Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/20/2012

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zur 206. Sitzung des Deutschen Bundestages in der laufenden Legislaturperiode und damit zum Beginn der Haushaltswoche. Ob diese Woche der Höhepunkt der parlamentarischen Debatten dieses Jahres wird, mögen andere zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Dass dies ein wesentlicher, zentraler Teil der Arbeit dieses Parlamentes ist, daran kann schon vorab kein Zweifel bestehen. Deswegen will ich die Gelegenheit gerne nutzen, mich im Namen des ganzen Hauses bei den Kolleginnen und Kollegen besonders zu bedanken, die uns die beschlussreifen Vorlagen pünktlich und vollständig geliefert haben, über die wir uns im Laufe der Woche mit besonderer Sorgfalt beugen werden. Da nicht völlig auszuschließen ist, dass auch der eine oder andere kritische Einwand gegenüber den Empfehlungen des Haushaltsausschusses hier vorgetragen wird, sollten wir vorab unseren gemeinsamen Dank an die Kolleginnen und Kollegen für die geleistete Arbeit zu Protokoll nehmen. ({0}) Leider müssen wir vor Eintritt in die Tagesordnung wieder einmal eine Schriftführerwahl durchführen. ({1}) - Was heißt „leider“, Frau Enkelmann? Ich muss die regelmäßige Abmeldung von Schriftführerinnen und Schriftführern aus Ihrer Fraktion als eine auf Dauer abgegebene Misstrauenserklärung gegenüber dem Parlamentspräsidenten verstehen. Eine andere Erklärung fällt mir jedenfalls nicht ein. ({2}) Jedenfalls schlägt die Fraktion Die Linke vor, für den Kollegen Ralph Lenkert, von dem mir bis heute keine schriftliche Entschuldigung für seinen Rückzug vorliegt, den Kollegen Harald Weinberg als Schriftführer zu wählen. Sind Sie damit einverstanden? ({3}) - Nein, Herr Kollege Schirmbeck, eine Vorstellung ist nach unserer Geschäftsordnung nicht vorgesehen, ist aber eine der denkbaren Innovationen für die nächste Legislaturperiode. Wir kommen darauf zurück. Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist der Kollege Harald Weinberg damit als neuer Schriftführer gewählt. ({4}) Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es eine interfraktionelle Vereinbarung gibt, von der Frist für den Beginn der heutigen Beratungen, soweit erforder- lich, abzuweichen. Dazu würde ich gern Ihr Einverneh- men feststellen. - Dann ist das so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte I a und b auf: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 ({5}) - Drucksachen 17/10200, 17/10202 - b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({6}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 - Drucksachen 17/10201, 17/10202, 17/10826 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider ({7}) Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz ({8}) Wir kommen nun zur Beratung der Einzelpläne, und zwar zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Präsident Dr. Norbert Lammert Ich rufe zunächst den Einzelplan 01 auf: Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt - Drucksachen 17/10801, 17/10823 Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Carsten Schneider ({9}) Dr. Dietmar Bartsch Omid Nouripour Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Einzelplan 01 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der SPD und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe den Einzelplan 02 auf: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag - Drucksachen 17/10802, 17/10823 Berichterstattung: Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte Johannes Kahrs Roland Claus Priska Hinz ({10}) Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen auf der Drucksache 17/11517 vor, über den wir zunächst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- plan 02 in der Ausschussfassung. Wer stimmt diesem Einzelplan zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Einzelplan mit den Stimmen des ganzen Hauses bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt I.3 auf: Einzelplan 03 Bundesrat - Drucksachen 17/10823, 17/10824 - Berichterstattung: Abgeordnete Cajus Caesar Klaus Brandner Heinz-Peter Haustein Dr. Tobias Lindner Wir stimmen über den Einzelplan 03 in der Aus- schussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt da- gegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 03 ist ange- nommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.4 auf: a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen - Drucksachen 17/10808, 17/10823 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Brackmann Carsten Schneider ({11}) Dr. Gesine Lötzsch Dr. Tobias Lindner b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof - Drucksachen 17/10823, 17/10824 Berichterstattung: Abgeordnete Rüdiger Kruse Bernhard Brinkmann ({12}) Dr. Claudia Winterstein Sven-Christian Kindler c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 ({13}) - Drucksachen 17/10900, 17/10901 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({14}) - Drucksachen 17/11290, 17/11291 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider ({15}) Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz ({16}) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2013 ({17}) - Drucksachen 17/10588, 17/10864 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({18}) - Drucksache 17/11477 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider ({19}) Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz ({20}) e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags - Drucksachen 17/10976, 17/11011 Präsident Dr. Norbert Lammert Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({21}) - Drucksache 17/11504 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider ({22}) Roland Claus Priska Hinz ({23}) Die Fraktionen haben sich auf eine Aussprache von zwei Stunden verständigt. Gibt es dazu Einwände? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Carsten Schneider für die SPD-Fraktion. ({24})

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt 2013 für die Bundesrepublik Deutschland wird Ende dieser Woche beschlossen werden. Die Bürger dieses Landes haben ihr Urteil über diese Regierung schon gefällt. 70 Prozent der Deutschen sagen, die Regierung Merkel betreibe nur Klientelpolitik. ({0}) 65 Prozent sagen, die Regierung Merkel kümmere sich nicht um die Zukunftsprobleme dieses Landes. ({1}) Vielleicht sollten Sie sich bei der Bundesregierung informieren. Diese Angaben stammen aus einer Umfrage, die für die Bundesregierung von der Forschungsgruppe Wahlen erstellt wurde. Die Menschen in diesem Lande liegen richtig mit ihrer Einschätzung. ({2}) Chaos, Verantwortungslosigkeit, Blindheit für die großen Aufgaben, Verschleudern der Zukunftsreserven für irrsinnige Wahlgeschenke, finanzpolitische Trickserei und offensichtlicher Wählerbetrug - das ist der Haushalt 2013, den Sie uns hier vorlegen. ({3}) So taumeln Sie in die Haushaltswoche. Zu Recht hat sich nicht nur der Sachverständigenrat der Bundesregierung Ihre Politik vorgeknöpft. Sie wollten ihn im Haushaltsausschuss nicht hören. Sie wollten an dem Tag, an dem der Bericht der Bundesregierung übergeben wurde, nicht, dass wir mit Mitgliedern des Sachverständigenrats im Haushaltsausschuss debattieren. Angesichts der Ergebnisse, die Ihnen die fünf Wirtschaftsweisen präsentiert haben, kann ich nur sagen: Ich hätte an Ihrer Stelle lieber die Ohren aufgemacht, anstatt auf Durchzug zu stellen. ({4}) Sie haben eine Legislaturperiode hinter sich, die mit Klientelpolitik begonnen hat - Stichwort „MövenpickSteuer“ - und die mit dem bildungspolitischen Irrsinn des Betreuungsgeldes endet. ({5}) Es war bislang eine Legislaturperiode mit Rekordsteuereinnahmen und den geringsten Ausgaben für den Arbeitsmarkt, in der Herr Schäuble seiner Verantwortung als Finanzminister nicht gerecht wurde. Er hat in dieser Legislaturperiode 112 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, und das, obwohl es die höchsten Steuereinnahmen gab, die es in der Bundesrepublik jemals gegeben hat. Die Schuldenlast führt dazu, dass am Ende des Finanzplans die Zinsausgaben in Höhe von bislang 31 Milliarden Euro auf 41 Milliarden Euro steigen werden. Das entzieht uns Gelder, um die Zukunft zu gestalten. Warum ist das so? Nehmen Sie nur - stilbildend - den letzten Koalitionsausschuss. ({6}) Er fand am Sonntag der Woche statt, in der wir den Haushalt im Haushaltsausschuss - vielen Dank, Herr Präsident, für die Anerkennung unserer Arbeit - beschlossen haben. Es ging um viel Geld für Aufgaben, die brachliegen. Sie konnten sich aber nicht einigen, weil Sie keine Kraft mehr haben. Ich zitiere da nur die Süddeutsche Zeitung: Im Endeffekt gebaren Sie eine Maus. - Sie haben sich auf einen Kuhhandel geeinigt: ({7}) Das Betreuungsgeld wurde gegen die Abschaffung der Praxisgebühr getauscht. Der Finanzminister zog es vor, nach Mexiko zu reisen und Vorträge über Konsolidierung zu halten, ({8}) anstatt sich darum zu kümmern, Deutschland vor irrsinnigen Maßnahmen zu beschützen. Meine Damen und Herren, Bundesfinanzminister Schäuble hat in der Finanzpolitik die Hände in den Schoß gelegt. Drei innenpolitische Aufgaben stehen an: erstens Steuerpolitik, zweitens Haushaltskonsolidierung, drittens Schaffung von Ordnung auf den Finanzmärkten. In allen drei Punkten komme ich zu dem Schluss, dass Sie die Hände in den Schoß gelegt haben oder, wie im Steuerbereich, Schlimmeres angerichtet haben. ({9}) Carsten Schneider ({10}) Nehmen wir als Erstes den Haushaltsbereich als Beispiel. Angesichts der höchsten Steuereinnahmen, die wir jemals hatten, ({11}) und der niedrigsten Zinsausgaben, die daraus resultieren, dass wir die Krisengewinnler Europas sind, und die zu einer Entlastung des Haushalts gegenüber der Planung um 11 Milliarden Euro führen, wäre es Ihre Aufgabe gewesen, die Neuverschuldung schon längst auf null zu fahren. Sie haben das nicht geschafft, und das ist Ihr Versagen. ({12}) Ich will Ihnen nur zwei Zahlen nennen. Sie beschließen für 2013 neue Schulden von 17,1 Milliarden Euro. Das haben Sie - ich komme noch darauf zu sprechen mit Trickserei geschönt; eigentlich wären es sogar mehr. Im Jahr 2011, als die Steuereinnahmen geringer und die Sozialausgaben höher waren, haben Sie 17,3 Milliarden Euro Schulden gemacht. Das heißt, es ist Ihnen, obwohl die Einnahmen explodieren und sich die Sozialausgaben um 10 Milliarden Euro verringert haben, weil Sie im Sozialbereich kürzen und die Sozialkassen plündern - das ist der einzige Bereich, in dem Sie zugreifen; Subventionsabbau kennen Sie nicht -, nicht gelungen, die Schuldenlast zu senken. Im Gegenteil: 2012 ist die Neuverschuldung noch einmal explodiert. Jetzt geht die Neuverschuldung wieder auf das Niveau von 2011 zurück. ({13}) Das heißt, dieses Land ist in den letzten zwei Jahren, in denen Sie die Verantwortung für den Bundeshaushalt getragen haben, in die Stagnation regiert worden. Das liegt in Ihrer Verantwortung, meine Damen und Herren. Ich würde mich an Ihrer Stelle eher schämen. ({14}) - Sie können ja einfach nachschauen. Vergleichen Sie die Zahlen von 2011 und 2013! Nehmen Sie zwei entscheidende Punkte zur Kenntnis: 12 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen und um 9,8 Milliarden Euro geringere Sozialausgaben. Das macht zusammen fast 22 Milliarden Euro. Die Zinsen sind in etwa gleich geblieben. Die Kreditaufnahme bleibt aber bei 17 Milliarden Euro. Ich frage mich: Wo sind die 22 Milliarden Euro hin? ({15}) Sie haben es nicht geschafft, Kraft aufzubringen, ({16}) um die Aufgabe zu meistern, die Sie wirklich hätten erledigen sollen, nämlich die Neuverschuldung in Deutschland endlich auf null zu fahren; stattdessen schulmeistern Sie in Europa. Sie sind an Ihrer Aufgabe gescheitert. ({17}) Herr Kauder, soll ich Ihnen einmal sagen, was Sie im Haushalt 2013 alles beschlossen haben? Ich weiß gar nicht, ob Sie davon Kenntnis haben. ({18}) - Ich nenne Ihnen einmal ein paar Punkte, an denen Sie Kürzungen vornehmen können, drei Punkte, die Ihre Kollegen durchgesetzt haben: Erstens, ein kleines Beispiel dafür, womit Sie sich beschäftigen. Im Verteidigungsbereich geben Sie für ein Bundeswehrmuseum 1 Million Euro mehr aus. Sie kürzen aber einen gleich hohen Betrag bei den Betriebskosten, das heißt beim Sprit. Wenn Sie für die Panzer kein Benzin mehr bereitstellen, können Sie sie auch ins Museum stellen. Das ist Ihre Art von Zukunftspolitik. ({19}) Zweitens. Für den Schaufelraddampfer „Kaiser Wilhelm“ haben Sie Geld, aber beim Goethe-Institut kürzen Sie 8 Millionen Euro. Dabei ist es doch wichtig, dass wir die Kulturpolitik im Ausland und damit die deutsche Sprache fördern. ({20}) Was machen Sie stattdessen? In einer Nacht-und-NebelAktion werden 10 Millionen Euro für den Neubau eines sudetendeutschen Museums in München bereitgestellt. ({21}) Das ist Ihre Zukunftspolitik. Da kann ich nur sagen: Gute Nacht! ({22}) Zukunftsweisend wäre es gewesen, wenn Sie in der Hochphase der Konjunktur die Schulden gesenkt hätten, um Reserven für schlechte Zeiten aufzubauen. Dass schlechte Zeiten eventuell kommen, sieht man an der Situation im Euro-Raum. Schauen Sie sich die Wachstumsaussichten für Deutschland an: 0,7 Prozent! ({23}) Sie haben sie höher eingeschätzt und 1 Prozent zugrunde gelegt. Schon darin besteht ein hohes Haushaltsrisiko. Sie lagen daneben, und nun plündern Sie die Sozialkassen. Man hätte im Zuge der Beratungen zum Haushaltsbegleitgesetz über eine einmalige Absenkung des Gesundheitszuschusses um 2 Milliarden Euro reden können, Carsten Schneider ({24}) wenn gemeinsame Gespräche aufgenommen worden wären. Aber da Sie für die Beglückungsaktion der Kleinpartei in der Koalition Geld brauchen - ich erinnere an die Sonntagsnummer Betreuungsgeld -, haben Sie weiter wild in die Sozialkassen und in den Gesundheitsfonds gegriffen. Dabei geht es um einen Betrag von fast 6,5 Milliarden Euro, der dem Gesundheitsfonds entzogen wird. So verfahren Sie auch in der Rentenversicherung. Sie haben die vorhandenen Überschüsse, die wir aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage und der gerechtfertigten guten Lohnabschlüsse erzielen konnten, geplündert. Wenn Sie sich die Regeln für die Schuldenbremse genauer anschauen, dann stellen Sie fest, dass Sie diese Defizite in der Sozialversicherung in den Haushalten ab 2014 auffangen müssen. Aber da werden Sie nicht mehr regieren. Mein Fazit Ihrer Haushaltspolitik ist: Nach mir die Sintflut! ({25}) Sie sehen nur noch zu, dass Sie über den Wahltag kommen; danach können die anderen ({26}) den Scherbenhaufen wieder aufkehren. Das ist keine zukunftsweisende Politik. ({27}) Herr Schäuble, ich frage mich: Wo stehen Sie eigentlich innenpolitisch? Das fragt sich nicht nur die SPD, sondern die gesamte deutsche Presselandschaft. Ich habe ein paar Zitate mitgebracht. Das Handelsblatt titelte: „Das erschöpfte Bündnis“, „Sparen? Fehlanzeige“. Die Süddeutsche Zeitung schrieb: „Eine sogenannte Koalition“. Es gab Streit darüber, wann der Haushalt strukturell ausgeglichen sein wird: 2013 oder 2014? Ist das eine rote oder eine schwarze Null? Die FDP mit Herrn Rösler an der Spitze hat sich groß mokiert, im Endeffekt gebaren Sie aber eine Maus. Daher titelte die Frankfurter Rundschau: ({28}) „Die Null soll stehen - nur welche? Bundesregierung verspricht ausgeglichenen Haushalt - und macht weiter Schulden“. - So ist es! ({29}) Lassen Sie mich als Letztes eine Überschrift des Handelsblatts zitieren: „Wo steckt Schäuble?“ In der deutschen Innenpolitik ist er, zumindest aktiv, nicht mehr zu erkennen. ({30}) In Europa gebärden Sie sich als Schulmeister. In Deutschland hingegen schaffen Sie es nur durch einen Buchungstrick, eine niedrigere Neuverschuldung auszuweisen als im Jahre 2011. Dabei handelt es sich um die Einnahmen aus der Privatisierung der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft. Gestern wurden viele Wohnungen in Ostdeutschland an einen Finanzinvestor verkauft. Wir als SPD wollten angesichts der angespannten Mietsituation, des Bedarfs an Wohnraum gerade im städtischen Bereich, nicht, dass die Wohnungen verkauft werden. Sie haben es getan. Das ist meines Erachtens ein großer Fehler, weil Sie dem Bund damit den letzte Möglichkeit zur Einflussnahme auf Wohnungspolitik und Städtebau genommen haben. Die erzielten Einnahmen verschieben Sie einfach in das nächste Jahr, um den Haushalt noch irgendwie zu retten. Das zeugt nicht gerade von einer klaren Linie, sondern von einem Schlingerkurs, und das ist eines Bundesfinanzministers unwürdig. ({31}) Im Steuerbereich ist ebenfalls nichts passiert. Das Einzige war die milliardenschwere, zusätzliche Subvention für die Hoteliers. Herr Rösler, Sie sind nicht nur Vorsitzender der FDP, sondern auch Bundeswirtschaftsminister und verfügen damit über den größten Subventionsetat des Bundes. Hieran hat sich kein Cent geändert. Die Subventionen sind geblieben, wie sie waren. Da, wo es um Finanzpolitik bzw. um einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz geht, haben Sie sogar noch einen oben draufgelegt. Das ist nicht gerecht. ({32}) - Da ich gerade die Zurufe der Kollegen von der FDP höre: Ich warte immer noch, dass Sie endlich einmal Ihr Liberales Sparbuch - diese 8 Milliarden Euro - dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen. Das ist aber genauso versenkt worden wie Ihre Überzeugung beim Thema „Betreuungsgeld“. Sie stimmen nur noch über das Überleben Ihrer Partei im nächsten Jahr ab. Meine Damen und Herren, seien Sie aber sicher: Dies wird ein Ende haben. Wir Sozialdemokraten setzen dem einen klaren Kurs entgegen: ausgeglichene Haushalte so schnell wie möglich. Wir wollen nicht, dass sich die Deutschen, wenn sie der Bundesrepublik Deutschland Kredit geben wollen, nur noch an Banken wenden können. Was bedeutet das? Sie haben beschlossen, dass der Bundesschatzbrief abgeschafft wird, dass es nicht mehr möglich ist, persönlich und direkt bei seinem Staat Geld anzulegen. Man muss nun immer automatisch den Weg über die Banken gehen. ({33}) Das, meine Damen und Herren, ist ein großer Fehler. ({34}) Es zeigt aber, unter welcher Fuchtel und unter welchem Lobbyeinfluss Sie hier stehen. ({35}) Das trifft ebenso auf den Finanzsektor zu. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben hier - ich glaube, es war im Jahr 2010 - gestanden und gesagt, es werde nie wieder pas25108 Carsten Schneider ({36}) sieren, dass der Staat für die Banken in diesem Land haftet. Dann gebaren Sie wieder eine Maus: Eine Bankenabgabe soll nun dafür sorgen, dass, wenn eine Bank pleitegeht, der Staat nicht zahlen muss. Wie hoch sind eigentlich die Einnahmen aus dieser Abgabe? - 500 Millionen Euro pro Jahr! Meine Damen und Herren, damit können Sie vielleicht eine mittlere Sparkasse retten, aber nicht einmal eine mittlere Großbank. ({37}) Das heißt, aufgrund Ihrer Politik wird der Steuerzahler in der Haftung bleiben. Sie schaffen kein Recht und keine Ordnung im Finanzsektor, im Gegenteil. Wenn ich mir nur die gestrigen Empfehlungen zu den Schattenbanken anschaue, sehe ich, dass da mittlerweile eine richtige Krake entstanden ist, die gefährlicher als alles ist, was wir bisher gesehen haben. Da frage ich mich: Wo sind Ihre Initiativen hier im Deutschen Bundestag, um diesen Schattenbanksektor zu regulieren? Nichts ist passiert. Auch bei der Bankenregulierung haben Sie versagt. ({38}) Zum letzten Punkt. Herr Minister, Sie fahren heute zur Euro-Gruppe nach Brüssel, um über Griechenland zu entscheiden. Ich hoffe, dass Sie endlich entscheiden. Vor allen Dingen hoffe ich, dass Sie endlich Ihre Position korrigieren und nicht mehr nur den Wahltag im September 2013 im Blick haben, sondern dass Sie eine Lösung für Europa vorschlagen, die dauerhaft tragfähig ist. Das bedeutet, dass Sie mit Ihrer Vernebelungs- und Verschleierungstaktik aufhören müssen. Sie haben hier im Jahr 2010 gesagt: Für Griechenland gibt es 22,4 Milliarden Euro, keinen Cent mehr. - Wir haben immer gesagt: Auch Wirtschaftswachstum wird benötigt, und es ist eine Beteiligung der Reichen in Griechenland an der Sanierung erforderlich. Das haben Sie negiert. Sie haben, innenpolitisch begründet, auf den Applaus zu Hause gesetzt, ohne das Große im Blick zu haben. ({39}) Ich sage Ihnen: Kommen Sie nun mit einer dauerhaft tragfähigen Lösung zurück, aber nicht mit einer, die verschleiert. Wir sind mittlerweile in einer Situation, wo es sich eher - egal, ob Sie das Kredit nennen - um einen Transfer als um einen Kredit handelt. Ich finde, das müssen Sie der deutschen Öffentlichkeit klar sagen; denn wir brauchen diese Sicherheit, damit es in Europa auch zukünftig weitergeht. Vielen Dank. ({40})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Norbert Barthle für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Präsident! Liebe Damen und Herren! Ich will mich zunächst für den Dank des Bundestagspräsidenten bedanken. Ich gebe ihn gerne an die Kolleginnen und Kollegen weiter, die diese Haushaltsberatungen mit großem Durchhaltevermögen und teilweise mit bis an die Grenze gehendem persönlichen Einsatz geführt haben. Wir sind jetzt so weit, dass wir dies dem Deutschen Bundestag vorlegen können. In dieser Woche werden wir nicht nur das Haushaltsgesetz, sondern noch einige andere Gesetze - das Haushaltsbegleitgesetz, den Nachtragshaushalt, das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz - beraten. Lassen Sie mich aber als Allererstes sagen: Die Kassandrarufe und Schimpfkanonaden der Opposition werden sich, wie in den vergangenen Jahren auch, in Schall und Rauch auflösen. Nichts von dem, was Sie hier dargestellt haben, wird eintreten. So war das in den vergangenen Jahren, und so wird es auch sein, wenn wir 2014 über den Haushalt reden. ({0}) - Wenn der Kollege Carsten Schneider von Buchungstricks redet, ({1}) dann muss man eines festhalten: Wenn Buchungstricks zur Anwendung gekommen wären, dann dürften Sie in dieser Woche an keiner einzigen Stelle Kritik daran üben, dass wir gespart haben; ({2}) denn wenn es sich tatsächlich um Buchungstricks handeln würde, dann hätte kein Mensch etwas davon gemerkt. Das ist so falsch und doppelzüngig wie nur irgendwas. Ich werde das noch belegen. ({3}) Mit den Gesetzentwürfen, die wir in dieser Woche vorlegen, zeigen wir, dass die christlich-liberale Koalition ihren Kurs einer wachstumsgerechten Konsolidierung konsequent fortsetzt. Dabei bewegen wir uns in einem europäischen Umfeld, das immer noch von Instabilitäten auf den Finanzmärkten und einer schwelenden Vertrauenskrise in Sachen Euro geprägt ist. Die gerade erfolgte Herabstufung Frankreichs durch Moody’s zeigt, dass diese Vertrauenskrise noch nicht endgültig bekämpft ist. Deshalb ist es gut, dass Deutschland nach wie vor der Stabilitätsanker in Europa ist. Wir haben an dieser Stelle eine besondere Verantwortung. Wir setzen auf Solidität, und wir setzen auf Stabilität. Das sind die Grundpfeiler unserer Politik. Solidität erzeugt Vertrauen, und letztendlich geht es um Vertrauen. Deshalb, lieber Kollege Carsten Schneider, haben wir seit 2010 kontinuierlich, Jahr um Jahr, das strukturelle Defizit gleichmäßig abgebaut bzw. zurückgeführt. Wir werden in diesem Jahr bei etwa 15 Milliarden Euro landen. Mit dem HausNorbert Barthle halt 2013 senken wir das strukturelle Defizit auf 8,8 Milliarden Euro ab. Es wird kontinuierlich zurückgeführt. Damit erreichen wir das Ziel der Schuldenbremse, die uns für 2016 ein strukturelles Defizit von 0,35 Prozent des BIP vorschreibt, bereits drei Jahre früher. Diese Leistung sollten Sie einmal würdigen; denn sie ist wirklich aller Anerkennung wert. Mit dem Haushalt 2013 erreichen wir bereits das Ziel der Schuldenbremse drei Jahre früher als vorgeschrieben. ({4}) 2014 werden wir, wenn wir bereit sind, uns entsprechend anzustrengen - es bedarf noch einiger Anstrengungen -, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Strukturelle Defizite sind das entscheidende Merkmal, wenn es um die Frage geht, ob ein Staat solide wirtschaftet oder über seine Verhältnisse lebt; denn das strukturelle Defizit zeichnet sich dadurch aus, dass konjunkturelle Effekte, finanzielle Transaktionen und Privatisierungserlöse herausgerechnet werden. Insofern verdeutlicht das strukturelle Defizit die Kernprobleme eines Staatshaushaltes. Deshalb orientieren wir uns am strukturellen Defizit. Ein ausgeglichener Haushalt 2014 in Deutschland ist das richtige Signal, nicht nur für unsere Bundesländer, sondern vor allem auch für Europa. ({5}) Ein zweites Instrument, auf das ich hinweisen möchte, ist der Fiskalvertrag. Der Fiskalvertrag schreibt die Schuldenbremse nach deutschem Vorbild vor. Das ist ein Paradigmenwechsel in der europäischen Politik. Das kann man nicht oft genug betonen. Mit der Umsetzung der Richtlinien des Fiskalvertrages - auf nationaler Ebene gibt es eine Begleitung durch einen Stabilitätsrat erhalten wir Vorgaben, wie wir sie bisher nicht hatten. Deshalb ist es wichtig, dass wir in dieser Woche über die innerstaatliche Umsetzung dieses Fiskalvertrages diskutieren. ({6}) In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass wir das Kontrollkonto - das ist ein Spezialbegriff, den eigentlich nur Insider kennen - ab dem Jahr 2016 auf null setzen werden. Das heißt, um kontrollieren zu können, inwiefern die Vorgaben der Schuldenbremse eingehalten werden, führen wir ein Kontrollkonto, auf dem die Überschüsse addiert werden, die wir im Übergangszeitraum erwirtschaften, weil wir besser wirtschaften, als die Schuldenbremse es vorschreibt. Im Jahr 2016 setzen wir dieses Kontrollkonto auf null, machen es sozusagen sauber. Die 2016 amtierende Regierung - wir werden sicherlich weiterregieren - kann dann also mit einem gesäuberten Kontrollkonto weiterarbeiten. ({7}) Auch dies ist ein wichtiges Signal für unsere europäischen Partner und die deutschen Bundesländer. Dort gibt es noch einiges zu tun, weil noch einiges im Argen liegt, was die Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse anbelangt. In unserer Anhörung an diesem Montag hat einer der Sachverständigen mein geliebtes Heimatland Baden-Württemberg genannt und gesagt: Baden-Württemberg missbraucht den Abbaupfad. - Das ist leider wahr. Deshalb sage ich nochmals: Solidarität und Solidität sind die Grundpfeiler unserer nationalen Haushalts- und Fiskalpolitik und auch unserer europäischen Strategie. Solidarität und Solidität gehören immer zusammen. Entsprechend verhalten wir uns, wenn es um unseren nationalen Haushalt geht. Ich komme jetzt zu dem Vorwurf, den Kollege Schneider hier vorgetragen hat. ({8}) Beachten Sie bitte, dass wir im vergangenen Jahr und in diesem Jahr - zweimal! - je 8,7 Milliarden Euro in den Kapitalstock des ESM eingezahlt haben und einzahlen. Da stimmen Sie zu. Beachten Sie bitte, dass wir 1,6 Milliarden Euro in den Kapitalstock der Europäischen Investitionsbank einzahlen. Da stimmen Sie zu. Wenn Sie das addieren, kommen Sie auf 19 Milliarden Euro. Diese treiben die Nettokreditaufnahme selbstverständlich in die Höhe bzw. mindern die Absenkung. Aber das hat nichts mit dem strukturellen Defizit zu tun. Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir mit 17,1 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme für 2013 nur knapp unter dem Niveau von 2011 liegen, dann ist das an Doppelzüngigkeit nicht zu überbieten. ({9}) Einerseits stimmen Sie dem zu, andererseits kritisieren Sie. Was wollen Sie eigentlich? ({10}) Da blickt kein Mensch mehr durch. ({11}) Ich sage nochmals klar: Unsere Strategie zur Stabilisierung des Euro ist in unserem ureigensten Interesse. ESM und Fiskalvertrag sind unsere wesentlichen Fundamente zur Stabilisierung der Währungsunion. Dass wir die Nettokreditaufnahme daher nicht so weit absenken konnten, ist klar und verständlich. Aber das dort eingezahlte Geld ist sozusagen ein Guthaben auf einem anderen Konto. Deshalb bewirkt es hinsichtlich der strukturellen Verschuldung nichts. Das ist das wesentliche Kennzeichen. Dennoch ist es eine hervorragende Leistung, denke ich, dass wir die Nettokreditaufnahme auf 17,1 Milliarden Euro absenken konnten, also unter das Niveau von 2011, was das Ist-Ergebnis anbelangt. Ich habe dem Kollegen Carsten Schneider von der SPD immer gesagt: Es ist Blödsinn, Soll und Ist zu vergleichen. - Aber wenn Sie es schon tun, Herr Kollege, dann gestehen Sie uns zu, dass wir mit 17,1 Milliarden Euro unter dem Ist des Jahres 2011 liegen, also eine klar absinkende Linie selbst bei der Nettokreditaufnahme aufweisen. Das Jahr 2012 muss man herausrechnen. Da haben wir einen Nachtragshaushalt mit Sondereffekten. ({12}) Was ist der wesentliche Grund für die Tatsache, dass wir dies schaffen? Die Antwort ist ganz einfach. Hier hilft ein Blick auf die Ausgaben. Wenn Sie sich anschauen, wie sich die Ausgaben in den Haushalten dieser Koalition seit 2010 entwickelt haben, dann stellen Sie fest: Wir hatten im Jahr 2010 Ausgaben des Bundes von 303,7 Milliarden Euro. Im Jahre 2013 werden es 302 Milliarden Euro sein. Das ist weniger als im Jahr 2010. ({13}) Die Ausgaben gehen zurück. Nun zeigen Sie mir eine von der SPD geführte Bundesregierung, zeigen Sie mir eine von den Grünen oder der SPD geführte Gebietskörperschaft oder Landesregierung, die es schafft, bei steigenden Einnahmen, bei verbesserter Situation aufgrund der Konjunktur das Ausgabenniveau kontinuierlich zu senken! Zeigen Sie mir eine, dann gestehe ich Ihnen tatsächlich zu, Sparanstrengungen zu unternehmen. Wenn Sie das nicht können, müssen Sie zugeben: Die Einzigen, die wirklich konsequent und über Jahre hinweg konsolidieren, sind CDU/ CSU und FDP. Dafür steht diese bürgerliche Koalition. ({14}) Das ist aus meiner Sicht eine einmalige Leistung dieser Koalition. Das muss erst einmal jemand nachmachen. ({15}) Dennoch schaffen wir es, politische Schwerpunkte zu setzen. Wir geben von 2010 bis 2013 nicht nur, wie versprochen, 12 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung aus; inzwischen sind es bereits 13,3 Milliarden Euro. Das sind die richtigen und wichtigen Zukunftsinvestitionen. Gleichzeitig schaffen wir es, für den Verkehr nochmals deutlich mehr auszugeben. 2012 und 2013 investieren wir 1,75 Milliarden Euro mehr in die Verkehrsinfrastruktur. Das ist nicht nur ein Impuls für die Konjunktur, sondern das ist auch Standortsicherung und Zukunftsvorsorge. Deshalb machen wir das. Was macht die Opposition? Schauen Sie sich die Vorschläge an, die die SPD im Zuge der Haushaltsberatungen gemacht hat! Dann sehen Sie: 6 Milliarden Euro Mehrausgaben. Ausgabendisziplin sieht anders aus, meine Damen und Herren. 6 Milliarden Euro Mehrausgaben, finanziert durch Steuererhöhungen, etwa bei der Einkommensteuer, durch die Abschaffung des Ehegattensplittings und durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer, also durch Steuererhöhungen, die die Bürger belasten und die Wirtschaft abwürgen. Das ist der falsche Weg. ({16}) Dass daneben im Bundesrat noch die notwendige Bekämpfung der kalten Progression verweigert wird und die CO2-Gebäudesanierung behindert wird, will ich an dieser Stelle nur erwähnen. Und die Grünen? Die Grünen haben bei der Einbringung des Haushalts noch kritisiert, dass wir den Entwicklungshilfeetat gegenüber dem Finanzplan um über 670 Millionen Euro aufstocken; das haben die Grünen, liebe Kollegin Priska Hinz, kritisiert. ({17}) Bei den Beratungen haben die Grünen eine Erhöhung dieses Etats um über 900 Millionen Euro beantragt - natürlich völlig ohne Gegenfinanzierung. Auch das ist kein Ausweis seriöser Haushaltspolitik. ({18}) Über die Linken will ich gar nicht lange reden; sie sind jenseits von Gut und Böse. ({19}) Jeweils 60 Milliarden Euro mehr Ausgaben und mehr Einnahmen, das ist ein Wünsch-dir-was-Konzert. Sie fordern das Blaue vom Himmel. Das hat mit der Realität nichts zu tun. Meine Damen und Herren, abschließend: Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes können darauf vertrauen: ({20}) Diese Koalition kämpft verlässlich und kontinuierlich für stabile Verhältnisse in Europa, und diese Koalition kämpft verlässlich und kontinuierlich in Deutschland für mehr Wachstum, für mehr Beschäftigung und für mehr Wohlstand. ({21}) Ich bedanke mich. ({22})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dietmar Bartsch nun das Wort. ({0})

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer wenn ich zu vergessen drohe, was Erfolgspropaganda ist, höre ich Herrn Barthle, und dann weiß ich wieder, wie das geht: ({0}) Es gibt keine Fehler; alles ist gut. - Das kenne ich aus einer anderen Zeit. Wenn Sie hier von wachstumsgerechter Konsolidierung sprechen, dann glaube ich, Sie sprechen über einen anderen Haushalt. Dieser Haushalt ist unsolide, er setzt die Spaltung der Gesellschaft fort, und er ist letztlich eine Gefährdung Europas. Herr Schäuble fährt heute zu einem Finanzministertreffen. Wir haben in Europa wieder einmal eine dramatische Situation. Die Aussagen, die Sie hier im Parlament gemacht haben, und auch die Aussagen der Kanzlerin haben eine erschreckend kurze Halbwertszeit. Es wurde einmal gesagt, dass es keine Hilfen mehr gibt. Jetzt haben wir wieder eine andere Situation. In der CDU herrscht offensichtlich das völlige Chaos. ({1}) Herr Oettinger fordert einen Schuldenschnitt. Jeder erzählt etwas anderes. Niemand weiß, wie die Situation wirklich ist. Sie beschönigen, Sie beruhigen, Sie beteuern Absichten. Aber in der Regel sind es Fehleinschätzungen; es sind Fehlinformationen. Das alles soll nur der Beruhigung dienen. Der Preis aber, den die Euro-Länder und die Krisenstaaten zahlen, ist riesig. Ihr Europa-Kurs, Ihr Euro-Kurs ist gescheitert. Er ist genauso falsch wie das gesamte Szenario der bisherigen Krisenbewältigung. ({2}) Vor allen Dingen: Sie haben in diesen Haushalt nichts, aber auch gar nichts dazu eingestellt. Das ist angesichts der aktuellen Situation unverantwortlich. Schauen Sie sich die Lage in den betroffenen Ländern an! In der letzten Woche gab es in mehreren Ländern Generalstreiks. In den letzten fünf Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt in Griechenland um 20 Prozent gesunken; das gibt es sonst eigentlich nur im Krieg. Es kommt in den Ländern zu sozialen Verwerfungen. In Spanien und in Griechenland liegt die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen bei über 50 Prozent. Das alles ist auch Ergebnis Ihrer Politik. Die Grundursache ist im Übrigen, dass Sie eine Währungsunion geschaffen haben, ohne eine Sozialunion zu schaffen. Das ist der Grundmangel. ({3}) Ich will Sie eines fragen: Was haben Sie von der Großen Koalition damals in Deutschland gemacht, als das Wirtschaftswachstum um 5 Prozent eingebrochen ist? Sie haben gesagt: Wir müssen investieren, wir müssen die Abwrackprämie einführen, wir müssen die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes verlängern. - Das geschah übrigens auch mit Zustimmung der Linken. Das waren die richtigen Maßnahmen. Was machen Sie in Griechenland? Was machen Sie in Spanien? Das pure Gegenteil: Sie fordern Kürzungsarien, eine nach der anderen. Sie wollen, dass bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, bei den Rentnerinnen und Rentnern und bei den Studentinnen und Studenten gespart wird. Das ist Ihre Politik in diesen Ländern. Diese Politik ist falsch. Sie muss zu einer solchen Situation führen. Warum werden nicht auch einmal den Reichen in diesen Gesellschaften Auflagen gemacht, den Millionären in Griechenland, Spanien und Portugal? ({4}) Warum werden diese nicht einmal zur Kasse gebeten? Sie haben im Hinblick auf diese europapolitischen Risiken nichts - nichts! - in den Haushalt eingestellt. Es sind noch zehn Minuten - - zehn Monate bis zu den Bundestagswahlen. ({5}) - Es sind leider nicht zehn Minuten; es sind noch zehn Monate; das ist eine ganze Menge Zeit. ({6}) Diese Koalition ist eine Koalition des gebrochenen Koalitionsvertrages. Ich will daran erinnern, was vor Tische gesagt wurde: einfach, niedrig und gerecht. - Wo haben Sie eigentlich eine Vereinfachung durchgesetzt? Wo haben Sie für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft gesorgt? Nirgendwo! Ein ganz konkretes Beispiel. Im Koalitionsvertrag steht: Die Ostrenten werden in dieser Legislatur angehoben. - Was machen Sie? Sie brechen Ihren Koalitionsvertrag. Sie haben die Leute in den neuen Ländern letztlich wieder einmal - auf gut Deutsch muss man sagen verarscht. Das ist Ihre Politik: Sie brechen Ihren eigenen Koalitionsvertrag. Mit Blick auf 2013 gibt es wieder einen Wettlauf der Parteien darin, zu versprechen, dass die Angleichung in der nächsten Legislatur durchgeführt wird. Sie hatten den Leuten das versprochen; doch Sie haben es nicht realisiert. Diese Koalition ist die Koalition mit der zweithöchsten Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie haben in dieser Koalition die Umverteilung von unten nach oben fortgesetzt. Letztlich gefährden Sie die Zukunftschancen Deutschlands. Der Kitt aus MövenpickSteuer und Herdprämie ist zu schwach, um darauf erfolgreiches Regierungshandeln aufzubauen. ({7}) In einer zentralen Frage handeln Sie völlig falsch: Das ist das Thema Investitionen. Nun soll Herr Ramsauer noch einmal 750 Millionen Euro bekommen. Das ist sicherlich richtig. Trotzdem bleiben Sie hinter den Anforderungen zurück. Wir müssen investieren in Deutschland, in Städtebauförderung und in energetische Gebäudesanierung. Wir müssen mehr tun für Kitas. Wir müssen mehr tun bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Wir müssen in Krankenhäuser investieren. Das wäre notwendig. Hier bleiben Sie hinter allen Anforderungen zurück. Sie reden von Haushaltskonsolidierung und Schuldenabbau. Nach den Zahlen, die dargestellt wurden, müssten wir in einer hervorragenden Situation sein. Das ist aber nicht der Fall. Diese Koalition wird in den vier Jahren über 100 Milliarden Euro neue Schulden machen 106 Milliarden Euro. Und dann reden Sie von Konsolidierung und Schuldenabbau! Alle Risiken blenden Sie aus. Schauen Sie sich die Konjunkturentwicklung an: Für Europa wird von einem Nullwachstum ausgegangen, für Deutschland von weniger als 1 Prozent Wachstum. Das ist in Ihrem Haushalt in keiner Weise abgebildet. Die Situation in Frankreich letzte Nacht, wo spiegelt sich das im Haushalt wider? Was ist mit der Zinsentwicklung? Nur 1 Prozentpunkt höhere Zinsen, und wir haben 10 Milliarden Euro mehr Ausgaben. Auch das spiegelt sich nicht wider. ({8}) Die Koalition macht diesen Haushalt wirklich nur mit Blick auf die Bundestagswahl. Deutschland ist in puncto Haushaltsdisziplin wahrhaftig kein Vorbild in Europa: Schauen Sie sich die Staatsverschuldung an! Sie ist unter dieser Koalition auf 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Nach den Maastricht-Kriterien dürften es maximal 60 Prozent sein. Den Vertrag von Maastricht müssen doch auch Sie einhalten. Wir liegen bei 82 Prozent! Eines ist ganz klar: Durch Ausgabenreduzierung werden wir dieser Situation nicht Herr werden. Sicherlich lässt sich auf der Ausgabenseite etwas machen; das ist überhaupt keine Frage. Das Kernproblem ist aber, dass wir in Deutschland ein Einnahmeproblem haben. ({9}) Wir müssen endlich dazu kommen, dass die Vermögenden, die Profiteure der Krise zur Kasse gebeten werden, meine Damen und Herren. ({10}) Das ist das Gebot der Stunde. Nur dann wird die Gesellschaft funktionieren. Es ist doch nicht zu akzeptieren, dass die vermögensbezogenen Steuern in Deutschland bei unter 1 Prozent liegen. In Frankreich, in Großbritannien, da liegen sie bei 4 Prozent. Warum wird bei uns in dieser Richtung nichts getan? Warum ist es so absurd, in Deutschland eine Millionärsteuer einzuführen? Im letzten Jahr ist die Zahl der Vermögensmillionäre wieder gestiegen: In Deutschland gibt es inzwischen 952 000 Vermögensmillionäre. Die Zahl derjenigen, die Grundsicherung im Alter empfangen, ist ebenfalls gestiegen; das ist die andere Seite der Medaille. Die Zahl der Vermögensmillionäre ist in den letzten beiden Jahren um 10 Prozent gestiegen, die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter ebenfalls um 10 Prozent. Schauen Sie sich die Einkommensentwicklung an: Die untersten 10 Prozent hatten in den letzten zehn Jahren einen Einkommensverlust von 9,6 Prozent zu beklagen. Die obersten 10 Prozent haben eine Einkommenssteigerung um 16,9 Prozent erzielt. Das ist doch eine Entwicklung, die wir allesamt nicht akzeptieren können. ({11}) Da müssen wir eingreifen: durch Steuerpolitik. In der Steuerpolitik muss gesteuert werden, meine Damen und Herren. Warum ist es so abwegig, die Erbschaftsteuer zu erhöhen? In den nächsten Jahren werden in Deutschland 2,6 Billionen Euro vererbt. ({12}) - Herr Fricke, ich weiß, dass die Erbschaftsteuer nicht in den Bundeshaushalt geht, sondern in die Haushalte der Länder. Ist das nicht auch etwas Vernünftiges? Also, das ist auch etwas Vernünftiges. ({13}) Schauen Sie sich die Situation in den Ländern und Kommunen an! Sagen Sie doch nicht, dass das keine Maßnahme ist, über die man nachdenken kann. In einer Sache, Herr Schäuble, will ich Sie ausdrücklich loben. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass Sie zusammen mit einigen Ländern in Europa bei der Finanztransaktionsteuer wirklich etwas hinbekommen. Das finde ich gut. Da haben Sie eine Idee der Linken, von Attac und anderen aufgenommen. Nehmen Sie mehr Vorschläge von den Linken an! Ich sage Ihnen: Das ist für das Land nur gut. Es bringt unser Land voran, wenn Sie das, was wir vorschlagen, umsetzen. Ein wesentlicher Punkt - Kollege Carsten Schneider hat auch darauf hingewiesen - ist der: Wenn wir nicht endlich die Finanzmärkte regulieren, die Banken regulieren und dafür sorgen, dass nicht wieder neue Spekulationen stattfinden, wird diese Finanzmarktkrise jeden Haushalt ad absurdum führen. Deswegen: Es ist notwendig, Ihre Politik der Spaltung der Gesellschaft und der Ungleichbehandlung von Ost und West sowie der Schwächung des Zusammenhalts in der Gesellschaft zu beenden. Ein Politikwechsel in unserem Land ist notwendig. Danke schön. ({14})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke für die FDP-Fraktion. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzter Herr Bundestagspräsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer wieder schön, zu sehen, dass es im Endeffekt einen grundsätzlichen Unterschied im Staatsverständnis zwischen der linken Seite des Hauses und der Mitte der deutschen Politik gibt. ({0}) Sie alle auf der linken Seite des Hauses wollen mehr Staat. ({1}) Sie wollen dem Bürger weismachen, dass Sie mit mehr Staat am Ende weniger Verschuldung machen. Was Sie wollen, ist nichts anderes, als zu sagen: Bürger, ihr braucht den Staat. Dann müsst ihr dafür auch mehr bezahlen. Wir verraten euch aber nicht, wie. Ich sage Ihnen voraus: Das nächste Mal, wenn einer von Ihnen an der Regierung sein wird, wird es wieder eine Mehrwertsteuererhöhung geben, weil Sie nicht anders haushalten können, als durch ständige Mehreinnahmen Ihren ständigen Mehrausgaben hinterherzurennen. ({2}) - Man merkt jetzt an Ihrer Reaktion, dass genau das zutrifft. ({3}) Die Koalition hingegen hat es anders gemacht. Der Kollege Barthle hat das bereits gesagt. Der Bürger kann für sich selbst überlegen: Wenn ich als Bürger sparen muss, folge ich dann linker Ideologie und frage: „Wer gibt mir mehr Geld?“, oder folge ich einem grundsätzlich wirtschaftlich vernünftigen Ansatz und frage mich: Auf was kann ich, auf was soll ich und auf was muss ich verzichten? Diese unangenehme Frage wollen Sie nicht stellen und auch nicht beantworten. Man hat es wieder bei allen Wortbeiträgen gemerkt: Wenn es um die Frage geht, wo Sie konkret einsparen wollen, bleiben Sie verschwiegen. ({4}) Dann ergehen Sie sich in allgemeinen Verschwurbelungen. Nichts, gar nichts Konkretes kommt von Ihnen. Wollen Sie im Sozialbereich einsparen? Wollen Sie das? - Nein, Sie wollen das nicht. Wollen Sie wirklich bei der Bundeswehr einsparen? - Wenn Ihre Verteidigungspolitiker im Laufe der Woche reden, dann werden sie sicherlich von Mehrausgaben sprechen. Wollen Sie bei Verkehr und Wohnungsbau einsparen? - Nein, das wollen Sie nicht. Wenn Ihre Politiker auf diesen Bereich zu sprechen kommen, dann sagen sie, dass sie mehr ausgeben wollen. ({5}) Es ist doch immer dasselbe: Sie tun heute hier so, als wären Sie bereit, zu sparen, und werden den Rest der Woche wie immer sagen: mehr, mehr, mehr. ({6}) Anschließend kommen ein paar Leute von Ihnen und sagen: Wir würden gerne noch dafür sorgen, dass das Ehegattensplittung abgeschafft wird. - Mit anderen Worten - das kann man dann auch den Bürgern sagen -: Liebe Eheleute, wenn ihr eure Kinder großgezogen habt und danach arbeitet, wird derjenige von euch, der weniger verdient, weniger Steuern zahlen, und derjenige von euch, der mehr verdient, wird weit mehr Steuern bezahlen. - Das wird dann verschwurbelt. Aber am Ende wollen Sie mehr Geld vom Bürger holen, um es an anderer Stelle zu verteilen und zu sagen, wie toll Sie sind. Wir jedoch glauben an den Bürger und gehen deswegen an die Ausgabenseite heran. Kollege Barthle hat das bereits gesagt: Das ist die Kernbotschaft dieser Koalition. Dies ist die einzige Koalition der Bundesrepublik Deutschland, die am Ende einer Legislatur weniger ausgibt als am Anfang. Daran kann man uns messen. Das kann man ablesen - viel besser als allgemeine Steuererhöhungsversprechungen und Mehrausgaben, die Sie haben wollen. ({7}) Dann kommt immer noch der Vorwurf, dass wir ganz schlecht agieren. Die Opposition sagt: Die Koalition ist schlecht. - Die Koalition sagt: Wir sind gut. ({8}) Ich bin der Meinung: Fragen Sie doch einmal die Leute, die ihr Geld für das Alter sicher anlegen wollen. Wo lege ich denn dann mein Geld in Europa an? Lege ich das etwa beim Land Berlin - Rot geführt - an? Lege ich das beim Land Bremen - Rot geführt - an, oder lege ich das im europäischen Ausland an? - Nein. Was ist der Hort der Sicherheit und Stabilität? - Die Bundesrepublik Deutschland, geführt von einer schwarz-gelben Koalition! ({9}) Liebe Leute, stellen Sie nicht einfach nur irgendwelche Behauptungen auf, sondern schauen Sie, wie die Bürger entscheiden, wenn sie sich fragen: Wo ist mein Geld sicher? Auch der nächste Vorwurf ist ein richtig schönes Vorurteil, nämlich wir seien unsozial. Sie sagen: Wenn die FDP dabei ist, kann das gar nicht sozial sein. ({10}) Da sieht man wieder, wie einfach strukturiert die linke Seite des Hauses ist. Ich empfehle der linken Seite des Hauses, doch einmal in die Zahlen zu gucken. Die Frage, wie sozial ein Haushalt ist, muss ich doch daran messen, wie viel Prozent des Haushaltes ich für Soziales ausgebe. ({11}) - Jetzt kommt die Platte wieder. Mit anderen Worten: getroffene Hunde. So ist es an der Stelle. Diese Koalition gibt auch im Haushalt 2013 mehr für Soziales aus, als es Rot-Grün in seiner Zeit geschafft hat. ({12}) Daran können Sie sehen: Dies ist ein Haushalt, der einerseits die Frage berücksichtigt: „Wie spare ich?“, ohne andererseits die Frage der sozialen Verantwortung aus dem Auge zu lassen. Damit komme ich zu dem nächsten Vorwurf, das sei ein Wahlkampfhaushalt. Ich erinnere mich daran, dass in Wahlkampfhaushalten unter SPD-Finanzministern die Ausgaben immer stiegen, damit im Wahlkampfjahr mehr Geld ausgegeben werden konnte. Wir haben jetzt gerade aber gelernt, dass diese Koalition im Wahlkampfjahr weniger ausgeben wird. ({13}) Ist das ein Wahlkampfhaushalt, wenn man weniger ausgibt? Das ist ein Sparhaushalt, mit dem wir an die Vernunft der Leute appellieren. Wir glauben nicht daran, dass man mit Geschenken irgendeinen Wähler dazu bewegt, irgendetwas zu wählen. Ihre alte Theorie mag funktionieren, unsere ist, dass wir an die Vernunft der Wähler glauben, ({14}) die wissen, dass ein Staat, der sich auf das Wesentliche konzentriert, der Staat ist, den sie als Bürger haben wollen. ({15}) Meine Damen und Herren, wir setzen auch Schwerpunkte. Ich habe den Verkehrsminister eben lächeln sehen, als Herr Bartsch hier noch mehr Milliarden für Infrastruktur und Gebäude gefordert hat. ({16}) Herr Verkehrsminister, ich gebe ehrlich zu, ich würde dafür auch gerne mehr ausgeben, aber es gibt Grenzen. Ich weiß auch, dass sich der Verteidigungsminister nicht freut, dass wir bei den Personalverstärkungsmitteln noch einmal etwas gekürzt haben, und ich weiß, dass wir im Bereich der außenwirtschaftlichen Zusammenarbeit Mittel gekürzt haben, was auch nicht allen gefällt. Das Interessante ist: All diese Kürzungen nimmt die Opposition zwar wahr. Aber was ist die Antwort der Opposition? Sie lautet nicht etwa: „Ja, Sie sparen; das ist okay“, sondern: Es ist falsch, dass Sie sparen; wir wollen höhere Ausgaben. ({17}) Das ist der Unterschied: Wir haben die Verantwortung übernommen und die Bürde des Sparens und der Kritik, die wir für das Sparen bekommen, auf uns genommen. Ich darf auch den Koalitionären und den Haushältern der CDU und der CSU ausdrücklich sagen: Das war nicht immer einfach, aber ich finde, das waren sehr gute Haushaltsberatungen, bei denen von beiden Seiten Zugeständnisse gemacht werden mussten. ({18}) So gehört sich das meiner Meinung nach in einer funktionierenden Koalition auch. ({19}) Meine Damen und Herren, in einem Bereich sparen wir weiterhin nicht. Der Bürger sei versichert, diese Koalition guckt in die Zukunft. Sie ({20}) weiß, dass das Thema Bildung und Forschung für die Zukunft essenziell ist, ({21}) weil sich die Rohstoffe eben nicht, wie es CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke weiland dachten, nur in der Erde befinden. Wir als Koalition haben erkannt: Der wesentliche Rohstoff befindet sich zwischen unseren Ohren. ({22}) Deswegen werden wir den Bereich Bildung und Forschung auch weiterhin ganz besonders vom Sparen ausnehmen. Für diesen Bereich müssen wir sehr viel tun, gerade weil wir erkennen müssen, dass in einer globalisierten Welt nur der vorne sein wird, der mehr weiß, der schneller lernt und der besser an der Stelle ist, wo die Anforderungen eines Marktes sind. Das tut die Koalition, und das ist auch vorausschauend. Ein anderer netter Vorwurf vonseiten der Opposition ist, wir würden die Sozialkassen plündern. ({23}) Haben Sie sich eigentlich einmal überlegt, ob Sie nicht auch hier einmal die Zahlen gelten lassen sollten? Ich greife jetzt nur einmal das Beispiel Gesundheit heraus: Kann es sein, dass die letzte Gesundheitsministerin, als sie am Ende einer Legislatur aus ihrem Amt geschieden ist, Schulden im Bereich Gesundheit hinterlassen hat? Kann es sein, dass der Gesundheitsminister, der hier, glaube ich, eine sehr gute Arbeit geleistet hat - das gilt auch für seinen Vorgänger im Amte -, einen zweistelliOtto Fricke gen Milliardenbetrag als Puffer in den Sozialkassen lässt? Das ist der Unterschied. ({24}) - „Das ist doch die Konjunktur!“ Wissen Sie, was Sie gemacht hätten, wenn Sie auch nur 1 Milliarde gefunden hätten? Sie hätten dann wieder überlegt, wo Sie diese Milliarde noch ausgeben können, um sich lieb Kind zu machen. Das ist der Unterschied: Wir erhalten die Puffer, Sie geben das Geld aus, wundern sich am Ende, dass kein Geld da ist, und erhöhen die Steuern. ({25}) Meine Damen und Herren, das Liberale Sparbuch ist hier angesprochen worden. Sie alle wissen, dass man den Haushalt vom Jahre 2009 nicht mit dem Haushalt vom Jahre 2013 vergleichen kann. Ich will Ihnen aber einmal ein paar Punkte nennen: Einsparung eines Staatssekretärs. - Macht ihr nie! - Haben wir gemacht! Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger. - Macht ihr nie! - Haben wir gemacht. ({26}) - Wir können an dieser Stelle gerne darüber reden, aber es ist so. Das tut euch sehr weh. - Reduzierung der Mittel für den Arbeitsmarkt. - Haben wir gemacht, weil wir durch unsere Politik dazu in der Lage waren. Zuschuss zur GKV - haben wir gekürzt. Guckt euch das Sparbuch an dieser Stelle bitte schön einmal in Ruhe an! Ihr werdet dann feststellen, dass der Grundgedanke des Liberalen Sparbuchs, dort Ausgaben zu reduzieren, wo es möglich ist, mit dieser Koalition am Ende dieser Legislaturperiode umgesetzt worden ist, ({27}) was mich mit einer großen Befriedigung und Sie, wie ich höre, mit großem Ärger erfüllt. Meine Damen und Herren, in Bezug auf den Haushalt gibt es zudem noch Zusatzanforderungen. Ich habe es beim letzten Mal schon gesagt: Die größte Gefahr des Haushaltes sitzt nicht auf den Bänken der Opposition, weil sie dafür einfach zu schwach ist, sondern auf der Bundesratsbank. Wir werden auch im Jahre 2013 wiederum 10 Milliarden Euro zusätzlich für Länder und Kommunen ausgeben. Wir helfen den Kommunen bei der Finanzierung der Grundsicherung im Alter. Wir sorgen dafür, dass wir unseren Anteil am ESM bezahlen. ({28}) Trotz alledem können wir die Neuverschuldung senken. Herr Steinbrück, um es klar zu sagen: Von 86 Milliarden Euro, die Sie am Ende der Legislaturperiode in Ihrem Entwurf für den Haushalt 2010 vorgesehen hatten, auf 17 Milliarden Euro herunterkommen und die Neuverschuldung in vier Jahren um 70 Milliarden Euro senken, und zwar trotz der Belastungen für Europa, trotz der Anforderungen der Länder, trotz der Anforderungen von den Kommunen, ohne den Bürger zusätzlich zu belasten, das kann nur Schwarz-Gelb. Herzlichen Dank. ({29})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun hören wir dazu die grüne Version der Kollegin Priska Hinz. ({0})

