Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich. Es gibt keine besonderen Vorkommnisse, folglich auch keine Mitteilungen, die vor
Eintritt in die Tagesordnung erfolgen müssten, sodass
ich gleich Tagesordnungspunkt 1 aufrufen kann:
Befragung der Bundesregierung
Zwischen den Fraktionen ist vereinbart worden, dass
für die Befragung heute insgesamt 45 Minuten zur Verfügung stehen. Dies behandeln wir wie immer mit der
gebotenen Flexibilität, je nachdem, wie sich der Fragebedarf entwickelt.
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten.
Das Wort für die einleitenden, je fünfminütigen Berichte haben zunächst die Bundesministerin der Justiz
und anschließend der Bundesgesundheitsminister. Frau
Leutheusser-Schnarrenberger, bitte.
Recht herzlichen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute
einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von
Patientinnen und Patienten beschlossen. Dieses Vorhaben beschäftigt den Bundestag schon viele Jahre, eigentlich die letzten 20 Jahre.
Diese Bundesregierung legt zu diesem Thema erstmals einen Gesetzentwurf vor, der sich - das ist mein
Anteil an diesem Gesetzentwurf - mit einer Kodifizierung des Behandlungsvertrages zwischen dem Behandelnden, also dem Arzt, dem Psychotherapeuten oder
einem anderen Behandelnden einerseits, und dem Patienten andererseits befasst. Dies wird im Bürgerlichen
Gesetzbuch festgeschrieben, und zwar in der Form, dass
sich Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag im Gesetz
ausdrücklich wiederfinden. Das gibt nicht nur Rechtssicherheit, sondern schafft auch Transparenz; vor allen
Dingen stärkt es die Stellung von Patientinnen und Patienten. Wenn die Patientinnen und Patienten nämlich
wissen, dass sie umfassend informiert und über die
Behandlungen aufgeklärt werden müssen, dass Wesentliches bezüglich Diagnose, Therapie, mögliche Behandlungen und Untersuchungen in der Patientenakte festgehalten sein muss und sie ein Einsichtsrecht haben, stärkt
das ganz klar ihre Position. Der Patient steht damit dem
Behandelnden auf Augenhöhe gegenüber; er bringt gegenüber dem Arzt auch kein Misstrauen zum Ausdruck,
wenn er gesetzlich festgelegte Rechte wahrnimmt, Einsicht in seine Patientenakte nimmt und Abschriften aus
dieser Akte verlangt.
Über 60 Prozent der Patientinnen und Patienten wissen über ihre Rechte nicht Bescheid. Deshalb ist es zum
einen dringend geboten, die Rechte, die sich in den letzten Jahren ergeben haben, in das Gesetz zu schreiben,
zum anderen aber auch deutlich zu machen, dass wir
über die bisherige Entwicklung der Rechtsprechung hinausgehen, zum Beispiel bei den Informationspflichten.
Ein ganz wichtiger Punkt für Patienten ist natürlich,
wie die Regelungen zur Haftung bei Behandlungsfehlern
aussehen. Solche Fehler treffen einen Patienten besonders; denn er hat nicht nur eine Behandlung über sich ergehen lassen müssen, sondern muss auch mit den Folgen
einer möglicherweise fehlerhaften Behandlung kämpfen.
Grundsätzlich geht das BGB beim Haftungsrecht davon
aus, dass derjenige, der Forderungen geltend macht, Beweise dafür erbringen muss. Aber diesen Grundsatz
haben wir - auf der Grundlage der sich immer weiterentwickelnden Rechtsprechung - so nicht ins Gesetz übernommen. Vielmehr gibt es bei der Geltendmachung von
Ansprüchen eine Verlagerung der Risiken zwischen Patient und Arzt, wobei stärkeres Haftungsrisiko auf den
behandelnden Arzt verlagert wird, juristisch gesprochen
also eine Beweislastumkehr für bestimmte Fälle stattfindet. Bei den sogenannten groben Behandlungsfehlern
muss der Arzt zukünftig beweisen, dass die Behandlung
ordnungsgemäß erfolgt ist. Das Gleiche gilt für Bereiche, in denen der Patient selbst nicht die nötige Einsicht
hat, nämlich das beherrschbare Risiko eines Behandelnden im Operationssaal oder im Behandlungszimmer im
Hinblick auf die eingesetzten Geräte. Auch hier liegt die
Beweislast bei dem Behandelnden und nicht beim Patienten. Das soll den Patienten darin bestärken, Ansprüche geltend zu machen, wenn er eine fehlerhafte Behandlung vermutet.
Im zweiten Teil des Gesetzentwurfs, der sich unter
anderem mit den Fragen von Fehlervermeidungsmanagement und Strukturverbesserung befasst, sind weitere
wichtige Punkte hierzu enthalten. Das ist jedoch der Part
des Bundesgesundheitsministers.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Herr Minister Bahr.
Zunächst einmal möchte ich an das anschließen, was
die Bundesjustizministerin gesagt hat: Dieses Gesetz ist
Ausdruck einer jahrzehntelangen Debatte. Es ist ein gutes Gesetz für die Patientinnen und Patienten. Die Bundesregierung setzt damit ihre Politik fort, die Patienten
in diesem Bereich zu stärken. Insbesondere werden die
Rechte der Patientinnen und Patienten gegenüber den
Leistungserbringern sowie die Rechte bei Verfahren um
Behandlungsfehler gestärkt. Wir wollen eine Fehlervermeidungskultur fördern sowie die Patientenbeteiligung
und die Patienteninformation stärken. Unser Leitbild ist
der mündige Patient.
Das in Deutschland besondere Verhältnis zwischen
Patient und Arzt gilt es weiterhin zu schützen. Ziel soll
sein, dass der Patient dem Arzt möglichst auf Augenhöhe gegenübertritt und seine Rechte kennt.
Es ist auch vorgesehen, dass der Patient bzw. der Versicherte gegenüber der Krankenversicherung seine
Rechte und Ansprüche besser geltend machen kann. Uns
erreichen immer wieder Briefe, in denen sich Versicherte
darüber beschweren, dass Entscheidungen der Krankenversicherung häufig lange dauern und verzögert werden.
Der Versicherte ist gegenüber seiner Krankenversicherung kein Bittsteller, sondern er hat Rechte und Ansprüche. Wir gehen davon aus, dass nunmehr mit einer
zügigeren Entscheidung im Sinne der Versicherten und
Patienten zu rechnen ist, da ein Ausbleiben der Entscheidungen seitens der Krankenkassen sanktioniert werden
kann. So kann der Patient, wenn er nicht innerhalb von
drei bzw. fünf Wochen, wenn der Medizinische Dienst
hinzugezogen worden ist, eine Entscheidung der Krankenkasse mitgeteilt bekommen hat, eine angemessene
Nachfrist setzen. Danach kann er sich die infrage stehende Leistung selbst beschaffen und der Krankenversicherung in Rechnung stellen.
Weiterhin sind Kranken- und Pflegekassen künftig
verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von
Schadensersatzansprüchen bei Behandlungsfehlern zu
unterstützen. Wie kann eine solche Unterstützungsleistung aussehen? Eine Krankenkasse kann beispielsweise
die Beweisführung des Versicherten erleichtern, indem
sie ein medizinisches Gutachten erstellt. Das ist für die
Praxis sehr wichtig. Denn viele Versicherte, die den Verdacht auf einen Behandlungsfehler haben, wissen nicht,
an wen sie sich wenden können und welche Rechte sie
als Patienten haben. Jetzt können sie sich an ihre
Krankenkasse wenden. Diese ist verpflichtet, dem Versicherten zu helfen, entsprechende Stellen zu benennen,
Informationen und gegebenenfalls ein Gutachten zur
Verfügung zu stellen.
Wichtig ist aber: Im Gesundheitswesen arbeiten Menschen; da können Fehler passieren. Ziel ist es, so weit
wie möglich Fehler zu vermeiden. Dazu brauchen wir
aber eine offene Fehlervermeidungskultur gerade im Gesundheitswesen in Deutschland. Wir begrüßen es, dass
sich ärztliche Organisationen und mittlerweile auch andere Organisationen dieser Diskussion offen stellen. Aus
Fehlern kann man lernen, um sie das nächste Mal zu vermeiden und Konsequenzen daraus zu ziehen. Mit dem
Patientenrechtegesetz fördern wir, dass in der medizinischen Versorgung Fehlervermeidungssysteme etabliert
werden und so Fehler gar nicht erst auftreten. So können
zum Beispiel Krankenhäuser Vergütungszuschläge erhalten, wenn sie ein Fehlervermeidungssystem implementieren. Außerdem soll in den Krankenhäusern ein
Beschwerdemanagement eingerichtet werden, damit
Versicherte und Patienten ihre Ansprüche besser geltend
machen können.
Auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung
wird im Gesetzentwurf gestärkt. Er wird künftig eine
umfassende Übersicht über die geltenden Patientenrechte zur Information der Bevölkerung bereithalten.
Uns geht es beim Patientenrechtegesetz darum, die
bereits bestehenden Rechte der Patienten zu bündeln, zu
erweitern und damit zu stärken. Unser Leitbild ist der
mündige Patient, der selbst entscheiden kann, der seine
Rechte und Pflichten kennt und Ansprüche stellt, anstatt
als Bittsteller gegenüber Leistungsträgern aufzutreten.
Mit diesem Gesetz wollen wir vor allen Dingen eine
Kultur des Vertrauens im Gesundheitswesen etablieren.
Zwischen Arzt bzw. Behandler und Patienten braucht es
ein besonderes Vertrauensverhältnis, um die bestmögliche medizinische Versorgung der Patienten zu erreichen.
Vielen Dank. - Ich habe eine Reihe von Wortmeldungen, die ich jetzt der Reihe nach aufrufe. Zunächst Frau
Dr. Volkmer.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Schon im Vorfeld dieses Gesetzes, also seit mehr als zwei Jahren, wurden bei
Patientinnen und Patienten viele Erwartungen geweckt,
insbesondere wie die Situation der Patientinnen und Patienten beim Umgang mit Behandlungsfehlern verbessert werden kann. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf
beinhaltet Regelungen, die bereits heute Anwendung
finden. Dass bei groben Behandlungsfehlern eine Beweislastumkehr gelten soll, wie die Ministerin der Justiz
ausgeführt hat, ist ja schon heute gängige Vorgehensweise vor Gericht. Das Problem ist nur, dass grobe Behandlungsfehler selten attestiert werden.
Im Vorfeld ist sowohl vom Patientenbeauftragten,
Herrn Zöller, als auch vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Herrn Singhammer,
ein Entschädigungsfonds für Härtefälle ins Gespräch gebracht worden. Auch die Gründung einer Stiftung war
im Gespräch. Dazu ist im Gesetzentwurf nichts zu finden. Warum ist das so?
Frau Kollegin Volkmer, ich halte die Beschränkung
auf grobe Behandlungsfehler für genau richtig. Wenn
wir eine generelle Beweislastumkehr vornehmen würden, dann müsste ein Behandler bei jedem Fall darlegen
und begründen können, dass er alles richtig gemacht hat.
Das würde zu einem enormen Dokumentationsaufwand
führen. Ich hätte die Sorge, dass dadurch amerikanische
Verhältnisse entstünden, nämlich dass der Arzt als Erstes
an seine Versicherung denkt und sich davor scheut, Risiken einzugehen. Wir brauchen aber eine offene Fehlervermeidungskultur und keine Risikovermeidungskultur;
denn der Arzt sollte das Bestmögliche tun, um dem Patienten zu helfen.
Eine ähnliche Sorge treibt mich bezüglich der Einrichtung eines Entschädigungsfonds um. Derjenige, der
den Schaden verursacht, muss dafür zur Verantwortung
gezogen werden. Es ist nicht die Aufgabe der Solidargemeinschaft, denjenigen, der den Schaden verursacht hat,
aus der Verantwortung zu nehmen. Dafür sollten keine
Beitragsgelder verwendet werden. Für heute Nachmittag
wurde eine Aktuelle Stunde zum Thema Schuldenkrise
vereinbart; da sieht man ebenso diese unterschiedlichen
Haltungen. Für uns gilt bezüglich der Schuldenkrise das
Prinzip, dass der Verursacher verantwortlich ist und
nicht die Allgemeinheit dafür herangezogen werden
darf. Wir wollen daher keinen Entschädigungsfonds. Wir
hätten außerdem die große Sorge, dass daraus neue Bürokratie entsteht: Antragsverfahren mit eigenen Kriterien, die regeln, wer Geld aus dem Entschädigungsfonds
bekommt. Das ist aus unserer Sicht nur zusätzliche Belastung, zusätzlicher Aufwand und nicht im Sinne einer
wirklichen Stärkung der Rechte der Patienten.
Frau Vogler.
Vielen Dank, Herr Minister, Frau Ministerin. - Ich
finde, man muss diesen Gesetzentwurf auch einmal unter der Perspektive betrachten, aus welcher Ecke er den
meisten Beifall bekommt. Wir haben gehört, dass der
Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich
Montgomery, gesagt hat, der Gesetzentwurf entspreche
im Wesentlichen dem, was er mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung abgesprochen habe. Von
Patientinnen- und Patientenorganisationen hingegen hören wir nicht, dass der Gesetzentwurf im Wesentlichen
das enthalte, was sie mit der Bundesregierung abgesprochen bzw. von der Bundesregierung erwartet haben.
Deswegen frage ich Sie: Warum verschließen Sie sich
weiterhin einer weiter reichenden Beweiserleichterung
für Patientinnen und Patienten - ich will nicht von Beweislastumkehr sprechen, sondern von Beweiserleichterung -, einer Reform des Gutachterwesens, das es den
Patientinnen und Patienten überhaupt erst ermöglichen
würde, mit den behandelnden Ärzten auf Augenhöhe zu
sein, einer Regulierung der individuellen Gesundheitsleistung - dieses Thema geht ja momentan auch wieder
durch die Presse -, einer Reform der Schlichtungsstellen, die mehr Raum für die Interessen der Patientinnen
und Patienten verschaffen, sowie besseren Mitwirkungsmöglichkeiten von Patientinnen und Patienten in den
entsprechenden Gremien? All das wäre meiner Ansicht
nach wichtig gewesen.
Ich gehe davon aus, dass sich die Regierung selbst
koordiniert und Sie sich jeweils darüber verständigen,
wer die Frage beantwortet.
({0})
Notfalls stehe ich für Streitschlichtungen zur Verfügung.
({1})
Wunderbar. Das wird aber nicht notwendig sein. Einige der gerade gestellten Fragen fallen natürlich in den
Zuständigkeitsbereich von Herrn Bahr, aber ich möchte
grundsätzlich sagen: Wir haben diesen Gesetzentwurf
mit niemandem in irgendeiner Form vorher abgesprochen.
({0})
Wir haben im Vorfeld keine Forderungen aufgenommen
oder einer Seite Zugeständnisse gemacht. So ist der Gesetzentwurf nicht entstanden.
({1})
Das Ziel, das wir mit diesem Gesetzentwurf verfolgen,
ist vielmehr, den Patienten die Möglichkeit zu geben, ihrem Behandelnden auf Augenhöhe gegenüberzutreten.
Das ist ein wichtiges Anliegen, und das gelingt. Das
wird einmal deutlich, wenn man sich ansieht, welche Regelungen wir hinsichtlich Informationspflichten, Einwilligung, Aufklärungspflichten, Dokumentation in der Patientenakte und des Rechts zur Einsichtnahme in die
Patientenakte in diesen Gesetzentwurf aufgenommen haben. Vor allen Dingen wird das aber deutlich, wenn man
sich die Regelung anschaut, die greift, wenn Dinge, die
besprochen worden sind, sich nicht in der Patientenakte
wiederfinden: Daraus sollen Vermutungen zugunsten der
Patienten und zulasten der Ärzte abgeleitet werden. Bei
diesem Gesetzentwurf werden natürlich die unterschiedlichen Interessen in den Blick genommen; das muss bei
jedem Gesetzgebungsvorhaben der Fall sein. Es gibt
aber keineswegs eine einseitige Ausrichtung.
Wir konzentrieren uns bei diesem Gesetzentwurf
- das gilt insbesondere für die vorgesehenen Änderungen im Bereich des BGB - auf die drängenden Fragen
und auf das, was sich grundsätzlich in unser Haftungsrecht - deliktisch oder vertraglich - einfügen lässt. Ein
Fonds, der Ärzte entlastet, der durch die Hintertür eine
Gemeinschaftshaftung der Versicherten einführen würde,
passt nicht in unsere Rechtsordnung. Deshalb haben wir
nach intensiver Erörterung mit diesem Gesetzentwurf einen solchen Weg nicht beschritten.
Darf ich noch einmal an unser Zeitregime erinnern?
Die Lichtsignale bieten eine Orientierungshilfe für die
Annäherung an die Minutengrenze. Dies ist ja keine Debatte, sondern eine Fragestunde.
Die nächste Frage hat der Kollege Erwin Rüddel.
Herr Präsident! Wir sind froh, dass diese Koalition
nach zehn Jahren Diskussion dieses Projekt jetzt abschließend auf den Weg gebracht hat. Im Gesetzentwurf
wird von effektiv durchsetzbaren und ausgewogenen
Rechten gesprochen. Ich bitte darum, diese Rechte etwas
zu konkretisieren: Sind Sie der Meinung, dass die
Rechtsstellung des Patienten gegenüber seiner Krankenkasse ausreichend ausgeprägt ist? Wie wollen Sie sicherstellen, dass durch diese Gesetzesinitiative das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht in
Mitleidenschaft gezogen wird?
Sie haben eben die Fehlervermeidungskultur angesprochen, die im Zentrum dieses Gesetzentwurfs steht.
Könnten Sie auch hierzu noch detailliertere Ausführungen machen?
Herr Kollege, zum ersten Teil Ihrer Frage: Wir stärken die Rechte der Versicherten gegenüber ihrer Krankenversicherung durch geeignete Fristsetzung. Eine
Krankenkasse muss bei einer Leistung, die einer Beantragung bedarf, innerhalb einer Frist eine Entscheidung
treffen, damit der Versicherte nicht lange im Unklaren
gelassen wird. Das habe ich eben beschrieben. Uns erreichen viele Schreiben, in denen sich Versicherte darüber
beschweren, dass Entscheidungen zu lange dauern. Eine
geeignete Sanktion ist beispielsweise, dass der Versicherte sich die Leistung selbst beschaffen und der Krankenversicherung in Rechnung stellen kann, sofern innerhalb der Frist keine Entscheidung getroffen wurde.
Zum zweiten Teil: Uns ist wichtig, dass zwischen Patient und Arzt eine Kultur des Vertrauens herrscht und
nicht eine Kultur des Misstrauens. Insofern sage ich, anknüpfend an die Frage von Frau Vogler: Es bringt nichts,
Ärzte unter Generalverdacht zu stellen und sie gegen die
Patienten zu stellen. Beide, Patient und Arzt, wollen ein
gutes Verhältnis haben. Der Patient möchte möglichst
schnell gesunden und eine gute Behandlung bekommen.
Mehr Dokumentationspflichten würden den Arzt möglicherweise mit mehr Bürokratie belasten, wodurch er weniger Zeit für den Patienten hätte.
Schließlich: Fehlervermeidungskultur heißt, dass offen mit Fehlern umgegangen wird, dass in Selbstverwaltung geeignete Instrumente gewählt werden. Wir sehen
beispielsweise vor, dass Krankenhäuser Zuschläge bei
der Vergütung erhalten können, wenn sie ein Instrument
zur Fehlervermeidung in ihren Arbeitsablauf integrieren.
Frau Klein-Schmeink, bitte.
Ich habe eine Frage an Frau LeutheusserSchnarrenberger. Sie haben die Aufklärungspflichten,
die Informationspflichten besonders hervorgehoben. Ich
frage Sie, wie Sie diese Aussagen damit vereinbaren
können, dass in Ihrem Gesetzentwurf keine Regelungen
vorgesehen sind, um den barrierefreien Zugang zu Informationen und Aufklärung sicherzustellen. In der Begründung wird beispielsweise darauf abgehoben, dass es
keinen kostenfreien Zugang zu Dolmetscherleistungen
gibt. Wie ist das mit Ihrem Anspruch auf umfassende
Aufklärung und Information zu vereinbaren? Welche anderen Regelungen im Sinne der UN-Konvention schlagen Sie ansonsten vor?
Wir haben unter „Aufklärungspflichten“ in § 630 e
BGB-E ausgeführt, dass die Aufklärung mündlich durch
den Behandelnden oder eine Person, die zu dieser Behandlung oder zu diesem Eingriff befähigt ist, durchzuführen ist. Das impliziert doch ganz eindeutig, dass die
Aufklärung in der Art und Weise erfolgen muss, dass der
Empfänger, also der Patient - Aufklärung muss empfängerorientiert erfolgen -, in der Lage ist, diese Informationen und Aufklärung zu verfolgen. Wenn es auf
Empfängerseite, also bei dem Patienten, eine Beeinträchtigung des Hörens oder andere Beeinträchtigungen
der Wahrnehmung gibt - ich sage das jetzt so nüchtern -,
dann ist ganz klar - so impliziert es § 630 e Abs. 2 -,
dass eine umfassende Aufklärung des Patienten in einer
entsprechenden Art und Weise zu erfolgen hat; denn der
Patient muss wissen, was ihn möglicherweise erwartet.
Nur so ist diese Verpflichtung erfüllt.
Herr Präsident, darf ich ergänzen?
Kollege Bahr möchte noch ergänzen. Bitte schön.
Ich würde gern ergänzen, Frau Klein-Schmeink. Wir
haben im Kabinettsentwurf der Forderung von Patientenorganisationen nach einer stärkeren Berücksichtigung
der UN-Behindertenrechtskonvention explizit Rechnung
getragen. Im Gesetzentwurf - Frau LeutheusserSchnarrenberger hat darauf hingewiesen - steht das Wort
„verständlich“. In der Begründung - Sie nannten das
Beispiel eines Gebärdendolmetschers - haben wir dies
explizit aufgegriffen und erwähnt, dass die insoweit bestehende Kostenübernahme der Sozialleistungsträger gemäß § 17 Abs. 2 SGB I auch für den Fall gilt, dass bei
einem hörbehinderten Patienten ein Gebärdendolmetscher hinzugezogen werden muss. Die Frage, ob ein Gebärdendolmetscher in Anspruch zu nehmen ist, ist also
geregelt, und zwar explizit im Gesetzeswortlaut durch
das Wort „verständlich“, aber auch durch entsprechende
Erwähnung in der Begründung.
Frau Reimann.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben ausgeführt: Die Kosten, die durch das Verschulden
Einzelner entstehen, sollten nicht durch einen Fonds abgedeckt werden. Die Realisierung der Haftung - die
Ministerin hat dies angesprochen - spielt eine große
Rolle für den Patienten. Deswegen frage ich nach der
Berufshaftpflicht, die sehr unterschiedlich gestaltet ist.
Im Patientenrechtepapier der Länder und auch in dem
Papier der Kollegen der Union fand sich deshalb die Forderung, eine bundeseinheitliche Berufshaftpflicht zu etablieren. Ich frage: Warum haben Sie das nicht aufgenommen?
Wir haben eine Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Für diesen Bereich sind die
Länder zuständig. Wir haben das in den bisherigen Gesprächen bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs natürlich angesprochen und auch an die Länder herangetragen; denn wir teilen diese Zielrichtung. Es wäre gut,
wenn es zwischen den Ländern abgestimmte, möglichst
einheitliche Berufshaftpflichtregelungen geben würde.
Von daher wäre es sehr gut, wenn wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens, vielleicht schon bei der ersten
Stellungnahme des Bundesrates, von den Ländern hören
würden, dass sie willens und bereit sind, hier einen tatkräftigen Beitrag zu leisten.
Frau Dyckmans, bitte.
Frau Ministerin, könnten Sie noch einmal genau darlegen, in welcher Form dieser Gesetzentwurf Hilfe für
Patientinnen und Patienten bei der Wahrnehmung ihrer
Rechte vorsieht, wenn Behandlungsfehler eingetreten
sind, insbesondere in dem Fall, wenn man wirklich von
Ärztepfusch reden kann?
Liebe Frau Kollegin, im Gesetzentwurf sind, korrespondierend mit den Pflichten des Behandelnden zur Information und Aufklärung, auch die Rechte der Patienten auf Einsichtnahme in die Patientenakte geregelt und
damit auch das Recht auf Einsichtnahme in das, was dokumentiert ist: zum Beispiel das Beratungsgespräch und
die Maßnahmen, die möglicherweise ergriffen werden
sollten. Wir haben das in einem Paragrafen sehr ausführlich aufgeführt. Anamnese, Diagnose, Untersuchungen,
Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre
Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen sind demzufolge in die Patientenakte aufzunehmen. Hier besteht ein
Akteneinsichtsrecht. Das stärkt die Patienten. Es handelt
sich ja um ein Recht; die Patienten müssen, wenn sie davon Gebrauch machen, kein schlechtes Gewissen haben.
Sie sind, wie Herr Kollege Bahr sagte, nicht Bittsteller.
Bei der Haftung, glaube ich, darf man nicht unterschätzen, dass jetzt im Gesetzentwurf steht - das ist in
unserem Haftungsrecht nicht die Regel -, dass in bestimmten Fällen die Beweislastführung auf den Behandelnden übergeht. Darüber, dass es dabei im Einzelfall
um schwierige Fragen geht, brauchen wir uns überhaupt
nicht zu unterhalten. Aber dass das ausdrücklich festgelegt ist, zeigt: Das ist nicht nur etwas, was die Rechtsprechung entwickelt, sondern es ist ein Bestandteil und soll
auch Grundlage für das sein, was weiterführende Rechtsprechung nach sich ziehen kann.
Ich glaube, das alles stärkt den Patienten, auch gegenüber dem Behandelnden. Da gibt es eben keinen Halbgott in Weiß. Vielmehr wird auf Augenhöhe über ganz
wichtige Themen gesprochen, die den Patienten unmittelbar betreffen.
Kollege Lemme.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Frage richtet
sich an Herrn Minister Bahr. Sie hatten ja im Vorfeld der
Erarbeitung des Gesetzentwurfes die Absicht, die Rechte
der Patientenvertreter, also die Kollektivrechte, im G-BA
zu stärken; die Patientenvertreter sollten stärker eingebunden werden, auch in Verfahrensabläufe. Das ist nun
nicht geschehen. Warum haben Sie die Rechte der Patientenvertreter nicht gestärkt?
Außerdem möchte ich fragen: Wo ist eigentlich Herr
Zöller?
({0})
Zunächst einmal: Ich bin nicht für den Terminplan
von Herrn Zöller zuständig. Weil ich mit ihm telefoniert
habe, kann ich Ihnen aber versichern: Er ist heute erkrankt und kann deswegen nicht an dieser Sitzung teilnehmen.
({0})
Er lässt sich entschuldigen. Ich weiß ihn allerdings an
unserer Seite. Er hat dieses Vorhaben sehr unterstützt,
auch heute öffentlich. Ich bin sehr dankbar für die Arbeit, die der Patientenbeauftragte für das Patientenrechtegesetz geleistet hat.
Ich kann mich an eine Äußerung, in der ich zugesichert habe, dass die Verfahrensrechte der Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss verändert werden, nicht erinnern. Ich halte das auch nicht für sinnvoll.
Nach all den Erfahrungen, die wir im Gemeinsamen
Bundesausschuss gemacht haben, werden die Patientenvertreter sehr gut berücksichtigt und in die Diskussion
eingebunden. Bei den meisten Entscheidungen - das bestätigt auch der unparteiische Vorsitzende - würden die
Patientenvertreter, wenn sie Stimmrecht hätten, keine
andere Entscheidung treffen.
Aber: Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft Entscheidungen, die den Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung betreffen und die ansonsten der
Gesetzgeber treffen müsste. Dafür braucht es eine Legitimation der Vertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss, die ein Stimmrecht haben. Das sind die Vertreter
der Krankenversicherten, die Krankenkassen, und die
Vertreter der Ärzte und Krankenhäuser, also Vertreter
von Organisationen, in denen überwiegend eine Pflichtmitgliedschaft besteht und die insofern legitimiert sind.
Die Patientenvertreter stammen nicht aus Organisationen, in denen eine Pflichtmitgliedschaft besteht. Insofern
ist es auch richtig, dass sie kein Stimmrecht haben und
somit keine Entscheidung beeinflussen können. Jedoch
sollen sie beteiligt werden. Ihre Einbindung wird gestärkt; das ist so. Die Patientenvertreter werden an der
Arbeit weiterer Gremien beteiligt, beispielsweise wenn
es um die Bedarfsplanung auf Landesebene geht. Ein eigenes Stimmrecht wird aus meiner Sicht dem Charakter
des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Legitimation der Entscheidung aber nicht gerecht - auch nicht ein
eigenes Stimmrecht in Verfahrensfragen.
Frau Bunge.
Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren
der Bundesregierung, auch meine Kontakte zu den Patientenverbänden zeigen, dass nach deren Einschätzung
dieser Gesetzentwurf seinen Namen nicht verdient.
Etliches ist schon angesprochen worden. Ich möchte
aber noch ganz kurz zu einer weiteren Frage kommen.
Ich möchte auf die Ankündigungen von Herrn Zöller
eingehen, auf die sich natürlich auch Erwartungen gründen. Eine dieser Erwartungen bezieht sich darauf, dass
im Zusammenhang mit dem Brustimplantateskandal im
Frühjahr dieses Jahres viel davon gesprochen wurde, die
Medizinproduktesicherheit zu steigern und die Haftung
patientenfreundlicher zu handhaben. Die Linke plädiert
dafür, den Selbstverschuldungsparagrafen abzuschaffen.
Wenn man nicht so weit gehen will, sollte man in diesen
Fällen die Patienten zumindest nicht mehr an den Kosten
der notwendigen Behandlung beteiligen. Das findet sich
in diesem Gesetzentwurf nicht wieder. Daher frage ich
Sie: Warum nicht? Wo sonst soll so etwas geregelt werden?
Zunächst einmal wird eine Behauptung durch bloße
Wiederholung nicht richtiger. Auch heute können Sie
den Tickermeldungen entnehmen, dass Patientenorganisationen den Gesetzentwurf durchaus gelobt haben, genauso wie Ärzteorganisationen und andere Beteiligte.
Sie tragen auch Punkte vor, die durch den Gesetzentwurf
geändert werden sollten. Das ist im politischen Diskussionsprozess völlig normal. Deswegen gibt es auch Anhörungen, in denen jeder noch einmal seine Anregungen
einbringen kann. Insofern stimmt Ihre These nicht. Im
Gegenteil: Patientenorganisationen freuen sich, dass
endlich ein Patientenrechtegesetz im Entwurf vorliegt
und wir an dieser Stelle unser Versprechen gehalten haben. Ich habe im Übrigen darauf gewettet, dass wir das
machen werden. Diese Wetten habe ich jetzt gewonnen.
