Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Interfraktionell ist vereinbart worden, den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden
Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische
Einrichtungen auf Drucksache 17/8986 dem Ausschuss
für Arbeit und Soziales nachträglich zur Mitberatung
zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe als Erstes den Tagesordnungspunkt 31 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Joachim Pfeiffer, Nadine Schön ({0}),
Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Martin Lindner ({1}), Claudia
Bögel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Wachstumspotenziale der Digitalen Wirtschaft weiter ausschöpfen - Innovationsstandort Deutschland stärken
- Drucksache 17/9159 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch dagegen? - Das ist offenkundig nicht der
Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler
das Wort.
({2})
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal
danke ich ausdrücklich für den Antrag zum Thema
Chancen der digitalen Wirtschaft. Dieser Antrag macht
eines deutlich: CDU/CSU und FDP sehen in neuen
Technologien keine Bedrohung, sondern zuallererst eine
Riesenchance für die Menschen in unserem Lande.
({0})
Nirgendwo kann man das besser erkennen als im Bereich der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie. Schon jetzt sehen wir enormes Wachstum:
über 840 000 Beschäftigte, 145 Milliarden Euro Umsatz.
Aber was noch viel wichtiger ist: Das, was früher einmal
Webstuhl, Dampfmaschine oder auch Eisenbahn waren,
sind heute eben Computer, Internet und Smartphones.
Wesentlich ist, dass die Dinge miteinander verschmelzen: auf der einen Seite die klassischen Industrien und
auf der anderen Seite die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Hierin stecken die eigentlichen Wachstumspotenziale. So wie es mit der Erfindung
des mechanischen Webstuhls die erste industrielle Revolution gab, mit der maschinellen Produktion die zweite
industrielle Revolution gab und mit der Einführung der
elektronischen Datenverarbeitung die dritte industrielle
Revolution gibt, brauchen wir jetzt die Verknüpfung der
Produkte und Maschinen mit dem Internet, das Internet
der Dinge, und genau dafür setzt sich diese Regierungskoalition ein, für eine Industrie 4.0.
({1})
Wir wollen eine moderne Wirtschaft, die Informationsund Kommunikationstechnologien umfassend einsetzen
kann. Darin stecken große Chancen für die Volkswirtschaft in unserem Lande.
({2})
Wenn wir die Chancen nutzen wollen, müssen drei
wesentliche Voraussetzungen erfüllt werden:
Erstens: eine gut ausgebaute Infrastruktur, also ein
Breitbandnetz in Deutschland.
({3})
Zweitens: eine kluge, eine richtige Regulierung dieser
neuen digitalen Welt.
Drittens: eine andere Grundeinstellung, eine andere
Geisteshaltung, wie wir mit Technologien, wie wir mit
Innovationen in Deutschland umgehen.
Was den ersten Bereich angeht, ist schon einiges geschafft. Schon heute hat die Hälfte der Menschen einen
Internetanschluss mit mehr als 50 MBit/s. Gerade ist im
Deutschen Bundestag und im Bundesrat die Telekommunikationsnovelle verabschiedet worden; dem voraus
gingen Beratungen im Vermittlungsausschuss. Mit dieser Novelle sind die besten Voraussetzungen für einen
noch schnelleren Ausbau des Breitbandnetzes in
Deutschland geschaffen worden.
Es gibt künftig dauerhaft und langfristig angelegte
und damit planbare Anreizregulierungen im Bereich des
Netzausbaus. Wir erleichtern künftig die Nutzung auch
klassischer Infrastrukturen wie Leerrohre. Auch die Investitionsbedingungen werden deutlich verbessert, etwa
wenn sich mehrere Investoren zusammenfinden.
Diese Anreize sind für uns das Entscheidende. Die
Herausforderungen sind groß. Bis zum Jahr 2018 wollen
wir eine flächendeckende Versorgung von Anschlüssen
mit mehr als 50 MBit/s erreichen. Wenn wir diese Anschlüsse haben wollen, dann müssen wir ordnungspolitisch weiter auf die guten Grundsätze der sozialen
Marktwirtschaft setzen. Das heißt, die Politik setzt den
richtigen Rahmen, aber nur die Wirtschaft wird in der
Lage sein, diesen Rahmen vernünftig auszufüllen.
({4})
Gerade angesichts dieser großen Herausforderungen
dürfen wir die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft
auch in der digitalen Welt nicht aufgeben.
({5})
Das Zweite ist die Regulierung. Wir brauchen eine
Regulierung, die den Unternehmen und den Menschen
die Chance gibt, in der digitalen Welt zu investieren. Es
muss klar sein, dass es eine Verlässlichkeit im Sinne von
Planungssicherheit und auch Refinanzierungsmöglichkeiten gibt. Gleichzeitig darf die Regulierung nicht dazu
führen, dass Kreativität, Schaffenskraft oder Unternehmertum im Keim erstickt werden.
Das beste Beispiel ist die Diskussion über die Cookieregeln, die wir im vergangen Jahr auch mit der EUKommission geführt haben. Wenn man Cookies so behandelt wie personenbezogene Daten und sie auch den
gleichen Datenschutzvorgaben unterwirft, dann wird das
im Ergebnis dazu führen, dass jegliches Geschäftsmodell
in Deutschland und in Europa von vornherein zunichtegemacht wird, weil man dann womöglich bei jedem
Klick auf eine Internetseite sein Einverständnis geben
muss. Das macht man vielleicht zwei- oder dreimal, und
dann hat man die Nase voll.
Deswegen war die Entscheidung richtig, zu sagen,
dass Cookies nicht automatisch personenbezogene Daten enthalten. Deswegen müssen in diesem Zusammenhang dann andere, weniger hohe Datenschutzvorschriften gelten, als wenn es sich um personenbezogene Daten
handelt. Das heißt, man muss immer die richtige Balance
zwischen dem Datenschutzbedürfnis der Menschen auf
der einen Seite und unternehmerischen Chancen und
Wachstumsmöglichkeiten im Internet auf der anderen
Seite finden.
({6})
Nun ist eine Regelung gefunden worden. Eine Regelung muss auch in anderen Bereichen gefunden werden.
Sonst wird es nicht gelingen, die Wachstumspotenziale,
die uns die digitale Welt bietet, zu heben. Wir werden die
Diskussion über Leistungsschutzrecht, aber auch über
Maßnahmen im Kampf gegen Internetpiraterie führen
müssen.
Das ist auch, aber nicht nur eine Aufgabe der Politik.
Um es hier einmal ganz klar zu sagen: Wir erwarten natürlich zuallererst von der Wirtschaft, dass sie Geschäftsmodelle entwickelt, die von vornherein Piraterie verhindern. Allein nach dem Gesetzgeber, nach dem Staat zu
rufen, das wäre der falsche Weg. Wenn es darum geht,
Internetpiraterie zu verhindern, sehen wir zunächst einmal die Wirtschaft in der Verantwortung.
({7})
Das Dritte ist die Frage der Grundhaltung: Wie stehen
wir den neuen Technologien gegenüber? Schauen Sie
sich einmal die Branche an: junge, hochmotivierte,
hochengagierte und enorm kreative Start-ups. Wenn
diese Start-ups unternehmerisches Wachstum generieren
wollen, brauchen sie zuallererst neue Fachkräfte.
Deswegen war es richtig, dass gerade in dieser Woche
die Regierungskoalition eine gute Lösung für die qualifizierte Zuwanderung in den ersten Arbeitsmarkt gefunden hat. Gerade die IT-Branche braucht eine qualifizierte
Zuwanderung. Das ist ein guter Beitrag, um Start-ups
eine echte Hilfe beim unternehmerischen Wachstum mit
auf den Weg zu geben.
({8})
Diese jungen Unternehmen brauchen auch ausreichendes Kapital. Wir haben den High-Tech Gründerfonds und weitere Gründungsfördermaßnahmen. Wenn
wir die kreativen Unternehmen weiter fördern wollen,
dann brauchen wir mehr Risikokapital und Menschen,
die bereit sind, Risikokapital für diese jungen Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
Deswegen plant die Bundesregierung, die Möglichkeiten zur Bereitstellung von Risikokapital in Deutschland zu verbessern. Bei den Verlustvorträgen brauchen
wir bessere Regelungen. Wir brauchen mehr Steuertransparenz. Außerdem ist die Umsatzsteuerbenachteiligung von deutschen Venture-Capital-Fonds im Vergleich
zu französischen und anderen europäischen Venture-Capital-Fonds immer noch deutlich zu groß. Wer das
Wachstum junger Unternehmen in der Internetbranche
fördern will, der muss auch für Risikokapital sorgen.
Das haben wir uns in dieser Regierungskoalition gemeinsam zur Aufgabe gemacht.
({9})
Es geht aber nicht nur um den Aufbau der Infrastruktur, die Regulierung oder auch die Finanzierung, sondern
es kommt auch auf die Grundhaltung an. Es geht grundsätzlich um die Frage: Wie gehen wir mit neuen Technologien um? Hier wurden in der Vergangenheit in anderen
Branchen Fehler gemacht, die wir gerade in der digitalen
Welt nicht wiederholen dürfen.
Bestes Beispiel ist die Biotechnologie. Hier gibt es
eine neue Chance, neue Forschung, neue Ideen, Innovationen und auch Kreativität. Es gibt aber auch die Fortschrittsskeptiker und Fortschrittsverweigerer, die eine
ganze Industriebranche zunichtegemacht haben, was im
Ergebnis dazu geführt hat, dass große Unternehmen ihre
Biotechnologieforschung längst aus Deutschland heraus
verlagert haben. Diesen Fehler dürfen wir nicht noch
einmal machen, schon gar nicht in der digitalen Welt.
({10})
Bei der Nanotechnologie deutet sich so etwas an.
Deswegen muss man hier gleich sagen: Wir müssen fortschrittsoptimistisch sein. Wir müssen eher die Chancen
sehen als die Risiken. Darin unterscheiden wir uns in
dieser Koalition von der Opposition, die im Zweifel immer erst die Risiken sieht und vor Gefahren warnt.
({11})
Gerade die Grünen, die den Kopf schütteln, haben doch
immer irgendetwas gegen etwas Neues, ob Autobahnen,
Infrastruktur oder gerade die modernen Kommunikationsformen.
({12})
- Die ollen Kamellen, Frau Kollegin, stecken bei den
einzelnen Kollegen vor allem zwischen den Ohren, nämlich im Kopf, weil sie so technologiefeindlich sind. Das
behindert das Wachstum der modernen Telekommunikationsunternehmen.
({13})
- Im Gegenteil? Es war doch Ihr Herr Kuhn, der im letzten Jahr die Diskussion mit Christian Lindner geführt
und verloren hat; denn Christian Lindner hat noch einmal daran erinnert, dass Herr Kuhn, der heute übrigens
nicht anwesend ist, vor den ökologischen und sozialen
Gefahren moderner Kommunikationsformen gewarnt
hat, etwa vor Bildschirmtext und ISDN-Telefonen.
({14})
Wir sind zum Glück einen Schritt weiter. Wir werden
diese Wachstumspotenziale nur dann heben können,
wenn wir in den Bereichen Infrastruktur, Regulierung
und auch Finanzierung die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Das ist aber nur dann möglich, wenn wir
technologieoffen an die neuen Kommunikationsformen
herangehen.
({15})
Wir sind dazu bereit. Der vorliegende Antrag zeigt
genau das. Wir wollen die Chancen, die uns die digitale
Wirtschaft bietet, gemeinsam nutzen, durch eine Grundhaltung, die fortschrittsoptimistisch ist, und eine Einladung an die jungen kreativen Menschen, die sich in diesem Bereich niederlassen und ein Unternehmen gründen
wollen. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen
der Regierung und der Opposition. Die Menschen gerade in der digitalen Welt können sich auf diese Regierungskoalition verlassen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({16})
Das Wort hat jetzt der Kollege Garrelt Duin von der
SPD-Fraktion.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Der Minister hat interessanterweise mehrfach darauf hingewiesen, dass es um die Grundhaltung
und darum gehe, die Potenziale und Chancen, die im Bereich der digitalen Wirtschaft vor uns liegen, ehrlich zu
benennen. In der Tat schreitet die Digitalisierung der
Volkswirtschaft massiv voran. Damit sind enorme Chancen verbunden.
Die Arbeitsbedingungen der Menschen verändern
sich aufgrund der Digitalisierung. Wir erleben, dass
viele kleine und mittelständische Unternehmen die
Chancen nutzen und dass sich junge Menschen selbstständig machen, was wir ausdrücklich begrüßen; aber
gleichzeitig wird deutlich, dass die Menschen Sicherheit
im Umgang mit dem Netz wollen. Genauso wie die Unternehmen wollen sie aber auch Planungssicherheit. Es
wäre gut gewesen, sehr geehrter Herr Minister, liebe Koalitionsfraktionen, wenn Sie in Ihrem Antrag „Wachstumspotenziale der Digitalen Wirtschaft weiter ausschöpfen“ auch darauf eingegangen wären.
Aber es setzt sich fort, was wir in den letzten zwei bis
zweieinhalb Jahren in vielen anderen Politikbereichen
erlebt haben, ob beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz, beim Haushaltsbegleitgesetz, bei der Luftverkehr20474
steuer, bei dem Hü und Hott in der Energiepolitik oder
vielem anderen mehr. Die Reihe ließe sich noch viel
weiter fortsetzen. Sie kündigen an, aber konkrete
Schritte lassen Sie vermissen. Das wird hier heute wieder deutlich.
({0})
Gehen wir einmal die einzelnen Themen durch. Wie
ist denn Ihre Bilanz, zum Beispiel beim Breitbandausbau? In der Breitbandstrategie der Bundesregierung
haben Sie das Ziel formuliert, bis Ende 2010 eine flächendeckende Breitbandgrundversorgung mit einer Geschwindigkeit von 1 MBit/s zu schaffen.
({1})
Dieses Ziel, so müssen wir feststellen, haben Sie verfehlt.
Sie sagen heute hier - Sie betonen es noch einmal -,
dass das zweite Ziel der Bundesregierung sei, bis zum
Jahr 2014 eine Versorgung von 75 Prozent der Haushalte
mit mindestens 50 MBit/s zu realisieren. In Ihrem eigenen Monitoringbericht zur Breitbandstrategie wird festgestellt, dass die Ausbauanstrengungen deutlich zu
verstärken seien, um dieses Ziel zu erreichen. Jeder
Fachverband bestätigt Ihnen und der deutschen Öffentlichkeit, dass Sie von diesem Ausbauziel meilenweit entfernt sind und dieses Ziel erneut verfehlen werden,
({2})
weil - das ist der zweite Punkt - Investitionen bei Ihnen
eine untergeordnete Rolle spielen.
Wir haben eine überall spürbare Investitionsschwäche. Jeder internationale Vergleich belegt das. Ich zitiere
jetzt einmal den IWF. Die IWF-Experten stellen einen
erheblichen Mangel an Investitionen in Deutschland
fest, was die Wachstumsprobleme verschärfe. Der IWF
sagt, Deutschlands Industrie stecke zu wenig Geld in
neue Fabriken und Maschinen; bei der Infrastruktur
fahre die Bundesrepublik seit langem auf Verschleiß; die
Regierung investiere jedes Jahr zu wenig in Straßen,
Brücken, Schienen, Kanäle oder eben auch das Breitband, um auch nur den Bestand zu wahren. Das ist die
Feststellung von außen.
Man liest Ihren Antrag ganz genau. Man hofft, dass es
irgendwo vorkommt, aber - Sie haben es selber wahrscheinlich gar nicht gemerkt - das Wort „Investitionen“
taucht in Ihrem Forderungsteil kein einziges Mal auf. Sie
vergessen es schlichtweg. Das ist angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, skandalös.
({3})
Das Dritte ist: Wir brauchen Forschung und Entwicklung. Darüber reden Sie schnell. Wenn wir gemeinsam
bei Veranstaltungen sind - diese Woche mit Professor
Riesenhuber und dem stellvertretenden Vorsitzenden der
CDU/CSU-Fraktion -, erfahren wir anderes. Da wurde
gesagt: Wir müssen mehr für Forschung und Entwicklung tun. Da wäre zum Beispiel die steuerliche Forschungsförderung ein wichtiges Instrument. Dann ist zu
Recht der Zwischenruf gekommen: Wer regiert denn
hier eigentlich seit zweieinhalb Jahren? Es steht doch alles in der Koalitionsvereinbarung, aber es wird nicht umgesetzt; es wird immer nur angekündigt.
({4})
Der vierte Punkt ist ebenso dramatisch. Es nützt
nichts, wenn Sie darüber sprechen, dass wir Fachkräfte
brauchen; Sie müssen auch ein konkretes Programm vorlegen, wie wir Potenziale im Bereich der MINT-Berufe
heben können und wie eine solche Initiative aus der Politik heraus gemeinsam mit den Unternehmen, mit den
Unternehmern, mit gesellschaftlichen Gruppen aussehen
kann, eben eine Initiative für mehr Technikfreundlichkeit, für mehr Technikoffenheit.
Das würden wir gern gemeinsam auf den Weg bringen. Inzwischen ist es so, dass aus dem Umfeld der Unternehmer viele auf uns zukommen und sagen: Da ist
eine richtige Idee. Wir wollen das mit der Opposition besprechen;
({5})
denn in der Regierung haben wir keinen Ansprechpartner, um eine solche Initiative zu starten.
({6})
Sie haben über Grundhaltungen gesprochen, Herr
Minister, und haben, wie üblich, die Rolle des Staates
wie folgt beschrieben: Er soll maximal vielleicht einmal
ein Gesetz machen, aber muss ansonsten untätig bleiben. Was sagt der Verband BITKOM zum Beispiel zu Ihren
Grundvorstellungen? Er sagt: Im Bereich IKT ist eine
klare ressortübergreifend abgestimmte Richtung, ein
Kompass der Politik in der digitalen Welt trotz aller Strategie der Bundesregierung kaum zu erkennen.
Der BDI veröffentlicht zu diesem Thema unter der
Überschrift „Der Wettbewerb allein wird es nicht richten“. Dieser Feststellung kann man sich nur anschließen.
Wir haben es beim Breitband, bei der Digitalisierung der
Wirtschaft mit einem Bereich zu tun, in dem es der Wettbewerb allein eben nicht schaffen kann, sondern der
Staat mit seinen unterschiedlichen Initiativen, mit unterschiedlichen Institutionen tätig werden muss, damit wir
im internationalen Vergleich Schritt halten können und
damit der Ausbau der Infrastruktur vorangeht. Was nützt
es denn, hier am Pult darüber zu schwadronieren, was
man alles machen könnte, wenn gleichzeitig in vielen
Teilen Deutschlands kleine und mittelständische Unternehmen, Zulieferbetriebe keinen schnellen Internetzugang haben und deswegen aus ihrer wirtschaftlich guten
Position Schritt für Schritt herausgedrängt werden? DaGarrelt Duin
gegen müsste man doch etwas tun, Herr Minister, man
darf nicht nur immer ankündigen.
({7})
Aber ich will ganz deutlich sagen: Wenn der Staat
kleinen, neuen Unternehmen, Start-ups, helfen, unter die
Arme greifen kann, dann befürworten wir dieses ausdrücklich. Es gibt dafür entsprechende Instrumente, zum
Beispiel bei der KfW. Ich nenne Ihnen in diesem Zusammenhang nur ein Beispiel: Es gab seinerzeit in Nordrhein-Westfalen eine Firma im Bereich Internet und Digitalisierung, die sich Moomax nannte - ich weiß nicht
genau, wie sich der Name ausgesprochen hat - und
30 000 Euro Eigenkapital hatte. Sie hat sich damals mit
viel Euphorie auf den Weg gemacht und einen Unterstützungskredit der KfW in Höhe von 1,2 Millionen Euro
bekommen,
({8})
weil sie offensichtlich eine Perspektive hatte. Ein Jahr
später war dieses Unternehmen pleite. So etwas kommt
vor, trotzdem sollten wir diese Instrumente künftig beibehalten, um jungen Leuten, die den Mut haben, sich
selbstständig zu machen, unter die Arme zu greifen.
Ich will aber mit dieser Geschichte auf etwas ganz anderes hinaus: Der Gründer dieser Firma, die dann pleitegegangen ist, der diesen Förderkredit der KfW in Höhe
von 1,2 Millionen Euro in Anspruch genommen hat, war
ein gewisser Christian Lindner, der mit Ihnen gemeinsam Worte wie „mitfühlender Liberalismus“ geprägt hat.
({9})
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Rösler,
diese Verlogenheit kreiden wir Ihnen an:
({10})
Auf der einen Seite haben Sie selbst, ganz individuell,
überhaupt keine Hemmungen, entsprechende Unterstützungen in Millionenhöhe durch die KfW in Anspruch zu nehmen, und auf der anderen Seite, wenn es
um 11 000 Frauen in diesem Land geht,
({11})
zeigen Sie ein ganz kaltes Herz, tun nichts und sagen:
Das ist uns egal.
({12})
Das ist die Verlogenheit, die Sie hier regelmäßig an den
Tag legen.
({13})
Sie stellen sich hier hin und verteidigen vermeintliche
ordnungspolitische Grundsätze.
({14})
Herr Kollege Duin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Nein, danke, auch nicht vom Namensvetter.
Sie verteidigen hier Ihre längst der Vergangenheit angehörenden ordnungspolitischen Grundsätze und machen gleichzeitig ein ganz mieses, doppeltes Spiel; denn
Sie haben uns noch am Mittwoch im Ausschuss einen
Bericht zu diesem Thema gegeben und gesagt, selbstverständlich wäre das Bundesministerium bereit, zu helfen,
indem es bei der KfW entsprechend aktiv wird und bei
der Notifizierung in Brüssel Unterstützung leistet. All
das sind verlogene Aussagen gewesen. Sie, Herr Rösler,
sind nämlich unfähig zur Empathie.
({0})
Sie sind nicht in der Lage, sich vor 11 000 Beschäftigte
zu stellen und mit ihnen darüber zu sprechen, was das
für ihr individuelles Schicksal bedeutet. Dass Sie zurzeit
als FDP-Vorsitzender völlig überfordert sind, sieht man
im Saarland, das werden wir auch in NRW und Schleswig-Holstein sehen; das wird jeden Tag deutlich.
({1})
Aber das Schlimme ist, dass Sie gleichwohl gemeinsam mit Herrn Lindner noch von einem mitfühlenden Liberalismus reden, während jeder sieht: Das ist die kalte
Arroganz der Macht. Die gehört in diesem Land nicht
länger in die Bundesregierung und schon gar nicht in irgendwelche Landesregierungen.
Herzlichen Dank.
({2})
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Martin Lindner das Wort.
Kollege Duin,
({0})
im letzten Jahr sind in Deutschland etwa 30 000 Insolvenzen zu verzeichnen gewesen. Wenn wir einmal davon
ausgehen, dass im Durchschnitt etwa fünf Mitarbeiter
pro Unternehmen davon betroffen waren, dann sind das
150 000. Wo waren denn Herr Beck, Herr Schmid und
alle anderen, die sich jetzt hier auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Schlecker profilieren wol20476
Dr. Martin Lindner ({1})
len und wichtig machen, als diese 150 000 betroffenen
Mitarbeiter, diese 30 000 Unternehmen Hilfe brauchten?
Kein einziger Ihrer Ministerpräsidenten, kein einziger
Ihrer Wirtschaftsminister war da.
({2})
Das geht bei Ihnen nur nach Gutsherrenart. Wenn das
Unternehmen groß genug ist und Propaganda für die
SPD verspricht, dann stehen Sie vor den Werkstoren.
Die Handwerksbetriebe und die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die wenige Mitarbeiter beschäftigen, sind Ihnen nicht groß genug. Deren Mitarbeiter
müssen wie jeder andere zur Arbeitsagentur gehen. So
läuft das bei Ihnen - nach Gutsherrenart.
