig: Sie werden Ja sagen. Ich halte das für eine falsche Entscheidung. Die Begründung der Türkei ist nicht nachvollziehbar. Keiner bedroht die Türkei mit Krieg; es gibt keine Kriegsbedrohung von außen. Die Türkei ist allen Mächten militärisch überlegen. Sie müssen der Türkei keine Raketen und keine Bundeswehrsoldaten zur Verfügung stellen. ({8}) Mit solch einer Entscheidung führen Sie Deutschland - ähnlich wie in der Mali-Frage - in die falsche Richtung. Sie sind aus Afghanistan noch nicht heraus und setzen schon die falsche Afghanistan-Politik fort. Sie führen Deutschland erneut in eine militärische Auseinandersetzung, und zwar an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien. Deutschland läuft damit Gefahr, in den Bürgerkrieg hineingezogen zu werden. Das ist doch eine Politik, der man nicht zustimmen kann. ({9}) Die ganze Außenpolitik leidet unter dem großen Problem, dass Sie die Bundeswehr zum Mittel der Außenpolitik gemacht haben, dass Sie die Außenpolitik militarisiert haben. Einer solchen Außenpolitik kann eine linke Partei nicht zustimmen. Kolleginnen und Kollegen der SPD, es gab einmal eine Zeit, in der August Bebel für Ihre Partei gesagt hat: „Diesem System keinen Mann und keinen Groschen.“ Ich finde, das kann man auch heute sagen. Bei einer solchen Außenpolitik darf man dem Etat des Auswärtigen Amtes nicht zustimmen. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Manuel Sarrazin von den Grünen.

Manuel Sarrazin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003889, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gehrcke, wir werden dem Etat nicht zustimmen. ({0}) Ich möchte aber doch sagen: Eigentlich ist es so, dass die Binnendifferenzierung zwischen Antithesen immer eine Stärke der Linken war. Unterscheiden Sie doch einmal zwischen der Zweiten und der Dritten Internationale! Auch wir sind nicht mit Herrn Westerwelle einer Meinung, haben aber trotzdem eine gewisse Binnendifferenzierung vorgenommen. Werfen Sie uns bitte nicht mit Herrn Westerwelle in einen Topf. So schlimm sind wir wirklich nicht; das sollten Sie uns durchgehen lassen. ({1}) Zu der Frage, über die wir aktuell sprechen. Es ist doch ganz klar, dass wir in diesem Hause uneingeschränkt um die unschuldigen zivilen Opfer im Nahen Osten trauern und ihren Angehörigen unser Mitgefühl ausdrücken, ganz egal, auf welcher Seite die Opfer zu beklagen sind. Es ist richtig, was hier alle gesagt haben: Es muss alles für eine Waffenruhe getan werden. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Israel das Recht hat, seine Bürger zu schützen. Gleichzeitig führen wir die Debatte - sie wird auch in Israel geführt -, ob das militärische Vorgehen, das sich im Moment andeutet, diesem Ziel wirklich am besten dient. Wenn wir über die aktuelle Lage reden, dann müssen wir bei der Analyse ansetzen, die hier schon angeklungen ist: Die Rolle Deutschlands in Europa und der Welt hat sich verändert. Es wird mehr auf uns geschaut; es ist wichtiger geworden, wie sich Deutschland verhält. ({2}) Wenn ich die aktuelle Debatte von heute früh aus der Perspektive eines Außenpolitikers betrachte, dann muss ich sagen: Wenn aus den Reihen der Koalition immer wieder solche Debatten wie jene zu Griechenland und zum Euro losgetreten werden, kann die Bundesregierung diesem neuen Bild von Deutschland in der Welt nicht gerecht werden. ({3}) Dazu gehört nicht, dass sich eine Oppositionsfraktion immer sehr genau überlegt, wie sie sich verhält. Ich kann sagen: Bei vielen Abstimmungen machen wir es uns wirklich schwer. Wer weiß, wie ich in Bezug auf Afghanistan abstimmen werde? Dass wir uns die Entscheidung schwer machen, sieht man ja, wenn man das mit anderen Kollegen vergleicht, die hier schon gesprochen haben. Wir haben das Recht, genau zu prüfen, was uns vorgelegt wird. Wir sehen ein Risiko in Bezug auf den Einsatz von Patriots. Wir werden uns unsere Entscheidung genau überlegen, weil wir wollen, dass Risiken ausgeschlossen werden. Das ist der Stand der Dinge. Herr Mißfelder, Sie haben die Türkei angesprochen. Es ist schon lustig: Für Sie bedeutet privilegierte Partnerschaft Patriot-Partnerschaft. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Bundesregierung in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Rahmen der Erweiterung der Europäischen Union dadurch, wie sich die Koalition in dieser Sache aufstellt - ich meine nicht das Wording im Koalitionsvertrag -, eine riesige Chance in dieser Region verpasst hat, und das nur aus rein parteipolitischen Erwägungen und Interessen. Das wird der Rolle Deutschlands in der Europäischen Union und in der Welt nicht gerecht. ({4}) Herr Mißfelder hat Herrn Sikorski zitiert, der ganz deutlich gesagt hat: Er wünscht sich als Mitglied einer Partei der Mitte, der Platforma Obywatelska, für Polen als wichtiges, relativ neues Mitgliedsland in der Europäischen Union mehr Engagement der Bundesregierung und angesichts der aktuellen Krise in der Europäischen Union mehr klare Worte Deutschlands. Er wünscht sich, dass Deutschland mehr tut, um die 27 europäischen Staaten zusammenzuhalten. Stattdessen habe man eher das Gefühl, der Euro-Klub sei exklusiv und die Staaten, die 2004 im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union beigetreten sind, spielten keine Rolle mehr. Deutschland muss seine Rolle wahrnehmen; man schaut auf uns. Die Bundesregierung muss hier mehr tun. ({5}) Herr Erler hat dargestellt, dass das Auswärtige Amt für immer weniger Bereiche zuständig ist. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel nennen. Bei den eigentlich federführenden Verhandlungen des Außenministeriums zum EU-Haushalt ist es inzwischen Frau Aigner, die die deutsche Rolle definiert. Es gibt innerhalb der Bundesregierung immer noch keine abgestimmte Position in Bezug auf den siebenjährigen Finanzrahmen. Dabei beginnt morgen der EU-Gipfel. Wir müssen uns doch die Frage stellen: Was sind die Herausforderungen, denen sich Europa in der Krise gegenübersieht? Welche Leitideen, gerade in finanzieller Hinsicht, brauchen wir jetzt in Europa? Die Position der Bundesregierung wird jedoch schlichtweg dazu führen, dass der Bedeutungsverlust Europas in der Welt in finanzieller Hinsicht untermauert wird. Liebe Kollegen von der liberalen Fraktion, hier geht es nicht einfach nur um einen Streit zwischen der Agrar25282 politik und einem anderen Politikfeld. Es geht darum, dass die Axt an die Bereiche Forschung, Innovation, Wachstum und Beschäftigung in Südeuropa gelegt wird. Gleichzeitig werden agroindustrielle Strukturen verfestigt, was dazu führt, dass die künftige Agrarwirtschaft in Deutschland und in der Europäischen Union nicht tragfähig sein wird. Ich weiß, dass die FDP eine lange europapolitische Tradition hat. Deshalb bin ich maßlos enttäuscht, dass unter der Federführung eines liberalen Außenministers ein solcher MFR verhandelt wird und Sie auch noch die Verhandlungsbox von Van Rompuy loben. ({6}) Mein Schlussbild ist: Die Europa- und Außenpolitik dieser Bundesregierung ist vergleichsweise gestaltfrei. Das wird der Rolle Deutschlands in Europa und in der Welt nicht gerecht. Das ist einer von vielen guten Gründen, diesen Einzelplan abzulehnen. Danke. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Stübgen von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Michael Stübgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002280, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in dieser Debatte auf ein Thema zu sprechen kommen, das zwar den Bundeshaushalt 2013 nicht direkt betreffen wird, dafür aber die Haushalte 2014 bis 2020. Der deutsche Nettobetrag wird dabei im höheren zweistelligen Milliardenbereich liegen. Das betrifft den mittelfristigen Finanzrahmen, zu dem auf dem Sondergipfel des Europäischen Rates, der morgen Abend beginnt, hoffentlich eine Einigung erzielt werden kann. Es handelt sich in diesem Bereich um einen - man kann das so sagen Billionenhaushalt; denn um ungefähr diese Summe geht es beim europäischen Finanzrahmen von 2014 bis 2020. Die Vorstellungen dazu liegen teilweise etwas darüber, teilweise etwas darunter. Wir als Koalition sowie die Bundesregierung haben von Anfang an deutlich gemacht, dass es für uns wichtig ist, dass sich die in ganz Europa notwendigen Sparbemühungen auch ein wenig im künftigen europäischen Haushalt niederschlagen. Das bedeutet eine Orientierung an 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Bedauerlicherweise hat die Europäische Kommission darauf bislang nicht gehört. Sie hat schon vor einem Jahr einen Vorschlag vorgelegt, der deutlich über der Grenze von 1 Billion Euro und auch deutlich über der 1-ProzentGrenze liegt, obwohl - deswegen haben wir das schon damals deutlich kritisiert - alle europäischen Länder mittlerweile stark konsolidieren bzw. sparen müssen. Die Kommission meint, mit ihrer Politik über den Wolken schweben zu können, nach dem Motto: Das alles geht uns nichts an. Das Europäische Parlament war so clever, diesen Ansatz noch zu toppen. Es hat in seiner Entschließung schlichtweg alle Sonderwünsche aller Ausschüsse zusammengerechnet. Damit kommt es mit seinem Ansatz noch einmal auf eine höhere Summe. Leider konnte selbst die dänische Ratspräsidentschaft trotz starker Bemühungen mit ihren Vorlagen noch nicht einmal zu einer Zielorientierung für den mittelfristigen Finanzrahmen kommen. Die Zeit läuft uns aber davon. Die Bedingungen für einen vernünftigen Abschluss dieses gemeinsamen Rahmens werden aber im nächsten Jahr - ob am Anfang oder am Ende des Jahres - nicht besser. Die zypriotische Ratspräsidentschaft hat einen Vorschlag vorgelegt. Ich glaube, Herr Kollege Sarrazin hat mit seiner großen Kritik an der Bundesregierung vor allem diesen im Blick gehabt. ({0}) Es wurde versucht, ein Sparprogramm vorzulegen. Das war aber sehr einseitig taktisch motiviert, nach dem Motto: Wie umgehe ich bei den Einsparungen starke Interessengruppen? Für Frankreich beispielsweise ist der europäische Agrarhaushalt eine Art Teil der Staatsräson - vor allem, da die Sozialisten regieren. Auf der anderen Seite haben Polen und „die Freunde der Kohäsion“, wie sie sich selber nennen, zu Recht gefordert, dass ihr Anteil an den Kohäsionsmitteln und Strukturfondsmitteln steigen muss. Das wird im Übrigen seit Jahren von uns unterstützt. Mit ihren Vorstellungen aber, wie hoch die Steigerungen sein müssen, gehen sie über das Maß des Finanzierbaren in der Europäischen Union hinaus. Das Ergebnis des zypriotischen Vorschlages war, dass es starke Kürzungen in den so wichtigen Zukunftsbereichen dieses Haushaltes wie Forschung und Entwicklung, Connecting Europe etc. gab. Diese Ausrichtung ist nach Ansicht der Bundesregierung und meiner Fraktion nicht akzeptabel. Wir waren immer der Meinung, dass die großen traditionellen Ausgabenblöcke, die Agrarfonds und die Strukturfonds, einen Beitrag leisten müssen, um den künftigen europäischen Haushalt zukunftsfähiger zu machen. Wir haben seit einigen Tagen einen Vorschlag des europäischen Ratspräsidenten Van Rompuy vorliegen. Dieser Vorschlag ist nach Einschätzung meiner Fraktion eine arbeitsfähige Verhandlungsgrundlage. Möglicherweise wird mit diesem Vorschlag das Fenster einen Spaltbreit hin zu einer möglichen Einigung in den nächsten Tagen geöffnet. Ich will auf einzelne wesentliche Punkte dieses Vorschlages eingehen. Im Rompuy-Vorschlag sind im Ausgabenblock „Gemeinsame Agrarpolitik“ Einsparungen in Höhe von ungefähr 26 Milliarden Euro vorgesehen. ({1}) Das ist relativ viel. Ich bin aber der Auffassung, dass Kürzungen in diesem Bereich für die europäische Landwirtschaft und letztlich auch für die deutsche Landwirtschaft durchaus erträglich sind. Wenn wir in diesem Zusammenhang in der Lage sind, die Modulationspflicht etwas offener zu gestalten, ist das ein durchaus verhandelbarer Grundsatz. Des Weiteren ist es, wie gesagt, auch ein Kürzungsbeitrag in einem traditionellen Ausgabenblock, den die Grünen am liebsten ganz streichen würden. Ich komme zum zweiten Bereich, zu den Strukturmitteln. Hier schlägt Van Rompuy eine Kürzung von 29 Milliarden Euro vor. Das ist etwas mehr als beim Agrarsektor. Hierzu muss man allerdings feststellen, dass dieser Bereich für Deutschland in Bezug auf zwei Punkte in besonderer Weise ziemlich sensibel ist. Zum einen haben wir in den ostdeutschen Bundesländern eine ganze Reihe von Ziel-1-Gebieten. Wir haben die berechtigte Forderung, dass die Ziel-1-Gebiete, die aus dieser Strukturförderung herauswachsen - das gilt übrigens nicht nur für die Ziel-1-Gebiete in Deutschland, sondern für alle Ziel-1-Gebiete -, sozusagen mit einem Sicherheitsnetz davor bewahrt werden, dass die Förderung auf null abstürzt. Diese Forderung ist von Van Rompuy im Wesentlichen aufgenommen worden. Ich halte es für möglich, dass man sich auf ein Sicherheitsnetz - 60 Prozent von den Mitteln, die in der vergangenen Finanzperiode im Durchschnitt gezahlt worden sind einigt. Wir haben aber noch ein weiteres Problem. Es betrifft die Phasing-out-Hilfen. Ich will das kurz erklären: Wir haben drei Regionen in Deutschland, Lüneburg, Leipzig und Brandenburg-Süd, für die die Phasing-out-Regelung schon jetzt gilt. Ab 2014 erhalten diese Regionen im Prinzip null Förderung. Problematisch ist, dass diese Regionen nicht aufgrund der Tatsache, dass sie sich toll entwickelt haben, in der letzten Finanzperiode in die Phasing-out-Regelung einbezogen wurden, sondern als Folge des statistischen Effekts, der sich aus dem Beitritt der zwölf neuen Mitgliedsländer der Europäischen Union ergab. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir versuchen - das müssen wir fordern -, für diese Länder ein Sicherheitsnetz zu spannen, das ungefähr 60 Prozent der vorherigen Förderung entspricht. ({2}) Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch kurz Folgendes sagen: Wichtig ist, dass wir den Nettosaldo Deutschlands im Auge behalten; denn das müssen wir den Bürgern gegenüber verantworten. Der alte Kommissionsvorschlag sah vor, dass unsere Bruttoüberweisungen an die Europäische Union jährlich um 8 Milliarden Euro steigen. Das ist deutlich zu viel. Ich akzeptiere, dass es aufgrund der Entwicklung in der Europäischen Union zu einem Aufwuchs des Nettosaldos kommt. Dieser Aufwuchs muss aber finanzierbar sein. Ich glaube, dass der Van-Rompuy-Vorschlag diesbezüglich eine gute Grundlage bietet. Ich wünsche mir, dass es noch in dieser Woche zu einer Einigung kommt. Ich möchte den Verhandlungsführern vom Auswärtigen Amt, insbesondere Staatsminister Michael Link, für die bisherige Verhandlungsführung danken. Diese Verhandlungen haben die Tür zu einem vernünftigen, für alle tragbaren und trotzdem zukunftsorientierten europäischen Haushalt 2014 bis 2020 geöffnet. Danke schön. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die SPD spricht jetzt die Kollegin Edelgard Bulmahn. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf ein Kernanliegen deutscher Außenpolitik zurückkommen - zumindest sollte dies immer ein Kernanliegen deutscher Außenpolitik sein -: Friedensförderung und Konfliktvermeidung. Gerade in diesen Tagen erleben wir im Nahen Osten, wie wichtig Frieden für Menschen ist, wie sehr Menschen unter militärischen Angriffen, unter gewalttätigen Auseinandersetzungen leiden. Ich glaube, wir können uns nur annähernd vorstellen, was es heißt, jeden Tag, jede Nacht Angst um das Leben der Familie zu haben, Angst um das Leben der Freunde, der Bekannten und der Nachbarn zu haben, Angst um das eigene Leben zu haben. Deshalb wünschen wir uns - ich glaube, das gilt für alle in diesem Saal -, dass die deutsche Bundesregierung wirklich alles Mögliche dafür tut und ihren gesamten Einfluss nutzt, um eine Waffenruhe und möglichst auch einen Waffenstillstand zu erreichen. Meine Vorredner haben es bereits gesagt: Dafür wünschen wir Ihnen, Herr Außenminister, viel Erfolg. Wir wünschen uns, dass wir dieses Ziel gemeinsam mit unseren Partnern möglichst schnell erreichen. ({0}) In Ländern wie Mali, Somalia und an anderen Orten destabilisieren nichtstaatliche Akteure, Terroristen, Rebellen, Extremisten, Clans oder ethnische Gruppen, ganze Regionen. Sie tragen ihre Konflikte mit Gewalt aus. Sie terrorisieren die Zivilbevölkerung. Überall zeigt sich, dass diese Konflikte mit militärischen Mitteln allein nicht zu lösen sind. Militärische Mittel sind und dürfen immer nur Ultima Ratio sein, um Menschenleben zu schützen, wenn alle anderen politischen Mittel versagt haben. Die Wissenschaft verzeichnet für 2011 weltweit fast 400 Konflikte. Davon werden 38 mit massiver Gewaltanwendung ausgetragen. Viele dieser Konflikte werden - das ist das Erschreckende - bereits seit Jahrzehnten ausgetragen. Das ständige Wiederaufflammen dieser Konflikte zeigt, dass die zugrundeliegenden Konflikt25284 ursachen niemals gelöst worden sind, dass es kein wirksames Konfliktmanagement gegeben hat und dass kein wirksamer Friedensförderungsprozess stattgefunden hat. Diese Konflikte zeigen ebenfalls nachdrücklich, dass eine militärische Intervention noch keinen Frieden schafft, sondern dass es notwendig ist, dass wir alle Möglichkeiten der Konfliktvermeidung und des Konfliktmanagements nutzen, um Konflikte mit zivilen Mitteln zu transformieren. Zuallererst in der Außenpolitik, aber auch auf anderen Politikfeldern, in der Wirtschaftspolitik, der Entwicklungspolitik oder der Umweltpolitik. Die Bundesregierung legt mit ihrem Haushalt für 2013 leider offen, dass sie über einen solchen Ansatz nicht verfügt; denn man kann feststellen, dass wichtige Entwicklungen einfach nicht zur Kenntnis genommen werden. Man muss leider auch zur Kenntnis nehmen, dass gerade dieser Bereich der deutschen Außenpolitik unter Schwarz-Gelb immer mehr dem Rotstift zum Opfer fällt. Für den Bereich der zivilen Krisenprävention und der Friedenserhaltung sollen im Jahr 2013 nur noch 95 Millionen Euro - ich wiederhole: 95 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. In diesem Jahr waren es noch 120 Millionen Euro. Ich persönlich fand das schon - ich glaube, das sage ich im Namen vieler hier - viel zu wenig. ({1}) Aber diesen kleinen Betrag noch einmal so massiv zu kürzen, ist - das sage ich Ihnen ganz klar - nicht verantwortbar. Wenn Konflikte nicht so eskalieren sollen, dass sie in militärische und gewalttätige Auseinandersetzungen umschlagen, und wenn Konflikte nicht immer wieder aufflammen sollen, dann muss es ein echtes Commitment dieser Regierung für zivile Krisenprävention und Friedensförderung geben. Das kann ich aber nicht feststellen, wenn ich mir den Haushalt anschaue. ({2}) Da nutzen keine verbalen Erklärungen. Es reicht nicht, sich hinzustellen und zu sagen, dass man das möchte. Es ist notwendig, dass man dies auch in den finanziellen Entscheidungen untermauert und damit das klare Signal gibt, dass man es ernst meint. Letztendlich zeichnet sich ab, dass dieser Bereich in der Außen- und der Entwicklungspolitik zum Verschiebebahnhof verkommt. Ich will ein Beispiel nennen. 15 Millionen Euro werden aus dem Bereich der zivilen Krisenprävention im Rahmen der Kooperationsvereinbarung vom AA ins BMZ transferiert; verbunden ist das mit der Wahrnehmung der sogenannten Katastrophenprävention. Aber auf meine Anfrage an das BMZ erhalte ich die Antwort, dass es dort noch keine Überlegungen gebe, was Katastrophenprävention überhaupt sei und was sie leisten könne. Genau das ist der falsche Weg. Der mühsame Weg eines erfolgversprechenden Konfliktmanagements hin zu echtem Frieden braucht Zeit und verlässliche Unterstützung. Eine wirksame zivile Krisenpräventionspolitik erfordert langen Atem. Kurzatmig die Mittel herauf- und herunterzufahren oder Bewilligungen nur für ein Jahr auszusprechen, wie es im Bereich des Auswärtigen Amtes üblich ist, ist nicht der richtige Weg. Damit werden wichtige Chancen zu Friedenssicherung und Konfliktlösung vertan. Die Verlässlichkeit gegenüber unseren Partnern leidet. Sie gefährden damit auch die wichtige Arbeit der zivilgesellschaftlichen Organisationen; denn diese können ihre Arbeit nur auf der Grundlage zuverlässiger finanzieller Rahmenbedingungen leisten. Deshalb sage ich ausdrücklich: Das ist leider auch ein Zeichen dafür, dass das Commitment seitens der Bundesregierung nicht da ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Bundesregierung hier Einsicht zeigte, wenn sie hier mehr investierte und Transparenz herstellte - das ist auf anderen Politikfeldern beispielsweise durch die Einrichtung von Förderdatenbanken seit Jahrzehnten üblich

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Zeit.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- und wenn Friedensförderung und ziviles Konfliktmanagement zu einem echten Schwerpunkt in der Politik der Bundesregierung würden. Ich befürchte, dass wir darauf noch ein Jahr warten müssen. Wir werden das auf jeden Fall verändern. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich erteile das Wort dem Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle. ({0})

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass wir uns am Anfang der Debatte mit dieser Frage befasst haben und ich auch im Interesse des Umgangs der Bundesregierung mit dem Parlament nicht möchte, dass ich nachher zu hören bekomme, man habe bei der Debatte zu diesem Haushalt schon Informationen gehabt, die dann in der Debatte zurückgehalten worden sind, möchte ich Ihnen sagen: Im Laufe dieser Debatte ist der Antrag der Türkei für den Einsatz von defensiven Patriot-Systemen zum Schutz der Türkei bei uns eingegangen. Mir liegt der Antrag jetzt vor. Ich möchte Ihnen sagen, dass ich nach der ersten Lektüre dieses Antrages den Eindruck habe, dass die Kriterien, die wir selber gesetzt haben, erfüllt sind. Insbesondere heißt es in diesem Antrag, dass der Einsatz, dass die Stationierung ausschließlich defensiv sein wird. ({0}) In keiner Weise wird damit an einer Flugverbotszone mitgewirkt oder irgendeine offensive Operation unterBundesminister Dr. Guido Westerwelle stützt. Das wurde ja auch vorher in den Ausschüssen diskutiert. In dem Antrag steht natürlich noch mehr, Herr Kollege. Im Interesse des Umgangs miteinander und aus Respekt vor dem Deutschen Bundestag möchte ich Ihnen vor Ende dieser Debatte sagen: Wenn sich das Ergebnis meiner ersten Prüfung bestätigt - ich habe den Antrag eben erst in die Hände bekommen; Sie haben es gesehen -, dass die Bedingungen, die wir gestellt haben, erfüllt sind, dann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag eine Zustimmung hierzu empfehlen. Das ist selbstverständlich. Es hat Tote in der Türkei gegeben. Es hat Granateneinschläge und Gewalttaten vom syrischen Staatsgebiet aus zulasten der Türkei und türkischer Staatsangehöriger gegeben. Natürlich ist in der Türkei dadurch eine große Sorge über die eigene Sicherheit entstanden; denn Weiteres seitens dieses Unrechtsregimes Assad von Syrien aus kann nicht ausgeschlossen werden. Wenn ein NATOPartner, um seine eigene Sicherheit zu gewährleisten, die Unterstützung unseres Bündnisses anfordert, dann müssen wir schon sehr gute Gründe haben, einer solchen Bitte nicht zu entsprechen. Diese Gründe sehe ich nicht. Hier gilt zuerst die Bündnissolidarität.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Erlauben Sie noch eine Frage der Kollegin Zapf?

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Wenn es gewünscht ist, bitte sehr.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Uta Zapf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002582, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, trifft es zu, dass Sie bereits zugestimmt haben, oder dürfen wir Ihre Ausführungen, die Sie jetzt gemacht haben, anders verstehen, als es in einer Meldung von Spiegel Online steht?

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Ich kann nicht zu einzelnen Artikeln Stellung nehmen; da bitte ich um Nachsicht. Aber ich weiß nicht: Waren Sie nicht dabei? Ich habe doch hier gesprochen. Sie waren doch am Anfang der Debatte anwesend. Jeder von Ihnen hat gehört, was ich gesagt habe. Ich würde Sie bitten, dort keine Dinge hineinzugeheimnissen. Ich habe heute eine einzige öffentliche Äußerung dazu gemacht, und zwar hier vor dem Deutschen Bundestag. Dazu, wie das bei Nachrichtenagenturen oder Nachrichtenmagazinen verbreitet wird, kann ich hier nichts sagen. Ich würde sagen: Noch gilt das, was hier gesprochen worden ist. Noch sollten wir uns an dem orientieren, was die Bundesregierung hier vorträgt. ({0}) Wenn wir nur noch Zeitungswissen austauschen, können wir uns die Debatten sparen. Vielen Dank. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Gauweiler. ({0})

Dr. Peter Gauweiler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser wichtigen Information des Herrn Außenministers möchte ich zur zentralen Behandlung unseres Haushaltes zurückkommen. Mir obliegt es, einige Anmerkungen zur auswärtigen Kulturund Bildungspolitik zu machen. Der Minister hat in seinem ersten Redebeitrag heute die zentrale Frage wie folgt gestellt: Ist es gelungen, das Ansehen Deutschlands zu mehren, oder nicht? Ich komme gerade von der Mitgliederversammlung des Goethe-Instituts, die sich in einer Bilanz - bei kritischen Anmerkungen zur Haushaltshöhe; selbstverständlich genau damit beschäftigt hat. Ich möchte Ihnen vier Punkte vortragen, die die Antwort auf die Frage nach dem Ansehen Deutschlands und seiner Mehrung bestimmen: Erstens. Wir stellen überall ein großes Interesse an der deutschen kulturellen Präsenz fest - weltweit. Zweitens. Deutschland definiert sich mehr und mehr nicht nur im Streit um politische Tagesfragen, sondern auch kulturell. Drittens. In diesem Diskurs entsteht keine denunziatorische Situation zu unseren Lasten mehr. Viertens. Es ist durch diese Kulturarbeit ein Vertrauen gewachsen, das auch durch politische Tagesereignisse nicht so schnell zu erschüttern ist. Herr Lehmann hat, ausgehend von diesem Obersatz und auf der Basis der Zahlen dieses Jahres bis heute, bis zum November 2012, gesagt: Das Jahr 2012 wird das erfolgreichste Jahr in der Geschichte des Goethe-Instituts sein. - Dies halte ich für eine zentrale Information, was diesen Teil der Debatte betrifft. Ich denke, dafür muss man als Deutscher Bundestag allen Beteiligten ein Wort des Dankes sagen. ({0}) Alle Veranstaltungen des Goethe-Instituts sind überbucht. Die deutschen Schulen im Ausland haben lange Wartelisten. Vor wenigen Wochen ist eine Forderung erfüllt worden, die der Deutsche Bundestag einstimmig erhoben hat: Die Bundesregierung hat ein eigenes Gesetz über die deutschen Auslandsschulen vorgelegt. Die Stipendienpolitik und die Stipendienvergaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes - Mitglieder aller Fraktionen haben sich vorgestern lange mit Stipendiaten unterhalten - werden immer attraktiver. In den Jahren 2012 und 2013 wird es, vom Deutschen Bundestag begleitet, drei große internationale Deutschland-Jahre geben: in Indien, in Russland, in Brasilien. In Indien ist vor kurzem ein Vertrag geschlossen worden, nach dem in den nächsten drei Jahren an 1 000 weiteren Schulen Deutsch unterrichtet wird. Wenn dieser Vertrag erfüllt sein wird, werden 1 Million Menschen in Indien zusätzlich Deutsch sprechen. In Russland bzw. Moskau ist gerade ein großer - auf Neudeutsch - Workshop mit 1 000 Deutschlehrern durchgeführt worden. Nur nebenbei zu Ihrer Information: Russland ist weltweit das Land mit den meisten Schülern und Studenten, die Deutsch lernen. In Brasilien werden, beginnend 2013, wiederum vom Deutschen Bundestag vorbereitet, im Rahmen des Deutschland-Jahres über die ganze Nation verteilt zwei große Ausstellungen zum Erlernen der deutschen Sprache stattfinden, verbunden mit einem mobilen Projekt auf dem Lande. Dies ist - für Außenstehende - keine Orchideenvorstellung, keine Arabeske. Vielmehr ist Sao Paulo der größte Standort der deutschen Industrie außerhalb Deutschlands. Es gibt eine explodierende Zahl von Deutschlernern. Der Durchbruch - das können Sie Herrn Steinmeier sagen; das wird ihn freuen - begann mit dem PASCH-Projekt; heute ist es in Asien und Osteuropa der Brenner. Wenn wir uns diese großen Erfolge, die sich der Deutsche Bundestag selber ans Portepee heften kann, anschauen, dann sehen wir: Sie gehen zurück auf einen Beschluss, den wir im letzten Jahr einstimmig gefällt haben, und zwar zum Sonderprogramm „Bildungsoffensive Deutsch“. Wir haben mit 8 Millionen Euro begonnen, waren dann bei 6 Millionen Euro und sind jetzt bei 5 Millionen Euro. Wir haben dazu vom Haushaltsausschuss eine Sperre auferlegt bekommen, allerdings mit der festen Zusicherung, dass diese Sperre bei klarer Bekanntgabe von Inhalt und Programm sofort aufgehoben werden wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Gauweiler, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kindler? Das würde Ihre Redezeit, die eigentlich abgelaufen ist, verlängern.

Dr. Peter Gauweiler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist eine Riesenidee. Ja. Danke. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen, Herr Gauweiler. Wir sind gleich am Ende der Debatte; dann müssen wir über den Einzelplan 05 des Haushaltes abstimmen. Sie sind Vorsitzender des Unterausschusses „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“. Können Sie uns sagen, welches Votum der Unterausschuss „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“ zu diesem Haushalt abgegeben hat? Sollen wir ihm zustimmen, oder sollen wir ihn ablehnen?

Dr. Peter Gauweiler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie bitte bei Gelegenheit sagen, verehrter Herr Kollege, dass diese Zwischenfrage von Ihnen nicht mit mir abgesprochen war? ({0}) Ich kann jetzt darauf hinweisen, dass der von mir vertretene Unterausschuss „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“ diesem Etat, weil er ihm zu klein war, nicht zugestimmt hat. Es haben sich zwei Mitglieder der Koalition enthalten. Ich war es nicht, ich habe zugestimmt; ich hätte es mich gar nicht getraut, anders abzustimmen. ({1}) Das heißt aber nicht, dass das Bessere nicht der Feind des Guten ist. Nachdem Sie mich aus der Mitte der Grünen-Fraktion fragen, darf ich Ihnen sagen - nicht als Frage, sondern als Feststellung -: Ist Ihnen bekannt, dass seit dem Jahre 2006 - seit dem Ende der Zeit des allergrößten Außenministers, den wir je hatten ({2}) der Etat der auswärtigen Kulturpolitik von 548 Millionen Euro - das war die Zeit, wo die meisten Goethe-Institute überhaupt geschlossen wurden - dem jetzigen Entwurf nach auf 787 Millionen Euro angestiegen ist? Sind wir uns nicht einig - bei allem, was wir manchmal auskabbeln müssen -, dass das ein großer Erfolg ist, über den auch Sie sich freuen werden? Vielen Dank. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Herbert Frankenhauser. ({0})

Herbert Frankenhauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kollege Fricke, das ist keine München-Versammlung. Die Rednerabfolge wurde auch nicht abgesprochen. Ob das bei der vorherigen zutreffend ist, weiß ich nicht. Gleichwohl meine besten Glückwünsche zu deinem Geburtstag, lieber Otto. ({0}) Ich habe einmal nachgedacht. Peter Gauweiler ist ein alter Weg- und Kampfgefährte von mir. Es ist jetzt vierzig Jahre her, dass wir, Peter, gemeinsam für den Stadtrat der Landeshauptstadt München kandidiert haben. Ich habe das Revue passieren lassen, als der Bundesaußenminister - der den von dir zitierten noch leicht übertreffen kann - über die Türkei berichtete. Soweit ich mich zurückerinnern kann - ich bin schon in einem gewissen fortgeschrittenen Alter, kann mich aber noch relativ gut zurückerinnern -, hieß es immer: Die Sicherheit Deutschlands garantiert das Bündnis. Ich bin der Meinung: Wer sich über Jahrzehnte auf das Bündnis verlassen konnte, kann nicht, wenn ein anderes Bündnismitglied Solidarität einfordert, das Bündnis verlassen. ({1}) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 05 ist ein kleiner, aber doch feiner. Entgegen vielen Behauptungen und Mutmaßungen ist er nicht immer kleiner geworden, sondern ist von 2,1 Milliarden Euro 2004 kontinuierlich auf nunmehr 3,485 Milliarden Euro gewachsen. Der Anteil für die Kultur stieg im selben Zeitraum von 557 Millionen Euro auf 787 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung von immerhin 41,2 Prozent - obwohl ich in der ganzen Zeit Hauptberichterstatter war und mir immer vorgeworfen wird, ich sei ein Kulturbanause und würde zu wenig für die Kultur tun. Das Gegenteil werde ich gleich unter Beweis stellen. Zunächst aber noch zu den sonst durchaus sehr geschätzten Kollegen der SPD und der Grünen: Die haben noch bei der Einzelplanberatung Anträge für Mehrausgaben gestellt, nämlich die SPD - bescheiden - mit 74 Millionen Euro, die Grünen mit 168 Millionen Euro und die Linken - Spitzenreiter - mit 179 Millionen Euro. Bemerkenswert war, dass für nichts, auch nicht für einen Cent eine Gegenfinanzierung vorhanden war. ({2}) - Sie wollten es vielleicht, aber Sie haben es nicht getan. ({3}) Dass Sie gemerkt haben, dass der alte Spruch Ihres früheren Außenministers „Ohne Moos nix los“ stimmt, hat sich darin gezeigt, dass Sie in der Bereinigungssitzung überhaupt keinen Antrag mehr gestellt haben. ({4}) Jedenfalls haben die Berichterstatter der Koalition - wobei ich auch die Zusammenarbeit mit den Berichterstattern der Opposition durchaus zu schätzen weiß - notwendige und auch vernünftige Korrekturen zum Regierungsentwurf gemacht. Wir haben auch nicht gekürzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie jetzt dauernd erzählt wird. Wir haben bei der Haushaltsposition zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland lediglich eine Sperre verhängt, weil wir wissen möchten, welche Institutionen mit welchen Maßnahmen betraut werden sollen. Wer es noch nicht wissen sollte: Eine Sperre ist keine Kürzung. Das Goethe-Institut - auch da werden mir immer Kürzungen vorgeworfen - hat seinerzeit, als die von mir betriebene Budgetierung des Goethe-Instituts umgesetzt worden ist, von sich aus eine sogenannte Effizienzrendite angeboten. In den letzten Jahren ist sie nicht eingefordert worden, weil das Goethe-Institut gesagt hat, mit der neuen Arbeitsweise und Buchhaltung müsse es erst einmal zurechtkommen. Aber nun hat der Rechnungshof das noch einmal beanstandet. Deswegen haben wir uns daran gehalten - man soll ja Zusagen einhalten - und jetzt diese Effizienzrendite im Haushalt vorgesehen. ({5}) Wir haben die Mittel für die Stiftungen, speziell für die Arbeit in Griechenland und die Verbreitung der Blasmusik dort, ({6}) um 1 Million Euro erhöht. Wir haben die Mittel für das Minenräumen noch einmal um 1,5 Millionen Euro erhöht. Wir haben die Mittel für Krisenprävention und Friedenserhaltung um eine weitere Million Euro erhöht. Wir haben das Hospiz der Borromäerinnen in Jerusalem mit 1 Million Euro bedacht, damit diese besondere Einrichtung im Osten Jerusalems erhalten werden kann. Wir haben Beträge für die Berufsbildung in Ägypten etatisiert - Kollege Brandners Initiative. Und wir haben nach 15 Millionen Euro im Haushalt 2012 nun zusätzlich zum Regierungsentwurf 20 Millionen Euro für die deutschen Schulen im Ausland eingesetzt. ({7}) Die Schulen im Ausland liegen uns besonders am Herzen. Sie sind eine ganz wesentliche Säule des Bildes Deutschlands im Ausland. Ob wir wirklich ein Auslandsschulgesetz brauchen, vor allen Dingen eines, bei dem die Mitwirkung des Parlaments eingeschränkt wird, bedarf noch weiterer Überlegungen und Beratungen. ({8}) Wir haben die Ansätze für den DAAD, den Deutschen Akademischen Austauschdienst, um 5 Millionen, für die Alexander-von-Humboldt-Stiftung um 2 Millionen Euro und für die Deutsche Schule in Istanbul um 1 Million Euro erhöht. Ich denke, auch dies gehört zur Ausstattung unserer auswärtigen Kulturpolitik. Mit diesem Haushalt, Herr Bundesminister, können Sie Ihre erfolgreiche Politik ohne Weiteres fortsetzen. Ich bin gespannt, ob die Grünen dort, wo es rot-grüne Landesregierungen gibt, jetzt endlich eine finanzielle Beteiligung an den deutschen Auslandsschulen wahr machen, die ja über Jahre hinweg eingefordert worden ist. ({9}) Es ist mir auch heute nicht möglich, irgendjemanden auf der Bundesratsbank zu begrüßen. Herr Kollege Kindler, es wäre doch schön, wenn Sie Ihre Kollegen entsprechend animieren würden. Das wäre zum Vorteil unserer deutschen Auslandsschulen. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11538? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Abstimmung über den Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 05 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.11 auf: Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung - Drucksachen 17/10813, 17/10823 Berichterstattung: Abgeordnete Klaus-Peter Willsch Bartholomäus Kalb Bernhard Brinkmann ({0}) Dr. Gesine Lötzsch Zum Einzelplan 14 hat die Fraktion Die Linke einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Bernhard Brinkmann von der SPDFraktion das Wort. ({1})

Bernhard Brinkmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003057, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 14, Verteidigung, umfasst für das Haushaltsjahr 2013 Ausgaben von rund 33,3 Milliarden Euro. Diese Größenordnung - lassen Sie mich das zu Beginn meiner Ausführungen feststellen und einen Blick in die Zukunft wagen - wird gerade auch wegen der begonnenen Neuausrichtung der Bundeswehr auch in den nächsten Jahren benötigt. Wie schnell uns vollmundige, in der Kabinettsklausur im Sommer 2010 beschlossene Sparmaßnahmen wieder einholen können, hat meine Fraktion bei den Beratungen der Haushaltspläne 2011 und 2012 und auch bei der ersten Lesung des Haushalts für das Jahr 2013 deutlich gemacht. Auf eine Anfrage des Kollegen Lindner von den Grünen - ich gehe einmal davon aus, dass er das in seinen Ausführungen noch zum Ausdruck bringen wird wurde uns ein Papier geliefert, mit dem deutlich gemacht werden soll, dass das Einsparziel von rund 8,3 Milliarden Euro, gestreckt um ein Jahr, erreicht wird. Dazu sage ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Dem ist nicht so. ({0}) Dafür gibt es ganz einfache Gründe: Die Kosten für das Einheitliche Liegenschaftsmanagement, für die Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes und für die Tarif- und Besoldungserhöhungen kamen doch nicht über Nacht auf uns zu. Daneben gibt es noch einige andere Kostensteigerungen, die man in der Vergangenheit nicht als Vorsorge berücksichtigt hat. Auch in der mittelfristigen Finanzplanung für die Folgejahre haben Sie dafür keine Vorsorge getroffen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Neuausrichtung der Bundeswehr ist die größte Herausforderung, der sich unsere Bundeswehr jemals zu stellen hatte. Sie wurde begonnen; aber sie läuft noch ein wenig holprig. Dafür gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe. Dass Reformen nicht ohne Reibungsverluste und Zukunftsängste zu realisieren sind, ist eine Selbstverständlichkeit; das weiß jeder. Das gilt auch für die Neuausrichtung unserer Bundeswehr. Wenn allerdings Studien vorliegen, nach denen ein hoher Prozentsatz der Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unzufrieden ist, Herr Minister de Maizière, dann darf man darüber nicht so einfach hinweggehen, sondern dann muss man handeln. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns in den nächsten Wochen und Monaten - es kommen ja die Adventszeit, die Weihnachtszeit, der Jahreswechsel und dann das Frühjahr - darauf verständigen könnten, dass die Bearbeitungszeit von bestimmten Personalvorgängen massiv verkürzt wird. Eine lange Bearbeitungszeit ist kein Einzelfall, sondern scheint bei dieser Reform ein großes Problem zu sein. Gestern und heute ist viel über Sparen gesprochen worden. Es gibt ja auch noch das Liberale Sparbuch. Der Kollege Fricke - lieber Otto Fricke, herzlichen GlückBernhard Brinkmann ({1}) wunsch zu deinem Geburtstag - hat sich auch beim Einzelplan 14 entsprechend geäußert. Allerdings hat er in diesem Bereich nicht ganz die Wahrheit zum Ausdruck gebracht, weil meine Fraktion in der Bereinigungssitzung und auch davor sehr wohl Einsparvorschläge in die Beratung eingebracht hat. Sie haben sie abgelehnt. Demzufolge konnten sie nicht wirksam werden. ({2}) Ihre pauschale Aussage, lieber Herr Fricke, und die Ihres Fraktionsvorsitzenden, Herrn Brüderle, wir würden immer nur mehr Geld ausgeben wollen, stimmt also zumindest für diesen Bereich nicht. Diesen Vorwurf weise ich hier in aller Deutlichkeit zurück. ({3}) Wenn man sich die Struktur des Zivilpersonals noch einmal intensiv anschaut - dabei ist noch nicht alles umgesetzt, was mit der Reform von Verteidigungsminister Struck beschlossen worden ist -, dann wird man feststellen: Die bestehenden Anforderungen sind mit den 55 000 Mitarbeitern, wie von der Koalition vorgesehen, nicht zu leisten. Wir als SPD-Fraktion haben daher beantragt, die Zahl der Zivilbeschäftigten von 75 000 nicht auf 55 000 zu reduzieren, sondern nur auf 62 500. Dieser Antrag ist ebenfalls von der Koalition abgelehnt worden. Dass wir damit aber nicht ganz falsch liegen, kann man schon daran erkennen, dass Sie in der Bereinigungssitzung einen Antrag eingebracht haben, der die Versetzung des Personals in andere Ministerien regelt. Wo dabei etwas eingespart wird, ist mir bis heute schleierhaft geblieben. Lassen Sie mich zum Schluss meinen Dank an die Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz, aber auch hier im Land richten. Sie verrichten einen gefährlichen Dienst. Jede Soldatin und jeder Soldat setzt sich an ihrem bzw. seinem Ort für unser Land ein. Die Soldatinnen und Soldaten inklusive der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Reservisten haben die Anerkennung des Parlaments verdient. ({4}) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Willsch für die Unionsfraktion.