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war jetzt wieder einmal eine Rede für fast 3 Prozent. ({0}) Deswegen kann man davon ausgehen, dass dies der vierte und letzte Haushalt von Schwarz-Gelb ist. ({1}) Die Herausforderungen waren klar und lagen auf der Hand: Die Energiewende musste in den letzten Jahren vorangetrieben werden, die soziale Spaltung überwunden werden, Steuergerechtigkeit hergestellt werden, und die Neuverschuldung musste abgebaut werden. - Das Fazit ist: Sie haben kläglich versagt! ({2}) In keinem Bereich haben Sie irgendetwas hinbekommen. Die Energiewende ist nicht ausfinanziert. Die soziale Schere geht weiter auseinander. In der Steuerpolitik gibt es nur etwas für die eigene Klientel, lieber Otto Fricke. Der Schuldenstand wird in den vier Jahren um 100 Milliarden Euro gestiegen sein, obwohl es in diesem Zeitraum bei den Steuereinnahmen einen Zuwachs von 33 Milliarden Euro gibt. Das ist die Bilanz von SchwarzGelb. ({3}) Der Haushalt fügt sich in eine lange Reihe vergebener Chancen ein. Sie haben selten so gute Rahmenbedingungen wie in diesem Jahr gehabt, um das strukturelle Defizit im Haushalt dauerhaft zu senken. Aber statt vorzusorgen, haben Sie das Gegenteil gemacht: Allein durch die Mehreinnahmen aufgrund der konjunkturellen Effekte und durch Ihre schlechten Buchungstricks bei den Priva25116 Priska Hinz ({4}) tisierungserlösen - dabei sind wir Ihnen sofort auf die Schliche gekommen - hätte die Nettokreditaufnahme um 2,8 Milliarden Euro gesenkt werden können. Aber Sie haben die Neuverschuldung nur um 1,7 Milliarden Euro abgesenkt, weil Sie nämlich immer wieder die Ausgaben erhöhen. Dabei nützt es gar nichts, dass Sie die Einführung des Betreuungsgeldes verschieben, weil Sie es am Ende trotzdem ausfinanzieren müssen. Dass Sie sich dafür rühmen, mehr Mittel für den Straßenbau bereitzustellen, damit Herr Ramsauer Spatenstiche in Bayern machen kann, ist an Frechheit wirklich kaum noch zu überbieten. ({5}) Ansonsten greift die Koalition bei der Bundesagentur für Arbeit, beim Gesundheitsfonds und bei der Rentenversicherung zu. Mit 5,5 Milliarden Euro aus den Taschen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler soll der Haushalt 2013 saniert werden. Da sage ich ganz klar, Otto Fricke: Wir halten es nicht für gerecht, gerade die Leute zu schröpfen, die in den gesetzlichen Kassen versichert sind. ({6}) Wir sind für Steuergerechtigkeit und dafür, dass Menschen mit hohen Einnahmen und hohem Einkommen diesen Staat mitfinanzieren. Dabei geht es nicht um einen starken Staat oder um mehr Staat, sondern es geht um einen funktionierenden Staat. ({7}) Deutschland ist auch noch Krisengewinner. Deswegen ist es Ihnen möglich, den Haushalt so gut aussehen zu lassen. Allein 400 Millionen Euro verdienen wir an Griechenland, an dem ärmsten Land in der Euro-Zone. ({8}) Auch bei den Zinsen für unsere eigenen Schulden profitiert Deutschland massiv. Teilweise bekommen wir noch Geld dafür, wenn wir Staatsanleihen ausgeben. ({9}) Gegenüber dem Haushaltsentwurf sind die Zinsausgaben um fast eine halbe Milliarde gesunken. Langfristig betrachtet haben wir Einsparungen in Milliardenhöhe. ({10}) - Nein, zurzeit ist das nicht schlimm. Nur müsste man das nutzen, um im Haushalt Vorsorge zu betreiben, was Sie aber versäumen. ({11}) Man muss Vorsorge betreiben, weil das nicht so bleibt. Griechenland wird uns demnächst Geld kosten. Sie sollten sich endlich einmal hier hinstellen, der Bevölkerung reinen Wein einschenken, Frau Kanzlerin, und sagen: Wenn wir die politische Entscheidung treffen, Griechenland in der Euro-Zone zu halten - was wir Grünen immer wollten und auch gesagt haben -, dann kostet uns das auch Geld. Das geht nicht aus der Portokasse, und das geht nicht allein aus Bürgschaften. ({12}) Das wäre wirklich wichtig; und es wäre auch ehrlich, wenn Sie es vor der Wahl sagen würden ({13}) und nicht erst nach der Wahl, wenn eine andere Regierung dran ist. ({14}) Meine Damen und Herren, die Grünen können das besser. ({15}) Unsere Haushaltspolitik orientiert sich an den gesellschaftlichen Herausforderungen und Erfordernissen, und wir können auch noch besser haushalten als SchwarzGelb. Das werde ich Ihnen jetzt zeigen. ({16}) Wir wollen insgesamt 1 Milliarde Euro mehr in die Kinderbetreuung investieren. Da ist es besser angelegt als beim Betreuungsgeld, das nur Herrn Seehofer retten soll. ({17}) Kommunen mit besonderem Bedarf sollen hier besonders profitieren. Bei Erwachsenen wollen wir mehr Engagement für Teilhabe und Chancengerechtigkeit. Wir wollen - natürlich - das Existenzminimum verbessern und den Regelsatz erhöhen, aber wir setzen auch konsequent auf Bildung und Qualifizierung, sowohl bei Arbeitslosen als auch bei Studierenden wie auch bei der beruflichen Weiterbildung von Arbeitnehmern. Allein von Fachkräften zu reden, hilft nämlich nicht weiter. ({18}) Man muss auch etwas dafür tun, und man muss dafür auch investieren. ({19}) Priska Hinz ({20}) Die Energiewende muss sich auch im Haushalt so wiederfinden, dass sie gelingt. Andere Staaten schauen nämlich auf uns und darauf, ob wir nicht nur den Atomausstieg, sondern auch die Energiewende schaffen. Das gelingt nicht mit einem Sondervermögen, das von Zertifikatspreisen abhängig ist, und das gelingt vor allen Dingen nicht mit einem Umweltminister, dem 25 Prozent erneuerbare Energien zu viel sind, und das gelingt schon gar nicht mit einem Wirtschaftsminister, der das Erneuerbare-Energien-Gesetz schleifen will. ({21}) Nein, hier braucht es starke Grüne. Nur so können wir künftig den Haushalt mitbestimmen. ({22}) Nun komme ich zur Rückwärtsrolle bei der ODAQuote. Lieber Norbert Barthle, du hast hinsichtlich des 0,7-Prozent-Ziels bei der ODA-Quote irgendwas missverstanden. ({23}) Wir haben kritisiert, dass nicht genügend Geld im Haushaltsentwurf enthalten war, um das Ziel tatsächlich so zu erreichen, wie es international vereinbart ist. Was aber die Koalition jetzt gemacht hat, ist, dass sie die Erreichung des Ziels aufgegeben hat. ({24}) - Ihr habt das Ziel aufgegeben. Denn es wurden 124 Millionen Euro gestrichen. Damit ist der Haushalt erstmalig abgesenkt worden. ({25}) Damit lasst ihr auch die Kanzlerin im Regen stehen. Um sie tut es mir, ehrlich gesagt, nicht so richtig leid. ({26}) Aber um die Staaten, die unsere Unterstützung brauchen, und um die Menschen, die dort leben, tut es mir leid. ({27}) Wir Grünen haben deutlich gemacht, dass wir das Ausbauziel mit 1,2 Milliarden Euro mehr in diesem und in den nächsten Haushalten erreichen können. ({28}) Natürlich kosten die Zukunftsinitiativen, die ich gerade benannt habe, auch Geld. Das ist logisch. Dafür wollen wir ökologisch schädliche Subventionen abbauen. Dafür brauchen wir aber auch mehr Steuergerechtigkeit. ({29}) Im Gegensatz zu Schwarz-Gelb, die in die Taschen der Beitragszahler greifen, sagen wir das ehrlich. ({30}) Ich glaube, dass Ehrlichkeit am längsten währt und dass die Bevölkerung wissen will, wie Politik agiert, und das entsprechend honoriert. Wenn wir „Mehr Steuergerechtigkeit“ sagen, dann meinen wir auch Entlastung von unteren Einkommen. Außerdem wollen wir eine Vermögensabgabe; die Einnahmen daraus sollen ganz gezielt zum Schuldenabbau eingesetzt werden. Damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal; denn ansonsten hat niemand in diesem Saal und keine von den Parteien ein Konzept, um einen tatsächlichen Schuldenabbau zu betreiben. ({31}) Wir Grüne wollen mutige Strukturentscheidungen treffen und damit den Haushalt zusätzlich um 4,6 Milliarden Euro entlasten. Jeder kann das nachrechnen. Das, was wir auf den Tisch gelegt haben, ist ganz seriös. Daran muss man den Haushalt der Koalition politisch und faktisch messen. Wenn man ihn daran misst, lautet das Fazit: Schwarz-Gelb hat erstens nichts gespart und zweitens nichts in die Zukunft investiert. Grün kann es besser. Wir sind gut auf den Herbst 2013 vorbereitet. Herzlichen Dank. ({32})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe während der Debattenbeiträge der Redner der Opposition ein bisschen darüber nachgedacht, ob unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger im Augenblick wirklich nichts anderes interessiert als die Tatsache, dass in einem Jahr Bundestagswahl ist. Möglicherweise ist unsere Wirtschaft in einer schwierigen Lage. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Um eine glückliche Entwicklung fortzusetzen, bedarf es großer Anstrengungen. Die Wahl ist in einem Jahr, aber anstatt uns gegenseitig Umfrageergebnisse und Zeitungskommentare vorzuhalten, sollten wir uns vielleicht doch ein bisschen mehr mit dem beschäftigen, was auch die Menschen in diesem Lande interessiert, nämlich wie wir eine erfolgreiche Politik in schwierigen Zeiten für die Zukunft unseres Landes fortsetzen. ({0}) - Ich weiß, dass Sie gerade Ihren Parteitag gehabt und die Wahl Ihrer Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl durchgeführt haben. Ich will das auch gar nicht, Frau Künast, mit irgendwelchen von Ihnen dann eher als hämisch empfundenen Bemerkungen kommentieren. ({1}) Ich wünsche mir vielmehr, dass wir diese Haushaltsdebatte auch dazu nutzen, uns mit der Substanz der Probleme unseres Landes in Sachen Wirtschaft und Finanzen zu beschäftigen. ({2}) Ich will es an einem einfachen Beispiel deutlich machen. Wenn Sie sagen, wir hätten in dieser Legislaturperiode insgesamt 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, dann will ich daran erinnern, dass zunächst Herr Steinbrück und ich gemeinsam in der Großen Koalition und dann ich als sein Nachfolger für das Jahr 2010 einen Haushaltsentwurf mit 86 Milliarden Euro Neuverschuldung vorlegen mussten. Wenn wir also in vier Jahren insgesamt auf eine Neuverschuldung von 100 Milliarden Euro gekommen sind, kann es, ausgehend von dieser Ausgangslage, nicht ganz so schlecht gewesen sein. Auch das muss man einmal sagen. ({3}) - Nein, aber es reicht jedenfalls dazu, zu veranschaulichen, Herr Bartsch, dass man über Probleme nur dann ernsthaft reden kann, wenn man mit den Zahlen einigermaßen korrekt umgeht. Mit unserer Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik sind wir in die Bemühungen eingebettet, Europa stabil zu halten, und nehmen Verantwortung für die Entwicklung der Weltwirtschaft wahr. Wir haben Absprachen und Verabredungen seit 2008, seit der mit der Insolvenz von Lehman Brothers verbundenen Krise, im Rahmen der G 20, im globalen Rahmen und mit dem Internationalen Währungsfonds. Diese Absprachen besagen, dass wir nachhaltig, aber maßvoll unsere Defizite reduzieren müssen, dass die zu hohe Staatsverschuldung überall reduziert werden muss und wir das in einer Weise machen müssen, die unserer Verantwortung für die Entwicklung nachhaltigen Wachstums in der ganzen Welt, in den Industrieländern, in den Schwellenländern und in den Entwicklungsländern, gerecht wird. Das ist die internationale Absprache, die wir gemeinsam getroffen haben und zu der wir mit unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik unseren Beitrag leisten. ({4}) Deswegen sollte man unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern bei aller Verunsicherung doch einmal sagen: In allen Berichten von der EU-Kommission - hier geht es um die länderspezifischen Empfehlungen und die Überwachung nach der Verschärfung des Sekundärrechts -, von der OECD, vom Internationalen Währungsfonds wird wieder und wieder bestätigt, dass Deutschland seine europäischen und globalen Verpflichtungen erfüllt, nicht mehr und nicht weniger. Wenn alle anderen das auch täten, wäre es gut. Ich will jetzt aber nicht über andere reden. Ich will auch nicht behaupten, dass wir Musterschüler sind, sondern ich sage: Wir bemühen uns, unserer europäischen und globalen Verantwortung gerecht zu werden. Das tun wir in diesen Tagen und Wochen, und damit sind wir ganz erfolgreich. ({5}) Nach dem Debattenverlauf möchte ich auch noch folgende Bemerkung machen: Natürlich kann man zu hohe Verschuldung auf unterschiedliche Weise zurückführen. Man kann auch darüber streiten, was das richtige Tempo ist. Ich glaube, wir haben in der letzten Legislaturperiode mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse die richtige Entscheidung getroffen, nämlich uns, wie Norbert Barthle erläutert hat, im Wesentlichen auf das strukturelle Defizit zu konzentrieren. Das ist schließlich die entscheidende Größenordnung in Bezug darauf, ob eine Finanzpolitik in die richtige Richtung geht oder nicht. Wenn wir in einem Jahr anteilig Kapital in die Europäische Investitionsbank oder auch in den Europäischen Stabilitätsmechanismus einzahlen, hat das ja mit der langfristigen Linie unserer Finanzpolitik relativ wenig zu tun. Entscheidend ist also das strukturelle Defizit. Im Grundgesetz haben wir uns verpflichtet - diese Regelung, die wir gemeinsam getroffen haben, ist übrigens Vorbild für alle Länder in Europa im Fiskalvertrag geworden; sie kann wohl nicht so dumm sein -, dass wir das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt bis spätestens 2016 auf maximal 0,35 Prozent zurückführen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt, den der Haushaltsausschuss jetzt zur Verabschiedung vorlegt, sieht vor, dass bereits im kommenden Jahr das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt auf 0,35 Prozent bzw. genau 0,34 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Wir schaffen das also drei Jahre vor dem Zeitpunkt, den wir uns im Grundgesetz selber vorgegeben haben. Genau diese Linie werden wir in den kommenden Jahren konsequent fortsetzen. Das entspricht unserer Verantwortung für die Zukunft. ({6}) Nun kann man zwischen den verschiedenen politischen Lagern immer darüber streiten, wie man eine zu hohe Verschuldung zurückführt. Die einen fordern höhere Steuern, während die anderen dafür plädieren, eher bei den Ausgaben kürzerzutreten. Das ist im Kern die Alternative. Jetzt will ich Ihnen einmal die Ausgaben im Bundeshaushalt nennen. Die Istausgaben betrugen 2010 303 Milliarden Euro und 2011 296 Milliarden Euro. Im Jahr 2012 sind die Ausgaben durch die zwei Nachtragshaushalte mit den Kapitaleinzahlungen in ESM und EIB noch einmal auf 311 Milliarden Euro gestiegen. Nach dem zu verabschiedenden Haushalt werden sie 2013 302 Milliarden Euro betragen und nach der mittelfristigen Finanzplanung 2014 bei 302,9 Milliarden Euro und 2015 bei 303,3 Milliarden Euro liegen. Das heißt: Von 2010 bis 2015 halten wir die Ausgaben im Bundeshaushalt konstant - bei steigendem Bruttoinlandsprodukt und bei steigenden Steuereinnahmen. So reduzieren wir unser Defizit. Das ist die Finanzpolitik der christlich-liberalen Koalition. Sie ist erfolgreich, und sie sichert unsere Zukunft. ({7}) Wir müssen das vor dem Hintergrund machen, dass sich die wirtschaftliche Lage eher abschwächt. Das ist weltweit so. Es ist alles gar nicht nur auf Europa beschränkt. Was Europa angeht, haben wir heute Nacht die Nachricht bekommen, dass unser wichtigster Partner von einer Ratingagentur eine ein kleines bisschen mahnende Beurteilung bekommen hat. Noch immer ist das Rating für Frankreich sehr stabil. Das sage ich ganz deutlich, damit man da auch jede Dramatisierung meidet. Wir haben jedes Interesse daran, dass wir alle in Europa unsere Aufgaben wahrnehmen und unserer Verantwortung gerecht werden. Wir müssen allerdings sehen, dass wir im kommenden Jahr nur mit verringertem Wachstum rechnen können. Damit ist eine gewisse Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung zu verzeichnen - in unserem Land, in Europa und in der globalen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund haben wir dennoch Vorsorge getroffen. Es ist ja völlig unbestritten, Deutschland ist in Europa Stabilitätsanker und zugleich Wachstumslokomotive. Ohne Deutschland wäre Europa insgesamt, die EU und die Euro-Zone, in der Rezession. Wir sichern mit unserer Politik, dass es zwar auf einem niederen Niveau, aber nachhaltig weiterhin aufwärts geht. Das ist die entscheidende Frage. Dieser Herausforderung wird unser Haushalt gerecht. Jetzt haben Sie gesagt, man müsse auch in der Steuerpolitik mehr machen, und eine entsprechende Diskussion angeregt. Diese Argumentation ist allerdings ein bisschen unglaubwürdig; das muss ich in aller Freundlichkeit sagen. Man kann nicht auf der einen Seite über den Bundesrat jede noch so sinnvolle Maßnahme aus parteipolitischen Gründen blockieren und gleichzeitig sagen: Es geschieht in der Steuerpolitik nichts. Das ist die Methode „Haltet den Dieb!“, und die wird vom Strafrecht längst erkannt. ({8}) Es ist völlig inakzeptabel, wenn der Bundesrat - in dem wir keine Mehrheit haben; für Steuergesetze brauchen wir seine Zustimmung; so ist es nach dem Grundgesetz - noch nicht einmal bereit ist, die kalte Steuerprogression zu korrigieren, ({9}) also dem Zusammenwirken von - wenn auch maßvoller Preissteigerung bzw. Geldentwertung und Steuerprogression entgegenzuwirken. Wir wollen den Steuerpflichtigen nichts zurückgeben, sondern nur verhindern, dass durch das Zusammenwirken von Steuerprogression und Preissteigerungen Steuereinnahmen erzielt werden, die der Gesetzgeber so gar nicht beschlossen hat. Wenn Sozialdemokraten und Grüne dies im Bundesrat blockieren, dann sollten sie aufhören, noch irgendeine Kritik an unserer Steuerpolitik zu erheben. ({10}) Weil wir gerade bei diesem Thema sind, will ich mit allem Nachdruck sagen: Wir haben nicht nur für den Bund Verpflichtungen, unseren Haushalt in Ordnung zu bringen - wir machen das -, sondern wir haben auch eine gesamtstaatliche Verantwortung, Stichwort „Fiskalvertrag“. Auch das hat Norbert Barthle sehr präzise beschrieben. Wir haben uns verpflichtet - das ist auch richtig und notwendig -, das gesamtstaatliche Defizit, also das von Bund, Ländern, Kommunen und gesetzlichen Sozialversicherungen, auf maximal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Insofern geht es auch um die Haushalte von Ländern und Gemeinden. Wir haben übrigens in dieser Legislaturperiode für die Kommunalhaushalte mehr getan, als die Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände selbst auch nur zu hoffen gewagt hätten. Auch das ist die Wahrheit. ({11}) - Doch, natürlich. Allein die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter, die Rot-Grün zu einem großen Teil auf die Kommunen übertragen hat, in voller Höhe macht einen rasch ansteigenden Milliardenbetrag aus. Darüber brauchen wir nicht lange zu reden. ({12}) - Na ja, Herr Steinmeier, es hilft nichts. Sie haben es eingeführt unter Rot-Grün. Sie haben einen großen Teil dieser Kosten auf die Kommunen übertragen, und wir haben es zurückgenommen. Selbst der Präsident des Deutschen Städtetages war wirklich hocherfreut und überrascht. Da er ein fleißiger Sozialdemokrat ist, hat er es am nächsten Tag - ({13}) - Sie haben es doch eingeführt, und wir haben es zurückgenommen. Es macht keinen Sinn, uns jetzt zu sagen, Sie hätten uns dazu gezwungen, Ihre eigenen Fehler zu korrigieren. Hätten Sie diese Fehler nicht gemacht, hätten wir sie auch nicht zu korrigieren brauchen. ({14}) Jedenfalls haben wir eine kommunalfreundliche Politik betrieben. Sie, Herr Steinmeier, werden mich auch nicht davon abhalten, folgenden Satz noch zu sagen: Vor dem Hintergrund, dass Bund, Länder und Kommunen knappe Einnahmen haben, fände ich es völlig inakzeptabel, wenn der Bundesrat seine Zustimmung zu dem Steuerabkommen mit der Schweiz verweigern sollte. ({15}) Es gibt kein rational nachvollziehbares Argument, es gibt ausschließlich ein parteipolitisch zu begründendes Motiv dafür, dass man mit billiger Polemik dieses Abkommen zu verhindern versucht. Es ist klar: Wenn die25120 ses Abkommen nicht zustande kommen sollte, dann wird sich ab dem 1. Januar der Zustand fortsetzen, dass Vermögensanlagen in der Schweiz steuerlich nicht so wie Vermögensanlagen in Deutschland erfasst werden. Kommt dieses Abkommen zustande, wird ab 1. Januar 2013 jede Anlage in der Schweiz genauso behandelt wie eine Anlage in Deutschland. ({16}) Es wird dann keinen Unterschied mehr geben. Im Falle von Erbschaften wird immer der deutsche Fiskus profitieren. Und da die Erbschaftsteuer ausschließlich an die Länder geht, können Sie über die Erbschaftsteuer überhaupt nicht reden, wenn Sie dieses Abkommen aus parteipolitischen Gründen blockieren. ({17}) Im Falle einer Erbschaft wird entweder die reguläre Besteuerung durchgeführt, oder es kommt der höchstmögliche Steuersatz zur Anwendung. Darüber hinaus treffen wir eine Regelung für Fälle der Vergangenheit. Niemand kann rückwirkend belangt werden, weil auch die Schweiz ein Rechtsstaat ist. Das Schweizer Bankengeheimnis kann man nicht rückwirkend außer Kraft setzen. Das ist auch im Hinblick auf das Bankengeheimnis der USA der Fall. Es ist eine Lüge, wenn behauptet wird, die USA hätten gegenüber der Schweiz rückwirkend etwas erreicht. ({18}) Ich sage noch einmal mit großer Klarheit: Das ist eine Lüge. Wir haben im Hinblick auf die Vergangenheit eine Regelung formuliert, die diejenigen, die von der Anonymität Gebrauch machen, steuerlich schlechterstellt, als wenn bei ihnen die Regelbesteuerung durchgeführt würde. Wenn Sie dieses Abkommen aber verhindern, wird das Ergebnis sein, dass Einnahmen in Milliardenhöhe für Bund und Länder auf Dauer verloren sind; denn Steueransprüche verjähren innerhalb von zehn Jahren, und was verjährt ist, ist nicht mehr zu erheben. Also: Wenn Sie sich für die Einnahmen von Bund und Ländern verantwortlich fühlen, geben Sie die ausschließlich parteipolitisch motivierte Blockade auf. ({19}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, um zum Kern der Haushaltsdebatte zurückzukehren: Natürlich haben wir bei dem heute Abend stattfindenden Treffen der Staatsund Regierungschefs der Euro-Gruppe über die mittelfristige Finanzplanung in der Europäischen Union schwierige und wichtige Entscheidungen vor uns. Wir alle wissen, dass der Wohlstand der Deutschen auf Gedeih und Verderb von einer erfolgreichen Fortsetzung der Entwicklung in Europa und auch von einer gemeinsamen europäischen Währung entscheidend abhängt. Deswegen engagieren wir uns dafür, nachhaltige Lösungen zu finden. Die Lösungen müssen aber so sein, dass alle in Europa den Anreiz haben, ihren Verpflichtungen als Mitglied einer Wirtschafts- und Währungsunion gerecht zu werden. Das ist die Herausforderung. Wir werden uns alle Mühe geben, ihr gerecht zu werden. Über die Ergebnisse der Beratungen werden wir in den nächsten Tagen zu diskutieren haben. Herzlichen Dank. ({20})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Lothar Binding für die SPD-Fraktion. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Schäuble hat gerade gesagt, es gehe darum, dass die Finanzpolitik in die richtige Richtung geht. Können Sie sich vorstellen, wie verzweifelt eine Opposition ist, wenn sie nach einer finanzpolitischen Richtung sucht? ({0}) Das ist eine richtige Strafe für eine Opposition, weil es keine Richtung gibt. ({1}) Herr Schäuble hat noch etwas Interessantes gesagt, was ich nicht richtig zusammenbringe. Er hat gesagt: Deutschland ist eine Wachstumslokomotive auf niedrigem Niveau. ({2}) Wie das funktionieren soll, muss man erst einmal erklären. Er hat auch gesagt: Der Bundesrat blockiert das Abkommen mit der Schweiz. Gott sei Dank blockiert er dieses. ({3}) Es würde in den nächsten Jahren zu einer Anonymisierung illegaler Einnahmen führen. Der Gauner wird anonymisiert. Der Ehrliche zahlt Steuern. Das ist ungerecht, und das wollen wir nicht. So einfach ist das. ({4}) Wenn Sie das wollen, wollen Sie eine ungerechte Politik. Die kalte Progression ist eine Chimäre, ein Märchen. Das beweise ich nicht unter Rückgriff auf die SPD-Fraktion, sondern auf das Bundesministerium der Finanzen. Es hat uns mitgeteilt, dass die Wirkung der kalten ProLothar Binding ({5}) gression in den vergangenen 15 Jahren nie zur Geltung gekommen ist durch Steuersenkungen und durch Verschiebungen der Grenzsteuersatzkurve. Es ist ein Projekt von Ihnen, das zum Scheitern verurteilt ist, weil es ein Problem löst, das es nicht gibt. ({6}) Otto Fricke hat vorhin gesagt, wenn ich es richtig verstanden habe: ({7}) Wir - er meint die FDP - haben die Bürde des Sparens auf uns genommen. ({8}) Ich will Ihnen das an einem Beispiel klarmachen. Was passiert, wenn zum Beispiel der FDP-Kollege Koppelin und der FDP-Kollege Niebel ein persönliches Problem miteinander haben und sich miteinander fetzen? Wie wirkt sich die genannte Bürde des Sparens aus? Sie wirkt sich so aus, dass die Gelder im Einzelplan 23, also dem für Entwicklungspolitik und für Entwicklungszusammenarbeit, gekürzt werden. Das Kürzen dieser Gelder findet aber auf dem Rücken der Ärmsten dieser Welt statt, weil sich zwei Leute in der FDP nicht verstehen. Was sollen wir in der Opposition machen, wenn ihr euch so fetzt? Dann ist doch alles, was wir kritisieren, nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein. ({9}) Man muss sagen: Ihr nehmt der Opposition die Chance, eine gute Politik zu machen. ({10}) - Das ist klar. Mehr muss ich gar nicht sagen. Was braucht ein gesunder Haushalt? Er muss die notwendigen Ausgaben -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Binding, darf der Kollege Koppelin eine Zwischenbemerkung machen oder Zwischenfrage stellen?

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Kollege Koppelin darf eine Zwischenfrage stellen.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Binding, abgesehen davon, dass Ihre Darstellung völlig falsch ist: ({0}) Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass laut Protokoll des Haushaltsausschusses auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diesem Antrag zugestimmt hat? Das hätte ich auch der Kollegin Hinz vorhin gerne gesagt.

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin bereit, vieles zur Kenntnis zu nehmen. Allerdings bin ich nicht derjenige, der für oder gegen die Grünen argumentiert, sondern ich argumentiere für unsere Position. Es ist völlig klar, dass wir der Entwicklungspolitik eine große Bedeutung beimessen ({0}) und sogar dabei geholfen haben, dass der Haushalt von Minister Niebel etwas angehoben wird. Allerdings hat die Regierungskoalition der von uns geforderten Anhebung um 1,2 Milliarden Euro, um so die ODA-Quote langsam erreichen zu können, nicht zugestimmt. Insofern ist unsere Politik sehr konsistent im Zeitverlauf. ({1}) Was Sie gemacht haben, stellt einen krassen Bruch aller internationalen Versprechen dar, die Sie seit 2000 gegeben haben. ({2}) Herr Niebel hat an dieser Stelle gravierend versagt, weil er diese Kürzung nicht verhindert hat. ({3}) Wie kann man denn so etwas machen? Drei Jahre lang hebt man an, weil die Politik gut ist, und im vierten Jahr hakt einer dazwischen, der ein persönliches Problem hat. Man kann persönliche Probleme haben, aber die darf man im Haushaltsbereich nicht auf dem Rücken anderer austragen. Erst recht darf man dann nicht sagen, die FDP trage die Bürde des Sparens. Das passt überhaupt nicht zusammen. ({4}) Wir schauen in den Haushalt und nehmen die notwendigen Ausgaben in den Blick. Was finden wir? Wir finden das Betreuungsgeld, wir finden die Hotelsteuer. ({5}) Wir finden einen Schlingerkurs in der Energiewende. Was das einmal kosten wird, können wir jetzt noch gar nicht projektieren. Was für ein finanzpolitisches Desaster das Hin und Her in der Atomkraft bedeuten wird, wage ich noch gar nicht auszurechnen - von ökologisch schädlichen Subventionen ganz zu schweigen. Wir nehmen aber auch die Einnahmeseite in den Blick. Was haben Sie gemacht? Schlupflöcher für Konzerne aufgerissen, ganz eindeutig. Ich nenne hier nur das Stichwort „Funktionsverlagerung“. Aber auch zulasten der Kommunen haben Sie gehandelt. Hier gibt es Riesenprobleme. Sie haben mit einem wahnsinnigen Pomp die Gewerbesteuerreform angekündigt, sogar eine eigene Arbeitsgruppe gegründet. Was passiert nach zwei Jahren? Sie ist eingeschlafen, Fehlanzeige, keine Leistung in dieser Arbeitsgruppe. Das ist ein typisches Kennzeichen dieser Regierung. ({6}) Lothar Binding ({7}) Sie haben groß eine Reform zur Umsatzsteuer angekündigt. Was ist übrig geblieben? Abgesehen von der Hotelsteuer nichts. Sie haben die Reform der Einkommensteuer groß angekündigt. Im Hinblick auf die Einnahmeseite ist nichts passiert. Hinzu kommt der leichtfertige Umgang mit der Besteuerung der Streubesitzdividenden kürzlich. Das, was diese Regierung macht, ist einfach ein Desaster. Es gibt allerdings auch Lerneffekte. Das will ich gar nicht bestreiten. Damals, 2004, wollten Sie die Gesundheitsreform eigentlich verhindern. Wir wollten, dass der Hausarzt als Lotse fungiert. Das war eine kluge Idee. Die CSU hat im Gegenzug im Bundesrat die Einführung der Praxisgebühr in Höhe von 10 Euro erpresst. Das war im Jahr 2004; vor zwei Wochen haben wir sie nun abgeschafft. ({8}) Ich würde sagen: Wer nach acht Jahren darauf kommt, dass die SPD-Position richtig war, der hat etwas gelernt. Es hätte schneller gehen können, aber immerhin! ({9}) Die Studiengebühren in Bayern, 2007 von der CSU eingeführt, sollen nun abgeschafft werden. Die FDP allerdings will sie gerne erhalten. Noch 2008 haben beide Fraktionen die Studiengebühren in der Koalitionsvereinbarung bekräftigt. Ich würde sagen: Wenn jemand nach fünf Jahren zu dem Erkenntnisstand kommt, den die SPD schon immer hatte, ist das ein gewisser Lerneffekt. Jetzt stellt sich die Frage nach dem Betreuungsgeld: eingeführt 2012, beschlossen auf Druck der CSU. Jetzt erhebt sich natürlich der Verdacht, dass das nur deshalb passiert ist, weil man plant, es zum richtigen Zeitpunkt wieder abzuschaffen. ({10}) Ich glaube, das ist eine supergute Politik. Man kann daran das erkennen, was der Minister - wie hat er gesagt? „Richtung“ nannte. Das ist wirklich super: erst hin und dann her. Hin ist zwar eine Richtung, und Her ist auch eine Richtung, nur: Es gibt dann letztlich keine Richtung. ({11}) Wir können von den Ökonomen Giovanni Callegari und Giovanni Melina etwas sehr Interessantes lernen. Hierbei handelt es sich nicht um Ökonomen der SPDFraktion - obwohl sie vielleicht hineinpassen würden -, sondern um Ökonomen vom IWF. Von diesen können wir lernen, dass Sparpolitik abhängig vom Zeitpunkt ist und es deshalb nicht genügt, bloß über das Sparen zu reden. Sie sagen nämlich: Die Klugheit des Sparens hängt nicht davon ab, ob man spart, sondern wann man spart. Die Untersuchung vieler internationaler Strategien beim Schuldenabbau zeigt, dass die Kürzung von Staatsausgaben gut sein kann oder schlecht. Jedenfalls wissen wir: Wenn wir 100 Euro - ({12}) - Ja, die SPD kennt sich da aus, deshalb trage ich das so vor. Denn wir machen eine andere Finanz- und Wirtschaftspolitik als die, die wir hier mit der „leeren Menge“ vorfinden. ({13}) Nun zu einem Beispiel aus der Untersuchung: Die Kürzung der Staatsausgaben um 100 Euro führt im Abschwung zu einer Verringerung des Bruttoinlandsprodukts um 249 Euro, allerdings nur um 35 Euro im Aufschwung. Die Erhöhung der Steuern, die Sie immer so verteufeln, die wir jedoch aus Gerechtigkeitsgründen vornehmen, senkt - das ist ganz interessant - bei einem Vergleichswert von 100 Euro das Bruttoinlandsprodukt im Abschwung um 7 Euro. Und da reden Sie immer von einem großen Drama. Wenn dies jedoch zu Zeiten geschieht, in denen das BIP steigt, dann steigt das BIP um 6 Euro. Jetzt erkennt man Ihren Fehler: Sie haben das eine zum falschen Zeitpunkt gemacht und das andere ganz vergessen. Das Problem ist, dass Sie im Aufschwung keine Steuern angehoben haben. Sie können lernen, dass das notwendig gewesen wäre, um eine echte Konsolidierung, auch im Sinne der Schuldenbremse, hinzubekommen. Wer die Wissenschaft so hintanstellt und sich in Bezug auf unseren Staat so kontraproduktiv verhält, der braucht sich gar nicht zu wundern, dass die Regierung da steht, wo sie jetzt steht. ({14}) Ich will Sie daran erinnern, wo Sie angefangen haben, auf einem Niveau, das Sie fast nie mehr verlassen haben - in gewisser Weise wirft das ein Schlaglicht auf die vergangenen fast vier Jahre -: Daniel Bahr hat damals gesagt, die CSU sei eine „Wildsau“. ({15}) Christian Lindner hat gesagt, der Seehofer habe ein „persönliches Trauma“. Alexander Dobrindt hat gesagt, die FDP sei eine „gesundheitspolitische Gurkentruppe“. Ich höre gerade, dass sich Herr Bahr korrigieren will. Da freue ich mich. Ich bedanke mich vielmals und hoffe auf eine neue Regierung. ({16})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Binding, bevor nun alle von Ihnen zum Schluss angesprochenen Kollegen der Reihe nach erklären, dass sie das niemals gesagt hätten, jedenfalls nicht so, nehme ich dies gewissermaßen in cumulo zu Protokoll. Der nächste Redner auf der Rednerliste ist der Kollege Volker Wissing für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Solide Staatsfinanzen setzen kluge Steuerpolitik voraus. ({0}) Deswegen hat die christlich-liberale Koalition sich zum klaren Ziel gemacht, steuerpolitisch maßvoll vorzugehen, ({1}) der Versuchung zu widerstehen, Steuern zu erhöhen, und stattdessen den Haushalt auf der Ausgabenseite zu konsolidieren. Wir haben zu Beginn unserer Regierungsverantwortung mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz insbesondere Familien in Milliardenhöhe entlastet und dadurch eine spürbare Belebung der Binnennachfrage erzielt. Wir haben Substanzbesteuerung für den Mittelstand abgebaut und auch deshalb einen europäischen Wachstumsrekord erzielt. Wir haben Steuervereinfachungen auf den Weg gebracht, wo sie finanzierbar waren: Arbeitnehmerpauschbetrag erhöht, Reisekostenrecht vereinfacht, einfache Ermittlung der Kosten bei doppelter Haushaltsführung ermöglicht, das Problem der Gewinnabführungsverträge bei den Regelungen der steuerlichen Organschaft in Angriff genommen. All das sind Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für den Unternehmensstandort Deutschland. Wir haben mit dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression etwas ganz Wichtiges auf den Weg gebracht, nämlich einen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor inflationsbedingten Steuererhöhungen. Wir verfolgen damit zwei Ziele: Zum einen wollen wir den Druck von den Tarifpartnern nehmen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu steigern. Denn dadurch vermeidet man erhöhte Lohnstückkosten, und die Produkte, die in Deutschland hergestellt werden, sind auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähiger. Zum anderen ist es ein wichtiges Element unserer europäischen Stabilitätspolitik. Indem wir sagen, dass der Staat nicht an Inflation verdienen soll, setzen wir auf nationaler Ebene das um, was wir auf europäischer Ebene fordern: Wir zeigen uns entschlossen im Kampf gegen Inflation. ({2}) Ich halte es für unverfroren, dass Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang immer von „unnötigen Geschenken“ sprechen. Für uns, für die christlich-liberale Koalition, sind Lohnerhöhungen keine Geschenke, denn die Menschen haben sie sich hart erarbeitet. Im Gegensatz zu Rot-Grün wollen wir deswegen nicht, dass die Lohnerhöhungen wegbesteuert werden. ({3}) Es ist traurig, dass Sie im Bundesrat mit Ihrer rot-grünen Mehrheit nur aus parteitaktischen Gründen Nein dazu sagen und dass Sie es die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausbaden lassen. Aber dass Sozialdemokraten und Grüne bewusst die Verfassung verletzen, indem sie selbst die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages verweigern, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist skandalös. ({4}) Nun haben die Grünen auf ihrem Parteitag beschlossen, die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger, die gegen Auflagen verstoßen, abzuschaffen. ({5}) Gleichzeitig sollen die Hartz-IV-Sätze angehoben werden. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was ist denn das für eine Politik? Die Verstöße gegen Auflagen sind gerade auf Rekordniveau angestiegen, und die Grünen wollen die Sanktionen abschaffen. ({6}) Für die Grünen gilt: Wer arbeitet, soll kein geschütztes Existenzminimum haben; wer nicht arbeitet, soll ein höheres geschütztes Existenzminimum haben. Für die Grünen gilt: Wer arbeitet und Steuern zahlt, soll vom Staat streng kontrolliert werden; dem, der nicht arbeitet, sondern Sozialleistungen erhält, ist Kontrolle nicht zuzumuten. - Das ist die wahre Politik der Grünen, und mit dieser Politik spalten Sie die Gesellschaft, weil Sie die arbeitende Mitte verhöhnen. Sie machen sich über die Menschen lustig, die morgens aufstehen und arbeiten gehen. ({7}) Das zeigt auch Ihre Haltung zum deutsch-schweizerischen Steuerabkommen. Sie lehnen das Abkommen ab, wissen aber genau, dass die Schweiz das Bankgeheimnis niemals rückwirkend aufheben kann. Rückwirkend belastende Gesetze sind sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz verfassungswidrig. ({8}) Trotzdem erzählen Sie den Menschen - bewusst der Wahrheit zuwider -, dass man noch nachverhandeln müsse, erst dann könnten Sie dem Abkommen zustimmen. ({9}) In Wahrheit ist das schäbig, weil Sie damit nur eines bewirken: dass die Steuerforderungen Deutschlands verjähren und die Gelder niemals mehr in die öffentlichen Haushalte fließen können. Die Wahrheit ist, dass die fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Lücken füllen, die Sie provozieren. Was verjährt, wird niemals wieder besteuert werden können; das ist die Wahrheit. Das ist das Schäbige an Ihrer Blockadepolitik im Bundestag. ({10}) Es ist Zynismus pur, wie Sie Ihre politische Verantwortung zum Nachteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland wahrnehmen. ({11}) Lassen Sie mich auf Ihre Steuerkonzepte zu sprechen kommen, Herr Kollege Binding und Frau Kollegin Hinz. ({12}) Sie wollen Deutschland mit einer Vermögensabgabe beglücken, Sie wollen die Anhebung des Einkommensteuertarifs, höhere Unternehmensteuern, höhere Erbschaftund Schenkungsteuern und eine Finanztransaktionsteuer. Sie fordern genau das, was in unserem Nachbarland Frankreich von der neuen Regierung umgesetzt wurde. Wir haben noch die Bilder vor Augen, als Herr Gabriel, Peer Steinbrück und Herr Steinmeier nach Paris gefahren sind, um François Hollande für seine Politik zu bejubeln. Ihre Botschaft damals: Schaut her! Das ist ein Land, in dem rot-grüne Finanzpolitik umgesetzt wird. Meine Damen und Herren, heute sehen wir das Ergebnis dieser Politik. Sie ist grandios gescheitert. Frankreich hat beim Wachstum nicht zugelegt, sondern ist zurückgefallen. Die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs ist nicht gestiegen, sondern gesunken. Die Kreditwürdigkeit Frankreichs wurde herabgestuft. Wollen Sie das den Deutschen wirklich zumuten? Gestehen Sie sich doch endlich ein, dass die rot-grüne Politik, für die Sie die Franzosen bejubelt haben, dort grandios gescheitert ist! ({13}) Ehrlich wäre es, wenn Herr Gabriel, Herr Steinbrück und Herr Steinmeier heute nach Paris fahren, Bilder vor dem Palais de l’Élysée liefern und sagen würden: Ja, die Politik, die wir für richtig gehalten haben, hat Frankreich nicht weitergebracht, sondern zurückgeworfen. Ja, diese Steuererhöhungspolitik ist gescheitert, weil sie zu wirtschaftlichem Rückgang und damit Frankreich in die Nähe der Rezession geführt hat. ({14}) Richtig wäre es, wenn Sie nicht den gleichen Unsinn wieder auf Ihrem Grünen-Parteitag beschlossen hätten, sondern wenn Sie sich Gedanken machen würden, wie man wirklich Wachstum schafft, nämlich nicht durch neue Schulden und auch nicht durch massive Steuererhöhungen. Sie sind finanzpolitisch komplett gescheitert; der Nachweis ist in Frankreich gerade erbracht worden. ({15}) Wir haben gezeigt, dass man mit einer Schuldenbremse und einer soliden Ausgabenpolitik solide Staatsfinanzen schaffen kann. Wir haben die Schuldenbremse nicht nur im deutschen Grundgesetz verankert, sondern wir haben sie zum Exportschlager in Europa gemacht. Wir haben erkannt, dass man bei Rekordsteuereinnahmen nicht die Steuern erhöhen muss, sondern dass man solide wirtschaften und wachstumsorientiert konsolidieren muss. Diese Bundesregierung ist der Fels in der Brandung Europas, der Stabilitätsanker für solide Staatsfinanzen. ({16}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird in jeder Finanzdebatte immer wieder das Märchen erzählt, man müsse endlich die Finanzmärkte regulieren. Als wir Regierungsverantwortung übernommen haben, haben wir erkannt: So dereguliert, wie die Finanzmärkte uns von Rot-Grün und von sozialdemokratischen Finanzministern hinterlassen worden sind, können sie nicht bleiben. ({17}) Deswegen haben CDU/CSU und FDP ein Restrukturierungsgesetz auf den Weg gebracht, damit künftig nicht die Steuerzahler, sondern die Banken selbst für Bankinsolvenzen geradestehen müssen. Deswegen haben CDU/CSU und FDP in Deutschland eine Bankenabgabe eingeführt, damit die Branche an den Kosten der Krise beteiligt wird. Deswegen haben CDU/CSU und FDP Leerverkäufe verboten; die deutsche Regierung war damit Vorreiter. Deswegen haben CDU/CSU und FDP Ratingagenturen unter Aufsicht gestellt. Wir haben ein Anlegerschutzgesetz geschaffen, damit die Menschen vor den Verwerfungen an den Kapitalmärkten geschützt werden. Wir haben einen Selbstbehalt bei Verbriefung eingeführt, der in Deutschland künftig höher sein wird als in anderen europäischen Ländern. Wir haben ein Hochfrequenzhandelsgesetz auf den Weg gebracht, um Kontrolle, Transparenz und ein Abbremsen des Hochfrequenzhandels in Krisenzeiten zu gewährleisten. Wir haben unter dem Stichwort „Basel III“ auf europäischer Ebene mehr Eigenkapitalvorsorge auf den Weg gebracht. Wir haben die nationale Bankenaufsicht reformiert und Fehler von Rot-Grün korrigiert; wir haben sie unabhängiger von der Wirtschaft gemacht. Wir haben ein europäisches Aufsichtssystem auf den Weg gebracht; wir arbeiten daran, dass wir europäische Aufsichtsstrukturen bekommen. Die Wahrheit ist, dass uns sozialdemokratische Finanzminister deregulierte Finanzmärkte hinterlassen haben ({18}) und dass CDU/CSU und FDP aus Deutschland das am stärksten regulierte Land im Bereich der Finanzmärkte geschaffen haben. Wir sind Vorreiter bei der Regulierung. Ihre Märchen von der mangelnden Finanzmarktregulierung in Deutschland sind nichts als eine Lüge. Die Wahrheit ist: So, wie Sie es hinterlassen haben, konnte es nicht bleiben, und so, wie wir es gemacht haben, ist es die Blaupause für ganz Europa. Diese Regierung, diese christlich-liberale Koalition hat solide Finanzpolitik und solide Haushaltspolitik vorzuweisen. Ihre Vorwürfe sind geradezu absurd. Wir wollen diese erfolgreiche Politik für unser Land und für Europa fortsetzen. ({19}) Das braucht Europa, das braucht Deutschland. ({20})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Fraktion Die Linke erhält nun der Kollege Steffen Bockhahn das Wort. ({0})

Steffen Bockhahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004014, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Freitag war der Vorlesetag. Da sind bestimmt ganz viele von Ihnen auch in Kitas gewesen und haben Märchen vorgelesen. Das Märchen aber, das wir eben gehört haben, hätten Ihnen nicht einmal die Dreijährigen abgenommen. ({0}) Im Zusammenhang mit diesem Bundeshaushalt von Stolz, Verantwortung, Würde und Ähnlichem zu sprechen, ist haarscharf an den Realitäten vorbei. Und wenn wir von der FDP hören, dass sie sich Sorgen um die kleinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer macht, dann mache ich mir Sorgen um die FDP; denn sie scheint nicht zu merken, dass das, was sie tatsächlich macht und was sie gleichzeitig erzählt, gar nicht zusammenpasst. ({1}) Sie kümmern sich um Banken und Konzerne, aber bestimmt nicht um diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen. Denn was ist die Realität? Auch unter dieser Koalition ist die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse und der befristeten Arbeitsverhältnisse gestiegen. Inzwischen ist jedes zweite neue Arbeitsverhältnis einer Frau ein befristetes Beschäftigungsverhältnis. Damit stärken Sie die Armutsrisiken und nicht, wie Sie hier immer behaupten, die Chancen. Inzwischen hat die Zahl der Minijobs und Midijobs massiv zugenommen; 20 Prozent aller Arbeitsverhältnisse sind diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen zuzurechnen. Das ist eine fatale Entwicklung. Im Übrigen ist das auch haushaltspolitisch nicht sinnvoll. Warum, sage ich Ihnen gleich. ({2}) Was aber machen Sie noch mit Ihrem Haushalt? Ich möchte zu ein paar konkreten Beispielen kommen. Wir haben gestern alle lesen können, dass Sie jetzt die TLG Wohnen verkauft haben. Das hat mich ein Stück weit überrascht, weil wir vor zwei Wochen in den abschließenden Beratungen des Haushaltes im Haushaltsausschuss gelernt haben, dass daraus dieses Jahr nichts mehr wird. ({3}) Nun stelle ich mir die Frage, ob Sie so wenig Vertrauen in die Verwaltung oder so wenig Vertrauen in den Käufer haben, wenn Sie glauben, dass Sie es innerhalb von sechs Wochen nicht hinbekommen können, diesen Deal abzuwickeln. Wenn Sie die TLG Wohnen dieses Jahr verkaufen, dann muss auch die Kohle dieses Jahr fließen. Sie haben die Gelder aber nicht in den Haushalt für dieses Jahr eingestellt, sondern sie in den nächsten Haushalt hinübergezogen. Das ist ein Bilanztrick. Es ist unanständig und hat mit Haushaltsklarheit und -wahrheit nichts zu tun. ({4}) Der Deal zeigt aber auch, dass Sie wenig Ahnung davon haben, was vorsorgende und nachhaltige Haushaltspolitik ist. Die TLG hat in den letzten Jahren Millionensummen in den Staatshaushalt gespült - jedes Jahr. Die Einnahme, die Sie jetzt durch den Verkauf der TLG erzielen, ist Ihre letzte Einnahme. Zudem haben Sie diesen Wohnungskonzern an Spekulanten bzw. Finanzinvestoren verkauft, die garantiert vieles vorhaben, aber nicht, wie vom Finanzminister behauptet, solides Wirtschaften. Denn dieser Konzern ist börsennotiert und gehört großen Finanzinvestoren, und ich habe noch nie erlebt, dass diese auf Rendite verzichten und solide wirtschaften. Ich darf Ihnen sagen, dass der Vorstandschef des TAG-Konzerns schon erklärt hat, dass er Mieterhöhungen von über 5 Prozent im Jahr für nicht realistisch hält. Aha! Aber Erhöhungen von bis zu 5 Prozent im Jahr hält er offensichtlich für realistisch. Dieser Mann kommt zufällig aus der Nähe von Rostock, aus Mecklenburg-Vorpommern, wo er schon einige Immobilien besitzt. Fragen Sie einmal beim Mieterbund nach, was der für einen Ruf hat. Wenn das die Geschäftspolitik ist, die jetzt für die TLG Wohnen gelten soll, dann gute Nacht, Marie. Dann zeigt das, dass Sie sich einmal mehr nicht um die Menschen in diesem Staat gekümmert haben und dass Ihnen die einmalige Einnahme zur Finanzierung von Wahlkampftricks wichtiger ist als das Wohl der Menschen in diesem Land. ({5}) Was haben Sie nicht alles versprochen? Der Kollege Fricke - wo auch immer er gerade ist - hat uns erklärt, es habe keine Kürzungen gegeben und man habe sich auch nicht an den Sozialausgaben vergangen. Das ist schlicht und ergreifend nicht wahr; es sei denn, Sie betrachten Arbeitsmarktpolitik nicht als soziale Maßnahme. Dann würde es stimmen. Sie haben auch in diesem Jahr Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik gestrichen. Sie haben bereits in den Beratungen des Haushalts 2012 Ihre Zusage, die Arbeitsmarktpolitik mit einem Mehrwertsteuerpunkt zu fördern, zurückgenommen. Das entspricht einer Kürzung um 8 Milliarden Euro in jedem Jahr. Sie haben die Mittel gekürzt; Sie haben Mittel weggestrichen. Behaupten Sie nicht, dass Sie im sozialen Bereich nicht die Axt angelegt hätten. Das Gegenteil ist die Wahrheit. ({6}) - Herr Barthle, wenn Sie jetzt dazwischenrufen, dass Sie nur noch halb so viele Arbeitslose haben, dann darf ich Sie daran erinnern, dass die Beschäftigungsverhältnisse, die geschaffen wurden, nicht vor Armut schützen. Es wurden keine guten Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. Ich darf Ihnen einmal Folgendes sagen: In Mecklenburg-Vorpommern sind 40 Prozent aller Hartz-IV-Empfänger Aufstocker. Das ist inzwischen der Regelfall in der Arbeitswelt, und das ist ein Verdienst Ihrer Koalition. Darauf wäre ich an Ihrer Stelle nicht stolz. ({7}) Zur Solidität Ihrer Finanzpolitik nur so viel: An welcher Stelle befindet sich die meiste Luft in Ihrer Finanzpolitik? Sie freuen sich darüber, dass Sie jetzt angeblich „nur noch“ eine Nettokreditaufnahme von 17 Milliarden Euro haben. Das ist aber nicht die Kreditsumme, die Sie tatsächlich aufnehmen. Im nächsten Jahr werden Kredite mit einem Volumen von insgesamt 254 Milliarden Euro neu verhandelt. Zurzeit zahlen wir etwa 2,03 Prozent Zinsen für die Kredite. Die Kredite, die wir jetzt verlängern bzw. neu aufnehmen, werden mit 0,83 Prozent verzinst. Das bringt eine Ersparnis von 3,06 Milliarden Euro jedes Jahr - einfach so. Dafür haben Sie nichts gemacht. Das ist keine strukturelle Einsparung. Das ist Geld, das vom Himmel fällt. Das dadurch eingesparte Geld verteilen Sie jetzt auf unnütze Art und Weise. Wofür geben Sie dieses Geld aus? Für Wahlkreisgeschenke. In der letzten Woche haben wir im Haushaltsausschuss plötzlich eine lange Liste mit speziellen Maßnahmen auf den Tisch bekommen. Dabei wurden die Wahlkreise schön bedient. Das war wirklich ein Traum. Das zeigt, dass wir hier nur, wirklich nur über einen Wahlkampfetat und nicht über einen anständigen Bundeshaushalt reden. Gleichzeitig haben Sie an Stellen Kürzungen vorgenommen, an denen es nötig gewesen wäre, mehr Geld auszugeben. Die aktive Arbeitsmarktpolitik habe ich vorhin schon genannt. Notwendige Ausbauten in den Bereichen Schiene und erneuerbare Energien sind andere Punkte. An all diesen Stellen haben Sie gekürzt, um einmalig Geschenke verteilen zu können. Das ist keine solide Haushaltspolitik. Dieser Etat bietet viel Grund, sich zu schämen. Es gibt aber keinen Grund, darauf stolz zu sein. Man kann ihn nur ablehnen. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Minister Schäuble hat gerade den Bundesrat für seine steuerpolitischen Vorstellungen kritisiert. ({0}) Dazu will ich nur sagen: Zuständig für die Steuerpolitik des Bundes ist immer noch Herr Schäuble. Schauen wir uns einmal an, was im Bereich der Umsatzsteuer passiert ist: Die Umsatzsteuerreform wurde blockiert, aber es wurden neue Ausnahmetatbestände geschaffen. Ich erinnere an die Subventionen für die Hoteliers. So sieht schwarz-gelbe Steuerpolitik aus. ({1}) Es ist schon dreist, den Bundesrat hier zu kritisieren. Was hat der Bundesrat gemacht? Er hat etwas Sinnvolles gemacht, indem er die Umsetzung des Koalitionsvorschlags verhindert hat. Die Koalition hat vorgeschlagen, 50 Prozent der vorgesehenen Entlastungen an 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zu verteilen. Damit sollen wieder Besserverdiener entlastet werden. Das machen wir nicht mit. ({2}) Vor allen Dingen kann man kein Loch von 6 Milliarden Euro in die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen reißen, ohne eine Gegenfinanzierung zu haben. Wir sagen klar: Wir wollen den Grundfreibetrag stärker erhöhen als Sie, und zwar auf 8 500 Euro. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir aber eine solide Gegenfinanzierung: Wir wollen, dass Besserverdienende sich daran beteiligen. Wir wollen alle Menschen mit einem Einkommen von weniger als 60 000 Euro entlasten und im Gegenzug den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen. So sieht eine sinnvolle Steuerpolitik aus, mit der die Haushalte geschont werden. Das muss man im Bereich der Steuerpolitik machen. ({3}) Minister Schäuble, Sie haben im Zusammenhang mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz von einer parteipolitischen Blockade im Bundesrat geredet. Das finde ich hanebüchen. Das, was Sie diesbezüglich planen, beSven-Christian Kindler deutet - damit gehe ich auch auf das ein, was Volker Wissing gesagt hat -: Die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden benachteiligt, während die Besitzer von Schwarzgeld, während Steuerhinterzieher bevorteilt werden. Das ist schwarz-gelbe Steuerpolitik. Das macht der Bundesrat zu Recht nicht mit. ({4}) Die Steuer-CDs haben mehr eingebracht, als das Steuerabkommen, das Sie planen, einbringen würde. Es wäre wirklich bescheuert, das umzusetzen. Das ist nicht im Interesse des Bundes und der Länder. Man muss sich auch einmal anschauen, wer das nachher umsetzen soll: Die Schweizer Banken sollen das umsetzen. Gegen die UBS ermittelt gerade die Staatsanwaltschaft Mannheim wegen Beihilfe zur organisierten Steuerhinterziehung. Da macht man den Bock zum Gärtner. Das ist so, als würde man jetzt den ehemaligen Bauunternehmer Jürgen Schneider für die Steuereintreibung des Bundes einsetzen. Das ist absurd. ({5}) Ein paar Worte zu Otto Fricke. Otto Fricke hatte im Sommer angekündigt, die FDP wolle im nächsten Bundeshaushalt 4 Milliarden Euro einsparen und das Betreuungsgeld verhindern. Herzlichen Glückwunsch, Otto Fricke; es werden keine 4 Milliarden Euro eingespart - hier ist gar nichts passiert -, und das Betreuungsgeld kommt. Es gibt neue Klientelgeschenke, neue Subventionen. Kürzungen nehmen Sie vor allen Dingen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit vor. Sie kürzen die Mittel für Sozialprojekte im Ausland. Was finanzieren Sie damit? Sie finanzieren neue Straßenprojekte, neue Spatenstiche in Bayern. Da hat die FDP ja wirklich geliefert. ({6}) Zum letzten Punkt. Es geht bei diesem Haushalt vor allen Dingen auch um die Energiewende. Hier versagen Sie kläglich. Bundeskanzlerin Merkel und Peter Altmaier, der Umweltminister, wollen die Windenergie und die Solarenergie ausbremsen. In diesem Haushalt tun Sie nichts dafür, dass wir die Energiewende und den Klimaschutz richtig finanzieren können. Sie haben einen Schattenhaushalt, den Energie- und Klimafonds. Diesen haben Sie, Herr Schäuble, 2012 um die Hälfte gekürzt. ({7}) Es ist ein Schattenhaushalt, und er ist unsolide finanziert. Wir haben ein Gegenkonzept. Wir haben einen grünen Klimaschutzhaushalt vorgelegt. Wir brauchen einen Haushalt, mit dem man die Energiewende finanzieren kann. Es geht dabei auch um Energieeffizienz, Energieeinsparungen und internationalen Klimaschutz. Wir haben eine solide Gegenfinanzierung. ({8}) Wir wollen ökologisch schädliche Subventionen abbauen. Das ist notwendig; denn diese Subventionen sind wettbewerbsverzerrend. Wir wollen eine nachhaltige Haushalts- und Umweltpolitik. Das geht nur mit einem grünen Klimaschutzhaushalt und dem Abbau von ökologisch schädlichen Subventionen. ({9}) Sie machen immer noch 17 Milliarden Euro Schulden. Sie vergrößern die soziale Spaltung. Sie finanzieren die Energiewende nicht, und Sie verteilen sinnlose Klientelgeschenke. Das ist schwarz-gelbe Schulden- und Haushaltspolitik. Das ist zum Glück der letzte Haushalt von Schwarz-Gelb. ({10}) Vielen Dank. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Michael Meister für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir führen die Beratungen über den Haushalt für 2013 zu einem Zeitpunkt, zu dem Deutschland Vorbild ist: Vorbild aufgrund seiner Beschäftigungslage und Arbeitsmarktpolitik in Europa, Vorbild aufgrund seiner wirtschaftlichen Entwicklung und Vorbild aufgrund der finanzpolitischen Konsolidierung seines Haushalts. Ich glaube, wir können in Anbetracht der globalen und der europäischen Lage mit dem hier vorgelegten Haushalt sehr zufrieden sein. ({0}) Wenn ich die Alternativen der Opposition höre, sage ich: Wir müssen nicht ins Ausland reisen, und wir müssen auch nicht spekulieren, wie das ausginge, sondern wir können uns einfach zehn Jahre zurückerinnern. Da haben wir in Deutschland erlebt, was rot-grüne Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik bedeutet. Jedes Jahr steigende Arbeitslosenzahlen, jedes Jahr steigende Schulden, Nullwachstum unserer Wirtschaft - das sind die Ergebnisse von Rot-Grün. Die Ergebnisse unserer Politik sind: jedes Jahr geringere Schulden, steigende Beschäftigungszahlen, niedrige Arbeitslosenzahlen und trotz international abschwächendem Klima eine positive Wirtschaftsentwicklung. ({1}) Sie halten uns jetzt vor, dass wir nach wie vor Schulden machen. Auch mich stört das; auch ich würde gerne auf Schulden verzichten. Aber wir haben uns zu Beginn der Wahlperiode in einer sehr schwierigen Lage befunden. Seit 1945 gab es kein Jahr, in dem die Wirtschaftskraft so stark zurückgegangen ist wie im Zuge der internationalen Wirtschaftskrise als Folge der Finanzkrise. Wir hatten ein Defizit von 86 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme vorgefunden; solch ein Haushalt wurde in der Großen Koalition von Herrn Steinbrück vorgelegt. Wenn diese Koalition das strukturelle Defizit in nur einer Wahlperiode unter 10 Milliarden Euro absenkt, ist das eine riesige Leistung. Wir wären natürlich gern noch ehrgeiziger, aber, ich glaube, es wäre auch angemessen, diese Leistung anzuerkennen. Bei Herrn Steinbrück sind die Ausgaben nie gesunken, sondern von Jahr zu Jahr gestiegen. Herr Schäuble hat vorgetragen, dass er die Ausgabenlinie konstant halten möchte. Das ist der Unterschied zwischen CDU/CSU und FDP auf der einen Seite und Ihnen auf der anderen Seite. ({2}) Wenn ich von wachstumsfreundlicher Konsolidierungspolitik spreche, dann bedeutet das nicht - so habe ich es vorhin gehört -, dass wir auf Steuersenkungen verzichtet haben. Wir haben im Jahr 2010 die größten Steuersenkungen durchgeführt, die es in dieser Republik je gab. Einen Teil dieser Steuersenkungen haben wir gemeinsam mit Ihnen von der SPD auf den Weg gebracht - damals haben Sie das noch für richtig gehalten; aber im Nachgang bekennen Sie sich ja nie zu dem, was Sie selbst einmal beschlossen haben -, ({3}) einen Teil davon in der Koalition von CDU/CSU und FDP. Ich bin der Meinung, angesichts der Abschwungsituation, in der wir uns damals befunden haben, war das richtig. In der damaligen konjunkturellen Lage war es richtig, die Steuern zu senken, und zwar nicht etwa verbunden mit der Ankündigung, sie in Zukunft wieder zu erhöhen, sondern um bei den Menschen Vertrauen zu schaffen und ihnen Planungssicherheit zu geben. Wir wollten dafür sorgen, dass die Menschen wissen: Unter diesen Bedingungen kann man in Deutschland arbeiten und investieren. ({4}) Da uns hier der Vorwurf gemacht wird, dies sei ein Wahlkampfetat, will ich nur sagen: Die Nettokreditaufnahme fällt um ungefähr 1,7 Milliarden Euro niedriger aus, als im Regierungsentwurf vorgesehen war. Ich höre ja, welche Programmüberlegungen bei SPD und Grünen angestellt werden. ({5}) - Ihnen geht es doch gar nicht ums Sparen, Frau Hinz; das haben Sie vorhin selbst formuliert. Sie haben hier gesagt, der deutsche Staat habe ein Einnahmeproblem. Gleichzeitig haben wir von Ihnen die Kritik gehört, wir würden, obwohl der deutsche Staat zunehmend mehr Steuereinnahmen verzeichne, nicht den Haushalt ausgleichen. Ihnen geht es doch gar nicht ums Sparen. Sie wollen die Menschen, die Steuerzahler, die Beitragszahler, abkassieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die kassieren Sie doch gerade ab! Ich sage nur: 5,5 Milliar- den Euro für nächstes Jahr! Das gibt es doch gar nicht!) Deshalb machen Sie einen Vorschlag nach dem anderen, der zur Folge hat, dass den Menschen tiefer in die Tasche gegriffen wird. Wir wollen, dass die Menschen in Deutschland investieren, dass sie aktiv werden und dieses Land voranbringen. Sie sind auf dem falschen Weg. Uns geht es wirklich ums Sparen und um Ausgabenbegrenzungen. Es darf aber nicht darum gehen, den Menschen das Geld aus der Tasche zu nehmen, meine Damen und Herren. ({0}) Kommen wir zu Ihrem Vorschlag, eine Vermögensabgabe einzuführen. Es gab in Deutschland schon einmal eine Vermögensabgabe, und zwar beim Lastenausgleich. Aber damals, 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, befand sich Deutschland in einer Sondersituation. Schauen Sie sich die heutige Situation in der Bundesrepublik Deutschland einmal an. Ich frage Sie: Sieht Deutschland zerbombt aus? Suchen Menschen, die vertrieben worden sind, Zuflucht? Nein, Deutschland ist eine Insel, auf der großer Wohlstand herrscht. Deshalb gibt es für eine einmalige Vermögensabgabe überhaupt keine Rechtfertigung. ({1}) - Lieber Herr Binding, Sie wollen ja nicht nur eine einmalige Vermögensabgabe. ({2}) Sie wollen jedes Jahr eine Vermögensabgabe. Sie nennen sie „Vermögensteuer“. ({3}) Sie hätte viel Bürokratie zur Folge. Sie würde für die Unternehmen eine Substanzbesteuerung darstellen. Sie würde dazu führen, dass der Staat nicht mehr Geld in der Kasse hätte, die wirtschaftliche Attraktivität des Standortes Deutschland aber massiv beschädigt würde. ({4}) Das sind Ihre Ideen. So würde es mit Deutschland nach hinten, aber nicht nach vorne gehen, Herr Binding. ({5}) Wir befinden uns heute in einer tollen Lage. Wir haben diese tolle Lage auch deshalb, weil wir uns in den letzten zehn Jahren angestrengt haben, Reformen durchzuführen. Wir haben Reformen im Bereich des Arbeitsmarktes und bei der Rente durchgeführt. Was schlagen Sie jetzt vor? Wenn ich höre, was auf dem Parteitag der Grünen beschlossen wurde, stelle ich fest: Sie schlagen vor, was die Rente betrifft, solle man überlegen, ob das, was wir vorangebracht haben, rückgängig gemacht wird. Was den Arbeitsmarkt angeht - Stichwort: Mindestlohn -, schlagen Sie vor, das, was von uns vorangebracht worden ist, rückgängig zu machen. So führen Sie Deutschland doch nicht in die Zukunft! So würden Sie Deutschland in die Vergangenheit führen. Außerdem bekennen Sie sich nicht mehr zu dem, was Sie selbst, als Sie die Mehrheit hatten, hier beschlossen haben. ({6}) Bekennen Sie sich doch einmal zu den Entscheidungen, die Sie selbst getroffen haben, meine Damen und Herren! ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Meister, darf Herr Schick Ihnen dazu eine Zwischenfrage stellen?

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ein solch netter Kollege fragen möchte, sei es ihm gegönnt. ({0})

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke für die Möglichkeit, eine Frage zu stellen, und für die freundlichen Worte. - Ich will auf die Vermögensabgabe zurückkommen. Erstens. Würden Sie nicht sagen, dass die Finanzkrise, in der wir uns immer noch befinden, eine Ausnahmesituation ist, da sogar der Finanzminister vor ein paar Jahren sagen musste: „Wir blickten in einen Abgrund“? Würden Sie nicht sagen, dass die Überschuldung vieler Gebietskörperschaften in Deutschland, die die Schuldenbremse nur mit Unterstützung des Bundes einhalten können, eine Ausnahmesituation ist und wir von dem hohen Schuldenstand dringend herunterkommen müssen? ({0}) Meine zweite Frage ist damit verbunden: Wie lautet der Vorschlag Ihrer Partei und Fraktion, wer die Kosten der Finanzkrise tragen soll? Bisher ist es so, dass Sie die Kosten der Bankenrettung - 22 Milliarden Euro sind schon aufgelaufen - in einen Schattenhaushalt auslagern und in die Zukunft verschieben, sodass die nachfolgenden Generationen dafür aufkommen müssen. Das halte ich nicht für fair. Deswegen die Frage: Wer soll nach der Vorstellung der Union die Kosten der Finanzkrise, der Bankenrettung und der Konjunkturprogramme tragen? ({1})

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Kollege Dr. Schick, zunächst einmal möchte ich sagen: Ja, ich bin der Meinung, dass wir in einer Ausnahmesituation sind. Eine solche Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise, wie wir sie gegenwärtig erleben, hat es bis jetzt noch nicht gegeben. In einer solchen Krise ist es notwendig, sich zuerst der Frage zuzuwenden: Was sind die Ursachen? Die Ursache war eine weit überzogene Deregulierung der Finanzmärkte, ({0}) die Sie wesentlich mitgestaltet haben. Unsere erste Schlussfolgerung ist, diese falsche Deregulierungspolitik zu beenden bzw. sie zu korrigieren. So steht Basel III zur Umsetzung an. Leerverkäufe haben wir verboten; die Ratingagenturen haben wir reguliert. Jetzt geht es darum, Maßnahmen im Restrukturierungsgesetz auch auf Europa auszuweiten. Dabei korrigieren wir die Fehler, die Sie eingeleitet haben. Ich bin weiterhin der Meinung, dass man die Kosten eigentlich nicht dem Steuerzahler aufbürden kann. In der Not mussten wir dies allerdings tun; es gab keine andere Möglichkeit. Aber wir haben zwei Korrekturen vorgenommen: Erstens. Wir haben in Deutschland eine Bankenabgabe eingeführt, damit solche Kosten in Zukunft nicht mehr auf den Steuerzahler, sondern auf den Bankensektor zukommen. ({1}) Zweitens. Der Finanzminister wirbt in der EU insgesamt für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Leider findet diese Idee nicht genügend Anhänger; nur neun Länder sind bereit, mitzumachen. Wir sind, glaube ich, einer Meinung, dass der Bankensektor entsprechend herangezogen werden sollte, wenn Folgekosten der Krise zu finanzieren sind. ({2}) Ich war Mitglied der Föderalismuskommission II, in der es - damit komme ich zum zweiten Teil Ihrer Frage, Herr Schick - darum ging, wie man die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in den Griff bekommen kann. Ein Ergebnis war, dass wir eine Schuldenbremse im Grundgesetz verankert haben. Das ist ein wirksames Instrument, um eine künftige Neuverschuldung auszuschließen. Dieses Instrument hat, wie gesagt, Verfassungsrang. Die Aufgabe der Politik ist jetzt, diese Schuldenbremse umzusetzen. Über den Fiskalvertrag haben wir diese Schuldenbremse nach Europa exportiert. Das ist eine riesige Leistung. Jetzt werden auch Risiken von außen abgeschirmt. Es bleibt der Schuldenstand. In der Verfassung ist formuliert: keine strukturelle Neuverschuldung mehr. Das ist allerdings kein Ziel, das unsere Höchstleistung markieren sollte; das ist eine Minimalforderung. Deshalb bin ich der Meinung: Wir können da durchaus etwas ehrgeiziger sein, lieber Norbert Barthle, wir müssen an dieser Grenze nicht stehen bleiben. Indem wir weiterhin eine erfolgreiche Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik machen, gewinnen wir die Spielräume, die wir brauchen, um die Schuldenbremse einzuhalten. Wir müssen die Spielräume aber auch nutzen, um unseren Schuldenstand und damit die Lasten, die aus dem Zinsdienst entstehen, zu reduzieren. - Vielen Dank für die Frage, Herr Kollege Schick. ({3}) Wir wollen eine wachstumsfreundliche Konsolidierung. Das bedeutet, wir haben nicht nur gespart, sondern in einigen Bereichen - ich nenne das Thema „Aufbau von Forschung und Entwicklung“ - in jedem Jahr dieser Wahlperiode etwas on top gelegt. Wir meinen: Wenn wir dauerhaft wettbewerbsfähig sein wollen, dann müssen wir Forschung und Entwicklung stärken. Es geht darum, ein Vorbild für Europa zu sein. Wir müssen aber auch mit unseren Partnern darüber reden, dass überall in Europa mehr für Forschung und Entwicklung getan werden muss, damit Europa insgesamt leistungsfähiger wird. Ein weiterer Schwerpunkt, den wir gesetzt haben, ist der Bereich Infrastruktur. Im Gegensatz zu den Grünen, Frau Hinz, bin ich der Meinung, dass wir eine funktionierende, qualitativ hochwertige Infrastruktur in Deutschland benötigen. ({4}) Hier setzen wir im Haushalt trotz aller Konsolidierungsanstrengungen einen Schwerpunkt. Die Grünen wollen, dass Straßen, Schienenwege, Wasserstraßen nicht mehr gebaut werden. ({5}) Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik: Wir wollen Mobilität. Durch diese Mobilität entsteht auch Wachstum in Deutschland. ({6}) Gestatten Sie mir zum Abschluss noch ein paar Bemerkungen zum Thema Europa. Ich glaube, dass all das, was wir hier mit Blick auf Etatansätze kleinteilig diskutieren, relativ schnell Makulatur werden kann, wenn uns Europa misslingt. Wenn wir wirklich einen Altschuldenfonds auflegen würden, wie es Herr Trittin vorschlägt, ({7}) oder Euro-Bonds ausgeben würden, wofür sich Herr Steinbrück im Handelsblatt ausgesprochen hat, dann kämen wir in eine Gemeinschaftshaftung. ({8}) Man muss sich einmal überlegen, was das für unseren Zinsansatz im Bundeshaushalt bedeuten würde. Deshalb bin ich der Meinung: Der Ansatz „Solidarität mit anderen“ ist richtig, wenn an die Ursachen der Probleme in diesen Ländern herangegangen wird und wenn Solidität gelebt wird, indem man die Probleme dort löst. Deshalb darf es keine Vergemeinschaftung der Haftung und keine Aufgabe der Konditionalität geben. Solidarität - ja, aber nur wenn die Probleme gelöst werden. Hilfe sollte nur zeitweise und nicht dauerhaft geleistet werden. Es werden zum Teil vollkommen falsche Ansätze zugrunde gelegt. Schauen Sie sich doch einmal den Länderfinanzausgleich in Deutschland an! Dort wird derjenige begünstigt, der nicht an seiner Finanzstärke, der nicht an seiner Wirtschaftskraft arbeitet. Es kann doch nicht sein, dass wir ein solch falsches Anreizsystem jetzt auch noch nach Europa exportieren. ({9}) Nein, wir brauchen die richtigen Anreize, damit derjenige, der sich anstrengt, am Ende auch finanz- und wirtschaftspolitisch von seiner Anstrengung profitiert. Eine allerletzte Bemerkung. Der Kollege Schick hat eben nach den Sonderlasten aufgrund der Finanzkrise und nach Regulierungsnotwendigkeiten gefragt. Dazu möchte Ihnen einen Hinweis geben: Woher haben denn Banken wie etwa die Westdeutsche Landesbank überhaupt das Geld gehabt? Welcher Finanzminister hat dieser Landesbank eigentlich das Geld gegeben, mit dem sie anschließend auf dem amerikanischen Immobilienmarkt verpackte, strukturierte Produkte kaufen konnte? ({10}) Wenn ich richtig informiert bin, hieß der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen seinerzeit Peer Steinbrück. ({11}) Damals wurde die Grundlage für die Malaise gelegt, in die diese Bank letztendlich geriet. Deshalb brauchen wir von Ihrer Seite keine Hinweise, wie man es besser machen kann. Allerdings sollten wir gelegentlich die eigenen Fehler benennen und korrigieren. ({12})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Dr. Michael Meister. - Nächste Rednerin für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unsere Kollegin Frau Bettina Hagedorn. Bitte schön, Frau Kollegin Hagedorn. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Minister Schäuble, als wir hier vor zwei Monaten die erste Lesung des Bundeshaushaltes hatten, haben Sie in Ihrem Redebeitrag gesagt, der Haushalt sei der Beleg dafür, dass Deutschland krisenresistent sei. Wenn wir uns nun einmal anschauen, was in den letzten zwei Monaten im Haushaltsausschuss passiert ist und was Schwarz-Gelb aus diesem Haushalt gemacht hat, so kann man nur sagen: Die Regierungskoalition hat in den letzten zwei Monaten alles nur noch schlimmer gemacht. In diesem Haushalt wird nach wie vor - das haben wir Ihnen schon vor zwei Monaten vorgeworfen - keine Vorsorge für die sich eintrübende Konjunktur getroffen. Dieser Haushalt weist eine soziale Schieflage auf und zeugt von Klientelpolitik. ({0}) Man muss eines feststellen: Sie bleiben sich auf eine erschreckende Weise treu. Vor ungefähr drei Jahren haben wir über Ihr sogenanntes Wachstumsbeschleunigungsgesetz diskutiert. Dieses Gesetz hat weder das Wachstum gefördert noch beschleunigt. Es war eigentlich ein Hotelierbegünstigungsgesetz - Stichwort „Mövenpick-Steuer“. ({1}) Damals haben Sie den Grundstein für eine Klientelpolitik und für eine soziale Schieflage in diesem Land gelegt, die Sie in den letzten drei Jahren durchgezogen haben und die mit diesem Haushalt einen traurigen Höhepunkt erfahren hat. ({2}) Sie haben eigentlich Etikettenschwindel betrieben. Ich habe gerade ein Beispiel dafür genannt. Ein halbes Jahr später, im Sommer 2010, erblickte Ihr sogenanntes Sparpaket das Licht der Welt. Frau Merkel hat damals verkündet, dies sei ein einmaliger Kraftakt. Der damalige Vizekanzler Westerwelle hat sekundiert, dies werde ein ausgewogenes, ein faires und ein gerechtes Sparpaket sein. Aha, ausgewogen, fair und gerecht. Damals haben Sie vorgegeben, dass die Arbeits- und Sozialministerin 40 Prozent abliefern sollte. Das hat sie auch treu und brav getan. Sie hat sogar noch kräftig eine Schippe obendrauf gelegt, indem sie den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit wie eine Zitrone ausgequetscht hat. Die Mittel für die Langzeitarbeitslosen sollen im Haushaltsjahr 2013 um 6,5 Milliarden Euro gekürzt werden. Die Konjunktur hat gar nichts damit zu tun. Da schlagen Sie einfach zu. ({3}) Eigentlich hatten Sie doch vor, Subventionen abzubauen und für eine gerechtere Belastung von Wirtschaft und Unternehmen zu sorgen. Vor allen Dingen wollten Sie Bürokratie abbauen und im eigenen Haushalt sparen. Was ist eigentlich daraus geworden? Ich kann Ihnen sagen, was daraus geworden ist: Nichts, gar nichts. ({4}) Ich möchte jetzt nur einmal kurz die für die Bundesagentur für Arbeit relevanten Zahlen vorlesen, damit die Öffentlichkeit eine Vorstellung davon bekommt, was Sie hier eigentlich machen: Durch das ominöse Sparpaket und den Wegfall eines halben Mehrwertsteuerpunkts in der Steuerfinanzierung haben Sie bei der Bundesagentur für Arbeit bis 2012 8 Milliarden Euro gekürzt. Was steht für die Bundesagentur für Arbeit wegen der Fortsetzung dieser Maßnahmen im Finanzplan? Minus 18 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2013 bis 2016! Damit sind Sie aber noch nicht fertig. Wir haben jetzt auch noch ein Haushaltsbegleitgesetz vor der Brust. Sie sind sich nicht zu schade, der Bundesagentur für Arbeit mit diesem Haushaltsbegleitgesetz einen weiteren halben Mehrwertsteuerpunkt in der Steuerfinanzierung wegzunehmen und für eine Verrechnung des Eingliederungsbeitrages zu sorgen, was wiederum zulasten der Bundesagentur für Arbeit erfolgt. Von welchem Umfang sprechen wir? Minus 5,2 Milliarden Euro bis 2015! Was bedeutet das im Ergebnis? Das bedeutet natürlich, dass die angebliche Rücklage von 9,5 Milliarden Euro, die die BA bis 2016 aufbauen sollte, wie die Butter in der Sonne schmilzt. ({5}) Das heißt, Sie betreiben keine Vorsorge. Am Himmel zeigen sich leider trübe Konjunkturwolken. Bei der Aufstellung Ihres Haushaltsentwurfs haben Sie noch mit einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent kalkuliert. Wo stehen wir jetzt? Höchstens noch bei 1 Prozent! Wozu führt das? Das führt nicht nur zu Steuermindereinnahmen und dazu, dass die Sozialsysteme nicht mehr so viel einnehmen werden wie bisher - die Einnahmen sprudelten nämlich -, sondern es führt auch dazu, dass die Zahl der Arbeitslosen steigen wird. In Ihrer eigenen Prognose sprechen Sie von einem Anstieg um 150 000 auf 2,92 Millionen Arbeitslose. Aber im Haushalt treffen Sie dafür keine Vorsorge. Auch viele Arbeitgeber fordern längst, dass wir die Bundesagentur für Arbeit angesichts dieser Situation wieder in die Lage versetzen müssen - Stichwort „Kurzarbeitergeld“ -, Krisenintervention betreiben zu können. Das Gegenteil von dem haben Sie gemacht. Sie haben sogar noch eine Schippe draufgelegt; denn auf dem Koalitionsgipfel vier Tage vor unserer Bereinigungssitzung wollten Sie noch ein paar Steuergeschenke verteilen, ({6}) indem Sie bei dem angeblich einmaligen Griff in den Gesundheitsfonds, der vorgesehen war, nicht nur 2 Milliarden, sondern 4,5 Milliarden Euro herausgenommen haben. Zusätzlich haben Sie auch kräftig in die Rentenkasse gegriffen. Das heißt, Sie plündern die sozialen Sicherungssysteme zulasten der Beitragszahler und zulasten künftiger Generationen. ({7}) Damit rechnen Sie Ihren Haushalt schön. Diese Politik ist unverantwortlich. Sie ist gegen die Menschen gerichtet und nicht zukunftsfähig. Vielen Dank. ({8})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Kollegin Hagedorn. - Nächster Redner in unserer Aussprache ist unser Kollege Bartholomäus Kalb für die Fraktion der CDU/CSU. Bitte schön, Kollege Bartholomäus Kalb. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt, den wir in dieser Woche beraten und am Freitag beschließen werden, ist Ausdruck einer erfolgreichen Haushaltskonsolidierung und einer finanzpolitischen Linie von Stabilität und Verlässlichkeit, die wir vertreten. ({0}) Dieser Haushalt kann sich wahrlich sehen lassen. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir die Nettokreditaufnahme auf 17,1 Milliarden Euro reduzieren und die verfassungsmäßigen Vorgaben, die ab 2016 einzuhalten sind, bereits 2013 mehr als einhalten können. Das heißt, die Vorgaben der Schuldenbremse werden bereits jetzt übererfüllt. Damit geben wir auch ein gutes Beispiel in Europa. Wenn wir andere Länder verpflichten, den Fiskalpakt einzuführen und einzuhalten, dann ist es gut, wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen. Wir werden auch das Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpaktes beschließen. Auch hier dürfen und können wir feststellen, dass wir einen mehr als fairen Umgang mit den Bundesländern an den Tag legen. Gleichzeitig haben wir mit dem Nachtragshaushalt, der ebenfalls zur Diskussion und zur Abstimmung steht, weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht. Insbesondere für Familien mit Kindern haben wir mit den 580 Millionen Euro, die wir für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen zusätzlich zur Verfügung stellen, das deutliche Zeichen gesetzt, dass wir die Aufgaben zukunftsorientiert wahrnehmen. Weil gerne so getan wird, als ob Bayern etwas rückständig wäre ({1}) - so geschehen letzte Woche, als wir über das Betreuungsgeld abgestimmt haben -, darf ich sagen: Bayern liegt auch bei der Errichtung von Kinderbetreuungseinrichtungen bundesweit an der Spitze. Schon jetzt liegt die Quote in Bayern bei 43 Prozent. Damit ist sie höher als die geforderten 37 Prozent. ({2}) Bayern hat allein dafür aus eigenen Landesmitteln 611 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und wird aufgrund der günstigen Entwicklung der Steuereinnahmen nur für diesen Bereich in den nächsten beiden Jahren über 80 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Damit bringen wir zum Ausdruck: Wir treten dafür ein, dass die Menschen eigenverantwortlich über ihre Lebensplanung und ihre Zukunftsplanung, was ihre Familie angeht, entscheiden sollen. Das hat auch etwas mit unserem Grundverständnis, von dem wir zutiefst überzeugt sind, zu tun, nämlich dass jeder Mensch einmalig und einzigartig ist, dass er im Rahmen der grundgesetzlichen Regeln eigenverantwortlich sein Leben gestalten soll und dass wir ihm nicht vorzuschreiben haben, wie er sein Leben zu gestalten hat. ({3}) Wir konsolidieren unseren Haushalt nicht auf der Einnahmeseite, wie das Rot-Grün und die Linken wollen, sondern auf der Ausgabenseite. Es ist vorhin vom Finanzminister die Ausgabelinie der Haushalte in den zurückliegenden Jahren sehr eindrucksvoll dargestellt worden; ich brauche das nicht zu wiederholen. Wir bleiben bei der Ausgabenentwicklung unterhalb der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes. Das ist eine ganz wichtige Marke, und so führen wir die Verschuldung zurück. Sie von der SPD und neuerdings auch Sie von den Grünen können nicht genug bekommen, wenn es um Forderungen nach Mehrbelastungen für den Steuerzahler geht. ({4}) - Doch. ({5}) - Herr Poß, als Finanzfachmann wissen Sie, dass die oberen 10 Prozent der Einkommensbezieher bereits rund 55 Prozent der Einkommensteuerlast tragen. ({6}) Das sei nur nebenbei bemerkt; aber darum geht es an dieser Stelle gar nicht. Wenn Sie jedoch an das Ehegattensplitting herangehen wollen - Sie und neuerdings auch die Grünen haben dessen Abschaffung gefordert -, dann treffen Sie genau die Bezieher kleinerer Einkommen. ({7}) Oft handelt es sich um Familien, bei denen sich ein Ehepartner dafür entschieden hat, in der Zeit der Kindererziehung zu Hause zu bleiben und keiner Erwerbstätigkeit oder einer anderen versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen. ({8}) Das führt zu geringeren Rentenansprüchen und geringeren Versorgungsansprüchen. Wenn es nach Ihnen ginge, dann würden diese Menschen nach der Phase der Kindererziehung so behandelt, als ob sie durchgehend ein Erwerbseinkommen erzielt hätten. Damit bestrafen Sie genau diejenigen Menschen, die sich der Mühe unterzogen haben, Kinder zu erziehen, zum Teil oft noch kranke Eltern oder Angehörige zu pflegen, indem Sie ihnen im weiteren Verlauf Ihres Erwerbslebens und im Alter eine enorm hohe Steuerbelastung aufbürden. ({9}) Wenn Sie das wirklich wollen, sagen Sie das den Menschen. ({10}) Mit der Politik, die wir vertreten, haben wir es geschafft, dass wir heute auch im internationalen Vergleich zu den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt - noch vor den USA - gehören. Die Situation ist Gott sei Dank so: Mit 41,7 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland haben wir eine Marke erreicht, die wir nie zuvor erreicht haben. Mit rund 29 Millionen versicherungspflichtig Beschäftigten haben wir entgegen Ihren Behauptungen eine Marke erreicht, die nie so hoch war wie jetzt. Das ist im Übrigen der Grund dafür, dass wir höhere Steuereinnahmen und eine bessere Situation bei den Sozialversicherungen haben. Wir haben aus Leistungsempfängern wieder Leistungserbringer gemacht. ({11}) Das ist der wesentliche Beitrag zur Konsolidierung. ({12}) Wir haben jetzt im Haushalt auch die Investitionsquote gestärkt. Wir sollten uns darüber freuen, dass es uns in Deutschland gutgeht, auch wenn Sie das nicht glauben. Warum darf man sich nicht mehr freuen, wenn es einem gutgeht? Wir müssen schließlich auch die schwierigen Probleme gemeinsam tragen, einmal in der einen Konstellation und einmal in der anderen. Das Handwerk ist so frei, dies so zu sagen, zumindest bei mir in der Region. Am 23. Oktober war in der Passauer Neuen Presse zu lesen: „Handwerk geht es so gut wie seit 20 Jahren nicht“. ({13}) Das ist ehrlich; das ist anerkennend. Sie sagen uns auch, wenn sie Probleme und Wünsche haben. Aber wir freuen uns, wenn sie dann auch einmal sagen: Es läuft gut; die Situation ist gut. - Das setzt wieder neue Kräfte für die wirtschaftliche Entwicklung frei. Ein solcher Kurs des Konsolidierens, Investierens und Sparens an der richtigen Stelle, statt das Geld für Konsumausgaben zu verwenden, wird in Bayern bestätigt. Nicht der Bayernkurier, sondern die Wirtschaftswoche hat vor wenigen Wochen über den Primus Bayern geschrieben: beste Jobchancen, weniger Hartz-IV-Empfänger, niedrigere Kriminalitätsrate und solide Finanzen. - So wird ein Schuh daraus. Das schafft die Bedingungen, dass sich die Menschen, sowohl Unternehmer als auch Arbeitnehmer, und die Familien wohlfühlen können und dass junge Menschen Zukunftschancen haben. ({14}) - Ich darf doch mein Heimatland loben. Andere tun das schließlich nicht. Sie schauen nur neidvoll auf Bayern. Ich darf aber auch mit ein bisschen Stolz nach Bayern blicken. Das müssen Sie mir schon zugestehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({15}) - Leider geht meine Redezeit zu Ende. Mit dem Haushalt, den wir jetzt vorgelegt haben und über den wir am Freitag abstimmen werden, erfüllen wir die notwendigen Voraussetzungen. Otto Fricke hat vorhin schon auf den Vorwurf, das sei ein Wahlkampfhaushalt, reagiert. Wenn ein Wahlkampfhaushalt so aussieht wie dieser, dann können wir stolz darauf sein. Es mag sein, dass es in dem Sinne ein Wahlkampfhaushalt ist, dass wir mit ihm auch in diesem Jahr unter Beweis stellen, dass wir sparen, konsolidieren und die richtigen Botschaften aussenden, ({16}) nämlich dass wir nichts zu verschenken haben, dass wir keine Wohlfühlprogramme auflegen und keine Wahl25134 kampfgeschenke verteilen, sondern dass wir den aufgezeigten und bestätigten Kurs der letzten Jahre fortsetzen. ({17}) Wir wirtschaften und arbeiten solide und konsolidieren die Haushalte. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass wir mit dem Geld sorgsam umgehen. Damit schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass auch unsere Währung weiterhin stabil bleibt. ({18}) Wir werden in den nächsten Wochen dazu noch einige Diskussionen führen müssen. Wir können nicht ausblenden, dass das konjunkturelle Wetterleuchten in Europa auch bei uns zu sehen und zum Teil zu spüren ist. Auch dafür schaffen wir Vorsorge. Herzlichen Dank. ({19})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Bartholomäus Kalb. - Nächster Redner in unserer Aussprache ist unser Kollege Andreas Mattfeldt für die Fraktion der CDU/CSU. Bitte schön, Kollege Andreas Mattfeldt. ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Verabredung eines Fiskalpaktes zwischen den Euro-Ländern ist etwas Einmaliges gelungen. Endlich wird das Übel der Verschuldungskrise an der Wurzel gepackt. Die treibende Kraft dafür, dass alle Euro-Länder eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild einführen, war unsere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Dafür sind wir ihr sehr dankbar. ({0}) Um aber die Zustimmung der Bundesländer zu diesem wichtigen Paket zu erhalten, wurde innerstaatlich ein erhebliches Paket zugunsten der Länder vereinbart. Als zuständiger Haushälter für das Familienministerium möchte ich mich deshalb auf den Kitaausbau konzentrieren, über den in diesen Tagen vielfach, leider häufig in einem falschen Kontext, diskutiert wird. Meine Damen und Herren, wir alle wissen, wie wichtig der Ausbau der Kinderbetreuung für die jungen Familien ist. Deshalb hat der Bund schon 2007 unter Ursula von der Leyen die Initiative ergriffen, gemeinsam mit den Städten und Gemeinden ein ehrgeiziges Ausbauprogramm zu beschließen und umzusetzen. ({1}) Doch während Kommunen und Länder nur zögerlich mit der Bereitstellung von Geldern begannen, hat der Bund direkt, und zwar schon 2008, 4 Milliarden Euro bereitgestellt, und zwar 2,15 Milliarden Euro für Investitionen und sogar 1,85 Milliarden Euro - darüber haben wir lange diskutiert - für die Betriebskosten der neuen Plätze. Das haben wir als Bund getan, obwohl die Kinderbetreuung originäre Aufgabe von Ländern und Kommunen ist. Jetzt haben wir noch einmal 580,5 Millionen Euro Investitions- und jährlich 75 Millionen Euro Betriebskostenzuschüsse für den weiteren Ausbau bereitgestellt, ({2}) und damit können zusätzlich 30 000 Plätze geschaffen werden. ({3}) Dies kann sich mehr als sehen lassen. Das zeigt, wie wichtig dem Bund der Kitaausbau ist. Ich selbst war bis 2009 Bürgermeister und konnte beobachten, wie viele - oder besser gesagt: wie wenige Kollegen den Kitaausbau für die unter Dreijährigen beschleunigt haben. Sichtlich irritiert war ich vor allem von den Ländern, die nur schleppend Geld für den Ausbau in die Hand genommen haben. ({4}) Deshalb bin ich unserer Familienministerin sehr dankbar, dass sie in den letzten Monaten hartnäckig geblieben ist und jetzt wieder Schwung in den Kitaausbau gekommen ist. ({5}) Persönlich fand ich es erschreckend, zu sehen, auf welche Blockadehaltung man bei den Ländern und vor allen Dingen auf welche Ablenkungsmanöver man bei Nachfragen zum Ausbaustand in den Bundesländern gestoßen ist. Ganz vorne an die Spitze der Blockierer des Kitaausbaus hat sich Frau Schwesig von der SPD gestellt. Ich erinnere nur daran, dass sie es war, die gesagt hat, der Bund würde mit der Forderung nach Berichtspflichten zum Kitaausbau die Gelderfreigabe blockieren. Das ist schlichtweg Quatsch. Nach den Erfahrungen, die wir mit dem zögerlichen Ausbau gemacht haben, sage ich deutlich, dass es doch wohl erlaubt sein muss, die Verteilung von Mitteln an Bedingungen und auch an eine gewisse Kontrolle zu knüpfen. Alles andere ist vollkommen unseriös und vor den Steuerzahlern nicht zu verantworten. ({6}) Interessant waren auch die Verhandlungen mit den Ländern über die Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten der Krippen ab 2013. Der Bund hat - für mich fast schon zu großzügig - angeboten, für 2013 18,75 Millionen Euro und ab 2015 jährlich die volle Summe von 75 Millionen Euro zu zahlen. Dies war allerdings den Ländern und, wenn ich mir die Anträge ansehe, anscheinend auch der SPD hier im Hause anfängAndreas Mattfeldt lich nicht genug. Nun muss man hierzu wissen, dass uns vorab in den Verhandlungen lang und breit erklärt wurde, dass der Bau der Kindertagesstätten nicht schnell zu realisieren sei. Gleichzeitig wurde aber vor allem von SPD-regierten Ländern gefordert, für noch nicht vorhandene Kitas sofort zu den ohnehin schon vereinbarten 770 Millionen Euro ab 2013 weitere Betriebskostenzuschüsse in voller Höhe von 75 Millionen Euro on top zu zahlen. Das heißt im Klartext: Wir zahlen Strom- und Heizkosten für noch nicht gebaute Kindergärten. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Das sage ich ganz deutlich. ({7}) Wir dürfen mit dem Finger nicht immer nur auf Griechenland zeigen, wir müssen es auch in Richtung Opposition tun. Deshalb mein Rat: Lassen Sie Ihre parteitaktischen Spielchen! Konzentrieren Sie Ihre Arbeit auf das, was angesagt ist, nämlich die Schaffung von Krippenplätzen! Herzlichen Dank. ({8})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Andreas Mattfeldt. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu den Abstimmungen, zunächst zur Abstimmung über den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? - Keine. Der Einzelplan 08 ist angenommen. Abstimmung über den Einzelplan 20 - Bundesrechnungshof - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Das sind alle Fraktionen. Vorsichtshalber: Gegenprobe! Keiner. Enthaltungen? - Keine. Der Einzelplan 20 ist angenommen. Tagesordnungspunkt I.4 c. Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2012. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 17/11290 und 17/11291, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 17/10900 und 17/10901 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? - Niemand. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? Das sind alle drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? Keine. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Tagesordnungspunkt I.4 d. Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2013. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/11477, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 17/10588 und 17/10864 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? - Keine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Vorsichtshalber: Enthaltungen? - Niemand. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Tagesordnungspunkt I.4 e. Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/11504, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 17/10976 und 17/11011 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktion der Sozialdemokraten und die Linksfraktion. Enthaltungen? Keine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? - Die Fraktion der Sozialdemokraten und die Linksfraktion. Vorsichtshalber: Enthaltungen? - Niemand. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordnungspunkt I.5 auf: Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern - Drucksachen 17/10806, 17/10823 Berichterstattung: Abgeordnete Stefanie Vogelsang Dr. Peter Danckert Heinz-Peter Haustein Katja Dörner Es liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der Sozialdemokraten, ein Änderungsantrag der Fraktion Die Vizepräsident Eduard Oswald Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Sie sind damit einverstanden? - Dann haben wir das so beschlossen. Erster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Dr. Peter Danckert. - Bitte schön, Kollege Dr. Peter Danckert. ({0})