Das ist genauso wie damals bei Philipp Holzmann. Da
hat sich der große Meister mit „Gerhard! Gerhard!“-Rufen feiern lassen. Trotzdem ist das Unternehmen pleitegegangen. Mit den Steuergeldern der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter von kleinen und mittleren Betrieben
wollen Sie Propaganda machen. Das ist schäbig und
nicht das, was wir machen. Wir vertreten das Gesetz.
({3})
Wenn Sie glauben, dass das Insolvenzrecht in Deutschland nicht ausreicht, wenn Sie glauben, dass man Transfergesellschaften braucht, dann werden Sie initiativ,
damit allen Mitarbeitern geholfen werden kann, unabhängig von der Größe des Unternehmens.
({4})
Machen Sie es nicht nach Gutsherrenart und nicht davon
abhängig, wie groß Ihre Show wird. Das vertreten wir,
das ist vernünftig, das ist anständig und fair gegenüber
allen Beschäftigten in deutschen Betrieben.
Herzlichen Dank.
({5})
Zur Erwiderung, Kollege Duin.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Kollege Lindner, Sie
und Ihre Kolleginnen und Kollegen - ein Abgeordneter,
der aus meiner Region kommt, sitzt direkt hinter Ihnen sind immer dabei, wenn wir Abgeordnete uns in unseren
Wahlkreisen sehr engagiert dafür einsetzen, dass kleinen
und mittelständischen Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten, geholfen werden kann. Jeder von Ihnen
weiß - es müssen nicht immer Ministerpräsidenten dabei
sein -, dass wir uns in den Wahlkreisen sehr oft parteiübergreifend zusammensetzen und überlegen, ob man
mit Landesbürgschaften, mit Landesförderbanken oder
mit den Instituten vor Ort etwas für Unternehmen machen kann, die eigentlich auf einem guten Weg sind und
vielleicht nur eine Durststrecke durchzumachen haben.
Im Fall der Fälle überlegen wir lokale Abgeordnete
mit der Agentur für Arbeit und auch mit den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften, ob die Einrichtung einer Transfergesellschaft ein Thema ist oder nicht.
Das ist es nicht in jedem Fall. Aber in dem konkreten
Fall gestern wäre die Mehrheit der Bundesländer bereit
gewesen, etwas zu tun. Es ist an drei Ländern, in denen
Sie Verantwortung tragen, gescheitert. Das ehrliche politische Bemühen, eine Perspektive für die Beschäftigten
zu finden, ist an Ihnen gescheitert,
({0})
obwohl Bürgschaften und Transfergesellschaften - das
wissen Sie genauso gut wie ich - in der Wirtschaft zum
täglichen Geschäft gehören. Es geht nicht darum, dass
der Staat der bessere Unternehmer sei oder ähnliche Behauptungen, die Sie uns immer unterstellen. Es geht
auch nicht darum, dass wir uns in jedem Fall einbringen
können, um eine Insolvenz zu verhindern. Das, was Sie
hier gemacht haben, macht allen Menschen in Deutschland eines klar: Es geht Ihnen um ordnungspolitische
Prinzipienreiterei. Die Menschen, die davon betroffen
sind, sind Ihnen egal. Das ist die Politik des kalten Herzens, die Ihnen zum Verhängnis wird, und zwar zu
Recht.
({1})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Nadine Schön von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich möchte wieder auf das Thema zurückkommen, über das wir heute Morgen eigentlich reden
wollten.
({0})
Es ist ein Thema, das nicht nur unser Leben völlig verändert hat, sondern auch einer der Wachstumsmotoren der
deutschen Wirtschaft ist.
Lieber Kollege Duin, so wichtig das andere Thema
ist, so wichtig wäre es gewesen, dass Sie unserem
Thema Ihre ganze Redezeit geschenkt hätten, anstatt
sich nach der Hälfte Ihrer Redezeit dem anderen Thema
zu widmen.
({1})
Deshalb will ich das jetzt wieder tun.
Es genügen wenige Zahlen, um die Bedeutung der digitalen Wirtschaft in Deutschland deutlich zu machen.
Schon heute trägt die IT-Branche mit 75 Milliarden
Euro, das heißt mit 3 Prozent, zum Bruttoinlandsprodukt
bei. Sie bietet mehr als 800 000 Menschen Arbeitsplätze
und - das ist besonders bemerkenswert - verzeichnet ein
jährliches Wachstum von 8 Prozent. Die Wachstumspotenziale liegen allerdings nicht nur in der digitalen
Wirtschaft selbst, sondern vor allem in den klassischen
Branchen: im Maschinenbau, in der Automobilindustrie,
Nadine Schön ({2})
in der Gesundheitswirtschaft. Überall hier können durch
Digitalisierung große Wachstumseffekte erzielt werden.
Die Politik muss diese Entwicklung fördernd begleiten. Sie muss die richtigen Rahmenbedingungen setzen,
um einen fruchtbaren Nährboden zu bilden für Innovationen und für den globalen Erfolg der digitalen Wirtschaft. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört zum einen
die Infrastruktur. Ein umfassendes und effizientes Netz
von Breitbandverbindungen ist die Basis dafür, dass
überall in unserem Land Innovationen entstehen können
und dass die Leistungen von IT überall in unserem Land
genutzt werden können.
Beim Breitbandausbau sind wir auf einem guten Weg;
Minister Rösler hat das dargestellt. Wir müssen aber darauf achten, dass der ländliche Raum von dieser Entwicklung nicht abgekoppelt wird.
({3})
Außerdem dürfen wir die Bedürfnisse des Marktes nicht
aus den Augen verlieren. Schon bald werden nämlich
50 MBit/s und mehr notwendig sein, um den Bedürfnissen der Firmen und Verbraucher gerecht zu werden, und
zwar überall. Daran gilt es zu arbeiten; das kürzlich verabschiedete Telekommunikationsgesetz bietet dafür die
nötige Voraussetzung.
Der zweite wichtige Faktor sind die Fachkräfte.
Schon heute fehlen der IT-Branche nach eigenen Angaben über 30 000 Fachkräfte. Wir wissen: Das Problem
beginnt bereits beim mangelnden Interesse für Technik
gerade bei jungen Leuten. Das ist eigentlich eine paradoxe Situation; denn Tablets, Apps und moderne Technik findet jeder hip und spannend. Jeder nutzt diese Produkte täglich; aber die IT, die dahintersteckt, interessiert
kaum jemanden.
Dabei sind Medien- und Technikkompetenz heute
mindestens genauso wichtig wie Fremdsprachen. In allen Branchen - im Maschinenbau und der Automobilindustrie, aber auch auf dem Bildungs- und Gesundheitssektor - werden wir in Zukunft IT brauchen; deshalb
werden wir auch Fachkräfte brauchen, die etwas von IT
verstehen. In meinen Augen gehört daher die IT-Kompetenz in jeden Lehrplan, in jeden Ausbildungsplan und
auch in jedes Studiencurriculum.
({4})
In den Schulen müssen wir Interesse für Technik wecken, in den Hochschulen müssen wir für das Unternehmertum werben. Das ist zum einen die Aufgabe des Bildungssystems, das ist zum anderen auch die Aufgabe der
Unternehmen selbst. Deshalb kann ich nur an die Unternehmen appellieren: Gehen Sie in die Schulen, tragen
Sie das, was Sie antreibt - Ihren Unternehmergeist, Ihr
technisches Verständnis -, an die jungen Leute heran.
Stecken Sie sie mit Ihrer Begeisterung an; denn hier finden Sie die Fachkräfte, die Sie in Zukunft brauchen werden.
({5})
Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir diejenigen nicht verlieren, die bereits Interesse an diesem
Thema haben. Deshalb müssen wir uns fragen, was es
mit den hohen Abbrecherquoten in den IT-bezogenen
Studien- und Ausbildungsgängen auf sich hat. Können
wir es uns wirklich leisten, jeden zweiten bis dritten Informatikstudenten zu verlieren? Können wir es uns leisten, dass sich so wenige junge Frauen für diese Fächer
interessieren?
Einiges hat sich schon verbessert - wir arbeiten weiter daran -, aber wir dürfen in unseren Anstrengungen
nicht nachlassen. Das gilt auch für das Bemühen um
Fachkräfte aus dem Ausland. Das Gesetz zur Gewinnung ausländischer Fachkräfte wird dabei ein wichtiger
Baustein sein. Unser Ziel muss es sein, im In- und Ausland kluge Köpfe für die IT zu gewinnen; denn Fachkräfte für die digitale Wirtschaft werden dringend gebraucht.
({6})
Außerdem brauchen wir Investitionen in Forschung
und Entwicklung. Herr Kollege Duin, Sie haben kritisiert, es gebe in Deutschland zu wenige Investitionen.
Das Gegenteil ist der Fall.
({7})
In den letzten sechs Jahren wurden allein die Ausgaben
des Bundes für Forschung und Entwicklung um 42 Prozent gesteigert.
({8})
Wir reden also nicht nur, sondern wir tun auch etwas.
({9})
Wir unterstützen Forschung und Entwicklung durch
Projektförderungen, etwa durch die Programme ZIM
oder Trusted Cloud. Wir unterstützen Gründungen in der
IT-Branche, zum Beispiel durch das Programm EXIST.
Wir unterstützen Firmen in der Gründungs- und in der
ersten Wachstumsphase, zum Beispiel durch den HighTech Gründerfonds.
Mit all diesen Programmen helfen wir jungen, innovativen Menschen, ihre Ideen umzusetzen, die Selbstständigkeit zu wagen und Unternehmen zu gründen.
Diese Gründungen brauchen wir; denn nur so entstehen
aus den vielen Ideen, die es in unserem Land gibt, Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Auch Unternehmen wie
SAP haben einmal klein angefangen. Insofern können
wir auf die gute Gründerkultur in Deutschland stolz sein,
die wir auch politisch unterstützen.
({10})
Was in Deutschland noch fehlt, ist Wachstumskapital.
Denn in der Wachstumsphase brauchen Unternehmen
eben mehr als das, was staatliche oder halbstaatliche
Fonds leisten können. Hier hilft nur privates Kapital,
klassisches Venture Capital. Davon gibt es in den meisten Nationen deutlich mehr als bei uns, in den USA zum
Nadine Schön ({11})
Beispiel gut 100-mal mehr: das 100-fache Kapital, mit
dem Unternehmen wachsen, mit dem sie Innovationen
umsetzen und damit Arbeitsplätze schaffen können, 100mal mehr Investitionen in die Zukunft. Wir müssen Anreize dafür schaffen, dass in Deutschland mehr privates
Kapital in unsere Unternehmen investiert wird, und
diese Anreize etwa durch die Möglichkeiten des Erhalts
von Verlustvorträgen, durch Umsatzsteuerbefreiung von
Management Fees und durch steuerliche Transparenz
von Beteiligungsfonds verstärken. Die Ideen liegen auf
dem Tisch. Noch in diesem Jahr wollen wir sie umsetzen.
({12})
Wir wollen Business Angels besser unterstützen, etwa
mit einem Zuschusssystem; denn wir wissen: Business
Angels sind wertvolle Helfer für junge Unternehmen,
weil sie eben nicht nur Geld investieren, sondern auch
mit ihrem Know-how, ihrem Netzwerk und ihrer Erfahrung helfen und unterstützen. Das sind die Stellschrauben; auch die Branche bestätigt uns, dass dies die
Knackpunkte sind.
Kollege Duin, Sie haben die steuerliche Forschungsförderung angesprochen. Das ist ein Projekt, das wir alle
unterstützen. Die SPD hat es in ihrer Regierungszeit leider nicht umgesetzt. Wir haben uns der Haushaltskonsolidierung verpflichtet. Wir sagen Ihnen aber auch: Sobald es der Haushalt zulässt, werden wir die steuerliche
Forschungsförderung angehen; denn sie ist ein wichtiger
Baustein für das Innovationsland Deutschland.
({13})
Wir brauchen auch gute rechtliche Rahmenbedingungen. Minister Rösler hat bereits das Thema Datenschutz
angesprochen; darüber werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt debattieren. Wir setzen uns für eine EUDatenschutzrichtlinie ein, die zum einen das hohe
Schutzniveau garantiert, das wir in Deutschland haben
und das Vertrauen schafft; gleichzeitig wollen wir aber
die deutschen Unternehmen wettbewerbsfähig halten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles ist ein guter Nährboden für Innovationen. Was wir zudem brauchen, ist ein Klima, in dem Innovationen entstehen können. Denn haben wir eine Gesellschaft, die auf neue
Entwicklungen neugierig ist, die für Innovationen offen
ist und die bereit ist, sich Neuem zu öffnen, ist das eine
gute Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Zu dieser offenen Gesellschaft können wir alle beitragen. So
werden wir es schaffen, dass die digitale Wirtschaft in
Deutschland ihre Potenziale voll entfalten kann. Hier
können wir alle mithelfen.
Vielen Dank.
({14})
Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin
Halina Wawzyniak das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Das Internet ist
nicht nur Motor für Wachstum und Beschäftigung; das
Internet ist vor allem ein Kulturraum, ein Kulturraum für
die Freiheit von Wissen und Information, ein Kulturraum für freie Kommunikation. Das Internet sollte daher
aus unserer Sicht in erster Linie ein Kulturraum der
Menschen sein und kein Spielplatz für große Unternehmen und Konzerne.
({0})
Diese Erkenntnis ist nicht neu; sie ist nur leider noch
nicht bei allen angekommen. Wir betrachten das Internet
nicht einseitig als Wirtschaftsraum. Die gesellschaftliche
und politische Bedeutung des Internets steht für uns im
Vordergrund. Die gesellschaftlichen Innovationspotenziale sind also entscheidend.
({1})
Wir streiten für einen Zugang zum Netz für alle Menschen, unabhängig von Alter, Einkommen oder Bildungsgrad. Doch dazu enthält Ihr Antrag nicht ein einziges Wort, und das ist beschämend.
({2})
Dabei sind Zugang für alle und Förderung digitaler Innovationen kein Gegensatz; sie ergänzen sich. Eine Voraussetzung wäre ein wirklicher Ausbau von schnellen Internetzugängen im ganzen Land. Noch heute ist es in
unzähligen ländlichen Gemeinden nahezu unmöglich,
einen Internetanschluss mit mehr als 2 MBit/s zu bekommen. Der Breitbandatlas der Bundesregierung zeigt
das Dilemma ganz deutlich. Doch die Bundesregierung
schaut tatenlos zu, und die Breitbrandstrategien beschränken sich darauf, die Ausbauziele immer weiter in
die Zukunft zu verschieben.
Doch jetzt kommt die Koalition. Sie fordert von der
Bundesregierung - ich zitiere -, „die … noch bestehende
Unterversorgung von Gebieten im ländlichen Raum im
Auge“ zu behalten.
({3})
Da sage ich nur: Vielen Dank! Das hilft den Menschen
im ländlichen Raum kein Stück weiter. Sie werden in
den nächsten Jahren wohl immer noch auf einen schnellen Internetzugang warten.
({4})
Aber dankenswerterweise stellen Sie die Ideologie in
Ihrem Antrag wieder einmal sehr deutlich heraus. Ich zitiere wieder:
Wo kurz- bis mittelfristig keine Aktivitäten des
Marktes zu erwarten sind, gilt es … die Rahmenbedingungen für kommunale Breitbandprojekte zu
überprüfen …
Toll! Überprüfen! Sinnvoll wäre es, den Kommunen
Geld in die Hand zu geben, damit sie ihre eigenen Netze
erstellen können.
({5})
Sie wollen prüfen, wenn der Markt versagt. Die Aussage
könnte auch heißen: Im Zweifel lassen wir euch im
Stich.
({6})
Die Innovation setzt im Übrigen auch Netzneutralität
voraus. Wir haben darüber lange Debatten geführt. Es
zeigt sich: An der gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität führt kein Weg vorbei. Alle Datenpakete müssen mit gleicher Qualität im Internet fließen können,
egal wer sie verschickt, egal ob es sich um eine E-Mail
oder ein Video handelt.
({7})
Die Entwicklerinnen und Entwickler der kleinen
Start-ups sind darauf angewiesen, dass ihre Anwendungen im Internet mit der gleichen Qualität angeboten und
genutzt werden können wie die der großen Anbieter.
Wenn die Koalition Innovationen in der digitalen Wirtschaft wirklich fördern will, dann sollte sie dafür die gesetzlichen Grundlagen schaffen und die Netzneutralität
im Gesetz festschreiben. Aber Sie können nicht einmal
Innovationen. Innovation in der digitalen Wirtschaft
heißt eben nicht, die Geschäftsinteressen der großen Unternehmen und Konzerne zu schützen. Aber auch das ist
bei Ihnen noch nicht angekommen.
Netzneutralität ist im Übrigen nicht nur für das Innovationspotenzial entscheidend. Netzneutralität sichert
die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit und schützt
vor einem Zweiklasseninternet. Der Geldbeutel eines alleinerziehenden Vaters darf nicht darüber entscheiden,
mit welcher Qualität sein Kind das Internet nutzen kann.
Ich habe Ihren Antrag gelesen und mich dann gefragt:
Warum stehen keine Namen von Netzpolitikern von
CDU/CSU und FDP auf diesem Antrag? Entweder finden sie in ihren Fraktionen kein Gehört, oder sie haben
den Antrag aus inhaltlichen Gründen nicht mittragen
wollen. Letzteres könnte ich nachvollziehen.
({8})
Denn in dem Antrag steht nicht mehr als: Wir fordern
nichts Konkretes. Wir finden die Arbeit der Regierung
gut. Ansonsten schlagen wir Abwarten vor.
Für die Linke ist klar: Wir wollen ein freies und offenes Internet als Kulturraum für alle Menschen. Wir wollen einen schnellen Internetzugang für jede und jeden in
allen Teilen der Republik. Wir wollen die gesetzliche
Festschreibung der Netzneutralität. Das ist das Mindeste,
um das gesellschaftliche Innovationspotenzial des Internets nutzbar zu machen.
({9})
Da sich im Antrag der Koalition davon leider nichts
findet, bleibt uns nichts anderes übrig, als diesen Antrag
zu Recht abzulehnen.
({10})
Jetzt hat die Kollegin Kerstin Andreae für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen Thema der Debatte
komme, möchte ich eines zu der Diskussion sagen, die
wir gerade geführt haben. Ich meine die Schlecker-Insolvenz und das, was gestern passiert ist. Wissen Sie, Herr
Rösler, Ihnen wird fehlende Empathie vorgeworfen.
Wenn Sie auf der anderen Seite das Attribut „mitfühlender Liberalismus“ vor sich hertragen, dann können Sie
doch nicht einfach sagen, dass diese Frauen schon alle
eine „Anschlussverwendung“ finden werden. Es zeugt
wirklich von fehlender Empathie, einfach darüber hinwegzugehen, wie es diesen Frauen gerade geht. So können Sie sich doch nicht äußern.
({0})
Es ist gut, dass wir in der Kernzeit über digitale Wirtschaft reden. Die Themen der Kernzeit finden immer höhere Aufmerksamkeit. Es ist gut und sinnvoll, dass wir
hier dieses Thema diskutieren. Wir haben uns gefreut,
dass dieser Antrag gekommen ist, und haben ihn mit Interesse gelesen. Aber dieser Antrag gibt nichts her. Darin
steht nichts Innovatives und nichts Neues. Darin steht
nicht, was Sie machen wollen und was Sie einmal anpacken wollen, sondern er besteht aus reinen Absichtserklärungen.
({1})
Dass die Internetwirtschaft eine der innovativsten
Branchen ist, dass darin Schwung ist, dass sich hier etwas bewegt, dass sie zur Gesamtwirtschaftsleistung beiträgt und immer mehr beitragen wird, das wissen wir
doch alles. Sie aber beschränken sich auf Absichtserklärungen und wolkige Reden. Sie schreiben, dass wir Rahmenbedingungen brauchen, dass wir etwas fördern und
dass wir dieses und jenes überprüfen wollen.
Aber das tun wir doch schon seit Jahren. Wir wissen
schon seit Jahren, dass wir neue Fördermaßnahmen
brauchen. Wir wissen seit Jahren, wo es hakt. Das heißt,
Sie hätten deutlich vorangehen können, Sie hätten konkrete Vorschläge machen können, wie wir eine flächendeckende Versorgung im Bereich Breitband tatsächlich
hinbekommen.
({2})
Sie hätten klären können: Wo liegt das Problem? Wie lösen wir das Problem?
Beispiel TKG-Novelle. Sie sind von der EU-Kommission gedrängt worden und haben monatelang gezögert. Jetzt haben wir ein schwaches Ergebnis: keinerlei
klares Bekenntnis zur Netzneutralität, keine klare Ansage zum Ausbau Glasfasernetz und auch keine klare
Ansage zu ausreichendem Datenschutz. Das ist reines
Gerede, reine Prosa ohne klare Ansage.
({3})
Beispiel Breitbandausbau. Es ist schon gesagt worden: Das erste Ziel, bis 2010 eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, haben Sie nicht erreicht. Nun
setzen Sie sich ein neues Ziel. Bis 2014 sollen 75 Prozent der Haushalte mit 50 MBit/s versorgt werden. Sie
müssen doch irgendwann anerkennen, dass Sie ohne die
Universaldienstleistungsverordnung nicht weiterkommen. Diese Verordnung heißt nichts anderes, als dass jeder einen Anspruch auf einen Internetanschluss hat. Sie
müssen sich klar dazu bekennen: Ja, jeder soll einen Anschluss an das Internet haben, das machen wir mit der
Universaldienstleistungsverordnung, wir setzen uns mit
der Wirtschaft zusammen.
Doch was machen Sie jetzt? Sie setzen ein neues wolkiges Ziel. Sie sagen überhaupt nicht, wie Sie die
75 Prozent erreichen wollen und was mit den restlichen
25 Prozent ist. Man sieht, es ist nur Prosa - reine Ankündigungen und keine klaren Regeln.
({4})
Beispiel Fachkräftesicherung. Sie haben sich gestern
dafür gelobt, dass Sie einen neuen Gesetzentwurf für die
erleichterte Zuwanderung von ausländischen Fachkräften eingebracht haben. Das hätten Sie schon früher haben können. Wir haben Ihnen schon 2010 den Vorschlag
gemacht, wenigstens die Einkommensgrenze für ausländische Fachkräfte zu senken. Das haben Sie damals abgelehnt.
Was machen Sie jetzt? Eine umfassende Niederlassungserlaubnis war angekündigt, aber jetzt bekommen
Hochqualifizierte nur ein befristetes Bleiberecht für drei
Jahre. Die langfristige Anerkennung von Fachkräften
knüpfen Sie an deren Deutschkenntnisse. Das ist doch
keine Willkommenskultur. Glauben Sie denn, dass uns
die indischen Programmierer die Bude einrennen? Nein!
Wir befinden uns im Wettbewerb um die kreativsten
Köpfe, und die überlegen sich genau, ob sie zu uns oder
woanders hingehen. Wenn Sie Deutschkenntnisse zur
Voraussetzung machen, dann werden die hochqualifizierten Programmierer, die Fachkräfte, die die Branche
braucht, nicht zu uns kommen, sondern sie werden woanders hingehen. Das ist keine Willkommenskultur. Sie
haben im Wettbewerb um die kreativsten Köpfe einen
kapitalen Fehler bei der Gewinnung von Fachkräften gemacht.
({5})
In Ihrem Antrag findet sich nichts über Anreize und
Rahmenbedingungen. Wo bleibt denn die steuerliche
Forschungsförderung? Frau Schön, ich weiß, dass Sie
immer wieder sagen: Ja, wir wollen das. Auch in jedem
Antrag, in dem es um Innovationen geht, steht: Ja, wir
wollen es. Aber wenn Sie es wollen, dann müssen Sie es
auch machen. Geben Sie das Geld nicht für unsinnige
andere Projekte aus, sondern entscheiden Sie sich klar
für die steuerliche Forschungsförderung. Das wäre sinnvoll für Innovationsanreize. Das ist das, was die Branche
von Ihnen fordert.
