Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie zum letzten Tag unserer Haushaltsberatun-
gen - Tagesordnungspunkt 1 -:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2013 ({0})
- Drucksache 17/10200 -
Überweisungsvorschlag:-
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016
- Drucksache 17/10201 Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuss
Wir haben für die heutige Aussprache eine Redezeit
von insgesamt dreieinhalb Stunden beschlossen.
Wir beginnen den heutigen Tag der Haushaltsberatungen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Einzelplan 12.
Ich begrüße den zuständigen Bundesminister und erteile ihm gleich zu Beginn das Wort. Herr Dr. Ramsauer,
bitte schön.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Man kann es nicht
oft genug betonen: Mobilität, Bauen und Wohnen zählen
zu den elementaren Grundbedürfnissen der Menschen.
Deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes einen Anspruch auf Verlässlichkeit in diesem Politikbereich.
({0})
Diese Verlässlichkeit wollen wir gewährleisten. Es ist
daher folgerichtig, dass der - technisch gesagt - Einzelplan 12, der Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, unter allen Haushalten
der größte Investitionshaushalt ist und mehr als die
Hälfte aller Investitionen birgt, die der Bund tätigt.
Ich möchte mit einem Thema beginnen, das auf den
ersten Blick nicht unbedingt in Zusammenhang mit dem
steht, was sonst bei uns an vorderster Stelle steht, nämlich der Verkehr. Es handelt sich um - davon war schon
mehrfach in dieser Woche die Rede - die Beiträge zur
Energiewende, die aus meinem Fachbereich zum Gelingen dieses Jahrhundertwerks geleistet werden. Wir wissen, dass etwa 70 Prozent der gesamten Primärenergie
durch den Verkehr und im Gebäudebereich verbraucht
werden. Dementsprechend wichtig sind unsere Beiträge
zum Gelingen der Energiewende. Wir alle können froh
darüber sein, dass das Gebäudesanierungsprogramm bis
einschließlich 2014 verlässlich mit 1,5 Milliarden Euro
dotiert ist. Das Gebäudesanierungsprogramm, welches
im Jahr 2006 begann, hat sich als absoluter Renner erwiesen. Wir müssen alles daransetzen, dass dieses Programm zur energetischen Gebäudesanierung auch in Zukunft ein Zugpferd der Energiewende bleibt.
({1})
Wir, der Deutsche Bundestag, haben vor gut einem
Jahr das Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden verabschiedet, ein - wenn ich das so bezeichnen darf - absolutes Muss; denn viele, die willig sind, ihre Gebäude zu
sanieren, können zwar etwas mit der KfW-Förderung anfangen. Aber die steuerliche Förderung ist wesentlich
passgenauer. Es gibt gewaltige Erwartungen. Wie Sie
wissen, wird dieses Gesetz seit letztem Jahr vom Bundesrat blockiert.
({2})
Es wird natürlich laufend verhandelt. Ich appelliere an
dieser Stelle abermals an SPD und Grüne: Bitte geben
Sie die Blockade im Bundesrat auf.
({3})
Die Energiewende zu predigen, aber in der praktischen
Umsetzung zu blockieren, das kann ich nicht durchgehen lassen.
({4})
Ich schlage damit eine Brücke zur Städtebauförderung.
({5})
Ein großartiger Erfolg ist ein Programm geworden, das
wir im vergangenen Jahr neu aufgenommen haben, das
Programm „Energetische Stadtsanierung“. Es war eine
tolle Idee, die von vielen Kommunalpolitikern an mein
Haus herangetragen wurde, nicht lauter Einzelhäuser zu
sanieren, sondern in den Innenstadtlagen möglichst viele
Häuser im Verbund zu sanieren. Wir fördern das mit dem
Programm „Energetische Stadtsanierung“. Im laufenden
Jahr haben wir das Programm mit 92 Millionen Euro dotiert, nächstes Jahr stocken wir es auf 100 Millionen
Euro auf. Im Übrigen bleibt die Städtebauförderung ein
wichtiges Handlungsfeld des Bundes. Die Kommunen
können sich darauf verlassen, dass der Bund ein verlässlicher Partner der Städtebauförderung ist und auch bleibt
und dass wir die Mittel bei 455 Millionen Euro belassen
werden.
({6})
Was mir große Sorgen bereitet, sind die auseinanderlaufenden Entwicklungen im Bereich des Wohnungsbaus. Wir haben auf der einen Seite in strukturschwachen Regionen Leerstand, auf der anderen Seite in
Ballungsräumen zunehmend erhebliche Probleme bei
der Bereitstellung hinreichenden Wohnraums. Wir haben
Probleme mit steigenden Mieten. Ich möchte daran erinnern, dass mit der Föderalismusreform vor fünf Jahren
die politische und gesetzgeberische Zuständigkeit für die
soziale Wohnraumförderung vom Bund auf die Länder
übergegangen ist, und zwar mit ganz klaren Regelungen.
So bezahlt der Bund für die Kompensation der Lasten,
die dadurch auf die Länder zukommen, 518 Millionen
Euro pro Jahr. Das ist aus unserer Sicht gut angelegtes
Geld.
Wir verhandeln derzeit darüber, in welchem Umfang
und unter welchen Bedingungen ab dem Jahr 2014 diese
Förderung durch den Bund weitergeführt wird. Wir stehen zu dieser Verpflichtung. Die Länder brauchen Mittel
für diese Aufgabe. Ich füge aber auch ausdrücklich
hinzu: Wir müssen auf einer Zweckbindung bestehen.
Wir können es nicht hinnehmen, dass die Länder dieses
Geld zwar nehmen, aber dann damit verfahren, wie sie
wollen, und nur pauschal angeben, dass das Geld für investive Zwecke verwendet wird. Wir müssen sicherstellen, dass diese Mittel zuverlässig zweckgebunden in die
soziale Wohnraumförderung fließen.
({7})
Damit komme ich zur Verkehrsinfrastrukturpolitik.
Auch diese muss realistisch und nüchtern betrachtet werden. Wir arbeiten derzeit im Rahmen der Vorbereitung
des nächsten Bundesverkehrswegeplans an der Verkehrsprognose bis zum Jahr 2030. Wir wissen, dass die
Verkehre in allen Bereichen zunehmen werden und müssen deshalb Prioritäten setzen. Es ist sicherlich beachtlich, dass wir für die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, inklusive Erhalt, Ausbau und Neubau,
10 Milliarden Euro zur Verfügung haben. In diesem Zusammenhang wird immer die Vokabel „Verstetigung“
gebraucht. Aber ich muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese wohlklingende Vokabel verschweigt,
dass diese 10 Milliarden Euro, auch wenn sie nominal
verstetigt sind, real von Jahr zu Jahr entwertet werden,
und zwar durch erhebliche Preissteigerungen, die im
Baubereich bei etwa 3 Prozent liegen. Das ist eine reale
Entwertung von etwa 300 Millionen Euro pro Jahr. Verantwortlich dafür sind immer höhere Standards im Bereich des Umweltschutzes, des Artenschutzes und der
Sicherheit.
Ich muss mich mit vielen Zahlen herumschlagen. Auf
einige davon will ich genauer eingehen: Wir binden
durch laufende Projekte im Straßenbau in den Jahren
2013 bis 2016 Mittel im Umfang von knapp 4,5 Milliarden Euro. Die momentan zur Verfügung stehenden Bedarfsplanmittel haben aber nur eine Höhe von knapp
2,8 Milliarden Euro. Das heißt, es klafft eine Deckungslücke von 1,7 Milliarden Euro, über deren Schließung
wir uns alle miteinander Gedanken machen müssen. Ich
wiederhole: Das sind die laufenden, im Bau befindlichen
Projekte. Daneben haben wir Planfeststellungsbeschlüsse im Bereich des Bundesfernstraßenbaus umzusetzen, für die eine Investitionssumme von 7 Milliarden
Euro veranschlagt ist. Das sind gewaltige Herausforderungen.
Ich rede hier über Projekte im Bereich des Aus- und
des Neubaus. Was in die Instandhaltung, in den Erhalt,
fließen muss, ist mit diesen Mitteln gar nicht abgebildet.
Ich sage klipp und klar: Angesichts des Erfordernisses
der Prioritätensetzung in diesem Ausmaß muss Instandhaltung vor Neubau gehen.
({8})
Die Substanz unserer Verkehrsinfrastruktur darf nicht infrage gestellt werden, Stichwort „Priorisierung“. Die
Wünsch-dir-was-Politik der letzten zehn, zwölf Jahre
unter Vorgängerregierungen können wir so nicht fortsetzen.
({9})
Ich kämpfe deswegen in den bevorstehenden Haushaltsberatungen für verlässliche Finanzierungsperspektiven.
Wir brauchen eine Verstetigung des Infrastrukturbeschleunigungsprogramms, durch das wir im vergangenen Jahr für dieses Jahr und für die Folgejahre 1 Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt haben.
({10})
Noch eine Bemerkung zum Flughafenbau in Berlin.
Ich glaube, das wird von mir an dieser Stelle erwartet.
Der Bund ist mit 26 Prozent am neuen Hauptstadtflughafen beteiligt. Jeweils 37 Prozent entfallen auf die Länder
Berlin und Brandenburg; sie sind damit Mehrheitseigner.
Der Bund stellt von 15 Aufsichtsräten 2. Die weiteren
13 verteilen sich auf die Länder Berlin und Brandenburg
sowie auf die Arbeitnehmerseite. Ich sage das, um einmal klarzustellen, wie die Aufsichtsaufgaben verteilt
sind.
Vielen Dank an den Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung. Dieser Ausschuss hat sich vorgestern
ein Bild an Ort und Stelle gemacht. „Einmal sehen ist
besser als hundertmal hören“, lautet ein chinesisches
Sprichwort. Ich möchte klarstellen: Der Bund steht hinter dem Projekt des Hauptstadtflughafens. Wir können
und dürfen dieses Projekt selbstverständlich nicht an die
Wand fahren lassen. Der Bund unterschreibt allerdings
auch keine Blankoschecks; das darf es ebenfalls nicht
geben.
({11})
Deswegen sind wir über erforderliche Konsequenzen mit
den anderen Gesellschaftern laufend im Gespräch.
Der neue Technikchef, den wir bestellt haben, hat jedenfalls einen imposanten und guten Start hingelegt und
genießt unser vollstes Vertrauen. Im Übrigen müssen die
Verantwortlichkeiten für die Entwicklungen in der Vergangenheit ganz genau geklärt werden. Wir müssen dieses Projekt jetzt zügig zum Erfolg führen. Mein Ministerium hat mit der Einrichtung einer Sonderkommission
Flughafen BER die entsprechende Vorkehrung geschaffen, um alles sicherzustellen, was in diesem Zusammenhang Obliegenheiten des Bundes sind. Die „SoKo BER“
arbeitet ausgesprochen erfolgreich.
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Wenn
dieser Flughafen in Betrieb sein wird, dann wird das ein
Flughafen sein, der weltweit Maßstäbe setzt und Beachtung findet.
Herzlichen Dank.
({12})
Nächster Redner ist der Kollege Florian Pronold für
die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das ist der letzte Bundeshaushalt im Bereich
Verkehr, den dieser Minister verantworten wird, und das
ist gut so.
({0})
Drei Jahre lang war Zeit, die großen und vollmundigen Ankündigungen und Versprechen, die am Anfang
der Wahlperiode gemacht worden sind, in die Tat umzusetzen. Außer Ankündigungen ist nichts dabei herausgekommen. Erinnern wir uns an die erste Rede, die Herr
Ramsauer in diesem Haus als Bundesverkehrsminister
gehalten hat. Das große Thema lautete: Jeder Zuwachs
im Güterverkehr soll auf die Schiene verlagert werden.
Was ist die Bilanz nach dieser vollmundigen Ankündigung? Was ist aus der Verpflichtung im Koalitionsvertrag geworden, die Hinterlandhäfenanbindung hinzubekommen?
({1})
Nichts. All das ist beerdigt worden. Von 1 Milliarde
Euro an Sondermitteln im Verkehrshaushalt gehen gerade einmal 100 Millionen Euro in den Bereich der
Schienen. Es gab aber keine Initiative, um Güterverkehr
tatsächlich von der Straße auf die Schiene zu verlagern.
Im Gegenteil, die Mittel für kombinierte Verkehre sind
im Haushalt noch gekürzt worden. Die Bilanz: versprochen - gebrochen.
({2})
Wie oft haben wir hier darüber diskutiert, was die
Menschen zum Beispiel an der Rheintalbahn bewegt?
Die Lärmbelastung ist dort in vielen Bereichen unerträglich. Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb steht: Der
Schienenbonus bei der Bahn wird aufgehoben. Was ist
gemacht worden? Nichts. Versprochen - gebrochen.
({3})
Herr Ramsauer, ich hätte mir gewünscht, dass Sie zumindest auf europäischer Ebene ein paar Initiativen ergriffen hätten. So viel Geld kostet es nicht, alle Güterwagen umzurüsten. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie so
mutig gewesen wären wie die Schweizer, die darüber
nachdenken, ab 2019 einfach ein Durchfahrtverbot für
die besonders lauten Güterverkehre zu verhängen. Damit
würde man den Menschen wirklich helfen. Durch Ihre
Ankündigungen aber gibt es keinen Lärmschutz. Sie
sind vielmehr Lärm und damit eine Belästigung für die
Menschen, die vor Ort betroffen sind.
({4})
Im Koalitionsvertrag steht, dass von der Koalition in
der ersten Hälfte der Legislaturperiode über die Höhe
der Finanzausstattung für die ehemalige Gemeindeverkehrsfinanzierung entschieden wird, die auslaufen soll
und die wir in der Übergangsperiode neu regeln müssen.
Die Hälfte dieser Zeit ist schon vorbei, und nichts wurde
entschieden: Angekündigt, versprochen und nicht gehalten.
Es sollte mehr Geld in die jeweiligen Verkehrsträger
fließen. Es sollte verkehrsträgereigene Finanzierungskreisläufe geben. Das war die große Ankündigung. Was
ist passiert? Ja, Sie haben die Einnahmen aus der LkwMaut tatsächlich in den Bereich Straße fließen lassen.
Aber steht jetzt mehr Geld für den Straßenbau zur Verfügung? Nein, denn andere Mittel wurden gekürzt.
({5})
Sie beklagen zu Recht, dass die geringen Mittel, die
durch den letzten Haushalt zusätzlich zur Verfügung
standen, nur ein wenig Luft zum Luftschnappen brachten, jedoch nicht genug Luft zum Atmen. Ich frage Sie:
Was sind Sie für ein Minister, wenn Sie zulassen, dass
aus dem Verkehrsbereich Milliarden eingesammelt werden, die diesem aber nicht zugutekommen? Die Luftverkehrsabgabe beträgt jährlich 1 Milliarde Euro, und es
gibt eine jährliche Zwangsdividende der Bahn von
500 Millionen Euro. Davon fließen 270 Millionen Euro
wieder zurück.
({6})
Aus dem Verkehrsbereich werden also 1,2 Milliarden
Euro eingesammelt, die jedoch nicht die Investitionslinie
erhöhen. Das ist doch ein Armutszeugnis.
({7})
Gleichzeitig beklagen Sie, dass zu wenig Geld vorhanden ist. Dabei haben Sie Mehrwertsteuergeschenke
für die Hoteliers und Milliarden für ein unsinniges Betreuungsgeld in den Haushalt eingestellt. Das ist die
Wahrheit. Nun stellen Sie sich hier hin und jammern.
Das ist doch lächerlich.
({8})
Und dann gibt es wieder große Ankündigungen. Erst
in der letzten Woche hörten wir etwas zum Bundesradwegeplan. Der war wirklich toll. Darin stehen viele vernünftige Sachen. Das einzige Problem dabei ist jedoch
der Haushalt. In diesem Bereich wird nämlich gekürzt:
von 100 Millionen Euro unter Rot-Grün auf nunmehr
60 Millionen Euro. Das ist fast eine Halbierung. Was
helfen große Ankündigungen, wenn sie nicht mit Geld
hinterlegt sind?
Das ist ähnlich wie bei der tollen Reform des Verkehrssünderregisters, die Sie gemacht haben. Dort gibt
es diese schöne anschauliche Ampel. Sie haben tolle
Flugblätter gedruckt, und es ist ein ADAC-Sonderheft
für Sie herausgekommen. Auch hier ist nach der Ankündigung nichts übrig geblieben.
({9})
Versprochen - gebrochen, Herr Ramsauer. Das ist die
Bilanz Ihrer bisherigen Regierungstätigkeit.
({10})
Was die Priorisierung angeht, die angesichts der
knappen Finanzmittel notwendig ist, ziehe ich in Bezug
auf Ihr bisheriges Regierungshandeln folgendes Fazit:
Der Bau einer Autobahn ist doch niemals nach objektiven Kriterien bewertet worden. Sie haben den Bundesverkehrswegeplan nicht wirklich überarbeitet. Sie haben
nicht überlegt, wo es Knoten oder Engstellen gibt, die
man beheben muss. Das einzige Kriterium war: Führt
die Autobahn durch den Wahlkreis des Bundesministers? Das war die einzige Priorität, nach der Sie Ihre Verkehrspolitik ausgerichtet haben!
({11})
Sie haben Ihre Rede mit der Bemerkung eingeleitet,
dass Ihr Ministerium eigentlich die entscheidende Rolle
spielt, wenn es darum geht, wie die Energiewende gestaltet werden soll. Zur Energiewende gehört die Einsparung, und die größten Einsparpotenziale liegen in den
Bereichen Verkehr und Gebäude.
({12})
70 Prozent des Einsparpotenzials liegen in diesem Bereich. Was passiert?
({13})
- Rufen Sie nicht dazwischen, stellen Sie mir eine Zwischenfrage,
({14})
dann kann ich Ihre Fragen ordentlich beantworten.
({15})
Dann bekommen die Menschen auf den Zuschauertribünen auch mit, was die Wahrheit ist.
({16})
- Herr Döring, Sie sind gut im Dazwischenrufen, aber
schlecht im Umgang mit den Fakten. Stellen Sie mir eine
Zwischenfrage, dann kommen wir weiter.
Zum Thema energetische Gebäudesanierung. In diesem Bereich liegt das Einsparpotenzial bei 70 Prozent.
Wenn Sie jetzt schon so schreien, dann ist klar, was
gleich kommt. Was ist denn die Wahrheit?
({17})
Unter einem sozialdemokratischen Minister war der Beitrag zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung
mit 2 Milliarden Euro am höchsten. Nun ist es ein Viertel weniger. Wer hat das zu verantworten? Sie! Das ist
die Wahrheit und nichts anderes.
({18})
Sie haben das Ganze in einen Energie- und Klimafonds
gepackt, der nicht gegenfinanziert ist, dessen Finanzierung unsicher ist.
({19})
Sie haben damit einen Anschlag auf die mittelständische
Wirtschaft verübt, weil Sie für Verunsicherung gesorgt
haben; denn heute gibt es weniger Aufträge vor Ort, und
dadurch wird weniger für den Klimaschutz getan.
({20})
Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie den
Mitgliedern des Kabinetts. Wem traut das Kabinett in
dieser Frage? Herr Altmaier hat extra eine neue Unterabteilung eingerichtet, die klären soll, wie man im Bereich
Gebäude Einsparungen vornehmen kann, weil er es dem
Verkehrsminister nicht zutraut.
({21})
Die Bundeskanzlerin hat den Bereich Elektromobilität
nicht beim Verkehrsministerium angesiedelt, sondern im
Wirtschaftsministerium. Gibt es denn ein größeres Armutszeugnis für einen Bundesverkehrsminister, als dass
ihm die eigenen Kabinettskollegen nichts zutrauen?
({22})
Zum Thema Städtebauförderung. Sie haben sie zu
Recht gelobt, sie ist nämlich ein tolles Instrument, aber
mit der Anzahl an Protestbriefen von Kommunalpolitikern, die bei Ihnen eingegangen sind, weil Sie die Mittel
für die Städtebauförderung gekürzt haben, könnte man
alle Bundesverkehrswege pflastern.
({23})
Sie haben die Mittel für die Städtebauförderung um ein
Viertel gekürzt. Sie haben vor allem die Projekte, die besonders erfolgreich sind, aus ideologischen Gründen
aufs Korn genommen. Lassen Sie mich als Beispiel das
Programm „Soziale Stadt“ nennen, das immer noch unterfinanziert ist. Was haben wir Debatten darüber geführt!
({24})
- Ja, jetzt haben Sie die Mittel wieder etwas aufgestockt.
({25})
Aber sie befinden sich noch nicht auf dem alten Niveau.
Hören Sie doch mit diesen Taschenspielertricks auf!
Wir haben über das Thema abgehängte Wohnquartiere diskutiert. Wir haben uns überlegt, was man dort
über Integration erreichen kann. Wir haben im letzten
Jahr in diesem Haus viel über das Thema Integration diskutiert. Dort, wo man nachweislich Erfolge erzielt hat,
setzen Sie aus ideologischen Gründen den Rotstift an.
Das ist die Bilanz Ihrer Regierungspolitik. Sie lassen die
Menschen vor Ort im Stich.
({26})
Zum Thema bezahlbare Miete. Sie haben das Thema
zu Recht angesprochen, aber ich frage Sie: Was haben
Sie denn gemacht? Was macht denn die schwarz-gelbe
Koalition, beispielsweise in Bezug auf die energetische
Sanierung? Sie belasten die Menschen mit zusätzlichen
Risiken.
({27})
Das geltende Recht sieht noch eine Verschärfung der Bedingungen vor,
({28})
indem 11 Prozent der Sanierungskosten auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden können.
({29})
- Schauen Sie halt ins Gesetz rein, wenn Sie es nicht
glauben.
({30})
Kostet eine Sanierung 25 000 Euro, dann bedeutet das
für einen normalen Mieter eine Mieterhöhung von bis zu
230 Euro pro Monat, das sind etwa 2 750 Euro pro Jahr.
Wer kann sich das denn leisten? In Metropolregionen
und in Ballungsräumen kann das passieren. Wie lautet
Ihre Antwort? Noch weniger Rechte für die Mieterinnen
und Mieter anstelle einer fairen Lasten- und Risikoverteilung, für die wir alle in diesem Hause sind.
({31})
In der Verkehrs- und Baupolitik fehlt eine Vision, ein
Konzept für die Zukunft.
({32})
- Wollen Sie mir auch eine Frage stellen? Meine Redezeit geht zu Ende. Dann sage ich Ihnen noch gerne etwas
zu Emissionen, oder ich lade Sie ein. Heute Nachmittag
findet in diesem Haus ein Zukunftskongress der SPDBundestagsfraktion statt. Daran können Sie gerne teilnehmen. Dort ist das wichtigste Projekt das Projekt „Infrastrukturkonsens“. Dort haben wir die entscheidenden
Punkte benannt, die in der Zukunft gebraucht werden. Es
ist notwendig, dass die Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten verbessert wird - und nicht nur pro forma -,
dass wir die Planungen beschleunigen, dass es eine echte
Prioritätensetzung im Bundeshaushalt gibt, dass mehr
Güterverkehr auf die Schiene kommt und dazu entsprechende Investitionen gemacht werden. Das sind die Herausforderungen. Darüber haben wir in diesem Hause oft
Debatten geführt.
Das Problem ist, dass unter diesem Minister drei
Jahre lang nichts gemacht worden ist außer Klamauk:
Wechselkennzeichen, Wiedervergabe ehemaliger KfzKennzeichen. Ich erinnere mich noch an große Debatten
über Überholverbote von Lkw auf der Autobahn, aus denen auch nichts geworden ist. Es gibt noch viele, viele
andere Dinge.
({33})
Das größte Projekt des Ministers, die Pkw-Maut, ist von
der Bundeskanzlerin versenkt worden.
({34})
Versprochen - gebrochen.
({35})
Die Medien haben ihr Urteil schon gefällt. Es hieß
„Pop-up-Minister“, und - das Traurigste - Ramsauer
wurde gekrönt zum „König des Nichts“. Dem ist nichts
hinzuzufügen.
({36})
Ich erteile das Wort der Kollegin Claudia Winterstein
für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Pronold, Ihr Gejammere und Ihre Schwarzmalerei helfen überhaupt nicht weiter.
({0})
Das war einfach nur grauselig. Ich habe wirklich noch
nie so viel Unsinn so kompakt in elf Minuten gehört.
({1})
Ich frage mich, was Sie zu Ihren fünf Ministern, die in
den vergangen Jahren weiß Gott nichts bewerkstelligt
haben, zu sagen hätten. Insofern haben Sie ein absolut
schwaches Bild abgeliefert. Deswegen möchte ich als
Haushälterin zu den Fakten zurückkehren.
Dank der besonnenen Haushaltspolitik und der zielgerichteten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik steht
Deutschland im internationalen Vergleich - vielleicht
befassen Sie sich damit auch einmal - gut da. Wir haben
konsolidiert und klug investiert. Das ist die Maßgabe der
Koalition.
Dass dieser Weg der richtige ist, belegt auch eine Studie des World Economic Forums, die in der vergangenen
Woche veröffentlich worden ist. Nach dieser Studie belegt Deutschland unter den wettbewerbsfähigsten Ländern den sechsten Rang, und das noch vor den USA. Ursache hierfür sind insbesondere die hervorragenden
Noten, die wir in den Rubriken Infrastruktur und Innovationskraft erhalten haben. Von den Gesamtausgaben im
Verkehrshaushalt in Höhe von 25,7 Milliarden Euro werden 54 Prozent für Investitionen aufgebracht. Sie müssen einmal überlegen: Wir haben 33 400 Kilometer
Schienenwege des Bundes, 52 500 Kilometer Autobahnen und Bundesstraßen mit 39 000 Brücken und über
7 000 Kilometer Wasserstraßen. Die müssen alle erhalten bleiben.
({2})
Deswegen sind Investitionen in diese Verkehrsinfrastruktur besonders wichtig. Deshalb haben wir dafür
auch 10,1 Milliarden Euro vorgesehen; denn eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist der Grundpfeiler
für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und für die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Was haben Sie bei Rot-Grün ausgegeben? Sie haben
nicht 10,1 Milliarden Euro ausgegeben, Sie haben
9,5 Milliarden Euro ausgegeben. Sie hätten weitaus
mehr ausgeben können, wenn Sie das alles so viel besser
können.
({3})
Im vergangenen Jahr stellte die Koalition mit dem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm einmalig 1 Milliarde Euro an zusätzlichen Mitteln bereit; das ist bereits
gesagt worden. Damit sind wir dem Investitionsstau entgegengetreten, den uns die fünf vorherigen SPD-Verkehrsminister als schwere Hypothek überlassen haben.
({4})
Auch im Jahr 2013 können wir davon noch profitieren.
290 Millionen Euro davon haben wir im Haushalt 2013
noch zur Verfügung. Mit den Mitteln aus diesem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm werden 32 Maßnahmen im Straßenbau verstärkt. Zudem sind 28 zusätzliche
Erhaltungsmaßnahmen und 12 zusätzliche Neubauprojekte ermöglicht worden. Es ist also nicht so, dass hier
nichts geschieht; im Gegenteil. Mit den Zusatzmitteln
für den Bereich Schiene werden rund 380 Einzelvorhaben zur Modernisierung der Bahnsteige und zur Herstellung der Barrierefreiheit umgesetzt. Schließlich kann der
Bau der dringend notwendigen fünften Schleuse in
Brunsbüttel
({5})
an der größten künstlichen Wasserstraße der Welt, nämlich dem Nord-Ostsee-Kanal, endlich realisiert werden.
Das sind große Erfolge.
({6})
Einen weiteren Erfolg gibt es im Bereich der Verkehrssicherheit auf den Bundesstraßen zu verzeichnen.
In der Vergangenheit stellten die fehlenden Lkw-Stellplätze an den Bundesfernstraßen ein großes Problem und
eine erhebliche Verkehrsgefährdung dar. Bis zum Jahr
2015 werden 15 500 neue Plätze geschaffen. Dafür stellen wir 130 Millionen Euro bereit.
Ein Desaster ist allerdings der Bau des neuen Hauptstadtflughafens. Hier gibt es vor allem Chaos.
({7})
Mangelhaftes Controlling, Planungsfehler und menschliches Versagen haben nicht nur zu einer erneuten Verschiebung des Eröffnungstermins geführt, sondern bewirken
auch ein Finanzierungsdefizit der Flughafengesellschaft
in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Davon müsste der Bund
26 Prozent, also rund 312 Millionen Euro, tragen. Für zuDr. Claudia Winterstein
sätzliche Bundesmittel muss allerdings die Maßgabe lauten: so viel Gesellschafterdarlehen wie möglich, so wenig
Eigenkapitalzuschuss wie nötig.
({8})
Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir
zusätzliche Zahlungen an die Flughafengesellschaft
ohne Konsequenzen nicht mehr verantworten können.
({9})
Natürlich ist eine Insolvenz keine Option, aber zumindest benötigen wir eine Verbesserung der Aufsicht und
eine Veränderung in der Geschäftsführung; denn ich
glaube, das Vertrauen ist komplett verlorengegangen.
({10})
Es bleiben noch viele Fragen offen. Nur ein Beispiel:
Der Münchener Flughafen hat für 20 Millionen Passagiere 330 Check-in-Counter und 21 Gepäckausgabebänder. An unserem Flughafen in Berlin gibt man sich mit
96 Abfertigungsschaltern und 8 Gepäckausgaben für
24 Millionen Passagiere zufrieden. Das Chaos ist an sich
vorprogrammiert.
Ein wichtiger Bestandteil des Einzelplans 12 ist die
Schifffahrt. Als im Sommer dieses Jahres die Reederei
Deilmann ankündigte, die „MS Deutschland“ statt unter
deutscher Flagge unter maltesischer Flagge fahren zu
lassen, war die Aufregung im Land natürlich groß. Die
„MS Deutschland“ ist ein symbolträchtiges Schiff, nicht
nur weil sie als „Traumschiff“ berühmt wurde, sondern
auch, weil es leider das letzte große Kreuzfahrtschiff unter deutscher Flagge ist. Viele Gespräche waren notwendig, um die Reederei zu bewegen, das Schiff nicht auszuflaggen.
An dieser Stelle möchte ich dem Maritimen Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, danken,
der mit wirklich unermüdlichem Einsatz die Reederei
davon überzeugen konnte, dass es neben ökonomischen
Gesichtspunkten auch eine nationale Verantwortung
gibt. Das ist übrigens bei der SPD ganz anders. Das parteieigene Kreuzfahrtschiff „MS Princess Daphne“ fährt
nämlich unter portugiesischer Flagge.
({11})
Die maritime Wirtschaft stellt einen bedeutenden und
wichtigen Wirtschaftszweig in Deutschland dar. Hohe
Investitionen der Reedereien sichern und schaffen Arbeitsplätze. Allein die deutschen Schifffahrtsunternehmen beschäftigen 90 000 Menschen. Damit diese Erfolgsgeschichte fortgesetzt werden kann, brauchen wir
das Maritime Bündnis. Durch die Förderung von Ausbildung und Beschäftigung deutscher Seeleute auf deutschen Schiffen wird der Schiffsstandort in diesem Land
gestärkt. Deswegen wollen wir den Förderansatz für das
Haushaltsjahr 2013 auf einem Niveau von 57,8 Millionen Euro verstetigen. Wir bleiben der verlässliche Partner der maritimen Wirtschaft.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Reform der
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zu sprechen kommen.
Das wird nun schwerlich möglich sein.
({0})
- Nein, das ist natürlich höchst bedauerlich; aber die
Lage ist halt so, wie sie ist.
({1})
Ich will nur sagen: Die FDP hat zehn Jahre lang dafür
gekämpft, und wir sind sehr froh, dass wir jetzt auf einem guten Weg sind und auch im Bereich der Wasserund Schifffahrtsverwaltung zu mehr Effizienz kommen.
Wir werden darüber in den kommenden Haushaltsberatungen ganz sicher weiter intensiv diskutieren, Herr
Kahrs.
({0})
Das Wort erhält nun der Kollege Roland Claus für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die unbestrittene Tatsache, dass es hier um den
größten Investitions- und Infrastrukturetat des Bundes
geht, sagt noch nichts über die Qualität der Investitionen
({0})
und sagt auch nichts über die Fähigkeit des zuständigen
Ministeriums, diese Investitionen voranzubringen.
Herr Bundesminister Ramsauer, wohlgesonnen könnte
man sagen: Sie haben Ihre Rede hier in betonter Sachlichkeit vorgetragen.
({1})
Ich muss Ihnen sagen: Das, was Sie hier angeboten haben, war einfach nur lustlos.
({2})
Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Ihnen immer mehr Kompetenzen aus der Hand genommen werden. Man muss Sie zu mehr Selbstvertrauen ermuntern.
Für mich steht fest: Sie können nicht mit Geld umgehen,
und schon gar nicht mit viel Geld.