Dr. Peter Danckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003066, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zunächst einmal für die Zusammenarbeit mit den Berichterstattern und den Mitarbeitern des Ministeriums bedanken. Es war sehr angenehm. Ich fange heute ausnahmsweise mit einem Thema an, das in Haushaltsberatungen immer zu spät und dann auch noch zu kurz behandelt wird: mit dem Sport. Zum Einzelplan 06 gehören die Mittel für den Sport. Ich habe immer das Gefühl, dass dieser Bereich ein bisschen zu kurz kommt. Man sieht nicht, dass die Kürzungen dort ein Problem bedeuten. Jetzt haben sich bei den Bundesleistungsstützpunkten usw. und auch bei der NADA leichte Verbesserungen ergeben. Aber letztlich ist das eine Angelegenheit, die uns viel länger und intensiver beschäftigen muss, als es bisher geschehen ist. Ich denke, es sollte in den nächsten Jahren die Hauptaufgabe des Innenausschusses und auch des Sportausschusses sein, hier für Klarheit zu sorgen. Denn die Strukturen sind nach meinem Eindruck nicht geeignet, um in diesen Bereichen voranzukommen. ({0}) Lassen Sie mich jetzt ein Wort zu den Zielvereinbarungen sagen. Wir haben einen sehr unangenehmen Kampf geführt. Erst durch die Klage eines Journalisten sind Zahlen veröffentlicht worden. Inzwischen hat es mit Ihrem Hause, Herr Bundesminister, eine Einigung gegeben. Die Obleute - jedenfalls die im Haushaltsausschuss, möglicherweise aber auch die in anderen Ausschüssen werden die Gelegenheit haben, Einblick in die Unterlagen zu nehmen, die die Zielvereinbarung einschließlich des Teils Monitoring - er umfasst die wesentlichen Regelungen - enthalten. Ich finde, das ist der richtige Weg. Es wäre unangenehm und peinlich gewesen, wenn wir da hätten klagen müssen. Ein kurzes Wort zur NADA. Auch da sind die Strukturen nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben. Es gab ursprünglich eine Übereinkunft zwischen Bund, Ländern, Wirtschaft und Sport, das nötige Stiftungskapital zusammenzubringen. Das hat nicht geklappt. Diese Stiftung verfügt jetzt über Mittel von rund 13 Millionen Euro. Angesichts der niedrigen Zinssätze kann man sich leicht ausrechnen, dass dieses Stiftungskapital als Haushalt für die NADA zu gering ist. Deshalb ist der Bund der Hauptfinanzier der NADA. Der NADA wird 1 Million Euro mehr zur Verfügung gestellt; das ist auch richtig so. Wir müssen uns langfristig darüber unterhalten, wie es an dieser Stelle weitergeht. Die Strukturen sind nicht in Ordnung. Ich glaube, wir sollten uns von dem Stiftungsmodell verabschieden und neue Finanzierungsformen suchen, damit die NADA in Zukunft auf sicheren Füßen steht. ({1}) Wir haben eine Reihe von Nebenpunkten, die für die Betroffenen sehr wichtig sind, einvernehmlich geregelt. Dafür möchte ich mich auch bei der Koalition bedanken. Die jeweiligen Ansätze sind nicht mehr beim Sport angesiedelt, sondern in anderen Haushaltstiteln verborgen. Es ist gut, dass wir da zusammengefunden haben. Ich komme zu weiteren Punkten, die mir besonders am Herzen liegen. Ein Thema, das ich auch in den Haushaltsberatungen angesprochen habe, Herr Minister, ist die Situation der Bundespolizei. Die Bundespolizei ist unser wichtigstes Instrument zur Bewahrung der öffentlichen Sicherheit. Die Bundespolizei wird aus meiner Sicht sträflich behandelt. Da helfen auch Veränderungen an ihrer Spitze nichts. Dass es da nach mehr als drei Jahren unionsgeführter Bundesregierung zu einem Wechsel gekommen ist, darüber will ich mich nicht lange ausbreiten. Das ist jetzt so entschieden. Wir haben bei der Bundespolizei ein Problem mit der Altersversorgung der Polizeiobermeister, das uns schon seit Jahren beschäftigt. Der verstorbene Kollege Herrmann hat es wie ich zu seinem Thema gemacht. Was ist passiert? Nahezu gar nichts. Im nächsten Jahr gibt es die letzte Tranche der zusätzlichen Beförderungen. Aber das ist viel zu wenig. Um es einmal konkret zu benennen: 3 500 Polizeiobermeister müssten befördert werden, damit sie nicht mit A 8 in Pension gehen müssen. Jeder sollte sich einmal ansehen, was dabei netto herauskommt. Im Übrigen hat die ganze Entwicklung auch dazu geführt, dass die Belastung der Kollegen bei der Bundespolizei sehr groß ist. Es gibt dort Burn-out-Syndrome in besorgniserregender Größenordnung. Der allgemeine Krankenstand, insbesondere aber auch der Krankenstand verursacht durch das Burn-out-Syndrom ist besorgniserregend. Wir haben einen Krankenstand von nahezu 10 Prozent. Er liegt weit über dem Durchschnitt des Krankenstandes aller Bundesbeamten. Er ist doppelt so hoch wie der Krankenstand bei den Arbeitnehmern. Es muss also etwas passieren. ({2}) Wenn ich dann in der Haushaltsdebatte höre, dass Sie die Bundesobergrenzenverordnung ändern müssen, dann frage ich mich: Warum kommen Sie erst jetzt auf diese Idee? Es ist doch seit 2009 bekannt, dass sie ein wesentliches Hemmnis ist, um den Wünschen der Personalvertreter, der Gewerkschaften bei der Bundespolizei angemessen nachzukommen. Jetzt kommen Sie auf die Idee, dass sie geändert werden müsse. Daran sind nur das Bundesfinanzministerium und das Bundesinnenministerium beteiligt. Die Bundesregierung kann dies dann so beschließen. Ich frage mich wirklich, wer an dieser Stelle geschlafen hat. Das ist ein nicht akzeptables Ergebnis. ({3}) Wir haben das Thema Digitalfunk in jeder Rede gehört. Nach eingehenden Gesprächen mit den Berichterstattern ist die Situation immer noch sehr unbefriedigend. ({4}) Ich will Herrn Fritsche keine Vorwürfe machen. Er versucht möglicherweise sein Bestes. Hier sind die Länder beteiligt. Wenn man sieht, was auf diesem Gebiet in den letzten zehn Jahren - das Bundesinnenministerium war dabei überwiegend in CDU/CSU-Verantwortung - passiert ist, dann ist das ein erbärmliches Ergebnis. ({5}) Ich bin gerade durch das Haus gegangen und habe einen Bediensteten der Polizei getroffen und ihn gefragt: Sagen Sie mal, haben Sie schon Digitalfunk? - Ich war der Meinung, dass es das in diesem Hause schon gibt. Er antwortete: Nein, so weit sind wir noch lange nicht. Nicht einmal in diesem Hause schaffen wir das. Wir erleben immer wieder Pleiten bei Großeinsätzen, sei es bei Stuttgart 21, sei es bei Veranstaltungen rund um den 1. Mai, sei es bei anderen Veranstaltungen. Bei diesen Einsätzen werden uns die Fehler offenbar, mit denen wir heute zu tun haben. Der Digitalfunk steckt noch in den Kinderschuhen. Ich sage voraus, dass uns dieses Thema noch viele Jahre beschäftigen wird. Ich befürchte sogar, dass das ein ähnliches Problem wird wie der Flughafen Berlin Brandenburg; aber das ist ein anderes Thema. ({6}) Es muss mehr getan werden für die IT. Auf der einen Seite wurden dort Kürzungen in Höhe von bis zu 10 Millionen Euro vorgenommen, und auf der anderen Seite wurden zu Beginn Ihrer Regierungszeit 900 Millionen Euro für Mövenpick und andere Konsorten ausgegeben. ({7}) - Das ist unangenehm, Stephan Mayer. Das ist sehr unangenehm, weil man das immer wieder hört. Ich weiß, dass viele von Ihnen das längst bedauern. Jetzt auch noch das Betreuungsgeld. Wir müssen irgendwo Prioritäten setzen. Auf der einen Seite sollen 1,2 Milliarden Euro für die Betreuung ausgegeben werden. Auf der anderen Seite wird die Verbesserung der IT auf die lange Bank geschoben. Dieses Problem - das prophezeie ich Ihnen - wird uns in den nächsten Jahren auf die Füße fallen, weil wir einen Rückstand von inzwischen zehn Jahren aufzuholen haben. Wir haben eine völlig überholte IT. Von daher sage ich Ihnen: Dieses Problem werden wir in Zukunft zu bewältigen haben. Aber wenn das Geld mit offenen Händen für unnötige, von der Gesellschaft gar nicht akzeptierte Projekte ausgegeben wird und an der Sicherheit gespart wird, dann brauchen wir uns über den Rückstand nicht zu wundern. Vielen Dank. ({8})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Dr. Peter Danckert. - Nächste Rednerin für die Fraktion der CDU/CSU ist unsere Kollegin Frau Stefanie Vogelsang. Bitte schön, Frau Kollegin Stefanie Vogelsang. ({0})

Stefanie Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004180, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tribüne sitzen ja wenig Zuschauer.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Dafür sitzen Millionen vor dem Fernseher. ({0})

Stefanie Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004180, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Also gut: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fernsehgeräten! Ich möchte meine Ausführungen zum Ressort des Innenministeriums in fünf Schwerpunkte unterteilen. Am Anfang, Kollege Danckert, möchte ich etwas zur Personalsituation in Gänze sagen. Dann konzentriere ich mich auf die Förderung des Ehrenamtes, vor allem beim Technischen Hilfswerk. Die Bundespolizei als ein großer Träger unserer Sicherheit wird ein Teil meiner Ausführungen sein, ebenso die Förderung deutscher Minderheiten und die Integrationsförderung in den Integrationskursen. ({0}) Liebe Frau Kollegin, 1989 gab es bei den oberen Bundesbehörden in der Bundesrepublik Deutschland rund 650 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Jahre 2013 sind es noch 450 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Jahre 1989 wurden 25 Prozent des Haushalts der Bundesrepublik Deutschland in Gänze für die Bezahlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgegeben. Für den Haushalt 2013 stellen wir die Prognose an, noch 8,7 Prozent des Bundeshaushaltes für die Bezahlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszugeben. Das ist eine deutliche Konsolidierung, eine deutliche Reduzierung und eine deutliche Rationalisierung in diesem Bereich. Als diese Koalition im Jahre 2010 ihre Arbeit begonnen hat, wurde in Meseberg der Beschluss gefasst: Wir konsolidieren unsere Personalausgaben und den Personalbestand nochmals um 10 000 Stellen. Mit dem Jahr 2012 haben wir bereits eine Konsolidierung um 11 000 Stellen vorgenommen. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung, den die Haushälter in den Beratungen im Haushaltsausschuss bestätigt haben, enthält eine wesentliche und sehr richtige Botschaft: Wir wollen eine Abkehr von der pauschalen Stelleneinsparung vornehmen und das Signal in die Republik senden, dass wir die Überausstattung an Personal durch Rationalisierungsmaßnahmen angegangen sind, dass wir nunmehr gut aufgestellt sind und dass es jetzt darum geht, kluge Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. ({1}) Im Ressort des Innenministeriums haben wir durch kluge und zukunftsweisende Entscheidungen 50 Stellen mehr ausgebracht. Damit soll dem Innenministerium ermöglicht werden, schon jetzt Fachkräfte einzustellen, und zwar vor dem Hintergrund, dass in den Jahren 2017, 2018 und 2019 ein großer Ausstand von Kolleginnen und Kollegen zu verzeichnen sein wird, die dann in den Ruhestand gehen. Deshalb betone ich nochmals: Diese strategische Schwerpunktsetzung mit dem Ziel einer klugen fachpolitischen Ausrüstung unserer Behörden ist eine richtige Maßnahme. Das ist nicht nur im Innenressort so, aber eben auch dort. Darüber freue ich mich sehr. In den Haushaltsberatungen haben wir 2 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt - und damit wiederum den Ansatz von 2012 bestätigt - für die ehrenamtliche Arbeit der Menschen in unserer Gesellschaft, die im Technischen Hilfswerk Verantwortung übernehmen und dort ihre Arbeit einbringen. Ich freue mich sehr darüber, dass es gelingen konnte, hier ein entsprechendes Signal zu setzen. ({2}) Der Kollege Danckert hat das Thema Bundespolizei angesprochen. Es ist uns gelungen, über die Ausstattung im Regierungsentwurf hinaus im Bereich der technischen Ausstattung bzw. der Sachmittel noch einmal 15 Millionen Euro mehr ({3}) für innere Sicherheit, für die IT-Ausstattung und für die unterschiedlichsten Maßnahmen bei der Bundespolizei zur Verfügung zu stellen. Herr Kollege Danckert, ich schätze Ihr Engagement für die Bundespolizei sehr. ({4}) - Andere natürlich auch. ({5}) Ich glaube, dass wir uns im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung für 2014 und die Folgejahre sehr um die Sachmittelausstattung im Bereich der Bundespolizei kümmern müssen. Mit der Aufstockung um 15 Millionen Euro haben wir jetzt aber erst einmal das richtige Signal gesetzt. Auch bei dem Thema der Polizeiobermeister befinden wir uns auf dem richtigen Weg. Es geht um die Frage, wie man es hinbekommen kann, dass diejenigen, die ihren Kopf dafür hinhalten, dass wir alle uns sicher fühlen können, ein adäquates, also ein in Geld ausgedrücktes Wertschätzungssignal unserer Gesellschaft erhalten. Diese Initiative der Bundesregierung ist übrigens einmal von Otto Schily ausgegangen. ({6}) - Davon zehren wir nicht, sondern wenn es einmal eine kluge Maßnahme gegeben hat, dann haben wir sie auch weitergeführt. In diesem Fall ist es einmal so. Die zehnte Jahresrate hat der Bundesminister Friedrich jetzt eingesetzt, um im Bereich des mittleren Dienstes etwas für die Bundespolizei zu tun. Das finde ich sehr positiv. ({7}) Wir haben im Bereich der Minderheiten einen Schwerpunkt gesetzt, mit kleinen Beträgen, die für diese Volksgruppen aber wichtig sind und dort ankommen. Wir haben zum einen der Volksgruppe der Sorben einen Zuschuss von 350 000 Euro gewährt. Das ist für uns Haushälter kein großer Betrag; aber er sichert die Weitergabe der kulturellen Identität der Volksgruppe der Sorben. Wir haben auch etwas für die deutsche Minderheit in Dänemark getan. Wir haben im Bereich der Integrationsmittel ({8}) den Ansatz der Bundesregierung in Höhe von 240 Millionen Euro zum einen flexibilisiert, indem wir gesagt haben: Im Bereich der Integrationskurse können 10 Millionen Euro draufgesattelt werden. ({9}) Zum anderen haben wir, nachdem wir festgestellt haben, dass die Mittel in den letzten Jahren zunehmend nicht mehr abgeflossen sind, beschlossen, die Haushaltsansätze anzupassen. ({10}) Im Bereich der Bezahlung der Lehrkräfte haben wir die von der Regierung in Angriff genommene Erhöhung der Honorare mitgetragen; ({11}) das sehen wir sehr positiv. Hier gibt es einen Mehraufwand von 20 Millionen Euro. Auch das ist ein richtiges Signal. Jeder, der in Deutschland einen Integrationskurs belegen möchte und dazu berechtigt ist, der bekommt einen Integrationskurs auf hohem Niveau. Darauf können wir alle hier stolz sein; wir können uns darüber freuen, dass das in unserem Land gelingt. ({12}) Meine Damen und Herren, ich möchte meine Rede mit einem Dank abschließen: mit einem Dank an die Kolleginnen und Kollegen Mitberichterstatter für die gute Zusammenarbeit, vor allen Dingen mit einem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium. Ich habe jeden einzelnen Mitarbeiter, mit dem ich mich in der letzten Zeit in Verbindung gesetzt habe und den ich hier oder da um eine Einschätzung gebeten habe, als äußerst engagiert, an der Sache orientiert und interessiert kennengelernt. Da wir so gute Leute im Ministerium haben, angefangen beim Minister, können wir unsere erfolgreiche Politik weiterführen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Kollegin Vogelsang. - Sie haben gesehen: Während Ihrer Rede sind doch noch einige Besucherinnen und Besucher gekommen. ({0}) - Das Protokoll hat die einzelnen Kommentare, die in den Fraktionen unterschiedlich waren, aufgenommen. Nächster Redner ist unser Kollege Steffen Bockhahn für die Fraktion Die Linke. Bitte schön, Herr Kollege Bockhahn. ({1})

Steffen Bockhahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004014, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Vogelsang, Ihre Rede endete im Wesentlichen mit dem Thema der Integrationskurse und der Kürzungen, die da vorgenommen worden sind. Es mag nicht überraschen, aber wir sehen das ein bisschen anders als Sie. ({0}) Ich kann mich sehr genau an die Haushaltsberatungen für 2010 erinnern. Da wurde die Idee vorgestellt, die Struktur der Kurse ein bisschen zu verändern und mehr Ganztagskurse einzurichten. Wir haben sehr intensiv darüber gesprochen, wie man dann das Umfeld gestalten müsse. Denn wenn man möchte, dass auch eine Migrantin, die Mutter ist, an einem Sprachkurs oder Integrationskurs teilnimmt, muss man sich natürlich Gedanken darüber machen, wo das Kind bleibt, während die Mutter im Integrationskurs ist, wahlweise der Vater, wenngleich das eher selten der Fall ist. Wir haben ausdrücklich darauf hingewiesen. Was war das Ergebnis? Es ist gar nichts passiert. Sie haben zwar die Ganztagskurse zur Regel gemacht, aber sich blöderweise nicht um die Kinderbetreuung gekümmert. Das wiederum hatte zur Folge, dass weniger Frauen und Männer diese Kurse in Anspruch genommen haben. Es ist leicht verständlich, dass die Mittel nicht abfließen, wenn weniger Leute in den Kursen sind. Sie betreiben da eine falsche Politik, die der Integration nicht förderlich ist. ({1}) Sie machen da noch viele andere Sachen. Beispielsweise planen Sie, 2013 Mittel für die Projektförderung in Höhe von 10 Millionen Euro anders zu verwenden. Die Schwierigkeit besteht aber darin, dass diese 10 Millionen Euro eigentlich für etwas anderes gedacht waren, nämlich für eine erweiterte Sprachförderung über das Niveau B 1 hinaus, beispielsweise für Qualifizierte oder Hochqualifizierte, um ihnen eine noch bessere Möglichkeit zur Integration in unsere Gesellschaft zu geben. Das alles lassen Sie einfach wegfallen. Das ist schlicht und ergreifend nicht ehrlich. Noch absurder wird es, wenn wir uns anschauen, was Sie mit den Einsparungen machen, die durch die geringere Inanspruchnahme von Integrationskursen entstanden sind. Sie nutzen dieses Geld nämlich nicht etwa, um an anderer Stelle im Bereich der Integration Sinnvolles zu tun, sondern Sie benutzen es als Puffer, um Mehrausgaben in anderen Bereichen, vorzugsweise bei der Bundespolizei etc., auszugleichen. Bestimmte Bereiche Ihres Haushalts sind unterfinanziert - Sie wissen das -, und ausgerechnet aus den nicht ausgeschöpften Mitteln für Integrationskurse haben Sie einen Puffer geschaffen, mit dem Sie andere Vorhaben querfinanzieren wollen. Das ist unredlich, aber das ist Ihre Art der Haushaltspolitik. ({2}) Schauen wir uns an, wie sich der Haushalt in seiner Struktur verändert hat. Man kann feststellen, dass er sich wenig verändert hat, dass im Prinzip alles gleich geblieben ist. Sie schaffen Kompetenzzentren, Gemeinsame Abwehrzentren. Sie verknüpfen das eine mit dem anderen, ohne zu überlegen, ob das sinnvoll ist oder nicht Hauptsache Aktionismus, und davon ganz viel. Sie schaffen viele neue Stellen in den vermeintlichen Sicherheitsbereichen, lassen aber das, was zwingend notwendig ist, nämlich die Präsenz in der Fläche, komplett außen vor. ({3}) Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Das Bundeskriminalamt hat in den letzten zehn Jahren allein im Rahmen der sogenannten Terrorismusbekämpfung und der Stärkung der inneren Sicherheit zusätzlich 166 Millionen Euro und 732 Stellen bekommen, während in anderen Bereichen stetig Personal abgebaut werden musste. Ich kann allerdings nicht erkennen, dass der Erfolg so grandios war, dass ein solcher Zuwachs zu rechtfertigen gewesen wäre. Wir haben schon viel darüber gesprochen, welche Defizite es bei der Bundespolizei in der Fläche gibt. Wenn Sie also die Sicherheitsbehörden in ihrer täglichen Aufgabe stärken wollen, dann sorgen Sie bitte dafür, dass die Polizei sichtbar ist, und nicht dafür, dass irgendwelche Leute, die in Hinterzimmern irgendwelche Sachen machen - darüber will ich gleich noch sprechen -, gestärkt werden. Das ist der falsche Weg. ({4}) Die Sache, über die ich noch sprechen wollte, ist Ihr Wahn zur Onlineüberwachung und - ich kann das nicht anders sagen - zur Bespitzelung der Bevölkerung in einer Art und Weise, die wirklich jedes Maß verloren hat. ({5}) Wenn Sie sich anschauen, was Ihre Regierung in Fortsetzung der Vorgängerregierung im Bereich der Onlineüberwachung gemacht hat, dann kann einem wirklich gruselig werden, Beispiel: der Staatstrojaner. Wie gehen Sie vor? Sie geben einer privaten Firma den Auftrag, eine solche Schnüffelsoftware zu entwickeln. Diese private Firma wird also mit Steuergeld bezahlt. Sie benutzen die Software nicht einmal selber, sondern lassen auch das die private Firma machen. Die Bespitzelung von Leuten und das Ausspähen von Kommunikationsdaten übernimmt eine private Firma. Sie nehmen sich noch nicht einmal das Recht, in den Quellcode der verwendeten Software hineinzuschauen. Weder dem Datenschutzbeauftragten noch dem Innenministerium war der Zugriff möglich. Was ist daran transparent? Ist das eine angemessene Sicherheitspolitik? Das ist einfach nur Wahnsinn, und es ist nicht besonders schlau, was Sie da machen. ({6}) Diese Software verstößt gegen das Grundgesetz; das haben wir inzwischen schriftlich bekommen. Was machen Sie? Sie lassen die Software weiterentwickeln, statt sich Gedanken darüber zu machen, ob man sie vielleicht nicht selber entwickeln könnte, wenn man schon meint, dass sie sein müsse. Wir sehen das anders. Folgende Maßnahme schlägt allerdings dem Fass den Boden aus: Sie sichern sich nicht einmal exklusiv die Rechte an dieser Software. Sie lassen zu, dass ein privates Unternehmen eine Software, die über das rechtlich Zulässige in Deutschland hinausgeht, weiterverkaufen darf. Eine auf Staatskosten entwickelte Software wird von einem Privatunternehmen weiterverkauft. Der Profit bleibt bei dem privaten Unternehmen. An wen wird die Software verkauft? An die Diktaturen im arabischen Raum, um dort die Opposition auszuspionieren und zu bespitzeln. Wenn das Ihre Form der Zusammenarbeit zur Stärkung der Sicherheitsapparate ist, dann haben Sie ein eigenartiges Verständnis von Demokratieförderung; denn beides passt definitiv nicht zusammen. ({7}) Es ist hochgradig interessant, wie Sie weiterhin mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz verfahren. Leider darf man darüber nicht so viel sagen, ({8}) weil das alles geheim ist; so viel zur transparenten Kontrolle von Geheimdiensten durch Parlamente. ({9}) Das ist eine schöne Geschichte, an die aber weder ich noch meine Partei glauben. Deswegen sind wir für die Abschaffung des Bundesamts und auch der Landesämter für Verfassungsschutz. Das ist Ihnen nicht neu. Das Interessante ist - so viel kann man sagen -, dass auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz eine Stärkung der Prävention von Rechtsextremismus vorgenommen werden soll. Das ist im Grunde zu begrüßen. Zu den einzelnen Maßnahmen kann man nur sagen: Es ist fragwürdig, ob sie tatsächlich helfen werden. Immerhin haben Sie ein neues Gemeinsames Abwehrzentrum, in dem die Verfassungsschutzämter und die Polizei weiter miteinander vernetzt werden. Ob das dem Trennungsgebot noch entspricht, darüber darf man unterschiedlicher Meinung sein. ({10}) Wir fordern die Abschaffung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Vor allen Dingen aber fordern wir ein Ende der Bespitzelung unserer Partei und unserer Fraktion. Sparen Sie sich das Geld, und nutzen Sie es für etwas Sinnvolles. Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren, noch den, wie ich meine, politischsten, den umstrittensten, den unglaublich wichtigen Antrag zu diesem Einzelplan vorstellen. Dabei geht es um 2 Millionen Euro mehr für das Technische Hilfswerk, die dringend gebraucht werden, um Öffentlichkeitsarbeit zu machen, damit sich Leute freiwillig für die Mitarbeit beim THW melden. Das unterstützen wir, glaube ich, alle deutlich. Ich sehe ein, dass das ein so kritischer Punkt ist, dass man da nicht fraktionsübergreifend agieren kann. Fürs Protokoll möchte ich nur festgehalten wissen: Auch die Linke war dafür, wenngleich Sie der Auffassung waren, dass die Linke nicht mit auf so einem Antrag stehen darf. Aber das ist Ihre „undogmatische“ Art der Haushaltspolitik und Ihre „undogmatische“ Art der Innenpolitik. Wir waren offen für praktische Vorschläge. Wenn Sie das nicht können, dann ist das Ihr Problem. ({11})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Steffen Bockhahn. - Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP unsere Kollegin Frau Gisela Piltz. Bitte schön, Kollegin Gisela Piltz. ({0})

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In diesem Monat jährt sich die Aufdeckung des rechtsextremen NSU-Trios. Seit einem Jahr wird nun aufgearbeitet, was sicherlich nicht nur meiner Fraktion unfassbar erschien, dass in Deutschland über Jahre hinweg Rechtsradikale Morde begehen und Banken ausrauben konnten und es niemand bemerkt hat. Die Generalbundesanwaltschaft hat in der letzten Woche Anklage erhoben - das ist auch gut so. Die politische Aufarbeitung beschäftigt den Bundestag und viele Landtage. Sie läuft auf Hochtouren. Dabei wird auch offenbar, wo in den vergangenen Jahren die Fehler gelegen haben: darin nämlich, dass die Sicherheitsbehörden nicht gut genug zusammengearbeitet haben. Sicherlich ist nicht zu leugnen, dass es Behördenegoismen gegeben hat - in den Ländern, aber sicherlich auch im Bund. Seit vielen Jahren fordern wir daher eine Reform bzw. eine Neuordnung der Sicherheitsarchitektur, mit der der Föderalismus nicht aufgegeben wird, sondern mit welcher die Zusammenarbeit verbessert wird, eine Reform, die Behördenkompetenzen klar abgrenzbar macht, die Verwischung von Zuständigkeiten beendet, eine Reform, die aber auch das Trennungsgebot achtet und es zugleich ermöglicht, dass dort, wo es schon nach geltendem Recht geboten wäre, Ermittlungen abgegeben werden. Mit dieser Reform soll Kooperation statt Egoismus einfordert werden. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Es ist gut, dass nun endlich eine Regierungskommission ihre Arbeit aufnimmt. Aus unserer Sicht aber - insoweit muss ich Wasser in den Wein gießen - ist das nicht der richtige Weg - ohne dass vorher mit den Ländern und dem Bundestag gesprochen worden ist -, ein neues Zentrum auf den Weg zu bringen. ({0}) Am Ende des Tages muss man sich fragen, welche Aufgaben all diese Zentren noch haben. Für uns ist es wichtig, dass das Trennungsgebot geachtet wird und dass Zusammenarbeit stattfindet. Wenn wir aus allem, was wir bisher gehört haben, etwas gelernt haben, dann, dass wir bessere Zusammenarbeit und bessere Kommunikation brauchen. Alleingänge sind aus unserer Sicht, ehrlich gesagt, nicht der richtige Weg; denn Kommunikation ist - weder unter den Ländern noch zwischen Ländern und Bund - keine Einbahnstraße. ({1}) Es ist schon gesagt worden: Mehr Mittel erhält auch die Bundespolizei. Das ist sicherlich sinnvoll. ({2}) Nicht nur steigert sich der Etatansatz um die Erhöhung der Beamtenbesoldung - das ist selbstverständlich; wir zahlen ja auch das Weihnachtsgeld wieder; auch das muss man hier vielleicht sagen -, ({3}) sondern es kommen noch 15 Millionen Euro für dringend benötigte Anschaffungen hinzu. ({4}) - Sie sagen „nur“. Ich kann mich erinnern, dass, als ich mit über den Einzelplan 06 verhandelt habe, von Ihnen auch nicht mehr Geld draufgelegt wurde. Angesichts dessen sind die 15 Millionen Euro schon ein dicker Batzen. Sie haben das nicht hinbekommen, aber wir. ({5}) Man muss das hier der Ehrlichkeit halber auch einmal sagen. Es ist immer leicht, sich in der Opposition hinzustellen und zu sagen: Es muss mehr Geld geben. - Wenn man regiert, kommt es darauf an. Wir geben 15 Millionen Euro mehr, und das ist auch dringend notwendig. Es ist ebenfalls gut, dass die Bundeszentrale für politische Bildung mehr Geld für die Bekämpfung des Extremismus bekommt; denn das, worüber wir hier sprechen und was wir aufarbeiten, welche Konsequenzen wir daraus für die Sicherheitsarchitektur ziehen, ist eine Sache. Es muss aber auch mehr Geld für die Sensibilisierung von Lehrerinnen und Lehrern und für Projektarbeit geben. Deshalb ist es gut, dass wir hier Geld ausgeben, damit diese rechten Rattenfänger nicht mehr Erfolg haben. Gestaltungskraft haben wir auch bei der Stiftung Datenschutz bewiesen. Wir haben hier noch einmal einen Zuschuss des Bundes verankern können. Es ist interessant, dass die Kollegen von der SPD und insbesondere von den Grünen das mit dem Sparen offensichtlich falsch verstanden haben. Denn es ist eine Sache, dass Sie an Anwesenheit bei der Stiftung Datenschutz sparen; es ist eine andere Sache, dass Sie in Nordrhein-Westfalen dasselbe fordern, was die Stiftung Datenschutz leisten soll, nämlich ein Gütesiegel, das unter Einbeziehung von Wirtschaft, Politik und Datenschützern erarbeitet werden soll, obwohl Sie es hier, in Berlin, verurteilen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und insbesondere von den Grünen, jeder merkt, wenn die Politik in Berlin anders aussieht als in Düsseldorf. Damit sind Sie auf dem Holzweg. Das funktioniert nicht. Das merkt auch der Letzte. Ich kann Sie nur auffordern, im Sinne des Datenschutzes mit uns zusammenzuarbeiten. ({6}) Mein letzter Punkt ist der Sport - das Schönste zum Schluss -: Sport ist am schönsten, wenn er sauber ist. Deshalb ist es gut, dass es auch in diesem Jahr wieder 1 Millionen Euro mehr für die NADA gibt. Auf der Zielgeraden - um im sportlichen Bild zu bleiben - gibt es auch mehr Geld für den Leistungssport. Ich glaube, das ist ein richtiges Zeichen, insbesondere nach so tollen Olympischen Spielen wie in diesem Jahr. Unsere Leistung, die Leistung dieser Koalition ist es, einen Haushalt vorzulegen, der bei aller gebotenen Sparsamkeit die richtigen Akzente setzt. Das haben wir hinbekommen, ganz ohne Finanzspritzen, um beim Bild des Sportes zu bleiben; denn wir können sparen, und das wollen wir auch. Vielen Dank. ({7})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Kollegin Gisela Piltz. - Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau Katja Dörner. Bitte schön, Frau Kollegin Katja Dörner.

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich grüße ausdrücklich auch die weltweite Netzgemeinde vor dem Livestream. ({0}) An die Adresse unserer Kollegin Gisela Piltz gerichtet, sage ich: Gut gemeint ist oft nicht gut gemacht. ({1}) Insofern unterscheidet sich die Stiftung Datenschutz, die hier in Berlin auf den Weg gebracht wird, von dem, was wir in Nordrhein-Westfalen machen. ({2}) Als Grüne sind wir überzeugt: Die Stärke unserer Gesellschaft lässt sich ablesen am Umgang mit Schwächeren, mit Menschen, die Unterstützung brauchen. Warum sage ich das hier und nicht in einer Rede zum Sozialetat? Weil es hier natürlich auch um die Flüchtlinge, um die Asylsuchenden geht, die bei uns Schutz suchen und um die wir uns besonders bemühen sollten. Hier gibt es offensichtlich einen großen Graben zwischen den Regierungsfraktionen, ihrem Innenminister und uns. Am 24. Oktober 2012 wurde einen Steinwurf von hier das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma eingeweiht. Einen Tag später hatte der Innenminister nichts Besseres zu tun, als angesichts der gestiegenen Zahl von Asylanträgen von Flüchtlingen aus Serbien und Mazedonien diesen Menschen Asylmissbrauch vorzuwerfen, ({3}) Menschen, die in ihren Herkunftsländern durch Verfolgung und Rassismus bedroht sind. Bei ihnen handelt es sich mehrheitlich um Sinti und Roma. Ich finde ein solches Verhalten absolut unwürdig. Ich hoffe, dass das kein Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr ist. ({4}) Der Innenminister konnte das sogar noch toppen. Er kündigte an, dass die Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien eine reduzierte Barleistung auf der Grundlage einer Ausnahmeregelung im Asylbewerberleistungsgesetz erhalten sollen. Auch diesen Vorschlag halte ich für völlig inakzeptabel. ({5}) Richtig und notwendig wäre es, das Asylbewerberleistungsgesetz in Gänze abzuschaffen. ({6}) Es ist verfassungswidrig. Das ist klar festgestellt worden. ({7}) Selbstverständlich müssen Menschen, die bei uns Schutz suchen, ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum haben. Ich erwarte, dass die Bundesregierung endlich bei der Überwindung des Asylbewerberleistungsgesetzes aktiv wird und nicht nach irgendwelchen Schlupflöchern sucht, asylsuchenden Menschen, die zu uns kommen, um Schutz zu finden, noch weniger Geld auszuzahlen. Direkt um die Ecke, vor dem Brandenburger Tor, kämpfen und demonstrieren Flüchtlinge. Mit einem Hungerstreik wollen sie auf ihre perspektivlose Lebenssituation aufmerksam machen. Ich halte den Protest gegen die aktuellen Asylregelungen für völlig berechtigt. Neben dem Asylbewerberleistungsgesetz gehört auch die Residenzpflicht abgeschafft. Auch diese Menschen brauchen endlich Zugang zum Arbeitsmarkt. ({8}) Asylsuchende zu diffamieren, ist völlig daneben. ({9}) In Integration zu investieren, ist richtig. Bei den Integrationskursen hätte der Innenminister in diesem Jahr sogar große Spielräume gehabt. Im letzten Jahr - das ist schon gesagt worden - sind die Gelder nicht vollständig abgeflossen. Aber das darf doch gerade kein Anlass sein, die Mittel für die Integrationskurse zu kürzen. Genau das hat die schwarz-gelbe Bundesregierung aber faktisch getan. ({10}) Es ist absolut überfällig - das hätte man aus den vorhandenen Mitteln finanzieren können -, die Honorare der Lehrkräfte von Integrationskursen endlich deutlich zu erhöhen. Die jetzige Erhöhung, die hier von Frau Vogelsang als großartig verkündet worden ist, ist mickrig. Von den derzeitigen Honorarsätzen - auch nach dieser mickrigen Erhöhung - können die Lehrkräfte nicht anständig leben. Fakt ist, dass viele von ihnen prekär beschäftigt sind. Deshalb plädieren wir Grüne für eine Mindestvergütung von 30 Euro pro Stunde. Das ist auch haushälterisch absolut gut darstellbar. ({11}) Wichtig wäre auch, den Kreis der Teilnahmeberechtigten bei den Integrationskursen auf Asylantragstellerinnen und Asylantragsteller sowie auf erwachsene Geduldete auszuweiten. Das fordert nicht nur die 7. Integrationsministerkonferenz, sondern auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Wir sollten gemeinsam mehr für Integration tun. Das ist der richtige Weg in unserer multikulturellen Gesellschaft. Wir alle sind geschockt über die Mordserie des NSU und über das Versagen der Sicherheitsarchitektur. Ich bin, ehrlich gesagt, auch darüber geschockt, wie wichtige Entscheidungsträger weiterhin nicht bereit sind, ihre problematische Rolle in diesem Zusammenhang zu reflektieren. ({12}) Ich bin hochgradig alarmiert, dass eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu dem Ergebnis kommt, dass rechtsextremes Gedankengut in unserer Gesellschaft wieder auf dem Vormarsch ist. Rechtsextremismus beginnt bekanntlich im Kopf. Hier muss der Kampf gegen rechts ansetzen. Hierzu leistet die Bundeszentrale für politische Bildung einen entscheidenden Beitrag. Deshalb ist es richtig, dass die Mittel für die Bundeszentrale für das kommende Jahr um 2 Millionen Euro aufgestockt werden. Aber - auch das will ich sagen - diese Mittel sind für neue und zusätzliche Projekte gebunden. Deshalb halten wir Grünen an der Forderung fest, dass die Kürzungen der Mittel für die Bundeszentrale, die in den vergangenen Jahren vollzogen worden sind, wieder rückgängig gemacht werden. ({13}) Ich komme zum Schluss. Zum Thema Sport hat unser Hauptberichterstatter schon einiges Wichtiges gesagt. Klar ist: Es kann in der Spitzensportförderung des Bundes so nicht weitergehen. Ich denke, dass die große Diskussion, die wir rund um Olympia im Zusammenhang mit den Zielvereinbarungen hatten und die wir im Zusammenhang mit der Finanzierung der NADA haben, zeigt, dass hier für die nächsten Haushaltsjahre ganz große Aufgaben sind. Ich würde mir wünschen, dass wir diese gemeinsam in Angriff nehmen. Vielen Dank. ({14})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Wir danken, Frau Kollegin Katja Dörner. - Nächster Redner für die Bundesregierung ist Bundesminister Hans-Peter Friedrich. Bitte schön, Herr Bundesminister Hans-Peter Friedrich. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte als Allererstes zu dem, was die Kollegin Dörner zum Asylrecht gesagt hat, eine Bemerkung machen: Es gibt kein Land auf der Welt, das in vergleichbarer Weise großzügig ist bei der Aufnahme von Menschen, die - egal wo auf der Welt - verfolgt werden und Schutz und Hilfe brauchen. Wir sind das Land, das immer bereit ist, diese Menschen aufzunehmen. Aber wir können sie nur dann aufnehmen, wenn unsere Kapazitäten nicht überlaufen durch die, die nie einen Anspruch haben oder erhalten werden, hier im Land zu bleiben. ({0}) Deswegen sage ich Ihnen: Natürlich weiß ich, dass es auch Menschen in Serbien und in Mazedonien schlecht geht. Aber die Europäische Union stellt Millionen und Abermillionen zur Verfügung, um diesen Menschen zu helfen. Ich erwarte von den Regierungen in Serbien und in Mazedonien, dass sie den Menschen diese Hilfe zukommen lassen. Das können wir in Europa auch verlangen. Unsere Kapazitäten müssen für diejenigen offengehalten werden, die verfolgt werden, die unter politischer Verfolgung leiden. Wir haben hier bei uns Menschen aus dem Iran, aus Afghanistan und aus dem Irak aufgenommen. ({1})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister.

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Jetzt keine Zwischenfrage. - Wir stehen vor neuen Problemen. Man weiß nicht, was in Syrien passieren wird. Wir müssen auch in der Zukunft, wenn es neue Herausforderungen gibt, in der Lage sein, Hilfe zu leisten. Deswegen ist es nicht in Ordnung, dass wir jetzt akzeptieren sollen, dass Wirtschaftsflüchtlinge, die natürlich ein schlechteres Leben haben als wir - keine Frage -, zu uns kommen. Vielmehr müssen wir denen in ihren Ländern helfen; denn wir brauchen die Kapazitäten und Hilfsmöglichkeiten für diejenigen, die als politisch Verfolgte unsere Hilfe dringend brauchen. ({0}) Was den Haushalt betrifft, will ich zunächst ganz herzlich den Berichterstattern danken, die sehr konstruktiv an diesem Haushalt mitgewirkt haben. Wir haben einen Entwurf vorgelegt, der an der einen oder anderen Stelle nachjustiert wurde bzw. in dem umgeschichtet wurde. Nicht alles, lieber Herr Kollege Danckert, was auch ich mir gewünscht hätte, ist finanzierbar. Das ist in Zeiten, in denen eine Schuldenbremse eingehalten werden muss und in denen uns ein Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, den wir optimal und effizient einsetzen müssen, eben nicht anders möglich. Alle grundlegenden Weichenstellungen, die wir in den letzten Jahren vorgenommen haben, laufen auf die Modernisierung und die Steigerung der Effizienz unserer Sicherheitsbehörden hinaus; das ist etwas, das sich wie ein roter Faden durch diesen Haushalt, sofern er die Sicherheitsbehörden betrifft, zieht. Wir haben islamistische Terrorgefahr für unser Land; wir haben rechts- und linksextremistische Gewaltgefahr in unserem Land. ({1}) Deswegen ist es notwendig, dass wir die Abwehrkraft dieses Staates gegen kriminelle Angriffe stärken. ({2}) Notwendig ist auch, dass wir diese Abwehrkraft stärken, indem wir die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden verbessern, sie mit den neuen Möglichkeiten der Technologie unterstützen und die modernen Informationsund Kommunikationstechnologien einsetzen, um unsere Behörden gegenüber Kriminellen und Angreifern von allen Seiten abwehrfähig zu machen. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir im letzten Jahr die Antiterrorgesetze verlängert. Deswegen haben wir als Reaktion auf die Herausforderung des Rechtsextremismus, die durch den Rechtsterrorismus im letzten Jahr deutlich geworden ist, ein Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus auf die Beine gestellt. Wir haben es um ein GETZ erweitert, das alle Phänomenbereiche abdeckt und in dem sich die Sicherheitsbehörden allen Phänomenbereichen widmen können. Wir ergänzen dies durch ein Gemeinsames Internetzentrum, in dem insbesondere die Gefahren durch die Propaganda von Extremisten, die im Netz vor allem jungen Leuten drohen, analysiert werden. Wir haben, um all das zu unterstützen, eine Rechtsextremismusdatei auf den Weg gebracht, die die Sicherheitsbehörden, Polizeien und Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, in die Lage versetzt, einen Überblick über Gewalttäter und Extremisten im rechtsextremistischen Bereich im ganzen Land zu bekommen. Das ist dringend notwendig, und das ist die richtige Antwort auf die NSU-Mordserie. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber hinaus haben wir eine Visawarndatei eingeführt. Sie soll sicherstellen, dass Personen, die sich in unserem Land aufhalten wollen, mit denjenigen, die in den Antiterrordateien aufgeführt sind, abgeglichen werden. Gestern haben wir ein Nationales Waffenregister auf den Weg gebracht. Damit gewährleisten wir, dass die für Waffen zuständigen Behörden in den Kommunen und in den Ländern einen Überblick über die registrierten legalen Waffen haben; diese gelangen nämlich häufig in den Untergrund, also in die Illegalität. Deswegen ist dieses Nationale Waffenregister von entscheidender Bedeutung. Es geht also nicht nur darum, eine Vernetzung zwischen den Behörden auf Bundesebene herzustellen, sondern auch darum, eine Vernetzung mit den Ländern und Kommunen zu schaffen; das ist, glaube ich, der richtige Weg. Ich werde heute und morgen in London mit den Kollegen der G 6, der großen Länder in Europa, auch darüber sprechen, wie wir darüber hinaus die europäischen Grenzen besser sichern können. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein freiheitliches Europa ohne Grenzen macht es erforderlich, dass wir unsere Grenzen unter Anwendung modernster Möglichkeiten so überwachen, dass wir in der Lage sind, herauszufinden, wer eigentlich zu uns kommt bzw. welche Elemente sich von wo auch immer auf der Welt zu uns bewegen. Die Behörden zu modernisieren und die Behörden zu vernetzen, bedeutet aber auch, jede Behörde für sich zu modernisieren. Lieber Kollege Bockhahn, ({3}) ich frage mich: Wen wollen Sie eigentlich schützen? ({4}) Noch gestern wurde mir - auch von Ihnen, aus dem linken Lager - vorgeworfen, es gebe so viele illegale Waffen in diesem Land. ({5}) Wenn das BKA und andere Sicherheitsbehörden aber gegen illegale Waffenhändler vorgehen wollen, indem sie auf richterliche Anordnung zum Beispiel im Bereich der organisierten Kriminalität mit Abhörsoftware Personen überwachen, dann kommen Sie daher und reden von Bespitzelung. Wir führen einen Kampf gegen organisierte Kriminalität, weltweit. Deswegen muss auch das BKA in der Lage sein, sich entsprechend auszurüsten und entsprechend tätig zu werden. ({6}) Meine Damen und Herren, wir stärken ein weiteres Mal die Bundespolizei. Das Attraktivitätsprogramm ist bereits genannt worden: 635 Stellen werden aus dem mittleren Dienst in den gehobenen Dienst überführt. DaBundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich durch erhöhen wir die Anziehungskraft unserer Bundespolizei weiter. Wir haben den Anteil des gehobenen Dienstes am Personalkörper inzwischen auf 40 Prozent verdoppelt. Ich glaube, das kann sich sehen lassen. Kollege Danckert, erst im letzten Jahr sind die Spielräume - die Obergrenzen, die in der Verordnung vorgesehen sind - im Haushaltsausschuss voll ausgereizt worden. Ich werde mich bemühen - aber ich weiß, dass das im Rahmen von finanziell begrenzten Möglichkeiten geschieht -, dass die Obergrenzen in der Stellenobergrenzenverordnung im nächsten Haushalt angehoben werden. Darüber werden wir beim nächsten Haushalt reden. Zum Thema „Obermeisterbauch“: In den letzten drei Jahren sind bei den immerhin über 40 000 Bundespolizisten gerade einmal 9 nur mit A 8 in Pension gegangen. Der „Obermeisterbauch“ ist also eine etwas überzeichnete, überspitzte Darstellung des Problems, dass wir natürlich nur eine begrenzte Zahl an A-9-Stellen zur Verfügung haben. Aber auch da sind wir auf einem guten Weg. Ich bin, wie gesagt, gerne bereit - auch im Hinblick auf die Aufstellung des nächsten Haushalts -, darüber zu reden, wie wir auch in diesem Bereich Entspannung und Entlastung schaffen und die Attraktivität der Bundespolizei weiter steigern können. Es ist wichtig, dass wir die Polizei mit entsprechender Informations- und Kommunikationstechnologie ausstatten. Ich bin sehr dankbar, dass nicht nur die 33 Millionen Euro dazukommen, die wir ohnehin als Steigerung vorgesehen hatten, sondern der Haushaltsausschuss darüber hinaus - ich bedanke mich bei denen, die das auf den Weg gebracht haben - zusätzliche 15 Millionen Euro für die Bundespolizei aus dem Bereich Integrationskurse zur Verfügung stellt. Denn der Nachholbedarf früherer Jahre bei den Integrationskursen ist abgearbeitet, und die Zahl der Teilnehmer sinkt jetzt. Gleichwohl haben wir einen Teil des frei werdenden Geldes dazu verwendet, die Vergütung der Lehrer zu erhöhen. Dafür werden über 20 Millionen Euro eingesetzt. Ich glaube, das ist der richtige Weg. ({7}) Ich bin sehr dankbar, dass man sich fraktionsübergreifend dafür ausgesprochen hat, die Mittel für das THW - diejenigen, die mit ehrenamtlichen Kräften einen hervorragenden Beitrag zum Schutz und zur Sicherheit unserer Zivilbevölkerung leisten und bei internationalen Einsätzen ein wunderbares Aushängeschild unseres Landes sind - um 2 Millionen Euro zu erhöhen. Das ist notwendig und sinnvoll; denn es muss Werbung gemacht werden: Auch das THW ist darauf angewiesen, Nachwuchs zu gewinnen. ({8}) Der Sport ist genannt worden. Bei der Finanzierung der NADA werden wir in der Zukunft noch besser werden müssen; aber wenn ich darauf hinweisen darf: Da haben die Länder auch Nachholbedarf. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein großes und wichtiges Kapitel, dem sich das Bundesinnenministerium zu widmen hat, ist der demografische Wandel. Hier sind die neuen Länder mit ihrer Innovationskraft und ihrer Flexibilität vorbildlich. Wir wissen, dass man das finanziell unterlegen muss. ({9}) Der Solidarpakt II steht bis 2019; das ist überhaupt keine Frage. Darüber hinaus werden wir, auch was die EUFörderung angeht, hoffentlich eine gute und vernünftige Anschlussfinanzierung in Brüssel durchsetzen können. Insgesamt ist der Haushalt des Bundesinnenministeriums, wie ich denke, ein Haushalt, in dem Sparsamkeit, Effizienz und Zukunftsorientierung an die Spitze gestellt werden. Dafür darf ich mich bei allen, die daran mitgewirkt haben, noch einmal ganz herzlich bedanken. Vielen Dank. ({10})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich. - Nun hat das Wort zu einer Kurzintervention unsere Kollegin Frau Britta Haßelmann. ({0})

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Reicht es jetzt mit den Zwischenbemerkungen? Danke. - Herr Präsident, vielen Dank. - Da der Innenminister keine Frage zugelassen hat, möchte ich die Gelegenheit zu einer Kurzintervention nutzen. Herr Friedrich, ich finde es ziemlich unverantwortlich, wie Sie damit umgehen, öffentlich den Eindruck zu erwecken, wir hätten eine Riesenanzahl von Menschen, die hier Asyl suchen, und von Asylanträgen, die bewilligt werden. Sie sprechen davon, es gebe keine Kapazitäten zur Aufnahme usw. Ich habe die Erwartung an Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages, dass Sie vor dem Hintergrund der geringen Anzahl von Asylbewilligungen damit aufhören, öffentlich den Eindruck zu schüren, als würden wir über massenhafte Asylbegehren reden. Ich finde das ziemlich unverantwortlich. ({0}) Die Frage der Sinti und Roma muss an Sie gestellt werden. Ich frage Sie, inwieweit Sie auf der europäischen Innenministerebene bisher auch nur ein einziges Mal Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierungen und die Lebenssituation von Roma thematisiert haben. Damit treten Sie zumindest öffentlich nicht in Erscheinung. Öffentlich heißt es nur: Es gibt für sie keine Veranlassung, hier zu sein. - Das Stichwort „Wirtschaftsflüchtlinge“ haben Sie gerade in den Mund genommen. Von Ihnen würden wir gerne wissen: Was tun Sie auf europäischer Ebene, um die bestehenden Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen gegen Sinti und Roma endlich einmal zu thematisieren? Da ist doch bisher Fehlanzeige. ({1})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Das Wort zur Antwort hat Herr Bundesminister Dr. Friedrich.