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Dank beginnen. Unsere sehr intensive Diskussion des Einzelplans ist durch Ihr Haus begleitet worden. Herr Minister de Maizière, ich möchte Ihnen und Ihrem Ministerium für die harmonischen und effizienten Beratungen ganz herzlich danken. Unseren Bitten um Auskunft wurde, so wie wir uns das vorgestellt haben, prompt und umfangreich nachgekommen. Die Zusammenarbeit ist exzellent. Ich will an die erste Lesung anknüpfen. Damals hatte ich mich bei den Berichterstattern insgesamt für die gute Zusammenarbeit bedankt. Der Kollege Jürgen Koppelin rief dazwischen, dass das natürlich an der Qualität des Hauptberichterstatters liegt. Jürgen, das will ich sehr gerne konzedieren. Ganz herzlichen Dank für die Zusammenarbeit! Ich will das aber auch zum Anlass nehmen, Bernhard Brinkmann für die Zusammenarbeit zu danken. Beide, Bernhard Brinkmann und Jürgen Koppelin, haben aus eigenem Entschluss klargestellt, dass sie nicht mehr für den nächsten Bundestag kandidieren und deshalb natürlich auch keine Berichterstattung für den Einzelplan 14 mehr wahrnehmen werden. Ganz herzlichen Dank für die Zusammenarbeit! Jürgen Koppelin hat das seit 1994 gemacht. Er ist im Jahr der Wiedervereinigung in den Bundestag gekommen und war in der Folge für sechs Verteidigungsminister Berichterstatter bzw. Hauptberichterstatter für den Verteidigungsetat. Das ist eine beachtliche Leistung. Vielen Dank für diese Zusammenarbeit, ich denke, im Namen aller. ({0}) Es ist angesprochen worden: Wir befinden uns im größten Wandlungsprozess, im größten Prozess der Umstrukturierung der Bundeswehr. Dabei sind innerhalb der Truppe täglich erhebliche Veränderungen im Hause zu spüren und zu verkraften. Dass so etwas Unsicherheit mit sich bringt, Kollege Brinkmann, und sich zunächst auch in Umfragen niederschlägt, halte ich für nachvollziehbar und natürlich. Ich habe aber den Eindruck, dass das Wichtigste, was seitens der Führung des Hauses zu tun war, die klare Definition der Terminvorgaben war, wann was geschieht, wann welche Entscheidung getroffen wird, wer wann wie endgültig eingeplant wird und welche Standorte in welchem Umfang erhalten bleiben. Dadurch, dass das Punkt für Punkt abgearbeitet wird, besteht für die Soldaten Klarheit, wie der Prozess abläuft. Das ist der wichtigste Punkt bei diesem Umbau, und den setzt das Haus nach unserer Auffassung hervorragend um. ({1}) Die Diskussion über die Einsparvorgabe von 8,3 Milliarden Euro im Bereich des Einzelplans 14 können wir gerne führen. Denn so, wie Sie es dargestellt haben, lieber Kollege Brinkmann, nämlich dass alles absehbar war, trifft nicht zu. Wir haben die Einsparvorgabe im Rahmen der Regierungsklausur bekommen - ein Jahr später wurde eine Verlängerung bis 2015 gewährt -, und sie ist im Rahmen der Finanzplanung eindeutig dargestellt. Natürlich ist eine Bereinigung nötig, um Effekte, die separat zu betrachten sind, zu berücksichtigen. Die Tarifsteigerung wie auch die Wiedergewährung des Weihnachtsgeldes ({2}) ist vom Finanzminister im gesamten Bundeshaushalt einbezogen worden. Insofern muss man die Finanzplanung um einen solchen Posten bereinigen, um den Saldo ermitteln zu können. ({3}) Das Gleiche gilt für das Thema BImA. Das sollte man vielleicht für die Öffentlichkeit und die Kameraden auf der Tribüne ansprechen, damit das auch verstanden wird: Dadurch, dass wir die Liegenschaften alle miteinander der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unterstellen, haben wir eine Bilanzverlängerung erfahren. Wir hatten mehr Ausgaben für diesen Bereich und müssen Miete zahlen. Das ist aber sozusagen ergebnisneutral und muss saldiert werden, wenn man den wirklichen Effekt errechnen möchte. Ich glaube, dass wir uns auch hier mit dem, was wir auf den Weg gebracht haben, sehen lassen können. Ich will noch eine kurze Bemerkung zu dem Antrag der Linken machen. Sie fordern im Wesentlichen: Wir schaffen alles ab, was wir an Waffen haben, und stellen die Rüstungsindustrie dann um. - Sie wollen also Konversion. Das kann man zwar so sehen; aber wir sehen das anders. Wir glauben, dass es die erste und vornehmste Pflicht eines Staates ist, die Freiheit und Sicherheit eines Landes nach außen zu sichern. Dafür brauchen wir eine Armee, und sie muss einsatzfähig sein. Wir sehen gerade heute an dem Antrag der Türkei, dass wir keinesfalls in einer sich auf einen ewigen Frieden hin entwickelnden Welt leben, sondern dass es notwendig ist und bleibt, die Freiheit und Sicherheit des Staatsterritoriums sicherstellen und Bündnisverpflichtungen erfüllen zu können. Deshalb braucht man gar nicht weiter auf den Antrag der Linken einzugehen. ({4}) - Sie haben ein völlig anderes Weltbild. Bleiben Sie ruhig dabei. Wir müssen uns nicht weiter darüber auseinandersetzen. Angesichts der Diskussion, die wir heute schon beim Einzelplan des Auswärtigen Amtes geführt haben, nämlich wie wir mit dem Begehren der Türkei, sie bei der Sicherung der Grenze zu Syrien zu unterstützen, umgehen, muss die SPD, so glaube ich, noch einmal darüber nachdenken, was sie in ihrem Strategiepapier niedergelegt hat. Darin geht es im Wesentlichen um die Weiterentwicklung hin zu einer europäischen Armee, die Waffen gemeinsam entwickelt und beschafft. Da muss jedoch noch ein Satz hinzukommen: Es geht auch um eine Armee, die unter gemeinsam festzulegenden Bedingungen eingesetzt werden kann. Hinter die Frage, ob wir es auf europäischer Ebene hinbekommen, ein so weitreichendes Mandat durch das Parlament, wie es in Deutschland der Fall ist, festzulegen, mache ich etliche Fragezeichen. Das ist ein noch offener Punkt in Ihrem Antrag. Ich will noch einige Kleinigkeiten ansprechen, die wir in Einzelanträgen aufgegriffen und als Koalition im Rahmen der Haushaltsberatungen umgesetzt haben. Angesichts der Tatsache, dass die Einsparvorgabe, wie ich dargelegt habe, eingehalten wurde, war für zusätzliche Einsparungen nicht mehr viel Luft. Wir haben uns darauf konzentriert, einige Akzente zu setzen. Wir legen Wert darauf, dass der leichte Unterstützungshubschrauber für die Spezialkräfte jetzt angeschafft wird. Wir haben entsprechende Signale vom Haus bekommen. Wir haben das Kapital für die Härtefallstiftung für die Opfer von Kriegseinsätzen und anderen militärischen Einsätzen um 3 Millionen Euro erhöht. Dabei ist anzumerken, dass alle Stiftungen momentan ein Problem mit der derzeitigen Zinslage haben. Wir haben festgestellt, dass wir beim Thema „Infanterist der Zukunft“ stolz darauf sein können, dass unsere Industrie dieses System entwickelt hat, das sich im Einsatz bewährt. Unsere Partnerarmeen sind geradezu neidisch auf die Ausstattung unserer Soldaten. Es ist ganz wichtig, dass die weitere Einführung nach Plan verläuft. Wir müssen unseren Soldaten die Gewissheit geben, dass wir sie bestens vorbereitet und ausgerüstet in einen Einsatz schicken, damit sie ihren Auftrag erfüllen können und im Feld überleben. Die Ereignisse in Mali bereiten uns große Sorgen. Ich kann aber meine Ausführungen abkürzen, weil darüber schon im Rahmen der Debatte über den Einzelplan des Auswärtigen Amtes diskutiert wurde. Wir können es nicht zulassen, auch nicht in Mali, dass sich der Terror erneut einer staatlichen Struktur bemächtigt und sich in einem Staat festsetzt. Deshalb halten wir es für richtig, dass Mali geholfen wird. Ich will abschließend noch kurz das Thema Rüstungsexport streifen, weil dieses Thema auch von der Bundeskanzlerin kürzlich bei der Bundeswehrtagung in Strausberg angesprochen worden ist. Bei allen Diskussionen, die wir darüber führen, sollten alle, die es ernst mit der Landesverteidigung meinen - die Linken lassen wir einmal außen vor -, noch einmal nachdenken. Wenn wir nicht auf der ganzen Welt intervenieren wollen, dann müssen wir befreundete Länder und Partner ertüchtigen, damit sie die militärische Sicherung selbst durchführen können. Dazu gehört natürlich, dass wir ihnen als Lieferant zur Verfügung stehen und ihnen mit der Lieferung von Waffen und Systemen zur Seite stehen. Ein weiterer Effekt ist, dass es uns nur so möglich sein wird, dass wir im eigenen Lande eine wehrtechnische Industrie erhalten, die sich weiter an der Spitze der technologischen Entwicklung befindet. Unser eigener Markt ist viel zu klein. Deshalb halte ich prinzipielle Diskussionen darüber für nicht angezeigt. Über Details kann man sich immer unterhalten; aber wir sollten versuchen, den relativ breiten Konsens, den wir insgesamt in Fragen der Verteidigungspolitik im ganzen Hause haben, auch auf dieses Technologiefeld auszudehnen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche der Debatte weiterhin einen guten Verlauf. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Inge Höger für die Fraktion Die Linke. ({0})

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Krieg ist kein Gesellschaftsspiel, … Nur die bedingungslose Abkehr vom Krieg überhaupt kann da helfen. ({0}) Das sagte niemand anderes als Albert Einstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Dies sollte uns auch heute noch Verpflichtung sein. Leider erleben wir in Deutschland in den letzten 20 Jahren das genaue Gegenteil, nämlich eine Militarisierung der Außenpolitik. Die jüngste Bundeswehrreform hat das Ganze noch befeuert. Inzwischen werden Auslandseinsätze endgültig zum wesentlichen Aufgabenfeld der Bundeswehr erklärt. Das ist aus Sicht der Linken ein ganz gefährlicher Irrweg. ({1}) Im Rahmen von Haushaltskürzungen wurde bereits 2010 erklärt - Herr Willsch erwähnte es eben -, dass auch die Bundeswehr sparen solle, nämlich 8,3 Milliarden Euro. Die Umsetzung wurde bis heute Jahr für Jahr verschoben, immer auf das nächste Jahr. Auch in diesem Haushalt finden wir nichts, was auch nur annähernd mit Sparen zu tun hat. Stattdessen wurde der Militäretat erneut um 1,6 Milliarden Euro erhöht. Betrachtet man einen längeren Zeitraum, ist die Steigerung noch sehr viel deutlicher. Für 2012 sind Militärausgaben in Höhe von 33,3 Milliarden Euro eingeplant; im Jahr 2000 waren es noch 10 Milliarden Euro weniger. Das entspricht einer Steigerung von über 40 Prozent in zwölf Jahren. Nach den etwas ehrlicheren NATO-Zahlen plant die Bundesregierung im nächsten Jahr Militärausgaben in Höhe von 37 Milliarden Euro. Dieses Geld würde dringend für Bildung und Soziales oder Entwicklungshilfe gebraucht. ({2}) Die Steigerungen lassen sich nicht mit steigenden Personalausgaben und Kosten für die Altersversorgung begründen. Im Jahr 2000 wurden mit 23 Milliarden Euro circa 300 000 Soldaten und 600 Bundeswehrstandorte finanziert. Heute wird für eine deutlich kleinere Armee mit 190 000 Soldaten und 390 Standorten deutlich mehr Geld gezahlt. Leider hat diese Verkleinerung der Bundeswehr nichts mit Friedenspolitik zu tun; sonst würden wir das sehr begrüßen. Wir erleben aber das genaue Gegenteil. Zukünftig sollen Auslandseinsätze die Priorität haben. Statt bisher circa 7 000 sollen mehr als 10 000 Soldatinnen und Soldaten für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen. Genau diese Kriegs- und Besatzungseinsätze machen die Bundeswehr so teuer. ({3}) Ich halte wenig von der europäischen Rüstungsagentur. Es wäre besser, diese Institution abzuschaffen. Sie sollte durch eine Abrüstungsagentur ersetzt werden. Die europäische Rüstungsagentur hat aber interessante Zahlen gesammelt. Sie hat dokumentiert: Die Zusatzkosten für die Kriegs- und Besatzungseinsätze für jeden eingesetzten Soldaten haben sich allein in den vier Jahren von 2006 bis 2010 in etwa verdoppelt. Auch hier waren nicht die Personalkosten die wesentlichen Preistreiber. Es waren die immer teurere Ausrüstung, die entsprechend steigenden Wartungskosten, der höhere Munitions- und Treibstoffverbrauch. ({4}) - Das ist alles im Einzelplan 14. ({5}) Die deutsche Militärpolitik produziert zahlreiche Verliererinnen und Verlierer: ({6}) die Menschen in den Einsatzgebieten, die Soldaten, die für diese Politik verheizt werden, aber auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die diesen Wahnsinn bezahlen müssen. Gleichzeitig produziert diese Politik aber auch Gewinner: Die Rüstungsindustrie profitiert massiv von der intensiveren und stärker technisierten Kriegsführung. Wenn zukünftig verstärkt Drohnen und weiteres Hightechkriegsgerät auch von der Bundeswehr beschafft und eingesetzt werden, sind weitere Kostenexplosionen zu befürchten. Statt immer neue Waffen zu beschaffen, fordert die Linke Frieden durch Abrüstung. ({7}) Die Rüstungsproduktion für deutsche Streitkräfte und der Rüstungsexport hängen eng zusammen. Export macht die deutsche Kriegsführung preiswerter, da die Stückkosten für neues Kriegsgerät sinken. Der Ruf nach deutscher Kriegsbeteiligung in aller Welt, egal ob humanitär oder mit anderen Lügen begründet, fördert auch die entsprechende Rüstungsproduktion und den Rüstungsexport. So kann die Rüstungsindustrie weitere Profite machen. Auf der Gegenseite entstehen neue Krisen und Spannungen in aller Welt. Die neuesten Rüstungsexportzahlen sind erschreckend. Im letzten Jahr wurden deutsche Rüstungsexporte in Höhe von 5,4 Milliarden Euro genehmigt. 42 Prozent der Kriegswaffen werden in Länder außerhalb von EU und NATO exportiert. Ich bin erschrocken über die Rechtfertigung solcher Genehmigungen. Kanzlerin Merkel erklärte im letzten Jahr: Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein. Diese Merkel-Doktrin stützt sich entweder auf deutsche Soldaten oder auf deutsche Waffen. Dies hat katastrophale Konsequenzen. Gerade in der Nahostregion brau25292 chen wir nicht noch mehr Waffen. Wir brauchen Abrüstungsinitiativen und eine Rückkehr der Diplomatie. ({8}) Deutsche Waffen kommen auf dem Umweg über die Golfstaaten in den syrischen Bürgerkrieg. Deutsche Waffen befähigen die saudische Armee, bei Protesten in Bahrain zu intervenieren. Deutsche Waffen bestärken die israelische Regierung in ihrer Politik, die in erster Linie auf militärische Stärke setzt. Die verheerenden Folgen sehen wir zurzeit in Gaza. Wer andere Länder aufrüstet, der ist auch verantwortlich für die katastrophalen Konsequenzen, die sich ergeben, wenn Öl ins Feuer gekippt wird. Die Linke fordert eine Rückkehr zu einer Politik der Deeskalation und Versöhnung. Wir fordern ein Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr, den sofortigen Abzug aus Afghanistan und einen Ausstieg aus der Rüstungsproduktion sowie ein Ende der Rüstungsexporte. Frieden lässt sich nicht herbeibomben. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Dr. h. c. Jürgen Koppelin das Wort. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf als Hauptberichterstatter den Dank an meine Mitberichterstatter weitergeben. Ich sage ausdrücklich: Ich schließe die Kollegin Lötzsch - sie ist heute, glaube ich, nicht da - in diesen Dank mit ein. Wir haben in diesem Team eine ganz hervorragende Zusammenarbeit an den Tag gelegt; das muss ich sagen. ({0}) Kollege Brinkmann, da wir beide aus diesem Hause ausscheiden wollen, können wir jetzt besonders viel Lob verteilen. Kollegin Höger, es wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie außer dem Neuen Deutschland noch einige andere Zeitungen lesen würden. ({1}) Vielleicht bekämen Sie dann ein anderes Bild. Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die Debatte heute zog sich - der Außenminister und die Bundeskanzlerin haben dazu Stellung genommen - die Anforderung von Patriot-Raketen und NATO-Unterstützung seitens der Türkei. Ich finde, das bewegt schon. Genauso hat mich übrigens damals, in der Zeit der rot-grünen Koalition, bewegt, dass wir Israel Patriot-Raketen zur Verfügung gestellt haben. Das geschah allerdings ohne Personal und ohne Parlamentsbeteiligung; das will ich ausdrücklich sagen. Dass wir diese Raketen zur Verfügung gestellt haben, habe ich für selbstverständlich gehalten. Auch jetzt halte ich es für selbstverständlich, dass wir unserem NATO-Partner Türkei helfen. ({2}) Warum erwähne ich das? Ich erwähne es auch, weil sich manche in den letzten Tagen, wie ich finde, sehr vorlaut geäußert haben, und zwar bevor die Anforderung aus der Türkei überhaupt vorlag. Wenn ich das sage, schaue ich ein bisschen auf einen Kollegen von den Grünen, der im hinteren Bereich sitzt. ({3}) - Lieber Kollege! - Wenn wir uns als Politiker äußern, sollten wir gleichzeitig immer daran denken - in der Nähe meines Wahlkreises gibt es einen Bundeswehrstandort, dessen Soldaten von unserer Entscheidung wahrscheinlich betroffen sind: Husum -, wie die Menschen darauf reagieren, wie sehr sie durch die Meldungen - der eine sagt dies und der andere das verängstigt werden. Man sollte mit diesem Thema also ein bisschen sensibler umgehen. Wenn wir uns öffentlich äußern, sollten wir vor allem an die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr denken, die diesen Einsatz durchführen müssen. ({4}) Das gilt grundsätzlich. Von Berlin aus lässt sich alles wunderbar kommentieren, Dinge in Afghanistan wie solche, mit denen wir es in der Vergangenheit zu tun hatten, oder dieser Einsatz. Aus der warmen Stube lässt sich das alles ganz leicht kommentieren. Aber man sollte immer an die Menschen denken. Ich sage mit Blick auf den Haushalt: Wir haben mit dem Haushalt 2012 und auch jetzt erneut dazu beigetragen, den Beförderungsstau erheblich abzubauen. Wir haben 100 weitere A-12-Planstellen geschaffen. Ich glaube, das ist ein gutes Signal an unsere Soldaten. Natürlich wissen wir, dass die Bundeswehr attraktiver werden muss, auch was die Besoldung angeht. Wir wollen gutes Personal und stehen im Wettbewerb mit der Wirtschaft. Insofern, glaube ich, haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen. Es gibt einen weiteren Punkt. Ich bleibe bei den Angehörigen oder den ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr und der NVA. Herr Kollege Willsch hat es schon angesprochen. Wir haben den Fonds für Strahlengeschädigte von NVA und Bundeswehr noch einmal um 3 Millionen Euro aufgestockt. Ich finde, auch das war ein richtiges Signal. An dieser Stelle möchte ich Staatssekretär Schmidt für sein Engagement in diesem Bereich ausdrücklich danken. ({5}) Frau Kollegin, Sie haben gerade gesagt, wir hätten keine Einsparungen vorgenommen. Ich verweise hier noch einmal auf den Haushalt. Sie sollten einmal hineingucken. Ich habe den Eindruck, Sie haben gar nicht hinDr. h. c. Jürgen Koppelin eingeguckt. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Das wird im Jahr 2013 noch nicht wirksam, aber für die Zeit ab 2014 haben wir Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 650 Millionen Euro gestrichen. Das ist doch kein Pappenstiel. ({6}) Sie hätten nur einmal in den Haushalt gucken sollen. So einfach ist das. Früher habe ich auch bei Veranstaltungen der Bundeswehr gesagt, dass der Bundeswehretat 10 Prozent des Bundeshaushaltes ausmachen müsste. Heute liegen wir bei etwa 11 Prozent. Das ist ein ausgesprochen gutes Signal. ({7}) Da ich wahrscheinlich das letzte Mal in einer Haushaltsdebatte rede, erlauben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, den einen oder anderen Wunsch zu äußern. Die Kosten für unsere Einsätze im Ausland liegen bei etwa 900 Millionen Euro. Es war immer mein Wunsch, dass diese Kosten im Einzelplan 60 ausgewiesen werden und nicht aus dem Verteidigungsetat bestritten werden müssen. Das wäre ehrlicher und offener. ({8}) Ein Steckenpferd von mir betraf die Flugbereitschaft der Bundeswehr. Diese arbeitet hervorragend. Aber jeder Minister, einschließlich der Bundeskanzlerin, der die Flugbereitschaft bestellt, sollte anschließend abrechnen, und dieses sollte sich im jeweiligen Etat widerspiegeln und nicht allein auf Kosten der Bundeswehr gehen. Was die Kosten angeht, wäre auch das ehrlicher; denn auch dieses steigert den Etat des Verteidigungsministeriums. ({9}) Wir haben Diskussionen gehabt über die Frage: Bekommen wir, wenn wir eine Freiwilligenarmee haben, genug junge Leute zusammen, die sich melden? Ich finde, die Zahlen sehen sehr gut aus. Darüber können wir alle froh sein. Ich sage noch einmal und wiederhole mich: Wir müssen attraktiv sein, auch bei der Besoldung. Wir müssen attraktive Standorte haben. Es muss ein Beruf sein, bei dem man sagt: Ja, ich bin bereit, dorthin zu gehen. - Wir konkurrieren mit der Wirtschaft. Insofern finde ich die Zahl der freiwillig Wehrdienstleistenden ausgesprochen gut. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch sagen: Ich wünsche mir, dass wir in nächster Zeit, auch aus dem Ministerium, Vorschläge bekommen, wo weitere Einsparungen möglich sind. Das ist nicht die Aufgabe der Haushälter, Herr Minister. Ich weiß, dass Sie hier auf dem richtigen Wege sind. Wenn ich mir anschaue, welche Beschaffungsmaßnahmen wir beschlossen haben - alles Dinge, die wir heute in dieser Stückzahl nicht mehr brauchen -: Es ist dringend geboten, mit der Industrie zu sprechen. Das ist nicht gegen die Industrie gerichtet, aber wir brauchen modernes Gerät. Ich nenne Ihnen als Beispiel die Stückzahl der Eurofighter. Hier tragen wir Verantwortung, auch meine Partei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Luftkrieg wie anno Tobak geben wird. Wir brauchen heute weniger Eurofighter. Beim Transportflugzeug haben wir das gemacht. Hier erwarte ich aber auch, dass Firmen wie EADS ihre Verträge einhalten und es nicht schon wieder Verzögerungen gibt. Schauen Sie sich die einzelnen Beschaffungsmaßnahmen an! Ich glaube, da wären noch Einsparungen möglich. Herr Minister, schauen Sie sich bitte auch einmal das Bekleidungsmanagement an! Das sind alles Entscheidungen, die unter rot-grüner Regierung getroffen wurden. Man wollte privatisieren. Das waren keine Entscheidungen der FDP. Ich hätte längst nicht alles privatisiert. Man muss nicht um jeden Preis privatisieren. Nehmen Sie den Bundeswehrfuhrpark! Der Rechnungshof sagt, allein beim Bundeswehrfuhrpark könnte über 1 Milliarde Euro eingespart werden. Schauen Sie sich das für die nächsten Haushalte an! Ich glaube, das käme der Bundeswehr zugute. Ansonsten ist dieser Haushalt ein sehr guter Haushalt. In Richtung Bundeswehr sage ich: Sie haben einen guten Verteidigungsminister. Herzlichen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Dr. Tobias Lindner das Wort.

Dr. Tobias Lindner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004217, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Koppelin, Sie haben sich auf die Anfrage der Türkei zu Patriot-Systemen bezogen und in diesem Zusammenhang, ich finde, durchaus zu Recht von einer gewissen Sensibilität gegenüber den betroffenen Soldatinnen und Soldaten gesprochen. Meine Fraktion hält es aber dann, wenn wir das mit der Sensibilität gegenüber den betroffenen Soldatinnen und Soldaten ernst meinen, auch für geboten, dass wir die Fragen, die im Raum stehen, bei denen einige Mitglieder dieses Hohen Hauses skeptisch sind, in aller Sachlichkeit und der Reihe nach klären, bevor wir zu einer Entscheidung kommen, und dass wir - wenn wir über „Entscheidung“ reden - diese Entscheidung an diesem Ort und an dieser Stelle treffen. Ich bin den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar, die sich in den letzten Tagen ausdrücklich für eine Parlamentsbeteiligung ausgesprochen haben. Ich bin Ihnen, Herr Minister, sehr dankbar, dass Sie an dieser Stelle klare Worte gefunden haben, weil wir überzeugt sind: An keiner anderen Stelle als hier im Deutschen Bundestag kann und sollte diese Entscheidung getroffen werden. ({0}) Wir haben in dieser Debatte bereits viel über diese mysteriöse Einsparvorgabe von 8,3 Milliarden Euro gesprochen, die Ihr Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg bei der Kabinettsklausur ausgegeben hat. Ihr Haus hat mir auf meine Nachfrage hin eine - das will ich zugestehen - durchaus sehr kreative Rechnung präsentiert, nach der, würde man dieser Rechnung glauben, diese Einsparvorgabe erbracht werden würde. Ich will in diesem Zusammenhang über drei Dinge reden: Es war nicht unbekannt, als die Kabinettsklausur stattfand, dass es in diesem Land ein Einheitliches Liegenschaftsmanagement gibt, in das die Liegenschaften der Bundeswehr überführt werden. Es war richtig und wichtig - Herr Kollege Koppelin hat über die finanzielle Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten gesprochen -, dass es Gehaltssteigerungen bei der Bundeswehr gibt. ({1}) Aber die Tatsache, dass es in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zu Gehaltssteigerungen kommt, ist ähnlich überraschend wie Weihnachten im Dezember. Ein weiterer Punkt. Es ist im Grunde ein Treppenwitz, dass sich ausgerechnet die Linke auf die NATO-Kriterien für Verteidigungsausgaben bezieht. Nehmen wir diese einmal ernst! Dabei muss man die 1 Milliarde Euro berücksichtigen, die in den Einzelplan 60 für Personalausgaben verlagert wurde. Wenn man berücksichtigt, dass die veranschlagten 8,3 Milliarden Euro mittelfristig über vier Jahre zu erbringen waren, dann erkennt man schon an dieser Stelle, dass allein die Hälfte dieser Einsparung von 8,3 Milliarden Euro durch die Personalkosten im Einzelplan 60 sozusagen aufgefressen werden. Das sind ja keine virtuellen Kosten; diese Kosten fallen real an. Welche Schlussfolgerungen muss man daraus ziehen? Herr Minister, sagen Sie den Soldaten an dieser Stelle die Wahrheit! Die Sparvorgabe, die Ihr Vorgänger ausgebracht hat, kann mit dieser Reform nicht erbracht werden. Die Soldatinnen und Soldaten in unserem Land haben doch keine Angst vor der Wahrheit. Sie haben Angst davor, dass man ihnen etwas vormacht und dass dann eine weitere Reform die Konsequenz wäre. Deswegen müssen wir uns an dieser Stelle ehrlich machen. ({2}) Ein anderer Punkt. Die Konsolidierung eines Haushalts, das Erfüllen einer Sparvorgabe sind kein Selbstzweck. Wenn wir in diesem Land - darüber wurde heute Morgen in der Elefantenrunde viel gesprochen - andere Prioritäten setzen wollen, wenn wir mehr Geld für Bildung und Forschung und im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit ausgeben wollen, wenn wir in diesem Bundeshaushalt zugleich die Risiken abbilden wollen, die sich aus der Schuldenkrise in Europa ergeben, und wenn wir der Schuldenbremse gerecht werden wollen, dann müssen wir auch - in der vorangegangenen Debatte zum Einzelplan 05 ist darauf hingewiesen worden - sagen, wo dieses Geld herkommen soll. Wenn wir an dieser Stelle so ehrlich sind, dann müssen wir auch sagen: Wenn ein Konsolidierungsbeitrag erbracht werden soll, dann muss die Bundeswehr wegkommen vom Konzept „Breite vor Tiefe“. Sie braucht vielmehr ein Fähigkeitsprofil, das einer modernen Armee in einem Land entspricht, das nicht mehr bedroht ist, einer Armee, die in Bündnisse eingebunden ist. Ein solches Fähigkeitsprofil muss definiert werden. Hierauf muss man sich konzentrieren. Und das tun Sie gerade nicht. Ich fand, dass diese Debatte heute in einer sehr angemessenen Tonlage verlaufen ist. Daher möchte ich zum Schluss Ihnen, Herr Kollege Koppelin, für die Hauptberichterstattung danken. Ein Dank gilt auch meinen Kollegen Mitberichterstattern und der Kollegin Mitberichterstatterin. Viele von Ihnen wissen es: Ich bin ein Mensch, der den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert hat, der nach der Prüfung seines Gewissens zum Ergebnis kam, dass er nicht in der Lage ist, in der Bundeswehr einen Dienst zu leisten. Das hindert mich aber nicht daran, den Soldatinnen und Soldaten Respekt entgegenzubringen, die ihren Dienst tun und Einsätze erfüllen, in die wir, der Deutsche Bundestag - gleich wie wir einzeln abgestimmt haben und wie wir morgen darüber denken -, sie geschickt haben. Ich finde, diese Debatte ist dieser schweren Aufgabe angemessen. Auch die Gespräche der Berichterstatter im letzten Jahr waren ihr angemessen. Ich danke Ihnen. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière. ({0})

Not found (Minister:in)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Dank der Berichterstatter im Namen meines Ministeriums und in meinem Namen gern zurückgeben. Die Zusammenarbeit war im Hinblick auf Qualität, Klima, Tonlage und Ergebnis bemerkenswert. Das finde ich gut; das ist der Sache angemessen. Herr Lindner, jedes Mal, wenn wir uns treffen, reden wir über diese 8,3 Milliarden Euro. Sie haben gesagt, wir sollten uns in dieser Debatte jetzt ehrlich machen. Es gibt nichts Ehrlicheres als das Zahlenwerk des Haushaltes: Im Haushalt stehen alle Zahlen, steht das Ergebnis. ({0}) Daneben gibt es die mittelfristige Finanzplanung. Die Zahlen sind so, wie sie sind. Ich kann nur sagen - ich habe es hier gesagt, ich habe es bei der Bundeswehrtagung gesagt -: Mit diesem Zahlenwerk und der mittelfristigen Finanzplanung ist die Neuausrichtung der Bundeswehr solide finanziert. Das ist gut und richtig so. Ich finde es interessant, dass die Opposition immer nach diesen 8,3 Milliarden Euro sucht. Das basiert auf der 43. FiBundesminister Dr. Thomas de Maizière nanzplanung. Die Dinge stellen sich jetzt so dar, wie es die Zahlen hergeben. Sie müssen sich einmal einig werden, ob Sie das kritikwürdig finden oder nicht. Jedenfalls: Der Haushalt ist so, wie er ist, auskömmlich. Wir haben in der Bereinigungssitzung einen kleinen Schlag mitbekommen. Wir haben allerdings auch etwas Gutes mitbekommen: Die Mittel für die Höhergruppierung helfen bei der Anpassung an das Personalstrukturmodell und damit der Bundeswehr. So ist es im Leben; so ist es beim Haushalt. Ich habe das Ergebnis nicht weiter zu beanstanden. In der ersten Lesung haben wir sehr intensiv über die Neuausrichtung der Bundeswehr gesprochen, auch, Herr Brinkmann, über die Studie, die damals gerade frisch vorlag. Natürlich hat sie Konsequenzen; wir haben das bei der Bundeswehrtagung erörtert und werden das weiter tun. In der Tat ist jetzt das Hauptthema bei den Soldaten: Wie kommt es schnell zu Personalsicherheit? Selbst wenn es hier eine schlechte Nachricht gäbe, wäre dies besser als die derzeitige Unsicherheit. Es dauert ein bisschen, bis das geklärt ist. Es wird vorangehen. Ich kümmere mich darum; die Verantwortlichen kümmern sich darum. Das ist ein zentrales Thema. Ich glaube, es ist angemessen - das erwarten Sie von mir -, dass ich in der heutigen Debatte keine größeren Ausführungen zur Neuausrichtung mache, sondern ein paar Anmerkungen zur Sicherheitspolitik, insbesondere zum Antrag der Türkei. ({1}) Der Außenminister konnte Ihnen nur mitteilen, dass der Antrag, während die Debatte stattfand, eingegangen ist. Ich will den Antrag ein bisschen erläutern. Ich will allerdings eines vorab sagen. Es gehört zur Debatte hier und heute; es gehört zur Beschreibung des Nahen Ostens. Ich bedanke mich für die große Einmütigkeit, die es in der Debatte über die Etats des Kanzleramts und des Außenministeriums bei diesem Thema gab. Das, was der türkische Ministerpräsident in diesen Tagen zu Israel gesagt hat, ist indiskutabel und es findet meine Zustimmung überhaupt nicht. Das sage ich vorweg. ({2}) - Nein. Ich will sagen: Man kann öffentlich verurteilen, dass ein Bündnispartner, dem wir jetzt helfen werden, in solch einer Weise über den Staat Israel und das, was Israel gemacht hat, geredet hat. Um es ganz klar zu sagen: Ich tue es hiermit. ({3}) - Möglicherweise haben nicht alle verstanden, worauf sich meine Äußerung bezog. Der türkische Ministerpräsident hat Israel in diesem Zusammenhang „ethnische Säuberung“ und anderes vorgeworfen. Um es klar zu sagen: Das ist in der Sache und in der Tonlage total daneben. ({4}) Hier geht es um den Antrag der Türkei, der jetzt vorliegt. Wir haben über die Frage diskutiert, insbesondere der Abgeordnete Nouripour: Was heißt das für die Debatte über Flugverbotszonen? Gibt es hier einen Rutschbahneffekt? Inwieweit wird Deutschland da hineingezogen? - Ich hoffe, ich kann das, wenn ich das jetzt erläutere, glasklar ausräumen. In dem Antrag selbst - also nicht in unserer Antwort bittet die Türkei um Hilfe beim Schutz der Bevölkerung und des Territoriums, um einen Beitrag zur Deeskalation der Krise entlang der Südostgrenze des NATO-Gebietes zu leisten und um die Solidarität und die Entschlossenheit der Allianz zu demonstrieren. Das ist der erste Punkt. Die Türkei selbst schreibt in ihrem Antrag: Diese Stationierung - ich habe hier den Text nur auf Englisch, ich übersetze ihn mit meinen eigenen Worten - wird ausschließlich defensiv sein, sie wird - in no way support in keiner Weise unterstützen eine Flugverbotszone oder irgendeine offensive Operation. - Das ist bereits im Antrag der Türkei enthalten. Die Sozialdemokraten haben darauf hingewiesen, dass sie eine schriftliche Erklärung von der Türkei wollen, dass es keinen Schritt zu einer No-fly-Zone gibt. Diese Erklärung liegt jetzt vor, sodass jede Verdächtigung gegenüber diesem Antrag in Bezug auf eine Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg gegenstandslos geworden ist. Deswegen werde ich, Herr Außenminister, empfehlen, diesem Antrag zuzustimmen. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Nouripour?

Not found (Minister:in)

Eine Bemerkung darf ich, glaube ich, nicht gestatten, nur eine Frage.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Doch, nach Geschäftsordnung ist beides möglich. Ich kann aber nicht erkennen, was es sein wird.

Not found (Minister:in)

Er kann sagen, was er für richtig hält. - Bitte.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. Ich will eine Frage stellen. Herr Minister, Sie haben gerade dargelegt, was die Türkei für eine No-fly-Zone beantragt hat. ({0})

Not found (Minister:in)

In Bezug auf die No-fly-Zone.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe Sie gerade so verstanden, dass die Türkei in ihrer Request ausschließt, dass es eine No-fly-Zone mit den Mitteln der NATO geben wird.

Not found (Minister:in)

Ja.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mich treibt am meisten die Frage um, ob wir Instrumente geben an Personen oder Gruppen auf der anderen Seite der Grenze, die etwas davon hätten, wenn die NATO Teil des Konflikts wäre und damit das Gleichgewicht der Kräfte aushebeln würde. Meine Frage ist: Wenn Sie noch nicht genau sagen können - so war zumindest mein Stand heute Morgen im Ausschuss -, wo genau stationiert werden soll, wie können Sie das Szenario, das Risiko, das ich gerade beschrieben habe, ausschließen?