({3})
Sie haben sich den Beitrag Ihres Ressorts zur Energiewende ohne Not aus der Hand nehmen lassen. Zum
Thema Gebäudesanierung hat der Genosse Pronold
schon das Richtige gesagt.
({4})
Sie haben die Mittel für den Stadtumbau reduziert und
sich damit Protestschreiben von Bürgermeistern von
CSU bis Linke eingehandelt. Sie haben das Programm
„Soziale Stadt“ als baufremde Ausgabe diskreditiert.
Das ist wirklich nicht hinzunehmen.
Sie werden doch inzwischen weltweit Erfahrungen
gesammelt haben.
({5})
Wir haben uns den Umbau einer Township in Kapstadt
angeschaut. Man kann sich in Deutschland den Umbau
von großen Wohnsiedlungen anschauen, zum Beispiel in
Bremen-Tenever.
({6})
Es geht niemals nur um die Seite des Bauens. Es geht
immer auch um die Verbindung von Bau und demokratischer Teilhabe. Deshalb ist dieses Programm so wichtig.
({7})
Wenn Sie dieses Programm diskreditieren, zeugt das von
einer betonköpfigen Politik, die ich Ihnen unterstellen
muss.
Sie haben das Programm „Altersgerecht Umbauen“ in
die Abwicklung geschickt. Wenn es ein positives Programm gibt, das eine wirklich herausragende Wirkung
auf andere Entwicklungsmöglichkeiten hat, dann ist es
dieses Programm. Ich habe damit eine wunderbare Erfahrung gemacht: An einem Neubaublock in meinem
Wahlkreis ist inzwischen außen ein Fahrstuhl angebracht
worden. Das ist nahezu eine Touristenattraktion. Dieses
Programm aber, mit dem Sie etwas bewirken können,
schicken Sie in die Abwicklung.
Ich muss mich erinnern: Ich habe 1990 als Mitglied
der letzten Volkskammer der DDR vergeblich versucht,
diese unselige Altschuldenbelastung ostdeutscher Wohnungsunternehmen zu verhindern. Das wurde mit dem
Einigungsvertrag Gesetz; ich konnte es nicht verhindern.
({8})
Ich hätte es aber nie für möglich gehalten, dass ich
22 Jahre danach noch immer auf die verheerenden Wirkungen dieser Altschuldenbelastung hier im Deutschen
Bundestag hinweisen muss. Das ist noch immer ein Riesenproblem, das ungelöst ist. Meine Fraktion wird Ihnen
einen Vorschlag für eine sinnvolle Kombination von
Stadtumbau Ost und Altschuldentilgung unterbreiten.
({9})
Herr Minister, Sie sind auf die steigenden Mieten in
Ballungsgebieten eingegangen. Wir erwarten, dass Sie
an diesem Thema dranbleiben. Jetzt steht die Privatisierung von über 11 000 bundeseigenen Wohnungen an, die
bislang noch der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft gehören. Das fällt zwar in die Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums, aber wir erwarten vom Bau- und
Wohnungsminister Engagement in dieser Sache. Sie wissen, dass etliche Mitglieder meiner Fraktion als Alternative zu dieser Privatisierung eine Genossenschaft mit
dem Namen FAIRWOHNEN gegründet haben. Nun sind
wir aus dem Bieterverfahren ausgeschlossen worden;
das werden wir uns nicht bieten lassen. Wir rechnen
nicht damit, dass Sie der Genossenschaft beitreten, Herr
Minister, aber ein bisschen mehr Unterstützung für diese
Initiative wäre schon angebracht.
({10})
Zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.
Seit dem Frühjahr ist die Katze aus dem Sack. Mit dem
sogenannten 5. Bericht zur Reform der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung des Bundes liegen die Dinge auf
dem Tisch. Sie wollen alle Behörden in Bonn zentralisieren. Warum gründen Sie nicht gleich ein Zentralkomitee
der Wasser-und Schifffahrtsverwaltung?
({11})
Das, was Sie vorhaben, ist dem ja ähnlich. Ich kann Ihnen sagen, wohin das führt.
Besonders zu kritisieren ist, dass Sie die Wasserstraßen im gesamten Osten quasi zu Restwasserstraßen erklären. Obwohl noch nichts im Parlament entschieden
ist, hat das bereits faktische Auswirkungen. Ich kann Ihnen von einem Jugendlichen aus meinem Wahlkreis berichten. Durch meinen Wahlkreis fließt die Saale. Der
Jugendliche hat ein großes Interesse an fließenden Gewässern und hatte sich bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung beworben. Man hatte ihm gesagt: Willkommen, junger Mann, wir brauchen unbedingt Nachwuchs. Als er nun nachfragte - nachdem im Mai dieser Bericht
auf den Tisch gekommen war -, ob er dort seine Ausbildung machen kann, wenn er mit der Schule fertig ist,
wurde ihm gesagt: Hier im Osten geht nichts mehr. Wir
stellen keine Auszubildenden mehr ein. - Das kann man
die Macht des Faktischen nennen, Herr Minister; ich
nenne es die Macht des Zynischen.
({12})
Die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung
und demokratischer Teilhabe aller an den öffentlichen
Gütern ausgeht. Was alle brauchen, muss öffentlich zugänglich und bezahlbar sein.
Ich will noch ein Wort zum Flughafen Berlin sagen.
Dazu möchte ich den Focus aus dem April 1996 zitieren.
Der Focus berichtete im April 1996 über die Initiative
von Bundesminister Wissmann, CDU, und der CDU
Berlin für eine private Investition von 8 Milliarden
D-Mark für einen neuen Flughafen am Standort Schönefeld. Der Focus nannte das ein sensationelles Konzept.
Das muss deshalb hier zitiert werden, weil die Christlich
Demokratische Union inzwischen versucht, sich vom
Acker zu machen und die Schuld bei zwei Ministerpräsidenten, die zufällig der SPD angehören, abzuladen.
({13})
Es ist auch nicht damit zu erklären, dass der Bund mit
26 Prozent Minderheitseigner ist. Der Bund hat eine
Menge für die Infrastrukturanbindung dieses Flughafens
getan. Deshalb muss man Sie auffordern, zu Ihrer Verantwortung zu stehen, damit es nicht eines Tages heißt:
Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu eröffnen.
Vielen Dank.
({14})
Wir ahnen die Vervollständigung der Geschichtsbücher.
Der nächste Redner ist nun der Kollege SvenChristian Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich muss zugeben: Als ich den Verkehrshaushalt durchgearbeitet habe, war ich überrascht. Bei der
Durchsicht der Kapitel zu den Verkehrsträgern Schiene
und Straße dachte ich erst an einen Fehler in der schwarzgelben Matrix. Ich hatte ein Déjà-vu-Gefühl. Das kam daher: Es gibt deutliche Kürzungen der Mittel beim Neubau
und beim Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen,
430 Millionen Euro weniger, dafür 130 Millionen Euro
mehr beim Erhalt und 226 Millionen Euro mehr bei Investitionen in die Schiene. Das kommt mir bekannt vor;
denn das ist in der Tendenz das, was in unseren grünen
Anträgen zu den Haushalten der letzten Jahre steht. Ich
dachte, Herr Minister, Sie hätten aus den Fehlern Ihres
Parteifreundes Karl-Theodor zu Guttenberg gelernt. Statt
zu „guttenbergen“, hätten Sie uns, die grüne Bundestagsfraktion, als Originalquelle im Haushaltsplan angeben
können.
({0})
Aber bei uns wird ja alles unter Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht.
Wenn man in den Bundeshaushalt schaut, sieht man,
dass die Titel Erhalt und Neubau gegenseitig deckungsfähig sind. In der Vergangenheit wurde im laufenden
Haushaltsjahr aber immer vom Erhalt zum Neubau umgeschichtet. Deswegen muss man abwarten, was passiert.
Beim weiteren Betrachten des Haushalts trat wieder
Ernüchterung ein: Eine realistische Verkehrspolitik? - Fehlanzeige! Eine nachhaltige Vision, wie wir diesen Haushalt zukunftsfest machen? - Auch Fehlanzeige! Ein aktuelles Beispiel ist Ihr neues Konzept zum Radverkehr. Es
ist ungenau; es gibt viel heiße Luft. Was machen Sie konkret? Sie haben in Ihrer Amtszeit die Mittel für den Radverkehr um fast die Hälfte gekürzt.
Ein weiteres Beispiel: ÖPP, öffentlich-private Partnerschaften. Seit Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie die
Mittel für diesen Titel fast verdoppelt, nämlich auf
190 Millionen Euro. Auch dieses Jahr gibt es 20 Millionen Euro mehr. Was ist das Problem bei ÖPP? Erstens.
Dies ist häufig teurer. Der Bund leistet sich Projekte, wofür er eigentlich kein Geld hat, und die Projektkosten
sind höher. Zweitens. Dies ist häufig total intransparent
und geheim. Wir erfahren nichts über die Wirtschaftlichkeitsberechnungen, nichts über die Verträge. Das sagen
nicht nur wir; das hat Ihnen zuletzt auch der Bundesrechnungshof gesagt. Wenn Sie schon nicht auf uns hören,
dann könnten Sie wenigstens auf den Bundesrechnungshof hören.
({1})
In dieser Haushaltswoche ging es auch viel um Konsolidierung. Den schwarz-gelben Willen hierzu merkt
man besonders bei Ihnen, Herr Minister Ramsauer. Im
Juni hat das Kabinett mit der Zustimmung des Verkehrsministers den Haushaltsentwurf beschlossen. Am selben
Tag, Herr Minister, haben Sie eine Zusatzmilliarde gefordert, wie Sie es auch heute wieder gemacht haben, jedoch ohne jeden Vorschlag für eine Gegenfinanzierung.
Es gibt keinen Deckungsvorschlag dafür. Gleichzeitig
haben Sie - es kommt noch besser - die Abschaffung der
Luftverkehrsteuer gefordert. Das wäre dann ein Einnahmeausfall von 1 Milliarde Euro. Das macht zusammen
2 Milliarden Euro Defizit von Herrn Ramsauer. Mehr
ausgeben und Steuern senken - Glückwunsch, Herr
Minister, Sie haben exemplarisch gezeigt, wie schwarzgelbe Haushaltspolitik aussieht.
({2})
Das Problem ist auch: Mehr Geld im Verkehrsetat löst
das grundsätzliche Problem nicht. Ich habe das Bundesverkehrsministerium gefragt: Wie viele Anmeldungen
gibt es eigentlich im Vordringlichen Bedarf im aktuellen
Bundesverkehrswegeplan für Neu- und Ausbauprojekte
der Straße? Im Vordringlichen Bedarf sollen 33 Milliarden Euro bis 2015 prioritär sein. Im Finanzplan 2012 bis
2015 sind dafür 6,3 Milliarden Euro eingestellt. Das
heißt, nur 20 Prozent der Neubauprojekte sind finanziert;
für 80 Prozent ist überhaupt kein Geld da. Da klafft eine
27-Milliarden-Euro-Lücke. Da hilft auch 1 Milliarde
Euro mehr oder weniger nicht. Das Grundproblem aber
ist, dass das mit der Priorisierung gar nichts zu tun hat.
Sie priorisieren im Haushalt nicht. Das ist nicht ehrlich
und nicht transparent. Der ganze Bundesverkehrswegeplan funktioniert so nicht. Das ist kein Problem der
Unterfinanzierung. Der Bundesverkehrswegeplan ist
planlos überbucht; das ist das grundsätzliche Problem.
({3})
- Aber das Gute in Baden-Württemberg ist, dass dort
eine starke Priorisierung vorgenommen worden ist. Dort
haben wir ganz klar gesagt, welche Straßen wir priorisieren. Wir haben klargemacht, dass es bei Straßen in Baden-Württemberg eine klare Priorisierung gibt.
({4})
Wir müssen hier grundsätzlich neu denken. Wir haben
das Problem, dass überall Wahlkreis- und Lobbyinteressen einer grundsätzlichen Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans vorgehen. Deswegen brauchen wir
für die Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans einen Neuanfang. Wir wollen einen Bundesmobilitätsplan.
Er muss ehrlich sein, und er muss die Kosten transparent
darstellen. Vor allen Dingen muss er alle Verkehrsträger
im Gesamtnetz berücksichtigen, was er bisher eben nicht
macht, und auf die neuen Mobilitätsanforderungen eingehen. Für diesen Neuanfang brauchen wir viel Mut.
Wir müssen uns mutig gegen die Lobbys durchsetzen.
Wir müssen den Mut haben, uns gegen Wahlkreisinteressen durchzusetzen. Wir müssen vor allen Dingen Mut
haben, Verkehrspolitik grundsätzlich neu zu denken.
Vielen Dank.
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Arnold Vaatz für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir reden jetzt schon eine Woche lang über den
Haushalt.
({0})
Da gibt es eine Situation, die sich kontinuierlich wiederholt: Einerseits wird uns vorgeworfen, dass wir angesichts guter Steuereinnahmen überhaupt neue Schulden
machen. Andererseits wird bei fast jedem Einzelplan gefordert, dass wir etwas drauflegen.
({1})
Die Kritik, dass wir in einzelnen Bereichen zu wenig
Geld eingeplant hätten, wäre dann seriös, wenn Sie uns
Fehlverwendungen nachwiesen und seriöse Deckungsvorschläge machten.
({2})
Herr Pronold, das haben Sie bis jetzt nicht getan. Ich
hoffe, Herr Kahrs wird das nachholen, wenn er zu Wort
kommt. Dann wäre ein seriöses Gespräch darüber möglich.
({3})
Wer Ja zur Haushaltskonsolidierung sagt, der muss
die Konsequenzen akzeptieren. Wir sagen Ja zur Haushaltskonsolidierung. Unter diesen Bedingungen hat
Peter Ramsauer einen Investitionshaushalt mit immerhin
10,1 Milliarden Euro vorgelegt, der, so meine ich, ein
hohes Maß an Kontinuität und Investitionssicherheit erreicht und außerdem von großer konzeptioneller Klarheit
ist. Was ich darunter verstehe, will ich Ihnen sagen: Wir
sind eine mobile Gesellschaft und wollen das bleiben.
Wir haben eine hohe Wohn- und Lebensqualität erreicht
und wollen sie erhalten. Wir haben enorme Investitionen
in den Schutz unserer Lebensgrundlagen getätigt und
wollen dies fortsetzen. Dazu brauchen wir eine leistungsfähige Infrastruktur; diese müssen wir erhalten und
verbessern.
Ich sage Ihnen Folgendes: Wer in seinem Leben über
ein Jahrzehnt oder länger die vollständige Agonie einer
Infrastruktur erlebt hat, wie ich während der DDR-Zeit,
der will in eine solche Situation nie wieder zurück. Insofern halte ich die Orientierung an dem Grundsatz, keinen
weiteren Werteverzehr infolge unterlassener Erhaltungs- und Instandhaltungsarbeiten zuzulassen, für eine
grundlegende Weichenstellung in diesem Haushalt,
meine Damen und Herren.
({4})
Im Rahmen des Investitionsbeschleunigungsprogramms haben wir dies in den Haushalten 2012 und
2013 umgesetzt. Diese Prioritäten setzt auch der Investitionsrahmenplan, der bis 2015 gilt. Auch hier zeigt sich
etwas sehr Interessantes:
({5})
Er hat ein Volumen von 41 Milliarden Euro. Der letzte
unter sozialdemokratischer Ägide entstandene Investitionsrahmenplan hatte einen Umfang von 57 Milliarden Euro. Das Problem war, dass Sie schon damals
wussten, dass entschieden weniger Mittel zur Verfügung
stehen. Aber das ist eben der Unterschied: Unser Grundprinzip ist Seriosität, nicht Schaufensterpolitik.
({6})
Herr Pronold, wenn Sie uns vorwerfen, wir hätten
keine Visionen,
({7})
dann muss ich sagen: Ich bin mir angesichts Ihrer Rede
nicht hundertprozentig sicher, ob Sie den Unterschied
zwischen den Begriffen Vision und Halluzination kennen.
({8})
Denn das, was Sie hier vorgetragen haben, hat teilweise
von so großer Unkenntnis und von Wunschdenken gestrotzt, dass wir darüber nur lachen konnten. Das ist die
Realität.
Meine Damen und Herren, der Finanzbedarf für unsere Verkehrsinfrastruktur ist noch viel höher, als wir ihn
im Haushalt darstellen können; das wissen wir alle. Dieser Finanzbedarf wäre nicht ganz so hoch, wenn wir
nicht noch heute die Versäumnisse einer Handvoll früherer SPD-Verkehrsminister nachholen müssten, durch die
unser Etat zusätzlich belastet wird. Das ist es aber nicht
allein. Auch die gestiegenen Standards, die gestiegenen
Umweltanforderungen und die exorbitante Länge der
Genehmigungsverfahren sowie die in dieser Zeit steigenden Material- und Baupreise erhöhen den Kostendruck. Darauf müssen wir reagieren, entweder durch die
Zurverfügungstellung von mehr Haushaltsmitteln, indem wir auf das allgemeine Steueraufkommen zurückgreifen, oder durch anderweitige Erhöhungen der Einnahmen.
Dieser Weg ist eingeschlagen worden. Mittlerweile
werden die Verkehrsinvestitionen zu rund einem Drittel
aus den Einnahmen aus der Lkw-Maut gespeist. Wir haben auch damit begonnen, sowohl bei der Straße als
auch bei der Schiene verkehrsträgerbezogene Finanzierungskreisläufe einzurichten. Das bedeutet ein Stück
mehr Unabhängigkeit vom Haushalt, meine Damen und
Herren.
({9})
Auch wenn niemand bestreitet, dass die bedarfsgerechte
Finanzierung der Verkehrswege eine Aufgabe der öffentlichen Hand bleiben muss, glaube ich, dass wir zur
Finanzierung unserer Investitionen im Bereich der
Verkehrsinfrastruktur allgemein unabhängiger vom
Haushalt werden müssen. Das bleibt in den kommenden
Jahren eine wichtige Baustelle. Die konzeptionellen Ansätze der Nutzerfinanzierung müssen weiterentwickelt
werden. Dafür brauchen wir allerdings einen breiten öffentlichen Konsens; denn das ist keine Augenblicksaufgabe, sondern eine langfristige strategische Entscheidung, die wir anstreben müssen.
Meine Damen und Herren, was wir uns mit Sicherheit
nicht leisten können, sind fortwährende Verzögerungen
beim Infrastrukturausbau, die bei Großprojekten in den
letzten Jahren allmählich zur Regel geworden sind. Die
Planungsprozesse dauern zu lange.
({10})
Längst ist es so, dass nach Recht und Gesetz erfolgte
Entscheidungen immer wieder infrage gestellt werden nicht von uns.
({11})
Es mag ja lustig sein, dass Herr Kretschmann den Bau
des Stuttgarter Bahnhofs vor Störungen durch seine eigene Klientel schützen muss.
({12})
Da aber Herr Kindler gesagt hat, unsere Haushalte seien
überbucht,
({13})
muss ich Sie darauf hinweisen: Vorkommnisse wie bei
Stuttgart 21 sind die wirklichen Kostentreiber. Das ist
der Grund für die Überbuchung.
({14})
Es ist nicht so, dass das von Haus aus so sein musste.
Ihre Verzögerungsmaßnahmen, Ihre Prozesshanselei,
Ihre teilweise mit Mitteln der Gewalt vorgetragene Gegnerschaft bei allen Großprojekten haben bis jetzt Unsummen an zusätzlichen Kosten produziert, über die Sie
jetzt, weil das Geld fehlt, Krokodilstränen vergießen.
Das kann nicht die Zukunft für unsere Infrastrukturinvestitionen sein.
({15})
Zum Markenkern unseres Landes, zum Ruf Deutschlands in der Welt gehören Qualität, Effizienz, Termintreue. Es war noch vor Monaten undenkbar, dass einmal
in der ganzen Welt homerisches Gelächter über das Versagen Deutschlands auf genau diesem Feld ausbrechen
würde. Der Dilettantismus beim Berliner Flughafen
muss aufgeklärt werden. Dergleichen darf sich niemals
wiederholen. Die Chuzpe des Aufsichtsratsvorsitzenden
im Umgang mit dem unter seiner Ägide angerichteten
enormen Schaden muss für ihn einschneidende politische Folgen haben, wenn das Vertrauen in unsere öffentlichen Institutionen nach diesem Fall keinen Schaden
nehmen soll.
({16})
Wir stehen in einem weltweiten Wettbewerb. Rahmenbedingungen, die diesen Wettbewerb verzerren,
müssen beseitigt werden. Das betrifft zum Beispiel die
Harmonisierung des europäischen Schienenverkehrs.
Das gilt aber auch für den Luftverkehr. Ich sehe dringenden Diskussions- und Handlungsbedarf bei der Luftverkehrsteuer.
({17})
- Ja, genau. Wir sind eine demokratische Partei, wir sind
eine demokratische Fraktion. Demzufolge darf ich hier
sagen, dass ich der Meinung bin, dass wir über diese Sache noch einmal nachdenken müssen.
({18})
Ein Kernstück der europäischen Politik ist das transeuropäische Verkehrsnetz. Wir haben die diesjährigen
Vorschläge der EU-Kommission dazu begrüßt. Aber wir
haben auch durchgesetzt, dass die Planungs- und Finanzierungshoheit bei den Mitgliedstaaten verbleibt. Damit
ist die zeitliche Realisierung kein Brüsseler Diktat. Sie
steht unter unserem Finanzierungsvorbehalt. Das ist
wichtig; denn das Ganze wird sehr teuer werden. Wir
sind insgesamt an sechs von insgesamt zehn transeuropäischen Korridoren beteiligt.
Im Baubereich haben wir einen Schwerpunkt auf die
Förderung der energetischen Sanierung gelegt. Für das
Gebäudesanierungsprogramm haben wir 1,5 Milliarden
Euro jährlich aus dem Energie- und Klimafonds zur Verfügung. Wir alle hoffen, dass die Länder im Vermittlungsverfahren einlenken und auch die zweite Säule, die
steuerliche Förderung, ermöglichen.
Ich möchte auch dafür werben - das ist der einzige
Punkt, Herr Claus, worin ich mit Ihnen übereinstimme -,
dass wir im parlamentarischen Verfahren versuchen, das
Programm „Altersgerecht Umbauen“, dessen Mittel momentan leider auf null gesetzt sind, für die Zukunft auf
alle Fälle zu erhalten.
Vielen Dank. - Es gibt eine Menge zu tun. Packen wir
es an!
({19})
Johannes Kahrs ist der nächste Redner für die SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben heute Reden gehört, bei denen man
sich fragt: Warum sind diese Redner überhaupt aufgestanden?
({0})
Der Minister hat sich hier hingestellt und, im Vergleich
zu sonst, lustlos etwas vorgetragen, was ihm jemand aufgeschrieben hat. Ich kenne ihn noch vom Anfang der Legislaturperiode. Da hat er deutlich mehr Elan auf die
Straße gebracht.
({1})
Das ist heute nicht mehr so. Schauen wir einmal genau
hin: Früher saß da eine stolze Riege seiner Staatssekretäre. Heute sitzen da nur noch zwei. Das heißt: Im Hause
gibt es kein Interesse mehr. Der Minister hat kein Interesse mehr; die Koalition hat bei seiner Rede kaum noch
geklatscht. Sie wickeln gerade ab; das kann vorkommen.
Die letzten drei Jahre waren ja auch nicht so toll. In der
Union wird schon darüber gestritten, ob das, was Sie gemacht haben, überhaupt sinnvoll war.
Um ein Beispiel zu nennen - ich persönlich hätte dieses Thema gar nicht angesprochen; aber der Minister
und der Kollege Vaatz haben darüber gesprochen -: Sie
haben die Luftverkehrsteuer - man muss sich das Wort
einmal auf der Zunge zergehen lassen - eingeführt. Jetzt
bejammern Sie, dass es sie noch gibt. Innerhalb von drei
Jahren ist das eine echte Leistung. Das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen.
({2})
Zuerst führt man eine Steuer ein, und dann erklären der
Minister und Herr Vaatz: Sie muss wieder weg. - Die dafür notwendige Mehrheit haben Sie. Ganz ehrlich: Wir
Sozialdemokraten wären dazu bereit. Wir reichen Ihnen
die Hand; wir machen sogar mit.
({3})
Sie kriegen also in diesem Haus eine Zweidrittelmehrheit. Sie müssen sich nur mal durchsetzen.
({4})
Das ist das Hauptproblem Ihrer etwas jämmerlichen
Politik: Sie setzen sich nicht mal in dieser Koalition
durch. Sie sind mit dem Fachausschuss und als Bau- und
Verkehrspolitiker in Gänze gescheitert.
({5})
Das ist die Wahrheit, und das ist es, was der Minister
heute verkündet hat: sein eigenes Scheitern.
Ich habe hier großartige Debatten über die Einführung der Pkw-Maut erlebt. Sie erinnern sich vielleicht
auch noch daran, dass das vollmundig versprochen
wurde, übrigens von demselben Minister, der gesagt hat:
Der Autofahrer ist zu sehr belastet durch die Benzinsteuer und Benzinkosten; man muss den Autofahrer entlasten. - In der gleichen Sekunde stellt er sich hin und
fordert eine Pkw-Maut. Da fragt man sich, wo das solide
Finanzkonzept bleibt, das Sie eingefordert haben, Herr
Vaatz.
Man muss sich fragen, was diesem Haus in den letzten drei Jahren gefehlt hat: nämlich Führung, Ideen und
von mir aus auch Visionen. Die Wirtschaftswoche, die
nicht wirklich SPD-nah ist,
({6})
zitiert dazu Herrn Ramsauer. Sie können das nachlesen.
Herr Ramsauer mahnt:
Die wirtschaftlichen Grunddaten für unsere Verkehrsprognose 2030 machen deutlich: Wir dürfen
die Infrastruktur nicht dauerhaft auf Verschleiß fahren - deshalb sind zusätzliche Haushaltsgelder notwendig.
Deswegen hat er die Luftverkehrsteuer abschaffen wollen: damit er mehr Haushaltsmittel hat.
Die Pkw-Maut wollte er einführen, damit er mehr
Haushaltsmittel hat. Die Pkw-Maut kommt nicht.
Stattdessen haben wir lustige Fragen diskutiert, zum
Beispiel ob man auf dem Seitenstreifen der Autobahn
fahren kann, ob alle Parkplätze neue Namen bekommen
sollen oder ob man neue Autokennzeichen braucht, damit der Lokalpatriot glücklich und selig ist.
({7})
Die Frage ist: Inwiefern ist das Politik? Das Erbärmliche an der ganzen Veranstaltung ist, dass Sie hier seriöse
Politik fordern, aber drei Jahre Murks abgeliefert haben.
({8})
Das wissen Sie auch, und das ist das Peinliche.
Man kann glauben, dass, wenn es eine bürgerliche
Mehrheit gibt, CDU/CSU und FDP irgendwann etwas
auf den Tisch legen. Dass Sie die Wehrpflicht abgeschafft haben und eine Luftverkehrsteuer einführen, haben Ihre Wähler von Ihnen nicht erwartet, übrigens auch
keine Pkw-Maut.
({9})
- Die FDP-Wähler werden weniger. Um die kümmert
sich zurzeit keiner.
Wenn man sich das alles anguckt, dann glauben zumindest wir als Sozialdemokraten, dass es mal wieder
Zeit ist für einen soliden Haushalt. Das heißt, dass wir
uns darüber unterhalten müssen: Was muss die Linie
sein zum Beispiel im Verkehrsbereich; was braucht man
für die Infrastruktur? Da muss man gucken, wie man das
solide rechnet. Der Kollege Vaatz hatte das eingefordert.
Die SPD hat ein Steuer- und Finanzkonzept vorgelegt,
und wir haben auch gesagt, wie wir Mehreinnahmen generieren wollen. Das ist solide durchgerechnet. Es wird
Anträge der SPD geben, den Verkehrsetat strukturell um
2 Milliarden Euro zu erhöhen. Wir haben das beim letzten Mal mit 1 Milliarde Euro gemacht, weil wir der Meinung waren: Man muss in Infrastruktur investieren. Der
Minister hatte mit dem, wie ihn die Wirtschaftswoche in
dieser Frage zitiert hatte, recht, nur, getan hat er nichts.
({10})
Ich glaube, Sie müssen sich anstrengen. Wir haben
gesagt, wir würden 1 Milliarde Euro für die dauerhafte
Instandhaltung der Bundesautobahnen ausgeben. Wenn
Sie 1 Milliarde Euro mehr haben, können Sie endlich die
notwendigen Sanierungen angehen, und zwar strukturell.
Damit das nicht wieder so eine peinliche Veranstaltung wird wie beim Minister, dass man über das Befahren des Seitenstreifens spricht und sonst nicht viel passiert, sind wir der Meinung, dass man 24 Stunden am
Tag an sieben Tagen der Woche bei entsprechender
Schichtarbeit an den Baustellen auf den Autobahnen arbeiten kann.
({11})
Es ist nichts peinlicher, als wenn man am Wochenende
über die Autobahn fährt oder man Tag für Tag an Baustellen vorbeifährt, sich dort im Stau entlangquält und
gar nichts passiert; es bewegt sich da niemand.
({12})
Wenn sich nicht endlich mal was bewegt, dann haben
wir doch das Problem, dass all das Geld, das Sie da investieren wollen, nichts bringt. Es muss mehr Geld geben, und es muss auch eine Idee geben, wie man mit
dem Geld umgeht, wie man es hinkriegt, dass auf deutschen Autobahnen wieder entsprechend gefahren werden kann und man nicht im selbstgebauten Stau steht.
Das sind Dinge, die wir hier diskutieren müssen. - Herr
Minister, es bringt Ihnen gar nichts, dass Sie da mit Ihrem Kollegen reden und nicht zuhören. Es wäre gut,
wenn Sie einfach mal was tun.
({13})
Herr Kollege Kahrs, darf die Kollegin Winterstein Ihnen eine Frage stellen?
Die von mir so geschätzte Kollegin Claudia
Winterstein darf selbstverständlich gerne eine Frage stellen.
Meine Güte! Ich glaube, sie traut sich jetzt bei dieser
Charmeoffensive gar nicht mehr, das zu fragen, was sie
eigentlich vorhatte.
({0})
Doch, da bin ich unbarmherzig. - Lieber Herr Kahrs,
nachdem Sie es so dargestellt haben, dass wir so viel unterlassen haben, anstatt entsprechende Maßnahmen zu
ergreifen und dafür Sorge zu tragen, dass die Verkehrsinfrastruktur top ist, ist meine Frage an Sie: Wie sah es
denn am Ende der rot-grünen Koalition aus?
({0})
Wollen Sie behaupten, dass Sie uns die Straßen, die Brücken, die ganze Infrastruktur in einem hervorragenden
Zustand übergeben haben, dass Sie auch in der Großen
Koalition erfolgreich waren? Denn Sie von der SPD haben ja den Minister im Verkehrsbereich gestellt. Haben
Sie all dies so bewältigt, wie Sie es gerade uns so hervorragend vorgeschlagen haben? Sie haben uns vorgeworfen, dass das nicht in ausreichendem Maße geschieht.
Meine Zahlen sprechen da eine andere Sprache. Ich habe
nicht festgestellt, dass Sie wesentlich mehr ausgegeben
haben, sondern ich habe festgestellt, dass es weniger
war. Ich habe auch nicht festgestellt, dass die Brücken in
einem guten Zustand waren. Wir haben nämlich jetzt
diese Hypothek, wir haben die bröckelnden Brücken,
und die bröckeln nicht erst seit drei Jahren.
({1})
Liebe Claudia!
({0})
Zum einen ist es schön, dass du mir eine Frage gestellt
hast. Bei meinem Kollegen, Herrn Pronold, hat sich gar
keiner getraut. Zum anderen ist es schön, dass du jetzt
wieder stehst.
In der Sache würde ich raten, dass man sich einmal
den Haushalt anguckt.
({1})
- Das ist ja schön, aber dann muss man es auch verstehen.
({2})
Im Kern ist es so, dass wir unter Rot-Grün natürlich viel
Geld investiert haben, zum Beispiel, um Verkehr von der
Straße auf die Schiene zu bringen. Da hat es wunderbare
Programme gegeben, die Sie in den letzten Jahren leider
immer wieder gekürzt haben. Das heißt: Wenn das
Ganze Sinn machen soll, dann müssen Sie nicht nur
Geld investieren - wir haben das getan -, sondern brauchen auch eine Idee, wie Sie vorankommen wollen. Ich
glaube, wir haben unter Rot-Grün gezeigt, wie es vernünftig funktioniert. Übrigens, das tun wir jetzt auch
noch - in den letzten Jahren immer wieder -, weil wir
entsprechende Haushaltsanträge vorlegen.