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte einmal darauf hinweisen, dass die Europäische Union circa 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt hat, ({0}) und zwar Heranführungsmittel unter anderem für Serbien und Mazedonien. Das sind Länder, die später einmal zur Europäischen Union gehören wollen. Damit sollen sie finanziell so ausgestattet werden, dass sie in der Lage sind, ihren Menschen ein ordentliches Leben zu gewährleisten. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir erwarten von diesen Regierungen, die ihr Land eines Tages in die Europäische Union führen wollen, dass sie ihre Menschen ordentlich behandeln. Wir haben das auch zum Ausdruck gebracht. ({2}) Ich kann Ihnen sagen, was wir getan haben: Der Staatssekretär hat die Botschafter einbestellt, hat mit ihnen darüber gesprochen und klargemacht, dass wir das so nicht akzeptieren. Deswegen ist der richtige Weg, dass wir sagen: Wir in Europa erwarten von den Regierungen, dass sie ihre Menschen ordentlich behandeln. ({3}) Wir sind auch bereit, Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Jetzt sage ich Ihnen etwas zu denen, die hierherkommen. Die Anerkennungsquote bei Asylbewerbern liegt bei unter 1 Prozent. Das bedeutet, über 99 Prozent haben nach unserem Asylrecht kein Recht, hier zu sein. Deswegen habe ich gesagt: Wir müssen die Asylverfahren - jeder Einzelne hat ein Recht auf ein ordnungsgemäßes Asylverfahren - möglichst schnell durchführen, weil es in der Vergangenheit Wartezeiten, Stau gab mit der Konsequenz, dass die Schlepperbanden in Mazedonien und Serbien das nutzen konnten, indem sie den Leuten gesagt haben: Ihr könnt drei, vier, fünf Monate dort bleiben, bis euer Verfahren losgeht. Das dauert lange. Dann könnt ihr zurückfahren. - Das haben wir abgestellt. Ich habe dafür gesorgt, dass die Bundespolizei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge behilflich ist und dass wir die Verfahren möglichst schnell und zügig durchführen. Am Ende des Verfahrens steht entweder eine Anerkennung als Asylbewerber - selbstverständlich darf dann der Mensch mit allen Rechten hierbleiben -, oder es steht eine Ablehnung. Dann muss er ausreisen. Das ist unsere Rechtsordnung. Das sind die Gesetze, die wir gemeinsam hier in diesem Hause verabschiedet haben. Ich sorge dafür, dass sie eingehalten werden. ({4})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Michael Hartmann. Bitte schön, Kollege Michael Hartmann. ({0})

Michael Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts dieses Wortwechsels eben erlauben Sie mir bitte, sehr geehrter Herr Minister, dass ich mit folgender Bemerkung beginne: Ohne Frage, das, was die Länder und auch die Kommunen, die die Flüchtlinge vorübergehend aufnehmen müssen, in besonderem Maße bedrückt, ist ernst zu nehmen. Wenn man in Zeiten, in denen wir die NSU-Mordserie aufarbeiten und gegen rechts kämpfen, seine Worte nicht sorgfältig wägt, sondern eine „Das-Boot-ist-voll-Politik“-Rhetorik an den Tag legt, bekämpft man zwar einerseits rechts, befördert andererseits aber die Stammtische, an denen genau jene Parolen gepflegt werden. ({0}) Das ist nicht in Ordnung. Sie haben so manches von sich gegeben, was nicht stimmig ist, wie vieles nicht stimmig ist, Herr Minister, was Sie als Innenpolitik zu konstituieren versuchen. Vor gut eineinhalb Jahren haben Sie nach dem schmählichen Abgang Ihres unterfränkischen Kollegen Guttenberg und dem Wechsel von Herrn de Maizière ins Verteidigungsministerium Verantwortung für dieses Ressort übernommen. Seit dieser Zeit bemühen Sie sich um einen Kompass; aber Sie finden ihn nicht. Die Innenpolitik in Deutschland - es tut mir leid, dass ich das trotz aller persönlichen Wertschätzung sagen muss - ist bei Ihnen in keinen guten Händen. ({1}) Das könnte uns als Opposition im Zweifelsfalle egal sein. Das ist es aber nicht, weil wir hier durchaus in Verantwortung für die Stiftung und Bewahrung des innergesellschaftlichen Friedens in unserem Lande agieren. Michael Hartmann ({2}) Deshalb haben wir auch dieser Regierung nie die Mitarbeit verweigert, zum Beispiel als es darum ging, das Abwehrzentrum gegen rechts und eine auch aus unserer Sicht sinnvolle Verbunddatei einzurichten. Herr Minister, außer diesen beiden Dingen und der Wiedereinrichtung der Abteilung „Rechtsextremismus“ im Bundesamt für Verfassungsschutz ist seither nichts Nennenswertes geschehen. Das Agieren danach war alles andere als glücklich und richtig. Es liegt zum Beispiel in Ihrer Verantwortung, Herr Minister, dass nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie das Schreddern der Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz nicht ausdrücklich untersagt wurde. Sie hätten sofort den Erlass herausgeben müssen: Es wird kein Blatt Papier zu diesem Komplex weggeworfen. - Das Gegenteil ist geschehen. ({3}) Außerdem haben Sie die Länder mehrfach und wiederholt ohne Not brüskiert. So fand beispielsweise im Sommer mit Ihnen ein Pressehintergrundgespräch darüber statt, wie Sie sich die Zukunft des Verfassungsschutzes in Deutschland denken. Am nächsten Tag sind Sie in die Innenministerkonferenz gegangen und haben den dort Anwesenden gesagt, Sie wollten alle Dominanz beim BfV - das sich ja nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert hat -, und sie sollten Handlanger werden. Das war doch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ohne die Länder mit im Boot zu haben, sagen Sie jetzt einfach: Wir haben ein Abwehrzentrum gegen rechts eingerichtet; das holpert und ruckelt noch. Aber wenn wir schon dabei sind, errichten wir gleich auch noch ein Abwehrzentrum gegen Linksextremismus, eines zur Spionageabwehr, eines gegen Ausländerextremismus usw. Sehr geehrter Herr Minister, wir dürfen nicht alles zusammenrühren. Wir brauchen für jeden Extremismusansatz eine eigene Bekämpfungsstrategie und keine überbordenden Zentren, die einfach so, ohne Beteiligung der Länder, eingerichtet werden. ({4}) Es wäre auch verkürzt und falsch, bei der Behördenorganisation stehen zu bleiben, wenn es um die Aufarbeitung der NSU-Mordserie geht. Es geht um viel mehr. Wir müssen die Haltungen in den Sicherheitsbehörden verändern. Hierzu fehlt mir bis zum heutigen Tag ein klares Wort von Ihnen. Stattdessen rührt man alles Mögliche zusammen, was in der Tat und zu dieser Zeit nicht zusammengehört. Herr Minister, lassen Sie mich noch eine Anmerkung machen. Man hört so manches. Wenn ich Ihnen durchaus in der Bereitschaft zur Mit- und Zusammenarbeit einen Rat geben dürfte, dann würde er lauten: Versuchen Sie nicht, die Ergebnisse der Werthebach-Kommission wieder aus der Kiste zu ziehen. Es geht nicht an, dass Bereiche des Bundeskriminalamts und der ohnehin geschundenen Bundespolizei, die gar nicht zusammengehören, zusammengeführt werden sollen, nämlich die Bereiche IT-Technik und Ausbildung. Die Bundespolizei und das BKA müssen bei ihren Leisten bleiben. Alles andere wird uns nicht bekommen. ({5}) Zumal haben Sie bei der Bundespolizei wahrhaftig mehr gutzumachen als nur den Abbau des ObermeisterBauches. „Abbau des Obermeister-Bauches“ bedeutet übrigens nicht, dass es ein Problem mit dem Gewicht einzelner Polizeibeamtinnen und -beamten gibt. Es geht hier um eine Truppe mit weit über 40 000 Personen im mittleren Dienst, während in den Ländern bereits der gehobene Dienst zur Regel geworden ist. Herr Minister, Sie haben im Sommer, einfach so, einen Enthauptungsschlag gegen die Spitzen der Bundespolizei geführt. Das ist Ihr gutes Recht. Wenn Sie mit denen nicht zurechtkommen und wenn Ihnen nicht passt, was die tun, dann dürfen Sie das machen. Aber Sie haben bis zum heutigen Tage nicht ein Wort darüber verloren, wohin bei der Bundespolizei die Reise gehen soll. Sie zerstören das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis der Bundespolizei, indem Sie einen willfährigen Handlanger an die Stelle des bisherigen Präsidenten gesetzt haben. Das ist nicht in Ordnung, und das hat diese Truppe nicht verdient. ({6}) - Lieber Kollege Hartfrid Wolff, mir ist zu Ohren gekommen, dass der neue Präsident, außer sehr staatstragende Aussagen zu treffen - ohne Zweifel! -, nichts anderes zu tun hat, als der Bundespolizei, die im Moment Mädchen für alles ist - sie überwacht den Bahnbetrieb; sie leistet Auslandseinsätze; sie ist Bereitschaftspolizei; sie begleitet an den Wochenenden Fußballspiele usw. -, zu sagen: So ganz nebenbei könnt ihr auch noch Terrorbekämpfung machen. - Das ist keine kluge strategische Ausrichtung. In einem Spiegel-Interview war außerdem von ihm zu lesen: Die Bundespolizei hat kein Problem mit dem Rassismus, weil das in den Dienstvorschriften nicht vorgesehen ist. - Dazu sage ich: Ob das der geeignete Mann auf dieser Stelle ist, darf man zumindest hinterfragen. ({7}) Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben wohlweislich kein Wort zum Thema Vorratsdatenspeicherung gesagt; vielleicht wird Ihre Kollegin im Justizressort dieses Versäumnis beseitigen. Ganz egal, wie man zu diesem Thema steht, ob man nun dafür oder dagegen ist: Dass Sie kein Wort darüber verlieren, während in Brüssel Klage gegen uns eingereicht wurde und ein Vertragsverletzungsverfahren ansteht, ist ein Versagen des Bundesinnenministers. ({8}) Es wäre gut und richtig, wenn wir eine Innenpolitik konstituieren würden, die weiß, dass unsere Sicherheitsbehörden dann gut sind, wenn sie alle Menschen und damit auch unsere Verfassung schützen. Es wäre gut, wenn wir eine Innenpolitik konstituieren würden, die die Menschen durch Prävention auf Grundlage verlässlicher Sicherheitsanalysen stark macht. Es wäre gut, wenn wir Michael Hartmann ({9}) eine Innenpolitik konstituieren würden, die es nicht länger zulässt, dass die NPD, geschützt durch das Parteienprivileg, durch das Brandenburger Tor marschiert, während wir all jenen, die von ihr bedroht werden, wie jüngst in Hoyerswerda, sagen: Zieht doch von diesem Ort weg! - Es ist eine Schande, dass solche Sätze ausgesprochen wurden und die NPD weiterhin geduldet wird. Herr Minister, auch da wäre Eindeutigkeit das Beste, was Sie leisten könnten. ({10}) Wir brauchen ein neues NPD-Verbotsverfahren. Vielen Dank. ({11})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Michael Hartmann. - Nächster Redner für die Fraktion der FDP ist unser Kollege Dr. Florian Toncar. Bitte schön, Kollege Dr. Toncar. ({0})

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsdebatte ist natürlich immer Anlass, über ein Politikfeld einmal ganz grundsätzlich zu sprechen. Das ist richtig und gehört dazu. Aber ich habe schon den Eindruck, dass jedenfalls dieser Haushalt nicht Anlass zu allergrößter Kritik bietet. Er enthält Dinge, über die man sprechen kann. Aber ich sehe nicht, dass wir hier sehr weit auseinander liegen. Ich glaube, dass das auch berechtigt ist, weil wir bei diesem Haushalt wirklich gute Arbeit geleistet haben. ({0}) Wir als Koalition, aber gerade auch als FDP-Fraktion sind der Meinung, dass innere Sicherheit ein wichtiges Thema ist und dass unsere Behörden gut ausgestattet sein müssen, damit sie Verdachtsmomenten nachgehen können - und dies sind die Polizistinnen und Polizisten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Sicherheitsbehörden. Um sie haben wir uns mit diesem Haushalt gekümmert. Wir haben nicht nur mehr Geld für die Besoldung der Beamten eingeplant - das macht in diesem Haushalt 138 Millionen Euro allein bei der Bundespolizei aus - und dafür gesorgt, dass wieder Weihnachtsgeld gezahlt wird. Nein, wir haben auch Ressourcen in Höhe von 82 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, und zwar schon bei der Aufstellung des Haushalts, die das Innenministerium in die Stärkung der inneren Sicherheit investieren konnte, sodass man wirklich sagen kann: Hier liegt unser Schwerpunkt der Investitionen. Für uns als Liberale ist das deshalb erfreulich, weil wir glauben, dass eine gute Ausstattung der Sicherheitsbehörden viel wichtiger und effektiver für die Verbrechensbekämpfung ist als immer neue Gesetze und Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. ({1}) Wir konnten im Zuge der Haushaltsberatungen die Ausstattung der Sicherheitsbehörden nochmals etwas verbessern und weitere 15 Millionen Euro in diesen Bereich umschichten. Damit werden einige sehr gute und sinnvolle Ausgaben finanziert. Geplant sind insbesondere auch bei der Bundespolizei die Anschaffung zusätzlicher Fahrzeuge, auch Spezialfahrzeuge, neue Dokumentenprüfgeräte sowie Ausgaben für die IT-Sicherheit, damit die Netze sicherer werden gegenüber Angriffen von außen. Insofern tut sich etwas im guten Sinne für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Wir haben natürlich immer noch ein Problem bei der Stellenstruktur der Bundespolizei. Das ist aber ein langfristiger Prozess, den man nicht in wenigen Jahren so bewältigen kann, dass alle zufrieden sind. Aber wir wissen auch - das ist in den Haushaltsberatungen geklärt worden -, dass das Ministerium bzw. Herr Minister Friedrich Möglichkeiten hat, weitere Beförderungen vorzunehmen, wenn der Finanzminister mit zustimmt. Die Stellen sind durchaus vorhanden. Ich denke, dass sich auf diesem Wege weitere Verbesserungen auch ohne Änderungen des Stellenplans erreichen lassen, damit die Motivation unserer Beamten stimmt und sie sich für ihre wichtige Arbeit wertgeschätzt fühlen. ({2}) Wir haben in diesem Haushalt ein wichtiges Projekt dieser Koalition zum Laufen gebracht, nämlich die Stiftung Datenschutz. Dafür hatten wir schon vor zwei Jahren rund 10 Millionen Euro als Stiftungskapital in den Haushalt eingestellt. Die Ertragslage von Stiftungen, also das, was sie für ihr angelegtes Geld bekommen, hat sich seitdem sehr schlecht entwickelt; die Erträge waren zu niedrig. Deshalb haben wir nachgesteuert. Ich freue mich sehr, dass die Stiftung, die für Datenschutz in der privaten Wirtschaft sorgen und Bürger darüber aufklären soll, wie man seine eigenen Daten schützt und sorgsam damit umgeht, ihre Arbeit aufnehmen kann. Ich will mich dem Dank an das Technische Hilfswerk, THW, anschließen, das überwiegend mit Ehrenamtlichen in ganz Deutschland und auch im Ausland eine ausgesprochen wichtige Arbeit leistet. ({3}) Das THW braucht natürlich entsprechende technische Geräte, aber auch immer wieder gute, ehrenamtlich engagierte Menschen, die das in ihrer Freizeit, am Wochenende oder auch abends, machen wollen. Damit sie, weil es keinen Wehrersatzdienst mehr gibt, auch weiterhin zum THW kommen, haben wir 2 Millionen Euro extra in den Haushalt eingestellt. ({4}) So können die Ortsverbände mehr Werbung machen. Auch wenn gespart werden muss und Geld nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, haben wir, meine ich, einige sehr sinnvolle und richtige Schwerpunkte gesetzt. Wir tragen mit dazu bei, dass Deutschland eines der sichersten Länder in Europa ist und hoffentlich auch bleiben wird. ({5})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Dr. Toncar. - Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke unser Kollege Jens Petermann. Bitte schön, Kollege Petermann. ({0})

Jens Petermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004128, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Sportsfreund Peter Danckert, du hast völlig recht: Sport kommt in dieser Bundesregierung zu kurz. Richtig ist auch: Die Strukturen des Sports sind nicht in Ordnung. Passend zur aktuellen Haushaltsdebatte um die Förderung des Spitzensports durch den Bund kommen die Forderungen der Sportministerkonferenz, die Ende letzter Woche im thüringischen Eisenach getagt hat. Die Forderungen sind nicht ganz neu. Es geht um bessere Absprachen der Bundesländer, mehr Geld und bessere Effizienz, eine hochwertige akademische Trainerausbildung, die Stärkung des Ehrenamtes und der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, aber auch um den Kampf gegen Gewalt und Rechtsextremismus. Die Antworten der Koalition auf diese Forderungen sind mehr als einsilbig. Als hätte es die Kritik am Abschneiden der Olympiamannschaft in London und am völlig verkorksten Engagement im Antidopingkampf nicht gegeben, geht die Koalition mit dem Haushalt zur Sportförderung eingefahrene Wege weiter. Daran ändert übrigens auch die über Nacht noch schnell beschlossene geringfügige Erhöhung des Sportetats nichts. ({0}) Gelingt es ihr einerseits gerade noch so, den völligen Zusammenbruch des Antidopingkampfes durch einen Zuschuss an die NADA zu verhindern, streicht sie im gleichen Atemzug Mittel für die Trainerausbildung. Dieser Haushalt ist ein Dokument für drei Jahre schwarz-gelbe sportpolitische Ideenlosigkeit. Allerdings hat auch der Deutsche Olympische Sportbund einen beträchtlichen Anteil an dieser Lage und steht nun vor einem Scherbenhaufen seiner konservativen Sportpolitik. „Wir machen alles richtig und deshalb so weiter wie bisher, nur brauchen wir dafür mehr Geld“, lautet die kaum nachvollziehbare Schlussfolgerung aus London in Kurzfassung. Dieser verkürzten Sicht schließt sich auch das BMI an und weicht einer ergebnisoffenen Debatte über die Sportförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus. Zum einen ignorieren Sie die Hinweise auf offensichtlich notwendige Veränderungen, die vor allem aus den Reihen der Sportlerinnen und Sportler sowie der Trainerinnen und Trainer laut wurden, zum anderen verstecken Sie sich hinter der angeblichen Unzuständigkeit des Bundes. Aus Sicht der Linken gibt es aber eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für den gesamten Sport, also den Spitzensport, den Breiten- und Schulsport, aber auch für die Sportanlagen. ({1}) Sie verweisen immer darauf, dass die Länder die alleinige Verantwortung für den Schulsport haben. Nun zeigt sich aber, dass es so nicht funktioniert. Die föderalen Unterschiede im Bildungssystem beeinträchtigen nicht nur den Schulsport, sondern auch den Nachwuchs im Leistungssport. Hier ist ein dringendes Umdenken erforderlich. Die Hauptverantwortung für die Sportstätten haben bekanntermaßen die Kommunen. Allein hier gibt es einen Sanierungsstau von 40 Milliarden Euro. Die kommunale Agenda ist jedoch übervoll von Aufgaben, und das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Angesichts der unterfinanzierten Kommunen ist auch hier ein Umdenken dringend erforderlich. ({2}) Wir brauchen einen offenen Denkwettbewerb zu den Strukturen der Sportförderung. Eigentlich wäre es an Ihnen, Herr Minister Friedrich, endlich dafür den Startschuss zu geben. - Er hört gerade nicht zu. ({3}) - Okay, prima. - Was spricht eigentlich gegen ein effizientes Bundessportministerium, um das Geld für den Sport, das derzeit in neun Ministerien lagert, zu bündeln? Mehr Kreativität ist auch gefragt, wenn es um die duale Karriere von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern geht. Bundeswehr, Polizei und Zoll reichen als Berufsperspektiven längst nicht mehr aus. Die Kooperation mit Hochschulen und Wirtschaft aber läuft schleppend. Hier müssen dringend Lösungen gefunden werden. ({4}) Auf all diese Fragen gibt die Koalition keine richtungsweisende Antwort. Ihr Haushalt verdient damit leider nur das Prädikat „mangelhaft“. Ganz zum Schluss noch eine Frage, Herr Minister: Wie kommen Sie eigentlich angesichts von 180 Toten durch rechten Terror seit 1990 dazu, immer noch von einer linksextremistischen Gefahr zu fabulieren? Das ist nicht nur mir völlig schleierhaft. Stellen Sie sich endlich den Realitäten! ({5})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Petermann. - Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/ Vizepräsident Eduard Oswald Die Grünen unser Kollege Memet Kilic. Bitte schön, Herr Kollege Memet Kilic.

Memet Kilic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004069, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, Sie haben von der vorhandenen Flüchtlingsaufnahmekapazität gesprochen. Was Sie Kapazität nennen, sind in der Regel heruntergekommene Sammelunterkünfte, abgeschieden von jeglicher Zivilisation, im Funkloch, auf dem Berg oder im tiefen Tal. 60 Personen, darunter Kinder, benutzen zwei Duschen und ein veraltetes Heizgerät. Das sind keine Kapazitäten, sondern das ist eine Verletzung der Menschenwürde. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Da müssen wir handeln. ({0}) Sie sagen immer wieder in der Öffentlichkeit, dass das Asylverfahren schnell sein muss. Nein - merken Sie es sich! -, in einem Rechtsstaat muss ein Verfahren nicht schnell sein, sondern effektiv und gründlich. Das müssen Sie in der Öffentlichkeit immer wieder sagen. ({1}) Gucken Sie nicht so grimmig! Das ist doch die Wahrheit. ({2}) Die innere Sicherheit und die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger gleichzeitig zu gewährleisten, ist die wichtigste Aufgabe der Innenministerien. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass bei dieser Aufgabenerfüllung sehr besonnen und reiflich überlegt gehandelt werden muss. Letzte Woche hat der Bundesinnenminister das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum eröffnet. Viele Bundesländer distanzieren sich zu Recht davon. Der Bundesinnenminister handelt ohne Absprachen. Er versucht, von oben herab den Bundesländern seine Regeln zu diktieren. So geht das nicht, Herr Bundesinnenminister. ({3}) Unter dem Eindruck der schrecklichen Taten der rechtsextremistischen Terrorbande hat der Innenminister damit begonnen, ein Zentrum gegen Rechtsextremismus aufzubauen. ({4}) Jedoch konnte er anscheinend die mit Scheuklappen geführten innerparteilichen Diskussionen nicht bestehen. So hat er aus dem ursprünglichen Terrorabwehrzentrum gegen rechts einen Mischmasch gemacht, indem er Linksextremismus und Ausländerfeindlichkeit unter das gleiche Dach gestellt hat. So ist es nicht effektiv. Das allein zeigt, dass der Bundesinnenminister kein in sich geschlossenes Konzept für die Abwehr von Rechtsextremismus hat, sondern die alte ideologische Schlacht weiterführt. Das ist nicht zielführend, meine lieben Damen und Herren. ({5}) Als die rechtsextremistische NSU-Mordserie bekannt wurde und der Innenausschuss erstmals darüber aufgeklärt wurde, stand für mich fest: Wir haben keinen Überwachungsstaat, was aber nur den Rechtsextremismus betrifft. Im NSU-Untersuchungsausschuss haben die bayerischen Sicherheitsbehörden erklärt, wie viele Millionen Daten von Bürgerinnen und Bürgern sie gesichtet und bewertet haben. Sie haben viele Kreditkarten und Telefonverbindungen von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern überprüft. Gleichzeitig jammern die Sicherheitsbehörden gemeinsam mit Herrn Friedrich, dass ihnen die Hände gebunden seien, weil sie keine Vorratsdatenspeicherung haben. Die Sicherheitsbehörden haben schon nach geltendem Recht viel zu viele Möglichkeiten, in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen. Sie können Dönerbuden betreiben, Geisterbeschwörer beschäftigen und Telefondaten der Terrorbande löschen lassen, damit sie angeblich nicht doppelt gespeichert werden. Was sie nicht können, ist ein vernünftiger Umgang mit den vorhandenen Akten über Rechtsextremisten. Da müssen sie besser werden. ({6}) Der Verfassungsschutz schreddert zuerst Hunderte Akten und anschließend seine führenden Köpfe weg. Der Bundesinnenminister hat seinen Laden nicht mehr unter Kontrolle. Er und seine Behörden müssen qualifizierter arbeiten und ihrem Haushalt endlich gerecht werden. Unsere Sicherheitsbehörden werden ideologisch falsch ausgerichtet. So kontrollieren sie bei einer Demonstration gegen Nazis in Dresden 200 000 Telefonate. Es gelingt ihnen aber nicht, andere Bereiche zu überwachen. Liebe Freundinnen und Freunde, ich komme zum Schluss. Die Bundeskanzlerin muss erklären, was sie in ihrer siebenjährigen Kanzlerschaft für die Sicherheitsarchitektur unseres Landes und für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unserer Bürgerinnen und Bürger getan hat. Wohin Sie auch gucken, gibt es Pleiten, Pech und Pannen - und auch selbstherrliche Geheimdienste. Das ist Ihre innenpolitische Bilanz, meine Damen und Herren. Die Bundeskanzlerin muss sich öffentlich dazu stellen und das auch verantworten. Der staatliche Geldbeutel soll nicht für ethnische Rasterfahndung, Nacktscanner, Vorratsdatenspeicherung oder anderen Überwachungsdrang geplündert werden. ({7}) Stattdessen soll nachhaltig in die personelle und strukturelle Erneuerung der Sicherheitsarchitektur unseres Landes investiert werden. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Kollege, als Sie „liebe Freundinnen und Freunde“ gesagt haben, hat sich das Gesicht des Innenministers dann doch aufgehellt. ({0}) Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Dr. Günter Krings. Bitte schön, Dr. Günter Krings. ({1})

Dr. Günter Krings (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn, wie das berühmte Zitat heißt, der Bundeshaushalt das Schicksalsbuch unserer Nation ist, dann spiegelt der Einzelplan 06 vor allem die Gefahren wider, vor denen wir die Menschen in unserem Land schützen wollen. 4 Milliarden Euro geben wir dazu etwa für die Sicherheitsbehörden aus. Das ist in diesem Bundeshaushalt gut angelegtes Geld. Eine hohe Priorität innerhalb der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden hat natürlich und vollkommen zu Recht auch im Jahre 2013 die Aufarbeitung des furchtbaren und unerkannten Treibens der mörderischen NSUGruppe; daraus müssen wir auch Lehren ziehen. Ich bin froh, dass wir bei dieser Aufarbeitung in den letzten Tagen - genauer gesagt: am 8. November 2012 - einen wichtigen Schritt weitergekommen sind. An diesem Tag hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen Beate Zschäpe und vier weitere Personen erhoben. Jetzt hat hier vor allem - nicht nur, aber vor allem - die Justiz das Wort. Ich bin zuversichtlich, dass die Hauptverantwortlichen für die NSU-Morde ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Die Aufarbeitung dieser Mordserie ist aber nur eine Seite der Medaille. Ebenso wichtig ist es, Konsequenzen zu ziehen, um solche Gräueltaten für die Zukunft unmöglich zu machen. Das ist dann unsere ureigene Aufgabe, die Aufgabe des Gesetzgebers. Es ist an mehreren Stellen darauf hingewiesen worden: Der Bundeshaushalt enthält insgesamt etwa 25 Millionen Euro mehr zur Stärkung des Kampfes gegen den Rechtsextremismus. Es gibt also zusätzlich zu den vorhandenen Mitteln in verschiedenen Titeln Aufwüchse. Frühzeitig hat insbesondere der Bundesinnenminister wichtige Maßnahmen getroffen. Ich nenne die Einrichtung einer Rechtsextremismusdatei und den Aufbau des Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus. Darauf dürfen und sollten wir uns aber nicht ausruhen. Die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern muss weiter deutlich verbessert werden. Das gilt insbesondere für die Bekämpfung von rechtsextremen Straf- und Gewalttaten. Wir haben aber in den letzten Jahren - Jahrzehnten kann man fast sagen - sehr schmerzhaft lernen müssen, zuletzt beim Thema NSU: Es kann gefährlich, ja, es kann lebensgefährlich sein, sich immer nur mit den Gefahren und Anschlagsmustern von gestern zu beschäftigen. Wir sollten deshalb, wie ich finde, alles daransetzen, künftig die ganze Bandbreite extremistischer Gefahren hinreichend ernst zu nehmen. ({0}) Der Bundesinnenminister hat daher Unterstützung und eben keine besserwisserische Kritik aus der Opposition dafür verdient, dass er vergangene Woche ein Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum in Betrieb genommen hat. Das war eine richtige und wichtige Entscheidung. ({1}) Wenn es beim Rechtsextremismus notwendig und richtig ist, besser zusammenzuarbeiten, dann gibt es kein sachliches Argument, warum das beim Linksextremismus oder beim Ausländerextremismus schädlich sein soll. ({2}) Es gibt sehr unsachliche Argumente - die vorzubringen, das können Sie schon gut -; aber es gibt eben kein sachliches Argument dafür. Trotz all der Gräueltaten, die wir in den letzten Jahren zur Kenntnis haben nehmen müssen, kann man doch nicht andere Bereiche komplett ausblenden. Das heißt nicht, unangemessene Vergleiche anzustellen; aber man sollte alle Gefahren ernst nehmen. Schauen wir uns etwa die Ausschreitungen von PKKAnhängern im September in Mannheim an - das ist gar nicht so lange her -; dabei wurden 80 Polizisten verletzt, zum Teil schwer. Auch das dürfen wir nicht ignorieren. Auch Gefahren wie diese müssen wir ernst nehmen, zum Wohle und zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger. Für die entschlossene Maßnahme, dieses Abwehrzentrum zu gründen, möchte ich unserem Innenminister im Namen meiner Fraktion ausdrücklich danken. Ich freue mich, dass immerhin 10 der 16 Bundesländer an diesem Gemeinsamen Abwehrzentrum aktiv beteiligt sind. Diese Länder haben erkannt, dass beim Verfassungsschutz und bei der Bekämpfung politischer Straftaten jedes Land alleine nur einen eng begrenzten Ausschnitt der Wirklichkeit wahrnehmen kann und dass man in Kooperation einfach mehr erkennt. Ich habe kein Verständnis für die übrigen sechs Länder, die sich dieser effektiven Zusammenarbeit verweigern. Die sechs Innenminister dieser Länder, SPD-Innenminister, reden nur über eine bessere Architektur der Sicherheitsbehörden, während der Bundesinnenminister gemeinsam mit zehn Länderkollegen aktiv handelt. Wenn es einen Bereich gibt, in dem föderale Eitelkeiten keinen Platz haben dürfen, dann ist es die Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. ({3}) Gerade die bestialische Mordserie des NSU mahnt uns doch, dass wir niemals mehr in die Lage kommen dürfen, den Angehörigen eines Opfers mitteilen zu müssen, dass die Verhinderung oder zumindest die rasche Aufklärung einer Bluttat an unterschiedlichen Länderzuständigkeiten gescheitert ist. ({4}) Es reicht eben nicht, wenn Sie, Herr Kollege Oppermann, fordern - ich zitiere; das war vor einer Woche -, „dass Extremismusbekämpfung Geschlossenheit braucht“. Die SPD muss sich eben auch dementsprechend verhalten. Selten waren folgenloses Schwadronieren und verantwortliches Handeln so klar voneinander zu trennen wie in diesen Tagen, als Hans-Peter Friedrich dieses Abwehrzentrum in Betrieb genommen hat. Vielen Dank noch einmal dafür! ({5}) Meine Damen und Herren, ich wollte meine Themen eigentlich in einer anderen Reihenfolge ansprechen. Aber die zum Teil böswilligen Wortverdrehungen aus den Reihen der Opposition bewegen mich, schon an dieser Stelle etwas zum Thema Asylrecht zu sagen. Das Asylrecht ist ein Thema, das viele Städte und Gemeinden - übrigens auch solche, die von SPD- und Grünen-Bürgermeistern geführt werden - derzeit sehr beschäftigt. Wir verzeichnen objektiv seit einigen Monaten stark ansteigende Asylbewerberzahlen in Deutschland. Das wird von Teilen der Opposition, nicht von allen, bestritten. Ich habe gerade bei Welt-Online folgende berichtigte Meldung von dapd vom 12. Oktober 2012 gelesen - ich zitiere -: Nach Berichten über einen starken Zustrom von Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien fordert der SPD-Innenexperte Michael Hartmann ein konsequentes Durchgreifen gegen gezielten Asylmissbrauch. ({6}) Hier sollte mit der nötigen Strenge ein Signal gesetzt werden, sagte Hartmann am Freitag im Südwestrundfunk … Der SPD-Politiker sprach von „gewissenlosen Banden“, die Menschen vom Balkan nach Deutschland locken, um „eine gewisse Zeit in diesem System zu sein“. Das Bundesamt für Flüchtlinge in Nürnberg müsse diese Asylbewerber zügig zurückweisen, forderte Hartmann. ({7}) Man kann sich über manche Wortwahl, Herr Hartmann, streiten. Ich jedenfalls hätte es nicht so formuliert. Mir ist aber schleierhaft, wie Sie vor dem Hintergrund Ihrer Worte von Oktober den Innenminister in der Form wie gerade angreifen können. ({8}) Die aktuellen Zahlen für den Oktober sind besorgniserregend. In diesem Monat haben wir einen deutlichen Anstieg zu verzeichnen. Es wurden ungefähr 10 000 neue Anträge auf Asyl gestellt. Es ist in der Tat so, dass die vorhandenen Aufnahmeplätze in vielen Kommunen längst überfüllt sind. Ich habe vor einigen Wochen in meinem Wahlkreis Mönchengladbach das Technische Hilfswerk besucht. Mit viel ehrenamtlichem Engagement hat man dort Flüchtlinge aufgenommen, und zwar, Herr Kilic, unter menschenwürdigen Bedingungen. Ihre Aussage finde ich nicht in Ordnung, auch wenn Sie es so nicht gemeint haben. Ihre Worte können indirekt so verstanden werden, dass Sie das ehrenamtliche Engagement nicht schätzen. Ich nehme zur Kenntnis, dass es nicht so gemeint ist. Aber mir ist es wichtig, dieses ehrenamtliche Engagement, auch des THW, noch einmal zu loben. Dort waren übrigens keine Politiker Ihrer Fraktion zu Besuch. Ich habe mir angesehen, unter welchen Bedingungen gearbeitet werden muss. Es war wichtig, dass wir beispielsweise das Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgestockt haben. Es ist auch wichtig, dass wir klar zum Asylrecht stehen. Aber jedes Grundrecht hat Tatbestandsvoraussetzungen. Diese erfüllen die Flüchtlinge aus Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Serbien nicht. Die Anerkennungsquote liegt zu Recht bei unter 1 Prozent. Es sind Armutsflüchtlinge - ich verwende den Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ bewusst nicht -, und diese sind von Asylbewerbern und Asylberechtigten zu unterscheiden. Eine solche Unterscheidung müssen wir vornehmen. Wer das nicht tut, missachtet das Asylrecht und schätzt es gering. Genau diese Unterscheidung nimmt der Bundesinnenminister vor. Das ist gut und wichtig für die Debatte in unserem Land. ({9}) Ich muss zum Schluss kommen. Aber ich möchte noch einen Aspekt nennen. Unsere Aufgabe ist es, mit der Europäischen Union in den entsprechenden Regionen zu helfen, damit die Menschen dort besser leben können. Es ist mir aber unerklärlich, wie wir Beitrittsoder Vorverhandlungen mit Ländern führen können, die wir als nichtsichere Herkunftsstaaten ansehen. Wenn Sie offenbar davon ausgehen, dass es zu massenhaften politischen Verfolgungen in den erwähnten Ländern kommt, dann müssen Sie doch sofort fordern, die Beitritts- oder Vorverhandlungen zu stoppen. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir anerkennen, dass es sich hier nicht um politische Verfolgung, sondern um wirtschaftliche Gründe, um Armutsgründe handelt. Das müssen wir unterscheiden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Krings, Sie können gerne weitersprechen, aber ich mache Sie darauf aufmerksam: Das geht dann zulasten Ihrer Fraktionskollegen aus der Fraktion.

Dr. Günter Krings (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das möchte ich nicht. - Ich möchte einen Schlusssatz sagen. Sie mögen reden, wir aber handeln verantwortlich in der Innenpolitik. Das war in den letzten drei Jahren so, das wird im nächsten Jahr und auch in der kommenden Wahlperiode so sein. Diese Koalition wird in diesem Sinne weiterarbeiten. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Gerold Reichenbach für die SPD-Fraktion. ({0})

Gerold Reichenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003615, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Krings, zu Ihren Ausführungen nur so viel: Wenn sich ein Abgeordneter der Union hier hinstellt und sich darüber beklagt, dass zu viele Nichtasylberechtigte nach Deutschland kommen und in Deutschland bleiben, dann ist das eine öffentliche Rüge Ihres Innenministers; denn er ist für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Asylbewerber zuständig. Sie machen keine Aussage darüber, welche Bedrohung auf unser Land zukommt. Ihre Ausführungen zeigen nur, dass der zuständige Minister seine Aufgaben nicht wahrnimmt. Das ist schon ein bezeichnender Vorgang. ({0}) Wir diskutieren nun über den Etat des Bundesinnenministers. Der Etat ist ein Stück weit Ausdruck der Politik dieser Regierung. Auf dem Feld des Innern bewegen wir uns zwischen Freiheit und Sicherheit. Wenn wir uns diesen Etat anschauen, dann erkennen wir, dass er genau das widerspiegelt, was die Politik des Innenministers und der Koalition in diesem Bereich ausmacht: Konzeptlosigkeit und Orientierungslosigkeit. Die einzige Orientierung, die diese Koalition kennt, ist die Klientel- und Lobbybefriedigung. ({1}) Schauen wir uns einmal den Vorgang rund um das Melderecht an. Da haben die Koalitionsfraktionen auf Zuruf der entsprechenden Adresshandelswirtschaft schnell noch einmal den Gesetzentwurf geändert, um den Adresshändlern möglichst ungehindert Zugang zu den Daten der Bürger bei den Melderegistern zu verschaffen. ({2}) Das Interessante war, dass dann die Bundeskanzlerin erklärt hat, sie hoffe nun darauf, dass die SPD diesen Unsinn im Bundesrat wieder rückgängig macht. ({3}) Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Die Bundeskanzlerin erklärt im Grunde nichts anderes: Ich habe meine Koalition und meine Regierung so wenig im Griff, dass die SPD im Bundesrat den Unsinn, der hier verzapft worden ist, wieder rückgängig machen soll. - Das ist doch das klare Signal an die Bevölkerung: Lasst doch die SPD gleich regieren, dann passiert so ein Unsinn im Datenschutzbereich nicht! ({4}) Wenn ich mir den Beschäftigtendatenschutz anschaue, dann kann ich nur sagen: Man kann an dieser Stelle nur froh sein, dass die Regierung nichts zustande bringt. Denn das Gesetz, das Sie offensichtlich auf den Weg bringen wollten und das nun in der Koalitionspipeline klemmt, hat ja mit Beschäftigtendatenschutz nichts zu tun. Das ist ein Beschäftigtenschnüffelgesetz. Sie räumen den Arbeitgebern mehr Rechte zur Überwachung ein als der Polizei. ({5}) Und wie sieht es in den anderen Bereichen aus? Schauen Sie sich doch einmal Ihr Prestigeobjekt an, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie von der FDP haben eben formuliert, Sie hätten die Stiftung Datenschutz jetzt endlich über die Rampe gebracht. Nein, Sie haben sie über die Klippe gestoßen. Die Glaubwürdigkeit und die Akzeptanz dieser Stiftung sind doch bereits zerschellt, bevor sie überhaupt ihre Arbeit aufgenommen hat. ({6}) Alle Datenschutzbeauftragten haben erklärt, dass sie in dieser von der Wirtschaft sowohl in der Finanzierung als auch in der personellen Besetzung dominierten Stiftung keinen Sinn sehen. ({7}) Deswegen ist es auch nur konsequent, dass sich keine Oppositionsfraktion bereit erklärt, als Aushängeschild für diese Stiftung zu dienen. Werfen wir einen Blick auf die Fakten: Von 28 Vertretern stammen 14 aus der datenverarbeitenden Wirtschaft. Die Stiftung ist mit einmalig 10 Millionen Euro ausgestattet, ({8}) und davon dürfen gerade einmal 200 000 Euro im Jahr an die Stiftung gegeben werden. Den Rest muss sie sich verdienen, indem sie Produkte an die Wirtschaft verkauft, die sie eigentlich zertifizieren soll. ({9}) Hier ist vom Datenschutz nichts mehr übrig geblieben. Das Einzige, was noch vorhanden ist, Frau Kollegin, ist eine geringe Finanzausstattung, um eine hauptamtliche Geschäftsführung mit entsprechendem Apparat unterzubringen. ({10}) - Ich verstehe ja, dass Sie sich aufregen. Aber die Mittel, die für die Stiftung übrig geblieben sind, bieten eine weitere Möglichkeit, künftig ehemalige Mitarbeiter aus der FDP und den Koalitionsfraktionen im Staatsdienst auf Kosten der Steuerzahler unterzubringen. ({11}) Nichts anderes ist von Ihrer Stiftung übrig geblieben. ({12}) Herr Minister, jetzt kommen wir zum Thema „innere Sicherheit“. Das THW ist bereits angesprochen worden. Wir alle wissen, was wir an dem Technischen Hilfswerk haben. Deswegen bedanken wir uns auch. Das aber, was Sie hier vorgetragen haben, lässt schon auf eine ganz besondere Art der Belohnung schließen. Das Ministerium streicht dem THW 2 Millionen Euro; im Innenausschuss bestätigen die Koalitionsfraktionen diese Streichung sogar, mit der rühmlichen Ausnahme des Kollegen Mayer. Erst in der Haushaltsausschusssitzung werden die 2 Millionen Euro dem THW zurückgegeben, übrigens mit den Stimmen aller Fraktionen; die SPD hatte dies im Innenausschuss beantragt. Das ist eine seltsame Form der Belohnung. Das ist ungefähr so, als ob ich Ihnen 2 Millionen Euro aus der Tasche klaue, anschließend Ihnen die 2 Millionen Euro wiedergebe und dann sage: Jetzt habe ich Sie belohnt. ({13}) Es ist seltsam, wie diese Regierung mit dem Ehrenamt umgeht und ehrenamtlich Tätige fördern will. Ich nenne ein zweites Beispiel. Sie streichen den Freiwilligen bei den Feuerwehren und den Hilfsorganisationen seit Jahren die Gelder. Jedes Jahr sparen Sie im Bereich der Beschaffung 2 Millionen Euro; in der Summe haben Sie ihnen bereits über 6 Millionen Euro genommen. Diese Mittel fehlen bei der Finanzierung von Fahrzeugen, die gebraucht werden. Da frage ich mich: Was ist das für eine Motivation für die Ehrenamtlichen? - Die Begründung der Koalition lautet: Wir müssen sparen. In der Bereinigungssitzung findet die Koalition aber an einer anderen Stelle plötzlich 2 Millionen Euro, um damit wiederum Klientelbefriedigung zu betreiben, um beispielsweise einen Verein mit Mitteln zu versorgen, obwohl sie in der Haushaltsausschusssitzung nicht einmal erklären konnte, was der Verein denn genau macht. Und dann sagen Sie hier, Herr Minister, Ihre Aufgabe sei es, das Geld effizient und zielgerichtet einzusetzen. Da frage ich mich: Wo wäre das Geld denn besser und effizienter eingesetzt als zur Unterstützung der Ehrenamtlichen bei den Feuerwehren, beim Roten Kreuz und bei anderen Hilfsorganisationen, die genauso hervorragende Arbeit leisten wie das THW und bei denen wir uns ebenfalls bedanken müssen? Das Einzige, was diese Regierung beim Thema „innere Sicherheit“ zu bieten hat, ist das, was sie auch bei den Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen gemacht hat: Mittel streichen und Klientel befriedigen. Damit bringen Sie die innere Sicherheit in unserem Lande nicht voran. ({14}) Bei Datenschutz und Rechtsstaatlichkeit ist es bei dieser Koalition ohnehin zappenduster. Deswegen werden wir diesen Haushalt mit Fug und Recht ablehnen und den Bürgern draußen im Lande sagen, was Sie hier im Bundestag treiben. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Stephan Mayer das Wort. ({0})

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Mit dem Etat des Bundesinnenministeriums kommt wieder einmal deutlich zum Ausdruck: Die christlich-liberale Regierung und die CDU/CSU- und FDP-Bundestagsfraktionen sind verlässliche Garanten für die innere Sicherheit und für eine zeitgemäße, solide und qualitativ hochwertige Innenpolitik in Deutschland. ({0}) Das wird schon allein dadurch deutlich, dass es trotz der notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen im Bundeshaushalt eine Erhöhung der Haushaltsmittel des BMI von 5,49 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 5,844 Milliarden im nächsten Jahr geben wird. Es wurde schon mehrfach erwähnt: Der Schwerpunkt dieses Haushalts liegt auf der inneren Sicherheit. Ich glaube, es kann sich wirklich sehen lassen, dass dem Bundeskriminalamt im kommenden Jahr 29 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen als in diesem Jahr, der Bundespolizei sogar 149 Millionen Euro mehr. ({1}) Diese Mittel stehen ausschließlich für eine bessere Ausstattung mit Fahrzeugen und Gerätschaften, für eine bessere EDV-Ausstattung und für die längst überfällige Verbesserung der Liegenschaften zur Verfügung. ({2}) Stephan Mayer ({3}) Wir tragen hier der Notwendigkeit Rechnung, die Bundespolizei und unsere Sicherheitsbehörden besser auszustatten. Ich glaube, das kann sich wirklich sehen lassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Technische Hilfswerk ist schon einige Male erwähnt worden. Ich möchte als Präsident der THW-Bundesvereinigung nicht hintanstehen, hier allen Fraktionen, insbesondere den Haushaltspolitikern, ganz herzlich zu danken. So kontrovers die Innenpolitik an sich immer ist, so einig ist man sich Gott sei Dank, wenn es um die bessere Ausstattung des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes in Deutschland geht. Es stehen in diesem Jahr 2 Millionen Euro mehr für die Ortsverbände zur Verfügung; diese Mittel werden im kommenden Jahr verstetigt. Ich muss aber ehrlich gestehen: Ich finde es schon etwas unglücklich und perfide, dass der Kollege Reichenbach zusammen mit der Kollegin Fograscher am 24. Oktober eine Pressemitteilung veröffentlicht hat, in der sie sich lauthals darüber beschweren, dass die christlich-liberale Koalition die Mittel für das Ehrenamt, für das THW kürzt. Das stimmt einfach nicht. Zu diesem Zeitpunkt war es unter den Berichterstattern schon klar, dass es eine Erhöhung um 2 Millionen Euro geben würde. Ich finde, es ist einfach eine unredliche und unsägliche Vorgehensweise, hier die Ehrenamtlichen in den Ortsverbänden unnötigerweise zu verunsichern. ({4}) Es bestand überhaupt kein Grund zu dieser Verunsicherung; im nächsten Jahr wird es wieder 2 Millionen Euro mehr für das Technische Hilfswerk geben. ({5}) Mir ist sehr wichtig: Diese 2 Millionen Euro stehen ausschließlich den Ortsverbänden zur Verfügung, für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit vor Ort, für eine Verbesserung der Fort- und Ausbildung, vor allem auch für eine Erhöhung der Selbstbewirtschaftungsmittel. Wir werden hier der Notwendigkeit gerecht, dem THW stärker unter die Arme zu greifen. Das Technische Hilfswerk befindet sich angesichts der Aussetzung der Wehrpflicht und der demografischen Entwicklung in einer schwierigen Phase und steht vor einer Zäsur. Hinzu kommen mehr Einsätze sowohl im Inland als auch im Ausland. Derzeit ist das THW - auch mit ehrenamtlichen Helfern - zum Beispiel im größten Flüchtlingslager in Jordanien im Einsatz, in dem syrische Flüchtlinge betreut werden. Auch im Inland kommt das THW hilfreich zum Einsatz, zum Beispiel wenn Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit dem zusätzlichen Ansturm von Asylbewerbern überfordert sind. Ich nenne nur die Lager und Einrichtungen in Mönchengladbach, in Dortmund und auch in Bielefeld als Beispiele. Die Kommunen vor Ort waren überfordert, und das Technische Hilfswerk ist eingesprungen. Ich danke allen herzlich, die das ermöglicht haben. In dieser Debatte wurde deutlich, dass die Innenpolitik bei CDU/CSU und FDP in guten Händen ist. ({6}) Pressemitteilungen von Kolleginnen und Kollegen beispielsweise zum Technischen Hilfswerk sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Sie können als Unkenrufe abgetan werden. Apropos Unkenrufe: Gleiches gilt für die Äußerungen der Opposition zur Arbeit unseres Bundesinnenministers. Wir haben einen Bundesinnenminister, der zuerst überlegt, bevor er sich artikuliert. ({7}) Wir haben einen Bundesinnenminister, der konsequent handelt. Besonders Sie, Herr Hartmann, haben sich mit Äußerungen hervorgetan. Sie reichen von „Sie nehmen das Themenfeld nicht ernst“ über „Es wäre Zeit für einen entschlossenen Innenminister; wir brauchen da einen anderen Schlag“ bis zu „Profilierungsversuch zur Unzeit“, als es um die Verbesserung der Zusammenarbeit im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum ging. ({8}) Herr Kollege Hartmann, mir fehlt bei Ihnen der rote Faden. Das ist heute wieder offenkundig geworden. Sie versuchen auf perfide Art und Weise, dem Bundesinnenminister zu unterstellen, er würde Ressentiments gegen Ausländer und Asylbewerber schüren. Dabei haben Sie selbst ausweislich einer Mitteilung von Welt-Online vom 12. Oktober von Asylmissbrauch und gewissenlosen Banden gesprochen, die Asylbewerber aus Mazedonien und Serbien nach Deutschland transportieren. In dieser Debatte ist deutlich geworden, dass es fatal wäre, wenn die Innenpolitik in Deutschland in andere Hände fiele. Wir haben einen Innenminister, der zuerst überlegt, bevor er konsequent handelt. Er hat entsprechende Vorschläge unterbreitet, beispielsweise zur Reform des Verfassungsschutzes. ({9}) Ich möchte in aller Offenheit sagen: Mir fehlt das Verständnis dafür, dass die Länder angesichts der ungeheuerlichen Erkenntnisse über den NSU-Terror nicht bereit sind, enger zusammenzuarbeiten. Wenn ein Rückschluss aus den Schreckenstaten des NSU gezogen werden kann, dann der, dass unsere Sicherheitsbehörden trotz Föderalismus enger und intensiver zusammenarbeiten müssen. ({10}) Mir fehlt die notwendige Bereitschaft vonseiten einiger Länder. Ich kann in keiner Weise nachvollziehen, dass sich die Landesinnenminister von sechs Bundesländern der Mitarbeit im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum verweigern. Das ist nicht in Ordnung. Damit wird die innere Sicherheit in Deutschland ausgehöhlt. Stephan Mayer ({11}) Gestatten Sie mir noch ein paar Worte zum Thema Datenschutz. Wir haben konsequent gehandelt, indem wir die Stiftung Datenschutz auf den Weg gebracht haben. ({12}) In wenigen Wochen wird diese Stiftung ihre operative Arbeit aufnehmen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie es einfach nicht ertragen können, dass wir im Bereich Datenschutz Erfolg haben. ({13}) Ich bin den Haushältern sehr dankbar, dass in der Bereinigungssitzung 205 000 Euro für drei weitere Stellen zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden. Ich sage in aller Deutlichkeit: Ich halte es für hanebüchen, dass sich die Oppositionsfraktionen durch die Bank der Mitarbeit im Beirat verweigern. Das ist nicht parlamentarisch. Neun Bundestagsabgeordnete sind in den Beirat zu berufen. Ich kann in keiner Weise nachvollziehen, dass die Oppositionsfraktionen ihrer Obliegenheit, Mitglieder zu benennen, nicht nachkommen. ({14}) Die Innenpolitik ist bei Hans-Peter Friedrich, der CDU/CSU und der FDP in guten Händen. Der Etat des Einzelplans 06 kann sich wirklich sehen lassen. In diesem Sinne hoffe ich auf eine große, überwältigende Zustimmung zu diesem Haushalt. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Hartfrid Wolff für die FDPFraktion. ({0})

Hartfrid Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003866, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können sehr zufrieden mit dem sein, was die Koalition gerade in der Innenpolitik geleistet hat. Lieber Herr Kollege Reichenbach, die Schreierei gerade zum Datenschutz ersetzt nicht den Blick in den Haushalt. Sie sollten einmal schauen, was die Stiftung Datenschutz tatsächlich bedeutet. ({0}) Wer hat sie denn geschaffen? Diese Koalition hat die Stiftung Datenschutz geschaffen. Den Sozialdemokraten fällt dazu an der Stelle nur ein, eine Verweigerungshaltung einzunehmen. Noch nicht einmal im Beirat wollen Sie mitmachen. Sie haben überhaupt kein Interesse, dass das ein Erfolg wird. ({1}) Insofern ist es, glaube ich, schon vernünftig, wenn ich noch einmal darauf hinweise, dass gerade diese Koalition hier im Haushalt zusätzliche Investitionen in die Stiftung Datenschutz vorgesehen hat. Also, Kollege, ein Blick in den Haushalt hilft. Um auf das zurückzukommen, was die Grünen gerade zum Aufenthaltsrecht gesagt haben: Als weltoffenes Land brauchen wir Fachkräfte und eine an klaren Kriterien ausgerichtete Zuwanderungssteuerung. Hier sind wir - ehrlich in der Sache und beharrlich, Herr Kollege in der laufenden Legislaturperiode einen sehr großen Schritt vorangekommen. Wir haben die Visawarndatei eingeführt, die rechtlichen Hürden für die Zuwanderung deutlich gesenkt und entbürokratisiert. Zugleich haben wir zusätzliche Integrationsanreize geschaffen. Der Paradigmenwechsel dieser Koalition in der Zuwanderungspolitik ist eine Erfolgsgeschichte. ({2}) Wir haben auch im Bereich des humanitären Zuwanderungsrechts Standards gesetzt, die gerade in der Zeit von Rot-Grün offensichtlich vergessen worden sind. Lieber Herr Kollege Kilic, es gibt erstmals ein Bleiberecht für Kinder und Jugendliche, und zwar unabhängig vom Aufenthaltsstatus ihrer Eltern. Wir haben gerade für zwangsverheiratete Frauen in Not einiges getan. Durch ein Rückkehrrecht erhalten sie endlich eine Chance, sich aus dieser Not zu befreien. Wo war da Rot-Grün? Nirgendwo war Rot-Grün. ({3}) Auch bei den Verhandlungen zum Asylbewerberleistungsgesetz werden wir unsere Vorschläge einbringen. Je früher gearbeitet und je schneller gelernt werden kann, desto besser - solange keine Anreize für Missbrauch geschaffen werden. Meine Damen und Herren, uns alle hier im Haus hat die Aufdeckung der Mordtaten des NSU ziemlich betroffen gemacht. Mit der Aufarbeitung im Untersuchungsausschuss setzen wir gemeinsam ein klares Zeichen gegen das Verbergen und Vergessen, gegen Antisemitismus und Intoleranz und für mehr Demokratie und Rechtsstaat. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass es so viele Fehler in den Behörden gegeben hat, dass unsere Sicherheitsarchitektur dringend und gründlich auf den Prüfstand muss. Wie kann es möglich sein, dass die Naziterroristen 13 Jahre im Untergrund lebten und ungehindert einen Mord nach dem anderen begingen? Wieso tauchen immer wieder neue Fakten über vernichtete Akten auf? Wurden Kriminelle gar von Sicherheitsbeamten gedeckt? Dem immensen Vertrauensverlust der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern muss durch eine gründliche Revision der Behörden selbst und der Strukturen der Zusammenarbeit entgegengetreten werden. Die Reaktion der Länder auf die nötige Reformdebatte zeugt aber eher von Zuständigkeitsdenken statt von der Bereitschaft, endlich nach Lösungen zur Schließung der Sicherheitslücken zu suchen. Die Anzahl und die Art der Zusammenarbeit der Behörden ist dringend reformbedürftig. Es muss rechtsstaatliche Standards für den V-Leute-Einsatz geben. Das bedeutet, dass die Aufbewahrung und Löschung von Akten bei Bund und LänHartfrid Wolff ({4}) dern standardisiert werden muss. Weiter brauchen wir dringend eine bessere Ausbildung für die Dienste, aber auch für die Sicherheitsbehörden. Gerade bei den Diensten sollte es eine zentrale Abschlussprüfung nach drei Jahren geben. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages muss gestärkt werden. Es kann nicht sein, dass man uns etwas vorenthält, dass einige Informationen bewusst vorenthalten und nicht geliefert werden. ({5}) Mehr Kontrolle, mehr Zusammenarbeit, bessere Strukturen und ein rechtsstaatliches Selbstverständnis können wieder Vertrauen schaffen. Nur so kann es auch gelingen, hier die Sicherheitsarchitektur neu aufzustellen. Meine Damen und Herren, Innenpolitik ist Gesellschaftspolitik. Deutschland ist in der Innenpolitik seit 2009 dank dieser Koalition deutlich vorangekommen, und die Erfolge sind sichtbar. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06 - Bundesministerium des Innern - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen sieben Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Wir beginnen mit vier Änderungsanträgen der Fraktion der SPD. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/11519. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPDFraktion und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/11520. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/11521. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/11522. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11505. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11518 ({0}). Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungs- antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge- gen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Einzelplan 06 - Bundesministerium des Innern - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt da- gegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim- men der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.6 auf: a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz - Drucksachen 17/10807, 17/10823 - Berichterstattung: Abgeordnete Alexander Funk Stephan Thomae Manuel Sarrazin b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht - Drucksachen 17/10823, 17/10824 Berichterstattung: Abgeordnete Alexander Funk Dr. Stefan Ruppert Manuel Sarrazin Zum Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Ewald Schurer für die SPD-Fraktion.

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, wie auch in der ersten Lesung, möchte ich dem Ministerium für die gute Vorbereitung aller Beratungen bis hin zur Bereinigungssitzung am 8. November danken. Ebenso möchte ich den Kolleginnen und Kollegen Mitberichterstattern für den guten und sachlichen Dialog danken. Die Bereinigungssitzung hat noch zu kleineren Änderungen geführt. Insgesamt haben wir in diesem Einzel25158 plan jetzt 484,3 Millionen Euro Einnahmen gegenüber 606,836 Millionen Euro Ausgaben. Das ist erwähnenswert; denn es ist ein Novum bei den Einzelplänen, dass die Deckungsquote bei knapp 80 Prozent - sprich: bei vier Fünfteln - der gesamten Ausgaben im Bereich Justiz liegt. Die notwendigen Änderungen beim Personal wurden von allen Fraktionen mitgetragen, weil es schließlich und endlich um die Arbeitsfähigkeit gewisser Funktionsteile des Justizministeriums und seiner nachgelagerten Behörden ging. Ich denke, das war politisch einsichtig. Gut ist, dass in 2013 die Einnahmen vor allen Dingen durch das Bundesamt für Justiz und das Deutsche Patent- und Markenamt der Prognose nach noch einmal um circa ein Zehntel, also 10 Prozent, steigen werden. Das ist gut für die Erfüllung und die Finanzierung der Aufgaben. Gut ist auch - darauf muss man hinweisen -, dass die bestehenden Ausgabenreste, die wir über viele Jahre in diesem Einzelplan 07 mitgeschleppt haben, auf ein realistisches Maß zurückgeführt worden sind, um damit vor allen Dingen die notwendigen Tarifanpassungen im Bereich des Bundesministeriums und seiner Behörden gegenzufinanzieren. Da haben wir handwerklich durchaus Fortschritte gemacht. Sehr geehrte Frau Ministerin, auf meine Anregung hin ist fraktionsübergreifend - danke auch an den Kollegen Funk von der Union! - beschlossen worden, dass wir den Ansatz bei Titel „Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“ nicht absenken, sondern aus evidenten politischen Gründen auf dem bestehenden Niveau belassen, um vor allen Dingen im Zusammenhang mit den grausamen Morden des NSU zumindest finanziell etwas Linderung zu schaffen. Die Verbrechen selbst kann man mit finanziellen Mitteln - das wissen wir alle nicht ungeschehen machen. Wir können damit nur versuchen, die gröbste Not der Menschen zu lindern. In diesem Zusammenhang möchte ich in dieser Debatte zum Justizhaushalt das aufgreifen, was Kollege Wolff von der FDP gerade zum Haushalt des Innenministeriums gesagt hat. Die Pannen und Unterlassungen im politischen Bereich und bei den verantwortlichen Instanzen im Zusammenhang mit den NSU-Morden haben sicherlich nicht nur der Öffentlichkeit aufgezeigt, dass es einen dramatischen Mangel an Koordination zwischen Bund und Ländern und auch zwischen den Ländern selbst gab. Diese haben beim größten Justizund Rechtsskandal der letzten Jahrzehnte kein gutes Bild abgegeben. Das, was gelaufen ist, hat viele Menschen mittelbar und unmittelbar erschüttert. Deswegen muss man auch in der Justizdebatte sagen und sagen dürfen, dass der Verfassungsschutz bei diesem Thema nicht dazu beigetragen hat, das Vertrauen der Menschen in den Staat und seine Instanzen, in die Gewaltenteilung zu fördern. Frau Minister, ich sage das in der Erwartungshaltung, dass das BMJ künftig alles Notwendige und Erdenkliche zur Gefahrenabwehr beiträgt und dafür sorgt, dass Extremismus, vor allen Dingen Rechtsextremismus, bekämpft werden kann. Ein weiterer Titel, zu dem ich etwas sagen möchte, ist die, wie ich finde, begrüßenswerte Ausbringung einer Verpflichtungsermächtigung, einer VE, für die Jahre 2014 und 2015, bei der es darum geht, in einem wissenschaftlichen Forschungsvorhaben endlich die Rolle des Justizministeriums in der NS-Vergangenheit aufzuarbeiten. Dies ist eine politisch notwendige Maßnahme, die eigentlich schon vor Jahrzehnten - da sollten wir alle selbstkritisch sein - hätte stattfinden müssen und sollen. Lassen Sie mich ein wichtiges Thema aufgreifen, das nach meiner Meinung gemeinhin zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, in den Medien aber doch beachtet wird. Es geht um die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter. Sie vereint die Bundesstelle und die entsprechende Länderkommission. Man muss sich einmal vorstellen: Insgesamt 360 sogenannte Gewahrsamseinrichtungen bei Bundespolizei, Bundeswehr und Zoll sind von dieser Stelle zu kontrollieren, zusätzlich 186 Justizvollzugsanstalten, 1 430 Polizeidienststellen in Deutschland und 245 psychiatrische Krankenhäuser. Werte Kolleginnen und Kollegen, angesichts von fünf ehrenamtlichen Mitgliedern dieser Kommission und drei wissenschaftlichen Mitarbeitern nebst einer Bürokraft lässt sich nun wirklich nicht von einer ausreichenden bzw. hinreichenden Amtsausstattung dieser Behörde sprechen. Folter gibt es leider auch im demokratischen Rechtsstaat - dessen müssen wir uns bewusst sein - und kann in Einzelfällen bei Bediensteten nie ganz ausgeschlossen werden. Öffentliche Anschuldigungen via Medien - das wissen wir alle - sind ausreichend Beleg hierfür. Den Änderungsantrag von uns Sozialdemokraten, das hierfür vorgesehene allzu knappe Budget von 300 000 Euro zu erhöhen, hat die Koalition leider nicht mitgetragen. Das bedaure ich nachhaltig und sehr. ({0}) Mein letzter großer Punkt ist ganz anders positioniert und motiviert. Frau Minister, für Millionen von Menschen sind derzeit die Themen „Miete“, „Wohnraumentwicklung“ und „Mietrechtsänderungen“ existenziell. Das trifft die Leute in Mark und Bein. Die schwarzgelbe Regierung hat am 23. Mai 2012 im Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Mietrechtsänderung beschlossen. Zwischenzeitlich wurde er nach einer Expertenanhörung gestoppt. Offensichtlich waren neue Erkenntnisse vorhanden. Das ist im Grundsatz gut. Wie diese neuen Erkenntnisse seitens der Regierung umgesetzt werden sollen/wollen/können, ist aber noch nicht so recht ans Licht der Öffentlichkeit gekommen. Deswegen haben Sie erst einmal die zweite und dritte Lesung des Entwurfs Ihres Änderungsgesetzes abgesetzt. ({1}) „Gott sei Dank!“ werden viele Menschen denken. ({2}) Das gilt aber nur temporär. Was danach materiell kommt, wissen wir nämlich noch nicht. Ich will eines sagen - denn das, Frau Minister, enttäuscht mich schon -: Ich habe von Schwarz-Gelb etwas mehr soziale Verantwortung erwartet. ({3}) - Vielleicht war das naiv. - Die von Ihnen beabsichtigte einseitige Lastenverschiebung hin zu den Mieterinnen und Mietern verschärft vor dem Hintergrund der allseits bekannten Verteuerung von Wohnraum ohne Zweifel die soziale Schieflage im Land. Nach der Lehman-Pleite und angesichts der Wirtschaftskrise investieren heute viele Menschen in Wohnungen und nicht mehr so sehr in hochkarätige Zockinstrumente an den Börsen. Das hat zu einer nachhaltigen Verteuerung des Wohnraums geführt. Alleine die Luxussanierungen in Deutschlands Metropolen und Großstädten, aber auch in Mittelstädten - das ist ja keine Konstruktion - bedrohen heute in der Tat Hunderttausende Familien mit Kindern und Rentnerhaushalte. Dabei geht es um ihre Existenz in den betroffenen Citys. Denn durch Luxusmodernisierungen - das ist systemimmanent - werden die Wohnungen teuer und für normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unbezahlbar. ({4}) An dieser Stelle, Frau Minister, hat auch diese Regierung - ich sage das nicht mit übermäßiger Polemik eine große soziale Verantwortung für den sozialen Frieden im Lande; das gilt auch für die Rechtspolitik. Mit der Mietrechtsreform, die Sie planen, tragen Sie eher dazu bei, dass sich die Verwerfungen zwischen Arm und Reich vergrößern, statt sie zu vermindern. ({5}) In diesem Sinne bitte ich Sie, Frau Minister, noch einmal in sich zu gehen, nachzudenken und Ihre ursprüngliche Intention, einseitig die Mieter zu belasten, aufzugeben. Das wäre mein großer und dringender Appell an Sie. Das sollten Sie übrigens noch vor der nächsten Bundestagwahl tun. Sonst müssen wir auch das später rückgängig machen. Herzlichen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Stephan Thomae für die FDP-Fraktion. ({0})

Stephan Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004175, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst dem Dank, den der Kollege Schurer ausgesprochen hat, anschließen. Mein Dank gilt dem Ministerium, der Ministerin, dem Haushaltsreferat des Ministeriums und natürlich Ihnen, Kollege Schurer, als Hauptberichterstatter sowie den Kollegen Mitberichterstattern. Mein Dank gilt auch der Ministerin, die ihre Redezeit abgetreten hat, ({0}) damit zwei Mitglieder unserer Fraktion, Kollege Ahrendt und ich, heute zum Justizetat sprechen können. Die Demokratie ist der Körper unseres Staates, und der Rechtsstaat ist die Krone auf dem Haupt dieses demokratischen Staatskörpers. ({1}) In dem Gebäude, in dem wir uns heute befinden, ging der Kampf um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vor knapp 80 Jahren schon einmal verloren. Nun droht heute zwar - Gott sei Dank - keine Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat in Deutschland; aber vielerorts ist eine ganze Reihe von schweren Entscheidungen zu treffen, um Grundrechte zu schützen, gerade wenn verschiedene Grundrechte aufeinanderprallen. Wir werden diese Woche in diesem Hause noch eine Debatte über das Thema Beschneidung führen, wo es einerseits um den Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Kindern und andererseits um den Schutz religiöser Minderheiten geht. Die Regierung hat hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in dieser - wie ich meine extrem schwierigen Abwägungsfrage einen wirklich gut gangbaren Weg aufzeigt. Dafür meinen Dank an die Regierung! ({2}) An anderer Stelle geht es um die Freiheit im Netz einerseits sowie um den Schutz geistigen Eigentums und den Schutz von Verbrauchern vor Abo-Fallen im Internet andererseits. Auch das ist ein Bereich, wo vieles gegeneinander abzuwägen ist, wo Grundrechte aufeinanderstoßen. Solche netzpolitischen Fragen werden uns noch viele Jahre beschäftigen. Auf viele Fragen gibt es noch keine eindeutigen Antworten. Das muss erst wachsen, das muss erst entstehen, auch deswegen, weil vieles technisch noch im Fluss ist. Diese Regierung befasst sich ernsthaft mit diesen Fragen. Die Informations- und Kommunikationsfreiheit im Netz müssen geschützt werden. Aber etwa auch der Schutz geistigen Eigentums oder die Verbraucherrechte dürfen nicht unter die Räder geraten, wenn große Internetkonzerne oder schlaue Onlineunternehmer mit dem Netz oder im Netz Geschäfte machen. Darum kümmert sich diese Regierung. Herr Kollege Schurer, Sie haben gerade bemängelt, dass die Koalition nicht bereit sei, den Änderungsantrag der SPD auf Erhöhung der Mittel für die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter mitzutragen. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle korrigierend anzumerken, dass die Justizministerkonferenz von Bund und Ländern am 15. November dieses Jahres, also erst vor wenigen Tagen, hier in Berlin beschlossen hat, dass das Vorsitzland unter Beteiligung des Bundes prüfen soll, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Verbesserung der Ausstattung der Kommission notwendig erscheint. Man hat beschlos25160 sen, dass der Konferenz der Amtschefs am 24. und 25. April 2013 in Freiburg ein Vorschlag unterbreitet werden soll. Ihr Vorschlag kommt also einerseits reichlich spät - erst heute Vormittag lag er vor -, andererseits aber auch viel zu früh, weil erst im April zu entscheiden sein wird, ob diese Maßnahme durchgeführt wird. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass wir diesem Änderungsantrag heute nicht zu folgen vermögen. Ein paar Eckdaten haben Sie schon genannt, Herr Kollege Schurer: Die Einnahmen des Einzelplans 07 - Bundesministerium der Justiz - steigen in diesem Jahr um knapp 10 Prozent. Wir haben eine hohe Deckungsquote, erfreulicherweise wieder um die 80 Prozent. Die Ausgaben sind ebenfalls deutlich gestiegen. An dieser Stelle will ich ganz kurz erläutern, warum der Etat des Bundesjustizministeriums so stark wächst. Der erste Grund ist - Sie haben ihn schon genannt, Kollege Schurer -: Aus früheren Jahre waren noch reichlich Ausgabenreste vorhanden. Das Parlament hat gewünscht, dass zunächst die Ausgabenreste verbraucht werden. Das hat das Justizministerium getreu dieser Auflage getan. Das heißt, der Justizhaushalt war in den letzten Jahren etwas unteretatisiert. Die Ausgabenreste sind aufgebraucht; deswegen muss der Einzelplan 07, der Etat des Bundesministeriums der Justiz, jetzt dem eigentlichen Bedarf entsprechend wachsen. Der zweite Grund ist: Der Justizhaushalt ist fast ein reiner Verwaltungshaushalt: Etwa drei Viertel davon sind Personalkosten. Es ist ganz klar, dass Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst da besonders stark zu Buche schlagen. Das ist mit ein Grund, weshalb in diesem Etat ein auffälliger Aufwuchs zu verzeichnen ist. Der dritte Grund ist: Liegenschaften des Bundes, die das Justizministerium nutzt - vor allem oberste Bundesgerichte wie der BGH, der Bundesfinanzhof, das Bundespatentgericht, das Bundesverwaltungsgericht -, werden in das Einheitliche Liegenschaftsmanagement des Bundes, das ELM, überführt. Damit entstehen nun Mietausgaben, die bisher nicht da waren. Bei einem so kleinen Etat wie dem des Bundesjustizministeriums schlägt das besonders stark zu Buche. Das ist ein Grund, weshalb dieser Etat etwas stärker anwächst als andere Etats. Lassen Sie mich ein paar Worte zu einigen Programmen des Bundesjustizministeriums verlieren. Eines haben Sie, Kollege Schurer, ebenfalls schon erwähnt: das Forschungsprojekt zur NS-Vergangenheit des Justizministeriums. Das ist ein, wie ich meine, sehr wichtiges Vorhaben der Justizministerin. Es geht darum, deutlich zu machen, dass wir nichts vertuschen wollen, sondern uns offensiv mit der dunklen Geschichte in Deutschland befassen wollen. Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist die Einrichtung einer Schlichtungsstelle für den Luftverkehr, die im Bundesamt für Justiz eingerichtet werden wird. Das ist ein wichtiges Verbraucherschutzprojekt. Denn wenn Flüge annulliert werden, wenn sie verspätet eintreffen oder überbucht sind, wenn Gepäck verloren geht, beschädigt wird oder verspätet eintrifft, dann können Verbraucher, dann können Fluggäste künftig diese Schlichtungsstelle anrufen und dort ihre Ansprüche geltend machen. Das Gesetz ist im Juli im Kabinett verabschiedet worden und gewährleistet eine günstige unbürokratische Erledigung solcher Ereignisse. Die Kosten hierfür tragen die Airlines. Das ist ein Beweis dafür, dass diese Regierung dieses lästige Ärgernis für die Fluggäste angeht und einen effektiven, effizienten und unbürokratischen Verbraucherschutz gewährleistet. So könnte ich noch eine ganze Reihe weiterer Punkte vortragen. Aber leider zeigt mir die Uhr an, dass meine Redezeit zu Ende ist. Ich danke nochmals dem Ministerium, der Ministerin sowie allen Kolleginnen und Kollegen für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Erarbeitung dieses, wie ich meine, vorbildlichen Etats. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Jens Petermann für die Fraktion Die Linke. ({0})