Not found (Minister:in)

Zunächst kann ich Ihnen mitteilen, dass in der nächsten Woche eine Besichtigung der Stationierungsorte stattfinden wird. Wenn schon der Antrag darauf abzielt, dass die Stationierung defensiv ist, wird von uns technisch, rechtlich und politisch, faktisch auch genau so gehandelt. In der Antwort werden wir das genau so niederlegen. Man kann in Sorge weiter herumsuchen. Am Wochenende wurden verständlicherweise Debatten geführt. Heute wurde der Antrag in aller Klarheit vorgelegt. Dadurch sind, glaube ich, sämtliche möglichen kritischen Anmerkungen gegenüber dieser Operation erledigt. Trotzdem kann man ihn ablehnen. Trotzdem kann man kritische Fragen stellen. Aber ob damit dieses oder jenes gemeint sein könnte, alles, was in den vergangenen Tagen diskutiert wurde, ist negativ beantwortet, und das ist gut so. Ich will ein Wort zu AWACS sagen, weil das heute Morgen eine Rolle spielte. Ich kann für die Bundesregierung sagen, dass eine zusätzliche Verlegung von AWACS zu diesem Zweck nicht beantragt, nicht beabsichtigt ist und auch nicht stattfindet. Das ist ein klarer Punkt. Dass das, was ohnehin im Rahmen der NATO routinemäßig - „routinely“ wird es in diesem Antrag heißen - da ist, selbstverständlich weiterhin genutzt werden kann, das versteht sich, glaube ich, von selbst. Das wird auch der Fall sein. Wenn Sie den Antrag im Einzelnen lesen, werden Sie das genau bewerten können. Wir werden im Ausschuss sicher noch darüber beraten. Lassen Sie mich noch einmal unterstreichen - Herr Westerwelle hat es vorhin gesagt -: Wir sind entschlossen, den Antrag positiv zu beantworten und ihn, wenn die Voraussetzungen vorliegen, auch schnellstmöglich positiv zu bescheiden. Das bedeutet auch - damit komme ich zur Mandatspflicht -, dass wir in der Bundesregierung so schnell wie möglich ein Mandat dazu erarbeiten und dem Deutschen Bundestag vorlegen werden. Ich möchte allerdings den Deutschen Bundestag bitten, das so zu beraten - wir geben uns alle Mühe, was die zeitlichen Abläufe angeht -, dass wir spätestens in der Dezembersitzung in zweiter Lesung ein Ergebnis haben. Das wäre, glaube ich, angemessen. Ich will noch etwas zur Mandatspflicht sagen, weil wir ein paar Tage mit der Entscheidung zu dieser Frage gewartet haben. Ich will Ihnen kurz mein Motiv dazu offenlegen. Es kann nicht sein, dass man - das habe ich schon heute Morgen im Ausschuss gesagt - die Frage der Mandatspflicht nach politischer Opportunität entscheidet: Da passt es mal; dann sind wir für Mandatspflicht. Da passt es mal nicht; dann machen wir es mal lieber nicht. Wir definieren das so, wie es gerade politisch passt. - Das wollen wir nicht. Deswegen musste ein bisschen klarer sein, worum es geht. Man könnte durchaus argumentieren, dass eine rein defensive Maßnahme, von der wir überzeugt sind, dass sie die Gefahr einer Eskalation vermindert und nicht erhöht, gerade deswegen die Mandatspflicht nicht begründet, weil sie die Einbeziehung in militärische Auseinandersetzungen vielleicht unwahrscheinlicher macht. Aber: Es kommt hier nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr stark auf die zeitliche und inhaltliche Nähe sowie auch auf die Einsatzart an. Danach ist es völlig eindeutig - nach meiner Überzeugung; das ist die Überzeugung der Bundesregierung -, dass dieser Vorgang ein Mandat erfordert. Deswegen wird es ein Mandat geben. ({0}) Ich wollte nur einmal begründen, wo im Einzelnen die Argumentationslinie verläuft. So weit zur Türkei. Ich hoffe sehr, dass wir nach einer ruhigen Debatte dazu auch zu einer gemeinsamen Auffassung kommen. Bei allen Fraktionen möchte ich sehr dafür werben, dass wir durch öffentliche Äußerungen - ich sage es einmal ganz schnörkellos - die SPD und die Grünen nicht auf frühere Äußerungen festnageln, sondern völlige Freiheit und Offenheit haben. Ich möchte dafür werben, dass die SPD und die Grünen im Lichte der jetzigen Entwicklung dem Antrag im Ergebnis zustimmen. Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zu Afghanistan sagen. Wir werden darüber ausführlich debattieren. Die Bundesregierung wird ein neues Mandat beschließen. Das Mandat wird - mit Blick auf die Regierungsneubildung; es gibt auch einige taktische und fachliche Gründe, die dafür sprechen - eine etwas längere Laufzeit - 13 Monate - haben. Wir haben dieses Mandat gemeinsam erarbeitet. Wir haben es auch konsentiert. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Mandat international passfähig, militärisch lageorientiert und politisch verantwortbar ist. International haben wir gesagt: together in, together out. Zusammen sind wir nach Afghanistan hineingegangen; wir gehen auch zusammen heraus. Das ist die internationale Botschaft. Bisher ist es - jedenfalls überwiegend - gelungen, das auch national so zu sehen. Ich hoffe sehr, dass es dabei bleibt. Das ist im Interesse der Soldaten. Nach alledem bitte ich im Interesse der Bundeswehr um eine breite Zustimmung zu diesem Haushalt. Vielen Dank. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Rainer Arnold für die SPDFraktion. ({0})

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn es um die Parlamentsarmee geht, bedeutet das mehr, als hier gelegentlich bei Entsendeentscheidungen Ja oder Nein zu sagen. Es ist eine besondere Verantwortung, die alle Abgeordneten im Deutschen Bundestag tragen. Dies wissen wir, und diese Verantwortung nehmen wir auch als Oppositionspartei wahr. Deshalb brauchen wir diesbezüglich auch keine Belehrungen von Herrn Mißfelder und vom Kollegen Schockenhoff. ({0}) Diese Verantwortung bedingt aber auch, dass die Regierung ihren Informationspflichten gegenüber dem Parlament nachkommt. Herr Minister, bei Patriot haben Sie das eben nicht getan. Wenn Sie zuerst mit der Presse reden und wir das dann aus der Zeitung erfahren, haben Sie unserem eigentlich gemeinsamen Anliegen, eine gute Debatte zu führen, wirklich keinen Gefallen getan. ({1}) Heute früh hat der Bundestag seine Rechte deutlich eingefordert. Die Debatte war hilfreich. Das, was Sie jetzt erklärt haben, ist nötig und hilfreich, vor allen Dingen auch die Absicht der Türkei, schriftlich zu fixieren, dass diese Raketensysteme keinesfalls eine Veränderung ihrer - das muss man sagen - bisher sehr verantwortungsvollen Politik an dieser schwierigen Grenzsituation herbeiführen werden. Herr Minister, wenn Sie jetzt auch noch sagen würden, dass nicht die Deutschen allein, sondern auch noch andere Partner, die Patriot-Raketen haben, mit beteiligt sind, und Sie, Herr Minister, sich am Ende - vielleicht auch, wenn es um AWACS geht - das Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 einmal genau anschauen und auch hier eine Lernkurve haben und feststellen, dass man AWACS mit mandatieren muss, wird meine Fraktion, glaube ich, vor dem Hintergrund der Bündnisloyalität über diesen Einsatz verantwortungsvoll diskutieren und dann verantwortungsvoll entscheiden. Sie haben heute überhaupt nicht über die Reform gesprochen. Ich glaube, wir müssen trotzdem darüber reden, und zwar vor dem Hintergrund der Türkei-Debatte, der Mali-Debatte und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass 16 UNO-Missionen in der Welt dringend technische, infrastrukturelle und logistische Unterstützung von den Industriestaaten benötigen. Die Debatte der jüngsten Monate zeigt doch, Herr Minister, dass Sozialdemokraten mit ihrer Einschätzung recht hatten, dass die zukünftigen Einsätze der Bundeswehr eher nicht wie der Afghanistan-Einsatz aussehen werden, sondern es in Zukunft viele kleine Einsätze geben wird, bei denen es um infrastrukturelle und logistische Unterstützung geht. Herr Minister, die Reform bildet diese zukünftigen Anforderungen nicht ausreichend ab. Wir haben die Debatte „Breite vor Tiefe“ schon oft geführt. Es bleibt richtig, dass man angesichts der veränderten Welt andere Prioritäten setzen müsste. Doch was machen Sie? Wir diskutieren über den Einsatz von Patriot-Raketen. In Wirklichkeit wird diese Fähigkeit aber halbiert. Das ist ein Schmuckstück, über das nur drei Länder in der NATO verfügen. Wir diskutieren über Hubschrauber. Und was machen Sie? Statt ein paar in den Südsudan zu schicken, werden die Hubschrauberfähigkeiten reduziert. Wir reduzieren auch logistische Fähigkeiten, die wir in Mali gebrauchen könnten. Herr Minister, Sie haben auf der Kommandeurtagung die Weizsäcker-Kommission zitiert: Die Bundeswehr ist zu groß, sie ist falsch zusammengesetzt, sie ist unmodern. - Ja, sie ist zu groß. Sie wird jetzt kleiner. Aber Sie reduzieren die Bundeswehr mit dem Rasenmäher, wo der Rasentrimmer angesagt wäre. Die Truppe ist falsch aufgestellt, falsch strukturiert. Sie bleibt aber falsch aufgestellt, weil Sie alles nur reduzieren, aber die Verhältnisse nicht ändern. Es wurde auch gesagt, die Truppe sei unmodern. Ich glaube, die Truppe ist nicht unmodern. Fakt ist aber: Der Etat für Investitionen ist in diesem Jahr so gering wie nie. Damit schafft man keine modernen Streitkräfte. ({2}) Herr Minister, mich wundert, dass Sie entgegen Ihrem eigentlichen Politikstil angefangen haben, Ihre Reform kommunikativ ein bisschen zu überhöhen. Sie reden nicht mehr von einer Reform oder einer Transformation. Sie reden von einer Neuausrichtung, als ob man das Rad neu erfinden würde. Wahr ist doch: Es gibt neue Strukturen im Ministerium und in den nachgeordneten Behörden. Das ist in Ordnung. Das kann man so machen. Bei der Truppe selbst ist aber überhaupt nichts Neues angekommen. Es kommt nur weniger an, aber nichts Neues. Das heißt, diese Reform ist konzeptionell nicht auf der Höhe der Zeit. Was genauso schlimm ist, Herr Minister: Sie ist auch handwerklich zumindest in Teilen sehr schlecht. Das ist dann besonders schlimm, wenn Menschen bei der Bundeswehr vom schlechten Handwerk betroffen sind. Sie erzählen, die Reform sei erfolgreich. Herr Minister, die Reform ist so erfolgreich, dass die aktiven Soldaten erklären, dass sie ihren Kindern eigentlich nicht mehr empfehlen können, den Soldatenberuf zu wählen. ({3}) Die schlechte Stimmung in der Truppe hat auch etwas mit Unsicherheiten zu tun; Herr Minister, da haben Sie recht. An der Spitze des Hauses haben Sie die Erwartung geweckt, dass im Herbst dieses Jahres alle Soldatinnen und Soldaten Klarheit über ihre Zukunft bekommen würden. Das ist aber nicht der Fall. Dies zerstört Vertrauen. Dabei ist Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten die wichtigste Basis, die die Politik schützen muss. Herr Minister, Sie haben ein Attraktivitätsprogramm geschrieben, aber am Ende wird nur ein Drittel davon umgesetzt. Das Schlimmste ist, dass Sie gerade dort, wo es besonders wichtig ist - es geht um die bessere Vereinbarkeit des Soldatenberufs mit der Familie -, nur das Türschild austauschen. Sie schreiben statt „Büro XY“ „Familienzimmer“ oder „Mutter-Kind-Zimmer“ darauf. Wenn man sich die Sache genau anschaut, stellt man fest, dass eine junge Mutter, die nicht von Bayern nach Norddeutschland versetzt werden kann - ich habe viele solche Fälle auf dem Schreibtisch -, einen kaltherzigen Bescheid bekommt, der besagt, dass familiäre Belange nicht interessieren und sie ihrem Truppenteil folgen muss. Zivilbeschäftigte, die vor Jahren ihre Arbeitszeit reduziert haben, weil sie kleine Kinder hatten, und jetzt, da die Kinder groß sind, wieder mehr arbeiten wollen, erhalten allesamt eine Absage: Sie können ihre Arbeitszeit nicht mehr erhöhen. Das ist genau das Gegenteil von einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. ({4}) Die Zivilbeschäftigten bestrafen Sie sowieso mehrfach. Sie reduzieren ihre Zahl ohne entsprechende Aufgabenkritik. Sie verschieben einen Teil zu anderen Ressorts und nehmen den Zivilbeschäftigten die Freiheit - eines der wenigen Attraktivitätsmittel -, zwischen Trennungsgeld und Umzugsgeld zu wählen. Am schlimmsten ist: Sie nehmen deren Sorgen nicht ernst und sagen nicht ehrlich, dass einige Hundert Zivilbeschäftigte nachher unter einen anderen Tarifvertrag fallen, der möglicherweise eine Abqualifizierung um zwei Stufen zur Folge hat. Wie Sie das heilen wollen, sagen Sie nicht. Aber den Vertrag mit den anderen Ressorts haben Sie schon unterschrieben. So darf man mit Menschen bei der Bundeswehr nicht umgehen. Dass Sie uns das nicht glauben, kann ich verstehen. Wenn aber Ihre eigenen Haushälter einen Antrag einbringen, der deutlich macht, dass Sie bei der Verlagerung des Personals nach dem Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“ verfahren, und in dem sie sagen, dass sie gegen diese Verlagerung sind, dann sollten Sie, Herr Minister, vielleicht doch einmal innehalten und prüfen, ob bei dieser Reform alles richtig ist, und nicht starr an Vorgaben festhalten. ({5}) Herr Minister, wir appellieren an Sie: Justieren Sie diese Reform nach! Machen Sie das bitte jetzt und nicht erst dann, wenn sich die neuen Strukturen verfestigt haben. Die Soldaten machen sich viele Sorgen. Wenn die Struktur nicht trägt - es gibt, wie wir wissen, Bereiche, die nicht zukunftsfähig sind -, muss eine kommende neue Regierung das sofort wieder angehen. Justieren Sie jetzt nach, bevor sich eine falsche Struktur verfestigt! Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Verzichten Sie auf die Auslagerung von Zivilpersonal in andere Ressorts! Warten Sie zumindest so lange ab, bis der Bundesrechnungshof klar sagt, ob diese Reform etwas bringt oder ob sie - das sage ich Ihnen voraus - mehr kostet. Herr Minister, machen Sie noch eines: Lassen Sie die Sorgen der Soldaten ein bisschen näher an sich heran! Es ist nicht so, dass die Spitze entscheidet und dann die Nachgeordneten für die Umsetzung verantwortlich sind. Lassen Sie die Probleme an sich heran, und zeigen Sie, dass es sich wirklich um Ihren Verantwortungsbereich handelt und Sie da Verantwortung wahrnehmen. Die Bundeswehr wirbt mit dem Satz - das ist ja Ihr Lieblingsslogan, Herr Minister, und es ist nicht schlecht, an das Verantwortungsgefühl von Bürgern und Soldaten zu appellieren -: „Wir.Dienen.Deutschland.“ Herr Minister, ergänzen Sie diesen Slogan durch einen etwas abgewandelten Slogan: „Wir.Dienen.Den Menschen bei der Bundeswehr.“ Das ist die Aufgabe der Ressortspitze. Recht herzlichen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Elke Hoff das Wort. ({0})

Elke Hoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich freue mich besonders über die große Harmonie, die wieder einmal in der Debatte über den Einzelplan 14 herrscht. ({0}) Ich möchte mich als Verteidigungspolitikerin dem Dank an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss anschließen. Sie haben gemeinsam die Bundeswehr in schwieriger Zeit, in der der Einspardruck auf alle Ressorts erheblich ist, in die Lage versetzt, in den nächsten Jahren solide zu wirtschaften. Das ist vor dem Hintergrund, dass die Mittel im Bundeshaushalt insgesamt gesenkt wurden, eine Leistung, die auf das Konto der Haushälter geht. Dafür danken wir Ihnen als Verteidigungspolitiker sehr herzlich. Verehrter Kollege Arnold, Sie haben auf die Reform abgestellt und an den Minister appelliert, die Sorgen der Soldaten näher an sich herankommen zu lassen. Erinnern wir uns daran, dass Thomas de Maizière seit seinem Amtsantritt vor der Aufgabe steht, die Aussetzung der Wehrpflicht, die Umsetzung der Bundeswehrreform, die Umsetzung von Auslandseinsätzen und die Rückverlegung der Truppe aus Afghanistan zu managen. Ich glaube, wir hätten uns keinen besseren Minister und keine bessere Persönlichkeit wünschen können, um all diese Dinge auf den Weg zu bringen. ({1}) Es war auch vernünftig und klug, im Rahmen des Reformbegleitgesetzes eine Evaluation vorzusehen. Aber eine Evaluation macht erst dann Sinn, wenn es einen Zeitraum gibt, über den man tatsächlich befinden kann. Wir sollten der Reform schon eine gewisse Zeit geben, damit sie greifen kann. Dann können wir gegebenenfalls im Rahmen des Evaluationsauftrages Änderungen Rechnung tragen. Ich möchte an dieser Stelle auch auf die aktuellen Ereignisse eingehen, über die wir hier heute schon diskutiert haben. Eine ganz wesentliche Erkenntnis ist - das ist selbstverständlich -: Die Welt wird nicht friedlicher. Das Ende des Kalten Krieges führt nicht sozusagen zum Ende der Geschichte, was seinerzeit viele in einem Überschwang der Freude formuliert haben. ({2}) Vielmehr werden wir in Zukunft mit vielen kleinen Konflikten konfrontiert werden, die Auswirkungen auf die Stabilität von Regionen haben und durch die globale Vernetzung auch auf uns. So wie viele Kollegen, die sich häufig in diesen Krisenregionen bewegen, glaube auch ich, dass gerade dort Ansprüche an die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Herstellung von Sicherheit gestellt werden. Man erwartet von uns eben nicht, dass wir uns hinsetzen und die Hände in den Schoß legen, sondern man erwartet, dass wir mit den Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen, dort in der Welt, wo wir glauben, tätig sein zu können und zu müssen - vor allen Dingen auch im Rahmen des Bündnisses -, unseren Beitrag leisten. Es war insofern sehr klug und richtig, dass die Bundesregierung auf die Anfrage des türkischen Bündnispartners zur Entsendung von Patriots positiv reagiert hat. Welchen Sinn hat ein Bündnis überhaupt, wenn nicht den, dass ein Mitglied, das in eine Lage gerät, in der es den Eindruck hat, dass seine Sicherheit gefährdet ist, an die anderen Bündnispartner appellieren kann? Die jetzt angeforderten Fähigkeiten hat die Türkei nicht, aber die Amerikaner, die Niederländer und die Deutschen haben sie. Ich finde es sehr klug, dass die Bündnispartner, die die Fähigkeit haben, dann auch in so einem Fall zusammenarbeiten. Meine Hoffnung ist, dass wir endlich mit dem Mythos bezüglich der Parlamentsbeteiligung aufräumen. Häufig hört man die Frage: Kann sich ein Partner mit Parlamentsbeteiligung - das wird immer als Parlamentsvorbehalt bezeichnet - innerhalb eines Bündnisses überhaupt an solchen Aktionen beteiligen? Selbstverständlich kann er das. Ich glaube, dass die Haltung dieses Parlaments, die hier in der Kürze der Zeit dargestellt worden ist - mit allen berechtigten Fragen, die zu beantworten sind -, deutlich macht, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen. Herr Minister, wenn die Bundesregierung jetzt zügig ein tragfähiges Mandat formuliert, dieses auch kommuniziert und uns vorlegt, ist es nach meiner festen Überzeugung selbstverständlich leistbar, dass dieses Parlament noch in diesem Jahr unter Beweis stellt, dass es die Bündnisverpflichtung unseres Landes mitträgt. Für mich ist das überhaupt keine Frage. ({3}) Ich wünsche mir dann aber auch, dass angesichts möglicherweise wieder auftretender Konflikte in den Verhandlungen - wir wünschen uns natürlich alle, dass diese nicht mehr auftreten - vonseiten der Bundesregierung proaktiv auf NATO-Ebene gesagt wird: Liebe Freunde, eurem Eindruck, dass der Parlamentsvorbehalt in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Störung der Abläufe im Bündnis führt, widersprechen wir mit Vehemenz. ({4}) Wir können bei den Truppenbesuchen, die wir machen, feststellen - das finde ich sehr gut; den Kollegen geht es sicherlich genauso -, dass inzwischen viele Soldatinnen und Soldaten sagen: Gott sei Dank haben wir diesen Parlamentsvorbehalt. Dadurch wissen wir und unsere Familien zu Hause, dass wir, wenn wir in einen Einsatz geschickt werden, eine breite politische Rückendeckung haben und nicht permanent Gegenstand politischer Debatten sind. Ich wäre als Regierung froh, wenn die Debatte vorher geführt wird und sich nicht im Nachhinein über einen Zeitraum von einem halben Jahr, einem oder mehreren Jahren hinzieht. Denn dann wissen unsere Soldatinnen und Soldaten nicht, wer sie unterstützt. Wir führen die Debatte jetzt, also vorher, und räumen hoffentlich alle Fragen aus. Dann wissen unsere Soldatinnen und Soldaten, dass sie mit der breiten Rückendeckung aller Verfassungsorgane dieses Landes in ihren schwierigen Einsatz gehen. Ich möchte an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion - dies gilt aber wohl für uns alle - allen Soldatinnen und Soldaten höchste Anerkennung für das übermitteln, was sie für uns unter schwierigen Bedingungen, aber auch, ich nenne es einmal so, im normalen Dienstbetrieb - auch diese Kameradinnen und Kameraden sollten wir nicht vergessen - leisten, und ihnen sagen, dass wir als Parlament hinter ihnen stehen. Über den Haushalt und über die Parlamentsbeteiligung stellen wir unter Beweis, dass sie sich auf die Parlamentarier in diesem Hause verlassen können. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Christine Buchholz das Wort. ({0})

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fürchte, ich muss an dieser Stelle die traute Harmonie in diesem Haus - von SPD bis FDP - etwas eintrüben. ({0}) Das betrifft sowohl die aktuelle Zuspitzung im türkischsyrischen Grenzkonflikt als auch die Kritik am sogenannten Verteidigungshaushalt. Über 33 Milliarden Euro sollen in einen Etat gesteckt werden, der eine global agierende Interventionsarmee finanziert. Es geht nicht um Verteidigung. Es geht darum, dass die Bundeswehr in immer mehr Auslandseinsätze geschickt werden soll. ({1}) Kosovo, Afghanistan, Sudan, Somalia - die Liste wird immer länger. Nun kommen auch noch der türkisch-syrische Grenzkonflikt und Mali hinzu. Zu Ersterem. Jetzt ist es amtlich: Die Bundesregierung ist entschlossen, die Bundeswehr an die türkischsyrische Grenze zu verlegen. Sie behaupten, es geht um die Verteidigung des NATO-Bündnispartners Türkei. ({2}) Herr de Maizière, Sie können doch nicht ignorieren, dass die türkische Regierung eine eigene Agenda in dem Grenzkonflikt verfolgt. Ankara fordert seit langem die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien. Sie beziehen sich jetzt darauf, dass in der Anfrage davon nicht die Rede ist. Aber natürlich geht die Entwicklung weiter. Was machen Sie, wenn die Entwicklung tatsächlich weitergeht und auf politischer Ebene die Flugverbotszone umgesetzt werden sollte? ({3}) Das Ziel ist meines Erachtens klar: Die Erdogan-Regierung will die NATO in eine militärische Auseinandersetzung mit hineinziehen. Mit der Stationierung der Patriot-Raketen kommt sie dabei einen entscheidenden Schritt voran. Es ist schlimm, dass die Bundesregierung das auch noch unterstützen will. ({4}) Sie riskieren, dass Deutschland in einen Krieg hineingezogen wird. Dabei gibt es doch erste Warnzeichen: Das türkische Parlament hat Anfang Oktober dieses Jahres einer Gesetzesvorlage zugestimmt, die einen Einsatz der Armee in Syrien ermöglicht. Die türkische Armee hat 250 Panzer an die syrische Grenze verlegt. Die Zeitung Hürriyet berichtet unter Berufung auf Militärkreise - ich zitiere -: Die Planungen für eine mögliche Intervention im Nachbarland laufen auf Hochtouren, … die Überlegungen sehen vor, einen Panzereinsatz durch Luftangriffe auf syrische Stellungen vorzubereiten. Aber Sie, Herr de Maizière, reden hier von Verteidigung. Nein, meine Damen und Herren, die Stationierung der Patriot-Raketen ist nicht geeignet, um Menschen in der syrischen-türkischen Grenzregion vor Mörserbeschuss zu schützen. Sie ist auch keine Unterstützung für die syrische Demokratiebewegung. ({5}) Wir sagen: Es gibt keine Bündnisverpflichtung zur Unterstützung der türkischen Kriegsvorbereitungen. Dafür dürfen kein Cent und kein Soldat bereitgestellt werden. ({6}) Unsere Solidarität gilt der syrischen Demokratiebewegung und der türkischen Friedensbewegung. ({7}) Was in aller Welt soll die Bundeswehr in Mali? Die Bundesregierung hat entschieden, die Entwicklungszusammenarbeit mit Mali auszusetzen, nachdem die dort gewählte Regierung im März dieses Jahres weggeputscht wurde. Aber nun soll die aus diesem Putsch hervorgegangene Regierung bei der militärischen Rückeroberung der Tuareg-Gebiete unterstützt werden. Die Tuareg-Rebellen bieten seit Monaten Verhandlungen an. Aber anstatt darauf einzugehen, unterstützen EU und Bundesregierung die abenteuerlichen Angriffspläne der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS. Das kann nur zu einem fürchterlichen und langwierigen Krieg führen, der noch mehr Leid und Zerstörung bringen wird. Die Bundeswehr darf für solch einen Krieg nicht zur Verfügung stehen, weder als kämpfende Truppe noch durch Entsendung von Ausbildern. ({8}) Die Bundesregierung verpulvert das Steuergeld der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für eine Politik, die deutsche Soldaten an immer mehr Fronten in dieser Welt schickt. Für 2013 sind dafür direkt über 1 Milliarde Euro eingeplant. Aber indirekt sind die Kosten noch viel höher. Nehmen wir als Beispiel die Beschaffung des A400M. Dieser Airbus hat nur einen Zweck: Er soll Soldaten und Material in alle Welt verfrachten. Im neuen Haushalt schlägt allein das mit 725 Millionen Euro zu Buche. In den kommenden Jahren ist mit weiteren 7 Milliarden Euro zu rechnen. Es kann doch nicht angehen, dass Sie hier einen Fiskalpakt „durchstimmen“, der Deutschland und Europa ein Kürzungsdiktat aufzwingt, wenn es um Soziales geht, dass aber für die Entsendung von Truppen Jahr um Jahr immer neue Milliarden bereitstehen. Holen Sie lieber die Soldaten aus Afghanistan und den anderen Auslandseinsätzen zurück! Schicken Sie keine weiteren Soldaten ins Ausland! Es gibt unzählige Möglichkeiten, dieses Geld für soziale und humanitäre Zwecke in Afghanistan und anderen Ländern auszugeChristine Buchholz ben, beispielsweise für Flüchtlinge, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen sind. Hören Sie aber endlich auf, dieses Geld für das Militär zu verpulvern! ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Agnes Brugger das Wort.

Agnes Malczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004106, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, nein, es sind noch nicht alle Fragen beantwortet, ({0}) weder nach der heutigen Sondersitzung des Verteidigungsausschusses, die wir Grüne beantragt haben, noch nach Ihrem Beitrag in dieser Debatte. Sie haben einige Fragen beantwortet; aber viele wichtige Fragen sind noch offen. Man muss sich damit auseinandersetzen, bevor man eine Zusage gibt. ({1}) So konnten Sie uns heute Morgen nicht erklären, Herr Minister, inwiefern ausgerechnet Patriot-Raketen, die gegen Mittelstreckenraketen, aber auch gegen Flugzeuge und Hubschrauber eingesetzt werden können, ein geeignetes Mittel darstellen sollen, um auf die Spannungen im türkisch-syrischen Grenzgebiet zu reagieren. Gegen den Beschuss durch Mörser - das ist das, was gerade passiert - können sie nämlich nichts ausrichten. Sie konnten auch noch nichts dazu sagen, wo genau die Patriot-Raketen und damit auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stationiert werden sollen. Das ist auch eine wichtige Frage. Außerdem gibt es bisher auch keine Antwort darauf, was denn passiert, wenn die NATO, zum Beispiel durch einen Beschuss der Stellungen, in diesen bewaffneten Konflikt hineingezogen wird. ({2}) Sie können sich doch nicht einer offenen und ehrlichen Diskussion über das Eskalationsrisiko und über die Gefahr, Konfliktpartei in einem schweren regionalen bewaffneten Konflikt zu werden, verweigern. ({3}) Auch ich finde, dass wir die Türkei in dieser schwierigen Situation unterstützen müssen. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie reden von Bündnissolidarität. ({4}) Deshalb frage ich zurück: Wo ist Ihre Solidarität mit unseren Partnern, wenn es darum geht, zum Beispiel die Winterprogramme der UN für die Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten zu finanzieren? ({5}) Wo ist Ihre Solidarität, wenn es darum geht, durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien in Deutschland die Türkei zu entlasten? ({6}) Da kann ich nur feststellen, dass Sie keine Ahnung davon haben, was Solidarität und Verantwortung bedeuten. Wir Grüne wissen das sehr wohl. Wir haben hier im Bundestag beantragt, dass Deutschland syrische Flüchtlinge aufnimmt. Schwarz-Gelb hat das leider kaltherzig abgelehnt. ({7}) Verantwortungslos, aber auch kopflos: das ist die schwarz-gelbe Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Unverantwortlich und kopflos: Das ist auch der Verteidigungshaushalt. Große Teile des Geldes werden für unsinnige Projekte oder unsinnige Beschaffungen ausgegeben; der Kollege Lindner hat dazu schon einiges gesagt. Damit meine ich in erster Linie gar nicht die Luftkissenfahrzeuge und die bundeswehreigene Sonnencreme, die nicht nur in der heute-show für Lacher gesorgt haben. Viele wichtige Fragen, die gerade im Reformprozess eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Dienst, packen Sie gar nicht erst an. Falsche Schwerpunkte, falsche Entscheidungen in der Sache, kaum Einsparungen - deshalb nenne ich Ihren Haushaltsentwurf plan- und kopflos. Wenn Sie, Herr Minister de Maizière, mit einem zufriedenen Schmunzeln dem Verteidigungsausschuss berichten, wie Sie im Rahmen der Haushaltsverhandlungen bei Finanzminister Schäuble noch mehr Geld herausschlagen konnten, dann muss ich sagen: Herr de Maizière, ich kann Ihre Zufriedenheit nicht nachvollziehen, nicht als Mitglied des Verteidigungsausschusses und insbesondere nicht als junge Politikerin, deren Generation mit den finanziellen Entscheidungen von heute noch lange wird leben müssen. Sie vergrößern heute den Schuldenberg - wie mit dem gesamten Haushalt -; die Zeche zahlen die jungen Menschen dann morgen. Das nenne ich eine verantwortungslose Politik. ({8}) Gerade wenn man schaut, wofür Sie das Geld ausgeben wollen, wird einem deutlich, dass Sie eindeutig Verantwortungsgefühl vermissen lassen. Das betrifft zum Beispiel die Pläne zum Kauf bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. Ohne zu erklären, wofür genau sie diese neuen Waffensysteme einsetzen will, holt die Bundesregierung schon einmal Angebote für die Beschaffung waffenfähiger Kampfdrohnen ein. Der zunehmende Einsatz solcher Systeme hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Kriegsführung. Dies zeigen nicht zuletzt die Drohnen, die von den USA im Rahmen der Terrorismusbekämpfung zu gezielten Tötungen eingesetzt wurden und deren Einsatz in den letzten Jahren zahlreiche zivile Opfer gekostet hat. Nicht umsonst heißen diese Drohnen übersetzt „Raubtier“ und „Sensenmann“. Wir alle müssen uns doch die Frage stellen, ob der Einsatz solch ferngesteuerter Systeme nicht dazu führt, dass die Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Gewalt sinkt, und das sowohl bei politischen Entscheidungsträgern als auch bei den Militärs im Einsatz. Darüber hinaus besteht beispielsweise auch die Gefahr eines Rüstungswettlaufs. Um genau diese Fragen zu prüfen und zu diskutieren, haben wir Grünen im April einen Antrag eingebracht. Im Ausschuss haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, diesen Antrag abgelehnt. Es ist doch schockierend, wie Schwarz-Gelb aus dem bloßen Drang, technologisch mithalten zu wollen, die Risiken, die mit neuen Waffensystemen einhergehen bzw. verbunden sein können, konsequent ignoriert. Für meine Fraktion kann ich Ihnen sagen: Wir werden nicht nachlassen, Ihnen diese Diskussion abzuringen. Denn ohne eine solche ehrliche ethische, friedenspolitische, völkerrechtliche und abrüstungspolitische Debatte kann es aus unserer Sicht auch keine Beschaffung solcher Drohnen geben. ({9}) Deshalb: Hören Sie endlich auf mit dieser kopflosen und verantwortungslosen Sicherheitspolitik, und fangen Sie endlich an, Ihre Sparversprechen mit Verantwortung umzusetzen! Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Henning Otte das Wort. ({0})

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte um den Verteidigungshaushalt geht es um Zahlen, aber eben nicht nur um Zahlen. Hier geht es um Männer und Frauen, die oftmals einen schwierigen und gefährlichen Dienst für unser Land leisten. Ihnen gebühren unsere ungeteilte Wertschätzung und unser Dank, auch und insbesondere in der Phase der großen Veränderungen im Rahmen der Neuausrichtung unserer Bundeswehr. Man kann ja von der Linken sagen, was man will. Aber dass die Leistungen unserer Soldatinnen und Soldaten verunglimpft werden, ist nicht in Ordnung. ({0}) Die Neuausrichtung ist notwendig. Man kann über die besten Mittel und Wege streiten. Das ist Ausdruck demokratischer Kultur und kann im besten Fall zu einem konstruktiven Miteinander führen. Schade nur, lieber Kollege Arnold, dass Sie die Kritikpunkte, die Sie hier in öffentlicher Sitzung mit Inbrunst vorgetragen haben, nicht auch in der sachorientierten Sitzung des Verteidigungsausschusses vorgetragen haben. ({1}) Diese Koalition hat in den letzten Jahren für die Versorgung und Ausstattung unserer Soldaten viel getan. Liebe Kollegin Brugger, wenn wir von Ausstattung sprechen - wir sagen ja, wir haben Verantwortung für die Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten -, sehen Sie dahinter offensichtlich nur ein Wettrüsten. Das ist genau der Unterschied zwischen uns beiden. Deswegen ist es gut, dass wir die Verantwortung tragen. Lassen Sie mich kurz bilanzieren, was wir in der christlich-liberalen Koalition in dieser Legislaturperiode bereits umsetzen konnten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Otte, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Brugger?

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Agnes Malczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004106, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Herr Kollege Otte, dass Sie meine Frage zulassen. Ich habe im Vorfeld einer Beschaffung von Drohnen eine ehrliche und kritische Debatte über die Auswirkungen gefordert, die eine solche Beschaffung haben kann. Sie haben mir gerade unterstellt, ich würde generell die Ausstattung der Bundeswehr ablehnen. Ich möchte Sie nur fragen, ob Ihnen jenseits der ganzen Versorgungsverbesserungsgesetze, die wir hier gemeinsam beschlossen haben, bekannt ist, dass der Antrag zur Verbesserung der Betreuungskommunikation für die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, der sogenannte Skype-Antrag, ursprünglich ein grüner Antrag war? ({0})

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es gibt Dinge, die wir gemeinsam für unsere Soldatinnen und Soldaten beschließen. Dabei hat deren Wohl Vorrang. Wir waren jüngst im Einsatz und haben uns davon überzeugt, dass ({0}) - im Gebiet des Einsatzes; Frau Höger, es wäre vielleicht auch für Sie ganz gut, einmal da hinzufahren - das eine Maßnahme ist, die bei den Soldatinnen und Soldaten gut ankommt. Von daher spricht nichts dagegen, wenn wir hier gemeinsam entsprechende Entscheidungen treffen. ({1}) Ich möchte zur Bilanz zurückkommen: Der Schutzstatus der Fahrzeuge ist dem Auftrag angepasst worden. Das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz ist eine ganz wichtige Maßnahme. Wir werden in der nächsten Sitzungswoche die notwendige ISAF-ManHenning Otte datsverlängerung beschließen. Wir entsenden Soldatinnen und Soldaten in dem Wissen um ihre Pflichterfüllung und ihre gefährlichen Einsätze. Hinsichtlich der Fürsorgepflicht und der sozialen Verantwortung haben wir mit dem schon genannten Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz viel erreicht. Wir konnten die Versorgung der im Dienst Geschädigten sowie der Hinterbliebenen maßgeblich verbessern. Die Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes und die Gehaltserhöhung sind ganz wichtige Maßnahmen, die wir in der christlich-liberalen Koalition durchgesetzt haben. Mit der Verabschiedung des BundeswehrreformBegleitgesetzes haben wir die Aufhebung der Hinzuverdienstgrenzen für Bundeswehrangehörige und - ich sehe den Kollegen Hochbaum - auch für diejenigen mit NVA-Vordienstzeit aufgehoben. Das war eine wichtige Note. Das alles war ein wichtiger, von uns herbeigeführter Paradigmenwechsel. Damit haben wir weiterhin Richtiges und Wichtiges auf den Weg gebracht. Ich danke an dieser Stelle dem Ministerium und allen voran Herrn Verteidigungsminister Dr. de Maizière sowie allen Kolleginnen und Kollegen dafür, dass wir dieses gemeinsam erreichen konnten. ({2}) Ich bin zuversichtlich, dass wir auch die weiteren Aufgaben gemeinsam bewältigen werden. Die Vereinbarkeit von Dienst und Familie sehe ich dabei durchaus als einen ganz wichtigen Punkt an - auch für die Zufriedenheit unserer Soldaten und zur Attraktivitätssteigerung. Eine asymmetrische Sicherheitslage, eine entsprechende Einsatzrealität, die Finanzierbarkeit und die demografische Entwicklung: Das sind Faktoren, die nicht nur eine Veränderung unserer Bundeswehr, sondern auch eine Neuausrichtung erforderlich machen. Diese Neuausrichtung ist die richtige Antwort auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen. Ich freue mich, mit wie viel Interesse diese Neuausrichtung auch außerhalb der Politik und der Streitkräfte wahrgenommen wird. Gerade auch im Hinblick auf den Haushalt ist die Frage grundlegend, welches Fähigkeitsspektrum die Bundeswehr vorhalten sollte. In den Verteidigungspolitischen Richtlinien steht als Grundlage der Neuausrichtung der Grundsatz „Breite vor Tiefe“. Das bedeutet, dass unsere Streitkräfte ein möglichst breites Fähigkeitsspektrum beherrschen sollen, um sowohl die politischen wie auch die militärischen Handlungsoptionen nutzen zu können. Das wird durch den Einzelplan 14 und auch durch die mittelfristige Finanzplanung abgebildet. Wer die sicherheitspolitischen Entwicklungen aufmerksam betrachtet, wird feststellen, dass die Aufgaben offensichtlich nicht weniger werden. Gerade darum müssen wir über benötigte Fähigkeiten vor dem Hintergrund unserer Verantwortung innerhalb unseres Bündnisses sprechen. In der heutigen Zeit kann kein europäischer Einzelstaat alle Fähigkeiten vollumfänglich wie bisher vorhalten. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit, das Teilen von Aufgaben und das Streben nach integrativen europäischen Prozessen und internationalen Strukturen sind grundlegende Aspekte im Miteinander einer guten Bündnispolitik. Wie Bündnispolitik aussieht, erleben wir hochaktuell. Die Frage ist: Soll Deutschland die Türkei durch die Entsendung von Patriot-Abwehrraketen unterstützen? Erstens. Ein NATO-Partner bittet um Unterstützung. Zweitens. Wir haben diese Fähigkeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, jeder Einsatz unserer Bundeswehr wird grundlegend diskutiert und geprüft. Das ist für uns selbstverständlich. Unverständlich ist allerdings, wie man einerseits übereilt immer den vollständigen Beitritt der Türkei in die EU fordert und andererseits ebenso übereilt, beinahe reflexartig, eine Unterstützung eben dieses Landes infrage stellt. Entweder das passt nicht zusammen, oder dahinter steht eine Doppelmoral. ({3}) Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen, bleibt ein verlässlicher Partner innerhalb unseres Bündnisses. Ich bin Verteidigungsminister de Maizière dankbar dafür, dass er an dieser Verlässlichkeit von Anfang an keinen Zweifel gelassen hat, uns schon vor Eingang der offiziellen Anfrage heute in der Sitzung des Verteidigungsausschusses frühzeitig informiert ({4}) und sehr deutlich dargestellt hat, dass es sich hier um ein defensives Vorgehen handelt. ({5}) Deutschland steht zu seiner Verantwortung und zu seiner Bundeswehr. Der vorliegende Haushalt zeigt diesen politischen Rückhalt für unsere Streitkräfte auf. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt dem Einzelplan 14 daher selbstverständlich zu. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zum Ende dieser Debatte noch zwei Bemerkungen machen, die eine zu einem haushaltspolitischen Fachthema und die andere zur Debattenpolitik des Verteidigungsministers. Als Fachthema kann man sich ein Thema aussuchen; ich habe mich für die Beschaffung der Hubschrauber für unsere Bundeswehr entschieden. Seit 1990 planen wir die Einführung des Marinehubschraubers MH-90. Dabei haben wir die unterschiedlichsten Phasen der Nichtbeschaffung dieses Hubschraubers unter verschiedensten Regierungen erlebt. Auch Sozialdemokraten waren beteiligt, aber die drei Verteidigungsminister der letzten sieben Jahre gehörten einer anderen Fraktion an. Wir warten immer noch auf die ersten einsatzfähigen Hubschrauber. ({0}) - Wunderbar. Also einen hält er aus. ({1}) Jetzt ist nach Jahren der Verschiebung, Veränderung, Streckung beschlossen worden, nicht mehr 122, sondern nur noch 80 Hubschrauber anzuschaffen. Ich habe einmal nachgefragt, wie jetzt der Sachstand ist. Die Antwort des Staatssekretärs Beemelmans: Es wird weiterhin intensiv an einer für beide Seiten akzeptablen Lösung gearbeitet. - Auch das kommt nicht voran. Eigentlich kommt da gar nichts voran. Wir sind im Übrigen der Meinung: Wir brauchen eher mehr als weniger Hubschrauber, also keine Reduzierung. Wir brauchen Hubschrauber, um die regionalen Bündnisse, die wir stärken wollen, besser unterstützen zu können. Hier soll nicht systematisch reduziert werden, wie das bei dem Rest der Bundeswehr gemacht wird, sondern es müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Für die Anschaffung des Kampfhubschraubers Tiger gilt Ähnliches. Deren Zahl soll von 80 auf 40 reduziert werden. Die Antwort ist die gleiche. Auch da gibt es noch keine Lösung. Wir sind allerdings damit einverstanden, dass hier die Anzahl reduziert wird. Wir brauchen nicht mehr ganz so viele Kampfhubschrauber wie zu der Zeit der Bedrohung durch Panzer. Noch eines zu den Einsätzen in Afghanistan, die jetzt geplant werden. Es macht Freude, die Antworten des Staatssekretärs Beemelmans zu lesen. Frage: Wie oft ist der Einsatz in Afghanistan verschoben worden? Antwort: Für den UH-Tiger wurden die Planungen zweimal verschoben. Für den MH-90 ist der Einsatz insgesamt dreimal verschoben worden. - Auch die jüngere Geschichte ist, was die Hubschrauber angeht, also keine Erfolgsgeschichte. Sie müssen sich da besonders anstrengen. Sie sind nicht der Erste, der sich anstrengen muss, aber vielleicht erreichen Sie wirklich ein Ergebnis hinsichtlich des Einsatzes in Afghanistan im nächsten Jahr. Der MH-90 ist der Ersatz für „Sea King“ und „Sea Lynx“, ein Marinehubschrauber, welchen Musters auch immer. Die erste Auslieferung war einmal für 1999 geplant, dann für 2011, dann für 2015. Im Moment gibt es noch kein neues Datum, weil es keinen Vertrag gibt. Bis heute gibt es keinen Beschaffungsvertrag für einen neuen Marinehubschrauber. So können Sie mit den Anforderungen unserer - zugegeben - kleinsten, aber nicht unwichtigsten Teilstreitkaft nicht umgehen. Ich habe Ihnen einmal ein wunderschönes Foto mitgebracht, das in einer regionalen Tageszeitung zu sehen war. Darauf sehen Sie fünf „Sea-King“-Hubschrauber, nicht flugfähig, auf einem Ponton, der auch nicht von selbst fährt, gezogen von einem Schlepper durch den Nord-Ostsee-Kanal bei der Verlegung von Kiel nach Nordholz. Das soll nicht die Zukunft der Marine oder der Hubschrauberei werden. ({2}) Aber es ist ein Sinnbild dafür, dass hier etwas nicht funktioniert. Reformieren Sie das Beschaffungswesen so, dass die Maschinen zulaufen. Dies ist alles schon lange geplant und muss jetzt kommen. ({3}) Bezüglich des leichten Unterstützungshubschraubers haben wir im Verteidigungsausschuss relativ einhellig beschlossen: Wir wollen ihn haben. Dafür ist im Verteidigungshaushalt für nächstes Jahr Geld eingestellt. Jetzt bin ich gespannt, ob Sie das hinbekommen. Der Beschluss ist da, das Geld ist da, jetzt müssen Sie ihn nächstes Jahr beschaffen. Versuchen Sie das einmal! Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Debattenpolitik. Wir haben in der Frankfurter Rundschau in einem Aufsatz vom Verteidigungsminister gelesen, dass er sich Gedanken darüber macht, wie die Debatte zu Auslandseinsätzen in Deutschland befeuert werden kann. Er schreibt zu den Auslandseinsätzen: Welche Überzeugungen leiten uns Deutsche dabei? Welche Ansprüche stellen wir dabei an uns selbst? Diskussionen? Fehlanzeige! Nun gibt es eine Diskussion, die der Verteidigungsminister selbst angestoßen hat: Das ist die über Veteranen. Da bin ich nicht so ganz sicher, dass das die Diskussion ist, die wir in Deutschland am dringendsten zu führen haben. Es soll auch eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr geben, die besagt: Das ist in Deutschland nicht von zentralem Interesse. Ich glaube, auch die Soldaten, die aus einem Einsatz zurückgekehrt sind, interessiert nicht, ob man sie als Veteranen bezeichnet. Das ist für einen 34-jährigen Industriemeister, der als Hauptfeldwebel in Afghanistan im Einsatz war, sicherlich nicht der richtige Begriff, um sich damit identifizieren zu können. Sie können diese Debatte gerne zu einem guten Ende bringen, aber es ist nicht die wichtigste Debatte, die wir zu führen haben. Wir sollten vielmehr eine andere Debatte führen - ich bin auch dankbar dafür, dass das schon zweimal angeklungen ist -, aber wir müssten sie separat führen. Sie betrifft das, was Frau Bundeskanzlerin bei der Bundeswehrtagung in Strausberg auf den Punkt gebracht hat ich zitiere -: Um aber unsere sicherheitspolitischen Ziele erfolgreich verfolgen zu können, sind wir als EU oder als NATO-Partner auch darauf angewiesen, dass in Zukunft auch andere Länder - insbesondere die, die wirtschaftspolitisch an Bedeutung gewinnen - VerDr. Hans-Peter Bartels antwortung übernehmen. Das sage ich ganz besonders im Hinblick auf Schwellenländer. Sie fügt dann hinzu: Oftmals reicht es aber nicht, neue Partner nur zu ermutigen. Vielmehr geht es auch um Ertüchtigung. Ertüchtigung setzt bereits bei guter Regierungsführung an. Sie kann ebenso Ausbildung wie auch Unterstützung bei der Ausrüstung bedeuten. Das sind bedeutungsschwere Ankündigungen. Es ist sozusagen eine Art Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Da geht es nicht mehr um Bündnisse, sondern um einzelne Länder in anderen Regionen, in denen wir nicht selbst sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen wollen. Das ist vielleicht keine Erfindung dieser Regierung, sondern wir haben schon bei dem von Rot-Grün beschlossenen Einsatz in Osttimor festgestellt, dass es nicht immer sinnvoll ist, dass Deutschland sich überall auf der Welt militärisch engagiert. Sicherlich sollten wir Partner haben, aber wir müssen auch die Debatte führen, welche Partner wir haben wollen und welche Unterstützung wir ihnen geben wollen. Ausrüstungsunterstützung ist sicherlich nicht das Erste, was einem dazu einfällt. Vielleicht fangen wir besser mit politischer Unterstützung an und kommen dann zur Ausbildungsunterstützung, Herr Minister. Jetzt haben Sie noch die Chance, bei der Bundeswehrreform nachzusteuern und die Schulkapazitäten der Bundeswehr nicht ganz so stark zu reduzieren. Statt sie nur auf den eigenen Bedarf zu reduzieren, sollten Sie eher zusätzliche Kapazitäten für internationale Lehrgänge schaffen. Wenn Sie diese Politik machen wollen, brauchen Sie Ausbildungskapazitäten - vielleicht auch in Mali, aber zunächst einmal bei uns in Deutschland. Das kann man systematisch tun, wenn man eine solche Politik verfolgen will. Rüstungsexporte in Länder, die für uns bisher nicht infrage gekommen sind, fallen uns nicht an erster Stelle ein. Natürlich ist Indien für uns ein Partner in diesem Bereich. Das ist richtig. Ob das auch für Indonesien gilt, wäre diskussionswürdig. Saudi-Arabien ist es ganz sicher nicht, Herr Minister. Diese Diskussion müssen wir führen. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion hat der Kollege Dr. Reinhard Brandl das Wort. ({0})