Unser Problem ist, dass Ihr Minister, der Ihnen, wie
ich zugebe, nicht laufend folgt, in der Sache leider nicht
die Dinge macht, die notwendig sind. Die Haushalte
sprechen da eine klare Sprache. Deswegen empfehle ich
die Lektüre. Wir sehen uns noch in der Abschlussrunde,
und dann können wir das noch mal diskutieren. Vielleicht hast du dann etwas dazugelernt.
({3})
Ich danke für die Verlängerung meiner Redezeit.
Da die Kollegin Frau Dr. Winterstein, gerade etwas
angesprochen hat, möchte ich mit dem Thema weitermachen, mit dem du liebe Claudia, aufgehört hast, nämlich
mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Wenn man
sich anguckt, was die FDP, etwas lau und träge unterstützt von der CDU/CSU, in dem Bereich getrieben hat,
dann wird man feststellen, dass nicht viel Vernünftiges
dabei herumgekommen ist. Es gibt ein rechtswissenschaftliches Gutachten des Beamtenbundes, in dem ganz
klar festgestellt wird, dass der Umbau der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung von einer Ausführungsverwaltung zu einer Gewährleistungsverwaltung - das sagt Professor Pechstein wortwörtlich - deutlich über die Grenzen des Zulässigen hinausgeht. Er geht davon aus, dass
das bereits heute bestehende Ausmaß von Vergaben gemessen an den Maßstäben des Art. 89 Grundgesetz einen
kritischen Umfang erreicht hat und jede weitere Steigerung der Vergabequote diese Situation noch verschärfen
würde.
Das klingt noch alles harmlos. Was haben Sie denn in
der Sache gemacht? Sie sind gerade dabei, eine funktionierende Bundesverwaltung zu zerschlagen.
({4})
Ich habe nichts dagegen, dass man die Bundesverwaltung reformiert; das ist alles in Ordnung. Man kann das
Ganze reformieren, man kann investieren, man kann
Mitarbeiter motivieren und schulen, man kann das bestehende Personal qualifizieren und mit ihm anständig umgehen.
Was Sie tun, ist aber das genaue Gegenteil. Wenn man
sich die Beschlüsse anguckt, die Sie vorgelegt und
durchgesetzt haben, zum Beispiel über Beförderungsstopps oder die Nichtübernahme von Auszubildenden
und zu anderen Dingen: Sie haben doch Tausende von
Mitarbeitern in Deutschland mit diesen unsinnigen Ausbauplänen in Angst und Schrecken versetzt.
Jetzt haben Sie das Problem, dass es eine Diskussion
über die Wertigkeit von Flüssen gibt und darüber, wo der
Bund noch tätig wird und wo nicht. In der Sache haben
wir das immer verhindert. Wir sind sehr erfolgreich; wir
werden es weiter verhindern. Ehrlich gesagt: Die CDU/
CSU will das doch auch nicht.
({5})
Sie können sich noch so sehr mühen, es wird nichts.
Lieber Herr Kahrs, möchten Sie denn vor Ende der
Redezeit noch eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb
beantworten?
Das ist meine Rettung, sonst wäre meine Redezeit ja
gleich vorbei.
So ähnlich sehe ich das auch. - Bitte schön.
Herr Präsident! Lieber Kollege Kahrs, nachdem ich
vorhin so charmant ausgebremst worden bin, möchte ich
meine Frage nachtragen: Würden Sie erstens bitte bestätigen, dass für die Bauausführung und die BaudurchfühBartholomäus Kalb
rung nicht Bundesbehörden zuständig sind, sondern die
Auftragsverwaltung und hier in der Regel die Landesbauverwaltungen?
Würden Sie zweitens meine Meinung teilen, dass es
im Einzelfall zwar vernünftig sein kann, rund um die
Uhr und sieben Tage in der Woche zu bauen, dass dies
aber auch einen erheblichen Einfluss auf die Kosten hat?
Deswegen bin ich der Meinung, man muss genau abwägen, ob das notwendig und sinnvoll ist, da im Übrigen
die Unfallgefahr nächtens natürlich größer ist.
Lieber Barthel, ich danke dir erst mal für diese Frage.
Das gibt mir die Möglichkeit,
({0})
dir in der Antwort darzustellen, dass wir natürlich Probleme mit den Landesbauverwaltungen haben.
Deswegen muss man, glaube ich, auch über eine Reform derselben reden. Wir alle wissen, dass bestimmte
Vorhaben nicht so bearbeitet werden, wie sie bearbeitet
werden müssten. Es gibt gute Landesbauverwaltungen,
aber es gibt auch eher grenzwertige. Wir alle glauben
aber: Wenn wir uns ernsthaft Mühe geben und diese
Landesbauverwaltungen wieder so auf Trab bringen,
wird es möglich, die notwendigen Vorhaben schließlich
durchzusetzen.
Und, Barthel, es ist so, dass es natürlich teurer wird,
wenn auf den Baustellen 24 Stunden am Tag und sieben
Tage in der Woche gearbeitet wird. Aber die Frage ist,
ob es sich volkswirtschaftlich nicht rechnet, wenn man
zwar 10, 15 oder 20 Prozent mehr zahlt, dafür aber vielleicht in der Hälfte der Bauzeit fertig wird.
({1})
- Das ist natürlich eine Abwägung, aber ihr habt ja drei
Jahre Zeit gehabt. Es wäre schön, wenn der Minister
nicht nur über Seitenstreifen und über neue Kennzeichen
reden würde, sondern auch etwas tut.
Das ist aber leider nicht der Fall. Deshalb hast du
recht: Man muss priorisieren.
({2})
- Entspannt bleiben! Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen. - Deswegen glauben wir, dass in diesem
Bereich sehr viel mehr getan werden muss, dass man
40 Millionen Euro mehr für den Fahrradverkehr ausgeben muss, um auf die 100 Millionen Euro zu kommen.
Ich weiß, dass dir das ebenfalls sehr am Herzen liegt.
Abschließend sei noch gesagt, dass wir glauben, dass
wir Geld auch in Wasserstraßen investieren müssen. Der
Vorschlag von 300 Millionen Euro für die fünfte
Schleuse war gut, Claudia. In dieser Sache haben wir
euch immer unterstützt, getrieben und gefordert. Das
Problem ist: Der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals kostet
1,2 Milliarden Euro. 300 Millionen Euro sind hier nur
ein Anfang. Wir erwarten in diesem Jahr einen Antrag
von euch über die nächsten 300 Millionen Euro, damit
hier weitergemacht werden kann.
Vergessen Sie nicht die Schleuse in Scharnebeck.
Dort gibt es ein Problem mit dem Elbe-Seitenkanal. Herr
Staatssekretär Ferlemann kennt das Problem. Auch hier
erwarte ich, dass die Koalition tätig wird. Also: Eine
weitere Infrastrukturmilliarde ist notwendig. Setzen Sie
sich mal durch! Tun Sie was Gutes für Deutschland!
Glück auf!
({3})
Ich erteile das Wort jetzt dem Kollegen Sebastian
Körber für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach dieser Klamaukrede des Kollegen Kahrs wird es
einem schon ganz anders. Wenn die einzige sozialdemokratische Vision für dieses Land Mehrbelastung der
Menschen und die Absicht, neue Schulden zu machen,
ist, dann wird mir sicherlich nicht bange.
({0})
Bei all diesen Zahlen dürfen Sie aber nicht vergessen:
Wenn wir uns den Mobilitätsbedarf der Gesellschaft ansehen, stellen wir fest, dass wir einen Ausbau von allen
Verkehrsträgern brauchen, und zwar gleichwertig.
Es ist völlig unbestritten,
({1})
dass in den nächsten Jahrzehnten die Straße - Sie müssen zuhören, Herr Kollege Kindler ({2})
der Verkehrsträger Nummer eins bleiben wird, zumindest für uns als schwarz-gelbe Koalition.
Mit Verlaub, da Sie in letzter Zeit sehr medienwirksam Elektroautos anschauen: Die großen Dienstlimousinen - Frau Künast unterhält sich ja dahinten - stehen um
die Ecke, und vorne, wo die Kameras stehen, werden die
Elektroautos angeschaut. Allerdings werden auch die auf
Straßen fahren müssen.
Natürlich darf man nicht vergessen, dass wir gerade
in diesem Bereich weiter investieren müssen, und zwar
nicht nur in Lärmschutz und Ortsumgehungen. Das ist
bei weitem nicht ausreichend.
Aber schauen wir vielleicht einmal zu Ihnen nach Baden-Württemberg, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen. Da haben Sie ja Regierungsverantwortung,
gerade im Verkehrsbereich. Ich finde es fast schon
schandhaft, dass Sie hier den Kommunen jegliche Unterstützung für weitere Straßen völlig versagt haben. Die
Unterstützung für die Straße haben Sie in Baden-Württemberg nämlich auf null gesetzt.
({3})
Auch dort müssten übrigens die Elektroautos auf der
Straße fahren. Sie bauen dort lieber mehr Radwege.
Aber wir sind nun einmal nicht im Legoland.
({4})
Es funktioniert halt nicht.
({5})
Schauen Sie sich doch einmal den ländlichen Raum an.
Da sind die Bürgerinnen und Bürger darauf angewiesen,
dass es Straßen gibt. Sie können sich nicht - das war ja
auch ein Vorschlag - auf ein abgewracktes Fahrrad setzen. Auch das wird natürlich nicht funktionieren. Wir
setzen hier weiterhin auf die individuelle Freiheit und
die freie Wahl des Transportmittels.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen wir
uns ein weiteres sozialdemokratisches Märchen an. Sie
reden immer von Gebäudesanierung und steuerlichen
Abschreibungsmöglichkeiten. Bei der Gebäudesanierung - das gehört zur Wahrheit auch dazu; das muss einmal klargestellt werden - hat der Kollege Tiefensee, ein
SPD-Minister, diese Mittel zweimal auf drei Jahre befristet. Sie haben zweimal die Ausgabe von Mitteln vorgezogen und haben uns dann in den Haushaltsjahren
2009 und 2010 quasi ein Defizit übergeben.
Mit der gleichen Inbrunst treten Sie im Bundesrat auf.
Wir brauchen dringend diese steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten bei der energetischen Gebäudesanierung, um gerade auch beim Klimaschutz voranzukommen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Aber warum machen
es doch auch Ihre Länder nicht? Warum machen es die CDU/FDP-geführten Länder
nicht?
Es ist gerade den Kollegen von den Grünen wichtig,
dass Sie hier entsprechend diese Potenziale heben und
diesen Abschreibungsmöglichkeiten zustimmen.
({6})
Vielleicht auch hier einmal zu den Fakten.
({7})
Diese schwarz-gelbe Regierungskoalition, die Bundesregierung, hat der Übernahme des Bundesanteils bei
den steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten durch die
entsprechenden Gesetze bereits zugestimmt. Der wird
bei etwa 638 Millionen Euro angesetzt.
({8})
Wir haben energetische Stadtsanierung eingeführt und
das CO2-Gebäudesanierungsprogramm endlich verstetigt. Das heißt, wir stellen bereits weit mehr als 2 Milliarden Euro für energetische Gebäudesanierung zur Verfügung.
({9})
Es ist nun einmal ein zustimmungspflichtiges Gesetz im
Bundesrat. Wir haben unsere Hausaufgaben hier gemacht.
({10})
Sie sollten es jetzt einmal in den Ländern machen, gerade auch in NRW bei der Kollegin Kraft.
({11})
- Ich kann das sehr gerne aufgreifen. Ich kann eine Ihrer
Regierungen zitieren - Zitat der Frau Kollegin Kraft -:
Die Energiewende kann nur als Gemeinschaftswerk
erfolgreich sein.
Ja, dann soll sie ihre Blockadehaltung endlich aufgeben.
Sie haben es doch in der Hand.
({12})
- Meine sehr verehrten Damen und Herren, stellen Sie
doch wenigstens eine Zwischenfrage. Da kann man noch
etwas lernen, Herr Pronold.
Im Gebäudebestand müssen wir unsere Energieeinsparpotenziale heben. Das steht für mich und auch für
die schwarz-gelbe Regierungskoalition fest. Wir setzen
hier weiter auf Anreize anstelle von Zwangsmaßnahmen. Das ist etwas, was die Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen immer wieder gerne vorschlagen, dass
Hausbesitzer immer weiter belastet werden sollen.
({13})
Dies ist schließlich und endlich nicht zulässig; denn es
geht auch darum, das Eigentum der Menschen zu schützen.
Im Windschatten der Energiewende segelt immer
auch ein Stück weit der demografische Wandel.
({14})
Es gehört dazu, dass wir den altersgerechten Umbau voranbringen und auch in öffentlichen Bereichen entsprechend Barrieren reduzieren. Der Kollege Vaatz hat es
bereits angesprochen. Hier erwarte ich mir als Parlamentarier auch noch etwas mehr Einsatz von der Regierung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Bereich
der Wohnungspolitik macht Rot-Grün in letzter Zeit ja
auch wieder Schlagzeilen. Sie spielen in Wahlkampfzeiten immer gern mit den Ängsten der Mieter. Bund, Länder und Kommunen unterstützen mit insgesamt - man
muss sich nur einmal die Zahlen, da wir gerade über den
Haushalt debattieren, vor Augen führen - 17 Milliarden
Euro jährlich etwa 5 Millionen Haushalte, denen wir
Wohngeld zahlen. Das ist in etwa jeder zehnte Haushalt.
Man muss doch auch einmal sehen, wie viel Geld wir
bereits in diesem Bereich aufwenden.
Zusätzlich geben wir 518,2 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung aus. Ich erachte es als wichtig, dass das in den Ländern dann auch für diese Zwecke
verwendet wird. Das ist, glaube ich, auch ein ganz entscheidender Punkt, über den der eine oder andere nachdenken sollte.
({15})
In Bayern wird es exzellent eingesetzt. Das wird auch
schwarz-gelb regiert.
({16})
Die Städtebauförderung haben wir effizienter ausgestaltet. Der ein oder andere Baudezernent und zahlreiche
Kommunalpolitiker hatten zum Schluss gar keinen
Überblick mehr über die verschiedenen Programme, die
Sie angehäuft hatten. Für die Städtebauförderung stellen
wir erneut 455 Millionen Euro zur Verfügung, und zwar
zusätzlich zu den Mitteln für das Programm „Energetische Stadtsanierung“. Insbesondere Programme wie
„Kleinere Städte und Gemeinden“, „Soziale Stadt“ sowie „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ profitieren davon. - Hier hätte ich Applaus zumindest von der SPD erwartet; denn das alles ist gut für den ländlichen Raum
und wirkt dem Flächenverbrauch in diesem Land entgegen.
Es ist klar, dass wir die Probleme des Landes im Blick
haben. Der vorliegende Haushaltsentwurf zeigt, dass wir
ein klares Konzept haben. Das steht im Gegensatz zu
dem, was Sie gesagt haben. Von Visionen habe ich Ihrerseits nichts gehört. Wir stellen weiterhin Mittel für bezahlbare Mobilität, energieeffizientes Bauen und nachhaltige Stadtentwicklung zur Verfügung.
Vielen Dank.
({17})
Thomas Lutze ist der nächste Redner für die Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Minister Ramsauer, die Menschen kennen
Sie als einen Mann deutlicher Worte. Nach drei Jahren
Wahlperiode müssen Sie sich auch an Ihren Taten messen lassen.
({0})
Wir sind uns sicherlich alle einig, dass die Mobilität einer der wichtigsten volkswirtschaftlichen Faktoren ist.
Trotzdem werden die meisten Bürgerinnen und Bürger
im Verkehrsbereich durch deutliche Kostensteigerungen
belastet.
Punkt eins: die steigenden Kraftstoffpreise. Bei der
Mehrwertsteuer zum Beispiel ist der Staat einer der
Nutznießer der Abzocke an den Zapfsäulen.
({1})
An nur einer Tankfüllung von 50 Litern verdient der
Staat allein durch die Mehrwertsteuer heute knapp
6 Euro mehr als noch im Jahr 2004. Hier könnten Sie etwas tun, Herr Ramsauer. Im Haushaltsentwurf dazu
finde ich nichts. Frankreich macht es gerade vor: Dort
wurden die Kraftstoffpreise um 10 Cent pro Liter gesenkt.
Die Mineralölkonzerne fahren Gewinne ein, die einen
vor Neid erblassen lassen. Zwei Beispiele gefällig? Erstes Beispiel: Exxon Mobil - dazu gehört auch Esso macht als weltweit größter Mineralölkonzern 41 Milliarden Dollar Gewinn pro Jahr. Zweites Beispiel: Shell, Europas größter Anbieter, steigerte seinen Gewinn im
zweiten Quartal 2011 gegenüber dem Vorjahreszeitraum
um 97 Prozent. Nein, an den Tankstellen jedenfalls funktioniert das klassische marktwirtschaftliche Prinzip von
Angebot und Nachfrage nicht. Wenn die Verkaufspreise
täglich um 10 Cent schwanken und wenn es in einem
Umkreis von wenigen Kilometern zu Differenzen von
bis zu 12 Cent pro Liter kommt, dann hat das nichts mit
dem Ölpreis oder dem Dollarkurs zu tun; damit lässt sich
das nicht begründen. Als im Juni dieses Jahres der
Rohölpreis um 25 Prozent im Vergleich zum Februar
sank, gab es an den Zapfsäulen keine Preissenkungen.
Beim Dollarkurs das gleiche Bild: Steigt der Dollar, steigen die Spritpreise; fällt der Dollar, passiert nichts.
Ich will Ihnen sagen, was der Hauptgrund für diese
Preissteigerungen ist: Es ist die hemmungslose Geldgier
der Mineralölkonzerne. Herr Ramsauer, da hilft uns
keine Transparenzstelle, wo die Daten nur erfasst werden. Sie müssen die Verkaufspreise staatlich festlegen.
Luxemburg zum Beispiel macht das, und Luxemburg ist
bekanntlich kein sozialistisches Land. Eine staatliche
Behörde muss also jeden Tag den Verkaufspreis festlegen. Dieser Preis muss dann 24 Stunden gelten. Das wird
höchstwahrscheinlich nicht die allgemeine Preissteigerung verhindern. Aber das schränkt wenigstens die absurden Preisschwankungen, die täglich auftreten, ein.
Zweites Beispiel sind die steigenden Preise im öffentlichen Nahverkehr. Es wird schnell gesagt: Wenn der
Sprit so teuer ist, kann man mit Bus oder Bahn fahren. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir werden zum Jahreswechsel wieder erleben, dass die Preise der Bahn und
der regionalen Verkehrsanbieter deutlich anziehen werden. Gerade für Pendler werden die Monatskarten wieder deutlich teurer. Nach wie vor sind die Mobilitätsangebote vor allem im ländlichen Raum und an den
Wochenenden lückenhaft. Unsere Kommunen haben zunehmend Probleme, sich den ÖPNV überhaupt zu leisten. Hier darf der Bund nicht weiter kürzen. Sonst bleiben Busse und Bahnen irgendwann im Depot.
({2})
Was passiert im Fernverkehr der Bahn, Herr
Ramsauer? In der Preispolitik nichts. Kürzen Sie endlich
die Mehrwertsteuer auf Fernverkehrsfahrkarten von 19
auf 7 Prozent; das ist in fast allen anderen EU-Staaten
üblich. Dann werden wieder mehr Menschen mit der
Bahn fahren, und Sie haben aufgrund der gestiegenen
Fahrgastzahlen genauso viel Geld in Ihrer Steuerkasse
wie zuvor.
({3})
Bei Milliardenprojekten wie Stuttgart 21 oder dem
Berliner Flughafen scheint Geld keine Rolle mehr zu
spielen, aber auch der teure Schienennetzausbau für Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h ist in den letzten Jahren wichtiger gewesen als der Bahnverkehr in der Fläche. Hier sollten Sie, Herr Ramsauer, zumindest in der
Zukunft umdenken. Von Bahnchef Grube kamen dazu
schon einige Anregungen.
Sie müssen Geld in die Hand nehmen und die über
16 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die
täglich als Pendler zum Arbeitsplatz müssen, entlasten.
Die Linke fordert eine Erhöhung der Entfernungspauschale von mindestens 10 Cent pro Kilometer. Die letzte
Anpassung gab es im Übrigen 2004. Damals kostete der
Liter Benzin 1,10 Euro. Außerdem müssen endlich geeignete Voraussetzungen geschaffen werden, damit auch
Pendler mit geringem Einkommen davon profitieren.
({4})
- Vielleicht hören Sie kurz zu, Herr Kollege von den
Grünen. - Es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass auch diejenigen profitieren, die
keine oder nur sehr wenige Steuern bezahlen. Dafür gibt
es hier im Parlament leider noch keine passende Initiative. Da sollten wir alle schnell aktiv werden.
({5})
Es kann nicht sein, dass derjenige, der keine Steuern bezahlt, von der Pendlerpauschale nicht profitiert.
Anstatt die sogenannte Elektromobilität zu fördern,
sollte das Augenmerk endlich auf den Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge gelegt werden. Gerade wurde der
neue Golf vorgestellt, sicherlich ein tolles Auto. Doch
beim Spritverbrauch hinkt die Standardvariante mindestens zehn Jahre hinterher. Würde der Gesetzgeber je
nach Fahrzeugklasse Verbrauchsobergrenzen für Neuwagenzulassungen einführen, dann hätten Golf, Astra,
Focus und wie sie alle heißen längst serienmäßig Dreilitermotoren. Dafür brauchten Sie, Herr Ramsauer, noch
nicht einmal einen eigenen Titel im Haushalt. Dafür
müssten Sie nur handeln. Unsere Unterstützung hätten
Sie dafür.
Ein herzliches Glückauf und vielen Dank.
({6})
Nächster Redner ist der Kollege Stephan Kühn,
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des bestehenden Straßennetzes hat das BMVBS
für das Jahr 2013 2,5 Milliarden Euro Erhaltungsinvestitionen eingeplant. - So liest man es im Schwerpunktepapier zum Haushalt. Man denkt: Endlich wird der Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ auch tatsächlich umgesetzt.
Denn wir alle wissen: Der Substanzverzehr der Infrastruktur verursacht volkswirtschaftlichen Schaden.
Doch der Haushaltsplan ist die Theorie, der Haushaltsvollzug ist die Praxis, und die sieht vollkommen anders
aus. Die Flexibilisierung durch die gegenseitige Deckungsfähigkeit der Haushaltstitel wird nämlich systematisch missbraucht. Schauen wir uns das letzte Jahr an.
2011 überstiegen die für den Neubau von Autobahnen
eingesetzten Haushaltsmittel, die hier vom Bundestag beschlossen wurden, den Verfügungsrahmen um 60 Prozent. Trotz Sanierungsstaus im Autobahnnetz wurde 2011
der geplante Verfügungsrahmen für den Erhalt nur zu
87 Prozent ausgeschöpft. Es wird also sichtbar zulasten
der Substanz umgeschichtet.
Besonders ausgeprägt - das ist sehr interessant - ist der
Verschiebebahnhof in zwei Bundesländern. Sie können
raten: Bayern ist dabei, das andere Land ist Niedersachsen. Das ist insbesondere im Bereich der Bundesstraßen
der Fall, Stichwort „Ortsumfahrung“. Beide Länder haben 2011 nicht einmal die Hälfte des mit dem Bundeshaushalt abgesteckten Verfügungsrahmens in den Erhalt
des Bundesstraßennetzes investiert. Zufällig wird 2013 in
beiden Ländern der Landtag gewählt. Schwarz-Gelb will
offensichtlich noch einige Wahlgeschenke verteilen. „Erhalt vor Neubau“ bleibt ein Lippenbekenntnis des Ministers Ramsauer. Da helfen auch keine schönen Reden.
({0})
Genauso ist es bei dem Nationalen Radverkehrsplan.
Da wird eine große Offensive in Sachen Radverkehrsförderung angekündigt, und gleichzeitig werden die Mittel
für den Bau von Radwegen entlang von Bundesstraßen
gekürzt. Standen 2010 noch 100 Millionen Euro zur Verfügung, sind es 2013 gerade einmal noch 60 Millionen
Euro, die eingeplant sind. Wir wissen, dass erst die
Hälfte der Bundesstraßen eine entsprechende Radweginfrastruktur hat. Offensichtlich soll auch der Nationale
Radverkehrsplan nur eine Ankündigung bleiben, ein
schönes Papier für die Vitrine. Praktisches Regierungshandeln daraus ist jedoch nicht zu erwarten.
({1})
Am Mittwoch hatten wir vom Verkehrsausschuss die
Gelegenheit, die Baustelle des neuen Hauptstadtflughafens zu besichtigen. Was wir gesehen und gehört haben,
war doch sehr interessant. So haben wir erfahren, dass
die Entrauchungsanlage an der Baugenehmigung vorbei
gebaut wurde und man mit der zuständigen Genehmigungsbehörde offensichtlich nicht in eine intensive
Kommunikation getreten ist. Wir haben feststellen können, dass der Pfusch mit Blick auf den Termindruck immer größer geworden ist. Am Ende ging es einfach nur
darum, fertig zu werden, egal wie. Das konnte man sehr
schön daran erkennen, wie die Kabeltrassen verlegt worden sind. Wenn man an dieser Stelle nachgebohrt hat,
war es wie immer: Niemand hat es bemerkt, niemand
will dafür verantwortlich gewesen sein.
Meine Damen und Herren, die Terminverschiebung
kostet die öffentliche Hand nicht nur 1,2 Milliarden Euro
zusätzlich, sondern sie offenbart krasses Managementversagen der Flughafengesellschaft und auch der Aufsichtsratsmitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Überwachungsfunktion in diesem Gremium.
({2})
Jahrelang haben auch die Bundesvertreter im Aufsichtsrat offensichtlich unkritisch den Aussagen der Geschäftsführung und der Planungsgemeinschaft pg bbi vertraut. Dann fragt man sich, wo das bessere Controlling,
das kritische Nachfragen denn geblieben ist? Es hat nicht
stattgefunden. Im Gegenteil: Im Mai dieses Jahres stimmte
der Aufsichtsrat dem unterbreiteten Rahmenterminplan
für die Eröffnung am 17. März 2013 zu. Diesen Plan hat
noch die Planungsgesellschaft pg bbi erarbeitet. Dieser
Truppe kündigte man eine Woche später wegen mangelhafter Koordination und fehlender Erbringung von Bauüberwachungsleistungen. Dieser Truppe, zu der man
dann kein Vertrauen mehr hatte, hat man noch eine Woche vorher bezüglich des Terminplans geglaubt. Das
passt alles nicht zusammen und zeigt, wie wenig auch
die Bundesvertreter im Aufsichtsrat ihre Aufgaben
wahrgenommen haben.
({3})
Herr Ramsauer, Sie haben angekündigt, über Konsequenzen mit den anderen Anteilseignern Gespräche zu
führen. Ich muss ehrlich sagen: Die Zeit für Ankündigungen ist vorbei; wir wollen Taten sehen. - Wir fordern
die Einleitung eines Verfahrens zur Sicherung von Schadensersatzansprüchen aufgrund der falschen Entscheidungen in Richtung der Geschäftsführung. Sie muss
haftbar gemacht werden. Es kann auch nicht sein, dass
die Geschäftsführung für 2011 noch irgendwelche Erfolgsprämien ausgezahlt bekommt. Wir brauchen dringend einen Neuanfang im Aufsichtsrat. In dieses Gremium müssen Fachleute einziehen. Wir brauchen also
eine Umstrukturierung. Gleiches gilt für die Geschäftsführung.
({4})
Noch einmal, Herr Minister: Schluss mit den Ankündigungen! Liefern Sie endlich!
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Reinhold Sendker für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
früheren Wahlperioden ist eindeutig zu wenig in die Instandhaltung investiert worden; das dürfen wir am Ende
der heutigen Debatte eindeutig feststellen. Allein der
Vergleich zwischen Sommer, konkret: Juli 2011, Baustellenlänge in Deutschland 1 400 Kilometer, und Juli
2012, Baustellenlänge in Deutschland 2 000 Kilometer,
unterstreicht die Ausrichtung: Erhalt steht vor Neubau.
Das betrifft, wie wir alle wissen, viele Brückenbauwerke
in Deutschland und zahlreiche Autobahnabschnitte. Es
gilt also, ein enormes Volksvermögen im Sinne von Wachstum und Entwicklung in unserer Volkswirtschaft zu erhalten und zu optimieren.
Die Gesamtinvestitionen liegen erneut bei gut 10 Milliarden Euro. Das ist mehr als in den Jahren vor der
Finanz- und Wirtschaftskrise. Ich denke, es ist ein bemerkenswerter Erfolg, dass dank der Haushaltskonsolidierung die Schuldengrenze schon 2013 unterschritten
werden kann, andererseits der Verkehrsinvestitionsumfang auf hohem Niveau erhalten bleiben kann. Da ist
man versucht, zu fragen: Wer außer dieser Koalition
hätte das zustande gebracht?
({0})
- Wissen Sie, wenn ich mir die Haushaltszahlen aus den
Zeiten von Herrn Tiefensee ansehe, dann muss ich feststellen: Sie sind nicht wirklich vom Acker gekommen.
Wahr ist aber auch, dass durch das Anwachsen der
Haushaltsansätze für die Erhaltungsmaßnahmen weniger
Spielraum für die Bedarfsmaßnahmen vorhanden ist.
Das wird in den nächsten Jahren wohl noch deutlicher.
Die umfassenden Grunderneuerungen sind aber unausweichlich. Deswegen benötigen wir für Erhalt und Ausbau weitere Mittel und unterstützen unseren Minister in
seiner klaren Forderung nach einer Zusatzmilliarde für
die Verkehrsinfrastruktur.
({1})
Das hier schon angesprochene Investitionsbeschleunigungsprogramm erhält in 2013 weitere 290 Millionen
Euro. Danach verbleiben nur noch 210 Millionen Euro
an Programmmitteln. Ich darf bemerken: Für die fünfte
Schleuse in Brunsbüttel und für die Verkehre mit dem
Ostseeraum sind diese Mittel so dringlich wie unverzichtbar.
Weitere 100 Millionen Euro werden durch die Ausdehnung der Lkw-Maut auf vierspurige Bundesstraßen
erwartet. Auch sie werden für die Stärkung von Qualität
und Leistungsfähigkeit unserer Straßen verwendet. Meine
Damen und Herren, was die Mauteinnahmen in Gänze
betrifft, so darf ich feststellen, dass die Schaffung des
Finanzkreislaufs Straße heute durch deutlich mehr Akzeptanz und Transparenz ein Erfolg unserer Koalition
ist.
In der Verkehrspolitik gilt unser Augenmerk ganz besonders den Ideen und Ansätzen zur Optimierung von
Bestand und Weiterbau, und zwar vor allem dann, wenn
diese wirtschaftlich sind und - ich füge hinzu - noch
mehr Transparenz bieten. Diese Zieldefinition passt
übrigens auch gut zu ÖPP. Die knappen Mittel für den
Aus- und Weiterbau vor Augen und mit dem Wissen um
positive Ergebnisse bei vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Hinterkopf kann ich das Herumdrucksen und das teilweise Zurückweisen von sinnvollen
ÖPP-Projekten in Deutschland durch rot-grüne oder
grün-rote Landesregierungen beim besten Willen nicht
mehr nachvollziehen.
({2})
Ein anderes Thema ist das Thema der Verkehrssicherheit, das unserer Koalition besonders am Herzen liegt.
Seit den 70er-Jahren gibt es 82 Prozent weniger Verkehrstote. Das ist eine sehr gute Bilanz. Dass die Zahl
der Verkehrstoten im Jahr 2011 erstmals wieder angestiegen ist, ist ein ernstes Signal. Daher begrüßen wir
ausdrücklich die Erhöhung des Haushaltsansatzes um
15 Prozent. Auch das ambitionierte Verkehrssicherheitsprogramm unseres Ministers mit dem Ziel, in der Zeit
von 2011 bis 2020 die Zahl der Verkehrstoten um
40 Prozent zu verringern, ist das richtige Signal in unserer Debatte.
Der Sicherheit auf unseren Straßen dienen aber auch
130 Millionen Euro im Haushalt 2013 für die Schaffung
von Lkw-Parkständen und zusätzliche 50 Millionen
Euro für die Betriebsdienste an den Bundesfernstraßen.
Ich bin häufig Gast eines sogenannten Fernfahrerstammtisches an einer BAB-Raststätte. Dort wird Klartext gesprochen, wie wichtig und dringend unsere Investitionen
und unser klares Bekenntnis zum Ausbau dieser Parkstände im Interesse des Verkehrsflusses auf unseren
Bundesfernstraßen sind.
Für mehr Verkehr und für mehr Sicherheit im Straßenverkehr und für Lärmminderung sind weitere 181 Millionen Euro für Projekte an Schienenwegen und noch
einmal 60 Millionen Euro für Maßnahmen an den Personenbahnhöfen eingestellt. Darauf verweise ich immer
wieder gern. Erfreulicherweise ist der Gesamtansatz für
die Investitionsmittel für die Schiene höher als im Jahr
2012.