Zum Inhaltlichen: Die Erfahrungen aus dem Skandal um
die PIP-Brustimplantate in Frankreich zeigen, dass es kriminelles Handeln gibt. Das muss bestraft werden. Da müssen
die Betreffenden auch zur Verantwortung gezogen werden.
In der letzten Legislaturperiode ist im Sozialgesetzbuch V die Regelung geschaffen worden, dass bei solchen Leistungen, die medizinisch nicht notwendig waren
und die aufgrund eines Wunsches des Versicherten
durchgeführt worden sind, der Versicherte bei späteren
Komplikationen zu einer angemessenen Eigenbeteiligung herangezogen werden kann. Die Krankenkassen
können diese Regelung in Anspruch nehmen. Alle Erfahrungen und alle im Moment geführten Debatten zeigen uns, dass mit dieser Regelung sehr sorgsam umgegangen wird. Es gibt Krankenkassen, die generell darauf
verzichten, und andere Krankenkassen, die sich das im
Einzelfall anschauen. Wir haben keinen Anlass, diese
Regelung im Sozialgesetzbuch V wieder aufzuheben,
wie Sie es gerade gefordert haben.
Frau Kollegin Bas.
Vielen Dank. - Ich würde gerne noch bei den Medizinprodukten bleiben. Beim Brustimplantateskandal ist deutlich geworden, dass selbst dann, wenn der Arzt richtig operiert hat, Probleme beim Patienten dadurch entstehen
können, dass das Produkt, das verwendet wurde, schadhaft
war. Deshalb will ich nachfragen, warum zum Beispiel die
Forderungen nicht aufgenommen wurden, eine amtliche
Zulassung für Hochrisikoprodukte einzuführen, ein Register einzurichten, das auch überwacht wird, und bei den
Herstellern von Medizinprodukten deutlich stärkere Kontrollen vorzunehmen. Für Patienten ist es wichtig, solche
Regelungen überhaupt erst einmal zu haben; denn sonst
kann man keine Patientenrechte daraus ableiten.
Mich wundert es sehr, dass ich in dem Gesetzentwurf
dazu nichts finde. Vielleicht können Sie noch einmal erläutern, wo das Berücksichtigung findet - wenn nicht im
Patientenrechtegesetz, dann möglicherweise woanders.
Zunächst einmal habe ich mich eben explizit auf die
Frage von Frau Bunge bezogen, die die Regelung der Eigenbeteiligung im Sozialgesetzbuch V ansprach.
Generell haben Sie recht. Der Skandal um die PIPBrustimplantate hat uns allen noch einmal gezeigt, dass
Veränderungsbedarf besteht. Wir wissen aber, dass das
Medizinprodukterecht europäisch geregelt ist. Da sind
nationale Alleingänge nicht sinnvoll.
Die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich die nun
von EU-Gesundheitskommissar Dalli gestartete Initiative, bei der es darum geht, wie das Medizinprodukterecht besser gestaltet werden kann, wie es europaweit
stärker vereinheitlicht werden kann, wie Kontrollen
effektiver stattfinden können und Erkenntnisse besser
ausgetauscht werden können. Jetzt warten wir die konkreten Vorschläge der EU-Kommission ab. Wir werden
uns dort intensiv und aktiv einbringen, um Konsequenzen aus dem Skandal zu ziehen. Das Ganze ist aber, wie
gesagt, eine europäische Aufgabe. Hier liegt auch die
Zuständigkeit. Die entsprechende Richtlinie wird gerade
ohnehin überarbeitet.
Sie haben daneben die Kontrollen angesprochen. Im
Rahmen unserer Zuständigkeit haben wir in der Bundesregierung auf nationaler Ebene Konsequenzen gezogen.
Im Dezember 2011 haben wir den Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des
Medizinproduktegesetzes beschlossen. Nach Maßgaben
im Bundesrat wird die Vorschrift morgen im Bundesanzeiger veröffentlicht. Hierin ist dargestellt, wie die
Überwachungstätigkeiten, für die in Deutschland ja die
Länder zuständig sind, gestärkt werden können; denn es
zeigt sich, dass die Überwachungen verbessert werden
müssen, anlassunabhängig sein müssen und unangemeldet erfolgen sollten.
Bei den PIP-Brustimplantaten sind wir zu der Erkenntnis gekommen: Dahinter stand kriminelle Energie.
Hier war ein Hersteller tätig, der sich an bestehende Gesetze bewusst nicht gehalten hat. Diese kriminelle Energie wird man nur eindämmen können, wenn man die
Überwachungstätigkeit verbessert. Das haben wir in der
Verwaltungsvorschrift vorgesehen.
Frau Paus.
Herr Minister, Sie haben gerade darauf hingewiesen,
dass das Thema auf europäischer Ebene erstens angesiedelt ist und zweitens jetzt auch verhandelt wird. Dennoch würde es in Bezug auf das Thema Patientenrechte
doch sehr gut passen, wenn Sie durch den Gesetzentwurf
zumindest die Informationsmöglichkeiten verbessern
würden.
Deswegen interessiert uns sehr wohl, inwieweit sichergestellt wird, dass die Patientinnen und Patienten
beim Einsatz von Medizinprodukten auch Informationen
zu produktbezogener Gewährleistung und zu den Risiken erhalten. Auch das - so ist jedenfalls unsere Information - ist in Ihrem Gesetzentwurf bisher nicht vorgesehen, würde aber dort hineingehören. Das ist nicht nur
eine europäische Frage. Warum ist das bisher nicht enthalten?
Wir sehen in dem Patientenrechtegesetz ja vor, dass
die Informationspflichten, auch die des Behandlers, erweitert werden. Beispielsweise muss bei den individuellen Gesundheitsleistungen auf die Behandlungskosten
und auf mögliche Folgen hingewiesen werden. Daneben
geben wir den Patienten jetzt die Möglichkeit, Einsicht
in die Patientenakte zu erlangen, und wir haben auch Informationspflichten des Patientenbeauftragten und der
Krankenversicherung vorgesehen.
Insgesamt werden durch diesen Entwurf eines Patientenrechtegesetzes die Informationspflichten der Behandler, also auch derjenigen, die ein Medizinprodukt einsetzen, erweitert, damit der Patient bessere Informationen
erhält.
({0})
- Das gilt natürlich auch für den Einsatz von Medizinprodukten. Hier müssen ebenfalls entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt werden. Auch das stärkt
der Entwurf des Patientenrechtegesetzes noch einmal
explizit.
Frau Aschenberg-Dugnus.
Vielen Dank. - Herr Präsident, vielleicht gestatten Sie
mir, dass ich an dieser Stelle die allerherzlichsten Genesungswünsche an den Kollegen Wolfgang Zöller übermittle. Ich denke, das ist angebracht.
Mich würde interessieren - das Thema wurde gerade
schon behandelt, aber sehr auf Medizinprodukte reduziert -, wie der Gesetzentwurf die Patienten unterstützt,
die sich ganz speziell über mangelnde Informationen
beim Arzt beschweren.
Wir stärken die Patienten beispielsweise dadurch,
dass wir vorsehen, im Krankenhausbereich ein Beschwerdemanagement zu implementieren, sodass sich
die Versicherten dort entsprechend beschweren und informieren können. Es ist auch vorgesehen, dass in den
Qualitätsberichten, die die Krankenhäuser veröffentlichen, das Thema Fehlervermeidung enthalten sein soll.
Daneben fördern wir durch Vergütungszuschläge,
dass in Praxen und in Krankenhäusern Fehlervermeidungsstrategien implementiert werden. Der Patient hat
schon jetzt die Möglichkeit, die Krankenversicherung in
Anspruch zu nehmen, wenn er Informationen zum Beispiel über Leistungserbringer und darüber erhalten will,
wo er seine Rechte geltend machen kann und wie er sich
informieren kann.
Der Versicherte erhält hier also insgesamt mehr Möglichkeiten, an Informationen zu kommen. Er tritt gegenüber dem Leistungserbringer möglichst auf Augenhöhe
auf. Das wird nie ganz gelingen, weil ein Patient nicht
die Ausbildung eines Arztes hat und somit nicht die gleichen Informationen haben kann. Uns ist es aber wichtig,
dass er möglichst viele Informationen hat und dass er vor
allem weiß, wo er welche Informationen bekommt.
Gleichzeitig werden die Leistungserbringer verpflichtet,
möglichst viele Informationen zur Verfügung zu stellen,
wie beispielsweise durch die Verpflichtung bei den individuellen Gesundheitsleistungen, auch auf die zu erwartenden Behandlungskosten hinzuweisen. In diesem
Zusammenhang ist das Erfordernis der Textform implementiert, sodass der Patient schriftliche Informationen
darüber erhält, was er dort in Anspruch nimmt.
Frau Volkmer, bitte.
Herr Minister, Sie haben vorhin erklärt, dass Sie keinen Entschädigungsfonds wollen, weil die Ärzte nicht
aus der Verantwortung entlassen werden sollen. Warum
sind Sie nicht einer Lösung nahegetreten, bei der die
Ärzte nicht aus der Verantwortung entlassen werden,
aber bei der den Patienten geholfen wird, indem zum
Beispiel der Fonds finanziell in Vorleistung geht? Wir
alle wissen, dass Prozesse, bei denen es um die Haftung
eines Arztes geht, Jahre dauern. Das führt die Patientinnen und Patienten abgesehen von der psychischen Belastung vor allen Dingen ganz schnell an ihre finanziellen
Leistungsgrenzen.
Ich habe mich eben explizit darauf bezogen, dass es
meiner Meinung nach nicht sinnvoll ist, dass ein solcher
Fonds mit Beitragsgeldern aus der Solidargemeinschaft
der Krankenversicherten finanziert wird. Unbenommen
davon können ärztliche Organisationen selbst eine solche Stiftung gründen oder einen solchen Entschädigungsfonds schaffen. Es gibt schon heute eine gemeinnützige Stiftung, die Alexandra-Lang-Stiftung, an die
sich Patienten wenden und von der sie Unterstützung
erfahren können. Diese Stiftung arbeitet sehr gut mit
Krankenkassen zusammen.
Außerdem glaube ich, dass auch Ärzte ein Interesse
daran haben, dass nicht diejenigen, die sich korrekt verhalten, für das Fehlverhalten eines anderen Arztes in
Haftung genommen werden. Das ist die grundsätzliche
Fragestellung. Die praktische Fragestellung ist: Nach
welchen Kriterien wird das Geld aus einem solchen
Fonds gezahlt? Diese müssen vorher festgelegt werden.
Man benötigt eine eigene Behörde, die entscheidet, ob
die Kriterien erfüllt sind. Man braucht ein Antragsverfahren. All das sind doppelte Verfahren.
Wenn Sie sagen, das sei ein Vorgriff auf eine Leistung, die der Patient später im bestätigten Schadensfall
erhält, stellt sich natürlich umgekehrt die Frage: Was ist
denn, wenn sich im Klageweg herausstellt, dass der
Schaden nicht von dem Arzt verursacht wurde? Muss
dann der Patient das Geld an den Fonds zurückzahlen?
So gut sich das alles im Interesse des Patienten
anhört, so stellt sich doch die Frage, ob hier nicht das
Verursacherprinzip ausgehebelt wird und damit Fehlanreize geschaffen werden. Wir wollen, dass die Anreize
zur Fehlervermeidung so stark sind, dass es möglichst
jeder vermeidet, Fehler zu machen, und dass derjenige,
der einen Schaden verursacht, bitte schön zur Verantwortung gezogen wird. Risiko und Haftung müssen
zusammengehören. Der Verursacher eines Fehlers trägt
dafür die Verantwortung.
Frau Klein-Schmeink.
Sie schließen einen Härtefallfonds zum Beispiel auch
für die Fälle aus, bei denen es nachweislich einen großen
Schaden gegeben hat, aber die Ursache nicht eindeutig
zu klären ist. Es stellt sich die Frage, warum Sie nicht
wenigstens in den Fällen eine Beweiserleichterung vorsehen, in denen es einen Fehler und nachweislich einen
Schaden gegeben hat, in denen aber darüber hinaus der
Geschädigte nachweisen muss, dass es einen Ursachenzusammenhang gibt. Warum haben Sie für diese dritte
Stufe keine Erleichterung vorgesehen?
Es geht gerade bei den Haftungsregelungen darum,
dass wir - deshalb orientieren wir uns daran, wie sich
das bisher in der Rechtsprechung entwickelt hat - hier
zwischen einfachen und groben Behandlungsfehlern
unterscheiden. Dabei machen wir keine Differenzierung
zwischen einem Fehler und dem eingetretenen Schaden
auf der einen Seite und der Feststellung der Ursächlichkeit auf der anderen Seite, die dann immer auf den Arzt
oder den Behandelnden zu übertragen wäre. Das wäre
eine generelle Beweislastumkehr; denn die Ursächlichkeit ist gerade einer der entscheidenden Punkte. Von
daher nehmen wir keine generelle Beweislastumkehr im
Bereich der Ursächlichkeit vor.
Frau Dyckmans.
Es gibt Behandlungen, deren Kosten die Krankenkassen nicht übernehmen. Über diese Leistungen haben
wir in der letzten Zeit oft diskutiert. Ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass Patienten, die Behandlungen
wählen, deren Kosten von den Krankenkassen nicht
übernommen werden, Informationen darüber bekommen, welche Kosten auf sie zukommen?
Dieses Thema hat schon die Beratungen beherrscht.
Deshalb sind wir beide hier aktiv geworden. Wir sehen
im Gesetzentwurf vor, als § 630 c eine Bestimmung ins
Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen, dass im Falle von
individuellen Leistungen, den IGeL-Leistungen, der
Patient dann, wenn der Behandelnde weiß, dass eine
vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht
gesichert ist oder dass es berechtigte Gründe gibt, dies
anzunehmen - es genügt also der Anschein, dass das so
sein könnte -, vor der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung schriftlich, also in Textform, informiert werden muss.
Es gibt auch die Information auf mündlichem Wege,
aber in dem Entwurf ist ausdrücklich vorgesehen, dass
ein Papier übergeben wird, in dem genaue Informationen
über die Kosten bzw. die Übernahme der Kosten der Behandlung enthalten sind. Das ist etwas Neues. Das hat es
bisher in der Rechtsprechung nicht gegeben. Es klang
vereinzelt schon einmal an, aber daraus konnte der Patient bisher kein Recht ableiten. Das Recht bekommt er
jetzt mit dieser Neuregelung.
Frau Vogler, bitte.
Herr Bahr, Sie haben vorhin gesagt, dass die Einführung eines Entschädigungs- bzw. Haftungsfonds sehr
kompliziert und mit viel Arbeit verbunden sei. Das würden Sie lieber nicht angehen; Sie würden vielmehr auf
freiwillige Lösungen seitens der Ärzteschaft wie die von
Ihnen genannte Stiftung vertrauen. Könnten Sie uns vielleicht ungefähr sagen, wie viele Patientinnen oder Patienten bzw. Versicherte insgesamt von solchen privaten
Lösungen profitieren und welchen Vorteil aus Ihrer Sicht
die Privatisierung eigentlich staatlicher Verantwortung
für Patientinnen und Patienten im Vergleich zur Wahrnehmung durch die Politik hat?
Liebe Frau Kollegin, ich glaube, das ist einfach ein
Unterschied zwischen uns. Deswegen sind Sie Mitglied
der Linken, und ich bin Mitglied in einer anderen, einer
liberalen Partei. Ich bin der Meinung, dass derjenige, der
einen Schaden verursacht, auch dafür zur Verantwortung
gezogen werden muss. Sie möchten, dass alle, das heißt
die gesamte Gesellschaft, der Staat und die Versicherten,
kollektiv für die Kosten aufkommen. Da ich diesen Ansatz nicht teile - das betrifft genauso die Schulden in
Europa und andere Fragen -,
({0})
bin ich der Meinung, dass es richtig ist, dass derjenige,
der etwas falsch gemacht hat, auch zur Verantwortung
gezogen wird.
({1})
Darüber hinaus begrüße ich - das Patientenrechtegesetz und die Debatte darüber tragen auch dazu bei -, dass
es gemeinnützige Stiftungen wie die Alexandra-LangStiftung gibt, die sich in der Bürgergesellschaft engagiert, um andere zu unterstützen.
Wir verankern hier - das ist eine wesentliche Veränderung -, dass Krankenkassen erstmals verpflichtet sind,
ihren Versicherten zu helfen, zum Beispiel durch Gutachtenerstellung und Information darüber, wo man Hilfe
bekommen kann. Wie ist das denn in der Praxis? Die
Fälle, in denen es zu Behandlungsfehlern gekommen ist,
zeigen, dass sich die Betroffenen alleingelassen fühlen.
Sie kennen ihre Rechte nicht und wissen nicht, wer ihnen hilft. Daher ist die Möglichkeit, dass sie sich an ihre
Krankenkasse wenden können, die ihnen helfen muss,
ein sehr guter Weg, der der Praxis besser entspricht, als
wenn wir ein neues Verfahren mit neuen Beantragungen,
neuen Kriterien und einer neuen Behörde, die wiederum
entscheiden muss, ob jemand Leistungen bekommt,
schaffen würden. Das würde nur viel Geld kosten und
Kapazitäten binden. Hier muss klar das Verursacherprinzip gewahrt bleiben.
Wir sind jetzt jenseits der vereinbarten Zeit. Ich habe
noch zwei Wortmeldungen der Kolleginnen Reimann
und Volkmer. Ich schlage vor, dass wir sie noch aufrufen. - Das ist offenkundig einvernehmlich. Bitte schön,
Frau Reimann.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe noch eine
Frage zu den individuellen Gesundheitsleistungen, die
gerade schon angesprochen wurden. Verbraucherzentralen, Krankenkassen und auch die Ärzteschaft sind sich
einig und fordern seit langem Regularien und Regeln für
diesen Bereich der individuellen Gesundheitsleistungen.
Das geht weit über die schlichte Information über den
Preis hinaus. Es geht um Leistungen, die häufig einen
medizinisch zweifelhaften Nutzen haben. Deswegen
frage ich: Warum ist im Entwurf des Patientenrechtegesetzes entgegen den Ankündigungen und Forderungen
im Vorfeld keine spezifische Regelung gefunden worden?
Die Ankündigungen haben wir mit dem Patientenrechtegesetz umgesetzt. Wir haben darin Regelungen für
die individuellen Gesundheitsleistungen vorgesehen.
Das Kabinett hat heute den Entwurf beschlossen. Weitere Beratungen finden statt. Das, was das Kabinett vorlegt, ist eine Verbesserung. Denn erstmals wird eine Verpflichtung verankert, dass die voraussichtlichen Kosten
der Behandlung durch den Behandler zu benennen sind.
Wir sehen ein Textformerfordernis vor. Das heißt, der
Patient erhält schriftliche Informationen über die individuellen Gesundheitsleistungen.
Ich glaube - das unterscheidet uns vielleicht ein bisschen -, dass wir individuelle Gesundheitsleistungen
brauchen. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sollen nach Sozialgesetzbuch V ausreichend,
zweckmäßig, wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des
Notwendigen nicht überschreiten. Das stellen Sie nicht
infrage, und das stelle ich nicht infrage. Das heißt, dass
es auch Leistungen oberhalb des Leistungskatalogs der
gesetzlichen Krankenversicherung geben kann, die vielleicht nicht notwendig sind, aber dennoch für den Patienten sinnvoll sein können.
Deswegen habe ich gestern auf dem Ärztetag eingefordert, dass die Ärzteschaft, die hier in erster Linie
gefordert ist, nämlich die Selbstverwaltung, mit den individuellen Gesundheitsleistungen entsprechend sorgsam und verantwortungsbewusst umgeht. Der Arzt ist
kein Unternehmer, sondern ein Freiberufler. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis, das nicht durch wirtschaftliche
Aspekte belastet werden darf. Der Ärztetag hat schon
vor einigen Jahren einen entsprechenden Kodex beschlossen. Auch auf dem aktuellen Ärztetag befasst sich
die Ärzteschaft mit Regularien und Regeln, die innerärztlich die individuellen Gesundheitsleistungen festlegen sollen.
Ich halte aber von Vorschlägen nichts, die beispielsweise vorsehen, dass ein Tag zwischen Angebot und Behandlung liegen muss. Ich glaube, der Patient ist mündig
genug, selbst zu entscheiden, wenn er gut informiert ist,
die Konsequenzen kennt und sich nicht ausgenutzt fühlt;
darauf kommt es an. Das stärken wir mit dem Gesetz.
Frau Volkmer? - Ihre Frage hat sich erledigt. Dann
schließen wir diesen Teil der Regierungsbefragung ab.
Gibt es andere Fragen zur heutigen Kabinettssitzung? Das ist offenkundig nicht der Fall. Hat jemand eine sonstige, vorher nicht schriftlich eingereichte Frage an die
Bundesregierung? - Nicht einmal das ist der Fall. Es
senkt sich seltener Frieden über den Plenarsaal. Damit
können wir die Regierungsbefragung abschließen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 17/9677 Wir rufen die schriftlich eingereichten Fragen zur
mündlichen Beantwortung in der üblichen Reihenfolge
auf.
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Manfred Nink auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, bei den Verhandlungen
über das Gesetzespaket zur Umsetzung von Basel III die besondere Struktur der deutschen Wirtschaft zu berücksichtigen,
die sich vorwiegend aus kleinen und mittleren Unternehmen,
KMU, zusammensetzt, die in höherem Maße von Bankkrediten abhängig sind und durch die Einführung der neuen Eigenkapitalquoten überproportional belastet werden, und wird sie
sich dementsprechend für die Einführung einer speziellen
Mittelstandsklausel ({0}) - zum Beispiel durch die Senkung des Risikogewichts bei Mittelstandskrediten - einsetzen, um die Belastung des Mittelstandes zu
kompensieren?
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege
Nink, Sie fragen nach der Haltung der Bundesregierung
bei den Verhandlungen im Hinblick auf die Umsetzung
von Basel III. Dahinter verbirgt sich die Stärkung der Eigenkapitalunterlegung der Banken als eine wesentliche
Schlussfolgerung aus der Finanzkrise.
Die Bundesregierung hat das Ziel der Stärkung der
Eigenkapitalbasis der Banken begrüßt. Es war ihr aber
bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene sehr
wichtig, dass die bankenaufsichtsrechtlichen Vorschriften so ausgestaltet und eingeführt werden, dass vor allem
Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihre zentrale
Rolle bei der Finanzierung mittelständischer Unternehmen auch in Zukunft umfassend ausfüllen können.
Auch künftig werden die nationalen Aufsichtsbehörden über die Intensität der Beaufsichtigung und die
Organisation der bankenaufsichtlichen Überprüfungsverfahren das Entscheidungsrecht haben. Es gilt der
Grundsatz der abgestuften Aufsichtsdichte nach Maßgabe der Risikoeinstufung des beaufsichtigenden Instituts. Dieses sogenannte Proportionalitätsprinzip kommt
vor allem den kleineren und mittleren Sparkassen und
Genossenschaftsbanken zugute, die - dafür sind wir
dankbar - der Hauptfinanzierer des Mittelstands in
Deutschland sind.
Die politischen Verhandlungen im Ecofin sind vorerst
abgeschlossen. Die EU-Finanzminister haben sich in der
Ratssitzung am 15. Mai auf einen Kompromisstext verständigt und die Präsidentschaft beauftragt, die sogenannten Trilogverhandlungen zwischen Präsidentschaft,
Europäischem Parlament und Kommission zu führen.
Nach dem bisherigen Verhandlungsstand ist keine Absenkung des Risikogewichts bei Mittelstandskrediten
vorgesehen. Dafür gab es bei den Ratsverhandlungen
keine Mehrheit. Der zuständige Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments hat sich
aber im Zusammenhang mit diesem Vorschlag bereits
am 14. Mai sehr eindeutig für eine deutliche Absenkung
des Risikogewichts für Mittelstandskredite ausgesprochen. Das wird von der Bundesregierung begrüßt. Wir
tun alles, was wir tun können, um in den Trilogverhandlungen diese Position zum Tragen zu bringen.
Eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 2 des Kollegen Zöllmer auf:
Will die Bundesregierung bei der im Entwurf des Gesetzes
zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht geplanten Reform
des Verwaltungsrates bleiben, wonach die derzeit zehn Repräsentanten der Banken, Versicherer und Fondsgesellschaften
nicht mehr im 21-köpfigen Verwaltungsrat der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht vertreten sein sollen, nachdem es hierzu heftige Kritik aus der gesamten Finanzbranche
gibt?
Herr Kollege Zöllmer, die Bundesregierung hat in der
Kabinettssitzung am 2. Mai - das ist Ihnen bekannt den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der deutschen
Finanzaufsicht beschlossen. Zur Stärkung der Unabhängigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und übrigens im Einklang mit internationalen
Aufsichtsstandards sieht der Regierungsentwurf die ÄnParl. Staatssekretär Hartmut Koschyk
derung der Zusammensetzung des Verwaltungsrats der
BaFin vor. Danach sollen dem Verwaltungsrat anstelle
von bisher zehn Verbandsvertretern der Finanzindustrie
in Zukunft sechs Persönlichkeiten mit Expertise im Bereich der Finanzwirtschaft angehören. Insofern hat die
Bundesregierung nicht die Absicht, den bereits beschlossenen Gesetzentwurf zu ändern.
Die parlamentarischen Beratungen bleiben abzuwarten. Ich gehe aber davon aus, dass es auch nach den
Beratungen eine Mehrheit im Parlament für diesen Neugestaltungsansatz bei der Finanzaufsicht und für die Reform des Verwaltungsrats der BaFin geben wird.
Zusatzfrage? - Bitte.
Nun hat es bei der Debatte über diesen Entwurf vonseiten der Koalition sehr markige Äußerungen und den
Hinweis gegeben, man dürfe diejenigen, die beaufsichtigt werden sollen, nicht in einem solchen Gremium
haben. Auf der anderen Seite gibt es Kritik; denn die
Banken und Versicherer sind die Financiers der entsprechenden Einrichtung. Nun gehöre auch ich zufällig dem
Verwaltungsrat der BaFin an und weiß, dass sich dieser
Verwaltungsrat mit allem Möglichen beschäftigt, nur
nicht mit dem Tagesgeschäft der Überwachung von Banken.
Daher meine Frage: Teilt die Bundesregierung die
Kritik aus den Reihen von CDU/CSU und FDP, die ich
eben erwähnt habe? Sind auch Sie der Meinung, dass mit
den Bankenvertretern und Versicherungsvertretern im
Aufsichtsrat diejenigen an der Aufsicht mitwirken sollten, die beaufsichtigt werden sollen?
Ich habe keinerlei Kritik der Koalitionsfraktionen an
dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung beschlossen hat und der die Verwaltungsratszusammensetzung
ändern wird, vernommen. Insofern gehe ich davon aus,
Herr Kollege Zöllmer, dass es für diesen Vorschlag eine
entsprechende parlamentarische Mehrheit geben wird.
({0})
Eine Nachfrage.
Die Frage ist: Teilt die Bundesregierung genau diese
Aussage der Koalitionsfraktionen?
Herr Kollege Zöllmer, ich versuche es noch einmal:
Wir haben eine veränderte Zusammensetzung des Verwaltungsrats der BaFin beschlossen. Es sollen nicht
mehr wie bisher zehn Verbandsvertreter dem Gremium
angehören, sondern Persönlichkeiten mit Erfahrung und
einem Expertisenachweis aus dem Bereich der Finanzwirtschaft. Das heißt, die Verbände entsenden nicht mehr
einfach so Vertreter, auf die niemand Einfluss nehmen
kann. Diesem Ansatz der Änderung der Zusammensetzung wird, glaube ich, vonseiten der Koalitionsfraktionen nicht mit Kritik begegnet; er findet vielmehr Zustimmung und wird nach meiner Einschätzung eine
parlamentarische Mehrheit erhalten.
Weitere Nachfragen dazu sehe ich nicht.
Wir kommen zur Frage 3:
Wie haben sich die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Commerzbank AG bzw. die von der Bundesregierung hierfür genutzten Vertreter der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft und der frühere BundesbankVorstand M. verhalten, als es aktuell um die Frage der Erhöhung der Bezüge des Managements der Commerzbank AG
und die ebenfalls geplante Zahlung von darüber hinausgehenden Boni ging?
Herr Kollege Zöllmer, die vom Finanzmarktstabilisierungsfonds eingegangenen Beteiligungen an Kreditinstituten dienen der Stabilisierung des Finanzmarktes. Die
Bundesregierung hat stets betont, dass sie nicht auf das
Geschäft stabilisierter Banken Einfluss nimmt. Deshalb
gibt das Bundesministerium der Finanzen auch keine
Auskünfte und Stellungnahmen zu unternehmensinternen Entscheidungen dieser Institute, zum Beispiel auch
der Commerzbank. Auch über den Inhalt der Tätigkeit
von Aufsichtsräten äußert sich die Bundesregierung
nicht.
Soweit Beschäftigte der Bundesregierung im Rahmen
des rechtlich Zulässigen Auskünfte von Gremienvertretern entgegennehmen, haben sie nach § 395 Aktiengesetz darüber Stillschweigen zu bewahren und dürfen
keine Auskünfte erteilen. Diese gesetzliche Verschwiegenheitspflicht schließt auch das Abstimmungsergebnis
und das Stimmverhalten im Aufsichtsrat mit ein. Eine
Verletzung dieser Geheimhaltungspflicht stellt übrigens
nach § 404 des Aktiengesetzes einen Straftatbestand dar.
Bitte schön.
Aber die Erhöhung der Vorstandsvergütung um insgesamt 60 Prozent ist ein Vorgang, der öffentlich geworden
ist. Die Commerzbank ist eine Einrichtung, die mit stillen Einlagen in Höhe von 18,2 Milliarden Euro und
16 Milliarden Euro vom Steuerzahler davor bewahrt
wurde, Bankrott zu machen. Nun haben wir eine Situation, die aus meiner Sicht der unverschämten Selbstbedienungsmentalität von Vorständen geschuldet ist, deren
Banken vom Steuerzahler gerettet worden sind und die
noch nicht einmal Zinsen für das eingelegte Kapital gezahlt haben. Dazu muss die Bundesregierung doch eine
politische Meinung haben. Diese politische Meinung
hätte ich gern von Ihnen erfahren. Ist es so, dass die
Bundesregierung diese unverschämte Selbstbedienungsmentalität für richtig hält?