Dr. Reinhard Brandl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin ein junger Abgeordneter, und weil Frau Kollegin Brugger das Thema Generationengerechtigkeit angesprochen hat, möchte auch ich etwas dazu sagen. Als ich vor drei Jahren die erste Haushaltsdebatte mitgemacht habe, lag der letzte Haushalt der Großen Koalition mit 80 Milliarden Euro Neuverschuldung vor. ({0}) Jetzt sind wir bei 17 Milliarden Euro, mit der schwarzen Null in Sichtweite. Das sind immer noch 17 Milliarden Euro zu viel, Frau Brugger. Aber der Schritt von 80 Milliarden auf 17 Milliarden Euro ist schon eine Riesenleistung dieser christlich-liberalen Koalition. ({1}) - Ich habe bewusst gesagt: Große Koalition. Nichtsdestotrotz: Ich bin 2009 gewählt worden. Das war keine einfache Zeit, so einem Haushalt zustimmen zu müssen. ({2}) - Ich gebe zu: Die CDU/CSU war mit dabei, angesichts der schweren Situation. Aber ich rede jetzt als junger Abgeordneter, der 2009 gewählt wurde. Uns ist dieser Schritt gelungen, ohne dass wir irgendetwas kaputtgespart haben. Nehmen wir einmal den Verteidigungshaushalt. Wir haben die Bundeswehr in den letzten Jahren verkleinert und die frei werdenden Ressourcen nicht nur genutzt, um zu sparen, sondern auch dafür, die Truppe strukturell besser aufzustellen und den Dienst für die Soldaten attraktiver zu machen. Zum Thema Attraktivitätsmaßnahmen hat Herr Arnold von der SPD dankenswerterweise im Oktober eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Das BMVg hat dann auf 20 Seiten ausführlich geantwortet und insgesamt 46 Einzelmaßnahmen aufgeführt, die bereits umgesetzt sind oder kurz vor der Umsetzung stehen. Da geht es um soziale Maßnahmen, materielle Verbesserungen, Verbesserungen der Ausund Fortbildung, Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung. Man kann sagen: In diesem Bereich passiert wirklich viel im Sinne unserer Soldatinnen und Soldaten, und das ist auch gut so. ({3}) Bei den Strukturen ist das Leitmotiv „Breite vor Tiefe“. Herr Lindner, Sie haben das vorhin kritisch hinterfragt, und das wurde auch von der SPD in der Vergangenheit immer wieder kritisch betrachtet, freilich ohne dass benannt würde, an welcher Stelle wir denn Fähigkeiten einsparen sollen, ({4}) damit wir uns an anderen Stellen - Stichwort Tiefe mehr spezialisieren können. Ich stimme Herrn Arnold in dem Punkt zu, dass eine Fähigkeit, für die sich Tiefe anbieten würde, die Raketenabwehr ist. Das ist eine Fähigkeit, über die fast nur Deutschland verfügt. Nur die Niederlande und - außerhalb von Europa - die USA haben ebenfalls solche Fähigkeiten. Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder über die Frage debattiert, warum wir überhaupt ein Raketenabwehrsystem brauchen und wer uns denn angreifen solle. Es wurde gesagt, das sei viel zu teuer. Damals gab es kein Einsatzszenario. Jetzt ist ein solches Szenario da, und wir brauchen diese Fähigkeit. Wir brauchen sie aber nicht für uns selbst, sondern für einen unserer Partner im Bündnis. Jetzt bestünde doch eigentlich eine gute Chance, Kooperation im Bündnis praktisch zu leben. Was passiert aber plötzlich bei uns? Diejenigen, die vorher noch mehr Kooperation und eine weitere Vertiefung der europäischen Sicherheitspolitik gefordert haben, eiern herum und fragen: Ist die Türkei aus deutscher Perspektive genügend bedroht, sodass sie die Patriot-Raketen wirklich braucht, oder ist sie es nicht? Eine Bedrohungslage kann man natürlich je nach Perspektive immer unterschiedlich einschätzen. Es weiß keiner genau, wie sich ein solcher Konflikt weiterentwickeln wird. ({5}) Aber entscheidend ist in diesem Fall gar nicht einmal, wie wir die Bedrohungslage einschätzen, sondern entscheidend ist vor allem, wie der Bündnispartner das sieht, der sich bedroht fühlt und uns deswegen um Hilfe bittet. ({6}) Es mag sein, dass Sie als Opposition sich nicht rechtzeitig und vollständig informiert fühlen, aber das ist eine innenpolitische Frage. Das außenpolitische Signal, das Sie senden, indem Sie zuerst einmal Nein und dann „vielleicht“ sagen, ist im Hinblick auf eine vertiefte Kooperation fatal. Was soll denn der Partner von uns denken, der die öffentliche Debatte, die über das Wochenende geführt worden ist, verfolgt? Wenn Sie von der Opposition Ihre eigenen Forderungen ernst nähmen, dann müssten Sie in einem solchen Fall sagen: Ja, wir stellen die Fähigkeit zur Verfügung, aber nur unter bestimmten Bedingungen. - Sie können aber nicht zuerst Nein und dann „vielleicht“ sagen. ({7}) Auch ich bin für eine vertiefte europäische Kooperation, aber dafür ist ein langer Weg der Vertrauensbildung notwendig. Das schaffen wir nur, wenn wir uns in solchen Situationen als vertrauenswürdig erweisen und nicht unserem jeweiligen Partner bzw. demjenigen, der die Fähigkeit braucht, Hintergedanken unterstellen und ihn damit öffentlich brüskieren. Nichtsdestotrotz sind wir heute im Jahr 2012, und die Reform der Bundeswehr und der Haushalt der Bundeswehr sind für die Jetztzeit gedacht. Wir müssen feststellen, dass wir nicht in allen Bereichen diese vertiefte Kooperation, die wir uns wünschen, strukturell verankert haben und mit ihr planen können. Deswegen ist der strukturelle Ansatz der Bundesregierung „Breite vor Tiefe“ in diesem Haushalt und bei dieser Reform richtig, und wir tragen ihn mit. Angesichts dessen, was unter den finanziellen Rahmenbedingungen möglich ist, ist dieser Ansatz der Regierung im Haushalt gut finanziert. Ich habe heute in der gesamten Debatte nicht ein einziges Mal den Vorwurf gehört, wir würden zu wenig für die Bundeswehr ausgeben. ({8}) Als Verteidigungspolitiker meiner Koalition stelle ich fest: Damit können wir eigentlich ganz gut leben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 14 ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt I.12 auf: Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - Drucksachen 17/10823, 17/10824 Berichterstattung: Abgeordnete Volkmar Klein Dr. h. c. Jürgen Koppelin Priska Hinz ({0}) Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der SPD, ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke und ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen werden wir später namentlich abstimmen. Des Weiteren hat die Fraktion Die Linke einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Dr. Bärbel Kofler für die SPD-Fraktion. Vizepräsidentin Petra Pau ({1})

Dr. Bärbel Kofler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren nun den Einzelplan 23, den Etat für Entwicklungszusammenarbeit. Eines muss man ganz am Anfang feststellen: Dieser Etat bleibt weit hinter den Erfordernissen und den Notwendigkeiten einer internationalen Armutsbekämpfung zurück. ({0}) Von diesem Einzelplan und von dieser Beratung geht ein fatales Signal aus, nämlich das Signal, dass Deutschland nicht zu seinen internationalen Verpflichtungen zu stehen bereit ist, dass Deutschland sich nicht weiter an einer soliden und verlässlichen, gemessen an seiner Wirtschaftskraft berechneten Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit beteiligt. Wir haben uns leider mit diesem Haushalt genau davon verabschiedet ({1}) - sehr richtig: wir nicht; die Regierung hat sich davon verabschiedet -, ({2}) und das, obwohl der Minister bei seiner letzten Rede im September 2012 den Etat des Einzelplans 23 als Rekordhaushalt bezeichnet hat. Damals hat er gesagt, dass man sich dem Ziel der sogenannten ODA-Quote verpflichtet sieht, dass wir also 0,7 Prozent von unserem Reichtum abgeben wollen, um den Ärmsten der Armen zu helfen. Im September dieses Jahres hat der Herr Minister gesagt - ich zitiere -: Mit dem Haushalt 2013 behalten wir diese Prioritätensetzung des Koalitionsvertrags bei. Wo stehen wir jetzt, zwei Monate später? Mittlerweile muss sogar Herr Niebel zugeben, dass das damals eine bewusste Täuschung des Parlaments und der Öffentlichkeit war. ({3}) Herr Minister, ich habe Sie vor zwei Monaten gefragt, mit welchen Maßnahmen Sie es schaffen wollen, dieses Ziel zu erreichen - angesichts der bekannten Tatsache, dass der Haushalt seit Beginn Ihrer Regierungsübernahme jährlich um mindestens 1 Milliarde Euro hätte steigen müssen, um bis zum Jahr 2015 das 0,7-ProzentZiel zu erreichen. ({4}) Sie sind die Antwort schuldig geblieben. Die Steigerungen der letzten Jahre waren verschwindend gering. Mit diesem Haushalt wird zum ersten Mal - seit vielen Jahren von Ihren Regierungshaushältern befördert und vorangetrieben - der Entwicklungsetat sinken. Ich halte das für einen Skandal. ({5}) Die Absenkung des Entwicklungsetats um 124 Millionen Euro ist eine fatale Fehlentscheidung. Was aber nicht geht, ist das, was Sie, Herr Minister, nun gegenüber der Presse praktizieren: Sie tun so, als hätte man ohne diese Absenkung das 0,7-Prozent-Ziel erreichen können. Nein, auch das wäre nicht gegangen. Ich wiederhole: Wir hätten über Jahre hinweg deutliche Mittelaufwüchse im Milliardenbereich benötigt, um unseren Verpflichtungen zur Armutsbekämpfung weltweit wirklich nachkommen zu können. ({6}) Verstecken Sie sich an dieser Stelle also nicht hinter den Haushältern - obwohl sie falsch entschieden haben und nicht hinter dem Parlament. Es wäre schön gewesen, wenn Sie den Drive, das Engagement des Parlaments der letzten Jahre genutzt hätten, das sich fraktionsübergreifend für eine Erhöhung des Entwicklungsetats eingesetzt hat. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal - auch mit Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen aus der Regierungskoalition, die diesen Aufruf unterschrieben haben - an den entwicklungspolitischen Konsens erinnern. 372 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller Fraktionen haben diesen Aufruf unterschrieben. Damals haben wir formuliert - dahinter konnten sich viele aus allen Fraktionen, die hier heute sitzen, versammeln -: Ob die notwendigen Finanzmittel aufgebracht werden, ist vor allem eine Frage der Prioritätensetzung. Ob wir auf die gebotene Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit verweisen, auf christliche Nächstenliebe, internationale Solidarität oder weltweite Gerechtigkeit - wir fühlen uns moralisch dazu verpflichtet, auf die Einhaltung der 0,7-%-Zusage zu drängen, und fordern das Bundeskabinett und den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages auf, die dafür notwendigen Weichen zu stellen. Das war der Aufruf, hinter dem sich über 370 Parlamentarierinnen und Parlamentarier versammelt haben. Ich äußere an dieser Stelle noch einmal den dringenden Appell, wenigstens darüber nachzudenken, ob wir die Kürzung von 124 Millionen Euro im Entwicklungsetat heute zurücknehmen und damit unserer Verantwortung als Parlamentarier gerecht werden können. ({7}) Warum? Wir brauchen uns doch nur vor Augen zu führen, was VENRO, der Dachverband aller entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen, in seinem Schreiben auf den Punkt bringt: Diese Gelder sind nötig. Ob es um Gesundheitsbildungsprogramme geht, ob es um die Zusammenarbeit für soziale Dienste im ländlichen Bereich geht, ob es um Frauenförderung geht, ob es um Programme des Zivilen Friedensdienstes geht - wir haben eben erst über alle möglichen Fragen, auch über die von Krieg und Frieden, diskutiert; mit dem Zivilen Friedensdienst könnte man gerade für ein friedliches Miteinander etwas tun - oder ob es um die grundsätzlichen Ausrichtungen unserer Entwicklungspolitik geht: Gerade jetzt, wo auf UN-Ebene die Weltgesundheitsorganisation beginnt, sich dafür einzusetzen, dass wir weltweit zum Beispiel die Basiskrankenversorgung in den Mittelpunkt stellen, können wir wirklich etwas tun, um Menschen nachhaltig aus der Armutsfalle zu befreien. Doch ausgerechnet in dieser Zeit senden wir ein fatales Signal in die Welt, indem wir die Mittel für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit senken. ({8}) Dasselbe gilt für den Bereich des Klimawandels. Es ist schön, wenn Herr Niebel den Bericht der Weltbank jüngst als „klimapolitischen Weckruf“ bezeichnet hat. Ich frage mich, ehrlich gesagt: Wo waren Sie die letzten Jahre? Dieses Weckrufs bedarf es eigentlich nicht bei all denen, die wissen, was für dramatische Folgen gerade in den Ländern, auf die Entwicklungszusammenarbeit abzielt - dort leben die Ärmsten der Armen -, durch den Klimawandel ausgelöst werden. Diesem klimapolitischen Weckruf muss aber auch ein finanzpolitischer Weckruf folgen. Die Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels müssen doch insbesondere denjenigen gegeben werden, die selbst die Mittel nicht aufbringen können, um mit den Folgen des Klimawandels - den sie selbst nicht verursacht haben - zurechtkommen zu können. Weil ich weiß, dass vonseiten der Regierung immer „Finanzierung, Finanzierung“ gerufen wird: Was Fragen des Klimawandels angeht, kann man nur Nicholas Stern zitieren, der schon 2006 gesagt hat: Wenn wir nicht handeln, wird uns das, volkswirtschaftlich betrachtet, das Fünffache von dem kosten, was es uns kostet, wenn wir jetzt vernünftig Mittel einsetzen. Ich bin schon erstaunt - das muss ich wirklich sagen -, dass ein Ministerium, das für Entwicklungszusammenarbeit, für Armutsbekämpfung zuständig ist, sich in den letzten Jahren als Bremser bei solch innovativen Finanzinstrumenten wie der Finanztransaktionsteuer gezeigt hat, dass der Minister das Gegenteil dessen getan hat, was eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre: neue, innovative Finanzierungsinstrumente in den Mittelpunkt zu stellen. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Kofler, Sie können selbstverständlich weiterreden. Ich muss Sie aber darauf aufmerksam machen, dass das zulasten der folgenden Kollegen aus Ihrer Fraktion geht.

Dr. Bärbel Kofler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mein letzter Satz, Frau Präsidentin. - Auch zur Finanzierung kann man nur sagen: Schließen Sie sich den vielen guten Ideen an, die aus der Bevölkerung kommen, zum Beispiel der Kampagne „Steuer gegen Armut“. Dann haben wir vernünftige Mittel für Entwicklungszusammenarbeit auch in unserem Haushalt. Herzlichen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Dr. h. c. Jürgen Koppelin. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe noch einmal nachgesehen: Die Kollegin Kofler ist in der dritten Legislatur hier im Deutschen Bundestag. Deshalb hätte sie eigentlich eins sagen müssen: Bei uns, bei den Sozialdemokraten, hat es mit dem Etat für Entwicklungshilfe nicht so gut geklappt. Jetzt muss ich feststellen, dass wir mit Schwarz und Gelb nach den USA an zweiter Stelle in der Welt stehen. ({0}) Das ist die entscheidende Botschaft: Wir sind nach den USA der zweitgrößte Geber in der Welt. Das ist das Verdienst unter anderem von Minister Niebel und seiner Politik. Das muss man einmal festhalten, und das sollten Sie anerkennen. In der Opposition fordern Sie alles Mögliche, aber als Sie regiert haben, waren Sie unfähig. Das ist das Entscheidende. ({1}) Sie haben die Organisation VENRO angesprochen. Das finde ich sehr interessant. Ich schätze die Arbeit von NGOs. ({2}) Aber von VENRO bekommt man laufend hektografierte Blätter, die nicht einmal unterschrieben sind. Ich habe am 16. November ein Blatt bekommen, auf dem stand, man solle mehr entwicklungspolitische Bildungsarbeit machen. Mein Kollege Klein und ich haben das gemacht. Wir haben in den Etat - das können Sie sich im Einzelplan 23 anschauen; ich nenne ihn noch einmal, weil Sie sich den Etat wahrscheinlich gar nicht mehr angesehen haben, weil Sie Ihr Manuskript schon vorher fertig hatten ({3}) zusätzlich 5 Millionen Euro für die berufliche Ausbildung eingestellt, 2 Millionen Euro für den DAAD, zudem Mittel für die Humboldt-Stiftung, und auch die Deutsche Welle bekommt etwas für die Ausbildung. Ich könnte Ihnen noch weitere Beispiele nennen: Die politiDr. h. c. Jürgen Koppelin schen Stiftungen, die Kirchen, 10 Millionen Euro für die Zusammenarbeit mit dem Büro für Nachhaltige Entwicklung usw. Also, auch das haben wir erfüllt. Aber dafür bekommt man kein Dankesschreiben, sondern gleich das nächste Schreiben mit der nächsten Forderung. Das ist leider die Wahrheit; die muss man hier auch einmal sagen. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Koczy möchte eine Frage stellen oder eine Bemerkung machen.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, ich möchte gerne meine Redezeit verlängern. Dazu bin ich gerne bereit.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Koppelin, wollen Sie leugnen, dass durch die Kürzung von 124 Millionen Euro in der Bereinigungssitzung des Haushalts der Aufwuchs der ODAQuote in der Bundesrepublik gesenkt wird und Sie damit mit der schwarz-gelben Koalition dem Aufwuchs ein Minus beschert haben und dass die Kürzung um 87 Millionen Euro, die unter dem Strich herauskommt, bedeutet, ({0}) dass die Kanzlerin ihr Versprechen, auf dem Weg zum 0,7-Prozent-Ziel jährlich eine Steigerung zu erreichen, nicht halten kann?

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, das will ich leugnen, und zwar aus zwei Gründen: Erstens. Den Etat des Auswärtigen Amtes - ich weiß nicht, ob Sie gerade hier waren; ich bin schon den ganzen Tag hier - haben wir um zusätzlich 20 Millionen Euro erhöht für Minenräumung, für humanitäre Hilfe usw. Sie können das nachrechnen. Auch das dient der ODA-Quote. Jetzt sage ich Ihnen etwas, weil Sie bei Bündnis 90/ Die Grünen sind. Ich habe mir vom Sekretariat des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages Folgendes heraussuchen lassen: Das Abstimmungsergebnis zu dem Antrag von der Koalition, über den wir uns hier streiten, lautete damals: Diesem Antrag haben die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt. ({0}) So ist es. Sie haben unserem Antrag zugestimmt. ({1}) - Dann müssen Sie das mit Ihrer Kollegin Hinz klären. Das war genau so. Jetzt stellen Sie einen Änderungsantrag, über den namentlich abgestimmt werden soll. Das ist wieder typisch. Man kann einen solchen Änderungsantrag stellen; ({2}) aber Sie werden damit die Neuverschuldung anheben, oder Sie müssen eine Gegenfinanzierung machen. Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben auch nicht berücksichtigt, dass wir den Etat des Auswärtigen Amtes aufgestockt haben. Auch bei der Entwicklungshilfe haben wir nicht alles gestrichen, sondern einiges wieder aufgestockt. Das ist die Wahrheit. ({3}) Hier wird von der ODA-Quote gesprochen. Ich finde, das ist ein ehrenwertes Ziel. Ich vermisse hier die Kollegin Göring-Eckardt. Der hätte ich nämlich gerne eine Frage gestellt. Die EKD beschloss vor vielen, vielen Jahren, dass 2 Prozent aller Kirchensteuereinnahmen in die Entwicklungshilfe gehen sollten. 2 Prozent! Ich kann Ihnen genau sagen, wann das beschlossen wurde: schon 1986. ({4}) Jetzt würde ich gerne einmal wissen, was davon verwirklicht worden ist. Ich hätte gerne von der Kollegin Göring-Eckardt gehört, ob dieser Beschluss durchgesetzt wurde. Nein, die Kirchen haben das auch nicht hinbekommen. Das ist alles nicht erfreulich, aber es ist die Wahrheit. Ich finde, das sollte man auch einmal zur Kenntnis nehmen. Ich sage nach wie vor: Wir sind zweitgrößter Geber. Damit kann sich diese Koalition sehen lassen. Es wird viel gemacht. Die Schwerpunkte, die wir gesetzt haben - Bildung, aber auch andere Schwerpunkte, die Minister Niebel gesetzt hat, nachdem er das Amt von Frau Wieczorek-Zeul übernommen hat -, können sich durchaus sehen lassen. Wir sind stolz darauf, dass wir auch andere Richtungen eingeschlagen haben. Sie hatten einen Sammelkorb, Sie hatten null Richtung in der Entwicklungspolitik. ({5}) - Melden Sie sich doch nachher noch einmal zu einer Zwischenfrage oder zu einer Kurzintervention. Es ist nicht meine Art, so gegen Frauen anzureden. ({6}) Minister Niebel hat von Frau Wieczorek-Zeul einen Sammelkorb übernommen, der null Linie enthielt. Endlich ist im Haushalt dieses Ministeriums eine Linie erkennbar. Es ist erkennbar, was wir in der Entwicklungshilfe bewirken wollen. ({7}) Das ist lobenswert. Das hat Minister Niebel geschafft, und dafür verdient er Anerkennung. Daran geht kein Weg vorbei. ({8}) Wenn Sie von den Sozialdemokraten hier schon so auftreten und uns kritisieren: Das können Sie alles machen. ({9}) Wir sind hier ja im Deutschen Bundestag. Aber wie sieht es denn eigentlich aus: Sie fahren nach der Wahl des Präsidenten alle nasenlang nach Frankreich, vorher schon die Troika. Fahren Sie doch auch einmal zu Ihrem Präsidenten da in Frankreich ({10}) und fragen ihn einmal, warum er seine Entwicklungshilfe eingefroren hat, warum er nicht mehr macht. ({11}) - Frau Kollegin, Sie müssen sich einfach einmal angewöhnen, zuzuhören. Ich habe es gerade gesagt: Wir sind im Deutschen Bundestag. Aber fahren Sie trotzdem noch einmal hin. Das kann doch nicht schaden. Das ist meine Empfehlung. Also, dieser Haushalt kann sich sehen lassen. Ich weiß, der Minister ist vielleicht nicht zufrieden, wenn es ein bisschen weniger ist, als er sich vorgenommen hat. ({12}) Der Verteidigungsminister hat vorhin gesagt, er sei auch nicht ganz zufrieden, weil wir ihm etwas weggenommen haben. Der Wirtschaftsminister war auch nicht ganz zufrieden. Dem Gesundheitsminister haben wir eine halbe Milliarde Euro weggenommen. Das ist so. Denn wir wollten die Neuverschuldung senken. Die geplante Nettokreditaufnahme liegt bei 17,1 Milliarden Euro. Hier hat jeder seinen Beitrag zu leisten. Ich bedanke mich für Ihre Geduld und Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin ganz sicher, der Minister wird mit diesem Etat wunderbar klarkommen. ({13}) Herzlichen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 23 hat es in diesem Jahr geschafft - ich bin schon ein paar Tage im Parlament -, dass er bereits bei der Einbringungsdebatte eine sehr umfangreiche Rolle gespielt hat. Das schafft man natürlich nur, wenn etwas ganz besonders toll ist oder etwas ganz besonders im Argen liegt. Hier ist eines ganz klar: Dieser Etat liegt im Argen. ({0}) Alle vorliegenden Anträge, die Entschließungsanträge, die heute zur namentlichen Abstimmung stehen, beweisen, dass hier etwas im Argen liegt. Jürgen Koppelin hat gesagt, es sei alles so gut. Ich will nur eines konstatieren: Laut Ergebnis der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses ist der Etat des Einzelplans 23 gesunken; der Etat des Einzelplans 23 ist niedriger als im Vorjahr. ({1}) Die ODA-Quote liegt unter 0,4 Prozent. Das sind Ergebnisse, die überhaupt nicht zu akzeptieren sind, denn, Herr Minister, Sie haben sich drei Jahre lang hier hingestellt und behauptet, der Etat werde im nächsten Jahr höher ausfallen, trotz schwieriger Finanzlage. Das ist ad absurdum geführt. Sie haben noch am Tag der Bereinigungssitzung verkündet, dass der Etat um 37,5 Millionen Euro gegenüber 2012 steigen würde. Das ist nicht der Fall. Die Koalitionäre haben Ihrer ursprünglich stolzen Botschaft - Steigerung des Etats in schwieriger Finanzlage - abrupt ein Ende bereitet. So sieht es bei diesem Etat wirklich aus. ({2}) Was hat denn Frau Merkel heute Vormittag im Hinblick auf die internationalen Konflikte dargelegt? Sie hat gesagt: Na ja, mit militärischen Maßnahmen alleine geht es nicht, wir müssen viel mehr tun für wirtschaftliche Zusammenarbeit. - Ich dachte, ich höre nicht richtig. Kannte die den Etat nicht? Das ist ein Widerspruch in sich. Entweder wir machen hier mehr zur Verhinderung von militärischen Konflikten, wir tun etwas für die Armutsbekämpfung, oder aber nichts von dem, was vorhin erzählt worden ist, entspricht der Wahrheit. ({3}) Die Linke hat schon in den Etatberatungen im Haushaltsausschuss sehr viele Änderungsanträge eingebracht, und jetzt stellen wir wieder einen Änderungsantrag. Da wird gesagt, das seien ja so viele Änderungsanträge, das sei doch typisch für die Linke. Ich will nur eines sagen: Nur dann, wenn all unsere Anträge realisiert würden, würden wir die Schritte in Richtung einer höheren ODAQuote gehen, die wirklich notwendig sind. Deswegen stellen wir die Anträge. ({4}) Es ist noch viel mehr machbar; da sind wir uns doch sicherlich einig. Wenn wir könnten, dann würden wir in diesem Sektor mehr gegen Armut in der Welt tun. Nur wenn wir hier wirklich etwas drauflegen, ist es realistisch, unser Ziel bei der ODA-Quote zu erreichen. Die Koalition hat ihren Minister mit einem Friendly Fire schwer beschädigt. Sie hat sich ein weiteres Mal von Wahlversprechen verabschiedet; ({5}) das für 2015 gesetzte Ziel ist damit erledigt. Die Schützen werden zufrieden sein; aber die Leidtragenden sind vor allem die Ärmsten in der Dritten Welt, meine Damen und Herren. Das ist die Situation. ({6}) Lassen Sie mich eine Bemerkung zur Organisationsreform bei der GIZ machen; mein Kollege Movassat wird darauf noch eingehen. Ja, wir von der Opposition haben da Druck gemacht und konnten das eine oder andere erreichen, zum Beispiel, dass mehr Frauen an der Spitze der GIZ vertreten sind. Ich will in diesem Zusammenhang auf einen Punkt eingehen. Sie haben sinnvollerweise ein Evaluierungsinstitut gegründet. Das ist vernünftig. Nur sind hier zwei Dinge wichtig: Erstens muss das Institut wirklich Freiheiten haben und darf kein Instrument des Ministers oder des Ministeriums werden. Zweitens muss das Parlament eingebunden werden. Ein Beirat ist gut; aber wir hier im Parlament müssen Rechenschaft abgelegt bekommen und selber etwas tun können, damit das Institut wirklich evaluiert und nicht zu einem Instrument des Ministeriums wird. ({7}) Ich will eine weitere Bemerkung machen. Es gibt in der Entwicklungspolitik weiterhin ein Gerangel zwischen den Ministerien um einzelne Posten und einzelne Etats. Das hat zur Folge, dass Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf die Etats der unterschiedlichsten Ministerien verteilt sind: auf das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium, das Justizministerium, das Umweltministerium usw. Das alles geht querbeet; jeder macht ein bisschen seine eigene Entwicklungspolitik. Ich finde, das geht so nicht. Die Entwicklungszusammenarbeit darf sich nicht als zweites Standbein der Wirtschaftspolitik sehen. ({8}) Sie darf auch nicht als Außenwirtschaftspolitik verstanden werden. Hier geht es wirklich um etwas anderes. Es ist doch völlig klar, dass mit den Mitteln verantwortungsbewusst umgegangen werden muss. Wenngleich es unterstellt wird: Niemand aus der Opposition will etwas anderes. Mit jedem Euro muss ein möglichst hoher Nutzen für die Menschen erzielt werden. Auch das ist völlig unbestritten. Da dürfen Sie niemandem etwas anderes unterstellen. Es darf aber nicht zuerst ins Auge genommen werden, welche positive Rückwirkung die Entwicklungshilfe auf die deutsche Wirtschaft hat. Das wäre nämlich die falsche Richtung. Es geht eben wirklich um die Menschen in den anderen Ländern; es geht um die Entwicklungshilfe, die in diesen Ländern anzustreben ist. Das müssen wir in den Blick nehmen. Mein Appell, mein Aufruf ist: Sorgen Sie dafür, dass hier wirklich Politik aus einer Hand gemacht wird! Setzen Sie sich in der Regierung durch, auch im Hinblick auf eine Steigerung des Etats! Es gibt heute bei der namentlichen Abstimmung die Möglichkeit, zumindest einen Teil zu korrigieren. Das würde niemandem wehtun. Im Übrigen würde es Ihnen niemand vorwerfen, wenn das ein Stück weit zu einer höheren Neuverschuldung führen würde; das würde niemand hier im Saal kritisieren. ({9}) Im Übrigen haben wir genügend andere Ideen. ({10}) Herr Minister, damals, als Sie in der Opposition waren, haben Sie verkündet, dass Sie das Entwicklungsministerium abschaffen wollen. ({11}) - Ja, das ist lange her. Es gibt einen Erkenntniszuwachs beim Minister. Das ist völlig in Ordnung. Man lernt dazu. So geht es allen, auch mir und Ihnen. Das ist wunderbar. - Jetzt ist angesichts des Friendly Fire, das Sie von der Koalition organisiert haben, aber zu konstatieren, dass letztlich wohl doch in diese Richtung gearbeitet wird. Denn Sie, Herr Niebel, können sich nicht wehren. Das Entscheidende ist: Sie können sich in der Regierung nicht durchsetzen, wenn es darum geht, das wirklich Notwendige zu realisieren. ({12}) In der Koalition hat man offensichtlich übersehen, dass es sich hier inzwischen um einen FDP-Minister handelt. All das, meine Damen und Herren, wäre eigentlich nicht weiter tragisch; aber das Schlimme ist, dass es zulasten der Ärmsten dieser Welt geht und letztlich dem Ansehen Deutschlands in der Welt schadet. Also, ändern Sie das! Zum Schluss möchte ich mich ausdrücklich bei den vielen Engagierten bedanken, die auf diesem Feld arbeiten. Danke schön. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Volkmar Klein das Wort. ({0})

Volkmar Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004071, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Diskussion sind schon viele Zahlen und Behauptungen umhergeschwirrt. Richtig ist - das ist schade -, dass die üblichen und auch erwarteten Steigerungen im Haushalt des BMZ für 2013 nicht zu vermelden sind. ({0}) Nach den Beschlüssen gibt es im Einzelplan 23 auf dem Papier sogar eine kleine Absenkung. Auch das ist richtig - das ist auch nicht schön -, aber diese Absenkung gibt es vor allen Dingen auf dem Papier. Der Einzelplan 23 schrumpft gegenüber dem Jahr 2012 um 80 Millionen Euro. Aber diese 80 Millionen Euro haben sozusagen nur ihren Heimathafen gewechselt. Auf Wunsch der beiden Minister sind die Mittel für entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe vom Einzelplan 23 in den Einzelplan 05, Auswärtiges Amt, verschoben worden. ({1}) Das kann man im Haushaltsentwurf nachvollziehen. Deswegen ist es ehrlich, wenn wir von einer Stagnation im Einzelplan 23 und nicht von einer Absenkung reden. ({2}) Die Befürchtungen, dass die deutsche ODA-Quote unter die für 2011 festgestellten 0,4 Prozent sinken könnte, scheinen mir voreilig zu sein, ({3}) denn im Jahre 2011, als die OECD-Statistik eine ODAQuote von 0,4 Prozent festgestellt hat, lag der Einzelplan 23 noch bei 6,0 Milliarden Euro. Für das kommende Jahr enthält der Einzelplan trotz der gerade beschriebenen Verhältnisse 6,3 Milliarden Euro, also 300 Millionen Euro mehr. Der Europäische Entwicklungsfonds fordert von uns, von Deutschland, im kommenden Jahr nicht wie ursprünglich angekündigt 838 Millionen Euro, sondern 144 Millionen Euro weniger. Das ist eine extern vorgegebene Zahl. Wenn der Europäische Entwicklungsfonds nicht Teil unseres Haushaltes, sondern - wie von der EU-Kommission gefordert - Teil des EU-Haushaltes wäre, dann würde sich durch dieses Revirement bei uns gar nichts niederschlagen. So beträgt die Forderung an Deutschland 144 Millionen Euro weniger. Deshalb reduziert sich der Einzelplan 23 um diesen Betrag. Es ist kein Geheimnis, dass ich mir persönlich gut hätte vorstellen können, einen größeren Teil des wegfallenden Geldes für Erhöhungen im eigentlichen BMZHaushalt zu nutzen. Angesichts der Gesamtsituation des Haushalts unseres Landes und auch der europäischen Situation ist der Beschluss ein anderer. Aber - darauf möchte ich mit allem Nachdruck hinweisen - wir haben 20 Millionen Euro des wegfallenden Geldes zusätzlich auf andere Titel im BMZ-Haushalt verteilt. Es wird dafür verwendet, die von uns gestaltete deutsche Entwicklungszusammenarbeit zusätzlich zu stärken. ({4}) Wir stehen ständig vor der Frage: Wie können wir die verschiedenen Aufgaben miteinander in Einklang bringen? Was ist mit der Verantwortung für die Nächsten jenseits unserer Grenzen? Ich bin sehr dafür, dass wir im Interesse des Nächsten jenseits unserer räumlichen Grenzen - das ist ein ethisches Gebot - viel Geld einsetzen. Ich bin aber auch dafür, dass wir an den Nächsten jenseits unserer zeitlichen Grenzen denken und deshalb die gesamte Haushaltssituation im Blick behalten. ({5}) Wenn wir die Entwicklung des Haushalts über die gesamten vier Jahre der Wahlperiode hinweg vergleichen, dann stellen wir fest, dass wir 2009 einen Gesamthaushalt hatten, ({6}) der 309 Milliarden umfasste. Jetzt liegt er bei 302 Milliarden Euro, das heißt, insgesamt gibt es ein Abschmelzen der Ausgaben. Gleichzeitig ist festzustellen: Wir haben damals im Einzelplan 23 5,7 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gehabt, heute sind es, trotz der beschriebenen Zusammenhänge, 6,3 Milliarden Euro. Das sind fast 10 Prozent mehr als damals vor vier Jahren. ({7}) Mit dieser Erhöhung von 20 Millionen Euro für die eigentliche Entwicklungszusammenarbeit - das hat eben schon einmal kurz eine Rolle gespielt - haben wir, denke ich, wichtige Akzente gesetzt. Einerseits haben wir damit wichtige Akzente im Bereich der Bevölkerungsentwicklung gesetzt, indem wir zusätzliche Gelder für die UN-Organisationen in diesem Bereich bereitstellen, und wir geben mehr Geld für Bildung im Bereich der Humboldt-Stiftung, des DAAD und der Deutschen Welle aus. Weiter setzen wir Akzente, indem wir die Verpflichtungsermächtigungen gerade im Bereich der nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit deutlich erhöhen. Das bedeutet langfristig Verlässlichkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Koczy zulassen?