Meine Damen und Herren, wenn wir hier über die
Optimierung des Verkehrsflusses bei steigenden Verkehrsmengen diskutieren und reden, dann muss unser
Augenmerk auch auf die Verbesserungen bei unseren
Bundeswasserstraßen gerichtet sein. Allein in Nordrhein-Westfalen verkehren 30 Prozent der Güterverkehre
auf NRW-Wasserstraßen.
({3})
Auch hier dienen Substanzerhaltung und -erneuerung
der Steigerung der Leistungsfähigkeit des Wasserwegenetzes. Aktuelle Schwerpunktmaßnahmen liegen nicht
nur beim NOK, sondern auch im westdeutschen Kanalnetz sowie bei Rhein, Main, Mosel, Neckar und den seewärtigen Anbindungen unserer Seehäfen mit der Anpassung notwendiger Fahrrinnen.
({4})
Wir haben also von der Instandsetzung der Schleusen bis
hin zur modernen Wasserwegeinfrastruktur allen Grund,
in 2013 und in den Folgejahren genau diesen Verkehrsträger weiterhin ausdrücklich zu stärken.
({5})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Klimabilanz sind das jährlich 5,6 Millionen Tonnen weniger an
CO2-Ausstoß. Das ist mehr als der Ausstoß von Berlin.
In Handwerk und Mittelstand werden 300 000 Arbeitsplätze gesichert. Kurz gefasst ist das das Ergebnis und
die Erfolgsgeschichte des CO2-Gebäudesanierungsprogramms. Es leuchtet in das Land hinein, und deswegen
werden wir es in den nächsten Jahren im Rahmen der
Energiewende fortsetzen.
Ergänzend zur Städtebauförderung erneut in Höhe
von 455 Millionen Euro unterstützt der Bundeshaushalt
die Kommunen im kommenden Jahr mit 100 Millionen
Euro für Maßnahmen der energetischen Stadtsanierung.
In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich festgestellt,
dass auch der Haushalt 2013 mit vielen weiteren positiven Ausschlägen aus anderen Etatbereichen wieder einmal ein ausgesprochen kommunalfreundlicher Haushalt
ist, und diesen Weg wollen wir fortsetzen.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich abschließend sagen: Wir werden in Deutschland
durch unseren starken Logistikstandort, als Transitland
und als Wachstumslokomotive im Herzen von Europa in
der Zukunft starke Güterverkehre und Zuwächse zu verkraften haben. Dazu brauchen wir eine Stärkung der
Straßeninfrastruktur verbunden mit einer weiteren Verlagerung auf Schiene und Wasserwege, um das Netz insgesamt zu ertüchtigen.
Was Anspruch und Wirklichkeit angeht, sehr geehrter
Herr Kollege Pronold: Sie haben vorhin festgestellt, im
Bereich kombinierte Verkehre herrsche Stillstand. Ich darf
Ihnen sagen, auch im vorliegenden Haushaltsentwurf
sind für diesen Bereich 107 Millionen Euro vorgesehen.
Bis 2011 wurden 75 Umschlaganlagen der kombinierten
Verkehre gefördert, was einer täglichen Entlastung des
Verkehrs in einer Größenordnung von 15 000 Lkw entspricht.
({7})
Das sind gute Botschaften. Das ist Ausdruck einer erfolgreichen Politik, die wir im nächsten Jahr fortsetzen
werden.
Vielen herzlichen Dank.
({8})
Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der
Kollege Bartholomäus Kalb für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Verkehrsetat mit einem Volumen von
25,7 Milliarden Euro und einem Investitionsanteil von
13,6 Milliarden Euro ist der Investitionshaushalt des
Bundes schlechthin. Ein besonderer Schwerpunkt dieses
Haushalts sind die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Trotzdem ist dieser Einzelplan eingebettet in
ein Gesamtbemühen, das aus haushaltspolitischer Sicht
geboten ist, nämlich die Haushaltskonsolidierung, die
Rückführung der Neuverschuldung, das Erreichen der
Nullverschuldung des Bundes.
Die Redner der Opposition haben vorhin mit Krokodilstränen höhere Ausgaben für Verkehrsinvestitionen
gefordert.
({0})
Ich will daran erinnern: Das Elend für den Verkehrsetat
hat unter dem damaligen Verkehrsminister Stolpe mit
dem Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008 begonnen.
({1})
Die Verkehrsinvestitionen - ich weiß das noch auswendig - sanken dadurch um mehr als 2,5 Milliarden Euro.
Es versteht sich doch von selbst, dass jedes Mitglied dieses Hauses, auch jeder Haushälter auf die Investitionen
insbesondere im Bereich der Infrastruktur besonderes
Augenmerk legen wird. Wir vonseiten der Koalition
werden das in den nächsten Wochen und Monaten im
Haushaltsausschuss tun; das sage ich ausdrücklich.
Die Verkehrsinfrastruktur - Kollegin Dr. Winterstein
hat es vorhin angesprochen - ist nach wie vor ein sehr
großer, bedeutender und positiver Standortfaktor für die
deutsche Volkswirtschaft. Deswegen müssen wir auf den
Erhalt und die Funktionsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur größten Wert legen.
({2})
Es darf nicht zu der Situation kommen, wie sie in den
Vereinigten Staaten von Amerika heute zu beobachten
ist. Ein aus China stammender Amerikaner führte bezogen auf die dortige Infrastruktur in der Passauer Neuen
Presse aus: Die USA heute sind wie China in den 80erJahren. - Das ist ein Nachteil für eine Volkswirtschaft.
Darunter hat die volkswirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Amerikas gelitten. Gleiches sollte uns nicht passieren. Im Gegenteil: Wir müssen darauf achten, dass wir
aufgrund der demografischen Entwicklung - wir wissen,
dass die Zahl der Erwerbsfähigen bis 2040 von derzeit
39 Millionen auf 38 Millionen zurückgeht - gezwungen
sind, leistungsfähiger und effizienter zu werden.
Es ist notwendig, dass wir in Bildung und Forschung
investieren. Wir dürfen aber nicht so tun, als ob Verkehrsinfrastruktur bzw. Infrastruktur allgemein einen
Gegensatz dazu darstellen würden, als ob es auf der einen Seite Investitionen in Kopf und Geist geben würde
und alles andere wären Investitionen in Beton und Betonköpfe. Nein, auch diese Infrastruktur ist notwendig,
um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu
können.
({3})
Wir dürfen in ideologisch geführten Debatten keinen
Gegensatz herbeireden, ob es etwa besser ist, mehr in
den Bereich Schiene, Wasserstraße und Luftverkehr oder
mehr in den Bereich Straßenbau zu investieren. Jedes
Mobilitätsbedürfnis sollte möglichst optimal bedient
werden, umweltschonend und günstig. Da gibt es natürlich unterschiedlichste Anforderungen.
Ich komme zum Bereich der Städtebauförderung.
Auch hier haben wir
({4})
dafür gesorgt, insbesondere bei den Beratungen des
Haushaltsausschusses, dass wir nach wie vor eine wesentliche Leistung erbringen können, mit 455 Millionen
Euro dotiert. Im letzten und vorletzten Jahr gab es Briefe
von den Kommunen und Länderfinanzministern einerseits. Andererseits haben sich bei der Bauministerkonferenz mindestens drei Landesminister gegen eine Erhöhung ausgesprochen, weil sie die Sorge hatten, eine
höhere Kofinanzierung aufbringen zu müssen. So geht
das nicht. Wenn wir dies als gemeinsame Aufgabe ansehen, dann gilt das gleichermaßen für Bund, Länder und
Gemeinden.
({5})
Vorhin hat Kollege Sendker Sie erfreulicherweise darauf hingewiesen, was wir bei der CO2-Gebäudesanierung tun. Wir halten die 1,5 Milliarden Euro aufrecht,
auch wenn es aus dem Energie- und Klimafonds finan23230
ziert wird. Die Staatssekretärsrunde hat sich darauf verständigt, dass der CO2-Gebäudesanierung höchste Priorität einzuräumen ist. Auf die Effekte hat Kollege
Sendker hingewiesen. Ich will verzichten, darauf weiter
einzugehen. Wenn Ihnen das Anliegen der CO2-Minderung, der Energieeinsparung so wichtig ist, dann geben
Sie Ihren Widerstand im Bundesrat auf. Es kann doch
nicht sein, dass es nur gut ist, wenn der Bund viel Geld
gibt. Da kann nichts teuer genug und hoch genug sein.
Aber sobald die Länder mit am Tische sitzen, dann soll
am besten gar nichts passieren, damit es nichts kostet.
Abgesehen davon bin ich der Meinung, dies bringt
volkswirtschaftliche Erträge, die sich auch in Steuereinnahmen niederschlagen.
({6})
Mir läuft ebenfalls die Zeit davon. Ich hätte noch
gerne etwas zu dem Desaster Flughafen Berlin-Brandenburg gesagt. Es ist nicht nur das gegenwärtige Thema.
Ich bin lang genug in diesem Hause. Ich erinnere mich
noch an die sehr exponierten Ziele, die seinerzeit ausgesprochen worden sind. Er sollte ursprünglich einmal im
Jahr 2007 an den Start gehen. Davon kann man gar nicht
mehr reden. Ich sage dies mit einem Unterton des Bedauerns und der Traurigkeit. Gerade wir, Kollege
Pronold, wissen, dass ein leistungsfähiger Flughafen
enorme Entwicklungspotenziale für die jeweilige Wirtschaftsregion auslöst, wie wir es in München sehen
konnten. Ich sage dann immer stolz: Die können darüber
diskutieren, ob das München II oder Niederbayern I ist.
Die ganze Region hat daraus eine positive Entwicklung
verzeichnen können.
Ich sage auch nichts mehr zu dem Thema GVFG, das
eben angesprochen worden ist. Die Länder wollten in
der Föderalismuskommission - dort saßen Bund und
Länder zusammen - diese Aufgabe übertragen bekommen. Wir haben im Haushaltsentwurf 2013 1,335 Milliarden Euro an Zuweisungen für die Länder vorgesehen,
die dann in eigener Verantwortung handeln müssen. Nur
erwarte ich von den Ländern, dass sie dieses vom Bund
übertragene Geld dann auch so einsetzen, dass es tatsächlich der Verbesserung der Gemeindeverkehrsinfrastruktur und dem ÖPNV zugute kommt und nicht der
Haushaltssanierung dient.
({7})
Herr Kollege Kalb.
Ich darf zum Schluss kommen, Herr Präsident, und
ihre Mahnung ernst nehmen.
Sie dürfen.
Für die Koalitionshaushälter sage ich, dass wir mit
großer Ernsthaftigkeit in die jetzt anstehenden Haushaltsberatungen im Ausschuss gehen werden und hier
genau überlegen werden, welche Akzente und Schwerpunkte zu setzen sind. Lassen Sie uns das mutig und gut
angehen!
Herzlichen Dank.
({0})
Wir kommen damit zur Schlussrunde der Haushaltsberatungen dieser Woche. Ich darf das Wort dem Kollegen Rüdiger Kruse für die CDU/CSU-Fraktion erteilen.
({0})
Vielleicht warten Sie noch einen kleinen Augenblick,
bis sich der Schichtwechsel vollzogen hat.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Ich beginne meine Rede einmal mit einem gar nicht so
dramatischen persönlichen Bekenntnis: In diesem Land
zahle ich sehr gerne Steuern.
({0})
Das hat etwas mit dem jetzigen Regierungsentwurf, mit
der Debatte hier und im Haushaltsausschuss und mit der
Arbeit des Parlaments insgesamt zu tun. Natürlich ist
Steuernzahlen eine Pflicht, aber man kann Pflichten unterschiedlich nachkommen.
Dass ich sie gerne zahle, hat etwas damit zu tun, dass
wir hier mehr als andere sehen können, was alles mit
diesen Steuergeldern gemacht wird. Man kann an der einen oder anderen Stelle zwar sagen: „Das könnte man
noch besser machen“ - über einzelne Projekte kann man
unterschiedlicher Meinung sein; das haben wir ja auch
vertiefend diskutiert -, aber im Großen und Ganzen haben sie dazu beigetragen, dass wir in den vielen Jahren
nach dem letzten Weltkrieg ein wunderbares Gemeinwesen geworden sind. Da weiß man, wofür man das tut.
Das sollte auch immer die Grundlage unserer Debatte
sein: Ja, wir streiten weiterhin für das Bessere, aber es ist
schon recht gut.
({1})
Natürlich reklamieren wir ein gutes Stück Anteil an
diesem Zustand. Das kann man natürlich auch begründen. Die Höhe der Ausgaben in diesem Regierungsentwurf liegt zum Beispiel nicht am Limit dessen, was uns
durch die Schuldengrenze erlaubt ist, sondern so weit
darunter, dass wir für alle Gelegenheiten gut aufgestellt
sind und wieder, so wie auch in den vergangenen Jahren,
die Chance haben, dass das Ergebnis bei Tatkraft und guter Entwicklung noch besser wird, als wir es vorgeben.
Herr Poß hat in seinem Beitrag für die SPD-Fraktion
({2})
- „der war gut“, sagen Sie; er war geeignet, darauf zu
antworten - die Verortung des Finanzministers thematisiert. Er war der Meinung, er sei nicht auf der Höhe der
Zeit.
Nun kann man sagen, dass es für den einen oder anderen sehr anstrengend ist, auf der Höhe der Zeit zu sein.
Was ist eigentlich, wenn Sie auf der Höhe der Zeit sind?
({3})
Der jetzige Augenblick: Dafür, dass Sie hier sind, können Sie direkt nichts. Das ist also die Gegenwart. Es ist
in Deutschland zwar immer mal ganz nett, die Vergangenheit ein bisschen zu verklären, aber das tut der
Finanzminister nicht. Deshalb werden Sie ihm also nicht
vorwerfen, dass er in der Vergangenheit lebt und die alte
D-Mark romantisiert.
({4})
Ein Politiker, der exakt auf der Höhe der Zeit ist, ist
nichts weiter als ein Chamäleon, weil er die äußeren Zustände aufnimmt und als eigenes Licht wiedergibt. Das
ist keine Leistung. Er wird vielleicht immer beliebt sein,
aber er wird nichts schaffen. Herr Poß, ich mag Ihnen ja
zugestehen, dass es für Sie ein Kampf ist, auf die Höhe
der Zeit zu kommen, aber wenn Sie da schon lange sind,
dann besteht die Kunst darin, nicht zu weit voraus zu
sein, aber immer die Zukunft antizipieren zu können.
Das, was natürlich diese Regierung auch zu Konflikten führt, ist, dass sie nicht bloß die Antworten liefert,
die reflexmäßig aus dem Augenblick bestimmt die richtigen wären, sondern dass darüber nachgedacht wird,
was das für einen Einfluss auf die nächste Zukunft hat.
Das ist die Kunst guten Regierens.
({5})
- Ich rede von der Regierung, die von Frau Merkel geführt wird und in der Wolfgang Schäuble die Finanzen
leitet.
({6})
Sie fragen sich jetzt vielleicht: Na ja, gut, vielleicht
muss er das so sagen?
({7})
Was sagt denn der Bürger dazu? Jenseits von Sachdebatten: Der Vertrauenszuwachs für diese beiden Personen in
dieser Regierung ist mit jedem Tag kritischer Berichterstattung, mit jedem Tag kritischer Meldungen aus
Europa größer geworden; denn ich vertraue Menschen,
die in der Realität fest verwurzelt sind, gleichzeitig aber
an meine und an die Zukunft zukünftiger Generationen
denken. Das ist ja auch das große Thema der Nachhaltigkeit. Deswegen - nicht nur deswegen alleine - bin ich
froh, dass wir diese Regierung haben.
Ich habe auch gesagt, dass es einen Anteil des Parlaments gibt. Das Haushaltsrecht ist das große Recht des
Parlaments. Es gibt sicherlich Parlamente, die noch sehr
viel lebhafter mit ihrer Regierung umgehen. Dass die
Opposition der Regierung Vorhaltungen macht und vielleicht auch sagt: „Beim Abbau könntet ihr doch viel
schneller sein“, will ich gar nicht reflexmäßig mit der
Frage beantworten: Warum habt ihr das denn nicht gemacht? Jeder hat seine eigenen Schwierigkeiten.
Wichtig ist aber - das findet ja auch statt -, dass sich
die eigenen Abgeordneten der Koalition Gedanken über
die Etats machen. Deswegen passiert in diesem Parlament auch etwas, was man sich meistens nicht vorstellen
kann, dass nämlich auch im Haushalt Dinge verändert
werden.
Wir haben in den letzten Jahren in den Beratungen
Akzente gesetzt, die gut und richtig waren, zum Beispiel
im Bereich der Infrastruktur. Ich finde, es ist ein großer
Ausdruck von Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der
Koalition, wenn uns Johannes Kahrs mitgibt, welche
wichtigen Projekte für das Land er gerne von uns bewegt
sehen möchte.
({8})
Johannes, ich begreife nicht, warum du deine Reden immer mit „Glück auf!“ beendest. Du bist ein norddeutscher Jung. Vielleicht meinst du, dass es ein bisschen
einsilbig wäre, wenn du deine Rede nur mit: „Moin!“,
beginnen würdest. Aber das ist dein Geheimnis.
({9})
Für uns gibt es ein übergeordnetes Thema - das kann
man am Haushaltsentwurf erkennen -, das uns die
nächsten Jahre beschäftigen muss: Schuldenabbau. Wir
sind hierbei gut in der Spur, aber wir müssen uns trotzdem weiter anpassen. Wenn wir rechtzeitig etwas unternehmen, können wir Schulden abbauen, ohne auf der
Strecke jemanden zu verlieren. Vielleicht könnte die Effizienz das Credo sein. Wir müssen uns fragen: Können
wir das, was wir machen, wofür wir alle dankbar sind,
was wir auch weiterhin tun wollen, effizienter tun?
Gerade war die Infrastruktur unser Thema. Natürlich
müssen wir die Infrastruktur teilweise ergänzen. Gleichzeitig kann man aber - auf gleicher Fläche - auch Effizienzsteigerungen erreichen. Es ist schon wichtig, dass
wir in die Infrastruktur investieren.
Das Thema Effizienz gilt auch für den Bereich der erneuerbaren Energien.
({10})
Auch dort investieren wir. Diese Regierung macht mehr
als die Vorgängerregierungen. Die Vorgängerregierungen haben sich auf einem Beschluss ausgeruht und sind
nicht in die Umsetzung gegangen. Wir sind jetzt diejenigen - wir wollen ja regieren -, die ihr selbstgewähltes
Schicksal, die Energiewende, auf die Straße bringen
müssen.
({11})
Wir müssen die großen und die kleinen Etats daraufhin überprüfen - das wird in der nächsten Legislaturperiode sicher ein Thema sein -, ob wir das, was wir erreichen wollen, mit dem Geld, das wir einsetzen, auch
wirklich erreichen. Wenn wir das Ziel nicht erreichen,
dann muss man da etwas ändern.
({12})
Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir diesen Mut zum Ändern haben, und das werden wir auch in
der Zukunft beweisen. Dabei machen wir natürlich auch
nicht vor Bereichen halt, die kleiner sind. Als Controller
würde man sagen: Über Kultur und Justiz müssen wir
nicht reden, weil diese Haushalte unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen.
({13})
Aber auch die Art und Weise, wie wir in diesen Bereichen wirtschaften, hat Auswirkungen auf unser allgemeines Verständnis vom Wirtschaften. Deshalb ist es
wichtig, dass wir auch die guten Projekte, die wir in diesen Bereichen fahren, kritisch hinterfragen. Man muss
gerade auch im Kulturbereich einmal überlegen - damit
das Kreative, das Neue wachsen kann -, ob alle Förderungen, die wir früher beschlossen haben, so bestehen
bleiben können. Das ist nicht schlimm. Das muss mal
gedacht werden können; denn sonst ist das nicht Kunst,
sondern nur verstaubt.
({14})
Verstaubt, Frau Künast, ist es übrigens auch, wenn man
sich auf dem Thema, mit dem man seit den 80er-Jahren
gut gefahren ist, ausruht. Ihr Hauptthema ist heute weg;
wir haben es erledigt.
({15})
Nun ist der Kollege Carsten Schneider für die SPDFraktion aufgerufen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Kruse, ich kann nachvollziehen, dass Sie
in der Schlussrunde der Debatte über den Haushaltsentwurf nicht über den Haushalt sprechen wollen; denn das
ist alles andere als etwas, worauf die Koalition aus
Union und FDP stolz sein kann.
({0})
Sie haben mit keinem einzigen Wort gesagt, wie hoch
die Neuverschuldung ist, die Sie in diesem Jahr beschließen wollen: 18,8 Milliarden Euro.
({1})
Sie wollen diesem Land 18,8 Milliarden Euro neue
Schulden aufbürden, und das in einer Zeit, in der die
Konjunktur brummt, in der Sie die niedrigste Arbeitslosenquote, die niedrigsten Zinsausgaben und die höchsten
Steuereinnahmen haben? Kollege Fricke, das ist doch
richtig, oder?
({2})
In dieser Debatte haben Sie immer wieder gesagt,
dass Sie eine solide Politik machen, weil die Ausgaben
nicht steigen.
({3})
Sie vergleichen die Ausgabenhöhe immer mit den Vorjahren, insbesondere mit 2009/2010. Darf ich Ihnen mitteilen, dass wir in dieser Zeit Konjunkturprogramme
hatten, die natürlich - das war gewollt - zu einem Aufblähen des Sektors geführt haben?
({4})
Natürlich geht das jetzt zurück, und es ist gut, dass das
passiert. Das ist aber noch kein Gewinn.
({5})
Jetzt komme ich zu den Zahlen, um die Entlastung
deutlich zu machen: Im Jahr 2011 hat diese Koalition
das Haushaltsjahr mit einer Neuverschuldung von knapp
17 Milliarden Euro abgeschlossen. Für 2012 planen Sie
32 Milliarden Euro. Das ist eine deutliche Steigerung.
({6})
Im Jahr 2013 wollen Sie dann wieder auf 18 Milliarden Euro kommen. Dieser Zickzackkurs ist stilbildend
für Ihre Politik. Sie haben kein Ziel. Sie wollen nur irgendwie über die Wahl kommen. Aber Sie bringen damit
das Land nicht voran.
({7})
Lieber Kollege Schneider, darf Ihnen der Kollege
Fricke eine Zwischenfrage stellen?
Gern.
Herr Kollege Schneider, von der erneuten Verwechslung von Ist und Soll - hier verweise ich auf die Ausführungen des Kollegen Barthle - einmal abgesehen: Sie sagen, wie die Ausgaben in 2012 sind. Sie wissen genau,
dass wir zusätzliche Belastungen haben.
Welche?
Welche? Stichwort Europa, ESM und so. Ich weiß
nicht, ob Sie sich da auskennen.
({0})
Es gab dazu diese Woche eine ziemlich wichtige Entscheidung; dies nur als kleiner Hinweis.
Sie sagen, 2012 hätten wir zu viel ausgegeben. Könnten Sie mir sagen, welche Milliardenausgabe - ich weiß,
dass man das bei Ihnen betonen muss - im Haushalt
2012 die SPD nicht getätigt hätte?
Sehr geehrter Kollege Fricke, es ist richtig: Der Bundestag hat beschlossen, dem ESM in diesem Jahr, im
Jahr 2012, über 8 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Jetzt subtrahieren Sie einmal: 32 minus 8. Auf welche Summe kommen wir dann? Ist diese Summe höher
als die Neuverschuldung des Jahres 2011? Ja, ist sie. Sie
ist deutlich höher.
({0})
Sie haben es in der Hand, im Nachtragshaushalt dafür zu
sorgen, dass sie gesenkt wird. Werden Sie dies tun, oder
werden Sie die Neuverschuldung trotz der exzellenten
Situation, in der wir uns befinden, weiter erhöhen?
({1})
Sehr geehrter Kollege Fricke, Sie werden sie wahrscheinlich nicht senken; das weiß man, wenn man sich
ansieht, wie Sie hier die vergangenen Jahre konstant gearbeitet haben.
Ich will jetzt eigentlich nicht mit dem Argument kommen, dass die FDP eine Apothekerpartei
({2})
und Klientelpartei ist. Aber Sie haben gefragt, welche
Ausgaben genau wir kürzen wollen. Wissen Sie, Herr
Kollege Fricke, der entscheidende Punkt in einem
Staatshaushalt ist nicht, wie hoch die Ausgaben sind, der
entscheidende Punkt ist, wie hoch die Kredite sind, die
Sie brauchen, um Ihren Staatshaushalt zu finanzieren.
({3})
Wir als Sozialdemokraten setzen auf einen konsequenten Subventionsabbau.
({4})
Dazu haben wir Ihnen Vorschläge gemacht. Ich komme
zum ersten Vorschlag, auch wenn Sie es nicht mehr hören können: Sie geben immer noch - das ist weiterhin
geltendes Recht - 1 Milliarde Euro für die Hoteliers in
diesem Lande aus. Es handelt sich um Steuermindereinnahmen; auf dieses Geld verzichten Sie. Mit diesem
Geld könnte man die Lücke schließen.
({5})
Wissen Sie, entscheidend sind nicht die Ausgaben,
sondern entscheidend ist, ob Sie neue Schulden aufnehmen oder nicht. Sie tun es, und zwar mehr als notwendig
ist. Ihnen fehlt die Kraft, dieses Land mit diesem Haushalt strukturell so zu verändern, dass wir von der hohen
Verschuldung herunterkommen, dass wir wieder leistungsfähig und unabhängig von den Wirren der Finanzmärkte werden.
({6})
Ich rechne Ihnen das gerne vor. Betrachten wir das
Jahr 2012 und das Jahr 2013; wir sprechen gerade über
den Haushaltsentwurf für 2013. Angesichts der großen
Unsicherheit, die wir sowohl aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung - selbst der Finanzminister ist darauf
eingegangen - als auch aufgrund der Finanzkrise und
den damit verbundenen Verwerfungen an den Märkten
für Staatsanleihen haben, wäre es gut, Vorsorge zu treffen. Tun Sie das? Sie tun es nicht. In keinem einzigen
Punkt. Im Gegenteil: Sie fahren volles Risiko.
Nehmen wir als Beispiel die Zinsausgaben. Sie sagen,
Ihre Ausgaben würden sinken. Sie sinken aber nicht einmal, sie sind stabil.
({7})
Die Gesamtausgaben des Bundes bleiben von 2012 auf
2013 stabil. Aber Sie vergessen dabei - ich erkläre Ihnen
das gern -, dass Sie Entlastungen haben. Sie haben
10,7 Milliarden Euro weniger Zinsausgaben. Dafür können Sie gar nichts. Das sind klassische Windfall Profits,
die Sie mitnehmen. 2,8 Milliarden Euro geben Sie weniger für die Bundesagentur für Arbeit aus. 2 Milliarden
Euro hohlen Sie sich im Gesundheitsfonds und 1 Milliarde Euro bei der Rente. Das sind Entlastungen auf der
Ausgabenseite. Diese führen aber nicht dazu, dass Sie
die Ausgaben senken. Im Gegenteil: Die Ausgaben bleiben konstant.
Sie haben - verglichen mit 2011 - Steuermehreinnahmen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro. Das macht unter
dem Strich 24 Milliarden Euro. Die Nettokreditaufnahme wird gesenkt, aber nicht in diesem Umfang. Vielmehr verfrühstücken Sie diese Möglichkeiten der konjunkturellen Konsolidierung. Um die FAZ zu zitieren:
Schäuble spart sich das Sparen.
({8})
Wir Sozialdemokraten
({9})
stehen für einen aktiven Staat.
Carsten Schneider ({10})
({11})
Wir wollen ihn nicht über Schulden finanzieren - das
wollen Sie -, sondern wir wollen so schnell wie möglich
runter von der Neuverschuldung.
({12})
Dazu werden wir Ihnen, so wie in den vergangenen Jahren, Vorschläge vorlegen, zum Beispiel zum Abbau von
Subventionen; da haben Sie vollkommen versagt. Sie
haben die Subventionen erhöht, anstatt sie abzubauen.
Das ist ungerecht.
({13})
Und wir werden für eine gerechtere Besteuerung in diesem Land sorgen.
Das fängt bei der Frage an: Was hat uns die Krise eigentlich gekostet? Bisher hat der Bundeshaushalt davon
profitiert. Ich habe die Zinsausgaben genannt. Sie aber
tun so, als gäbe es keine Kosten. Sie sind versteckt:
20 Milliarden Euro sind im Konjunktur- und Tilgungsfonds. Die Konjunktur läuft doch gut, oder? Wie viel haben Sie getilgt? Null.
Es geht weiter zu der Frage der jetzt als Schattenbank
eingeführten EZB.
({14})
- Es geht um die als Schattenbank für den Bundeshaushalt eingeführte EZB. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.
({15})
Dafür gibt es null Vorsorge. Im Gegenteil: Die Risiken
werden aus dem Bundeshaushalt auf andere Institutionen
verschoben, und das mit voller Duldung und Akzeptanz
der Bundesregierung.
({16})
Ich finde auch das ein starkes Stück: Herr Vizekanzler
und Herr Wirtschaftsminister, Sie haben hier gestern in
der Wirtschaftsdebatte gesagt, die Bundesregierung bzw.
die FDP - ich war mir nicht ganz sicher, wen Sie meinten - stünde für Währungsstabilität, und bezogen sich
auf die Bundesbank. Diese findet natürlich in der EZB
ihre Wiedergeburt. Ich weiß nicht, ob Sie Zeitungen lesen und mitbekommen haben, welche Entscheidungen
getroffen worden sind. Aber eines ist klar: Seit dem letzten Donnerstag entwickelt sich die EZB mehr in Richtung Fed als in Richtung Bundesbank. Wer das abstreitet, meine Damen und Herren, der will den Leuten die
Augen verkleistern.
({17})
Sie haben nicht mehr die Kraft, hier im Bundestag, in
der Öffentlichkeit für die notwendigen Maßnahmen zu
sorgen, die erforderlich sind, um Länder vor Spekulationen zu schützen, weil Sie in Ihrer Koalition zerstritten
sind. Aber der Bundesfinanzminister hat sich im Juni per
Pressemitteilung zustimmend zu der Entscheidung von
Herrn Draghi geäußert, was das Ankaufprogramm von
Staatsanleihen betrifft. Sie haben die Europäische Zentralbank also durch Ihr Nichthandeln in diese Situation
gebracht und auch dazu beigetragen, dass der Bundesbankpräsident voll in Opposition ging und kurz vor dem
Rücktritt stand.
Jetzt befinden wir uns deshalb auf dem Weg in die
Staatsfinanzierung durch die EZB, und zwar mit hohen
Risiken, ohne dass der Bundestag - das ist für mich der
entscheidende Kritikpunkt - einen maßgeblichen Einfluss oder eine maßgebliche Kontrolle dieser Institution
hat.
({18})
Das, meine Damen und Herren, wird das Vermächtnis
dieser Bundesregierung sein.
({19})
Ich bin mir sicher, die Intervention wird ein, zwei
Jahre lang ökonomisch helfen. Ob dies auch dauerhaft
hilft, wird davon abhängen, ob es gelingt, eine gerechte
Ordnung an den Finanzmärkten zu erreichen. Es besteht
aber die Gefahr, dass der Weg, den die Bundesregierung
jetzt eingeschlagen hat - der Bundestag wird quasi aus
der Entscheidung herausgenommen, und die EZB nimmt
die Rolle des Staatsfinanzierers ein -, lange nachwirken
wird. Das wird diese Währungsunion tüchtig verändern.
Ich weiß nicht, ob Sie sich dieser Bedeutung bewusst
sind.
Ich höre dann immer wieder, dass dies mit vielen
Auflagen verbunden sei und dass es kein Geld ohne entsprechende Konditionen gebe. - Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Sie sich die Pressemitteilung und
das Statement von Herrn Draghi wirklich angeschaut haben. Er verweist auf den ESM - das ist dieser Rettungsfonds - und dort ganz speziell auf die Dispokreditlinie.
Sie nennt sich ECCL. Wissen Sie, wie die Bedingungen
hinsichtlich der Inanspruchnahme lauten, dass also die
EZB dann quasi unbegrenzt, und zwar ohne Haftung,
ohne Obergrenze, interveniert? Dass man sich an das jeweilige Nationale Reformprogramm hält, das sich die
Staaten selbst geben. Dem muss nicht zugestimmt werden. Das melden die Staaten dann einfach nach Brüssel.
({20})
Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, mir das deutsche Nationale Reformprogramm anzugucken. Darin
stehen Dinge, die Sie auch hier im Haushalt wiederfinden, wie zum Beispiel das Betreuungsgeld.
({21})
Das kündigen Sie als Nationales Reformprogramm an,
um Deutschland nach vorn zu bringen.