({6})
Fazit: völlig belangloser Antrag, nichts Neues, nichts
Innovatives, nichts zur Umsetzung, wie Sie den Mittelstand unterstützen wollen, kein Wort dazu, wie Sie Innovation und Bildung verbinden wollen, kein Angebot an
ausländische Fachkräfte. Es ist eine einzige Prosa. Wir
hätten wirklich mehr erwartet. Die Debatte hätte, ehrlich
gesagt, mehr verdient: mehr Vorschläge von Ihnen, über
die wir hier in der Kernzeit hätten diskutieren können,
und nicht eine reine Absichtserklärung.
Vielen Dank.
({7})
Für die CDU/CSU hat jetzt das Wort der Kollege
Andreas Lämmel.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es soll der amerikanische Soziologie Bell gewesen
sein, der 1973 eine Theorie einer nachindustriellen Gesellschaft entwickelt hat, in der der Begriff Informationsgesellschaft erstmals auftauchte. Als diese Theorie
damals aufkam, waren Sie noch lange nicht auf dem
Trip, Herr Duin.
({0})
- Sehen Sie, da konnten Sie noch nicht dabei gewesen
sein. - Dass er damals ein völlig neues Szenario entwickelt hat und dass er damit am Puls der Zeit war, hätte er
selbst wohl nicht geahnt.
Ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Die digitale Wirtschaft wird hier auf das Internet verengt. Sie ist aber ein
großer Sektor und umfasst nicht nur Internetfirmen und
Themen wie Netzneutralität, die Sie zum größten Teil
angesprochen haben. Die digitale Wirtschaft umfasst die
gesamten Informations- und Kommunikationstechnologien, und das ist weit mehr, als Sie hier dargestellt haben.
({1})
Die Branchenverbände erwarten von der digitalen
Wirtschaft in Deutschland für das Jahr 2012 einen Umsatz von 150 Milliarden Euro. Das ist erst einmal eine
Menge Holz. Dies zeigt aber noch lange nicht die BeAndreas G. Lämmel
deutung, die diese Querschnittsbranche für die Entwicklung der gesamten deutschen Wirtschaft und für die Entwicklung unserer Gesellschaft hat; denn kein Projekt der
Zukunft, das wir hier im Deutschen Bundestag diskutieren oder das wir auch politisch wollen, ist ohne Informations- und Kommunikationstechnologien möglich.
In den nächsten Jahren würde kein Elektroauto auf
der Straße fahren, wenn es keine Leistungselektronik
gäbe. Die Energiewende wäre ohne intelligente Netze,
die mit Leistungselektronik funktionieren und nur mit
internetbasierten Softwarelösungen existieren können,
völlig undenkbar. Keine Windmühle würde sich drehen,
wenn oben in dem Rotorhäuschen keine Leistungselektronik installiert wäre. Auch Fragen hinsichtlich der alternden Gesellschaft und des lebenslangen Lernens sind
mit diesen Technologien verknüpft.
({2})
Frau Andreae, das, was Sie hier dargestellt haben, ist
schon interessant gewesen. Sie sagten, es sei zwar gut,
dass wir den Antrag eingebracht haben, aber er sei noch
nicht ausführlich genug. Es wäre interessant gewesen,
hätten Sie selbst einen Antrag auf den Weg gebracht und
zumindest eine einzige Idee hier vorgetragen.
({3})
Sie haben sich über all das mokiert, was Ihnen an unserem Antrag nicht passt. Aber ich habe kein einziges
Wort gehört, was Sie machen würden.
({4})
Damit komme ich zum Thema Infrastruktur, Herr
Duin. Ich kann mich noch daran erinnern, dass die Breitbandstrategie in der Großen Koalition beschlossen worden ist. Damals waren Sie doch dabei. Von daher können
Sie doch jetzt nicht sagen: Das alles ist viel zu wenig,
das alles ist viel zu schlecht, das ist nicht zu schaffen.
Die flächendeckende Versorgung mit Internetanschlüssen mit Datenübertragungsraten von 1 MBit/s haben wir fast geschafft.
({5})
Sie können doch nicht leugnen, dass es im letzten Jahr
bei der Breitbandversorgung in Deutschland große Fortschritte gegeben hat. Auch international wird anerkannt,
dass Deutschland bei der mobilen Internettechnologie
weltweit führend ist. In keinem anderen Land der Welt
konnte das mobile Internet flächendeckend so stark ausgebaut werden wie in Deutschland.
({6})
Innerhalb eines Jahres sind fast 7 500 mobile Internetstationen auf der Basis von LTE in Betrieb genommen worden. Zeigen Sie mir ein Land auf dieser Welt, wo dieses
ähnlich funktioniert!
Frau Andreae, dass Sie jetzt die Schlachten bezüglich
des Universaldienstes wieder aufnehmen wollen, verwundert mich. Da ist sogar der Bundesrat schlauer gewesen.
({7})
Die Länder haben nämlich darauf verzichtet, dieses
stumpfe Beil hervorzuholen. Diesen Punkt haben Sie
jetzt wieder in die Diskussion gebracht. Sie meinen, wir
müssten über den Universaldienst im Zusammenhang
mit dem TKG reden. Einen entsprechenden Vorschlag
hätten Sie vor zwei Jahren einbringen können. Daran
kann man sehen, dass Sie nur zurückblicken und überhaupt nicht nach vorne schauen.
({8})
Jetzt komme ich zu den Rahmenbedingungen für
Innovationen, die hier schon vielfach angesprochen worden sind. Es ist wohl unbestritten, dass in Deutschland
sehr viel Geld für Forschung, Entwicklung und Technologie ausgegeben wird, und zwar sehr viel staatliches
Geld, aber auch sehr viel privates Geld. Trotzdem muss
man sich fragen, warum Deutschland zum Beispiel in
der Informations- und Kommunikationstechnologie
keine großen Firmen mehr hat und warum aus den vielen
Neugründungen keine großen Firmen gewachsen sind.
In diesem Zusammenhang muss man sich einmal die
gesamte Kette von Innovationen anschauen. Dann stellt
man nämlich fest, dass es ohne Zweifel erst einmal eine
Menge gute Ideen gibt, aber dass dann viele Ideen offensichtlich irgendwo absterben. Schauen wir uns einmal
die verschiedenen Phasen einer Unternehmensgründung
an. Aus meiner Sicht kristallisieren sich zwei Felder heraus, auf denen dringender Handlungsbedarf besteht
- wir werden in die entsprechende Richtung weitermarschieren -:
Zum einen geht es - dieses Thema hat meine Kollegin
Schön schon dargestellt - um die Frage des Wagniskapitals, des Risikokapitals. Wenn es uns nicht gelingt, ausreichend privates Kapital zu mobilisieren, dann wird es
uns auch nicht gelingen, kleinen Firmen den Weg zu ebnen, damit sie einmal große Firmen werden können.
({9})
Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Wir haben das
erkannt und werden demnächst vor allem im Bereich der
Business Angels aktiv werden.
({10})
Zum anderen geht es - das ist das zweite Feld - um
die Forschungsprämie. Die steuerliche FuE-Förderung
steht bei uns ganz oben auf der Agenda.
({11})
Das ist überhaupt gar keine Frage.
Bevor vor allen Dingen in der SPD die Backen wieder
aufgeblasen werden, wollen wir uns einmal anschauen,
was die SPD machen wird: Wenn es einen Gesetzentwurf zur steuerlichen Forschungsförderung gibt, dann
geht er in den Bundesrat.
({12})
Dieser Gesetzentwurf zur steuerlichen Forschungsförderung liegt dann im Vermittlungsausschuss direkt neben
dem Gesetzentwurf zur CO2-Gebäudesanierung. Dort
liegen vielleicht noch zwei oder drei andere Projekte.
Herr Duin, dann kommt der Tag, an dem Sie beweisen
können, dass Sie bei einem solchen Projekt mitmachen.
({13})
Herr Kollege Lämmel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heil?
Bitte.
Bitte schön.
Herr Kollege Lämmel, damit wir bei diesem Thema
nicht Formulierungen wie „Backen aufblasen“ gebrauchen müssen, möchte ich darauf hinweisen, dass wir
beide der Meinung sind, dass es die steuerliche Forschungsförderung geben sollte.
Erstens. Können Sie uns sagen, wann Sie den entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen werden? Ich bitte um
eine möglichst exakte Angabe, zumal wir eine Antwort
des Bundesfinanzministers erhalten haben, nach der es
mit der in Ihrem Koalitionsvertrag beschriebenen steuerlichen Forschungsförderung aus haushalterischen Gründen in dieser Legislaturperiode nichts mehr wird. Sie
kennen möglicherweise diese Aussage. Können Sie diesen Widerspruch aufklären?
Zweitens. Sie haben vorhin gesagt, dass Ihr Antrag
toll und revolutionär ist. Können Sie mir einmal sagen,
warum die zentrale Forderung ausweislich Ihres Antrages an die Bundesregierung lautet:
1. den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und
Wissenschaft zur wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Bedeutung des Internets und der
digitalen Wirtschaft im Rahmen des Nationalen ITGipfels der Bundesregierung weiter zu intensivieren.
Waren Sie schon einmal auf einem IT-Gipfel? Läuft das
hier nach dem sozialpädagogischen Motto „Es ist wichtig, dass wir noch mehr darüber reden“? Ist das Ihre zentrale Forderung? Das sagt doch ein bisschen etwas über
den Gehalt Ihres Antrags aus.
Wann kommt der Gesetzentwurf zur steuerlichen Forschungsförderung? Sagen Sie uns möglichst den Monat.
Dann können wir ja darüber reden, wie wir das hinbekommen.
({0})
Herr Heil, vielen Dank. - Ich kann nur sagen: Ich
habe Sie auf einem IT-Gipfel noch nicht getroffen. Es
sind viele Leute dort, vielleicht habe ich Sie nur nicht
gesehen. Ich will damit sagen, dass ich dort gewesen bin.
Punkt eins.
({0})
Punkt zwei. Wenn Sie Kontakte in die Wirtschaft hätten und mit den Leuten, die beim IT-Gipfel dabei sind,
gesprochen hätten, dann hätten Sie gehört, dass wir diese
Plattform, diesen IT-Gipfel, dringend brauchen.
({1})
- Ja, klar. Wir machen auch einen nächsten Gipfel. Der
ist schon avisiert. - Wir brauchen diese Plattform, um
über die Themen, die sich um die digitale Wirtschaft und
die Entwicklung der digitalen Gesellschaft ranken, diskutieren zu können.
({2})
- Ja, klar. Jetzt kommt der nächste. - Es ist so, dass auf
dem IT-Gipfel Themen diskutiert werden, die weiter vorangebracht werden müssen.
({3})
- Ja, klar. Wir wollen ihn fortführen. Die Frage war ja,
ob der IT-Gipfel eine temporäre Veranstaltung sein soll
oder ob man ihn regelmäßig abhalten sollte. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass der IT-Gipfel bestehen
bleiben soll. Wir wollen diese Plattform behalten, auf
der über diese Fragen diskutiert werden kann.
({4})
Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Heil, zur steuerlichen
FuE-Förderung. Sie wissen selbst, dass dieses Vorhaben
- das gebe ich ja zu - nicht so leicht umzusetzen ist.
({5})
- Die Grünen haben dieses Thema, als sie regiert haben,
nicht einmal angepackt. Sie haben noch nicht einmal den
Gedanken im Kopf gehabt, dass man so etwas machen
könnte.
({6})
Man muss natürlich über die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügen. In der Koalition befinden wir
uns darüber in Gesprächen.
({7})
Das steht im Koalitionsvertrag. Die Koalition besteht ja
noch anderthalb Jahre. Also ist noch Zeit, die steuerliche
FuE-Förderung in Deutschland umzusetzen.
({8})
- Das ist Ihre Interpretation. Das habe ich nicht gesagt.
Wir stehen dazu - das möchte ich hier definitiv sagen -,
und wir werden weiterhin mit unserem Koalitionspartner
und mit der Bundesregierung darüber diskutieren, in
welchem Umfang und wann die steuerliche Forschungsförderung umsetzbar ist. Wir sind der Auffassung: Wir
brauchen gleiche Rahmenbedingungen für FuE-Unternehmungen weltweit; denn letztendlich schaut sich jeder
zunächst die Rahmenbedingungen in einem Land an, bevor er dort neue Aktivitäten startet, bevor er zum Beispiel neue Forschungszentren aufbaut. Hier müssen wir
einen Nachteil Deutschlands aufholen.
Ich möchte noch etwas zu den Schlüsseltechnologien
sagen. Diese haben bisher überhaupt keine Rolle gespielt. Es ging, wie gesagt, bisher nur um das Internet,
um Netzneutralität und anderes. Die Schlüsseltechnologien, zum Beispiel die Mikroelektronik, sind aber die
entscheidenden Technologien, die wir in Deutschland
brauchen, um all unsere Vorhaben zu realisieren. Die
Mikroelektronik ist eine strategische Branche in
Deutschland. Wir müssen uns darüber klar werden, wie
wir in Deutschland und in Europa mit den Wertschöpfungsketten im Bereich der Mikroelektronik umgehen.
Wir müssen darüber diskutieren, wie wir zum Beispiel die gleiche Wettbewerbsfähigkeit wie Asien bewahren können. Das Problem der Abwanderung in Richtung Asien besteht ja in mehreren Branchen. Dies ist
nicht nur ein Problem der Mikroelektronik, sondern zum
Beispiel auch der Solartechnik, über die wir gestern diskutiert haben. Selbst im hochinnovativen Maschinenbau
erwachsen in Asien große Konkurrenten, die deutschen
Unternehmungen das Leben schwer machen.
Ich möchte zusammenfassen. Die Verengung des
Blicks auf das Internet im Bereich der digitalen Wirtschaft ist falsch. Die digitale Wirtschaft ist breiter aufgestellt. Wir als christlich-liberale Koalition stehen zu
dieser Branche. Wir werden alles tun, um die dort bestehenden Potenziale zu heben, damit dieser Bereich der
Kreativwirtschaft weiterhin ein gutes Wachstumsumfeld
in Deutschland hat.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Das Wort hat jetzt der Kollege Lars Klingbeil von der
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir sind uns einig: Die digitale Wirtschaft in
Deutschland ist ein bedeutender Wachstumsmotor. Sie
ist Treiber für Innovationen, und die Digitalisierung unserer Gesellschaft ist Taktgeber für den Wandel von
Wirtschaft und Wissenschaft. Deswegen ist es richtig,
dass wir heute Morgen zur Kernzeit die Gelegenheit haben, über ein solch wichtiges Thema zu diskutieren. Es
ist richtig, dass das Thema heute im Deutschen Bundestag auf der Tagesordnung steht.
Genauso richtig ist aber auch, dass der Antrag, der
von CDU/CSU und FDP vorgelegt wurde, meilenweit
hinter den notwendigen Antworten zurückbleibt, die wir
bräuchten, um die digitale Wirtschaft in Deutschland zu
gestalten. Sie sind hier viele Antworten schuldig geblieben. Der Antrag beinhaltet in weiten Teilen eine ordentliche Analyse - das will ich zugestehen -, aber wenn es
am Ende um die konkreten Forderungen geht, dann reihen Sie Schlagwörter aneinander. An dieser Stelle wird
deutlich: Sie haben keine Richtung, Sie haben keine
Substanz, und Sie geben keine Impulse.
({0})
Ich will ein Beispiel aus Ihrem Antrag nennen. Dort
geht es um eine der vielleicht drängendsten Fragen, über
die wir gerade im Bereich der digitalen Wirtschaft diskutieren: das Urheberrecht. In Ihrem Antrag steht:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … die Regelungen zum Datenschutz und
Urheberrecht an die Bedingungen des Internets und
der Digitalisierung fortlaufend anzupassen.
Mehr nicht. Man findet keine Stellungnahme, wie es hinsichtlich ACTA weitergehen soll, keine Stellungnahme
zum Leistungsschutzrecht und keine Position zum Dritten Korb. Das reicht nicht, um ein Thema voranzubringen. Wenn Sie ein Thema voranbringen wollen, dann
müssen Sie den Mut haben, Stellung zu beziehen. Dann
brauchen Sie Mut für klare Konzepte. Diese fehlen in Ihrem Antrag.
({1})
Wenn es darum gegangen wäre, ein Thema parlamentarisch voranzubringen, dann hätte ich mir gewünscht,
dass Sie Ausschussberatungen zu diesem Antrag zugelassen hätten.
({2})
Wir haben den Antrag am Dienstagabend bekommen. Er
wird nicht in den Ausschüssen beraten. Ich frage mich,
warum CDU/CSU und FDP nicht auf die Expertise der
Enquete-Kommission zurückgreifen.
({3})
Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ tagt gerade, beispielsweise im Rahmen der Projektgruppe „Wirtschaft, Arbeit, Green IT“. Wir haben
teure Gutachten in Auftrag gegeben, beispielsweise zu
der Frage: Wie können wir Venture Capital in Deutschland stärken? Diese Gutachten liegen noch nicht vor.
Stattdessen wird hier ein Antrag vorgelegt, der nach einer Schaufensterdebatte verabschiedet wird.
({4})
Hier soll ein Thema besetzt werden. Das ist nichts anderes als Wahlkampf.
({5})
Wenn es allerdings darum geht - das scheint hier ja der
Fall zu sein -, dass dieser Antrag ein schwarz-gelber
Hilferuf ist, dass diese Regierung endlich etwas tun soll,
dann haben Sie mich und uns an Ihrer Seite.
({6})
In der Rede des Ministers heute Morgen ist deutlich
geworden, dass es zwar viele blumige Absichten gibt,
dass aber zweieinhalb Jahre nichts passiert ist. Herr
Rösler, ich will Ihnen klar sagen: Digitale Wirtschaftspolitik kann nicht nur darin bestehen, dass man einmal
im Jahr den IT-Gipfel oder die CeBIT eröffnet. Sie müssen endlich anfangen, zu arbeiten.
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Netzpolitik muss
umfassende und moderne Gesellschaftspolitik sein. Dafür müssen wir auch politisch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Ich will an ein paar Punkten skizzieren, was das für uns bedeutet.
Erster Punkt. Grundlage für den digitalen Wandel, für
Wachstum und für Arbeitsplätze muss die Überwindung
der digitalen Spaltung sein. Das muss zuallererst bedeuten, dass die Menschen Zugang zum Internet haben und
an den Prozessen der Digitalisierung teilhaben können.
Wir müssen dafür sorgen, dass der Zugang zum Internet
heute als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge betrachtet wird. Wer keinen Zugang zum Netz hat, ist von sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Teilhabe abgehängt. Wir brauchen in Deutschland endlich ein Recht
auf Netz, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({8})
Die Bundesregierung wird die Ziele ihrer Breitbandstrategie verfehlen. In meinem Wahlkreis, der im ländlichen Raum liegt, müssen die Kommunen und der Landkreis anfangen, den Breitbandausbau zu finanzieren,
weil Land und Bund es nicht hinbekommen. Das belastet
die kommunalen Haushalte. Der Druck der Bürgerinnen
und Bürger, aber auch der Unternehmen ist allerdings so
groß, dass dort etwas passieren muss.
Ich will Ihnen sagen: Ich bin es leid, dass wir jedes
halbe Jahr hier im Deutschen Bundestag darüber diskutieren, wie der Breitbandausbau gelingen kann, und dass
wir dann immer wieder die ideologische Marktgläubigkeit der Regierung zu hören bekommen. Wenn der Markt
es nicht gebacken bekommt, dann brauchen wir staatliche Lösungen, die garantieren, dass die Forderung, dass
alle Menschen ein Recht auf Netz haben sollen, umgesetzt werden kann. Wir wollen an der Gleichwertigkeit
der Lebensverhältnisse festhalten. Wir wollen allen
Menschen Zugang und Teilhabe ermöglichen. Deswegen
brauchen wir in Deutschland einen Universaldienst.
({9})
Wenn wir einen Zugang für alle schaffen, dann hat
das auch Folgen für die Wirtschaft. Dann können sich
nämlich Portale, Dienste und Unternehmen breitmachen
und neue Geschäftsideen entwickeln. Dann zahlt es sich
auch aus wirtschaftlicher Perspektive aus, einen Universaldienst zu schaffen.
Der zweite Punkt, den ich nennen will. Wir brauchen
eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. Netzneutralität war und ist ein entscheidender Faktor für den
Erfolg der Internetwirtschaft. Sie sichert die Offenheit
und Kreativität des Netzes; das schafft internationale
Wettbewerbsfähigkeit. Aber die Netzneutralität sichert
auch Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt. Der Siegeszug des Internets und vieler IT-Dienste wäre ohne ein
offenes und neutrales Netz nicht möglich gewesen. Wir
haben, ähnlich wie die anderen Oppositionsparteien,
schon im Rahmen der TKG-Novelle gefordert, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern. Wir haben uns schon
damals gewundert, dass Sie auch hier auf das freie Spiel
der Kräfte setzen und die Offenheit des Netzes nicht
festschreiben wollen. Das ist ein großer Fehler. Ich sage
Ihnen: Wir werden die gesetzliche Verankerung der
Netzneutralität in Deutschland weiter fordern.
({10})
Dritter Punkt, den ich ansprechen will. Wir brauchen
die Förderung digitaler Kompetenz und digitaler Selbstständigkeit. Denn nichts ist für die Internetwirtschaft so
wichtig wie gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer. Sie sind Garant für Kreativität und
Wachstum in Deutschland im digitalen Zeitalter. Das bedingt einen radikalen Wandel von Schule, Ausbildung
und Universitäten. Dabei geht es um die Vermittlung
neuer Kompetenzen, um die Vermittlung technischer
und digitaler Kompetenzen. Der Laptop muss zur Werkbank des 21. Jahrhunderts werden. Damit müssen sich
auch unsere Bildungsstrukturen verändern.
Ich will auf die Beschlüsse der Enquete-Kommission
„Internet und digitale Gesellschaft“ hinweisen. Sie hat
gesagt: Jeder Schüler, jede Schülerin in Deutschland
braucht ein Tablet oder ein Laptop. Sie hat auch gesagt:
Wir müssen die Lehrerausbildung komplett verändern.
Die Enquete-Kommission hat außerdem Beschlüsse zur
Digitalisierung der Bildungsmaterialien und zur Stärkung der naturwissenschaftlichen und technischen Studiengänge gefasst. All diese Schritte müssen erfolgen.
All diese Schritte stehen aber nicht in Ihrem Antrag. Obwohl der Fachkräftemangel schon heute evident ist, haben Sie an dieser Stelle nichts getan.
({11})
Das bringt mich zu meinem vierten Punkt. Die digitale Gründerkultur ist heute schon oft angesprochen worden. Ja, wir brauchen in Deutschland ein positives Umfeld für Gründungen. Wir müssen dafür sorgen, dass die
digitale Kompetenz gestärkt wird; dazu habe ich gerade
etwas gesagt. Wir müssen Cluster an Universitäten auch
staatlich fördern und dafür sorgen, dass kreative Juristen
und Betriebswirtschaftler an Universitäten frühzeitig zusammenkommen und ermutigt werden, ihre kreativen
Ideen und Konzepte umzusetzen. Das ist die Erfolgsgeschichte von Gründungsmythen, die wir in anderen Staaten erlebt haben.
Wir brauchen eine ordentliche Finanzierung von
Gründungen. Hier reichen die bisherigen Strukturen für
Wagniskapital in Deutschland nicht aus, hier muss mehr
passieren. Es müssen passgenaue und vor allem unbürokratische Finanzierungen zur Verfügung stehen.
Es geht auch um die steuerliche Forschungsförderung. Ich wundere mich schon, dass hier zwar Einigkeit
darüber besteht, dass wir sie eigentlich bräuchten, dass
dann aber gesagt wird: Dafür haben wir kein Geld. Liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsseite, ich
mache Ihnen einen Vorschlag: Verzichten Sie auf das
schwachsinnige Betreuungsgeld. Dann haben wir auch
Geld für die steuerliche Forschungsförderung. Das wäre
ein großartiger Schritt für die Internetwirtschaft in
Deutschland.