Volkmar Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004071, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber gern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte schön.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Klein, ist Ihnen der Koalitionsvertrag bekannt, in dem die Koalition von FDP und CDU/CSU von einem jährlichen Aufwuchs der ODA-Quote redet? Wie bewerten Sie den Zustand, dass diese ODA-Quote jetzt unter 0,4 Prozent sinkt? ({0})

Volkmar Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004071, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auf das Letzte habe ich Sie eben hingewiesen. Das kann man heute überhaupt noch nicht prognostizieren. Da 2011 auf der Basis eines deutlich niedrigeren Entwicklungshilfehaushaltes eine ODA-Quote von 0,4 Prozent ausgerechnet wurde, sind derartige Befürchtungen gegenwärtig völlig gegenstandslos. Im Übrigen habe ich doch gerade noch einmal dargestellt, welch große Bedeutung dieser Bereich der internationalen Verantwortung, gemessen am Gesamthaushalt, in den letzten Jahren für uns gewonnen hat. Genau das unterstreicht diese Verpflichtung. Dabei müssen wir insgesamt aufpassen, dass wir nicht viel zu viel nur über das eingesetzte Geld reden. Wissen wir denn überhaupt genug über die Wirkungen? Ich glaube, wir haben da Nachholbedarf. Das spiegeln gerade die neuen Geber - die Schwellenländer, aber auch die großen privaten Fonds - wider. Die wollen - unter dem Schlagwort: „value for money“ - in viel höherem Maße wissen, wie die Wirksamkeit der eingesetzten Instrumente ist. Ich denke, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit einen ausgesprochen guten Ruf hat. Das wird an vielen Stellen deutlich. Zum Beispiel wurde es vor einigen Wochen beim Besuch des Weltbankchefs Jim Yong Kim hier in Berlin unterstrichen. Ich hatte jetzt die Gelegenheit - auch dadurch wurde das deutlich -, ein Gespräch mit dem Chef der thailändischen Entwicklungsorganisation zu führen. Die möchte gerne Deutschland als Partner für deren Entwicklungszusammenarbeit mit ihren Nachbarländern haben, nicht weil Deutschland das meiste Geld mitbringt, sondern das beste Knowhow hat. Das ist eine Frage der Wirksamkeit. An vielen Stellen ist es offenkundig, dass man mit wenig Geld eine große Wirkung erzielen kann. Ich nenne in diesem Zusammenhang beispielsweise die AFI, die Allianz für finanzielle Inklusion. Sie wurde ursprünglich von der Gates Foundation gegründet und wird heute von unserem Geld mit unterstützt. Weiter nenne ich das Netzwerk von Notenbanken, die in den Entwicklungsländern auch regulatorisch die Grundlagen dafür legen, dass zum Beispiel in Westafrika Mobile Banking gemacht werden kann. Die Menschen dort können Kleinstguthaben transaktionskostenfrei per Handy übermitteln. Das sind tolle Dinge. Bei vielen anderen Sachen ist es wesentlich schwerer, zu bewerten, was denn nun wirklich wirksam ist. Deswegen ist die Evaluierung - die wir in viel größerem Maße in den Vordergrund stellen werden, als wir es bisher getan haben - ganz wichtig. Dafür wird dieses Institut künftig arbeiten. Sicherlich müssen wir alle gemeinsam als Parlament darauf achten, dass es auch wirklich die von uns gewollte Unabhängigkeit hat. Diese Evaluierung aber wird anschließend garantieren, dass das von uns investierte Geld in den entsprechenden Ländern kontinuierlich eine größere Wirksamkeit entfalten kann. Ich glaube, dass wir hier insgesamt - deswegen empfehle ich auch die Zustimmung - einen Haushalt als guten Rahmen vorlegen, den der Minister, der seinen Job im Übrigen ganz hervorragend macht, ganz sicher auch in hervorragender Weise ausfüllen wird. Herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Priska Hinz das Wort.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Beitrag von Jürgen Koppelin war unterirdisch; das muss ich sagen. ({0}) Volkmar Klein hat hier ({1}) eine Vernebelungstaktik versucht, um schlechte Buchhaltungstricks zu verbergen. Damit kann man vielleicht Abgeordnete beeindrucken, die nichts vom Haushalt verstehen, aber selbst die will ich in Schutz nehmen. ({2}) - Nein, deswegen sage ich ja, dass ich sie in Schutz nehme. - Das, was Volkmar Klein hier gesagt hat, war ein durchschaubares Manöver: Sie haben die 80 Millionen Euro, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom BMZ zum Auswärtigen Amt verschoben wurden, genutzt, um zu sagen: Es wurde ja gar nicht gekürzt. - Für so dumm kann man uns schlicht und einfach nicht verkaufen. So dumm ist niemand! ({3}) Diese 80 Millionen Euro hätten im Haushalt des BMZ eigentlich draufgesattelt werden müssen. Hinzu kommen müssten noch die insgesamt 144 Millionen Euro, die aus dem Europäischen Entwicklungsfonds zurückgeflossen Priska Hinz ({4}) sind. Das wäre dann eine reelle Zahl. Alles andere ist eine Kürzung des Haushalts des BMZ. ({5}) Darüber können auch viele Worte nicht hinwegtäuschen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin Hinz, der Kollege Heiderich würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Kollegin, wir haben eben der Rede von Herrn Koppelin zugehört. Ich habe von Herrn Koppelin erfahren, dass dem Antrag, die Mittel für den EEF um 144 Millionen Euro zu kürzen, auch die Grünen zugestimmt haben. ({0}) Ich habe mir das so notiert. Ich glaube, das ist eine ganz wesentliche Aussage. Ich würde von Ihnen gerne wissen: Haben Sie zugestimmt oder nicht? Vernebeln Sie das jetzt, indem Sie hier andere Dinge in die Diskussion einbringen? ({1})

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es freut mich, dass meine Antwort nicht auf die Redezeit angerechnet wird; denn das wollte ich eh sagen. Vielen herzlichen Dank! - Ja, wir waren der Meinung, dass es keinen Sinn macht, die 144 Millionen Euro, die beim Europäischen Entwicklungsfonds nicht gebraucht werden, dort verfallen zu lassen. Dass die Mittel da gekürzt werden müssen, ist völlig logisch. ({0}) - Darf ich bitte ausreden? - Das Ministerium hat Vorschläge unterbreitet, wo die Mittel etatisiert werden können. Ihre Koalition hat diese Vorschläge als Berichterstattervorschläge aber nicht gelten lassen und nicht als Anträge eingebracht. Wir Grünen haben einen ODAAufholplan vorgelegt, mit dem wir 900 Millionen Euro zusätzliche Mittel für das BMZ beantragt haben. ({1}) Zusätzlich 900 Millionen Euro! - Sie können ruhig stehen bleiben, bis ich Ihnen eine vollständige Antwort gegeben habe. - Hinzu kommen 300 Millionen Euro für weitere Etats. Das macht 1,2 Milliarden Euro ({2}) plus 600 Millionen Euro zusätzlich für den internationalen Klimaschutz. ({3}) Sie können uns also nicht vorwerfen, dass wir für Entwicklungszusammenarbeit nicht genügend Geld ausgeben wollen. Im Gegenteil: Wir halten am 0,7-ProzentZiel fest. Wir würden mit diesem Aufholplan das BMZ stärken. Mit diesem Aufholplan würden wir auch das 0,7-Prozent-Ziel erreichen, zwar nicht 2014, aber 2017. ({4}) Diese Kürzung im Haushalt des BMZ erfolgte wohl auf Wunsch eines einzelnen Abgeordneten im Haushaltsausschuss, der derselben Fraktion angehört wie der Minister. ({5}) Das ist eine ganz besonders pikante Sache. Dass die CDU, die ihre Kanzlerin immer aufs internationale Parkett schickt, da mitmacht, finde ich besonders erstaunlich. Sie haben ja auch offensichtlich Probleme, hier zu argumentieren. Deswegen hat Volkmar Klein ja auch so virtuos eine Vernebelungstaktik angewandt. ({6}) Ich weiß, dass viele von Ihren Kolleginnen und Kollegen das Ganze nicht mittragen wollen. Wir sind gespannt, wie nachher die Abstimmung über unseren Änderungsantrag ausgeht. ({7}) Ich halte es für notwendig, noch einmal deutlich zu machen, dass die entwicklungspolitische Strategie der Bundesregierung und der Koalition auch jenseits der Tatsache, dass das ODA-Ziel aufgegeben wurde und der Koalitionsvertrag zumindest in diesem Bereich überhaupt nicht mehr gilt, nicht richtig erkennbar ist. Es gibt zwar eine Vereinbarung, die festlegt, wie die Not- und Übergangshilfe in das Auswärtige Amt überführt werden soll. Die Glaubwürdigkeit wurde aber schon bei der ersten Nagelprobe erschüttert, als es darum ging, wer für die Not- und Übergangshilfe sowie die Strukturhilfe eigentlich verantwortlich ist. Da haben Sie schon versagt. Es gab wieder keine Koordination zwischen den Ministerien. Es mussten erst Zeitungsberichte erscheinen, bevor die Minister klärten, wer bei der Hungersnot in Dadaab zuständig ist, wer künftig die Mittel ausgibt und wer die Verträge weiter gestaltet. Das ist doch wirklich ein Armutszeugnis. ({8}) Das zeigt, dass wir mit unserer Auffassung richtigliegen, dass es nicht sinnvoll ist, die entsprechenden Mittel zu Priska Hinz ({9}) verschieben, und dass es notwendig ist, die Not- und Übergangshilfe im BMZ zu belassen. Zu der Frage, ob das BMZ die Federführung im Lenkungsausschuss haben soll, haben wir noch gar nichts gehört. Wir wissen überhaupt nicht, wer die Federführung besitzt und wie die Koordination innerhalb der Bundesregierung aussieht. Es ist schlecht für die Entwicklungszusammenarbeit, wenn es hier kein federführendes Ressort gibt, das mit den anderen Ressorts Kooperationen und Ausgaben vereinbart. Die vielbeschworene Kohärenz gibt es nicht. Wir haben, wie gesagt, 900 Millionen Euro zusätzlich beantragt. ({10}) - Nein, die sind nicht ungedeckt, lieber Kollege Barthle. Sie wissen genau, dass wir in der Bereinigungssitzung einen entsprechenden Deckungsvorschlag gemacht haben, aus dem hervorgeht, wie das Ganze finanziert wird und wie gleichzeitig die Nettokreditaufnahme stärker gesenkt werden kann als jetzt durch die Koalition. ({11}) Jenseits der Quantität setzen wir deutliche Schwerpunkte bei Klimaschutz, Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern sowie bei Grund- und Sekundarbildung. Außerdem müssen die multilateralen Hilfen gestärkt werden; denn im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit muss man die Kooperation mit anderen Geberländern und internationalen Organisationen suchen. Ein letzter Satz. Wir Grüne hätten sicherlich auch 1,2 Milliarden Euro mehr beantragen können, ({12}) um die Umsetzung unseres Aufholplans bei der ODAQuote zur forcieren. Wir haben nun einen Änderungsantrag vorgelegt, der zum Ziel hat, wenigstens den ursprünglichen Ansatz für das BMZ wiederherzustellen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich hoffe sehr, dass Sie sich ein Herz fassen und unserem Änderungsantrag zustimmen. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Helga Daub hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Helga Daub (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003515, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Selten hat ein Haushalt schon im Vorfeld solch eine mediale Begleitmusik erfahren wie dieser Einzelplan. Das ist auch gut so. Endlich ist der zweitgrößte Investitionshaushalt, der sonst eher unter Nichtbeachtung leidet, auch einmal im Fokus. ({0}) Es gibt überhaupt keinen Grund, unsere Erfolge kleinzureden. Wenden wir uns den Tatsachen zu. Bei wichtigen Schwerpunkten tun wir heute mehr als zuvor. Multilateral stocken wir die Mittel für die Vereinten Nationen um 10,4 Millionen Euro auf. Kollege Koppelin hat die Zahlen schon erwähnt, aber das kann man nicht oft genug machen. ({1}) Das Gleiche machen wir bei der internationalen Zusammenarbeit mit den Regionen. Da beträgt die Aufstockung insgesamt 10 Millionen Euro. ({2}) Entwicklungspolitische Vorhaben der Stiftungen und der Kirchen erhalten mit jeweils 2 Millionen Euro mehr einen größeren finanziellen Spielraum. Durch dieses Geld für die Zivilgesellschaft stärken wir das bürgerschaftliche Engagement; dies ist ein wichtiger Aspekt. ({3}) Im Übrigen ist das ein Kernanliegen liberaler Politik. Im Koalitionsvertrag wird nicht grundlos auf die wichtige Rolle von Kirchen und Stiftungen hingewiesen. Diese Institutionen sind unverzichtbar für den Aufbau und die Festigung demokratischer und rechtstaatlicher Strukturen in Entwicklungsländern. Wir alle erleben ja die Dynamik der Veränderungen in diesen Ländern. Insofern ist es folgerichtig, dass wir in unserem Haushalt einen entsprechenden Aufwuchs haben. Stiftungen und Kirchen können auch gerade in den Ländern arbeiten, in denen sich staatliche Organisationen nicht oder noch nicht etablieren können. Dort leisten sie unverzichtbare Arbeit. Wir wollen eine intensive Einbindung aller Beteiligten in die Entwicklungspolitik. Das heißt für uns: Wir setzen auf den Dreiklang von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Da ich gerade die Wirtschaft erwähne - ich weiß, einige mögen jetzt vielleicht Pickel bekommen -, möchte ich sagen: Durch jeden Euro, den wir ausgeben - das Ministerium heißt ja auch Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung -, kommen 3 bis 4 Euro zurück. Es ist also ein Geben und Nehmen. Wir erschließen neue Märkte. Wir schaffen auch Arbeitsplätze. Mindestens genauso wichtig ist, dass wir damit auch helfen, unsere Werte und Standards zu verbreiten. ({4}) - Ja, gut, Sie haben andere Werte und Standards. Das weiß ich. ({5}) Der Bereich Aus- und Fortbildung - dies wurde schon mehrmals erwähnt - wird jetzt mit einem Plus von 5 Millionen Euro verstärkt. Der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und die Deutsche Welle profitieren davon. Damit werden wichtige Weichen für die Zukunft und für eine erfolgreiche Entwicklungspolitik gestellt. Natürlich würden wir alle gerne mehr geben und mehr helfen. Ich mache an dieser Stelle auch keinen Hehl aus meiner Enttäuschung, dass der Einzelplan 23 nicht die vollen 144 Millionen Euro bekommt. Ich weiß, ich habe das mit unterschrieben. Schließlich sind es nicht abgerufene Mittel aus dem Europäischen Entwicklungsfonds; das sind Gelder, die wir uns eigentlich erarbeitet haben. Dass ich das so hinnehme - ich spreche jetzt für mich persönlich -, hat damit zu tun, dass wir nicht der einzige Haushalt sind, der Kürzungen hinnehmen muss. Das Ganze dient der Haushaltskonsolidierung. Ich habe noch die Worte des haushaltspolitischen Sprechers der SPD im Ohr - er ist gerade nicht anwesend -, der die ganze Zeit von Haushaltskonsolidierung gesprochen hat. Daher müsste ihm an dieser Stelle das Herz höher schlagen. ({6}) Übrigens ist der vorübergehende Minderbedarf der Europäischen Kommission nicht zuletzt unserer kritischen Haltung zur Budgethilfe geschuldet. ({7}) Auch die Europäische Kommission schaut jetzt im Interesse der Steuerzahler bei der Mittelvergabe genauer hin. Immerhin gehen noch 20 Millionen Euro dieser 144 Millionen Euro in den Haushalt des BMZ. Die restlichen 124 Millionen Euro werden zur Haushaltskonsolidierung eingesetzt. Letztlich ist dies ein lobenswertes Ziel. Jetzt komme ich zur ODA-Quote. Zugegeben, es wäre in der Tat schöner gewesen, wenn wir schon jetzt sagen könnten, dass wir 0,4 Prozent erreicht hätten. ({8}) Es wäre ein gutes Signal dafür gewesen, dass wir den Willen haben, eine Quote von 0,7 Prozent bis 2015 zu erreichen. Dass dies gewaltiger Anstrengungen bedarf, wissen wir, Herr Hoppe. Dafür wären 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bis 2015 notwendig. Das ist nicht zu machen; aber es wäre ein gutes Symbol gewesen. ({9}) Dazu bedarf es aber auch eines Prioritätenkatalogs - so nenne ich es einmal - des Parlaments und des Haushaltsausschusses. Ich sage an dieser Stelle: Bündnis 90/Die Grünen haben dem im Haushaltsausschuss zugestimmt. ({10}) Nun könnten es - eine Nachrechnung wird das ergeben 0,39 Prozent werden; eventuell ist auch eine Quote von 0,4 Prozent möglich. Zum Vergleich: Beim Amtsantritt dieser Regierung betrug die ODA-Quote 0,35 Prozent. Vielleicht sollte man die Vorgaben zur Berechnung der ODA-Quote, die immerhin - es ist vorhin schon einmal erwähnt worden - 30 Jahre alt sind, einmal überdenken. Ohne die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit zu mindern, sollte man überprüfen, ob sie noch zeitgemäß sind. Um deutlich zu machen, was sich in den letzten 30 Jahren alles verändert hat, braucht man nur auf die Informationstechnologie und auf all die Veränderungen zu verweisen, die sie mit sich gebracht hat. Allerdings - das betrifft unseren Bereich ganz besonders - sind aus vielen Entwicklungsländern inzwischen Schwellenländer geworden. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wollen Sie die Frage von Herrn Kekeritz zulassen?

Helga Daub (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003515, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. - Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich sage ganz nebenbei: Wenn wir in Europa und in Deutschland nicht aufpassen, sind wir eines Tages diejenigen, die der Entwicklungszusammenarbeit mit anderen Ländern bedürfen. ({0}) Das ist jedoch eine Diskussion, die man an anderer Stelle und unter anderen Gesichtspunkten führen muss. Noch einmal: Wir stellen die ODA-Quote nicht infrage. Aber man sollte vielleicht über eine Anpassung der Kriterien zu ihrer Berechnung nachdenken. ({1}) Bevor von der Opposition allzu sehr gebarmt wird, muss ganz deutlich festgestellt werden: Seit 2009 entspricht der Aufwuchs der ODA-Quote einem Betrag von immerhin 1,3 Milliarden Euro, und die Bundesrepublik ist nach wie vor zweitgrößter bilateraler Geber weltweit. Da meine Redezeit fortgeschritten ist, ({2}) komme ich zum Schluss. ({3}) Fakt ist: Seit Amtsantritt dieser Regierung ist der BMZEtat um gut 600 Millionen Euro gestiegen. Entwicklungszusammenarbeit ist eine Investition in eine bessere Zukunft für die Entwicklungsländer. Diesem Ziel ist diese Regierung weiterhin verpflichtet. ({4}) Danke. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sascha Raabe hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Daub, im Fachausschuss schätze ich Sie ja durchaus. ({0}) Aber wenn Sie in einer Situation, in der Deutschland, was die Steuereinnahmen angeht, bedingt durch viele Faktoren so gut dasteht wie nie - wenn Sie heute Morgen die Generaldebatte verfolgt haben, konnten Sie das hören -, sagen: „Wir müssen aufpassen, dass Deutschland nicht irgendwann einmal zu einem Entwicklungsland wird“, und wenn ausgerechnet in einem Jahr, in dem wir eine so gute finanzielle Basis haben, der Entwicklungsetat gekürzt wird, ({1}) dann ist das ein Schlag ins Gesicht der 900 Millionen Menschen, die hungern. Das ist schäbig, und das weise ich hier in aller Schärfte zurück, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Deutschland ist ganz weit davon entfernt, ein Entwicklungsland zu werden. Aber in der Tat verspielen wir unsere Zukunft, wenn wir nicht über den eigenen Tellerrand blicken und nicht verstehen, dass wir in einer Welt leben, in der wir die bestehenden Herausforderungen nur gemeinsam mit anderen Ländern bewältigen können. Das gilt gerade im Hinblick auf das Bevölkerungswachstum. Bis zum Jahr 2050 werden 9 Milliarden Menschen auf der Welt leben. Mit all diesen Menschen sitzen wir sozusagen in einem Boot; wir müssen sie mitnehmen. Wir können uns nicht ausklinken und so tun, als würden wir nicht wahrnehmen, was um uns herum geschieht. Wir erleben gerade in sehr vielen Staaten Kriege, Konflikte, Hunger, Armut, Chaos und Terror. In einer solchen Situation können wir doch nicht einfach den Entwicklungsetat kürzen und dann noch sagen: Das müssen wir machen, weil Deutschland sonst selbst ein Entwicklungsland wird. - So geht das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen! ({3}) Die Probleme sind nicht erst seit heute bekannt, sondern sie kamen schon in der ersten Debatte zu diesem Haushalt zur Sprache. Der Aufwuchs in Höhe von 37,5 Millionen Euro, der im Haushalt enthalten ist, hätte - das wissen wir doch alle - nie im Leben gereicht, um unserem internationalen Versprechen, bis 2015 eine ODA-Quote von 0,7 Prozent zu erreichen, auch nur ansatzweise nachzukommen. Spätestens jetzt werden Sie zu Vertragsbrechern. Wir haben heute schon mehrmals festgestellt: Dieser Koalitionsvertrag ist wirklich das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist; er ist genauso hinfällig wie Ihre gesamte Koalition. ({4}) Das Ergebnis der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses lag im Morgengrauen vor. Der Begriff „Grauen“ trifft es ziemlich genau. Das Geld, das dringend gebraucht wird für den Aufbau von sozialen Sicherungssystemen, für Bildung, für Gesundheit, für Ernährungssicherung, für Bewässerungsprojekte, all das Geld fehlt jetzt. Deswegen haben viele Organisationen der Zivilgesellschaft uns Abgeordnete heute noch einmal angeschrieben und an uns appelliert, diese Kürzungen nicht hinzunehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, hören Sie die Signale! Haben Sie den Mut, auch einmal gegen Ihre Fraktionsoberen zu stimmen! Stimmen Sie diesen Kürzungen nachher nicht zu! ({5}) Zu verantworten, Herr Minister Niebel, hat diese Kürzungen keineswegs das Parlament, wie Sie es in einer Pressemitteilung und in der Haushaltssitzung behauptet haben. In diesem Haus gab es einen entwicklungspolitischen Konsens. Die Mehrheit der Abgeordneten hat einem Aufwuchs um 1,2 Milliarden Euro pro Jahr zugestimmt. Sie haben daraus nie etwas gemacht. Wenn Sie auftreten, ob hier oder in aller Welt, dann tun Sie das breitbeinig und am liebsten mit Feldjägermütze. ({6}) Letztes Mal, bei der ersten Debatte, haben Sie - großspurig, wie Sie sind - etwas von einem Rekordhaushalt erzählt. Und jetzt lassen Sie sich von Ihrem eigenen Haushälter, von Herrn Koppelin, am Nasenring durch die Manege ziehen. ({7}) Das ist doch lächerlich. Kein Wunder, dass Sie am Kabinettstisch nicht einen einzigen Tagesordnungspunkt durchgesetzt haben. Wie wollen Sie gegenüber der Bundeskanzlerin 1 Milliarde Euro durchsetzen, wenn Sie nicht einmal in der Lage sind, 37 Millionen Euro gegenüber Ihrem eigenen Haushälter durchzusetzen? Das ist eine Lachnummer. ({8}) Herr Minister, Sie sollten einmal Ihr Verhältnis zu den Kollegen Ihrer eigenen Partei überprüfen. Auch als Sie damals einen Sonderfonds für Haiti forderten, hat Ihnen Herr Koppelin den herausgestrichen. Es kann doch nicht sein, dass jedes Mal, wenn Herr Koppelin „Sitz!“ sagt, der Bundesminister für Entwicklung, der Wuffi Dirk, wie ein kleiner Hund mit dem Schwänzchen wackelt. ({9}) Das ist doch ein wichtiges Thema, Herr Minister. Da reicht es nicht, sich aufzuplustern. Sie müssen wenigstens Ihren eigenen Haushälter mit Autorität von Ihrer Sache überzeugen. Sonst werden Sie mit Ihren Anliegen im Kabinett keine Glaubwürdigkeit haben. Herr Minister, ich habe schon mehrmals Ihre Vetternwirtschaft kritisiert. Das mache ich jetzt nicht noch einmal. Bemerkenswert ist aber, dass die Personalpolitik im BMZ - das spiegelt sich im Haushalt wider - immer mehr in Richtung Wahlkampf geht. Die Abteilung „Planung und Kommunikation“ wird mit Stellen aufgebläht. Der Personalrat spricht davon, dass - ich zitiere - „in den operativen Kernbereichen des Hauses Schmalhans Küchenmeister ist“, weil immer mehr gute Leute aus den Fachabteilungen abgezogen werden, sodass letztlich nur noch Propaganda gemacht wird. Man muss sich dann schon die Frage stellen, ob mit diesem Haushalt für das Jahr 2013 nicht eher das Ziel verfolgt wird, den Bundestagswahlkampf statt im Dehler-Haus im BMZ mit dem Geld der deutschen Steuerzahler planen zu können. Nachdem Sie die Servicestelle „Engagement Global“ gegründet haben, werden Sie demnächst wahrscheinlich auch noch eine Servicestelle „Engagement Liberal“ gründen. Wenn es um Ihre Partei geht, Herr Minister, ist Ihnen nichts zu teuer. Das trifft aber auf die Menschen, die es nötig hätten, leider nicht zu. Herr Minister, Sie haben in Ihrem Haus seit 2010, wenn ich richtig gezählt habe, mehr als 20 Strategiepapiere schreiben lassen. Selbst wir als Fachpolitiker haben Mühe, da die Übersicht zu behalten. ({10}) Ständig werden uns neue Konzepte präsentiert. In der Chefetage des BMZ wird so viel heiße Luft produziert, dass man schon Angst vor Wüstenbildung haben muss. Dazu passt, dass Sie uns neulich ein entwicklungspolitisches Weißbuch vorgelegt haben, in dessen zehn Hauptbotschaften auf der ersten Seite Sie eigentlich nur sich selbst feiern. Die Begriffe „Hunger“ und „Armut“ tauchen in dieser Gliederung kein einziges Mal auf. Ich kann nur sagen: Wir Sozialdemokraten haben eine Strategie vorgelegt, in der die Bekämpfung von Hunger und Armut an allererster Stelle steht. Sie hingegen machen in erster Linie Außenwirtschaftsförderung. Sie haben eine Ressortvereinbarung mit dem Auswärtigen Amt geschlossen, die angeblich zu einer besseren Abstimmung und mehr Effizienz - Sie nehmen ja immer das Wort „Effizienz“ in den Mund - führten sollte. Dann werfen Sie Ihrem ehemaligen besten Freund Westerwelle aber vor: Es kann nicht sein, dass Menschen in der von Krisen geschüttelten Region am Horn von Afrika unter der Untätigkeit des Auswärtigen Amtes leiden. Das kommt dabei heraus, wenn man die Kernzuständigkeit des BMZ, nämlich humanitäre Hilfe zu leisten, auslagert, um einen Kuhhandel zu machen. Anschließend klagen Sie öffentlich in der Presse Westerwelles Untätigkeit an. Da kann natürlich eine Männerfreundschaft schon einmal auf der Strecke bleiben. Noch schlimmer ist aber, dass Zehntausende Flüchtlinge in der Krisenregion am Horn von Afrika darunter leiden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Raabe!

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. - Ich kann Ihnen nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Wenn Sie heute so abstimmen, wie Sie abstimmen wollen, dann müssen Sie den Menschen erklären, warum Sie an diesem trüben Novembertag das 0,7-Prozent-Ziel zu Grabe getragen haben. Ich appelliere an Ihr Gewissen: Stimmen Sie dem nicht zu! ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Johannes Selle hat jetzt das Wort für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Johannes Selle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002798, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Das Ziel der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung ist es, allen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Das ist eine ehrenvolle Aufgabe, die aber riesengroß ist und die durch Bevölkerungswachstum, Klimaveränderungen und Ressourcenverknappung wächst. Zusätzlich erfordern Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren unsere Hilfe. Dort, wo Not herrscht, muss auch in Zukunft schnell geholfen werden. Deutschland hat auf die Hungersnot in Ostafrika zum Beispiel unmittelbar mit Hilfen in Höhe von 33,5 Millionen Euro reagiert - zusätzlich zu den Leistungen im Rahmen unserer multilateralen Zusammenarbeit. Die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen, wird wohl leider nicht ganz gelingen. Gerade bei Hunger und Unterernährung sind die Zahlen - erst von 20 Prozent auf 16 Prozent gefallen und jetzt wieder auf 19 Prozent gestiegen - ganz wesentlich verursacht durch die steigenden Lebensmittelpreise. Wir werden zunehmend damit konfrontiert, durch fehlende Entwicklung verursachte kriegerische Auseinandersetzungen und terroristische Bedrohungen zu bewältigen. Ich darf an Mali, Sudan, Südsudan und ganz aktuell an Kongo erinnern. Deshalb ist es wichtig, dass wir in unserer Entwicklungszusammenarbeit Konfliktprävention fördern und vor allem in fragilen Staaten mit unserem Engagement nicht nachlassen. ({0}) Aus meiner Sicht ist es an der Zeit, dem Gedanken eines stärkeren, dauerhaften Engagements in einem Land näherzutreten. Dadurch könnte langfristig der Verwaltungsaufbau und damit eine gute Regierungsführung schneller vorangebracht werden. Der Südsudan zum Beispiel braucht das. Ganzheitliche Konzepte fehlen einfach. Zudem würden die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft in Deutschland viel stärker motiviert. Mit Minister Niebel hat es einen Paradigmenwechsel gegeben. ({1}) Die Entwicklungszusammenarbeit hat ihre Wirksamkeit im Inland erhöht. Die Vorfeldreform, an der sich die Vorgängerin des Ministers elf Jahre lang erfolglos versucht hat, ({2}) ist eine große Erfolgsgeschichte. ({3}) Die Integration von WZ-Referenten an den deutschen Botschaften kommt voran und wird von unseren Partnern sehr geschätzt. Für den Umgang mit fragilen Staaten wurde ein schlüssiges und anerkanntes Konzept vorgelegt. Wenn Jobs wichtig für die Bekämpfung der Armut sind, dann heißt das, die Wirtschaft einzubeziehen. Nachhaltige Beschäftigung und selbsttragender Aufschwung brauchen Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe. Die Förderung der Privatwirtschaft in Entwicklungsländern hat eine größere Bedeutung bekommen. 90 Prozent aller neugeschaffenen Stellen entstehen nämlich durch privatwirtschaftliche Initiativen. ({4}) „Der Privatsektor ist Wachstumsmotor“, so Staatssekretärin Gudrun Kopp. In dieser Linie steht auch der Haushaltsentwurf der Regierung mit einer Erhöhung von 37,5 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr auf insgesamt 6,4 Milliarden Euro. ({5}) Wir Entwicklungspolitiker wünschen uns mehr, aber wir stehen in der Verpflichtung, den Haushalt zu konsolidieren. Das ist auch für die wirtschaftliche Zusammenarbeit sehr wichtig, damit wir weiter helfen können. Alle wesentlichen Positionen im Haushalt steigen nach diesem Entwurf. Ich rede dabei von den Positionen, deren Mittel an Institutionen gehen, die direkt für die Menschen arbeiten. ({6}) Der Ansatz für den Europäischen Entwicklungsfonds betrug 838 Millionen Euro. Wegen fehlender sinnvoller Projekte meldete die Kommission einen um 144 Millionen Euro geringeren Bedarf an. Niemand hat bisher hinterfragt, warum der Europäische Entwicklungsfonds seine Ziele wiederholt nicht erreicht hat. Daran hat auch die Opposition keine Kritik geübt. Wir hätten das nicht benötigte Geld gerne in andere Projekte gesteckt. Dazu haben wir auch Vorschläge vorbereitet. Entwicklung, Hilfe und Arbeit zugunsten der Schwächsten in der Welt: Das ist unsere tägliche Beschäftigung und wird dadurch zu einer Angelegenheit des Herzens, weil wir eben so dicht dran sind. Im Haushaltsausschuss wurden nun Tatsachen geschaffen. ({7}) Von den 144 Millionen Euro wurden 22,9 Millionen Euro dem Einzelplan 23 für die Verstärkung der Projekte belassen. 121 Millionen Euro wurden zur Reduzierung der Kreditaufnahme verwendet. Das mag vor dem Hintergrund der Verschuldung plausibel erscheinen, wäre von den Entwicklungspolitikern aber nicht unterstützt worden. Im weiteren parlamentarischen Verfahren ist aber eine Änderung nicht so einfach möglich. Die Projekte, die im Entwurf des Haushaltes vorgesehen waren, haben darunter nicht gelitten. Die Mittel dafür wurden teilweise erhöht. Das darf man auch einmal sagen. Ich möchte auch auf die Gefahr hinweisen, dass der Europäische Entwicklungsfonds die Gelder, die er nicht gebraucht hat, noch einfordern kann, wie es in der Finanzierungsvereinbarung steht. Noch einige Worte zu den Anträgen, über die heute abgestimmt werden muss: Die SPD verlangt ganz locker 1,4 Milliarden Euro mehr ({8}) und legt natürlich keine Gegenfinanzierung vor, obwohl Kollege Steinbrück gerade heute früh eine Nullverschuldung für möglich hielt. ({9}) Das ist im Vergleich zu den gut 2,25 Milliarden Euro, die die Linken in ihren Anträgen fordern, ({10}) bescheiden. Vielleicht gilt auch hier der Satz: Je weiter weg von einer Regierungsbeteiligung man ist, desto leichter fallen die Forderungen. ({11}) Für Ausgaben von 2,25 Milliarden Euro reichen der Linken eineinhalb Seiten. Wenn man die Mittel für die Schwerpunkte addiert, die nach Ihrer Meinung mehr Unterstützung benötigen, dann sieht man, dass 800 Millionen Euro gar nicht untersetzt sind, nach dem Motto: Das Ministerium wird die restlichen Gelder schon vernünftig einsetzen. - Meine Kollegen von den Linken, diese eineinhalb Seiten sprechen ganze Bände, wie seriös Sie mit der knappen Ressource Steuergeld umgehen. Aber auch die nicht untersetzten Forderungen der SPD sind groß genug, dass man annehmen kann, dass sie ebenfalls nicht mit einer Regierungsbeteiligung rechnet. ({12}) Bleibt der Antrag der Grünen, der es zwar in sich hat, aber aufgrund der Zustimmung im Haushaltsausschuss in einem ganz anderen Licht erscheint. Der Antrag trifft auch den Nerv der Unionsabgeordneten, die als Fachpolitiker von dem Beschluss im Haushaltsausschuss überrascht wurden. Ich habe die Initiative unterstützt, das 0,7-Prozent-Ziel verstärkt anzustreben. ({13}) „Wir wollen nicht die Union …“, hat Ihr Vorsitzender auf dem Parteitag der Grünen unter Beifall gerufen, ({14}) den Sie anschließend wiedergewählt haben. Was Sie heute wollen, ist aber, unser gemeinsames Ziel politisch auszunutzen. Ich mag mich aber nicht auf diesen klebrigen Fliegenfänger setzen. ({15}) Dass wir mit einem Anteil am Gesamthaushalt von 2 Prozent mit über 10 Prozent zum Sparen im Gesamthaushalt beitragen, macht uns nicht glücklich. Ich und meine Kollegen geben das Ziel nicht auf, für eine effiziente Entwicklungszusammenarbeit die dafür nötigen Mittel aufzubringen. Dabei wissen wir die Kanzlerin an unserer Seite. Für die nächsten Beratungen sind wir jedenfalls sensibilisiert. ({16})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Niema Movassat. ({0})

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Niebel, ich bin guter Dinge, dass dies heute der letzte entwicklungspolitische Haushalt unter Ihrer Verantwortung ist, den wir uns antun müssen. Ihre Bilanz als Entwicklungsminister ist verheerend. ({0}) Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag geschrieben, dass Sie 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufbringen wollen. Damit wollten Sie ein vor über 40 Jahren abgegebenes völkerrechtlich verbindliches Versprechen einlösen. Aber seit Ihrem Amtsantritt dümpelt die deutsche Entwicklungshilfequote bei mageren 0,4 Prozent oder weniger herum. Das zeigt, wie viel Ihnen Entwicklungszusammenarbeit praktisch wert ist: so gut wie nichts. ({1}) Um wie versprochen die 0,7 Prozent bis 2015 zu schaffen, bräuchten wir eine Steigerung des Entwicklungshaushalts von etwa 2 Milliarden Euro pro Jahr. Deshalb, Herr Selle, haben wir diesen Antrag hier eingebracht. Machbar ist das. Wer 33,3 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt ausgibt wie diese Regierung, aber nur 6,3 Milliarden Euro für Entwicklung, setzt falsche Prioritäten. Mit einem Bruchteil des Geldes, das Sie für Rüstung und Krieg ausgeben, ließen sich Armut und Elend auf dieser Welt bekämpfen. ({2}) Nun soll das Volumen des Entwicklungshaushalts sogar noch schrumpfen. Das besonders Pikante ist, dass Sie diese Haushaltskürzungen laut Presseberichten Ihrem Parteikollegen Koppelin zu verdanken haben, der Sie damit offensichtlich schwächen möchte. Da stimmt dann wohl bei der FDP der Satz: Die Steigerung von Feind ist Parteifreund. ({3}) Eines Ihrer Ziele war die Fusion der staatlichen technischen Entwicklungszusammenarbeit. Sie haben dafür GTZ, DED und InWEnt zur GIZ, Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, zusammengefügt. Damit sollte die Entwicklungsarbeit effektiver werden. Die Idee war gut, die Realität ist ein Trauerspiel. Viele Beschäftigte sind frustriert. Laut der jüngsten Mitarbeiterbefragung ist fast die Hälfte der GIZ-Belegschaft mit dem Fusionsprozess und der Arbeit des Vorstands unzufrieden. Da Sie, Herr Niebel, das Projekt immer als Chefsache behandelt haben, ist das auch für Sie ein vernichtendes Urteil. ({4}) Verheerend ist auch die politische Umorientierung, die Sie in der GIZ vorantreiben. Sie bauen das Unternehmen zu einem weltweiten Dienstleistungsunternehmen für Aufgaben aller Art um. Die Kernaufgabe der Entwicklungspolitik, die Armutsreduzierung, fällt dabei hinten runter. Im neuen Leitbild der GIZ steht dazu kein Wort mehr. Während für uns im globalen Norden eine ausreichende Ernährung, fließend Wasser und Strom meist selbstverständlich sind, kämpfen unzählige Menschen im Süden täglich ums nackte Überleben. 1,4 Milliarden Menschen weltweit leben in extremer Armut. Die Teller bleiben leer, Schulen sind unerreichbar, sauberes Wasser ist Luxusgut. Angesichts dessen ist Armutsbekämpfung wichtiger denn je. ({5}) Stattdessen bietet die GIZ Dienstleistungen an, die mit Menschenrechten und Entwicklungszusammenarbeit nichts zu tun haben. So bildet die GIZ saudische GrenzNiema Movassat polizisten aus. Ich frage Sie, Herr Niebel: Ist Saudi-Arabien, in dem Frauen gesteinigt, Menschen zur Bestrafung Gliedmaßen abgehackt werden, ein Beispiel für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit? Wir als Linke sagen klar Nein. ({6}) Für Sie ist Entwicklungspolitik nichts anderes als Außenwirtschaftsförderung im Interesse deutscher Unternehmen. Diese profitieren von Ihrem Kurs, nicht kleine und mittelständische Unternehmen in den Ländern des Südens. ({7}) Dazu passen auch Ihre Renditeerwartungen. Vor kurzem sprachen Sie im Entwicklungsausschuss davon, dass jeder Euro in der Entwicklungszusammenarbeit zu einer Erhöhung des deutschen Exports um 3 bis 4 Euro führt. Aus 1 Euro mach 4 Euro, 300 Prozent Rendite: Da erblasst ja selbst ein Herr Ackermann vor Neid. ({8}) Herr Niebel, Ihnen fällt Ihr eigener ideologischer Widerspruch nicht einmal mehr auf. Ich dachte, Liberale lehnen Subventionen für Unternehmen ab. Nun bauen Sie zum Beispiel mit öffentlich-privaten Partnerschaften das Entwicklungsministerium zu einem Förderinstitut für deutsche Unternehmen um. Mit liberaler Lehre hat das nichts zu tun. ({9}) Aber all das ist letztlich nur die Spitze des Eisbergs. Wir brauchen eine grundlegend andere entwicklungspolitische Strategie. Die globale soziale Ungerechtigkeit muss beendet werden. Heute besitzen weltweit 63 000 Menschen ein Vermögen von 40 Billionen Dollar. Das ist mehr als die Hälfte des jährlichen Bruttoinlandsprodukts aller Staaten auf der Welt zusammengenommen. 63 000 Menschen - das sind gerade einmal 0,00009 Prozent der Weltbevölkerung. ({10}) Gleichzeitig hat die Hälfte der Menschheit keinerlei Vermögen. Gleichzeitig verhungert alle fünf Sekunden ein Kind. Überall auf der Welt sterben Menschen an Hunger, ob in Guatemala, Kongo oder Indien. Auf der einen Seite gibt es grenzenlosen Reichtum, auf der anderen Seite ungeheure Armut. Bei einer gerechten Verteilung des weltweiten Reichtums müsste heute niemand mehr an Hunger und Armut sterben. ({11}) Deshalb müssen wir umverteilen - in Deutschland und weltweit. Das wäre tatsächliche Entwicklungspolitik. Danke für die Aufmerksamkeit. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Thilo Hoppe hat jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Thilo Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003558, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nicht die großen Linien der Entwicklungspolitik beschreiben, sondern uns nur noch einmal vor Augen führen, um was es gleich in der namentlichen Abstimmung gehen wird. Es geht allein darum, eine Fehlentscheidung des Haushaltsausschusses zu korrigieren und zu dem Entwurf zurückzukehren, den diese Bundesregierung vorgelegt hat. Um es klarzustellen: Wir stehen nach wie vor zu unserer Position, die Entwicklungsausgaben und die Ausgaben für humanitäre Hilfe, also die ODA-Leistungen, Jahr für Jahr um 1,2 Milliarden Euro zu steigern. Denn das wäre notwendig, um dem 0,7-Prozent-Ziel nahezukommen und es 2017 erreichen zu können. Das hätten wir wieder beantragen können, aber es wäre wieder abgelehnt worden. Das ist eine sinnlose Übung. Das, was wir jetzt vorlegen, ist nur die Streichung einer Streichung. Was ist geschehen? Der Regierungsentwurf sah eine zwar geringfügige, aber immerhin noch eine Steigerung des Entwicklungshaushaltes vor. Dann kam die überraschende Sitzung des Haushaltsausschusses, in der im Endeffekt 124 Millionen Euro herausgestrichen wurden. Auch wenn hier mit vielen Zahlen jongliert wurde: Das lässt sich nicht wegreden. Das haben auch andere Kolleginnen und Kollegen zugegeben und bestätigt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine reale Kürzung um 86,5 Millionen Euro. Das hat der Kollege Klein auch zugegeben. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Jahren immer engagiert diskutiert und gestritten, wie hoch die Aufwüchse sein müssten. Wenn wir das heute Abend durchgehen lassen, dann wird es zum ersten Mal nach langer Zeit in die falsche Richtung gehen. Bisher ging die Fieberkurve noch nach oben. Jetzt wird es den Knick nach unten geben. Das wäre ein absolut fatales Signal für die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Welt. ({1}) Das wäre eine schlechte Nachricht. Bitte seien Sie sich der fatalen internationalen Wirkung dieses Signals bewusst. Es ist doch kein Geheimnis - ich plaudere keine Interna aus -, dass sich der Entwicklungsminister, die Staatssekretärin und viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Entwicklungsausschuss sehr über diese Streichaktion geärgert haben. ({2}) Herr Selle, ich nehme das Ganze sehr ernst. Ich hatte versprochen, den Text des entwicklungspolitischen Konsenses über die zusätzlichen 1,2 Milliarden Euro, den viele von Ihnen dankenswerterweise unterschrieben haben, niemals zum Anlass einer namentlichen Abstimmung zu machen und Sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Aber darum geht es heute nicht. Es geht heute nur darum, eine Kürzung zu verhindern bzw. sie zu korrigieren. Was wir jetzt machen, klingt paradox: Ich verteidige den Regierungsentwurf, den Entwurf dieser Bundesregierung gegenüber einer einsamen Kürzungsaktion auf Betreiben hauptsächlich eines Haushälters. ({3}) Darüber bitte ich jetzt nachzudenken und in sich zu gehen. Nehmen Sie den Parlamentarismus ernst! ({4}) Denn er sieht vor, dass das Plenum dieses Bundestages das letzte Wort behält. ({5}) Er sieht nicht vor, was leider Gewohnheitsrecht geworden ist: dass immer der Haushaltsausschuss das letzte Wort behalten soll. ({6}) Ich will jetzt nicht die Gewissensdimension ins Spiel bringen; es geht um Ihre Überzeugung. Wie gesagt, wir haben gemeinsam für Aufwüchse gekämpft und uns nur darüber gestritten, wie hoch die Aufwüchse sein müssen. Aber Kürzungen waren überhaupt nicht in Sicht, weder im Entwicklungsministerium noch bei den Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir im AwZ gut zusammenarbeiten. Wir haben jetzt die Möglichkeit, das noch zu korrigieren. Es stimmt auch nicht, dass damit der ganze Haushalt kippen würde. Wir haben uns nach der Verfahrensweise erkundigt. Es wäre möglich, diese Rücknahme der Kürzung noch am Freitag in dritter Lesung einzuarbeiten. Das würde ein winziges Stückchen mehr Schuldenaufnahme bedeuten. Aber sagen Sie jetzt bitte nicht, dass 124 Millionen Euro ein riesengroßes Problem darstellen, wenn man sieht, dass wir hohe Steuermehreinnahmen haben, dass wir 750 Millionen Euro für neue Straßen ausgeben, dass wir Beschlüsse für ein Betreuungsgeld gefasst haben usw. Es geht hier um Prioritätensetzung, um die Rückkehr zum Regierungsentwurf. Darüber können wir gleich abstimmen. Ich bitte Sie, Ihrer Überzeugung zu folgen. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Helmut Heiderich. ({0})

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bundesminister Niebel hat bei der Vorstellung des Haushalts vor wenigen Wochen darauf hingewiesen, dass das BMZ zum vierten Mal in Folge einen Rekordhaushalt vorlegt. ({0}) Nun hat ihm der Haushaltsausschuss buchstäblich und im wahrsten Sinne des Wortes einen Strich durch die Rechnung gemacht. Meine verehrten Damen und Herren von den Grünen, eben habe ich erfahren, dass Sie an dieser Streichung aktiv beteiligt waren. ({1}) Deswegen sage ich ganz deutlich: Wenn Sie jetzt mit Ihrem Antrag kommen und das, was Sie gestrichen haben, wieder aufsetzen wollen, dann ist das wirklich eine Kapriole besonderer Art. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Möchten Sie die Zwischenfrage von Herrn Hoppe zulassen?