({22})
Das kostet nicht nur mehr als 1,2 Milliarden Euro
blanko, ohne dass Sie eine Gegenfinanzierung bringen.
Nein, es ist auch noch ökonomisch vollkommen unsinnig und auch familienpolitisch kontraproduktiv.
Carsten Schneider ({23})
({24})
Meine Damen und Herren, wenn zu solchen Bedingungen jetzt Staaten durch die EZB finanziert werden,
dann kann ich nur sagen: Gute Nacht! Das ist nicht ein
Weg in eine Fiskalunion, bei der wir die nationale Souveränität einschränken müssen. Im Gegenteil: Das wird
die Rutschpartie in eine Haftungsunion, in eine Schuldenunion, wie Sie es immer wieder nennen, ohne dass wir
irgendeinen Einfluss auf die nationalen Haushalte der
Mitgliedstaaten haben. Ich finde, das ist nicht akzeptabel. Ich glaube, dass Ihnen das in den nächsten Monaten
noch auf die Füße fallen wird; denn die Verunsicherung
ist groß.
Ich finde, wir sollten das Interview mit Herrn Draghi,
das heute in der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, zum
Anlass nehmen, ihn in den Bundestag einzuladen.
({25})
- Ja.
({26})
Ich finde, dass wir im Haushaltsausschuss mit ihm über
diese Maßnahmen sprechen müssen.
({27})
Insbesondere würde mich interessieren, wie sich die
Bundesregierung in diesem ganzen Spiel verhalten hat
und ob es nicht doch so ist, wie ich vermute: dass Herr
Draghi in diese Richtung getrieben wurde und letztendlich von der Bundeskanzlerin ganz klar Unterstützung signalisiert bekommen hat. Ich erinnere nur an die Haushaltsausschusssitzung vom vorigen Donnerstagmorgen.
Da hat der Prozessbevollmächtigte klar gesagt, er könne
sich nicht vorstellen, dass diese Operation gegen den
Willen eines großen Mitgliedstaates durchgeführt wurde.
({28})
Wenn das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache entschieden hat, werden wir wissen, wie es ausgeht.
Meine Damen und Herren, der vorgelegte Haushalt um das Handelsblatt zu zitieren - ist „Das Ende der
Konsolidierung“, und das im Wahljahr 2013.
({29})
Das ist keine große Überraschung, sondern das ist typisch. Sie haben die letzten drei Jahre verschlafen. Sie
haben sich auf den Lorbeeren der Beschäftigten, der Gewerkschaften und der Unternehmen ausgeruht, ohne dieses Land durch eigenes Zutun und strukturelle Veränderungen weiter nach vorn zu bringen. Sie zeigen mit dem
Finger auf andere Länder in Europa, sind selbst aber
nicht in der Lage, hier die notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen und Deutschland eine dauerhafte Führungsposition zu verschaffen.
({30})
Im Gegenteil: Die von Stagnation geprägte Politik dieser
Regierung wird uns auf Dauer teuer zu stehen kommen.
Je früher damit Schluss ist, desto besser.
Vielen Dank.
({31})
Was gibt es Schöneres, als seinen Geburtstag im
Kreise von lieben Kolleginnen und Kollegen zu begehen. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich, Kollege
Koppelin, und gebe Ihnen das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das wird wahrscheinlich der einzige Beifall sein, den ich
bei meiner Rede vom ganzen Haus bekomme;
({0})
aber ich bedanke mich natürlich dafür.
Der Kollege Carsten Schneider, der eben gesprochen
hat, machte auch in unsere Richtung die Bemerkung: Ich
weiß nicht, ob Sie Zeitung lesen. - Bei den Reden von
Carsten Schneider und manch anderen Sozialdemokraten wurde ich an einen Artikel erinnert - ich lese nämlich Zeitung -, der vor einigen Tagen, am 7. September
dieses Jahres, in der Financial Times Deutschland erschienen ist. Es ging darum, dass Frau Nahles wohl bei
den Demokraten in Amerika war. Am Ende des Artikels
wurde darauf hingewiesen, dass im Willy-Brandt-Haus
auf Wunsch von Frau Nahles Schreibkurse eingerichtet
wurden, mit folgender Begründung - ich lese wörtlich
aus diesem Artikel vor -: „… damit die Sozialdemokraten nicht mehr so langweilige Reden schreiben.“
({1})
So lautet das Originalzitat aus der Financial Times
Deutschland vom 7. September dieses Jahres. Ich rate
den Rednern der Sozialdemokraten dringend, auf die
von Frau Nahles eingerichtete Datenbank zurückzugreifen.
({2})
Ein Beispiel hat der Kollege Carsten Schneider - das
zog sich schon durch die ganze Woche - gerade abgeliefert. Er kritisierte uns dafür, dass wir die Grenze im Hinblick auf die Neuverschuldung bei 18 Milliarden Euro
gezogen haben. Diesen Betrag muss man übrigens nicht
ausschöpfen. Ich erinnere an dieser Stelle an eure alten
Reden. Damals habt auch ihr so etwas immer gesagt.
Hinterher sah das alles allerdings ganz anders aus. Ihr
baut hier also einen Popanz auf, an dem ihr euch hochziehen könnt, der allerdings überhaupt nicht stimmt.
({3})
Die 18-Milliarden-Euro-Grenze hat Kollege
Schneider, wie gesagt, gerade kritisiert. Noch vor einer
Stunde hat sein Kollege Kahrs hier gestanden und in der
Debatte zu einem anderen Etat 1 Milliarde Euro mehr
gefordert.
({4})
Ich habe mir ja die ganze Woche die Reden der Fachpolitiker der Sozialdemokraten angehört. Sie haben ständig
mehr und mehr und mehr gefordert, aber nicht gesagt,
wie sie ihre Forderungen gegenfinanzieren wollen; darauf will ich gleich noch zu sprechen kommen.
({5})
Ich kann nur sagen: Die Neuverschuldung des Bundes
unterschreitet die Vorgaben der Schuldenregelung. Diese
Koalition steuert kraftvoll auf einen ausgeglichenen
Bundeshaushalt zu. Wir können das schaffen. Wir wollen die Null bei der Neuverschuldung; das ist unser Ziel.
Wahr ist: Die gute konjunkturelle Lage und die gute
Situation bei den Steuereinnahmen helfen uns bei der Erreichung dieses Ziels, ohne Frage. Aber es ist doch ein
Märchen, wenn die Sozialdemokraten hier erklären, das
sei eigentlich ihr Verdienst aus längst vergangenen Zeiten. Nein, das ist unser Verdienst. Unsere Politik bedeutet nämlich - das wissen die Menschen draußen -: keine
Steuererhöhungen.
({6})
Das, was wir beschließen, gilt für längere Zeit. Bei uns
gibt es kein hü und hott wie bei den Sozialdemokraten,
die jeden Tag die Einführung einer neuen Steuer fordern.
Im Gegensatz zu dem, was wir machen, verunsichert das
die Menschen. Insofern glaube ich, es war sehr hilfreich,
dass wir für die Betriebe und die mittelständische Wirtschaft Planungssicherheit geschaffen haben.
Im Übrigen darf ich daran erinnern - auch wenn die
Sozialdemokraten das nicht hören mögen -, wie Ihre
Politik in der Vergangenheit ausgesehen hat - Sie wühlen ja gerne in der Vergangenheit herum, um zu zeigen,
wie toll Sie gewesen sind -: Vor der Bundestagswahl 2005 haben Sie erklärt, mit Ihnen werde es keine
Mehrwertsteuererhöhung geben, und nach der Wahl haben Sie die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht.
Das hat Ihnen damals 50 Milliarden eingebracht. Was
hat Ihr Finanzminister gemacht? Er hat trotzdem neue
Schulden in Höhe von 250 Milliarden Euro aufgenommen. Das war Ihre Politik, nichts anderes!
({7})
Wenn in dieser Woche die Argumentation bei den Sozialdemokraten - die Linken haben teilweise mitgemacht ({8})
besonders kurzatmig wurde, verwies man auf das
deutsch-schweizerische Steuerabkommen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz klar: Wer Steuern hinterzieht,
begeht eine Straftat. Das muss verfolgt, und das muss
geahndet werden. Aber es kann nicht sein, dass deutsche
Behörden in der Schweiz Daten stehlen lassen, um so
Steuersündern auf die Spur zu kommen.
({9})
Es kann nicht sein, dass wir diese Daten stehlen lassen.
Der fast planmäßige Ankauf von gestohlenen Schweizer
Bankdaten ist für mich nicht zu akzeptieren.
({10})
Die Schweiz ist ein Rechtsstaat.
({11})
Diebstahl ist dort strafbar. Daran sollten wir uns nicht
beteiligen. Sie sollten dem deutsch-schweizerischen Abkommen, das der Finanzminister ausgehandelt hat, zustimmen.
({12})
- Tun Sie nicht so scheinheilig, Herr Kollege
Oppermann, weil Sie denken, Sie haben damit ein schönes Thema gefunden. Ich habe einmal das Gesetz über
die strafbefreiende Erklärung vom Dezember 2003 herausgesucht. Es stammt von Hans Eichel. Was steht in
diesem Gesetz? Sie haben Leuten, die Steuern hinterzogen haben und im Ausland ihr Geld geparkt haben, angeboten: Wenn ihr dieses Geld angebt, dann braucht ihr gar
nicht mehr alles zu versteuern.
({13})
Das heißt, der ehrliche Deutsche, der hier seine Einkünfte versteuert hat, musste voll zahlen, und andere, die
ihr Geld im Ausland hatten und dieses dann auf der
Grundlage Ihres Gesetzes angegeben haben, mussten nur
60 Prozent zu einem geringeren Steuersatz versteuern.
({14})
Das war Ihre Politik. Das wollten wir nicht mehr machen.
({15})
Kollege Koppelin, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Montag?
Ja, klar. Das verlängert meine Redezeit.
({0})
Ich habe mich nicht deswegen gemeldet, Herr Kollege Koppelin, aber Sie profitieren tatsächlich davon. Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, dass Sie sich dagegen wenden, dass deutsche Behörden in der Schweiz Daten stehlen lassen.
Erstens. Ich möchte Sie herzlich bitten, dass Sie uns
einen einzigen Vorgang - einen einzigen Vorgang! - benennen, bei dem deutsche Behörden irgendjemanden angestiftet haben, irgendjemanden dazu angeleitet haben,
({0})
irgendjemanden gefragt oder gebeten haben oder irgendjemanden in die Schweiz geschickt haben, damit er dort
rechtswidrig Daten erwirbt.
({1})
Zweitens. Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen bekannt
ist, dass es bei der Ermittlung von Straftaten und bei der
Dingfestmachung von Straftätern in Deutschland seit
Jahrzehnten absolut üblich ist, für sachdienliche Hinweise - ich betone: für sachdienliche Hinweise -, nicht
für rechtmäßig erworbene, Gelder auszuloben. Der Polizei werden jede Woche wegen dieser Auslobungen Hinweise und Beweise zugeliefert, wofür die Behörden
selbstverständlich Geld bezahlen. Was haben Sie eigentlich plötzlich gegen dieses rechtsstaatliche Mittel? Sind
Sie nur deswegen dagegen, weil es um reiche Leute geht,
die Steuern hinterziehen?
({2})
Herr Kollege Montag, ich habe natürlich Ihren Redebeitrag zu diesem Thema in dieser Woche mit Interesse
gehört. Deswegen habe ich das aufgenommen. Insofern
bin ich Ihnen für die Zwischenfrage dankbar. Es ist vielleicht mein Vorteil, dass ich nicht wie Sie Jurist bin, sondern bei mir vielleicht mehr der gesunde Menschenverstand durchkommt.
({0})
Für mich ist völlig klar: Wenn ich als deutsche Behörde laufend Geld für solche Daten-CDs anbiete und
zahle, dann animiert das andere, das nachzumachen, um
auch abzukassieren. Nichts anderes ist das.
({1})
Das ist dann die Aufforderung zum Diebstahl.
({2})
Frau Präsidentin, wir werden bei anderer Gelegenheit
dieses Thema noch diskutieren. Aber es muss möglich
sein, dass man nicht nur den Standpunkt der Grünen vertritt,
({3})
sondern dass wir auch unseren Standpunkt hier vertreten
und dagegenhalten.
({4})
Es ist auch schon vom Kollegen Otto Fricke, von
Rainer Brüderle und anderen auf Folgendes hingewiesen
worden: Viel Geld kosten uns all die Forderungen aus
den Bundesländern. Die eine oder andere Forderung ist
da wirklich zu kritisieren. Wir werden teilweise „erpresst“, weil wir die Zustimmung zu bestimmten Gesetzen im Bundesrat brauchen. Das kostet den Bundeshaushalt Geld. Das verschweigt natürlich der Kollege
Carsten Schneider.
Ich will auch gleich einige Beispiele nennen. Schauen
wir einmal in die Länder: Glauben Sie, lieber Kollege
Schneider, dass das Land Nordrhein-Westfalen, wenn
wir ihm nicht 3 Milliarden Euro geben würden, damit es
seine WestLB abwickeln kann - das Land muss selber
8 Milliarden Euro aufbringen -, klarkommen würde?
Das Geld fehlt im Bundeshaushalt.
({5})
Das ist doch klar. Die 3 Milliarden Euro hätte ich gerne.
Mit der WestLB soll übrigens die Bank abgewickelt werden, mit der uns die Sozialdemokraten zeigen wollten,
dass sie die besseren Banker sind.
({6})
Das wollten Sie uns zeigen und haben nach Strich und
Faden eine Pleite hingelegt. Das war sozialdemokratische Politik.
({7})
- Wenn Sie sich aufregen, Kollege Oppermann, kann ich
gerne weitere Beispiele nachliefern.
Nehmen wir also Rheinland-Pfalz: Da wurden durch
den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Kurt
Beck Millionen an Steuergeldern in den Sand des Nürburgrings gesetzt. Vor der Landtagswahl haben die Grünen das heftigst kritisiert. Nach der Vertrauensabstimmung fallen sie jetzt Herrn Beck um den Hals. Das ist
ihre Politik; so schnell sind sie eingeknickt; Herr Beck
muss wirklich beeindruckend sein. Beeindruckend ist allerdings in der Tat, dass er mit dem Projekt, so schätzt
man, 400 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat.
Ganz bunt geht es - das ist schon angesprochen worden - in den SPD-regierten Ländern Berlin und Brandenburg mit dem Willy-Brandt-Flughafen zu.
Klaus Wowereit als Aufsichtsratsvorsitzender hat - das
ist auch der Eindruck in der Bevölkerung - längst den
Überblick verloren.
({8})
- Dass Sie sich darüber aufregen, verstehe ich. Wowereit war am 25. Juni bei uns im Haushaltsausschuss. Wir haben einen Sachstandsbericht zu Terminen,
Kostenschätzungen und zum Finanzierungskonzept bekommen. Herr Wowereit stand Rede und Antwort. Bereits einen Monat danach stimmte nichts, aber auch gar
nichts mehr. Sie können gerne die Vorlagen von mir bekommen.
({9})
Es stimmte nichts daran. Das werden die Grünen hoffentlich bestätigen. Sonst hätte Frau Künast nicht vielleicht sogar einen Untersuchungsausschuss zu dem
Punkt gefordert.
Der Bund ist Anteilseigner. Deshalb werden wir uns
vielleicht irgendwann beteiligen müssen. Aber wo
kommt das Geld dann her? Sie kritisieren unsere Neuverschuldung, und gleichzeitig zocken Sie mit Ihren
SPD-Ländern ab. Herr Wowereit würde völlig hilflos dastehen, wenn der Bund ihm nicht eines Tages helfen
wird. Das ist doch das Entscheidende.
({10})
Den Gipfel - das sage ich mit Blick auf den Kollegen
Carsten Schneider ({11})
erreicht der Sozialdemokrat Matthias Machnig. Er ist
SPD-Wirtschaftsminister. Ich kannte ihn bis dato noch
gar nicht.
({12})
Aber seit dem 3. September ist mir dieser Mann bekannt.
Dieser Herr Machnig kommt aus Thüringen
({13})
und ist dort SPD-Wirtschaftsminister. Er hat am 3. September im Handelsblatt vom Bund für die nächsten
Jahre - man höre und staune - 1 000 Milliarden Euro für
die ostdeutschen Bundesländer gefordert.
({14})
Berechnet auf die Jahre, für die er das fordert, sind das
circa 65 Milliarden Euro mehr pro Jahr, die er vom Bund
für die ostdeutschen Länder bekommen will. Schön und
gut, dort ist sicherlich etwas zu tun. In den westdeutschen Ländern ist übrigens auch Erhebliches zu tun.
Kommen Sie mal nach Schleswig-Holstein! Ich kann nur
sagen: Wir haben da auch Nachholbedarf.
({15})
Lieber Carsten Schneider, der Mann kommt aus Thüringen.
({16})
Der haushaltspolitische Sprecher der Sozialdemokraten,
Carsten Schneider, kommt ebenfalls aus Thüringen.
Stimmt ihr euch denn gar nicht ab, damit ihr ein einheitliches Konzept habt? Das müsst ihr doch abgestimmt haben. Das kann doch nicht wahr sein.
({17})
Schlussfolgerung auch nach dieser Woche und diesen
Beispielen: Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als
dass Sozialdemokraten sparen. Das ist meine Auffassung.
({18})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden unsere
solide Haushaltspolitik fortsetzen.
({19})
Wir wollen die Null. Wir wollen einen ausgeglichenen
Haushalt. Sie können sich daran beteiligen. Aber es geht
nicht an, hier immer nur noch mehr zu fordern.
Ich sehe gerade den Kollegen Kahrs. Sagen Sie doch,
dass es Unsinn ist, was die Landesregierung in Schleswig-Holstein macht. Dort werden Straßenbauprojekte
wie die A 20 eingestellt, und hier wird 1 Milliarde Euro
mehr für den Straßenbau gefordert.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({20})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Tagen von Bundesregierung und Koalition reichlich Selbstgefälligkeit und Eigenlob erlebt. Ich finde das, ehrlich
gesagt, völlig unangemessen, meine Damen und Herren.
({0})
Darum möchte ich die Kritik der Linken in drei Punkten
zusammenfassen:
Erstens. Dieser Haushalt ist kein Schutzschirm für die
Menschen in unserem Land.
Zweitens. Die Bundesregierung unternimmt nichts,
aber auch gar nichts, um die soziale Spaltung der Gesellschaft zu überwinden.
Drittens. Die Bundesregierung setzt Geld an der völlig falschen Stelle ein; sie verschwendet also Steuermittel.
Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend einen Schutzschirm für Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslose und Familien.
({1})
Was heißt das?
Schützen Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping und beschließen Sie endlich einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde!
({2})
In der Krise 2008 wurde die Regelung zur Kurzarbeit
vereinfacht. Das brauchen wir jetzt wieder.
Schützen Sie die heutigen und zukünftigen Rentnerinnen und Rentner vor Altersarmut! Führen Sie endlich
eine solidarische Mindestrente ein! Das ist das Gebot der
Stunde.
({3})
Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, sollen
jetzt 8 Euro im Monat mehr bekommen. Wenn man sich
nur einmal anschaut, wie die Preise gestiegen sind
- Mieten, Strom, Wasser, Lebensmittel werden immer
teurer -, dann muss man sagen: 8 Euro im Monat sind
doch wirklich eine Verhöhnung dieser Menschen. Wir
brauchen endlich eine Überwindung des unwürdigen
Hartz-Systems, meine Damen und Herren.
({4})
Wir als Linke sind die schärfsten Kritiker der Banken.
Aber eigentlich sind doch die Banken nur die Söldner,
die mit dem Spielgeld der Superreichen auf den Finanzmärkten nach hohen Renditen jagen und dabei kein Erbarmen kennen. Darum will ich hier unsere Forderung
wiederholen und bekräftigen, die gestern auch schon von
meinem Kollegen Roland Claus aufgebracht wurde:
Spekulationen mit Nahrungsmitteln müssen endlich verboten werden.
({5})
Doch die dringend nötige Regulierung von Banken
und Finanzmärkten ist nur ein Schritt. Die eigentliche
Ursache für die dauerhafte Finanzkrise ist doch die Konzentration des Reichtums in den Händen weniger. Deshalb ist unsere Forderung nach Umverteilung nicht nur
eine Forderung nach mehr Gerechtigkeit, sondern in
Wirklichkeit eine Forderung nach Erhalt unserer Gesellschaft. Aber diese Bundesregierung steht für weniger
Gerechtigkeit; sie steht für eine Beschädigung der Demokratie und unserer Sozialsysteme. Wir müssen endlich einen anderen politischen Weg gehen, meine Damen
und Herren.
({6})
Nun ist heute von mehreren Kollegen über Subventionen gesprochen worden. Ich finde, wenn man über Subventionen spricht, soll man das sehr konkret machen.
Schauen wir uns einmal die 20 größten Subventionsempfänger in Deutschland an: Hier stehen die energieintensiven Unternehmen auf Platz eins. Durch Subventionen
für diese gehen dem Bundeshaushalt jährlich 2,3 Milliarden Euro verloren. Ich finde, das ist nicht hinzunehmen.
({7})
Finanzminister Schäuble hat nun gefordert, dass die Unternehmen wenigstens einen konkreten Nachweis über
die eingesparten Mengen an Strom und Brennstoff liefern sollen, aber das wurde dann vom Wirtschaftsminister, der sonst nichts bringt, gekippt.
Meine Damen und Herren, die Steuerzahler sollten
durch eine Bankenabgabe von den Krisenkosten entlastet werden. Auch das ist ein Flop. Eigentlich war geplant, dass Herr Schäuble im Jahr 2011 über die Bankenabgabe 1,3 Milliarden Euro einnimmt. Es wurde weniger
als die Hälfte, gerade einmal 500 Millionen Euro. Die
Bundesbank hat uns die Auskunft erteilt - Sie können
das nachlesen -, dass die Krise den deutschen Steuerzahler bisher 335 Milliarden Euro gekostet hat.
({8})
Da fragt man sich: Warum wurden bei den Banken nur
500 Millionen Euro geholt? Da ist wirklich mehr drin.
({9})
Im Jahr 2010 - Sie erinnern sich - haben Sie ein Kürzungspaket beschlossen. Es wurde immer wieder geändert, und darum ist es interessant, zu schauen, was daraus geworden ist. Die Konzerne müssen zur Sanierung
der Staatsfinanzen so gut wie gar nichts beitragen; das
alles wurde peu à peu wieder gestrichen. Aber die Kürzungen, die den einfachen Steuerzahler treffen, wurden
eins zu eins umgesetzt.
Darum finde ich es immer besonders empörend, wenn
Politiker - auch in dieser Woche wieder - versuchen, das
Märchen zu verbreiten, dass eigentlich nur die Besserverdienenden Steuern zahlen. Das, meine Damen und
Herren, stimmt nicht.
({10})
Auch Arbeitslose und Rentner zahlen Steuern, nämlich
Verbrauchssteuern, vor allen Dingen die Mehrwertsteuer. Diese Steuern sind in den letzten Jahren immer
wieder gestiegen, im Gegensatz zur Einkommen- und
zur Erbschaftsteuer. Nur einmal zwei aktuelle Zahlen:
Wenn wir die Einnahmen aus den Jahren 2010 und 2011
vergleichen, so sehen wir, dass die Einnahmen aus der
Erbschaftsteuer um 3,6 Prozent zurückgegangen sind,
aber die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer um 1,8 Prozent gestiegen sind; hier wurden insgesamt 139 Milliarden Euro eingenommen. Ich finde, dass es für alle Menschen, die sich mit ihren Steuerzahlungen am
Staatshaushalt beteiligen, beleidigend ist, ihnen immer
wieder zu erklären, sie würden gar nichts zahlen und
nichts beitragen. Das stimmt einfach nicht, meine Damen und Herren.
({11})
Wir brauchen endlich eine Finanztransaktionsteuer,
die den Finanzmarkt entschleunigt und die zudem ordentlich Geld in die Staatskasse bringt. Wir brauchen höhere Vermögensteuern in unserem Land. Man muss auch
ganz deutlich sagen: Hier wurde viel über die Schweiz
diskutiert; das ist alles richtig. Wenn es jedoch um die
Besteuerung von Vermögen geht, ist Deutschland eine
große Steueroase. Auch das muss ein Ende haben.
({12})
Ich möchte konkret etwas zur Verschwendung von
Geldern sagen. Ein einziges Beispiel: Nach dem 2010
beschlossenen Kürzungspaket sollte das Verteidigungsministerium im Jahr 2013 1 Milliarde Euro weniger ausgeben. Davon findet man im Haushalt gar nicht mehr.
Die Bundeswehr macht eine Reform und baut Personal
ab. Doch trotz des Personalabbaus will der Minister fast
1 Milliarde Euro mehr für sein Personal haben. In der
Summe macht das 2 Milliarden Euro mehr aus als noch
2010 geplant.
Stellen Sie sich bitte einmal vor: In Griechenland
wird, so wie es die Troika gefordert hat, Personal im öffentlichen Dienst abgebaut. Dann sagen die Griechen
aber: Ja, wir bauen Personal ab, aber wir senken die Personalkosten nicht um 1 Milliarde Euro, sondern wir erhöhen sie um 1 Milliarde Euro. - Diese Koalition würde
doch im Karree springen und sofort alle Kreditlinien für
Griechenland sperren lassen. Wenden Sie endlich die
Maßstäbe, die Sie anderen abverlangen, auf sich selber
an! Erst dann wird eine glaubwürdige Politik daraus.
({13})
Jeder Europäer, der es wissen will, weiß es schon: Die
Bundesregierung hat viel bittere Medizin für unsere europäischen Nachbarn zur Hand. Auch im eigenen Land
wird diese bittere Medizin verteilt, aber nur an Arbeitnehmer, Arbeitslose, Rentner und Menschen, denen es
nicht so gut geht. Die Wirkung ist katastrophal.
({14})
Dieser Haushalt ist ein Schönwetterhaushalt für die
Menschen, die schon immer auf dem Sonnendeck gelegen haben. Er ist jedoch eine Bedrohung für die Menschen, die unter Deck sitzen müssen. Es wird Zeit, dass
sich etwas ändert in unserem Land.
Vielen Dank.
({15})
Der Kollege Sven-Christian Kindler hat das Wort für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eine Woche lang haben wir nun über den
Bundeshaushalt 2013 geredet. Vor einer entscheidenden
Frage hat sich die Koalition jedoch immer gedrückt. Die
Frage lautet, wie sich die Konjunktur in der nächsten
Zeit entwickeln wird.
({0})
Davon hängt nämlich maßgeblich ab, ob ihr Entwurf
auch nur im Ansatz funktioniert.
Zu den Zahlen: Die Koalition geht für den Haushalt
2013 von einem Wirtschaftswachstum in Höhe von
1,6 Prozent aus und für die Folgejahre laut Finanzplan
von einem Wachstum in Höhe von 1,5 Prozent. Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle hat seine Prognose schon auf 0,8 Prozent gesenkt, geht also nur noch
von der Hälfte aus. Das RWI sagt nur noch ein Wachstum in Höhe von 1,0 Prozent für das nächste Jahr voraus.
Auch in der Wirtschaft ist dieser Trend spürbar. Die
Auftragseingänge gehen zurück, befristete Verträge werden nicht verlängert, die Investitionen werden zurückgefahren. Viele Länder Europas befinden sich in der
Rezession. Das zeigt: Ihre Haushaltsführung ist nicht
nachhaltig. Sie surfen nur auf der Konjunkturwelle.
Wenn diese Welle einbricht, wird auch Ihr Haushalt zusammenbrechen wie ein Kartenhaus.
({1})
Bei Ihrer Haushaltspolitik haben Sie nur von der guten Konjunktur der letzten Jahre profitiert. Hinzu
kommt, dass die Zinsausgaben auf einem historisch
niedrigen Niveau liegen. Obwohl diese schwarz-gelbe
Koalition in dieser Legislaturperiode die Schulden um
100 Milliarden Euro erhöht hat - 100 Milliarden Euro
durch diese Schuldenkoalition -, sind die Zinsausgaben
um 10 Milliarden Euro gesunken. Dafür haben Sie aber
nichts getan. Das ist Ihnen einfach zugefallen, weil
Deutschland Krisengewinner ist. Daher rührt die konjunkturelle Haushaltsverbesserung. Diese Haushaltsverbesserung ist also rein konjunkturell bedingt; Sie haben
diese Zeit leider nicht genutzt, irgendetwas im Haushalt
voranzubringen. Sie haben sich nicht um eine strukturelle Haushaltsverbesserung gekümmert. Das ist Ihr großer Fehler.
({2})
Was jetzt nötig ist, auch angesichts der großen ökonomischen Probleme und der Konjunkturdaten, ist ein massives Umsteuern in der Krise. Wir brauchen einerseits
nachhaltige Investitionen, um Konjunkturimpulse gegen
die Rezession in Europa auszusenden. Andererseits
brauchen wir Investitionen, um für die Zukunft vorzusorgen. Das gilt vor allem im sozialen und ökologischen
Bereich, weil wir den Ressourcenverbrauch ebenso wie
den Ausstoß der Treibhausgase vermindern müssen. Der
Klimawandel mit seinen großen Herausforderungen darf
in dieser Finanzkrise nicht vergessen werden, denn er ist
die eigentliche Megakrise des 21. Jahrhunderts.
({3})
Was wollen wir konkret tun? Wir wollen konkret zum
Beispiel einen 3-Milliarden-Energiesparfonds einführen.
Wir wollen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen helfen, wirtschaftlicher mit Energie umzugehen,
mit Energie effizienter zu leben. Es soll insbesondere
dort energetische Stadtteilsanierung gemacht werden,
wo Menschen leben, die nicht so privilegiert sind. Gerade sozial benachteiligte Viertel wollen wir sanieren.
Denn wir wissen, es ist jetzt dringend notwendig, diese
Energiewende wirklich mit aller Kraft voranzutreiben.
Was aber macht diese Bundesregierung? Der Umweltminister hat auch diese Woche noch einmal gesagt,
er wolle die erneuerbaren Energien ausbremsen. Angela
Merkel hat gesagt, sie wolle die Windenergie einschränken. Der FDP-Chef Rainer Brüderle will mit seinem
planwirtschaftlichen Quotenmodell ein Moratorium für
die Energiewende durchsetzen. Wahnsinn! Diese Bundesregierung setzt die Energiewende mit voller Absicht
in den Sand, obwohl wir jetzt schnell erneuerbare Energien, Netze und Speicher ausbauen müssten.
({4})
Was wir uns wirklich sparen können, sind ökologisch
schädliche Subventionen. Wir brauchen keine Milliardensubventionen für die Industrie bei der EEG-Umlage,
bei Netzentgelten oder bei der Ökosteuer. Es gibt Milliardensubventionen durch das Dienstwagenprivileg,
und es gibt Milliardensubventionen für den Flugverkehr.
Es ist nicht nur umweltpolitisch geboten, diese umweltschädlichen Subventionen endlich abzubauen, sondern
dies ist auch haushaltspolitisch geboten, um Spielräume
im Haushalt zu schaffen.
({5})
Wir müssen in der Krise aber auch auf ein gerechteres
Steuersystem umsteuern. Wir hatten sehr gute Konjunkturdaten. Wir hatten nachlaufend wirklich sehr gute
Steuereinnahmen, und wir haben historisch niedrige Zinsen. Aber immer noch plant diese Bundesregierung, im
nächsten Jahr 18 Milliarden neue Schulden zu machen.
Das heißt, wir haben ein strukturelles Einnahmeproblem
des Staates, und wir haben eine strukturelle Unterfinanzierung des Staates, jedenfalls dann, wenn man den Sozialstaat erhalten will.
Diese Koalition steht - das weiß ich - natürlich für einen magersüchtigen Staat, sie steht für einen Nachtwächterstaat, den sich nur Reiche leisten können. Das
wollen wir Grüne nicht. Wir Grüne sagen auch klar: Wir
wollen einen leistungsfähigen Sozialstaat. Wir wollen
die Staatsquote wieder erhöhen. Wir wollen Besserverdienende stärker beteiligen über eine Anhebung des
Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent und indem wir Kapitalerträge angemessen besteuern; denn Haushaltskonsolidierung funktioniert nur, wenn es gerecht zugeht und
gerade starke Schultern mehr dazu beitragen.
({6})
Außerdem wollen wir Schulden abbauen. Wir sind
die einzige Partei, die ein tragfähiges Konzept für den
Schuldenabbau hat.
({7})
- Ja, Baden-Württemberg macht eine sehr gute Haushaltspolitik. Darauf sind Sie hier neidisch; das weiß ich.