({12})
Zur anderen Kultur gehört auch, dass wir das Scheitern anerkennen. Wir waren neulich mit dem Unterausschuss „Neue Medien“ in den USA. Dort wurde uns
gesagt: Wenn du zwei-, dreimal mit einer Unternehmensgründung gescheitert bist, dann wissen wir, du bist
vernünftig ausgebildet. Beim vierten oder fünften Mal
klappt es dann. - Wenn man hier in Deutschland einmal
mit einer Unternehmensgründung gescheitert ist, dann
kommt man kaum noch auf die Beine. Auch hier können
wir in Bezug auf das gesellschaftliche Klima für Gründungen noch viel nachholen.
Der letzte Punkt, den ich ansprechen will, ist die
Rolle des Staates. Der Staat muss Treiber von Innovationen sein. Bei der Energiewende und bei Veränderungen
in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Verkehr und Verwaltung ist der Staat in der Pflicht, Treiber von Innovationen und Veränderungen zu sein. Herr Rösler, hierzu
haben Sie leider nichts gesagt. Ich hätte mir gewünscht,
dass Sie heute Morgen einige Sätze dazu gesagt hätten,
dass der Staat seiner Verantwortung als Nachfrager gerecht wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller Wichtigkeit dieses Themas kann ich nur feststellen: Mit den Forderungen in Ihrem Antrag bleiben Sie weit hinter den Erwartungen und auch hinter den Debatten zurück, die wir
im Deutschen Bundestag, beispielsweise in der EnqueteKommission, führen. Ich hätte mir gewünscht, dass hier
heute Morgen mehr als eine Schaufensterdebatte stattfindet und dass ein wirklicher Impuls für digitale Wirtschaftspolitik aus der Mitte des Parlaments kommt. Leider hat es nicht geklappt. Vielleicht wird es mit der
nächsten Regierung besser.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
({13})
Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege
Manuel Höferlin.
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nachdem gerade ein so schlauer
Spruch aus der SPD gekommen ist, will ich ein Wort zu
Schlecker verlieren: Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz hat vor einiger Zeit zu einem Arbeitslosen gesagt: Rasieren und waschen Sie sich erst einmal, dann
bekommen Sie Ihren Job.
({0})
Jetzt blasen Sie hier die Backen auf. Sie sollten auf dem
Boden der Tatsachen bleiben und daran denken, was Sie
zu welchen Zeitpunkten gesagt haben. Ich glaube, diese
Aussage spricht Bände. Was Sie machen, ist Schaufensterpolitik.
({1})
Lassen Sie mich bitte auf den vorliegenden Antrag zu
sprechen kommen. Die SPD ist bekannt dafür, dass sie
gerne viel regulieren will und den Staat gerne auffordert,
die Dinge vorzugeben. Ich glaube, wir verlieren dadurch
Chancen für Innovationen und die Chance, dass diese
Innovationen, die in der Wirtschaft entstehen, die Gesellschaft und die Wirtschaft voranbringen.
Gerade in den Ländern zeigen Sie, wie Sie zu Innovationen stehen. Ich komme aus Rheinland-Pfalz. Dort
schließt ein Unternehmen wie BASF jetzt die Forschungssparte. Sie vertreiben sie aus dem Land, und mit
Ihrem Koalitionspartner, den Grünen, freuen Sie sich
auch noch darüber, dass Arbeitsplätze vernichtet wer20486
den. Das ist die Realität; eine solche Politik machen Sie
in den Ländern. Hier glauben Sie, uns weismachen zu
können, dass Sie eine ganz andere Meinung haben. Das
ist scheinheilig.
({2})
Die Grünen spielen sich als Innovationstreiber der
Nation auf. Ich habe einmal nachgeguckt: 1987 waren
Sie gegen Videotext, gegen ISDN, gegen Breitbandverkabelung und gegen Kabel- und Satellitenfernsehen.
Wenn man auf Sie hören würde, wäre man 30 Jahre später unheimlich weit zurück. Deswegen ist es gut, wenn
wir heute nicht auf das hören, was Sie beim Thema Innovationen wollen. Sie haben einfach keine Ahnung davon.
({3})
Auch heute sind Sie gegen Innovationen und gegen
Forschung. Sie sind zum Beispiel gegen Infrastrukturprojekte. Immer dann, wenn irgendeine Straße oder Brücke gebaut werden soll, schreien Sie als Erste auf. Wenn
Kabel übers Land verlegt werden sollen, schreien Sie
auf.
In anderen Bereichen sagen Sie aber, Sie wollen
gerne wahnsinnig neue Techniken haben. Auch das ist
scheinheilig.
({4})
Wenn Sie es gut finden, wenn es in Ihr Lebensbild passt,
dann wollen Sie, dass der Staat das am Ende finanziert.
Wir brauchen aber Grips und Gründergeist.
({5})
- Ich weiß, dass Ihnen Grips abgeht. Aber das ist nun
einmal so.
({6})
Wir brauchen Menschen, die intelligent sind und etwas voranbringen wollen. Grips und Gründergeist entwickeln sich, wenn man ihnen Luft lässt. Man muss eine
freie Entwicklung zulassen. Eine solche Entwicklung hat
es in den letzten 20 Jahren im Internet glücklicherweise
gegeben, weil nicht so viel reguliert wurde.
Sehr geehrter Herr Duin, Sie haben vorhin zugerufen:
Knapp vorbei ist auch daneben! - Das zeigt, wie Sie mit
Gründergeist umgehen. Lars Klingbeil hat gesagt: Die
Kultur des Scheiterns ist wichtig. - Mit einem solchen
Satz können Sie jeden gescheiterten Gründer unheimlich
motivieren, wieder aufzustehen und weiterzumachen.
Ich glaube, das ist der falsche Ansatz.
({7})
Denken Sie an die Zeit, Herr Kollege.
Ich komme gleich zum Ende.
Das Internet ist ein Wirtschaftsnetz. Deswegen befasst sich der Wirtschaftsausschuss damit. Die Wirtschaftspolitiker meiner Fraktion haben daher den vorliegenden Antrag eingebracht, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Linken. Unsere drei Netzpolitiker, die
Sie aus der Internet-Enquete kennen, haben daran mitgewirkt. Ihre Namen stehen nicht auf dem Antrag, weil sie
nicht Mitglieder des Wirtschaftsausschusses sind. Aber
selbstverständlich waren wir Netzpolitiker involviert.
Sie können ganz beruhigt sein. In der Fraktion arbeiten
wir bestens zusammen. Das ist vielleicht nicht überall
so.
({0})
Wenn man ein Wirtschaftsnetz wie das Internet sich
entwickeln lässt, dann kommt es nachher den Menschen
zugute. Das sehen wir auch. Die Menschen haben etwas
davon. Es ist ein Netz der Menschen geworden. Die
Menschen treiben es voran.
Kommen Sie jetzt zum Schluss, bitte.
Ich glaube, dass unser Antrag vor diesem Hintergrund
in die richtige Richtung geht.
Herr Höferlin, bitte!
Wir werden weiterhin daran arbeiten, dass die Chancen der digitalen Welt in Deutschland genutzt werden.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort hat jetzt für die Fraktion Die Linke die Kollegin Dr. Petra Sitte.
({0})
Danke schön. - Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Halina Wawzyniak hat vorhin zu Recht darauf
hingewiesen, dass eine zu einseitige Fixierung auf die
digitale Wirtschaft zu einem verkürzten Begriff von
Innovation führt. Herr Rösler hat uns das heute Morgen
deutlich gezeigt. Weder begreifen die Kollegen von
Union und FDP das Internet als gesamtgesellschaftlichen Raum, noch fassen sie Innovation als Prozess auf,
der dem Fortschritt der Gesellschaft dienen soll. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Internets streifen
sie lediglich als Thema im Dialog zwischen Politik,
Wirtschaft und Wissenschaft. Die Zivilgesellschaft ist in
diesen Prozess nicht eingebunden.
Das gleiche Spiel spielen Sie beim Urheberrecht. Ihnen ist erstaunlicherweise endlich aufgefallen, dass das
Urheberrecht Anpassungen an die Digitalisierung
braucht. Allein Repressionen gegen die als Raubkopierer
kriminalisierten Bürgerinnen und Bürger sind nicht einmal mehr für Sie des Rätsels Lösung. Was machen Sie
aber konkret? Konkret schießen Sie sich doch wieder nur
auf den Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen ein.
Alles andere, was schiefläuft, sollen nach Ihrem Willen
- das haben Sie heute Morgen bekräftigt - die Inhalteanbieter durch neue Angebote korrigieren. Wirklich innovativ und dringend notwendig wäre es, für einen Erneuerungsprozess im Bereich des Urheberrechts auch die mit
ins Boot zu holen, die das Urheberrecht unmittelbar betrifft,
({0})
nämlich Künstlerinnen und Künstler, Journalistinnen
und Journalisten und viele andere mehr, also die wirklichen Kreativen, denen die Rechte zumeist spottbillig abgeknöpft werden. Auch die Nutzerinnen und Nutzer sollten endlich eingebunden werden. Das wäre eine
gesamtgesellschaftliche Debatte. Das wäre ein offener
Innovationsansatz auf politischer Ebene.
({1})
Sie aber gehen an dieser Stelle überhaupt nicht innovativ vor. Ansonsten würden Sie beispielsweise nicht
krampfhaft versuchen, ein Leistungsschutzrecht für
Presseverlage zu entwerfen. Sie schützen lieber alte Geschäftsmodelle, als Innovationen zu fördern.
({2})
Wohin die Ausgrenzung der Zivilgesellschaft führt, haben wir gerade erst erlebt. Tausende Menschen haben
auf den Straßen gegen Ihre ACTA-Geheimpolitik protestiert; das finde ich sehr spannend. Demzufolge können
Sie sich nicht weiter abschotten.
Lassen Sie mich noch auf die im vorliegenden Antrag
ebenfalls angesprochene Innovations-, Forschungs- und
Technologieförderung in den Bereichen Internet und
digitale Wirtschaft eingehen. Theseus ist nicht nur ein
antiker Held, sondern auch der Name des im Februar abgeschlossenen Mammutprojekts des Forschungsministeriums. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie es bisher lief.
Es entstand damals aus dem verzweifelten Versuch,
Google mit einer europäischen Suchmaschine zu begegnen und Konkurrenz zu machen. Dieses Ziel hat man
dann sehr schnell aufgegeben.
Übrig blieb nun der Plan, das große und spannende
Forschungsgebiet der semantischen Suche weiter auszubauen. Das musste nun aber irgendwie politisch verkauft
werden; also sprach man, wie auch Sie heute Morgen,
vom Internet der Dinge, vom Internet der Dienste. Große
Worte! Bei der Abschlusspräsentation zeigte sich aber,
dass THESEUS in der Eigenvermarktung nunmehr nur
noch ein Projekt ist, das Dienstleistungen für den deutschen Mittelstand und die produzierende Industrie zur
Verfügung stellen kann. Da war, wie gesagt, der antike
Held Theseus deutlich erfolgreicher. Er hat nämlich gemeinsam mit der klugen Ariadne die Athener von der
Tributlast des kretischen Königs Minos befreit.
({3})
Ich muss aber zur Ehrenrettung vieler beteiligter Forscherinnen und Forscher, aber auch der Unternehmen sagen, dass dabei durchaus mehr als die beworbene Rolle
des kleinen Helferleins herauskam.
Ihre PR-Strategie zeigt aber noch etwas: Sie zeigt
nämlich auch, wie Sie Innovation wirklich verstehen.
Schauen wir noch einmal zurück: Am Anfang stand die
Abwehr der Suchmaschine Google; am Ende haben Sie
nur noch ein Projekt, das lediglich als Unterstützung
dessen dient, was schon immer gut lief. Und so liest sich
eben auch ein Großteil Ihres Antrags. In Ihrer Welt ist
das Internet sozusagen der Logistikkanal der klassischen
Wirtschaft, der darüber hinaus den Telekommunikationskonzernen Geld in die Kassen spült.
({4})
Erst an vorletzter Stelle - das ist die vorletzte Forderung in Ihrem Antrag - kommen Start-ups und junge Unternehmen als eine Ihrer Zielgruppen ins Spiel. Im Übrigen: Einzelne Bürgerinnen und Bürger fehlen in Ihrem
Antrag ganz; auf dieses Potenzial wird nicht eingegangen.
({5})
- Es gibt noch mehr als Start-up-Unternehmer. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Darüber haben wir lange
genug in der Internet-Enquete gesprochen.
({6})
Doch gerade diese einzelnen Menschen - lassen Sie
mich das noch einmal betonen - stellen ein besonderes
Potenzial dar; dieses Potenzial sollte man auch bei der
Digitalisierung berücksichtigen. Diese nutzen nämlich
das Netz als gemeinsamen Ideenpool, der offen und chaotisch - das mag oft so sein -, aber auch ungeheuer
schnell und flexibel ist. Dabei entstehen wunderbare
Innovationen.
({7})
Ich erinnere beispielsweise an wheelmap.org, den rollstuhlgerechten Stadtplan des Vereins Sozialhelden; ich
erinnere an eine weltweite Onlinecommunity, die gemeinsam hängende Gemüsegärten für die Fenster von
Großstadtwohnungen entwickelt hat und derzeit sozusagen über die ganze Welt verstreut miteinander kommuniziert. Oft folgen aus solchen in offenen Prozessen
entstandenen Innovationen dann eben auch Produktentwicklungen, die wiederum die Wirtschaft stärken.
Würden Sie Innovation als offenen und gesamtgesellschaftlichen Prozess denken, käme das auch der digitalen Wirtschaft zugute, wahrscheinlich auch einer digitalen Wirtschaft, unter der nicht nur die üblichen Konzerne
verstanden werden. Aber dafür - das will ich abschließend sagen - müssten Sie Menschen statt Fabriken Vorfahrt in Ihrer Politik einräumen.
Danke schön.
({8})
Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die
Kollegin Tabea Rößner.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In
dem vorliegenden Antrag bezeichnen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Innovationen
und moderne Technologien als „Motor für Wachstum
und Beschäftigung“. Und es stimmt: Wir haben hier einen wichtigen Wirtschaftsfaktor, in dem noch sehr viel
Potenzial steckt. Aber dieser Motor kommt nicht so
recht zum Schnurren. Woran liegt das? Ich kann es Ihnen
sagen: Ihnen fehlt der Mut, jetzt die richtigen Weichen
zu stellen.
({0})
Hierzu gibt es - der Kollege Klingbeil hat darauf verwiesen - ungeheuer viele Vorschläge. In der Internet-Enquete haben wir schon vieles erarbeitet; an anderem arbeiten wir noch. Nichts davon findet sich jedoch in
diesem Antrag wieder. Das ist sehr bedauerlich.
Viele Menschen haben mit dieser Branche insgesamt
noch ihre Schwierigkeiten; sie fremdeln. Das stellen wir
auch in der Internet-Enquete fest. Wenn die Unternehmer von morgen richtig Gas geben wollen, treten gleichzeitig Banken und Bürokratie auf die Bremse. Auch von
der Politik kommt viel zu wenig Anschub.
({1})
Eine Bremse sehe ich in dem, was Sie in Ihrem Antrag recht lapidar „allgemeine“ und „IKT-spezifische
Rahmenbedingungen“ nennen. Ich möchte das gerne
konkretisieren. Eine, wenn nicht die wichtigste Rahmenbedingung ist das Investitionsklima in Deutschland. Im
vergangenen Jahr haben wir zu diesem Thema eine Anhörung im Unterausschuss Neue Medien durchgeführt;
Lars Klingbeil und Petra Sitte waren auch dabei. Dabei
wurde sehr deutlich: Eine Wachstumsbremse für weite
Teile der Branche ist die latente Unterfinanzierung; das
ist ein Problem. Vor allem kleine Unternehmen mit einer
innovativen Idee, aber ohne ein bewährtes Geschäftsmodell - das ist ja das Problem - leiden unter einem erschwerten Kapitalzugang. Eine Verbesserung der Finanzierungssituation könnte der Kreativwirtschaft hier den
Weg hin zu mehr Wachstum ebnen.
({2})
Innovationsstärke, Kreativität und vor allen Dingen
ungewöhnliche Ideen sind in den Augen vieler Investoren oft die Schwäche eines Unternehmens. Erfolg oder
Misserfolg lassen sich hier eben nicht so leicht berechnen wie der Erfolg eines Konzeptes einer Bäckerei in der
Innenstadt. Hier brauchen wir mehr Mut zum Risiko und
schnellere Entscheidungswege.
Damit bin ich beim nächsten Problem. Es gibt mehr
als genug öffentliche Förderprogramme; das wurde auch
in der Anhörung deutlich. Nur, diese sind nicht auf die
Bedürfnisse dieser Branche zugeschnitten. Anders als
bei großen Wirtschaftszweigen dominieren in der Kreativwirtschaft nämlich Kleinstbetriebe mit unter zehn Beschäftigten. Sie brauchen oft viel geringere Kreditvolumina. Aber bei Beträgen von unter 30 000 Euro ist das
für die Banken kein interessantes Geschäft. Auch die öffentlichen Förderprogramme berücksichtigen das nicht.
Genau hier müssen wir ansetzen. Außerdem brauchen
wir längere Rückzahlungsfristen, da sich ein finanzieller
Erfolg meist erst später einstellt. Wir haben eben von der
Kultur des Scheiterns gesprochen: Manchmal ist man
erst beim zweiten oder dritten oder sogar vierten Versuch
erfolgreich.
({3})
Die Politik muss die Förderprogramme deutlich einfacher gestalten, übrigens nicht nur für die IKT-Branche.
Die Beantragung ist zu komplex und dauert oft viele
Monate - Monate, die in dieser Branche oft das Aus für
solche kleinen Unternehmen oder Start-ups bedeuten
können. Wenn wir also mit den USA oder mit Ländern
wie Frankreich konkurrenzfähig werden wollen, dann
müssen wir auch die Bürokratie konkurrenzfähig machen.
({4})
- Naja. Davon ist in dem Antrag nicht viel zu lesen. Flexibel, passgenau und offen für Neues, so muss unsere
Investitionspolitik aussehen. Das wäre schon einmal der
richtige Antrieb für unseren Motor.
({5})
Dass dieser Motor umweltfreundlich betrieben werden sollte, ist dabei selbstverständlich; Green IT ist da
das Stichwort. Es stünde Deutschland wirklich gut zu
Gesicht, wenn wir hier unsere Anstrengungen noch verstärkten. Denn wenn das T in IKT grün wird, sparen wir
Ressourcen und damit Geld und machen diese Technologie selbst zum Exportschlager für Deutschland.
({6})
Zum Schluss noch eine Anmerkung zur Infrastruktur.
Es wurde viel zum Ausbau der Breitbandanschlüsse gesagt. Sie haben recht: Breitbandanschlüsse sind zwingende Voraussetzung für die digitale Wirtschaft. Auf
diesem Gebiet gibt es erheblichen Nachholbedarf; auch
das haben wir schon gehört. Ich zitiere:
Wenn man es bei der Stromanbindung auch so gemacht hätte, wie wir es im Moment mit der Internetanbindung machen, dann wären noch immer tausende Höfe im Schwarzwald nicht am Strom …
Wissen Sie, wer das gesagt hat? Der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder auf dem Kongress der Unionsfraktion vor einigen Tagen. Er hat völlig recht: So wie bisher
geht es nämlich nicht weiter.
({7})
Deshalb brauchen wir, wie bei der Stromversorgung, einen Universaldienst für ein flächendeckendes Breitbandnetz. Sie peilen da zwar hohe Bandbreiten an, aber für
das Jahr 2014 nur für 75 Prozent der Haushalte. Ich finde
es geradezu niedlich, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, der Breitbandausbau solle bedarfsgerecht und im
Rahmen der rechtlichen und haushalterischen Möglichkeiten gestaltet werden. Das ist doch ein Widerspruch in
sich.
Frau Kollegin Rößner, möchten Sie noch eine Zwischenfrage zulassen? Falls nicht, müssten Sie zum Ende
kommen.
Ich komme gerade zum Ende. Aber Herr Höferlin soll
seine Zwischenfrage stellen. Bitte.
({0})
Also, Herr Höferlin, bitte schön.
Liebe Frau Kollegin Rößner, würden Sie mir zustimmen, dass es etwas anderes ist, ob man Strom oder Datenpakete transportiert, vor allen Dingen hinsichtlich der
Transportmedien? Strom lässt sich bisher noch nicht
durch die Luft transportieren. Der Unterschied zur Breitbandstrategie ist doch wesentlich. Man sagt: Wir
schmeißen da einfach Geld rein, und dann wird schon jeder eine Breitbandanbindung von 2 oder 3 MBit/s haben.
Man finanziert das staatlich und schneidet damit die
Innovation ab, dass sich vielleicht neue Techniken entwickeln könnten, wie Daten auch auf eine andere Art
und Weise zum Endkunden kommen können.
Beim Strom ist das technologisch gesehen doch sicher
eine völlig andere Sache. Da stimmen Sie mir wahrscheinlich zu. Wie gewährleisten Sie, dass sich in Zukunft neue Technologien - zum Beispiel die nächste Generation von LTE mit breiteren Anbindungen entwickeln können, wenn man Technologien staatlich
fördert?
Herr Höferlin, ich glaube, Sie haben unseren Antrag
nicht richtig gelesen.
({0})
In unserem Antrag wird der Universaldienst richtig
durchbuchstabiert. Es geht nämlich darum, dass jeder
Mensch genauso, wie er einen Anspruch auf einen Stromanschluss oder einen Wasseranschluss hat, auch einen
Anspruch auf einen Breitbandanschluss haben soll;
({1})
denn der Zugang ist wichtig für die digitale Wirtschaft,
und zwar vor allen Dingen im ländlichen Raum. Deshalb
ist es egal, wie die Übertragungen sind. In unserem Antrag steht, dass sie technologieneutral sein sollen. Das
muss auch so sein. Das gibt die EU-Richtlinie vor. Es
würde auch nicht etwa viele Fördergelder des Staates bedeuten, weil die Unternehmen das über eine Umlage finanzieren. Damit sind nicht nur 1 bis 2 MBit/s zu erreichen, wie Sie das immer - ({2})
- Nein. 6 MBit/s auf jeden Fall. Eine Übertragungsgeschwindigkeit von 6 MBit/s könnte ganz schnell erreicht
werden. Den Ausbau der Übertragungswege auf
50 MBit/s für 75 Prozent der Haushalte betrifft vor allen
Dingen die Städte. Dabei werden die ländlichen Regionen völlig abgehängt. Deshalb ist das nicht der richtige
Weg.
({3})
Jetzt müssen Sie aber zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss.
Meine Damen und Herren, in der digitalen Wirtschaft
steckt viel Potenzial. Es fehlt Ihnen aber an Mut und an
Kreativität, um wirklich etwas für die Branche zu verbessern. Auf der Überholspur sind wir noch lange nicht.
Vielen Dank.
({0})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege
Dieter Jasper das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind
vielleicht nicht auf der Überholspur, wir sind aber auf
dem richtigen Weg. Auf diesem Weg wollen wir weiter
vorangehen.
({0})
Die digitale Wirtschaft ist kein Zukunftsthema, sondern ein Thema der Gegenwart. Die digitale Wirtschaft
ist ein Begriff, der hohe Erwartungen weckt, der aber
auch diffus und unbestimmt ist,
({1})
ein Feld, auf dem noch viele Fragen offen und genauso
viele Entscheidungen zu treffen sind.
In jedem Fall ist die digitale Wirtschaft ein zentraler
Wachstums- und Innovationsmotor. Völlig neue Kommunikationsformen sind entstanden. Es ist eine strukturelle Änderung von Entscheidungsprozessen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu beobachten. Es
entwickeln sich völlig neue Produkte, Geschäftsfelder
und Berufszweige.
Durch das Internet und seine verschiedenen Plattformen verschiebt sich die Marktmacht immer mehr vom
Anbieter zum Nachfrager bzw. zum Verbraucher. Treibende Kraft und Motor dieser Entwicklung ist die exponentielle Steigerung der Zahl der Internetnutzer. Es dauert nur noch wenige Jahre, dann wird bereits die Hälfte
der Weltbevölkerung online sein. Die Social Networks
erfahren immer größeren Zuspruch. Die zunehmende
Popularität mobiler Geräte forciert zusätzlich die rasante
Entwicklung des Internets.