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jetzt nicht, später bitte. ({0}) Was aus der technischen Sicht der Haushälter sicherlich ein Korrekturposten unter vielen gewesen sein mag, war für die Gesamtdarstellung der Entwicklungspolitik in der Öffentlichkeit leider ein Desaster; denn in Relation zum Haushalt 2012 - das ist jetzt schon ein paarmal gesagt worden - bleibt unter dem Strich ein Minus, wenn auch ein kleines, von 86 Millionen Euro. Natürlich haben sich alle Journalisten und Entwicklungsorganisationen, von Agro Action bis World Vision, darauf gestürzt und sich zu Wort gemeldet. Ich will nur einige Überschriften nennen: „Deutschland kürzt Entwicklungshilfe“, „Deutschland begräbt ein Stück globaler Verantwortung“, „Deutschland verabschiedet sich aus seiner internationalen Verantwortung“, „Sparen auf Kosten der Ärmsten“ usw. ({1}) Das war die direkte Reaktion auf diese Entwicklung. Ich denke, all dies wäre leicht zu vermeiden gewesen, wenn nicht auch Sie, Frau Hinz, die Hand gehoben hätten, sondern sie unten gelassen hätten. ({2}) Ich sage eines dazu ganz deutlich: Wir Entwicklungspolitiker haben diese Situation nicht zu verantworten. Wir Entwicklungspolitiker - das sage ich genauso deutlich - wollen und werden uns nicht von unserer internationalen Verantwortung verabschieden. Wir werden weiter kämpfen. ({3}) Trotz all dieser Schlagworte, die eben von mir zitiert worden sind, werden wir für das kommende Haushaltsjahr, auch nach der Veränderung des Etats, niemandem einen einzigen Euro wegnehmen oder irgendwelche Mittel streichen. Das Gegenteil ist richtig. Auch nach der Veränderung werden 23 Millionen Euro zusätzlich vergeben. Ich liste auf: 5 Millionen Euro für die berufliche Aus- und Fortbildung, 4 Millionen Euro für die Vereinten Nationen, 2 Millionen Euro für politische Stiftungen, 2 Millionen Euro für Kirchen und 10 Millionen Euro für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz. Das alles wird zusätzlich im kommenden Haushaltsjahr geleistet. ({4}) Nun werden Sie fragen: Wo ist denn das Problem? Warum diese Aufregung? Nun, wir haben eben schon gehört - ich will das ganz kurz machen -, dass für den Europäischen Entwicklungsfonds 838 Millionen Euro angesetzt waren. Zwei Tage vor der Verabschiedung gab es einen neuen Hinweis - ich habe mir das extra aus dem BMF geben lassen -, dass diese Mittel aus Gründen, die man in Brüssel zu verantworten hat und nicht bei uns - ich will das nicht lange ausführen -, reduziert werden. Das BMF hat interessanterweise in seinen Beurteilungsbogen hineingeschrieben: politische Bedeutung gering. Ich glaube, an dieser Stelle hat man sich ein wenig verschätzt. ({5}) Leider muss ich auch feststellen: Kein Einziger von denen, die ich eben zitiert habe - wenn man sich die Stellungnahmen aufmerksam durchliest, ist das eindeutig zu erkennen -, hat sich mit diesen inneren Zusammenhängen beschäftigt. Deswegen ist es auch ganz natürlich, dass sich die Opposition auf dieses Ereignis einschießt. Ich halte aber auch fest: Was die Grünen hier heute beantragen, ist nichts anderes als Bilanzkosmetik. ({6}) Mit der Annahme dieses Antrags - das sage ich ganz deutlich; Herr Hoppe kann mich ja gleich noch dazu befragen - wird kein Einziger weltweit im nächsten Jahr auch nur einen einzigen Euro mehr bekommen als jetzt. ({7}) Setzt man diese Veränderung in Relation zu der Entwicklungspolitik, die mit diesem Haushalt insgesamt geleistet wird, ist ganz deutlich zu sagen: Man muss die Kirche im Dorf lassen. Deutschland wird in 2013 insgesamt über 10 Milliarden Euro an ODA-Leistungen erbringen. Obwohl wir selbst nur 1,1 Prozent der Weltbevölkerung darstellen, werden wir international den zweitgrößten Anteil aller Staaten leisten - direkt hinter den USA. Auch darauf muss einmal öffentlich hingewiesen werden. ({8}) Im Übrigen hat Frankreich seine ODA-Quote im letzten Jahr um 5,6 Prozent gesenkt. England hat sie um 0,8 Prozent reduziert. Außerdem hat die neue französische Regierung gerade mitgeteilt, dass die ODA-Quote für die nächsten Jahre bei 0,4 Prozent eingefroren werden soll. Und schauen Sie einmal in die USA: Die ODAQuote beträgt dort 0,2 Prozent. Deshalb ist dieser Fetischismus, immer auf die Hundertstelstellen nach dem Komma zu schauen und daran eine erfolgreiche Entwicklungspolitik festzumachen, für mich kein Maßstab. Für mich ist der Maßstab, ob wir es schaffen, dass die Menschen in dieser Welt eine bessere Lebensqualität erreichen. Ich will einmal einige Beispiele nennen. 3 Milliarden Menschen weltweit haben nach wie vor weniger als 2 Dollar am Tag zur Verfügung. 1,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Energie. 1 Milliarde Menschen weltweit muss immer noch Hunger leiden. An diesen Stellen müssen wir ansetzen und aufhören, hier über Hundertstelstellen hinter dem Komma zu diskutieren. Gerade bei der Hungerbekämpfung hat diese Koalition in den letzten Jahren eine Menge enormer Verbesserungen erreicht. Was in rot-grüner Regierungszeit - darüber haben wir uns ja schon einmal unterhalten - fast aus dem Haushalt herausgestrichen worden war, ist unter unserer Verantwortung wieder deutlich aufgewachsen. Wir haben damit international neues Renommee für Deutschland gewonnen. ({9}) Das Ministerium hat eine Taskforce eingerichtet. Ein Zehn-Punkte-Programm ist in der Umsetzung. Gemeinsam mit dem Agrarministerium haben wir Vereinbarungen getroffen, um die Schlagkraft der beiden Ministerien zusammenzufügen. Im Sinne einer modernen Ausrichtung der Hungerbekämpfung haben wir die Deutsche Initiative für Agrarwirtschaft und Ernährung ins Leben gerufen. Ich glaube, damit machen wir deutlich, dass wir das Problem des Hungers weltweit von verschiedenen Seiten ins Visier nehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor dem Hintergrund, dass wir hier im Detail an Verbesserungen weltweit arbeiten, sind die 1,4 Milliarden Euro, die nach dem heute hier gestellten Antrag der SPD auf den Haushalt draufgesattelt werden sollen, wirklich kein Betrag, der in irgendeiner Weise auch nur annähernd realistisch wäre. ({10}) Es kann auch nicht sein, dass Ihr haushaltspolitischer Sprecher gestern erklärt, diese Bundesregierung spare zu wenig und müsse wesentlich mehr Geld einsammeln, und Sie heute fordern, 1,4 Milliarden Euro draufzusatteln. Das ist eine Doppelmoral, die man hier nicht so stehen lassen kann. ({11}) Letzter Punkt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. Es ist eben schon kurz angesprochen worden: Sie sollten sich einmal an das erinnern, was uns von den Fachleuten in der Anhörung im Frühjahr aufgegeben worden ist. Damals hieß es nicht, wir sollten zusätzliches Geld über die Welt ausschütten, sondern es hieß, wir sollten uns darum kümmern, die Wirksamkeit der Entwicklungspolitik zu verbessern. Ich glaube, auch da haben wir und unsere Regierung einen guten Anfang gemacht. Wir haben zum Beispiel beim Global Fund gezeigt, wie man die Wirksamkeit verbessert. Wir haben das Deutsche Evaluierungsinstitut gegründet. Je höher dessen Wirksamkeit wird, desto mehr können wir mit dem eingesetzten Geld machen. Das ist allemal besser, als sich auf eine Hundertstelstelle hinter dem Komma zu konzentrieren. Schönen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem Kollegen Thilo Hoppe.

Thilo Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003558, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Kollege Heiderich, Sie haben behauptet, die grüne Fraktion sei für eine Kürzung des Entwicklungsetats. Ich möchte Sie herzlich bitten, diese Behauptung zurückzunehmen und zur Kenntnis zu nehmen, dass wir Aufwüchse in Höhe von 900 Millionen Euro für den Entwicklungshaushalt beantragt haben. Wenn einer Rückführung von nicht benötigten Mitteln aus dem Europäischen Entwicklungsfonds in Höhe von 144 Millionen Euro zugestimmt wurde, dann muss das gegen die Aufwüchse von 900 Millionen Euro gegengerechnet werden. Der von uns gewünschte Aufwuchs ist daher immer noch groß: mehr als 750 Millionen Euro. Es geht hier nicht um irgendwelche Stellen weit hinter dem Komma; vielmehr stimmen wir gleich darüber ab - ich kann es noch einmal in Erinnerung rufen -, ob der Entwicklungsetat zum ersten Mal seit langer Zeit real gekürzt wird - gegen den Willen der Bundesregierung, gegen den Willen des Entwicklungsministers und gegen den Willen vieler Kolleginnen und Kollegen aus dem Entwicklungsausschuss - oder ob wir diese Kürzung zurücknehmen und den alten Regierungsentwurf wieder einsetzen. Darum geht es gleich in der Abstimmung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Heiderich, möchten Sie erwidern? Bitte schön.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hoppe, wir haben vorhin zweimal gehört, dass im Haushaltsausschuss eine Kürzung von 144 Millionen Euro beschlossen worden ist und dass dieser Beschluss dazu geführt hat, dass jetzt im Entwicklungsetat unter dem Strich kein Plus steht, wie vorher, sondern ein Minus. Die Debatte dieser Woche in allen deutschen Zeitungen und in zahlreichen Institutionen hat sich darum gedreht, dass die Kürzung von 144 Millionen Euro unter dem Strich zu einem Minus führt. Diese Kürzung ist - das ist eben von Frau Hinz bestätigt worden mit Ihrer Stimme beschlossen worden. ({0}) Deswegen ist das Ergebnis auch von den Grünen verursacht. Auch Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass Sie dafür gesorgt haben, dass unter dem Strich ein Minus herausgekommen ist. Das dürfen Sie nicht anderen vorwerfen. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Martin Gerster hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Martin Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Niebel, Sie haben heute um 17.40 Uhr ein Satirevideo verschickt, „Africa for Norway“, und uns Abgeordneten dabei vier unterhaltsame Minuten gewünscht. Ich kann in Anbetracht des Verlaufs der Haushaltsberatungen verstehen, dass Sie gute Stimmung machen wollen. Aber gerade heute ist es doch völlig deplatziert und grenzwertig, uns ein Satirevideo zu schicken. ({0}) Ich muss schon sagen: Ich habe den Minister Niebel auch als jemanden erlebt, der kämpfen kann, der engagiert auftreten kann. ({1}) Aber es ist schon ziemlich traurig, dass er heute nicht bereit ist, für seinen Etatentwurf noch einmal zu kämpfen. Das müssen wir an dieser Stelle deutlich kritisieren. ({2}) Heute ist nämlich kein guter Tag für Armutsbekämpfung und für Entwicklungszusammenarbeit. Das muss deutlich gesagt werden. ({3}) Es ist sogar noch mehr: Es ist blamabel, auch für die Koalition, die anscheinend nun offen zeigt, was sich schon damals bei der Regierungsübernahme durch Schwarz-Gelb angebahnt hat. Es ist blamabel auch für die Koalitionsfraktionen, weil der Etat des BMZ zum ersten Mal seit zehn Jahren sinkt - trotz sprudelnder Steuereinnahmen, trotz niedriger Zinsen und trotz 17 Milliarden Euro Neuverschuldung. Das ist eine Blamage für Schwarz-Gelb. Ich frage an dieser Stelle: Wo waren eigentlich die einflussreichen Leute in der Unionsfraktion und in der FDP-Fraktion, die doch auch das tragen müssten, was die Bundeskanzlerin und der Minister Niebel auf internationaler Ebene versprechen? Der Entwicklungsminister, Herr Niebel, hat in der ersten Lesung darauf aufmerksam gemacht. Er hat wörtlich gesagt: Ich danke der Frau Bundeskanzlerin, die wiederholt das Erreichen des 0,7-Prozent-Ziels zu ihrer eigenen Sache gemacht hat und die auch ganz persönlich ein großes Engagement in Fragen der Entwicklungspolitik zeigt. Ich frage jetzt: Warum wird diese Politik von der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion in den Haushaltsberatungen unterlaufen? ({4}) Das können wir doch nicht hinnehmen. Warum hat denn niemand interveniert? Heute Morgen stellt sich die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, hier hin und sagt: Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung. ({5}) Genau in diesem Ressort zeigt sich jetzt, wie wenig Unterstützung und Rückhalt sie bei der Entwicklungszusammenarbeit hat. Deswegen sage ich: Insgesamt ist das, was hier passiert, einfach nur peinlich, ({6}) peinlich für das Ansehen Deutschlands auf internationaler Ebene. Es ist peinlich, wie internationale Zusagen unterminiert werden. Herr Niebel, bei der ersten Lesung habe ich Ihnen gesagt: Es wäre gut, wenn Sie auf dem Teppich bleiben würden. Diesen Ratschlag hätten Sie befolgen sollen; denn das, was jetzt passiert, ist wahrlich kein Ruhmesblatt für Sie und Ihre FDP-Fraktion. Das haben wir auch in den Medien entsprechend lesen können. An dieser Stelle muss man sagen, dass wir vonseiten der SPD-Fraktion immer wieder auf die systematischen Finanzierungslücken hingewiesen haben. Wir haben immer wieder darum gebeten, auch in der Bereinigungssitzung, uns die Schritte aufzuzeigen, die notwendig sind, damit wir bis 2015 das ODA-Ziel erreichen können. Die Antwort war: Na ja, wir halten an diesem Ziel fest, aber konkrete Schritte können wir nicht nennen. - Ich finde, das ist schwach. Mit dem heutigen Tag wird nun endgültig die Katze aus dem Sack gelassen. Es zeigt sich, dass die Skepsis, die von Anfang an in der Fachöffentlichkeit, aber auch in der Öffentlichkeit insgesamt vorhanden war, mehr als berechtigt war. Die Chance, die ODAQuote tatsächlich zeitnah zu erreichen, ist vertan. Herr Niebel, Sie können das natürlich auf die Haushälter schieben; aber ich vermisse, dass Sie wirklich um Ihren Haushaltsansatz kämpfen. Hier hätte man sich ein bisschen mehr wünschen können. ({7}) Was ist die Folge von dem, was heute offensichtlich mit den Stimmen der Mehrheit beschlossen werden soll? Wir sind auf internationaler Ebene nicht mehr glaubwürdig und können dort nicht mehr glaubhaft auftreten. Wen wollen wir zu mehr Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit bewegen, wenn wir selber an dieser Stelle nicht entsprechend glaubwürdig sind, wenn wir selber an dieser Stelle hinter unseren Zusagen bleiben? Deswegen sage ich: Nein, so kann es nicht sein. Wir haben entsprechende Änderungsanträge eingebracht, sowohl in der Bereinigungssitzung als auch heute im Plenum. Ich kann nur dazu aufrufen, für unseren Antrag zu stimmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, eines möchte ich hier noch ansprechen. Wenn man Ihre Politik sieht, Herr Niebel, dann drängt sich einem immer wieder eines auf: dass Entwicklungszusammenarbeit benutzt wird, um letztendlich personalpolitisches Product Placement für die FDP zu betreiben. ({8}) Immer wieder wurde bei den Haushaltsberatungen gesagt: Dies wird gemacht, um die Visibilität, um die Sichtbarkeit, zu erhöhen. Man hat den Eindruck, dass das BMZ die Politik so betreibt, dass man eine Litfaßsäule aufstellt und sie zuplakatiert. Das ist dann Entwicklungszusammenarbeit. Das darf doch wohl nicht wahr sein. ({9}) Ich will noch einen Punkt anführen, der für das Selbstverständnis im Ministerium bezeichnend ist. Dies zeigte sich auch, als Staatssekretär Beerfeltz beim Jahresessen des Waren-Vereins der Hamburger Börse davon geschwärmt hat, dass auch für Entwicklungsländer - wörtlich - der „freie Welthandel eine klassische Winwin-Situation“ sei. Ich finde, diese Aussage ist sehr entlarvend, was das Verständnis der Koalition in Bezug auf diesen Politikbereich anbelangt. ({10}) Denn insgesamt wird man nur wenige Experten finden, die diesen naiven Automatismus teilen. Noch immer bildet das Mantra der freien Marktwirtschaft die Grenzen Ihres entwicklungspolitischen Horizonts. Deswegen will ich an Sie appellieren, diesen Haushalt abzulehnen und unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Wir können nur hoffen, dass wir bald eine Bundesregierung haben, die das umsetzt, was auf internationaler Ebene versprochen wurde. Herzlichen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Jürgen Klimke für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jürgen Klimke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003565, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In der Tat fällt es mir zum ersten Mal leicht und schwer zugleich, den Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu verteidigen. Schwer fällt es mir deshalb, weil auch ich nicht richtig glücklich bin über das, was im Haushaltsausschuss geschehen ist, dass nämlich ein an sich guter Einzelplan, in dem die Richtung stimmte, derart deutlich verändert wurde, sodass es keinen Aufwuchs gibt. Das bedaure ich persönlich außerordentlich. ({0}) Die Entwicklungspolitiker innerhalb der CDU/CSU haben intensiv darüber gesprochen, wie man mit dieser Situation umgehen soll. Wir befinden uns in einer Lage, in der wir einerseits entwicklungspolitische Glaubwürdigkeit bewahren wollen und andererseits zu einer notwendigen Geschlossenheit in der Abstimmung beitragen müssen. Das ist ein ziemlich einmaliger Vorgang, der aber nicht den Entwicklungspolitikern anzulasten ist; das möchte ich noch einmal deutlich sagen. Leicht fällt es mir auf der anderen Seite deshalb, weil die Entwicklungspolitik in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen ganz umfangreichen Paradigmenwechsel erfahren durfte. Die Koalitionsfraktionen haben zum Beispiel erreicht, dass unsere Privatwirtschaft und die regionalen wirtschaftlichen Wachstumskräfte in den Entwicklungsländern und in unseren Partnerländern eine sehr enge Kooperation eingegangen sind. Wir haben endgültig - und das ist auch wichtig - den Begriff der Entwicklungshilfe aus unserem Sprachgebrauch gestrichen. Mit diesem Begriff haben wir Schluss gemacht. Trotzdem will die Opposition noch an den damit verbundenen Inhalten festhalten. Ihre Sehnsucht nach den überholten Positionen ist eine Sehnsucht nach veralteten Strukturen. Dafür stehen wir persönlich nicht mehr. Ideen für die Zukunft haben Sie nicht. Deshalb kann Deutschland froh sein, dass Sie ab dem nächsten Jahr weitere vier Jahre auf der Oppositionsbank schmoren werden. ({1}) Es ist klar, liebe Opposition: Wir betreiben keine Wirtschaftshilfe für den deutschen Mittelstand; es ist vielmehr eine moderne Entwicklungszusammenarbeit, eine Kooperation auf Augenhöhe mit den Entwicklungsländern. ({2}) Wir bieten den Staaten Know-how und Wirtschaftsstrukturen an, damit dadurch endlich überall unsere Partner von dem Tropf der alten Entwicklungshilfe abgekoppelt werden können. Wir haben Visionen und Konzepte, die wir in dieser Legislaturperiode umgesetzt haben. Meine Damen und Herren, Sie haben das immer bekämpft. Sie haben das letzte UN-Entwicklungsziel - Wachstum durch Privatwirtschaft - über Jahrzehnte in den Haushaltsansätzen des BMZ negiert. Dass die Grünen und die Linken in der Entwicklungspolitik wirtschaftsunfreundliche Positionen vertreten, ist uns allen klar. Dass jedoch auch die SPD jegliche Verbindungen zwischen Mittelstand, den Infrastrukturprojekten, den Außenhandelskammern und den Handwerkskammern, die in der Entwicklungszusammenarbeit wesentliche Aufgaben übernehmen, als negativ definiert haben, das ist bezeichnend für ihre Ideologie in dieser Frage. Das finde ich sehr erschütternd. Wir konnten in der Entwicklungszusammenarbeit der letzten drei Jahre deutliche Erfolge bürgerlicher Politik verzeichnen; ich habe es eben gesagt. ({3}) Die SPD hat auch in Zeiten der Großen Koalition immer wieder eine Aufstockung der Mittel für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft verhindert. Zum Beispiel hat das Ministerium die PPP-Instrumente kaum genutzt. One-to-one-Shops, Messebeteiligungen, WirtschaftsKnow-how, Verbände bei Regierungsverhandlungen, Länderkoordinationskreise - all diese Aspekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit durften nicht auf der Tagesordnung stehen. Das sind doch die Fakten. Wir haben einen Paradigmenwechsel herbeigeführt. Das ist sehr viel bedeutender als ein Rückgang der Mittel für das kommende Jahr um möglicherweise 83 Millionen Euro. ({4}) Die Grundlage der Arbeit ist verändert worden, in eine richtige Richtung. Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund einer konsequenten Umsetzung unserer Konzepte im Rahmen der Förderung der Privatwirtschaft bereiten wir uns auf das vor, was in der nächsten Regierungszeit, ab 2013, auf uns zukommt. Da haben wir drei Hauptbereiche im Auge: Erstens: Konsequenzen aus den heutigen Leitlinien für multilaterale Entwicklungsleistungen sowie Entwicklung einer Zukunftsvision im Hinblick auf die MDG-Ziele. Zweitens: Verbesserung der Kohärenz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Drittens: Vernetzung der deutschen Durchführungsorganisationen und der Institutionen unserer Partnerländer. Meine Damen und Herren, wir müssen in den nächsten Jahren dringend eine deutsche Strategie im Hinblick auf multilaterale Entwicklungsleistungen entwerfen. Diese Strategie muss sich auf eine klare Analyse der Frage stützen, wie diese Form der Finanzierung gefördert werden kann. In der Strategie sollten auch Deutschlands Prioritäten bei der Reform des multilateralen Systems und die Kriterien für die Finanzierung dargelegt werden. Wir setzen uns bei den MDG-Zielen für eine Nachfolgekonzeption für den Zeitraum bis 2030 ein. Wir wollen die Diskussion über eine ODA-Quote von 0,7 Prozent als Lehre verstehen und Konsequenzen daraus ziehen. Wir wollen erkennen, was nur wohlfeile Rhetorik ist und was auch in Zeiten der Wirtschaftskrise tatsächlich machbar ist. Wir setzen uns bei der Formulierung der Ziele für den Zeitraum bis 2030 dafür ein, dass die ländliche Entwicklung, die wir bei den Zielen für den Zeitraum bis 2015 etwas vernachlässigt haben, eine größere Bedeutung erhält. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass die Handelssysteme ausgeweitet werden und die Privatwirtschaft stärker einbezogen wird, dass Good Governance eine wesentliche Rolle spielt und das Kriterium der Einhaltung der Menschenrechte, das wir in unsere Programme implementiert haben, in diesem Zusammenhang noch viel bedeutender wird. Ich habe es gesagt: Die Kohärenz ist ein wichtiger Punkt, das heißt die Vernetzung der deutschen Durchführungsorganisationen. Dazu gehört auch die Kohärenz der Arbeit der Ministerien. In der Zukunft müssen wir eine stärkere Sensibilisierung für diese Fragen erreichen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Jürgen Klimke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003565, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Die genannten drei Leitlinien werden die Entwicklungspolitik der nächsten Jahre bestimmen; dafür werben wir beim Wähler. Wir sind sehr zuversichtlich, dass unsere Arbeit der letzten Jahre goutiert wird und wir unsere Arbeit im Entwicklungsbereich in der nächsten Legislaturperiode erfolgreich fortsetzen werden. Danke sehr. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- plan 23 - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen uns fünf Änderungsanträge vor. Über diese werden wir zuerst abstimmen. Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den Sie auf Drucksache 17/11532 finden. Zu diesem ist namentliche Abstim- mung verlangt. Es liegen mehrere Erklärungen zur Ab- stimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor.1) Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen be- setzt? - Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht einwerfen konnte? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentli- chen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Wir setzen die Abstimmung fort und kommen zu den drei Änderungsanträgen der Fraktion der SPD. - Herr Fricke, ich würde gerne abstimmen lassen, aber Sie lenken die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD ab. Übrigens: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. ({0}) Änderungsantrag auf Drucksache 17/11528. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustim- mung durch die einbringende Fraktion und die Linke, die Koalitionsfraktionen waren dagegen, Bündnis 90/ Die Grünen haben sich enthalten. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11529. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist wiederum abgelehnt bei Zustimmung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Koalitionsfraktionen haben dagegen gestimmt, die Linke hat sich enthalten. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11530. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist wiederum abgelehnt bei Zustimmung durch SPD-Fraktion und Linke, die Koali- 1) Anlage 2 2) Ergebnis Seite 25328 C Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt tionsfraktionen waren dagegen, die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat sich enthalten. Schließlich kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11531. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist wiederum abgelehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion, die Koalitionsfraktionen waren dagegen, enthalten haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 561. Mit Ja haben gestimmt 251, mit Nein haben gestimmt 305. Es gab 5 Enthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 561; davon ja: 251 nein: 305 enthalten: 5 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({0}) Gerd Bollmann Willi Brase Marco Bülow Ulla Burchardt Petra Crone Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf ({1}) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({2}) Hubertus Heil ({3}) Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz ({4}) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Daniela Kolbe ({5}) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange ({6}) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({7}) Marlene Rupprecht ({8}) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer ({9}) Marianne Schieder ({10}) Werner Schieder ({11}) Ulla Schmidt ({12}) Carsten Schneider ({13}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({14}) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({15}) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer DIE LINKE Agnes Alpers Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Wolfgang Nešković Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer ({16}) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kersten Steinke Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Volker Beck ({17}) Cornelia Behm Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz ({18}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({19}) Monika Lazar Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({20}) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({21}) Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner ({22}) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({23}) Manfred Behrens ({24}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer ({25}) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({26}) Axel E. Fischer ({27}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich ({28}) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Michael Hennrich Ansgar Heveling Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({29}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({30}) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers ({31}) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({32}) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({33}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({34}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({35}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({36}) Anita Schäfer ({37}) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt ({38}) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön ({39}) Dr. Kristina Schröder ({40}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({41}) Detlef Seif Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({42}) Lena Strothmann Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({43}) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({44}) Peter Weiß ({45}) Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Elisabeth WinkelmeierBecker Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({46}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({47}) Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({48}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner ({49}) Michael Link ({50}) Dr. Erwin Lotter Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({51}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({52}) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({53}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel ({54}) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({55}) Enthalten CDU/CSU Frank Heinrich Dr. Christian Ruck Sabine Weiss ({56}) Dagmar G. Wöhrl ({57}) Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen angenommen. Die Oppositionsfraktionen haben dagegen gestimmt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.13 auf: Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drucksachen 17/10823, 17/10824 Berichterstattung: Abgeordnete Georg Schirmbeck Heinz-Peter Haustein Roland Claus Katja Dörner Zum Einzelplan 10 liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der SPD sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Verabredet ist, neunzig Minuten zu debattieren. Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort für die SPD-Fraktion dem Kollegen Dr. Wilhelm Priesmeier. ({58})

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Wir müssen den gesellschaftlichen Anforderungen, die an diesen Sektor gestellt werden, entsprechen. Vor allen Dingen, was eine nachhaltige Produktion, den Schutz der Biodiversität und nicht zuletzt die Sicherstellung von viel mehr Tierschutz betrifft, brauchen wir neue Lösungsansätze. Verbraucherinnen und Verbraucher sind durch Lebensmittelkrisen und die Debatte um den Antibiotikagebrauch in der Tierhaltung zutiefst verunsichert. Obwohl die Lebensmittel heute an und für sich so sicher wie noch nie sind, ({0}) misstraut man der gesamten Lebensmittelproduktion. ({1}) Aber nicht nur verbraucherseitig ist die Landwirtschaft gefordert. Auch die Klima- und Klimaschutzpolitik wird für die Landwirtschaft zu einer großen Herausforderung. Die Landwirte brauchen langfristige Anpassungsstrategien, vor allen Dingen, um dem Klimawandel begegnen zu können. Sie müssen sich anpassen, weil sie selber vom Klimawandel betroffen sind, aber auch, damit wir CO2 einsparen können. Für die SPD ist klar: Wir lassen unsere landwirtschaftlichen Unternehmen und Betriebe angesichts dieser Herausforderungen nicht im Regen stehen. Ich glaube, es ist sinnvoll, mit Haushaltsmitteln, dem Geld des Steuerzahlers, die Landwirtschaft zu fördern und bei diesem Prozess finanziell zu unterstützen. ({2}) Der von Schwarz-Gelb verantwortete Haushalt bietet mit seinen 5,26 Milliarden Euro keine besondere Unterstützung bei der Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen. ({3}) Ich glaube, dieser Agrarhaushalt orientiert sich an dem Prinzip „Weiter so wie bisher“. Er ist fantasielos und eigentlich ohne Gestaltungsanspruch im Hinblick auf die Zukunft. Wir haben aus diesem Grund mehrere Änderungsanträge eingebracht, über die wir nach der Debatte abstimmen werden. Ich darf Sie daher schon an dieser Stelle um Ihre Zustimmung bitten. ({4}) Wir schlagen ein Bundesprogramm „Tierhaltung und Tierschutz“ vor; denn gerade die Debatte um Tierwohl und Tierschutz zeigt, wie wichtig die Weiterentwicklung in diesem Bereich für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung sein wird. Die Leistungen unserer Ernährungsund Landwirtschaft sind beträchtlich. Wir sind weltweit wettbewerbsfähig. Aufgrund dieser Wettbewerbsfähigkeit werden wir letztendlich die Erneuerung und die Verbesserung von Standards bezahlen müssen. Wenn wir sie schon bezahlen müssen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass dieser Sektor wettbewerbsfähig bleibt. Die gesellschaftliche Akzeptanz darf nicht verloren gehen; denn an ihr hängt das Einkommen vieler Familienbetriebe in Deutschland. Wir wollen gezielt die Weiterentwicklung von Haltungssystemen in der Wissenschaft und in der Praxis unterstützen. Deshalb unterstützen wir auch das, was von der Deutschen Agrarforschungsallianz vorgeschlagen wurde. Wir halten das für eine sinnvolle Strategie und hätten uns gewünscht, dass sich das auch in einer Haushaltsposition niederschlägt. Aber Sie waren nicht bereit, Mittel einzustellen. ({5}) Wir können natürlich keine Wunder versprechen. Aber wir erreichen unsere wesentlichen Ansätze, die auch in unseren Anträgen zum Tragen kommen, durch Umschichtung und Prioritätensetzung in diesem Haushalt. Das ist vernünftig; denn der Gesamthaushalt muss konsolidiert werden. Sie haben das aber in Ihren Vorlagen nicht entscheidend dargestellt. Aus diesem Grund ist die Opposition gehalten, hier zu korrigieren und nachzubessern. Streichen Sie doch zum Beispiel die Agrardieselrückvergütung, und machen Sie Geld frei für Zukunftsinvestitionen! Der Umgang mit dem Tierschutz wird an der gegenwärtigen Debatte über die Novelle zum Tierschutzgesetz deutlich. ({6}) Statt den Schenkelbrand und die betäubungslose Kastration zu verbieten, kommt bei Ihnen anscheinend der Tierschutz schon im Gesetzgebungsverfahren unter die Räder. Frau Ministerin Aigner, Sie dürfen sich an dieser Stelle auf die Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion verlassen. ({7}) Wir werden Sie unterstützen, damit der bisherige Entwurf so bleibt, wie er ist, und nicht verwässert wird. Wir sind bereit, eine zeitnahe Umsetzung mitzutragen, auch eventuell gegen Andersdenkende in der Regierungskoalition. Ich mache Ihnen heute dieses Angebot. Vielleicht kommen wir zusammen. Ich bedauere zutiefst, wie in den letzten Wochen maßgebliche Kolleginnen und Kollegen der schwarz-gelben Koalition mit der Ministerin umgegangen sind. Ich finde, sie ist öffentlich vorgeführt worden. Das tut dem Amt nicht gut. ({8}) - Da hier jemand aus Niedersachsen schreit: Er sollte sich in Acht nehmen; denn dieser Herr aus Niedersachsen übt gleichzeitig eine andere Funktion aus, genauso wie andere Herren, die einem großen Verband in maßgeblicher Stellung angehören und insofern vielleicht eigene Interessen haben. ({9}) Es ist genau zu unterscheiden, was Sie hier sagen und was Sie dazwischenrufen. In welcher Funktion rufen Sie jetzt dazwischen? Diese Frage stelle ich hier an Sie. Dass die Debatte über das Tierschutzgesetz am letzten Mittwoch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von der Tagesordnung genommen wurde, erweckt den Anschein, dass das Gesetz nicht verbessert, sondern dass bestimmten Lobbyinteressen nachgekommen werden soll und dass dieser wichtige Gesetzentwurf unter die Räder des niedersächsischen Wahlkampfes gerät. Es mag sein, dass der Druck aus Niedersachsen massiv ist. Aber in der Anhörung haben wir erfahren, dass der Schenkelbrand in keiner Weise geeignet ist, um Pferde dauerhaft erkennbar zu kennzeichnen. Das wissen wir alle. Bei Ihnen geht es mehr nach dem Motto „Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln“. Diese Strategie ist offensichtlich nicht tragfähig. ({10}) Ich begrüße daher, dass der Kollege Goldmann nun beherzt eingeschritten ist und dafür gesorgt hat, dass die Debatte über das Tierschutzgesetz doch noch auf die Tagesordnung für die nächste Ausschusssitzung gesetzt wurde. Ich finde, hier zeigt die FDP endlich einmal klare Kante. ({11}) Lieber Michael: Standhaft bleiben! Nicht umfallen! Aber noch ist nicht Mittwoch. ({12}) Wir brauchen endlich Klarheit hier im Hause und keine taktischen Spielchen mehr. Deshalb kann ich nur an alle appellieren, dort vernünftig zu verfahren, sodass wir letztendlich zu einer vernünftigen Novelle kommen. Ich glaube - meine Redezeit ist leider begrenzt, ({13}) also überspringe ich einige Punkte in meinem Manuskript -, es ist an der Zeit, der strukturkonservativen Agrarpolitik Ade zu sagen. Wir als SPD scheuen den Konflikt mit dem Bauernverband und mit den Lobbyisten nicht.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Führende Repräsentanten dieser Verbände lenken offensichtlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Agrarpolitik der CDU. Darum ist ein Regierungswechsel 2013 dringend notwendig. ({0}) Wir kämpfen dafür. Vielen Dank. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Georg Schirmbeck hat jetzt das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Wilhelm Priesmeier, du brauchst keine Angst zu haben. Wo Heinz-Peter Haustein und Schorse Schirmbeck stehen, wird der Ministerin nichts getan. ({0}) Im Übrigen diskutieren wir jetzt nicht - auch wenn es interessant sein mag - über das Tierschutzgesetz, sondern wir haben Haushaltsberatungen, und zwar die zweite Beratung. Hier geht es um das, über das wir im Haushaltsausschuss und im Fachausschuss diskutiert haben, und darum, welche Veränderungen es gibt. ({1}) - Ja, wir reden sicherlich auch darüber. Damit haben wir überhaupt keine Probleme. - Nicht jeder Antrag, der hier gestellt wird und in dem es um Geld geht, ist sinnvoll. Manchmal ist es viel sinnvoller, keine Mittel zur Verfügung zu stellen. Das hier sind nämlich Haushaltsplanberatungen und nicht „Wünsch dir was“ oder etwas Ähnliches. ({2}) Ich habe bei der ersten Beratung angesprochen, dass die Stiftungen jetzt Probleme haben, weil die Kapitaleinnahmen nicht mehr so hoch sind. Daraufhin hat mein Freund Heinz-Peter Haustein gesagt, dass die Stiftung Warentest mehr Geld braucht. Sie bekommt nun 500 000 Euro mehr. ({3}) Im nächsten Jahr begehen wir 300 Jahre nachhaltige Forstwirtschaft. Wir haben gesagt: Das muss mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Dafür stellen wir 250 000 Euro zur Verfügung. ({4}) Wir haben festgestellt, dass wir bei internationalen Auftritten unserer Ernährungswirtschaft und auch unserer Landmaschinenproduzenten viel Geld verdienen, dass da Wertschöpfung stattfindet, die wir für unsere Volkswirtschaft brauchen. Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen dort zukünftig verstärkt auftreten. - Dafür stellen wir 1 Million Euro zusätzlich zur Verfügung. Wir wollen eine Professorenstelle für Verbraucherschutz sichern, und wir wollen langfristig den Praktikantenaustausch sichern, weil auch das für unsere Volkswirtschaft wichtig ist. Dann berät man einen Haushalt und glaubt, man hat diesen Einzelplan fertig. Plötzlich stellt man fest: Hier fehlen über Nacht 19 Millionen Euro. Woran liegt das? Die Koalition hat beschlossen, die Praxisgebühr abzuschaffen. Das bedeutet für den Einzelplan 10, dass 19 Millionen Euro zusätzlich zu finanzieren sind. 10 Millionen Euro haben wir über die einzelnen Ansätze für die soziale Sicherung, die zwei Drittel dieses Haushalts ausmachen, eingespart. Darüber hinaus haben wir an anderen Stellen noch 9 Millionen Euro einsparen müssen. Diese Dinge sind unabweisbar. Deshalb heißt es „Haushaltsberatungen“. Im vorigen Jahr gab es das eine oder andere Vorkommnis in der Ernährungswirtschaft und in der Landwirtschaft. Darüber haben wir hier intensiv diskutiert. Wie das so ist: Der eine fordert da 10 neue Stellen, der andere fordert dort 20 neue Stellen. Das summiert sich. Wir haben die Forderungen analysiert und festgestellt, dass wir bei einigen Punkten ganz konkret korrigieren und dort in der Tat mehr Stellen zur Verfügung stellen müssen. ({5}) Deshalb stellen wir 12 neue Stellen für den nachgelagerten Bereich Lebensmittelsicherheit zur Verfügung, und wir stellen 6 neue Stellen für den Bereich Verbraucherschutz und Energiewende zur Verfügung. Dies sind 18 neue Stellen. Ich sage Ihnen: Wir können gar nicht so gut sein wie Sie. Sie fordern 50 oder 150 neue Stellen, und in Ihren Anträgen, über die wir gleich abstimmen werden, fordern Sie auch neue Ämter. Für jede neue Idee braucht man neue Ämter. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Diese brauchen wir nicht; denn wir haben eine sehr gut neu aufgestellte Ressortforschung, die sich in den nächsten Jahren an ihren neuen Standorten und mit ihren neuen Mannschaften finden muss. Zusätzlich ist da nichts zu tun. ({6}) Wir sind stolz auf diese Mannschaft. Die Arbeit, die dort geleistet wird, ist Weltspitze. Dazu sollten wir stehen. In Richtung SPD kann ich nur sagen: Die Ressortforschung haben wir in der Großen Koalition so konzipiert. Dass Sie diese Institute, bevor sie in ihrer neuen Form tätig werden können, schon wieder reformieren wollen, zeigt: Das ist Reformitis und hat mit sachlichen Überlegungen in diesem Zusammenhang gar nichts zu tun. ({7}) Meine Damen und Herren, man kann ja immer nach mehr Geld rufen. Aber man muss an der einen oder anderen Stelle auch fragen: Ist eigentlich alles, was wir in der Vergangenheit gemacht haben, überhaupt notwendig gewesen? Ich sage Ihnen: Der Kollege Schwanitz und ich sind, was die Notfallvorsorge angeht, in wesentlichen Punkten einer Meinung. Wir denken, dass hier und da etwas getan werden muss. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 50er- und 60er-Jahren, bis zur deutschen Einheit mag das so richtig gewesen sein. Heute aber ist das in weiten Teilen überholt. Deshalb glauben wir, dass wir hier mit Blick auf den nächsten Haushalt einen fühlbaren Millionenbetrag einsparen können. Wir haben das vorgeschlagen und werden das auch beschließen. Aber ich sage Ihnen: Daran muss im Detail gearbeitet werden, und zwar möglichst zügig; denn ich glaube, das, was wir da machen, bringt uns überhaupt nicht weiter. ({8}) Ich nenne Ihnen ein ganz einfaches Beispiel: Stellen Sie sich vor, irgendwo ist Getreide eingelagert, das in einem Notfall einer Mühle zugeführt werden soll, Sie geben jungen Familien oder jungen Leuten eine Tüte Mehl und sagen, sie sollen daraus etwas machen. So können Sie für die Notfallvorsorge nicht viel tun. Hier ist also ein Umdenken erforderlich. Dafür brauchen wir nicht mehr Geld, sondern neue Ideen für die Zukunft. ({9}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, Wilhelm Priesmeier hat zu Recht darauf hingewiesen: Wir brauchen Aufklärung über die moderne Landwirtschaft. Dass sie gelingt, ist aber nicht in allen Fällen mit neuen Stellen zu gewährleisten. Daran muss zielgerichtet gearbeitet werden. Es kommt nicht auf die Masse, sondern auf die Klasse an. Manches, was unter dem Etikett „Verbraucherschutz“ geschieht, ist eher Vernebelung. Die Leute werden eher dumm gemacht, als dass sie wirklich aufgeklärt werden. ({10}) Wir müssen ehrlich sein und zugeben, dass wir viele Dinge, die mit der Ernährung zusammenhängen, wissen. Wir wissen zum Beispiel, dass es nicht gut ist, zu viel zu essen und zu viel zu trinken bzw. das Falsche zu trinken. ({11}) Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die so leben wollen, wie sie leben. Sie lassen sich das nicht verbieten, auch dann nicht, wenn es im Einzelnen nicht so gesund ist. ({12}) Meine Damen und Herren, wir können uns hier natürlich darüber streiten, welche Regierung wie gut ist. Ich sage Ihnen: Das Beste sind objektive Zahlen, beispielsweise zur sozialen Sicherung im ländlichen Raum, mit 4 Milliarden Euro der größte Batzen im Einzelplan 10. ({13}) Wenn Sie die Beträge, die sich über die Jahre angehäuft haben, zusammenrechnen, dann stellen Sie fest: Die Regierung, für die Heinz-Peter Haustein, Ilse Aigner und ich stehen, ist um 1 Milliarde Euro besser, als es die Regierung Künast war. ({14}) Das ist gut für den ländlichen Raum. Diese Mittel kommen nämlich nicht nur den Grundbesitzern und den Bauern zugute. Durch diese 1 Milliarde Euro, die für den ländlichen Raum zur Verfügung gestellt wird, haben dort viele Leute Aufträge und Arbeit. Das ist Wertschöpfung. Das ist wirkliches Engagement für den ländlichen Raum. Darauf sind wir stolz. ({15}) Meine Damen und Herren, manches, was ich jetzt anspreche, habe ich Ihnen schon in der ersten Beratung gesagt; da habe ich Ihnen auch dieses Buch, das Schwarzbuch WWF, schon einmal gezeigt. ({16}) Sie können sich aber auch in Fernsehsendungen, in denen über Themen wie FSC berichtet wird, darüber infor25334 mieren, was für Scharlatane es gibt - bis hin zu Ikea. Sie haben es bestimmt gehört: Politisch Verfolgte mussten in der DDR für eine internationale Möbelkette arbeiten; das ist ja mittlerweile bekannt. Ich sage Ihnen: Wenn Sie eine Testzeitschrift - wir schätzen diese Zeitschriften ja sehr und fördern sie auch - in Händen halten, dann dürfen Sie nicht nur die Seiten aufschlagen, auf denen steht, wie viel Strom die Geräte, die getestet wurden, verbrauchen oder wie die einzelnen technischen Daten der Geräte sind. ({17}) Sie sollten auch die Seiten aufschlagen, auf denen beschrieben wird, unter welch menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen diese Güter zur Steigerung unseres Wohlstandes in den Entwicklungsländern der Welt produziert werden. ({18}) Es hilft nämlich überhaupt nichts, sich hier über den Einzelhaushalt Entwicklungshilfe aufzuregen und ein großes Theater zu veranstalten, wenn es darum geht, wie viele Planstellen wir mit Blick auf die Verbraucheraufklärung schaffen werden. Man muss auch durch das eigene Kaufverhalten einen konkreten Beitrag leisten. ({19}) Ich sage Ihnen: Wer erwartet, dass er ein halbes Hähnchen, braun gegrillt, für 1,98 Euro kaufen kann, der muss gewisse Konsequenzen bei der Tierhaltung ertragen. ({20}) Die Bauern haben kein Problem damit, wenn die Besatzstärke in den Ställen um die Hälfte reduziert wird. ({21}) Wenn die Einnahmen entsprechend erhöht werden, dann ist das alles machbar. Schizophren ist nur, ({22}) zu sagen: Das darf alles nichts kosten, das muss noch billiger werden, wir müssen noch mehr konsumieren können. - Das ist der falsche Weg; das kann nicht richtig sein. ({23}) Meine Damen und Herren, ich möchte Sie nicht langweilen, aber darauf hinweisen, dass - mir liegt eine Aufstellung vor - Ilse Aigner und ihr Ministerium in den vergangenen Jahren über 60 verschiedene Initiativen ergriffen und umgesetzt haben. Sie behaupten immer, wir hätten nichts auf den Weg gebracht. Da sehen Sie, was wir alles auf den Weg gebracht haben. Wir können darauf stolz sein, glaube ich. Wir dürfen im Ergebnis feststellen, dass wir in Deutschland mit die gesündesten Lebensmittel haben, zu Preisen, die man sich in der Vergangenheit gar nicht hat vorstellen können. Auf das, was unsere Ernährungswirtschaft, unsere Landwirtschaft zustande gebracht haben, können wir stolz sein. Andere in der Welt beneiden uns darum. Last, but not least darf ich feststellen, dass ich in diesen Tagen zehn Jahre im Haushaltsausschuss bin. Ich hätte mir in jungen Jahren gar nicht vorstellen können, dass ich diese Ehre habe. Ich habe sehr gerne im Haushaltsausschuss gearbeitet und werde das auch im nächsten Jahr sehr gerne tun. Ich darf mich bedanken bei Heinz-Peter Haustein, meinem Freund aus dem Erzgebirge, und bei der Bundesministerin, genauso bei ihrem Vorgänger, Herrn Seehofer. Vor allen Dingen aber darf ich mich bei der ganzen Mannschaft, die in den vergangenen Jahren mit mir zusammengearbeitet hat, herzlich bedanken. Es war eine tolle Zusammenarbeit, nicht nur in den Wochen, in denen wir über den Haushaltsplan beraten haben. Wir haben eine ganze Reihe von Dingen auf den Weg gebracht. Darauf können wir über den Tag hinaus stolz sein. Herzlichen Dank und schönen Abend. ({24})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Alexander Süßmair hat das Wort für die Fraktion Die Linke. ({0})