({8})
Wir sind die einzige Partei, die ein tragfähiges Konzept hat. Wir setzen uns für einen Altschuldentilgungsfonds in Europa ein, um Europa zu stabilisieren. Damit
es gerecht und konjunkturverträglich läuft, wollen wir
auch Vermögensabgaben einführen; denn wir wissen, die
Gegenseite zu Schulden sind immer auch Vermögenswerte. Mit unserem grünen Konzept für eine deutsche
Vermögensabgabe belasten wir 99 Prozent überhaupt
nicht. 1 Prozent, die Millionäre, sollen ihren Beitrag
dazu leisten, dass wir Schulden aus dieser Bankenkrise
zurückführen.
({9})
Das ist nicht nur aus sozialen Gründen richtig, um gegen die wachsende Ungleichheit anzugehen. Das ist
auch ökonomisch vernünftig, weil sehr viel privater
Reichtum in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf die
Finanzmärkte geflossen ist und da zu großen Spekulationsblasen geführt hat. Deswegen ist Schuldenabbau
mit einer Vermögensabgabe auch ein wichtiger Beitrag
für die Finanzmarktstabilität.
({10})
Ich war übrigens etwas überrascht, als Minister
Schäuble in seiner Einbringungsrede am Dienstag Argumente gegen eine höhere Vermögensbesteuerung gebracht hat, so zum Beispiel das Argument der Kapitalflucht. Das ist bei unserem Konzept ausgeschlossen,
weil wir für die Vermögensbewertung eine Stichtagsregelung mit einem Stichtag in der Vergangenheit haben.
Wenn da mit Kapitalflucht argumentiert wird, wundere ich mich schon; denn es ist doch diese Bundesregierung, die mit der Schweiz ein Steuerabkommen machen
will, mit dem man Kapitalflucht per Steuerhinterziehung
quasi legalisieren möchte.
({11})
Wir haben in den nächsten Monaten im Haushaltsausschuss viel vor. Wir haben viele Sitzungen. Die Grünen
werden Ihnen konkrete Vorschläge unterbreiten - ich
hoffe, Sie nehmen sie an -, wie wir Schulden mit einer
Vermögensabgabe abbauen können, wie wir sozial und
ökologisch in dieser Krise umsteuern können und wie
wir nachhaltig und gerecht diesen Haushalt konsolidieren können; denn eine andere Politik ist möglich. Vor allen Dingen ist eine andere Politik endlich notwendig.
Vielen Dank.
({12})
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans Michelbach für
die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Diese
Haushaltswoche war eine erfolgreiche Woche für
Deutschland, für Europa, für unser Parlament und für die
christlich-liberale Koalition. Wir sind Stabilitätsanker,
Impulsgeber für Wachstum und Vorbild für Wettbewerbsfähigkeit. Wir senden ein starkes Signal und zeigen, welche Kraft in Deutschland steckt, wenn unser
Land richtig regiert wird.
({0})
Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit und den
höchsten Beschäftigungsstand aller Zeiten in Deutschland. Wir halten die Vorgaben der Schuldenbremse bereits drei Jahre früher als geplant ein. Das ist unser Erfolg, ein unbestreitbarer Erfolg.
({1})
Herr Kollege Schneider, da Sie die Neuverschuldung
in Höhe von rund 18 Milliarden Euro kritisieren, sage
ich Ihnen: Denken Sie an den Schuldenansatz von
86 Milliarden Euro in dem Jahr, als Sie zuletzt Verantwortung getragen haben! Denken Sie an NRW und Baden-Württemberg! Sie kennen nichts anderes, als immer
wieder neue Schulden zu machen.
({2})
Der Haushalt dieser Koalition ist Ausdruck einer soliden Finanzpolitik der Nachhaltigkeit. Unser Haushalt ist
wachstumsfreundlich, krisenbekämpfend und zukunftsorientiert gestaltet. Mit diesem Haushalt gelingt uns die
zielführende Balance zwischen einer vernünftigen,
schrittweisen Konsolidierung und notwendigen Investitions- und Wachstumsimpulsen. Eine erfolgreiche Krisenbekämpfung kann nur mit Haushaltskonsolidierung
und positiver Wachstumsentwicklung gleichermaßen gelingen.
Deutschland ist erfolgreich als Stabilitätsanker in
Europa.
({3})
Es liegt in unserem Interesse, dass es allen in Europa gut
geht. Wichtig ist, dass jetzt die in den letzten Jahren gewachsene Unsicherheit in Europa beendet wird. Dafür
stehen wir; dafür arbeiten wir. Die Überwindung der
Vertrauenskrise ist nur mit einer Stabilitätsunion und
nicht mit einer Schuldenunion möglich. Das ist der
Grundsatz; das ist unsere Konzeption. Wir wollen keine
unkontrollierte Vergemeinschaftung der Schulden. Wir
wollen nicht Ihre Euro-Bonds. Wir wollen keinen Altlastentilgungsfonds. Wir wollen kein einheitliches Einlagensicherungssystem für alle Banken in Europa. Wir
wollen keine unbeschränkte Zahlmeisterei mit Haftung
für alle.
({4})
Das ist unser Prinzip.
({5})
Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Woche
unsere Auffassung bestätigt, die Parlamentsrechte entsprechend gewichtet sowie unseren Fiskalpakt und unsere ESM-Gesetzgebung weitgehend akzeptiert. Das ist
doch ein Erfolg. Wir sollten damit offensiv umgehen und
der Bevölkerung sagen: Jawohl, hier wird richtige Politik gemacht. - Die Kritiker lassen dagegen jeglichen Lösungsansatz vermissen.
Es gibt doch nur drei Wege. Der erste Weg ist der der
Renationalisierung und der Verweigerung jeglicher
Hilfe. Das wäre mit ungeordneten Staatspleiten und großen Arbeitsplatzverlusten auch bei uns verbunden. Der
zweite Weg - das ist der Weg der Opposition - ist die
Vergemeinschaftung der Schulden und die Haftung für
alles. Das lehnen wir ab, weil das langfristig nicht zum
Ziel führt.
Der dritte Weg - das ist unser Weg - sind Hilfen mit
Konditionalität und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aller Länder. Das ist die einzige Chance; denn die
Schuldenkrise ist in einzelnen Ländern entstanden, und
die Probleme können nur dort gelöst werden. Die Probleme sind durch nichts anderes als die unterschiedliche
Wettbewerbsfähigkeit entstanden. Deshalb ist eine Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion mit
dem Fiskalpakt sowie mit konsequenten Prüfungen und
Kontrollen der einzig richtige Weg; den beschreiten wir.
({6})
Wir sind gegen eine reine Flutung mit Geld durch die
EZB.
({7})
Das ist sinnlos und brandgefährlich im Hinblick auf die
Inflation. Ihre Unterstellung, wir machten unsere politischen Hausaufgaben nicht und verließen uns auf die
EZB,
({8})
ist grundfalsch. Die EZB ist unabhängig, und wir sind
dafür, dass sie unabhängig bleibt.
({9})
Wir sollten das auch nicht infrage stellen.
Die wichtigste Handlungsschneise sehe ich nach wie
vor bei den Banken. Wir stehen in dieser Situation vor
einer wichtigen Entscheidung und einer politischen Herausforderung.
({10})
Deshalb verfolgen wir eine konsequente Regulierungspolitik gegenüber den Finanzmärkten. Da lassen wir uns
von niemandem der Untätigkeit zeihen und uns in unseren Bemühungen von niemandem überholen. Das Funktionieren der Währungsunion und des Finanzmarktes ist
für uns eine wesentliche Herausforderung.
Wir haben geliefert. Wir haben in dieser Legislaturperiode über zwölf Regulierungsgesetze auf den Weg gebracht. Wir werden jetzt CRD IV mit der Basel-IIIEigenkapitalanforderung voranbringen. Das heißt, wir
haben Finanzmarktregulierungen auf den Weg gebracht.
Mit unserem Restrukturierungsgesetz und der Bankenabgabe haben wir Regelungen getroffen, die Vorbild für
ganz Europa sind. In einer Bankenunion dürfen nicht
alle gleichbehandelt werden, sondern sie muss differenziert gestaltet werden. Wir haben hier große Erfolge erzielt. Wir werden den Hochfrequenzhandel einschränken, und wir werden weitere Regulierungen auf den Weg
bringen, weil die Handlungsschneise bei den Banken
nach wie vor eine große Aufgabe für die Politik ist. Wir
Finanzpolitiker werden uns dieser Aufgabe widmen und
uns der Herausforderung stellen.
({11})
Was ist noch zu tun in dieser Zeit? Wir kämpfen für
weitere Wachstumsimpulse. Das ist sicher notwendig.
Ich habe bereits gesagt: Konsolidierung ist nur mit
Wachstum möglich. - Daher ist auch wichtig, dass die
steuerpolitische Agenda nicht in die falsche Richtung
geht. Es darf nicht immer höhere Steuerbelastungen für
die Bürger geben, sondern wir müssen die heimlichen
Steuererhöhungen beenden und den Menschen das Geld
zurückgeben, indem wir das Gesetz zum Abbau der kalten Progression auf den Weg bringen. Ich kann Sie nur
bitten: Hören Sie auf mit Ihrer Blockadehaltung. Die
richtet sich gegen die Interessen der Menschen.
({12})
Mit der Beitragssenkung bei den Sozialversicherungen werden wir die Menschen um 32 Milliarden Euro
entlasten. Das ist für die Stärkung der Kaufkraft und des
Konsums ein wesentlicher Faktor und wird die Konjunktur verstetigen. Das ist der richtige Weg. Wir werden mit
dem Jahressteuergesetz neue Wege beschreiten. Die
Aufbewahrungsfrist wird auf sieben Jahre verkürzt. Das
ist ein Abbau von Bürokratie und erspart 2,5 Milliarden
Euro. Wir dürfen die Menschen nicht immer weiter belasten, sondern wir müssen ihnen Freiräume geben; denn
das Geld gehört zuerst den Menschen und dann erst dem
Staat. Deutschland hat überhaupt kein Einnahmeproblem. Deutschland hat eine richtige Politik betrieben, indem es mit Wachstumsimpulsen in Verbindung mit einer
entsprechenden Steuerpolitik zur Konsolidierung beigetragen hat.
Eines möchte ich zum Schluss deutlich sagen: Hören
Sie auf mit Ihrem scheinheiligen Verhalten, wenn es um
das Steuerabkommen mit der Schweiz geht! Wer dauerhaft Geschäfte mit kriminellen Hehlern macht, pervertiert den Rechtsstaat. Die Spielchen, die Sie machen,
sind nicht hinnehmbar. Es geht Ihnen nur darum, Neid
im Volk zu wecken.
({13})
Wir müssen deutlich machen: Die oberen 50 Prozent der
Steuerzahler in Deutschland zahlen 95 Prozent der Einkommensteuer.
({14})
Hier gibt es Gleichbehandlung. Hier sind keine Änderungen notwendig. Sie machen sich der Untreue schuldig, wenn Sie auf die Einnahme der 10 Milliarden Euro
verzichten, die aus dem Steuerabkommen mit der
Schweiz dem Fiskus zufließen werden.
({15})
In diesem Sinne sage ich: Kommen Sie zur Vernunft!
Wir warten darauf, dass Sie im Vermittlungsverfahren
zum Wohle und im Interesse der Menschen mitarbeiten.
Vielen Dank.
({16})
Die Kollegin Bettina Hagedorn hat nun für die SPDFraktion das Wort.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Herr Kollege Michelbach, Ihre Rede reiht sich
nahtlos in die vielen Reden von Schwarz-Gelb ein, die
wir hier diese Woche leider hören mussten. Die Redner
haben vor Selbstgefälligkeit gestrotzt, so als seien die
guten Arbeitslosenzahlen, die Höchstbeschäftigung, die
sprudelnden Steuerquellen, die überquellenden Sozialkassen allein Ihr Verdienst.
({0})
- Nein, das ist es nicht, und das wissen Sie auch. Das hat
draußen längst jeder wahrgenommen.
Sie profitieren seit Jahren quasi im Schlafwagen von
dieser guten Konjunktur. Wir Deutsche sind nur so gut
durch die Krise gekommen - warum verleugnen Sie das
eigentlich, liebe Kollegen von der CDU/CSU? -, weil
wir damals in der Krise mit den Konjunkturpaketen und
dem Kurzarbeitergeld gemeinsam die Weichen richtig
gestellt haben. Damals hatten wir eigentlich eine hervorragende Nettokreditaufnahme: Sie wurde bei 10,5 Milliarden Euro veranschlagt. Wir Haushälter wollten sie
damals gemeinsam unter 10 Milliarden Euro drücken.
Das war, unmittelbar bevor Lehman Brothers pleiteging.
Dann haben wir gemeinsam das Richtige gemacht, und
nur deshalb sind wir so gut durch die Krise gekommen.
Sie profitieren jetzt davon.
({1})
Wir freuen uns, dass Deutschland davon profitiert. Ich
verurteile aber die Art und Weise, wie Sie hier davon abzulenken versuchen, dass Sie keine eigenen Strukturanstrengungen unternommen haben. Sie wollten doch Subventionen abbauen. Was ist denn daraus in den letzten
drei Jahren geworden? Sie haben die Subventionen aufgestockt, Stichwort „Mövenpick/Hoteliers“. Davon versuchen Sie abzulenken. Herr Kollege Michelbach, Sie
haben mit den kriminellen Steuerhinterziehern, über denen Sie mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz einen Schutzschirm ausbreiten wollen, gerade wieder ein
gutes Beispiel für Ihre Klientelpolitik geliefert.
({2})
Seien Sie ganz sicher: Da machen wir nicht mit.
In gleicher Weise haben Sie die ganze Woche gebetsmühlenartig versucht, die kritischen Redebeiträge der
Opposition zu diffamieren. Wir haben immer wieder zu
Recht gesagt - ich werde gleich darauf noch eingehen -,
dass der Haushalt, den Sie hier vorgelegt haben, deshalb
unverantwortlich ist, weil Sie keine Vorsorge für den
Fall tragen, dass sich - der Kollege Sven Kindler hat
schon darauf hingewiesen - die Konjunktur eintrübt.
Null Vorsorge! Stattdessen plündern Sie mit diesem
Haushalt auch noch sämtliche Sozialkassen, und nur so
bringen Sie Ihre Prognose zustande.
({3})
Auch wenn darauf schon verwiesen worden ist, will
ich es noch einmal kurz erwähnen: Die für die Zinslasten
veranschlagten Mittel müssten aufgestockt werden,
wenn wir es mit einer Konjunkturdelle zu tun bekommen. Sie tragen keine Vorsorge für die Lasten der europäischen Rettungsaktionen, und Sie diffamieren uns alle
salopp und lapidar als Schwarzmaler. Aber damit werden Sie der Situation nicht gerecht. Sie von SchwarzGelb haben hier einen Haushaltsentwurf vorgelegt, mit
dem wir für eine Konjunkturdelle nicht gewappnet sind.
Sie haben eben so unverschämt gelacht, als ich gesagt
habe: Sie greifen in die Sozialkassen, und das ist unverantwortlich mit Blick auf das, was für die Zukunft eigentlich an Vorsorge geschehen müsste. - Daher will ich
an dieser Stelle konkret werden. Das Schlimme ist, dass
Sie seit drei Jahren kürzen, und zwar jedes Jahr mehr.
Und wo kürzen Sie? Einzig und allein im Haushalt von
Frau von der Leyen, einzig und allein auf dem Rücken
von Arbeitslosen bzw. Langzeitarbeitslosen und ihren
Familien.
({4})
Darunter sind zu einem großen Teil, nämlich 40 Prozent,
Alleinerziehende. Darunter sind sehr viele Migranten
und sehr viele Menschen mit Behinderungen.
({5})
Dadurch, dass Sie sich an den Mitteln, die für Qualifizierung und Weiterbildung erforderlich wären, vergreifen,
nehmen Sie diesen Menschen Chancen, obwohl es gerade die Aufgabe von Frau von der Leyen wäre, ihnen
Chancen zu eröffnen.
({6})
Diese Ministerin versucht, das Ganze zu kaschieren
- sie hat in diesem Kabinett grandios versagt, weil sie
eben nicht die erfolgreiche und ehrgeizige Kämpferin für
diejenigen Menschen ist, die ihr eigentlich anvertraut
sind -, zum Beispiel gerade mit ihrer Shownummer Zuschussrente. Sie versucht, davon abzulenken, dass sie eigentlich gar keine Anwältin der Rentner ist. Sie hat es
wieder einmal kommentarlos hingenommen, dass dieser
Haushalt erneut mit 2 Milliarden Euro zulasten der Rentenkasse konsolidiert wird; „konsolidiert“, so nennen Sie
das. 1 Milliarde Euro davon haben Sie im Haushalt und
auch im Finanzplan ausgewiesen. Das addiert sich übrigens bis 2016 auf satte 4,75 Milliarden Euro.
Dann haben Sie noch etwas ganz Bemerkenswertes
gemacht. Sie haben im August im Kabinett eine Beitragssatzsenkung von 19,6 Prozent auf 19,0 Prozent verkündet. Damit haben Sie so getan, als sei dies eine Wohltat, obwohl es eigentlich aktuelle Gesetzeslage ist. Wir
hätten das in der Bereinigungssitzung ohnehin beschlossen, weil wir das all die Jahre so gemacht haben. Wir haben den Beitragssatz immer so angepasst, wie der Schätzerkreis es Anfang November empfohlen hat, und er
wird aller Voraussicht nach Anfang November eine Senkung auf 19,0 Prozent verkünden.
Was aber haben Sie gemacht? - Sie wollten den
Showeffekt im August. Sie wollten sich bei den Beitragszahlern einschmeicheln. Obwohl dieser Beschluss
erst im August durch das Kabinett ging, hat Herr
Schäuble schon bei seinem Haushaltsentwurf, den er im
Juli vorgelegt hat, die Einsparung von 1 Milliarde Euro
- in diesem Umfang profitiert nämlich der Bundeshaushalt von einer Beitragssatzsenkung - eingerechnet und
damit vorweggenommen. Was bedeutet das? Das bedeutet: Wenn sich Ihre CDU-Ministerpräsidenten oder auch
Landesminister, die im Moment gern laut darüber nachdenken, ob nicht die Beitragssatzsenkung in dieser Höhe
wegen anderer Maßnahmen verändert werden könnte,
durchsetzen würden und damit der Beitragssatz nicht in
diesem Umfang gesenkt würde oder sogar stabil bliebe
- es gibt ja viele, die sagen, dies wäre aus demografischen Gründen ein schlauer Gedanke -, dann hätten Sie
in Ihrem Haushalt plötzlich eine Lücke von 1 Milliarde
Euro. Diese Art, einen Haushalt aufzustellen, ist einfach
unsolide.
({7})
Sie haben Ihr Sparpaket aufgelegt, aber bei der Wirtschaft und bei sich selbst sparen Sie gar nichts ein. Das
sind alles Luftbuchungen. Sie sparen nur im Bereich von
Frau von der Leyen. Da kürzen Sie schon seit Jahren. Sie
versuchen, das zu kaschieren. Manche Journalisten haben es noch nicht mitgekriegt, dass die Einsparungen in
diesem Bereich in Wirklichkeit in jedem Jahr zunehmen.
Nachdem in Ihrem Sparpaket schon Einsparungen
von 5 Milliarden Euro allein 2013 zulasten der Langzeitarbeitslosen und der Arbeitslosen vorgesehen waren, legen Sie mit diesem Haushalt noch etwas drauf. Jetzt
wollen Sie nämlich mit Ihrer sogenannten Instrumentenreform und der Umwandlung von Rechtsansprüchen in
Ermessensleistungen zusätzlich zu den 5 Milliarden
Euro um weitere 1,5 Milliarden Euro kürzen, und zwar
ausschließlich bei den Langzeitarbeitslosen.
({8})
Zwar ist die Arbeitslosenquote niedrig, worüber wir
uns gemeinsam freuen. Wie gesagt, wir haben eine gute
Konjunktur. Trotzdem haben wir in Deutschland ein Problem. Es gibt hier nämlich eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit. Es gibt bei uns eine sehr große Anzahl
von Menschen, die sich nicht erst seit einem halben, seit
einem Jahr oder seit zwei Jahren in Arbeitslosigkeit befinden, sondern schon fünf oder sechs Jahre, also in
Langzeitarbeitslosigkeit sind. Wenn wir diese Menschen
nicht bis an das Ende ihrer Tage abschreiben wollen,
dann müssen wir sie qualifizieren, was unter dem Aspekt
des Fachkräftemangels kein schlechter Gedanke ist.
({9})
Das kostet Geld. Dieses Geld ist in den Jobcentern
aber nicht mehr vorhanden.
({10})
Kollegin Hagedorn, auch die Kollegin Winterstein
kann Ihre Redezeit jetzt nicht mehr verlängern. Es tut
mir leid. Sie haben Ihre Redezeit schon überzogen. Insofern kann ich die Frage jetzt nicht mehr zulassen.
({0})
Es tut mir leid, ich habe nicht auf die Uhr geschaut.
Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, da wir einen Finanzminister
haben - er kann heute leider nicht da sein -, von dem wir
wissen, dass er eigentlich fachlich kompetent ist, kann
man ihm angesichts dieses verantwortungslosen Haushalts leider nicht einmal nur grobe Fahrlässigkeit unterstellen. Nein, es ist ein vorsätzlich verantwortungsloser
Haushalt.
Vielen Dank.
({0})
Kollegin Winterstein, es tut mir leid. Das Präsidium
hat in seiner ganzen Schönheit offensichtlich seine Aufmerksamkeit der falschen Seite des Hauses zugewandt.
Wir werden das zukünftig korrigieren.
Das Wort hat nun der Kollege Otto Fricke für die
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Das ist schon vollkommen in Ordnung. Man sollte die Aufmerksamkeit in Haushaltsdebatten mehr auf die linke Seite des Hauses richten;
denn es ist viel wichtiger, diese unter Kontrolle zu halten.
Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist der
letzte Haushalt, den wir in dieser Legislatur debattieren.
({0})
Wir sollten ganz ruhig und entspannt schauen, wo wir
stehen, und das damit vergleichen, wie das bei den jeweiligen Haushalten der letzten Legislaturperioden aussah. Ich habe nachgeschaut: 2004/2005, da war so ein
Hans Eichel dabei, der hat uns einen Haushalt hinterlassen mit einer Neuverschuldung in Höhe von 40 Milliarden Euro. 2009 war da so ein Herr Steinbrück - auch ein
Sozialdemokrat -,
({1})
der uns einen Haushalt mit einer Neuverschuldung in
Höhe von 86 Milliarden Euro hinterlassen hat.
({2})
Für das Haushaltsjahr 2013 ist eine Neuverschuldung
in Höhe von 18 Milliarden Euro geplant. Ich kann mich
den Aussagen der Bundeskanzlerin nur anschließen: Von
über 80 Milliarden Euro auf 18 Milliarden Euro herunterzukommen, das ist eine Leistung, die sozialdemokratische Finanzminister nicht geschafft haben und auch
nicht schaffen würden.
({3})
Darauf kann unsere Koalition stolz sein.
({4})
Das sollte man den Bürgern auch immer wieder sagen.
({5})
Warum ist das so, dass bei Ihnen eine Neuverschuldung von 40 Milliarden Euro und 86 Milliarden Euro
stattfindet und bei uns eben nur von 18 Milliarden Euro?
In den Debatten war eine starke Widersprüchlichkeit zu
spüren. Es hieß auf der einen Seite: mehr sparen, aber
auf der anderen Seite: mehr ausgeben. Lassen Sie mich
das im Einzelnen darstellen.
Warum ist die Basis des Haushalts so gut? Warum bemühen wir uns, die Milliardenbeträge zu reduzieren?
Weil wir wissen, dass jeder Cent, den wir zusätzlich ausgeben, die nächste Generation belastet. Deshalb kämpfen wir darum, so wenig neue Schulden wie möglich zu
machen. Warum stehen wir besser da? Weil die Wirtschaft gut dasteht. Warum steht die Wirtschaft gut da?
Weil die Rahmenbedingungen gut sind und weil die Bevölkerung sagt: Es lohnt sich, entsprechende Leistungen
zu erbringen. Sie steht gut da, weil Unternehmer, Arbeitgeber und Arbeitnehmer etwas leisten. Das ist der Rahmen, den diese Regierung gesetzt hat.
Frau Kollegin Hagedorn, Sie suchen geradezu nach
irgendeiner benachteiligten Gruppe.
({6})
Ich gebe Ihnen recht: Langzeitarbeitslose sind eine
Gruppe, um die man sich Gedanken machen muss. Nur,
der Unterschied ist: Sie haben es in all den elf Jahren, in
denen Sie an der Regierung waren, nicht hinbekommen,
({7})
beim Thema Langzeitarbeitslose auch nur irgendetwas
zu bewegen, und haben außerdem noch ein paar Millionen Arbeitslose draufgepackt. Das ist der Unterschied
zwischen Ihnen und uns: Wir haben die Arbeitslosenzahlen heruntergesetzt.
({8})
Wir haben dafür gesorgt, dass mehr Leute in Arbeit sind.
All das tut Ihnen weh, weil es Ihnen lieber wäre, wenn
Sie für Ihre Politik andere Zahlen hätten. Weil Sie das im
Bereich Arbeitsmarkt nicht mehr schaffen, versuchen
Sie jetzt beim Thema Sozialneid einen Popanz aufzubauen. So läuft doch bei Ihnen im Moment Haushaltspolitik.
Der Wirtschaftsmotor läuft gut, die Sozialsysteme
sind gesichert, und der Kernhaushalt des Bundes liegt
bei einer schwarzen Null. Um das den Bürgern noch einmal zu verdeutlichen: Wir haben für den Haushalt 2013
Zusatzbelastungen zu erwarten. Das hat zwei Gründe.
Der eine Grund ist die vom Kollegen Schneider vorhin
vollkommen vergessene Zusatzausgabe in Höhe von
8 Milliarden Euro für den ESM. Der zweite Grund wird
deutlich, wenn ich die völlig leere Bundesratsbank betrachte.
({9})
Bei jedem Thema - ich würde vermuten, selbst wenn es
um das Zweite Gesetz zur Änderung des Berufsrechts
der Podologen ginge - sagt der Bundesrat: Das Gesetz
ist okay, aber wir hätten gerne noch einmal 2 Milliarden
Euro für dieses oder 3 Milliarden Euro für jenes,
({10})
damit wir diesem Gesetz zustimmen. Wir haben zwar
nichts damit zu tun, aber gebt uns mehr Geld. - In diesem Fall sind das 10 Milliarden Euro. Jeder kann nachrechnen: Für die Länder und Kommunen zusätzlich
10 Milliarden Euro und für Europa zusätzlich 8 Milliarden, das ergibt 18 Milliarden Euro, und das entspricht
genau der Summe der Neuverschuldung für 2013.
({11})
Das zeigt: In Bezug auf die Ausgaben des Bundes ist
es der schwarz-gelben Koalition gelungen, eine
schwarze Null zu schreiben. Damit ist es uns gelungen,
die verfassungsrechtlichen und auch die europarechtlichen Vorgaben zu erreichen. All das tut Ihnen weh, aber
diese Zahlen zeigen: Schwarz-Gelb kann mit dem Geld
des Steuerzahlers umgehen.
({12})
Jetzt komme ich zu einem Punkt, der mich wirklich
ärgert. Sie sagen immer wieder:
({13})
Die Verschuldung ist zu hoch, und deswegen müssen die
Ausgaben gesenkt werden. Kollege Schneider hat das
auch gesagt. Ich habe ihm eben die Frage gestellt: Herr
Kollege Schneider, sagen Sie mir doch einmal, an welcher Stelle im Haushalt Sie Ausgaben in Milliardenhöhe
einsparen wollen?
({14})
Die Antwort des Kollegen Schneider war - gar keine.
({15})
Sie haben mir keinen einzigen Bereich genannt, in dem
Sie die Ausgaben senken wollen. Soll ich Ihnen sagen,
warum das so ist? Weil Sie es nicht können! Sie können
dem Bürger nicht sagen: Wir müssen auf diese oder auf
jene Ausgabe verzichten. Oder ist es anders? Liebe Sozialdemokraten und Grüne, darf ich mal fragen: Wollen
Sie etwa im Bereich der Investitionen die Ausgaben kürzen?
({16})
Nein. Ich höre nichts. Wollen Sie im Bereich der Sozialpolitik Ausgaben kürzen? Nein. Ich höre nichts.
({17})
Wollen Sie im Bereich der Familienpolitik Ausgaben
kürzen?
({18})
- Ja. Also, wir halten fest: Bei der Familienpolitik wollen Sie Ausgaben kürzen. Richtig? Gut.
({19})
Wir wollen bei der Familienpolitik keine Ausgaben kürzen, weil sie neben der Bildung die Basis für die Zukunft
unseres Landes ist und wir die Rohstoffe in den Köpfen
nutzen wollen.
({20})
Wenn es die Sozialdemokraten wollen, dann können sie
bei den Familien gerne kürzen. Wir kürzen bei Familien
nicht.
({21})
Als Haushälter sitzt man gemeinsam mit den Kollegen stundenlang in einer Sitzung, hört zu und muss überlegen, ob man in der Finanzdebatte ist - dann werden Sie
von uns wahrscheinlich weniger Ausgaben fordern, beweisen aber nicht, dass dies geht - oder in einer Fachdebatte. In einer Fachdebatte habe ich immer das Gefühl,
die Schizophrenie in der SPD ist nicht dreigeteilt wie bei
den Spitzenkandidaten, sondern nur zweigeteilt, nach
dem Motto: Die einen fordern: „Weniger ausgeben!“ und
können es nicht beweisen, und die anderen sagen: Mehr
ausgeben! In der Gesundheitsdebatte zum Beispiel
wurde gesagt: Wir geben viel zu wenig aus. Die 2 Milliarden Euro, die wir als Puffer haben, dürfen wir nicht
zurücknehmen. Daraufhin habe ich gefragt: Wo fehlt es
denn? Es wurde geantwortet: Da und dort fehlt es. Ich
habe weiter gefragt: Wie viel mehr sollte denn ausgegeben werden? Ihre Leute sagen dann: 2 Milliarden Euro
mehr
({22})
und beim Verkehr 1 Milliarde Euro mehr.
({23})
Es gibt doch keinen Bereich, wo Sie nicht mehr ausgeben wollen. Diese Art - das muss man den Bürgern
immer wieder sagen - ist in allen anderen europäischen
Ländern, die sich jetzt in der Krise befinden, der Beginn
des Krebses gewesen, den wir alle nicht haben wollen.
Wir wollen den Bürgern nicht sagen: Ich sorge dafür: Du
kriegst mehr, du kriegst mehr, und du kriegst mehr. Demjenigen, dem man das Geld spätestens mit einer
Mehrwertsteuererhöhung wegnehmen will, sagt man es
nicht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
({24})
Das Schöne ist, dass man inzwischen bei diesem
Thema wunderbar sehen kann, wie es wäre, wenn Sozialdemokraten an der Macht wären.
({25})
Gucken Sie nach Frankreich. Ich sage Ihnen: Wir sind
sehr froh, dass Herr Hollande uns spätestens im Mai zeigen wird, dass ihm genau dasselbe passieren wird, was
Schröder passiert ist. Er wird erkennen, dass all die
Wunschträume, wie man die Welt gerne hätte und wie
viel Geld man gerne noch ausgeben würde, in den Sand
gesetzt werden.
({26})
Das wird für diese Koalition eine wunderbare Vorlage,
um zu sagen: Leute, bleibt bei wirtschaftlicher Vernunft
und glaubt nicht linken Träumereien.
Zu den Grünen: In Baden-Württemberg gab es in den
Jahren 2010, 2011 jeweils eine schwarze Null. Was passiert in 2012, 2013 und 2014? Sie machen Schulden in
Milliardenhöhe. So ist es nämlich, wenn Grün-Rot die
Regierung mit einem grünen Ministerpräsidenten und einem roten Finanzminister übernimmt:
({27})
Dann steigt die Neuverschuldung, und dann steigen die
Ausgaben.
Das Allerbeste ist: Wer Lust und Interesse hat, dem
empfehle ich - in Nordrhein-Westfalen finden derzeit
parallel die Haushaltsberatungen statt - die Rede von
Frau Kraft.
({28})
- Gute Frau. Ja, das finde ich übrigens auch. Sie ist der
Beweis dafür, dass Sie es so machen. - Nordrhein-Westfalen hat, seitdem die Sozialdemokraten die Regierung
übernommen haben, bei einem Haushaltsvolumen von
50 Milliarden Euro die Ausgaben um 5 Milliarden Euro
erhöht,
({29})
während wir sie bei einem sechsmal so großen Haushalt
um 1 Milliarde gesenkt haben. Das ist der Unterschied:
Bei Ihnen geht es runter, bei uns geht es wunderbar nach
oben mit der Wirtschaft und mit dem Ausgleichen von
Haushalten. Daran können wir sehen, wo es entsprechende Parallelitäten geben würde.