Wenn wir heute über die digitale Wirtschaft reden,
dann versteht man darunter zunächst Netzpolitik mit den
zentralen Themen Urheberrecht, Datenschutz und Netzneutralität. Immer mehr wird die digitale Wirtschaft aber
auch zu einem Themenfeld der Wirtschaftspolitik. Dieses neue Medium wird zunehmend als weiterer Produktionsfaktor anerkannt.
Ziel der Wirtschaftspolitik muss es sein, Innovationsfreude und Technologieoffenheit zu fördern. Chancen
müssen erkannt und Risiken begrenzt werden.
In welchen Bereichen liegen denn nun die Potenziale
der digitalen Wirtschaft? Wir finden sie in den Bereichen
Innovation, Wachstum und Beschäftigung. Wir finden
sie erstens im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie selbst, zweitens in den klassischen
Branchen - hier vor allen Dingen durch innovative Anwendungen, Produktivitätssteigerungen und neue Geschäftsmodelle - sowie drittens in der Bereitstellung und
im Ausbau zukunftsfähiger und sicherer Netze und Infrastrukturen.
Gerade der dritte Punkt liegt mir besonders am Herzen. Ich vertrete als Abgeordneter den Kreis Steinfurt im
Münsterland. Mein Wahlkreis ist ländlich strukturiert
und geprägt durch eine hohe Anzahl von kleinen und
mittelständischen Unternehmen. Schnelle Internetverbindungen und eine hochwertige Breitbandstruktur sind
unverzichtbar für hohe Lebensqualität und für die wirtschaftliche Prosperität in den Städten, aber auch auf dem
Land.
({2})
Dies bedeutet im Umkehrschluss: Der fehlende Zugang
zu dieser essenziellen Infrastruktur schließt Menschen
und Unternehmen von wesentlichen gesellschaftlichen
Aktivitäten und Entwicklungsmöglichkeiten aus.
Eine moderne Breitbandstruktur ist Voraussetzung für
Anwendungen wie Internetfernsehen, telemedizinische
Anwendungen, digitalisierte Heimarbeitsplätze usw. Unerlässlich hierfür ist eine flächendeckende Anbindung
besonders für Unternehmen und Freiberufler,
({3})
aber auch für die Familien.
Wir haben vor einigen Tagen hier im Bundestag darüber diskutiert, wie der Anteil von Frauen in der Wirtschaft vergrößert werden kann.
({4})
Auch und gerade hier bietet das Internet erhebliche
Möglichkeiten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
zu verbessern, und zwar sowohl für Frauen als auch für
Männer.
({5})
Die digitale Wirtschaft schafft völlig neue Produkte
und Tätigkeitsfelder. Aber es findet auch eine zunehmende Auflösung der traditionellen Aufbau- und Ablaufstrukturen statt. Bisher bestehende Hemmnisse können abgebaut und neue Wege gegangen werden. Es
entstehen völlig neue Führungs- und Bearbeitungswege.
Dies ist meines Erachtens eine riesige Chance für eine
familienfreundlichere Arbeits- und Berufswelt.
Technologische Innovationen ziehen somit gesellschaftliche und ökonomische Änderungen nach sich.
Das kann aber nur dann funktionieren, wenn allen Bürgerinnen und Bürgern der Zugang zu den Datenautobahnen der Zukunft möglich ist. Breitbandanschlüsse mit
hochrangigen Datentransferraten gehören genauso wie
Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen zu einem unverzichtbaren Bestandteil der infrastrukturellen Daseinsvorsorge.
({6})
Sie sind ein entscheidender Wettbewerbsfaktor bei
Standortfragen.
Die Breitbandstrategie der Bundesregierung hat in
den letzten Jahren signifikante Ausbauerfolge vorweisen
können. Eine fast flächendeckende Versorgung mit Anschlüssen von 1 MBit/s ist erreicht worden. Dieser
schöne Erfolg kann jedoch nur ein erster Schritt sein und
sollte uns ermutigen, auch den zweiten Schritt konsequent zu gehen.
Die Situation in den ländlich geprägten Kommunen
ist noch nicht zufriedenstellend. Zahlreiche Kommunen
haben zwar praktikable und wirtschaftliche Lösungen
vor Ort entwickelt; es ist aber unsere Aufgabe, diese Lösungen auf Bundesebene zu fördern und zu unterstützen.
Es gilt, Verantwortung zu übernehmen, besonders in den
Bereichen der Daseinsvorsorge und der Gleichheit von
Lebensqualität.
Die Anstrengungen der Bundesregierung, auch die
bisher nicht ausreichend versorgten Gebiete zu erschließen, werden von mir ausdrücklich begrüßt. Grundsätzlich spreche ich mich für einen technologie- und wettbewerbsoffenen Ansatz aus, der auch Funklösungen
beinhaltet. Doch nach heutigem Wissensstand stellen
diese Satelliten- und Mobilfunktechniken nur Übergangslösungen dar. Es müssen schwankungsfreie Datenübermittlungen mit hohen Übertragungsraten für jeden
Endnutzer gewährleistet sein. Langfristig werden wohl
nur leitungsgebundene Anschlüsse zu zufriedenstellenden Ergebnissen führen.
Deutschland ist in vielen Bereichen Weltmarktführer,
aber leider nicht im Bereich der IT. Hier haben wir erheblichen Nachholbedarf. Aufgabe der Politik ist es, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Dies gilt insbesondere im Bereich der Vorratsdatenerfassung, wo
endlich eine Lösung gefunden werden muss.
Aber auch der Datenschutz ist ein zentrales Thema.
Deutsche Unternehmen, die sich im internationalen
Wettbewerb befinden, sehen sich hier 17 Datenschutzbehörden - 16 auf Länderebene und auf Bundesebene gegenüber und fühlen sich durch unterschiedliche Gesetzesauslegungen immer wieder ausgebremst. Ich bekenne
mich ausdrücklich zu unserer föderalen Struktur in
Deutschland. Aber die Anforderungen des Datenschutzes müssen dringend koordiniert werden.
Auch die mangelnde Investitionskultur in Deutschland ist ein Problem. Junge Start-ups haben es häufig
schwer, ihre Ideen umzusetzen, da die notwendigen finanziellen Mittel fehlen. Dafür sind unbürokratische
staatliche Hilfestellungen sinnvoll und notwendig. Hier
sind die Stichworte KfW und staatliche Forschungsförderung zu nennen.
({7})
Die Wachstumspotenziale der digitalen Wirtschaft
sind gewaltig. Unsere Aufgabe als Bundespolitiker ist
es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Potenziale in Deutschland schnell und effizient gehoben und
ausgeschöpft werden können. Die unionsgeführte Koalition hat hier schon einiges erreicht. Der vorliegende Antrag unterstreicht unseren Willen, den eingeschlagenen
Weg weiterzugehen und den Innovationsstandort Deutschland weiter zu stärken.
Herzlichen Dank und Glückauf.
({8})
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
nun der Kollege Dr. Georg Nüßlein von der CDU/CSUFraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Das
Thema digitale Wirtschaft ist kein Zukunftsthema. Es ist
ein Gegenwartsthema, bei dem über die Zukunft unserer
Wirtschaft und unserer Gesellschaft entschieden wird.
Auch wenn der Kollege Lämmel recht hat, dass es
hier um mehr geht als nur die Frage des Breitbandanschlusses, möchte ich mich auf die Debatte einlassen, die
hier geführt wurde, und möchte vorrangig über dieses
Thema reden, mich auch auf das beziehen, was wir in
der TKG-Novelle festgelegt haben, was uns aus meiner
Sicht ein ganzes Stück voranbringen wird.
Glauben Sie mir, mir tut es schon leid, dass wir diese
Novelle erst jetzt in Kraft setzen können, weil die Länder das verzögert haben. Sie haben im Übrigen nicht
über die Sache verhandelt, sondern über den schnöden
Mammon. Bei dem, was der Bundesrat beraten hat, ging
es am Ende nur um das Geld für die Rundfunkanstalten
und nicht um Inhalte. Das ärgert mich; das sage ich ganz
offen.
({0})
- Es ist keine parteipolitische Kritik, Kollege Heil, sondern ganz einfach der Hinweis darauf, dass es nicht sein
kann, dass der Bundesrat Dinge, die gut sind, die auch er
explizit für gut hält, verzögert, weil er meint, man
könnte an der Stelle noch ein paar Euro herausschlagen.
({1})
Ich möchte noch einmal deutlich machen, was uns die
TKG-Novelle letztendlich sehr konkret bringen wird.
Wir haben den abstrakten Begriff der investitionsorientierten Regulierung das erste Mal in einem Gesetz klar
definiert, haben damit Planungssicherheit für beteiligte
Unternehmen, die der Regulierung unterworfen sind, geschaffen und Risikoteilung verordnet. Wir haben auch
klargemacht, dass das oberste Regulierungsprinzip in
Zukunft nicht ein preisbezogener Verbraucherschutz sein
kann, sondern ein Investitionsanreiz sein muss.
({2})
Ich hoffe, dass auch die Regulierungsbehörde das als
Hinweis darauf versteht, dass sich in diesem Bereich regulatorisch außerhalb des Gesetzes noch einiges tun
muss.
Wir haben einen Beitrag dazu geleistet, dass wir auch
die ländlichen Räume kostengünstiger erschließen können. Wir erreichen das dadurch, dass wir das Microtrenching ins Gesetz geschrieben haben. So besteht die
Möglichkeit, ohne riesigen baulichen Aufwand Kabel
beispielsweise in Bürgersteigen zu verlegen, indem man
nur einen Schlitz schneidet und das Kabel hineinlegt. Sie
glauben gar nicht, mit wie vielen Widerständen aus der
Baubranche, aber auch aus dem Ministerium man letztendlich kämpft, wenn man so etwas Vereinfachendes in
ein Gesetz schreiben will! Trotzdem ist es uns gelungen.
Wir haben den Zugang zu breitbandrelevanter Infrastruktur geregelt und festgelegt, dass insbesondere die
öffentliche Hand die bei ihr bereits vorhandene Infrastruktur zur Verfügung stellen muss. Auch da gab es eine
ganze Reihe von Bedenkenträgern. Ich möchte mich
ausdrücklich bei Bundesminister Peter Ramsauer als
dem zuständigen Minister dafür bedanken, dass er am
Schluss ein Machtwort gesprochen und gesagt hat: Natürlich muss als Erstes der Bund seine Infrastruktur zur
Verfügung stellen, um auch die Länder verpflichten zu
können und um über ein Schiedsverfahren auch Private
an den Tisch holen und mit ihnen verhandeln zu können.
Infrastruktur wollen wir ja nicht doppelt aufbauen, sondern volkswirtschaftlich sinnvoll. Auch das wird auf
diese Art und Weise kostengünstiger gelingen.
Ich will jetzt gar nichts zu den zahlreichen Regelungen zum Wegerecht sagen, die jetzt im TKG stehen.
Auch hier haben wir wieder einen Schritt nach vorn gemacht. Ich würde mir wünschen, dass ein solches Gesetz
dann auch in entsprechender Weise gewürdigt wird.
Natürlich ist das noch nicht alles. Ich spreche hier niemanden an, aber jeder muss sich überlegen, ob er sich
angesprochen fühlt. Ein guter Marktwirtschaftler muss
abschätzen, was der Markt kann, muss aber ganz genauso auch wissen, was der Markt nicht kann. Bei der
Erschließung der ländlichen Räume werden wir am
Schluss nicht vollumfänglich auf den Markt setzen können, weil der Markt natürlich nur die Dinge im Wettbewerb realisieren kann, die am Schluss dann auch rentabel sind, bei denen Renditen entstehen. Das wird bei
dem einen oder anderen Dorf, gerade bei mir in Bayern,
letztendlich nicht der Fall sein. Deshalb ist mir ganz klar,
dass wir andere Möglichkeiten brauchen, um solche Orte
anzuschließen; denn es steht sogar in Art. 87 f unseres
Grundgesetzes, dass wir eine flächendeckende Erschließung gewährleisten müssen. Im Übrigen steht da auch,
dass eigentlich der Bund für diese flächendeckende Erschließung zuständig ist. Diese Dinge sind also sehr präzise geregelt.
({3})
Wie geht es nun weiter? Die mit LTE verbundenen
Möglichkeiten entspannen die ganze Situation natürlich.
Dass wir in der Lage sind, den ländlichen Raum über
Funk mit relativ hoher Frequenzbreite einzubinden, entspannt die Situation, aber meiner festen Überzeugung
nach nur zeitlich begrenzt. Denn am Ende des Tages
werden wir beides nutzen: die Funktechnologie und den
Glasfaseranschluss. Und es kann nicht sein, dass die
ländlichen Räume nach einer gewissen Zeit wieder abgehängt werden, wenn in den Städten höhere Frequenzen
und auch die entsprechenden Anwendungen vorhanden
sind. In der Tat stimmt es nämlich, dass momentan die
Anwendungen für hohe Frequenzen noch nicht in einem
solchen Ausmaß vorhanden sind. Aber das wird kommen.
Ich erinnere mich noch immer lächelnd an den Irrtum
meines EDV-Professors, der vor über 20 Jahren gesagt
hat, dass es an seiner Universität jetzt einen 1-MegabyteRechner gibt, dass das das Beste ist, was man haben
kann, und man damit in dem Bereich alles machen kann,
was man machen will. - Was er gesagt hat, war innerhalb von einem halben Jahr Geschichte. So wird es uns
auch bei den Frequenzen und bei der Inanspruchnahme
von Frequenzen gehen.
Wir müssen wissen, Herr Minister Rösler: Der Aufbau von Infrastruktur im Wettbewerb ist schwierig. Aber
er ist doppelt schwierig, wenn sich diese Infrastruktur
auch noch dynamisch entwickelt. Deshalb sage ich für
die CSU, dass wir natürlich eine hohe Sympathie für die
Überlegung hegen, die verbleibende Lücke am Schluss
mit einem Universaldienst zu schließen.
({4})
Wir müssen jetzt - und wir sind gut dabei, auch die Bundesregierung - alles dafür tun, damit diese Lücke so
klein wie möglich bleibt, und dann durch staatliches Eingreifen gleiche Verhältnisse bei der Breitbandversorgung
in Stadt und Land sicherstellen. Ich bin der Meinung, das
muss und wird uns gelingen. Das sind wir gerade unseren ländlichen Räumen schuldig.
({5})
Darüber hinaus ist alles richtig, was zum Thema Innovationsförderung gesagt wurde, insbesondere das, was
Minister Rösler zum Thema Venture Capital gesagt hat.
Es kann nicht sein, dass es für Management Fees in
Wagniskapitalfonds Nachteile bei der Umsatzbesteuerung gibt. Es kann auch nicht sein, dass Steuernachteile
in anderen Bereichen aufrechterhalten werden. Wir brauchen Anreize für Business Angels in Form von Steuererleichterungen; hier müssen wir tätig werden. Deutschland kann sich nämlich in der Tat in einem Bereich mit
den USA vergleichen, und zwar in der Innovationsdichte. Bei der Anzahl der Patente pro 1 Million Einwohner ist Deutschland so gut wie die USA.
({6})
- Das ist hervorragend, insofern ist der Applaus der Kollegin absolut angebracht.
Wir sind aber schlecht bei der Umsetzung; wir sind
schlecht darin, die Patente ökonomisch zu nutzen. Dabei
geht es dann um Venture Capital und darum, Wege zu
gehen, um solche Innovationen unternehmerisch umzusetzen. Darauf sollten wir unser Augenmerk richten. Wir
sollten alles dafür tun, um Innovationen zu fördern, aber
am Schluss auch den Breitbandzugang für alle zu garantieren.
Vielen herzlichen Dank.
({7})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/9159
mit dem Titel „Wachstumspotenziale der Digitalen Wirtschaft weiter ausschöpfen - Innovationsstandort
Deutschland stärken“. Wer stimmt für diesen Antrag? Wer stimmt dagegen? ({0})
Wer enthält sich?
({1})
- Ich bin der Meinung, die Mehrheit war dafür, aber wir
sind hier unterschiedlicher Meinung.
({2})
- Wenn eine Fraktion die Beschlussfähigkeit feststellen
lassen will, müssen wir einen Hammelsprung vornehmen.
({3})
- Es ist so und nicht zu ändern. So sieht es die Geschäftsordnung vor. Das macht nicht viel Freude, Sie
müssen es aber selbst verantworten.
Ich bitte Sie, den Plenarsaal zu verlassen. Dann
schließen wir die Türen, und Sie klingeln und trommeln,
damit die Kollegen kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie noch
einmal, den Saal zu verlassen und die Türen zu schließen, damit wir mit der Auszählung beginnen und diese
so zügig wie möglich durchführen können.
Wir beginnen mit der Abstimmung.
Darf ich um ein Signal von den Schriftführern bitten? Ja, dann schließen wir die Türen. - Kann mir einer der
Schriftführer bitte das Ergebnis mitteilen? - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte darum, Platz zu nehmen. Ich möchte Ihnen das Ergebnis der Zählung bekannt geben. - Es haben insgesamt 334 Kolleginnen und
Kollegen an der Abstimmung teilgenommen.
({4})
Das heißt, die Sitzung geht jetzt weiter. Es haben
198 Abgeordnete mit Ja gestimmt und 136 Abgeordnete
mit Nein. Damit ist der Antrag angenommen.
({5})
Ich warte einen Moment, damit diejenigen, die an
dem nun folgenden Tagesordnungspunkt nicht mitwir-
ken wollen, den Saal verlassen können, und übergebe an
den Kollegen Oswald.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sind alle wieder in
der Lage, einen neuen Tagesordnungspunkt zu behan-
deln? - Das scheint der Fall zu sein. Wir machen weiter.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 a bis c auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck ({0}), Kai
Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
EU-Datenschutzreform unterstützen
- Drucksache 17/9166 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({1})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck ({2}),
Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Völlige Unabhängigkeit für den Bundesdatenschutzbeauftragten
- Drucksache 17/6345 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({3})
Ausschuss für Kultur und Medien
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({4}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von
Notz, Nicole Maisch, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Grundrechte schützen - Datenschutz und Verbraucherschutz in sozialen Netzwerken stärken
- Drucksachen 17/8161, 17/9198 Berichterstattung:
Abgeordnete Stephan Mayer ({5})
Gisela Piltz
Dr. Konstantin von Notz
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Sie
sind damit einverstanden. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne somit die Aussprache. Erster Redner in
unserer Debatte ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Dr. Konstantin von Notz. Bitte schön,
Kollege Dr. Konstantin von Notz.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Nachdem wir vor knapp einem Jahr einen eigenen Ge20494
setzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz eingebracht
haben, diskutieren wir heute Morgen über drei weitere
Anträge der Grünen zu dem wichtigen Thema Datenschutz: erstens einen Antrag zur Unabhängigkeit des
Bundesdatenschutzbeauftragten, zweitens unseren Antrag zum Datenschutz in sozialen Netzwerken in zweiter
und dritter Lesung und drittens einen Antrag zur anstehenden Reform des Datenschutzes auf EU-Ebene.
Mit unseren Anträgen betreten wir thematisch
schwarz-gelbes Brachland.
({0})
Die vollmundigen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag - ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz, die Stiftung
Datenschutz, Reformen im Bundesdatenschutzgesetz sind bisher allesamt Rohrkrepierer. Wir haben die Debatte auf die heutige Tagesordnung gesetzt, um die Bundesregierung und speziell das Bundesinnenministerium
endlich dazu zu bringen, sich konstruktiv an dieser Diskussion zu beteiligen.
Die EU-Datenschutzverordnung ist das zentrale Datenschutzreformprojekt der nächsten Jahre. Hier wird
sich entscheiden, ob es der Politik gelingt, einen zeitgemäßen Grundrechtsschutz vor dem Hintergrund von Internet und Digitalisierung umzusetzen oder ob dieses
Projekt scheitert mit unabsehbaren Folgen für die Rechte
der Bürgerinnen und Bürger. Von vielen Seiten wird jetzt
versucht, den nicht perfekten, aber guten ersten Aufschlag der Kommission zu zerpflücken: einerseits von
Konzernen und Wirtschaftsverbänden, die versuchen,
ihre lukrativen Geschäftsmodelle durch automatisierte
Verhaltensauswertung und Datenhandel profitabel zu
halten, andererseits auch von verschiedenen Bundesländern, die derzeit aus Sorge um Kompetenzverlust leider
gegen die dringend notwendige Reform mobil machen.
Hierzu gesellt sich die Bundesregierung. Minister
Friedrich - er ist leider heute nicht da - hat sich entschieden, an diesem wichtigen Projekt nicht konstruktiv
mitzuwirken, sondern es zu hintertreiben.
({1})
Der Minister sagt, dass unser Datenschutzrecht nicht europäischem Recht unterstellt werden dürfe. Er sagt etwas
volkstümlich - ich zitiere -: „An Bewährtem und Gutem
aus deutschen Landen wollen wir festhalten“, ganz so,
als lebten wir nicht in einem gemeinsamen Europa, als
gebe es kein grenzüberschreitendes Netz. Ich frage Sie:
Was hilft es den Menschen, wenn das gute Datenschutzniveau in Deutschland endet, sobald Sie in Spanien im
Urlaub sind,
({2})
wenn die Server des Anbieters, den Sie nutzen, ganz woanders stehen oder wenn Sicherheitsbehörden oder Unternehmen Daten einfach in andere Länder weiterleiten?
Immer wieder suchen große Player nach dem Standort
mit den schwächsten Datenschutzvorgaben, das sogenannte Forum Shopping. Gleichzeitig stehen wir vor den
Herausforderungen des Cloud Computing. Es ist deshalb
überfällig, die Anwendungsregelungen nach dem Marktortprinzip festzuschreiben. Weil diese Bundesregierung
das Marktortprinzip immer noch nicht im Bundesdatenschutzgesetz festgeschrieben hat, brauchen wir die europäische Datenschutzreform. Wir brauchen hohe, gemeinsame, europäische Standards.
({3})
Es stimmt: Es gibt in Deutschland in Teilen ein gutes
und im Vergleich zu anderen Ländern ein hohes Datenschutzniveau. Die zuständige EU-Kommissarin Reding
erklärte vor einigen Tagen, deutsches Datenschutzrecht
sei Richtschnur und Messlatte für die anstehende Reform auf europäischer Ebene. In einer Zeit, in der moderner Datenschutz zur Schlüsselfrage in der digitalen
Welt geworden ist, in einer Zeit, in der moderner Datenschutz ein Standortvorteil ist, darf unser Land nicht vom
Innovationsmotor zum Bremsklotz dieser Entwicklung
werden.
({4})
Sonst drohen ein Ausverkauf der Grundrechte und ein
diskriminierendes Kastensystem, das auf Verhaltensprofilen und automatisierten Bewertungen aufbaut: Wer
trägt das Stigma der Kreditunwürdigkeit? Wer bekommt
überhaupt noch einen Vertrag? Wer verendet in der Warteschleife des Callcenters? Wer erhält den Arbeitsplatz
nach welchen Kriterien? - Solche Fragen berühren die
Menschen ganz konkret. Wenn komplexe Algorithmen
über soziale Teilhabechancen von Menschen entscheiden, dann laufen die Grundrechte einfach leer.
Eine ganz zentrale Grundlage der Freiheit ist die individuelle Wahlmöglichkeit, die Entscheidung, was mit
den eigenen Daten geschieht. Mit diesem Grundsatz ist
die gegenwärtige Praxis vieler Unternehmen einfach
nicht zu vereinbaren.
Es ist doch nicht zu fassen, dass bald 30 Millionen
Nutzerinnen und Nutzer allein in Deutschland soziale
Netzwerke als zentrale Informations- und Kommunikationsplattform nutzen, aber diese Bundesregierung noch
immer nicht willens und nicht in der Lage ist, hier für einen adäquaten Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und
Bürger zu sorgen.