Herr Kollege Zöllmer, ich darf darauf hinweisen, dass
die Vorstandsbezüge der Commerzbank AG vom Aufsichtsrat im Hinblick auf die fixe und die variable Vergütung gemäß der gesetzlichen Vorgabe in den Jahren 2010
und 2011 auf 500 000 Euro pro Jahr begrenzt wurden.
Die gesetzlich festgelegte Begrenzung greift bereits
ab dem Geschäftsjahr 2011 nicht mehr, da die Bank im
Jahr 2011 mehr als die Hälfte der Rekapitalisierungsleistungen des Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung
zurückgeführt hat. Für 2011 galt allerdings auf Beschluss des Aufsichtsrats - und damit freiwillig, also
ohne dass dies gesetzlich erforderlich gewesen wäre noch die absolute Begrenzung auf 500 000 Euro. Diese
Begrenzung wurde von der Bank eingehalten.
Herr Kollege Zöllmer, die vom Aufsichtsrat in Einklang mit der Rechtslage beschlossene Vergütungsregelung für den Vorstand tritt daher ab 2012 wieder in Kraft
und ermöglicht so für das Geschäftsjahr 2012 ein Überschreiten der Vergütungshöhe von 500 000 Euro.
Eine zweite Zusatzfrage wollen Sie nicht stellen?
Doch. - Ich stelle also fest, dass Sie ein Gehalt von
500 000 Euro pro Jahr für etwas halten, von dem man jemanden erlösen muss?
Lieber Herr Kollege Zöllmer, ich glaube, ich habe die
Rechtslage sehr sachlich, so, wie sie ist, dargelegt. Auch
Sie dürften von einer Bundesregierung erwarten, dass sie
Sachverhalte gemäß der Gesetzeslage beurteilt und sich
nicht auf eine polemische Debatte einlässt, wie sie von
Ihnen teilweise geführt wird. Wir haben den Sachverhalt
so zu beurteilen, wie er nach Recht und Gesetz zu beurteilen ist, und das habe ich Ihnen gerade dargelegt.
Frau Kressl, bitte.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben dem
Bundestag gerade erläutert, dass Sie auf den Einzelfall
nicht eingehen können. Dennoch bleibt die Frage: Hält
es die Bundesregierung nach diesen Vorgängen nicht für
sinnvoll, grundsätzliche politische Konsequenzen zu ziehen? Es werden ja seit längerer Zeit Möglichkeiten diskutiert, Begrenzungen einzuführen, beispielsweise bei
der steuerlichen Absetzbarkeit von sehr hohen Managergehältern.
Frau Kollegin Kressl, da Sie mich so allgemein fragen, möchte ich Ihnen antworten: Wir haben in der Großen Koalition entsprechende Begrenzungen für Managergehälter vorgenommen. Die Bundesregierung hält es
nicht für erforderlich, von diesen gesetzlichen Regelungen, die von der Großen Koalition vorgenommen wurden, abzugehen.
Kollege Schick.
Herr Staatssekretär, es wurde die Frage nach dem
Handeln der Aufsichtsratsmitglieder gestellt. Nun kann
man grundsätzlich fragen, warum die Bundesregierung
extra jemanden benennt, der nicht Teil der Weisungskette ist, sodass man die Verantwortung gut abschieben
kann. Darüber will ich jetzt aber nicht diskutieren, darüber diskutieren wir an anderer Stelle. Ich möchte jedoch die Frage stellen, wie der Bund als Eigentümer
agiert.
Auf der Hauptversammlung der britischen Großbank
Barclays haben kritische Aktionäre die überhöhten Vorstandsbezüge hinterfragt und diese zur Abstimmung gestellt. Warum hat der Bund als Eigentümer mit einer Beteiligung von 25 Prozent auf der Hauptversammlung der
Commerzbank, die heute stattfindet, nicht die Möglichkeit genutzt, in dieser Frage einzugreifen? Heißt das,
dass die Bundesregierung es zumindest stillschweigend
billigt, dass Herr Blessing durch den Aufsichtsrat eine
entsprechende Gehaltserhöhung bekommen hat?
Herr Kollege Schick, auch Sie darf ich darauf hinweisen, dass eine Intervention des Bundes bzw. der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung aus der Position als
Aktionär mit einer Beteiligung an der Commerzbank in
Höhe von 25 Prozent plus einer Aktie aus folgenden
Gründen nicht möglich ist: Über die Vorstandsvergütung
entscheidet nach dem Gesetz der Aufsichtsrat in eigener
Verantwortung. Was das Verhalten von Aufsichtsratsmitgliedern aus dem Bereich der Bundesregierung anbelangt, auch in rechtlicher Hinsicht, habe ich in meiner
Antwort auf die Frage des Kollegen Zöllmer entsprechende Ausführungen gemacht. Der Bund hat in der Tat
zwei Vertreter zur Wahl in den 20-köpfigen Aufsichtsrat
vorgeschlagen. Die Hauptversammlung, auf die Sie anspielen, Herr Kollege Schick, kann dem Aufsichtsrat
keine verbindliche Empfehlung vorgeben und auch nicht
die Entscheidung des Aufsichtsrats an sich ziehen. Die
mit dem Gesetz über die Angemessenheit von Vorstandsvergütungen geschaffene Billigung des Vergütungssystems durch die Hauptversammlung hat nach
§ 120 Abs. 4 Satz 2 Aktiengesetz keine Bindungswirkung für den Aufsichtsrat. Das heißt, die Entscheidung
und Verantwortung des Aufsichtsrats für die konkrete
Höhe und Angemessenheit der Vorstandsvergütung bleiben von einem etwaigen Votum der Hauptversammlung
unberührt.
Kollegin Höll.
Herr Staatssekretär, Sie haben uns die Rechtslage erläutert; das ist richtig. Die Frage bezog sich aber - darauf möchte ich zurückkommen - auf die politische Wertung seitens der Bundesregierung. Wenn ich Sie richtig
verstanden habe, sehen Sie es als rechtens an, dass es
drei Jahre lang eine Begrenzung der Gehälter gab, und
zwar auf 500 000 Euro; das ist nicht ganz wenig Geld.
Die Wirkungen der Finanzkrise auf die öffentlichen
Haushalte und damit auf viele Bürgerinnen und Bürger
gehen weit über diese drei Jahre hinaus. Sie halten es als
Bundesregierung also politisch für richtig, dass die Manager, das heißt diejenigen, die durch ihr Handeln ganz
konkret mitzuverantworten haben, dass die Finanzkrise
so ausgebrochen ist und so gewirkt hat, jetzt wieder in
die Vollen greifen können, während die öffentliche Hand
weiterhin die Belastungen trägt. Habe ich Sie so richtig
verstanden?
Verehrte Frau Kollegin Höll, ich darf noch einmal sagen: Der Vorgang bei der Commerzbank, den ich Ihnen
als Reaktion auf die Fragen anderer Kollegen geschildert
habe, hat sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegt. Ich glaube, es ist nicht richtig, wenn die Bundesregierung dann, wenn nach Recht und Gesetz gehandelt
wird, daran Anstoß nimmt und sich in eine politische
Debatte darüber einschaltet.
Kollege Scheelen, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin auf die Frage
der Kollegin Kressl geantwortet, man habe in der Großen Koalition entsprechende Regelungen getroffen.
Auch ich war damals dabei, kann mich daran aber eigentlich nicht erinnern. Vielmehr erinnere ich mich daran, dass wir Ihnen vorgeschlagen haben, die Managergehälter in der Weise zu begrenzen, dass man festlegt:
Sie sind nur bis zu einer bestimmten Höhe, zum Beispiel
bis zu 1 Million Euro, steuerlich absetzbar und darüber
hinaus nicht mehr. Dem haben Sie damals, soweit ich
mich erinnere, nicht zugestimmt. Die Frage ist: Warum
haben Sie das nicht getan?
Ich glaube, dass die von uns getroffene gesetzliche
Regelung, was die Angemessenheit der Vergütung anbelangt, richtig war und dass wir damals auch richtig entschieden haben.
Weitere Fragen hierzu liegen mir nicht vor.
Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Sieling werden
schriftlich beantwortet.
Somit sind wir bei der Frage 6 des Kollegen
Scheelen:
Wird die Bundesregierung - wie von der Wirtschaft
dringend gefordert - die zur Jahresmitte 2012 auslaufende
Übergangsregelung zur Gelangensbestätigung für innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 17 a der UmsatzsteuerDurchführungsverordnung bis zum Jahresende 2012 verlängern und, falls nein, warum nicht?
Herr Kollege Scheelen, ja, die bis 30. Juni 2012 geltende Übergangsregelung, was die Gelangensbestätigung anbelangt, wird nochmals verlängert. Das haben
Bund und Länder auf Fachebene am 15. Mai 2012 entschieden. Ein entsprechendes BMF-Schreiben wird mit
der Wirtschaft zurzeit noch abgestimmt und soll in
Kürze veröffentlicht werden.
Auf Vorschlag der Wirtschaft prüfen wir derzeit auch
eine Änderung der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung. Denn es erscheint sinnvoll, dass in erster Linie die
in dem derzeitigen Entwurf des BMF-Einführungsschreibens zur Gelangensbestätigung vorgesehenen Vereinfachungen und Erleichterungen im Verordnungswege
auch gesetzlich abgesichert werden.
Bitte schön, Zusatzfrage.
Damit das ganz klar ist: Sie verlängern diese Regelung bis Ende des Jahres?
Ja.
Das ist ein wichtiger Schritt.
Das Grundsatzproblem wird durch diese Verlängerung aber nicht gelöst. Sie sind daher auch bereit, an der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung etwas zu tun,
weil die bisherige Rechtslage gegenüber dem, was jetzt
faktisch noch möglich ist, am Ende einen gewissen Widerspruch erzeugt. Habe ich das richtig verstanden?
Nein.
Sie sind bereit, die Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung zu ändern. In dem Punkt „Mussvorschrift“ sind
also Öffnungen vorgesehen.
Genau. Wir sind bereit, die Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung zu ändern, um dem, was wir in einem
BMF-Schreiben im Hinblick auf die Handhabbarkeit der
Gelangensbestätigung jetzt mit den Ländern, aber auch
den Wirtschaftsverbänden abgesprochen haben, eine entsprechende Rechtssicherheit zu geben. Wir kommen damit auch einem Vorschlag aus der Wirtschaft nach.
Weitere Zusatzfrage.
Sehen Sie eventuell vor, dass man den Nachweis der
innergemeinschaftlichen Lieferung auch künftig mit
Speditionsbelegen führen kann, so wie das bisher der
Fall war?
Das ist noch in der Prüfung. Wir wollen in Gesprächen mit dem Speditionsgewerbe jedenfalls dafür sorgen, dass die letztendlich durch das BMF-Schreiben zur
Anwendung kommende Gelangensbestätigung für die
Unternehmen, gerade auch mit den Anschlussleistungen
im Speditionsgewerbe, handhabbar ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Barbara Höll auf:
Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich der Anwendung des Splittingtarifs bei Steuerpflichtigen einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft bundeseinheitlich zu gewähren
ist, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Einkommensteuerbescheiden nach § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung bestehen, in denen die Anwendung des
Splittingtarifs abgelehnt wird - so wie es auch der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 5. März 2012 ({0})
entschieden hat; siehe www.lsvd.de/fileadmin/pics/Doku
mente/Rechtsprechung5/BFH120305.pdf -, und stimmt die
Bundesregierung damit überein, dass es vor diesem Hintergrund geboten ist, zum Zweck einer bundeseinheitlichen Anwendung des Einkommensteuergesetzes eine Verwaltungsanweisung herauszugeben?
Verehrte Frau Kollegin Dr. Höll, der Bundesfinanzhof
hat den von Ihnen zitierten Beschluss am 16. Mai 2012
veröffentlicht. Wir prüfen derzeit, welche Folgerungen
aus diesem Beschluss zu ziehen sind. Nach Abschluss
dieser Prüfung wird das Bundesministerium der Finanzen das weitere Vorgehen mit den obersten Finanzbehörden der Länder abstimmen.
Herr Staatssekretär, danke für die Antwort. - Ich
muss feststellen, dass Sie als Ministerium bei diesem
Thema bisher leider massiv gemauert haben. Ich muss
jetzt einmal aus der Antwort vom 27. April zitieren, die
Sie auf unsere Kleine Anfrage zur Frage zum Rechtsschutz für alle Betroffenen gegeben haben:
Das Bundesministerium der Finanzen wartet diesbezüglich vielmehr die Entscheidung des Bundesfinanzhofs in den anhängigen Beschwerdeverfahren
zum vorläufigen Rechtsschutz … ab.
Nun haben wir diese Entscheidung. Sie ist eindeutig.
Deshalb meine Frage: Was müssen Sie jetzt noch prüfen? Wie lange wollen Sie prüfen? Warum ist es nicht
möglich, eine bundeseinheitliche Regelung bezüglich eines Rechtsschutzes zu treffen, wie es ja in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Pendlerpauschale, von Ihnen durchaus getan wurde?
Liebe Frau Kollegin Dr. Höll, das ist ein schwieriger
Sachverhalt. Wir müssen diese Prüfung sorgfältig vornehmen. Wenn sie abgeschlossen ist, müssen wir die Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder leisten. Da geht wirklich Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es mag schwierig sein, aber wir
haben ja vergleichbare Fälle. Ich wies eben schon auf die
Pendlerpauschale hin. Sie könnten nach § 165 der Abgabenordnung die vorläufige Steuerfestsetzung auch bundeseinheitlich regeln. Das ist ein erprobter Akt, das ist
ein einfacher Akt. Deshalb frage ich Sie, warum Sie das
nicht anstreben, vor allem vor dem Hintergrund, dass,
soweit mir bekannt ist, in einzelnen Bundesländern bisher schon ein Rechtsschutz gewährt wird. Da würde
mich auch interessieren: Wie viele Bundesländer sind
das? Welche sind das? Warum diese Nichtübereinstimmung zwischen den Ländern und dem Bund?
Frau Kollegin Höll, bei Steuerbescheiden ist eine
Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung beschränkt
auf den Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten
Jahressteuer bzw. den festgesetzten Vorauszahlungen
und den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen. Eine
Aussetzung der Vollziehung ist daher nur möglich, wenn
der Bescheid zu einer Steuernachzahlung führt. Eine
vorläufige Erstattung von Steuerbeträgen kann nicht erreicht werden. Dies ist besonders für Arbeitnehmerfälle
von Bedeutung.
Die Frage nach den Bundesländern kann ich Ihnen
jetzt aus dem Stegreif nicht beantworten; die Antwort
würde ich Ihnen aber gern nachreichen.
Frau Enkelmann, bitte.
Herr Staatssekretär, die Gleichbehandlung von Eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe haben Sie bereits
im Koalitionsvertrag angekündigt. Das ist immerhin fast
drei Jahre her. Die Frage ist: Was haben Sie bislang getan, um hier tatsächlich endlich zu einer einheitlichen
rechtlichen Regelung zu kommen?
Frau Kollegin, es gibt eine ganze Reihe von Lebenssachverhalten - das haben wir schon in mehreren Antworten auf entsprechende Parlamentsanfragen, auch von
Ihnen, deutlich gemacht -, wo wir den Koalitionsvereinbarungen nachgekommen sind. Bei einer wichtigen
Frage sind wir uns innerhalb der Bundesregierung einig,
dass wir noch die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten wollen und dann im Lichte
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die
notwendigen Konsequenzen aus dieser Rechtsprechung
ziehen werden.
({0})
Die weitere Zusatzfrage ist nicht zulässig. Wenn der
Herr Staatssekretär sie freiwillig beantwortet hätte, hätte
ich ihm nicht im Wege gestanden.
Ich rufe nun die Frage 8 der Kollegin Höll auf:
Welche konkreten Tatbestände müssen nach dem im September 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten
Steuerabkommen mit der Schweiz nach der Definition in
Art. 2 Buchstabe h - alternative nutzungsberechtigte Person vorliegen, damit auch Steuerverkürzungen von natürlichen
Personen über Trusts und Stiftungen erfasst werden können,
und in welchen Fällen greift bei der Anlage über einen Trust
oder eine Stiftung die Ausweitung des persönlichen Anwendungskreises nach Art. 2 Buchstabe h nicht?
Frau Kollegin Höll, die Anwendung des Abkommens
hängt in den von Ihnen angeführten Sachverhalten maßgeblich von der Frage ab, wer die tatsächliche Herrschaftsbefugnis über die entsprechenden Kapitalerträge
besitzt. Sofern dies ein in Deutschland unbeschränkt
deutscher Steuerpflichtiger ist, findet das Abkommen
auch Anwendung, wenn ein Trust oder eine Stiftung
zwischengeschaltet ist.
Bitte schön, die Zusatzfragen.
Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, die Interpretation der Ausnahmeregelung ist bisher eher unklar; Sie haben jetzt eine Interpretation geboten. Die
Vermögensverwaltung über Trusts und Stiftungen dient
oftmals der Steuerumgehung. Mir ist völlig unklar, wie
Sie das - bei einer völlig unzureichenden Datenlage herausfinden wollen, vor allem, da die deutschen Steuerbehörden keine Möglichkeiten haben, hier Nachprüfungen vorzunehmen. Es erfolgt ja kein automatischer
Informationsaustausch. Ich wüsste gern, wie Sie das einschätzen.
Es ist so, Frau Kollegin, dass die Schweizer Finanzverwaltung derzeit an entsprechenden Verwaltungsanweisungen arbeitet, in denen auch die Problematik, die
Sie angesprochen haben, behandelt werden soll. Der
Entwurf dieser Verwaltungsanweisungen wird uns zugehen, sodass wir hierzu Stellung nehmen können. Wir
werden in unserer Stellungnahme zu diesem Verwaltungsanweisungsentwurf gegenüber der Schweizer
Finanzverwaltung darauf hinweisen, dass in Zweifelsfällen zunächst eine Anwendung des Abkommens und
somit zur Sicherung des Steueraufkommens ein Steuerabzug zu erfolgen hat. Diese Position werden wir im
Dialog mit der Schweizer Finanzverwaltung einnehmen,
sodass sichergestellt ist, dass in Zweifelsfällen zunächst
das Abkommen so zur Geltung kommt, wie ich es Ihnen
vorhin im Hinblick auf Trusts und Stiftungen beschrieben habe.
Danke. - Es bleibt aber dabei, dass dann de facto eine
Übergabe des Vollzugs und der Kontrolle von der Verwaltung an die Schweizer Banken - die sich bisher nicht
unbedingt dadurch ausgezeichnet haben, Steuerhinterziehern Möglichkeiten der Geldanlage zu verweigern -,
also in nichtöffentliche Hände, erfolgt. Kann ich feststellen, dass damit deutsche Finanzbehörden de facto keine
Möglichkeit der Kontrolle haben und damit ihre Aufgabe nicht wahrnehmen können?
Frau Kollegin, ich darf noch einmal darauf hinweisen,
dass wir in Art. 39 des Abkommens, das noch ratifiziert
werden muss, vereinbart haben, dass, sofern zwischen
den Vertragsparteien unterschiedliche Auffassungen
hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Abkommens
bestehen, über diese Frage ein gemeinsamer Ausschuss,
an denen beide Seiten paritätisch beteiligt sind, zu entscheiden hat. Wir wollen an diesem Ausschuss übrigens
auch die Länder beteiligen. Dieser Ausschuss wird dann
in Zweifels- und Streitfällen die Möglichkeit haben, über
konkrete Sachverhalte mit der Schweizer Finanzverwaltung zu sprechen.
Frau Enkelmann.
Herr Staatssekretär, in der Vereinbarung ist eine sehr
großzügige Stichtagsregelung enthalten: Wenn ein deutscher Steuerpflichtiger bis zum Stichtag 1. Januar 2013
sein Vermögen aus der Schweiz abzieht und nach Honolulu, auf die Bahamas oder wohin auch immer bringt,
dann haben deutsche Steuerbehörden keine Chance
mehr, hier zu ermitteln und entsprechend zu handeln.
Verstehe ich das richtig, und ist das gerecht?
Auch diese Frage ist im Steuerabkommen geregelt.
Das heißt, wir haben auch die Möglichkeit geschaffen,
dass wir, wenn jemand nach diesem Stichtag zum Beispiel nichtversteuertes Vermögen aus der Schweiz abzieht, in Form von Auskunftsersuchen Nachrichten von
der Schweiz erhalten.
({0})
- In Bezug auf Stichtage gibt es immer schwierige Abgrenzungsgesichtspunkte. Verehrte Frau Kollegin, eines
müssen Sie sehen: Würde dieses Abkommen nicht zum
Tragen kommen, hätten wir überhaupt keine Möglichkeit, an nichtversteuertes Steuersubstrat aus Deutschland
in der Schweiz heranzukommen. Deshalb haben wir ein
Abkommen geschlossen, das einen Kompromiss zwischen unserer Rechtsauffassung und der Rechtsauffassung der Schweiz darstellt. Wir konnten von der
Schweiz nicht verlangen, dass sie ihre Rechtsauffassung
im Nachhinein ändert. Deshalb haben wir einen Weg geschaffen, der eine gleiche Besteuerung in der Zukunft
ermöglicht. Für die Vergangenheit haben wir einen
Kompromiss geschaffen, der dafür Sorge tragen wird,
dass hinreichend Steuersubstrat nach Deutschland zurückgeführt wird.
({1})
Frau Kressl.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade beschrieben,
dass die Verwaltungsanweisungen, die noch getroffen
werden sollen, um zu verhindern, dass man über Stiftungen und Trusts das Steuerabkommen umgehen kann,
Ihnen - Sie sagten: wir - zur Verfügung gestellt werden.
Ich möchte gerne wissen, wen Sie damit meinen.
Das Bundesfinanzministerium.
Okay. - Wenn Sie mit „wir“ das Bundesfinanzministerium meinen, dann frage ich Sie: Werden diese Entwürfe auch dem Deutschen Bundestag zur Verfügung
gestellt? Oder erwartet die Bundesregierung, dass das
deutsche Parlament ein Steuerabkommen beschließt,
ohne dass es darüber Kenntnis hat, mit welchen Notnägeln die Steuerschlupflöcher geschlossen werden sollen?
Ich bin sicher, Frau Kollegin, dass die Bundesregierung in der parlamentarischen Beratung, was die Ratifizierung des Steuerabkommens anbelangt, dem Parlament wie immer alle notwendigen Informationen zur
Verfügung stellen wird, damit es Auskunft darüber erhält, wie wir uns das Management unterschiedlicher
Sachverhalte mit der Schweiz auch in schwierigen Situationen vorstellen.
Kollege Hunko.
Herr Staatssekretär, ich empfinde es als widersinnig
und ungerecht, wenn Steuerbetrüger, die noch nicht einmal freiwillig eine Meldung machen, nachher bessere
Konditionen erhalten als jene, die wenigstens teilweise
aus eigenem Antrieb im Rahmen einer strafbefreienden
Selbstanzeige die Hinterziehung gestehen. Wenn man
schon durch das Abkommen eine Abgeltungswirkung
mit Strafamnestie ermöglicht, wäre es dann nicht das
Mindeste gewesen, in den Verhandlungen dafür zu sorgen, dass die Belastungswirkung in etwa jener der strafbefreienden Selbstanzeige entspricht? Die Anonymität
hätte dann immer noch gewährt werden können. Aus
welchem Grund hat die Bundesregierung das versäumt?
Herr Kollege, diese allgemeine pauschale Einschätzung, die Sie vornehmen, kann ich so nicht teilen. Es
wird immer im Einzelfall, je nachdem wie lange sich das
unversteuerte Vermögen in der Schweiz befunden hat,
darauf ankommen, ob sich derjenige, der reinen Tisch
machen möchte, mit einer strafbefreienden Selbstanzeige besser stellt oder ob er die Regelungen des
Abkommens für sich in Anspruch nimmt.
Wir haben - ich sage es noch einmal - einen Weg gefunden, für die Zukunft sicherzustellen, dass nach gleichen Grundsätzen wie in Deutschland besteuert wird.
Bezogen auf die Vergangenheit haben wir einen Mittelweg gefunden, der dafür Sorge trägt, dass Steuersubstrat
nach Deutschland zurückfließt, gerade auch durch die
Zahlung in einer nicht unbedeutenden Höhe. Wir haben
übrigens auch dafür gesorgt, dass an diesem Aufkommen Länder und Kommunen überproportional beteiligt
werden.
Die Frage 9 des Abgeordneten Axel Troost sowie die
Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Richard Pitterle werden schriftlich beantwortet, sodass ich jetzt die Frage 12
der Kollegin Kressl aufrufe:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der
Kritik der Wirtschaftsverbände, dass sich wegen der umfangreichen und einheitlichen Gliederungsvorgaben der Elektronischen Bilanz der Bürokratieaufwand insbesondere für kleine
Kapitalgesellschaften stark erhöht, weil sie gegenüber den
bisher auszufüllenden 22 Pflichtfeldern des Handelsgesetzbuchs künftig 190 Pflichtfelder ausfüllen und an die Finanzverwaltung melden müssen?
Frau Kollegin Kressl, die Ausgestaltung des Datensatzes im Sinne von § 5 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes, die sogenannte Taxonomie, war und ist vom
Grundsatz bestimmt, Eingriffe in das Buchungsverhalten
der Unternehmen weitestgehend zu vermeiden. Die
Taxonomie umfasst Positionen für alle Rechtsformen
- das heißt Einzelunternehmen, Personen- oder Kapitalgesellschaften - und alle möglichen Berichtsbestandteile, so zum Beispiel Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang und Lagebericht. Von diesen Positionen
muss der Steuerpflichtige grundsätzlich nur Mussfelder
befüllen, und diese auch nur dann, wenn sie für seine
Rechtsform und seinen Wirtschaftszweig einschlägig
sind. Das haben wir auch in dem entsprechenden BMFSchreiben zum Ausdruck gebracht.
Zudem haben wir die Regelung eröffnet, dass ein
Mussfeld auch dann ohne Wert übermittelt werden kann,
wenn sich der betreffende Wert aus der Buchführung heraus nicht ableitet.
Schließlich haben wir neben den Mussfeldern und
den fakultativen Positionen auch noch Auffangpositionen implementiert. Hier hat es einige Missverständnisse
darüber gegeben, ob diese Auffangpositionen zeitlich
befristet sind. Wir haben jetzt, auch im Dialog mit den
Verbänden, deutlich gemacht, dass diese Auffangpositionen unbefristet gelten sollen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Vielleicht ist
schon beim Zuhören deutlich geworden, dass es sich
nicht gerade um eine einfache Regelung handelt. Deshalb meine erste Nachfrage: Gerade kleine und mittlere
Unternehmen kritisieren, dass der bürokratische Aufwand sie bei weitem überfordere. Haben Sie inzwischen
Rückmeldungen, ob kleine und mittlere Unternehmen
mit Ihrem neuerlichen Regelungsversuch besser zurechtkommen?
Diesen Eindruck haben wir gewonnen. Ich selber
habe gemeinsam mit dem Kollegen Burgbacher Gespräche mit Vertretern kleiner und mittlerer Unternehmen,
aber auch mit Vertretern der steuerberatenden Berufe geführt.
Ich will Ihnen deutlich machen, wie kleine und mittlere bilanzpflichtige Unternehmen von der Steuerverwaltung unterstützt werden: Zum einen werden in den
Steuerverwaltungen der Länder E-Bilanz-Betreuer geschult, die anschließend für Fragen rund um die E-Bilanz zur Verfügung stehen werden. Zum anderen wird
auf der BMF-Internetseite eine Informationsbroschüre
mit Fragen und Antworten zur E-Bilanz eingestellt, die
insbesondere kleinen und mittleren bilanzierenden Unternehmen den Einstieg in die E-Bilanz erleichtern soll.
Außerdem wird auf der Webseite www.elster.de eine
kleine Datenbank mit am Markt verfügbarer Steuersoftware mit Elster-Schnittstelle vorgehalten.
Für besonders problematische Fälle sieht § 5 b Abs. 2
des Einkommensteuergesetzes eine Härtefallregelung
vor:
Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten.
Vielen Dank für Ihre zweite Antwort. Auch diese
Antwort lässt immer noch nicht den Schluss zu, das
Ganze sei für kleine und mittlere Unternehmen einfach
zu bewältigen. Können Sie sich vorstellen, dass beispielsweise für kleine und mittlere Unternehmen bis zu
einer bestimmten Größenordnung und Personalkapazität
grundsätzliche Ausnahmeregelungen geschaffen werden können? Denn Härtefallregelungen werden ja nicht
so gerne in Anspruch genommen.
Das ist teilweise vorgesehen. Dieser Sachverhalt wird
derzeit noch diskutiert.
Kollege Zöllmer.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung ist ursprünglich mit dem Ziel angetreten, Bürokratie abzubauen; jedenfalls ist das im Koalitionsvertrag so festgehalten. Hier haben wir ein Beispiel für einen massiven
Bürokratieaufbau. Dies ist nicht das erste Beispiel für
eine entsprechende Gesetzgebung dieser Bundesregierung. Ich erinnere nur an die „Hotelierbeglückung“, die
mit massivem Bürokratieaufbau verbunden war, und an
andere Gesetze.
Deswegen meine Frage: Ist das Ziel, Bürokratie abzubauen, jetzt von der Bundesregierung aufgegeben worden?
Nein, Herr Kollege Zöllmer. Wir werden ganz sicher
auch bei der Einführung der E-Bilanz dafür Sorge tragen, dass sich der bürokratische Aufwand für die betroffenen Unternehmen in einem vertretbaren Ausmaß hält.
Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Kressl auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Kritik
von Vertretern der steuerberatenden Berufe, dass die Neuregelung der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 der Abgabenordnung im Massengeschäft der Umsatzbesteuerung „völlig realitätsfern“ ({0})
ist, und welche Lösungsansätze der Finanzverwaltung „sind
auf dem Weg“ ({1})?
Frau Kollegin Kressl, die Neuregelung der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung
durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz soll verhindern, dass die Selbstanzeige als Teil einer Steuerhinterziehungsstrategie missbraucht wird. Dabei bestand
schon während des Gesetzgebungsverfahrens Einigkeit
darüber, dass Bagatellabweichungen bei Steuererklärungen bzw. -anmeldungen unschädlich sind. Dies gilt insbesondere beim Massengeschäft der Umsatzbesteuerung. Zur Klarstellung wird derzeit mit den Ländern eine
Verwaltungsanweisung abgestimmt, die eine bundesweit
einheitliche Handhabung der Neuregelung der Selbstanzeige bei den Massenverfahren der Umsatz- und
Lohnsteuererhebung praxisgerecht gewährleisten soll.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, die mögliche Problematik ist bereits während des Gesetzgebungsverfahrens in den Anhörungen sehr deutlich thematisiert worden. Deshalb meine Frage: An welchen Eckpunkten
wird sich die Verwaltungsanweisung orientieren?