Jens Petermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004128, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Legislaturperiode geht nun in die letzte Runde. ({0}) Dieses Ziel vor Augen sollte uns Motivation sein, vielleicht doch noch einen kleinen rechtspolitischen Endspurt hinzulegen. In den verbleibenden Wochen könnten wichtige Initiativen auf den parlamentarischen Weg gebracht werden. Auch im Bundesjustizministerium hat die Schlussrunde begonnen. Die Linke wird Sie, Frau Ministerin, wie gewohnt zuverlässig konstruktiv-kritisch begleiten und natürlich auch ein paar Vorschläge unterbreiten. Nehmen wir zum Beispiel das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren! Vor gut zehn Jahren hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Gewährleistung eines schnellen Rechtsschutzes für Bürgerinnen und Bürger angemahnt. Auch die Bundesregierung wurde mehrfach hierzu aufgefordert. Das Ergebnis der gesetzgeberischen Bemühungen ist indes nicht mehr als ein schwachbrüstiger Kompromiss. ({1}) Die Zahlung einer Entschädigung von 1 200 Euro pro Jahr Verzögerung kaschiert nur die Symptome, aber packt das Übel leider nicht an der Wurzel. ({2}) Überlange Gerichtsverfahren sind vermeidbar. Darauf habe ich bereits in der damaligen Debatte hingewiesen. Eine bessere finanzielle Ausstattung der Justiz ist eine grundlegende Voraussetzung, um die Verfahrensdauer zu verkürzen. Leider ist die Botschaft damals bei Ihnen nicht angekommen. Die Auswirkungen dieser Gesetzgebung treiben seitdem einige Blüten. So hat beispielsweise das Land Niedersachsen in den Haushalt für das Jahr 2013 bereits 3,5 Millionen Euro für Entschädigungsleistungen wegen überlanger Gerichtsverfahren eingestellt. Das ist die falsche Richtung, Frau Ministerin. Motivieren Sie doch lieber die Länder dazu, die Justiz mit genügend Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auszustatten! Das wäre der richtige Weg, um das Problem überlanger Verfahren in den Griff zu bekommen. ({3}) Ihre Gesetzgebung hat leider einen anderen Weg vorgegeben. Sie zwingt nämlich dazu, Steuergelder für Entschädigungen zu verschwenden. Auch unser sehr gut ausgestattetes Bundesverfassungsgericht klagt über hohe Verfahrenszahlen und eine dadurch bedingte zu lange Verfahrensdauer. Der deswegen bestehende Leidensdruck hat dazu geführt, dass der Präsident und sein Vize die Fraktionen des Bundestages aufsuchten, um einen Entlastungsvorschlag zu unterbreiten. Sie haben damit die Suche nach einer Lösung für die Flut von über 6 000 Verfassungsbeschwerden im Jahr eröffnet. Entgegen einer naheliegenden Forderung nach mehr Personal für das Gericht und einem dritten Senat soll eine Mutwillensgebühr erhoben werden. Die Bürgerinnen und Bürger sollen also zahlen, wenn sie das Gericht mit vermeintlichem Unfug beschäftigen. Ob dieser Vorstoß unterstützenswert ist, Frau Ministerin, muss man sich wirklich gut überlegen. Mit dem Konstrukt einer Mutwillensgebühr würde der Zugang zum Gericht beschnitten. Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht muss allen Bürgerinnen und Bürgern, auch mit Blick auf den oft schmalen Geldbeutel, offen stehen. ({4}) Den von manchen als Querulanten angesehenen Beschwerdeführern, die als Einzelpersonen mitunter weit über 100 Verfahren ausgelöst haben, muss anders begegnet werden. Lassen Sie uns das in Ruhe besprechen und nach einer Lösung für dieses Phänomen suchen, die den Rechtsstaat nicht schwächt, Kolleginnen und Kollegen! ({5}) Ein Blick in den schwarz-gelben Koalitionsvertrag zeigt: Sie haben Ihre dort festgelegten Ziele tatsächlich fast vollständig umgesetzt. Allerdings gibt es keinen Grund, darauf besonders stolz zu sein; ({6}) denn wenn man seine rechtspolitische Messlatte bewusst niedrig ansetzt, ist es natürlich auch nicht sehr schwer, diese zu überspringen. Manche Initiative, die zulasten der kleinen Leute geht, hätten Sie uns besser erspart, zum Beispiel die Reform des Prozesskosten- und Beratungshilferechtes. ({7}) Sie unterstellen damit den Rechtsuchenden eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Rechtsweges. Ein anderes Beispiel ist die Reform des Mietrechts, mit der Sie gegen sogenannte Mietnomaden vorgehen wollen. Mit dem vorgelegten Entwurf bekommen Sie die tatsächlichen Probleme nicht in den Griff. Herr Kollege Schurer, Ihren Ausführungen ist insoweit nichts hinzuzufügen. Sie haben das wirklich ausführlich dargelegt. ({8}) Mit dem fragwürdigen Argument, es fände sonst eine Flucht in fremdes Recht statt, rechtfertigen Sie zudem die zunehmende Europäisierung des materiellen Rechts. Dies offenbart letztlich nur die Kraft und den Einfluss von Wirtschaftslobbyisten, die nicht die kleinen und mittelständischen Unternehmen vertreten, sondern vorrangig die Interessen der Großkonzerne wahrnehmen. In letzter Zeit häufen sich dahin gehende Initiativen und Gesetzentwürfe, zum Beispiel die Einführung von englischsprachigen Kammern für Handelssachen oder die Einführung der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung. ({9}) In keiner der bisherigen Debatten konnten Sie mit schlüssigen Argumenten davon überzeugen, dass diese Initiativen gerechtfertigt sind. ({10}) Dafür ist etwas anderes schlüssig belegbar: Müsste die Bundesrepublik Deutschland heute einen Antrag auf Aufnahme in die Europäische Union stellen, würde Brüssel die Aufnahme verweigern. Eigentlich unvorstellbar! Grund dafür ist ein Justizsystem, das aus dem 19. Jahrhundert stammt. Das wissen Sie, Frau Ministerin, sehr genau und haben darum eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit dieser Thematik befasst. In der Regierungskoalition interessiert das allerdings niemanden wirklich. Frau Ministerin, wir haben uns allerdings zwischenzeitlich gekümmert und das naheliegende Ergebnis Ihrer Arbeitsgruppe bereits gefunden. Meine Fraktion bringt in Kürze zwei Gesetzentwürfe zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ein. ({11}) Der preußische Justizminister Leonhardt - dem einen oder anderen wird er vielleicht bekannt sein - sagte einst: Solange ich über die Beförderungen bestimme, bin ich gern bereit, den Richtern ihre sogenannte Unabhängigkeit zu konzedieren. Das Zitat stammt aus dem 19. Jahrhundert, ({12}) ist aber leider noch immer aktuell. ({13}) An der Stellung der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hat sich seither nämlich kaum etwas geändert. ({14}) Was in einem Rechtsstaat nach dem Prinzip der Gewaltenteilung selbstverständlich sein sollte, nämlich eine unabhängige, selbstverwaltete dritte Gewalt, ist in Deutschland leider keine Realität. Damit bleibt die Gewaltenteilung ein Mythos. ({15}) Unsere europäischen Nachbarn, außer Tschechien und Österreich, haben sich von diesem Mythos längst verabschiedet und ihre Justiz durch Stärkung der Unabhängigkeit der Rechtsprechung von staatlichen Einflüssen verselbstständigt sowie diesbezügliche Hinweise des Europarates umgesetzt. Das sind die Realitäten, Kollege Krings. Der hierarchische Aufbau der Justiz und das Richteramtsrecht beruhen historisch auf dem Beamtenrecht. Das Beamtenrecht ist aber auf die Bedürfnisse der Staatsgewalt zugeschnitten und mit einer unabhängigen Justiz nicht vereinbar. Wir haben die Vorschläge des Deutschen Richterbundes und der Neuen Richtervereinigung für die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz und die Herstellung der Gewaltenteilung aufgegriffen. Zur Umsetzung sind Änderungen des Grundgesetzes und einzelgesetzlicher Regelungen auf Bundes- und Landesebene erforderlich. Das Grundgesetz hat die rechtsprechende Gewalt, also die gesamte Ordnung der Justiz, den Richterinnen und Richtern anvertraut. Tatsächlich aber werden die Gerichte als nachgeordnete Behörden der Ministerien betrachtet. Sie sind personell und sachlich von der Regierung abhängig und werden sozusagen wie eine Bauverwaltung gesteuert. Der politische Einfluss der Ministerien ist bekanntermaßen vorhanden und unbestritten erheblich. Er findet statt bei der Auswahl der einzustellenden Bewerberinnen und Bewerber, bei der Steuerung der Karrieren von Richterinnen und Richtern - besonders durch Entscheidungen über die Beurteilung, Beförderung und andere Personalmaßnahmen -, bei den Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften und entsprechenden Weisungsmöglichkeiten sowie bei der Entscheidung über die sächliche Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Das wollen wir ändern. Die Justiz soll von der Ministerialbürokratie organisatorisch unabhängig werden. ({16}) Die Gerichte und Staatsanwaltschaften sollen sich selbst verwalten, entscheiden eigenständig über benötigtes Personal, dessen Einstellung und über erforderliche Sachmittel. Richterwahlausschüsse sichern die demokratische Legitimation der Auswahl der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Die interne Verwaltung der Gerichte und Staatsanwaltschaften soll das Präsidium übernehmen. Die bisherigen Aufgaben der Ministerien übernimmt ein demokratisch legitimierter Justizrat des Landes bzw. des Bundes. ({17}) Das hierarchisch geprägte, veraltete Laufbahnprinzip und Beförderungsämter auf Lebenszeit sollen abgeschafft werden. Eine moderne und unabhängige Justiz erfordert die grundgesetzlich verankerte Einheitlichkeit der Richterämter. Alle Richter- und Staatsanwaltsämter sollen die gleiche Besoldungsgruppe erhalten. Für die Übernahme von Sonder- und Leitungsfunktionen kann eine zeitlich begrenzte höhere Besoldung gezahlt werden. ({18}) Mit diesen Gesetzentwürfen, die übrigens auch liberaler Politik gut zu Gesicht stehen würden, können wir unsere Justiz fit für die Anforderungen einer modernen Gesellschaft machen ({19}) und die auf den Gerichten und Staatsanwaltschaften liegende Staubschicht des 19. Jahrhunderts wegwischen. ({20}) Nebenbei würde die Bundesrepublik die im europäischen Einigungsprozess postulierte Vorbildfunktion auch im Bereich der Justiz umsetzen und die Aufnahmekriterien der Europäischen Union erfüllen. ({21}) Ich weiß, dass es der Koalition schwerfällt, über ihren Schatten zu springen ({22}) und einer Initiative der Linken zuzustimmen; das ist ja nicht neu. Hier geht es aber nicht um eine Doktorarbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deswegen ist die Tastenkombination „copy and paste“ ausdrücklich erwünscht. ({23}) Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({24})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es gelingt gelegentlich, die Präsidentin zu überraschen: Ihre Redezeit war noch gar nicht abgelaufen. Gut. Das Wort hat jetzt der Kollege Alexander Funk für die Unionsfraktion. ({0})

Alexander Funk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe selten so viel Unsinn über unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften gehört wie von Ihnen, Herr Petermann. ({0}) Ja, ich halte es geradezu für eine Unverschämtheit, dass Sie unseren Gerichten im Zusammenhang mit Beförderungen pauschal Käuflichkeit unterstellen. Wir haben eine unabhängige Justiz. Darauf können wir stolz sein. Deshalb weisen wir diesen Vorwurf mit aller Entschiedenheit zurück. ({1}) Ich danke als Hauptberichterstatter für das Bundesverfassungsgericht dem Direktor des Bundesverfassungsgerichtes, Herrn Weigl, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch hier ist es uns in gewohnt einhelliger Weise gelungen, den Neubezug des Dienstgebäudes angemessen zu finanzieren und die Organisationsstruktur des Gerichtes zu stärken und auszubauen. Ich bedanke mich hier für die gute Zusammenarbeit insbesondere bei meinen Kollegen Danckert, Ruppert, Sarrazin, aber auch bei dem Kollegen der Linken, Herrn Bartsch. Es war wie immer eine sehr konstruktive Diskussion. Auf der Grundlage des Zahlenwerks, das wir von der Regierung bekommen haben, konnten wir im Haushaltsausschuss, vor allem auch in der Bereinigungssitzung, noch einige Weichen stellen, um den Zug nicht aufs Abstellgleis fahren zu lassen. Es ist uns beim Einzelplan 07 gelungen, einen Etat aufzustellen, der wie alle Vorgängerhaushalte von unverrückbaren Ausgabeposten, besonders bei den Personalkosten, bestimmt und zudem vom generellen Spardiktat gekennzeichnet ist. Dennoch gab es Freiräume, die wir genutzt haben, um uns wichtige Akzente zu setzen. Der Etat des Bundesministeriums der Justiz für das kommende Jahr zeigt erneut, dass es möglich ist, mit relativ geringen Mitteln gesellschaftspolitische Ziele zu formulieren und umzusetzen. Dafür braucht man nicht immer Millionen- oder gar Milliardenbeträge. Lassen Sie mich einige wenige Punkte herausgreifen, die gerade von hoher Aktualität sind und den Justizetat direkt berühren. Uns alle beschäftigt die Mordserie der rechtsextremistischen Organisation NSU sowie die Aufklärung dieser Verbrechen. So, wie wir über die Morde erschüttert sind, sind wir entsetzt über die zahlreichen Pannen, die es bei der Aufklärung gegeben hat. So sehr uns die Existenz rechtsextremistischer Gruppierungen in unserem Land auch erschüttert, dürfen wir darüber die ganz konkreten Opfer und deren Angehörige nicht vergessen. Seit einiger Zeit gibt es im Justizetat den Titel „Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“ zur Entschädigung von Opfern links- und rechtsextremistischer Gewalt, der in den vergangenen Jahren kaum in Anspruch genommen wurde. Im Zusammenhang mit den NSU-Verbrechen hat sich nun der Mittelabruf massiv erhöht. Bis Anfang November dieses Jahres gingen rund 150 Anträge auf Härteleistungen ein. Dieser Situation haben wir Rechnung getragen und den Ansatz für den Titel, der eigentlich gesenkt werden sollte, auf 1 Million Euro verdoppelt und damit auf dem Niveau von 2012 festgeschrieben. Werfen wir einen Blick auf das, was wir im vergangenen Jahr noch euphorisch den arabischen Frühling genannt haben. Inzwischen sind im Hinblick auf die demokratische Entwicklung in Tunesien, Libyen und auch in Ägypten manche Blütenträume zerstoben. Der Nahe Osten ist nur in Grenzen demokratischer geworden. Stattdessen droht dieses Pulverfass zu explodieren. Die Stichworte „Israel“, „Gazastreifen“ sowie „Bürgerkrieg in Syrien“ deuten auf das Ausmaß der Gefährlichkeit hin. Gerade deshalb aber ist es wichtig, dass wir den Demokratisierungsprozess in der Region nachhaltig unterstützen. Ein bedeutsames Instrument hierfür ist die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, IRZ, die eine vorbildliche Arbeit beim Export deutschen Rechts in andere Länder und nun speziell in den arabischen Raum leistet. ({2}) Es ist uns gelungen, den Mittelansatz gegenüber dem Etatentwurf um weitere 364 000 Euro auf nunmehr 4,1 Millionen Euro aufzustocken. Damit bekennen wir uns zu unserer Verantwortung und leisten einen international anerkannten konkreten Beitrag zur Unterstützung der jungen und durchaus noch gefährdeten Demokratien im arabischen Raum. Nicht zu vernachlässigen ist dieser Aspekt: Die Beratung und Aufbauhilfe sind kein Selbstzweck, sondern für viele international aufgestellte Unternehmen ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Engagement im Ausland. Nur kurz erwähne ich einige andere Punkte, die nach meiner Überzeugung von erheblichem Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger sind. Wir haben das schon im Koalitionsvertrag formulierte Ziel umgesetzt, eine unabhängige und übergreifende Schlichtungsstelle für den Luftverkehr einzurichten. Das Bundesamt für Justiz bekommt im nächsten Jahr Personal- und Sachmittel in Höhe von 330 000 Euro. Damit kann nun diese Schlichtungsstelle eingerichtet werden. Sie kann in allen Fällen angerufen werden, in denen Airlines beteiligt sind, die nicht an privatrechtlichen Schlichtungen teilnehmen. Ein anderes Beispiel. Den wenigsten von uns werden die sogenannten weißen Karteikarten etwas sagen. Standesämter haben sie bis 2008 bei der Eintragung von nichtehelichen und einzeladoptierten Kindern angelegt. Mit Aufhebung einer Dienstanweisung fehlte eine Rechtsgrundlage zum Umgang mit diesen weißen Karteikarten. Es entstand ein langer Streit zwischen Bund und Ländern darüber, wer zuständig sei und wer für die Kosten aufkommen müsse. Wir haben nun Mittel für die Umsetzung eines sachgerechten und für den Steuerzahler günstigen Modells bereitgestellt. Mit 245 000 Euro finanziert der Bund die Vorhaltung und Sammlung der Karteikarten bei der Bundesnotarkammer. Eine Lösung, die allein die Länder in die Pflicht genommen hätte, wäre um ein Vielfaches teurer geworden. ({3}) - Ja, aber es geht auch darum, dass wir uns sinnvoll für den Bürger und Steuerzahler einsetzen und dass nicht der Streit zwischen Bund und Ländern im Vordergrund steht, sondern eine kostengünstige Lösung für den Steuerzahler. Auch dafür setzt sich die Koalition ein. ({4}) Besonders am Herzen liegt mir, dass wir beim Thema Vorratsdatenspeicherung möglichst rasch zu einem Ergebnis kommen. ({5}) Bekanntermaßen droht der Bundesrepublik seitens der EU ein Bußgeld in Höhe von 315 036 Euro, und zwar pro Tag, wenn Deutschland nicht bald EU- und grundgesetzkonforme Regelungen beschließt. Lassen Sie uns hier doch, da bekanntlich jedem Anfang ein Zauber innewohnt, einen echten Neuanfang wagen. Ich verweise dazu auf die Arbeit meiner Kollegen im Rechtsausschuss. Lösungsvorschläge, die verfassungskonform umsetzbar sind, gibt es. Ich bin mir sicher, dass einzelne Kritikpunkte rasch geklärt werden können, guten Willen bei allen Beteiligten vorausgesetzt. ({6}) Dazu gehören zum Beispiel die bisher fehlende Einbindung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik und das Fehlen einer weitergehenden Erlaubnis für den Zugriff auf Internetprotokolladressen. Lassen Sie uns gemeinsam diese Themen unverzüglich und zum Wohle der Allgemeinheit angehen. Lassen Sie uns die berechtigten Mahnungen und Warnungen aus der alltäglichen Praxis nicht einfach überhören. Das schulden wir den Bürgerinnen und Bürgern. Die angeführten Beispiele machen deutlich, dass es sich beim Justizetat keinesfalls um eine staubtrockene Materie handelt. Der Justizhaushalt berührt vielmehr alle Ebenen unserer Gesellschaft. Er hat Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen und auf die Stellung der Bundesrepublik im internationalen Rahmen. Ich bitte Sie herzlich, dem Einzelplan 07 Ihre Zustimmung zu geben. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Jens Petermann das Wort.

Jens Petermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004128, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Funk, Sie haben mir unterstellt, ich hätte den Begriff „Käuflichkeit“ benutzt. Ich verwahre mich ausdrücklich dagegen. Den Begriff habe ich nicht benutzt, den würde ich auch nie benutzen. Sie können das in meiner Rede nachlesen. Wenn Sie zugehört hätten, dann wüssten Sie genau, worum es geht. Es geht darum, dass ein Hinweis des Europarates umzusetzen ist, der eine justizielle Unabhängigkeit, eine Selbstverwaltung der Justiz in allen Mitgliedsländern fordert. Das bedeutet also im Kern, eine Selbstverwaltung der Justiz einzuführen. Um nichts anderes geht es. Das können Sie gerne noch einmal nachlesen. Ich empfehle Ihnen auch, sich einmal mit Vertretern der Richterverbände zusammenzusetzen. Die werden Ihnen nichts anderes als das erzählen, was ich Ihnen eben erzählt habe. Danke. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer Erwiderung.

Alexander Funk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe Ihnen sehr wohl zugehört. Sie haben das Wort „käuflich“ nicht benutzt, aber Sie haben die Gerichte und Staatsanwaltschaften generell als nicht unabhängig betrachtet und das in einen Zusammenhang mit Beförderungen gestellt. Das weisen wir in aller Entschiedenheit zurück. Die Richterschaft ist nicht käuflich und auch nicht durch Beförderungen beeinflussbar. Wir haben eine unabhängige Justiz. Insofern weisen wir auch diesen Vorwurf von Ihnen zurück. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Ehrentribüne hat der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Herr Jean-Claude Mignon, mit seiner Delegation Platz genommen. ({0}) Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages begrüße ich Sie sehr herzlich. Der Deutsche Bundestag ist in der Versammlung des Europarates mit einer Delegation vertreten und unterstützt in vielfältiger Weise den Einsatz des Europarates und seiner Versammlung für den Schutz der Menschenrechte sowie für die Förderung von parlamentarischer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa. Wir wünschen Ihnen für Ihren Aufenthalt bei uns und für Ihr weiteres parlamentarisches Wirken alles Gute. ({1}) In der Debatte hat nun die Kollegin Ingrid Hönlinger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Ingrid Hönlinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004058, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, eine Haushaltsrede hat immer mit Geld und mit Finanzen zu tun. ({0}) Ich rede heute über 250 Milliarden Euro. 250 Milliarden Euro - so hoch ist der Schaden, den Korruption im Jahr 2012 für die deutsche Wirtschaft verursacht. Diese Schadenssumme hat der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider aus dem österreichischen Linz errechnet. Der Schaden besteht vor allem darin, dass bei der Vergabe von Aufträgen nicht immer derjenige Anbieter zum Zug kommt, der das beste und günstigste Angebot macht. Hierdurch wird das Wirtschaftswachstum gehemmt, und die Steuereinnahmen sinken. Was können wir dagegen tun? Bereits im Jahr 2003 hat die Bundesrepublik - wir hatten damals eine rotgrüne Regierung - die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet. 161 Staaten dieser Welt haben die Konvention inzwischen ratifiziert. Nur wenige Staaten haben sie noch nicht gesetzlich umgesetzt. Dazu gehört auch Deutschland. ({1}) Das, meine Damen und Herren, ist blamabel. ({2}) Bei dieser Frage bleibt die schwarz-gelbe Regierung auf dem Niveau von Sudan und Nordkorea; denn diese Regierung verweigert noch immer die Ratifikation der UN-Konvention - und das, obwohl sogar führende Vertreter der deutschen Wirtschaft die Bundesregierung zur Ratifikation auffordern. ({3}) Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, für diese Verweigerungshaltung haben Sie nur einen einzigen Grund. Sie müssten nämlich die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung ausweiten. Das wollen Sie offenbar um jeden Preis vermeiden. ({4}) Dabei ist ein Gesetz, das Abgeordnetenbestechung im Sinne der UN-Konvention unter Strafe stellt, kein Ding der Unmöglichkeit. Wir Grüne haben hierzu schon längst unsere Vorschläge vorgelegt. Auch Bundestagspräsident Lammert hat jüngst einen eigenen Vorschlag zur Umsetzung der Konvention unterbreitet. ({5}) Es ist Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir international endlich klare Kante gegen Korruption zeigen. ({6}) Korruption ist nicht nur ein monetäres Problem. Korruption untergräbt unseren Rechtsstaat und damit unsere Demokratie. ({7}) Es gibt noch weitere Initiativen, die das Bundesjustizministerium dringend anstoßen müsste. So brauchen wir in Deutschland endlich ein bundesweites Korruptionsregister. Dieses Register soll Unternehmen benennen, die wirtschaftskriminell auffällig geworden sind. Das ist dann gewissermaßen eine Liste der schwarzen Schafe auf der grünen Wiese der deutschen Unternehmenswelt. ({8}) Bund, Länder und Gemeinden vergeben jährlich Aufträge im Wert von mehreren Hundert Milliarden Euro an private Unternehmen. Hiervon profitieren auch korrupte Unternehmen, weil die Vergabebehörden keine Kenntnis von deren Aktivitäten haben. ({9}) Die ehrlichen, integren Konkurrenzunternehmen haben das Nachsehen. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. Das ehrliche Unternehmen, der ehrliche Familienbetrieb, darf nicht der Verlierer bei öffentlichen Aufträgen sein. Öffentliche Auftraggeber müssen besser erkennen und steuern können, welche Unternehmen sie beauftragen. Ein Korruptionsregister würde dazu beitragen, den fairen Wettbewerb zu erhalten. Hiervon profitieren wir alle. ({10}) Doch auch hier verweigert diese Bundesregierung, die sich doch sonst so gerne als wirtschaftskompetent preisen lässt, eine ordentliche gesetzliche Regelung. ({11}) Noch ein Weiteres ist mir wichtig: Menschen, die Korruption aufdecken, verdienen den Schutz und den Respekt unseres Staates. Wir brauchen endlich ein Gesetz, das Whistleblower besser schützt. ({12}) Die Bundesregierung hat im Herbst 2010 im Rahmen der G-20-Staaten vollmundig angekündigt, sie werde bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower-Schutz erlassen und auch umsetzen. ({13}) Heute haben wir den 20. November 2012, und von einem Gesetz zum Schutz von Whistleblowern ist weit und breit nichts zu sehen. ({14}) Das zeigt: In der Rechtspolitik nimmt es diese Bundesregierung mit der Umsetzung von Zusagen und Versprechen, die sie auf internationaler Ebene gegeben hat, nicht so genau. Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, mit Ihrer Blockadehaltung in Sachen Korruptionsbekämpfung gefährden Sie das Ansehen Deutschlands in der Welt. Sie haben bei der juristischen Bekämpfung der Korruption nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Damit fügen Sie Wirtschaft und Staat Schaden zu. Außerdem lassen Sie couragierte Bürgerinnen und Bürger, die Korruptionsskandale aufdecken, im Stich. Es wird höchste Zeit, dass wir nächstes Jahr mit einer rot-grünen Regierung die Bekämpfung der Korruption energisch in die Hand nehmen. ({15}) Das werden wir tun. Darauf können Sie sich verlassen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Christian Ahrendt für die FDP-Fraktion. ({0})

Christian Ahrendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003729, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Kollegin Hönlinger, vielen Dank für Ihre Erinnerung daran, dass Sie die UN-Konvention gegen Korruption im Jahr 2003 als Regierungsverantwortliche unterzeichnet haben. Dann haben Sie es aber nicht geschafft, sie umzusetzen. Heute halten Sie uns nun vor, dass wir die Arbeit machen müssen, die Sie 2003 nicht vollendet haben. Das Entscheidende ist aber, dass Sie an der Rechtspolitik, die diese Koalition macht, nichts auszusetzen haben. So scheint es mir jedenfalls, nachdem ich die Debattenbeiträge der Opposition gehört habe. ({0}) Ich kann Ihnen auch sagen, warum das so ist: Von den Vorhaben, die wir, diese Koalition, 2009 im Koalitionsvertrag festgehalten haben, haben wir 76 Prozent umgesetzt. 24 Prozent dieser Vorhaben sind noch nicht verwirklicht. Deren Umsetzung liefern wir Ihnen nächstes Jahr. Hierbei handelt es sich um gute Politik. Deswegen haben Sie hier wirklich nichts Sinnvolles zu kritisieren. ({1}) Warum Sie nicht sinnvoll kritisieren können, will ich Ihnen einfach einmal anhand eines kleinen Potpourris dessen, was wir geleistet haben, darstellen. 2007 ist erstmals eine Bank in Deutschland aufgefangen worden - dieser Vorgang war ein Vorläufer der Finanzkrise -; das war die IKB. Sie haben es damals nicht geschafft, verehrte Kollegen von der SPD, mit der Justizministerin und dem Finanzminister ein Restrukturierungsgesetz für Banken auf den Weg zu bringen. Wir haben es 2010 ganz am Anfang dieser Koalition gemacht, und Deutschland steht heute in Europa als das Land da, das in diesem Bereich ein vernünftiges Gesetz hat. Das muss man als Erstes festhalten. Zweitens. Wir haben ein Gesetz zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen verabschiedet. Wir wollten den Mittelstand vor der Krise schützen bzw. einem mittelständischen Unternehmen, das von der Krise betroffen ist, einen Weg aufzeigen, wieder aus ihr herauszukommen. Auch dies war ein erfolgreiches Gesetz. Auch dort haben wir geliefert. ({2}) Drittens. Wir haben Ihnen jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem wir etwas erreichen wollen, was ebenfalls im Koalitionsvertrag steht: die Verbesserung der zweiten Chance. Wir legen eine zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform vor. Damit geben wir Menschen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und bereit sind, ihren Gläubigern 25 Prozent ihres Geldes zurückzuzahlen, die Möglichkeit, früher aus dem Restschuldbefreiungsverfahren herauszukommen, sodass sie früher wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und wirtschaftlich erfolgreich sein können. Das ist eine vernünftige Politik für den Mittelstand, die diese Koalition betreibt. ({3}) Ein weiterer Punkt. Diese Koalition hat in den letzten Jahren den Rechtsschutz verstärkt. Sie haben 2002/2003 das Berufungsrecht faktisch abgeschafft. Wir haben § 522 ZPO in dieser Legislaturperiode reformiert. Wir haben ein Gesetz zur Reduzierung überlanger Gerichtsverfahren auf den Weg gebracht und 2011 verabschiedet. Warum? Die schnelle Verkündung eines Urteils ist Ausdruck eines vernünftigen Rechtsschutzes. Insofern hat die Justizministerin hier ein erfolgreiches Gesetz vorgelegt. Der Kollege Petermann hat zu Recht gefordert, die Justiz vernünftig auszustatten. Das ist auch Sache der Länder. Wir haben mit diesem Gesetz für mehr Rechtsschutz gesorgt. Außerdem haben wir hier gemeinsam, und zwar einstimmig -, das ist etwas, wofür wir uns alle loben können - das Mediationsgesetz auf den Weg gebracht, um Menschen außergerichtlichen Rechtsschutz vor dem Gericht zu ermöglichen. Auch das ist ein Beispiel für erfolgreiche Rechtspolitik, die in der Zeit der schwarz-gelben Koalition betrieben worden ist. ({4}) Wir liefern beim Rechtsschutz. Zum Rechtsschutz gehört auch eine vernünftige Politik für Verbraucher. Da will ich nur ein Beispiel bringen: Wir haben zur Bekämpfung von Kostenfallen im Internet durch die Buttonlösung, die die Justizministerin auf den Weg gebracht hat, ein wirksames Instrument geschaffen. So stellen wir sicher, dass man im Internet einkaufen kann, ohne betrogen zu werden. Auch das ist Teil einer vernünftigen Rechtsschutz- und Verbraucherpolitik, wie sie diese Koalition in den letzten Jahren betrieben hat. ({5}) Auch in den schwierigen Fragen sind wir gut vorangekommen. Wir haben das Zeugnisverweigerungsrecht für Anwälte gestärkt. Dem voraus ging eine Diskussion, die nicht einfach war. Es kann aber doch nicht sein, dass ein Strafverteidiger ein Zeugnisverweigerungsrecht hat, aber ein Anwalt, der in Zivilsachen berät, nicht. Auch da sind wir mit der Änderung des § 160 a StPO weitergekommen. Wir haben die Pressefreiheit gestärkt, indem wir den Quellen- und Informationsschutz strafrechtlich ausgebaut haben. Darüber hinaus haben wir - das haben wir in der letzten Sitzungswoche diskutiert - die Sicherungsverwahrung mit den Reformen 2010 und 2012 auf ein vernünftiges Fundament gestellt. ({6}) Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs werden wir das abschließen, was uns der Runde Tisch mit auf den Weg gegeben hat. Auch dieses Gesetz steht demnächst zur Beratung an. Wir haben also auch hier einen kompletten, vernünftigen und erfolgreichen Ansatz in der Rechtspolitik. Diesen Ansatz werden wir auf einem weiteren Gebiet verfolgen. Da Rechtspolitik und Rechtsleben ohne eine starke Anwaltschaft nicht möglich sind, wollen wir ein Rechtsregime schaffen, das das anwaltliche Berufsrecht verbessert. Dazu wollen wir zum einen in Deutschland die Rechtsform Partnergesellschaft mit beschränkter Haftung auf den Weg bringen. Es kann nicht sein, dass mittelständische Kanzleien das tun, was wir früher schon einmal bei GmbHs erlebt haben: Sie sind in die Rechtsform „ltd.“ geflohen. Heute sind viele Kanzleien darauf angewiesen, in eine englische Gesellschaft namens LLP zu fliehen. ({7}) Wir werden mit dem Gesetz zur Partnergesellschaft mit beschränkter Haftung eine vernünftige deutsche Alternative anbieten. Mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz werden wir dafür sorgen, dass die Anwaltschaft weiterhin vernünftig, auskömmlich den Menschen den Rechtsschutz verschaffen kann, der ihnen zuteilwerden muss, wenn sie sich gegen Urteile und andere Dinge wehren müssen. ({8}) Das ist eine Rechtspolitik, die erfolgreich ist. Das ist eine Rechtspolitik, die hier kaum kritisiert worden ist. Ich habe Ihnen vorgetragen, warum das so ist. Sie ist erfolgreich. Sie glänzt. Das ist an dieser Stelle mein Lieblingsbeispiel. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Eva Högl für die SPDFraktion. ({0})

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Herr Ahrendt, meine Bewertung Ihrer Bilanz der Rechtspolitik der Koalition fällt anders aus. Das wird Sie nicht überraschen. Sie verraten mir bei Gelegenheit noch einmal, wie Sie zu den 76 Prozent kommen. Das ist letztendlich aber auch egal; denn es geht gar nicht darum, was Sie aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt haben, sondern viel wichtiger ist, welche rechtspolitischen Themen überzeugend geregelt und welche wichtigen Themen einer Lösung zugeführt worden sind. Hier muss ich sagen: Zehn Monate vor der nächsten Bundestagswahl und drei Jahre nach der letzten Wahl komme ich zu keiner überzeugenden Bewertung. Sie haben keine überzeugende Bilanz aufzuweisen. Anhand von einigen Themen, an denen die Handlungs- und Entscheidungsunfähigkeit im Bereich der Justiz ganz deutlich wird, will ich Ihnen anführen, warum ich ge25168 meinsam mit der Fraktion der SPD dieser Auffassung bin. Ich greife ein Thema auf, das die Kollegin Hönlinger bereits dargestellt hat und das uns im Parlament ganz besonders beschäftigen muss, weil es für das Ansehen dieses Parlaments sehr wichtig ist. Es ist das Thema Abgeordnetenbestechung. Frau Ministerin, bei diesem wichtigen Thema hätte ich mir insbesondere von Ihnen mehr Engagement, mehr juristische Kreativität und mehr Engagement bei der Entwicklung von guten Regelungen gewünscht. Ich finde es peinlich, dass wir die UN-Konvention zur Bekämpfung von Korruption immer noch nicht umgesetzt haben und dass wir offensichtlich nicht in der Lage sind, hier vernünftige Regelungen zu beschließen. ({0}) Wir wissen, wir sind nicht bestechlich, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber schon den Anschein, der dadurch erweckt wird, dass wir diese Konvention nicht umsetzen, müssen wir dringend bekämpfen und beseitigen, und zwar wir hier im Parlament. Es schadet unserem Ansehen. Deswegen müssen wir das regeln. Es sollte uns zu denken geben - auch das hat Frau Hönlinger bereits gesagt -, wenn uns führende Wirtschaftsvertreter im Sommer darauf hinweisen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen hervorragenden Gesetzentwurf vorgelegt. Er ist praktikabel und eine hervorragende Grundlage für die weitere Diskussion. Es zeichnet uns aus, dass sich auch der Bundestagspräsident Lammert, der hier sehr engagiert ist, weil er um die Wichtigkeit und die Bedeutung dieses Themas sehr gut Bescheid weiß, an unseren Vorschlägen orientiert. Ich bleibe weiter optimistisch - das habe ich schon bei der ersten Lesung unseres Gesetzentwurfes gesagt -, dass wir doch noch zu vernünftigen Regelungen und zu einer Lösung kommen. Wir brauchen dazu juristische Kreativität; diese ist hier im Parlament vorhanden. Wir brauchen dazu auch Mehrheiten. Das sollten wir auf den Weg bringen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Ich möchte ein weiteres Thema ansprechen. Frau Ministerin, ich frage direkt an Sie gewandt: Was ist das für ein Gezerre beim Thema Frauenquote in der Bundesregierung und in der Koalition? Was ist das für ein unwürdiges Gezerre? Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, schadet unserem Ansehen. Wir haben es bei dem Thema „Gleichstellung von Frauen in Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft“ mit einem elenden Hin und Her zu tun. Dieses Thema hätten wir, wie ich finde, längst angehen und dringend regeln müssen. ({2}) Es gibt Gremien, die fähig sind, sich zu einigen; der Bundesrat hat das bewiesen. Nachdem sich die CDU-regierten Länder Thüringen und Saarland der Auffassung angeschlossen hatten, dass hier Handlungsbedarf besteht, haben sie dem Gesetzentwurf von Hamburg zugestimmt und am 21. September im Bundesrat einen Gesetzentwurf mit der Forderung verabschiedet, 40 Prozent der Aufsichtsratspositionen mit Frauen zu besetzen. Das ist eine dringend notwendige Forderung. Wir finden, sie ist nicht weitgehend genug, aber wenigstens ist es ein Beginn der Debatte. Gerade erst am 14. November hat sich die Justizkommissarin aus der Familie der CDU, Viviane Reding, eine engagierte Frau - Frau Ministerin, Sie kennen sie gut -, durchgesetzt und in der EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag auf den Weg gebracht. Es geht also. Man kann sich einigen; man kann etwas regeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir im Deutschen Bundestag sollten uns nicht treiben lassen, weder vom Bundesrat noch von der EU-Kommission, sondern wir sollten im Hinblick auf das Thema „Führungspositionen für Frauen in deutschen Unternehmen“ selbst etwas beschließen. Die SPD-Fraktion hat auch hier einen hervorragenden Gesetzentwurf vorgelegt: praktikabel, gut anwendbar, mit umfassenden Regeln, die auch Vorstände einbeziehen. Sie alle haben bei den weiteren Beratungen demnächst die Chance, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen und dieses wichtige Thema endlich auf den Weg zu bringen. Ich wünsche mir hier eine breite Mehrheit; denn ich weiß, dass auch in Ihren Fraktionen viele der Auffassung sind, dass wir dieses Thema endlich regeln müssen und dass Frauen eine faire und gerechte Chance auf Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft erhalten sollen. ({3}) Das sind zwei Themen, bei denen die Koalition weder in der Lage war, sich zu entscheiden, noch zu handeln. Wenn sie dann etwas vorlegt - das hat mein Kollege Schurer schon angesprochen -, kann man meist nur sagen: Das Ganze ist so unsozial und so unpraktikabel, dass es den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger nicht gerecht wird. Das Mietrechtsänderungsgesetz wird zum Beispiel den Mieterinnen und Mietern überhaupt nicht gerecht. Wir befinden uns in Berlin. Sie alle wissen es, Kolleginnen und Kollegen: Hier gibt es drastische Mietsteigerungen. Es gibt viele Menschen, die sich Sorgen machen über Verdrängung, die von überhöhten Mietpreisen bedroht sind, auch durch die Nebenkosten und die Stromkosten. Wir müssen im Bereich des Mietrechts ganz dringend Regelungen finden, die die Mietsteigerungen bei Neuvermietungen in Grenzen halten. Was Sie jedoch hier vorgelegt haben, Frau Ministerin und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ging genau in die andere Richtung, nämlich in die Richtung, die Mieterinnen und Mieter noch viel stärker zu belasten, und zwar mit den Kosten, die bei einer energetischen GebäuDr. Eva Högl desanierung, die ja an sich richtig ist, auf sie zukommen. Das können wir überhaupt nicht mitmachen. Deswegen bin ich froh, dass dieser Gesetzentwurf gestoppt wurde und wir die Chance haben, ihn im Laufe der weiteren Beratung noch zu verbessern. ({4}) Ich habe noch eine allerletzte Bitte, Frau Ministerin, und zwar zu den Stichworten „NSU“ und „rechtsextremer Terror“. Wir haben jetzt ein Jahr lang im Untersuchungsausschuss gearbeitet und aufgeklärt und überlegen uns nun Vorschläge. Ich wünsche mir von Ihnen, Frau Ministerin, dass Sie bei der Diskussion über Reformen weiterhin engagiert bleiben. Bisher haben wir von der Bundesregierung wenig an Vorschlägen zu Veränderungen gehört. Das alles reicht noch nicht, um dieser besonderen Herausforderung gerecht zu werden. Wir müssen hier ganz grundsätzlich reformieren, und zwar auch - Frau Ministerin, deshalb spreche ich Sie an - bei der Justiz in den Bundesländern. Wir sollten vor diesem Hintergrund keine weitere Zeit verstreichen lassen, sondern bereits jetzt Vorschläge dazu erarbeiten, was wir machen müssen, um rechtsextremen Terror nicht nur aufzuklären, sondern vor allen Dingen für die Zukunft zu verhindern. Herzlichen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - - Moment, da stimmt etwas nicht. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte Redner getauscht, deswegen war das Ganze hier etwas durcheinander geraten. Das Wort hat die Kollegin Andrea Voßhoff für die Unionsfraktion. ({0})

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei meinem Beitrag hätten Sie relativ schnell mitbekommen, dass ich kein Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen sein kann. Frau Kollegin Högl, Sie haben ja gerade ansatzweise versucht, Kritik an der Rechtspolitik der christlich-liberalen Koalition zu üben. Sie haben, wie es vorhin auch schon angeklungen ist, auch wieder die Peinlichkeit der noch nicht erfolgten Umsetzung der UN-Korruptionsrichtlinie aufgegriffen. Frau Kollegin Högl, Sie waren doch auch in der umfassenden Anhörung, die wir im Rechtsausschuss zu diesem Thema durchgeführt haben. Diejenigen, die sich loben, hier einen Gesetzentwurf vorgelegt zu haben, sollten zumindest sehr kritisch zur Kenntnis nehmen, dass die überwiegende Zahl auch der von Ihnen benannten Sachverständigen diese Gesetzentwürfe mehr als nachhaltig inhaltlich kritisiert hat. ({0}) Ich denke, die Sachverständigen haben insgesamt in aller Deutlichkeit klargemacht, wie komplex und schwierig die Materie ist. Es ist schlicht und einfach nicht in Ordnung, immer so zu tun, als ob auf der rechten Seite des Parlaments nur Abgeordnete säßen, die Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption bei Abgeordneten mit aller Gewalt vermeiden wollten. ({1}) Da die rot-grüne Regierung im Jahr 2003 - der Kollege Ahrendt hat es gesagt - das Übereinkommen unterzeichnet hat, müssen Sie sich fragen lassen, warum Rot-Grün es nicht auch umgesetzt hat. ({2}) Meine Damen und Herren, die Bundesjustiz kostet den Bürger jedes Jahr ganze 1,36 Euro - ein mehr als überschaubarer Betrag, wenn man ihn in Relation zum breiten Aufgabenspektrum der Bundesjustiz betrachtet. Wir sagen im Rahmen der Haushaltsdebatten zu den Einzelplänen der Justiz und des Bundesverfassungsgerichts immer wieder: Es handelt sich um einen kleinen, feinen Haushaltsetat, der von den Zahlen her immer gut dasteht; bei den Einnahmen liegt er unter allen Ressorts des Bundeshaushalts an vierter Stelle, bei den Ausgaben an letzter Stelle. Wir kriegen also von den Haushältern immer gute Noten, und das ist sehr schön. Wir Rechtspolitiker, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen aber - und das sollte man auch immer wieder sagen -: Die Rechtspolitik hat ein sehr breites Aufgabenspektrum abzudecken. Sie ist im gesellschaftlichen Geflecht der Gesetzgebung von fundamentaler Bedeutung. Rechtspolitik ist schon lange mehr als nur klassische Justizpolitik - die Kollegen wissen es aus der aktiven Arbeit -: Wir haben eine Vielzahl von Gesetzesvorlagen, die an uns zur Federführung überwiesen werden, manchmal auch eine schier endlos erscheinende Liste der Mitberatung im Rahmen anderer Gesetzgebungsvorhaben. ({3}) Es kommt hinzu - ich habe es auch in meiner letzten Haushaltsrede gesagt -: In der Rechtspolitik gewinnt das Thema Europa immer mehr an Bedeutung; das wissen wir schon lange. Ich denke, es ist immer wieder gut, richtig und beispielhaft für die Arbeit dieses Hohen Hauses, dass der Rechtsausschuss mit seinem Unterausschuss Europarecht einen sehr wertvollen Beitrag zur Begleitung der europäischen Rechtspolitik leistet. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir mit der kürzlich stattgefundenen Konferenz mit Vertretern anderer nationaler Parlamente, die sich auf Initiative des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum ers25170 ten Mal überhaupt in dieser Konstellation getroffen haben, ein gewisses Novum im Bereich der europäischen Zusammenarbeit mit anderen Parlamenten geschaffen haben. Die Kollegen, die da waren, wissen: Es ging um das Vorhaben der Europäischen Kommission im Bereich des europäischen Kaufrechts und die Subsidiaritätsverantwortung der nationalen Parlamente. Ich darf an dieser Stelle nicht nur dem Bundestagspräsidenten Lammert ausdrücklich für die uneingeschränkte Unterstützung des Vorhabens danken, sondern auch dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, dem Kollegen Siegfried Kauder, und dem Sekretariat des Rechtsausschusses sehr herzlich für die Organisation danken. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben mit dieser Veranstaltung Neuland betreten. Wenn auch die Zahl der teilnehmenden Kollegen aus den europäischen Nachbarparlamenten und im Übrigen auch aus unserem Hause durchaus hätte höher sein können, waren sich alle Anwesenden einig: Das Experiment war ein Erfolg. Die Teilnehmer waren übereinstimmend der Auffassung: Eine intensivere Koordinierung der gemeinsamen Arbeit zur Bewältigung der europäischen Aufgabenstellungen der nationalen Parlamente, wie sie uns durch den Lissabonner Vertrag zugewachsen sind, ist sinnvoll und erstrebenswert. Getreu der Devise „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ pflege ich an dieser Stelle immer wieder zu sagen - ich gebe nie die Hoffnung auf -, dass ich es für notwendig erachte, hier, in der öffentlichen Debatte dieses Hohen Hauses, häufiger und intensiver die Themen der europäischen Rechtspolitik zu debattieren. ({5}) Wir alle sollten uns im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür einsetzen, dass das verstärkt geschieht. Ich weiß: Im nationalen parlamentarischen Alltagsgeschäft ist das manchmal ein Wunsch, der sich nicht realisieren lässt. Trotzdem werde und will ich die Hoffnung an der Stelle nicht aufgeben. Ich rede hier vom nationalen Alltagsgeschäft der Rechtspolitik, weil Haushaltsdebatten - das ist hier angeklungen - nicht nur eine Bilanz der Zahlen beinhalten, sondern auch eine Bilanz der Rechtspolitik. Ich finde, dass der Kollege Ahrendt sehr richtig, sinnvoll und umfassend dargelegt hat, welche Erfolge die schwarz-gelbe Koalition in der Rechtspolitik inzwischen zu verzeichnen hat und dass sich das Genörgel der Opposition selektiv auf einige wenige Punkte beschränkt. ({6}) Herr Petermann, ich gehe jetzt gar nicht auf Ihre für mich bemerkenswerten Gedanken zur Reform der Justiz ein. Sie haben das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren als „schwachbrüstigen Kompromiss“ kritisiert, sinngemäß als etwas, was nicht helfe. Sie sagten, man müsse das Übel an der Wurzel packen. Ich habe mir bei der Beschäftigung mit der Frage, wie das Gesetz wirkt, die - das ist blanker Zufall statistischen Zahlen des Landes Brandenburg, in dem ein Justizminister Ihrer Partei seit 2009 zusammen mit der SPD regiert, zu Gemüte geführt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Linken, hören Sie gut zu: Seit dem Regierungsantritt hat sich die Verfahrensdauer in allen Bereichen leider zunehmend verlängert, manchmal um einen Monat. Betrug die Verfahrensdauer im Jahr 2009 bei allgemeinen Zivilsachen der Landesgerichte noch durchschnittlich 9,4 Monate, so sind es mittlerweile 10,4 Monate. Ich könnte Ihnen noch mehr Zahlen nennen, die belegen, dass die Verfahrensdauer kontinuierlich ansteigt. Verehrter Herr Petermann, Sie machen uns Vorhaltungen. Mein Vorschlag ist: Nehmen Sie mit Ihren Kollegen in Brandenburg Kontakt auf. Sie könnten mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass es mit einem linken Justizminister auch anders geht. Es wäre schön, wenn Sie im eigenen Land mit gutem Beispiel vorangehen würden. ({7}) Wir werden auf Bundesebene in dieser Woche ein sehr wichtiges und auch emotional schwieriges Gesetzgebungsvorhaben beraten, nämlich das Gesetz zur Regelung der Beschneidung. Ich will den Beratungen aber nicht vorgreifen. Wir haben eine Vielzahl weiterer Themen auf der Tagesordnung; meine Kollegen haben schon darauf hingewiesen. Das zeigt, dass sich schwarz-gelbe Rechtspolitik bewährt. Wir werden das Patientenrechtegesetz verabschieden. Endlich werden die Informationsrechte von Patienten transparent in einem gesonderten Gesetz geregelt. Wir werden die Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Sterbehilfe auf die Tagesordnung setzen. Es wurden Bereiche aus dem Wirtschaftsrecht angesprochen, zum Beispiel Kleinstkapitalgesellschaften im Zuge der Umsetzung einer EU-Richtlinie von bürokratischen Bilanzierungspflichten zu entlasten. Auch das Leistungsschutzrecht und das Mietrechtsreformgesetz sind genannt worden. Bei Letzterem kritisieren Sie immer wieder, dass es sozial unausgewogen ist, was schlicht nicht stimmt. Wir werden das Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern neu regeln. Auch das haben wir hier bereits diskutiert. Das Spektrum der Rechtspolitik ist breit gefächert. Lassen Sie mich deshalb auch erwähnen, dass wir das Seehandelsrecht grundsätzlich reformieren. Wir Juristen haben mit dieser Materie zugegebenermaßen nicht allzu viel zu tun. Trotzdem enthält es für die maritime Branche notwendige Regelungen. Wir werden das Patentrecht entbürokratisieren. Das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz ist ebenfalls erwähnt worden. Auch das Insolvenzrecht Teil II wird in Angriff genommen. Meine Damen und Herren von der Opposition, bei all den guten gesetzgeberischen Vorhaben fällt es Ihnen schwer, kritische Ansätze zu finden. Ich habe nichts gegen Kritik; die dürfen Sie ruhig anbringen. Im Ergebnis kann man jedoch feststellen: Die bisher verabschiedeten Gesetze belegen, dass wir gute und kluge Arbeit geleisAndrea Astrid Voßhoff tet haben. Bei einer Vielzahl der Gesetze haben Sie im Ergebnis dankenswerterweise zugestimmt. Abschließend sei mir noch erlaubt, auf ein Anliegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einzugehen. Wir schauen hin und wieder auch in die Länder hinein. Auf der JuMiKo der Länder ist unter anderem ein Beschluss gefasst worden, der aus unserer Sicht sinnvoll und richtig ist. Es geht darum, Schüler in den Schulen stärker vor sexuellen Übergriffen durch Lehrer zu schützen. Aufgrund zweier Entscheidungen des OLG Koblenz wissen wir, dass es eine Schutzlücke gibt. Es kann nicht sein, dass das Gesetz nicht zur Anwendung kommt, nur weil der Lehrer nicht der Klassenlehrer, sondern ein Vertretungslehrer war. Die Strafbarkeit der Handlung darf nicht davon abhängen. Aus Sicht der Union ist das eine Schutzlücke. ({8}) Ich bin den Bundesländern Bayern und Rheinland-Pfalz dankbar, dass sie eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen wollen. Aus unserer Sicht ist das ein unterstützenswertes Vorhaben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nun hat der Kollege Jerzy Montag für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will in der kurzen mir zur Verfügung stehenden Zeit drei Bemerkungen machen. Alle haben mit Geld und dem Justizhaushalt zu tun. Erstens. Sie haben dankenswerterweise die Mittel für den Härtefallfonds für Opfer rechtsextremistischer Übergriffe wieder erhöht. Ich darf daran erinnern, wann dieser Fonds eingerichtet worden ist. Er ist eingerichtet worden, als in Deutschland die Häuser brannten, als Asylbewerber um ihr Leben bangen mussten, als es in Mölln und Solingen Tote gegeben hat, Opfer rechtsextremen Terrors. Deswegen haben die damalige rotgrüne Bundesregierung und die Koalition aus Rot-Grün einen Härtefallfonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt eingerichtet. Seitdem ist das - bis zum heutigen Tage - ein Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt geblieben. Wir haben praktisch keine Abflüsse für andere Opfer, insbesondere keine für Opfer linksextremistischer Gewalt, obwohl es auch die gibt. Jetzt aber - nach den NSU-Morden - ist evident klar, dass wir auch in dieser Frage handeln müssen. Es ist damals - Frau Voßhoff, das ist mein Ceterum Censeo - ein Fehler gewesen, und es bleibt ein Fehler, dass Sie diesen Fonds seines Namens entkleidet haben und versteckt haben, worum es hier gesellschaftlich geht. ({0}) Deswegen: Mit der Erhöhung sind wir einverstanden, mit dieser Camouflage nicht. Zweitens komme ich zur Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. Dazu möchte ich eines sagen, Herr Kollege Thomae: Im Mai nächsten Jahres wird mit den Ländern verhandelt. Die Bundesregierung muss verhandeln; das ist richtig. Es ist aber ein Fehler, dass der Bund hier und heute diesen skandalösen Zustand nicht auch dadurch behebt, dass er seinen eigenen Anteil aufstockt. Dass Sie sich da verweigert haben, ist ein großer Fehler. ({1}) Nun zu meinem dritten Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen: der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Diese Kommission ist notwendig. Es ist richtig, dass es sie gibt. Es ist gesagt worden, sie hätte viel früher kommen müssen. Jetzt ist sie da. Das wird von uns befürwortet. Sie ist auch finanziell ausgestattet. Was ist ihre Aufgabe? Ihre Aufgabe - ich zitiere da immer Verlautbarungen des Justizministeriums - ist die folgende: Es soll erforscht werden, wie groß der Personenkreis ist, der in der NS-Zeit bereits im Sinne des Systems aktiv war und nach 1949 im Bundesjustizministerium tätig war. Es soll herausgefunden werden, inwieweit ideologisches nationalsozialistisches Gedankengut bei der Reform des Strafrechts und der Ausgestaltung des politischen Strafrechts in der Bundesrepublik Deutschland fortgewirkt hat. - So weit, so gut. Dann lese ich in einer Antwort auf eine Anfrage von uns - ich darf zitieren -: Ausgangspunkt der Arbeit dieser Kommission ist „der im Nürnberger Juristenprozess entwickelte Maßstab für das Verhalten von Ministerialbeamten, Richtern und Staatsanwälten“. Da habe ich gestutzt und mich gefragt: Was bedeutet das? Das ist immerhin eine schriftliche Aussage Ihres Hauses. Ich fasse zusammen: Grundlage dieses Juristenprozesses war das Recht der Besatzungsmächte. Der Chefankläger hat zu Beginn dieses Prozesses gesagt: Es geht nicht um Täter im letzten Glied, es geht nur um die, die für Morde, Misshandlungen und Gräueltaten verantwortlich sind. - Angeklagt wurden Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Zugehörigkeit zu Organisationen wie der NSDAP, der Gestapo oder des SD. Interessant ist, dass das Bundesjustizministerium als ein herausragendes Beispiel für die Kontinuität des Nationalsozialismus in die Bundesrepublik hinein den Namen Massfeller genannt hat. Ich habe nachgeschaut, wer der Herr Massfeller war. Er war Kommentator des Blutschutz- und Eheschutzgesetzes und dann bis 1960 Ministerialdirektor im Bundesjustizministerium. Er war aber nie Mitglied der NSDAP, und er war nie Mitglied der SS. Deswegen stellt sich für mich die Frage: Was bedeutet „Ausgangspunkt für diese Arbeit sind die Maßstäbe des Nürnberger Juristenprozesses“? Ich bitte Sie an dieser Stelle ganz deutlich: Klären Sie das auf! Sagen Sie, ob wir befürchten müssen, dass tatsächlich nur ein sehr kleiner Teil von Mördern und Haupttätern ins Visier dieser Untersuchung kommt, oder ob tatsächlich in dem versprochenen Umfang eine unabhängige und vollständige Aufklärung wissenschaftlich überprüft wird. Mir ist das ein echtes Anliegen. Deswegen habe ich die Bitte, dass Sie das klarstellen, Frau Ministerin. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Norbert Geis hat nun für die Unionsfraktion das Wort. ({0})

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rechtspolitik ist unwahrscheinlich facettenreich. Kaum ein Thema wurde in den einzelnen Wortbeiträgen wiederholt angesprochen. Ein Thema hat sich aber doch durchgesetzt. Es ist die Frage, wie wir mit der Datenspeicherung umgehen. Wir brauchen so bald wie möglich eine Vorratsdatenspeicherung. ({0}) Wir brauchen sie, damit Polizei und Staatsanwaltschaft besser Straftaten verfolgen können, und wir brauchen sie aus präventiven Gründen. Vor allen Dingen deshalb brauchen wir sie. Es ist erwiesen, dass aufgrund der Datenspeicherung Interventionen seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft möglich sind. Deswegen müssen wir uns dazu durchringen. Wir müssen so schnell als möglich zu einem Ergebnis kommen. Das Verfassungsgericht hat in seinem Urteil ganz klar dargelegt, wie man das machen muss. Ich meine, wir sollten auf diesem Weg voranschreiten und zu einem guten Ergebnis kommen. ({1}) - Sie von der Opposition brauchen sich gar nicht so zu echauffieren. Lassen Sie mich noch einen anderen wichtigen Punkt nennen. ({2}) Herr Funk, Sie haben uns in Ihrem Schreiben zu Wochenbeginn mitgeteilt, dass es in der Bereinigungssitzung gelungen ist, die Mittel für die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit um 364 000 Euro auf 4,1 Millionen Euro zu erhöhen. Das ist eine gute Nachricht. Diese gute Nachricht müssen wir laut verkünden; denn die Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit hat die Aufgabe, unser deutsches Rechtssystem bzw. unser Verständnis vom Recht in anderen Ländern bekannt zu machen. Die Stiftung soll sogar dazu beitragen, dass die Rechtssysteme, die jetzt in den Ländern des arabischen Frühlings mit neuen Demokratien entstehen, den Charakter des deutschen Rechtssystems annehmen. Das wäre von großem Vorteil. Natürlich wäre das von Vorteil für die deutschen Investoren, für die Produzenten, überhaupt für all diejenigen, die in diesen Ländern geschäftlich tätig sind. Ich weiß aber nicht, ob das gelingen wird, insbesondere in den Ländern, die vom Islam beherrscht werden. ({3}) Sie haben eine andere Vorstellung vom Recht. Sie messen dem Recht und dem Gesetz eine andere Bedeutung bei als wir. Das Gesetz hat dort dem Islam zu folgen. Wir hingegen leben in einer freien Demokratie, in einem säkularen Staat. Wir können stolz darauf sein, dass wir eine Rechtsordnung haben, die frei ist von religiösen Bindungen. ({4}) Das ist Ergebnis der Aufklärung. Das ist eine Errungenschaft, die wir natürlich erhalten müssen. Damit habe ich nicht gesagt, dass nicht auch unser Recht auf Grundlagen aufbauen muss. Unsere Gesetze müssen eine Grundlage haben. Auch das müssen wir diesen Ländern, diesen Völkern sagen. Grundlage unseres Rechts ist zunächst einmal unsere Verfassung. In der Verfassung sind die grundlegenden Strukturen benannt, nach denen sich unsere Gesetze zu richten haben. Richtet sich ein Gesetz nicht danach, dann ist es verfassungswidrig. Selbst unsere Verfassung ist positives Gesetzesrecht. Die Verfassung muss auch - lassen Sie mich das ruhig sagen - mit dem der Verfassung vorausgehenden Naturrecht übereinstimmen. Das Naturrecht kann jeder Mensch bei Gebrauch seines Verstandes, mit seiner Vernunft erkennen. Immer dann, wenn ein Recht nicht mit dieser Grundlage übereinstimmt, dann läuft es sehr schnell Gefahr, gegen die Menschen zu agieren. Wir haben das in der Zeit zwischen 1933 und 1945 erfahren. Da hatten wir Gesetze, die sich nach dem Wind gerichtet haben. Diese Gesetze haben Millionen von Menschen das Leben gekostet. Gerade diese Erfahrung sollten wir im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit weitergeben. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ein für Sie vielleicht nur am Rande liegendes Thema ansprechen. Für uns ist es sehr erfreulich, dass es nun die Konzentration der Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaft für die Verfolgung von Straftaten, die Bundeswehrsoldaten beim Einsatz im Ausland begangen haben, in Kempten gibt. Wir freuen uns darüber. ({6}) - Ich weiß nicht, was Sie dagegen haben. - Wir meinen, dass damit keine Militärgerichtsbarkeit geschaffen wurde. Wir meinen auch, dass damit keine Sondergerichtsbarkeit geschaffen wurde. Hier ist vielmehr eine Konzentration auf ein Gericht und eine Staatsanwaltschaft erfolgt ({7}) und damit eine Konzentration auf Kompetenz. Ich meine, dass dadurch schneller, präziser und unter Umständen mit mehr Sachkenntnis geurteilt werden kann. ({8}) - Nein, es ist kein Sondergericht. Das ist es wirklich nicht. Der gemeinsame Gerichtsstand ist noch kein Sondergericht. Das wissen doch auch Sie. Lassen Sie mich ein weiteres Thema ansprechen: die Modernisierung des Kostenrechts. Wir haben beim Kostenrecht Schwierigkeiten mit den Ländern. Ich bin sehr damit einverstanden, dass die Anwaltschaft durch die Modernisierung des Kostenrechts besser gestellt wird. Das ist gut. Wir brauchen die Anwaltschaft. Das sage ich nicht, weil ich selber Anwalt bin, sondern weil wir die Anwaltschaft als Rechtspflegeorgan brauchen. Sie muss vernünftig dotiert sein. Aber wir werden Schwierigkeiten mit den Ländern bekommen. Die Länder kritisieren an den vorliegenden Vorschlägen insbesondere, dass so nicht einmal annähernd die Selbstkosten der Justiz gedeckt werden. Das ist auch nicht das Ziel der Länder. Das Ziel der Länder ist - dafür müssen wir, glaube ich, ein offenes Ohr haben -, dass im Rahmen der Modernisierung des Kostenrechts zumindest ein Inflationsausgleich erfolgt. Seit 1994 wurden die Gerichtskosten nicht verändert. Inzwischen sind 18 Jahre vergangen. Wir haben eine Inflationssteigerung von 22 Prozent, während wir eine Steigerung der Gerichtskosten um lediglich 4 Prozent planen. Das ist zu wenig. Deswegen werden die Länder darauf pochen - dafür müssen wir ein offenes Ohr haben -, dass hier noch eine Verbesserung stattfindet. Allerdings sollte man die Länder auch darauf hinweisen, dass sie die Wichtigkeit der Justiz oft verkennen. Die Bedeutung der Justiz für unseren Rechtsstaat wird meiner Meinung nach in den Ländern nicht richtig gewürdigt. Die Justiz kostet Geld, aber andere Dinge kosten auch Geld. Die Justiz leistet einen wichtigen Beitrag. Sie sorgt dafür, dass das Rechtsleben in unserer Gesellschaft funktioniert. Daher sollten die Länder auch ein wenig mehr Mittel für die eigene Justiz bereitstellen. ({9}) Der Anteil der Justiz am Bundeshaushalt ist sehr gering. Wir von der Justiz sind wirklich sparsam. Lassen Sie mich noch ein Letztes ansprechen. Wir beschäftigen uns seit geraumer Zeit mit der Frage, wie wir mit der Sterbehilfe umgehen. Die Justizministerin hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dafür sind wir sehr dankbar. Dieser Gesetzentwurf sieht aber nur die Strafbarkeit der Sterbehilfe bei gewerbsmäßiger Betätigung vor. Wir meinen, dass dies unter Umständen zu wenig ist. Ich will jetzt nicht über die Traditionen in anderen Ländern sprechen, die die Beihilfe zum Suizid insgesamt ablehnen und unter Strafe stellen, zum Beispiel Österreich. Man muss immer bedenken: Der, der sich umbringt, bringt sich nur selbst um, aber der, der Beihilfe leistet, bringt einen anderen Menschen um. Deswegen sollte man sich fragen, ob man eine solche Beihilfe nicht generell unter Strafe stellen sollte, wie es in anderen Ländern der Fall ist. Dies ist nicht unbedingt unser Ziel. Aber wir sollten das bedenken, was uns viele Organisationen sagen, die sich mit der Suizidvermeidung beschäftigen. Sie sagen: Es geht nicht allein um die gewerbsmäßige Beihilfe, sondern es müsste auch um diejenigen gehen, die organisiert oder geschäftsmäßig eine solche Beihilfe betreiben. ({10}) Das müssen wir, glaube ich, bei diesem Thema bedenken. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Christoph Strässer für die SPD-Fraktion. ({0})

Christoph Strässer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003644, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Geis, nur eine Anmerkung zu Ihren Einlassungen zum Rechtsstaat und zum Staatsverständnis in anderen Kulturen: Natürlich haben wir andere Auffassungen davon, was einen Rechtsstaat ausmacht, wie man mit einem Rechtsstaat umzugehen hat und für was er die Grundlage ist. Aber ich empfehle bei der Auseinandersetzung mit sich entwickelnden Staaten auch ein Stück weit Demut; das sage ich ganz offen. Denn der Weg, den wir hinter uns gebracht haben, der Weg von der Aufklärung bis zur Schaffung einer funktionierenden Justiz, hat 300 Jahre gedauert. Das sollten wir im Hinterkopf haben, wenn wir von anderen Staaten erwarten, dass sie sich innerhalb von zehn Jahren so entwickeln, wie wir es für richtig halten. Ich finde, das ist nicht der richtige Umgang mit diesen Staaten. Das wird auch der Situation in diesen Ländern nicht gerecht. ({0}) Ich möchte zwei Themen ansprechen, von denen eines heute schon genannt worden ist. Für ganz zentral - nicht nur für die Rechtspolitik und die Menschenrechtspolitik in unserem Land, sondern auch für unser internationales Ansehen - halte ich die schon mehrfach angesprochene Nationale Stelle zur Verhütung von Folter. Herr Kollege Thomae, es tut mir leid; aber ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie sagen: Da muss geprüft werden. - Wir wissen alles. Ich zitiere aus einer Unterrichtung der Bundesregierung vom 2. April dieses Jahres, unter anderem unterschrieben vom Leiter der Bundesstelle, Herrn Lange-Lehngut. In Klammern: Ich möchte dem Mann und auch den vier Personen, die die Länderstelle koordinieren, zumindest im Namen meiner Fraktion ganz herzlich und ausdrücklich für das danken, was sie unter unwürdigen Bedingungen tun, um das Renommee unseres Landes zu stärken. ({1}) In der Unterrichtung der Bundesregierung steht - ich zitiere -: Mit den vorhandenen personellen und finanziellen Mitteln kann die Nationale Stelle ihren gesetzlichen Auftrag, wie er sich aus dem Fakultativprotokoll ergibt, nicht erfüllen. Mit nur fünf ehrenamtlichen Mitgliedern und Mitteln für nur drei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie einer Fachangestellten für Bürokommunikation sind die Kapazitäten für die regelmäßige Prüfung mehrerer tausend Gewahrsamseinrichtungen absolut unzureichend. Gerade weil die Nationale Stelle sich nicht als Feigenblatt betrachten will und nach ihrem gesetzlichen Aufrag einen wirksamen Beitrag zur Prävention von Folter und Misshandlung leisten muss, ist eine erhebliche personelle und finanzielle Aufstockung erforderlich. Da ist nicht die Rede von einem Prüfauftrag. Das schreiben Praktiker, die das jeden Tag umsetzen und sich von uns ein bisschen auf den Arm genommen fühlen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Strässer, gestatten Sie eine Frage?

Christoph Strässer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003644, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Stephan Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004175, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. - Da dieses Thema schon mehrfach zur Sprache kam, würde ich Sie bitten, mir Folgendes zu erklären: Wenn es so ist, wie Sie gerade vorgetragen haben, warum konnten sich die SPD-Justizminister der Länder in der besagten Sitzung nicht entscheiden, den Beitrag der Länder, nämlich zwei Drittel, selber aufzustocken, und warum haben auch die SPD-Justizminister gesagt - das war nämlich ein einstimmiger Beschluss aller Landesjustizminister in der JuMiKo -, dass erst eine Prüfung erfolgen müsse? ({0})

Christoph Strässer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003644, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich muss reklamieren, dass die Uhr mitgelaufen ist; das war nicht der Sinn der Geschichte. ({0}) - Dafür können Sie nichts.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das ist richtig; das können Sie nicht beeinflussen. Diese Zeit wird die Präsidentin draufschlagen. Entschuldigung!

Christoph Strässer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003644, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir befinden uns im Deutschen Bundestag und beraten den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz. In diesem Etat ist für die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ein Betrag von 100 000 Euro eingeplant. Das ist ein Betrag, dessen Höhe der Deutsche Bundestag ändern kann. Wir haben etwas getan, was ich auch von Ihnen erwartet hätte: Wir haben alle Landesregierungen, an denen wir beteiligt sind, angeschrieben und aufgefordert, sich einer entsprechenden Regelung nicht zu verschließen. Aber das hindert den Deutschen Bundestag doch nicht daran, im Hinblick auf den Teil, für den er den Haushalt aufstellt, autonom die Entscheidung zu treffen: Wir erhöhen unseren Anteil und setzen damit auch die Länder unter Druck. - Herr Kollege, ich verstehe Sie an dieser Stelle nicht. ({0}) Wir machen uns auf internationaler Ebene absolut lächerlich. Lesen Sie bitte einmal den Bericht des UNAusschusses gegen Folter, den fünften Staatenbericht. Darin wird Deutschland ohne Ende kritisiert, weil wir das nicht ordentlich umsetzen. Das wäre aber unsere Aufgabe. Wir können sie nicht auf wen auch immer abschieben. Hier müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Deshalb haben wir einen maßvollen Antrag eingebracht. Ich wiederhole, was der Kollege Funk gesagt hat: Es ist Geld da. - Sie setzen allerdings andere Prioritäten; das sollten Sie sagen. An dieser Stelle machen Sie einen politischen Fehler. Wir brauchen für diese Stelle mehr Geld; sonst sind wir international nicht konkurrenzfähig. ({1}) Man sollte sich auch einmal die Situation in unseren Nachbarstaaten anschauen; ich glaube, dass das sinnvoll ist. Da wir ja gerne über unsere kleineren Nachbarstaaten, zum Beispiel über die Schweiz, reden, will ich Ihnen einmal die Zahlen nennen, die bei der Umsetzung dieses Abkommens in der Schweiz eine Rolle spielen. Wir haben fünf ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein kleines Land wie die Schweiz hat zwölf. Die Schweiz hat in ihrem Etat umgerechnet 290 000 Euro zur Finanzierung einer solchen Präventionsstelle eingestellt, bei uns sind es insgesamt 300 000 Euro. Da können Sie mir nicht ernsthaft erzählen, dass wir in einer schwierigen Situation wären, wenn wir diese Haushaltstitel umsetzen würden. Noch eine Zahl zu Frankreich: Dort gibt es 16 Teilzeitmitarbeiter, und der Etat beträgt mehr als 3 Millionen Euro. Lassen Sie uns zumindest im nächsten Haushaltsjahr gemeinsam für eine ordentliche Ausstattung sorgen. Alles andere ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung. ({2}) Was den Justizhaushalt im eigentlichen Sinne betrifft, möchte ich, auch wenn wir heute letztendlich keine Zahlen infrage stellen wollen, an dieser Stelle die Arbeit und die Zukunft des Deutschen Instituts für Menschenrechte thematisieren. Dieses Institut ist eine nationale Menschenrechtsorganisation, die gemäß den internationalen Kriterien in der Stufe A - das ist die höchste Stufe - geratet worden ist. Es besteht allerdings die Gefahr, dass das Institut diesen Status verliert. Der Hintergrund ist ganz einfach: Den Pariser Kriterien zufolge müssen die nationalen Menschenrechtsinstitute eine unabhängige Grundlage bekommen. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Regelung, die der Deutsche Bundestag verabschieden muss. Frau Ministerin, ich weiß, dass daran, wie es mit diesem Institut weitergeht, ein Stück weit Ihr Herz hängt. Wenn Deutschland im Menschenrechtsrat demnächst seinen UPR-Bericht präsentiert, wird das Deutsche Institut für Menschenrechte möglicherweise nicht mehr mitdiskutieren dürfen, weil es nicht mehr A-geratet ist. Insbesondere in der Fraktion der CDU/CSU gibt es leider keine Bereitschaft - wir haben es versucht; Sie haben mir auf eine Anfrage geantwortet -, einen Gesetzentwurf einzubringen, der eine solche gesetzliche Grundlage schafft. Deshalb meine herzliche Bitte: Legen Sie den Fraktionen des Deutschen Bundestages einen entsprechenden Vorschlag vor! Ich kann Ihnen versichern: Er wird in diesem Hause eine Mehrheit bekommen. Wenn das nicht passiert, dann kommt es international zu einem absoluten Desaster für die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland. Kommen Sie bitte in die Puschen und legen Sie etwas vor! Wir sorgen für Mehrheiten. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem Kollegen Geis.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Strässer, ich weiß nicht, ob Sie mich rügen wollten. In meiner Rede, in der ich auf die Aufgabe der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit eingegangen bin, habe ich ausdrücklich gesagt, dass ich Bedenken habe, ob es gelingt, unser Rechtssystem in die Länder des arabischen Frühlings zu übertragen, und zwar aus den Gründen, die Sie selber genannt haben. Ich bin der Meinung, dass das ein schwieriges Unterfangen ist. Die Stiftung nimmt sich dieser Aufgabe an. Dazu gehört - da kann ich mit Ihnen übereinstimmen - Demut; es gehört aber auch Mut dazu und natürlich auch das Bekenntnis zur eigenen Rechtsordnung. Wir sollten da nicht ausweichen. Aber man kann das - Sie haben das richtig erwähnt, und da stimme ich mit Ihnen überein nicht mit dem Holzhammer machen, sondern man muss versuchen, es im Gespräch und mit Überzeugung durchzusetzen. Danke schön.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Strässer, möchten Sie reagieren? - Bitte sehr.