({5})
Ich komme auch nicht darum herum, das Verhalten
der Bundesverbraucherschutzministerin zu erwähnen.
Frau Aigner ist nach - zugegebenermaßen - unerquicklichen Gesprächen mit Facebook persönlich dort ausgetreten. Seither ist nichts geschehen. Das ist doch unfassbar.
Die Ministerin erkennt Probleme und Gefahren und zieht
zwar für sich persönlich Konsequenzen, lässt aber
25 Millionen Menschen bei Facebook in diesem Land
mit der Gefahr und den Problemen alleine. Das wäre ungefähr so, als hätten wir einen Gammelfleischskandal
und Frau Aigner erklärte: Alles kein Problem, die Bundesregierung muss nichts machen. Ich selbst habe mich
entschieden, keine Bratwurst mehr zu essen. - So kann
man keine Politik machen, meine Damen und Herren!
({6})
Auch Bundesinnenminister Friedrich hat sich im letzten Jahr mit Vertretern von Facebook getroffen; man
trifft sich öfter. Mit dem Unternehmen wurde eine sogenannte Selbstverpflichtung vereinbart. Danach sprach
der Minister von einer deutlichen Entschärfung des Konflikts. Seither ist nichts passiert. Im Gegenteil: Jüngst hat
sich der Konzern ganz offiziell final vom Begriff des
Datenschutzes verabschiedet. Gerade heute wird die sogenannte Timeline verpflichtend für alle eingeführt. Die
Erfahrungen der letzten Wochen mit Facebook und
Google zeigen: Hier werden ständig willkürlich Änderungen der ohnehin völlig unverständlichen AGB einfach durchgedrückt.
Das alles überrascht nur Naive, sage ich Ihnen; denn
bis heute gibt es im Datenschutz kein einziges funktionierendes Selbstregulierungsmodell. Deswegen sage ich
Ihnen: Hören Sie auf, sich hinter dem Begriff der Selbstregulierung zu verstecken, und machen Sie endlich Ihre
Hausaufgaben!
({7})
Bewusst haben wir heute unseren Antrag zum Datenschutz in sozialen Netzwerken aufgesetzt. Die schwarzgelbe Koalition hat bislang leider nicht reagiert. Deswegen freut es uns, dass der Entwurf der EU-Datenschutzverordnung viele wichtige unserer Forderungen, die dort
enthalten sind, aufgegriffen hat.
Lassen Sie mich klar sagen: Ausreichend ist dieser
Entwurf der Verordnung noch lange nicht. Wir müssen
jetzt dafür sorgen, dass viele Bestimmungen weiter konkretisiert werden, dass Spielräume für innovative Datenschutzkonzepte bleiben und dass unser bewährtes System der Betriebs- und Behördendatenschutzbeauftragten
nicht ausgehöhlt wird.
Aber weil weltweit gerade wegen der EU-Reform
erstmalig Konturen eines globalen Datenschutzkonzeptes erkennbar werden und in den USA sogar das Weiße
Haus eigene Vorschläge in Reaktion auf die EU-Initiative vorlegt, ist es mit der Verweigerung und einem halbgaren Verweis auf das schöne Datenschutzrecht aus
deutschen Landen nicht getan.
({8})
Neben der aktuellen Diskussion um die EU-Reform
ist die Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten zentraler Bestandteil eines effektiven Datenschutzes. Sie
wird sogar in Art. 8 der EU-Grundrechtecharta ausdrücklich genannt. Aber ausgerechnet der Bundesdatenschutzbeauftragte ist bisher ohne entsprechende Stellung
und Durchsetzungsmöglichkeiten geblieben. Weil seine
Anbindung an die Parlamente die notwendige politische
und rechtliche Verantwortlichkeit gewährleistet, fordern
wir mit unserem Antrag die längst überfällige Angleichung seiner Stellung insbesondere an die Vorgaben des
Europäischen Gerichtshofs. Mit Blick auf die Aufsichtsfunktion im nichtöffentlichen Bereich muss festgestellt
werden, dass die fehlende Möglichkeit des Beauftragten,
selbst Bußgelder zu verhängen, eine echte Schutzlücke
ist.
({9})
Das Internet ist herausragendes Element der digitalen
Revolution. Neue Politikfelder und eine eigene Öffentlichkeit mit großem politischem Gewicht sind geschaffen worden. Obwohl wir alle wissen, dass erst der Datenschutz das notwendige Vertrauen in die freie und
unbefangene Nutzung des Netzes schafft, obwohl eine
der wichtigsten ständigen Rechtsprechungslinien des
Bundesverfassungsgerichts den Schutz der Privatheit in
allen Facetten betrifft und obwohl zahlreiche Gesetze
seit den 70er-Jahren in Kraft sind und ein entsprechendes Schutzniveau zu entfalten suchen, können das
Grundverständnis und eine breite Akzeptanz der Privatheit nicht automatisch als gesichert gelten. Das zeigen
uns alle aktuellen Debatten über die verpflichtende anlasslose Vorratsdatenspeicherung, über die Staatstrojaner, über Facebook, über die Funkzellenabfrage etc.
Deswegen müssen wir die Privatsphäre und den Datenschutz, dieses besondere Schutzgut unserer Demokratie,
jeden Tag neu begründen, erklären und erstreiten.
Ganz herzlichen Dank.
({10})
Vielen Dank, Kollege Dr. Konstantin von Notz. Nächster Redner in unserer Aussprache ist der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder. Bitte
schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es ist schon interessant, zu hören, dass die Grünen plötzlich den Staat auffordern, tätig zu werden,
({0})
dass sie die Autorität des Staates einfordern, wenn es darum geht, Sicherheit für die Bürger zu erlangen. Da
kommen wir uns sehr nahe. Wir sind auch der Auffassung, dass wir klare Regeln brauchen, gerade im Internet, die dann auch durchgesetzt werden müssen. Von daher begrüße ich das, was Sie, Herr von Notz, hier gerade
an Grundsätzlichem ausgeführt haben.
({1})
Wir reden heute über das EU-Datenschutzrecht. Wir
haben jetzt einen Verordnungsvorschlag der Kommission vorliegen, der fast alles regelt. Eine Verordnung findet unmittelbare Anwendung. Ausgenommen sind nur
die Bereiche Justiz und Polizei.
Wo stehen wir heute? Wir haben auf europäischer
Ebene zu wenig Vereinheitlichung im Bereich der Wirtschaft, im Bereich des Verbraucherschutzes. National
sehr unterschiedliche Standards prägen das Bild. Das
Schutzniveau ist sehr unterschiedlich. Der Vollzug ist
überhaupt nicht einheitlich geregelt, und es fehlt an
Transparenz, Verständlichkeit und Anwenderfreundlichkeit. Das führt natürlich zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums. Die Debatte
über Facebook hat das gezeigt. Facebook hat wohl nicht
ohne Grund Irland als Standort in Europa gewählt. Mein
Vorredner hat das als Forum Shopping bezeichnet.
Das Datenschutzrecht auf europäischer Ebene ist in
die Jahre gekommen. Als es entwickelt wurde, haben die
sozialen Netzwerke und die Datenverarbeitungsmöglichkeiten von Privaten noch keine so große Rolle gespielt.
({2})
Auf Fragen der modernen Informationsgesellschaft finden wir hier nur unzureichende Antworten. Cloud Computing ist genannt worden. Ich erinnere an die Diskussion über den „Like it“-Button von Facebook oder die
Behandlung von Twitter.
Wir haben einen EU-Wirtschaftsraum mit 500 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das ist ein großer Markt, und das ist zunächst einmal eine unglaubliche
Chance für die IT-Branche und für jeden einzelnen Verbraucher. Daher ist ein einheitliches Datenschutzniveau
von großer Bedeutung. Wir müssen erreichen, dass Hürden abgebaut werden, um wirtschaftlich in ganz Europa
tätig werden zu können. Wir wollen erreichen, dass unser hohes Datenschutzniveau auf europäischer Ebene
durchgesetzt wird.
({3})
Natürlich bietet das auch die Chance, dass wir gegenüber den Großen wie Facebook und Google unsere Standards durchsetzen können. Deshalb ist der Übergang
vom sogenannten Niederlassungsprinzip zum Marktortprinzip richtig. Das heißt, dass das Datenschutzrecht des
Landes gilt, in dem die Dienstleistungen angeboten werden. Diesen Übergang schaffen wir nur, wenn wir diesen
großen Wirtschaftsraum mit einer halben Milliarde Verbraucherinnen und Verbrauchern in die Waagschale werfen. Wir begrüßen die Maßgabe, vom Marktortprinzip
auszugehen.
Dennoch gibt es grundsätzlichen Erörterungsbedarf.
Dabei geht es zum Beispiel um die Frage nach den Grenzen und der Reichweite des Datenschutzrechts. Datenschutz ist ein wichtiges Grundrecht.
({4})
Aber wir dürfen den Datenschutz nicht über alle anderen
wichtigen Grundrechte stellen. Vielmehr müssen wir immer abwägen. Ich denke zum Beispiel an die Meinungsfreiheit. Es darf nicht sein - dies wird in diesem Rechtsakt eben nicht ausgeräumt -, dass eine Privatperson, die
beispielsweise etwas in einem Blog postet oder in sozialen Netzwerken aktiv ist, unter das Datenschutzrecht
fällt und betroffene Dritte umfassend informieren oder
ein Datenschutzkonzept erarbeiten müsste. Das kann
nicht der richtige Weg sein. Wir können nicht alles mit
dem Datenschutzrecht regeln. Es gibt auch andere Regelungsinstrumente, beispielsweise das Urheberrecht und,
wenn es zum Beispiel um Beleidigungen geht, das Strafrecht.
({5})
Wir müssen bei allen Ambitionen, die wir bezüglich
des Datenschutzes haben, darauf achten, dass wir die
Bürokratie in Grenzen halten. Wir dürfen die Chancen,
die sich durch diesen einheitlichen Wirtschaftsmarkt bieten, nicht dadurch verspielen, dass wir den kleinen und
mittelständischen Betrieben bürokratische Hemmnisse
auferlegen, die sie nicht erfüllen können. Dann würden
wir genau das Gegenteil von dem erreichen, was wir
wollen.
Wir müssen die Innovationsfähigkeit erhalten. Wir
dürfen mit dem Datenschutzrecht, so wichtig es auch ist,
nicht jede Innovation im Internet von vornherein abwürgen. Wenn ein junges Unternehmen beispielsweise die
Idee hat, auf Basis öffentlicher Geodaten eine App zu
entwickeln, dann muss transparent sein, welche datenschutzrechtlichen Voraussetzungen gelten. Ansonsten
wird dieses innovative Produkt nicht in Deutschland,
nicht in Europa entwickelt, sondern in Amerika und an
anderen Standorten.
Wir müssen uns auch sehr genau über die Rolle der
Kommission, insbesondere gegenüber den Datenschutzbeauftragten, unterhalten. Ist es richtig, dass die Kommission in dem Kohärenzverfahren gegenüber den Datenschutzbeauftragten faktisch weisungsberechtigt wird?
Wenn ja, dann erreichen wir genau das Gegenteil von
dem, was hier gefordert wurde. Die Kommission ist
nicht die Superaufsichtsbehörde unserer Datenschutzbeauftragten.
Wir müssen uns auch darüber unterhalten, ob es richtig ist, dass die Kommission mit Ermächtigungen zum
Erlass von delegierten Rechtsakten - es sind insgesamt
26 - mehr oder weniger an den Mitgliedstaaten vorbei
Recht setzen kann. Wir haben bisher überhaupt keine
Möglichkeit, die Auswirkungen abzusehen. Das halte
ich nicht für den richtigen Weg.
Wir müssen uns insbesondere auch die Auswirkungen
auf unseren bereichsspezifischen Datenschutz anschauen. Unsere modernen Gesetze - ich denke beispielsweise an die Gesetze in den Bereichen Soziales
und Gesundheit - beinhalten zum größten Teil Datenschutzregeln, die sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte
entwickelt haben. Es gibt dort ein sehr austariertes System. Wenn jetzt alles mit der Verordnung geregelt wird,
dann verdrängt das natürlich die bereichsspezifischen
Datenschutzregelungen, die wir uns erarbeitet haben.
Wollen wir das wirklich? Ich bin der Auffassung, dass
wir diesen Rückschritt nicht machen sollten. Dies würde
letztendlich ein Weniger an Datenschutz, eine Absenkung des Datenschutzniveaus bedeuten. Das wollen wir
nicht.
({6})
Ähnliches gilt für den Bereich der Polizei und Justiz.
Moderne Polizeigesetze und eine moderne Strafprozessordnung bestehen zu einem großen Teil aus Datenschutzregelungen, die austariert und in den jeweiligen
Bereichen sehr spezifisch sind.
Die EU hat deshalb zu Recht in diesem Bereich eine
Richtlinie und keine Verordnung gewählt. Dennoch
muss ich sagen: Der EU fehlt die Kompetenz, den Datenaustausch innerhalb eines Landes zu regeln. Gerade
Deutschland ist, weil unser Land einen föderalen Aufbau
mit den Bundesländern, mit den unterschiedlichen Sicherheitsbehörden hat, darauf angewiesen, dass die Sicherheitsbehörden die Daten untereinander austauschen
können. In unserem Datenschutzrecht gibt es dafür entsprechende Regelungen. Deshalb sagen wir ganz klar:
Die EU hat hierfür keine Kompetenz, und es ist auch
nicht sinnvoll, dass die EU den Datenschutz im Bereich
von Polizei und Justiz regelt. Das ist völlig in Ordnung,
wenn es um den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten geht. Aber es gibt keine Notwendigkeit dafür,
wenn es um den Datenaustausch innerhalb der Mitgliedstaaten geht.
({7})
Die Verhandlungen sind auf einem guten Weg. Wir
sollten die Chancen nutzen, die sich für die Verbraucher
und für die Wirtschaft ergeben. Das Datenschutzrecht,
wie wir es uns jetzt geben, wird unser Zusammenleben
in den nächsten 10, 20 Jahren prägen. Deshalb ist hier
große Sorgfalt angebracht. Wenn wir es richtig machen,
dann kann das ein großer Standortvorteil für Europa
werden. Wenn wir es falsch machen,
({8})
könnten wir allerdings enormen Schaden anrichten, den
wir lange Zeit nicht wiedergutmachen könnten. Deshalb
ist es notwendig, dass alle mitarbeiten, auch die nationalen Parlamente. Die Union tut das. Das zeigt sich schon
allein daran, dass ein Berichterstatter, Michael Frieser,
heute spricht, obwohl er Geburtstag hat. Herzlichen
Glückwunsch, lieber Michael!
({9})
Jetzt müssen wir nur klären: Galt der Applaus dem
Parlamentarischen Staatssekretär oder dem Geburtstagskind?
({0})
- Herr Staatssekretär, jetzt haben auch Sie noch Applaus
erhalten.
Als nächsten Redner rufe ich auf für die Fraktion der
Sozialdemokraten unseren Kollegen Gerold Reichenbach.
Bitte schön, Kollege Reichenbach.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal: Lassen Sie auch mich von hier aus gratulieren, Kollege Frieser. Herzlichen Glückwunsch!
Wir reden heute über Datenschutz, über den Schutz
von Daten in sozialen Netzwerken, über Verbraucherund Persönlichkeitsschutz.
({0})
Wir reden auch darüber, wie dies in einem internationalen Netz bei Diensten - sie sind alle schon genannt worden: Facebook, Twitter, und wie sie alle heißen - und bei
international agierenden Bestellshops durchsetzbar ist.
Aber wir haben auch über die Untätigkeit der Bundesregierung zu reden.
({1})
Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, haben dafür
ein Beispiel gegeben.
({2})
Sie haben am Anfang gesagt: „Das ist ganz wichtig; da
müssen wir etwas machen“ und anschließend erklärt,
was alles gar nicht geht.
({3})
Das war Bedenkenträgerei. Wenn wir uns die Debatten
der letzten Jahre anschauen, können wir feststellen: Das
geht immer nach dem Motto: Eigentlich müssen wir den
Datenschutz vorantreiben. - Dann pfeift die Wirtschaft
Sie zurück, und es passiert nichts, frei nach dem schönen
hessischen Sprichwort: Bevor ich nix mach’, mach’ ich
lieber gar nix.
({4})
So lautet das Motto dieser Koalition im Bereich des Datenschutzes.
Das gilt sogar im Hinblick auf die eigenen Reihen. Es
freut mich, dass mein ehemaliger hessischer Landtagskollege, der jetzige hessische Justizminister, nach mir
sprechen wird; vielleicht kann er Ihnen ja ein bisschen
Dampf machen. Denn noch nicht einmal da, wo FDP
und CDU in den Ländern eine Initiative gestartet haben,
um die Daten und die Bürger im Netz besser zu schützen
- eine Initiative zur Umsetzung eines europäischen
Rechts, das bereits existiert und das Sie den Menschen in
diesem Lande seit über einem Jahr vorenthalten -, waren
Sie in der Lage, Ihren Kollegen in den Landtagen zu folgen. Sie haben keine Ausrede mehr dafür.
Wir Sozialdemokraten haben Ihnen hier einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Es geht darum, wie die Bürger
vor Cookies geschützt werden. Das sind kleine Dateien,
die aufzeichnen, wie Sie sich beim Surfen verhalten, was
Sie im Netz tun und lassen, welche Seiten Sie sich anschauen und wie oft Sie im Netz sind. Es geht darum,
dass diese kleinen Cookies ohne das bewusste, ausdrückliche Ja am Anfang nicht gesetzt werden dürfen.
Sie sagen: Dann muss man seinen Browser umprogrammieren; dann kann man das ja auch hinbekommen.
Worum es hier geht, macht ein Beispiel deutlich, das
in dieser Woche im Spiegel geschildert wird. Der Vater
eines 14-jährigen amerikanischen Mädchens, das regelmäßig Targeting Shops besucht und in Netzwerken unterwegs ist, hat sich bei der Geschäftsführung eines solchen Shops darüber beschwert, dass es seiner Tochter
beim Surfen im Internet, aber auch per Post, Werbung
für Babykleidung, Babyspielzeug und Kinderbetten einblendet bzw. zuschickt.
({5})
Er hat gesagt: Es kann doch nicht sein, dass Sie mit Babywerbung versuchen, einem 14-jährigen Mädchen unterzujubeln, dass es schön ist, ein Baby zu bekommen. Es stellte sich heraus, dass das Mädchen tatsächlich
schwanger war. Das heißt, der Targeting Shop und die
Netzwerke haben durch Verknüpfungen von Daten,
durch das Aufzeichnen des Surfverhaltens des Mädchens, durch das Aufzeichnen ihres Bestellverhaltens
und durch das Aufzeichnen dessen, was sie sich im Netz
angeguckt hat, herausbekommen, was selbst die nächsten Verwandten nicht wussten.
Wir reden heute doch über diese Situation, dass viele
soziale Netzwerke und viele dieser Shops mehr wissen
als der eine oder andere nächste Partner oder Verwandte.
Ich sage: Das kann ja okay sein, wenn ich denen das bewusst mitgeteilt habe. Aber es ist nicht okay, wenn dies
von den jeweiligen Diensten unter Umgehung der
Selbstschutzmöglichkeit des Verbrauchers ausspioniert
wird.
({6})
Es gab ja auch in Deutschland einige Fälle. Das Landgericht Berlin hat ein Urteil gegen Facebook gefällt. Es
ging dabei um die Umstellung seiner Datenschutzrichtlinie und die Voreinstellung, dass automatisch, wenn Sie
eine Facebook-App installieren, diese anfängt, Ihre Daten, Ihre Adressdaten - und zwar nicht nur Ihre, sondern
auch die von Dritten, die vielleicht gar nicht bei Facebook sind - zu synchronisieren und herunterzuladen.
Nur derjenige, der sich wirklich auskennt und schnell
genug reagiert, kann diesen Prozess stoppen.
({7})
Zur Durchsetzbarkeit und Wirksamkeit dieses Urteils:
Facebook sagt, wir sind ein international agierender
Konzern.
Die europäischen Datenschutzbeauftragten haben kritisiert - der französische Datenschutzbeauftragte wird
jetzt ein Verfahren einleiten -, dass die Datenschutzbestimmungen für die Google-Dienste, denen der Nutzer
vorher bewusst zustimmen muss, so allgemein und
nichtssagend sind, dass sie die Voraussetzungen einer
bewussten Zustimmung nicht erfüllen, weil darin Wörter
wie „womöglich“, „könnte“, „vielleicht“ und, und, und
vorkommen. Kein Mensch würde bei uns in ein Restaurant oder in eine Kneipe gehen, wo auf der Speisekarte
steht: Der Preis für Cola könnte womöglich oder vielleicht 3 Euro betragen. Aber genau das ist momentan
Usus im Netz.
({8})
Ich finde es immer spannend, dass die ansonsten auf
Bürgerrechte fokussierte Partei FDP genau das verteidigt, weil es hier ja um Geschäftsmodelle geht.
({9})
Ich sage Ihnen: Im Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Daraus hat das Bundesverfassungsgericht abgeleitet, dass der Mensch auch über seine Daten selber bestimmen kann. Was aber nicht in der Verfassung steht,
ist: Jedes Geschäftsmodell ist unantastbar. - Auch darüber diskutieren wir hier.
({10})
Deswegen ist das, was die Grünen in ihrem Antrag
vorgelegt haben, richtig. Das unterstützen wir inhaltlich.
Darauf will ich nicht im Detail eingehen.
({11})
Sie machen aber natürlich einen falschen Schritt, indem
sie sagen: Lasst uns doch schon jetzt mit einem Gesetzgebungsverfahren anfangen, wo die europäische Verordnung vorliegt. - Das macht keinen Sinn. Es gibt einen
Bereich - das habe ich bereits angesprochen -, in dem
Sie uns unterstützen können. Das ist die sogenannte
E-Privacy-Richtlinie. Sie ist bereits europäisches Recht.
Aber die Bundesregierung setzt diese Richtlinie seit über
einem Jahr nicht in deutsches Recht um. Nach dieser
Richtlinie ist es erforderlich, dass, bevor solche Cookies,
die den Nutzer ausspionieren können, gesetzt werden,
der Betreffende seine Zustimmung erteilen muss. Aber
diese Regierung setzt es nicht um. Herr Hahn, da Sie
gleich nach mir sprechen und eine ähnliche Position im
Bundesrat vertreten haben, können Sie vielleicht dieser
Regierung sowie Ihren Parteikollegen und -freunden die
Meinung geigen. Oder Sie haben das, was Sie im Bundesrat vorgetragen haben, gar nicht so ernst gemeint,
weil Sie wussten, dass die Kollegen in der Bundesregierung das sowieso ablehnen werden?
({12})
Es stellt sich die Frage, wie sich das durchsetzen lässt.
Der Staatssekretär hat zu Recht darauf hingewiesen:
Durchsetzbar ist dies im europäischen Rahmen. - Deswegen begrüßen wir diese Verordnung. Ich kann mich
aber des Verdachts nicht erwehren, dass es denjenigen,
die unter Hinweis auf die Subsidiarität mit Bedenken unterwegs sind, um etwas anderes geht. Alle sind sich einig: Datenschutz lässt sich nur auf europäischer Ebene
und mit größtmöglicher Harmonisierung organisieren.
Aber dann kommen die Bedenken; viele sagen: Harmonisierung ist gut, aber nicht so viel und nicht auf dem Niveau. - In welche Richtung es gehen soll, haben Sie
schon angedeutet, Herr Staatssekretär: möglichst niedriges Niveau und möglichst viel Selbstverpflichtung.