Sie wird sich natürlich am Gesetz orientieren, Frau
Kollegin Kressl.
({0})
Sie haben in Ihrer Frage auf die Rede von Dr. Horst
Vinken, dem Präsidenten der Bundessteuerberaterkammer, abgehoben. Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir mit
den Länderfinanzbehörden durch eine Klarstellung in einer entsprechenden Verwaltungsanweisung - die, wenn
sie abgestimmt und erlassen ist, selbstverständlich auch
dem Finanzausschuss und dem Parlament zugeht - eine
praxisgerechte Handhabung gewährleisten.
Vielen Dank. - Ich bin sehr froh, dass Sie uns versichern, dass sich die Regelung am Gesetz orientieren
wird. Mich interessiert: An welchen inhaltlichen Leitlinien wird sich die Verwaltungsanweisung orientieren?
Denn die Problematik ist gar nicht so einfach zu lösen.
Es geht mir nicht um die Regelung einzelner Details,
aber es wäre schon sehr sinnvoll, zu wissen, welche
Grundlinie Sie verfolgen, um die vorhandenen Schwierigkeiten zu lösen.
Frau Kollegin, ich bitte Sie um Geduld, bis wir Ihnen
die mit den Ländern ausverhandelte Verwaltungsanweisung zugänglich machen werden.
({0})
Na ja.
({0})
Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Arndt-Brauer auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund
der Auffassung des Bundesrates, dass die im Rahmen des
Gesetzes zum Abbau der kalten Progression beabsichtigten
Steuersenkungen der unbedingten Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung widersprechen und im Hinblick auf die
grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse unverantwortlich
sind, an der Steuersenkung festzuhalten?
Frau Kollegin Arndt-Brauer, die Bundesregierung hat
zu dem von Ihnen genannten Gesetz den Vermittlungsausschuss angerufen. Bei dem Gesetz geht es nicht, wie
in Ihrer Frage insinuiert wird, um eine Steuersenkung,
sondern es geht darum, ungerechtfertigte Steuererhöhungen aufgrund des progressiv wirkenden Steuertarifs zu
vermeiden. Die Bundesregierung wird die Schuldenbremse durch eine solide Haushaltspolitik einhalten. Sie
hält aber nicht gewollte, heimliche Steuererhöhungen für
nicht gerechtfertigt.
Vielen Dank für die Antwort. Trotzdem wurde doch
der ganze Vorgang als Steuersenkung initiiert und auch
verkauft. Bei den Betroffenen kommt das auch so an.
Vielleicht können Sie dazu etwas sagen? Auf alle Fälle
kommt es zu einem Minus im Haushalt, und das ohne
Not. Wir verlangen von ganz Europa, dass gespart wird,
und selber machen wir genau das Gegenteil: Wir geben
Menschen zusätzliches Geld - das könnte man schon als
Steuersenkung bezeichnen - und schaffen damit im
Haushalt Minusstellen.
Wir werden im Haushalt keine Minusstellen schaffen.
Vielmehr werden es die wachstumsorientierte Politik
und die Erfolge der Bundesregierung bei der Haushaltskonsolidierung möglich machen, auf ungewollte, heimliche Steuererhöhungen zu verzichten, den Menschen in
unserem Land mehr Leistungsanreize zu geben und
trotzdem den Konsolidierungspfad und die Vorgaben der
nationalen Schuldenbremse einzuhalten.
Tatsache ist aber, dass Sie den Ansatz im Nachtragshaushalt verdoppeln müssen, weil das Geld anscheinend
nicht da ist. Sie gehen also in eine Neuverschuldung hinein, um Ihr Vorhaben zu finanzieren. Ist das richtig?
Wir sind fest davon überzeugt, dass es die laut jüngster Steuerschätzung zu erwartenden Steuermehreinnahmen möglich machen werden, auf ungewollte Steuereinnahmen zu verzichten und trotzdem die Vorgaben der
nationalen Schuldenbremse auf Punkt und Komma einzuhalten.
Frau Kollegin Höll.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund des eben
von meiner Kollegin zur Frage der Verschuldung Dargelegten möchte ich Folgendes klarstellen: Ihr Gesetzentwurf enthält zwei Elemente, die Anhebung des steuerfreien Grundbetrags und die Verschiebung des Tarifs,
um die sogenannte kalte Progression etwas auszugleiDr. Barbara Höll
chen. Stimmen Sie mit mir überein, dass diese Regelung
bezogen auf die absoluten Zahlen eindeutig eine Begünstigung der sehr gut Verdienenden darstellt? Ich
glaube nicht, dass man hier von einer Steuerentlastung
sprechen kann. Diesbezüglich kann ich meiner Kollegin
nicht ganz zustimmen. Ich glaube nicht, dass diejenigen,
die ein Einkommen von etwa 2 000 Euro im Monat haben, die Tatsache, dass sie lediglich etwa 5 Euro weniger
Steuern pro Monat zu zahlen haben, als Steuerentlastung
wahrnehmen. Fakt ist: Sie entlasten im oberen Einkommensbereich - das machen die absoluten Zahlen
deutlich - und nehmen dafür eine weitere Belastung des
Bundeshaushalts in Kauf.
Diese Wirkung sehen wir nicht.
({0})
Kollege Scheelen.
Herr Staatssekretär, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie
Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden in
Höhe von 6 Milliarden Euro nicht als Steuersenkung
empfinden, sondern als Nichtrealisierung ungewollter
Steuermehreinnahmen.
Meine Frage an Sie lautet: Von diesem Steueränderungsgesetz ist nicht nur der Bund betroffen, sondern
auch Länder und Gemeinden. Sehen Länder und Gemeinden das genauso wie Sie? Sind auch sie der Meinung, dass es sich nicht um eine Steuersenkung handelt,
sondern um die Vermeidung ungewollter Steuermehreinnahmen?
Davon wollen wir die Länder in dem von uns angerufenen Vermittlungsausschuss überzeugen. Wir bieten an
- das ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen -, diejenigen
Mindereinnahmen der Länder und Gemeinden zu kompensieren, die sich aus der von der Kollegin Höll gerade
genannten prozentualen Verschiebung ergeben, die anstelle einer Verschiebung des Festbetrages, also der Tarifeckwerte, vorgenommen werden soll. Wir setzen auf
die Dialogbereitschaft der Länder. Wir wollen - das
möchte ich noch einmal deutlich machen - gerade mit
Blick auf die gute konjunkturelle Entwicklung und auf
die sich daraus ergebenden Steuermehreinnahmen auf
ungewollte, leistungshemmende Steuermehreinnahmen
verzichten.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Arndt-Brauer auf:
Will die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die
Steuerausfälle der Länder und Gemeinden in Höhe von jährlich circa 2,3 Milliarden Euro vollständig kompensieren und,
wenn ja, wie?
Nein, die Bundesregierung will keine vollständige
Kompensation seitens des Bundes für Steuerausfälle der
Länder und Gemeinden. Ich habe gerade gesagt, dass im
vorliegenden Gesetzentwurf steht, dass wir zu einer Teilkompensation bereit sind. Wir sehen aber keine Notwendigkeit für eine Kompensation der Mindereinnahmen,
die sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen Erhöhung des Existenzminimums ergeben.
Da wir uns im Vermittlungsverfahren befinden, ist davon auszugehen, dass die Länder auf Ihren Vorschlag
nicht freudig eingegangen sind, dass Länder und Kommunen das anders sehen als Sie. Ich denke, sie sehen das
so: Wenn man das nicht gemacht hätte, hätte es keine
Ausfälle in Höhe von 2,3 Milliarden Euro gegeben. Von
daher sehen Länder und Kommunen wahrscheinlich die
Notwendigkeit einer Komplettkompensation. Mit welchen guten oder schlechten Argumenten wollen Sie die
Länder und die Kommunen von Ihrer Sicht überzeugen?
Das wird das Vermittlungsverfahren zeigen. Ich
glaube, wir haben gute Argumente. Wir bieten eine Teilkompensation. Es ist doch so, verehrte Frau Kollegin
Arndt-Brauer, dass die durch die kalte Progression bedingten Steuermehreinnahmen den Haushalten von Ländern und Kommunen zufließen. Wenn man mehr Steuergerechtigkeit herstellen will, muss man bereit sein, auf
allen staatlichen Ebenen auf ungewollte Steuermehreinnahmen zu verzichten. Dann müssen auch Länder und
Kommunen zu einer Teilkompensation bereit sein.
Bitte schön.
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Sie, wenn die
konjunkturelle Entwicklung wieder schlechter wird,
wieder voll in die kalte Progression einsteigen und Länder und Kommunen auf diesem Weg mitnehmen würden?
Wir haben im Gesetzentwurf vorgesehen, dass regelmäßig ein Bericht vorgelegt wird, in dem aufgezeigt
wird, wie sich das Problem der kalten Progression entwickelt. Dann wird immer für den Einzelfall und für einen
gewissen Zeitraum zu prüfen sein, wie wir mit den Ergebnissen dieses Berichts umgehen. Ein Automatismus
ist jedenfalls nicht vorgesehen.
Kollege Scheelen.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für verantwortbar,
Kommunen, die auf einem Schuldenberg von etwa
170 Milliarden Euro sitzen und Kassenkredite, also
Überziehungskredite - diese kennt man aus dem Privatleben -, von 45 Milliarden Euro vor sich herschieben,
durch dieses Steuersenkungsgesetz - ich bleibe bei dieser Bezeichnung; es hat nichts mit ungewollten Mehreinnahmen zu tun, sondern ist eine Steuersenkung - zuzumuten, auf eine weitere Milliarde Euro zu verzichten?
Damit nehmen Sie in Kauf, dass in den Städten zum Beispiel weitere Schwimmbäder und Büchereien geschlossen werden, dass es zu einer ganzen Palette an Einschränkungen in den Kommunen kommt.
({0})
Herr Kollege Scheelen, die Bundesregierung ist sich
der Verantwortung des Bundes, obwohl es ja eine direkte
Rechtsbeziehung zwischen dem Bund und den Kommunen nicht gibt, sondern die Länder für die Kommunen
verantwortlich sind, sehr bewusst. Deshalb haben wir,
Herr Kollege Scheelen, einen Zustand, der die Kommunen wirklich fast erdrückt hat, beseitigt. Man hatte sie
mit den Kosten der Grundsicherung im Alter - diese sind
auf die Kommunen entfallen - allein gelassen. Dies hatte
Rot-Grün den Kommunen aufgebürdet. Wir haben das
geändert. Bis zum Jahr 2014 wird der Bund diese Kosten
vollständig übernehmen. Wir meinen, dass wir dadurch
unserer Verantwortung für die Finanzsituation der Kommunen in hervorragender Weise gerecht geworden sind.
Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Binding werden
schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 18 des Kollegen Hunko auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den griechischen Anspruch auf Rückzahlung der von den deutschen und italienischen Besatzungsmächten aufgezwungenen Kredite, die im
Unterschied zu Reparationsansprüchen und anderen Kompensationen nicht unter das Londoner Schuldenabkommen von
1953 fallen, und warum wird die Bundesregierung nicht aktiv,
um, wie gegenüber Jugoslawien und Polen 1956 bzw. 1971,
seine unter der Besatzung aufgezwungenen Kredite an Griechenland zurückzuzahlen, die mittlerweile auf mehrere Dutzend Milliarden angewachsen sind?
Herr Kollege Hunko, ich beantworte Ihre Frage zurückgreifend auf die Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Linken zu Entschädigungs-,
Schadensersatz- und Reparationsforderungen wegen
NS-Unrechts in Griechenland, Italien und anderen ehemals von Deutschland besetzten Staaten. Ich darf auf
diese Beantwortung verweisen, um die mir zur Verfügung stehende Zeit jetzt nicht über Gebühr in Anspruch
zu nehmen.
Ich darf Ihnen aber auch mitteilen, Herr Kollege
Hunko: Der Bundesregierung sind keine Bestrebungen
der griechischen Regierung bekannt, derartige Forderungen geltend zu machen. Es hat in dieser Sache keine Gespräche mit der griechischen Regierung gegeben.
Zusatzfragen?
Wir waren ja als Delegation des Parlaments in Griechenland. Ich darf Ihnen sagen: Offiziell sind wir in der
Tat nicht darauf angesprochen worden, aber inoffiziell
sehr wohl. Es gibt wohl auch - wie soll ich sagen? Druck auf griechische Abgeordnete, das Thema in offiziellen Gesprächen nicht anzusprechen. Das Thema ist
aber bei allen Abgeordneten der unterschiedlichen Fraktionen und insbesondere auch in der griechischen Bevölkerung präsent. Ist Ihnen bekannt, dass, obwohl in Griechenland ganz offen darüber diskutiert wird - das kommt
auch in den deutschen Medien an -, in irgendeiner Form
Druck ausgeübt wird? Um es noch einmal klarzumachen:
Ich spreche jetzt konkret von den Zwangsanleihen, die
1942 aufgelegt wurden, und nicht von Kriegsverbrechen
und anderem.
Herr Kollege, natürlich gibt es über diese und andere
Fragen in Griechenland eine intensive Diskussion. Ich
bitte um Verständnis dafür, dass die Bundesregierung zu
Diskussionen über Sachverhalte, die unser bilaterales
Verhältnis berühren, nicht Stellung nimmt. Aber Forderungen, wie Sie sie in Ihrer Frage artikuliert haben, sind
von der griechischen Seite uns gegenüber nicht gestellt
worden.
Die Bundesregierung hat ja in der Vergangenheit, vor
allen Dingen in den 60er-Jahren, oft gesagt, dass auf die
Forderungen verzichtet worden wäre. Der griechische
Premierminister Karamanlis hat dies dementiert. Am
31. März 1967 wurde dann eingeräumt, dass es einen
solchen Verzicht nie gegeben hat. Ist Ihnen bekannt, dass
jemals von griechischer Seite auf die Forderung nach
Rückzahlung verzichtet wurde? Wie beurteilen Sie den
Status dieses ungeklärten Problems im Augenblick?
Ich kann nur nochmals sagen - das ist ja der Ausgangspunkt Ihrer Frage -, dass im Hinblick auf Reparationsansprüche, welcher Art auch immer, oder hinsichtlich der Frage, die Sie angesprochen haben, nämlich der
während der Besatzung aufgezwungenen Kredite, von
griechischer Seite keine entsprechenden Forderungen
gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht worden sind und dass es in dieser Sache keine Gespräche zwischen der griechischen Regierung und deutschen Regierungsstellen gegeben hat.
Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Hunko auf:
Inwiefern ist eine „ungeordnete Staatspleite“, die vom
Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel
Barroso, als einzige Alternative zum Kürzungs- und sogenannten Reformkurs beschrieben wurde, im Rahmen der EUVerträge nicht erlaubt, und inwiefern könnte eine „ungeordnete Staatspleite“ zu einem unfreiwilligen Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone und somit auch aus der EU führen?
Herr Kollege Hunko, die Bundesregierung setzt sich
für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone ein.
Dafür braucht Griechenland eine Regierung mit europäischer Grundausrichtung, die bereit ist, die Auflagen des
vereinbarten Anpassungsprogramms umzusetzen. Wir
sind unverändert bereit, Griechenland strukturell und organisatorisch zu helfen und den vom Internationalen
Währungsfonds, von Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank mit Griechenland vereinbarten
Weg fortzusetzen. Vor diesem Hintergrund wollen wir
uns vonseiten der Bundesregierung an Spekulationen
über einen wie auch immer gearteten Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone nicht beteiligen.
Sie haben gerade gesagt, Sie setzen darauf, dass die
Memoranda in Griechenland umgesetzt werden. Sie
wollen also, dass die Politik, die das Land nach unserer
Auffassung und nach Auffassung vieler Griechinnen und
Griechen in den letzten zwei Jahren in eine Katastrophe
geführt hat, fortgesetzt wird; ich weiß, dass Sie das anders beurteilen, aber wir und viele Griechinnen und
Griechen sehen es so. Wenn es nicht so kommen sollte,
wie Sie wollen, wenn die griechische Bevölkerung also
sagt: „Nein, wir wollen diesen Weg nicht weitergehen“,
welche Möglichkeit sehen Sie dann, um Griechenland,
wie oft angedeutet wird, letztlich aus der Euro-Zone und
damit auch aus der EU auszuschließen?
Wir wollen uns an der Diskussion über die Frage,
welche Möglichkeiten wir sehen, um Griechenland aus
der Euro-Zone auszuschließen - ich musste Ihre Frage
wiederholen -, nicht beteiligen. Wir wollen das nämlich
nicht. Wir sind für einen Verbleib Griechenlands in der
Euro-Zone. Wir glauben übrigens - gleich nenne ich Ihnen einen prominenten griechischen Zeitzeugen -, dass
der mit der bis zu den griechischen Wahlen im Amt befindlichen Regierung ausverhandelte Weg der wirtschaftlichen und finanziellen Gesundung Griechenlands
nicht die Ursache der gegenwärtigen auch für die Menschen bedrückenden Situation in Griechenland ist.
Herr Kollege Hunko, ich habe seinerzeit, als zwischen der Regierung von Ministerpräsident Papandreou
und den europäischen und IWF-Institutionen über diesen
Weg verhandelt worden ist, die Rede des damaligen Ministerpräsidenten Papandreou in Übersetzung nachgelesen. Er hat gesagt, dass es vor allem die Versäumnisse
wechselnder Regierungen in Griechenland waren, die
Griechenland in diese katastrophale Überschuldungssituation und weg von jedem Wachstumspfad geführt haben und dass der jetzt eingeschlagene und ausverhandelte Weg alternativlos ist.
Natürlich ist es die Aufgabe der politischen Führung
bzw. der verschiedenen Parteien in Griechenland, bei
den jetzt anstehenden Wahlen die griechische Bevölkerung davon zu überzeugen. Ich muss Ihnen sagen: Es
gibt in Europa Länder, die als sogenannte Programmländer ebenfalls europäische Solidarität erfahren. Ich darf
nur auf Portugal und Irland hinweisen. Auch in diesen
Ländern haben die Menschen Belastungen zu tragen, die
durch die Anpassungsprogramme, die zur finanziellen
Konsolidierung, aber auch zur Freisetzung von Wachstumskräften beitragen sollen, verursacht wurden. Ich
glaube, den Menschen in Griechenland ist nichts anderes
auferlegt worden als das, was auch den Menschen in
Portugal und Irland zugemutet werden muss, um nach
dem Fehlverhalten verschiedener Regierungen, an denen
unterschiedliche Parteien beteiligt waren, für finanzielle
Konsolidierung zu sorgen und die Länder wieder auf einen Wachstumspfad zu führen.
Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage. Bitte.
Wir werden uns hier in der Bewertung der Programme natürlich nicht einig. Da können wir hin- und
herdiskutieren. Wir haben bereits vor zwei Jahren, als
das erste Griechenland-Paket beschlossen wurde, hier
davor gewarnt, dass ein massives Kürzungsprogramm in
der Krise diese Krise vertiefen wird und es dann auch zu
einer gesellschaftlichen und einer politischen Krise kommen wird.
Nun meine Frage: Sie sagen, das sei alternativlos. Es
ist aber denkbar, dass die griechische Bevölkerung eine
Alternative sieht. Habe ich Sie richtig verstanden, dass
es trotzdem keinen Weg zum Ausschluss aus der EuroZone gibt?
Nach der Rechtslage kann man kein Land, das Mitglied der Euro-Zone ist, gegen seinen Willen aus der
Euro-Zone ausschließen. Und wir setzen darauf - um es
noch einmal zu wiederholen, Herr Kollege -, dass die
griechischen Parteien, vor allem diejenigen, die in früherer Regierungsverantwortung diese Vereinbarungen mit
IWF, EZB und Europäischer Kommission getroffen haben, jetzt bei der Bevölkerung um eine entsprechende
Mehrheit für die Fortsetzung dieses Kurses werben.
Frau Enkelmann.
Wir wollen natürlich keinen Ausschluss Griechenlands, sondern wirklich Hilfe und Unterstützung. Könnte
eine Form der Unterstützung für Griechenland nicht
auch sein, dass man sich, statt massive Sozialkürzungen,
Rentenkürzungen etc. von Griechenland zu fordern, zum
Beispiel für ein sozial gerechtes Steuersystem einsetzt,
unter anderem für die Einführung der Vermögensteuer?
Da könnte man sich gegenseitig helfen. Die Vermögensteuer bräuchten wir zum Beispiel hier in Deutschland
auch.
({0})
Verehrte Frau Kollegin Enkelmann, natürlich setzen
wir uns dafür ein, dass es auch in Griechenland zu einer
leistungsgerechten, ordentlichen Besteuerung kommt.
Ich darf darauf hinweisen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland - sowohl der Bund als auch die Länder an einem Programm von IWF und Europäischer Kommission beteiligt, in dessen Rahmen zum Beispiel Steuerfachleute aus dem Bund und aus den Ländern nach
Griechenland entsandt werden. Ich habe selber - das
habe ich im Finanzausschuss schon einmal berichtet,
glaube ich - einen Abiturkollegen in der bayerischen
Steuerverwaltung, der jetzt gerade einen GriechischSchnellkurs absolviert hat, um als ein solcher Berater
nach Griechenland zu gehen.
({0})
- Frau Kollegin Enkelmann, das ist wirklich Sache des
griechischen Parlaments. Sie wollen doch nicht von
Deutschland aus dem griechischen Parlament vorgeben,
({1})
welche Gesetze es im Hinblick auf eine effizientere
Steuerverwaltung und möglicherweise auch eine gerechtere Besteuerung zu erlassen hat.
({2})
Da können wir nur mit Rat und Tat zur Seite stehen, indem wir Experten schicken, aber doch nicht von hier aus
Vorgaben machen.
Im Übrigen erkennt man auch etwas an der Art und
Weise, in der man in Deutschland mit dem Gast aus
Griechenland umgeht, der sich zurzeit hier aufhält und
der eine dieser Parteien vertritt, die jetzt einen nicht unerheblichen Wahlerfolg erzielt haben.
({3})
Sie als Linke haben den Vertreter dieser griechischen
Partei aufgefordert, kräftig weiter Stimmung zu machen.
Ich bin sehr dankbar, dass der SPD-Vorsitzende Gabriel
ihn im Gegensatz zu Ihnen gemahnt hat, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.
Vor diesem Hintergrund glaube ich schon, dass wir
weit über Union und FDP hinaus bis hin zu SPD und
Grünen gemeinsam der Auffassung sind, dass jeder
- egal wer -, der in Griechenland regiert, die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen muss.
Frau Kollegin Enkelmann, es ist im Übrigen nicht so,
dass die Vereinbarungen zwischen dem IWF, der Europäischen Kommission und der EZB mit Griechenland
„nur“ - in Anführungszeichen - harte Sparauflagen vorsehen.
Herr Kollege.
({0})
Vielmehr wird auch überlegt, Wachstumsimpulse zu
setzen. Alle Programme enthalten Wachstumsimpulse.
Diesen Weg wollen wir weiter fortsetzen.
({0})
Nun wollen wir einmal gemeinsam zur Kenntnis nehmen, dass die Regierung sich besonders viel Mühe gibt,
die Fragen der Kollegin Enkelmann zu beantworten,
({0})
und der Präsident dem auch fast unbeschränkte Zeit eingeräumt hat.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe steht zur
Beantwortung zur Verfügung. Da die Frage 20 der Abgeordneten Katrin Kunert, die Fragen 21 und 22 der Abgeordneten Sabine Zimmermann sowie die Fragen 23
und 24 der Abgeordneten Anette Kramme schriftlich beantwortet werden, wird er trotz sicher perfekter Vorbereitung keine Gelegenheit haben, das hier vorzutragen.
Wir kommen damit gleich zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz. Ich bitte den Parlamentarischen
Staatssekretär Gerd Müller, die Fragen zu beantworten.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Friedrich
Ostendorff auf:
Wie beurteilt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, den im Verhandlungsprozess um die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik eingebrachten Vorschlag von 15 Staaten - unter anderem
Präsident Dr. Norbert Lammert
Deutschland -, der vorsieht, dass jeder Mitgliedstaat drei Optionen - A, B, C - zur Ausgestaltung der Agrarzahlungen
wählen kann, und wie bewertet das BMU jede einzelne dieser
drei Optionen gerade auch angesichts der forsa-Umfrage ({1}), nach der zwei Drittel der Bundesbürger die Agrarzahlungen der Europäischen Union an höhere Umwelt- und Tierschutzstandards binden wollen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerne beantworte ich die Frage von Herrn Ostendorff.
Herr Ostendorff, die Bundesregierung unterstützt natürlich mit Nachdruck das Ziel der Europäischen Kommission, bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen
Agrarpolitik eine noch stärkere ökologische Ausrichtung
zu erreichen - und dies möglichst europaweit mit nachvollziehbaren Standards. Diese Standards müssen nicht
nur bei uns, sondern in allen 27 EU-Staaten gelten.
Dass schon die derzeitige Agrarpolitik hohen Umweltstandards genügt und sie auch voraussetzt, zeigt die
aktuelle Situation. Ich darf darauf hinweisen, dass die
GAP in ihrer Gesamtheit bereits heute einen erheblichen
Beitrag zur ressourcenschonenden und nachhaltigen Produktion - um das einmal auf Deutsch zu sagen: Das
nennt man Greening - leistet: Die Landwirte müssen
schon heute für den Erhalt der Direktzahlungen umfangreiche Auflagen des Umwelt- und Tierschutzes sowie
der Lebensmittelsicherheit erfüllen, insbesondere in
Deutschland gelten hohe und strenge Erosionsschutzauflagen, Grünlandstandorte werden differenziert gefördert,
Landschaftselemente, zum Beispiel Hecken, dürfen
nicht beseitigt werden usw. Rund 40 Prozent der Betriebe in Deutschland bringen schon heute etwa 25 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtflächen in Agrarumweltmaßnahmen ein.
Ich erwähne dies, damit auch den Zuhörerinnen und
Zuhörern klar wird: Die Landwirtschaft ist schon heute
der Nachhaltigkeit in der Produktion in höchstem Maße
verpflichtet.
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Präsident, gestatten Sie, dass ich erst einmal
erstaunt darüber bin, dass meine Frage, die ich an das
Bundesumweltministerium gerichtet habe, vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz beantwortet wird. Nehmen wir es aber so hin.
Anscheinend ist das Bundesumweltministerium nicht in
der Lage, seine Vorstellungen zur GAP-Reform hier dem
Parlament kundzutun. Das werden wir dann aber woanders noch einmal bewerten.
Das führt aber natürlich zu der Frage - Herr Staatssekretär Müller, Sie sind jetzt ja auch der Sprecher des
Bundesumweltministeriums in dieser Frage -: Wie wollen Sie - so weit verstehen wir den Ablauf im Kabinett
bisher - das Bundesumweltministerium in den GAPProzess einbinden? Was, denken Sie, wird das Bundesumweltministerium zum GAP-Prozess beitragen?
Herr Präsident! Herr Ostendorff! Meine Damen und
Herren! Natürlich antworte ich für die Bundesregierung und dies im Einvernehmen mit dem Bundesumweltministerium. Hier gibt es einen engen Schulterschluss und
enge Abstimmungen. Das ist doch selbstverständlich.
Wir haben in der Frage, wie wir die jetzt von der
Kommission gemachten Vorschläge bewerten und wie
wir in diesem Punkt gegenüber Brüssel auftreten und
verhandeln, natürlich eine gemeinsame Linie. Dass es in
beiden Häusern ausgewiesene Fachleute gibt und dass es
da auch einmal zu differenzierten Diskussionen kommt,
wissen Sie als praktizierender Landwirt sehr genau. Jeder Landwirt hat seine eigene Sicht der Dinge. Die Kommission hat deshalb auch verschiedene Modelle vorgeschlagen.
Sie haben auch nach den Optionsmodellen und danach gefragt, wie dieser Greening-Prozess umzusetzen
ist. Die drei Modelle werden jetzt in den Arbeitsgruppen
auf Brüsseler Ebene diskutiert. Die Präsidentschaft wird
im Juni einen Fortschrittsbericht dazu vorlegen. Der
nächste Schritt wird dann der der Meinungsbildung in
dieser Frage sein.
Weitere Zusatzfrage.
Entschuldigung, aber heute muss ich die Fragestunde
leider etwas dehnen; sonst rügen Sie mich sofort, Herr
Präsident.
So weit wir das im Parlament bisher mitgeteilt bekommen haben, hat nicht die Kommission drei Modelle
vorgelegt, sondern 15 Staaten unter Führung Deutschlands haben diese drei Optionen vorgelegt. Ich glaube, es
ist wichtig, das festzuhalten.
Angesichts der Tatsache, dass zwei Drittel der Bundesbürger bei Umfragen sagen, zukünftig seien Zahlungen in Europa an die Landwirtschaft, für die der europäische Steuerzahler aufkommt, nur noch verantwortbar,
wenn sie an strenge Standards beim Umwelt- und Tierschutz gekoppelt sind, lautet meine Frage an das
Bundesumweltministerium: Wie will das Bundesumweltministerium aus seiner Sicht diese Anforderung der
Gesellschaft im Greening-Prozess umsetzen?
Herr Präsident! Herr Ostendorff, Sie haben natürlich
recht: Der Kommissionsvorschlag wurde durch den Vorschlag der 15 Staaten ein Stück weit erweitert. Darüber
diskutiert man im Ministerrat mit der Kommission und
in den Ländern. Dies ist sehr wichtig.
Das Ergebnis der Umfrage ist nicht erstaunlich. Die
Bürgerinnen und Bürger im Land erwarten, dass die
Landwirte dann, wenn sie für die Bewirtschaftung ihrer
Flächen Direktzahlungen erhalten, deren Mittel aus den
Steuertöpfen stammen, bei der nachhaltigen Bewirtschaftung, beim Umweltschutz, aber auch beim Tierschutz hohe Standards einzuhalten haben. Ich habe darauf hingewiesen, dass bereits heute der Grundsatz der
Nachhaltigkeit in Deutschland komplett umgesetzt ist
und wir diese hohen Standards einfordern.
Dies ist nicht in allen 27 EU-Staaten in derselben
Weise der Fall, auch nicht in derselben Weise zu kontrollieren. Wir befinden uns jetzt an einem Punkt der Neukonzeption, einer neuen Förderperiode für die europäische Agrarpolitik ab 2014. Wir diskutieren in den
27 EU-Staaten, mit der Kommission und mit den Landwirten in ganz Europa: Wo macht es Sinn, weitere Kriterien in der Frage des ökologischen und nachhaltigen
Anbaus und der Landbewirtschaftung sowie des Tierschutzes einzufordern? Wie sollen wir die neuen Regeln
für Zahlungen noch einmal an neue Auflagen koppeln?