Christoph Strässer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003644, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dieser Interpretation des Kollegen Geis habe ich nichts entgegenzusetzen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann gebe ich das Wort dem Kollegen Thomas Silberhorn für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Koalitionsausschuss hat sich Anfang November darauf verständigt, dass wir bereits im Jahr 2013 und nicht erst 2016 die Schuldenbremse des Grundgesetzes einhalten werden ({0}) und dass wir 2014 einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt, also eine schwarze Null, erreichen wollen. Dazu müssen alle mit spitzem Bleistift rechnen und ihren Beitrag zur Konsolidierung leisten. Als Rechtspolitiker sind wir uns darüber im Klaren, dass der Justizetat mit etwa 0,2 Prozent des Gesamthaushalts nur einen geringen Anteil daran haben kann. Allerdings geht der Justizhaushalt, was die Kostendeckung angeht, mit sehr gutem Beispiel voran: 80 Prozent des Justizetats sind selbst erwirtschaftet. Das liegt insbesondere an der guten Bilanz des Deutschen Patent- und Markenamtes in München. Dies ist im Übrigen ein dezenter Hinweis darauf, welche Werte hinter geistigem Eigentum stecken, ganz anders als das manche Verfechter einer Kostenlos-Mentalität im Internet zu propagieren versuchen. Auch fachlich kann sich die Bilanz der Rechtspolitiker sehen lassen. Viele Gesetzesvorhaben sind bereits abgeschlossen, einige liegen noch vor uns. Wir haben, wenn ich das Mediationsgesetz herausgreifen darf, die Quadratur des Kreises geschafft, indem wir mit einem solchen Gesetz sowohl den Bürgern als auch der Verwaltung Erleichterung verschaffen. Wir ermöglichen es den Beteiligten, bei rechtlichen Streitigkeiten nicht sofort den Klageweg beschreiten zu müssen. Vielmehr haben wir einen Rahmen dafür geschaffen, dass die Parteien vorab außergerichtlich in einem strukturierten Verfahren, eben mit Unterstützung eines Mediators, eine einvernehmliche Lösung erzielen können. Diese neue Art der Streitkultur kann die Kosten in erheb25176 lichem Maße senken. Sie wird die Gerichte entlasten. Sie wird vor allem die Nerven aller Beteiligten schonen. ({1}) Natürlich kann eine gütliche Einigung immer auch im Gerichtsverfahren erreicht werden. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir mit dem Modell des Güterichters die Möglichkeit geschaffen haben, dass die Richter, die schon bisher gerichtliche Mediation betreiben, ihre Kenntnisse, ihre Erfahrungen als Güterichter künftig weiterhin einsetzen können. Im Übrigen haben wir es den Ländern ermöglicht, durch eine Ermäßigung der Gebühren bei einvernehmlichem Abschluss eines Gerichtsverfahrens Anreize zu setzen. Auch das zeigt, dass wir flexibel in unserer Gesetzgebung sind und unterschiedlichen Bedürfnissen der Länder Rechnung tragen. Das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz ist schon angesprochen worden. Es geht uns darum, dass wir eine angemessene Ausstattung der Justizhaushalte gewährleisten und auch den hohen Standard unserer Rechtsprechung in Deutschland erhalten können. Aus der Kostenordnung wird ein Gerichts- und Notarkostengesetz, und aus der Justizverwaltungskostenordnung wird ein Justizverwaltungskostengesetz. Im Detail geht es darum, dass wir bestehende Normen vereinfachen, dass wir sie an übrige Kostengesetze angleichen und dass wir insbesondere für die Bürger ein gehöriges Maß an Transparenz schaffen. Ich sage aber auch: Es geht bei diesem Gesetz auch darum, dass Gebühren, Honorare und Entschädigungen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung angepasst werden. Der Bundesrat hat nun eine Fülle von Änderungswünschen eingereicht. Wir sind in enger Abstimmung mit den Ländern. Frau Justizministerin, ich plädiere durchaus dafür, dass wir den spezifischen Gegebenheiten der Länder dort entgegenkommen, wo wir Spielräume haben und wo die Länder ihre eigene Praxis fortführen wollen. Das Mietrechtsänderungsgesetz ist ein zentrales Vorhaben der Rechtspolitiker. Dies zeigt, dass wir mit Rechtspolitik grundlegende Weichenstellungen auch an anderer Stelle, nämlich bei der Energiewende, unterstützen. Wir brauchen erhebliche Anstrengungen bei der Energieeinsparung und bei der Energieeffizienz in unserem Land. ({2}) Deswegen ist es wichtig, dass veraltete Heizungsanlagen modernisiert und der Missstand von fehlenden Wärmeschutzdämmungen beseitigt wird; denn diese Defizite sind dafür verantwortlich, dass Wohngebäude einen hohen Anteil am Gesamtenergieverbrauch in unserem Land ausmachen. 40 Prozent des Energieverbrauchs und ein Drittel aller CO2-Emissionen entfallen auf den Gebäudebereich. Das Gesetz zur Änderung des Mietrechts setzt genau da an. Die Zielsetzung ist, die energetische Sanierung leichter zu ermöglichen als bisher. Wir fassen diesen Tatbestand genauer, sodass Modernisierungsmaßnahmen klar bestimmt sind. Wir haben durchaus darauf geachtet, dass die Interessen von Vermietern und Mietern in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen. Dass wir das Mietminderungsrecht für drei Monate ausschließen, was vonseiten der Opposition besonders kritisiert wird, ermöglicht durchaus einen angemessenen Ausgleich. ({3}) Ich darf daran erinnern, dass wir im Koalitionsvertrag noch den vollständigen Ausschluss des Mietminderungsrechts vorgesehen hatten. Wir sind davon abgekommen und haben einen Kompromiss erarbeitet, der den Ausschluss des Mietminderungsrechts auf drei Monate befristet. Das soll einerseits ein Anreiz für die Vermieter sein, die energetische Sanierung tatsächlich anzugehen. Andererseits bietet es auch die Chance, dass energetische Modernisierungsmaßnahmen durch den Vermieter zügig durchgeführt werden. Für den Mieter ist das aus meiner Sicht keine unzumutbare Beeinträchtigung; denn die Mieter selbst profitieren ja von der energetischen Sanierung durch niedrigere Nebenkosten. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf zur Änderung des Mietrechts sieht endlich auch eine Regelung dafür vor, der Unsitte des Mietnomadentums zu begegnen. ({5}) Dabei empfinde ich den Begriff Mietnomadentum als einen Euphemismus. Dies ist eine Diskriminierung von Nomaden. Wir haben es hier schlichtweg mit Mietbetrügern zu tun. Es geht um Betrug. ({6}) Es sind vor allem private Vermieter, die solchen Betrügereien hilflos ausgeliefert sind und nicht selten vor dem finanziellen Ruin stehen. ({7}) Deswegen ist es wichtig, dass wir diesen Vermietern wirksame Instrumente an die Hand geben, um Einmietbetrügern das Handwerk zu legen. In Bezug auf die gemeinsame elterliche Sorge sind wir mit unserem Gesetzentwurf sehr weit gekommen. In der nächsten Woche findet die Sachverständigenanhörung statt. Mir ist wichtig, dass wir das Kindeswohl in das Zentrum unseres Interesses stellen. Wir werden dafür sorgen, dass die gemeinsame elterliche Sorge künftig als Regelfall angesehen wird, die dem Wohl des Kindes am besten dient. Lassen Sie mich zur Sicherungsverwahrung nur anführen, dass wir die Gesetze, die es den Ländern ermöglichen, die neue Form der Therapieunterbringung zu realisieren, jetzt rechtzeitig auf den Weg gebracht haben. Damit stellen wir sicher, dass keine gefährlichen Straftäter mehr in die Öffentlichkeit entlassen werden, wenn sie nach Verbüßung der Haftstrafe noch eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben unserer Bürger darstellen. Dass ein kleiner Wermutstropfen aus Sicht der Union bleibt, darf ich anführen. Die nachträgliche Therapieunterbringung hätten wir gerne realisiert. Aber wir sind immerhin zu einem guten Abschluss gekommen. ({8}) Lassen Sie mich zuletzt die Vorratsdatenspeicherung ansprechen. Sie ist nicht nur notwendig, weil es eine europäische Vorgabe dafür gibt, sondern sie ist auch deshalb notwendig, damit unsere eigenen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden tätig werden können. Es geht dabei nicht um eine anlasslose Speicherung von Daten, ({9}) und es geht auch nicht um die Speicherung von Kommunikationsinhalten auf Vorrat, sondern es geht ausschließlich um die Sicherung von Verkehrsdaten, ({10}) um schwerste Straftaten zu verhindern und die Verfolgung von schwersten Straftaten zu ermöglichen. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde mir wünschen, dass wir das Stigma „Vermeintliche Datenspeicherung auf Vorrat“ überwinden und uns bei der etwas irregeleiteten öffentlichen Debatte auf das Interesse an der Verkehrsdatensicherung konzentrieren würden; denn, Frau Justizministerin, wir wollen ja schließlich auch nach der nächsten Bundestagswahl weiter regieren. ({0}) Gestatten Sie mir einen abschließenden Satz, Frau Präsidentin.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das waren jetzt schon fast zwei abschließende Sätze.

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das Justizressort geht mit gutem Beispiel voran. Wir haben einige wegweisende Gesetze auf den Weg gebracht. Das, was noch aussteht, werden wir bis zur Wahl liefern, damit wir 2013 ein bestelltes Haus an uns selbst weitergeben können. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Ausschussfassung. Es liegt Ihnen ein Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/11523 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion und durch die Fraktion Die Linke. Die Koalitionsfraktionen haben dagegen gestimmt, Bündnis 90/Die Grünen hat sich enthalten. Wir kommen nun zu dem Einzelplan 07 in der Ausschussfassung. Wir stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 07 in der Ausschussfassung angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und FDP, dagegen gestimmt haben SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 19 einstimmig angenommen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.7 auf: Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Drucksachen 17/10823, 1710824 Berichterstattung: Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte Stephan Thomae Sven-Christian Kindler Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der SPD sowie fünf Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Verabredet ist es, über diesen Einzelplan eineinhalb Stunden zu debattieren. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Kollegen Uwe Beckmeyer für die SPD-Fraktion. ({0})

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushalt 2013 des Umweltressorts ist heute unser Thema. Doch ich denke, er ist unauflösbar mit dem Thema „Energiewende in Deutschland“ verbunden. Hier hat unser Land allerdings kein Alleinstellungsmerkmal. Wir lernen aus den Medien, dass in China, in den USA, in Japan, in Brasilien und anderswo ebenfalls über eine Energiewende diskutiert wird. Man sieht: Deutschland befindet sich auch hier in harter internationaler Konkurrenz. Auch deshalb kann die Antwort dieser Bundesregierung nicht lauten: Energiewende vertagt. Doch diesen Eindruck gewinnt man, wenn man sich die aktuellen Beschlüsse von Union und FDP zum Bundeshaushalt anschaut. Auch das Gegeneinander der verantwortlichen Minister, ehemals Röttgen, jetzt Altmaier sowie Rösler und Aigner, signalisiert der Wirtschaft Chaos und schafft vor allen Dingen Planungsunsicherheit. Doch statt diese konfuse Politik der schwarz-gelben Regierungskoalition durch klare Entscheidungen zu beenden, schaut die Kanzlerin nur zu. ({0}) Warten wir einmal ab, was der Anfang November angekündigte nationale Dialog wirklich bringt. Seit der Ankündigung der neuerlichen Energiewende im Juni 2011 sind bereits eineinviertel Jahre verloren. Um was geht es? Wir brauchen eine sozial verantwortliche Energiepolitik. Was heißt das? Wir Sozialdemokraten wollen, dass die Energiewende bezahlbar bleibt und dass dabei das Potenzial der erneuerbaren Energien genutzt wird, aber auch, dass die Lasten gerecht verteilt werden. Es wird in letzter Zeit in Deutschland viel zu wenig über die Chancen der erneuerbaren Energien gesprochen. ({1}) Statt langfristige Umweltschäden und hochgefährliche Abfälle zu produzieren, sparen sie Kosten für den Import von Brennstoffen, und wir werden weniger abhängig von schwankenden Rohstoffpreisen. Die Energiewende bedeutet zudem hohe Wertschöpfung im eigenen Land. Die Alternative ist, viele Milliarden auf die Konten von Ölscheichs und in die Gasländer zu überweisen. Doch schon allein im Jahr 2011 sind dank der Ökoenergie Importe von Öl, Kohle und Gas in Höhe von 7,1 Milliarden Euro vermieden worden. Nach dem Scheitern von Herrn Röttgen sind Sie, Herr Minister Altmaier, als neuer Bundesumweltminister im Mai mit hehren Zielen im Zusammenhang mit dem Megathema Energiewende angetreten. Doch Sie müssen aufpassen; denn die Debatte dreht sich gerade: Ihre Koalition spricht inzwischen eine andere Sprache. Da wollen die BDI-Spitze und die FDP das EEG sturmreif schießen und die Energiewende ausbremsen. ({2}) „Altmaier zwischen allen Stühlen“, titelt der Stern. Die Energiewende scheint in der Prioritätenliste der Regierung Merkel nicht mehr sehr weit oben zu stehen. Man will das zunehmend unangenehme Thema irgendwie abmoderieren. So fehlen auch klare Prioritäten in dem heute vorliegenden Bundeshaushalt 2013. Um die Energiewende voranzubringen, brauchen wir Zukunftsinvestitionen in erneuerbare Energien und in den nationalen und internationalen Umwelt- und Klimaschutz. Herr Minister, dieser Bundesregierung und damit auch Ihnen läuft die Energiewende aus dem Ruder. Sie ernten überwiegend harsche Kritik für Ihre Energiepläne. Die Energiewirtschaft ist unzufrieden. Die Länder werten Ihr Quotenmodell als falsches Signal. Sie erreichen nur noch - das ist schlimm - eine gewaltige Verunsicherung bei vielen Investoren, insbesondere bei denen, die sich im Bereich der erneuerbaren Energien engagieren wollen. ({3}) Die Energiepolitik ist eine andere Liga und lässt sich nicht durch Küchendiplomatie voranbringen. Warum lassen Sie es zu, dass Herr Rösler und Frau Aigner sich in diesem Feld tummeln? Ihr politischer Partner greift Sie immer unverhohlener an. Wenn es richtig ist, dass es zu viele Steuerbefreiungen bei den sogenannten energieintensiven Unternehmen gibt - und es ist richtig -, warum handeln Sie dann nicht? Wo sind Ihre Vorschläge für härtere Stromsparauflagen bei ebendiesen energieintensiven Unternehmen? Die Energiewende ist ohne Frage ein gesamtgesellschaftliches Projekt; doch sie obliegt Ihrer Verantwortung als Ressortchef. Leider ist diese Regierung ohne überzeugenden Plan. Aber die Deutschen lassen sich nicht täuschen. Sie verlieren zu Recht das Vertrauen in die Regierung Merkel. 70 Prozent der Deutschen werfen der Regierung vor, sie bediene nur die Interessen einzelner Gruppen. Richtig! 75 Prozent meinen, das Gemeinwohl stehe bei dieser Bundesregierung nicht im Mittelpunkt. Auch richtig! 65 Prozent der Deutschen sind der Überzeugung, dass sich Merkels Regierung gar nicht oder nicht sehr stark um die Zukunftsprobleme dieses Landes kümmert. Ebenfalls richtig! Die Energiepolitik ist dafür das beste Beispiel. ({4}) Die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Akteure in die Lage versetzt werden, flexibel und mit zielgerichteten Instrumenten auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren. Ausreichend ausgestattete Programme sind dafür entscheidend. Was aber passiert mit dem Marktanreizprogramm und der nationalen Klimaschutzinitiative? Alle diesbezüglichen Anträge unsererseits sind abgeschmettert worden. Ich denke, der Klimaschutz ist ein Bereich, in dem auch die Wirtschaft im Grunde nur dann verlässlich agieren kann, wenn sie Planungssicherheit hat. Die Energiewende ist somit auch eine der größten wirtschaftspolitischen Herausforderungen, vor denen wir in der Zukunft stehen. Sie vertun gegenwärtig partout die Chance, die sich daraus ergibt. Wenn wir über Umwelt- und Klimaschutz in Deutschland reden, sollten wir, denke ich, auch etwas zu dem Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ sagen. Bei dem, was wir zurzeit erleben, verdient es dieser Fonds eigentlich gar nicht, dass über ihn gesprochen wird. Denn Transparenz, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit bei der Finanzierung sind aufgrund der Einnahmerisiken absolut nicht gegeben. Insofern sind Liquiditätsdarlehen, die Auflösung von Rücklagen oder Umschichtungen allein kein Weg, um Mindereinnahmen auszugleichen und für Planungssicherheit zu sorgen. Dieses Sondervermögen ist nicht geeignet, die Zukunftsaufgaben der Energiewende zu bewältigen. ({5}) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist ein Haushalt ohne Ehrgeiz. Wir Sozialdemokraten werden ihn ablehnen. Auch die drei neuen Unterabteilungen im Ministerium werden es nicht richten. Die Flickschusterei von Schwarz-Gelb verfängt sich erneut in verkrusteten Strukturen. Es zeigt sich, dass seit dem Beginn der Energiewende durch Rot-Grün die politisch Verantwortlichen bei CDU/ CSU und FDP in diesem Hause zunächst alles unternommen haben, um diese Energiewende über ein Jahrzehnt zu blockieren. Nun erleben wir ein ähnliches Theater, indem erneut Kräfte in dieser Regierung das Thema verstolpern und ausbremsen und damit wieder wichtige Zeit verspielen. Wir müssen jetzt für alle diese verlorenen Jahre bezahlen. Insofern kann man nur sagen: Es ist Zeit, dass diese Regierung Merkel abgelöst wird. Denn sie ist die schlechteste Regierung, die wir in der Bundesrepublik Deutschland jemals hatten. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat unser Kollege Bernhard SchulteDrüggelte für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Bernhard Schulte-Drüggelte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003629, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nichts zu Ihrer Bewertung über Frau Merkel sagen. ({0}) Dass Ihre Bemerkung nicht gut war, wissen Sie selber. Ich habe einmal einen zutreffenden Spruch gelesen. Er lautet: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung.“ Das fand ich irgendwie toll. Aber ich glaube, das ist nur die halbe Wahrheit. Denn auch erneuerbare Energien haben ihren Preis. Der Komplettumbau des Systems hier in Deutschland kostet Geld, und in den Haushaltsberatungen sprechen wir jetzt über Geld. Es kostet das Geld der Steuerzahler und natürlich auch der Stromverbraucher. ({1}) - Lassen Sie mich doch erst einmal weiter ausführen. Ich will etwas Positives zur Sonnenenergie sagen. In Mitteleuropa, um einmal eine Zahl zu nennen, kommt 80-mal mehr Energie von der Sonne, als hier verbraucht werden kann. Das ist auch im manchmal verregneten Deutschland so. Selbst im November geht die Sonne auf. Darin liegt ein ganz großes Potenzial; das will ich betonen. Aber die Ausnutzung dieser Sonnenenergie funktioniert noch nicht richtig. Wir können diese Energie noch nicht voll ausschöpfen. Das ist das Problem. Wenn wir die Mittel und die Methoden anwenden, die jetzt zur Verfügung stehen, dann wird es teuer. Damit sind wir wieder bei den Kosten für die Industrie - Sie haben diesen Punkt vorhin angesprochen -; aber wir müssen auch die Kosten für den Verbraucher sehen, die angestiegen sind. Deutschland läuft Gefahr, durch hohe Strompreise Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk zu gefährden. Es besteht zudem die Gefahr, dass Haushalte mit geringen Einkünften die Strompreise nicht mehr bezahlen können. Gleichwohl hat der Bundestag die Energiewende beschlossen. Es ist nicht so, wie Sie, Herr Beckmeyer, es gerade gesagt haben. Die Energiewende wird nicht vertagt. Sie ist beschlossen worden, und sie wird auch umgesetzt. Ich will das deutlich hier sagen. ({2}) Der vorliegende Haushalt und auch die Entwicklung des Energie- und Klimafonds zeigen das. Ich will Folgendes herausstellen: Im Haushalt für 2013 sind deutliche Verstärkungen in Sach- und Personaltiteln vorgenommen worden. ({3}) Hinzu kommen die Gelder aus dem Energie- und Klimafonds. Ich möchte auch die Tatsache ansprechen, dass 40 zusätzliche Stellen zur Bewältigung der Energiewende geschaffen worden sind. Sie wissen, es werden nur Stellen in Bereichen mit hoher Bedeutung geschaffen. ({4}) 40 neue Stellen für die Energiewende - ansonsten haben wir uns in den Haushaltsberatungen zurückgehalten, was die Schaffung neuer Stellen angeht - sind ein Hinweis darauf, welche Bedeutung wir diesem Bereich beimessen. ({5}) Aber es ist völlig klar, dass das auch bezahlbar sein muss. Die Energieversorgung muss verlässlich, sicher und auch bezahlbar sein. Das sind die drei Ziele, die wir uns gesetzt haben. ({6}) Ich möchte unseren Minister zitieren. Er hat es so auf den Punkt gebracht: Wir müssen dafür sorgen, dass der Ausbau in einem stetigen und berechenbaren Rahmen stattfindet. ({7}) Das ist eine wichtige Aussage, und das muss man sich wirklich durch den Kopf gehen lassen. Darüber muss man einmal nachdenken. ({8}) Die Energiewende - auch das wurde gerade vom Kollegen Beckmeyer gesagt - birgt enorme Chancen, Chancen für die Industrie, Chancen im Bereich der neuen Technologien und vor allen Dingen Chancen im Bereich der Effizienztechnologie. Es ist ein erhebliches Potenzial, das unsere Industrie hier in Deutschland hat. Ich möchte noch einen Missstand ansprechen: Der eine sagt dieses, und der andere sagt jenes. Die Energiewende gelingt aber nur dann, wenn die Akteure in Bund und Ländern einigermaßen zusammenarbeiten. Vorhin wurde zumindest indirekt das Gemeinwohl angesprochen. Eine solche Umstellung der Energiepolitik eines Staates funktioniert nur, wenn die Akteure wirklich zusammenarbeiten und sich nicht gegenseitig behindern. Ein hoffnungsvolles Zeichen war der Dialog im November, der gerade angesprochen worden ist. Es ist notwendig, dass die Ausbaupläne den nationalen Erfordernissen angepasst werden. Es muss eine Steuerung geben. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Steuerungskreis auf der Ebene der Staatssekretäre. Auch der Bundestag hat verlangt, dass ein regelmäßiges Monitoring stattfindet. Das soll im November kommen; das müssen wir uns genau anschauen. Dann sehen wir auch die Fortschritte und können bewerten, wie erfolgreich die Energiewende ist. ({9}) Ich möchte noch einen weiteren Punkt erwähnen. Die Energiewende ist nicht nur ein deutsches Projekt. Wir dürfen dabei die europäische Dimension nicht vergessen. Wir können nicht so tun, als ob wir auf einer Strominsel lebten. Das geht nicht. Ich möchte den deutschen Energiekommissar Günther Oettinger zitieren, der gesagt hat, dass wir uns stärker mit den europäischen Nachbarn abstimmen müssen: Spätestens bei der Stromspeicherung sind wir auch auf Kapazitäten in Pumpspeicherwerken in Norwegen, Österreich und der Schweiz angewiesen. ({10}) Eine Koordinierung empfiehlt er aber nicht nur bei den Starkstromtrassen, sondern auch bei den Fördersystemen. Auch da müssen sich die europäischen Staaten besser abstimmen. Unser zentrales Förderinstrument - das wurde gerade angesprochen - ist das Marktanreizprogramm. ({11}) - Da es sich um das entscheidende Förderinstrument handelt, muss ich es immer wieder erwähnen. - Im laufenden Jahr stehen dafür 250 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld reicht aus, wie die Mittelabflüsse zeigen; denn es stehen noch Ausgabenreste in Höhe von 116 Millionen Euro zur Verfügung. ({12}) Lassen Sie mich diese Zahlen einmal nennen; schließlich führen wir hier eine Haushaltsdebatte. Im nächsten Jahr sinkt der Betrag zwar auf 235 Millionen Euro; das stimmt. Aus dem Energie- und Klimafonds kommen aber 172 Millionen Euro dazu. ({13}) So hängt das zusammen. Damit wird unter dem Strich mehr Geld zur Verfügung stehen als in diesem Jahr. Das ist auch eine gute Maßnahme. ({14}) Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Entsorgung radioaktiver Stoffe. Es ist völlig klar: Wenn Kernkraftwerke abgeschaltet werden, muss auch eine Lösung für die Endlagerung gefunden werden. ({15}) - Das ist doch ganz einfach, oder nicht? Wenn es bei der Energiewende einen Konsens gegeben hat - schön, dass ihr so fröhlich seid -, dann muss es auch bei der Endlagerfrage einen Konsens geben. ({16}) Fröhlichkeit finde ich gut, Taktieren aber nicht. Wenn man jetzt herumtaktiert, um keine vernünftigen Lösungen zu finden, dann können die Menschen das nicht verstehen. Sie wollen in diesem Bereich eine Lösung. ({17}) Herr Minister Altmaier hat immer wieder betont, dass er einen Konsens will. Das ist auch richtig. ({18}) Selbst Ministerpräsident Kretschmann, der ja den Eindruck erweckt, ({19}) er wolle wirklich einen solchen Konsens finden, hat die Gespräche abgelehnt. Ich finde das außerordentlich bedauerlich; denn wir müssen da eine Lösung finden. Was ich nicht so bedauerlich finde, sind die Beschlüsse der Grünen auf ihrem Parteitag am letzten Wochenende. ({20}) - Ich lobe das nicht, sondern warte erst einmal ab, was dabei herauskommt. Eine gewisse Grundvorsicht darf man bei den Grünen doch wohl haben. ({21}) Ich möchte aber noch einen Punkt ansprechen. Neben einer Lösung zur Entsorgung hochradioaktiver Stoffe - darum geht es ja im Augenblick - muss man auch eine Regelung für die schwachradioaktiven Stoffe finden. Seit 2007 wird daran gearbeitet, den Schacht Konrad nutzbar zu machen. Die Fertigstellungsdaten werden immer weiter nach hinten verschoben. Im Augenblick wird von 2019 gesprochen. Dass das immer weiter verschoben wird, ist nicht überzeugend, meine ich. Da muss eine Lösung gefunden werden. Es kann durchaus auch effektiver gearbeitet werden. ({22}) Wenn ich schon beim Stichwort „arbeiten“ bin, dann darf ich mich als Berichterstatter am Schluss dieses Beitrags für die durchaus kollegiale Beratung im Haushaltsausschuss bedanken. Ich bedanke mich außerdem, wie es gute Sitte ist, beim Ministerium und bei den Bundesoberbehörden für die schnellen Informationen. Auch der Bundesrechnungshof hat die Beratungen mit zusätzlichen Informationen begleitet. Mein besonderer Dank geht an Uwe Beckmeyer - mit ihm fange ich an, weil er vor mir gesprochen hat -, Stephan Thomae, Sven Kindler und Michael Leutert als Mitberichterstatter für die gute Zusammenarbeit. Danke schön. ({23})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion Die Linke spricht die Kollegin Dorothée Menzner.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsberatungen finden im Zeichen einer angekündigten Endlagersuche und eines Endlagersuchgesetzes sowie im Zeichen einer Lex Asse, die alle Fraktionen im Moment gemeinsam beraten, statt. Lex Asse meint, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der die Bergung des atomaren Inventars in der Asse beschleunigen soll. Da schauen wir als Niedersachsen, als von den ganzen Anlagen Betroffene, natürlich ganz genau hin und nehmen das Motto der Initiativen in der Region Wolfenbüttel - „aufpASSEn“ - sehr ernst. Wie ernst - oder besser: wie unernst - es der Bundesregierung mit einer ergebnisoffenen Endlagersuche ist, kann man schon am Haushaltsansatz sehr genau erkennen: Für 2013 sind für die Endlagersuche 3,5 Millionen Euro eingeplant. 2009 waren es noch über 9 Millionen Euro und 2010 über 8 Millionen Euro. Deswegen fordern wir ganz klar, die Mittel für eine ergebnisoffene Endlagersuche auf 5 Millionen Euro aufzustocken. ({0}) Wir haben es aber in Niedersachsen mit diversen Standorten zu tun. Ich möchte zu allen wenigstens einige Worte verlieren. Zuallererst haben wir es dort mit Gorleben zu tun. Der Untersuchungsausschuss hat in den letzten Jahren gezeigt: Gorleben war wissenschaftlich nie erste Wahl, sondern eher ein Standort, der politisch gesundgebetet wurde. ({1}) Nun finden sich im Haushaltsplan wieder 82 Millionen Euro für Gorleben - deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Von diesen 82 Millionen Euro entfallen 41 Millionen Euro auf die weitere Erkundung Gorlebens. Sollen weiter Fakten geschaffen werden? Was heißt „ergebnisoffene Endlagersuche“, wenn weiter in Gorleben Geld verbaut wird, wo doch eigentlich allseits bekannt ist, dass Gorleben als Atommüllendlagerstandort ungeeignet ist. ({2}) Ohne einen glaubhaften Verzicht auf Gorleben werden wir keine gesellschaftliche Diskussion zustande bringen, werden wir diesen jahrzehntelangen gesellschaftlichen Konflikt um die Frage „Wohin mit dem Atommüll?“ nicht lösen. ({3}) Nächstes Lager: Asse. Die Fraktionen arbeiten an der Lex Asse; das habe ich eben schon deutlich gemacht. Der Mittelaufwuchs an dieser Stelle - auf 142 Millionen Euro - ist positiv zu vermerken; da hat die Bundesregierung nachgelegt. Dazu muss ich aber schon sehr deutlich sagen: Zur Vorbereitung der Rückholung und der Bergung des atomaren Inventars ist das immer noch deutlich zu wenig - und das wissen Sie genauso gut wie wir. Es geht aus dem Haushaltsplan auch nicht hervor, welche Mittel für Maßnahmen wie Notfall- und Gefahrenabwehr, sprich - im schlimmsten Fall -: Flutung, vorgesehen sind und wann die Notfall- und Gefahrenabwehr abgeschlossen sein soll. ({4}) Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern: Für 2011 war dafür eine Kostenprognose vorgesehen und uns an25182 gekündigt. Sie liegt bis heute nicht vor. Ich hätte doch gerne einmal eine Antwort auf die Frage, wann wir damit rechnen können. ({5}) Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang: Das Bundesamt für Strahlenschutz, das mit der Umsetzung beauftragt ist, hat für die Bewältigung der Asse 82 neue Stellen beantragt, wohlbegründet. Das Ministerium hat nur 50 Stellen genehmigt. Das halte ich für ein ernsthaftes Problem, wenn wir, wie es alle Fraktionen hier immer wieder fordern, zu einer Beschleunigung kommen wollen. Last, but not least: Schacht Konrad. Ich sage ganz deutlich: Das Geld, das für den Schacht Konrad vorgesehen ist, sollten wir gemeinsam sparen. Schacht Konrad - da hält es die Linke mit den Initiativen, mit den Belegschaften, mit den Betriebsräten, mit den Menschen vor Ort - ist nicht geeignet, Stichworte - um nur ein paar Punkte zu nennen -: Langzeitsicherheit, Grundwasserschutz, keine ausreichende Produktkontrolle, Risiken im Einlagerungsbetrieb, weil die Einlagerung über das Werksgelände eines Stahlwerkes laufen soll. Wir haben es mit einer Region zu tun, in der Vertrauen grundlegend verloren gegangen ist. Die Asse und Schacht Konrad sind genau 24 Kilometer voneinander entfernt. Ohne über Schacht Konrad neu zu diskutieren und dabei Transparenz herzustellen, wird es nicht gehen. ({6}) Fazit: Die Regierung betont fortlaufend einen Neustart in der Frage der Endlagersuche. Aber bei genauer Betrachtung zeigt sich: Es kommt außer vielen schönen Worten nichts. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Im Gesamthaushalt findet sich für Atomenergie/ Atomtechnik 1 Milliarde Euro. Wenn man alle Einzelpläne nebeneinanderlegt, finden sich für alle erneuerbaren Energien nur 790 Millionen Euro. Um es noch deutlicher zu machen: In all den Jahren sind inklusive EEG 54 Milliarden Euro in erneuerbare Energien geflossen. Dagegen sind seit 1970 177 Milliarden Euro in die Steinkohle geflossen,

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

- 65 Milliarden Euro in die Braunkohle und ganze 187 Milliarden Euro in die Atomenergie.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

So viel zur Behauptung, ({0}) Atomenergie sei so billig, oder dazu, wir steuerten um und führten eine Energiewende durch. Das, was Sie hier mit diesem Haushalt vorlegen, zeigt, dass Sie keine Lehren aus Fukushima gezogen haben. Ich danke. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Stephan Thomae hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Stephan Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004175, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will auch ich meinen Dank dem Ministerium, dem Bundesminister, Herrn Altmaier, vor allem dem Haushaltsreferat des Hauses, dem Bundesrechnungshof und den Bundesoberbehörden, die diese Haushaltsentscheidung begleitet haben, aussprechen. Gleichfalls danke ich dem Kollegen Schulte-Drüggelte als Hauptberichterstatter und meinen Kollegen Beckmeyer, Kindler und Leutert als Mitberichterstatter für die sachliche und konstruktive Beratung dieses Haushaltes. Ein paar Eckdaten sind schon genannt worden. Der Haushalt des Bundesumweltministeriums ist ein vergleichsweise kleiner Haushalt mit einem Volumen von etwa 1,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben steigen maßvoll um 3,4 Prozent. Die Schwerpunkte im Umwelthaushalt liegen vor allem bei der Endlagersuche und dem Bereich der erneuerbaren Energien. Die gewaltigen Aufgaben, die in diesen Bereichen unserer harren, rechtfertigen diesen maßvollen Aufwuchs in diesem Etat. Umweltpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die auch in vielen anderen Einzelplänen des Bundeshaushaltes enthalten ist, zum Beispiel im Entwicklungshaushalt. Insgesamt sind im Bundeshaushalt 7,4 Milliarden Euro, also etwa ein Fünffaches dieses Etats, für die Umweltpolitik eingeplant. ({0}) Lassen Sie mich zunächst ein paar Worte zum Energie- und Klimafonds sagen. Bei meinen Vorrednern ist es schon angeklungen: Der Energie- und Klimafonds gehört eigentlich zum Einzelplan 60. Es wurde kritisiert, dass er als Sondervermögen aus dem Bundeshaushalt ausgegliedert und - auch das war ein Vorwurf - unteretatisiert sei. Die finanzielle Ausstattung hängt natürlich mit dem Verkauf von Zertifikaten, dem Zertifikatehandel, zusammen. Derzeit sind die Einnahmen niedriger als ursprünglich angesetzt, weil es ein Überangebot an Zertifikaten auf dem Markt gibt. Das ist deshalb so, weil der Preis so niedrig ist. ({1}) Ein Überangebot, Frau Kollegin, ist zunächst einmal eine gute Nachricht; denn ein Überangebot zeigt, dass die Nachfrage geringer ist als das Angebot auf dem Markt. Das heißt, die Emissionsmengen gehen zurück, man braucht heute weniger Zertifikate als früher. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht. Jetzt müsste man, um den Preis stabil zu halten, die Zertifikatemenge begrenzen. Das muss geschehen. Dann werden sich die Einnahmen des EKF konsolidieren. Nur, das können wir nicht in den Mitgliedstaaten, auf nationaler Ebene, regeln, das muss auf europäischer Ebene getan werden. Darauf muss man hinwirken. ({2}) Die Ausgaben für die Endlager steigen ebenfalls maßvoll um knapp 40 Millionen Euro, also um etwa 8,4 Prozent, auf 501 Millionen Euro. Meine Vorrednerin hat gerade die Asse angesprochen. Vom Bundesamt für Strahlenschutz bin ich dankenswerterweise eingeladen worden, mir die Asse persönlich anzusehen und mir ein eigenes Bild zu machen. Ich bin dieser Einladung gern gefolgt. In der Asse herrschen besonders schwierige Bedingungen, weil das Grundwasser bekanntlich in die Schachtanlage eindringt. Um die gewaltigen Herausforderungen, die sich aus der Sicherung der Asse und aus der Bergung des atomaren Mülls ergeben, zu bewältigen, haben wir den Einzeltitel „Stilllegung Schachtanlage Asse“ um 42 Millionen Euro aufgestockt. Ich glaube, das ist eine richtige Maßnahme gewesen. ({3}) Der Schwerpunkt der Aufgaben liegt ganz klar beim Thema Energiewende. Nach außen wird manchmal ein etwas verzerrtes Bild dergestalt vermittelt: Der eine Minister, der gute, sei zuständig für die Verteilung von Wohltaten. Der andere Minister, der böse, müsse aufpassen, dass der Strompreis für Wirtschaft und Verbraucher nicht durch die Decke geht. ({4}) Aber die Energiewende ist nicht nur ein staatliches Vorhaben der öffentlichen Verwaltung. Es ist ein Vorhaben von Wirtschaft und Gesellschaft. Dies hat übrigens überhaupt nichts damit zu tun, ob man die Energiewende will oder nicht; das ist völliger Unfug. Natürlich stehen wir zu unseren Entscheidungen. ({5}) Wir sehen darin in erster Linie große Chancen für unser Land. Aber deswegen müssen natürlich auch die Belange von Wirtschaft und Gesellschaft Berücksichtigung finden. ({6}) Bei den erneuerbaren Energien geht es nämlich nicht nur um Mengenwachstum. Die Energiewende ist, musikalisch ausgedrückt, ein Vierklang. Dabei geht es natürlich um die Energieerzeugung; es geht aber auch um Energietransport, Energieeinsparung und Energiespeicherung. ({7}) Eine Zeit lang hat man geglaubt: Wenn man in ganz kurzer Zeit möglichst viel Zubau an Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien schafft, dann ist die Energiewende so gut wie gemeistert. Wir alle haben heute erkennen müssen, dass die Sache deutlich komplexer ist. Erneuerbare Energien sind zu einem großen Teil eben nicht grundlastfähig, außer vielleicht Biomasse. ({8}) Deshalb müssen wir auch im Bereich der Energiespeicherung Geld in Forschung und Entwicklung stecken. Das tun wir auch. ({9}) Die Energieerzeugung wird dezentraler. Deswegen müssen auch die Netze anders strukturiert werden. Es geht also nicht einfach nur darum, möglichst schnell möglichst viele Energieanlagen, also Solaranlagen und Windkrafträder, zu bauen, sondern es geht um ein integriertes Konzept. Wir müssen auch bei der Gebäudesanierung vorankommen. Wir müssen im Bereich der Speichertechnologien in die Forschung investieren, und wir müssen die Netze umbauen. ({10}) All das muss eingepasst werden in die Kulisse einer im internationalen Wettbewerb stehenden Industrienation. ({11}) Die Energiewende ist nun einmal - das ergibt sich aus dem Gesagten - nicht nur eine idyllisch-romantische Angelegenheit, sondern das Ganze ist auch eine technische Herausforderung. Die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energieträgern und die Leitungsnetze müssen gemeinsam wachsen, sonst hinkt die Energiewende. Genau um dieses gemeinsame Wachsen im Rahmen eines integrierten Konzepts kümmert sich diese Bundesregierung mit diesen Bundesministern, mit den Ministern Altmaier und Rösler. Die Energiewende ist in den Händen dieser Regierung gut aufgehoben. Deswegen ist es auch sehr gut, dass wir diesen Etat mit einer Anhebung um rund 3,5 Prozent besser ausstatten. Ich blicke daher zuversichtlich in die Zukunft der Energiewende in Deutschland. ({12}) Vielen Dank. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die Kollegin Dorothea Steiner.

Dorothea Steiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004166, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Eine zentrale Aufgabe des Umweltministeriums ist es, die Energiewende erfolgreich voranzutreiben. Das hatte sich bekanntlich auch Minister Altmaier bei seinem Amtsantritt auf die Fahne geschrieben. Aber ich muss feststellen: Diesem Anspruch wird der Haushalt 2013 nicht gerecht. ({0}) Wir brauchen einen konsequenteren Ausbau der Erneuerbaren, einen an die Potenziale der Erneuerbaren angepassten Netzausbau, höhere Investitionen in Energieeffizienz und nachhaltige Initiativen zur Energieeinsparung. In den Ankündigungen von Herrn Altmaier und denen der Kollegen von CDU/CSU und FDP hören wir das zwar; im Umwelthaushalt finden wir das aber leider nicht. Die Reden sind der schöne Schein; der Haushalt zeigt die bittere Wahrheit: Die Energiewende ist nur lückenhaft finanziert. ({1}) Wichtige Maßnahmen der Energiewende werden aus dem Energie- und Klimafonds, dem EKF, finanziert. Die Einnahmen für diesen EKF sind aber abhängig vom CO2-Preis im Rahmen des Emissionshandels, und dieser liegt aktuell mit unter 7 Euro pro Tonne deutlich unter den Erwartungen. Damit ist die Finanzierung wichtiger Projekte ungewiss. Bisher zeigen der Bundesumweltminister und der Bundesminister für Wirtschaft, der Herr Rösler, keine Initiative, um den europäischen Emissionshandel zu stützen und den CO2-Preis zu stabilisieren. ({2}) Das heißt, bei Ihnen steht die Energiewende unter dem Preisschwankungsvorbehalt. Ich zeige Ihnen an einem Beispiel, wie das aussieht: 2012 wurden aufgrund von Mindereinnahmen aus den Emissionszertifikaten die Mittel für das Marktanreizprogramm für erneuerbare Wärme komplett gestrichen. ({3}) Wir Grüne würden es anders machen: Wir würden zum Beispiel das Marktanreizprogramm wie auch die Nationale Klimaschutzinitiative aus dem unsicheren EKF herausnehmen, sie in den Gesamthaushalt einsetzen und den Ansatz erhöhen. ({4}) 407 Millionen Euro für das Marktanreizprogramm sollten uns dem Ziel näher bringen, bis 2020 den Anteil der Erneuerbaren am Energieverbrauch für Wärme von heute knapp 8 Prozent auf 14 Prozent zu erhöhen. ({5}) Das würde sich auch für Wirtschaft und Arbeitsplätze auszahlen; denn Investitionen in die Nutzung erneuerbarer Wärme sind eine wichtige Unterstützung mittelständischer Unternehmen und des Handwerks. Das sage ich den Kollegen von der CDU/CSU besonders gern. Meine Damen und Herren, wir erleben seit Monaten eine Kampagne. Es wird behauptet, die Energiewende, die erneuerbaren Energien würden den Strom für die Verbraucher teuer machen. Es gibt entsprechende Attacken von bekannter Seite. Aber allmählich ist doch deutlich geworden: Es sind die Ungerechtigkeiten bei der Anrechnung der EEG-Umlage, die den Strompreis für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie kleine Unternehmen verteuern. ({6}) Zu viel wird auf die privaten Stromkunden und auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen abgewälzt, während die Anzahl der angeblich energieintensiven Unternehmen steigt, die eine Absenkung der EEG-Umlage in Anspruch nehmen wollen. Ich höre, Herr Kollege Meierhofer, dass schon bis zu 5 000 Anträge auf Befreiung auf dem Weg sind. ({7}) Das ist doch ein Skandal. So kann man die Akzeptanz der Energiewende gefährden. ({8}) Das werden wir Grüne nicht hinnehmen, meine Damen und Herren von der schwarz-gelben Koalition. Angesichts der steigenden Strom- und Energiepreise sind Maßnahmen zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte unverzichtbar. ({9}) Die FDP hat neuerdings ihr Herz für die Einkommensschwachen entdeckt, ({10}) die unter den hohen Strompreisen leiden. Sie reagieren leider nur mit populistischen Sprüchen, tun aber nichts. Stattdessen fordern Sie eine Senkung der Stromsteuer, von der Haushalte mit höheren Einkommen überproportional profitieren; das ist natürlich die Klientel der FDP. ({11}) Wir treten dagegen für die Einführung eines Energiesparfonds ein, mit dem wir die Energiewende sozial abfedern wollen. Wir wollen den Austausch alter Stromfresser gegen energieeffiziente Elektrogeräte subventionieren, und wir wollen einen Klimazuschuss zum Wohngeld. Dafür würden wir sage und schreibe 3 Milliarden Euro in die Hand nehmen. ({12}) Die brauchen wir auch, um die Finanzierung der Maßnahmen sicherzustellen. Jetzt komme ich zu den Endlagerfragen. Ich glaube, zur Asse braucht man nicht viel zu sagen. Die Erhöhung der entsprechenden Mittel auf 142 Millionen Euro war richtig. Ich möchte dazu nur eines sagen: Wir brauchen die Mittel nicht nur 2013, sondern auch 2014 und 2015. Zu Gorleben kann man nur eines sagen: Uns wird der gleiche Ansatz wie letztes Jahr präsentiert; ({13}) 76 Millionen Euro werden für das Projekt Gorleben eingesetzt. Wie erklären Sie mir, Herr Altmaier, dass Sie diese Zahl nicht geändert haben, wenn Sie doch gleichzeitig einen Neustart bei der Endlagersuche ankündigen? ({14}) Wir sehen eine Kürzung dieses Ansatzes von 76 Millionen auf 20,9 Millionen Euro vor; das reicht für die Offenhaltung. Logischerweise möchten wir die Summe für die Erkundung weiterer Standorte verdoppeln: von 3,5 Millionen auf 7 Millionen Euro. Ich sage Ihnen: Das ist nur der Anfang. Falls wir den Neustart bei der Standortsuche tatsächlich gemeinsam hinbekommen, brauchen wir dafür in einer zweiten Phase 10 Millionen bis 20 Millionen Euro. Herr Minister Altmaier, wenn Sie es mit dem Neustart bei der Endlagersuche ernst meinen - das unterstelle ich jetzt erst einmal -, wenn Sie eine ergebnisoffene Endlagersuche in Angriff nehmen wollen, dann machen Sie doch Nägel mit Köpfen und nehmen die Mittel für den Ausbau von Gorleben schon jetzt aus dem Haushalt für 2013.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin.

Dorothea Steiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004166, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mein letzter Satz. - Stellen Sie das Geld tatsächlich schon jetzt für eine ergebnisoffene Endlagersuche und die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit bereit. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Bundesregierung hat jetzt das Wort der Bundesminister Peter Altmaier. ({0})

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die letzten sechs Monate Revue passieren lässt, dann kann man ohne Übertreibung sagen, dass die Themen der Umwelt- und Energiepolitik auf der politischen Agenda endlich wieder dort angekommen sind, wo sie seit vielen Jahren hingehören. ({0}) Wir haben schon lange nicht mehr so intensiv und so konstruktiv darüber diskutiert. Sie sollten sich freuen, dass es so ist; denn hier geht es um unser gemeinsames Anliegen. Machen Sie es nicht mies, machen Sie es nicht schlecht, sondern freuen Sie sich darüber, dass überall in Deutschland über die Energiewende und ihre Erfolgsvoraussetzungen diskutiert wird. ({1}) Ein Zweites ist klar geworden, trotz oder vielleicht gerade wegen der aufgeregten Debatte über den Anstieg der EEG-Umlage: Wir nehmen die Probleme sehr ernst - ich komme darauf noch zurück -, und wir wollen sie lösen. Es ist so, dass die Energiewende von allen wichtigen politischen Kräften dieses Landes gewollt wird. Sie wird gewollt von vielen Aktivisten und Idealisten vor Ort, die dafür eintreten, dass die Energiewende stattfindet, sie wird gewollt von den Fraktionen des Deutschen Bundestages, und sie wird gewollt von der Bundesregierung und den beiden zuständigen Ministern. Das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Energiewende gelingt; denn wir haben dadurch die Klarheit, in welche Richtung die Reise geht. ({2}) Seit meiner Amtsübernahme habe ich immer wieder, orchestriert von vielen Ihrer Kolleginnen und Kollegen, gehört - ich unterstelle Ihnen keine bösen Absichten; Sie wollen halt irgendwie erreichen, dass man nicht nur über Ihren Kanzlerkandidaten diskutiert -: Das ist falsch, da hat Altmaier einen Fehler gemacht, das hätte er nicht sagen sollen, so kann man nicht vorgehen. Ich habe Anfang Oktober einen Verfahrensvorschlag vorgelegt, in dem ich darauf hingewiesen habe: Wir brauchen einen nationalen Konsens, wir brauchen eine nationale Ausbaukonzeption, wir brauchen eine grundlegende Reform des EEG, wir brauchen eine Abstimmung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Ausbau der Netze sowie der konventionellen Energien und der erneuerbaren Energien untereinander, und zwar in geografischer und regionaler Hinsicht. All diese Punkte haben Sie kritisiert. Als vier Wochen später die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer bei der Bundeskanzlerin waren, bestand in all den genannten Punkten einstimmiger Konsens darüber, dass wir eine nationale Ausbaukonzeption und eine grundlegende Reform des EEG brauchen. ({3}) Ihre Ministerpräsidenten zeigen mehr Einsicht als Sie. ({4}) Nehmen Sie sich ein Beispiel. Fragen Sie Herrn Albig, fragen Sie Frau Kraft, fragen Sie Herrn Kretschmann in Baden-Württemberg. Wenn Sie ehrlich sind ({5}) das meine ich nicht kontrovers; das ist etwas, auf das wir gemeinsam schauen können -, dann müssen Sie zugeben: Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland war noch nie so dynamisch und so stark wie in den letzten zwölf Monaten. Wir werden in diesem Jahr 25 Prozent unseres Stroms mit erneuerbaren Energien produzieren. ({6}) Die Leistung der Photovoltaikanlagen in Deutschland wird der Leistung von etwa 20 Kernkraftwerken entsprechen. Wir sind das Land in der Welt, in dem der Ausbau der erneuerbaren Energien am dynamischsten vorangeht. Wer versucht, das schlechtzureden und infrage zu stellen, der tut der Energiewende keinen Gefallen, der leistet ihr einen Tort. ({7}) Ich bitte Sie: Konzentrieren Sie sich in Ihrer Rhetorik darauf, dass eine Energiewende mehr ist als nur der volumenmäßige Ausbau. Es ist nun einmal so, dass man eine Photovoltaikanlage schneller auf dem Dach installiert hat als die Stromleitung, die nötig ist, um gewonnenen Strom abzutransportieren. ({8}) Es ist leichter, ein Windrad zu bauen, als eine 900 Kilometer lange Gleichstromleitung quer durch Deutschland zu verlegen. ({9}) Wir müssen die Probleme und die Chancen der Energiewende gemeinsam in den Griff bekommen. Die Energiewende ist nicht dann ein Erfolg, wenn wir bestimmte Ausbauziele erreicht haben, sondern dann, wenn wir am Ende mindestens 80 Prozent unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien gewinnen und die Stromversorgung in Deutschland trotzdem bezahlbar und das Land wettbewerbsfähig bleibt. ({10}) Unser Ziel ist es, die erneuerbaren Energien auszubauen. Gleichzeitig sollten wir dafür sorgen, dass Strom bezahlbar bleibt und wettbewerbsfähige Preise während der ganzen Dauer der Energiewende gewährleistet werden können. ({11}) Wir haben in diesem Hause noch etwas erreicht - Sie sollten den gefundenen Konsens nicht kleinreden -: Wir haben im Sommer gemeinsam - die 16 Bundesländer und alle Fraktionen im Deutschen Bundestag - eine Reform der Photovoltaikförderung beschlossen. Diese Reform beginnt zu greifen. Die Zahlen für Juli, August, Oktober und auch November - September war ein Ausnahmefall wegen großer Freiflächenanlagen in Ostdeutschland - belegen: Wir haben uns auf einen vernünftigen Ausbaukorridor für erneuerbare Energien im Bereich der Photovoltaik geeinigt. Auf ein Jahr hochgerechnet soll er künftig nicht bei 7 500 oder 8 000 Megawatt liegen, sondern im nächsten Jahr aller Voraussicht nach bei 3 500 oder 4 000 Megawatt. Das heißt, wir sind immer noch Weltmeister im Bereich der Photovoltaik. Wir verhindern aber eine Blasenbildung, die am Ende zu einer harten Landung und zu negativen Folgen für alle Beteiligten führen würde. Genauso engagiert werden wir in den nächsten Wochen dafür sorgen, dass die Offshoreproblematik einer Lösung nähergeführt wird. ({12}) Wir haben hierzu ein Gesetz im Deutschen Bundestag vorgelegt, das auch von den Politikern in Norddeutschland aus Ihrer Partei unterstützt wird und zu dem alle Beteiligten sagen: Das ist notwendig. - Deshalb würde ich mir wünschen, dass Sie das auch einmal öffentlich sagen; denn es gehört dazu, dass man gemeinsam Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen übernimmt. Es haben sich viele hinsichtlich der Herausforderungen des Offshoreausbaus getäuscht; aber es ist richtig, dass wir die technischen und finanziellen Probleme lösen. ({13}) Auch deshalb haben alle 16 Ministerpräsidenten - einschließlich Herrn Kretschmanns - gesagt, dass sie wollen, dass der Offshoreausbau weitergeht und genau diese Probleme gelöst werden. ({14}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir machen - es ist noch gar nicht so lange her, dass Sie den Umweltminister gestellt haben -, ({15}) mit dem Thema „Strom- und Energieeffizienz“ zum ersten Mal ernst. ({16}) Wir haben mit dem DIHK und mit dem ZDH eine Mittelstandsinitiative verabredet. ({17}) Im Zusammenhang mit dem Spitzenausgleich haben wir die Einführung von Energiemanagementsystemen in der Wirtschaft vorgesehen. Wir werden morgen die zweite Tagung des Runden Tisches für Stromeffizienz durchführen. Das heißt, wir haben zum ersten Mal auf allen Ebenen - vom kleinen Einkommen über die mittelständische Wirtschaft bis hin zu den großen Betrieben - das Bewusstsein, dass es möglich ist, Kosten auch dadurch zu senken, dass man mit Strom und Energie verantwortlich umgeht. ({18}) Wir werden sehen, dass man damit auch für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit sehr viel erreichen kann. ({19}) Ferner machen wir mit dem Thema „Bürgerbeteiligung und Netzausbau“ ernst. In den nächsten Jahren werden wir sehr viele Leitungen verlegen müssen. Es ist doch kein Ruhmesblatt, dass wir von den Leitungen nach dem EnLAG, die vorgesehen waren, gerade einmal 200 Kilometer gebaut haben; aber es ist eben auch so, dass Sie zu Ihrer Regierungszeit dafür weder die planerischen noch die Beteiligungsinstrumente geschaffen haben, die notwendig sind. Wir schaffen mit diesem Haushalt zum ersten Mal Stellen im Bundesumweltministerium, damit wir Bürgerbeteiligung bei umweltrelevanten Großprojekten ernst nehmen können. Denn wir wollen mit den Leuten reden, und wir wollen, dass sich die Leute eingebunden fühlen. ({20}) Wir werden auch die Belange des Naturschutzes ernst nehmen. Am Ende werden wir aber dafür sorgen, dass die notwendigen Netzanschlüsse hergestellt werden. Wir lassen nicht zu, dass dezentraler gegen zentralen oder zentraler gegen dezentralen Ausbau ausgespielt wird, weil wir in Deutschland beides brauchen: Wir brauchen große Stromtrassen, um die Windenergie aus dem Norden dorthin zu transportieren, wo sie gebraucht wird. Umgekehrt brauchen wir gute regionale Verteilnetze, um Photovoltaik- und dezentrale Erneuerbare-Energie-Anlagen abzufedern. Wir werden dafür sorgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir uns international gut aufstellen. ({21}) In Doha haben wir eine ganz schwierige Klimakonferenz vor uns. Wir haben auf der internationalen Ebene zwar einen Erkenntnisfortschritt dahin, dass Klimaschutz notwendig ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir das 2-GradZiel nicht erreichen, wächst; auch das muss man sagen. Aber es wäre falsch, aufzugeben. Deshalb wünsche ich mir, dass wir in Doha - wir sehen uns in dieser Woche zum gemeinsamen Frühstück - die Kraft haben, eine gemeinsame deutsche Position zu formulieren und zu vertreten, eine Position, die auch den Druck erzeugt, dass sich andere Länder dem anschließen. Ich wünsche mir, dass wir einen Konsens über eine zweite Verpflichtungsperiode nach dem Kioto-Protokoll erreichen. Weiter wünsche ich mir, dass die übrigen Länder bei ihren nationalen Kraftanstrengungen endlich vorankommen und wir ein klares Verhandlungsmandat für das allgemeine Klimaschutzabkommen bekommen werden. Ich möchte mich bei den Fraktionen des Deutschen Bundestages bedanken, die durch ihre Berichterstatter quer über alle Parteien hinweg dazu beigetragen haben, dass wir einer Lösung für die „Lex Asse“ in den letzten Wochen und Monaten einen großen Schritt näher gekommen sind. Das ist eine Frage der Vertrauensbildung vor Ort. Ich habe von Anfang an Wert darauf gelegt, dass wir dies überparteilich tun. Ich werde in dieser Woche erneut zu den Menschen an der Asse fahren und dort mit den Mitgliedern der Begleitgruppe diskutieren, weil ich zugesagt habe, dass wir diesen Dialog auf oberster politischer Ebene führen. ({22}) Ich komme zum Schluss. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt ein Problem - Sie können noch so viel filibustern -, das gelöst werden muss: Das ist die gemeinsame Endlagersuche. Wir haben vor einem Jahr die Kraft gefunden, gemeinsam einen Endpunkt der friedlichen Nutzung der Kernenergie festzulegen. ({23}) Wir haben uns gemeinsam zur Energiewende verpflichtet. Ich meine, dazu gehört auch, dass wir die Kraft zu einem überparteilichen Konsens bei der Endlagersuche finden. Nur, wir haben auch in dieser Frage schon sehr viel Zeit verloren. ({24}) Wissen Sie, ich habe ja den Grünen-Parteitag vom letzten Wochenende gelobt. Ich habe das ja öffentlich anerkannt. Nur, wir diskutieren ein ganzes Jahr darüber. Bereits im Frühsommer haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt. ({25}) Wir haben informelle und formelle Verhandlungen geführt. Ich habe im Herbst einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt. Und erst jetzt diskutieren Sie als Bündnis 90/ Die Grünen über Ihre Position. Bis heute habe ich auch noch nichts von einer gemeinsamen Position der A-Länder im Bundesrat gehört. ({26}) Ich meine, wir können dieses Thema nicht auf die lange Bank schieben. Deshalb appelliere ich an Sie: Schielen Sie nicht auf Wahlkämpfe, sondern tragen Sie dazu bei, dass wir eine überparteiliche Regelung finden, die in diesem Bereich Frieden und Rechtsfrieden schafft! ({27}) Ich bedanke mich bei Ihnen allen für die Unterstützung, die es bei wichtigen und schwierigen Themen gegeben hat. Der Haushalt des Bundesumweltministeriums ist nicht der größte von allen Bundeshaushalten. Lieber Norbert Barthle, wir werden das im Laufe der nächsten Jahre gemeinsam sicherlich schrittweise ändern und den Haushalt in die richtige Richtung fortentwickeln. Die Wichtigkeit dieses Politikbereichs hängt aber nicht an der einen oder anderen Haushaltszahl; sie hängt daran, was wir aus den Herausforderungen machen. Da sind wir in den letzten Monaten einen guten Schritt vorangekommen. Vielen Dank. ({28})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Matthias Miersch. ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, wie sehr muss Ihnen das Wasser bis zum Halse stehen, wenn Sie hier als erste Worte sagen: Endlich, nach dreieinhalb Jahren schwarzgelber Politik, hat die Energiepolitik den Stellenwert, den sie verdient. - Was für eine Klatsche für Herrn Röttgen! Was für eine Klatsche für diese Kanzlerin, die diesen Schlamassel zu vertreten hat! ({0}) Herr Minister Altmaier, die Kanzlerin hat es auch zu vertreten, dass Ihren Worten, wenn Sie beispielsweise um Endlagerung ringen, keiner von denen, die auf diesen Bänken sitzen und guten Willens sind, glaubt. Vor wenigen Wochen habe ich die Kanzlerin im Untersuchungsausschuss selbst gefragt: Wie ist das eigentlich mit der Endlagersuche und Gorleben? - Die Kanzlerin höchstselbst hat gesagt, sie versteht es bis heute nicht, warum Gorleben nicht zu Ende erkundet wird. Diese Worte zeigen, dass Sie ein Gorleben-Findungsgesetz schaffen wollen. Die „vertrauensbildenden“ Maßnahmen, die Sie hier unternommen haben, sind keine. Legen Sie ein ordentliches Gesetz vor, über das wir dann diskutieren können, Herr Minister! ({1}) Die Haushaltspolitik im Bereich Umwelt- und Energiepolitik ist ein Beispiel dafür, dass bei dieser Regierung Klientelpolitik und Unfähigkeit zusammenkommen. Herr Altmaier, da Sie früher Parlamentarischer Geschäftsführer waren, kommen Sie aus der Verantwortung nicht heraus. Jeder kann nachlesen, dass Sie die Laufzeitverlängerungen hier gerechtfertigt haben. Sie haben den Haushalt des Umweltministeriums an den Ablasshandel mit den Energiekonzernen, den Atomkonzernen gekoppelt. Diese sollten für die Laufzeitverlängerung Ablasszahlungen an den Bund leisten. Das ist das erste Ding, das Ihnen um die Ohren geflogen ist, als Sie nach Fukushima die taktische Wende vollzogen haben. Ich behaupte nach wie vor: bei vielen von Schwarz-Gelb in diesem Hause aus rein taktischen Überlegungen und nicht aus Überzeugung. ({2}) Das zweite Ding, das Ihnen um die Ohren fliegen wird, ist der Energie- und Klimafonds - Herr Thomae, das verwundert mich schon etwas -; denn auch er ist auf Sand gebaut. Sie rechneten ursprünglich mit 23 Euro für ein Zertifikat. Augenblicklich gehen Sie in Ihren Planungen von 10 Euro aus. Aktuell liegt der Zertifikatspreis aber bei 6,04 Euro. Herr Thomae, Ihr Bundeswirtschaftsminister ist dafür verantwortlich, dass wir in Deutschland und der Europäischen Union nicht sprechfähig sind und die Doha-Konferenz wahrscheinlich ohne die Bundesrepublik Deutschland stattfindet. ({3}) Herr Altmaier, wenn Sie hier eine „Alles ist gut“Rede halten, dann sage ich Ihnen als Niedersachse: Ich war in der letzten Woche in Cuxhaven. Dort sind über Jahre hinweg Hunderte von Arbeitsplätzen im Offshorebereich entstanden. Augenblicklich sind Tausende von Arbeitsplätzen an der Küste in Gefahr, weil Sie zur Verunsicherung beitragen, weil Sie die Weichen nicht stellen und nicht die Investitionssicherheit gewähren, die man bräuchte, um eine neue Technologie zu fördern. Das ist Ihre Verantwortung. Sie können sich hier nicht hinstellen und so tun, als ob alles in Butter wäre. Nichts ist in Butter; alles ist im Unklaren. ({4}) Ein Hauptproblem - das haben Sie hier angesprochen, aber Sie machen nichts dagegen - ist die Frage der Netze. Wenn Sie weiterhin diese vier Betreiber herumwursteln lassen und Haftungsregeln nach dem Motto: „Alle Gewinne werden privatisiert, aber die Haftung bzw. die Risiken werden sozialisiert“ aufstellen, dann werden Sie das Problem nicht lösen. Wir müssen endlich verstehen, dass die Energiewende mit der notwendigen Infrastruktur eine Frage der Daseinsvorsorge ist. Insofern sage ich Ihnen: Die Übertragungsnetze gehören mehrheitlich in staatliche Hand. Wir brauchen eine Netz AG. ({5}) Hinter vorgehaltener Hand sagen das auch Ihre eigenen Parteikollegen, zum Beispiel die an der Küste. Nur, sie setzen sich nicht durch, möglicherweise weil die FDP nach wie vor an den Markt glaubt. Wenn Sie in diesem Zusammenhang um Bürgerbeteiligung ringen, dann frage ich Sie: Warum haben wir jetzt die Situation, dass die Bundesnetzagentur Netzplanungen macht, aber Ihr eigenes Haus davor warnt, dass elementare Bereiche des Umweltrechts verletzt sind, weil es keine Alternativplanung gibt, Herr Altmaier? Das ist Ihre Verantwortlichkeit. Ihr Haus merkt dies an. Im Moment droht, dass Sie durch Untätigkeit und durch stümperhaftes Vorgehen eine Netzplanung machen, die auf Sand gebaut ist. Damit ist ein elementarer Bereich der Energiewende gefährdet. ({6}) Ich will einen weiteren Bereich ansprechen: die Solarindustrie. Letzte Woche sagte mir ein Projektierer: Herr Miersch, alles schön und gut, wir bekommen noch Bankdarlehen, aber wenn die Bank hört, dass unser Projekt mit einer deutschen Firma, die Solarmodule herstellt, verbunden ist, bekommen wir die Zusage nicht mehr; wenn wir mit einer chinesischen Staatsfirma zusammenarbeiten, bekommen wir die Zusage. - Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, Sie sind angetreten, die Wirtschaft zu stärken. Im Bereich der Erneuerbaren haben Sie bewiesen, dass Sie es nicht können. Die von Ihnen verursachte Investitionsunsicherheit führt dazu, dass die Menschen in diesem Bereich verunsichert sind und sich fragen, ob sie diesen Weg weitergehen sollen. Sie können dankbar und hoffnungsfroh sein, dass Bürgerinnen und Bürger, kleine und große Genossenschaften und Firmen sich von Ihnen nicht haben unterkriegen lassen, sondern dort weitergemacht haben, wo Rot-Grün im Jahre 1998 mit dem Ausbau der Erneuerbaren angesetzt hat. ({7}) - Das müssen Sie sich gefallen lassen. Meine Anmerkungen zu einem anderen Bereich müssen Sie sich ebenso gefallen lassen. Herr Thomae und Herr Schulte-Drüggelte, Sie haben unter anderem darauf hingewiesen: Es kostet auch. - Gestern hat die Weltbank vor der Klimaerwärmung gewarnt. Lesen Sie es einmal nach. Es geht um die Fragen: Wie teuer wird es eigentlich für uns, wenn wir nichts tun? Wann begreifen wir in diesem Haus endlich, dass jeder Euro, den wir jetzt für die Energiewende ausgeben, viel stärkere volkswirtschaftliche Folgekosten vermeiden hilft? Das müssen Sie verstehen. Sie haben es bis jetzt nicht verstanden. ({8}) Das Grundproblem, mit dem Sie gestartet sind - Herr Altmaier, Sie haben heute das Zeugnis dafür geliefert; das können wir immer wieder nachlesen -, ist, dass Sie nie an die Energiewende geglaubt haben. Dreieinhalb Jahre - das haben Sie heute gesagt - haben Sie die Energiepolitik vernachlässigt. Jetzt merken Sie, dass Sie es nicht können, dass Sie es nicht schaffen, und Sie wollen den Schwarzen Peter zu Ministerpräsidenten und anderen schieben. Das wird Ihnen nicht gelingen. Sie haben die Energiewende vermurkst. Wir können nur hoffen, dass Ihre Regierungszeit schnell vorbei ist. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Michael Kauch hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einer guten Nachricht beginnen: Am Montag haben der Umwelt- und der Verkehrsausschuss getagt, und die Koalition hat ihren Gesetzentwurf durch die Ausschüsse bekommen. Der sogenannte Schienenbonus wird abgeschafft. ({0}) Damit wird endlich der Lärmrabatt der Bahn abgeschafft. Die Oppositionsfraktionen haben Verbesserungsanträge eingebracht ({1}) und sich dann kraftvoll enthalten. Ich sage nur: Als Sie regiert haben, haben Sie die Anträge der FDP-Fraktion zum Schutz der Bürger vor Bahnlärm abgeschmettert. ({2}) Jetzt sollten Sie anerkennen, dass Schwarz-Gelb für mehr Lärmschutz an der Bahn sorgt. ({3}) Meine Damen und Herren, interessant war die Aussage von Herrn Miersch, dass die SPD plötzlich für eine Verstaatlichung der Stromnetze ist. ({4}) Man hat also einen Kanzlerkandidaten Steinbrück, der ein bisschen die Mitte bespielen soll. Aber wenn es um reale Politik geht, dann spielen Sie Linkspartei. ({5}) Das ist eine Anerkennung für uns. Damit sagen Sie nämlich, dass es die FDP ist, die in dieser Republik für den Markt steht, nämlich dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Innovationskraft nutzen, die Energiewende gestalten und die Herausforderungen bewältigen und dass nicht alles von Beamten und Politikern gemacht wird. Vielen Dank dafür! ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. ({0}) Ich möchte als Nächstes zum Endlagersuchgesetz kommen. Darüber haben wir am Wochenende auf dem Parteitag der Grünen eine interessante Diskussion erlebt. ({1}) Ich finde es gut, dass es Mitglieder der Grünen gibt, die sich zu einem ergebnisoffenen Verfahren bekannt haben, ({2}) so wie es auch die Koalitionsfraktionen wollen. Wir wollen, dass das Problem der Endlagerung endlich im Interesse kommender Generationen gelöst wird. Die Generationen, die von der Atomkraft profitiert haben, müssen jetzt auch dafür sorgen, dass das Müllproblem gelöst wird. Da kann sich keiner einen schlanken Fuß machen. Es muss danach gehen, welcher Standort tatsächlich am geeignetsten ist. Jetzt gibt es einen Beschluss der Grünen, der das aufgreift, was die einen gesagt haben, nämlich dass es ein ergebnisoffenes Verfahren geben muss, und der auch das aufgreift, was die anderen gesagt haben, nämlich: Gorleben darf nie Endlager werden. - Wie bekommen die Grünen das zusammen? ({3}) Sie sagen: Wir führen ein ergebnisoffenes Verfahren durch; aber die Kriterien werden so definiert, dass Gorleben herausfällt. - Das ist nicht ergebnisoffen, und das ist auch nicht konsensorientiert. Sie versuchen doch nur, sich für die nächste Bundestagswahl ein Wahlkampfthema zu erhalten, um von Ihrer Klientel bloß nicht in die Verantwortung dafür genommen zu werden, dass Sie in diesem Land vielleicht einmal eine Entscheidung treffen müssen, wenn es darum geht, dass ein Standort gefunden wird. Sie haben ein Interesse daran, dass kein Standort gefunden wird, meine Damen und Herren von den Grünen. ({4}) Wir müssen also genau hinschauen, wer was sagt und wer was tut. Diese Koalition hat die Energiewende trotz aller Probleme auf den Weg gebracht und wird sie zum Erfolg führen. Wir haben einen so starken Ausbau der erneuerbaren Energien wie noch nie. Wir haben einen schnelleren Netzausbau auf den Weg gebracht, mit einer stärkeren Kompetenz des Bundes. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass wir die Kosten im Griff behalten und die Versorgungssicherheit in der Übergangsphase gewahrt bleibt. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kauch, die Frau Kollegin Kotting-Uhl würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte keine Zwischenfrage zulassen. ({0}) Meine Damen und Herren, jetzt kommt es darauf an, dass wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformieren. Neulich habe ich gehört, was Herr Gabriel auf einer Pressekonferenz gesagt hat. Man hätte meinen können, da spricht ein FDP-Politiker, wenn man das Bild ausgeblendet hätte; ({1}) die SPD-Bundestagsfraktion äußert sich heute allerdings mal wieder anders. Herr Gabriel hat interessanterweise das gesagt, was auch wir sagen: dass das EEG ein effektives Instrument war, um in der Markteinführungsphase zu möglichst vielen Anlagen zu kommen, dass es aber kein geeignetes Instrument ist, um einen Markt zu schaffen, in dem die Erneuerbaren die Stromversorgung mehrheitlich gewährleisten. ({2}) Das Problem der festen Einspeisevergütung, die wir heute haben, ist das Prinzip „Sell and forget“. Der Produzent kümmert sich um die Finanzierung seiner Anlage, er muss sich aber nicht darum kümmern, wie der Strom, den er produziert, ins Stromnetz integriert wird und beim Kunden ankommt. An diesem Punkt müssen wir bei einer Reform des EEG ansetzen. Der Weg ist im EEG 2012 bereits angelegt: Große Biogasanlagen müssen ab 2014 in die Direktvermarktung einsteigen. Sie bekommen Unterstützung; aber sie müssen sich einen Kunden suchen. Ich glaube, das kann man von Stromproduzenten verlangen: dass sie sich einen Kunden suchen. Das ist das Minimum, was ein Anbieter, der Geld verdienen will, in einer marktwirtschaftlichen Ordnung machen muss. ({3}) Wir sind dazu bereit, diese Direktvermarktung mit einer Prämie zu unterstützen; aber einen Kunden müssen sich die Anlagenbetreiber in Zukunft dann schon suchen. ({4}) Wir müssen auch die Marktprämie reformieren. So, wie sie heute gestrickt ist, führt das zu Mitnahmeeffekten: Es wird immer dann eingespeist, wenn der Preis hoch ist; aber ein Anreiz, nicht einzuspeisen, wenn der Preis niedrig ist, ist nicht gegeben. ({5}) - Liebe Freunde von der SPD, Sie wollten doch gar keine marktwirtschaftliche Regelung. ({6}) Wir wollen jetzt eine neue Marktprämie, einen Marktzuschlag in Cent pro Kilowattstunde. ({7}) Das ist eine sinnvolle Lösung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Denn dann speisen die Anlagenbetreiber ein, wenn der Strom auch gebraucht wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Ihre Zeit wäre abgelaufen gewesen. ({0})