Der Herr Innenminister hat anlässlich der Vorlage der
Verordnung bereits erklärt: Natürlich soll das hohe deutsche Datenschutzniveau gelten. - Das Beispiel der E-Privacy-Richtlinie zeigt, dass Deutschland in einigen Punkten bereits jetzt hinter dem europäischen Niveau zurück
ist. Weiter hat er erklärt: Es soll möglichst viel Spielraum für Selbstverpflichtungen geben. Gucken wir uns
doch einmal die bisherigen Selbstverpflichtungen an, die
von Herrn de Maizière, dem Vorgänger des jetzigen Innenministers, groß gefeiert wurden. Er hat auch gesagt:
Ich lege ein Gesetz vor, um eine rote Linie zu ziehen, die
verteidigt werden muss. - Eine solche rote Linie ist nirgendwo in Sicht. Das ist eine Nirwanalinie, aber kein Gesetz. Herr de Maizière erklärte damals weiter: Ich habe es
geschafft - das ist eine gute Selbstverpflichtung -, eine
Selbstverpflichtung mit Diensten wie Google zu den
Geodaten zu vereinbaren. - Gucken wir uns einmal an:
Was ist denn von dieser Selbstverpflichtung bis jetzt umgesetzt worden? Nichts! Die Selbstverpflichtungsvereinbarungen der Bundesregierung mit der Industrie sehen
doch offenkundig so aus: Die Bundesregierung verpflichtet sich, gesetzlich nichts zu tun, während sich die
Industrie verpflichtet, heimlich weiterzumachen, weil
die Bundesregierung sie lässt. So sehen Ihre Selbstverpflichtungen aus! Aber so kann man den Datenschutz in
Europa nicht voranbringen. Es müssen klare, für alle geltende Regeln her.
({13})
Es ist richtig, dass die Verordnung - sie gilt für die Daten aller europäischen Bürger, egal wo die Daten verarbeitet werden - klare Zustimmungspflichten, das Recht
auf Vergessen und auch Strafen für Unternehmen vorsieht, die sich nicht an sie halten. Es ist allerdings ein bisschen seltsam, dass man den Umfang der Sanktionen auf
2 Prozent des jährlichen Umsatzes festgesetzt hat. Im
Wettbewerbsrecht gelten üblicherweise 10 Prozent. Das
wirft die Frage auf: Ist der Wettbewerb mehr wert als der
Schutz der Würde und der Persönlichkeitsrechte der Bürger in Europa? Seltsam ist auch die Altersgrenze von
13 Jahren zum Schutz der Jugendlichen. Eine solche Altersgrenze kommt in keinem anderen Rechtskonstrukt
vor. Die einzige Erklärung ist, dass man schon mit 13 Jahren bei Facebook mitmachen kann.
Wir fordern die Bundesregierung auf: Unterstützen
Sie diese Verordnung da, wo sie bereits gute und richtige
Akzente setzt! Beteiligen Sie sich nicht am Abschleifen
der Standards! Bessern Sie da nach, wo Nachbesserungsbedarf besteht! Ich will nicht wiederholen, was der
Kollege von Notz dazu gesagt hat. Auch Sie haben ja einen Teil benannt.
Ich möchte zum Ende kommen. Sie haben zu Recht
moniert: Der Europäische Datenschutzbeauftragte ist gemäß der Verordnung nicht unabhängig; er ist abhängig
von der Kommission; diese kann hineinregieren. Der
EuGH hat den Ländern vorgeschrieben: Die Datenschutzbeauftragten müssen unabhängiger von den Regierungen sein. Aber dann fangen Sie im eigenen Hause
an! Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist abhängig vom
Innenministerium. Er steht unter der Fach- und Rechtsaufsicht dieses Ministeriums.
Würden Sie bitte zum Schluss kommen?
Ich sage: Wir sind für unabhängige Datenschutzbeauftragte, für ein breites Datenschutzrecht, auch hier in
Deutschland. Deswegen unterstützen wir auch an dieser
Stelle den Antrag der Grünen. Werden Sie endlich im
Sinne des Datenschutzes tätig, und verharren Sie nicht in
Ihrer abwartenden und industriehörigen Haltung!
Ich danke Ihnen.
({0})
Vielen Dank, Kollege Reichenbach. - Nächster Redner ist der Staatsminister der Justiz, für Integration und
Vizepräsident Eduard Oswald
Europa aus Hessen, Herr Kollege Jörg-Uwe Hahn. Bitte
schön, Herr Kollege Jörg-Uwe Hahn.
({0})
Jörg-Uwe Hahn, Staatsminister ({1}):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich sage vielen herzlichen Dank, dass ich
heute die Möglichkeit habe, als stellvertretender Ministerpräsident des Landes Hessen, aber auch als Sprecher
der Justizministerkonferenz zu Ihnen zu sprechen und
Ihnen die Überlegungen, die wir in der Länderkammer
zum Thema EU-Datenschutz-Grundverordnung und Datenschutzrichtlinie angestellt haben, vorzutragen. Zeitgleich berät ja auch der Bundesrat über dieses Thema.
Ich kann bestätigen, Kollege Reichenbach, dass wir
Hessen eine besondere Empathie für das Thema Datenschutz haben. Das erste Datenschutzgesetz überhaupt ist
in Hessen im Jahre 1970, übrigens damals von einer sozial-liberalen Regierung, Herr Kollege Reichenbach
- lange ist es her -, verabschiedet worden.
({2})
Wir haben damals aber nicht nur das Datenschutzgesetz
verabschiedet, sondern auch einen unabhängigen Datenschutzbeauftragten für die öffentliche Verwaltung in
Hessen installiert.
Ich möchte Ihnen, meine sehr verehrten Damen und
Herren, sagen, dass wir uns in den letzten Wochen in den
Ausschüssen des Bundesrats sehr ausführlich sowohl mit
der Verordnung auf der einen Seite wie auch mit der
Richtlinie auf der anderen Seite auseinandergesetzt haben. Ich gehe davon aus, dass die meistens einstimmig
gefassten Beschlüsse nachher auch vom Plenum des
Bundesrates so bestätigt werden.
Was ist unsere Überlegung? Wir begrüßen zum einen
ausdrücklich, dass es eine Reform des Datenschutzrechtes in Europa gibt. Die technische Entwicklung und der
gewandelte gesellschaftliche Umgang mit personenbezogenen Daten lassen die alte Datenschutzrichtlinie aus
dem Jahre 1995 als ungenügend erscheinen bzw. alt aussehen. In einer Zeit - einige Vorredner haben es ja schon
angemerkt -, in der Informationen selbst zur Handelsware geworden sind, in der neue Informations- und
Kommunikationsangebote, zum Beispiel Google oder
Facebook, eine ganz andere Art von Umgang mit personenbezogenen Daten hervorgerufen haben, hat sie nichts
mehr zu bieten.
Darüber hinaus - das ist der zweite Gedanke - sind
wir Ländervertreter im Bundesrat uns einig darüber, dass
es eine Reihe von Gebieten gibt, in denen eine nationale
Regulierung keinen Sinn mehr macht. Das Thema Facebook und das Thema Google wurden eben angesprochen. Wenn Wirtschaftsunternehmen, die personenbezogene Daten verarbeiten, bei der Wahl ihres Standortes
eine Art Cherry-Picking machen können, ihn also danach aussuchen können, wo es die aus ihrer Sicht besten
datenschutzrechtlichen Regelungen gibt, ist klar, dass
eine nationale Regulierung in diesem Bereich nicht ausreicht.
Ebenfalls, meine sehr verehrten Damen und Herren,
möchte ich Ihnen auch die Kritik der Länderkammer
vortragen, die sich insbesondere auf zwei Gebiete bezieht.
Da ist zum einen die kritische Frage: Ist denn eigentlich eine entsprechende Kompetenz vorhanden, in Form
einer EU-Verordnung alles und jedes zu regeln? Ich
möchte darauf hinweisen: Beim Thema Schufa, also bei
der Frage „Wie gehen entsprechende Organisationen mit
der Verarbeitung von personenbezogenen Daten um?“,
haben Sie, der Deutsche Bundestag, eine Änderung des
Bundesdatenschutzgesetzes, übrigens in enger Absprache mit den Ländern, vorgenommen. Ich sage das, damit
Sie alle darüber Bescheid wissen: So etwas wird es künftig nicht mehr geben, weil dann die entsprechende
Rechtszuständigkeit ausschließlich auf europäischer
Ebene liegt. Wir sind der Auffassung, dass das falsch ist.
Wir sind der Auffassung, dass man, wenn man über den
Standard hinausgehen will - in Deutschland liegt ja der
Datenschutz in vielen Gebieten über dem europäischen
Standard, auch über dem künftigen europäischen Standard -, das auch machen können oder dürfen sollte. Aber
das wäre dann aufgrund der Strukturen des europäischen
Rechts nicht mehr möglich.
Das Zweite ist - auch das ist eben schon angesprochen; ich will es einmal etwas polemisch formulieren -:
Die Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten - wir
in Hessen sind ja stolz darauf, dass wir dieses Amt als
Erste eingeführt haben - wird abgeschafft. Dieses Amt
gehört dann in die Struktur der europäischen Regulierung, und die Kommission entscheidet über diese Fragen. Ich halte das, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf
alle Fälle für bedenklich und - wenn ich ganz ehrlich bin eigentlich für falsch.
({3})
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es anders organisieren müssen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
glaube, dass der Deutsche Bundestag die Chance nutzen
sollte, wenn der Bundesrat heute in diesen beiden Bereichen die Subsidiaritätsrüge erhebt. Ich bin eben auch als
Europaminister angekündigt worden. Wie ich weiß,
kann man nicht immer - ein Kollege hat es angesprochen - mit dem Zeigefinger durch Brüssel gehen und sagen: Europäisches Recht muss sich an deutsches Recht
halten. - Deshalb bin ich bei Subsidiaritätsrügen aus
Prinzip sehr zurückhaltend. Die hier behandelte Frage ist
so wichtig, dass wir sie weiterhin auf die Tagesordnung
setzen müssen.
Wir sollten in Deutschland weiterhin ein sehr modernes Datenschutzrecht haben. Im Sinne der Subsidiarität
Staatsminister Jörg-Uwe Hahn ({4})
sollten wir die entsprechenden Kompetenzen in den Ländern belassen. Aber natürlich muss es im Hinblick auf
den grenzüberschreitenden Verkehr auch ein europäisches Recht geben.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({5})
Herzlichen Dank, Herr Staatsminister Jörg-Uwe
Hahn. - Nächster Redner in unserer Aussprache ist für
die Fraktion Die Linke unser Kollege Jan Korte. Bitte
schön, Kollege Jan Korte.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es ist sehr erfreulich, dass wir heute einmal
die Gelegenheit haben, dieses Thema zu einer vernünftigen Uhrzeit zu diskutieren. Ich möchte für die Fraktion
Die Linke vorweg einige grundsätzliche Anmerkungen
machen, bevor ich auf die vorliegenden Anträge der
Grünen konkret eingehe, die übrigens unsere Zustimmung finden, weil sie sehr sinnvoll sind.
Wir sprechen über das Thema Datenschutz und
Europa. Wir haben es mit einer zunehmenden Dominanz
von Finanzmärkten, von Rettungspaketen, Sparpaketen
und anderem, übersetzt gesagt: mit einer Diktatur der
Finanzmärkte, zu tun. Ich glaube, dass wir in Europa
mehr Gegenwehr, mehr Kritik brauchen. Vor allem ist
dafür ein unangepasstes Verhalten notwendig.
({0})
Der Datenschutz ist neben der Frage der sozialen Sicherheit in Europa eine entscheidende Säule für eine intakte
Demokratie, für eine intakte Bürgergesellschaft. Wenn
allerdings immer mehr überwacht und gespeichert wird,
stirbt spontanes Handeln. Menschen fangen an, sich angepasst zu verhalten. Genau das können wir in Europa
zurzeit nicht gebrauchen. Wir brauchen in Europa unangepasstes Verhalten; das ist entscheidend.
({1})
Wenn wir über das Thema Datenschutz und Europa
reden, dann ist eine Frage in Deutschland aktuell besonders interessant - vielleicht bekommen wir noch eine
Auskunft dazu -: die Vorratsdatenspeicherung. Es gibt
ein paar Indizien dafür, dass es innerhalb der Bundesregierung Unstimmigkeiten in dieser Frage gibt.
({2})
Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es bekanntermaßen - man muss das ja für diejenigen übersetzen, die
zuhören - um die Totalprotokollierung des Kommunikationsverhaltens der Menschen in der Europäischen
Union. Wir erinnern uns: 2010 hat das Bundesverfassungsgericht in aller Deutlichkeit gesagt, dass das, so
wie es in Deutschland umgesetzt wurde, verfassungswidrig ist. - Das ist ein sehr gutes Urteil gewesen.
Jetzt haben wir die Situation - das ist sehr interessant -,
dass die zwei letzten Linksliberalen, die es in der FDP
noch gibt - die Justizministerin und ihr wackerer Staatssekretär -, sämtlichen Widerstand auffahren, um die
CDU/CSU daran zu hindern, ihr Lieblingsprojekt, die
Vorratsdatenspeicherung - in dem Fall leider zusammen
mit der SPD -, durchzusetzen.
({3})
- Berücksichtigt man die Kollegin Piltz, gibt es vielleicht noch zweieinhalb Linksliberale, Bürgerrechtsliberale in der FDP.
({4})
Das mag sein. So viel Nettigkeit vor dem Wochenende ist in Ordnung.
Wir reden ja über Europa. Interessant ist jetzt folgende
Situation: Die CDU/CSU und in diesem Falle die SPD
sind hochgradig erfreut - sie können damit kaum hinter
dem Berg halten -, dass die Europäische Union voraussichtlich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten wird. Das ist übrigens eines von 80 bei
insgesamt 2 000 Vertragsverletzungsverfahren in der gesamten Europäischen Union. Das ist erst einmal mit Interesse zur Kenntnis zu nehmen. Ich glaube, der Kollege
Stadler und die Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger haben in dieser Frage sehr recht - der Bundestag sollte sie
dabei unterstützen -, dass die Kommission erst einmal
ihre Hausaufgaben machen und die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung evaluieren und überprüfen muss.
Das wäre der richtige Schritt.
({5})
In diesem einen Fall haben Sie, liebe FDP, unsere Unterstützung. Es bleibt nämlich dabei - das ist sachlich eigentlich unbestritten -: Die Vorratsdatenspeicherung ist
unverhältnismäßig. Wir hatten dazu einige hochgradig
emotionale Innenausschusssitzungen.
Der Kollege Sebastian Blumenthal hat eine Zwischenfrage. - Bitte schön, Herr Kollege.
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie mir die Zwischenfrage gestatten.
Sie haben einen Großteil Ihrer Redezeit auf Punkte
verwendet, über die wir in der FDP-Fraktion ganz gut
Bescheid wissen. Da brauchen wir jetzt keine Aufklärung von Ihnen.
({0})
Meine Frage ist: Haben Sie die Absicht, auch noch
zur Tagesordnung und zu den Anträgen der Grünen zu
sprechen?
({1})
Lieber Kollege, ich habe Ihnen doch eben zugestanden - ich versuche, hier auf Sachpolitik einzugehen -,
dass in diesem einen Fall - als Linker fällt es mir durchaus schwer, das auch auszusprechen - die FDP in der Tat
richtig liegt.
Das Problem ist aber, dass der Zustand Ihrer Partei
uns nicht große Hoffnung macht, dass Sie sich in der
Frage der Vorratsdatenspeicherung gegen die CDU/CSU
durchsetzen werden. Deswegen habe ich gesagt: In diesem Punkt haben Sie unsere Unterstützung.
({0})
Wenn wir über Europa und Datenschutz reden, dann
muss es doch wohl erlaubt sein, auf die Frage der Vorratsdatenspeicherung einzugehen, die viele Menschen
bewegt. Es ist komisch, dass darauf noch nicht eingegangen wurde. So sieht es aus.
({1})
Um zum Thema zurückzukommen: Wir reden davon
- das ist die Position der Linken, und ich finde, das wird
im Antrag der Grünen auch sehr gut dargestellt -, dass
wir eine Umkehr in der europäischen Innenpolitik brauchen. Auch die Linke ist in der Tat dafür, dass die Datenschutzstandards in der Europäischen Union harmonisiert
werden. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig.
Die Frage ist aber: Auf welchem Niveau werden sie
harmonisiert? Das ist doch die Frage in der Auseinandersetzung, die wir haben. Die Linke tritt dafür ein, die Harmonisierung auf dem höchstmöglichen Niveau durchzusetzen.
({2})
Sie wollen das niedrigstmögliche Niveau. Das ist der
Unterschied, um den es hier heute geht.
Deswegen ist der Antrag der Grünen richtig. Wie es
in diesem Antrag richtig formuliert worden ist, darf es zu
keinerlei Absenkungen des Datenschutzniveaus kommen. Dabei ist noch einmal anzumerken - das darf man
nicht vergessen -, dass das Datenschutzniveau, das wir
haben, nicht vom Himmel gefallen ist, sondern relativ
heftig erkämpft und erstritten worden ist von Bürgerrechtlern, von Bürgerrechtsorganisationen und vielen anderen. Allein deswegen gilt es schon, dieses hohe Niveau anzuheben und auf diesem Niveau eine europäische
Harmonisierung hinzubekommen.
Zweiter Punkt zu dem Antrag. Ich glaube, wenn wir
über Europa und Datenschutz sprechen, dürfen wir eines
nicht vergessen: Es geht natürlich nicht, dass - ich
nehme einmal das Beispiel biometrischer Merkmale in
Pässen - die Bundesregierung über Europa Gesetze einbringt und dann sagt: Das kommt von Europa, es gibt
keine Alternative dazu. - Das muss dringend geändert
werden.
({3})
Es wäre schön, wenn diese Bundesregierung nicht als
Anwalt immer neuer Überwachungsmöglichkeiten über
den Umweg Europa auffallen würde, sondern wenn sie
als Anwalt und Garant eines hohen Datenschutzstandards in Europa agieren würde. Das wäre mal was
Neues.
({4})
Jetzt möchte ich zu dem anderen Antrag kommen,
den wir heute beraten und der sich mit der Unabhängigkeit des Bundesdatenschutzbeauftragten befasst. Auch
das hat in der Tat mit Europa zu tun. Das zeigt die ganze
Zweischneidigkeit und Differenziertheit der europäischen Innenpolitik, in der nicht alles schlecht, aber eben
auch nicht alles gut ist.
In diesem Falle gibt es ein wirklich gutes Urteil des
EuGH, in dem es heißt: Die Datenschützer müssen - ich
zitiere - „vor jeglicher Einflussnahme von außen einschließlich der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme des Bundes oder der Länder sicher sein …“. Das
ist ein wegweisendes Urteil. Wenn Sie wegen Vertragsverletzungsverfahren in große Panik verfallen, verstehe
ich nicht, warum Sie dieses Urteil des EuGH nicht zum
Anlass nehmen, um an der Situation etwas zu ändern. Es
ist doch höchste Eisenbahn, das zu tun. Wir würden Sie
in diesem Falle dabei unterstützen.
({5})
Wenn wir über die Unabhängigkeit des Bundesdatenschutzbeauftragten sprechen, dürfen wir nicht nur über
die institutionelle Unabhängigkeit reden - das ist zu
Recht hier schon angesprochen worden -, sondern - und
das ist natürlich ganz entscheidend in der Politik - wir
müssen auch über die finanzielle Unabhängigkeit, die
haushalterische Unabhängigkeit des Bundesbeauftragten
für den Datenschutz sprechen. Denn - auch das ist in
dem Antrag richtig angedeutet - es gibt immer mehr Dateien; die Speicherung nimmt zu. Es gibt übrigens erfreulicherweise auch ein immer größeres Bewusstsein
für Fragen des Datenschutzes. Allerdings sind die Mittel
des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit nicht kongruent mit den neuen Herausforderungen gestiegen. Will man eine richtige Unabhängigkeit, ist mehr Personal notwendig, damit der
Bundesbeauftragte endlich mit der zunehmenden Speicherung Schritt halten und analog dazu seinen Prüfaufgaben nachkommen kann. Dafür ist seine finanzielle Unabhängigkeit notwendig.
({6})
Zu überlegen ist auch, ob wir nicht bei Gesetzen, die
für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz einen
erhöhten Personalaufwand mit sich bringen - ein aktuelles Beispiel sind die Dateien zum Thema Rechtsextremismus -, die dafür notwendigen Kosten im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen sollten. Das ist
vielleicht eine konkrete Idee, über die wir uns interfraktionell verständigen können.
Zu dem letzten Antrag, der heute beraten wird, ist
schon viel gesagt worden. Rund 48 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung kommunizieren in sozialen
Netzwerken. Erfreulich ist, dass es aufgrund vieler Debatten und politischer Entwicklungen bei den dort Aktiven zunehmend ein Bewusstsein für Fragen des persönlichen Datenschutzes und die persönliche Integrität gibt.
Das ist, glaube ich, eine sehr gute Entwicklung. Es ist
völlig logisch, dass beispielsweise Facebook oder
Google völlig andere Interessen haben. Im Kapitalismus
ist das so; das ist zunächst so festzuhalten. Deswegen ist
an dieser Stelle der Staat gefragt. Alle Selbstverpflichtungserklärungen, auf die die FDP, die CDU und die
CSU setzen, haben sich in allen Politikbereichen - seien
es die Umweltfragen in den 80er-Jahren oder heute das
Thema soziale Netzwerke und Fragen des Datenschutzes als völlige Lach- und Luftnummern entpuppt. Das
müsste einem klar sein, wenn man die Fakten zur Kenntnis nimmt.
({7})
Daher bringen Selbstverpflichtungen überhaupt nichts.
Sinnvoll ist vielmehr, dass jeder, der sich in den sozialen
Netzwerken bewegt, selber aufpasst und versucht, so
weit wie möglich zu steuern, was er dort tut und was er
dort einstellt. Entscheidend ist aber, dass wir mit Selbstverpflichtungen der großen Konzerne nicht weiterkommen. Hier muss vor Ort und in Europa staatlicherseits
eingegriffen werden. Deswegen unterstützen wir den
vorliegenden Antrag zu diesem Thema.
Ich komme zum Schluss. Ich glaube, dass der Datenschutz ein zentrales Anliegen von uns allen sein sollte.
Zumindest für den Großteil der Opposition kann ich feststellen, dass das der Fall ist. Bei der FDP ist davon leider
nicht viel übrig geblieben. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, sich in dieser Frage zu profilieren.
({8})
- Sie sagen, Sie können auf die Ratschläge verzichten.
Das glaube ich angesichts Ihrer Wahlergebnisse nicht.
Sie sollten ein paar Ratschläge annehmen. Dann wären
Sie vielleicht erfolgreicher.
Aber davon abgesehen glaube ich, dass Datenschutz
nicht nur ein Thema für Fachpolitiker, sondern auch ein
großes Thema für die Öffentlichkeit ist.
({9})
Ich glaube darüber hinaus, dass Datenschutz ein elementares Abwehrrecht gegenüber dem Staat und einer unkontrollierbaren Wirtschaftsmacht in Deutschland und
Europa ist. Das ist eine ganz entscheidende Feststellung.
({10})
Ich gehe abschließend noch ein Stück weiter: Ich glaube,
der Datenschutz ist ein offensives Bürgerrecht, und er
muss, gerade wenn wir über Europa reden, als Mittel des
Protests und der Unangepasstheit dienen, um endlich ein
solidarisches und soziales Europa zu schaffen. Das funktioniert mit Ihrer Trümmertruppe leider nicht.
({11})
Vielen Dank, Kollege Jan Korte. - Nächster Redner
für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege
Michael Grosse-Brömer. Bitte schön, Herr Kollege.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich bin doch einigermaßen zufrieden, dass
Sie, Herr Korte, zum Schluss doch noch die Kurve zur
Sozialpolitik gekriegt haben; mir hätte das sonst gefehlt.
({0})
- Deswegen sind Sie auch in Ihrer Fraktion und nicht in
unserer.
({1})
Datenschutz war natürlich auch schon zu früheren
Zeiten eine Aufgabe, nur einfacher zu handeln. Es gibt
noch ein paar Kolleginnen und Kollegen in meinem Alter. Wir wissen noch, dass man Briefe auch handschriftlich verfassen und dann verschicken kann. Wer wollte,
dass der Inhalt nicht bekannt wird, packte diesen Brief
einfach nur in einen Umschlag. Wer vielleicht sogar bewusst wollte, dass der Inhalt bekannt wird, schrieb eine
Postkarte oder eine Ansichtskarte.