({30})
Zum Schluss: Ich finde, diese Woche war eine gute
Woche; denn sie hat gezeigt, dass Schwarz-Gelb wirklich die einzige Möglichkeit ist, dieses Land innerhalb
Europas auf einer guten Basis zu halten. Dabei hat uns
das Verfassungsgericht geholfen.
Diese Woche hat ein Zweites gezeigt - das darf ich als
großer Freund der Niederlande sagen -: Wenn man für
Europa einsteht, aber auch klar sagt, dass es Regeln gibt,
an die man sich zu halten hat, dann kann man Wahlen
gewinnen und dann kann man sich vor allen Dingen gegen diejenigen durchsetzen, die einfach nur mehr Geld
ausgeben wollen. So wird es auch kommen. In einem
Jahr - das sage ich Ihnen voraus - werden wir genau sehen, dass uns der Wähler das, was wir jetzt vorbereitet
haben, danken wird, weil er weiß, dass wir auf sein Geld
aufpassen.
Herzlichen Dank.
({31})
Das Wort hat der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selten
war so viel Beschwörung christlich-liberaler Gemeinsamkeit in einer Haushaltsberatung. Ein Gespenst ging
um im Plenarsaal: das Gespenst der Gemeinsamkeit.
({0})
Ich sage Ihnen dazu: Wer so viel demonstrative Beschwörung braucht, wie wir es alle erlebt haben, der hat
ein handfestes Problem mit wirklicher Gemeinsamkeit.
({1})
Um es nicht ganz direkt zu sagen: Bei so viel Eigenlob
müsste die Klimaanlage im Plenarsaal eigentlich auf
Höchststufe arbeiten. Wir sagen Ihnen aber auch: Eine
solche Irreführung der Öffentlichkeit lassen wir Ihnen
nicht durchgehen.
({2})
Ich will mich mit Ihrem Eigenlob befassen:
Eigenlob eins: Wir halten Wort, der Koalitionsvertrag
gilt. Was steht im Koalitionsvertrag? In dieser Legislaturperiode werden die Ostrenten endlich angeglichen.
Was ist Fakt? Dieses Versprechen wird öffentlich gebrochen.
({3})
Ich sage Ihnen, was das zur Folge hat: Mein Enkel hat
im August seine Berufsausbildung begonnen. Mit Beginn dieser Berufsausbildung ist er ein Ostrentenanwärter. Wenn mein Enkel seine Berufszeit beendet - das
wird etwa 2060 der Fall sein -, wird er seinen Enkeln erklären müssen, was ein Ostrentner ist und warum er einer ist.
Frau Bundeskanzlerin, das ist einfach nur gaga. Eine
solche Enttäuschung der Ostdeutschen dürfen Sie sich
nicht leisten.
({4})
Eigenlob zwei: Wir sparen. Mein Kollege Dietmar
Bartsch hat Ihnen am Dienstag vorgerechnet, dass Sie in
dieser Legislaturperiode mehr als 112 Milliarden Euro
an neuen Schulden aufnehmen. Daneben verschweigen
Sie ja auch noch die Schattenhaushalte.
({5})
Sie sagen der Öffentlichkeit nicht, welche Milliardenverluste für die Rettung deutscher Banken bereits angefallen sind und wahrscheinlich noch anfallen werden. Erstaunlicherweise kommt die deutsche Bankenrettung
auch in den Medien überhaupt nicht mehr vor. Das müssen wir thematisieren.
({6})
Eigenlob drei: Bundesminister Schäuble sagte am
Dienstag wörtlich: „Der soziale Ausgleich … funktioniert …“ Als Beleg fügte er an, dass 10 Prozent der Einkommensbezieher 50 Prozent des Einkommensteueraufkommens tragen. Das ist ebenso richtig wie irreführend,
weil ausgeblendet wird, welchen Beitrag die unteren Gehaltsgruppen im Zusammenhang mit dem Mehrwertsteueraufkommen leisten. Das muss doch an dieser Stelle
einmal klargestellt werden!
({7})
Mit einer Veröffentlichung zur Sozialstatistik hat das
Statistische Bundesamt gestern Ihr Eigenlob natürlich
ein bisschen beschädigt. Das Statistische Bundesamt
sagt uns: In Deutschland ist die Armut gewachsen
({8})
und hat sich das Armutsrisiko erhöht. - Von den Flächenländern sind hier leider wieder die Bundesländer
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen traurige Spitzenreiter.
Man muss also sagen: Beides wächst. Ja, der Reichtum ist gewachsen. In der Krise hat sich die Zahl der
Millionäre von 720 000 auf 960 000 erhöht. Zugleich
wächst aber die Armut in diesem Lande. Deshalb kann
man nicht sagen, dass der soziale Ausgleich funktioniert.
Was hier leider funktioniert, ist die soziale Spaltung: Die
Reichen werden reicher, und die Armen werden zahlreicher. So kann es nicht weitergehen.
({9})
Eigenlob vier: Unser Sozialetat ist riesig; wir leisten
erhebliche soziale Wohltaten. Es stimmt, dass der Etat
riesig ist. Aber warum ist er denn so groß? Er ist so groß,
weil wir für eine verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik, die sehr viele Menschen aus der Gesellschaft ausgrenzt, so viele soziale Nachsorgemaßnahmen und Reparaturen durchführen müssen, dass solche riesigen
Summen notwendig sind. Sie nehmen diesen Menschen
dabei auch die Würde und treten Art. 1 unseres Grundgesetzes mit Füßen.
Eigenlob fünf: Wir tun etwas für die deutsche Einheit
und für den Osten. Fakt ist: Die Schere geht nicht zusammen, sondern seit Jahren wieder auseinander. Bei der
Steigerung des Bruttoinlandsprodukts blieb der Osten im
Jahre 2011 mit 2,5 Prozent deutlich hinter dem Westen
mit 3,1 Prozent zurück.
Im Stern wird für den Osten ab und zu schon mal der
Begriff „verbrannte Erde“ verwendet. Der Anteil des
Niedriglohnsektors ist im Osten doppelt so groß wie im
Bundesdurchschnitt. Auch das ist nicht hinzunehmen
und kann bei Ihnen nicht auch noch unter der Rubrik Eigenlob abgebucht werden.
({10})
Eigenlob sechs: Wir sind für Frieden und Abrüstung.
Was ist die Wahrheit? Das Volumen der deutschen Rüstungsexporte wächst. Wir sind, wie ich es inzwischen
vom Bundesverteidigungsminister schriftlich bekommen
habe, noch immer im Beistandsfall, also, wenn man es
deutlich sagt, im Krieg. Nichts von dem, was Sie zur Begründung der deutschen Beteiligung am AfghanistanKrieg früher hier angeführt haben, ist eingetreten. Ich erinnere mich noch gut an das, was ich mir von Ihnen alles
anhören musste, als ich vor elf Jahren für meine Fraktion
hier im Bundestag die Formel vorgetragen habe: Krieg
ist die falsche Antwort auf den Terror. Deshalb gilt auch
hier: Es ist nicht wahr, was Sie der Öffentlichkeit versprechen.
Eigenlob 7 bis 100 und die notwendige Kritik daran
reiche ich Ihnen im Haushaltsausschuss nach. Wir sehen
den Beratungen mit Interesse entgegen.
({11})
Die Kollegin Katja Dörner hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Wir konnten in dieser Woche und auch
heute wieder erleben, dass die Regierungsfraktionen sich
vor Begeisterung über sich selbst gar nicht mehr einkriegen konnten. Aber es ist ja bekanntlich so: Wer sich
selbst so loben muss, der hat es offensichtlich nötig, weil
es sonst niemand tut. Da steckt nicht besonders viel dahinter.
({0})
Ich werde jetzt einmal ein paar Fakten auf den Tisch
legen.
({1})
Es ist ja richtig: Die Neuverschuldung wurde gesenkt,
sie wurde sogar deutlich gesenkt. Aber das ist nun wahrhaftig keine eigene Leistung. Das wird deutlich, wenn
man sieht, dass allein durch konjunkturelle Effekte
16,5 Milliarden Euro zusätzlich in den Haushalt gespült
werden. Dann sieht der Haushaltsentwurf auch noch flott
Kürzungen beim Gesundheitsfonds, bei der BA und
beim Bundeszuschuss zur Rentenversicherung im Umfang von 5 Milliarden Euro vor. Trotzdem kommen wir
auf eine Konsolidierungslücke von mehr als 3 Milliarden Euro. Ich frage mich: Was würden unsere griechischen Freundinnen und Freunde in ihrer derzeitigen Situation zu einer solchen Haushaltsführung sagen?
({2})
Apropos Griechenland, ich habe in dieser Woche in
keiner Rede der Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen einen einzigen Hinweis darauf gehört, wie massiv wir aktuell in unserem Haushalt von
den historisch niedrigen Zinsen profitieren.
({3})
Selbstverständlich sind diese niedrigen Zinsen, die wir
für unsere Kredite zahlen, die Kehrseite der Medaille der
massiven Zinsbelastungen in anderen Ländern der Europäischen Union.
({4})
Mit dem Finger auf andere wie beispielsweise Griechenland zu zeigen und dabei den ganz harten Hund zu
spielen, ist immer einfach. Wir haben aber schon in dieser Woche nachgewiesen, dass Schwarz-Gelb selbst bei
der Haushaltskonsolidierung nichts auf die Kette bekommt.
({5})
Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, wer für eine derart unsinnige und
tatsächlich schädliche Leistung wie das Betreuungsgeld
ernsthaft zunächst 300 Millionen Euro und ab 2014
schon 1,4 Milliarden Euro in den Haushalt einstellt, der
muss mit uns über Konsolidierung überhaupt nicht mehr
sprechen.
({6})
Mir ist am Mittwoch und auch gestern in der Debatte
zum Etat des Familienministeriums durchaus aufgefallen, dass sich die FDP für das Betreuungsgeld nicht so
recht begeistern kann. In der gestrigen Debatte zum Etat
des Familienministeriums haben drei Kolleginnen und
Kollegen von der FDP gesprochen. Dabei ist kein einziges Wort zum Betreuungsgeld gefallen. Ich muss sagen:
Dieses Wegducken werden wir der FDP in dieser Frage
nicht durchgehen lassen.
({7})
Andererseits - das möchte ich auch sagen - haben
sich einzelne FDP-Haushaltspolitiker schon ziemlich
weit aus dem Fenster gehängt. Sie haben angekündigt, in
den Haushaltsberatungen das Betreuungsgeld zu kippen,
und das trotz des Kanzlerinnenmachtworts. Hierzu muss
ich sagen: Wenn es um die Verhinderung des Betreuungsgeldes geht, dann würden sogar wir eine Lieferung
der FDP dankbar entgegennehmen,
({8})
aber wahrscheinlich bleiben auch diese Ankündigungen
nur heiße Luft.
Ein schönes, aber auch ärgerliches Beispiel für „als
Tiger gesprungen, aber als Bettvorleger gelandet“, wenn
es um die Haushaltskonsolidierung geht, findet man bei
einem Blick in den Verteidigungsetat. Was wurde nicht
alles von Herrn Guttenberg im Zusammenhang mit der
Bundeswehrreform angekündigt? 8,2 Milliarden Euro
wollte Guttenberg einsparen. Davon spricht heute aufseiten der Regierungskoalition kein Mensch mehr. Stattdessen steigt der Verteidigungsetat nächstes Jahr erneut um
1,4 Milliarden Euro. Das ist aus unserer Sicht völlig inakzeptabel.
({9})
Was im Verteidigungshaushalt nicht gelingt, das hat
bei den Ärmsten in unserem Land geklappt und klappt
leider weiterhin. Was ist denn von dem sogenannten
Sparpaket übrig geblieben? Übrig geblieben ist die Anrechnung des Sockelbetrags beim Elterngeld auf die
ALG-II-Leistungen. Hier geht es um 400 Millionen
Euro. Dieses Geld fehlt gerade den frischgebackenen Eltern, die das Geld am Nötigsten hätten. Geblieben ist
auch die Abschaffung der Rentenzahlungen für Langzeitarbeitslose. Nur das Sparen bei den Ärmsten ist geblieben, bei denen, die sich selbst am wenigsten helfen
können. Das ist Sprengstoff für unsere Gesellschaft.
({10})
Für das kommende Jahr planen Sie den Griff in die
Kasse der Bundesagentur für Arbeit. Auch das verschärft die soziale Ungerechtigkeit in unserem Land.
Denn wenn bei der Qualifizierung und bei der Wiedereingliederung gespart wird, werden Menschen Lebenschancen entzogen.
In der Pflege kommt der sonderbare Pflege-Bahr, der
letztendlich nicht mehr ist als ein Subventionsprogramm
für die privaten Pflegeversicherungen. Ich finde, man
sollte einmal ganz genau hinschauen, welche Unternehmensbeteiligungen von Parteien dabei gegebenenfalls
eine Rolle spielen könnten.
({11})
Es ist doch absehbar, wer sich eine solche Zusatzversicherung wird leisten können. Das Ganze ist nicht nachhaltig und wird uns sehr bald ganz übel auf die Füße fallen.
({12})
Die Bundesregierung tut nichts, um die soziale Schere
in Deutschland zu schließen. Sie tut sogar einiges, um
diese weiter auseinanderdriften zu lassen. Hierzu gehört,
dass es immer noch keinen gesetzlichen Mindestlohn
gibt. Hierzu gehört die regelrecht skandalöse Weigerung
der Bundesregierung, die ALG-II-Regelsätze endlich auf
ein verfassungskonformes Niveau anzuheben.
({13})
Wir werden in den Haushaltsberatungen zeigen, dass
Konsolidierung des Haushalts und mehr soziale Gerechtigkeit, Konsolidierung und mehr Klimaschutz sowie
Konsolidierung und bessere Bildung möglich sind. Ich
freue mich auf die Beratungen im Haushaltsausschuss.
Vielen Dank.
({14})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Steffen Kampeter.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir bewegen uns auf den Schlusspunkt der ersten Lesung dieses Bundeshaushalts zu. Es ist an der Zeit,
deutlich zu machen, welche Alternativen es in der Haushaltspolitik gibt.
({0})
Auf der einen Seite - das ist nicht nur bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs, sondern auch in den Beiträgen der Fachminister deutlich geworden - steht die
wachstumsfreundliche Konsolidierung durch die christParl. Staatssekretär Steffen Kampeter
lich-liberale Koalition: Verlässlichkeit, Einhalten von
Zusagen, kein Aktionismus, eine Politik von Maß und
Mitte, die auch auf den inneren sozialen Zusammenhalt
in diesem Land setzt.
({1})
Auf der anderen Seite steht die Finanzpolitik der Opposition, die aus zwei Obersätzen besteht: Im ersten Satz
wird gesagt, dass zu viele Schulden gemacht werden,
und im nächsten Satz werden neue Ausgaben in Milliardenhöhe gefordert. Die einzige Finanzierungsoption ist
zusätzliches Abkassieren bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist der Kern Ihrer Finanzpolitik. Es gibt klare
Alternativen: Maß und Mitte auf unserer Seite und mangelnde Solidität und Abkassiererei aufseiten der Opposition.
({2})
Wir haben uns in der Haushaltspolitik dieser Legislaturperiode bemüht, nur solche Zusagen zu machen, die
wir auch sicher einhalten konnten. Wir haben Jahr für
Jahr die Planungen so optimiert, dass wir die Nettokreditaufnahme und auch die Ausgaben senken konnten.
Das war eine Gemeinschaftsleistung dieser Koalition
und dieses Kabinetts. Das fällt einem nicht in den Schoß.
Ich möchte das mithilfe eines Schaubilds deutlich machen. Ich habe einmal die Entwicklung der Kreditaufnahme seit 2010 aufgezeigt: Wo sind wir gestartet, und
wo werden wir verlässlich landen? Ich muss mein
Schaubild aufklappen;
({3})
es ist sehr groß, weil der Startpunkt bei 86,1 Milliarden
Euro liegt. Das waren die Befürchtungen des Herrn
Steinbrück.
({4})
Hier sehen Sie die Erfolge des Herrn Schäuble. So unterscheiden sich die Zahlen. Das ist das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit und einer erfolgreichen Finanzpolitik.
({5})
Wir haben immer wieder gehört, wir würden von der
konjunkturellen Entwicklung profitieren. Es ist richtig:
Die konjunkturelle Entwicklung ist eine Leistung der
Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die durch Fleiß,
Innovationsbereitschaft und die Bereitschaft, auch in
schwierigen Zeiten die Ärmel hochzukrempeln, entstanden ist. Diese Bundesregierung tut alles, was notwendig
ist, damit auch der Rahmen stimmt, damit die Konjunktur brummt.
({6})
Wenn Sie andere Länder Europas betrachten, sehen Sie
unterschiedliche konjunkturelle Entwicklungen. Neben
dem Fleiß und der Einsatzbereitschaft der Menschen ist
eine Bundesregierung wichtig, die diesem Fleiß und dieser Einsatzbereitschaft auch den Freiraum lässt, sich zu
entwickeln.
({7})
Kollege Kampeter, erstens fühlt sich das Präsidium
benachteiligt, da Sie ihm das Ergebnis Ihrer Arbeit nicht
gezeigt haben. Wir konnten also nicht prüfen, ob das
eine erlaubte Einbringung von Materialien ist.
Zweitens möchte der Kollege Schneider eine Frage
stellen oder eine Bemerkung machen. Gestatten Sie das?
Nein, in diesem Fall nicht. Ich werde mich jetzt allerdings dem Kollegen Schneider widmen.
({0})
Ich glaube, der Kollege Schneider spielt im Rahmen
seiner Argumentation im Zusammenhang mit der SPDFinanzpolitik ein ziemlich scheinheiliges Spiel;
({1})
das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden. Wenn
Sie die Rede von Frau Hagedorn und die Rede von
Herrn Schneider einmal nebeneinanderlegen, dann sehen
Sie: Herr Scheider klagt über zu viele Schulden, und
Frau Hagedorn fordert, die Ausgaben in den Sozialsystemen weiter hoch zu halten. Man muss sich aber für eines
entscheiden.
({2})
Entweder glaubt man Herrn Schneider, der von zu hohen
Schulden spricht, oder man glaubt Frau Hagedorn, die
von zu wenig Ausgaben in vielen Bereichen spricht. Wer
aber beides sagt, der handelt scheinheilig, der ist nicht
verlässlich und dem kann man in der Finanzpolitik nicht
trauen.
({3})
Ich möchte mich jetzt dem Argument von Herrn Poß
zuwenden, der gesagt hat - ich glaube, es war am Dienstag -, wir seien von sozialer Ignoranz geprägt.
({4})
Das waren Ihre Worte, Herr Kollege Poß. Sie haben weiterhin ausgeführt, wir würden bei den Schwachen in dieser Gesellschaft kürzen.
({5})
Aber dafür haben Sie überhaupt keine Belege,
({6})
weder im aktuellen Haushalt noch in der erfolgreichen
Bilanz der Sozial- und Wirtschaftspolitik.
Herr Kollege Poß, Sie stehen an der Spitze derjenigen, die im Bundesrat verhindern, dass wir für mehr soziale Gerechtigkeit bei den Beziehern von kleinen und
mittleren Einkommen sorgen können, nämlich durch die
Abschaffung der kalten Progression.
({7})
Wer hier das Lied der sozialen Ungerechtigkeit singt,
den Menschen keine Lohnerhöhungen gönnt und im
Bundesrat gegen die Abschaffung der kalten Progression
stimmt, der handelt scheinheilig. Das ist das Markenzeichen der Finanzpolitik der Sozialdemokratie.
({8})
Ich möchte mich nun ein Stück weit dem Argument
nähern - ich glaube, auch die Kollegin Hagedorn hat es
vorgetragen -, wir würden eine Konsolidierung zulasten
der sozialen Sicherungssysteme betreiben.
({9})
Zuerst einmal möchte ich sagen: Wir geben einen erheblichen Anteil aus dem Bundeshaushalt, aus Steuergeldern in die sozialen Sicherungssysteme.
({10})
Das ist der Bärenanteil.
Lassen Sie uns einmal die drei Bereiche anschauen.
Worum geht es, und was machen wir mit diesem Geld?
Erstens. Wir haben - ich habe mich gerade bei Daniel
Bahr rückversichert - zum ersten Mal riesige Überschüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung. Vor
diesem Hintergrund ist es doch wohl vernünftig und geboten, dass wir - die Sozialdemokraten sagen, wir haben
zu hohe Schulden - überprüfen, ob der Zuschuss, den
wir aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung stellen und
den wir nötigenfalls auch mit Schulden finanzieren,
leicht zurückgeführt werden kann. Denn es macht wenig
Sinn, viele Schulden im Bundeshaushalt und viele Überschüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung zu haben. Fragen Sie einmal Ulla Schmidt und auch Frau
Fischer von den Grünen. Die hätten die Probleme, die
Daniel Bahr gerade hat, in ihrer Amtszeit gerne gehabt.
Überschüsse in den Sozialkassen ermöglichen es,
({11})
den steuerfinanzierten Zuschuss leicht und moderat abzusenken. So bleiben Überschüsse und Stabilität in der
gesetzlichen Krankenversicherung.
({12})
Zweitens. Was die Arbeitslosenversicherung angeht,
zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Große Koalition hat im
Jahr 2007 beschlossen: Wir geben Steuergelder in die
Arbeitslosenversicherung, damit der Arbeitslosenversicherungsbeitrag sinken kann. Wir waren der festen
Überzeugung: Das ist ein Beitrag für mehr Wachstum
und Beschäftigung, weil der Abgabenhebel gerade bei
den Beziehern von kleinen und mittleren Einkommen
brutal zugeschlagen hat.
Diese Politik war erfolgreich. Der Wirtschaftsminister
und die Arbeitsministerin können mit Stolz darauf hinweisen, dass wir, was die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland betrifft, einen
Nachkriegsrekord aufgestellt haben.
({13})
In dieser Situation ist es nicht mehr geboten, einer ausgeglichenen, wahrscheinlich sogar über Überschüsse
verfügenden Arbeitslosenversicherung weiterhin einen
Steuerzuschuss zu gewähren. Wenn Herr Schneider kritisiert, das Defizit sei zu hoch, müsste er doch eigentlich
der Erste sein, der fordert, dass es keine Steuerzuschüsse
zur Arbeitslosenversicherung mehr geben darf, weil sie
diese nicht braucht und das Beitragsniveau ohnehin ausgesprochen niedrig ist. Das ist solide Finanzpolitik, und
das ist geboten und vernünftig.
({14})
Das gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die Rentenversicherung. Ich habe das Plädoyer der Kollegin
Hagedorn für die Absenkung des Rentenversicherungsbeitragssatzes gehört. Wir wollen, dass mehr netto vom
Brutto bleibt, insbesondere deshalb, weil wir wissen,
dass für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen
die Höhe der Sozialabgaben eine viel größere Bedeutung
hat als die steuerliche Belastung.
({15})
Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir
dafür in Bundestag und Bundesrat politische Mehrheiten
brauchen. Ich würde mich freuen, wenn diejenigen, die
sich hier für Beitragssatzsenkungen einsetzen, dies auch
bei ihren Parteifreundinnen und Parteifreunden im Bundesrat verkünden würden. Wir arbeiten daran genauso
hart. Wir wollen diese Beitragssatzsenkung.
({16})
Mit dieser Beitragssatzsenkung wäre übrigens eine
leichte, moderate Absenkung der Höhe des Bundeszuschusses verbunden.
({17})
Die Rentenversicherung verfügt aufgrund der erfreulichen konjunkturellen Entwicklung in Deutschland über
den höchsten Überschuss in ihrer Geschichte. Die Rücklage ist solide. Wer angesichts dessen behauptet, wir
konsolidierten zulasten der Stabilität der sozialen Sicherungssysteme, stellt unter Beweis, dass er weder kompetent noch verantwortungsvoll, noch ein verlässlicher
Partner ist, weder in der Wirtschafts- und Sozialpolitik
noch in der Finanzpolitik.
({18})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich zum Schluss noch auf zwei Punkte hinweisen.
({19})
Herr Kollege Schneider, Sie haben mehr über die Geldpolitik als über die Fiskalpolitik geredet. Dass die deutsche Sozialdemokratie die Zuständigkeit für die Geldpolitik hat, ist mir nicht bekannt. Wir haben mit diesem
Haushalt deutlich gemacht, dass wir auf nationaler
Ebene unsere fiskalpolitischen Hausaufgaben erledigen.
({20})
Wir haben mit den Entscheidungen auf europäischer
Ebene deutlich gemacht - Fiskalpakt und ESM wurden
ja in dieser Woche bestätigt -, dass wir dafür Sorge tragen werden, dass auch europaweit die Hausaufgaben im
Bereich der Fiskalpolitik erledigt werden. Das ist die
Aufgabe der Politik. Sie sollten keine Schattengefechte
mit der EZB führen. Sie sollten endlich konstruktive,
vernünftige Beiträge leisten, beispielsweise im Hinblick
auf ein Steuerabkommen mit der Schweiz,
({21})
damit wir bei der Konsolidierung weiter voranschreiten
können, anstatt Scheingefechte mit Herrn Draghi - er ist
sowieso eine Nummer zu groß für Sie - zu führen, meine
sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition.
({22})
Wachstumsfreundliche Konsolidierung bedeutet im
Übrigen auch, Ordnungspolitik zu betreiben.
({23})
Vor diesem Hintergrund will ich ganz zum Schluss auf
einen Aspekt hinweisen, der in dieser Woche etwas untergegangen ist, nämlich auf den Sachverhalt, dass sich
der Staat aus seinen Beteiligungen an Unternehmen zurückzieht. Diese christlich-liberale Koalition hat 5 Prozent der Beteiligungen, die indirekt über die Telekom
und die KfW gehalten wurden, zurückgeführt. Wir glauben nämlich, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem
Land auch wirtschaftliche Freiheit genießen sollten. Wir
wissen, dass dies eine der Kernkompetenzen der sozialen
Marktwirtschaft ist. Wirtschaftliche Freiheit und sozialer, innerer Zusammenhalt in diesem Land sind der Markenkern christlich-liberaler sozialer Marktwirtschaftspolitik.
({24})
Dies unterstützen wir mit diesem Haushaltsentwurf.
({25})
Er führt uns einen Schritt weiter auf dem Weg zu einem
ausgeglichenen Bundeshaushalt. Alle, die daran interessiert sind, sollten - auch im Interesse der nachfolgenden
Generationen -, anstatt herumzumäkeln und zu sagen:
„Alles ist Mist“, diese kraftvolle Gemeinschaftsleistung
der christlich-liberalen Koalition zumindest ein Stück
weit anerkennen.
Herzlichen Dank.
({26})
Der Kollege Johannes Kahrs hat nun für die SPDFraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich schätze den Kollege Kampeter sehr, aber
das war eher eine Fünf minus.
({0})
Herumdröhnen alleine ersetzt keine Inhalte. Wir haben
in den letzten Reden viel eitles Geschwätz und Gespreize, Herr Fricke, und viel Gedröhne gehört. Wir haben viel gehört, was man eigentlich überhaupt nicht vertreten kann. Herr Michelbach sprach hier von „unseren
Erfolgen“ und „unseren Verdiensten“.
({1})
Wenn man sich das einmal ansieht und auf die Sachebene entschwindet, dann wird man folgende Fragen
stellen müssen: Welche Bundesregierung hat die größte
Steuerreform in der Geschichte dieser Republik erreicht?
Das war Rot-Grün!
({2})
Welche Bundesregierung hat die großen Reformen in
diesem Land nach vorne getrieben, ob es nun die
Agenda 2010, Hartz IV oder die Rente mit 67 war? Immer waren es die Sozialdemokraten.
({3})
Diese Bundesregierung hat nichts, aber auch gar nichts
dazu geleistet, schon gar nicht die FDP.
({4})
Wenn man sich ansieht, wer dieses Land reformiert
hat und die Reformen nach vorne getrieben hat, wer dieses Land nach vorne gebracht hat, dann stellt man fest:
Das waren die Sozialdemokraten, das war Gerhard
Schröder, das war die Bundesregierung unter Rot-Grün.
Das, was Sie hier feiern, was Herr Michelbach, Herr
Fricke und Herr Kampeter hier zu einem Verdienst der
Bundesregierung erklärt haben, sind die Früchte dieser
Reformen. Die Reformen brauchen, bis sie wirken. Dann
hat man die Ergebnisse. Diese können Sie jetzt sehen.
Sie spiegeln sich bei den Einnahmen wider. Das ist klares Verdienst guter sozialdemokratischer Politik. Das haben Sie nicht hinbekommen. Wenn man sich anschaut,
was in den letzten drei Jahren passiert ist, dann kann
man nur feststellen: Gar nichts!
({5})
Sie haben selbst die Gesetze, die Sie beschlossen haben, zurückgenommen. Die Luftverkehrsteuer, die Sie
eingeführt haben, hat der zuständige Ressortminister, der
jetzt wieder da ist, für überflüssig erklärt, man brauche
sie nicht, sie könne weg. Da sind wir gerne dabei. Ich
glaube aber nicht, dass er sich durchsetzt. Das ist halt so.
Kollege Kahrs, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung vom Kollegen Kalb?
Ja.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass jemand aus Ihren Reihen, der Herr Bartol, vor kurzem die Erhöhung
der Luftverkehrsteuer gefordert hat? Wie bringen Sie das
mit Ihrer Auffassung zusammen?
({0})
In der Sache ist es so, dass wir dem Vorschlag der
Bundesregierung, Ihres Bundesministers und Ihrer Kollegen gefolgt sind, die gesagt haben: Man muss die Luftverkehrsteuer abschaffen. Ich glaube, wir haben gesehen, was die Luftverkehrsteuer in den letzten drei Jahren
angerichtet hat. Wir sind bereit, uns mit Ihnen hinzusetzen und zu sehen, wie man das vernünftig hinbekommen
kann. Der Kollege Bartol hat - Sie müssen genau zuhören - gesagt: Wir setzen uns mit Ihnen hin und schauen,
wie wir aus dem Murks, den Sie da angerichtet haben,
etwas Vernünftiges machen können. Sozialdemokraten
sind in dieser Republik immer dann gefragt, wenn die
Schwarzen den Wagen gegen die Wand gefahren haben.
({0})
Es ist nun einmal so, dass wir die großen Reformen in
dieser Republik durchgeführt haben. Die jetzige Situation in dieser Republik - der Wirtschaft geht es gut, die
Haushaltseinnahmen fließen - ist Ergebnis sozialdemokratischer Reformpolitik. All das, wovon Sie hier immer
wieder laut reden, hat die SPD umgesetzt. Sie schaffen
keine einzige große Reform. Sie bekommen es nicht hin.
Das war auch aus all Ihren Reden herauszuhören: Sie
haben keinen einzigen eigenen Erfolg vorweisen können. Sie haben hier immer nur gesagt: Die jetzigen Ergebnisse, das Geld, das zurzeit auf dem Konto eingeht,
finden wir gut. - Das ist toll. Aber das hat einen Grund.
Die Grundlagen wurden geschaffen, als Gerhard
Schröder dieses Land regiert hat. Das war richtig, wichtig und gut. Ich finde, das können Sie einfach einmal zur
Kenntnis nehmen.
({1})
Was haben wir bisher hier erlebt? Diese Bundesregierung unter Frau Merkel hat jede Form von politischem
Handeln verweigert. In der gesamten Euro-Krise stiehlt
sie sich aus der Verantwortung, duldet, dass die Krise
seit drei Jahren weiter wütet. Es werden stets nur Trippelschritte unternommen und kleine Rettungsschirme
aufgespannt. Es wird nichts reguliert. Wir haben gemerkt: Weder bei den Banken noch bei den Finanzmärkten haben Sie sich zu einer akzeptablen Maßnahme aufraffen können.
Im Ergebnis ist Ihre Politik gescheitert. Das, was jetzt
passiert, dass die Europäische Zentralbank die Gelddruckmaschine anwerfen muss, um Ihre Politik zu retten
und das zu retten, was Sie gegen die Wand gefahren haben, erfüllt die Menschen in diesem Land mit tiefer
Angst. Hören Sie sich doch einmal um: Die Menschen
haben Angst vor Inflation. Sie haben Angst davor, dass
ihre Einkommen, ihr Erspartes, ihre Rente nichts mehr
wert sind.
Dazu wird das, was Sie zurzeit machen - Sie verstecken sich hinter der Unabhängigkeit der EZB, obwohl
Sie vorher klar gesagt haben, dass Sie es begrüßen und
unterstützen, wie Herr Schäuble vorgegangen ist -, aber
führen.
Wenn Sie das jetzt noch mit der Politik von Frau von
der Leyen verbinden, die alle Rentner und auch diejenigen ab 45 aufwärts, die schon ihre Rente planen, in
Angst und Schrecken versetzt, und keine Lösung liefern
- erst streitet man sich laut und dann einigt man sich darauf, dass das SPD-Programm gar nicht so schlecht ist -,
({2})
dann führt das in der Kombination dazu, dass die Menschen auf der einen Seite Angst vor Inflation und auf der
anderen Seite Angst vor Armut im Alter haben. Sie bieten keine Lösung an.