Dazu gibt es jetzt drei weitere Modelle, mit denen
verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen werden. Dass
das ein komplizierter Prozess ist, der die nächsten Monate weiterhin zur Diskussion Anlass gibt, ist selbstverständlich. Aber wir sehen das mit großer Gelassenheit.
Ich glaube, wir werden nächstes Jahr zum Ziel kommen,
um dann den Landwirten ab 2014 Verlässlichkeit in der
europäischen Agrarpolitik zu bieten.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich sehe, dass die
Fragen 26 und 27 der Kollegin Cornelia Behm sowie die
Fragen 28 und 29 des Kollegen Harald Ebner schriftlich
beantwortet werden.
Der nächste Geschäftsbereich ist der des Bundesministeriums der Verteidigung. Auch hier entnehme ich
den Unterlagen, dass die Fragen 30 und 31 der Kollegin
Katja Keul und die Frage 32 des Kollegen Hans-Josef
Fell schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hier werden die Fragen 33 und 34 des Kollegen
Steffen-Claudio Lemme, die Fragen 35 und 36 der Kollegin Katja Dörner sowie die Frage 37 des Kollegen
Dr. Ilja Seifert schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 38 des Kollegen
Dr. Ilja Seifert wird schriftlich beantwortet.
Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke zur Verfügung und freut sich, dass er
schon dran ist. Die Fragen 39 und 40 des Kollegen
Dr. Anton Hofreiter werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 41 unserer Kollegin Frau
Dr. Dagmar Enkelmann auf:
Mit welchen Mehrkosten im Zusammenhang mit der verspäteten Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg rechnet die Bundesregierung, und wer trägt diese Mehrkosten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär Mücke.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Dem Gesellschafter Bund liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt
noch keine belastbare Mehrkostenschätzung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, FBB, als Vorhabenträgerin vor. Anfallende Mehrkosten wären von der FBB zu
tragen.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Dr. Enkelmann.
Diese Frage stelle ich hier nicht das erste Mal. Ich
habe sie hier schon gestellt, und zwar kurz nach Bekanntwerden der Verschiebung der Eröffnung. So langsam müsste deutlich werden, welche Mehrkosten tatsächlich entstehen werden. Mehrkosten trägt die FBB,
das heißt in der Konsequenz: Der Steuerzahler zahlt die
Mehrkosten. Das sollte man so deutlich sagen. Die Frage
ist, welchen Anteil dann der Bund übernimmt.
Inzwischen ist aber bekannt geworden, dass die Gesamtkosten für das Flughafenprojekt ebenfalls deutlich
steigen werden. Man geht jetzt davon aus, dass es nicht
nur 2,5 Milliarden Euro, sondern mehr als 3 Milliarden
Euro sind. Wer trägt diese Mehrkosten? Das ist die erste
Frage.
Frau Kollegin, die Zahlen, die Sie in den Raum stellen, sind pure Spekulation. Ich kann nur wiederholen,
dass der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt
keine belastbaren Angaben als Gesellschafter seitens der
FBB zur Verfügung gestellt worden sind. Es wird am
22. Juni eine Aufsichtsratssitzung stattfinden. Die Geschäftsführung der FBB wird zu diesem Zeitpunkt ein
Konzept vorlegen, wie sich diese Mehrkosten gestalten
und wie diese finanziert werden können.
Ich kann ausdrücklich nicht bestätigen, dass der von
Ihnen genannte Finanzrahmen überschritten oder gar
3 Milliarden Euro oder sonst was erreichen wird. Das
sind zurzeit reine Spekulationen. Ich bitte Sie, sich zumindest bis zu der Aufsichtsratssitzung, bis die Geschäftsführung ein solches Konzept vorgelegt hat, zu gedulden.
Frau Kollegin Enkelmann, jetzt schauen wir mal, ob
Sie sich gedulden. Bitte schön, Sie haben Ihre zweite
Nachfrage.
Eigentlich nicht. Ich finde, wir sollten uns alle nicht
gedulden. Das ist ein Skandal, der dort stattfindet. Es
klingt ein bisschen wie „Niemand hat die Absicht …“,
aber jeder weiß: Es wird Mehrkosten bedeuten. Das nur
so weit, aber ich werde Sie nach dem 22. Juni erneut fragen.
Es geht aber nicht nur um die Frage der Mehrkosten,
sondern um das gesamte Projekt mitsamt seinen Pannen,
die wir in den letzten Jahren verfolgen konnten. Gibt es
schon Schlussfolgerungen, die die Bundesregierung gezogen hat, beispielsweise was die Frage betrifft, den
Aufsichtsrat möglicherweise künftig nicht mit Staatssekretären, sondern zum Beispiel mit fachkompetenten
Vertretern zu besetzen?
Frau Kollegin, die Bundesregierung hat ihre Schlussfolgerungen schon gezogen. Bundesverkehrsminister
Dr. Peter Ramsauer hat eine Sonderkommission eingesetzt, die sicherstellen soll, dass der neue Flughafen Berlin Brandenburg am 17. März nächsten Jahres, wie jetzt
im Aufsichtsrat beschlossen, den Betrieb aufnehmen
kann. Dabei ist eine Vielzahl von wichtigen Aufgaben zu
beachten. Es geht um Fragen der Flugsicherung, des
Deutschen Wetterdienstes und um die Flughafenkoordinierung. Es ist ein außerordentlich kompliziertes Verfahren, eine solche Verschiebung zu bewältigen.
Ich bin ganz bei Ihnen: Es ist ein außerordentlich
misslicher Vorgang, über den die Bundesregierung außerordentlich betrübt ist. Darin sind wir, glaube ich, einer Meinung. Das ist kein Ruhmesblatt gewesen.
Wir sind darüber hinaus der Auffassung, dass die
beiden beamteten Staatssekretäre, die für den Bund im
Aufsichtsrat die Vertretung übernommen haben, ihrer
Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglieder pflichtgemäß nachgekommen sind. Wir haben keinen Anlass, darüber
nachzudenken, eine personelle Veränderung vorzunehmen.
Im Übrigen verweise ich darauf, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine klare Verantwortlichkeit zugewiesen werden kann, über die Tatsache hinaus, dass
die Geschäftsführung des FBB heute entschieden hat,
dem Generalplaner fristlos zu kündigen. Das ist eine
Entscheidung von heute. Der PG BBI ist heute fristlos
gekündigt worden. Das soll Ihnen vielleicht auch einen
Hinweis darauf geben, wo möglicherweise die Verantwortlichkeit für dieses verzögerte Verfahren liegt.
Es gibt noch eine weitere Nachfrage unserer Kollegin
Frau Lisa Paus.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass heute der PG BBI fristlos gekündigt worden ist. Inwieweit können Sie sicherstellen, dass der
neue Termin gehalten werden kann, wenn Sie offensichtlich ab dem heutigen Tage kein Planungsbüro mehr haben, das den Flughafen planerisch begleitet?
Sie haben auch die Verantwortlichkeiten angesprochen. Inwieweit sehen Sie auch Möglichkeiten der Regressforderungen gegenüber Dritten, zum Beispiel der
PG BBI? Sehen Sie noch weitere Möglichkeiten der Regressforderungen, und haben Sie den Eindruck, dass das
Management diesen Möglichkeiten derzeit in adäquater
Art und Weise nachgeht?
Frau Kollegin, die Regressmöglichkeiten werden
selbstverständlich geprüft werden, und zwar nicht nur
durch die Gesellschaft selber, sondern natürlich auch
durch die Bundesregierung als Gesellschafter. Es ist
ganz wichtig, der Frage nachzugehen, wer wofür Verantwortung trägt. Sie selbst haben die fristlose Kündigung
des Vertragsverhältnisses zu PG BBI angesprochen. Das
zeigt, in welche Richtung man möglicherweise nachdenken könnte. Es wird auf jeden Fall eine Überprüfung geben. Wenn sich hier Rechtsansprüche ergeben, werden
diese durchgesetzt werden; das ist ganz klar.
Die Flughafengesellschaft wird - das hat der Geschäftsführer heute im Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung berichtet - ein eigenes Controllingverfahren aufbauen und mit über 100 Mitarbeitern dafür
Sorge tragen, dass die Tätigkeit als Generalplaner durch
die Gesellschaft selbst wahrgenommen wird und wir
zum 17. März nächsten Jahres den Flughafen eröffnen
können.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage 42 unseres Kollegen Stephan Kühn
auf:
Welche Unterlagen wurden dem Vertreter des Bundes seit
Juni 2011 in den Aufsichtsratssitzungen der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg vorgelegt - bitte einzeln auflisten -, in denen auf mögliche Verzögerungen und technische
Probleme bei der Fertigstellung des neuen Hauptstadtflughafens hingewiesen wurde?
Herr Staatssekretär, bitte.
Die Antwort der Bundesregierung lautet: Die Geschäftsführung berichtete in den Sitzungen des Aufsichtsrates regelmäßig zum Projektfortschritt. Alle damit
verbundenen Informationen flossen in den jeweiligen
Controllingbericht ein, der in einer aktualisierten Fassung zu jeder Aufsichtsratssitzung präsentiert wurde.
Von Juni 2011 bis April 2012 sind im Aufsichtsrat insgesamt vier Controllingberichte vorgelegt worden. Über
den schriftlichen Bericht hinaus berichtete die Geschäftsführung in den Sitzungen des Aufsichtsrates
mündlich zum aktuellen Sachstand. In diesem Zusammenhang erfolgten sachkritische Hinweise zum Brandschutz in der Sitzung des Aufsichtsrates am 20. April
2012. Diese Hinweise zeigten ausdrücklich keine Aus21428
wirkungen auf die vorgesehene Inbetriebnahme des BER
am 3. Juni 2012 dergestalt an, dass zwingend eine Verschiebung vorgenommen werden müsste.
Herr Kollege Stephan Kühn, Ihre erste Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Mücke. - Sie waren
bei den heutigen Beratungen des Verkehrsausschusses
zugegen. Da haben wir seitens der Flughafengesellschaft
und Professor Schwarz erfahren dürfen, dass bereits seit
Dezember letzten Jahres, noch vor Weihnachten, bekannt ist, dass die vollautomatische Entrauchungsanlage
nicht zum 3. Juni in Betrieb gehen kann. Deshalb hat
man versucht, mit entsprechender behördlicher Genehmigung eine teilautomatische Lösung zu implementieren. Aber es war offen, ob eine solche überhaupt genehmigungsfähig ist.
Mich interessiert, ob der Bundesregierung tatsächlich
erst in der Aufsichtsratssitzung am 20. April dieses Jahres die Information zuteil wurde, dass die vollautomatische Entrauchungsanlage nicht rechtzeitig in Betrieb gehen kann. Oder wussten Sie bereits vorher von diesem
Sachverhalt, und wenn ja, wie haben Sie ihn bewertet?
Wir haben heute erfahren, dass die Dimension etwas unterschätzt wurde. Man hat beispielsweise darauf hingewiesen, dass auch die O2-World-Veranstaltungshalle mit
einer teilautomatischen Entrauchungsanlage betrieben
wird. Aber der Vergleich zwischen einer Veranstaltungshalle und einem Flughafen mit mehreren Zehntausend
oder Hundertausend Besuchern pro Tag - es handelt sich
um eines der größten Gebäude in Europa - ist fragwürdig. Haben Sie eine Bewertung dieses Sachverhalts tatsächlich vorgenommen?
Den beiden Mitgliedern des Bundes im Aufsichtsrat
der FBB ist erstmals am 20. April - genau so, wie ich es
ausgeführt habe - zum Thema Brandschutz berichtet
worden. Zu möglichen Schwierigkeiten: Sie sehen, dass
der entsprechende Controllingbericht eine gelbe Signalisierung aufweist; dazu ist in der Öffentlichkeit schon
mehrfach berichtet worden. Der Bundesregierung liegen
keine Erkenntnisse darüber vor, ob eine zügigere Information erfolgt ist. Wir gehen davon aus, dass sie am
20. April erfolgt ist.
Ihre zweite Nachfrage, Kollege Stephan Kühn.
Ihr Kollege, Herr Staatssekretär Bomba, hat auf den
umfangreichen Briefwechsel zwischen dem BMVBS
und dem Flughafenbetreiber hingewiesen, aus dem hervorgeht, dass man sich mit Fragen des Brandschutzes intensiv befasst hat. Hat dieser Briefwechsel tatsächlich
erst nach dem 20. April, also nach Feststellung des Sachverhalts, eingesetzt, oder gab es bereits vorher einen intensiven Briefwechsel zu dieser Problematik?
Schließlich haben wir erfahren, dass im Februar eine
sogenannte Task Force Brandschutz eingerichtet wurde,
an der der Bund zwar nicht unmittelbar beteiligt ist; ich
gehe aber davon aus, dass in einem solchen Verfahren
alle Anteilseigner des neuen Flughafens über relevante
Sachstände seitens der Flughafengesellschaft oder über
die Ergebnisse der Arbeit dieser Task Force Brandschutz
informiert werden.
Ich muss Sie korrigieren. Die Bundesregierung unterliegt dem Geschäftsführungsverbot. Es gilt das Aktienrecht. Die Geschäftsführung ist zuständig für die operativen Angelegenheiten dieser Gesellschaft. Deshalb ist
es nicht die Aufgabe des Bundesverkehrsministeriums,
auf mögliche Brandschutzfragen Antworten zu finden.
Das ist vielmehr ausschließlich die Angelegenheit der
Geschäftsführung der Gesellschaft und des jeweiligen
Bauordnungsamtes, das auch glücklicherweise eingegriffen hat.
Insofern kann sich der von Ihnen erwähnte Schriftwechsel zwischen dem BMVBS und der Flughafengesellschaft ausschließlich auf die Controllingberichte oder
andere Aufsichtsratsangelegenheiten beziehen, jedoch
nicht konkret auf ein wie auch immer geartetes Brandschutzkonzept. Mich verwundert Ihre Frage. Sie unterstellt einen Sachverhalt, der so nicht der Wahrheit
entspricht. Herr Staatssekretär Bomba als Mitglied des
Aufsichtsrats hat Ihnen heute in der Ausschusssitzung
zugesagt, dass Ihnen dieser Schriftwechsel zwischen
dem BMVBS und der Flughafengesellschaft zugänglich
gemacht wird. Ich darf Sie auch in diesem Fall bitten,
die Geduld aufzubringen, bis Ihnen die Einsicht gewährt
wird. Dann können Sie jedes einzelne Schriftstück selbst
nachvollziehen.
Frau Kollegin Lisa Paus, Sie haben eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär, Sie und ich haben heute erfahren,
dass die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft bereits im Dezember und der Vorsitzende der Geschäftsführung Herr Schwarz nach seiner eigenen Aussage im
Januar/Februar bereits wussten, dass die Planung zum
vollautomatischen Brandschutz nicht mehr einzuhalten
sein werde, sondern es eine teilautomatische Lösung geben müsse. Er hat den Aufsichtsrat über diese Information erst in der Aufsichtsratssitzung am 20. April informiert. Wie bewerten Sie diese späte Information des
Aufsichtsrats?
Außerdem würde mich interessieren, wie Sie die Einschätzung bewerten, dass es bei einem solchen Neubau
- es handelt sich um einen Flughafen, der praktisch Tag
und Nacht und 365 Tage im Jahr in Betrieb ist - überhaupt realistisch ist, eine Genehmigung für eine teilautomatische Brandschutzanlage zu bekommen.
Zu Ihrer zweiten Frage fehlt mir die Beurteilungskompetenz, weil das eine Aufgabe des Bauordnungsamts ist. Die Bauordnungsbehörde im jeweiligen Landkreis trifft auf kommunaler Ebene die Entscheidung
darüber und nicht die Bundesregierung. Deshalb entzieht
sich diese Frage einer Beantwortung durch mich.
Zu Ihrer ersten Frage kann ich Sie nur auf den Aufsichtsrat als Kollektivorgan verweisen. Der Aufsichtsrat
muss sich mit der Frage befassen, ob das eine ausreichende Information gewesen ist. Das wird sicher noch
ein Thema der nächsten Aufsichtsratssitzungen sein. Davon bin ich fest überzeugt.
Die nächste Nachfrage kommt von unserer Kollegin
Frau Bettina Herlitzius. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, wir waren sehr überrascht, als wir
vor zwei Wochen von diesen Verzögerungen gehört haben. Wir als Bau- und Verkehrsausschuss sind nicht informiert worden. Insofern sehen Sie uns nach, dass wir
hier sehr viele Nachfragen haben. Es ist eigentlich keine
Art, wie hier mit Bauvorhaben, an deren Kosten auch der
Bund beteiligt ist, umgegangen wird.
Ich gehe davon aus, dass Sie die Planungsleistungen
und Bauleitungsaufgaben europaweit ausschreiben müssen. Meine Frage an Sie, Herr Staatssekretär, ist: Wann
meinen Sie, dass Ihnen das neue Büro zur Verfügung
steht? Müssen Sie jetzt die Baustelle so lange stilllegen?
Es wird kein neues Büro geben, und die Baustelle
wird nicht stillstehen.
({0})
- Die Antwort habe ich vorhin schon gegeben.
Es gibt immer nur eine Nachfrage. Aber ich darf einen Hinweis geben: Der Kollege Kühn hat noch eine
Frage gestellt, sodass man möglicherweise darauf noch
reagieren kann.
Ich rufe die Frage 43 des Kollegen Stephan Kühn auf:
Wie wurden diese Informationen seitens des Vertreters des
Bundes bzw. der Bundesregierung jeweils bewertet, und wie
flossen die entsprechenden Schlussfolgerungen in die Entscheidungsfindung des Aufsichtsratsgremiums ein?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Die Bewertung der Vorlagen der Geschäftsführung erfolgt im Aufsichtsrat als Kollegialorgan. Trotz kritischer
Nachfragen der zwei Bundesvertreter im Aufsichtsrat
bestätigte die Geschäftsführung am 20. April 2012 den
vorstehenden Sachverhalt. Das heißt, sie erklärte, dass
die Erkenntnisse zum Brandschutz keine Auswirkungen
auf die vorgesehene Inbetriebnahme des BER am 3. Juni
2012 haben.
Ihre erste Nachfrage, Kollege Stephan Kühn.
Herr Staatssekretär, wir haben von Herrn Staatssekretär Bomba erfahren, dass er sich nicht allein durch die
Unterlagen im Aufsichtsrat kämpfen muss, sondern dass
ihm in seiner Behörde, dem BMVBS, Fachleute zur
Seite stehen, die diese Unterlagen bewerten können.
Dies wird im Rahmen der Vorbereitung einer Aufsichtsratssitzung auch erfolgen, zumal die Berichte in der Regel vorher verschickt werden. Der Bericht zur Aufsichtsratssitzung vom 20. April ist einen Monat alt. Daher
stelle ich noch einmal die Frage: Hat die Bundesregierung keine Probleme dabei gesehen, dass bei einem so
komplexen Vorhaben mit einer solchen Dimension eine
teilautomatische Entrauchungsanlage in jedem Fall genehmigungsfähig sei?
Herr Kollege, ich wiederhole mich. Das ist eine Frage
der zuständigen Fachbehörde, und die zuständige Fachbehörde ist das Bauordnungsamt im zuständigen Landkreis. Ich bitte Sie, die Frage an die zuständige Behörde
zu richten und nicht an die Bundesregierung.
Sie haben eine weitere Nachfrage.
Daran knüpft die Frage indirekt an: Es gibt mittlerweile den zweiten Verschiebungstermin. Ursprünglich
sollte der Flughafen bereits am 31. Oktober 2011 eröffnet werden. Ich glaube, davor war ein Eröffnungstermin
im Jahr 2010 Gegenstand der Debatte. Nach der erneuten Verschiebung im letzten Jahr haben Vertreter des
Bundes im Aufsichtsrat darauf hingewirkt, dass die Controllinginstrumente und die Risikobewertungsinstrumente ausgebaut werden, sodass der Aufsichtsrat
tatsächlich valide Ergebnisse, Bewertungen und Einschätzungen vorgelegt bekommt. Daher habe ich die
Frage: Welche konkreten Controlling- und Risikomanagementvorschläge wurden seitens der Vertreter des
Bundes zur Verbesserung eingereicht?
Die Aufsichtsratsmitglieder und insbesondere der
Kollege Bomba, der Mitglied des Aufsichtsrates ist, haben mehrfach nachgefragt, ob die Risiken tatsächlich
richtig bezeichnet worden sind. Herr Bomba hat heute
im Ausschuss mitgeteilt, dass er die Geschäftsführung
mehrfach gefragt hat, ob diese Einschätzungen so richtig
seien. Die Geschäftsführung hat die Einstufung vorge21430
nommen, die besagt, dass das Brandschutzthema kritisch
sei, jedoch erfolgte diese Einstufung unter „gelb“, was in
Bezug auf den Eröffnungstermin eine nicht kritische
Einschätzung ist.
Das war offensichtlich eine Fehleinschätzung der Geschäftsführung. Deshalb habe ich vorhin ausgeführt,
dass die Art und Weise, wie der Aufsichtsrat hier informiert wurde, sicher Gegenstand der weiteren Aufsichtsratsberatungen sein wird. Ich gehe davon aus, dass das
Ganze sehr kritisch gesehen wurde. Das können Sie auch
daraus ableiten, dass einer der zuständigen Geschäftsführer das Unternehmen verlassen wird.
Wir kommen zu den Einzelnachfragen. - Frau Kollegin Bettina Herlitzius.
Meine Nachfrage lautet: Wer übernimmt jetzt die Projekt- und Bauleitung? Hat derjenige, der sie übernimmt,
auch die Kompetenz dazu?
Ich hatte vorhin schon ausgeführt, dass die FBB nach
der Kündigung von PG BBI jetzt selbst die Bauüberwachung übernimmt.
Eine weitere Nachfrage unserer Kollegin Frau Lisa
Paus.
Wir sind nach wie vor irritiert. Überwachung und
Controlling sind nicht gleichzusetzen mit Planung. Vielleicht können Sie noch etwas dazu sagen.
Zu meiner eigentlichen Frage: Ich hatte nicht die Aufsichtsratsmitglieder gefragt; denn diese sind hier in der
Tat nicht zu befragen. Ich hatte Sie persönlich als Vertreter der Bundesregierung gefragt, inwieweit Ihnen persönlich bekannt ist, ob in Deutschland bei einer vergleichbaren Einrichtung jemals eine teilautomatische
Brandschutzanlage genehmigt worden ist. Wie bewerten
Sie den Vorgang, dass die Geschäftsführung den Aufsichtsrat offenbar erst drei bis vier Monate nachdem der
Geschäftsführung bekannt geworden ist, dass die vollautomatische Brandschutzanlage nicht zum Eröffnungstermin fertig sein wird, sondern dass man eine Genehmigung für eine teilautomatische Brandschutzanlage
brauchen wird, informiert hat? Wie bewerten Sie es, dass
diese Informationsweiterleitung von der Geschäftsführung zum Aufsichtsrat drei bis vier Monate gedauert hat?
Wie bewerten Sie das als Mitglied der Bundesregierung?
Meine persönliche Auffassung spielt hier gar keine
Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass die zuständige
Fachbehörde eine fachlich korrekte Beurteilung vornimmt. Die zuständige Fachbehörde ist das Bauordnungsamt des zuständigen Landkreises.
({0})
- Ich habe dazu keine Meinung, weil wir nicht die Bauaufsicht sind. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung,
Bauaufsicht vorzunehmen.
({1})
Ich vernehme jetzt Zurufe, die vom Antwortgeber aber
wohl nicht als Zwischenfragen verstanden werden. - Damit sind wir fertig mit den Nachfragen zur Frage 43.
Wir fahren fort im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Die Fragen 44 und 45 der Abgeordneten Jutta
Krellmann werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 46 unserer Kollegin Bettina Herlitzius
auf:
Aus welchem Grund wird der ursprünglich für die 21. Kalenderwoche geplante Kabinettsbeschluss über das Gesetz zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts
- BauGB-Novelle - vertagt, und wann ist dieser nun zu erwarten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und
zur weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts bedarf
nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung der
Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts, bevor er
dem Kabinett zur Beschlussfassung vorgelegt wird.
Diese Abstimmung ist noch nicht abgeschlossen. Sobald
diese Abstimmung abgeschlossen ist, wird der nächstmögliche Kabinettstermin angestrebt.
Frau Herlitzius, Ihre erste Nachfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es Überlegungen vonseiten
der Regierung, den Ausbau von Kraftwerken im Außenbereich zur Beschleunigung der Energiewende - es handelt sich um eine Privilegierung - noch weiter auszuweiten?
Ich möchte Sie bitten, den Kabinettsbeschluss abzuwarten. Es macht keinen Sinn, über Zwischenstände zu
berichten, solange die Kabinettsbefassung noch nicht erfolgt ist.
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Woran hakt es? Bei welchem Ihrer verschiedenen
Vorschläge - manche sind ja ganz sinnvoll; manche begrüßen wir; aber es gibt auch ein paar, die wir sehr kritisch sehen - hakt es in der Abstimmung mit welchem
Ressort?
Die Bundesregierung tritt hier einheitlich auf. Deshalb darf ich Sie bitten, sich so lange zu gedulden,
({0})
bis die Bundesregierung zu einer einheitlichen Auffassung gekommen ist und einen Kabinettsbeschluss über
diesen Gesetzentwurf gefasst hat. Dann können Sie im
Deutschen Bundestag darüber befinden und Ihre Position gerne einbringen.
Zunächst einmal wird die Bundesregierung eine gemeinsame Position vorstellen. Danach können Sie noch
in diesem Jahr darüber abstimmen.
Ich rufe die Frage 47 unserer Kollegin Bettina
Herlitzius auf:
In welcher Form hat die Bundesregierung die Zielerfüllung der Bebauungspläne der Innenentwicklung seit ihrer Einführung in das Baugesetzbuch evaluiert, und welche Erkenntnisse zieht die Bundesregierung daraus, insbesondere für
Bürgerbeteiligung und Umweltschutz?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Der aktuelle Gesetzentwurf wurde durch Experten im
Rahmen der Berliner Gespräche zum Städtebaurecht
fachlich begleitet. Hier wurde unter anderem festgestellt,
dass sich das im Jahr 2007 mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung
der Städte eingeführte Instrumentarium bewährt hat.
Weitere Informationen können dem Bericht zu den „Berliner Gesprächen zum Städtebaurecht“ auf Seite 57 entnommen werden.
Des Weiteren wurde die Beratung des Gesetzes seinerzeit durch ein Planspiel begleitet - so wie das bei Änderungen des Baugesetzbuches immer der Fall ist -, dessen Ergebnisse dem zuständigen Bundestagsausschuss
vorlagen.
Ihre erste Nachfrage.
Herr Staatssekretär, nach unseren eigenen Recherchen
werden mittlerweile fast 70 Prozent der Bebauungsplanverfahren nach dem vereinfachten §-13-a-Baugesetzbuch-Verfahren durchgeführt. Das hat zur Folge, dass
Umweltprüfungen oder auch Bürgerbeteiligungen marginalisiert werden. Das ist eigentlich nicht im Sinne der
damaligen Erfinder, die diesen Paragrafen eingeführt haben. Dieser Paragraf ist eingeführt worden, um bestimmte Vorhaben zu beschleunigen; er ist nicht eingeführt worden, um beim Planungsrecht an dieser Stelle
grundsätzlich die Bürgerbeteiligung auszuhebeln. Insofern ist schon interessant, hier weiter nachzufragen. Ich
glaube, dass die Experten da nicht die richtige Adresse
sind.
Die Frage ist: Gibt es Unterlagen in Ihrem Ministerium dazu, wie der Paragraf vor Ort wirklich angewendet wird? Haben Sie evaluiert, welche Zahlen es gibt,
wie viele Verfahren da durchgeführt worden sind? Ein
reines Experteninterview hilft Ihnen an dieser Stelle
nicht weiter.
Grundsätzlich finde ich es nicht verkehrt, wenn sich
die Experten mit diesen Dingen auseinandersetzen. Deshalb haben wir ja beispielsweise die Berliner Gespräche
zum Städtebaurecht. Wir machen dieses Planspiel auch,
um alle Auswirkungen einer Änderung im Städtebaurecht sehen zu können.
Ich kann nichts Schlechtes daran finden, dass wir in
den Bauplanungsverfahren eine gewisse Straffung vornehmen. Das war auch der Sinn dieser Änderung. Aus
meiner Sicht ergeben sich daraus keine negativen Entwicklungen. Das haben auch alle Rückmeldungen, die
wir bisher zu diesem Thema haben, bestätigt. Das BBSR
kann Ihnen sicher Auskunft dazu geben, und zwar detaillierter, als ich das jetzt hier im Rahmen der Fragestunde
könnte.
Wir sehen grundsätzlich keine negativen Auswirkungen dieser Änderung des Städtebaurechts. Wir begrüßen
es außerordentlich, wenn diese Änderung des Baugesetzbuchs dazu führt, dass Investitionsvorhaben schneller umgesetzt werden können. Wir sprechen auch bei der
Verkehrsinfrastruktur immer davon, dass wir Planungsbeschleunigung haben wollen, sodass wir Investitionsentscheidungen schneller herbeiführen können. Das gilt
natürlich ganz genauso auch für private Investitionen im
Innenbereich. Deshalb können wir die von Ihnen konstatierten negativen Auswirkungen dieser Rechtsänderung
nicht nachvollziehen.
Ihre weitere Nachfrage, Frau Kollegin.
Das verwundert etwas, Herr Staatssekretär, weil Sie
bei der Novellierung des Baugesetzbuchs extra den Passus aufgenommen haben, dass Mediationen im Bauleitplanungsverfahren eingeführt werden. Das heißt, Sie
müssen schon erkannt haben, dass die Bürgerbeteiligung
in dem Prozess gestärkt werden muss. Wieso führen Sie
das an der einen Stelle ein, sehen aber nicht, dass hier ein
eklatanter Missstand besteht?
Es tut mir leid; ich kann Ihre Analyse nicht bestätigen. Wir gehen davon aus, dass diese Regelung sich bewährt hat. Gegen neue Instrumente der Bürgerbeteiligung wie auch gegen die Mediation ist überhaupt nichts
einzuwenden. Eine vernünftige Stadtplanung ist nur
möglich mit den Bürgern, nicht gegen die Bürger. Dem
muss nicht zwingend entgegenstehen, dass wir zu zügigen Entscheidungen in diesem Bereich kommen. Deshalb vermag ich Ihre Kritik nicht nachzuvollziehen.
({0})
Ja, so ist die Geschäftsordnung.
Damit ist auch der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung abgehandelt.
Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- das sind die Frage 48 der Kollegin Bärbel Höhn und
die Frage 49 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl - werden
schriftlich beantwortet.
Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Ich bedanke mich beim Staatssekretär Hans-Joachim Otto dafür, dass er die Antworten gibt.
Die Frage 50 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl sowie
die Fragen 51 und 52 des Kollegen Oliver Krischer werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 53 unserer Kollegin Frau Dorothea
Steiner auf:
Welche Position vertritt die Bundesregierung derzeit in
den Verhandlungen zur Energieeffizienzrichtlinie in Brüssel,
und wie beabsichtigt die Bundesregierung in den kommenden
Wochen die Verhandlungen zu beeinflussen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Die Kollegin Steiner
stellt die Frage, welche Position die Bundesregierung
derzeit in den Verhandlungen zur Energieeffizienzrichtlinie einnimmt
({0})
und wie sie diese Position dort vertritt. Die Antwort lautet, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen über
die Energieeffizienzrichtlinie sich laufend positioniert
hat. Viele Punkte sind unstreitig; da ist man auf der deutschen Linie. Ein zentraler Punkt ist streitig, nämlich die
Frage der verpflichtenden Energieeinsparquote. Dort hat
die deutsche Seite einen Vorschlag zur Formulierung
von Art. 6 der Richtlinie gemacht. Das war in dieser
Form auf europäischer Ebene leider nicht durchsetzbar.
Die Diskussion darüber, wie sich Deutschland nunmehr
zu Art. 6 und Art. 3 verhalten wird, ist noch nicht abgeschlossen.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Steiner.
Danke. - Herr Staatssekretär, genau dazu möchte ich
nachfragen.
Das habe ich befürchtet.
Das Problem war ja, dass die Position der Bundesregierung an dieser Stelle windelweich und wenig präzise
auf Ergebnisse orientiert war, was nicht nur nach unserer
Auffassung vielleicht auch auf die etwas - möchte ich
einmal polemisch sagen - verbohrte Einstellung im
Wirtschaftsministerium zurückzuführen ist. Wenn Sie
jetzt sagen, Sie sind in der Meinungsfindung dazu, wie
Sie weiter vorgehen wollen, dann möchte ich wissen:
Gibt es Anzeichen, dass Sie eher einen konsequenten
Kurs betreiben und sich zu konkreten Einsparquoten bekennen, die Sie dann auch gegenüber anderen EU-Ländern vertreten werden?
Liebe Frau Kollegin Steiner, Ihre Einschätzungen der
Bundesregierung und des Bundeswirtschaftsministeriums widersprechen sich ein bisschen. Auf der einen
Seite sagen Sie, wir seien verbohrt, auf der anderen
Seite, wir seien windelweich.
({0})
Das passt nicht so recht zusammen.
({1})
Zum anderen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass
die Position des Bundeswirtschaftsministeriums, die Sie
kritisiert haben, auch von Landesregierungen im Bundesrat gestützt wird, in denen die grüne Partei, Ihre Partei, vertreten ist, nämlich die Position hinsichtlich der
Frage, ob es überhaupt mit dem Subsidiaritätsprinzip
vereinbar ist, dass auf europäischer Ebene verpflichtende Energieeinsparquoten festgelegt werden. Wir wissen hier also durchaus auch einige Landesregierungen,
an denen die Grünen beteiligt sind, hinter uns.
Frau Steiner, Sie haben eine weitere Nachfrage?
Herr Staatssekretär, Sie werden verstehen, dass wir
dem widersprechen müssen. Das würde ich jetzt eher unDorothea Steiner
ter politischer übler Nachrede verbuchen, was Sie über
an Landesregierungen beteiligte Grüne gesagt haben.
Ich kann der Wahrheit nicht ausweichen.
Ich muss noch einmal darauf zurückkommen: Sie haben ja bisher die Ansicht vertreten, dass Sie bereits ausreichend für Energieeffizienz tun, auch in der Bundesrepublik selbst, und dass Sie es deswegen gar nicht nötig
hätten, die Instrumente der Rahmenrichtlinie konsequent
umzusetzen. Andere Mitgliedstaaten berufen sich jetzt
natürlich auf das schlechte deutsche Beispiel und tun erst
recht nichts bzw. verpflichten sich erst recht nicht zu irgendwelchen Maßnahmen der Energieeffizienz und zu
Einsparquoten, die man überprüfen könnte. Besteht die
Möglichkeit, dass die Bundesrepublik ihrer Vorbildfunktion in der EU, die sie zweifellos wahrnehmen muss, gerecht wird und auch andere Länder davon überzeugt,
sich zu konkreten Einsparquoten zu verpflichten? Und
wenn nein, warum nicht?
Liebe Frau Kollegin Steiner, Sie suggerieren in Ihren
Fragen immer Bewertungen, die ich nicht unwidersprochen stehen lassen möchte.
({0})
Das mit der Vorbildfunktion will ich gerne stehen lassen;
aber das ist ein Teil des Problems.
Ich möchte erstens darauf hinweisen, dass der Bundeswirtschaftsminister die Ansicht vertritt - und er ist
nicht alleine; auch die Fraktionen des Hauses sind zum
großen Teil dieser Auffassung -, dass hier einem Dirigismus das Wort geredet wird, der nicht vorteilhaft ist.
Zweitens zu der Vorbildfunktion Deutschlands, die
Sie, Frau Kollegin Steiner, angesprochen haben. Gerade
diejenigen Länder, die, wie Deutschland, in den vergangenen Jahren in der Tat große Fortschritte bei der Energieeffizienz erzielt haben, würden bestraft, wenn sie jetzt
sozusagen unter ein ganz starres Regime fielen. Die ersten Prozente an Energieeinsparung sind sehr viel leichter
zu bewerkstelligen, als es später der Fall ist, wenn schon
ein hoher Grad an Energieeffizienz erreicht ist; dann ist
jedes Prozent, das man weiter herunterkommt, mit großen ökonomischen Lasten verbunden. Deswegen werbe
ich auch bei Ihnen, liebe Frau Kollegin - vermutlich erfolglos, aber trotzdem -, dafür, von einem starren Regime Abstand zu nehmen und stattdessen flexiblere
Ziele zu formulieren.
({1})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle anderen Fragen
werden schriftlich beantwortet bzw. nach der Geschäftsordnung behandelt.
Da noch Ausschüsse tagen und wir vereinbart haben,
mit der Aktuellen Stunde um 15.45 Uhr pünktlich zu beginnen, unterbreche ich jetzt bis zu diesem Zeitpunkt die
Sitzung.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen unsere
Sitzung fort.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP
Keine Vergemeinschaftung europäischer
Schulden - Euro-Bonds-Pläne der SPD:
Haftung für deutsche Steuerzahler?
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in unserer
Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU
unser Kollege Norbert Barthle. Bitte schön, Kollege
Norbert Barthle.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dieser Aktuellen Stunde haben wir die Gelegenheit, über Euro-Bonds zu sprechen. Lassen Sie mich zunächst einmal die Frage stellen: Was sind denn
überhaupt Euro-Bonds?
Euro-Bonds sind nichts anderes als gemeinsame
Staatsanleihen innerhalb der Europäischen Union oder
der Euro-Zone. Das heißt, Euro-Staaten würden gemeinsam Schulden am Finanzmarkt aufnehmen und gesamtschuldnerisch für die Rückzahlung und für die Zinsen
dieser Schulden haften. Damit weiß man sogleich, worum es geht: Es geht nämlich um nichts anderes als um
ein Instrumentarium, mit dem man sich neue Staatsschulden verschaffen kann.
Das erweckt schon den allerersten Zweifel, den wir
hinsichtlich dieses Instruments haben; denn wir sind der
Auffassung: Euro-Bonds sind nicht dazu angetan, das
Vertrauen an den Finanzmärkten wieder zurückzugewinnen und zu festigen, sondern im Gegenteil: Euro-Bonds
würden sehr schnell dazu führen, dass das Vertrauen der
Finanzmärkte in verschuldete Staaten wieder einbrechen
würde, mit den zu besichtigenden Folgen.
({0})
Wir wollen keine Euro-Bonds.
Euro-Bonds würden letztendlich nichts anderes bedeuten als die Fortsetzung der Verschuldungspolitik.
Wozu diese geführt hat, können wir derzeit ebenfalls in
ganz Europa besichtigen. Die ganze Welt schaut auf uns.
Wir haben eine große Verantwortung, Europa wieder in
sichere Gefilde zu bringen, den Euro zu stabilisieren, die
Verschuldung der Staaten zurückzuführen und damit für
ein grundlegendes, dauerhaftes Vertrauen an den Finanzmärkten zu sorgen. Insofern bedeuten Euro-Bonds nichts
anderes als eine Gefährdung dieses Kurses der europäischen Politik.
Damit sind wir sehr schnell beim Thema Fiskalvertrag. Wir hatten heute früh eine Begegnung mit italienischen Kollegen aus Senat und Abgeordnetenhaus. Dabei
kam klar zum Ausdruck, dass Italien von uns geradezu
erwartet, dass wir möglichst rasch über Fiskalvertrag
und ESM - und zwar gemeinsam - abstimmen und damit für zusätzliches neues Vertrauen in Europa sorgen.
({1})
Schauen wir doch einmal, was die Sozialisten wollen,
was der neue französische Staatspräsident François
Hollande will und was die SPD will.
({2})
Bei der SPD bin ich mir nicht mehr so sicher; denn man
weiß nie genau, was sie eigentlich will. Noch vor Monaten sind Sie vehement für Euro-Bonds eingetreten - Herr
Gabriel, Herr Steinmeier, Herr Steinbrück, alle -, dann
begann eine vorsichtige Absetzbewegung, und inzwischen weiß ich gar nicht mehr, wofür Sie stehen.
Der Kollege Schneider hat sich vor wenigen Tagen
gegen Euro-Bonds ausgesprochen. Spricht er da für sich,
für die Haushälter, für die SPD-Fraktion? Ich weiß es
nicht. Eigentlich müsste man sich als starke Regierung
auch eine starke Opposition wünschen. Aber da die
Opposition noch nicht einmal klar erkennen lässt, wofür
sie ist,
({3})
ist es schwierig, sich mit der Opposition auseinanderzusetzen.
({4})
Nur in einem bin ich mir sicher: Hätten wir eine rotgrüne Regierung - bei den Grünen höre ich ebenfalls Signale, dass man für Euro-Bonds ist -, dann hätten wir in
Europa schon längst die Euro-Bonds. Man hätte schon
vor einem Jahr dem Ansinnen der Parteifreunde nachgegeben und Euro-Bonds eingeführt.
({5})
Das wäre eine Katastrophe, nicht nur für Europa, sondern vor allem für uns in Deutschland.
({6})
Wozu sollen Euro-Bonds denn dienen? Sollen sie einerseits dazu dienen, den insolvenzgefährdeten Ländern
wieder leichteren Marktzugang zu verschaffen
({7})
und damit die Marktmechanismen außer Kraft zu setzen? Das wäre der falsche Weg. Oder geht es darum, mit
Euro-Bonds neue Wachstumsprogramme zu finanzieren,
und zwar durch Schulden, also auf Pump, wie die Opposition immer sagt? Das wäre ebenfalls der falsche Weg.
Also: Wenn schon neue Wachstumsprogramme, dann
nicht durch neue Schulden, sondern durch Einsparungen,
durch Strukturreformen. Das wäre der richtige Weg.
({8})
Euro-Bonds klingen zunächst verführerisch. Schaut
man genauer hin, stellt man fest: Sie sind eine gefährliche Droge. Seien wir ehrlich: Bei der Einführung des
Euro hat der Euro ein Stück weit wie Euro-Bonds gewirkt. Damals sind die Zinsdifferenzen zwischen den
einzelnen Euro-Ländern auf nahezu null zusammengeschrumpft. Damit wurde keine Abbildung der Wettbewerbsfähigkeit mehr gewährleistet. Das hat dazu
geführt, dass eine Fehlallokation von hohen Kapitalströmen stattgefunden hat, deren Auswirkungen wir jetzt beobachten können und bekämpfen müssen. Das war die
Ursache der Staatsschuldenkrise. Wir dürfen nicht dazu
beitragen, dass sich eine solche Schuldenkrise noch einmal wiederholt.
({9})
Die Einführung von Euro-Bonds wäre ein Weg zurück in
die Vergangenheit. Alles wäre wieder auf Anfang. Das
ist der falsche Weg.
Ich hoffe, dass sich nicht nur Einzelne, sondern die
gesamte SPD-Fraktion besinnt und ihrem Parteifreund in
Frankreich erklärt, dass es der falsche Weg wäre, das zu
machen. Wir sind dagegen. Wir lassen das nicht zu.
Danke.
({10})
Vielen Dank, Kollege Norbert Barthle. - Nächster
Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion
der Sozialdemokraten unser Kollege Carsten Schneider.
Bitte schön, Kollege Carsten Schneider.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe mich ernsthaft gefragt, was die von der Koalition
angesetzte Aktuelle Stunde bringen soll. Das Thema lautet: Euro-Bonds-Pläne der SPD.
({0})
Eigentlich könnte man das ganz schnell abschließen und
sagen: Meine Damen und Herren, es gibt keine EuroBonds-Pläne der SPD; Punkt.
({1})
Carsten Schneider ({2})
Herr Kollege Barthle, Sie haben eine ganze Reihe anderer Punkte angesprochen. Insbesondere angesichts der
Vorbereitung des Gipfels heute Abend lohnt es sich, auf
diese einzugehen. Lieber Kollege Barthle, lassen Sie
mich eine klare, rechtliche Bewertung abgeben. Es gibt
viele europäische Stimmen, die angesichts der schwierigen Kapitalmarktsituation dafür plädieren, gemeinsam
garantierte europäische Staatsanleihen zu begeben, darunter sind viele Kollegen aus Ihren Reihen. Es gibt einen gemeinsamen Entschließungsantrag von Christlichen Demokraten, Liberalen und anderen Fraktionen im
Europäischen Parlament vom 17. Januar. Darin heißt es,
dass das Europäische Parlament nachdrücklich fordert,
dass in dem Abkommen
- es geht um den Fiskalpakt neben Vorschlägen zu einem Tilgungsfonds, … ein
Fahrplan für Stabilitätsanleihen ({3}) …
vorgesehen sein muss …
Unterschrift: Elmar Brok, CDU/CSU-Fraktion.
({4})
Ich hatte heute ein bisschen Zeit und habe im Handelsblatt geblättert. Ein EU-Kommissar - er heißt
Oettinger, er ist übrigens von der CDU; zumindest ist er
es noch; ich glaube, er ist noch nicht entlassen worden äußert sich auf Seite 18:
Ich rate allen Beteiligten, sich nicht grundsätzlich
gegen Euro-Bonds zu positionieren.
({5})
EU-Staatsanleihen seien eine „Frage des Timings“.
({6})
Eigentlich müsste man angesichts dieser Verlautbarungen das Thema dieser Aktuellen Stunde umbenennen in:
Widersprüchliche Position der CDU
({7})
auf europäischer und Bundesebene zu Plänen der Einführung von Euro-Bonds.
({8})
Lesen Sie das deutsche Grundgesetz! Eines ist auch
nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, die zu
den verschiedenen Stabilisierungsmaßnahmen erlassen
wurden, klar: Ohne eine neue Verfassung, über die die
Deutschen höchstwahrscheinlich über eine Volksentscheidung befinden müssten, ohne ein neues Grundgesetz, wird es keine gemeinsame Haftung für Anleihen
anderer Länder geben. Das ist die Rechtslage in
Deutschland;
({9})
wer das ändern will, muss das Grundgesetz ändern. Teilen Sie das Ihren Kollegen auf europäischer Ebene mit!
Lassen Sie uns über die weiteren relevanten Punkte
sprechen.
Herr Kollege Barthle, Sie haben eben gesagt, das
wäre wie Gift für neue Schulden. Wenn Sie sagen, dass
Euro-Bonds eine gemeinsame Haftung bedeuten, dann
frage ich mich, was mit den Schulden ist, die mit Ihrer
Zustimmung aufgenommen wurden - das war Ihre
Vorlage -: Griechenland-I-Paket mit 15 Milliarden Euro,
Griechenland-II-Paket mit 17 Milliarden Euro, und die
Europäische Zentralbank hat für 55 Milliarden Euro
Anleihen Griechenlands gekauft.
({10})
- 55 Milliarden Euro sind es insgesamt, 15 Milliarden Euro beträgt der deutsche Anteil, sehr geehrter Herr
Kollege Fricke.
({11})
Das sind neue Schulden, für die Sie jetzt gemeinschaftlich haften. Das ist mit Ihren Stimmen beschlossen worden, meine Damen und Herren.
({12})
In Wirklichkeit tun Sie das Gegenteil von dem, was Sie
hier behaupten.
Ich finde, dass Sie mit dieser Aktuellen Stunde dem
Problem Europas nicht gerecht werden. Ich denke dabei
insbesondere an die schwierige Situation, die nach der
Parlamentswahl am 17. Juni 2012 in Griechenland auf
uns zukommt, wie auch immer sie ausgehen mag. Wir
befinden uns in Europa in einer extrem schwierigen Situation. Es wäre gut gewesen, wenn die Bundeskanzlerin
und Herr Sarkozy im Oktober des vergangenen Jahres
nicht verhindert hätten, dass in Griechenland eine Volksabstimmung, ein Referendum, über den Verbleib in der
Euro-Zone stattfindet. Das haben Sie verhindert.
({13})
Dass das Referendum nicht stattfand, war Folge Ihrer
Intervention. Herr Papandreou wurde damals nach
Cannes zitiert. Das war ein politischer Fehler. Heute
wollen Sie das ändern, weil das demokratische Griechenland andere Entscheidungen getroffen hat. So wird
das nicht gehen. Das ist Resultat Ihrer Politik.
({14})
Carsten Schneider ({15})
Ich glaube, dass die Welt schon in drei Wochen sehr
viel anders aussehen wird und wir dann vor schwierigeren Entscheidungen stehen werden. Dann wird es nicht
um die grundsätzliche Frage „Euro-Bonds, ja oder
nein?“ gehen. Dann wird es um die Frage gehen, ob die
Euro-Zone tatsächlich noch Bestand hat und welche
Maßnahmen notwendig werden. Diese wären, hätte man
früher und mit politischer Weitsicht agiert, so nicht notwendig geworden. Dass Sie nicht agiert haben, war ein
deutliches Versäumnis und wahrscheinlich der größte
Fehler in der Regierungszeit von Angela Merkel.
({16})
Vielen Dank, Kollege Carsten Schneider. - Nächster
Redner für die Fraktion der FDP: unser Kollege
Dr. Hermann Otto Solms. Bitte schön, Kollege
Dr. Solms.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herrn Schneider möchte ich in Erinnerung rufen, dass
wir bei den Hilfen für Griechenland und bei anderen
Hilfen anteilig haften und nicht gesamtschuldnerisch.
Das ist eben der große Unterschied.
({0})
Wenn sich Abgeordnete im Europäischen Parlament
für Euro-Bonds aussprechen, dann sollten Sie wissen,
dass für die Kasse in Deutschland der Deutsche Bundestag zuständig ist und nicht das Europäische Parlament
und auch nicht ein Landesparlament.
({1})
Das ist doch Grundwissen für einen Haushälter. Deswegen sollte man das in der Öffentlichkeit sauber darstellen.
({2})
Da ist es wieder, das Ungeheuer von Loch Ness. Eigentlich dürfte es das gar nicht geben, aber es taucht
dennoch überraschend immer wieder auf. Bezüglich
Euro-Bonds war in diesem Haus eigentlich Ruhe eingekehrt. Die SPD hat ihre Äußerungen mehr oder weniger
verrinnen lassen und sich nicht mehr dazu bekannt.
Doch kaum wird ein sozialistischer Präsident in einem
Schuldnerland gewählt, hängen sich viele von SPD und
insbesondere den Grünen an ihn und fordern EuroBonds.
({3})
Was sind denn Euro-Bonds? Man muss einmal ganz
klar sagen: Was wird damit gewollt, und was bedeutet
es? Gewollt ist, dass die Haftung für die Schulden vergemeinschaftet wird, dass nicht länger das einzelne Land
für seine Ausgaben haftet, sondern die Gemeinschaft der
Mitglieder der Europäischen Union.
({4})
Das Zweite, was man damit erreichen will, ist eine
Nivellierung der Zinssätze. Es soll nicht jeder einen dem
jeweiligen Risiko entsprechenden Zinssatz zahlen, sondern alle sollen den gleichen Zinssatz zahlen. Das ist in
etwa so wie in einer Schulklasse: Wenn da einige über
die Stränge schlagen und die gesamte Klasse dafür bestraft wird, dann passiert das Gleiche: In Zukunft wird
die gesamte Klasse über die Stränge schlagen, weil alle
wissen: Wir werden ja sowieso mit in Haftung genommen.
({5})
Was die Zinsen betrifft, ist es so: Wenn in der Schulklasse zwar unterschiedliche Leistungen erbracht werden, aber alle die gleiche Note bekommen, dann gibt es
keinen Anreiz mehr, eine bessere Leistung zu erbringen.
Das ist das Fatale an dem Instrument Euro-Bonds: Die
Anreize führen, wie der Ökonom sagt, zu falschem Verhalten. Euro-Bonds führen dazu, dass man möglichst
schnell in die Kasse greift, weil man sich sagt: Die anderen müssen es ja bezahlen. Das heißt, in Brüssel wird beschlossen: Die Südländer greifen in die Kasse, und Berlin trägt die Kosten. Das lassen wir nicht zu.
({6})
Wir können den deutschen Steuerzahler nicht für die
Schulden von ganz Europa in Haftung nehmen. Das ist
uns auch gar nicht erlaubt, weil es rechtlich nicht zulässig ist und verfassungsrechtlich schon gar nicht. Das hat
uns das Verfassungsgericht mehrfach hinter die Ohren
geschrieben. Wir haben die verfassungsrechtliche Ordnung einzuhalten. Wir haben auch unsere eigene Kasse
in Ordnung zu bringen. Das haben wir noch nicht ganz
geschafft; wir sind aber kurz davor.
({7})
Wir dürfen die Steuerzahler nicht für Risiken in Anspruch nehmen, die in anderen Staaten entstehen.
({8})
Den Staaten, die bis jetzt nicht die Kraft haben, ihr
Haus in Ordnung zu bringen, muss man sagen: Nehmt
euch doch einmal ein Beispiel an Lettland, an Estland,
an der Slowakei und an Island. Diese Länder haben es
geschafft, obwohl sie viel ärmer sind als Italien und Spanien. Sie haben schnell Anpassungsmaßnahmen getroffen. Die haben wehgetan, aber zwei Jahre später ging es
bei ihnen schon wieder aufwärts. - Man kann den Franzosen, den Italienern und den Spaniern wirklich nur
empfehlen - Griechenland ist ein Sonderfall -: Nehmt
euch einmal ein Beispiel an diesen Staaten, wenn ihr
euch schon kein Beispiel an Deutschland nehmen wollt.
Sie haben gezeigt, dass es geht, dass es funktioniert.
Wir haben das genauso vorgeführt. Verantwortlich für
die Anpassungsmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt und
die Reformen, auch die Steuerreform, war die Regierung
Schröder; das will ich noch einmal in Erinnerung rufen.
Die SPD sollte sich das zum Vorbild nehmen und sagen:
Das waren richtige Maßnahmen. Wir haben dazu beigetragen, dass es Deutschland wieder besser geht,
({9})
dass die Arbeitslosigkeit verschwindet, dass die Menschen wieder Lebenschancen haben. Diesen Weg wollen
wir weitergehen. Dann sind wir sofort auf dem Weg in
die gleiche Richtung und können zusammen die Beschlüsse zum Fiskalpakt und zum ESM gleichzeitig und
zügig treffen, und zwar ohne Euro-Bonds oder ähnliche
Maßnahmen, bei denen die Haftung verschwimmt und
sich niemand mehr verantwortlich fühlt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({10})
Vielen Dank, Kollege Dr. Solms. - Nächster Redner
ist für die Fraktion Die Linke unser Kollege Richard
Pitterle. Bitte schön, Kollege Pitterle.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Koalition hat eine Aktuelle Stunde zum
Thema Euro-Bonds beantragt. Viele Menschen im Wahlkreis fragen mich: Worum geht es bei diesen EuroBonds? Es geht darum, dass die Länder der Europäischen Union gemeinsam Staatsanleihen ausgeben und
die Euro-Zone dadurch gegen Spekulationen stabilisiert
wird. Auch die schwachen Staaten könnten sich so zu
vernünftigen Zinsen finanzieren. Das finden wir gut.
({0})
Aber die Koalition ist, wie wir gehört haben, dagegen.
Sie plustert sich wieder einmal auf und versucht, alle anderen in diesem Parlament als unverantwortliche Schuldenmacher hinzustellen. Das wird Ihnen nicht gelingen,
weil dieser Versuch allzu durchsichtig ist. Wir haften ja
bereits über die Europäische Zentralbank, die in erheblichem Umfang Staatsanleihen anderer Staaten aufgekauft
hat.
Was ist das Problem? Sie versuchen, Ihre Politik zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der
Rentnerinnen und Rentner, die Sie in Griechenland
durchgesetzt haben, auf ganz Europa zu übertragen. Inzwischen erleben wir einen Abschwung in ganz Europa.
Es geht um Spanien, Italien, Frankreich, Holland und
Österreich. Die reine Sparpolitik ist gescheitert. Jeder
weiß: Wenn die Investitionen ausbleiben, dann stottert
die Wirtschaft und steigen - trotz des Sparens - die
Schulden. Die Menschen merken das. Die Ergebnisse
der Präsidentschaftswahl in Frankreich und der Parlamentswahlen in Griechenland waren eine Absage an die
radikale und ökonomisch dumme Sparpolitik der Mächtigen in der EU.
({1})
In den Niederlanden ist daran die Regierung zerbrochen;
sie war bisher der wichtigste Verbündete der Bundesregierung. Die Knebelstrategie der Bundesregierung
wird inzwischen weltweit als Bedrohung wahrgenommen. Beim G-8-Gipfel am Wochenende stand die Bundesregierung wieder einmal isoliert da. Jeder Mensch
weiß doch, dass, wenn sich etwas fortbewegen soll, es
nicht ausreicht, auf die Bremse zu treten. Man muss auch
Gas geben können, und das kommt Ihnen nicht in den
Sinn.
({2})
Die Währungsunion war ein Projekt der politischen
Eliten, unter anderem auch Ihres früheren Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl.
({3})
Jeder Mensch mit ökonomischem Sachverstand weiß inzwischen, dass die Währungsunion in der jetzigen Form
keine Zukunft hat. Jetzt kommt unter anderem aus
Bayern die Forderung, einzelne Staaten aus der Währungsunion zu schmeißen. Die Währungsunion kann daran zerbrechen, und dann stünden wir vor einem Scherbenhaufen. Das kann nicht die Lösung sein.
({4})
- Das stimmt gar nicht. Die PDS hat immer gesagt:
„Euro, so nicht!“
({5})
Stattdessen sollten wir die Währungsunion auf ein
neues Gleis setzen und dafür sorgen, dass die Staaten der
Währungsunion eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben. Dann müssten wir auch zu einer
anderen Steuerpolitik kommen, etwa bei der Besteuerung von Unternehmen und von großen Vermögen, aber
endlich auch zu einer Finanztransaktionsteuer. Wir sollten auch aufhören, andere Staaten durch Niedriglöhne
niederzukonkurrieren.
({6})
Zur Wahrheit gehört, dass wir bei den Nettolöhnen einen
Rückgang um 4,5 Prozent zu verzeichnen hatten, was
mitursächlich für diese Krise war.
({7})
Wichtig sind aus unserer Sicht auch neue Instrumente
wie Euro-Bonds. Zu diskutieren ist dabei darüber, wer
die Bonds zu welchen Bedingungen bekommt, wie die
Zinsvorteile aufgeteilt werden und wie hoch die Haftung
ausfällt. Was aber nicht geht, ist, diese Debatte zu verweigern und zuzulassen, dass Finanzinvestoren die Staaten der Währungsunion gegeneinander ausspielen.
({8})
Aus der jetzigen Situation kommen wir nur heraus, wenn
wir die Staaten der Währungsunion vor dem Zugriff der
Spekulanten und Hedgefonds abschirmen. Dafür brauchen wir entweder eine Form von Euro-Bonds oder Direktkredite der Europäischen Zentralbank.
({9})
Genau hier fehlt der Koalition aber jedes Verständnis für
pragmatische Politik.
({10})
Wir hatten gestern in der Fraktion Besuch von Alexis
Tsipras vom SYRIZA-Bündnis in Griechenland. Er hat
es auf den Punkt gebracht: Es geht hier nicht um die
Auseinandersetzung zwischen der Bevölkerung unserer
Länder, sondern darum, dass die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in allen Ländern Europas ein Interesse daran haben, die Spekulanten in die Schranken zu weisen
und dafür zu sorgen, dass sie nicht selbst die Zeche für
die Krise auf dem Finanzmarkt zahlen müssen.
Noch ein Wort zur SPD. Wir begrüßen zwar, dass Sie
jetzt neue Forderungen aufstellen, nur haben Sie das dermaßen ungeschickt und unentschlossen getan, dass es
wohl ausgeht wie das Hornberger Schießen.
({11})
Vielen in Ihren Reihen muss ich unterstellen, dass sie in
Richtung Große Koalition schielen, statt dem Fiskalpakt
die Zustimmung zu verweigern.
({12})
So kann man nicht glaubwürdig Politik betreiben. Der
Fiskalpakt setzt nicht nur die Axt an die parlamentarische Demokratie, sondern schnürt auch die Kommunen
im Hinblick auf ihre Investitionen ein und gefährdet die
Sozialversicherungssysteme. Deswegen lehnt die Linke
den Fiskalpakt ab.
({13})
Vielen Dank, Kollege Pitterle. - Nächster Redner ist
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege
Manuel Sarrazin. Bitte schön, Kollege Sarrazin.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute früh um Viertel nach acht ist meine Mitarbeiterin fast aus der Dusche gefallen,
({0})
weil sie im Radio Herrn Brüderle hörte.
({1})
Auch sie kommt aus Rheinland-Pfalz; deswegen kann
sie dekodieren, was er sagt. Sie hörte ihn sagen - Zitat -:
Ich schließe auch nicht aus, wenn man den Fiskalpakt, also gleiche Regeln, wie man mit dem Haushalt umgeht, die Schuldenbremse umgesetzt hat,
wenn man eine stärkere Kohärenz von Zusammenwirken und Gleichklang in der europäischen Wirtschaftspolitik erreicht hat, dass am Schluss einer
Entwicklung so etwas
- wie Euro-Bonds stehen kann.