Alexander Süßmair (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004172, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich versuche es jetzt einmal ein bisschen ruhiger und fachlicher. ({0}) Wir sprechen heute abschließend über den Haushaltsentwurf zu unserem Ressort Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für 2013. Ich möchte mich vor allem mit dem Aspekt Landwirtschaft befassen. Was erwartet diese Gesellschaft von der Landwirtschaft? Welche Anforderungen werden heute und in der Zukunft an sie gestellt? Die Landwirtschaft soll den Menschen in Deutschland, aber auch in Europa ausreichend Lebensmittel zur Verfügung stellen, und zwar zu bezahlbaren Preisen für alle. Die Lebensmittel sollen eine hohe Qualität haben. Umwelt und Ressourcen müssen geschont werden. Die Artenvielfalt, die Biodiversität, muss erhalten werden, und es muss in einer Weise produziert werden, die man auch auf lange Sicht fortsetzen kann, Stichwort „Nachhaltigkeit“. ({1}) Nutztiere, die zur Herstellung von Lebensmitteln dienen, sollen artgerecht gehalten werden, und ihnen sollen unnötiges Leid und Qualen erspart werden. Die Landwirtschaft soll nachwachsende Rohstoffe für die Industrie herstellen und einen Beitrag zur Energieerzeugung und damit zum Klimaschutz leisten. ({2}) Die Landwirtschaft soll es ermöglichen, den Lebensunterhalt zu verdienen, damit die Menschen in den ländlichen Räumen bleiben und eine lebenswerte Zukunftsperspektive haben, und das nicht nur in Europa, sondern weltweit. Frau Aigner, Sie betonen in Ihrer Presseerklärung von heute Mittag zum morgigen Europäischen Rat die Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft steht. In der Analyse sind wir uns durchaus in vielen Punkten einig. Aber die Schlussfolgerungen, die Sie ziehen, und die Politik, die Sie machen, passen mit der Analyse nicht zusammen. Wird der Haushalt der Regierung den Anforderungen gerecht? Die Linke sagt: Er wird den Anforderungen leider nicht gerecht. Ich möchte einige Beispiele nennen, zu denen wir von der Linken Anträge gestellt haben. Fangen wir mit dem Themenbereich Ernährungssicherung an. Wir von der Linken lehnen die Förderung von Agrarexporten ab. Billigexporte verhindern den Aufbau regionaler Märkte, vor allem in den Ländern des Südens auf unserem Globus. ({3}) Der Haushaltstitel „Maßnahmen zur Verstärkung der Außenhandelsbeziehungen im Agrar- und Ernährungsbereich“ muss daher gestrichen werden. Stattdessen sollte die Bundesregierung ihrer internationalen Verantwortung nachkommen und mit 500 000 Euro den Weltagrarbericht unterstützen. ({4}) Zum Thema „Umwelt- und Ressourcenschutz“. Besonders im Bereich Ökolandbau gibt es einen Aufholbedarf, und zwar sowohl für die Forschung als auch für die bewirtschafteten Flächen. In der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wird ein Anteil von 20 Prozent ökologischen Landbaus in Deutschland bis 2020 angestrebt. Allerdings werden lediglich 3 Prozent des Forschungsbudgets für die Forschung zum Ökolandbau ausgegeben, und die bewirtschaftete Fläche verharrt seit längerem bei etwa 5 Prozent der gesamten Nutzfläche. Die Linke will die Förderung um 8 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro erhöhen, damit endlich ernst gemacht werden kann mit dem Ziel 20 Prozent ökologisch nachhaltiger Landwirtschaft bis 2020. ({5}) Zum Thema „Förderung ländlicher Räume und Einkommenssicherung“. Einen kleinen, aber wirksamen Beitrag hätte das BMELV selbst liefern können, und zwar mit der Ansiedlung der Außenstelle des Bundesinstituts für Risikobewertung in Neuruppin. Hier hat die Koalition wieder einmal frühere Zusagen gebrochen. Es soll nämlich keine Außenstelle des Bundesinstituts in Neuruppin geben. Das schwächt nicht nur Neuruppin, sondern ist eine Entscheidung gegen den ländlichen Raum. ({6}) Um die ländlichen Räume zu stärken, brauchen wir auch mehr Wertschöpfung vor Ort. Die Linke beantragt deshalb ein Förderprogramm zur Markteinführung und Umrüstung von Landmaschinen, die mit reinem Pflanzenöl betrieben werden können. ({7}) Früher wurden ungefähr 10 Prozent Hafer für die Ernährung der Pferde angebaut. Heute könnte man 10 Prozent Raps für Traktoren und Mähdrescher anbauen. Die Folge wären innerbetriebliche, lokale, maximal regionale Kreisläufe. Aber die Steuerpolitik der Bundesregierung hat viele kleine Ölmühlen kaputt gemacht. Die Linke will ihnen unter die Arme greifen. Wir möchten eine Finanzierung über die Absenkung der Agardieselerstattung um einen halben Cent pro Liter. Das wäre sinnvoll. ({8}) Wir Linke sind der Meinung: Wir brauchen eine wirtschaftlich tragfähige, aber eben auch ökologisch nachhaltige und nicht zuletzt soziale Landwirtschaft für die Zukunft. Aber die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft ist in Gefahr. Die Bundesregierung will nämlich die Pläne zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU-Kommission kippen und beharrt auf der Festlegung, nicht mehr als 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens als Beitrag zum EU-Haushalt zu leisten. Gleichzeitig aber fordert Frau Aigner, dass die Landwirtschaft nicht einseitig belastet werden darf. Wenn Sie eine solche Sparpolitik durchsetzen, wird das letzten Endes zulasten der gestaltenden Agrarpolitik in Europa gehen. Damit vergibt die Bundesregierung die Möglichkeit, den Herausforderungen von Klimawandel, Erhalt der Biodiversität, Ressourcenschutz und Tierschutz in einer gestaltenden Förderpolitik zu begegnen. Damit macht die Bundesregierung letztlich eine Politik gegen die ländlichen Räume. ({9}) Die Linke ist für eine solidarische Landwirtschaft und für lebenswerte ländliche Räume. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wie die Landwirtschaft sozialer und auch nachhaltiger hätte werden können. Vielen Dank. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Heinz-Peter Haustein hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Heinz Peter Haustein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Deutschland ist ein schönes Land, ({0}) und wir leben in einer guten Zeit. Niemand muss hungern. Ich stehe hier als Berichterstatter der FDP-Fraktion für den Einzelplan 10, den Einzelplan des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ich bedanke mich bei der Hauptberichterstatterin Katja Dörner, bei Rolf Schwanitz sowie bei Roland Claus für die gute Zusammenarbeit und natürlich ganz besonders bei meinem lieben Freund und gefühlten Zwillingsbruder Schorsch Schirmbeck. ({1}) Die Landwirtschaftspolitik ist von einem sozialen Engagement dieser Regierung geprägt. So sind wir eben als liberale Koalition mit der CDU: sozial geprägt. ({2}) 70 Prozent von diesen 5,26 Milliarden Euro, nämlich genau 3,65 Milliarden Euro, gehen in den Sozialbereich dieses Haushalts. ({3}) Das kann sich sehen lassen. Wir machen das deshalb, weil unsere Bauern auch Unternehmer sind. Sie müssen unterstützt werden; sie müssen wettbewerbsfähig bleiben. Deshalb, lieber Wilhelm Priesmeier, stützen wir auch den Agrardiesel. Wir entlasten unsere Bauern um 430 Millionen Euro, damit sie in diesem harten Wettbewerb in Europa und auf der Welt wettbewerbsfähig bleiben. ({4}) Wir haben die Verbraucherpolitik gestärkt, indem wir auch dort einen Aufwuchs erreicht haben. Die Mittel für den Bereich „Information der Verbraucherinnen und Verbraucher“ werden von 20 auf 25 Millionen Euro erhöht, und für die Stiftung Warentest stehen 5 Millionen Euro zur Verfügung. ({5}) Wir haben die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ bei 600 Millionen Euro belassen, obwohl in Europa und auf der Welt, wie bekannt, eine Finanz- und Wirtschaftskrise wütet. Dieses Geld plus das Geld der Länder macht über 1 Milliarde Euro für diesen Bereich aus. Auch das kann sich sehen lassen. ({6}) Wir haben insgesamt 494 Millionen Euro in den Bereich „Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation“ eingestellt. Darin enthalten sind 14 Millionen Euro für Modellvorhaben mit dem Schwerpunkt Tierschutz - das ist ein Plus von 5 Millionen Euro - und zusätzliche Mittel für den Energie- und Klimafonds, und auch einen Waldklimafonds haben wir aufgelegt. Weitere Bereiche des Haushaltes - als Haushälter muss man ja einmal die Zahlen vortragen - sind „Internationale Maßnahmen“ und „Forschung für Innovationen, Hightech-Strategie“. Dafür haben wir 60,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, was einen Aufwuchs von immerhin 1,2 Millionen Euro bedeutet. Schließlich gibt es noch die Verwaltung, also das Ministerium, das etwas mehr Geld braucht, weil es umstrukturiert wurde und wird. Dafür stehen insgesamt 93,2 Millionen Euro zur Verfügung. Da ich schon einmal bei diesem Ministerium bin: Wir können froh sein, dass das so gut läuft und dass wir eine kompetente Ministerin haben. ({7}) Deshalb richte ich meinen Dank an das Ministerium, an Sie, liebe Ilse Aigner, ({8}) an Gerd Müller, an Peter Bleser und natürlich auch an Uli Kuhlmann und an Albert Wulff. Mit euch gibt es ein gutes Zusammenarbeiten. Wir kämpfen für unsere Bäuerinnen und Bauern. - Ihr, liebe Bäuerinnen und Bauern, seid bei dieser christlich-liberalen Koalition gut aufgehoben. Wir kämpfen für euch. In diesem Sinne ein herzliches „Glück auf!“ aus dem Erzgebirge. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit der Süden den Osten ablösen kann, hat jetzt Harald Ebner das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Soll ich das wiederholen? ({0}) Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schirmbeck, ich empfehle, Bücher vor dem Lesen aus der Verpackung zu nehmen. ({1}) Nun aber zu etwas anderem: Ich war entsetzt, mit welcher Kaltschnäuzigkeit die Kollegen Holzenkamp und Co. bei der ersten Lesung des Haushalts ein Landwirtschaftsmodell mit Billigfleischproduktion und allen Folgen schöngeredet haben, nach dem Motto: Hauptsache billig! Eine Landwirtschaft, die Billiglebensmittel produziert, ist erfolgreich und damit auch gut. - Aber ohne den Import von 3 Millionen Hektar Gensoja aus Südamerika, wo Mensch und Umwelt unter massivem Pestizideinsatz leiden, funktioniert Ihr Modell doch überhaupt nicht. Gleichzeitig klagen Sie über mangelnde Wertschätzung für Lebensmittel. Sie müssen sich hier schon entscheiden: Billigfleisch oder Wertschätzung? Beides zusammen geht nicht. ({2}) Sie setzen im Haushalt die falschen Schwerpunkte, weil Sie in ein falsches Agrarmodell investieren, das bäuerliche Betriebe verdrängt und nur industrielle Großbetriebe fördert. Warum verhandelt denn die Bundesregierung bei der GAP-Reform in Brüssel nicht auf Basis der Beschlüsse der Agrarministerkonferenz, sondern vertritt dort die Positionen vom Deutschen Bauernverband und vom Industrieverband Agrar? In Ihrem Agrarmodell hat auch der Tierschutz keinen Platz - wir haben das vorhin schon gehört -, nur in den Reden - ich zitiere -: Nutztierhaltung in der Landwirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sich die Tiere wohlfühlen und wenn es genügend Akzeptanz in der Gesellschaft gibt. ({3}) Das war Ministerin Aigner in der letzten Haushaltsrede. - Wie können Sie dann ein derart mickriges Tierschutzgesetz vorlegen und die wenigen Verbesserungen wie das Verbot von Schenkelbrand oder die betäubungslose Ferkelkastration von den eigenen Leuten wieder einkassieren lassen? ({4}) Jetzt verstehe ich auch Ihren Satz, Frau Ministerin: „Außerdem gehen Union und FDP das Tierschutzgesetz an.“ - „Angegangen“ sind Sie das Gesetz wirklich, und zwar so lange, bis nichts mehr übrig geblieben ist. ({5}) Statt konkret etwas für das Tierwohl zu tun, geben Sie 5 Millionen Euro für Akzeptanzförderung aus. Da muss etwas anderes passieren. Wir fordern 5 Millionen Euro für ein Zentrum für Tierschutz, das dann Standards entwickelt. Auch bei der Fütterung mit Gensoja ändern Sie: nichts! Große Ankündigungen von Frau Aigner: Wir wollen eine Eiweißstrategie! Im Haushalt: Nichts! Fehlanzeige! Wir fordern dafür 5 Millionen Euro. Im Bayernwahlkampf inszeniert sich Ministerin Aigner gerne als Gentechnikgegnerin. Schon im Bundestag aber ist damit Schluss und in Brüssel erst recht. Nicht ein einziges Mal hat sich die Bundesregierung in den EU-Gremien gegen Importzulassungen für GentechPflanzen gewehrt. Das ist beschämend. ({6}) Kein Wunder: Außer den Statements der Ministerin hört man aus der Koalition nur einhellige Begeisterung für diese Risikotechnologie. Die FDP möchte hier mehr Chancen als Risiken sehen. Dabei werden die Risiken zu wenig bewertet. Was tun Sie denn, Frau Ministerin, wenn die EU-Kommission, wie angekündigt, in den nächsten Monaten Anbauzulassungen für Gentechpflanzen erteilt und damit auch das deutsche Anbauverbot für MON 810 fällt? Was tun Sie dann für die Wahlfreiheit und den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, für die gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirte, Imker und Lebensmittelhersteller? Kein Wort haben wir von Ihnen bisher dazu gehört. Kein Cent geht in die Bekanntmachung Ihres eigenen „Ohne Gentechnik“-Siegels. Da lassen Sie sich vom kleinen Koalitionspartner offenbar durch die Manege führen. ({7}) Wir wollen 2 Millionen Euro für die Bekanntmachung dieses Zeichens bereitstellen und damit endlich die gentechnikfreie Land- und Ernährungswirtschaft unterstützen. Auch beim chemischen Pflanzenschutz bleibt die Koalition ihrem industriellen Agrarmodell treu. In Ihren Augen ist es kein Problem, dass im letzten Jahr 58 Prozent aller untersuchten Lebensmittel mit Pestizidrückständen belastet waren. Das ist ein Skandal. Das muss sich ändern, lieber Kollege Goldmann. ({8}) - Der Kollege Gerig hat gesagt: Der Bericht ist gut. - Ihr Nationaler Aktionsplan Pflanzenschutz ist so unverbindlich, dass die Umweltverbände frustriert ausgestiegen sind. ({9}) Für Projekte zur Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes geben Sie immerhin 2 Millionen Euro aus. Aber das ist nicht genug. Das ist aus unserer Sicht mehr als schwach. ({10}) Das Bundesprogramm Ökolandbau will die Koalition weiterhin für „andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft“ zweckentfremden. So kann man auch den Importanteil am Biomarkt steigern. Kollege Holzenkamp hat bei der ersten Lesung von der hervorragenden Interessenvertretung der Landwirtschaft durch die Bundesregierung gesprochen. Der tiefere Sinn der Formulierung „Interessenvertretung“ hat sich mir erst nach der Lektüre der Frankfurter Rundschau erschlossen, in der es um die Art und Vielzahl Ihrer bezahlten Nebentätigkeiten in der Agrarindustrie ging. ({11}) Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. ({12}) Die Politik, die mit diesem Haushalt zum Ausdruck kommt, ist gerade keine Interessenvertretung für die bäuerlichen Familienbetriebe. ({13}) Deren Zahl halbiert sich nämlich dank Ihrer ach so erfolgreichen Politik - da sind wir dann bei den objektiven Zahlen, Kollege Schirmbeck - nach wie vor alle zwanzig Jahre.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir lehnen deshalb diesen Haushalt ebenso ab wie Ihre abstruse Agrarpolitik; denn dieses Agrarmodell hat keine Zukunft, genauso wenig wie die Bundesregierung. Danke schön. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Bundesregierung hat jetzt Ilse Aigner das Wort. ({0})

Ilse Aigner (Minister:in)

Politiker ID: 11003028

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Vortrag hat wieder einmal gezeigt, wie schön ein Wünsch-dirwas-Konzert bei den Haushaltsberatungen ist. ({0}) Gerade die Grünen sind diejenigen, die einfach so 35 Millionen Euro zusätzlich gefordert haben, und zwar ohne Gegenfinanzierung. ({1}) Das zeigt wieder einmal, dass in Sachen Haushaltsfinanzen die Nachhaltigkeit offensichtlich nicht gilt. ({2}) Herr Süßmair, glaube ich, hat von der sozialen Komponente in der Landwirtschaftspolitik gesprochen. Ja, die gibt es bei uns. Die Kollegen Schirmbeck und Haustein haben das angesprochen. 70 Prozent des Haushaltes gehen in Sozialpolitik; sie fließen direkt in die landwirtschaftlichen Betriebe zur Unterstützung unter anderem auch des Strukturwandels. Das ist konkrete Sozialpolitik, und die wollen wir nicht europäisch, sondern national gestalten. ({3}) Damit bin ich schon bei Europa. Was ist die Aufgabe von Europa? Heute früh war die Debatte zum Kanzleretat oder auch die Aussprache zur großen Politik. Wir wissen, dass wir große Verantwortung haben. Morgen beginnt die Debatte der Regierungschefs zu der mittelfristigen Finanzplanung für die nächsten Jahre bis 2020. Das werden schwierige Verhandlungen; das ist keine Frage. Ich sage ausdrücklich und betone dies noch einmal, weil es angesprochen worden ist: Ja, wir stehen als großer Nettozahler dazu, dass wir die Ausgaben wie in anderen Bereichen auch hier begrenzen müssen. Trotzdem glaube ich, dass die Landwirtschaft in diesem Bereich schon viel getan hat. Unser Gesamtetat ist schon deutlich abgesunken, was den Anteil an den europäischen Finanzen betrifft. Hier brauchen wir aber weiter Unterstützung, weil die Zahlungen, die letztendlich über die europäische Ebene erfolgen, oft direkt einkommenswirksam und nicht national zu kompensieren sind. Deshalb ist es wohl selbstverständlich, dass die zuständige Landwirtschaftsministerin auch weiter für einen großen Anteil kämpfen wird. Ich glaube, das müsste mir zugestanden werden. ({4}) Das ist auch wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil in Europa immerhin 14 Millionen Betriebe von der Landwirtschaft leben; das sind 9 Prozent aller Beschäftigten. Das ist eine große Zahl, und um das auf Deutschland herunterzubrechen: Es sind 4,8 Millionen Menschen, die in der Landwirtschaft oder in den vorund nachgelagerten Bereichen Arbeit finden. Dafür brauchen sie Unterstützung, und die haben sie mit der christlich-liberalen Regierung. ({5}) Es geht um Jobs und Ausbildungsplätze gerade auch in den ländlichen Regionen. Dafür brauchen wir aktive Landwirtinnen und Landwirte. Wir brauchen sie aber in erster Linie - und das ist keine Selbstverständlichkeit für die Produktion von Lebensmitteln, also von unseren Nahrungsmitteln. Vor fünfzig Jahren war das nicht selbstverständlich - um noch einmal auf die Ursprünge der Gemeinsamen Agrarpolitik zurückzugehen -: Es hat in Deutschland und in Europa Hunger gegeben. ({6}) Es ist die Leistung unserer Landwirtschaft und der Bäuerinnen und Bauern, dass sich heute keiner mehr in Deutschland darüber Gedanken machen muss, ob er genug zu essen hat. Das ist eine große Leistung. Herzlichen Dank dafür an unsere Landwirtinnen und Landwirte! ({7}) Ich glaube, dass es sich lohnt, für diese Schlüsselbranche weiter zu kämpfen. Natürlich geht es auch um die inhaltliche Ausgestaltung. Meine Damen und Herren auch von der Opposition, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Damit meine ich ausdrücklich nicht die Fachpolitiker. Aber die Spitze der SPD zum Beispiel hat ganz klar gesagt, dass sie will, dass die Direktzahlungen gekürzt werden. ({8}) Das will ich nicht. Ich sage ausdrücklich: Ich differenziere hier, lieber Kollege Wilhelm Priesmeier; aber das hilft nichts. Deshalb ist unser Bekenntnis klar und deutlich: Wir wollen eine starke erste Säule, und wir wollen auch eine starke zweite Säule weiter erhalten. ({9}) Wir wollen natürlich auch eine vernünftige und zukunftsfähige Agrarpolitik. Weil ich auch gerne näher auf die Strukturen eingehe, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen: Mir wäre es lieb, wenn Sie den Blick mehr auf die anderen europäischen Länder richten würden, um zu sehen, welche Strukturen es dort noch gibt. In Deutschland gibt es keine Produktionsförderung und keine gekoppelten Zahlungen mehr. In Deutschland gibt es keine historischen Zahlungen mehr, bei denen der eine Hektar 5 000 Euro wert ist und der andere nur 75 Euro. ({10}) Das gibt es in anderen europäischen Ländern noch. Deshalb sage ich mit voller Überzeugung: Es muss einer der Hauptansatzpunkte sein, dass die europäischen Nachbarn erst einmal auf das Niveau Deutschlands kommen, bevor wir weitere Maßnahmen ergreifen. ({11}) Das Nächste ist: Ja, natürlich wollen wir Umweltschutz und eine nachhaltige Produktion, aber wir wollen auch, dass bisherige Leistungen anerkannt werden. ({12}) Ich bleibe dabei: Es kann nicht sein, dass am Schluss nur die Bürokratie blüht. Das hilft uns auch nicht. ({13}) Ich halte mich an den Agrarministerbeschluss. Das ist überhaupt keine Frage. Deshalb sagen wir ganz deutlich, und zwar einhellig: Keine Stilllegung von Flächen. Denn das können wir uns nicht leisten. Diese Forderung halte ich eins zu eins aufrecht. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Ministerin, der Kollege Priesmeier möchte Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Ilse Aigner (Minister:in)

Politiker ID: 11003028

Selbstverständlich, gerne.

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Ministerin, stimmen Sie mit mir dahin gehend überein, dass in den letzten zehn Jahren die Pachtpreise in Deutschland um etwa 40 Prozent gestiegen sind? Wenn Sie diese Steigerung mit den Zahlungen vergleichen, die an die Betriebe geflossen sind, dann stellen Sie fest, dass die Pachtpreise etwa in Höhe der Größenordnung dieser Zahlungen gestiegen sind. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den Zahlungen aus Brüssel für die Flächenprämie und dem Steigen der Pachtpreise oder auch der Preise für den Erwerb von Flächen?

Ilse Aigner (Minister:in)

Politiker ID: 11003028

Sehr geehrter, lieber Kollege Priesmeier, zuerst einmal: Wenn dem so wäre, dann gäbe es keinen Grund für die Absenkung. Das wäre unlogisch. Zweitens. Ich glaube nicht, dass das der Grund ist; sonst müsste es in anderen europäischen Ländern ähnlich sein. Die Preissteigerung hat andere Ursachen. Das wissen wir. Deshalb haben wir zum Beispiel beim ErneuerbareEnergien-Gesetz Korrekturen vorgenommen; denn die Konkurrenz zwischen der Biogasproduktion, der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung und der Futtermittelherstellung ist in manchen Regionen größer geworden. Insgesamt werden die Flächen nicht mehr. Deshalb macht es keinen Sinn, Flächen aus der Produktion zu nehmen. Das ist ganz klar. ({0}) Ich möchte noch etwas hinzufügen, was mir sehr wichtig ist. Das betrifft die Diskussion über die benachteiligten Gebiete in Deutschland. Ich muss auf europäischer Ebene dagegenhalten, dass ein neues System eingeführt wird, welches in Deutschland dazu führt, dass viele benachteiligte Gebiete, die jetzt noch vom System erfasst sind, über Nacht herausfallen. Um es konkret zu machen: In Mecklenburg-Vorpommern käme es zu einer kompletten Umkehrung der jetzigen Verhältnisse. Das kann kein Mensch verstehen. ({1}) Deshalb lohnt es sich, auf dieser Ebene für die benachteiligten Gebiete zu kämpfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Flächen brauchen und dass auch diejenigen, die nicht so gute Bedingungen haben, eine Chance haben müssen, anständig zu produzieren. Deshalb brauchen wir die Unterstützung in diesem Bereich. ({2}) - Es wäre schön, wenn es mehr würden. Aber das verdrießt mich nicht. Trotzdem lohnt es sich, dafür zu kämpfen, sehr geehrter Herr Ostendorff. ({3}) Ich habe schon oftmals auf verlorenem Posten gekämpft; aber meine Überzeugung werde ich deshalb nicht verlieren. Das ist vielleicht der Unterschied. ({4}) Ich will noch ein paar Punkte zur Verbraucherpolitik sagen. Ich kann wegen der Kürze der Redezeit nicht alle Bereiche heute abdecken. ({5}) Eines aber möchte ich ansprechen: Wir haben viel über Banken, die Regulierung von Banken und darüber diskutiert, in welche Schwierigkeiten wir durch die Banken gekommen sind. Wir haben wieder viel reguliert, was die Vorgängerregierung dereguliert hat, und das ist richtig so. Wir haben auch im Bankenbereich - da bin ich der Überzeugung, dass es richtig war - eine Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen auf den Weg gebracht. Wir gehen einen Schritt nach dem anderen: Beratungsprotokoll, Produktinformationsblatt, Meldung der Berater bzw. - falls sie Schwierigkeiten gemacht haben Registrierung der Angelegenheit bis hin zu Regelungen zu einer Honorarberatung, die wir demnächst ins Kabinett einbringen wollen. Ein Schritt nach dem anderen wird umgesetzt. ({6}) Dafür brauchen wir natürlich mehr Geld. Man kann sich immer mehr wünschen; das ist keine Frage. Aber wir haben uns gerade für die Verbraucherinformation 5 Millionen Euro zusätzlich sozusagen erarbeitet; wir haben das Geld an anderer Stelle eingespart, um weitere Schwerpunkte setzen zu können. Das halte ich für richtig. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich deshalb ganz herzlich bei den gefühlten Zwillingen Schorse Schirmbeck und Peter Haustein. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die im Haushaltsausschuss mitgewirkt haben, aber selbstverständlich auch bei den Fachpolitikern. Ich sage das, weil ich vor ziemlich genau zehn Jahren das erste Mal als Haushälterin zu diesem Bereich sprechen durfte, also wie auch heute zum Einzelplan 10 - damals als Berichterstatterin, heute als Ministerin. Es wird wohl das letzte Mal sein, dass ich zum Haushalt spreche. Deshalb bedanke ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen ganz besonders herzlich für die gute Zusammenarbeit. Danke schön. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Rolf Schwanitz hat jetzt das Wort für die SPDFraktion. ({0})

Rolf Schwanitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Aigner, Sie haben es gerade angesprochen: Das ist der letzte Etat für das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, für den Sie Verantwortung haben. Ich will zunächst einmal grundsätzlich feststellen, dass sich an diesem Einzelplan 10 gegenüber dem Entwurf, den wir vor drei Monaten hier schon einmal diskutiert haben, substanziell eigentlich nichts geändert hat. Ich will mich auf einige Feststellungen konzentrieren. Erstens. Frau Aigner, mit diesem Einzelplan 10 sind Sie sich in Ihrer Leidenschaft als Subventionsministerin treu geblieben. Es ist bei den zusätzlichen Subventionen von 50 Millionen Euro für die landwirtschaftliche Unfallversicherung geblieben. Zugleich liegt vieles im Argen, insbesondere beim alten Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Es besteht die Gefahr, dass die Problemlagen, die beim Spitzenverband existieren, sich fehlerhaft in die neue Bundesträgerstruktur, die entstehen soll, hinein fortsetzen. Sie haben dazu nichts gesagt. Der Bundesrechnungshof hat die Ministerin aber gerügt. Deswegen will ich das einmal ansprechen. Der Bundesrechnungshof hat erklärt, das Ministerium habe seine Einflussmöglichkeiten zur Kostendämpfung nicht genutzt. Dazu haben wir von Ihrer Seite kein Wort gehört. Der Bundesrechnungshof hat in seinen Bemerkungen 2012, vor wenigen Tagen vorgelegt, festgestellt, dass der Spitzenverband den Personalbedarf immer noch nicht sachgerecht etatisiert und haushaltsrechtlich nicht ordentlich begründet. ({0}) Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass Stellen und Personalkosten im Spitzenverband explosionsartig um 30 Prozent nach oben gegangen sind. Er sagt: Die jährlichen Personalausgaben dieses Spitzenverbandes von 43 Millionen Euro sind haushaltsrechtlich nicht begründet. ({1}) Dieser Befund steht im krassen Gegensatz zu dem zusätzlichen Subventionsausbau von 50 Millionen Euro. ({2}) Deswegen sage ich Ihnen: Verantwortliche Sozialpolitik sieht anders aus, meine Damen und Herren. ({3}) Zweitens. Als Verbraucherschutzministerin, Frau Aigner, werden Sie in 2013 wahrscheinlich wiederum ein ziemlicher Ausfall sein. Unsere seit längerer Zeit auf dem Tisch liegenden Vorschläge, die Deutsche Stiftung Verbraucherschutz nachhaltig aufzustellen, verursachergerecht zu finanzieren und zu einer nachhaltigen Struktur mit Marktwächterfunktion auszubauen, haben Sie zwar entgegengenommen. Sie wurden aber durch die Koalition abgelehnt. Sie haben sie auch nicht aufgegriffen. Von früheren Ankündigungen - ursprünglich kam so etwas ja von Ihnen - wollen Sie nichts mehr hören. An dieser Stelle also: große Worte, keine Taten. Das ist die Bilanz. ({4}) Bei der Stiftung Warentest - Kollege Haustein hat es angesprochen - hinterlassen Sie ein echtes Fiasko, Frau Aigner. Das Flaggschiff der deutschen Verbraucherschutzarbeit in Deutschland mit dem höchsten Ansehen und dem höchsten Stellenwert im Bewusstsein der Menschen ist in einer finanziellen Schieflage. Diese finanzielle Schieflage ist eine direkte Folge der schwarzgelben Kürzungen aus den Jahren 2011 und 2012. Das ist so. ({5}) Nachdem die Stiftung Warentest in 2011 nur noch durch einen Bilanztrick schwarze Zahlen ausweisen konnte, hat der Stiftungsvorstand, Herr Primus, vor kurzem für 2012 erklärt, dass ein Minus von 1,35 Millionen Euro in der Bilanz angekündigt werden muss. Sie, Frau Aigner, haben die Stiftung 2011 zu einer finanztechnischen Mogelpackung gezwungen. Das ist eigentlich eine Rufschädigung für die Stiftung, die an sich gerade gegen so etwas Front machen soll. Sie haben sie dazu veranlasst, indem Sie dafür gesorgt haben, dass 2011 gar kein anderer Weg mehr bestand. 2012 haben Sie sie dann völlig im Stich gelassen. Unter Verbraucherschutzgesichtspunkten müsste das für die Verbraucherschutzministerin eigentlich ein Rücktrittsgrund sein. ({6}) Aber Sie werden das durch Öffentlichkeitsarbeit kaschieren; da bin ich mir ganz sicher. Apropos Öffentlichkeitsarbeit: Ich habe den Eindruck, da brechen Sie alle Rekorde. Nach dem Einzelplan 10 werden die Ausgaben für Öffentlichkeits- und Fachinformationen 2013 mit 21,4 Millionen Euro einen neuen Höchststand erreichen. 21,4 Millionen Euro! ({7}) Das ist im Wahljahr 2013 20 Prozent mehr als im Jahr davor, konkret: 3,5 Millionen Euro mehr. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! ({8}) Übrigens hat das Bundesverfassungsgericht schon vor vielen Jahren gesagt, dass das Anwachsen der Mittel für Öffentlichkeitsarbeit in Wahlkampfnähe unzulässig ist. Es hat gesagt, dass in Vorwahlzeiten - ich zitiere - „das Gebot äußerster Zurückhaltung“ durch die Ministerien zu beachten ist. Die Vorwahlzeit beträgt im nächsten Jahr vielleicht maximal sechs Monate. Danach sind wir schon unmittelbar in der Wahlkampfzeit. Und da erhöhen Sie die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit im Vergleich zu diesem Jahr um 20 Prozent. Das ist etwas, was mit Sitte und Anstand eigentlich gar nichts mehr zu tun hat. ({9}) Das größte Versagen aber, Frau Ministerin Aigner, ist, dass Sie ein massives Unvermögen - das hat die Haushaltsberatung bestätigt - im Bereich von Innovation, Forschung und Entwicklung in Ihrem Etat zu verbuchen haben. ({10}) Die Vorschläge, die wir dazu gemacht haben - Kollege Priesmeier hat sie im Zusammenhang mit den Bundesprogrammen angesprochen; sie stehen heute ebenfalls zur Abstimmung -, haben Sie bisher abgelehnt, und die Mittel, die in den Einzelplänen für 2010, 2011 und 2012 veranschlagt worden sind, haben Sie nicht ausgeschöpft. Ich will diese Zahlen noch einmal nennen - sie sind von Ihrem Haus mittlerweile bestätigt -: 2010 17,8 Millionen Euro Innovationsmittel nicht ausgeschöpft; 2011 32,1 Millionen Euro Innovationsmittel nicht ausgeschöpft. Nach der Kalkulation für 2012 - das haben Sie noch nicht bestätigt; aber da bin ich mir ziemlich sicher - 41 Millionen Euro nicht ausgeschöpft. ({11}) Das Finanzministerium hat jahrelang zusätzliche Innovationsmittel in diesen Einzelplan gepumpt. Das Einzige, was bei Ihnen anwächst, sind die Ausgabenreste: In drei Jahren wurden 90 Millionen Euro für Innovationen nicht ausgeschöpft. Das sind verlorene Perspektiven. Frau Aigner, Sie können im nächsten Herbst nach Bayern gehen. Die Bauern, die Landwirte, die im Umbruch stehen und die auf Innovationen setzen müssen und Hilfe brauchen, können dem Umbruchdruck nicht ausweichen, und sie werden darüber noch ihr Urteil fällen. Herzlichen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen in der Debatte um den Kanzlerhaushalt hat ein Kanzlerkandidat der SPD hier gesagt: „Sagen Sie einfach, was ist! Damit beginnt jede Politik.“ ({0}) - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, ich zitiere ihn. - Aber wer sagt hier, was ist? Das hat zum Beispiel mein Kollege Haustein gesagt: Deutschland ist schön. ({1}) Das hat ebenfalls Herr Brüderle in der Haushaltsdebatte gesagt. Die christlich-liberale Regierung hält Kurs: niedrigster Stand der Arbeitslosigkeit, mehr Geld für Forschung und Bildung, die Entlastung der Kommunen. Die Agrarpolitik der christlich-liberalen Koalition hat daran ihren Anteil. „Sagen, was ist“, das heißt in Deutschland auch: Die Bedeutung der Agrarwirtschaft ist deutlich größer, als dies von den meisten Menschen eingeschätzt wird. ({2}) 5 Millionen Menschen finden Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft und in der Fischerei, in den vor- und nachgelagerten Bereichen. Das heißt, dass der gesellschaftliche Stellenwert von Landwirtschaft, von Ernährungswirtschaft, von Forstwirtschaft, von Fischerei deutlich höher ist, als dies gemeinhin angenommen wird. Die Land- und Forstwirtschaft mit der Ernährungswirtschaft macht einen ausgesprochen guten Job. Sie produziert sichere Lebensmittel. Sie produziert gesunde Lebensmittel. Sie trägt dazu bei, dass wir in Deutschland eine erhebliche Biodiversität haben, dass wir lebenswerte ländliche Räume haben. Es lohnt sich, bei uns in Deutschland Urlaub zu machen, und das liegt an den guten ländlichen Räumen. ({3}) „Sagen, was ist“, das heißt auch: Deutschland ist drittgrößter Agrarexporteur. Volumen: 50 Milliarden Euro. Das sichert in erheblichem Umfang Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen. Das trägt zur Wertschöpfung in den ländlichen Räumen bei. Deswegen ist es gut, dass wir nicht Agrarexportförderung betreiben, sondern dass wir die Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Chancen auf den Exportmärkten auch tatsächlich zu nutzen. Die FDP steht für eine unternehmerische, eine marktorientierte Landwirtschaft. Das heißt, wir wollen Freiheit für die Landwirte, eigene Entscheidungen zu treffen. Wir wollen ihnen verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. ({4}) Landwirte nutzen diese Chancen, indem sie nicht nur in die klassische Landwirtschaft investieren, sondern gleichzeitig in den Bereich der Energie durch Produktion von Biomasse für die energetische und die rohstoffliche Verwertung, in den Bereich des Tourismus, in den Bereich der Direktvermarktung investieren. Landwirte sind kreativ. Diese Chancen wollen wir ihnen erhalten. „Sagen, was ist“, heißt auch: Wir haben in Europa, eine anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise. Wer dieses ernst nimmt, muss auch sagen: Wir brauchen eine Begrenzung des EU-Haushalts auf 1 Prozent des EUBruttonationaleinkommens. Das ist eine richtige Politik, und diese wird von der FDP getragen. ({5}) - Nicht zögerlich, sondern sehr konsequent. ({6}) - Einfach einmal zuhören! Wir sind aber auch der Meinung, dass die dafür notwendigen Einsparungen nicht allein vom Agrarhaushalt zu leisten sind, sondern dass andere Haushalte mitmachen müssen. ({7}) Wir sind der Auffassung, dass wir eine Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union brauchen, die den Landwirten Einkommensmöglichkeiten schafft. Deswegen sind wir der Auffassung, dass wir keine Kappung, keine Degression wollen. Ich will ganz deutlich sagen: Uns ist bewusst, dass wir in den neuen Bundesländern größere Betriebe haben. Diesen die Förderung zu erhalten, gehört auch dazu, um die Lebensfähigkeit ländlicher Räume in den neuen Bundesländern zu erhalten. ({8}) Wir wollen den Erhalt eines Sicherheitsnetzes, aber keinen Ausbau der Intervention. Deswegen darf Greening keine Flächenstilllegung sein. Wir brauchen die Flächen zur Produktion. ({9}) Wir sind für die Abschaffung der Exporterstattung, weil wir meinen, dass wir nicht mit dem Geld der Steuerzahler in Märkte eingreifen wollen. „Sagen, was ist“, heißt aber auch, dass wir gerade im Bereich der Tierhaltung einen erheblichen Forschungsbedarf haben. Deswegen gehen die Investitionen und die neuen Prioritäten in diesem Haushalt insbesondere in Forschung und Entwicklung, insbesondere in die Erforschung besserer Haltungsbedingungen für Nutztiere. Wir haben es gemeinsam erlebt: Wir haben als Folge der Globalisierung neue Krankheiten: Blauzungenvirus, Schmallenberg-Virus. Darauf müssen wir reagieren. Wir haben in den nordwestdeutschen Räumen, in SchleswigHolstein und in Niedersachsen insbesondere, die sogenannte Faktorenerkrankung bei Rindern. Wir müssen erforschen: Was ist die Ursache? Wir müssen außerdem erforschen: Wie können wir Landwirte beraten, damit ihre Tiere von dieser Krankheit nicht befallen werden? Wir wollen eine Verbesserung der Tiergesundheit durch Zucht, durch bessere tiergerechte Haltung. Ich halte es für einen sinnvollen Ansatz, über ein TierwohlLabel die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Verantwortung für die Tierhaltung mit einzubeziehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, im Fordern an die Landwirte seid ihr immer gut. Aber ihr verschweigt jedes Mal, dass höhere Standards in der Tierhaltung Geld kosten, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher eine Mitverantwortung haben. Höhere Standards in der Tierhaltung müssen bezahlt werden. Deswegen ist tierschutzgerechte Politik nur dann glaubhaft, wenn gesagt wird, wer dafür aufkommt. ({10}) Es wird auch von den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu bezahlen sein müssen. Wir wollen ein freiwilliges Tierwohl-Label mit tierbasierten Tierschutzindikatoren - Indikatoren wie „Mortalität“, wie „Klauen- und Fußballengesundheit“ - sowie eine Auswertung der Schlachtergebnisse. Die Landwirtschaft sagt: Wir können beides. Wir können sowohl für die Ernährung produzieren als auch Biomasse für die energetische Verwertung erzeugen. Das geht aber nur dann, wenn wir, wie ich gesagt habe, das Greening nicht als Flächenstilllegung auffassen. Das geht nur dann, wenn wir die Empfehlung des Bioökonomierats unterstützen und ein Konzept einer nachhaltigen Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion vorantreiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, der sogenannte Weltagrarbericht ist jetzt fünf Jahre alt. ({11}) Er gehört in die Mottenkiste. Er hat sich nicht bewährt. ({12}) Die Forderung des britischen Regierungsreports The Future of Food and Farming ist, glaube ich, wesentlich aktueller und zukunftsgerichteter als das, was der sogenannte Weltagrarbericht festgeschrieben hat. Wenn wir tatsächlich die Energiewende wollen - und diese Bundesregierung ist angetreten, um eine Energiewende durchzuführen -, dann müssen wir dafür auch die Rahmenbedingungen schaffen. Das bedeutet, den Leitungsbau voranzubringen. Wenn wir den Leitungsbau voranbringen wollen, dann müssen wir hierfür die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Das heißt, es muss eine faire Entschädigung für diejenigen Grundeigentümer geben, die davon betroffen sind, und zwar nicht nur ein kleines Taschengeld, sondern eine Entschädigung entsprechend den Renditeerwartungen der Netzbetreiber. ({13}) Außerdem brauchen wir eine Kompensationsverordnung, die es möglich macht, nicht nur landwirtschaftliche Fläche aus der Nutzung zu nehmen, sondern über Geldausgleich Natur in Wert zu setzen. Eine solche Verordnung muss es möglich machen, Versiegelungen aufzuheben, um damit einen echten Mehrwert für die Natur zu erhalten, statt nur landwirtschaftliche Fläche aus der Nutzung zu nehmen. In diesem Bereich müssen wir vorangehen. ({14}) 2007 lag bereits das Gutachten des BMELV zum Thema „KUP“, Kurzumtriebsplantagen, vor. Ich erwarte, dass wir auf diesem Gebiet besser vorankommen. In einigen Bundesländern laufen Programme, die zum Ziel haben, dass Grünland, das nicht mehr für die Tierhaltung genutzt wird, in KUP umgewandelt wird. Ich glaube, das ist ein richtiger Weg. Auf diesem Weg sollten wir vorangehen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, Ihre Redezeit war abgelaufen.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss. - Gerade was Ernährungssicherheit angeht, haben wir in diesem Jahr eine schlechte Erfahrung gemacht: Noroviren haben dazu beigetragen, dass 11 000 Kinder und Jugendliche erkrankt sind. Im vergangenen Jahr sind an Ehec durch Sprossen, die von einem Biohof stammten, 53 Menschen gestorben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin!