({3})
Das kann in diesem Land nicht funktionieren. Die
Menschen brauchen ein anständiges Einkommen. Sie
brauchen eine anständige Rente, und sie brauchen eine
anständige Regierung. Letztere muss Ersteres umsetzen.
Diese Regierung kriegt es nicht hin.
Was Herr Michelbach gesagt hat, war der Abgrund
der gesamten Veranstaltung. Er hat sich dafür eingesetzt,
dass das Steuerabkommen mit der Schweiz umgesetzt
wird. Ehrlich gesagt, Herr Michelbach: So etwas Peinliches habe ich schon lange nicht mehr gehört. Dass gerade Sie so etwas sagen, finde ich unsäglich. Wenn Sie
Steuerbetrüger privilegieren
({4})
und Menschen beschützen, die kriminell sind, weil sie
Steuern hinterziehen, und das als christlich-liberale Regierung, dann ist das unsäglich.
({5})
Dieses Steuerabkommen gehört abgelehnt und versenkt.
Dieses Steuerabkommen ist falsch. Es ist menschlich
und moralisch unanständig. Das sollten Sie lernen.
({6})
Das geht nämlich nicht. Dafür haben die Menschen in
diesem Land ein gutes und klares Gefühl.
({7})
Herr Kollege Kahrs.
Wenn Sie sich entschuldigen wollen, Herr
Michelbach, dann können Sie das jetzt gerne tun.
({0})
Sie gestatten also eine Zwischenfrage oder Bemerkung des Kollegen Michelbach. - Bitte.
Herr Kollege Kahrs, können Sie sich vorstellen, dass
Sie hier falsch Zeugnis sprechen?
Nein!
Ich habe deutlich gemacht, dass die Steuerzahler, die
Vermögen in der Schweiz haben, sich auch letzten Endes
einer Besteuerung unterziehen müssen und dass damit
für den deutschen Fiskus Einnahmen in Höhe von
10 Milliarden Euro verbunden sind, die ansonsten, wenn
man eine Blockade betreibt wie Sie, nicht dem deutschen Fiskus zur Verfügung stehen. Damit käme es zu
einer Art politischer Untreue, weil Sie 10 Milliarden
Euro Einnahmen von Leuten, die Vermögen in der
Schweiz haben - illegal oder legal, wie auch immer -,
verhindern.
({0})
Das ist die Situation. Deswegen verhindern Sie letzten Endes auch diese Einnahmen für das Gemeinwohl.
Deswegen haben Sie falsch Zeugnis gesprochen.
Herr Michelbach, ob legal oder illegal, ist durchaus
ein Unterschied. Das scheint Ihnen egal zu sein. Ich
finde aber, wenn Menschen ihr Vermögen in die Schweiz
bringen, macht es einen Unterschied, ob sie dies legal
oder illegal tun. Bei illegalem Handeln hätte ich ein Problem.
Im Übrigen sind Ihre 10 Milliarden Euro ein gegriffener Wert. Es gibt kaum jemanden, der auf 10 Milliarden
Euro käme, wenn man das alles addiert.
Es ist aber so: Sie privilegieren die Steuerhinterzieher
bzw. die Kriminellen, die das Geld in die Schweiz gebracht haben, indem Sie sie steuerlich gegenüber denjenigen bevorzugen, die in Deutschland ehrlich und anständig ihre Steuern zahlen.
({0})
Das ist doch der Punkt. Auf das hinterzogene Geld
müssen sie keine Steuern zahlen, sondern auf die Erträge. Sie sind doch derjenige, der falsch Zeugnis redet.
Deswegen, Herr Michelbach, sollten Sie sich erstens
schämen und zweitens fragen, ob Sie in einer christlichen Partei den Menschen so etwas verkaufen wollen
und können.
({1})
Als CDU, CSU und FDP Steuerhinterziehung zu privilegieren, ist peinlich. Das ist in diesem Land nicht akzeptabel. Das haben wir Ihnen mehr als einmal gesagt.
Die Bundesländer werden verhindern, was Sie anrichten.
Das hat mit Anstand nichts zu tun.
Jetzt sollten Sie sich setzen.
({2})
- Mit parlamentarischem Stil, Herr Fricke,
({3})
hat es nichts zu tun, wenn Sie Steuerkriminelle privilegieren, schützen und vor dem deutschen Fiskus retten.
Diese Bundesregierung, wie sie hier sitzt, hat 2010
das Land Nordrhein-Westfalen, in dem die CDU mit der
FDP regiert hat, schriftlich aufgefordert, Steuer-CDs zu
kaufen. Jetzt frage ich mich -
Kollege Kahrs, indem der Kollege Michelbach noch
steht Johannes Kahrs ({0}):
Das ist doch gut so!
- so einfach ist das nicht - und sich zu Wort meldet,
signalisiert er mir, dass er eine weitere Frage hat oder
eine weitere Bemerkung machen will. Deshalb muss ich
jetzt wissen, ob Sie diese zugestehen wollen. Wenn ja,
dann treten Sie beide wieder in den Austausch.
Vizepräsidentin Petra Pau
({0})
Wenn nein, hat der Kollege Michelbach - das sei mir als
kleiner Hinweis gestattet - noch andere Möglichkeiten,
zu intervenieren. Ich wüsste jetzt gerne, wie es hier weitergehen soll.
Ich bin da sehr entspannt.
({0})
Wir können das über Kurzintervention oder auch jetzt
machen. Ich freue mich immer.
Ich mache darauf aufmerksam, dass keine Dialoge
vorgesehen sind, sondern nur Bemerkungen und Fragen.
Dann können Sie noch einmal antworten, und danach
sollten wir in der Debatte fortfahren.
Je mehr meine Redezeit bei diesem Thema verlängert
wird, desto besser.
Herr Kollege Kahrs, können wir uns zunächst einmal
darauf verständigen, dass die Wortmeldungen in diesem
Hohen Hause von der Frau Präsidentin vergeben werden
und nicht von Ihnen? Ich halte es für unkollegial und anmaßend, wie Sie mit Ihren Kollegen umgehen.
({0})
Das hat nichts mit parlamentarischen Gepflogenheiten
zu tun. Ich gehöre diesem Hause schon lange an, und ich
kann mich nicht entsinnen, dass ich so etwas schon einmal erlebt hätte.
Ich frage Sie noch einmal: Bestätigen Sie, dass durch
Ihre Blockadehaltung beim Steuerabkommen mit der
Schweiz auch illegales Schwarzgeld keiner Besteuerung
unterzogen wird, während durch unser Abkommen diese
illegalen Schwarzgelder erstmals zugunsten des deutschen
Fiskus besteuert würden und somit für das Gemeinwohl
zur Verfügung stünden?
({1})
Herr Michelbach, ich habe es schon gesagt, aber ich
wiederhole es gerne für Sie: Zum einen ist es so, dass Sie
denjenigen, die hier in Deutschland Steuern hinterzogen
haben, die dieses Geld am Finanzamt vorbei in die
Schweiz gebracht haben,
({0})
um keine Steuern zahlen zu müssen, die damit alle Steuerzahler in diesem Land und den Sozialstaat schädigen, einen verbesserten Steuersatz genehmigen und sie damit
privilegieren.
({1})
Zum anderen schützen Sie sie, indem Sie ihnen dadurch
Anonymität garantieren,
({2})
dass die Namen nicht bekannt gemacht werden. Das
heißt, Verbrechen lohnt sich unter Ihrer Regierung. Das
kann doch nicht FDP-CDU/CSU-Politik in diesem
Lande sein.
({3})
- Ganz ehrlich, Herr Fricke? Sie haben sich eben hier
hingespreizt, eitel und gestelzt. Die Sache ist: Wenn man
in diesem Land Menschen dazu bringen will, gerne und
ehrlich ihre Steuern zu zahlen, dann darf man nicht diejenigen privilegieren und schützen,
({4})
die Steuern hinterziehen. Aber genau das tun Sie.
({5})
Die SPD-geführten Länder verweigern sich im Bundesrat überhaupt nicht, Herr Michelbach, dieses Abkommen so zu überarbeiten, dass es gerecht und anständig
wird und demjenigen, der in diesem Land ehrlich arbeitet, garantiert, dass er nicht schlechter behandelt wird als
diejenigen, die betrügen, sich in die Schweiz begeben
und Steuern hinterziehen. Da machen wir mit. Wir sind
gerne dabei, wenn es darum geht, ein vernünftiges Abkommen zu machen. Aber die Art, wie diese Regierung
hier handelt, ist nicht in Ordnung und weder christlich
noch sozial, noch liberal.
Vielen Dank und schönen Tag noch.
({6})
Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Nach dieser Rede, lieber, geschätzter Kollege
Johannes Kahrs, bin ich froh, dass in Deutschland noch
nicht die Sozialdemokraten die Deutungshoheit darüber
haben, was anständig und was unanständig ist und wer
sich für was zu schämen hat.
({0})
Darüber bin ich wirklich froh.
Lassen Sie uns am Ende dieser Haushaltswoche vielleicht mit einer gewissen Ruhe und Gelassenheit einen
Blick auf die Haushaltsberatungen werfen, mit etwas
Distanz und auch unter der Perspektive, wie das Ganze
wohl in der Öffentlichkeit ankommt.
Ich erlaube mir in aller Ruhe und Gelassenheit einen
dezenten Hinweis an die Opposition. Auch wenn man in
der Opposition ist, muss man darum kämpfen, seine
Glaubwürdigkeit zu behalten. Deshalb würde ich Ihnen
empfehlen, darüber nachzudenken, ob es nicht klug wäre,
die derzeitige Haushaltssituation einfach anzuerkennen
und zu sagen: Da wurde gut gewirtschaftet. Dem steht
nicht entgegen, dass man sich in der Fachpolitik auseinandersetzen kann. Sie lassen auch hier die Gelegenheit aus, sich in der Öffentlichkeit Anerkennung zu verschaffen, indem Sie gute Leistungen honorieren.
({1})
Niemand bestreitet, dass man durchaus unterschiedliche Wege gehen kann. Lassen Sie uns doch einmal einen
Blick auf die Situation werfen. Sie werfen uns vor, bei
uns würde nicht gespart, es würde zu viel Geld ausgegeben und es würden zu hohe Schulden gemacht.
({2})
In dieser Legislaturperiode haben wir für eine Entlastung
in Höhe von 38 Milliarden Euro gesorgt, das wird häufig
vergessen.
({3})
Der Kollege Carsten Schneider redet immer wieder
von 18 Milliarden Euro neuen Schulden, das seien sogar
noch mehr als im Jahr 2011; denn da seien es nur 17 Milliarden Euro gewesen.
({4})
Mein Gott! Der Herr Scharping hat einmal brutto und
netto verwechselt, wahrscheinlich weil er nicht auseinanderhalten konnte, was das eine und was das andere
bedeutet. Der Kollege Carsten Schneider weiß jedoch,
was Soll und was Haben ist.
({5})
Denken wir einmal einen kurzen Augenblick darüber
nach und nehmen diese Argumentation auf. Herr Schneider
wirft uns vor, wir würden jetzt mehr Schulden machen
als 2011. Das bedeutet, wir hätten 2011 mehr Schulden
machen müssen, also die Nettokreditaufnahme weniger
reduzieren, und schlechter wirtschaften müssen, dann
wären wir laut seiner Argumentation besser. Das ist doch
gaga!
Niemand draußen im Lande kann verstehen, dass uns
die Erfolge, die sich darin abbilden, dass die ursprünglich vorgesehene Nettokreditaufnahme im Jahresablauf
deutlich abgesenkt wird - indem wir die vorhandenen
Mehreinnahmen dazu nutzen, die NKA zu senken und
weniger Schulden zu machen -, auch noch als ein Makel
vorgeworfen werden. So schräg kann man auch in der
Opposition nicht argumentieren. Das wird Ihnen auf die
Füße fallen.
({6})
Schauen wir uns Ihren zweiten Vorwurf an. Sie behaupten ständig, wir würden bei den Ausgaben nicht sparen.
Werfen wir einen Blick auf die Haushaltsansätze: Im
Jahr 2010 hatten wir im Bundeshaushalt 304 Milliarden
Euro Gesamtausgaben. Im Soll für 2012 standen 312,7 Milliarden Euro; über ESM usw. haben wir bereits diskutiert. Im Entwurf für 2013 stehen 302,2 Milliarden Euro,
für 2014 302,9 Milliarden Euro, für 2015 303,3 Milliarden Euro.
Was heißt das? Wir liegen im kommenden Jahr fast
10 Milliarden Euro unter dem Ansatz von 2012. In der
längerfristigen Perspektive gehen die Ausgaben zurück,
und zwar um 0,2 Prozent. Welche sozialdemokratische
oder grüne oder sonst wie geführte Landes- oder Bundesregierung hat es jemals geschafft,
({7})
bei ansteigenden Einnahmen die Ausgaben zurückzunehmen, abzusenken oder stabil zu halten? Zeigen Sie
mir eine einzige rot-grün geführte Landesregierung, die
das geschafft hat! Erinnern Sie sich an Ihre eigene Regierungszeit hier in Berlin. Zeigen Sie mir, wo Sie das
auch nur einmal geschafft hätten. Das haben Sie nie hinbekommen. Wir schaffen das. Die christlich-liberale
Koalition hält an dieser Linie konstant fest.
({8})
Jetzt komme ich zu Ihrem dritten Vorwurf. Sie behaupten, wir würden keine Vorsorge für die Entwicklung
der kommenden Jahre treffen.
({9})
- Das stimmt eben nicht.
({10})
- Ich sage Ihnen, was wir in diesem Jahr an Zinsausgaben vorgesehen haben. Das sind im Jahr 2012 ganz genau 34,3 Milliarden Euro, im Jahr 2013 sind es nur noch
31,7 Milliarden Euro. Dann aber steigen die Ansätze für
die Zinsausgaben an, in der Finanzplanung für das Jahr
2016 auf 41,2 Milliarden Euro. Für 2016 haben wir
10 Milliarden Euro mehr an Zinsausgaben als für das
kommende Jahr vorgesehen, denn wir wissen genau:
Wenn es uns gelingt, diese europaweite Krise zu beruhigen, dann werden die Zinsen wieder in die Höhe gehen.
Andere Länder genießen dann auch wieder größeres Vertrauen, und der derzeitige überproportionierte Vertrauensbonus mit den ausgesprochen niedrigen Zinsen wird
sich verlieren. Wenn es uns nicht gelingt, die Krise zu
beruhigen, werden unsere Zinsen trotzdem ansteigen.
Deshalb haben wir ein Mehr von 10 Milliarden Euro an
Zinsausgaben für die kommenden Jahre vorgesehen.
Hier ist Vorsorge getroffen worden, Herr Kollege. Deshalb stimmt auch dieses dritte Argument nicht.
Wir haben bei all unseren Haushaltsplanungen in den
vergangenen Jahren immer so gewirtschaftet, dass wir
uns entsprechende Sicherheitspuffer vorbehalten haben.
Seien Sie ehrlich: Sie würden sich doch eine Situation, wie wir sie haben, herbeiwünschen, sich die Finger
danach lecken. Staatssekretär Steffen Kampeter hat gerade noch einmal ausführlich die Situation der sozialen
Sicherungssysteme dargelegt. Wir haben Rücklagen gebildet. Wir haben bei der Bundesagentur für Arbeit
Rücklagen, die in den kommenden Jahren noch anwachsen werden.
({11})
Wir könnten in diese Kassen hineingreifen; denn es
sind Steuerzuschüsse. Wir könnten da jetzt sofort abgreifen. Dann wäre die NKA noch niedriger. Wir tun das
aber nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob eine rot-grüne Regierung nicht diesen Weg beschreiten würde. Ich will es
nicht unterstellen. Aber wir tun dieses nicht, sondern wir
halten auch an der Stelle Linie. Wir halten uns einen Sicherheitspuffer parat, um auf schwierige Zeiten vorbereitet zu sein.
({12})
Das ist die Strategie dieser Regierung. Wir stehen für
Verlässlichkeit, für Solidität und für Konsolidierung der
Haushalte. Das ist unsere Politik. Die werden wir nicht
nur nächstes, sondern auch über- und überübernächstes
Jahr so fortsetzen.
Danke schön.
({13})
Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Flosbach.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Am Ende einer Haushaltswoche blickt man natürlich auf
die Woche zurück. Aber ich habe mir auch die Mühe gemacht, die letzte Rede von Peer Steinbrück als Finanzminister hier in diesem Hause noch einmal nachzulesen.
Er hielt sie am 8. September 2009. Er hat von diesem
Pult aus mit Blick auf die Zukunft gesagt, dass er damit
rechnet, dass man wahrscheinlich im Jahre 2010 eine
Nettokreditaufnahme in Höhe von 100 Milliarden Euro
vornehmen müsse. Bitte lesen Sie es auf Seite 26337
nach. Er hat hier gesagt, 100 Milliarden Euro müsste er
neu aufnehmen.
Nun ist Peer Steinbrück ja ein bekannter Redner, auch
heute, ein Prognostiker. Er hat sich allerdings - ich sage
einmal - „nur“ um 56 Milliarden Euro verschätzt; denn
es gab einen Regierungswechsel.
({0})
Wir haben natürlich gemeinsam in der Großen Koalition mit Kurzarbeit, mit Konjunkturpaketen Gutes gemacht. Aber wir haben in dieser Koalition aus CDU,
CSU und FDP als Erstes alle Gesetze darauf konzentriert, das Wachstum in Deutschland zu beschleunigen.
Wir haben alle krisenverschärfenden Elemente im Körperschaftsteuerrecht, im Gewerbesteuerrecht, im Erbschaftsteuerrecht beseitigt. Das war der entscheidende
Punkt, um die Wirtschaft wieder nach vorne zu bringen,
die Staatseinnahmen zu steigern und damit unser hohes
soziales Niveau zu halten, meine Damen und Herren.
({1})
Wir haben damals nicht nur die Wirtschaft gefördert,
sondern wir haben vor allen Dingen auch die Familien
gefördert. Das haben wir dabei nicht vergessen; denn wir
stehen für soziale Marktwirtschaft.
({2})
Sowohl der Kollege Fricke als auch der Kollege
Meister haben in dieser Woche ja deutlich gemacht, dass
wir faktisch einen ausgeglichenen Haushalt haben, inklusive der Sozialsysteme. Trotz ESM, trotz der Übernahme der Grundsicherung von den Kommunen durch
den Bund haben wir im Grunde einen ausgeglichenen
Haushalt.
Im nächsten Jahr werden wir die Schuldenbremse einhalten, also nicht erst im Jahre 2016, sondern bereits im
Jahre 2013.
({3})
Wir haben gesagt, wir wollen die Haushalte sanieren,
aber trotz der Probleme wollen wir in den Bereichen, in
denen eine ungerechte Steuererhöhung stattfindet, den
Bürgern Geld zurückgeben; denn jedes Jahr nimmt der
Staat nur dadurch 3 Milliarden Euro zusätzlich ein, dass
Bruttoeinkommen steigen und jeder Arbeitnehmer mehr
Steuern zu zahlen hat. Wir haben gesagt, dieses Geld
wollen wir den Bürgern zurückgeben. Genau Sie von der
SPD blockieren dies im Bundesrat. Ich weiß nicht, wo
Sie angekommen sind, wenn es um die kleinen Einkommen geht.
({4})
Nun gut, meine Damen und Herren von den Grünen
und von der SPD, Sie haben uns Ihre Vorlagen gezeigt.
Sie wollen bei einer möglichen Übernahme der Regierung die Steuern dramatisch anheben. Jedes Mal begründen Sie die Erhöhung der Einkommensteuer mit Mehrausgaben für Bildung. In der besagten Rede des Herrn
Steinbrück hat er dieses Thema auch angesprochen. Er
hat vor drei Jahren, vor der Bundestagswahl, gesagt, er
würde den Spitzensteuersatz von 45 Prozent auf 47 Prozent - plus Solidaritätszuschlag - anheben, und das Geld
würde ganz zielgerichtet in die Bildung fließen.
Meine Damen und Herren, Sie haben ja alle mit Zahlen zu tun. Sie wissen, wenn nur der Spitzensteuersatz
von 45 auf 47 Prozent angehoben wird, dann bringt dies
600 Millionen Euro mehr in die Staatskasse. Das ist ein
Tausendstel unserer Steuereinnahmen. Von diesem Tausendstel fließen nur 42,5 Prozent an den Bund, also
250 Millionen Euro. Was hat diese Bundesregierung gemacht, und zwar ohne die Steuern zu erhöhen? Wir haben 800 Millionen Euro mehr in Bildung und Forschung
gesteckt und unterstützen gleichzeitig die Kommunen
mit 580 Millionen Euro für die U-3-Betreuung und die
Kindertagesstätten. Das ist die Bildungspolitik, die von
dieser Regierung betrieben wird.
({5})
Die Welt beneidet uns als Stabilitätsanker und um unsere geringe Arbeitslosigkeit. Wir haben drei Krisen erlebt: die Banken- und Finanzkrise, die Wirtschaftskrise
und dann die
({6})
Staatsschuldenkrise, die vielfach als Euro-Krise bezeichnet wird. Wir stehen für eine Stabilitätskultur. Wir unterstützen die Regierung in dem Bemühen, für Unterstützung Gegenleistungen einzufordern. Das Problem ist
nicht unser Haushalt, sondern nach wie vor die Einhaltung der Stabilitätskriterien. Herr Kahrs, da Sie vorhin
ein großes Plädoyer gehalten haben, möchte ich Sie daran erinnern: 2003/04 haben Sie von Rot-Grün die Stabilitätskriterien nicht eingehalten und damit das Unheil
verursacht, das auf uns zugekommen ist.
({7})
Sie sollten hier nicht so große Reden schwingen, sondern lieber das Büßerhemd anziehen; das würde Ihnen
besser stehen.
Unsere Aufgabe ist nicht nur, auf den Haushalt zu
achten. Wir sind als Finanzpolitiker auch besonders gefordert, auf die systemischen Gefahren auf dem Finanzmarkt zu reagieren.
({8})
Die Opposition hat gerade behauptet, es sei nichts geschehen. Schauen Sie sich einmal an, was in den letzten
drei Jahren in diesem Bereich passiert ist. Die erste Maßnahme war die drastische Anhebung der Eigenkapitalquote, der wichtigsten Größe, für alle Banken um das
Dreieinhalbfache, um für Stabilität auf den Märkten zu
sorgen.
({9})
Im Hinblick auf systemische Gefahren ist das besonders
wichtig. Wir haben des Weiteren die Vergütungssysteme
im Bankenbereich geändert. Wir haben deutlich gemacht: Wer Chancen auf Gewinn haben will, muss gegebenenfalls auch die Risiken und Verluste tragen. Das ist
ein Konzept der sozialen Marktwirtschaft.
({10})
Wir werden das Finanzsystem krisenfester machen.
Der G-20-Gipfel hat deutlich gemacht: Je größer die
Banken sind, desto mehr Eigenkapital müssen sie
vorhalten. Die europäische Bankenaufsicht hat auch den
13 großen deutschen Banken zur Auflage gemacht, deutlich mehr Eigenkapital vorzuhalten. Wir in Deutschland
sind mit unserem Restrukturierungsgesetz federführend
in Europa. Hier geht es um die Sanierung und Abwicklung von Banken. Wir waren die Ersten, die Spekulationsgeschäfte im Bereich der Leerverkäufe verboten
haben. Wir sind auch die Ersten, die den computergesteuerten Hochgeschwindigkeitshandel einschränken
werden. Wir sind Vorreiter in Europa und liegen vor allen anderen Ländern. Die anderen nehmen uns zum Vorbild. Wir geben die Blaupause für andere Länder. Wir
sind federführend in diesem Bereich.
({11})
Wir erhöhen die Transparenz; Herr Kahrs, das sollten
Sie zur Kenntnis nehmen. Schon in diesem Jahr werden
die außerbörslichen Derivate reguliert, genauso wie die
Hedgefonds. Die G 20 nehmen sich noch in diesem Jahr
den Bereich der Schattenbanken vor. Die LiikanenKommission der Europäischen Kommission wird noch
in diesem Jahr Vorschläge vorlegen, aus denen hervorgeht, ob das Universalsystem erhalten bleibt oder ob ein
Trennbankensystem erforderlich ist.
Kollege Flosbach, Sie können gern weitersprechen.
Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass das dann
zulasten Ihres Kollegen geht, der nach Ihnen spricht.
Frau Präsidentin, ich habe schon gesehen, dass Sie
mich so freundlich anblinken.
Ich komme zum Schluss. Wir beteiligen die Verursacher. Wir stärken die Aufsicht.
({0})
Ich halte gerade nach dieser Haushaltswoche fest: Wir,
die Koalition aus CDU, CSU und FDP, stehen für Stabilität nicht nur beim Haushalt, sondern auch auf den Finanzmärkten.
({1})
Wir sind Partner der Bürger. Wir wissen, dass eine starke
Wirtschaft und gute Arbeitsplätze ein starkes Sozialsystem schaffen werden. Diese Koalition hat Erfolg, und
dieser Erfolg kommt den Bürgern in diesem Land zugute.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat der Kollege Norbert Brackmann für die
Unionsfraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Haushalt ist ein Gradmesser für den Zustand und den Wohlstand unserer Gesellschaft.
({0})
Darauf muss angesichts all der Zahlen und abstrakten
Diskussionen hin und wieder hingewiesen werden.
({1})
Letztlich zeigt der Haushalt, was wir für die Menschen,
die uns gewählt haben und für deren Wohl wir da zu sein
haben, geleistet haben und worauf sie sich auch in Zukunft verlassen können.
({2})
Deswegen ist es wichtig, heute bei der letzten Rede zur
Einbringung dieses letzten Haushalts, den wir in dieser
Periode komplett verabschieden werden - ({3})
- Das wissen Sie heute noch nicht, und darüber wollen
wir auch nicht spekulieren. - Aber wichtig ist, was in
dieser Legislaturperiode von dieser Regierung bisher erbracht wurde.
({4})
Ich erinnere mich sehr gut an die erste Einbringung
eines Haushaltes hier, als wir eine ähnliche Diskussion
gehabt haben. Damals ist diese Regierung mit der sie tragenden Koalition angetreten und hat erklärt, dass sie
eine wachstumsfördernde Politik der Konsolidierung
machen wolle. Damals lautete Ihre Kritik, wir würden
die Konjunktur in Deutschland abwürgen und mit diesem Sparpaket den Wohlstand der Menschen in Deutschland schmälern.
({5})
Wir haben heute unterschiedliche Reden gehört, in
denen Sie das genaue Gegenteil sagten. Die Menschen
merken sehr genau, was ihnen diese Politik gebracht hat.
({6})
Weil Sie, Frau Hagedorn, sich wieder mit Zwischenrufen
hervortun, sage ich: Wenn Sie als Gradmesser für den
sozialen Wohlstand den Etat des Arbeits- und Sozialministeriums nehmen, dann gehen Sie in die Irre.
({7})
Es ist Ihnen vorhin vermittelt worden, dass wir diesen
Etat unter anderem abschmelzen können, weil die Arbeitslosigkeit dramatisch zurückgegangen ist.
({8})
- Mitnahmeeffekte. - Sie haben genau diese Politik zu
Anfang dieser Legislaturperiode - deswegen sage ich
das ausdrücklich - bekämpft.
Wir sind jetzt in einer Situation, die in Europa nahezu
einzigartig ist. 92 Prozent der Jugendlichen bei uns sind
in Beschäftigung, in Griechenland ist es nur die Hälfte,
nämlich 46 Prozent. Im europäischen Durchschnitt sind
es 77 Prozent. Wir sind Spitzenreiter, was die Beschäftigung unserer Jugend angeht. Wir haben eine extrem
hohe Beschäftigung mit rund 42 Millionen Beschäftigten. Wir haben 2011 610 000 zusätzliche Vollzeitstellen
geschaffen und damit insgesamt über 23 Millionen gehabt. Damit hatten wir fast so viele Vollzeitbeschäftigte
wie 1998. Weil der Vergleich mit 2005 vom Kollegen
Kahrs bemüht worden ist, weise ich darauf hin, dass wir
1,6 Millionen mehr Vollzeitbeschäftigte als 2005 haben.
Das merken die Menschen. Menschen in Arbeit bringen,
von der sie leben können, ist die beste Sozialpolitik, die
man überhaupt machen kann.
({9})
Die Menschen sind der Gradmesser, nicht der Etat der
Sozialministerin.
Wir lernen daraus noch etwas anderes, nämlich dass
Borgen Sorgen macht. Wenn wir die Arbeitslosigkeit als
Indikator nehmen, dann stellen wir fest, dass Länder wie
Deutschland, das eine Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent hat, einen viel niedrigeren Wert haben als die Länder, die mit ihren Haushalten extreme Sorgen haben.
Spanien hat eine Arbeitslosenquote von 25,1 Prozent
- über ein Viertel der Menschen ist somit arbeitslos -, in
Griechenland beträgt die Arbeitslosenquote 24,4 Prozent. Ich könnte noch andere Länder Europas als Beispiel nennen. Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist
mittlerweile die drittbeste in ganz Europa. Dies hat
Deutschland zum letzten Mal vor 40 Jahren geschafft.
Das ist nicht nur, aber auch ein Erfolg dieser christlichliberalen Koalition.
({10})
Es wird immer wieder die demografische Entwicklung bemüht und gesagt, dass wir immer älter werden.
({11})
- Wir leben länger. Das ist auch gut so. - Was noch besser ist: Wir bleiben auch immer länger gesund. Deswegen können wir auch immer länger arbeiten. Was von Ihnen bisher bestritten wurde, tritt tatsächlich ein: In den
letzten zehn Jahren hat sich die Zahl derjenigen, die zwischen 60 und 63 Jahre alt und noch erwerbstätig sind,
verdoppelt. Auch das ist ein gutes Zeichen und lässt uns
darauf hoffen, dass wir ein längeres Leben auch in Wohlstand organisieren können.
({12})
Das setzt natürlich voraus, dass wir eine leistungsfähige Wirtschaft haben - und das haben wir: Mit 37 Prozent mehr Exporten als 2009 haben wir 2011 erstmals
die Marke von 1 Billion Euro geknackt. Das heißt, wir
haben Waren im Wert von mehr als 1 Billion Euro exportiert. Wir werden auch in Zukunft - das sagen uns die
Wirtschaftsinstitute voraus - in dieser Größenordnung
exportieren. Aber wir müssen dabei Maß halten.
Damit sind wir beim Thema Schulden. Es ist eines Ihrer Merkmale, Herr Kollege Schneider, immer wieder
Soll und Ist zu verwechseln.
({13})
- In Beziehung setzen, genau. Sie setzen Dinge in Beziehung, die wenig miteinander zu tun haben. - Ich will
einmal die geraden Linien zeigen. Nehmen wir nur einmal das Soll: 2010 sollte die Neuverschuldung - noch
von Ihrem Finanzminister veranschlagt - bei 86 Milliarden Euro liegen.
({14})
Im Bundeshaushalt 2010 waren es dann schon 6 Milliarden Euro weniger - schließlich war unsere Kanzlerin
verantwortlich; wohl wahr -: Die Neuverschuldung lag
bei 80,2 Milliarden Euro. 2011 sollte die Neuverschuldung 48,4 Milliarden Euro betragen, 2012 32,1 Milliarden Euro, nach dem jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf
für 2013 18,8 Milliarden Euro. Das Soll verzeichnet
also eine ganz klare Linie der Senkung der Neuverschuldung. Ich stelle dem die Istzahlen gegenüber: 2010 lag
die Neuverschuldung bei 44 Milliarden Euro, 2011 bei
17,3 Milliarden Euro, und in diesem Jahr werden wir
ebenfalls ein Ergebnis haben, das deutlich unter dem
Soll liegen wird.
({15})
Diese Differenz zeigt, dass wir eine sehr positive Entwicklung zu verzeichnen haben.
Wir haben daraus den Schluss zu ziehen, dass wir
eine Regierung haben, die anders, als es früher der Fall
war, unter dem bleibt, was wir ihr vorgeben.
({16})
Dies schafft Glaubwürdigkeit, und Glaubwürdigkeit ist
die Grundlage dafür, dass wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Zukunft haben.
({17})
Dieses Vertrauen dürfen wir nicht verspielen. Diese Regierung und dieser Haushalt sind der Beleg und die Garantie dafür, dass uns Konsolidierung in den Erfolg
führt. Unsere Maßgabe ist deswegen: konsolidieren,
wirtschaftlich denken und damit Wachstum generieren.
Vielen Dank.
({18})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/10200 und 17/10201 an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 26. September 2012, 14 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles
Gute.