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! - Wir als FDP stehen dafür,

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- dass wir die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zügig angehen, und ich freue mich, wenn wir in diesem Parlament Mitstreiter haben und das auch parteiübergreifend tun können. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl. ({0})

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Was heißt hier „keine Redezeit gekriegt“? Die Redezeit wird verteilt unter den Mitgliedern des Umweltausschusses. ({0}) Da können nicht jedes Mal dieselben drankommen - bei uns ist das jedenfalls nicht so. Ich beziehe mich jetzt ausdrücklich auf eine Aussage von Ihnen, Herr Kauch, auf eine Aussage, die einfach falsch ist. Wenn Sie schon von Anträgen und Beschlüssen eines Grünen-Parteitages reden, dann sollten Sie diese auch genau lesen. In dem Beschluss zur Frage der Sicherheitskriterien steht - Herr Altmaier weiß das aus den Verhandlungen -, dass die Sicherheitskriterien bereits im Gesetz festgelegt werden sollen und nicht anschließend von einem womöglich erst noch zu installierenden Institut. Wir wollen nämlich, dass es mit der Endlagersuche schneller vorangeht. Wir brauchen dringend ein Endlager. In diesem Beschluss haben wir festgelegt, dass die Sicherheitskriterien so gestaltet sein müssen, dass geologisch ungeeignete Standorte im Verlauf des Verfahrens ausscheiden. Wenn Menschen davon überzeugt sind - und das sind die meisten Grünen -, dass Gorleben ungeeignet ist, dann wird Gorleben im Verlauf dieses Verfahrens selbstverständlich herausfallen. Das steht aber nicht in diesem Beschluss. In dem Beschluss steht: Wir werden nur einem Gesetz zustimmen, das Sicherheitskriterien enthält, nach denen geologisch ungeeignete Standorte im Verlauf des Verfahrens herausfallen. Jetzt frage ich Sie, Herr Kauch: Wollen Sie denn ein Verfahren, in dem geologisch ungeeignete Standorte in der Auswahl bleiben?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kauch zur Antwort.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Kollegin, was Sie fordern - dass geologisch ungeeignete Standorte in einem Stufenverfahren aussortiert werden -, steht bereits in dem Entwurf des Bundesumweltministeriums. ({0}) Wenn das der Punkt ist, auf den Sie hinauswollen, dann können wir die Verhandlungen morgen abschließen und zu einem Ergebnis kommen. Aber erkennbar wollen Sie das nicht. Was wir bisher in den Verhandlungen seitens der Grünen erlebt haben, ist, dass Ministerpräsident Kretschmann sehr kompromissbereit ist, dass aber der Fraktionsvorsitzende Trittin immer dann auf die Bremse tritt, wenn die Gefahr besteht, dass man zu einer Einigung kommt. ({1}) Die Grünen müssen sich jetzt überlegen, ob sie abschließen wollen oder nicht. Wenn sie nicht abschließen wollen, dann bedeutet das ganz klar: Sie wollen keine Lösung des Problems, sondern ein Wahlkampfthema. Das ist doch der Punkt, meine Damen und Herren. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege Michael Leutert. ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte und die Emotionalität, mit der sie geführt wird, zeigen, dass das Thema Klima- und Umweltschutz in der Politik angekommen ist. Dies könnte natürlich etwas damit zu tun haben, dass dieses Thema in der Bevölkerung eine große Beachtung findet, dass es als Zukunftsaufgabe gesehen wird und dass dementsprechend der Blick auf uns gerichtet ist. Vor diesem Hintergrund macht es sich ausgesprochen gut, wenn man für den Klima- und Umweltschutz viel tut und auch viel Geld ausgibt. Darum soll es heute gehen. Wir haben beim Bundesumweltministerium ein Haushaltsvolumen, das im Gegensatz zu anderen Einzelplänen nicht so berauschend ist. Seit dem Antritt von Schwarz-Gelb stagniert das Volumen bei circa 1,6 Milliarden Euro. Vermutlich um diese Zahl in einem etwas besseren Licht erscheinen zu lassen, steht in den Vorbemerkungen zu Kapitel 02 eine Zusammenfassung aller Umwelt- und Klimaschutzausgaben aller Ministerien. Diese Ausgaben sind in den letzten Jahren tatsächlich gestiegen, nämlich um circa 2 Milliarden Euro auf 7,6 Milliarden Euro. Unter Klima- und Umweltschutz kann man viel verstehen. Aber in erster Linie denkt man an erneuerbare Energien und an Energieeinsparung. Man denkt an Umweltforschungsprogramme, Windräder, Solaranlagen, im besten Sinne: an grüne Technologie. Weil mich die Sache auch als Haushälter interessiert, habe ich um eine detaillierte Aufstellung der Ausgaben in allen Haushalten gebeten; diese habe ich auch bekommen. Man sieht deutlich, dass das eine Querschnittsaufgabe ist. Ich möchte Ihnen das einmal aufzeigen: Im Auswärtigen Amt zum Beispiel wird unter dem Thema Klimaschutz die Unterstützung der Minenbeseitigung nach Konflikten subsumiert. ({0}) Auch wird darunter die Beseitigung ehemaliger sowjetischer Massenvernichtungswaffen subsumiert. Im Finanzministerium zählt man zu Klima- und Umweltschutz - Sie können das gerne nachlesen, wenn Sie es mir nicht glauben -: Erstattungen an die Länder und sonstige Stellen für die Beseitigung ehemals reichseigener Kampfmittel auf nicht bundeseigenen Liegenschaften und auch die Abgeltung von Schäden im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte. Auch das Verteidigungsministerium darf nicht fehlen. Es meint, zu Klima- und Umweltschutz gehörten Simulatoren und andere Umweltschutzgeräte. Das alles kann man natürlich im weitesten Sinne unter grüner Technologie subsumieren; das ist klar. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Bevölkerung das ebenfalls als Klimaschutz anerkennt. Eine Nachfrage im Verteidigungsministerium hat ergeben, dass zu „Simulatoren und anderen Umweltschutzgeräten“ Folgendes zählt: der Betrieb eines Gefechtsübungszentrums, der Simulator Eurofighter, Tornado, Phantom usw., ein Truppenentseuchungs- und Entgiftungsplatz, die Umrüstung der Fregatten, wehrtechnische Studien unter anderem in den Bereichen neue Explosivstoffe. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir alle sollten ehrlich zueinander sein und feststellen, dass diese Maßnahmen eher in andere Kategorien fallen, aber mit Sicherheit nicht in die Kategorie „Klima- und Umweltschutz“. ({2}) Auf Nachfrage im BMU wurde mir erklärt - weil mir das etwas unverständlich war -, dass es für die Meldung dieser Maßnahmen keine Kriterien gäbe. Ich denke allerdings, genau diese Kriterien wären notwendig. Deshalb können wir als Linke da nur fordern, dass die Bundesregierung das korrigieren muss und somit für mehr Klarheit und auch Nachvollziehbarkeit im Haushalt sorgt. ({3}) Es versteht sich von selbst, dass wir diesen Ausgaben unter der Rubrik „Klimaschutz“ erst recht nicht zustimmen können. Anstatt solche Beschönigungen bei den Ausgaben vorzunehmen, sollte sich das Ministerium meines Erachtens um zwei sehr wichtige und zentrale Themen kümmern: Erstens. Die tatsächlich bereitgestellten Gelder im Bereich Klimaschutz sollten auch wirklich so wie vorgesehen ausgegeben werden, also tatsächlich für Klimaschutz und nicht für Panzerfahrsimulatoren. Es ist nicht akzeptabel, dass im Jahr 2011 von den im Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ dem BMU zugeteilten Mitteln lediglich 17 Prozent ausgegeben wurden. Das heißt, 60 Millionen Euro blieben einfach liegen. Zweitens. Auch vom Kollegen Schulte-Drüggelte ist schon die soziale Frage bei der Energiewende angesprochen worden. Privathaushalte stöhnen mittlerweile unter den Preiserhöhungen. Vattenfall beispielsweise will in Berlin zum Jahreswechsel seine Strompreise um 13 Prozent erhöhen. Das bedeutet zum Beispiel für einen vierköpfigen Haushalt über 140 Euro mehr im Jahr. ({4}) Aus diesem Grund haben wir einen Vorschlag gemacht. Wir machen ihn schon seit Jahren. Wir freuen uns darüber, dass die Grünen jetzt ebenfalls einen Vorschlag für einen Energiesparfonds gemacht haben. In diesem Energiesparfonds muss auch eine Abwrackprämie für alte Stromfresser, beispielsweise alte Kühlschränke, enthalten sein. Schön, dass wir uns hier einig sind. 200 Euro Abwrackprämie schlagen wir vor. Es ist logisch, dass dies einkommensschwache Haushalte in Anspruch nehmen werden, weil sich bessergestellte Haushalte schon längst mit besseren Modellen ausgestattet haben werden. ({5}) Strom muss für alle bezahlbar sein. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sie eine soziale Energiewende ist. ({6}) Man kann auch über soziale Tarife nachdenken. Denkbar ist zum Beispiel, dass die ersten Kilowattstunden für einkommensschwache Haushalte frei zur Verfügung stehen. Unser Vorschlag für eine wiederum vierköpfige Familie ist, die ersten 1 100 Kilowattstunden kostenfrei zu stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei einigen Punkten haben Sie sich durchringen können, unseren Überlegungen zu folgen, zum Beispiel bei der Praxisgebühr. Dazu haben wir jedes Jahr einen Antrag gestellt; jetzt gab es einen einstimmigen Beschluss dazu. Wenn Sie sich auch hier unseren Überlegungen anschließen, könnten wir uns überlegen, diesem Haushalt zuzustimmen. Unter den jetzigen Voraussetzungen ist das aber nicht möglich. Danke. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Hermann Ott das Wort.

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Umwelthaushalt ist nur einer der kleineren Posten in unseren Beratungen, doch gleichzeitig einer der wichtigsten. Denn was nützt uns aller materielle Reichtum, wenn das Klima verrückt spielt, wenn wir unsere Küstenstädte evakuieren müssen oder wenn unsere Ernährung nicht mehr gesichert ist? Gar nichts, wie auch ein aktueller Bericht der Weltbank zeigt. Die diesjährige dramatische Eisschmelze im arktischen Nordmeer sowie die Verwüstungen von Hurrikan Sandy in der Karibik und den USA machen überdeutlich, dass wir nicht lockerlassen dürfen. Der Schutz unserer globalen Ökosysteme ist zentrale Bedingung für das Wohlergehen aller Menschen auf diesem Planeten. ({0}) Man sollte deshalb meinen, dass Bundesregierung und Koalition mit diesem Haushalt ein deutliches Zeichen setzen, ein Zeichen für die Bedeutung des Umweltund Klimaschutzes, national und international, ein Zeichen dafür, dass Deutschland eine Vorreiterrolle einnimmt, wie dies gerade auch von John Schellnhuber gefordert wird, einem der früheren Berater der Bundesregierung in Klimafragen. Stattdessen präsentiert Schwarz-Gelb einen Umwelthaushalt, der den drängenden Herausforderungen null gerecht wird. Da, wo Sie etwas tun und doch Geld in die Hand nehmen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, tun Sie auch noch das Falsche und schädigen Umwelt und Klima. So geht das nicht. ({1}) Es ist doch überdeutlich: Sie haben die rot-grüne Energiewende nur geerbt; Sie wollen sie eigentlich nicht. Es fehlt Ihnen der Kompass. Sie wissen gar nicht, wohin Sie steuern. Deshalb nehmen Sie blindlings das EEG unter Beschuss. Deshalb verstümmeln Sie wichtige Klimaschutzprogramme und packen sie in den Energieund Klimafonds, einen Schattenhaushalt, der zu allem Unglück auch noch unter der Fuchtel des Finanzministers steht. So kann das nichts werden. Da machen Sie doch den Bock zum Gärtner. Das kann nicht gutgehen. ({2}) Nicht einmal das wirklich Einfache gelingt Ihnen. Zum Beispiel könnten Sie doch zumindest einen kleinen Teil der jährlich 48 Milliarden Euro an Subventionen für klimaschädliche Maßnahmen kappen. Doch es gibt bei Ihnen kein Umsteuern in der Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik. Selbst der Schutz der biologischen Vielfalt führt ein Schattendasein. Kurz gesagt: Dieser Haushalt ist die nackte Offenbarung der Bundesregierung für ihre uninspirierte und verfehlte Umwelt- und Klimapolitik. ({3}) Eine Quittung haben Sie ja bereits bekommen; das kann ich Ihnen leider nicht ersparen. - Der Minister ist leider schon weg; aber die Staatssekretärin wird ihm das sicherlich mit Freuden übermitteln. - Es geht um den Green Climate Fund. Wer die Anhebung des europäischen Klimaschutzziels auf 30 Prozent nur uninspiriert verfolgt, wer die Rettung des Emissionshandels als zentralen Baustein der europäischen Klimapolitik nicht zur Chefsache macht, der braucht sich nicht zu wundern, dass diese fatalen Signale international wahrgenommen werden und der Sitz des Green Climate Fund nach Seoul geht und nicht nach Bonn. Das, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist auch ein Ergebnis Ihrer Politik, und diese verheerende desinteressierte Linie kennzeichnet auch Ihren Haushalt. ({4}) Wir Grünen legen Ihnen stattdessen einen Klimaschutzhaushalt vor, mit dem die Haushalts- und Finanzpolitik nachhaltig ausgerichtet wird ({5}) und der mit rund 4,6 Milliarden Euro den sozial-ökologischen Umbau unterstützt. Wir zeigen, wie durch nachhaltiges Investieren eine Effizienzoffensive gelingen kann, wie die Verkehrswende gelingen kann ({6}) und wie wir jährlich 500 Millionen Euro für den internationalen Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt investieren können. Wir machen zudem konkrete Vorschläge, wie diese Maßnahmen gegenfinanziert werden können, zum Beispiel durch Kürzungen in Höhe von 8,4 Milliarden Euro bei umweltschädlichen Subventionen und Steuervergünstigungen. Damit sind unsere Investitionen bei voller Jahreswirkung mehr als gesichert. Eines muss doch klar sein: Ein Sponsoring des Klimawandels darf es in Deutschland nicht geben. ({7}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von SchwarzGelb, die umwelt- und klimapolitischen Herausforderungen und insbesondere die Umsetzung der Energiewende brauchen eine solide und nachhaltige Ausrichtung der Haushalts- und Finanzpolitik. Mit diesem dürftigen Entwurf des Umwelthaushalts 2013 haben Sie Ihre letzte Chance verpasst und den Grundstein dafür gelegt, dass wir ab 2014 den Haushalt endlich wieder umwelt- und klimagerecht gestalten können. Ich freue mich darauf und danke Ihnen. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Marie-Luise Dött hat jetzt das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 2013 des Bundes steht im Zeichen eines konsequenten Konsolidierungskurses. ({0}) Er steht aber auch im Zeichen der Energiewende. Genau deshalb erhöhen wir die Mittel des Umwelthaushaltes trotz der Sparerfordernisse um 3,4 Prozent bzw. 54,7 Millionen Euro. Das ist ein deutliches politisches Signal für mehr Umweltschutz, für mehr Klimaschutz und für ein Gelingen des Umbaus unserer Energieversorgung. ({1}) Darüber sollten wir uns als Umweltpolitiker gemeinsam freuen. Ein Blick in den Haushalt des BMU zeigt, dass insbesondere der Ausbau der erneuerbaren Energien als eine der Hauptsäulen unserer Energiepolitik im Zentrum der Arbeiten steht. Hier geht es um das Erreichen unserer ambitionierten quantitativen Mindestausbauziele. Ich will das deutlich sagen: Hier machen wir keine Abstriche. Aber eines wissen wir doch auch alle: Der aktuelle, auf der Zeitschiene und auch regional unkontrollierte Ausbau führt zu Kostenproblemen und zu Problemen bei der Netzintegration des Stroms aus erneuerbaren Quellen. Wir brauchen eine Verstetigung des Zubaus, und wir brauchen eine Synchronisation mit dem Netzausbau. Es ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll und den Bürgern nicht mehr zu vermitteln, dass Strom bezahlt wird, der nicht transportiert und damit auch nicht verbraucht werden kann. Das muss in einer Haushaltsdebatte auch einmal gesagt werden. ({2}) Ja, das EEG hat sich als Instrument bei der Markteinführung der Erneuerbaren bewährt. Aber so, wie das EEG konstruiert ist, kann es die neuen Herausforderungen nicht bewältigen. Genau deshalb brauchen wir eine grundlegende Reform. Wie diese Reform aussieht, das müssen wir gemeinsam diskutieren. ({3}) Ich kenne bislang eine Vielzahl von Vorschlägen: das Quotenmodell, den Energiesoli, den Vorschlag der grundsätzlichen Beibehaltung des EEG oder die Entlassung der Erneuerbaren in den Markt. Gleichzeitig gibt es Gegenargumentationen zu jeder dieser Ideen. Wem der Ausbau der erneuerbaren Energien wirklich am Herzen liegt, der muss sich Zeit nehmen, alle diese Vorschläge sehr gründlich zu analysieren und zu diskutieren. ({4}) Nichts wäre für die Energiewende schlimmer, als wenn wir jetzt mit einem Schnellschuss Fehler machten. ({5}) Das Erreichen unserer Ausbauziele steht auf dem Spiel. Es geht um die Akzeptanz der Förderung der erneuerbaren Energien bei den Bürgern. Es geht um Sicherheit für Investoren, und es geht um die sichere Versorgung des Wirtschaftsstandorts mit bezahlbarer Energie. Angesichts dieser Herausforderungen ist es richtig, mit den Arbeiten sofort zu beginnen. Es ist aber auch richtig, die konkreten Schlussfolgerungen erst auf der Grundlage sicherer Erkenntnisse und nach einer gesellschaftlichen Diskussion umzusetzen. ({6}) Genau das hat Peter Altmaier mit seinem Verfahren zur Neuregelung des EEG vorgeschlagen. ({7}) Dafür hat er unsere Unterstützung und unsere Zusage als Fraktion, dass wir uns konstruktiv in die Diskussion einbringen werden. Es gibt aber Handlungserfordernisse beim Ausbau der erneuerbaren Energien jenseits der Weiterentwicklung des EEG. Dazu gehören zum Beispiel die Entwicklung und breitere Markteinführung von modernen Speichertechnologien insbesondere für PV-Anlagen. Es ist richtig, dafür umgehend Anreize zu schaffen. Wir unterstützen den derzeit in der Abstimmung befindlichen Vorschlag des Bundesumweltministers für ein Marktanreizprogramm mit einem Umfang von 50 Millionen Euro für dezentrale Stromspeicher. Wir brauchen diese Speicher, um den Strom besser zu verwerten und gleichzeitig die Netze zu entlasten. Zusätzliche Mittel werden auch bei der Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien bereitgestellt. Dort stehen im nächsten Jahr 158 Millionen Euro zur Verfügung. Dazu kommen noch 57 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds. Damit bleiben die erneuerbaren Energien ein zentraler Bereich der Förderung von Zukunftstechnologien. Eine kosteneffiziente Förderung der Erneuerbaren, die Koordination des Ausbaus zwischen Bund und Ländern und Innovationen sind die Voraussetzungen für das Erreichen unserer Ziele. Genau da setzen wir die politischen Prioritäten, und genau das zeigt auch der Haushalt 2013. ({8}) Meine Damen und Herren, wir haben im Bereich der Endlagerung radioaktiver Abfälle zwei zentrale Gesetzesvorhaben, die jetzt zügig umgesetzt werden müssen. Minister Altmaier hat schon den Sachstand erläutert. Es gibt aus meiner Sicht keine unüberbrückbaren Probleme in der Sache. Einen wichtigen Punkt möchte ich zum Schluss noch ansprechen, der mir besonders wichtig ist, nämlich die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung. ({9}) - Ich bitte darum. ({10}) Ich hatte dieses Thema bereits vor einem Jahr genau an dieser Stelle angesprochen. Ich hatte Sie, meine Damen und Herren von SPD, Herr Kelber, und Bündnis 90/Die Grünen, gebeten, mitzuhelfen, die Blockade Ihrer Bundesländer im Bundesrat aufzulösen. Aber es ist nichts passiert. ({11}) Ihre Länder haben dafür gesorgt, dass wir ein Jahr verloren haben. Meine Damen und Herren, die Bürger warten; das Handwerk und der Mittelstand warten. Morgen tagt erneut der Vermittlungsausschuss zu diesem Thema. Dann haben die von Ihnen geführten Landesregierungen die Chance, Ihren Worten für den Klimaschutz und die Energieeffizienz Taten folgen zu lassen. ({12}) Wenn Ihnen Energieeffizienz wirklich am Herzen liegt, dann greifen Sie zum Telefon und leisten Sie bei Ihren rot-grün regierten Ländern Überzeugungsarbeit. ({13}) Es wäre übrigens auch für die Kollegen, die zur Klimakonferenz nach Doha fahren, gut, Herr Ott, einen weiteren, sehr konkreten Baustein für unsere anspruchsvolle Klimapolitik im Gepäck zu haben. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ulrich Kelber hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ungewöhnlich freimütig hat Bundesumweltminister Altmaier zu Beginn seiner Rede vor wenigen Minuten zugegeben, dass Schwarz-Gelb sich dreieinhalb Jahre lang nicht für die Energiepolitik interessiert hat. ({0}) Jetzt, mit dem Bundeshaushalt 2013, werden auf einmal wenige Monate vor der Wahl für diesen Politikbereich Dutzende neue Stellen beim Umweltministerium und beim Wirtschaftsministerium geschaffen. Ich habe allerdings keine Hoffnung, dass dies dazu führen wird, dass der Dauerstreit zwischen den Ministern und den Ministerien aufhört. Wir haben einen Wirtschaftsminister, der sein Haus Entwürfe zum Erneuerbare-Energien-Gesetz schreiben lässt, für das eigentlich der Umweltminister zuständig ist, ({1}) statt sich um Energieeffizienz, Netzmodernisierung oder Durchsetzung von Wettbewerb zu kümmern. Wir haben einen Umweltminister, der versucht, das als neu zu verkaufen, was sein Vorvorgänger Gabriel eingeführt und sein Vorgänger Röttgen ausgebaut hat, nämlich die kostenlose Energieberatung. Außerdem hofft er noch, dass ihm in den Schoß fällt, dass die Umlage für das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 sinkt. Ich habe dem Umweltminister im Netz eine Wette angeboten, die er bisher nicht angenommen hat. Ich habe gesagt: Herr Altmaier, Sie haben so viel Unsinn in das Erneuerbare-Energien-Gesetz - ich rede von der Umlage aufgenommen, dass, wenn Sie keine weiteren Fehler in Richtung Verteuerung machen, diese Umlage 2014 automatisch sinkt. - Er will sich nur mit fremden Federn schmücken und vergessen machen, dass er als Minister für die größte Strompreisanhebung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich ist, die zum 1. Januar 2013 stattfindet. ({2}) Schwarz-Gelb schafft es nicht, das Chaos in der Energiepolitik abzustellen. Schwarz-Gelb ist nicht dazu bereit, die Investitionen in die Energieversorgung sparsam und sozial ausgeglichen zu gestalten. Wer soll denn eigentlich nach drei Jahren hü und hott, hin und her, zick und zack in der Energiepolitik noch investieren? Das Wahlkampfmanöver der FDP, auf die erneuerbaren Energien einzudreschen in der Hoffnung, es müsse doch in Deutschland 5 Prozent Gegner der erneuerbaren Energien geben, ({3}) hat jetzt schon dazu geführt, dass es schwierig ist, Kredite für langfristige Programme zu bekommen. Bei der Bundesregierung ist in Sachen Energieeffizienz Hopfen und Malz verloren. Deutschland ist unter den 27 EU-Mitgliedstaaten dasjenige Land, das in Brüssel am häufigsten versucht, die EU-Energieeffizienzpläne zu blockieren. Dabei geht Deutschland noch hinter die eigenen, nationalen Ziele zurück. So sahen die Verhandlungen aus, die zunächst vom Wirtschaftsministerium geführt und vom Umweltministerium unterstützt wurden. Es gibt keine Energieeffizienzfonds, die Mittel für die Gebäudesanierung sind zusammengestrichen worden - ich werde Ihnen gleich etwas zu den Zahlen sagen -, und dann kommt der Bankraub bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau dazu. Eine Zwangsdividende von 1 Milliarde Euro wird aus dieser Förderbank herausgezogen. Wo soll die eigentlich eingespart werden: bei der Gebäudesanierung, bei dem Marktanreizprogramm, beim altersgerechten Umbau, bei den Existenzgründungen oder bei den Investitionen in erneuerbare Energien? Haushaltszahlen schönen, indem man Gelder, die für Investitionen in die Zukunft gedacht sind, plündert - was für eine Wahnsinnsidee von Schwarz-Gelb! ({4}) Wo ist denn nach drei Jahren Schwarz-Gelb das Fundament für die Modernisierung von Verteil- und Übertragungsnetzen? Etwa bei der Südwestkuppelleitung? 1 Gigawatt zusätzliche Kapazität von Windenergie aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt soll nach Süddeutschland gebracht werden. Ende nächsten Monats ist diese Leitung in Sachsen-Anhalt und Thüringen fertig. In Bayern, lieber Josef Göppel, haben die Genehmigungsbehörden noch nicht einmal mit dem Genehmigungsverfahren begonnen, obwohl es zum gleichen Zeitpunkt wie in Thüringen und Sachsen-Anhalt beantragt wurde. Besteht darin die Energiepolitik dieser schwarzgelben Landesregierung? ({5}) Natürlich wären wir mit den Gleichstromleitungen weiter, wenn nicht Katherina Reiche als Staatssekretärin und der heutige Umweltminister Altmaier in der Großen Koalition genau diesen Vorschlag von Sigmar Gabriel in einem 50 Meter von hier entfernten Raum abgelehnt hätten. Wir brauchen keine Hochspannungs-GleichstromÜbertragungsleitungen - das war die Linie von CDU und CSU. Heute, sechs Jahre später, hätten wir sie wahrscheinlich schon fertiggestellt und müssten nicht mehr darüber reden. ({6}) Ich wundere mich auch über das Schweigen des Umweltministers zu so vielen Wortmeldungen. Der Energiekommissar Oettinger, früherer CDU-Ministerpräsident, und Herr Reul, CDU-Europaabgeordneter, fordern, die deutschen Energiegesetze durch eine Quotenregelung für erneuerbare Energien in Europa abzulösen. Was sagt der Umweltminister dazu? Was sagt er dazu, wenn Frau Dött, umweltpolitische Sprecherin, Herr Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher, Herr Fuchs, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, und Herr Bareiß, energiepolitischer Sprecher, für einen Stopp der Energiewende in verschiedenen Veranstaltungen werben? Auch dazu schweigt er. Die soziale Energiewende ist Schwarz-Gelb egal. Nach dem Rollgriff in die Sozialkassen - Sie haben auf dem Koalitionsgipfel 10 Milliarden Euro aus der Renten-, der Arbeitslosen- und der Krankenversicherung in den Bundeshaushalt umgelenkt - und nach der Verweigerung des Mindestlohns tun Sie nichts gegen steigende Energiepreise. Ich nenne das Beispiel der Gebäudesanierung. Frau Dött und andere behaupten immer, die Bundesländer seien nicht bereit, ihren Vorschlag mitzutragen. Warum sind die Bundesländer denn nicht bereit dazu? Weil Sie zwei Sachen gemacht haben: 2009 hat Schwarz-Gelb 2,25 Milliarden Euro pro Jahr für Gebäudesanierung im Bundeshaushalt vorgefunden und dann die Mittel auf 500 Millionen Euro im Jahr gekürzt. Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die die Kredit- und Förderprogramme finanzieren soll, wird jetzt eine Zwangsdividende von 1 Milliarde Euro eingeführt. Man ändert extra ein Gesetz, um dieses Geld dort abziehen zu können. - Sie nehmen also über 3 Milliarden Euro heraus und sagen: Bundesländer, gleicht aus, was wir als schwarz-gelbe Bundesregierung zusammenstreichen. Das ist einfach unverschämt. ({7}) Zum Strompreis. Bei der Umlage gibt es Befreiungen wie aus dem Tollhaus, für die die Privathaushalte und Gewerbebetriebe zahlen müssen. Werden diese Befreiungen denn jetzt überprüft, Frau Reiche, oder nicht? Im Morgenmagazin sagte Herr Altmaier: Ja. In der offiziellen Antwort an den Deutschen Bundestag steht, das Umweltministerium habe eine Studie in Auftrag gegeben, die am 31. Juli 2014 fertig sein solle. Wird das nun stattfinden, oder nicht? Es bleibt die Frage, ob die Energiewende nach Meinung von Schwarz-Gelb überhaupt effizient, effektiv und sozial ausgewogen gestaltet werden soll oder ob es nicht vielmehr so ist, wie der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU, Joachim Pfeiffer - jetzt leider nicht anwesend - am 23. August 2012 im Handelsblatt erklärte: Die Bürger wollten die Energiewende; jetzt sollen sie sie bezahlen. - Das ist nämlich die Haltung, die bei Schwarz-Gelb aus allen Poren spricht. ({8}) Vielen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Michael Kauch das Wort.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Kollege Kelber, Ihre Behauptungen werden nicht besser, wenn Sie sie bei jeder Debatte wiederholen. ({0}) Sie haben heute erneut gesagt, wir hätten die heroischen Haushaltszahlen der SPD zur Gebäudesanierung zusammengestrichen. Ich halte fest: Der SPD-Minister, der damals für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zuständig war, hat ein Programm zur Konjunkturstabilisierung von 3 mal 1,5 Milliarden Euro bewilligt bekommen. Es war ein befristetes Programm. Diese Koalition hingegen hat ein dauerhaftes Programm zur Gebäudesanierung aufgelegt. - Das ist der erste Punkt, lieber Herr Kelber. Der zweite Punkt ist folgender: Die 2,2 Milliarden Euro, von denen Sie sprechen, haben Sie sich im Wahljahr zusammengeklaubt, indem Sie Geld aus den Folgejahren in das Wahlkampfjahr gezogen haben, damit Ihr SPD-Bauminister durchs Land ziehen und zeigen konnte, was er Tolles für die Gebäudesanierung macht. Deshalb waren die Töpfe leer, als wir die Regierung übernommen haben. Das ist die Wahrheit - und nicht das, was Sie hier immer behaupten. ({1}) Wenn Sie wieder mit den energieintensiven Unternehmen anfangen, ({2}) dann bitte ich Sie, sich einmal anzuschauen, wer alles von der Umlage befreit ist. Es ist nämlich kein Golfplatz in Deutschland befreit. ({3}) Auch der Deutsche Wetterdienst, von dem Sie Grüne immer reden, ist nicht befreit. Vielmehr sind es zum einen mittelständische Unternehmen, Unternehmen des industriellen Mittelstandes, ({4}) und zum anderen zum Beispiel die Deutsche Bahn und die U-Bahnen in den großen Ballungszentren. Jetzt frage ich die SPD: Halten Sie es für umweltpolitisch vertretbar, die Fahrpreise in München, in Berlin und im RheinRuhr-Gebiet zu erhöhen, weil Sie die Stromvergünstigungen für die U-Bahnen streichen wollen? ({5}) Sind Sie bereit, die Fahrpreiserhöhungen für die Deutsche Bahn zu übernehmen? Das ist die Frage, der Sie sich stellen müssen, anstatt den Leuten in Bezug darauf, wer hier alles von Ausnahmen profitiert, immer Sand in die Augen zu streuen. Vielen Dank. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Kelber hat das Wort zur Antwort.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kauch, ich muss mich manchmal fragen, ob Sie die Dinge wirklich nicht nachgelesen haben oder ob Sie sie absichtlich verdrehen. Wenn Sie nachlesen würden, könnten Sie feststellen, dass die SPD den Vorschlag gemacht hat, die Ausnahmen wieder auf den Stand des Jahres 2009 zurückzuführen. Da im Jahr 2009 die Deutsche Bahn und die U-Bahnen aufgrund einer Initiative der SPD befreit waren, ist das, was Sie gerade gesagt haben, also völliger Unsinn. ({0}) Meine Bitte: Man sollte sich informieren, bevor man redet - und nicht umgekehrt. ({1}) Zum Zweiten: Haben Sie eigentlich gemerkt - diejenigen, die Ihnen applaudiert haben, wahrscheinlich nicht -, dass Sie sich im ersten Teil selbst widersprochen haben? Sie haben nämlich zwei Dinge gleichzeitig behauptet. Zuerst haben Sie gesagt, die SPD - wir waren übrigens in einer gemeinsamen Regierung mit CDU und CSU und konnten gar nichts alleine beschließen - habe ein befristetes Programm zur Gebäudesanierung nur für ihre Wahlperiode aufgelegt, ({2}) um danach zu behaupten, der Minister habe die Gelder aus den Folgejahren dafür verwendet, sodass Sie gar nichts vorgefunden hätten. Das ist ja schon ein Widerspruch in sich. In den Weltwirtschaftskrisenjahren ab 2008 hat die damalige Koalition aus CDU/CSU und SPD zu Recht beschlossen: Kein Antrag auf Gebäudesanierung bleibt ohne Zuschlag. - Das war natürlich alles andere, als, wie es danach geschehen ist, die Mittel auf 500 Millionen Euro oder auf null zu reduzieren - Sie haben zwischenzeitlich ja unter 500 Millionen Euro bereitgestellt -; vielmehr war es eine Aussage mit Blick auf die mittelfristige Finanzplanung in dieser Regierungszeit. Es bleibt bei den Zahlen: In allen Jahren der damaligen Regierungskoalition sind über 1,5 Milliarden Euro für dieses Programm ausgegeben worden. Sie streichen die Mittel auf 500 Millionen Euro. Die ergänzenden Mittel, die die Kreditanstalt für Wiederaufbau bisher aus eigener Kasse aufbringen konnte, werden Sie durch Ihre Zwangsdividende von über 1 Milliarde Euro auch noch abziehen, frei nach dem Motto: Was ist schon ein Bankraub gegen eine Zwangsdividende? ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Josef Göppel hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Josef Göppel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003537, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts des lebhaften Debattenverlaufs will ich kurz den Blick auf die Mitte des Aufgabenfeldes dieses Ministeriums richten - an der Wand seitlich hinter mir erscheint der entsprechende Begriff elektronisch -: Naturschutz. Die Titelgruppe „Naturschutz“ umfasst gerade einmal so viel wie die Steigerung der Mittel von 2012 auf 2013, nämlich 49 Millionen Euro. Man braucht nicht viel Geld für den Naturschutz. Die Mitgeschöpfe des Menschen, die wildlebenden Pflanzen und Tiere, brauchen nur etwas Zurückhaltung des Menschen. Die Tiere brauchen nur etwas Platz, wo sie Nahrung finden und ihre Jungen aufziehen können. Es gibt das Programm „Biologische Vielfalt“, dessen Finanzierung noch Norbert Röttgen beim Bundesfinanzminister durchsetzen konnte. Ich möchte an dieser Stelle der Naturschutzabteilung des Umweltministeriums und auch dem Bundesamt für Naturschutz für die engagierte Umsetzung dieses Programms danken. Aber die Musik spielt in der Agrarförderung. Ich spreche den Europäischen Rat an, der am Donnerstag dieser Woche stattfinden wird. Dort fallen die Grundsatzentscheidungen über die Agrarförderung, auch im Hinblick auf die Einrichtung ökologischer Vorrangflächen. ({0}) Der Nutzungsdruck ist in den vergangenen zehn Jahren gewachsen. Wir haben bei Allerweltsarten wie dem Kiebitz oder der Feldlerche Populationseinbrüche bis auf die Hälfte. Wenn es nicht gelingt, ein bisschen Fläche für die Artenvielfalt zu reservieren, dann werden wir dieses Ziel nicht erreichen können. ({1}) - Warten Sie, was ich noch zu sagen habe, bevor Sie Beifall spenden. - Dabei ist es wichtig, zu sehen: Wir brauchen für dieses Ziel keine Stilllegung. Es ist durchaus möglich, Klee oder Luzerne auf den ökologischen Flächen zuzulassen. Entscheidend ist nur, dass das sogenannte Greening im Rahmen der Agrarförderung verpflichtend durchgeführt wird, weil wir sonst in den Gunstlagen keine ökologischen Flächen bekommen, obwohl wir sie dort am dringendsten brauchen, während wir in den Mittelgebirgen umso mehr ökologische Flächen erhalten, obwohl wir dort schon genug haben. ({2}) Insofern ist es wichtig, eine nutzungsorientierte Bewirtschaftung der ökologischen Flächen zuzulassen. Gleichzeitig bitte ich das Umweltministerium in der Ressortabstimmung für den Europäischen Rat in dieser Woche auf jeden Fall auf dem verbindlichen Greening zu beharren. ({3}) Es gibt noch ein weiteres Thema, das mit Europa zu tun hat: das EEG und die Frage, wie es in Europa damit weitergeht. Ich sage hier für die CSU: Wenn der Berichterstatter im Europäischen Parlament Reul oder gar der EU-Kommissar Oettinger das EEG durch bestimmte Maßnahmen zugunsten gesamteuropäischer Planungen wirkungslos machen will, dann machen wir da nicht mit. ({4}) Man darf die Instrumente, die funktionieren, nicht aufgeben in einer Zeit, in der sich Siemens und Bosch von Desertec zurückziehen und der Emissionshandel seine Steuerfunktion für den CO2-Ausstoß eingebüßt hat. Wir hatten gestern das erste Bundestreffen der Deutschen Energiegenossenschaften in Berlin. Peter Altmaier hat als Hauptredner eine beeindruckende Rede gehalten. Er hat gespürt, wie viel Aktivität und Herzblut die 500 Teilnehmer, die versammelt waren, in die Energiewende hineinlegen, dass man darauf getrost aufbauen kann. Natürlich muss das EEG reformiert werden. Das sogenannte Marktdesign beim Strom muss reformiert werden, zum Beispiel in Richtung lastnäherer Erzeugung; ({5}) denn das Marktdesign ist immer noch auf wenige große Erzeuger ausgerichtet und nicht auf die Masse der Kleinerzeuger. Die Kleinerzeuger denken aber heute schon darüber nach, wie sie am Ende der EEG-Zeit ihre Angebote so mischen, dass sie zu einer verlässlichen Stromversorgung kommen und auf diese Art und Weise marktfähig werden. Das hat sich gestern ganz deutlich gezeigt. Man konnte sehen, wie die Teilnehmer aus allen Teilen Deutschlands die Energiewende praktisch vollziehen. Sie läuft in der Praxis oft besser, als es in den Medien dargestellt wird. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 16 - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen acht Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Wir beginnen mit den drei Änderungsanträgen der Fraktion der SPD. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11524? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung von SPD und Grünen und Enthaltung der Linken. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11525? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11526? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken. Wir kommen jetzt zu fünf Änderungsanträgen der Fraktion Die Linke. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11506? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Zustimmung der Linken und Enthaltung der Grünen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11507? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11508? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der Linken und der Grünen und bei Enthaltung der SPD-Fraktion. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11509? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/11510? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen. Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 16 ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.8 auf: Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit - Drucksachen 17/10814, 17/10823 Berichterstattung: Abgeordnete Alois Karl Otto Fricke Katja Dörner Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine und eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Professor Dr. Karl Lauterbach von der SPD-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Karl Lauterbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003797, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will einsteigen, indem ich versuche, eine Art Bilanz darüber zu ziehen, was die Regierung vorzuzeigen hat. ({0}) - Hier wird eingeworfen, dann könne meine Rede kurz sein. Ich glaube aber, dass hier auch kritische Punkte gewürdigt werden müssen. Wenn nur das Positive Erwähnung fände, wäre ich wahrscheinlich schon kurz vor dem Abspann. Wir haben zunächst einmal festzuhalten: Es hat eine deutliche, geradezu historische Beitragssatzerhöhung gegeben. Diese hat zu Überschüssen bei den Krankenkassen geführt, und diese Überschüsse werden jetzt als besonders gutes Wirtschaften verkauft, als ob die Reformgesetze dies bewirkt hätten. Im Prinzip war es aber nichts anderes als eine plumpe Beitragssatzerhöhung. Diese ist einhergegangen mit der Einführung von Kopfpauschalen für den Bürger. Die Kopfpauschale ist also beschlossen worden. Man hatte aber so große Angst vor der Umsetzung der Kopfpauschale, dass man gleichzeitig den Beitragssatz derart stark erhöht hat, um die Einführung der Kopfpauschale möglichst zu verhindern. ({1}) Die Mittel der Versicherten werden großzügig ausgegeben. In der Summe haben wir jetzt folgendes System: Es gibt einen Einheitsbeitragssatz, der zu hoch ist, und keinen Wettbewerb. Das wäre ungefähr das Ergebnis einer Reform, das ich erwartet hätte, wenn das Ressort - bei allem Respekt - von den Kollegen der Linkspartei geführt worden wäre. Das ist aber nicht das, was ich von einer wettbewerbsorientierten FDP oder von der Union erwartet hätte. ({2}) Wenn die Kopfpauschale schließlich kommt, werden die Rentner natürlich zuerst belastet sein. Unmittelbar nach Einführung der Kopfpauschale wird die von Frau von der Leyen derzeit angepriesene Anerkennung der Lebensleistung geringverdienender Frauen in Höhe von etwa 10 Euro bei der Rente aufgefressen sein. ({3}) Die Strukturreformen will ich hier im Einzelnen würdigen. Zunächst einmal ist im Bereich der fachärztlichen Versorgung der niedergelassene Spezialfacharzt eingeführt worden. Das hat dazu geführt, dass den Versorgungsfachärzten, das heißt den Fachärzten, die die Versorgung insbesondere in den Großstädten sicherstellen, die lukrativen Fälle entzogen werden. ({4}) Diese Reform hat im Prinzip zu einer Verschlechterung der fachärztlichen Versorgung geführt. Zum Bereich der Hausarztversorgung genügt es, zu sagen, dass der Hausärzteverband sehnsüchtig darauf wartet, dass die Zeiten dieser schwarz-gelben Regierung zu Ende sind. Die Hausarztverträge wurden abgeschafft. Die bestehenden Hausarztverträge sind gefährdet. Der Hausarztberuf ist unattraktiver geworden. Mittlerweile wird nur noch jede 15. Facharztanerkennung für Hausärzte ausgesprochen. Die Hausärzte überaltern; es gibt zu wenige Hausärzte. Das Problem ist in dieser Legislaturperiode noch einmal deutlich verschärft worden. Wir haben außer Lamentieren des Ministeriums über diesen Zustand nichts gehört. Wir alle erinnern uns an die peinlichen Vorschläge des damaligen Ministers für Gesundheit und heutigen - man glaubt es kaum - Vizekanzlers Rösler, dass man die Abiturnote für zukünftige Hausärzte großzügiger bemessen sollte, als ob der Hausarzt in Zukunft ein schlechteres Abitur brauchte. ({5}) Sonst ist da nichts gekommen. Die Hausarztversorgung im Land verschlechtert sich stündlich, und es passiert nichts. Sie haben im Bereich der Vorbeugung nichts vorzuweisen; die Kollegin Bas wird das nachher noch ausführen. Nur so viel: Der Bereich der Vorbeugung ist einer der wenigen Bereiche, in denen überhaupt gespart wurde. Ausgerechnet bei der Vorbeugung wird im Haushalt Geld gespart. Das ist so ähnlich, als ob der Landwirt die Saat verfüttert. Es gibt kein Präventionsgesetz. Wir haben im Bereich der Krankenhausversorgung kein Gesetz, keine Initiative zur Beseitigung des Pflegenotstands. Gegen den Pflegenotstand - immer wieder eloquent von der Bundesregierung angesprochen - wird nichts gemacht, als ob Sie nicht regieren würden. ({6}) Sie haben die Spezialisierung der Krankenhäuser ein Stück weit zum Erliegen gebracht, weil Sie die Mehrerlöse heute schlechter ausgleichen. Im Bereich der Hilfs- und Heilmittel gibt es keinerlei kostensenkende Maßnahmen. Lediglich ist eine Regelung eingeführt worden, nach der sich Hilfsmittelhersteller genauso wie die Pharmaindustrie an der integrierten Versorgung beDr. Karl Lauterbach teiligen können, und zwar direkt. Das war eine Einladung zu einer halblegalen Form der Korruption. ({7}) Dieses Gesetz beschäftigt die Staatsanwälte heute mehr als die Bürger. Wir haben im Bereich der Hilfs- und Heilmittel eine große Kostendynamik. Die integrierte Versorgung ist nicht vorangekommen. Es gibt auch keine echte Vernetzung der Sektoren. Das ist eines der wichtigsten Themen unseres Gesundheitssystems: Wie sollen Hausarztversorgung, Facharztversorgung und Krankenhausversorgung vernetzt werden? Auf dieser Baustelle ist nichts passiert. Sie haben nicht eine einzige Initiative auf den Weg gebracht, obwohl dort große Effizienz- und Qualitätsreserven in unserem Gesundheitssystem liegen. Es gab keine brauchbare Pflegereform, nur eine platte Beitragssatzerhöhung. Der Pflegebegriff ist nicht verändert worden. Wir haben ein misslungenes Geschenk an die PKV gesehen: Der Pflege-Bahr ist eingeführt worden. Er wird aber von so gut wie keiner privaten Krankenversicherung angeboten, weil er so bürokratisch ist, dass selbst die Assekuranz nicht in der Lage ist, dieses Wahlgeschenk der FDP anzunehmen; man ist ratlos, wie man das Geschenk auspacken soll. In der Summe lautet die Bilanz, wenn man ehrlich ist: Das meiste hat entweder geschadet oder nichts gebracht. Das ist eine magere Bilanz. Das System - das kann man festhalten - ist teurer geworden. Der Wettbewerb ist zum Erliegen gekommen. ({8}) Das hören Sie ungern; aber im Prinzip waren es verlorene Jahre. Es hat ja auch schlecht angefangen: Sie haben sich gegenseitig als „Wildsau“ oder als „Gurkentruppe“ beschimpft. Da konnte man schon erahnen, dass nicht viel passieren wird. Man ist bei der Fortentwicklung des Gesundheitssystems nicht weitergekommen. Die Bürger sind aber nicht so dumm, wie FDP und Union vielleicht glauben. Die Bürger sind zu 70 Prozent mit Ihrer Arbeit unzufrieden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Bundeskanzlerin in den Sog der Unzufriedenheit gezogen wird. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus von der FDP-Fraktion das Wort. ({0})

Christine Aschenberg-Dugnus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004003, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lauterbach, es war schon putzig, was Sie hier vorgetragen haben. Man denkt immer, Sie leben in einer anderen Welt, irgendwo in einem Lauterbach-Paralleluniversum. Sonst hätten Sie nicht so eine Bilanz vorgetragen. Ich möchte nur kurz auf Punkte eingehen, die Sie nicht vorgetragen haben. Wir haben das AMNOG verabschiedet. Damit haben wir die Pharmakosten reduziert. Wir haben das GKV-Versorgungsstrukturgesetz eingebracht. Damit ist die Versorgungssicherheit im ländlichen Raum sichergestellt. ({0}) - Da können Sie schreien, wie Sie wollen. - Wir haben das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz verabschiedet. Mit diesem Gesetz haben wir erstmals Leistungen für Demenzerkrankte festgeschrieben. Bei Ihnen gab es einen Betreuungsbetrag von 100 bzw. 200 Euro für niedrigschwellige Leistungen und Angebote. Wir sehen in den Pflegestufen 0 bis II ganz konkrete Leistungen vor. Das können Sie nicht wegdiskutieren. ({1}) Wir fördern alternativen Wohnformen, und wir tun etwas für pflegende Angehörige. Wir haben das Patientenrechtegesetz verabschiedet. Wir tun konkret etwas für die Patientensicherheit, für die Ärzte und für die Patienten. Sie haben lediglich eine Broschüre aufgelegt. Mehr können Sie in Ihrer Bilanz - Sie haben zehn Jahre lang Zeit gehabt - nicht aufweisen. Wir haben eine Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik vorgelegt. Das ist Frau Bätzing während ihrer Amtszeit nicht gelungen. Wir haben eine gute Bilanz vorzuweisen. Ich habe nur einige Punkte angesprochen. Was Sie getan haben, war mehr als mager. Über den Haushalt haben Sie kein einziges Wort verloren. Das kann nur bedeuten, dass Sie ihn, so wie er ist, in Ordnung finden. Der Haushalt ist auch in Ordnung, so wie er ist. ({2}) Der Haushalt, den wir verabschieden werden, ist der Nachweis dafür, dass wir als christlich-liberale Koalition die richtigen Schwerpunkte setzen. Einer der beiden Aufgabenschwerpunkte ist die Gesundheitsförderung durch gesundheitliche Aufklärung. Hier ist jeder Euro gut und richtig eingesetzt. ({3}) Die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung sollte für uns alle ein zentrales Anliegen sein. Wir gehen von einem Menschenbild des mündigen, aufgeklärten und eigenverantwortlichen Bürgers aus. Statt den Menschen mit Verboten zu kommen, wie wir sie häufig von Ihrer Seite hören, oder ihnen Einschränkungen aufzuerlegen, die zu einem vermeintlich besseren Leben führen sollen, setzen wir auf die Kraft der freien Entscheidung. Wir wollen, dass die Menschen einen möglichst hohen Wis25202 sensstand in Bezug auf Gesundheit, Gesunderhaltung und Krankheitsvermeidung haben. Nur so können wir gewährleisten, dass das eigene Gesundheitsverhalten positiv beeinflusst wird. Die Prävention ist eines der Leitbilder unserer Aktivitäten. Wir erleichtern und unterstützen gesundheitsförderndes Verhalten. Wir fördern gezielt - um nur einen Punkt zu nennen - die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, die einen besonderen Ansatz wert ist. Diese Zielgruppe ist besonders relevant bei der Bekämpfung des Suchtmittelmissbrauchs, aber auch bei der Förderung gesunder Ernährung. Durch zielgruppenspezifische BZgA-Projekte konnte erreicht werden, dass die Zahl der jugendlichen Raucher so niedrig ist wie noch nie. Sie sehen: Es wirkt! Gerade im Hinblick auf Suchtmittel ist es von zentraler Bedeutung, dass Kinder und Jugendliche in ihrer eigenen Welt angesprochen werden; das ist das Entscheidende. Es geht dabei gerade nicht um Verbote. Wer Kinder hat, der weiß: Der erhobene Zeigefinger bringt gar nichts. Wir wollen: Vorleben, Aufklären und Stärkung der Verantwortlichkeit. ({4}) Besonders erfreulich ist die Aufstockung der BZgAMittel zur Finanzierung der Organspendekampagne und des Druckes von Spenderausweisen. Uns allen ist klar, dass immer noch viel zu viele Menschen auf ein Spenderorgan warten und versterben, weil das Organ nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Ziel muss es also sein, die Organspendebereitschaft zu steigern. Wie wir das schaffen können, haben wir bereits gesetzlich verankert. Mit der Finanzierung der Organspendekampagne erfüllen wir nicht nur unsere eigene Forderung, sondern auch eine Forderung des gesamten Hauses. Der zweite finanzielle Aufgabenschwerpunkt im Haushalt ist die Forschung. Im Rahmen der Ressortforschung werden Aufträge zur Vorbereitung und Begleitung von Gesetzgebungsvorhaben des BMG vergeben. Ich möchte nur einige Beispiele nennen. Wir fördern die Forschung zum Nationalen Krebsplan, die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen und - das ist mir persönlich ganz besonders wichtig - die Verbesserung der Versorgung von Demenzkranken sowie die Optimierung der Patientensicherheit. Ebenfalls aus dem Forschungstitel werden neue Projekte zur Verbesserung der Kindergesundheit gefördert. Daneben sind für Aufgaben im Pflegebereich aus dem Programm zur Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger Mittel veranschlagt. Auch Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen werden gefördert. ({5}) Die christlich-liberale Koalition kann und wird mit diesem Haushalt den Nachweis führen, dass sie sparsam haushaltet und trotzdem gestaltende, gute Politik macht. ({6}) Man muss es nur wollen und die richtigen Schwerpunkte setzen. Genau das tun wir mit diesem Haushalt. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Michael Leutert. ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Knapp 12 Milliarden Euro Ausgaben stehen im Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheit. Allerdings sind 11,5 Milliarden Euro davon Zuweisungen an den Gesundheitsfonds. Da wir heute über den letzten Haushalt sprechen, den die Koalition hier - das trifft insbesondere auf die FDP zu - vorlegt, lohnt sich einmal - der Kollege Lauterbach hat sich auch daran versucht - ein Blick auf die letzten vier Jahre. Dabei muss man feststellen: Es gibt insgesamt vier Ministerien, die in den letzten vier Jahren einsparen mussten. Alle anderen Ministerien haben ohne Ausnahme steigende Ansätze zu verzeichnen. Von den vier Ministerien mussten zwei wirklich relevant - das heißt, im Milliardenbereich - einsparen. Dabei handelt es sich zum einen um das Ministerium für Arbeit und Soziales, bei dem über 24 Milliarden Euro abgeschmolzen wurden, und zum anderen um das Gesundheitsministerium, bei dem über 4 Milliarden Euro abgeschmolzen wurden. Das ist eine vorzeigbare Bilanz von Schwarz-Gelb - Respekt! -: 28 Milliarden Euro ausschließlich in den Bereichen Arbeit, Soziales und Gesundheit - und zwar nur dort - gespart. Der Gesundheitsbereich ist ein Bereich, auf den alle Bevölkerungsschichten angewiesen sind. Aus diesem Grund sind viele auch bereit, dafür viel Geld zu zahlen. Deshalb ist es von außerordentlicher Bedeutung, dass die Bürgerinnen und Bürger großes Vertrauen in das Gesundheitssystem haben. Finanziert wird alles aus drei Säulen: den Krankenkassenbeiträgen, den steuerlichen Zuschüssen und den Zuzahlungen der Patientinnen und Patienten. ({0}) Bei Säule drei, den Zuzahlungen der Patientinnen und Patienten, hat sich erfreulicherweise etwas getan. Die nicht gerade populäre Praxisgebühr ist nun endlich abgeschafft worden. Das hätte man im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon viel früher haben können. Meine Fraktion hat jährlich Anträge dazu gestellt. Allerdings freuen wir uns, dass das Plenum unseren Vorschlägen nun einstimmig gefolgt ist. ({1}) Auch bei der zweiten Finanzierungssäule, den Bundeszuschüssen aus Steuergeldern, tut sich etwas. Angesichts der Rücklagen des Gesundheitsfonds und der Krankenkassen reduziert der Bund seine Zuzahlungen für das nächste Jahr um 2,5 Milliarden Euro. Das bedeutet also weitere Kürzungen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, hat natürlich nichts mit mehr Netto vom Brutto zu tun. Die Patientinnen und Patienten haben davon erst einmal überhaupt nichts. Besser wäre es gewesen, unseren Vorschlägen zu folgen und weitere Entlastungen einzuführen bzw. weitere Zuzahlungen zu streichen. ({2}) Bei der dritten Säule, den Beitragssätzen, tut sich derzeit nichts. Die Bürgerinnen und Bürger müssen also weiterhin dreimal für das Gesundheitswesen zahlen und darauf vertrauen, dass mit ihren Geldern sorgsam umgegangen wird. Bei der Frage des ordnungsgemäßen Umgangs mit den Geldern hilft uns der Bundesrechnungshof mit seinen regelmäßigen Prüfungen. Leider sind die Prüfungsergebnisse aber nicht immer erfreulich. So hat der Bundesrechnungshof schon im letzten Jahr unter der Überschrift „Millionenverluste bei Krankenkassen durch hohe Mieten und nicht benötigte Büroflächen“ darüber berichtet, dass Krankenkassen unwirtschaftliche Mietverträge abgeschlossen haben. Da wurden ganze Bürogebäude - mehr Fläche, als man benötigte -, die zum Teil noch nicht einmal errichtet gewesen sind, zu einem überhöhten Mietzins ohne Ausstiegsoption, also ohne Kündigungsklausel, angemietet. ({3}) - Wir kommen gleich noch dazu, Herr Kollege. - Die Untervermietung führte zu niedrigeren Einnahmen und zu Verlusten bei den Krankenkassen. Das trägt nicht unbedingt dazu bei, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unser Gesundheitssystem zu stärken. ({4}) Nun habe ich dieses Thema letztes Jahr schon einmal angesprochen und während der diesjährigen Haushaltsverhandlungen auch den aktuellen Stand abgefragt. Der Bundesrechnungshof hat eindeutig vorgeschlagen, dass die Mietverträge vor Abschluss den Aufsichtsbehörden vorzulegen sind und dass dafür auch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden müssen. Der Rechnungsprüfungsausschuss hat sich dieser Forderung angenommen und eindeutige Beschlüsse dazu gefasst - allerdings nicht so die Bundesregierung und das FDP-geführte Ministerium. Im Berichterstattergespräch wurde mir nämlich auf Nachfrage gesagt, es sei zu viel Aufwand, von allen 146 Krankenkassen die Mietverträge zu genehmigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich darauf hinweisen darf: Jedes Quartal werden bei allen 4,5 Millionen ALG-II-Empfängerinnen und -Empfängern der Bedarf und auch die Mietverträge kontrolliert. Angesichts dessen kann es doch nicht zu viel verlangt sein, lediglich bei neu abgeschlossenen Mietverträgen bei 146 Krankenkassen eine Kontrolle vorzunehmen. ({5}) - Es interessiert Haushälter, wenn mit Steuergeldern unverantwortlich umgegangen wird. ({6}) Ich bin auch der Meinung, dass die Verantwortlichen in den Krankenkassen zur Rechenschaft gezogen werden müssen, weil sie dem Ansehen der Krankenkassen Schaden zugefügt haben. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Gesundheitssystem und damit die Bereitschaft, für das Gesundheitssystem zu zahlen, sind nur dann stabil, wenn alle wissen, dass mit den Geldern fair und gerecht umgegangen wird. Das heißt, dass die Krankenkassen sorgsam mit den Geldern umgehen müssen und der Bund die Patientinnen und Patienten entlasten muss, wenn ausreichende Rücklagen vorhanden sind. Beides ist bisher nicht gewährleistet. Unter anderem diese Versäumnisse führen dazu, dass wir diesem Haushaltsentwurf nicht zustimmen können. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Alois Karl von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine kurze Replik auf die erste Rede in dieser Debatte: Lieber Herr Lauterbach, die Debatte über den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums hätte ein besseres Entree verdient als Ihre Rede. ({0}) Ich muss sagen: Das war ein schwacher Beginn. Ich kann es mir fast nicht verkneifen, zu sagen: Ihre Rede war dazu angetan, die Leute hier krank zu machen. ({1}) Vieles von dem, was Sie gesagt haben, ging an der Sache vorbei. Ich möchte nicht weiter darauf eingehen, nur so viel: Das war fast schon eine Zumutung. Sie haben zum Haushalt nichts gesagt. Das bleibt wohl den Haushältern überlassen. Wir stehen in der Tat am Beginn einer bedeutsamen Woche. ({2}) Wir setzen wichtige Meilensteine, um unser Ziel, am Ende dieses Jahrzehnts einen schuldenfreien Haushalt zu haben, zu erreichen. Der Einzelplan 15 wird einen ausgezeichneten Beitrag dazu leisten, dass der Bund nach mehr als 40 Jahren erstmals wieder mit dem Geld auskommt, das er einnimmt. ({3}) Franz Josef Strauß hat Ende der 60er-Jahre das letzte Mal einen schuldenfreien Haushalt vorgelegt. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir, wenn wir weiter so diszipliniert arbeiten, wie das in den letzten Wochen der Fall gewesen ist, mit dem Unfug aufhören, die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder dadurch zu gefährden, dass wir wie in den letzten Jahrzehnten viel zu viel Geld ausgeben. Die Verschuldung der Haushalte in den 70er- und 80er-Jahren war in keiner Weise geboten. Auch vor 2008 war nichts, aber auch gar nichts zu erkennen, was erklärt, warum Deutschland sich in den Regierungsjahren von Gerhard Schröder und Joschka Fischer bis über beide Ohren verschuldet hat. Bei den Bundesländern bildet Bayern die einzige Ausnahme. Auch die Kommunen tragen in gewissem Maße Verantwortung dafür, dass die Finanzen in Unordnung geraten sind. Im Haushalt 2013 senken wir die Ausgaben um etwa 3 Prozent. Die Einnahmen steigen, und die Nettokreditaufnahme wird auf 17,1 Milliarden Euro gesenkt. „Das ist immer noch zu viel“, sagen die Pessimisten. Wie Sie wissen, könnten wir nach der Schuldenregel, die wir uns vor etlicher Zeit gegeben haben, heuer 41 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Im Vergleich sind die Zahlen also sehr gut. Ich danke gerade den Kollegen im Haushaltsausschuss, die in den letzten drei Tagen der Beratungen 1,7 Milliarden Euro eingespart haben. Die Opposition hätte sich dabei gut in Szene setzen können. Bei den Olympischen Spielen gibt es die Vorgabe: Höher, weiter und schneller! Die Opposition hat das abgewandelt. Ihr Ziel lautet: Mehr, noch mehr und immer noch mehr! Aber so kann man keinen Haushalt sanieren. ({4}) So kann man nicht zu geordneten finanziellen Verhältnissen zurückkehren. Wir haben die Neuverschuldung auf 0,34 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückgeführt. Dies wollten wir eigentlich erst 2016 erreichen. Das ist eine überaus starke Leistung. ({5}) Wir hätten Sie gerne dabeigehabt. Sie hätten daran mitwirken sollen, das haushaltspolitische Desaster, das Sie hinterlassen haben, wieder in Ordnung zu bringen. Der griechische Held Odysseus hat, als er nach dem Trojanischen Krieg nach Hause zurückgekehrt ist, gesagt: „… Töchter des Zeus, niemals glaubte ich, euch wiederzusehen.“ Er meinte damit seine Heimat. So könnten wir es auch heute sagen. Viele meinten, wir würden Zeiten mit konsolidierten Haushalten nie mehr erleben, aber Minister Schäuble hat mit beinharten Vorgaben die Richtung gewiesen. Gott sei Dank! Wir haben den Anfang gemacht. Aller Anfang ist leicht, auf das Durchhalten kommt es an. Wir haben uns dieses Durchhalten auf die Fahnen geschrieben. Wir werden 2016 nicht nur die Grenze „0,35 Prozent strukturelle Neuverschuldung“ einhalten, sondern wir werden bei 0,0 Prozent liegen. Ich denke, dass wir mit diesem finanzpolitischen Credo in dieser Woche beginnen und in den nächsten Jahren fortsetzen werden. Seien Sie versichert, lieber Herr Leutert: Wir werden das auch in den nächsten Jahren so machen. Niemand in Deutschland wird Ihnen die Haushalte mehr anvertrauen, nachdem Sie sie über Jahre ruiniert haben. ({6}) Der Haushalt des Gesundheitsministers trägt entscheidend dazu bei, dass heuer der Gesamthaushalt in dieser Weise verringert werden kann. Der Gesundheitsfonds ist reichlich ausgestattet. Vor zwei Jahren noch war mit einem Defizit von 11 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds zu rechnen. Heute haben wir 11 Milliarden Euro Überschuss im Gesundheitsfonds und 12 Milliarden Überschuss bei den gesetzlichen Krankenkassen. Das ist ein außerordentlicher Grund zur Freude. Wir wollten Sie in dieser gnadenreichen Vorweihnachtszeit gerne daran teilhaben lassen, ({7}) aber bis dato habe ich nichts außer Gemäkel gehört. Unter Minister Rösler haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen. Die Kosten drohten zu explodieren. Aber durch die Erhöhung der Herstellerrabatte der Pharmaindustrie von 6 auf 16 Prozent und die Heranziehung des pharmazeutischen Großhandels haben wir die Kosten wieder in Ordnung gebracht. Wir haben die Apotheker mit herangezogen; dadurch wurden über 200 Millionen Euro zur Gesundung des Systems beigetragen. Auch die Krankenhäuser waren mit etwa 450 Millionen Euro beteiligt. Der Steuerzahler hat in der Tat ebenfalls geblutet. Das, was Sie gesagt haben, Herr Leutert, ist nicht richtig. Sie haben gesagt, dass der Gesundheitshaushalt gelitten hätte. Wir haben den Gesundheitsfonds im Jahr 2011 mit einem Zuschuss von 3,9 Milliarden Euro zusätzlich und im Jahr 2012 mit einem Zuschuss von 2 Milliarden Euro zusätzlich stabilisiert. ({8}) Jetzt ist das nicht mehr nötig. Das haben wir gesehen. Die Situation des Gesundheitsfonds hat sich dramatisch verbessert. Aus diesem Grunde können wir die Mittel für den Gesundheitsfonds heuer um 2,5 Milliarden Euro absenken. Dem Bundesgesundheitsminister wird in seinem operativen Geschäft dadurch nichts, aber auch gar nichts weggenommen. Gerade weil wir den Arbeitsmarkt so hervorragend beflügeln konnten, weil die sozialen Kassen überall gut gefüllt sind, hat der Gesundheitsfonds mehr Geld, als wir eigentlich erwartet hätten. Daher sind 2,5 Milliarden Euro durchaus disponibel. Es gleicht einem Darlehen. Wir hatten dem Gesundheitsfonds in der Zeit, als wir vorsichtig operiert haben, dieses Geld gegeben. Heute können wir es wieder dem Haushalt zur Verfügung stellen. Würden wir dies nicht tun, hätten wir 2,5 Milliarden Euro mehr Schulden, wofür wir Zinsen zahlen müssten, und beim Gesundheitsfonds würde das Geld liegen, ohne dass es gebraucht wird. ({9}) Aus diesem Grunde ist es haushalterisch völlig richtig, dass wir diese Maßnahmen ergreifen. Das Gegenteil von dem, was die Linken hier vor zwei Jahren dargestellt haben, ist eingetreten. Sie hatten gesagt, das GKVFinanzierungsgesetz würde die Prinzipien der solidarischen, der paritätischen Finanzierung des Gesundheitswesens zerschlagen. Ähnlich haben Sie es heute ausgedrückt. Welch ein Unsinn, Herr Leutert! Gerade das Gegenteil ist der Fall. Wenn nicht nur Lügen, sondern auch politische Torheiten kurze Beine hätten, müssten Sie alle als Liliputaner herumlaufen. ({10}) Das, was Sie hier gesagt haben, ist völlig abwegig. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesundheitsfonds trägt zur Solidarisierung und zur Solidität des Haushalts bei. Wir haben in der Tat alle Aufgaben, die sich die Gesundheitspolitiker gewünscht haben, in diesem Haushalt berücksichtigen können. Wir sind Ihnen, Herr Bundesminister, dankbar, dass gerade Sie mit gutem Beispiel vorangegangen sind. So sind zum Beispiel die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit auf niedrigem Niveau gehalten worden. ({11}) Die Ausgaben für Prävention werden ansteigen. Die Ausgaben für die Forschung halten wir konstant. Sie unterscheiden sich von einer Ihrer Vorgängerinnen, von Ulla Schmidt, deutlich. Sie hat 50 Prozent mehr Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit haben wollen. „Nur Bares ist Wahres“, hat sie möglicherweise gedacht. ({12}) Sie verdienen großen Respekt dafür, dass Sie sich in dieser vornehmen Weise zurückhalten. ({13}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Der Bundesgesundheitsminister kann auch mit dem reduzierten Haushalt - er wurde einzig und allein im Hinblick auf den Gesundheitsfonds reduziert - alle seine Vorhaben durchführen, die Fachpolitiker haben ihre Wünsche erfüllt bekommen, und der Gesundheitshaushalt trägt zur Konsolidierung des Gesamthaushaltes bei. Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen die Annahme des Haushaltes nur wärmstens empfehlen. Ich bitte sie, dafür zu stimmen, auch wenn es dem einen oder anderen schwerfallen sollte. Ich danke. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die Kollegin Katja Dörner.