({2})
Da hier vom Hornberger Schießen geredet und Herr
Oettinger erwähnt wurde, muss ich Sie fragen: Kennen
Sie eigentlich Dr. Wolf Klinz? Dr. Wolf Klinz schreibt
auf seiner Homepage:
Meine praktische Berufserfahrung in der internationalen Wirtschaft hat mich mehr und mehr darin
bestärkt, dass sich die FDP rechtzeitig programmatisch der Probleme annimmt, die sich für unser
Land und Europa als wichtig und drängend abzeichnen. Sie hat auch den Mut, Lösungen vorzuschlagen, die sachgerecht, aber nicht immer populär
sind. Damit überlässt sie es anderen, den Bürgern
Honig ums Maul zu schmieren.
Er ist dort auch auf einem Foto mit Dr. Guido
Westerwelle zu sehen. - Dr. Wolf Klinz hat vorletzten
Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des
Europäischen Parlaments für den Antrag gestimmt, dass
die Kommission innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten des Two-Pack einen konkreten Pfad zur Einführung
von Euro-Bonds, von Stabilitätsbonds und eines Altschuldentilgungsfonds vorlegt. Das sind vernünftige Liberale, meine Damen und Herren.
({3})
Herr Solms, ich kann ja nichts dafür, dass meine Tendenz, ob ich die Liberalen hier oder die Liberalen im
Europäischen Parlament besser finde, schon etwas mit
ihrer Klugheit zu tun hat und nicht nur davon abhängt,
wo sie auftreten. So einfach ist das bei uns.
({4})
Kollege Schneider hat schon darauf hingewiesen,
dass Deutschland im Euro-Raum längst haftet: 1,1 Billionen Euro wurden an Banken gegeben, für 115 Milliarden Euro wurden Staatsanleihen aufgekauft. - Was ist eigentlich der Hintergrund? Wo versagen Sie gerade? Sie
versündigen sich gerade am Erbe von Helmut Kohl und
merken es noch nicht einmal. Was wollten Helmut Kohl
und Theo Waigel damals in Maastricht? Damals stritten
die Deutschen noch für die politische Union und haben
- als Ersatz - den Stabilitäts- und Wachstumspakt bekommen. Es ist nicht so, dass die Opposition gegen
deutsche Interessen in der Europäischen Union arbeitet.
({5})
Wir wollen mit Euro-Bonds starke Regeln durchsetzen.
Wir wollen mit Euro-Bonds einen glaubwürdigen Schuldenabbauplan vorlegen. Das ist der Unterschied zwischen uns. Durch Ihre Blockadehaltung, nämlich jegliche Debatten zu diesem Thema auszuschließen, machen
Sie es letztlich unmöglich, dass das, was Helmut Kohl in
Maastricht leider nicht vorantreiben konnte, jetzt auf die
Agenda kommt. Das sollten Sie sich einmal hinter die
Ohren schreiben, Herr Solms.
({6})
Ich möchte das Zinsargument noch einmal aufgreifen,
weil mich das besonders ärgert. Wir haben das Thema
Euro-Bonds zum ersten Mal im Herbst 2010 in einem
Antrag aufgegriffen. Es waren also nicht die Sozis; die
Grünen haben sich das zum ersten Mal getraut. Aber da
Herr Oettinger, Herr Rehn, Herr Juncker und Herr
Verhofstadt - alles Konservative und Liberale - auch dafür sind, sind wir wahrscheinlich alle Sozis. Aus Ihrer
Sicht ist das dann eine Art Einheitspartei. Wir haben dabei immer gesagt: Preisstabilität und Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite sind die Grundlage jedes
Euro-Bond-Konzepts, für das wir uns einsetzen. - Das
negieren Sie einfach. Sie reden hier von irgendwelchen
Konzepten, die Sie sich irgendwo - ich will jetzt nicht
sagen: unter der Dusche - ausdenken, und tun so, als
seien das unsere Konzepte. Beschäftigen Sie sich einmal
ernsthaft mit unseren Konzepten!
({7})
Ich gebe zu: Auch wir schreiben ab. Wir schreiben
zum Beispiel beim Sachverständigenrat der Bundesregierung ab, der in seinem Herbstgutachten vom
November 2011 die Auflegung eines Altschuldentilgungsfonds vorgeschlagen hat, ohne übrigens das Zinsargument außer Kraft zu setzen, Herr Solms. Art. 125
AEUV würde bei Umsetzung des Vorschlags des Sachverständigenrats der Bundesregierung in Kraft gelassen.
Hören Sie auf, hier andere Sachen zu erzählen, die
schlichtweg nicht stimmen.
({8})
Zu Ihrem Schattenboxen und Ihrer Schimäre könnte
man noch wahnsinnig viel sagen. Ich fürchte, das würde
der Präsident stoppen. Am Schluss möchte ich aber doch
noch eine Bemerkung machen. Wenn die Kanzlerin vor
dem informellen Abendessen heute Abend erklärt, dieses Thema stehe gar nicht zur Debatte, frage ich mich:
Welche Arroganz und welcher Stil von europäischer
Politik kommt eigentlich zum Vorschein, wenn zwei der
wichtigsten Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament,
der Chef der Euro-Gruppe, der Chef der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament, Ihre eigenen
Wirtschaftsweisen und die Mehrheit der Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten über Themen sprechen, Sie hierüber eine Debatte anmelden und
die Kanzlerin dann sagt: „Heute Abend brauchen wir gar
nicht darüber zu reden; darauf habe ich gar keinen Bock;
ich will nur Abendessen gehen“? Entschuldigung, so
geht Europa nicht.
Vielen Dank.
({9})
Vielen Dank, Kollege Sarrazin. - Nächster Redner für
die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege
Dr. Michael Meister. Bitte schön, Kollege Dr. Michael
Meister.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
fand die Rede von Herrn Sarrazin im Verhältnis zu der
Rede von Herrn Schneider erfrischend. Herr Sarrazin hat
sich hier eindeutig und klar bekannt: Er will EuroBonds. Herr Schneider hat in seiner Rede alles getan, um
die Position der SPD-Fraktion zu verschleiern.
({0})
Ich will einmal darauf hinweisen, dass es am 15. Dezember 2010 einen Gastbeitrag des ehemaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück und des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Frank-Walter Steinmeier, in der
Financial Times gab, in dem sich beide für Euro-Bonds
ausgesprochen haben.
({1})
Ich halte es deshalb für richtig, dass wir über die Frage,
ob wir Euro-Bonds wollen oder nicht, auch einmal hier
im Parlament diskutieren und nicht nur in Medien.
({2})
Was ist eigentlich unser Problem in Europa? Wir haben auf der einen Seite Volkswirtschaften, die nicht
wettbewerbsfähig sind. Wir haben auf der anderen Seite
Haushalte, die total überschuldet sind. Das sind die Ursachen. Meine Frage ist: Wie hilft ein Euro-Bond, an
diesen beiden Ursachen etwas zu ändern? Der EuroBond hilft überhaupt nicht, die eigentlichen Probleme zu
lösen.
({3})
Das wäre ein Schmerzmittel, das die Schmerzen etwas
linderte, aber die Probleme nicht löst; nebenbei nähmen
die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und die Überschuldung zu. Das heißt, wenn wir dieses Schmerzmittel nähmen, bekämen wir noch größere Probleme. Das wollen
wir nicht.
({4})
Lieber Herr Sarrazin, ja, die Väter des Euro haben gesagt: Wir wollen eine gemeinsame Währung. Sie haben
aber gleichzeitig deutlich gesagt: Wir wollen keine gemeinsame Haftung. Das steht in den internationalen Vereinbarungen,
({5})
und genau daran werden wir uns halten. Wir haften für
das, was wir tun, weil wir es entscheiden; jeder, der
anderes entscheidet, muss für seine Entscheidungen einstehen und haften. Deshalb sagen wir an dieser Stelle:
Teilhaftungsgemeinschaft, aber keine Gesamthaftungsgemeinschaft.
({6})
Hier wird ja auch über Solidarität gesprochen. Ich
möchte einmal fragen: Bedeutet Solidarität eigentlich,
dass, wenn wir Euro-Bonds einfordern - was ja höhere
Zinsen für uns und etwas niedrigere Zinsen für andere
zur Folge hat -, in anderen Ländern Konsum gelebt
wird, den der deutsche Steuerzahler, der Rentner, der Arbeitnehmer, der Sparer, bezahlen muss? Ist das Solidarität? Aus meiner Sicht nicht!
({7})
Das führte nämlich dazu, dass der deutsche Bürger, der
kleine Mann, dazu verpflichtet wird, sozialistische Träumereien in anderen Ländern zu bezahlen, und das kann
nicht sein.
({8})
Herr Schneider hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
die Rechtslagen in Deutschland und Europa Euro-Bonds
gegenwärtig nicht hergeben.
({9})
Das ist richtig, und das ist auch gut so.
({10})
Das hat nämlich etwas mit funktionierender Demokratie
zu tun. Solange die Menschen in Deutschland überhaupt
nicht abstimmen können in der Frage, was mit dem Geld
in Europa geschieht, und solange sie keine Chance haben, über den Deutschen Bundestag oder ein anderes
Parlament Einfluss darauf zu nehmen,
({11})
so lange kann ich ihnen auch nicht zumuten, dass andere
mit ihrem Geld irgendwelche Ausgaben tätigen. Entscheidung und Verantwortung gehören zusammen; deshalb sind die Rechtslage in Europa und die Rechtslage
nach dem Grundgesetz sehr gut. Wir freuen uns darüber,
dass dies das Bundesverfassungsgericht eindeutig bestätigt hat.
({12})
Ich glaube, in dieser Debatte wäre es aktuell viel besser, nicht verantwortungslosem Umgang mit deutschem
Geld das Wort zu reden, sondern über die notwendige
Verantwortung zu sprechen. Die notwendige Verantwortung ist, dass wir uns gemeinsam zu Fiskaldisziplin verpflichten.
({13})
Das haben wir in Deutschland mit der Verankerung der
Schuldenbremse im Grundgesetz gemeinschaftlich getan. Jetzt steht die verantwortliche Entscheidung an, den
Fiskalpakt zu ratifizieren. Jeder, der an einer gemeinsamen Zukunft in Europa interessiert ist, sollte jetzt seinen
konstruktiven Beitrag dazu leisten, den Fiskalpakt umzusetzen.
({14})
Wer ein Interesse daran hat, dass dieses Europa funktioniert, und wer von Solidarität spricht, der sollte auf
dem Fundament des Fiskalpakts auch zum ESM Ja sagen. Das ist die nächste Aufgabe, die ansteht, wenn dieses Europa funktionieren soll. Deshalb ist meine Bitte an
Sie: Sagen Sie Ja zu dem, was auf der Agenda steht, und
fordern Sie nicht Dinge, die in die falsche Richtung führen.
({15})
Ein letztes Argument war die Isolation. Kann es denn
sein, dass etwas Falsches dadurch, dass es viele wollen,
plötzlich richtig wird? Ich bin der Meinung, wenn etwas
falsch ist, dann ist es falsch. Das muss man dann auch
sagen.
({16})
- Ja, es entscheidet die Mehrheit. Deshalb habe ich auch
öffentlich den Vorschlag gemacht, niemanden in Europa
daran zu hindern, Euro-Bonds einzuführen.
({17})
Wenn die Franzosen, die Italiener und andere sagen:
„Wir wollen gemeinsame Anleihen ausgeben“, dann
dürfen sie das gerne tun. Wir werden sie nicht daran hindern.
({18})
Ich bin sehr auf das Ergebnis einer solchen Unternehmung gespannt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({19})
Vielen Dank, Kollege Dr. Meister. - Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Sozialdemokraten unsere Kollegin Nicolette Kressl. Bitte schön,
Frau Kollegin Kressl.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Meister, Sie haben gerade von der Verantwortung für Europa gesprochen. Ich finde, wer Verantwortung für Europa übernehmen will, hat hier nicht,
innenpolitisch motiviert, mit Nebelkerzen zu werfen,
sondern hat sich gefälligst mit den besten Möglichkeiten, wie wir die Euro-Zone stabilisieren, zu befassen.
Das tun Sie hier nicht.
({0})
Ich will mit einem oft wiederholten Zitat des „Sozialisten“ Oettinger beginnen, Herr Meister, der gestern gesagt hat:
Euro-Bonds sind eine Frage des Timings. Ich rate
allen Beteiligten, sich nicht grundsätzlich dagegen
zu positionieren.
({1})
So viel dazu, eine Debatte darüber seien sozialistische
Blütenträume. Ich könnte noch weitere Zitate bringen.
Auch der Titel dieser Aktuellen Stunde steht für das
Werfen von Nebelkerzen. Herr Solms hat eben vom Ungeheuer von Loch Ness gesprochen, das es nicht gibt.
Ich habe den Eindruck: Weil Sie innenpolitisch so viele
Schwierigkeiten haben, haben Sie sich gedacht: „Suchen
wir einmal das Ungeheuer im Teich“ und haben es mit
diesem Thema gefunden. Das ist doch die Linie, die Sie
in dieser Aktuellen Stunde vertreten.
({2})
Um es klar zu sagen: Es gibt keinen Ruf der SPD
nach völlig unkonditionierten Euro-Bonds und auch
nicht nach Euro-Bonds im Moment.
({3})
- Ich finde, Sie sind reichlich nervös. Das beweist, dass
Sie mit dieser Aktuellen Stunde nichts anderes wollen,
als von Ihren innenpolitischen Verdrehungen abzulenken.
({4})
Lassen Sie es mich klar und deutlich sagen: Es ist
richtig; es gibt äußerst enge verfassungsrechtliche Einschränkungen in der Frage der gemeinsamen Haftung.
Diese gibt es auch im Europarecht. Ich finde, das ist in
Ordnung. Was nicht in Ordnung ist, ist die Weigerung,
sich gemeinsam Gedanken über bestmögliche Lösungen
zu machen, wie wir die Euro-Zone stabilisieren können.
({5})
Der Beweis dafür, dass Sie sich hier verweigern, ist, dass
Sie die Vorschläge Ihres eigenen Sachverständigenrats
ohne argumentative Debatte einfach zur Seite geschoben
haben. Als führende Wirtschaftsnation in Europa sollten
wir Verantwortung übernehmen und Leitideen auf den
Weg bringen, anstatt sachlich gute Argumente, innenpolitisch motiviert, beiseitezuschieben. Das hat Europa
nicht verdient.
({6})
Womit Sie aufhören sollten, ist diese plumpe Ablehnungslinie, völlig verschweigend, dass bereits eine Gemeinschaftshaftung über den Ankauf von Staatsanleihen
existiert, und zwar in einer Form, die es nicht einmal zulässt, über politische Konditionen zu reden. Das ist doch
das Problem.
({7})
Das entsteht, wenn man nicht bereit ist, sich fachlich mit
Argumenten auseinanderzusetzen.
Wir haben es schon mehrfach gehört, aber es ist völlig
klar: Diese Aktuelle Stunde ist ein Ablenkungsmanöver.
Allerdings hat das Thema dieser Aktuellen Stunde einen
kleinen Vorteil:
({8})
Ich kann mich auf diese Art und Weise verabschieden;
denn dies wird meine letzte Rede im Bundestag sein. Bei
allem Streit bedanke ich mich für die meistens gute Zusammenarbeit, die wir im finanzpolitischen Bereich im
Bundestag hatten. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. Sie können sicher sein: Auch aus Baden-Württemberg werde ich immer schauen, was der Finanzausschuss so auf den Weg bringt.
Vielen Dank.
({9})
Vielen Dank, Frau Kollegin Nicolette Kressl. Auch
wir wünschen Ihnen alles erdenklich Gute für die Zukunft. So, wie Sie zu uns in den Bundestag schauen,
werden wir natürlich auch zu Ihnen und Ihrer neuen Aufgabe in Baden-Württemberg schauen. Wir wünschen Ihnen alles Gute. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit und im Namen des ganzen Hauses alles Gute und
viel Erfolg bei der Arbeit für unser Land.
({0})
Nächster Redner für die Fraktion der FDP ist unser
Kollege Marco Buschmann. Bitte schön, Kollege
Buschmann.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Frau Kollegin Kressl, auch ich wünsche Ihnen
eine glückliche Hand und viel Erfolg bei der neuen Aufgabe. Wenn man neue Aufgaben wahrnimmt, muss man
viel dazulernen.
Ich habe in dieser Aktuellen Stunde schon jetzt viel
dazugelernt. Dafür hat sie sich gelohnt. Ich habe nämlich
gelernt, dass sich die Grünen mit Stolz brüsten, die geistigen Urheber - ich könnte auch sagen: die geistigen
Brandstifter - beim Euro-Bonds-Thema zu sein. Wer
Euro-Bonds möchte, muss also Grün wählen.
({0})
Ich habe auch etwas Bemerkenswertes über die Haltung der SPD-Fraktion gelernt. Der Kollege Carsten
Schneider hat vorhin sehr schneidig und richtig gesagt:
Mit unserer Verfassung ist das Konzept der Euro-Bonds
nicht zu machen. Ich bin jetzt aber ein Stück weit verwirrt, weil die Kollegin Kressl genau diesen klaren und
eindeutigen Satz sofort wieder aufgebohrt und gesagt
hat: Vielleicht geht es jetzt aber doch. Wie immer in der
Europapolitik der SPD gilt: Ob linksrum oder rechtsrum man weiß nicht recht, wohin Sie gehen. So werden wir
garantiert kein Vertrauen in Deutschland und die EuroZone zurückgewinnen.
({1})
Aber dem Kollegen Schneider glaube ich, weil er
wahrscheinlich die bessere Einsicht gegenüber den Grünen hat. Ich glaube dem Kollegen Schneider, dass er gegen Euro-Bonds ist. Ich glaube, dass der Kollege
Schneider verstanden hat, dass derjenige, der die Probleme, die sich aufgetürmt haben, mit Euro-Bonds bekämpfen will, auch mit Benzin Feuer löschen würde. Ich
glaube, dass der Kollege Schneider das mittlerweile verstanden hat.
Ich glaube auch, dass die Sozialdemokratie dieses
Problem verstehen wird. Der Kollege Solms hat auf den
Zinseffekt hingewiesen. Was bedeutet der Zinseffekt für
die Kernbereiche sozialdemokratischer Politik? Der
Zinseffekt wird bedeuten, dass die Zinsbelastung für
Deutschland steigt. Wer dann trotzdem die Schuldenbremse unseres Grundgesetzes einhalten will - das kann
man auf zweierlei Weise tun -, der muss entweder noch
mehr sparen, als wir das tun,
({2})
oder jegliches Wachstum durch zusätzliche Steuern abwürgen. Spätestens dann haben Sie Einnahmeausfälle
und einen Spardruck auf den größten Einzeletat, nämlich
den Sozialetat. Wie wollen Sie die Schuldenbremse des
Grundgesetzes einhalten, wenn Sie die Zinslasten systematisch erhöhen, ohne an den Sozialetat heranzugehen?
Ich warne Neugierige in den Reihen der SPD: Wie wollen Sie Ihre Kernmarke bewahren und sozialdemokratische Politik machen?
({3})
Deshalb glaube ich Ihnen, dass es immer mehr Zweifler
gibt. Deshalb glaube ich dem Kollegen Schneider, dass
er mittlerweile gegen Euro-Bonds ist. Sie haben es nämlich verstanden.
Auch die Grünen werden es noch verstehen. Sie haben nämlich viele kluge Kommunalpolitiker in Ihrer Partei. Ihre klugen Kommunalpolitiker wissen mittlerweile,
dass dieser Zinseffekt nicht nur den Bund treffen wird,
sondern auch die Kommunen.
({4})
Reden Sie mit Ihren Kommunalpolitikern im Ruhrgebiet
und in Ostdeutschland darüber, wie dort Haushalte gemacht werden sollen, wenn sich das Zinsniveau um
2 oder 3 Prozentpunkte erhöht! So kann man keine Politik mehr machen.
({5})
Letztendlich bin ich auch ein Stück weit entsetzt, dass
Sie sich trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die der Kollege Schneider völlig korrekt wiedergegeben hat, damit brüsten, das Bundesverfassungsgericht Lügen strafen zu wollen. Ich zitiere in Auszügen
aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 7. September 2011:
Es ist insoweit auch dem Bundestag als Gesetzgeber verwehrt, dauerhafte völkervertragsrechtliche
Mechanismen zu etablieren, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer
kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind.
({6})
Wenn Sie die Entscheidung über die Schuldenlasten des
deutschen Steuerzahlers den Trägern fremder hoheitlicher Gewalt überlassen wollen, wenn Sie die Frage, wofür der deutsche Steuerzahler haftet, den Parlamenten
Spaniens, Italiens, Griechenlands oder wem auch immer
überlassen wollen, dann verstoßen Sie gegen dieses
Prinzip und dann verstoßen Sie auch gegen die Rechte
des Deutschen Bundestages. Ich würde, wenn ich eine
solche Position für richtig hielte, im Deutschen Bundestag die Backen nicht so weit aufblasen, stolz darauf zu
sein, das Bundesverfassungsgericht Lügen strafen zu
wollen. Das ist jedenfalls meine Auffassung von Rechtsstaatlichkeit.
({7})
Vielen Dank, Kollege Buschmann. - Nächster Redner
in unserer Aktuellen Stunde ist für die Bundesregierung
der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter.
Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa muss
in diesen Monaten seine Hausaufgaben umfassend
machen. Ein umfassender Ansatz, wie ihn die Bundesregierung gegenüber unseren europäischen Partnern
vertritt, muss zuallererst auf nationaler Verantwortung,
nationaler Politik und nationalen Mehrheiten beruhen.
Unser europapolitischer Ansatz ist umfassend, weil er in
den Mittelpunkt mehrere Politikfelder stellt, die nicht
gegeneinander ausgespielt werden können, sondern im
Zusammenhang betrachtet werden.
Das erste Politikfeld ist die Haushaltskonsolidierung.
Es verwundert mich schon, dass aufseiten der Sozialdemokratie sehr viel über neue Finanzierungsformen
nachgedacht wird, aber weniger über die Senkung von
Ausgaben und die Reduzierung von Defiziten. Im Kern
der europapolitischen Debatte geht es darum, dass wir
Fiskaldisziplin in allen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union wollen. Deswegen ist es ein gutes Signal, dass
25 von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union den
Fiskalpakt unterzeichnet haben. Alle, die für Fiskaldisziplin hier in Deutschland sind, sollten für eine rasche
Ratifikation des Fiskalpakts im Bundestag und im Bundesrat sorgen.
({0})
Das zweite Politikfeld ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, und das nicht erst seit wenigen Tagen.
Wir Deutsche haben ganz gute Erfahrungen damit
gemacht. Das ist ein Teil der Politik, an den sich die Sozialdemokraten in diesem Haus nur ungern erinnern.
Dass Deutschland, das einst als kranker Mann Europas
bezeichnet wurde, nun ein Jobwunder erlebt, hat etwas
damit zu tun, dass die Tarifvertragsparteien und die
deutsche Politik - Regierung und Opposition in weiten
Teilen gemeinsam - unter dem Oberbegriff Agenda 2010
die nationalen Hausaufgaben erledigt haben. Unsere
Aufforderung ist, dass auch die Staaten, die an einem
Mangel an Wettbewerbsfähigkeit leiden, in nationaler
Verantwortung Wettbewerbsstrategien entwickeln. Wir
werden in den nächsten Jahren davon profitieren. Wir
sind aber noch nicht am Reformende. Der zweite Politikbereich ist also eine nationale Strategie zur Steigerung
der Wettbewerbsfähigkeit in allen Staaten Europas. Dazu
rufen wir auf. Das ist unser politischer Beitrag zur europäischen Integration.
({1})
Schließlich geht es um die Stabilisierung der Finanzmärkte. Wir haben darüber oft geredet. Ein Kernelement
ist, dass wir Solidarität und Solidität miteinander in Verbindung bringen müssen. Die Bundesregierung steht zu
einer solidarischen Absicherung von Risiken nicht nur
im Inland, sondern auch im europäischen Kontext. Wir
sind diejenigen, die den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern beispielsweise sagen: Wir haben gute Gründe,
Solidarität mit Griechenland zu zeigen. Aber diese Solidarität bedarf einer Verhaltensänderung. - Solidarität bedarf Solidität. Beides muss zusammen gesehen werden.
Das Konzept, über das wir heute unter dem Stichwort
Euro-Bonds diskutieren, berücksichtigt nicht, dass eine
gemeinschaftliche Haftung einen Fehlanreiz gibt, und
führt nicht zu einer Politikänderung bei denjenigen, die
von Euro-Bonds profitieren. Wer meint, niedrige Zinsen
ohne Auflagen führten zu einer Änderung der Politik,
der hat aus der Entwicklung in Griechenland in den letzten zehn Jahren überhaupt nichts gelernt. Zuerst Verhaltensänderung, dann Solidarität, das ist die klare Position
der Bundesregierung.
({2})
Ich habe mit Interesse gehört, dass der Kollege
Schneider erklärt hat, niemand in der SPD sei für EuroBonds. Das muss aber dann eine andere sozialdemokratische Partei sein als die, auf deren Homepage ich heute
war. Unter der Überschrift „Direktkommunikation“ gibt
es die Rubrik „Häufig gestellte Fragen zu Eurobonds
und zu Rechtsextremismus“. Was das miteinander zu tun
hat, will ich hier nicht weiter erörtern.
({3})
Auf die Frage „Warum ist die SPD für Eurobonds?“ wird
die Antwort gegeben.
Wir Sozialdemokraten sind der Überzeugung: Das
„ewige Retten“ von finanziell unter Druck geratenen Staaten durch immer neue … Rettungspakete
darf so nicht weitergehen. … Eurobonds könnten
diese Abwärtsspirale beenden. Die Grundidee …
ist, dass alle Euro-Staaten gemeinsame Staatsanleihen herausgeben und damit Euro-Staaten mit großen Finanzierungsproblemen eine Refinanzierung
zu günstigeren Zinsen ermöglichen, weil alle Staaten gemeinsam für die Anleihen bürgen.
Es ist schon interessant: Wir glauben dem Kollegen
Schneider, dass er diesen Unsinn nicht will. Aber dann
soll er bitte auf der Homepage seiner Partei der deutschen Bevölkerung nicht das Gegenteil von dem erklären, was er als Hauptredner der SPD in dieser Debatte
für die SPD-Bundestagsfraktion erklärt.
({4})
Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass es in
der Fraktionssitzung der SPD in dieser Woche offensichtlich dazu eine Debatte zwischen Herrn Müntefering
und Herrn Gabriel gegeben hat. Herr Oppermann, Sie
haben sich, wie ich lese, nicht nur die Krawatte gespart,
sondern Sie haben sich auch eine eigene Meinung bewahrt, nämlich die, dass Sie gegen Euro-Bonds-Pläne
der SPD sind. Nur: Wer mit so viel Verve die französischen Sozialisten unterstützt, die - so ist deren Wahrnehmung in Europa - die Welt mit Euro-Bonds verändern
wollen, die weniger sparen und die an Verhaltensänderungen anderer Staaten, beispielsweise Griechenlands,
nicht mehr so aktiv mitwirken wollen, wie es nach unserer Auffassung notwendig erscheint, der sollte den Deutschen auch sagen, dass das eine Rechnung zulasten der
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist. Wenn Sie das
wollen, dann sprechen Sie es klar und deutlich aus, so
wie Herr Sarrazin es hier gemacht hat. Aber flüchten Sie
nicht vor den Konsequenzen der Politik, die Sie auf Ihrer
Homepage und in Ihrer Fraktion hoffentlich intensiv
weiter diskutieren werden.
({5})
Die Bundesregierung freut sich, dass es auch in der
SPD-Fraktion einige wenige gibt, die darauf hinweisen,
dass man sich an das Grundgesetz halten muss, auch
wenn sozialistische Parteitage in Europa anderer Auffassung waren.
({6})
Der gemeinschaftlichen Übernahme von Schulden sind
nicht nur nach dem EU-Vertrag, sondern auch nach den
letzten Verfassungsgerichtsurteilen - ich empfehle die
sorgfältige Lektüre - enge Grenzen gesetzt, die eine gemeinschaftliche Haftung durch Euro-Bonds ausschließen. Wenn der Kollege Schneider sagt, dann wolle er die
Verfassung ändern, dann müssen wir klarstellen, dass die
SPD zwar sagt, sie sei nicht für Euro-Bonds, aber sie sei
für eine Verfassungsänderung ist, die die gemeinschaftliche Schuldenübernahme zulasten des deutschen Steuerzahlers ohne Verhaltensänderung anderer Staaten möglich macht.
({7})
Wer gegen den Fiskalpakt ist, aber gleichzeitig das
Grundgesetz ändern möchte, sodass eine gemeinschaftliche Verschuldung möglich ist, wie Herr Kollege
Schneider hier angekündigt hat, hat nicht nur die europäischen Interessen unscharf im Blick, sondern er hat
auch die nationalen Interessen der Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler in der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich vergessen.
({8})
Wir haben im Augenblick eine schwierige Situation
in Europa. Ich finde, wir müssen jetzt aufpassen, dass
wir denjenigen, denen wir vieles abverlangen, beispielsweise den Griechen, jetzt nicht den Eindruck vermitteln,
als würde Deutschland in dieser Debatte wieder auf den
einfachen Weg zurückkehren. Staatsverschuldung ist
nichts anderes als die geronnene politische Mutlosigkeit,
in einem Land der Bevölkerung die notwendigen Politikwechsel zu erklären. Staatsverschuldung ist eine üble
Last für die nachfolgende Generation. Wir müssen
selbstkritisch über alle Fraktionsgrenzen hinweg sagen:
Wir haben in den vergangenen Jahren gesündigt. Jetzt
hat uns diese Krise eindrücklich vor Augen geführt, welche negativen Auswirkungen diese Politik hat, wenn das
Vertrauen flöten geht, wenn ungeordnete Prozesse Politik und Parlament in eine Richtung drängen, in die sie
sich ungern drängen lassen.
Deswegen stehen wir jetzt an einer Weggabelung. Wir
haben mit dem Fiskalvertrag die Chance, nicht nur in
Deutschland die Schuldenbremse umzusetzen, sondern
auch international Standards zu setzen. Dies ist die
Grundvoraussetzung dafür, dass wir den Europäischen
Stabilitätsmechanismus auch gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern tatsächlich begründen. Beides gehört zusammen. Wer wie die deutschen Sozialdemokraten hier auf Zeit spielt, wer eine Taktik zum
Maßstab der Europapolitik macht, der versagt nicht nur
vor der Herausforderung der Europapolitik, sondern
auch gegenüber den nachfolgenden Generationen. Deswegen werbe ich für die Unterstützung der Politik der
Bundesregierung.