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wenn man Agrarpolitik und Ernährungspolitik macht, reicht es nicht, einfach gegen Gentechnik zu sein. Man muss auch konkrete Projekte für die Zukunft unserer Land- und Ernährungswirtschaft in Deutschland haben. ({0}) Das hat der ländliche Raum verdient. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Karin Binder. ({0})

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Moderner Verbraucherschutz lebt auch von Glaubwürdigkeit und vom Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher. ({0}) Dazu gehört, dass Verbraucherinnen und Verbraucher gehört und beteiligt werden, dass ihre Anregungen oder ihre Kritik ernst genommen werden. Moderner Verbraucherschutz soll wirken. Dazu gehört, Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung und Irreführung der Unternehmen zu schützen - im Discounter ebenso wie in der Bank oder im Internet. ({1}) Moderner Verbraucherschutz bedarf aber einiger Anstrengungen mehr, als uns hier vom Aigner-Ministerium serviert werden. Aus Zeitgründen muss ich meine Bewertung und meine Kritik auf wenige Punkte beschränken. Erstens. Das erfolgreiche Portal der Verbraucherzentralen „lebensmittelklarheit.de“ ist das erste unabhängige Medium, das Kritik und Haltung der Verbraucherinnen und Verbraucher aufnimmt und wiedergibt. ({2}) Hier kommen die Marketingtricks und Täuschungsmanöver der Unternehmen ans Licht. Deshalb ist dieses Portal den Angriffen und Anfeindungen der Lebensmittelindustrie und der Lebensmittellobby ausgesetzt. ({3}) Als Abgeordnete sollten wir uns schützend davor stellen. ({4}) Dieses Portal muss ausgebaut, verstetigt und finanziell gesichert werden. Dafür müssten in diesem Haushalt Mittel bereitgestellt werden. ({5}) Zweitens. Die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher im Ernährungsbereich muss bereits bei den kleinen Verbraucherinnen und Verbrauchern in Kindergärten und Schulen ansetzen. 90 Prozent der hierzulande angebotenen Schulverpflegung ist mangelhaft. ({6}) Schlechte Qualität und kaum Abwechslung sorgen für Ablehnung bei den Kindern und Jugendlichen. ({7}) Die Vernetzungsstellen Schulverpflegung hätten hier viel zu tun. Mehr Beratung und mehr Unterstützung der Schulträger könnte das Angebot und die Akzeptanz wesentlich verbessern. ({8}) Dazu müssten die Vernetzungsstellen ausgebaut und personell sowie materiell besser ausgestattet werden. Aber das Aigner-Ministerium lässt die Förderung auslaufen. Da kann einem der Appetit vergehen. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, möchten Sie die Zwischenfrage des Kollegen Schweickert zulassen?

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gern.

Dr. Erik Schweickert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004151, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Binder, vielen Dank für das Ermöglichen einer Zwischenfrage. - Sie haben gerade ausgeführt, dass es wichtig sei, das Portal weiterzuführen und auszubauen. Stimmen Sie mit mir überein, dass es die Aufgabe der Politik ist, dafür zu sorgen, dass tatsächliche Missstände zum Beispiel durch Änderungen auf Vorschlag der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beseitigt werden? Sollte nicht tatsächlich etwas passieren, anstatt auf Dauer nur ein Meckerportal zu haben?

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Lieber Kollege Schweickert, da stimme ich voll und ganz mit Ihnen überein. Nur behaupte ich: In diesem Bereich wird immer kreativer für neue Produkte geworben. Es werden immer mehr Produkte auf den Markt geworfen. Das heißt, es wird uns noch lange nicht der Stoff ausgehen, um dieses Portal zu bestücken. Bis wir Abgeordnete tatsächlich die Maßnahmen ergriffen haben, die nötig sind, um einen langfristigen Schutz vor Täuschungen aufzubauen, wird es dauern. ({0}) Mein dritter Punkt. Nach den Lebensmittelskandalen und den Erkenntnissen der letzten Jahre ({1}) sollte Lebensmittelsicherheit beim zuständigen Ministerium endlich in den Mittelpunkt der Arbeit rücken. Der letzte Vorfall, bei dem mehr als 11 000 Kinder aufgrund des Verzehrs tiefgekühlter, verunreinigter Erdbeeren erkrankten, machte die Versäumnisse nochmals deutlich. ({2}) Die geforderte Neuaufstellung der staatlichen Lebensmittelkontrolle sucht man im Haushaltsplan vergeblich; denn auch dazu müssten Frau Aigner und die Bundesregierung bereit sein, mehr Geld in die Hand zu nehmen, für mehr Personal, für bessere und laufende Qualifizierungsmaßnahmen und für eine bessere Ausstattung. ({3}) Viertens. Die Kürzungspolitik der Bundesregierung in unseren Sozialsystemen zwingt Menschen in die private Vorsorge. Sie sollen selbst mit Verkäufern von Banken und Versicherungen über ihre Alterssicherung und ihre Pflege verhandeln. Die Verluste, die Verbraucherinnen und Verbraucher durch schlechte Finanzberatung schon hinnehmen mussten, gehen in die Milliarden Euro. Deshalb hat die Linke einen Antrag auf Bereitstellung von 20 Millionen Euro für die Einrichtung eines Finanzwächters und eines Finanz-TÜV gestellt. Der Finanzwächter soll bei den Verbraucherzentralen angesiedelt werden. Der Finanz-TÜV soll in einer neu zu schaffenden Verbraucherschutzbehörde als Zulassungsstelle eingerichtet werden und alle neuen Produkte prüfen, bevor sie auf den Markt kommen. Nur so wird finanzieller Verbraucherschutz wirklich möglich und werden schwarze Schafe aussortiert werden. ({4}) Nur so können undurchsichtige Finanzmärkte wirksam kontrolliert werden. Aber auch dazu müsste Frau Aigner bereit sein, die Anschubfinanzierung zu gewährleisten, die über Einnahmen aus Kartellstrafen refinanziert werden könnte. ({5}) Damit würden das Verursacherprinzip angewendet und die Finanzbranche zur Kasse gebeten werden. Mein fünfter und letzter Punkt. Viele Beschäftigte im Aigner-Ministerium und in den nachgelagerten Forschungseinrichtungen und Instituten leisten hervorragende Arbeit. ({6}) Aber fast 3 000 der Beschäftigten in diesen Einrichtungen sitzen auf befristeten Stellen, und das ist für mich als Gewerkschafterin und als MdB der Linken ein untragbarer Zustand. ({7}) Wir reden hier in diesem Hohen Hause oft genug über gute Arbeit oder auch über alternsgerechte Arbeit. Als Gewerkschafterin sage ich Ihnen: Es ist nichts so schädlich für gute Arbeit und gute Leistung wie ein ungesichertes Beschäftigungsverhältnis. Wenn jemand ständig Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes haben muss oder dem Druck einer jahrelangen Probezeit ausgesetzt ist, ist das alles andere als gesundheitsförderlich. Die eigene Lebens- und Familienplanung werden durch diese unsichere Beschäftigung massiv eingeschränkt. Vor allem junge Frauen haben dann rasch ein Problem: Werden sie schwanger, sind sie ihren Job los.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, kommen Sie zum Ende bitte.

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, gerne. - Angeblich setzen wir doch auf die hohe Qualifikation gutausgebildeter junger Frauen. Deshalb müsste sich die Bundesregierung als Vorbild und als Vorreiter betätigen und existenzsichernde, gute Arbeit schaffen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin.

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Alles andere ist nicht hinnehmbar. Wir werden uns zusammen mit den Gewerkschaften dafür einsetzen, dass sich das ändert. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Nicole Maisch hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Haushaltsentwurf zeigt vor allen Dingen eines, nämlich wie konzept- und ambitionslos die schwarz-gelbe Bundesregierung ins Wahljahr gehen wird. ({0}) Sicher, Sie stellen in einigen Bereichen mehr Mittel ein, Sie kippen ein bisschen mehr Geld in bewährte Strukturen - einiges davon wird sich sicher für hübsche PR-Aktionen eignen -, aber das verdeckt nicht, dass wir es hier mit einer strategischen Leere sondergleichen zu tun haben. Sicher, nicht alles, was den Konsumenten nutzt, muss viel Geld kosten. ({1}) Nehmen wir die Gesetze gegen unlautere Geschäftspraktiken: Inkassobetrug, Telefonwerbung, Abmahnunwesen. Diese gammeln allerdings bei der FDP in der Schublade. ({2}) Die siamesischen Zwillinge aus CDU und FDP könnten sich da doch einmal zusammentun ({3}) und diese Gesetzespakete aus der Versenkung holen. Wir warten schon sehr lange darauf. In den zentralen strategischen Feldern der Verbraucherpolitik, wo durch Fehlentwicklungen auf den Märkten hohe individuelle und volkswirtschaftliche Schäden verursacht werden, müssen Sie investieren, dort müssen Sie die Mittel auch konzentrieren. Man kann nicht an der einen Stelle 1 Million und an anderer Stelle 5 Millionen ausgeben, sondern man muss sich finanziell auf bestimmte inhaltliche Schwerpunkte konzentrieren. ({4}) Wir schlagen Ihnen zwei Schwerpunkte vor. Punkt eins: die Verbesserung der Ernährung von Kindern und Jugendlichen. Punkt zwei: den finanziellen Verbraucherschutz. Wir haben diese Vorhaben - unsere Kollegin Katja Dörner hat das mit Ihnen im Haushaltsausschuss verhandelt - auch mit Haushaltsanträgen unterlegt. Ich beginne mit dem Thema Ernährung. Übergewicht und Fehlernährung sind gesundheitspolitische Megathemen. Individuelles Leid und gesellschaftliche Folgekosten von ernährungsbedingten Krankheiten zwingen uns zum politischen Handeln. Wann kann man Ernährungskultur und Essverhalten am besten beeinflussen, am besten zum Guten wenden? Das ist natürlich im Kinder- und Jugendalter. Deshalb fordern wir ein Ernährungsprogramm, das die Gießkannenstruktur der schwarz-gelben Ernährungspolitik beendet und sinnvolle Projekte in langfristige strukturelle Verbesserungen überführt. ({5}) Unser Problem ist: Wir haben viele nette Einzelprojekte, die auch alle gut sind, aber nach zwei Jahren sind sie vorbei. Das kann es auf Dauer nicht sein. Wir wollen die Schulvernetzungsstellen zu Kompetenzzentren Gemeinschaftsverpflegung ausbauen und langfristig die Strukturen fördern. Frau Aigner, Sie können doch nicht sagen: Wir lassen die Finanzierung aufbauen, mit der Schulverpflegung ist alles in Ordnung. Dazu haben die Kollegen, die vor mir gesprochen haben, schon einiges gesagt. Wir wollen ein Bundesprogramm zur Umsetzung der DGE-Standards in der Gemeinschaftsverpflegung. Wir wollen den Umbau bestehender Förderprogramme, zum Beispiel in der Absatzförderung. Sie soll anwendbar werden für die regionale Gemeinschaftsverpflegung. Der zweite Punkt, den ich strategisch sehr wichtig finde, weil er so hohe individuelle, aber auch volkswirtschaftliche Kosten verursacht, ist das Thema finanzieller Verbraucherschutz. Trotz unzähliger Debatten hier im Plenum hat sich in den vergangenen Jahren in diesem Bereich wenig verändert. Deshalb brauchen wir neben einer verbraucherorientierten Finanzaufsicht dringend die ergänzende sektorspezifische Verstärkung der Anlegerinteressen. Dass Sie der Stiftung Warentest 1,5 Millionen Euro zweckgebunden geben wollen, finden wir nicht falsch. Die sollen sie bekommen. Aber das reicht natürlich nicht. Daneben brauchen wir dringend den Aufbau eines Marktwächters, der als Ergänzung zur staatlichen Aufsicht verbraucherorientierte Marktbeobachtung leisten, Initiativrecht gegenüber der BaFin haben und Instrumente der kollektiven Rechtsdurchsetzung wahrnehmen soll. Ich weiß, das Thema Wächter ist bei Ihnen negativ besetzt - Sie mögen das Wort nicht -, aber wenn Sie den Marktwächter nicht wollen, dann erklären Sie mir, wie Sie die unbestritten notwendigen Aufgaben, zum Beispiel verbraucherorientierte Marktbeobachtung, wahrnehmen wollen. Die Verbraucherzentralen leisten bereits heute einen Teil dieser Aufgaben, aber es fehlen Ihnen sowohl die finanziellen Mittel als auch die rechtlichen Voraussetzungen, um diese Funktion wirklich wahrzunehmen. Nicht nur der Haushaltsposten in diesem Bereich ist mager, sondern auch die regulatorische Bilanz dieser Regierung im Bereich finanzieller Verbraucherschutz. ({6}) Wir fragen Sie: Wo bleibt der Verbraucherschutz als Kernaufgabe der BaFin? Wo bleibt die Rechtsgrundlage für versteckte Testkäufer? Die Schaffung einer Rechtsgrundlage für versteckte Testkäufer hat Frau Aigner wiederholt in Pressemeldungen angekündigt, gekommen ist sie leider nicht. Als wir das hier im Plenum gefordert haben, waren Sie nicht bereit, es zu unterstützen. Wo sind die verbesserten Rahmenbedingungen für Sammelklagen von geprellten Anlegern? Wo ist die Deckelung für Dispozinsen? Wo ist das im Koalitionsvertrag angekündigte gleiche Schutzniveau über alle Produkte, über alle Vertriebswege hinweg? Das ist ein Versprechen, das Sie als FDP und Union im Koalitionsvertrag den Anlegerinnen und Anlegern gegeben haben. Sie haben es nicht eingeführt. ({7}) Frau Aigner, Sie haben den Grünen vorgeworfen, wir hätten ein „Wünsch dir was“ zusammengepackt und keine Ahnung, wie wir es finanzieren sollen. Das stimmt nicht. Wir haben Gegenvorschläge gemacht. ({8}) Es ist klar, wir als Fachpolitiker wären da vielleicht nicht so pingelig gewesen; aber wir haben Haushaltspolitiker, die uns im Nacken sitzen, und diese haben natürlich Gegenfinanzierungsvorschläge gemacht. Klar, Herr Schirmbeck, Sie finden die vielleicht gut, ({9}) aber wir sagen: Wir müssen die Agrarsubventionen auslaufen lassen, dann ist genug Geld für all das da, was ich hier vorgeschlagen habe. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, kommen Sie zum Ende.

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Damit komme ich auch zum Ende. - Das sind ein paar Sparvorschläge, die Sie sich merken sollten. Dann wird vielleicht aus Ihrer strukturellen Null irgendwann auch eine richtige schwarze Null. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Mechthild Heil hat jetzt das Wort für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Mechthild Heil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute in der Haushaltsdebatte über unseren Einzelplan 10 und damit auch über die Schwerpunkte unserer Verbraucherpolitik. Wir sprechen darüber, was wir machen, und auch darüber, warum wir die Positionen der Opposition ablehnen. In der Debatte zur ersten Lesung wurde und in den täglichen Diskussionen mit Ihnen wird mir immer wieder sehr deutlich, worin sich unsere Politik von der Ihren unterscheidet. ({0}) Grundlage unserer Verbraucherpolitik ist die Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher oder, wie unsere Bundeskanzlerin es heute Morgen treffend formuliert hat: Wir trauen den Menschen in unserem Land etwas zu. ({1}) Wir wollen keine Welt, in der Verbraucher ihre Entscheidungen nach Farben der Nährwert- oder der Hygieneampel treffen: In dem grün markierten Restaurant darf ich essen, weil es dort bei der letzten Kontrolle sauber war. ({2}) Die rot gekennzeichnete Butter soll ich stehen lassen, weil sie zu viel Fett enthält, obwohl das eigentlich bei Butter normal ist. Ich verstehe schon, dass die Opposition an solch einer Welt Spaß hätte und sich in ihr wohlfühlen würde; denn zumindest dort würde Rot-Grün dominieren. In der realen Welt ist das nämlich nicht so. ({3}) Die Welt lässt sich nicht so einfach in Rot und Grün bzw. in Gut und Böse einteilen, also in Rot gleich schlecht und Grün gleich gut. Lebensmittel sind nicht einfach entweder gesund oder ungesund. Eine Bäckerei ist auch nicht einfach nur deshalb dreckig, weil dort ein Protokoll nicht korrekt ausgefüllt wurde. Die Welt, vor allem unsere Konsumlandschaft, ist komplexer als all das. Sie verliert ihre Komplexität auch nicht, indem man sie auf drei Farben reduziert. Solche Markierungen sind vielleicht in einer Tiefgarage hilfreich, damit man den Ausgang findet, aber sicherlich gehören sie nicht in ein Lebensmittelregal. ({4}) Wir sprechen nämlich von selbstbestimmten Menschen. Ich finde es unerträglich und anmaßend, dass die linke Seite dieses Hauses meint, man müsse den Menschen in Deutschland die Welt mundgerecht servieren, ({5}) weil sie komplexe Informationen sonst nicht verdauen könnten. Wir bevormunden die Verbraucher nicht, und wir werden sie auch nicht zu Sklaven eines Farbleitsystems machen. Wir wollen nicht staatlich definieren, was am besten für die Menschen ist, weil wir den Menschen etwas zutrauen. ({6}) Diese unsere Grundhaltung gilt für alle Bereiche. Deshalb gängeln wir die Verbraucher nicht, sondern schaffen Rahmenbedingungen, damit Verbraucher den Produkten am Markt wieder vertrauen können. ({7}) Wir haben kostenfreie Warteschleifen eingeführt, um die Verbraucher vor Abzocke am Telefon zu schützen. ({8}) Wir haben das verbindliche Bestätigungsfeld bei Vertragsabschlüssen im Internet, den sogenannten Button, eingeführt. ({9}) Wir geben der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen, mehr Kompetenzen bei der Kontrolle der Banken. Ich sage nur: Register für Anlageberater. ({10}) Auch das Portal lebensmittelklarheit.de läuft unglaublich gut, Frau Binder. Wir haben es eingeführt. ({11}) Frau Binder, es liegt eben noch kein Antrag für eine Fortsetzung dieses Programms vor, was nicht heißt, dass wir es ablehnen. Aber wir kennen Sie so. Sie verdrehen die Tatsachen und die Wahrheit immer so. ({12}) Neben den Verbesserungen der Rahmenbedingungen stärken wir mit Informationen und Aufklärung die Position der Verbraucher auf den Märkten. Wenn es um Information und Aufklärung geht, gilt - das wissen wir alle -: Viel hilft nicht immer viel, im Gegenteil. Was wir statt einer Informationsflut brauchen, sind verständliche und zielgruppenspezifische Informationen. Wir brauchen Transparenz, damit die Verbraucher ohne Schwierigkeiten vergleichen und optimal entscheiden können. Deswegen haben wir das Verbraucherinformationsgesetz novelliert. ({13}) Jetzt erhalten die Verbraucher Behördenauskünfte zu Produkten schneller, unbürokratischer und sogar meist kostenlos. Außerdem haben wir die Produktinformationsblätter sowie die Protokollpflichten eingeführt und damit für mehr Durchblick bei Finanzanlagen gesorgt. ({14}) Die App „Zu gut für die Tonne!“, die seit gestern online abrufbar ist, steht heute auf Platz eins. Auch das ist eine Idee von uns. Das ist gute, zielgruppenspezifische Information. ({15}) Mit dem Markttransparenzgesetz geben wir den Verbrauchern die Möglichkeit, ihre Marktmacht an den Tankstellen tatsächlich zu nutzen. ({16}) Aus einem Bürokratiemonster haben wir ein wirksames Instrument gemacht, das den Autofahrern beim Sparen hilft. Ab Mitte 2013 müssen die Tankstellen jede Änderung ihrer Kraftstoffpreise in Echtzeit an eine Datenbank beim Bundeskartellamt melden. Diese Daten werden den Kunden über Internetportale, eine Handy-App oder Navigationsgeräte zur Verfügung gestellt. ({17}) Das ist echte Preistransparenz. Jeder Autofahrer - auch Sie - kann auf einen Blick die günstigste Tankstelle in seiner Umgebung oder auf seiner Strecke finden. So können die Verbraucher mit ihrem Tankverhalten den Wettbewerb ankurbeln und dadurch die Benzinpreise beeinflussen. ({18}) Die beste Nachricht ist: Unsere Verbraucherpolitik wirkt. ({19}) Die Lage und die Zufriedenheit der Verbraucher in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Das Vertrauen der Bürger in die Märkte ist viel stärker ausgeprägt als das Misstrauen. Das ist eine Bestätigung für die christlich-liberale Verbraucherpolitik. ({20}) Die große Herausforderung für uns besteht nun darin, die Verbraucherpolitik an die gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen ist der demografische Wandel. Auch deshalb wurde der Titel „Verbraucherinformation“ mit zusätzlichen 5 Millionen Euro ausgestattet. Ziel ist es unter anderem, älteren Menschen Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten ambulanten Pflegedienst zu geben. Die Stiftung Warentest bzw. deren Zeitschrift Finanztest soll mit zusätzlich 2 Millionen Euro ausgestattet werden. Dieses Geld wird die Stiftung nutzen, um Finanzdienstleistungen zu prüfen, zu bewerten und ihr Informationsangebot auszubauen. Damit haben wir ein weiteres wirksames Instrument zur Überwachung des Finanzmarktes neben der BaFin und der Verbraucherzentrale Bundesverband eingeführt. Wir sind in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Wir wollen keine Doppelstruktur durch die Einrichtung eines Finanzmarktwächters schaffen. ({21}) Bessere und gut aufbereitete Informationen führen zu besseren Entscheidungen. Das wollen wir fördern. Verbraucherpolitik ist aber nie fertig. Die Arbeit ist nie ganz getan. Fortwährend kommen neue Produkte auf den Markt, vom einfachen Lebensmittel bis zum komplexen Finanzprodukt. Die Gesellschaft ändert sich ständig, und damit ändern sich natürlich auch die Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher und schlussendlich auch die Verbraucherpolitik. Wir erkennen diese Veränderungen frühzeitig und gestalten sie mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern gemeinsam. Die Verbraucherpolitik der christlich-liberalen Koalition ist hervorragend aufgestellt. Wir machen erfolgreiche Verbraucherpolitik. Das wissen die Menschen im Land. Das spiegelt sich auch in dem heute vorliegenden Haushaltentwurf wider. Ich lade Sie also ein: Stimmen Sie zu, dann werden Sie Teil unserer Erfolgsgeschichte! Vielen Dank. ({22})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Kerstin Tack hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD. ({0})

Kerstin Tack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004173, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sagen, was ist, das möchten wir auch. Wir sind in der Verbraucherpolitik mindestens mangelhaft, wenn nicht ungenügend aufgestellt. ({0}) - Schön, dass Sie noch aufgewacht sind. Das ist ja ein erster Anfang. Wenn ich sage, wir in Deutschland sind in der Verbraucherpolitik mindestens mangelhaft, wenn nicht ungenügend aufgestellt, dann meine ich beispielsweise den Anlegerschutz. ({1}) - Regen Sie sich nicht auf! Jetzt rede ich. Sie sind heute nicht dran. Zumindest haben Sie keine Redezeit bekommen. ({2}) Frau Aigner, was Sie zu den Dispozinsen vorgelegt haben, ist nicht genug für eine Ministerin, die noch im Frühjahr der Meinung war, sie müsste die Verbraucherinnen und Verbraucher an dieser Stelle schützen. Das reicht nicht. Beim Thema Honorarberatung hat Ihnen Ihre eigene Koalition die Zuständigkeit entzogen. Das ist ein Affront gegenüber der eigenen Ministerin. Das haben wir interessiert zur Kenntnis genommen. ({3}) Die Vorlage, die von Herrn Schäuble kommt, ist auch ungenügend. Dieses Verfahren ist leider einer Verbraucherministerin in Deutschland nicht würdig, und in der Vorlage ist nichts enthalten, was die Anleger und Verbraucher schützen würde. ({4}) Statt Vorschläge für ein modernes Datenschutzrecht vorzulegen, haben Sie es vorgezogen, ausschließlich persönliche Konsequenzen zu ziehen. Das ist einer Ministerin, die für den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch in der digitalen Welt zuständig ist, unwürdig. ({5}) Die Idee einer Stiftung Datenschutz ist gleich ganz gescheitert. Die Stiftung Finanzdienstleistung ist eine Mogelpackung. Jetzt geben Sie der Stiftung Warentest zurück, was Sie ihr vorher genommen haben. ({6}) Die Hygieneampel an Restauranttüren, Frau Heil, ist keine Idee der Opposition, sondern geltende Beschlusslage aller Verbraucherminister in Deutschland, auch der der Union. Mit dem, was Sie hier machen, erweisen Sie den Verbraucherministerinnen und -ministern einen Bärendienst. Wenn die Hygieneampel an Restauranttüren auf Rot steht, dann bedeutet das nicht, dass man nicht hineingehen darf. Vielmehr hat man Wahlfreiheit und kann trotzdem die entsprechende Lokalität aufsuchen. Es ist sehr arm, Frau Ministerin, dass Sie diese Idee nicht aufgreifen. ({7}) Ähnlich verhält es sich mit der Plattform „lebensmittelklarheit.de“. Weil sie noch nie das Kind der Koalition war, ist verständlich, warum im Moment so sehr darüber diskutiert wird, wie man am besten einstampfen kann, was man sowieso noch nie wollte. Seien Sie doch ehrlich und sagen Sie, dass Sie das nicht wollen, anstatt zu behaupten, dass das Ganze nicht funktioniert. ({8}) In Bayern ist Frau Aigner zwar ganz klar für gentechnikfreie Regionen, in Brüssel aber stimmt sie allem zu, was der Zulassung von GVO dient. Auch das ist einer Verbraucherministerin, die den Verbraucherwillen in Deutschland im Blick haben sollte, nicht würdig. ({9}) Im Gesundheitsbereich gibt es Frau Aigner nicht. Sie kommt schlicht und ergreifend nicht vor, obwohl auch hier Verbraucherpolitik betrieben werden muss. Die Patientinnen und Patienten sind bei ihr nicht gut aufgehoben. Die Inkassounternehmen können weiterhin irrwitzige Abmahngebühren verlangen, weil die Koalition seit Frühjahr dieses Jahres nicht in der Lage ist, ein Anti-Abzocke-Gesetz auf den Weg zu bringen. Sie nimmt damit in Kauf, dass Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin täglich mit Abmahngebühren hochgradig belastet werden. Wir halten das für einen Skandal. Ich finde, auch eine deutsche Verbraucherministerin muss dies skandalisieren, selbst wenn es Schwierigkeiten mit der eigenen Koalition gibt. ({10}) Nun sollen 25 Millionen Euro mehr zur Information der Verbraucher ausgegeben werden. Frau Heil sagt gleichzeitig, man wolle keine Informationsflut. Es erschließt sich nicht wirklich, wie das zusammenpasst. Mehr Information schadet zwar nicht, aber es muss doch auch klar sein, was man damit will. Wir wollen den Ausbau von Forschung. Wir wollen, dass man sich mit der Effektivität all unserer politischen Entscheidungen für die Verbraucherpolitik auseinandersetzt. Wir wollen, dass klar ist, welche Instrumente zum Ziel führen. Wir wollen, dass durch qualifizierte Forschung bessere finanzielle Anreize gegen bessere Kontrollen abgewogen werden. Wir wollen, dass klar ist, ob Produktinformationen verständlich sind oder nicht. Dazu brauchen wir entsprechende Bedingungen und vor allen Dingen Forschungsvorhaben, die uns das dokumentieren. Last, but not least: Ja, wir wollen einen Marktwächter. Wir wollen ihn starkmachen. Wir wollen ihn nicht irgendwie. Ich denke, dass wir da nicht weit auseinanderliegen; denn wir haben die Einführung dieses Marktwächters in der Großen Koalition 2008 gemeinsam beschlossen. Sie wollen das nicht wahrhaben, aber es ist nun einmal so. Wir wollen ihn, weil nach unserer Ansicht die Verbraucherinnen und Verbraucher ein Recht darauf haben, dass ihre Interessenvertretung bei einem sehr starken Markt ein Gewicht bekommt. Deshalb wollen wir neben dem Finanzmarktwächter auch einen Marktwächter für Gesundheit, für digitale Welt und für Energie. Denn wir glauben, dass dies Bereiche sind, in denen starke Verbraucherstimmen, und zwar kollektiv, gegenüber einer starken Anbieterseite von Nutzen sein können. Wir wollen damit der Aufsicht die Chance geben, effektiv tätig zu werden, indem sie gezielten Hinweisen, die sie durch das System der Marktwächter erhalten, nachgehen können. Wir glauben, dass das allemal sinnvoll eingesetztes Geld für gelingende und gute Verbraucherpolitik in Deutschland ist. Wir stellen unsere Vorschläge heute zur Abstimmung und freuen uns auf Ihre Unterstützung. Herzlichen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Franz-Josef Holzenkamp hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Franz Josef Holzenkamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003775, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! ({0}) Bei aller Kritik von der Opposition - das gehört in der Haushaltswoche dazu - bleibt es dabei: Wir haben im Kern einen richtig guten Haushalt vorgelegt. Ich möchte den Haushältern für unseren Einzelplan, Herrn Schirmbeck und auch Herrn Haustein, und auch dem BMELV mit Ilse Aigner an der Spitze ein herzliches Dankeschön sagen. Dieser Haushalt steht für Verlässlichkeit und Perspektive. In diesem bescheidenden Haushalt leisten wir einen Beitrag - auch wenn er übersichtlich ist - für die Konsolidierung. Gleichzeitig haben wir bei wirklich knappem Budget - das ist unstreitig; das wissen wir alle hier - zukunftsweisende Schwerpunkte gesetzt. ({1}) Was macht die Opposition? Ich unterstreiche das, was Ilse Aigner gesagt hat: Bei der Opposition geht es nach dem Motto „Wünsch dir was“. Bundesprogramme sollen finanziert und Fachgremien eingerichtet werden. Die SPD will erforschen lassen, wie lange technische Geräte leben. Das kann man machen, aber damit muss der Haushalt doch wirklich nicht belastet werden. Wir als Koalition sagen dazu Nein. ({2}) Wenn die Opposition mal mit Sparvorschlägen kommt, dann geht es gleich ums Ganze: Grüne und Linke fordern - der Punkt wurde mehrfach angesprochen -, die Exportförderung auf Null zu setzen. Ich habe schon häufiger daran erinnert: Welthandel ist Voraussetzung für Welternährung. ({3}) Es geht nicht um Billigexporte. Wir sind für eine Abschaffung von Exporterstattungen. Ich unterstreiche das noch einmal ausdrücklich. ({4}) Aber wir sind für Wertschöpfung im ländlichen Raum durch kleine und mittelständische Unternehmen; um diese geht es nämlich. Es geht um Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Die Großen helfen sich sowieso selber. ({5}) Aber das ist ja bei Ihnen Programm: Gegen die Großen wettern und die Kleinen treffen. ({6}) Einmal abgesehen von den inhaltlichen Irrungen und Wirrungen in Ihren Anträgen: Was kostet denn dieses Wunschkonzert? Die SPD bewegt sich mit ihren Weihnachtswünschen in einem Bereich um 50 Millionen Euro. Ich muss loben, dass dies gegenfinanziert ist. Aber wo? Die Zuschüsse bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sollen um 50 Millionen Euro abgesenkt werden. Meine Damen und Herren, die landwirtschaftlichen Familien sollen die Wünsche der SPD über Beitragssatzerhöhungen bei der Unfallversicherung bezahlen! ({7}) Es ist für sie schon schwer genug, mit der alten Last des Strukturwandels fertigzuwerden. Mit uns ist das nicht zu machen. Wir finden das sogar schäbig. Das zeigt Ihr geringes Interesse an der deutschen Landwirtschaft, meine Damen und Herren von der SPD. ({8}) Es geht weiter - diesmal ohne Gegenfinanzierung; Frau Aigner hat das angerissen -: Die Grünen wollen Mehrausgaben von 35 Millionen Euro, ({9}) die Linken - beim Geldausgeben sind Sie ja unangefochten Spitze ({10}) Mehrausgaben von 72 Millionen Euro. Wer bezahlt das? Das bezahlt der Steuerzahler. Das sind die Verbraucherinnen und Verbraucher. Deshalb haben wir Ihre Anträge aus Überzeugung abgelehnt. Das ist Verbraucherschutz. Verbraucherschutz bedeutet auch Entlastung der Menschen, meine Damen und Herren. Das sollte man irgendwann einmal begreifen! ({11}) Da wir gerade beim Verbraucherschutz sind: ({12}) Schauen Sie sich das Gutachten von Prognos, das schon zitiert wurde, an - ein glänzendes Zeugnis für die christlich-liberale Koalition. ({13}) Wir ruhen uns aber nicht aus. Wir erhöhen die Mittel und setzen sie effizient und effektiv ein. ({14}) Frau Tack, Sie haben die Kennzeichnung durch Ampel und Smileys angesprochen. Sie haben mit Ihrer Aussage zur Position der Verbraucherschutzminister und -ministerinnen der Länder in Deutschland recht. Aber der Vollständigkeit halber müssen Sie dazusagen: Alle Wirtschaftsminister sind dagegen, auch die von der SPD. Sie müssen sich einmal entscheiden. So einig sind Sie sich nämlich nicht. ({15}) Noch einmal zur Agrarsozialpolitik, meine Damen und Herren. Die deutschen Bauern, die Bauernfamilien in Deutschland, können sich bei der Sozialversicherung auf uns als christlich-liberale Koalition verlassen. Alle sind uns wichtig. ({16}) Deshalb unterstützen wir auch gern den Umbau unserer Sozialversicherung hin zu einem Bundesträger, verteilt über drei Jahre, mit 150 Millionen Euro, damit das Tragen der alten Last verträglich bleibt. Meine Damen und Herren, wir wollen Innovation und Forschung. Die Herausforderungen - ich glaube, da sind wir uns alle einig - sind gewaltig. Wir müssen 2050 fast doppelt so viele Lebensmittel erzeugen wie heute. Bis dahin sind es nur noch knapp vierzig Jahre. Das geht nur mit einer modernen und zukunftsorientierten Landwirtschaft - die EuroTier hat das übrigens in besonderer Form deutlich gemacht -, ({17}) in Deutschland, in Europa, aber gerade auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern. ({18}) Dafür braucht es mehr Forschung und mehr Innovation. Deshalb haben wir diese Mittel um 27 Millionen Euro erhöht, ({19}) auf insgesamt 0,5 Milliarden Euro. Da sonst immer so viel gemeckert wird, will ich an dieser Stelle endlich einmal den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Institute - Schorse Schirmbeck hat darauf hingewiesen - ein Dankeschön für ihre hervorragende Leistung und die hervorragende Arbeit, die sie leisten, sagen. ({20}) Auch im Jahr 2012 ist bisher eine ganze Menge auf sie zugekommen. ({21}) Ich will auf das Modell- und Demonstrationsvorhaben hinweisen. Hier stellen wir für den Tierschutz 21 Millionen Euro zusätzlich bereit. Meine Damen und Herren, Sie haben viele Wünsche zum Thema Tierschutz geäußert. Wir unterlegen ihn mit konkreten Haushaltsmitteln. Das ist auch nicht neu. Wir tun nämlich bereits etwas. Es gibt schon solche Versuche, beispielsweise in meinem Heimatbundesland Niedersachsen; ich kann Ihnen entsprechende landwirtschaftliche Betriebe nennen. Wir wollen den Tierschutz praktikabel und letztendlich bezahlbar gestalten. ({22}) Wenn Sie so einfach sagen: „Von heute auf morgen soll mit der betäubungslosen Ferkelkastration Schluss sein; wir wollen sie verbieten“, dann frage ich Sie: Was für Folgen hat das eigentlich, gerade für die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe? ({23}) Sie befeuern den Strukturwandel in einer Art und Weise, die vollkommen unangemessen ist. ({24}) Wissen Sie eigentlich, was Sie den Bauernfamilien antun? Ihnen ist das offensichtlich egal. Uns als christlichliberaler Koalition ist das aber nicht egal, meine Damen und Herren. ({25}) Im Übrigen sage ich an die Adresse der SPD: Wenn ihr bei diesem Thema sagt: „Sofort verbieten!“, gleichzeitig aber einen Änderungsantrag zum Haushalt einbringt, in dem ihr mehr Forschung zu diesem Bereich fordert, ist uns nicht ganz klar, was ihr wirklich wollt. Ihr müsst euch einmal entscheiden. ({26}) Noch einige Ausführungen zum Thema Verlogenheit. ({27}) Es vergeht kein Tag, an dem wir uns nicht von den Grünen anhören müssen, wie schlimm dieser Export ist und dass man den Menschen vor Ort helfen müsse. Bei Letzterem sind wir einer Meinung. Das ist uns tatsächlich wichtig. Deshalb haben wir die Mittel für die Bilaterale Technische Zusammenarbeit um 2 Millionen Euro aufgestockt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie haben vorgeschlagen, das wieder zurückzunehmen und davon eine Kampagne gegen Gentechnik zu machen. ({28}) Das steht so in Ihrem Antrag. Das ginge auf Kosten der Armen. Das ist nicht zu verantworten; das kann nicht sein. ({29}) Ich komme abschließend zum Thema „Gemeinsame Agrarpolitik“. In dieser Woche finden Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen statt. Meine Damen und Herren, eines wünsche ich mir von uns allen: Lasst uns die Diskussion nicht nur auf Umverteilung reduzieren! Verfolgen wir doch gemeinsam deutsche Interessen! ({30}) Wir würden unseren Bauern etwas Gutes tun. Wir haben einen Superhaushalt entwickelt, einen Haushalt mit Perspektive für Verbraucherschutz, für die Landwirtschaft. Wenn Sie ehrlich sind, können Sie ihm nur zustimmen. ({31})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - in der Ausschussfassung. Sie haben vier Änderungsanträge der Fraktion der SPD vorliegen, über die wir zuerst abstimmen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11533. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch SPD und Linke. CDU/CSU und FDP waren dagegen. Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11534. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist ebenfalls abgelehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion. Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Die Koalitionsfraktionen waren dagegen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11535. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist wiederum abgelehnt bei Zustimmung durch SPD und Linke. Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Die Koalitionsfraktionen waren dagegen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11536. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Ablehnung durch CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. SPD und Linke waren dafür. Weiterhin liegt uns ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11537 vor. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die Fraktion Die Linke. Die Koalitionsfraktionen waren dagegen. SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 10 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 10 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan in Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt der Ausschussfassung angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 22. November 2012, 9 Uhr, ein. Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonnenen Einsichten. Die Sitzung ist geschlossen.