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Kollege Karl, wenn ich heute Abend krawallig drauf wäre, dann könnte ich sagen: Wir alle können doch gar nichts dafür, dass Sie heute in der Generaldebatte nicht sprechen durften. Aber ich muss anerkennen: Auf den letzten Metern haben Sie ja doch noch die Kurve zum Gesundheitsetat bekommen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in der letzten Sitzungswoche waren wir alle an einem regelrecht historischen Ereignis beteiligt. Alle Abgeordneten aller Fraktionen haben in einer namentlichen Abstimmung gemeinsam mit Ja gestimmt. Alle fanden die Abschaffung der Praxisgebühr richtig und notwendig. Wir Grünen haben natürlich auch zugestimmt. Es wäre ja absurd gewesen, wenn wir einer Forderung, die wir selber schon lange erhoben haben, nicht zugestimmt hätten. ({0}) Es hat sich herausgestellt, dass die Praxisgebühr nicht den Effekt hat, nicht notwendige Arztbesuche zu vermeiden, sondern dass sie bewirkt, dass Menschen mit kleinem Geldbeutel einen Arztbesuch tendenziell aufschieben oder eventuell gar nicht zum Arzt gehen. Das ist natürlich individuell katastrophal und auch mit Blick auf das Gesundheitssystem nicht ökonomisch. ({1}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es lohnt sich allerdings sehr, dieses gemeinsame Ja zur Abschaffung der Praxisgebühr genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich mache mir nämlich ein bisschen Sorgen, dass es verschleiert, dass doch höchst unterschiedliche Konzepte der Finanzierung unseres Gesundheitssystems dahinterstehen. Ich denke, wenn sich die FDP, die immer für mehr Selbstbeteiligung ist ({2}) und in den Geldbeutel der Versicherten greift, die die privaten Krankenversicherungen pampert und auch sonst mit Solidarität nicht ganz so viel am Hut hat, ({3}) ein soziales Hütchen aufsetzt, dann ist das in der Regel kein Grund, zu jubeln, sondern eher ein Grund, die Alarmsirenen einzuschalten. ({4}) Warum ist das so? ({5}) Die FDP will die Kopfpauschale; das ist Fakt. Schon jetzt wurde bekanntlich der einheitliche Beitragssatz zur Krankenversicherung eingefroren. Alle kommenden Kostensteigerungen gehen zulasten der Versicherten, und zwar in Form eines Zusatzbeitrages. Dieser ist bekanntlich einkommensunabhängig, also eine Art kleine Kopfpauschale. ({6}) Noch haben wir diese Kopfpauschale nicht; aber sie kommt mit großen Schritten auf uns zu. ({7}) Genau das ist der Punkt: Die Abschaffung der Praxisgebühr, eingebettet in das unsolidarische Finanzierungskonzept, wie es Union und FDP vorantreiben, ist faktisch ein weiterer Schritt in Richtung Kopfpauschale. ({8}) Aktuell haben die Krankenkassen Geld. Ja, es ist richtig: Krankenkassen sind keine Sparkassen. Deshalb kann man die Praxisgebühr jetzt auch abschaffen. Aber es ist auch jetzt schon klar, dass es nicht bei diesem Überschuss bleiben wird. Sehen wir uns nur an, was SchwarzGelb alleine bei diesem Haushalt macht: Erst werden dem Gesundheitsfonds 2 Milliarden Euro entzogen, dann werden ihm in der Bereinigungssitzung flott weitere 0,5 Milliarden Euro entzogen, und für 2014 werden ihm weitere 2 Milliarden Euro entzogen. Die Abschaffung der Praxisgebühr wird ebenfalls mit rund 2 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Wenn wir das sehen, ist doch klar: Der unsolidarische Zusatzbeitrag kommt mit großen Schritten. ({9}) Eine entsolidarisierte Finanzierung unseres Gesundheitssystems klopft schon sehr laut an die Tür. ({10}) Die Abschaffung der Praxisgebühr ist richtig. Aber sie wird nur dann nicht zum Problem, wenn wir eine Bürgerversicherung bekommen, die mehr Solidarität bedeutet, die die Einnahmeseite der Krankenversicherung verbreitert und damit gerecht absichert. ({11}) Die Bürgerversicherung muss kommen. Auf den Pflege-Bahr sollten wir allerdings schnellstmöglich verzichten. ({12}) Er ist ein weiterer Baustein der Entsolidarisierung in unserem Sozialsystem und ein Bonbon für die Versicherungswirtschaft - wie seit neuestem absurderweise auch das Betreuungsgeld. ({13}) Es ist völlig unverständlich, dass der Haushalt des Gesundheitsministeriums für 2013 eine teure Kampagne für den unsinnigen Pflege-Bahr vorsieht, während beispielsweise die Mittel für Maßnahmen zur Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten deutlich gekürzt werden. ({14}) Ich will - das wird die Koalition wahrscheinlich eher freuen - abschließend noch etwas zu den Haushaltsanträgen der Linken sagen. Die Linke hat uns in den Haushaltsberatungen mit Anträgen beglückt, die in der Summe ein Volumen von 4 Milliarden Euro haben. Diese Summe zeigt, dass die Vorschläge schier unmöglich umzusetzen sind. ({15}) Zum Teil handelt es sich durchaus um richtige Forderungen; aber es wird an der falschen Stelle angedockt. Zum Beispiel fällt die Förderung der nichtkommerziellen Pharmaforschung tatsächlich in den Aufgabenbereich des BMAS und eben nicht in den des Gesundheitsministeriums. Auch die Beseitigung des Investitionsstaus bei den Krankenhäusern ist eine wichtige und richtige Forderung. Das ist aber eindeutig nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundes anzusiedeln, sondern im Zuständigkeitsbereich der Länder. Deshalb lehnen wir diese Änderungsanträge ab - wie wir den Haushalt des Gesundheitsministeriums insgesamt ablehnen. Vielen Dank. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ({0})

Daniel Bahr (Minister:in)

Politiker ID: 11003495

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich bedanken bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, des Bundesministeriums für Gesundheit, für die sehr konstruktiven, fachlich fundierten, sachlich geführten Haushaltsberatungen, die, glaube ich, zu einem sehr guten Ergebnis geführt haben. Der Etat des Bundesministeriums für Gesundheit ist in seinem Kernbereich der kleinste Etat. Durch den Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung wird er dann doch zu einem der größeren Etats im Bundeshaushalt. Dieser Haushalt leistet heute für den nächsten Bundeshaushalt den größten Sparbeitrag aller Einzeletats. Das ist ein klares Zeichen, dass auch das Bundesministerium für Gesundheit einen Beitrag dazu leisten will, dass wir endlich aus der Verschuldung herauskommen. Auch das Bundesministerium für Gesundheit möchte einen Beitrag dazu leisten, dass wir das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts erreichen. Das Ziel ist, dass die Politik mit dem Geld, das die Bürgerinnen und Bürger ihr zur Verfügung stellen, auskommt. Ich glaube, dass das kein schlechtes Signal ist. Deswegen kann ich die Kritik der Opposition nicht verstehen. Ich glaube, dass es Lob verdient, ({0}) dass das Bundesministerium für Gesundheit durch eine Kraftanstrengung in seinem Etat dazu beiträgt, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern endlich einen Haushalt vorlegen können, der zeigt, dass Politikerinnen und Politiker mit dem Geld, das die Bürgerinnen und Bürger ihnen zur Verfügung stellen, auch wirklich auskommen und Nachhaltigkeit eben keine Floskel ist. ({1}) Wissen Sie, Herr Lauterbach, als ich Sie eben gehört habe, da wurde mir deutlich, dass in dieser Legislaturperiode nicht nur die Regierung durch die FDP besser geworden ist, sondern dass in der letzten Legislaturperiode auch die Opposition besser war. ({2}) Bei Ihrer Rede hatte ich den Eindruck: Sie finden gar keinen richtigen Ansatzpunkt. Schauen wir uns einmal an, wo wir zur Beginn der Legislaturperiode standen: Die Defizite, die damals drohten, waren die größten in der Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung. Frau Dörner und Herr Leutert, Sie haben der Regierung von Schwarz-Gelb heute erneut vorgeworfen, die bürgerlich-liberale Politik sei unsozial. ({3}) Damals, in der Situation dieser drohenden Defizite, hat die christlich-liberale Koalition entschieden, dass diese Defizite nicht dadurch vermieden werden, dass Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen werden oder bei der Vergütung der Ärztinnen und Ärzte gekürzt wird oder bei den Krankenhäusern oder bei der Pflege gestrichen wird oder wenigstens eine Nullrunde stattfindet. Zwar wurden die Zuwächse im ambulanten Bereich, im Krankenhausbereich, begrenzt; aber trotz größter Defizite konnten sich die im Gesundheitssystem Beschäftigten über Zuwächse freuen. ({4}) Das war ein Stabilitätssignal für alle Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, und damit auch ein Beitrag, um Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Dann wird von den Überschüssen gesprochen, die wir heute haben. Ich hatte letztens anlässlich eines Jubiläums die Gelegenheit, mit ehemaligen Gesundheitsministerinnen - in der Regel bekleiden ja Frauen das Amt - zu diskutieren. Da sagten die Frauen zu mir, sie beneideten mich, weil es die Situation, dass ein Gesundheitsminister Überschüsse verteidigen muss, in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben habe. Ich glaube, bei dieser kleinteiligen Kritik, die Sie eben geäußert haben, ({5}) sind Sie in Wahrheit doch neidisch, dass wir diese Situation haben. ({6}) Es stimmt doch nicht, dass das nur am Beitragssatz und an der Konjunktur liegt. Natürlich hat die gute Konjunktur einen wichtigen Beitrag dazu geleistet; das verhehlt hier doch niemand. Aber offenbar hat diese Regierung eine Politik betrieben, dass sich diese gute Konjunktur entfalten konnte. Das scheint ja auch Politik dieser Bundesregierung gewesen zu sein. ({7}) Lassen Sie uns doch einmal schauen, wie wir diese Überschüsse erreicht haben. Diese Regierung hat das ehrgeizigste Arzneimittelsparpaket auf den Weg gebracht, das überhaupt eine Regierung in Deutschland in der Gesundheitspolitik gemacht hat. ({8}) Im Bereich der Arzneimittelausgaben sparen wir jedes Jahr bis zu 2 Milliarden Euro ein. Wir haben den Paradigmenwechsel vollzogen, dass der Hersteller eben nicht mehr den Preis eines Arzneimittels festlegt und die Kasse ihn bezahlen muss, sondern dass jetzt jedes neue Arzneimittel beweisen muss, dass es besser ist als die Arzneimittel, die es schon gibt, und dass dann freie Preisverhandlungen mit den Krankenkassen zu führen sind. Das ist im Interesse der Beitragszahler und im Interesse der Patienten und sorgt dafür, dass wir mit begrenzten Beitragsgeldern auch wirklich effizient umgehen. Deswegen ist das ein wichtiger Beitrag der Regierung zur finanziellen Stabilität. Die Opposition spricht immer von der Kopfpauschale. Dann muss ich Ihnen einmal etwas erklären: In dieser Legislaturperiode ist auf Antrag der FDP von der Koalition beschlossen worden, die Kopfpauschale beim Arztbesuch abzuschaffen. Sie ist von einer SPD-Gesundheitsministerin eingeführt worden. Die 10 Euro „Mautgebühr“, wenn man in das Wartezimmer einer Arztpraxis kam, waren doch nichts anderes als eine Kopfpauschale. Egal wie viel jemand verdiente, unabhängig vom Gesundheitszustand und unabhängig von seinen sozialen Verhältnissen musste er in der Arztpraxis 10 Euro zahlen. Das ist eine Kopfpauschale, die Sie eingeführt haben und die wir abgeschafft haben. ({9}) Wir sollten die gute finanzielle Lage, die wir durch unsere Politik geschaffen haben, beibehalten, sollten aber auch immer die Gesamtverantwortung für den Bundeshaushalt sehen. In dieser schwierigen Zeit, wo wir alle einen Beitrag leisten wollen, um schnell zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, setzen wir Prioritäten. Wir geben mehr Geld für die Öffentlichkeitsarbeit für die Organspende aus. Herr Kollege Karl hat recht: Schlechte Politik muss man mit mehr Öffentlichkeitsarbeit erklären. Gute Politik erklärt sich von selbst. Aber im Bereich der Organspende ist es nötig, dass wir mehr Geld zur Verfügung stellen. Denn wir alle haben gemeinsam entschieden - das ist ein starkes Signal an die Bevölkerung -, die Menschen über die gesetzlichen und die privaten Krankenversicherungen anzuschreiben und sie aufzufordern, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen. Deswegen ist es wichtig, erst recht aufgrund einzelner Fälle, die uns alle beschäftigt haben, jetzt mit einer breitangelegten Öffentlichkeitskampagne die Bürgerinnen und Bürger aufzuklären. Das wird in diesem Haushalt nachgearbeitet. Hierfür stellen wir zusätzliches Geld zur Verfügung. Wir stellen auch zusätzliches Geld zur Verfügung, um die gesetzliche Aufgabe zu erfüllen, größere Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten. Beim Paul-EhrlichInstitut und beim Bundesinstitut für Arzneimittel werden zusätzliche Stellen geschaffen. Vielen Dank für die sehr konstruktiven parteiübergreifenden Beratungen im Haushaltsausschuss, die das möglich gemacht haben, damit wir im Sinne der Patienten dem gesetzlichen Auftrag, eine bessere Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, nachkommen können. ({10}) Nun möchte ich einen letzten Punkt nennen. Ja, der Zuschuss wird gekürzt. Aber wenn Sie sich einmal die Geschichte des Zuschusses anschauen, werden Sie sehen, dass er immer wieder infrage gestellt wurde, weil er unbestimmt ist. So wie er von Rot-Grün seinerzeit eingeführt wurde, war nie klar, wofür die Steuermittel eigentlich sind. Deswegen macht er sich angreifbar. ({11}) - Frau Bender, der Zuschuss ist, wenn ich das richtig sehe, 2004 mit 1 Milliarde Euro eingeführt worden. 2006 gab es 4,2 Milliarden Euro. Unter rot-grüner Regierung ist er auf 2,5 Milliarden zurückgeführt worden. Das heißt, Sie haben den Zuschuss genauso gekürzt, obwohl Sie ihn eingeführt haben. Wenn ich eine pauschale Abgeltung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben vornehme, kann ich denn dann gegenüber der jungen Generation rechtfertigen, dass über 20 Milliarden Euro Rücklagen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und des Gesundheitsfonds sind? ({12}) Dass diese Kritik ausgerechnet von den Grünen kommt, ist schon verwunderlich. Können Sie, liebe Politikerinnen und Politiker der Grünen, der jungen Generation erklären, dass wir heute Schulden zu ihren Lasten machen sollen, obwohl wir das gar nicht müssten, weil wir das Geld, das im Gesundheitsfonds überschüssig ist, zurückgeben können? ({13}) Ich glaube, mit einem gewissen Augenmaß kann man diese Entscheidung vertreten, weil sie im Interesse der jungen Generation und eines ausgeglichenen Haushalts ist. Ich finde, dem kann sich die Gesundheitspolitik mit diesem begrenzten Beitrag auch nicht entziehen. Wir als Gesundheitspolitiker dürfen nicht nur auf unseren Bereich schauen, sondern wir haben auch eine Gesamtverantwortung für die Politik in Deutschland. Deswegen ist es, glaube ich, vertretbar, den Zuschuss begrenzt zu reduzieren, um einen Gesamtbeitrag dafür zu leisten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Ewald Schurer. ({0})

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal habe ich einen Beitrag zu dem Versuch, positive Stimmung zu erzeugen, zu leisten: Ich bedanke mich beim Ministerium und bei den Kollegen im Haushaltsausschuss nochmals für das konstruktive Miteinander. Das darf man in der Haushaltsdebatte ja sagen. Damit komme ich aber schon dazu, zu sagen: Ich wundere mich. Erster Punkt. Ich bin Haushälter. Zwar bin ich nicht der erste Fachpolitiker auf diesem Gebiet, aber ich verstehe, wenn die Kollegin der FDP hier in Bezug auf die Prävention sagt, dass man rausgehen und aufklären muss. Aufklärung ist zwar notwendig, aber sie ist nur ein Stüfchen, also nicht einmal eine Stufe, auf dem Weg zu einer umfassenden, ganzheitlichen Präventionsstrategie. Eine solche haben Sie nicht vorgelegt und bringen Sie auch nicht auf die Reihe. Das ist eine ganz klare Sache. ({0}) Hier dieses Stüfchen zu gehen und zu sagen: „Wir gehen raus und klären in Betrieben und Schulen auf“, ist schön, aber bei weitem kein Ersatz für eine Präventionsstrategie. Hier haben Sie vollkommen versagt. ({1}) - Auch durch Schreien wird die Prävention nicht verbessert. Zweiter Punkt. Sie tun hier immer so, als ob Sie im luftleeren Raum gelebt hätten. 2008 kam es zu einer brutalen Wirtschafts- und Finanzkrise, während der auch in Deutschland die Wertschöpfung um 5 Prozent eingebrochen ist. Deswegen gab es damals in allen Sozialkassen, auch in der Gesundheitskasse, brutale Einbrüche. Wir haben dann für eine sozialdemokratische Variante gesorgt - das war wichtig für Sie, weil bei uns entsprechende Kompetenz vorhanden ist - und antizyklisch agiert, indem wir in der Krise Konjunkturprogramme aufgelegt und Milliarden ausgegeben haben, da wir wussten: Jede Milliarde induziert eine siebenfache private Wertschöpfung und damit Arbeitsplätze. Allein deswegen kamen wir so schnell aus dieser Wirtschaftskrise. Das ist die Wahrheit! ({2}) Dass wir dadurch auch in der GKV wieder Mehreinnahmen hatten, hat uns den Hintern gerettet. Bleiben Sie einmal ehrlich! Erst dann kann man seriös reden. Die Krise war brutal. 2009 haben Sie die Regierung übernommen. Infolge des ökonomischen Kahlschlags durch die Pleite von Lehman Brothers und die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise waren die Kassen leer. Es gab dann einen Herrn Rösler, Herr Bahr, der noch 2009 hier im Hause gesagt hat: Wir stehen vor einem Milliardengrab GKV. Seine Prognose war, dass wir 11 bis 20 Milliarden Euro Miese machen werden, ({3}) nicht verstehend, dass uns die sozialdemokratische Variante der Krisenbewältigung, zum Beispiel das Managen der Krise durch verlängerte Zahlung des Kurzarbeitergelds, wodurch wir Hunderttausende von Arbeitsplätzen in vielen Branchen gerettet haben, und die Bereitstellung von Konjunkturmitteln in Höhe von insgesamt 20 Milliarden Euro nach vorne gebracht hat. ({4}) Das sollten Sie anerkennen. Dafür müssen Sie uns danken, weil das die Sozialkassen wieder gefüllt hat. Das ist ökonomische Logik. ({5}) Ich muss Ihnen auch sagen, dass Herr Rösler damals wie heute viele Dinge bei seiner politischen Analyse falsch eingeschätzt hat und einschätzt. ({6}) - Sehr geehrter Herr Minister Bahr, ich buhle um Ihre Aufmerksamkeit. Wenn Sie erlauben, will ich versuchen, Ihnen eine Antwort zu geben. Für mich ist das ein systemwidriger Denkfehler: Sie reden über den Sparbeitrag beim Gesundheitsfonds. Erst einmal geht es um 2 Milliarden Euro, und jetzt kommen noch einmal 500 Millionen Euro, eine halbe Milliarde, hinzu. Dabei vergessen Sie, dass die Praxisgebühr, die wir ja gemeinsam abschaffen wollen, auch noch einmal 2 Milliarden Euro ausmacht. Was Sie jetzt nicht verstehen oder nicht verstehen wollen: Der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds wird für die versicherungsfremden Leistungen der GKV gegeben, sprich: für die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben. ({7}) Das ist also familienpolitisch motiviert. Wenn Sie jetzt einfach sagen: „Wir kürzen den Zuschuss an den Gesundheitsfonds noch einmal um eine halbe Milliarde Euro“, und die 2 Milliarden Euro Mindereinnahmen durch Abschaffung der Praxisgebühr nicht einrechnen, dann schaffen Sie schlechte strukturelle Voraussetzungen für die Zeit, wo die Konjunkturlokomotive nicht mehr so gut laufen wird. Wir haben im Zuge der europäischen krisenhaften Erscheinungen bereits jetzt - das wissen Sie - leider erste kleine Einbrüche zu verzeichnen, die wir alle nicht wollen. Insofern sind Sie kein guter Hüter der zukünftigen Möglichkeiten für die GKV. Sie widersprechen sich in diesem Punkte selbst. ({8}) Ich nenne Ihnen einen weiteren Aspekt. Ich habe mich immer gefragt, nach welcher inneren Logik Sie von der FDP - das sage ich bei aller persönlichen Wertschätzung - versuchen, Politik zu formulieren. Klar, wir haben völlig unterschiedliche Entwürfe. Wir Sozialdemokraten und die Freundinnen und Freunde der Grünen - da bin ich zumindest bisher guten Glaubens - wollen in Richtung einer solidarischen Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege gehen. Ich bin überzeugt: Wir ha25210 ben ab dem nächsten September die Chance, diese Idee mit Leben zu erfüllen. ({9}) Ihr Entwurf ist stringent anders. Man kann Ihnen nicht unterstellen, dass Sie gar keine Solidarität wollen, aber Sie wollen so wenig wie möglich und so viel Privatisierung wie möglich in diesem Bereich, wie das der Kollege Lauterbach herausgearbeitet hat. ({10}) Der Bereich, in dem es um das Gut „Gesundheit und Fürsorge für die Menschen“ geht, dieser solidarische Bereich, wird bei Ihnen kleingeschrieben. Ich sage Ihnen: Ich habe Ihre Logik nicht gefunden. Die einzige Logik, die ich entdecken konnte: Die Aufstockung um 6 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Umsetzung des Transplantationsgesetzes war das einzig Positive, was Sie gemacht haben. Darum ist die FDP nicht herumgekommen; aufgrund der manifesten gesellschaftlichen Vorfälle mussten Sie reagieren. Ansonsten war bei Ihnen nur eines stringent: Sie haben alle Programme mit Modellcharakter, die unter Ulla Schmidt entstanden sind, in den letzten Jahren geschleift oder eingestellt. ({11}) Hinter den Programmen stehen aber die Versuche, neue Wege von Prävention und Gesundheitspolitik auf eine intelligente Art und Weise zu formulieren, um sie später in das System zu implementieren. Das haben Sie nicht verstanden. Sie haben es folgendermaßen gesehen: Das, was die Vorgängerregierung gemacht hat, ist des Teufels; das müssen wir alles beseitigen. ({12}) Ich halte das für schlecht. Ein letzter Punkt. Sie kamen immer mit dem Spruch daher: mehr Netto vom Brutto. Sie haben damals die GKV-Beiträge erhöht. Ich sage: weniger Netto vom Brutto. Sie haben mit Ihrem Pflegekonzept einseitig die Versicherten belastet. Ich sage: wieder weniger Netto vom Brutto. Wo ist die Einlösung Ihrer Wahlversprechen? Mittlerweile müssen auch die Versicherten in der privaten Krankenversicherung feststellen, dass die Beiträge gewaltig steigen. Ich sage: wiederum weniger Netto vom Brutto. ({13}) Ich verstehe, was Sie damals gesagt haben, merke aber, dass Sie in der GKV und im Gesundheitswesen allgemein anders gehandelt haben als zugesagt. Ihre Lösungen waren nicht durchdacht und ökonomisch nicht nachvollziehbar. Ich muss noch dazusagen: Die Zusatzbeiträge, Herr Minister, gibt es immer noch. Das heißt für mich wiederum: weniger Netto vom Brutto, wenn die Kassen im Ernstfall Zusatzbeiträge verlangen müssen. Oder habe ich es falsch verstanden? Vielleicht haben Sie damals gemeint: mehr Brutto vom Netto. Es könnte ja sein, dass das von Ihnen falsch formuliert wurde. Ich stelle fest: Ob Pflege, ob Patientenrechte oder Prävention - alle Großaufgaben der künftigen Gesundheitspolitik sind von Ihnen nicht erledigt worden. Da kann man nur noch auf eine Nachfolgeregierung hoffen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und schaue freudig Richtung Grün und Rot, weil ich überzeugt bin: Es wird ab dem nächsten Herbst ein neuer Wind wehen. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Rolf Koschorrek. ({0})

Dr. Rolf Koschorrek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003791, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es freut mich ganz besonders, heute wieder einmal den Kollegen Lauterbach in unseren Reihen begrüßen zu dürfen. Das war in der letzten Zeit, vor allen Dingen im Ausschuss, eher selten möglich. Damit hängt vielleicht zusammen, dass die Wahrnehmung unserer Politik aufseiten der SPD und des Redners nicht ganz den Realitäten entspricht. Das, was Sie geschildert haben, und die Szenarien, die Sie eben entworfen haben, haben mit der politischen Wirklichkeit, gerade in der Gesundheitspolitik, und der Situation der gesetzlichen Krankenversicherung schlicht und ergreifend gar nichts zu tun. ({0}) - Das kann man in den Protokollen nachlesen. Die Gesundheitsausgaben pro Einwohner lagen 1995 in der Bundesrepublik Deutschland bei 2 290 Euro. ({1}) Im Jahre 2010 waren sie bereits auf 3 500 Euro gestiegen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt stiegen sie also seit 1995 von 10,1 auf 11,6 Prozent. Europa gibt weniger Geld für Gesundheit aus Staaten fahren in der Krise ihre Budgets zurück. Nicht so Deutschland So lautete gestern die Schlagzeile einer sehr großen Tageszeitung, die über die aktuelle OECD-Studie berichtete. ({2}) Während die Gesundheitsausgaben in der Mehrzahl der europäischen Länder im Jahr 2010 deutlich sanken, blieben sie bei uns nicht nur konstant, sondern wir haben sie insgesamt um nahezu 2,7 Prozent gesteigert. Das deutsche Gesundheitssystem steht im internationalen Vergleich außerordentlich gut da. Wir haben mit unseren gesundheitspolitischen Entscheidungen die Basis dafür geschaffen, dass die medizinische Versorgung in unserem Land auch im Zuge der demografischen Veränderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte eine der besten der Welt bleiben wird. ({3}) Das Gesundheitssystem steht heute so gut da wie noch nie zuvor, und wir haben dafür gesorgt, dass es gut gerüstet ist, um die hohen und besonderen Anforderungen der älter werdenden Gesellschaft, die mit einer Zunahme an älteren und natürlich auch multimorbiden Patienten verbunden ist, zu erfüllen. Die Tatsache, dass sich unser Gesundheitswesen nach drei Jahren christlichliberaler Gesundheitspolitik in so guter Verfassung befindet wie kaum jemals zuvor, ist ein Ergebnis kluger, guter und eben auch weitsichtiger Politik. ({4}) Die finanziellen Überschüsse sind ohne Zweifel ein glücklicher und erfreulicher Zustand, um den uns extrem viele beneiden. Aber die Überschüsse sind bei weitem weder purer Glücksfall noch Zufall. Denn sie sind aufgrund der erfolgreichen Arbeit unserer gesamten Wirtschaft und der daraus resultierenden guten Beschäftigungslage am Arbeitsmarkt in unserem Land entstanden. Die Rahmenbedingungen dafür allerdings zählen eindeutig zu den sichtbaren und unbestreitbaren Erfolgen dieser Bundesregierung. Wir sind aber auch Realisten und wissen, dass gravierende demografische Veränderungen auf uns zukommen. Wir wissen, dass die bislang erzielten Zuwachsraten nicht dauerhaft zu finanzieren sind und dass die derzeitigen finanziellen Reserven nicht auf Dauer bestehen werden. Wir denken weiter und stellen uns realistisch den voraussehbaren Entwicklungen und Problemen der älter werdenden Gesellschaft. Wir bereiten unser Gesundheitssystem darauf vor, dass immer weniger Erwerbstätige die medizinische Versorgung einer wachsenden Zahl von älteren und multimorbiden Patienten mit vielfachen gesundheitlichen Einschränkungen nicht nur finanziell, sondern auch im Alltag der medizinischen Versorgung praktisch zu bewerkstelligen haben werden. Wir stellen die Weichen dafür, dass in unserem Land auch künftig noch so, wie wir es gewohnt sind, flächendeckend eine gute medizinische Versorgung auf hohem Niveau vorhanden sein wird. Mit den neuen Arzneimittelgesetzen und dem Versorgungsstrukturgesetz haben wir Neuerungen eingeführt und umgesetzt, die dafür sorgen, dass die gewohnte, gute ärztliche Betreuung und Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Innovationen auch in Zukunft für alle, unabhängig von Alter, sozialem Status und Wohnort, verfügbar sein wird. Im Versorgungsstrukturgesetz haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass es für Ärzte auch wieder interessant wird, sich in ländlichen Regionen niederzulassen, und wir haben dafür gesorgt, dass die niedergelassenen Ärzte in ihren Praxen sich untereinander und mit den Krankenhäusern vor Ort wesentlich besser vernetzen und zusammenarbeiten können. Das ist gelebte Überwindung von Sektorengrenzen, die dringend geboten war ({5}) und auch für die Zukunft eine unserer größeren Aufgaben bleiben wird. ({6}) Die Kassenärztlichen Vereinigungen wie auch die Kommunen ziehen hier mit uns an einem Strang und nutzen die neuen gesetzlichen Vorgaben. Auch die grundlegende Reform der ärztlichen Bedarfsplanung, die der Gemeinsame Bundesausschuss als Teil der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens in unserem Auftrag erarbeitet, steht vor ihrem Abschluss, sodass die neue Richtlinie voraussichtlich fristgerecht zum Jahreswechsel in Kraft treten wird. Mit den neuen Regelungen für die Arzneimittelpreise haben wir nicht nur eine Dämpfung des kontinuierlichen Anstiegs der Arzneimittelkosten erreicht. Um sicherzustellen, dass neue Medikamente auch künftig zeitnah für die Patienten zur Verfügung stehen, haben wir festgelegt, dass neue Medikamente nur um so viel teurer sein dürfen, wie es ihrem verbesserten Nutzen gegenüber bereits vorhandenen Medikamenten entspricht. Wir haben den Herstellern deutlich gemacht, dass die Zeit von Fantasiepreisen auch in Deutschland vorbei ist, und haben in Verhandlungen und unter Einbeziehung der Selbstverwaltung, des Gemeinsamen Bundesausschusses, und unter fachlicher Beratung des IQWiG in der Arzneimittelbewertung und -preisfindung ein System geschaffen, das mit Einbeziehung aller Beteiligten sicherlich international seinesgleichen sucht und das wir auch hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen heute durchaus stolz betrachten können. ({7}) Zwischenzeitlich ist auch die erste Medikamentengruppe aus dem Bestandsmarkt in die frühe Nutzenbewertung gekommen. Das zeigt, dass wir bereit sind, in diesem Segment in dem einen oder anderen Fall eine Nutzenbewertung durchzuführen. Wir werden sicherlich nicht in der Lage sein, den gesamten Bestandsmarkt aufzurufen. Das ist einfach vom Aufwand her nicht möglich. Aber das bei einigen Produkten voranzubringen, ist sicherlich der richtige Weg. Das neue Pflegegesetz, das Patientenrechtegesetz und das Transplantationsgesetz sind weitere Bestandteile unserer Politik und Beispiele dafür, wie schon lange anstehende Probleme im Gesundheitswesen in Angriff zu nehmen und wie neue zukunftsfähige Regelungen auf den Weg zu bringen sind. Zur nachhaltigen Sicherung der leistungsfähigen finanziellen Basis unseres Gesundheitssystems, den Einnahmen der Krankenkassen, bauen wir nicht allein auf unsere gute Wirtschaftskraft und eine florierende Konjunktur. Deswegen haben wir schon 2011 die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen von den für uns als Exportnation so wichtigen Lohnkosten abgekoppelt und dies mit einer Stärkung des Wettbewerbs der gesetzlichen Krankenkassen untereinander verbunden. Die zentrale Forderung an ein zukunftssicheres Gesundheitswesen lautet: Alle Bürgerinnen und Bürger müssen Zugang zu einem bezahlbaren Versicherungsschutz haben, der alle medizinisch notwendigen Leistungen auf hohem Niveau erfasst, der aber auch innovationsoffen und zukunftsfest bleiben muss. ({8}) Dies ist nach unserer festen Überzeugung am besten zu gewährleisten, wenn wir eine Vielfalt von Krankenversicherungen im Markt haben, die miteinander in einem fairen Wettbewerb um Preis und Qualität stehen. Davon profitieren die Versicherten und Patienten, und in einem solchen System ist auch die für unser Gesundheitssystem so elementare freie Arztwahl und die freiberufliche Unabhängigkeit unserer Ärzte beizubehalten und in Zukunft eher auszubauen, als einzuschränken. Die Basis für den Wettbewerb der gesetzlichen Krankenversicherungen um die beste Versorgung der Patienten haben wir mit der Einführung des Gesundheitsfonds und der durch Steuermittel sozial abgefederten Zusatzbeiträge geschaffen. Damit ist zugleich sichergestellt, dass niemand durch seinen Kassenbeitrag finanziell überfordert wird. Alle Diskussionen und alle Stimmungsmache gegen die private Krankenversicherung, wozu die Opposition geradezu verbissen jeden vermeintlichen Anlass sucht, ändern nichts daran, dass sich das Nebeneinander von GKV und PKV über Jahrzehnte bewährt hat; ({9}) denn dieses System ist die Basis für unser Gesundheitssystem, das international eines der besten ist und um das uns viele Länder beneiden. ({10}) Gerade in Sachen Innovationsoffenheit spielt die PKV eine ganz entscheidende Rolle. ({11}) Dieses System gilt es aufrechtzuerhalten, indem wir es an die neuen Anforderungen anpassen. Dabei setzen wir, anders als die Opposition sich das vorstellt, ganz bewusst auf die Strukturen und Elemente, die sich bereits über viele gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Veränderungen in unserem Alltag hinaus erhalten und bewährt haben: die für unser Gesundheitssystem konstitutive Selbstverwaltung. Nur die Selbstverwaltung ist mit ihrer Kompetenz, ihrer direkten Beteiligung und ihrer Verantwortungsübernahme in der Lage, die Dinge wirklich zu regeln. Wir haben uns gesundheitspolitisch auf eine Rahmengesetzgebung beschränkt. Wir ziehen sehr deutlich Korsettstangen ein, aber innerhalb dieses Rahmens geben wir der Selbstverwaltung genügend Freiraum, diesen Rahmen mit fachlichem Know-how und Verhandlungskompetenz vernünftig auszufüllen. ({12}) Indem wir seitens der Politik den gesetzlichen Rahmen vorgeben, müssen die Gremien der Selbstverwaltung ihrer Aufgabe nachkommen, praxisnah über konkrete Regelungen, Leistungen und andere Dinge zu entscheiden. Wir wollen auch in Zukunft alle Veränderungen mit der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, in der Ärzte, Krankenhäuser und gesetzliche Krankenkassen organisiert sind, durchführen und die ärztliche Diagnose- und Therapiefreiheit ebenso wie die freie Arztwahl des Patienten erhalten. Wir sorgen mit unserer Gesundheitspolitik weiter dafür, dass die Patienten die bestmögliche Versorgung erhalten, und wir werden die Einheitsversicherung der Opposition, ohne belebenden Wettbewerb um medizinische Qualität und ohne effektives Wirtschaften, nicht zulassen. Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Dr. Martina Bunge von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Martina Bunge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003743, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ein Positivum hat das Vorgelegte: Für absehbare Zeit wird das der letzte Haushalt sein, den Schwarz-Gelb vorlegt, und das ist auch gut so. ({0}) Kaum etwas Richtungsweisendes oder Zukunftsweisendes findet sich in diesem Einzelplan 15. Für Sie ist das Gesundheitssystem in erster Linie ein Wirtschaftsfaktor, ein Arbeitsmarkt bzw. ein Sektor, der zur Erhöhung des Bruttosozialprodukts beiträgt. Nur so wird verständlich, dass Schwarz-Gelb so wenig Interesse an der Gesundheit der Menschen hat. Wenn die Gesundheit der Menschen Ihnen wirklich wichtig wäre, hätten Sie längst viel mehr Geld für nichtmedizinische Primärprävention und Gesundheitsförderung eingestellt. Kollegin Aschenberg-Dugnus, ich kann da ebenfalls nur ergänzen: Prävention geht nicht nur durch den Kopf und über Wissen, sondern Prävention muss da ankommen, wo die Lebenswelten sind. ({1}) Sie muss auch diejenigen erreichen, in deren Köpfen es noch nicht drin ist. ({2}) Stattdessen lassen Sie das Kinder-Gesundheitsprogramm einfach sang- und klanglos auslaufen. ({3}) Alle in der Gesundheitsförderung Engagierten wissen - sie sagen es Ihnen auch -: Das Problem ist, dass es an Verstetigung der Mittel und Verbreitung guter Projekte fehlt. ({4}) Gesundheitsförderung und Prävention sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb muss der Bund mit tätig werden. Daher schlagen wir seit Jahren den Start eines Präventionsfonds mit einem Umfang von 1 Milliarde Euro vor. Statt in diese Richtung zu denken, greift der Finanzminister ungeniert in den Topf der Krankenversicherung, in den Gesundheitsfonds. Das Zugeständnis zur Abschaffung der Praxisgebühr - zum Jagen haben wir Sie da übrigens alle getragen ({5}) lässt er sich in sonntäglicher Koalitionsrunde vom FDPGesundheitsminister mit 2 Milliarden Euro zur Sanierung des Bundeshaushalts bezahlen. Für 2014 gibt es gleich noch einen Nachschlag von 500 Millionen Euro. Das ist ungeheuerlich; denn faktisch zahlen jetzt die Krankenversicherten Ihr unsägliches Betreuungsgeld. ({6}) Einmal mehr zeigt sich: Schwarz-Gelb hat die Gesundheitspolitik in die Hände des Finanzministers gegeben. Wenn Sie stattdessen, wo die Kassenlage jetzt so gut ist, ein neues Investitionsprogramm für Krankenhäuser aufgelegt hätten, wäre das Geld wenigstens im Ressort geblieben. Ich habe schon wieder die alte Leier gehört, das wäre Ländersache und ginge ordnungspolitisch nicht. Der Prototyp und Beweis dafür, dass das Wirkung zeigt, war der Art. 14 des Gesundheitsstrukturgesetzes, wodurch die neuen Bundesländer mit Unterstützung des Bundes den Nachholbedarf bei den Krankenhausinvestitionen abbauen konnten. Jeder Finanzminister der Länder hat für die Kofinanzierung gesorgt und das gern getan. ({7}) Warum soll das, bitte schön, nicht auch heute beim Abbau des Investitionsstaus, der in der gesamten Krankenhauslandschaft über 50 Milliarden Euro beträgt, funktionieren? Ich frage Sie: Warum nicht? ({8}) Unser diesbezüglicher Antrag auf Beteiligung des Bundes mit 2,5 Milliarden Euro liegt Ihnen heute vor. So wäre das ganze Problem in zehn Jahren erledigt. Auch wenn für uns Gesundheitsförderung das Primat hat, um allen Menschen gleiche Chancen zu ermöglichen, wollen wir natürlich auch, dass allen Menschen bei Krankheit geholfen wird. Arzneimittel können das bewirken oder zumindest ihren Anteil dazu leisten. Wer aber Arzneimittel allein einem profitorientierten Markt überlässt, riskiert, dass Krankheiten, die selten oder nicht profitabel sind, nicht beforscht werden. Er riskiert auch, dass Wechsel- und Nebenwirkungen verschwiegen werden, es also zu einer schlechteren Versorgung kommt. Hier muss auch der Staat Verantwortung übernehmen; deshalb unser Antrag zur pharmaunabhängigen Forschung. Das wäre richtungsweisend für eine sozial gerechte Gesundheitspolitik. ({9}) Dieser Haushalt und das Agieren von Finanz- und Gesundheitsminister im Koalitionsgeschacher zeigen, wie wichtig es ist, eine stabile, zukunftssichere, ausreichende Finanzierungsgrundlage durch ein beitragsgestütztes Umlagesystem in der Krankenversicherung zu bekommen. Sie wissen, dass unser bevorzugtes Modell eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung ist. Das ist sehr konsequent. Wir haben ein durchgerechnetes Konzept. Ich kann Sie nur einladen, uns gemeinsam an den Tisch zu setzen und das in Bälde umzusetzen. Ich danke Ihnen. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Elisabeth Scharfenberg das Wort.

Elisabeth Scharfenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003835, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Aschenberg-Dugnus, Sie haben die Organspendekampagne angesprochen. Daran möchte ich gerne anknüpfen. Ich möchte gleich den Finger in die Wunde legen. Seit Monaten erschüttern uns Meldungen über ungeheure Missstände in der Transplantationsmedizin. Es gab Vorfälle in der Uniklinik Göttingen, in der Uniklinik Regensburg und in der Uniklinik München. Genau diese Vorfälle gefährden die wichtigste Ressource, die wir beim Thema Organspende haben - und diese wichtigste Ressource ist das Vertrauen. ({0}) Wenn sich Menschen für eine Organspende nach ihrem Tod entscheiden, dann müssen sie auch darauf vertrauen können, dass es nicht nur gerecht, sondern auch mit rechten Dingen zugeht. Daran können wir zweifeln, wenn Wartelisten ohne größere Probleme manipuliert werden können. Daran können wir auch zweifeln, wenn der Aufklärungswille der DSO oder der Überwachungskommission bei der Bundesärztekammer eher überschaubar bleibt. Wir können daran zweifeln, wenn es zu einer Organentnahme kommt, obwohl nicht alle Hirntodprotokolle vorliegen. Das genau ist 2005 in der Uniklinik Düsseldorf geschehen. Das alles lässt das Vertrauen vieler Menschen in unser Transplantationssystem schwinden. Es ist doch nachvollziehbar, dass viele Menschen den Eindruck gewinnen, dass in diesem System vor allem getrickst und getäuscht wird. Insofern, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist es eine völlig falsche Botschaft, wenn der Bundesgesundheitsminister sagt, die Menschen mögen sich trotz dieser Skandale bitte nicht von der Bereitschaft zur Organspende abhalten lassen. Es würden sonst weiter Menschen sterben, die dringend auf ein Spenderorgan warten. ({1}) Damit gibt er die Verantwortung an die möglichen Spenderinnen und Spender, die durch ihre Spende Leben retten - oder eben nicht. Das genau ist der falsche Weg. ({2}) Nein, meine Damen und Herren, die Botschaft dieser Bundesregierung müsste vielmehr lauten, dass sie sich nun mit aller Kraft für ein gerechtes, für ein unabhängiges und vor allem für ein transparentes Organspendesystem einsetzt. ({3}) Hier passiert aber im Moment leider nichts. Kosmetische Alibimaßnahmen dieser Koalition beheben die Missstände eben nicht. Was wir hören, ist: Bloß keine staatliche Kontrolle! Bloß die ärztliche Klientel nicht verärgern! ({4}) Ein bisschen am System herumdoktern wollen Sie; aber am liebsten wollen Sie eigentlich alles so lassen, wie es ist. ({5}) Nein, diese Koalition ist nicht bereit, das deutsche Organspendesystem komplett auf den Prüfstand zu stellen. Das ist aber notwendig. Jetzt muss alles offen und ehrlich auf den Tisch - jetzt endlich! ({6}) Ja, es ist richtig: Die gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprecher sowie die zuständigen Fachabgeordneten treffen sich regelmäßig mit Vertretern des Gesundheitsministeriums. Ja, es ist gut, zu versuchen, fraktionsübergreifend zu agieren. ({7}) Aber es ist jetzt endlich an der Zeit, dass auch Taten folgen. Uns alle haben doch die Vorfälle in Göttingen, in Regensburg und in München erschüttert. ({8}) Was wir daraus lernen, ist, dass die Koordinierungs- und Kontrollstrukturen im deutschen Organspendesystem offenbar unzureichend sind. Hier müssen wir doch endlich die Konsequenzen ziehen. Deswegen müssen wir die Koordination der Organtransplantation sowie die Aufsicht über die beteiligten Einrichtungen in die Hände einer juristischen Person öffentlichen Rechts legen. Außerdem müssen wir alle Einrichtungen, die an der Organspende beteiligt sind, verpflichten, schon beim bloßen Verdacht eines Rechtsverstoßes die zuständigen Behörden zu informieren. Die aufgetretenen Skandale zeigen uns auch, dass wir uns die bestehenden Regeln, nach denen Organe zugeteilt werden, genau anschauen sollten. Dazu sollte eine unabhängige Bewertung in die Wege geleitet werden. Immer mehr Spenderorgane werden in dem sogenannten beschleunigten Verfahren an den Wartelisten vorbei vergeben. Wir müssen genau nachvollziehen können, wo und warum das so geschieht. Nur so können wir auch hier Manipulationen verhindern. Deshalb brauchen wir auch ein anonymisiertes Transplantationsregister. ({9}) Meine Damen und Herren, wir haben als grüne Bundestagsfraktion die genannten Forderungen in Form eines Antrags eingebracht. Diesen Antrag sehen wir ganz klar als Einladung an Sie, nun endlich konkret mit uns gemeinsam an einer Problemlösung zu arbeiten. ({10}) Der Bundestag hat im Sommer dieses Jahres mit großer Mehrheit die Entscheidungslösung auf den Weg gebracht. Verbunden damit ist doch der Wunsch, dass die Menschen sich mit dem schwierigen Thema der Organspende beschäftigen. Wenn Sie das wirklich ernst meinen, dann haben Sie auch die Verpflichtung, sich offen und ehrlich mit dem enormen Reformbedarf zu befassen. Ich denke, es ist wichtig, hier das verlorene Vertrauen wieder einzufangen. Es reicht nicht, nur Mittel für OrElisabeth Scharfenberg ganspendekampagnen im Haushalt einzustellen und Organspendeausweise zu verteilen. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Scharfenberg, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage zum Abschluss?

Elisabeth Scharfenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003835, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Otto Fricke.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, unabhängig von der Tatsache, dass Sie mit Ihrer Rede, die zum Glück außerhalb der Fernsehzeit stattfindet, gerade dieses Vertrauen, das wir alle langsam wieder aufzubauen versuchen, wieder zerstören, ({0}) frage ich, da wir uns ja in einer Haushaltsdebatte befinden: Erstens, welche Anträge haben Sie gestellt, um hier etwas zu verändern? Zweitens, was ist an der gegenwärtigen Haushaltsvorlage in dem von Ihnen beschriebenen Bereich falsch?

Elisabeth Scharfenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003835, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben uns alle gemeinsam in diesem Sommer für die Entscheidungslösung entschieden, weil wir der festen Überzeugung waren, dass eine breite Mehrheit ein gutes Zeichen ist, die Menschen zur Organspende zu bewegen. ({0}) Wir haben aber schon weit vorher mitbekommen, dass es leider Probleme bzw. Unregelmäßigkeiten bei der DSO gibt. ({1}) Wir haben damals versucht, das im Gesetz zu regeln. Das war nicht möglich. ({2}) Ich denke, es reicht im Moment nicht mehr aus, gemeinsame Gespräche zu führen. Wir erkennen die Unregelmäßigkeiten, wir sehen, wo es Probleme gibt. Wir sehen doch an den Umfragen, wie die Spendenbereitschaft der Menschen zurückgeht. ({3}) Das Vertrauen ist letztendlich verspielt. Wir müssen dieses Problem endlich mit offenem Visier anpacken, sonst ist jeder Euro, der hier investiert wird, ein Euro zu viel. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Redezeit ist zu Ende, Herr Spahn. Die letzte Frage wurde schon nach Beendigung der Redezeit gestellt. Nächste Rednerin ist die Kollegin Maria Michalk von der CDU/CSU-Fraktion.

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist geeignet, in einer separaten Debatte unter dem Aspekt des Vertrauens behandelt zu werden. Ich kehre jetzt zum Tagesordnungspunkt zurück. ({0}) Wir reden heute zum Haushalt. Auch aus den Reden der Opposition habe ich es mehr oder weniger, auch wenn es manchmal versteckt zwischen den Zeilen war, herausgehört, dass niemanden in diesem Saal bestreitet, dass wir in Deutschland eine leistungsstarke medizinische Versorgung entwickelt und etabliert haben, um die uns viele Länder dieser Erde beneiden. Wir haben in der bürgerlichen Koalition zu allen Zeiten eine Politik gemacht, die die Herausforderungen unserer Zeit betrachtet und auf sie reagiert. Das betrifft die Einbeziehung des medizinisch-technischen Fortschritts, die demografische Entwicklung, wie schon gehört, die neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse und auch die finanziellen Rahmenbedingungen. Ob Politik zu allen Zeiten in unterschiedlicher Regierungsverantwortung immer die richtigen Rahmenbedingungen dafür gesetzt hat, darüber kann man wirklich unterschiedlicher Meinung sein, und wir sind es. Frau Bunge möchte, wie sie schon wieder betont hat, die Bürgerversicherung einführen. Das gilt ja auch für andere. ({1}) Wir halten diese zentralistischen Ansätze für falsch und setzen auf wettbewerbsrechtliche Elemente im Gesundheitswesen, die sich bewährt haben. ({2}) Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind im letzten Jahr, wie schon erwähnt, das Problem der drohenden ärztlichen Unterversorgung, die übrigens von Frau Gesundheitsministerin Schmidt viele Jahre ignoriert wurde, angegangen, wir haben die Abschottung der einzelnen Leistungsbereiche aufgehoben und die Gesundheitspolitik in die richtige Richtung gelenkt. Was will ich damit sagen? Wir betrachten in Zukunft die Re25216 gionen nach medizinischen Versorgungsmerkmalen in kleineren Einheiten und reagieren somit auf die Versorgungswirklichkeit vor Ort. Die entsprechende Umsetzung durch die Selbstverwaltung werden wir natürlich weiterhin kritisch begleiten. Noch ist nicht alles optimal, auch wenn die Krankenkassen zum Beispiel Beratungstelefone eingeführt haben, wo sich Versicherte mit Unterstützung der Krankenkassen um zeitnahe Termine bei den Ärzten bemühen können. Aber wenn keine Ärzte vor Ort sind, kann die Krankenkasse auch nicht helfen. Das ist ein Thema, an dem wir weiter arbeiten werden. Aber die Rahmenbedingungen für eine bessere medizinische Versorgung in der Fläche sind gegeben. Die Länder haben dabei eigene Maßnahmen entwickelt und Projekte gestartet, um zum Beispiel Medizinstudenten an die Region zu binden, indem sie das Studium finanzieren oder Niederlassungen durch zinsgünstige Darlehen unterstützen. Jedenfalls sind die Stimuli größer geworden, um Menschen, die medizinisch tätig sind, auch in die Regionen zu bringen, die nicht so attraktiv sind, wie manche meinen. ({3}) Wenn in der Fläche in strukturbenachteiligten Regionen keine Fachärzte mehr praktizieren, dann wird es schwierig. In diesem Zusammenhang will ich noch einmal auf das Thema der integrierten Versorgung zu sprechen kommen. Es war richtig, dass die Bundesregierung und die Koalition hier im Bundestag der integrierten Versorgung einen höheren Stellenwert gegeben haben. Damit haben wir ein Instrument entwickelt, das meines Erachtens in Zukunft auch unter dem Aspekt der Abschaffung der Praxisgebühr eine größere Rolle spielen wird und mit dem die Lotsenfunktion des Arztes unterstützt werden kann. Mit der Förderung sektorübergreifender, interdisziplinär-fachübergreifender Versorgung über die verschiedenen Leistungssektoren hinweg haben wir den Ball in die richtige Richtung gelenkt. Die Anschubfinanzierung ist zum Ende des Jahres 2008 ausgelaufen, weil sie zum einen nicht zu der seit 2009 geltenden neuen Vergütungsstruktur der vertragsärztlichen Versorgung passt und weil sich zum anderen Integrationsprojekte nach einer gewissen Zeit selber tragen sollten. Manche Blütenträume wurden geweckt, und manche Projekte wurden gestartet, die es heute nicht mehr gibt. Trotzdem ist das Instrument der integrierten Versorgung richtig; denn damit können die Schnittstellenprobleme bei der Versorgung besser gelöst werden, können Substitutionsmöglichkeiten über verschiedene Leistungssektoren hinweg genutzt werden, kann die Qualitätssicherung optimiert werden und können natürlich Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben werden. Dass dabei der Aufbau bzw. die Einbeziehung der Telemedizin eine weitere große Chance bedeutet, will ich nur am Rande erwähnen. Wir haben das Ganze im Versorgungsstrukturgesetz in den richtigen gesetzlichen Rahmen gesetzt. Wir appellieren an alle Beteiligten, dies jetzt durchzusetzen und die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser gesetzlichen Vervollkommnung zu ziehen. ({4}) Bei der integrierten Versorgung ist inzwischen auch der Kreis der potenziellen Vertragspartner der Krankenkassen erweitert worden. Die Krankenkassen können nun auch direkter mit Ärzten sowie mit Trägern von medizinischen Versorgungszentren und mit Trägern, die nicht Selbstversorger sind, zum Beispiel Managementgesellschaften, Verträge schließen. Auch Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI können in diese Versorgungsverträge einbezogen werden. Mit der letzten gesetzlichen Regelung haben wir überdies zugelassen, dass Pharmaunternehmen und Hersteller von Medizinprodukten Vertragspartner sein können. Auch hier haben wir also eine breitere wettbewerbliche Regelung geschaffen, die vor Ort gelebt werden muss. Die Festlegung der Vergütung der integrierten Versorgung liegt in den Händen der Vertragspartner selbst, bis hin zur Übernahme der Budgetverantwortung. Auch das ist ein Wettbewerbselement, das gelebt werden muss und von dem ich denke, dass es das richtige Instrument ist. So wie bei der integrierten Versorgungsform haben wir die Möglichkeiten der medizinischen Versorgungszentren optimiert, in denen auch wir eine Chance gerade für die ländlichen Regionen sehen. Gleichwohl hat sich bisher die Mehrzahl der insgesamt rund 1 730 MVZ in Kernstädten oder Ober- und Mittelzentren niedergelassen. Das kann man hinterfragen. Vorwiegend sind die Gründer nach wie vor Vertragsärzte und Krankenhäuser. Die am häufigsten beteiligten Facharztgruppen sind Hausärzte und Internisten. Meine Damen und Herren: Es funktioniert. Etwa 10 000 Ärzte sind in MVZ tätig, mehr als 8 000 davon im Anstellungsverhältnis. Das hilft besonders jungen Männern und Frauen, Familie und ihren Beruf als Arzt oder Ärztin zu vereinbaren. In unserer Gesellschaft - es ist mir wichtig, das zu sagen -, in der viele Menschen Gott sei Dank viel älter als ihre Mütter und Väter werden und trotz hohen Alters jung im Herzen bleiben, gehen wir leider oberflächlich davon aus, dass diese Entwicklung mit allgegenwärtiger und umfassender Fitness von jedem Mann und jeder Frau in jedem Alter gleichzusetzen ist. ({5}) Beides ist möglich: Junge sehen manchmal ganz schön alt aus - um es bildlich darzustellen -, Alte manchmal ganz schön jung. ({6}) Die Wahrheit ist, dass wir uns im Gesundheitswesen mehr und mehr auf Barrierefreiheit einstellen müssen; dies muss bei allen Um- und Ausbaumaßnahmen beachtet werden. Ich denke, dass bei heute 2,4 Millionen Pflegebedürftigen, die in zwei Dritteln der Fälle zu Hause betreut werden, eine große Leistung vollbracht wird, die wir - trotz einzelner Beispiele für negative Umgangsweisen hier einmal öffentlich erwähnen sollten. Unser Dank und unser hoher Respekt gelten den Pflegekräften und den pflegenden Angehörigen. ({7}) Sie bilden eine wichtige Basis unseres Gesundheitswesens. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir betrachten das zu Ende gehende Haushaltsjahr und sagen: Wir haben gut gewirtschaftet. Heute werden wir den Haushalt für diesen Bereich verabschieden. ({8}) Ich will in diesem Zusammenhang auf unser Motto hinweisen: Wer sich nur an den Bedürfnissen der Älteren orientiert, schließt die Jungen aus; wer sich nur an den Bedürfnissen der Jüngeren orientiert, schließt die Älteren aus. Deshalb ist es richtig, dass wir an unserem generationsübergreifenden Ansatz in der Gesundheitspolitik weiterhin festhalten. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Bärbel Bas das Wort. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004006, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man in den Haushalt schaut und sich Ihre Bilanz anhört, dann kann man eigentlich nur sagen: eine Bilanz ohne Glanz. ({0}) - Es tut mir leid. Schauen Sie einmal in Ihren eigenen Haushalt: Sie sparen dort, wo Sie eigentlich gestalten sollten, und Sie bedienen sich dort, wo Sie eigentlich haushalten sollten. Frau Aschenberg-Dugnus, Sie haben Herrn Lauterbach vorgeworfen, er würde in einem „Paralleluniversum“ leben. ({1}) In Ihrer Welt möchte ich aber auch nicht leben. Sie reden hier von einem Schwerpunkt im Bereich der gesundheitlichen Aufklärung der Bevölkerung, aber man kann deutlich sehen, dass Sie diesen Bereich seit drei Jahren austrocknen wollen: 2013 reduzieren Sie die Mittel wieder um 5 Prozent. ({2}) Deswegen weiß ich nicht, in welcher Parallelwelt Sie sich für gesundheitliche Aufklärung einsetzen - in meiner jedenfalls nicht. ({3}) Auf der anderen Seite scheinen Sie zu glauben, dass es ausreicht, wenn Sie über gesunden Lebenswandel und gesunde Arbeitsbedingungen aufklären, wenn Ihr Minister durch Betriebe läuft und ab und zu den Begriff der betrieblichen Gesundheitsförderung im Munde führt. Das scheint Ihnen auszureichen. Denn wir warten heute immer noch auf Ihre Präventionsstrategie; Sie haben sie bisher immer noch nicht abgeliefert. Wenn ich in Ihren Haushaltentwurf schaue, dann erkenne ich, dass dafür auch keine Mittel vorgesehen sind. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Strategie, die aufgrund Ihrer angeblich so tollen Regierungsarbeit, die Sie vor sich hertragen, oder aber durch Handauflegen zu einem Selbstläufer wird. Das wird aber nicht reichen; das kann ich Ihnen an dieser Stelle schon einmal prophezeien. Das Auslaufen der Mittel zur Förderung der Kindergesundheit, die Sie vorhin hervorgehoben haben, ist genauso falsch. Da standen mindestens 1 Million Euro bereit. Man kann vielleicht sagen: Das ist nicht ausreichend; das war zu wenig. - Aber mit dieser Million hätten Sie neue Akzente setzen können. Das tun Sie aber nicht, weil Sie keine Konzepte haben. ({4}) Es gibt in Ihrer Regierungszeit überhaupt nichts, was Sie in diesem Bereich erreichen wollen, geschweige denn irgendwelche Ziele, die Sie formulieren. Man kann an dieser Stelle festhalten, dass Sie bei der Prävention, auf einem der bedeutendsten gesundheitspolitischen Gestaltungsfelder, völlig blank sind, nichts vorlegen und seit drei Jahren komplett versagen. ({5}) Das erscheint aus Ihrer Sicht konsequent, weil Sie im Kerngeschäft der Gesundheitspolitik - das kann man an der Stelle sagen - völlig versagen. Denn anders ist es nicht zu erklären, wie Sie mit dem Gesundheitsfonds umgehen. Sie haben nämlich in vielerlei Hinsicht den Nachweis erbracht, dass Sie keine Ahnung haben, wie Sie mit diesem wichtigen Element des Gesundheitssystems umgehen wollen. In völliger Verkennung der Realität hat nämlich Ihr damaliger Gesundheitsminister Rösler bei Amtsantritt ein Milliardenloch bei den Krankenkassen herbeigeredet, wenn nicht sogar erfunden. ({6}) Der Herr Minister - und auch Herr Fricke heute Morgen; ich habe sehr wohl zugehört - wiederholt diese Erfindung permanent. Ich habe den Eindruck: Je mehr Zeit vergangen ist, desto größer wird die vermeintliche Lücke. ({7}) - Das sage ich Ihnen jetzt. - Schauen wir uns die Gesamtbilanz 2009 an - die Zahlen habe ich aus dem Gesundheitsministerium -: Die gesetzliche Krankenversicherung hatte mit einem Überschuss von 1,42 Milliarden Euro abgeschlossen. Ich möchte das Loch, das Sie meinen ausgegraben zu haben, wirklich einmal sehen. ({8}) - Ich sage Ihnen, woher das kommt, was sie heute hat: Minister Rösler hat sich an seinen Schreibtisch gesetzt. Man hat ihm die Krankenversicherung erklärt, dann hat er plötzlich eine Panikattacke bekommen und mal eben den Beitragssatz erhöht. Das war völlig unnötig. Sie haben die Finanzen völlig falsch eingeschätzt. ({9}) Die durchgeführten Konjunkturprogramme haben die Einnahmeseite deutlich erhöht. ({10}) Die Ausgabenseite haben Sie völlig falsch eingeschätzt. Von 2004 bis 2009 wurden Sparmaßnahmen durchgeführt, die in allen Bereichen durchaus schmerzhaft waren. Sie haben ein Defizit herbeigeredet, um Angst zu schüren, damit Sie die Beitragserhöhung durchziehen können. Das hat dazu geführt, dass jetzt die Versicherten, die eigentlich das Recht auf Beitragsrückerstattung hätten, herhalten müssen, damit Herr Schäuble seinen Haushalt sanieren kann. ({11}) 2 Milliarden Euro wurden bereits aus dem Fonds herausgenommen. Im nächsten Jahr werden es noch einmal 2,5 Milliarden Euro sein. Das macht 4,5 Milliarden Euro, die der Haushaltssanierung dienen. Am Ende zahlt das der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung und sonst niemand. ({12}) Wenn Sie mir nicht glauben, dann lesen Sie das Gutachten des Sachverständigenrates. Dort heißt es klar und deutlich: Den Steuerzuschuss für versicherungsfremde Leistungen zurückzufahren, ist der falsche Weg. Das entlastet zwar alle Steuerzahler; aber die GKV-Beitragszahler werden dadurch nicht stärker entlastet, weil sie das Ganze finanziert haben. Mit den Beiträgen finanzieren Sie Ihren politischen Kuhhandel. ({13}) Seien Sie doch so ehrlich und erklären Sie den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung, warum Sie im nächsten Jahr 2,5 Milliarden Euro und danach noch einmal 2 Milliarden Euro aus dem Fonds nehmen. Das machen Sie doch nur, um das Betreuungsgeld und die Autobahn in Bayern, die Sie ausbauen wollen, zu bezahlen und um Ihr Versagen bei der Deckung des Bundeshaushalts zu kaschieren. Diese Plünderung der sozialen Sicherungssysteme machen wir nicht mit. Deshalb werden wir Ihren Haushalt ablehnen. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich das Wort dem Kollegen Lothar Riebsamen von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Lothar Riebsamen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004135, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach den schwierigen Jahren zu Beginn dieser Legislaturperiode, als wir leider neue Schulden in einer Größenordnung von über 80 Milliarden Euro machen mussten, nach schwierigen Jahren auch in der gesetzlichen Krankenversicherung, als wir mit einem Defizit von 11 Milliarden Euro gerechnet haben, macht es Freude, sich mit diesem Haushalt auseinanderzusetzen. ({0}) Verehrter Herr Lauterbach, es greift deutlich zu kurz, wenn Sie die Erfolge dieser Regierung auf die Beitragssatzerhöhung reduzieren. Ich darf daran erinnern, dass wir exakt den gleichen Beitragssatz haben wie zu der Zeit, als das Gesundheitsministerium noch in sozialdemokratischer Hand war. So können Sie also die Erfolge und die Zahlen nicht erklären, die wir durch die Rücklagen im Gesundheitsfonds und bei den gesetzlichen Krankenversicherungen vorzuweisen haben. Es macht mich besonders stolz, dass wir in einer schwierigen Zeit auf europäischer Ebene zusammen mit anderen Ländern nicht nur Regeln vorgeben, sondern diese Regeln selber auch einhalten können. Wir leben das vor und zeigen, dass es geht. ({1}) Ich sage aber auch, dass dieser Haushalt kein Selbstläufer ist. Wir leben in einer konjunkturellen Phase, die eher an Dynamik nachlässt. Des Weiteren leben wir mit den Risiken im europäischen Umfeld. Nach wie vor haben wir es - Gott sei Dank - mit einer sehr positiven demografischen Entwicklung zu tun. Wir leben in einer Zeit, in der wir alle in Gesundheit älter werden, in einer Zeit hervorragenden medizinischen Fortschritts. Auch dafür müssen wir in Zukunft Lösungen finden, und wir werden sie finden. Ich frage mich nur, wie man in einer Zeit, in der wir uns mit der Problematik auseinandersetzen, die gute Situation in Deutschland zu sichern, auf die Idee kommen kann - wie Verdi es in den vergangenen Tagen getan hat -, nun auch noch die Vollkaskoversicherung in der Pflege einzufordern, meine Damen und Herren. ({2}) Das überfordert unser System, das überfordert unsere Wirtschaft, das überfordert unsere Menschen. So fahren wir unser Gesundheitssystem im Zweifel tatsächlich an die Wand. Ich fordere auch die Opposition auf, auf Verdi einzuwirken, dass sie es zukünftig unterlassen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Wir haben die derzeitige Situation erreicht, weil wir an manchen Stellen mehr Geld in die Hand genommen, an anderen Stellen eingespart, aber auch strukturelle Verbesserungen erreicht haben. ({3}) Im Bereich der Pflege haben wir mehr Geld - 1,1 Milliarden Euro - in die Hand genommen. Wir haben das durch eine Beitragserhöhung von 0,1 Prozent erreicht. ({4}) Das war angesichts der Tatsache, dass von insgesamt 2,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen in unserem Land 1,5 Millionen Menschen zu Hause gepflegt werden, ein wichtiger Schritt. Es ist eine Wertschätzung gegenüber den pflegenden Angehörigen, dass wir Geldleistungen in diesem Bereich deutlich erhöhen sowie zum ersten Mal im ambulanten Bereich auch Demenz berücksichtigen. Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz sorgen wir dafür, dass zukünftig Menschen, die den Wunsch haben, ihre letzten Lebensjahre oder Lebensmonate zu Hause zu verbringen, das auch können. Auch darauf dürfen wir stolz sein. ({5}) Vor allem im Arzneimittelbereich haben wir durch eine Verminderung der Ausgaben in Form von Rabatten Sofortmaßnahmen ergriffen. Auch hier haben wir mit dem AMNOG deutliche strukturelle Verbesserungen erreicht. Zum ersten Mal kann die pharmazeutische Industrie ihre Preise für neue Medikamente nicht mehr selber festlegen, sondern sie muss - wie dies in einer sozialen Marktwirtschaft normal und in einem Wettbewerb üblich ist - die Preise mit den gesetzlichen Krankenkassen verhandeln. Auch dies war ein wichtiger Schritt, der längst überfällig war. ({6}) Auch im Bereich der Krankenhäuser haben wir Sofortmaßnahmen ergriffen. In der Tat ist es so, dass die Krankenhäuser für das Jahr 2012 nicht die volle Grundlohnrate erhalten haben, sondern nur eine reduzierte. Die Tarifverträge für das Jahr 2012 und auch für das Jahr 2013 liegen über dieser zugestandenen Grundlohnrate. Deswegen haben wir Soforthilfe geleistet. Wir haben mit über 300 Millionen Euro den Krankenhäusern für das Jahr 2012 einen Tarifausgleich zur Verfügung gestellt. Ich verstehe, dass Krankenhäuser, die das bei uns auch so eingefordert haben, Briefe geschrieben haben. Ich will noch weiter gehen: Ich verstehe ebenso Krankenhäuser, die das Gleiche jetzt auch für das Jahr 2013 fordern, weil trotz dieser Maßnahmen das eine oder andere Krankenhaus für das Jahr 2012 mit einem Defizit zu rechnen hat. Ich verstehe aber nicht, dass Bundesländer, die diese schlimme Situation für viele Krankenhäuser mit verschuldet haben, nun massiv vom Bund Geld einfordern, weil sie selber ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. ({7}) Es ist klipp und klar geregelt, dass die Länder für die Investitionen der Krankenhäuser aufzukommen haben. Noch nicht einmal ansatzweise tun sie das. Deswegen kann es nicht sein, dass nun ausgerechnet die Länder kommen und einen Ausgleich für die Krankenhäuser einfordern. Ich möchte noch weiter gehen. Was den Krankenhausbedarfsplan anbelangt, waren wir in diesem Hohen Haus einmal weitgehend der Meinung, dass mit der Einführung der DRG das Ziel verfolgt wurde, die Zahl der Betten in den Krankenhäusern, in denen es zu viele Betten gab - heute gibt es zum Teil immer noch zu viele Betten -, zu reduzieren. Auch die Zahl der Krankenhäuser sollte reduziert werden. Nicht ausgemacht war, dass sich die Länder mehr oder weniger aus der Krankenhausbedarfsplanung zurückziehen und es der Kommunalpolitik, also den ehrenamtlichen Kreis- und Stadträten ganz allein überlassen, Abteilungen oder sogar ganze Krankenhäuser zu schließen. Wenn die Conclusio ist, dass die Länder keine Krankenhausbedarfsplanung mehr betreiben und nicht in ausreichendem Maße Investitionsmittel zur Verfügung stellen, dann müssen wir uns fragen, ob es nicht notwendig ist, dass wir uns auf Bundesebene mit strukturellen Fragen der Krankenhausfinanzierung und der Krankenhausbedarfsplanung auseinandersetzen. Vielleicht müssen wir uns die Frage stellen, ob das, was wir getan haben, richtig war. Die blinkende Lampe zeigt mir an, dass meine Redezeit zu Ende ist. Daher nur noch ein letzter Satz zum Thema Psych-Entgelte. Ich weiß, dass die psychiatrischen Krankenhäuser mit der derzeitigen Situation Probleme haben. ({8}) Ich weiß, dass sie die zur Verfügung gestellten Mittel nicht als ausreichend ansehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur darauf hinweisen, dass dies ein lernendes System ist, dass die ersten vier Jahre vollkommen budgetneutral sind und dass die Übernahme des neuen Entgeltsystems in den ersten beiden Jahren auf freiwilliger Basis erfolgt. Ich möchte an alle Beteiligten appellieren, nicht nur die Probleme zu sehen - auch ich sehe einige Probleme; das ist ja auch kein Wunder, wenn man erst am Anfang steht -, sondern auch die Chancen. Das, was wir hier machen, ist nicht nur die überfällige Anpassung des Entgeltsystems. Es liegt im Interesse unserer Patientinnen und Patienten, dass der ambulante Bereich gestärkt wird. Wir können ihn aber nur stärken, wenn wir dieses Entgeltsystem einführen. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15 - Bundesministerium für Gesundheit - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11511. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist bei Zustimmung der Linken mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11512. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11515. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 17/11516. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der Linken und Enthaltung von SPD und Grünen abgelehnt. Wir kommen nun zu der Abstimmung über den Einzelplan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 15 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 21. November 2012, 10.30 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.