({9})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Klaus
Hagemann. Bitte schön, Kollege Klaus Hagemann.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Kollege Kampeter, Sie finden als Regierungsmitglied starke Worte. Ich sehe mir aber Ihre Taten
zum Thema Nachtragshaushalt an, über den wir in wenigen Minuten im Haushaltsausschuss beraten.
({0})
Lieber Kollege Kampeter, die Nettokreditaufnahme und
die Neuverschuldung werden auf mehr als 35 Milliarden
Euro verdoppelt, obwohl wir die höchsten Steuereinnahmen haben, die wir in dieser Republik je gehabt haben.
({1})
Das ist der erste Punkt.
Ein zweiter Punkt: Der Kollege Schneider hat nicht
gefordert, das Grundgesetz zu ändern, sondern er hat gesagt: Wenn man Bonds einführen will, dann müsste man
das Grundgesetz ändern. Das ist ein großer sprachlicher
Unterschied. Darauf hat beispielsweise auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Professor
Voßkuhle, hingewiesen.
Ich habe bei dieser Debatte gut zugehört. Es scheint
mir, dass sie so notwendig ist wie ein Kropf, denn es
ging nur darum, hier einen Popanz aufzublasen, um von
Schwierigkeiten in der Europapolitik abzulenken oder,
wie ich mir auch vorstellen kann, Herr Buschmann und
Herr Kampeter, von den Problemen, die Sie in der vergangenen Woche in NRW hatten.
Das Thema der Debatte lautet: Euro-Bonds-Pläne der
SPD. - Dazu ist aber wenig gesagt worden. Ich frage
Sie: Welche Bonds meinen Sie? Meinen Sie die MerkelBonds, über die diskutiert wird? Meinen Sie die Bonds,
die der Präsident der Kommission, Herr Barroso, der
EVP-Mitglied ist, vorschlägt? Meinen Sie die Bonds, die
Herr Rehn als Kommissionsmitglied vorschlägt? Auch
er schlägt Euro-Bonds vor. Oder meinen Sie die Vorschläge von Jean-Claude Juncker, der auch ein christlich-demokratischer Politiker ist? Meinen Sie diese
Bonds? Ich habe von Ihnen nichts dahin gehend gelernt,
welche Bonds Sie meinen.
({2})
Es wurde vom Kollegen Schneider auch auf die Entscheidung des Europäischen Parlaments hingewiesen.
Dort wurde mit den Stimmen der Union und der Liberalen gefordert, Euro-Bonds einzuführen. Das wurde im
Januar so beschlossen. Es gibt viele andere Vorschläge,
die in diese Richtung gehen.
Ein weiterer Punkt ist in der Debatte nicht klar geworden: Meinen Sie vielleicht Projekt-Bonds, über die man
jetzt zur Finanzierung größerer europäischer Investitionen diskutiert? Dazu haben Sie nichts gesagt. Der
Kommissar Hahn aus Österreich hat in diesem Zusammenhang interessante Vorschläge zur Regionalpolitik
gemacht. Es kam kein Wort von Ihnen darüber, wie man
mit mehr Geld aus Europa, mit umgewidmetem Geld aus
dem Europahaushalt, dringend notwendige Projekte
finanziert, um Wachstum zu generieren und Arbeitsplätze zu sichern. Dazu haben Sie nichts gesagt. Sie haben auch nichts darüber gesagt, dass man dies über die
Europäische Investitionsbank finanziert. Sie haben dazu
nichts gesagt, Sie haben sich nur aufgeregt.
({3})
Herr Hahn hat darauf hingewiesen, die EU-Kommission habe bereits eine Liste mit 190 Projekten für Griechenland erstellt und man habe einige davon bereits umgesetzt oder eingeleitet. Man holt 11 Milliarden Euro
heraus, um Maßnahmen in Griechenland zu finanzieren.
Zu all dem haben Sie nichts gesagt.
Wir sollten eher über die angeblichen Pläne der SPD
zu Euro-Bonds reden. Wir sollten beispielsweise über
das Gutachten der OECD reden. Gestern war zu lesen:
Die OECD warnt vor einer schweren Rezession. Wo sind
Ihre Konzepte, die Sie hierzu vorlegen wollen? Der frühere Chefökonom Stark sagt in einem Interview mit der
Welt, schon seit Frühjahr 2010 habe man hier falsche
Entscheidungen getroffen. Das hat Herr Stark gesagt; ein
Mann, der Ihnen sicherlich nähersteht als mir. Auch das
Institut der deutschen Wirtschaft hat deutlich gemacht:
Wenn die Länder zu hohe Einsparungen in kurzer Zeit
stemmen müssen, bricht in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten die Konjunktur ein. - Das ist richtig, das können
wir in Spanien und in Griechenland beobachten.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns mit der
Frage der Jugendarbeitslosigkeit näher beschäftigen und
sie ernster nehmen; ich meine nicht die in unserem Land,
obwohl wir auch sie im Blick haben sollten. Das wurde
in der Diskussion im Haushaltsausschuss mit Herrn
Weise von der Bundesagentur für Arbeit deutlich. In vielen Ländern gibt es eine galoppierende Jugendarbeitslosigkeit von 40, 50 oder 60 Prozent, und zwar nicht nur
in Spanien, Griechenland oder Italien, sondern auch in
der Slowakei. Wie ich gestern Abend gelernt habe, ist
die Jugendarbeitslosigkeit auch in Luxemburg hoch:
18 Prozent. Viele junge Menschen in Europa werden in
die Arbeitslosigkeit entlassen. Kann das unser Ziel sein?
({4})
Bieten wir ihnen eine Zukunft? Nein! Gewinnen wir so
junge Menschen für die Idee Europas? Nein!
Der letzte Punkt, den ich noch ansprechen will: Im Januar 2012 hat die Bundesregierung auf europäischer
Ebene, Kollege Kampeter, einen „Pakt für mehr Beschäftigung und Wirtschaftswachstum“ beschlossen. Im
März habe ich mir einmal erlaubt, die mündliche Anfrage zu stellen, was vorgesehen sei und was umgesetzt
werden soll. Die Antwort lautete - ich zitiere -:
Der Bundesregierung liegen hierzu noch keine Informationen vor.
({5})
Das war die Antwort auf eine Frage zum Thema Pakt für
mehr Beschäftigung und Wirtschaftswachstum.
Das können wir so nicht hinnehmen. Wir sollten das
achten, was der aus der Parteifamilie der Liberalen stammende britische Politiker Nick Clegg in einem SpiegelInterview, das in dieser Woche erschienen ist, gesagt hat
- ich darf das abschließend zitieren -:
Wirtschaftliche Unsicherheit und politische Lähmung, das lehrt die Geschichte unseres Kontinents,
sind der ideale Nährboden für Extremismus und
Fremdenhass.
Recht hat Herr Nick Clegg. Hier muss gehandelt werden, und es dürfen keine Scheindebatten geführt werden.
({6})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der FDP unser Kollege Joachim Spatz.
({0})
Vizepräsident Eduard Oswald
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade weil Nick Clegg recht hat, geht es um die wirklich
besten Wege zur Lösung der Probleme, und es geht nicht
um Scheindebatten. Ich habe in der heutigen Debatte etwas gelernt: Die Grünen sind eindeutig für Euro-Bonds,
die Linken halten den Euro für gescheitert, und die SPD
ist völlig unentschieden. Man hört doch aus jedem Wortbeitrag bei Ihnen, den Sozialdemokraten, das Bedauern
heraus, dass das Grundgesetz diese Möglichkeit verbietet. Aus jeder Äußerung hört man das Bedauern, sie in
dieser Verfassungslage nicht einführen zu können. Bekennen Sie sich doch zu dem, was Sie offensichtlich in
aller Ehrlichkeit auf Ihrer Website verzeichnet haben!
Angesichts dessen, Herr Kollege Schneider, ist diese
Debatte nicht überflüssig. Sie hat deutlich gemacht:
Hier, in diesem Deutschen Bundestag - egal was der
eine oder andere Vertreter der Parteienfamilie woanders
erzählt -, gibt es eine verlässliche Mehrheit gegen EuroBonds, und diese Mehrheit stellt Schwarz-Gelb.
({0})
Herr Kollege Sarrazin, wir müssen uns doch erinnern:
Wieso stehen wir denn hier und debattieren über diese
europäische Herausforderung?
({1})
Weil die Finanzmärkte den alten Weg nicht mehr mitgegangen sind! Wir haben doch Rechnungen ohne den
Wirt gemacht. Wir haben doch gedacht: Verschuldung ist
gewissermaßen ein Naturrecht von Politik. Es gibt gewissermaßen die Erwartung, dass einem auf diesem Weg
immer gefolgt wird. Die Märkte haben uns die Aufgabe
gestellt, in die Gegenrichtung zu gehen. Da gilt der alte
Satz: Schulden machen unfrei. Wir alle haben schmerzlich und nicht aus besserer Einsicht gelernt, dass der
Weg des immer neuen Schuldenmachens schlicht nicht
funktioniert.
Wenn Sie Euro-Bonds als Lösungsansatz sehen, dann
kann ich nur sagen: Beim Eintritt, gerade der Hellenischen Republik, in den Euro waren die Zinsabweichungen nahe null. Was ist passiert? Die griechische Nation
hat den Vorschusskredit der Finanzmärkte offensichtlich
nicht im Sinne einer an Gemeinsamkeit orientierten
Wirtschafts- und Finanzpolitik genutzt. Wollen Sie, dass
es wieder so kommt, dann allerdings ohne Ausstiegsoption? Das ist doch überhaupt keine Lösung. Das heißt,
Zinssozialismus ist wie weiße Salbe und nicht die Lösung der Probleme. So einfach ist das.
({2})
Der einzige Weg, zu den bestmöglichen Lösungen zu
kommen, Frau Kressl, ist erst einmal eine schonungslose
Analyse.
({3})
Wer sich dem verweigert, wird die richtigen Lösungen
nicht finden.
Jetzt komme ich auf das Thema - es wird oft angesprochen - EZB-Anleihen-Aufkauf. Meine Damen und
Herren, das mag als Notmaßnahme - als Notmaßnahme! - mal hinzunehmen sein, aber Sie wollen aus
dem Wahnsinn ja noch Methode machen, und das kann
nicht funktionieren. Es muss dabei bleiben, dass diese
Art von Maßnahmen Notmaßnahmen sind.
Sie haben den Kollegen Brüderle zitiert. Dazu kann
ich nur betonen: Der sagt auch nichts anderes als die
Kanzlerin,
({4})
nämlich dass am Ende eines langen Weges,
({5})
am Ende eines ganz langen Weges der Harmonisierung
der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitiken und bei solider Finanzierung,
({6})
dieses gemeinsame Instrument eingeführt werden kann.
({7})
Nur, da braucht man es nicht mehr. Herr Kollege, wenn
wir so weit sind, dann brauchen wir es nicht mehr; wir
werden das erleben.
({8})
Wenn der Fiskalpakt von allen Verantwortlichen hier in
diesem Hause beschlossen wird und nach Jahren der
Wirkung die Konvergenz der Politiken stattgefunden haben wird, wird keiner mehr nach Euro-Bonds rufen;
denn dann sind die Spreads, die Zinsabweichungen, bei
null, und dann braucht das keiner mehr.
Für diese Politik der Solidität, bei der man über ein
solches Instrument als Schlussstein nachdenken kann
oder auch nicht, verbunden mit Solidarität und Wachstumsimpulsen, werben wir nachhaltig.
Zum Thema Wachstumsimpulse. Herr Kollege
Hagemann, ich verstehe gar nicht, dass Sie die Stellungnahme des Deutschen Bundestages zum mehrjährigen
Finanzrahmen nicht kennen. Sie ist am 1. Dezember auf
Vorschlag der Koalition verabschiedet worden. Darin
stehen genau die neuen Schwerpunktsetzungen für den
Haushalt, eben auch zulasten alter Schwerpunkte. Ich
kann nur alle aufrufen, bei der Umgestaltung so viel Mut
zu haben, wie wir das jetzt anderen Staaten abverlangen.
Wenn wir so vorgehen, dann gibt es, verbunden mit der
Finanzierung durch die Europäische Union, Möglichkeiten, Wachstumsstimulierung zu betreiben. Da kann ich
nur jeden aufrufen, mitzumachen. Das ist der Weg von
Solidarität, Solidität und Wachstumsimpulsen.
Danke schön.
({9})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Dr. Frank
Steffel. Bitte schön, Kollege Dr. Frank Steffel.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich,
dass es Kollegen bei der FDP gibt, die heute etwas gelernt haben.
({0})
Ich muss für mich bekennen: Ich hatte gehofft, dass ich
irgendein Argument für Euro-Bonds höre, auch von Ihnen, Herr Sarrazin. Sie haben sich bemüht, den Eindruck
zu erwecken - das mag politisch geschickt sein -: Es
gibt da einige abweichende Stimmen bei FDP und CDU/
CSU,
({1})
die vielleicht unter gewissen Bedingungen irgendwann
einmal sagen könnten, Euro-Bonds könnten ein Weg
sein. Ich will Ihnen in aller Sachlichkeit sagen: Die Herausforderungen, vor denen Europa steht, sind so
schwierig, dass es auch bei uns zu bestimmten Themen
in der Tat sehr unterschiedliche Auffassungen gibt.
Richtig ist: Man hat manchmal den Eindruck, die
Brüsseler Lust vernebele einige Dinge, die wir hier im
Bundestag sehr klar und präzise sehen.
({2})
Nur - um das ganz klar zu sagen -: Hier im Deutschen
Bundestag gibt es nach meiner Kenntnis weder in der
Fraktion von CDU/CSU noch bei den Kolleginnen und
Kollegen der FDP eine wirklich ernsthafte Stimme, die
sagt, dass der Weg aus der heutigen Krise die Einführung von Euro-Bonds in Europa wäre, so wie Sie alle
drei uns das seit zwei Jahren hier vortragen. Das ist die
ganz klare Position.
({3})
Wenn man hier als fünfter oder sechster Redner zu einem Thema spricht, muss man sich überlegen: Was
könnte es Neues geben? Eben waren hier einige junge
Menschen,
({4})
Schulklassen, die verpflichtet wurden, sich unsere Argumentation anzuhören, oder vielleicht sogar freiwillig aus
Interesse hier waren. Jetzt stelle ich mir die Frage: Was
haben die eigentlich eben gelernt? Die haben gelernt,
dass die Linkspartei wieder von der PDS redet, aber immer noch die Positionen vertritt, die ich seit 20 Jahren
kenne. Sie haben gelernt, dass Sie, Herr Sarrazin, der
Meinung sind - ob das die Position der Grünen insgesamt ist, weiß ich nicht -, Euro-Bonds seien der richtige
Weg für Europa. Bei den Sozialdemokraten gibt es offensichtlich einen Sinneswandel. Darüber freue ich
mich, Herr Schneider, Frau Kressl. Das wundert mich
übrigens nicht, weil ich Sie beide als sehr kompetente
Kollegen kennengelernt habe.
Es tut doch Deutschland gut, wenn in dieser Frage
auch die große Sozialdemokratische Partei Deutschlands
zur Vernunft kommt und mit uns gemeinsam die wichtigen europapolitischen Weichenstellungen für die nächsten Jahre vornimmt.
({5})
Es ist ein guter Tag, wenn Sie hier im Bundestag bereit
sind, uns auf dem Weg der Vernunft für Europa zu folgen; das will ich ausdrücklich positiv unterstreichen.
({6})
Ich habe kein Argument für Euro-Bonds gehört. Deswegen bemühe ich mich, den Schülerinnen und Schülern
und den Menschen einmal zu erklären, was die Konsequenzen sind.
Meine Damen und Herren, ich mache es ganz einfach:
Der eine hat eine schlechte Bonität und zahlt 10 Prozent
Zinsen, der andere hat eine gute Bonität und zahlt 2 Prozent Zinsen. Nun nimmt jeder 100 Euro, und sie nehmen
gemeinsam einen Kredit auf. Was ist die Konsequenz?
Vermuten könnte man, sie zahlen im Durchschnitt 6 Prozent Zinsen. Jetzt werden Sie sagen: Nein, der mit der
guten Bonität reißt das raus; deshalb zahlen sie nur
5 oder 4 Prozent Zinsen. Gemeinsam - das ist ja Ihre Argumentation - zahlen sie also möglicherweise weniger
Zinsen, als wenn jeder für sich einen Kredit aufnehmen
würde.
Aber dazu gibt es eine klare Untersuchung für
Deutschland: Deutschland würde mit einer hohen Wahrscheinlichkeit 2 bis 2,5 Prozent mehr Zinsen bezahlen
als heute. Das bedeutet - wir haben alle einmal den Dreisatz gelernt, und wir kennen die Schuldenlast von Bund,
Ländern und Gemeinden - für die Bundesrepublik
Deutschland, dass wir roundabout 50 Milliarden Euro
mehr Zinsen pro Jahr zahlen müssten, wenn der durchschnittliche Zins für deutsche Staatsanleihen durch die
Vergemeinschaftung in Europa um 2 Prozent stiege.
({7})
Wie wollen Sie mit 50 Milliarden Euro mehr Zinslast jemals die Schuldenbremse einhalten? Damit können Sie
5 000 oder 6 000 Schulen bauen, und zwar jedes Jahr.
Ich könnte als Berliner ein bisschen locker sagen: Davon
kann man 15 Flughäfen bauen, pro Jahr. Aber wir - besser gesagt: der Aufsichtsratsvorsitzende - haben in den
letzten zehn Jahren nicht einmal einen geschafft.
({8})
Aber nichtsdestotrotz ist die entscheidende Frage: Wo
liegt ein denkbarer Nutzen der Euro-Bonds? Eines ist
klar: Beim deutschen Steuerzahler, bei den Schülerinnen
und Schülern, die eben auf der Tribüne saßen, liegt der
Nutzen definitiv nicht. Herr Kollege von der Linksfraktion, Sie haben gesagt, wir müssten den Schwachen in
Europa helfen. Damit meinten Sie insbesondere die
schwachen Staaten, nehme ich an. Ich sage Ihnen eines:
Mit Euro-Bonds mögen Sie schwachen Staaten in Europa helfen; aber die Zeche für Euro-Bonds zahlen die
wirtschaftlich Schwachen in Deutschland. Den Banken
und den Wohlhabenden sind die Schulden von morgen
völlig egal.
({9})
Die Zeche zahlen Rentnerinnen und Rentner, Hartz-IVBezieher, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das
wird es mit CDU und CSU weder heute noch in den
nächsten Jahren geben; denn das sind die Menschen, die
in Deutschland die Steuern bezahlen, mit denen wir in
Europa helfen.
Herzlichen Dank.
({10})
Vielen Dank, Kollege Dr. Frank Steffel. Lieber Herr
Kollege Dr. Steffel, es sind nicht nur die hier anwesenden Schülerinnen und Schüler, die die Debatte verfolgen. Die Debatte wird von Phoenix übertragen, und sie
wird zunehmend auch im Internet verfolgt.
({0})
Auch dort sind die Beiträge also aufmerksam verfolgt
worden.
Nächster Redner ist Kollege Dr. Georg Nüßlein für
die Fraktion der CDU/CSU.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Zunächst freue ich mich, dass Kollege Carsten Schneider
klar gesagt hat, dass er keine Euro-Bonds will.
({0})
Ich hoffe, dass das eine tiefere Erkenntnis ist, die auf den
Zusammenhängen beruht, die heute hier ausführlich diskutiert wurden, und nicht nur der Tatsache geschuldet
ist, dass die verfassungsrechtliche Problematik so klar ist
wie selten.
({1})
Ich gestehe Ihnen, Herr Schneider, zu, dass Sie sehr genau wissen, dass die gesamtschuldnerische Haftung, die
sich ergebende gemeinsame Bonität, die gemeinsamen
Zinsen am Ende, so wie gerade vom Kollegen Steffel anschaulich erläutert, dazu führen, dass ein disziplinierendes Element der Märkte, nämlich höhere Zinsen für diejenigen, die mehr Geld ausgeben und höhere Schulden
machen, wegfällt und das der Anreiz für ein Weiter-so
und für noch mehr Schulden wäre.
Nun gebe ich zu, dass es auf den allerersten Blick so
aussieht, dass durch die Euro-Bonds mehr Vertrauen in
die Märkte kommt, weil jeder gesamtschuldnerisch in
vollem Umfang haftet; deshalb muss der Markt im ersten
Moment zufrieden sein. Aber es geht ja weiter: Wenn die
Schulden so wachsen, wie es damit programmiert ist,
dann wird irgendwann der Moment kommen, in dem das
Vertrauen in die Märkte wieder zurückgeht, weil man
sich nicht vorstellen kann, dass alles bedient wird. Dann
haben Sie keine Möglichkeit mehr, irgendetwas zu machen. Denn letztendlich haben Sie dann alles aus der
Hand gegeben, ohne Gegenleistungen zu fordern. Wie
wollen Sie, wenn Sie alles aus der Hand gegeben haben,
die dann noch einfordern? Die Diskussionen, die wir
momentan nicht nur in Griechenland erleben, zeigen,
wie schmerzlich es auf der einen Seite ist, auf den Pfad
der Tugend zurückzukommen,
({2})
und wie dringend notwendig es auf der anderen Seite ist,
das einzufordern und zu erzwingen; denn freiwillig wird
dieser Schritt nicht vollzogen.
Dass das Schuldenmachen dann wieder weitergeht, ist
so offenkundig wie selten; denn die Diskussion über die
Frage, wie man weitere Schulden finanzieren und wieder
Wirtschaftsprogramme auflegen könnte, ist seit der Wahl
Hollandes so virulent wie nie zuvor. Ich möchte deshalb
auf das hinweisen, was jetzt in der Presse steht - das ist
nämlich wichtig -: Franz Müntefering, ein Mitglied der
SPD-Fraktion, hat gesagt, wir sollten nicht zu sehr die
Nähe zu Hollande suchen, nicht zu sehr dessen Weg mitgehen, nicht zu sehr darauf setzen, dass es an dieser
Stelle richtig ist, neue Schulden aufzunehmen, um Wirtschaftsprogramme aufzulegen.
({3})
Es ist doch offenkundig, dass diejenigen, die am
meisten Geld ausgegeben haben, die die größten Haushalte und die höchsten Schulden haben, nicht die bestlaufende Wirtschaft haben. Das Gegenteil ist doch der
Fall. Diese Vorgehensweise hat uns erst in die jetzigen
Schwierigkeiten gebracht. Man tut so, als ob nur die eine
Hälfte des Keynesianismus reichen würde, also Ausgeben in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, während das
Sparen in guten Zeiten unterbleiben könnte. In Demokratien sollte man mit diesem Thema kritischer umgehen.
({4})
Ich gehöre der Enquete-Kommission an, die sich mit
dem Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt. Ich finde es interessant, wie viele
Politiker auf der linken und der grünen Seite dieses Hauses wachstumsskeptisch sind. Sie sagen: Man muss
Wachstum begrenzen; das darf nicht mehr steigen usw. Wenn es um die europäische Schuldenkrise geht, sagen
dieselben Politiker: Jetzt brauchen wir schuldenfinanzierte Wachstumsprogramme.
({5})
Wie passt denn so etwas zusammen? Das ist doch unglaublich.
Ich wünsche mir, dass wir sachlich über die Fragen
diskutieren,
({6})
wie Ursache und Wirkung zusammenhängen und was
man letztlich tun kann, um Europa konjunkturell voranzubringen. Wir Deutschen hätten hier viel zu bieten. Was
bei uns im Bereich der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes stattgefunden hat, ist beispielhaft. Dies könnte manches Problem der europäischen Partner lösen. Auch die
Frage, wie die Rentenpolitik gestaltet wird, muss beantwortet werden. Sie können doch nicht verlangen, dass
die Deutschen mit 67 Jahren in Rente gehen und gleichzeitig diejenigen mitfinanzieren sollen, die mit 60 Jahren
oder früher in Rente gehen wollen.
({7})
Das kann es letztendlich nicht sein.
Auch das Thema Jugendarbeitslosigkeit, das vorhin
angesprochen wurde, muss man von einer anderen Seite
angehen. Hier hilft kein Strohfeuer, da hilft kein Konjunkturprogramm. Hier hilft nur die Einführung einer
dualen Ausbildung, so wie wir sie in Deutschland vorbildlich haben. Bildungspolitisch ist dies nämlich ein Alleinstellungsmerkmal unserer deutschen Wirtschaft.
Ich empfehle dringend, über diese Themen zu reden.
Das macht aus meiner Sicht mehr Sinn. Wir könnten
auch darüber reden, wieso die Verwaltungen anderswo
nicht funktionieren. Dann geht es nämlich gar nicht
mehr darum, einfach nur mehr Steuern einzunehmen,
sondern darum, sie überhaupt erst einmal einzunehmen.
Abschließend: Mich ärgert es maßgeblich, dass beispielsweise Irland über Jahrzehnte Steuerzahler mit
niedrigen Steuersätzen von uns abgeworben hat, man
jetzt aber daherkommt und fordert, den Haushalt Irlands
auszugleichen. Das muss man abstellen.
({8})
Darum sollten wir uns alle gemeinsam und insbesondere
auch die Kommission kümmern.
Vielen herzlichen Dank.
({9})
Vielen Dank, Kollege Dr. Nüßlein. - Letzte Rednerin
unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/
CSU unsere Kollegin Bettina Kudla. Bitte schön, Frau
Kollegin Bettina Kudla.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Lassen Sie mich als letzte Rednerin dieser
Debatte die wesentlichen Punkte zusammenfassen.
Was sind Euro-Bonds? Euro-Bonds sind die Sozialisierung von nationalen Schulden und Risiken auf europäischer Ebene. Die Forderung, Euro-Bonds einzuführen, verwundert. Sie ist verantwortungslos. Sie zeigt
auch, dass SPD und Grüne aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt haben.
({0})
Im Übrigen wurden mehrfach die unterschiedlichen
Blickwinkel einzelner Abgeordneter der gleichen Partei
aus dem Europäischen Parlament und aus dem Deutschen Bundestag angesprochen. Es liegt in der Natur der
Sache, dass die unterschiedlichen Parlamente die Dinge
auch aus einem unterschiedlichen Blickwinkel betrachten. Insofern ist das nicht das zentrale Problem.
Herr Hagemann, Sie hatten nachgefragt, warum unsere Redner nichts zu Projektbonds gesagt haben. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen: In dieser Debatte geht es um die Staatsschuldenfinanzierung. Der
Vorschlag lautet, Staatsschulden mit Euro-Bonds zu
finanzieren. Das ist von Projektbonds zu unterscheiden;
Projektbonds sind etwas ganz anderes. Hierbei handelt
es sich um Finanzinstrumente, mit denen die EU Investitionen finanzieren kann. Dabei geht es um öffentliche
und private Partnerschaften. In erster Linie geht es um
Investitionen, die gegebenenfalls mit Hilfe von Projektbonds finanziert werden sollen. Man sollte die Menschen nicht verunsichern, indem man alles durcheinanderwirft.
Mehrfach wurde heute nach der Position der SPD gefragt. In Vorbereitung meiner Rede habe ich mir die Internetseite der SPD angesehen. Unter der Rubrik „Aktuelles“ definieren Sie genau, was Euro-Bonds sind - ich
zitiere -: Damit der Druck der Märkte erhalten bleibt
und Staaten nicht, wie in der Vergangenheit, Konsum
und Verschuldung über extrem niedrige Zinsen finanzieren, dürfen Euro-Bonds nur einen Teil der Verschuldung
refinanzieren.
Das zeigt: Sie relativieren Ihren Vorschlag zwar, aber
Sie machen ihn dennoch. SPD und Grüne möchten generell und für die Zukunft deutsches Steuergeld für die
Schulden anderer ausgeben, und dies völlig bedingungslos.
({1})
Sie möchten die Marktsignale, die von Zinsspreads ausgehen, abschaffen. Zins ist die einzige automatische
Sanktion des Finanzmarktes, die es gibt. Zins ist Risikoprämie. Wer einen niedrigen Zins zahlen will, der muss
seine Bonität verbessern.
({2})
Der Mechanismus des Zinses ist ein Anreiz für gutes
Wirtschaften. Setzt man diesen quasi natürlichen Mechanismus außer Kraft,
({3})
tritt eine Störung im Wirtschaftssystem ein. Das sind
Grundlagen der Betriebs- und der Volkswirtschaft. Diese
Grundlagen scheinen Ihnen offenbar nicht mehr in Erinnerung zu sein.
({4})
Das zeigte Ihre Rede, Frau Kressl. Sie machen keinen
Unterschied zwischen gesamtschuldnerischer Haftung
und anteiliger Haftung.
({5})
Ihre Argumentation lautet: Weil wir mit den Rettungsschirmen schon Risiken eingegangen sind, sollten
wir doch gleich noch weitere Risiken eingehen,
({6})
indem wir gesamtschuldnerisch haften. Das ist eine
abenteuerliche Argumentation.
({7})
Man kann nicht neue Finanzierungsinstrumente vorschlagen, wenn die notwendigen Voraussetzungen dafür
nicht gegeben sind. Gerade das Beispiel Griechenland
zeigt doch, welche fatalen Folgen eine solche Fehlentscheidung haben kann.
SPD und Grüne senden mit dieser Forderung auch
verheerende Signale an die europäischen Partner.
({8})
Dabei scheinen Sie den Bürger völlig vergessen zu haben. Mit welchem Recht fordern Sie, dass die Bürger für
Schulden anderer Länder haften sollen?
({9})
Mit welchem Recht?
({10})
- Hören Sie bitte zu. - Sie regen sich auf, wenn Familien
mit dem Betreuungsgeld zusätzliches Geld bekommen
sollen. Gleichzeitig schlagen Sie vor, dass Bund, Länder
und Kommunen höhere Zinsen im zweistelligen Milliardenbereich zahlen sollen.
({11})
Das ist völlig verrückt.
Euro-Bonds bekämpfen nicht die Ursachen der Krise.
Die Wettbewerbsfähigkeit ganz Europas würde geschwächt. Euro-Bonds sind keine Lösung; denn EuroBonds ignorieren die Kernprobleme und sind daher abzulehnen.
Das wäre ein schöner Schlusssatz gewesen.
Handeln Sie im Interesse der Menschen, denen Sie
verpflichtet sind, nämlich im Interesse unserer eigenen
Bevölkerung! Arbeiten Sie mit an der Umsetzung des
Fiskalpakts, und lassen Sie die Hände weg von Scheinlösungen, die Deutschland massiv schädigen könnten!
({0})
Vielen Dank, Frau Kollegin. Die Aktuelle Stunde ist
hiermit beendet.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 24. Mai 2012,
9 Uhr, ein und freue mich darauf, Sie alle begrüßen zu
können.
Die Sitzung ist geschlossen.