({2})
Jedenfalls entschied der Absender immer selbst, in welchem Maß Datenschutz für ihn wichtig oder gegebenenfalls völlig unwichtig war. Der Staat hat dann etwas ganz
Sinnvolles gemacht. Er hat für die Fälle, in denen der
Bürger entschieden hat, dieser Brief wird in einem geschlossenen Kuvert verschickt, den Inhalt durch das
Postgeheimnis geschützt. Ich glaube, der Staat hat jetzt
die Aufgabe, Wege zu finden, wie man den Datenschutz
auf der Grundlage der Wünsche der Menschen sichert.
({3})
- Dazu komme ich gleich noch.
({4})
- Aber Sie sind doch im Ausschuss nicht so unruhig und
schon gar nicht so ungeduldig, Frau Kollegin.
Ich gehe mit meiner Fraktion jedenfalls vom mündigen Bürger aus,
({5})
der erst einmal selbst entscheidet, ob er Datenschutz will
oder nicht. Ich glaube, das ist die richtige Grundlage, im
Übrigen auch beim Verbraucherschutz. Wir als Union
und vielleicht auch als Koalition unterscheiden uns da
von Ihnen. Sie trauen den Menschen nicht zu, für sich
selbst verantwortlich sein zu können. Ich möchte nicht,
dass der Staat mir mein Leben grundsätzlich erklärt und
alles vorschreibt. Ich möchte erst einmal selbst entscheiden, was ich will und was ich nicht will, auch im Hinblick auf den Datenschutz.
({6})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage unseres Kollegen
Reichenbach?
Selbstverständlich.
Bitte schön, Kollege Reichenbach.
({0})
Das wird er sich nicht trauen. Er wird jetzt eine kurze
Frage stellen.
Ich habe eine Frage zu Ihrem Beispiel. Beispiele hinken ja bekanntlich.
Aber nicht alles, was hinkt, ist ein Beispiel; das sollte
man auch noch sagen.
Genau. - Beispiele sind aber auch immer schön. Um
bei Ihrem Beispiel mit dem Briefumschlag zu bleiben:
Jetzt haben wir aber die Situation, dass die Industrie
Briefumschläge verkauft, die gegenüber dem Nutzer so
aussehen, als seien es Briefumschläge; bestimmte Unternehmen aber können da hineingucken. Sind Sie der Auffassung, dass diese Unternehmen gezwungen werden
sollten, zu kennzeichnen, dass dieser Briefumschlag
nicht für alle dicht ist, sondern für sie offen und einsehbar?
Ja, ich glaube, da sind wir einer Auffassung. Ich bin
der Meinung, dass gerade bei den sozialen Netzwerken
Sensibilität wesentlich mehr angezeigt ist als bei der
Vorratsdatenspeicherung und bei allem anderen, was hier
mit Kampfbegriffen bezeichnet wird, wo dem Staat ein
Aufspürinteresse grundsätzlicher Art unterstellt wird.
Man denkt: Wir kaufen einen Computer, und da ist immer ein kleiner Bundesinnenminister drin, der dann
gleich alles nach Berlin weiterschickt.
({0})
Das ist der wahre Unsinn. Deswegen gebe ich Ihnen
recht. Ich glaube, in den sozialen Netzwerken ist die Gefahr des Datenmissbrauchs für jeden einzelnen Bürger
und für jede einzelne Bürgerin wesentlich größer als bei
den Themen, über die wir hier sonst diskutieren. Deswegen bin ich mit Ihnen der Auffassung: Wir müssen darüber nachdenken - dazu komme ich gleich noch -, wie
wir Wege finden, möglichst auch grenzüberschreitend,
um Datenmissbrauch zu verhindern. Ich halte es für völlig falsch, dass von 15-jährigen oder 16-jährigen Kindern Profile erstellt werden.
({1})
Ich glaube, das können wir alle nicht wollen. Da müssen
wir überlegen, wie man das verhindert; gar keine Frage.
({2})
- Wir können uns auch gleich persönlich noch ein bisschen unterhalten. Ich möchte jetzt eben die Rede zu
Ende führen.
({3})
Mein grundsätzlicher Gedanke geht dahin, dass wir
mit der freiwilligen Selbstverpflichtung und auch mit der
Vorstellung vom mündigen Bürger arbeiten müssen. Wir
müssen die Medienkompetenz des Bürgers stärken, und
er muss selbst entscheiden, wie er vorgehen will. Deswegen finde ich den grundsätzlichen Ansatz in dem Antrag
der Grünen gar nicht falsch. Endlich einmal wird erkannt, dass da vielleicht ein wesentlich größeres Datenschutzproblem besteht als bei den Mindestspeicherungsfristen, über die wir sonst immer diskutieren. Wir haben
auf Antrag der Grünen und sonstiger Kolleginnen und
Kollegen auch über die akustische Wohnraumüberwachung diskutiert.
({4})
Die hat 2010 viermal stattgefunden. Es ist manchmal
sinnvoller, wenn man über die Fakten und Probleme redet, die es täglich gibt. Da sind Facebook, Google und
alles, was damit zusammenhängt, wesentlich gefährlicher als das, was wir sonst diskutieren.
Ich glaube auch, wir müssen gerade in dieser Hinsicht
aufpassen. Das diffuse Gefühl des Beobachtetseins, das
das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung festgestellt hat, das bei den Menschen
offensichtlich vorhanden ist, erlegt uns vielleicht auf,
einmal seriös mit dem Thema umzugehen, den Leuten
keine Angst zu machen, sondern ihnen zu erklären: Der
Staat kann deine Daten nur bekommen, wenn er den
starken Verdacht einer Straftat hat, einer Tat, die mit Terrorismus zusammenhängt. Aber dann muss er es auch
noch von einem Richter genehmigen lassen. Der Staat ist
also nicht das Problem. Das Problem sind große, weltweit agierende Unternehmen, die Profile erstellen, weil
sie sich daraus Vorteile erhoffen. Das können wir nicht
zulassen, jedenfalls dann nicht, wenn die Menschen
nicht wissen, was mit ihren Daten passiert. Das ist,
glaube ich, die große Aufgabe, die wir gemeinsam haben. Deswegen bin ich ganz froh darüber, dass die Grünen fordern - ich glaube, wir alle sollten das tun -, dass
wir uns mit dem EU-Datenschutzpaket beschäftigen.
Wir müssen es aktiv mitgestalten und überlegen, wie es
künftig ausgestaltet sein könnte.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Aspekt
erwähnen, der hier noch gar nicht angesprochen wurde:
Hierbei ist besondere Sorgfalt geboten, wie auch aus berufenem Munde zu hören war; denn mit einer Vollharmonisierung des Datenschutzrechtes durch eine europäische Verordnung könnte - so jedenfalls die Auffassung
eines Bundesverfassungsrichters - die Kontrollfunktion
des Bundesverfassungsgerichts beim Datenschutz ausgeschaltet werden. Darüber müssen wir reden. Damit
könnte die Rechtsprechung zum Datenschutz nach
30 Jahren Geschichte werden. Da diese Verordnung wie
ein europaweites Gesetz wirkt, müssen wir schon überlegen, wie wir in Deutschland, wo das Datenschutzniveau
hoch ist, mit einer solchen Verordnung umgehen würden. Darauf hat Johannes Masing, Richter am Bundesverfassungsgericht, Anfang Januar in der Süddeutschen
Zeitung hingewiesen. Er hat sogar davor gewarnt, dass
die Grundrechte dann nicht mehr anwendbar seien und
Einbußen beim Grundrechtsschutz entstehen könnten.
Seinen Worten nach - ich zitiere erweisen sich die scheinbar rechtstechnisch daherkommenden Regulierungsvorschläge der Europäischen Kommission zum Datenschutz als hochpolitisch. Ihrer Wirkung nach haben sie das Potenzial
einer tiefgreifenden Verfassungsänderung - und
müssen als solche diskutiert werden.
Das ist auch für uns eine besondere Herausforderung.
({5})
Es ist nicht so, dass alles nur glorreich abzuwickeln wäre Hauptsache, wir haben ein bisschen grenzüberschreitenden Datenschutz. Wir haben da noch einiges zu tun.
({6})
Darüber haben wir noch intensiv zu diskutieren. Das
Verfahren in Brüssel läuft gerade erst an. Ich habe heute
Vormittag noch mit einem Kollegen in Brüssel telefoniert. Ich glaube, es gab bislang eine vierjährige Vorarbeit in Kooperationsrunden, und jetzt rechnet man
noch mit anderthalb Jahren Arbeit an diesem Thema.
Deswegen haben wir als Bundestag noch ausreichend
Möglichkeiten, uns einzubringen.
In Ihrem Antrag zum Bundesdatenschutzbeauftragten habe ich nicht so richtig verstanden, warum er nicht
unabhängig handeln können soll.
({7})
Nach § 22 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz ist er in der
Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz
unterworfen. Freie Stellen können nur im Einvernehmen
mit ihm besetzt werden.
({8})
- Ja, das muss er vielleicht auch nicht, wenn er grundsätzlich auf das Personal zugreifen und selbst entscheiden kann, ob es ihm passt oder nicht. Das ist doch kein
Zeichen fehlender Unabhängigkeit.
({9})
- Es ehrt mich ja, dass Sie mich mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten vergleichen, aber meine Aufgaben
sind glücklicherweise, insbesondere in meinem Büro,
andere.
Das von Ihnen zitierte Urteil des EuGH ist jedenfalls
nicht passend; denn es bezieht sich nur auf die Länder.
Es gibt nach meiner Kenntnis jetzt ein Verfahren gegen
Österreich; vielleicht sollte man das abwarten, damit
man konkrete Informationen hat. Es sollten nicht vorschnell irgendwelche Forderungen aufgestellt werden.
Jedenfalls können wir als Parlamentarier im Deutschen Bundestag doch erst einmal froh und glücklich
sein, dass eine so kluge Frau wie die Kommissarin
Reding am 21. März 2012 gesagt hat:
Ihr habt bislang den stärksten Datenschutz in
Europa, und das Bundesdatenschutzgesetz hat mich
bei meiner Arbeit inspiriert.
Da muss man doch einmal sagen: Herzlichen Glückwunsch, Bundesregierung! Alles habt ihr auch nicht
falsch gemacht.
({10})
Manches scheint doch ganz gut zu sein. Aber natürlich
ist es Aufgabe der Opposition, Fehler zu suchen; das
nehmen wir Ihnen auch gar nicht übel.
Ich will zum Schluss noch sagen: Wie immer hat die
EU auch ein paar ganz tolle Ideen, zum Beispiel zu Verbandsklagerechten. Das findet meine Fraktion nicht so
toll. Es soll derjenige klagen, der in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Wir werden also eine spannende Debatte zu spannenden Themen führen. Aus unserer Sicht müssen dabei immer die Selbstverantwortung und auch das Selbstbewusstsein der Menschen sowie deren Bereitschaft, sich
mit dem Thema auseinanderzusetzen, um künftig medial
sensibler zu sein, berücksichtigt werden. Ich glaube, das
ist unser aller Verpflichtung. Das geht in diesem Fall
auch einmal ohne Gesetz. Wir haben also noch viel zu
diskutieren; und das werden wir auch tun. Es wird spannend werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({11})
Vielen Dank, Kollege Grosse-Brömer. - Jetzt spricht
für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin
Kerstin Tack. Bitte schön, Frau Kollegin Kerstin Tack.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, wenn wir uns über die europäische Verordnung
unterhalten, merken wir an vielen Stellen, dass wir Gemeinsamkeiten haben, über die es sich zu reden lohnt.
Wir merken aber auch, dass wir die Verbraucherinnen
und Verbraucher einbeziehen müssen, wenn es um die
Frage geht: „Wo und warum sehen wir Regelungs- und
Handlungsbedarf?“, wenn es darum geht, Verbraucherinnen und Verbraucher im Netz zu schützen und den
Datenschutz hier so ernst zu nehmen wie außerhalb der
digitalen Welt. Deshalb diskutieren wir über die Netzpolitik.
Das Internet ist eine der größten Errungenschaften. Es
ist selbstverständlich, dass wir Internet haben. Wir alle
nutzen es regelmäßig. Insbesondere der weltweite Austausch stellt sich ganz anders dar. Aber - auch das ist
klar - wer sich im Netz bewegt, ist auf der einen Seite
Verbraucher, auf der anderen Seite aber auch Anbieter;
denn er konsumiert auf der einen Seite, aber er handelt
auf der anderen Seite, nämlich mit seinen persönlichen
Daten. Das Zahlungsmittel im Internet, in der digitalen
Welt messen wir nicht in Euro, sondern in der Eingabe
der persönlichen Daten. Die Erkenntnis, dass dies nicht
kostenlos ist, dass ich mit meinen persönlichen Daten,
die ich eingebe, zahle, weil andere ein wirtschaftliches
Interesse daran haben und Vorteile daraus ziehen, muss
reifen. Wir müssen uns klarmachen, warum wir Datenschutz im Internet brauchen, der sich am Datenschutz
außerhalb der digitalen Welt misst. Ich mache an drei
Beispielen deutlich, was das bedeuten kann.
Ich fange an mit Paul. Paul ist erst 13 Jahre alt. Er ist,
wie viele seiner Freunde und Mitschüler, in sozialen
Netzwerken. Seine Eltern nehmen das zur Kenntnis und
unterstützen das auch ein Stück weit. Er gibt ganz selbstverständlich seine Daten, seinen Namen, seine Adresse
und auch sein Geburtsdatum ein. Er chattet mit Freunden. Er lädt Bilder hoch. Er gibt im Netz Kommentare
ab. Das alles macht er ganz selbstverständlich, ohne dass
irgendjemand daran interessiert ist. Wenn er seine Bilder
hochlädt, so lädt er auch Bilder hoch, von denen man sagen würde: Na ja, ob das die Bilder sind, die uns alle interessieren? - Es sind zum Beispiel Fotos, auf denen gerauft wird. Diese Fotos, auf denen er im Netz nicht
immer nur positiv dargestellt wird, können ihm an anderer Stelle aber wieder begegnen. Wenn sich unser Paul
mit 16 Jahren zum Beispiel als Einzelhandelskaufmann
bewirbt, könnte ein potenzieller Arbeitgeber sagen:
„Dich halten wir für charakterlich nicht geeignet“, weil
er sich im Netz über Paul informiert hat. An dieser Stelle
merken wir, dass es möglich sein muss, einmal ins Internet Gestelltes wieder löschen zu können. Würde Paul in
der nicht digitalen Welt seine Fotos seinen Freunden zur
Kenntnis geben und sie in der Schule oder woanders aufhängen, könnte er sie wieder abhängen. Das muss auch
im Internet möglich sein. Hier zeigt sich, dass es auf europäischer Ebene Handlungsbedarf gibt.
Paul ist 13 Jahre alt und nicht geschäftsfähig.
Frau Kollegin Kerstin Tack, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte schön.
Bitte schön.
Sehr verehrte Kollegin Tack, ich möchte auf Paul zurückkommen.
Gerne.
Ich weiß nicht, ob Sie wirklich mit Paul gesprochen
haben oder ihn sich ausgedacht haben. Ich habe mit Realschulklassen aus meinem Wahlkreis gesprochen. Das
sind 13-, 14-jährige Schüler. Ich muss sagen: Entgegen
meiner Erwartung war ich höchst überrascht, dass diese
Realschüler zu 80 bis 85 Prozent ihre Facebook-Profile
gesichert hatten. Ich jedenfalls konnte nicht darauf zugreifen. Es gibt also durchaus ein Bewusstsein dafür, wie
man mit dem Datenschutz umgeht. Ich weiß nicht, wer
Paul ist; ich kenne ihn nicht. Aber vielleicht kennen Sie
ihn. Haben Sie das einmal überprüft? Meine Erfahrung
jedenfalls ist eine andere.
Sie fordern, es solle im Internet die Möglichkeit geben, die Bilder wieder zurückzuholen, so wie in der analogen Welt, wenn man Bilder in der Schule verteilt hat.
Ich weiß nicht, wo Sie zur Schule gegangen sind; aber
ich weiß, dass sich Peinlichkeiten, die man sich in der
analogen Welt geleistet hat - ich möchte keine Beispiele
nennen; aber Sie können sich vielleicht Peinlichkeiten
eines Jugendlichen bei einem Dorffest vorstellen -, nicht
rückgängig machen lassen. Darüber wird noch nach
20 Jahren geredet. Wie wollen Sie es in der digitalen
Welt überhaupt technisch realisieren, Dinge, die einmal
eingestellt wurden, wieder zurückzunehmen? Bilder, die
Sie einmal in der Schule verteilt haben, bekommen Sie
auch nicht mehr zurück. Ich finde das, was Sie hier vortragen, völlig lebensfremd.
({0})
Herzlichen Dank, Herr Kollege. Ich glaube, an dieser
Stelle merken wir, wie hoch die Anforderungen sein
müssen, die wir an den Datenschutz stellen. Das gilt vor
allem im Hinblick darauf, wie schnell sich die Datenschutzbestimmungen und die Einstellungen in den sozialen Netzwerken verändern. Man hat es nämlich zum Ziel
des wirtschaftlichen Interesses gemacht, zu sagen: Die
Einstellungen für einen gesicherten Datenschutz im Netz
werden ständig geändert. Es gehört zum Geschäftsmodell, bei den Schutzbestimmungen immer wieder Veränderungen herbeizuführen. Man will die Schnelllebigkeit
im Netz nutzen, sodass die jungen Leute und alle anderen dies nicht mitbekommen. Das ist doch reines Geschäftsinteresse. Hier gilt es eine Schutzfunktion einzubauen. Darum wollen wir im Datenschutz Regelungen
einführen, die über die Haltung „Wenn ihr euch selber
nicht genügend informiert, dann seid ihr eben schutzlos“
hinausgehen.
Lassen Sie mich fortfahren.
({0})
Auch und insbesondere für die ältere Generation sind
folgende Fragen wichtig: Wie schützen wir im Netz?
Wie kann man erreichen, dass jeder ein eigenes Interesse
an seinen Zugängen entwickelt? Wie schaffen wir es, die
Verbraucherinnen und Verbraucher im Hinblick auf die
Einwilligungsvorbehalte über nötige und einzuhaltende
Schutzfunktionen zu informieren, bevor mit ihren Daten
gearbeitet wird? - Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen wissen, welche Daten von ihnen erhoben
werden und was mit ihren Daten geschieht. Darüber
müssen sie von vornherein eine klare Vorstellung haben,
und dem müssen sie auch zugestimmt haben. Sie dürfen
sich nicht darauf verlassen, dass die Schutzbestimmungen schon ausreichen und die Daten nicht missbräuchlich verwendet werden.
Insbesondere wenn es um das Ausspionieren des
Surfverhaltens von Verbraucherinnen und Verbrauchern
geht, ist es wichtig, dass die Bundesregierung die
EU-Cookie-Richtlinie in nationales Recht umsetzt; das
wurde bereits mehrfach angesprochen. Wir wollen diesen Schutz; er muss klar und deutlich umgesetzt werden.
Ich komme zum Schluss. Wenn es um die Daten im
Internet geht, die als Wirtschaftsgut gelten, ist ein Verbraucherschutz mit entsprechenden Informationen, mit
Transparenz und mit einer Kontrolle sämtlicher Vorgänge im Internet unabdingbar. Diesen Schutzgedanken
müssen wir auf europäischer Ebene regeln; das ist ganz
klar. Aber auch auf nationaler Ebene müssen wir unsere
Regelungskompetenzen ernst nehmen und, soweit erforderlich, die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen ergreifen.
Herzlichen Dank.
({1})
Vielen Dank, Frau Kollegin Kerstin Tack. - Nächste
Rednerin für die Fraktion der FDP ist unsere Kollegin
Gisela Piltz. Bitte schön, Frau Kollegin Gisela Piltz.
({0})
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist klar, was jetzt kommt, nach den
Reden von Herrn von Notz und von Herrn Reichenbach.
({0})
- Danke. Warum sagt ihr es denn nicht selber? - Ich
habe einmal den Koalitionsvertrag von 1998 mitgebracht. Darin findet sich kein einziges Wort zum Datenschutz. Dort steht aber:
Wir setzen uns in der EU zur Stärkung der Inneren
Sicherheit und zur Gewährleistung der Bürgerrechte folgende Ziele:
Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung sowie
Ausbau von Europol unter Gewährleistung der gerichtlichen Kontrolle und der Befassungsrechte des
Europäischen Parlaments.
Datenaustausch schon; aber Datenschutz hatten Sie nicht
auf dem Schirm.
({1})
Im Koalitionsvertrag 2002 - das ist noch gar nicht so
lange her ({2})
stand Folgendes:
Wir werden das Datenschutzrecht auf der Grundlage der Vorarbeiten der 14. Legislatur umfassend
reformieren.
Darauf warten wir bei Ihnen bis heute.
Der Schutz der Daten der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer wird erstmals in einem eigenen Gesetz verankert.
Das hören Herr Frieser und ich besonders gerne. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege!
({3})
- In der Realität haben Sie nichts gemacht; wir arbeiten
wenigstens daran. Das unterscheidet uns.
({4})
Weil es so schön ist: Es gab ein Terrorismusbekämpfungsgesetz, ein Finanzmarktförderungsgesetz, ein
GKV-Modernisierungsgesetz, ein Gesetz zur Änderung
des Bundesgrenzschutzgesetzes, ein Steueränderungsgesetz, ein Telekommunikationsgesetz, ein EU-Passagierdatenabkommen und ein Gesetz zur Neuregelung von
Luftsicherheitsaufgaben. All das sind Regelungen aus
Ihrer Zeit, bei denen Sie sich nicht um den Datenschutz
gekümmert haben. Wir brauchen von Ihnen keine Belehrung.
({5})
Wenn wir hier und heute über einen europäischen
Rechtsrahmen für den Datenschutz reden, geht es im Ergebnis um nicht mehr und nicht weniger als die nahezu
vollständige Ersetzung, das heißt Außerkraftsetzung, des
nationalen Datenschutzrechtes. Entsprechend sorgfältig
sollten wir alle uns mit den Entwürfen beschäftigen.
({6})
- Hören Sie auf, zu blöken. - Zunächst ist es gut und
richtig, dass die Ansätze der Kommission mehr sind als
eine Lex Google oder eine Lex Facebook. Es geht um
eine harmonisierte Rechtsordnung im gesamten Binnenmarkt und damit auch außerhalb der virtuellen Welt. Das
muss man sehen; denn wir reden hier nur über die virtuelle Welt. Es geht um allgemein verbindliche Rechte für
die Betroffenen und um einheitliche Spielregeln für
sämtliche Branchen. Wir alle wissen: Manches, was für
uns ein kleiner Schritt ist - ich spreche in diesem Zusammenhang zum Beispiel vom Datenschutzbeauftragten -, ist ein großer Schritt für Europa. Das sollten wir
nie vergessen.
Die uns vorliegenden Anträge sind eine ordentliche
Diskussionsgrundlage. Wir freuen uns, dass damit endgültig die Modernisierung des Datenschutzrechtes angestoßen wird.
({7})
Wir finden die holzschnittartigen Vorwürfe, die Sie uns
immer machen, nicht ganz passend, weil sie nicht der
Sache dienen.
Wir haben natürlich auch Kritik; das ist klar. Vor allem im nicht öffentlichen Bereich sollte sich eine unmittelbar wirkende Verordnung und der damit verbundene
hohe Grad der Harmonisierung sowohl auf alle Unionsbürger als auch auf die datenverarbeitende Wirtschaft
positiv auswirken, dies vor allem deshalb, weil künftig
auch solche Unternehmen vom Rechtsregime der EU erfasst werden, die ihren Sitz nicht in der EU haben; darauf ist schon hingewiesen worden. Ein hoher Harmonisierungsgrad darf auf der anderen Seite nicht dazu
führen, dass das hohe deutsche Datenschutzniveau unterschritten wird; darauf werden wir sehr sorgfältig achten.
Es geht hier um Grundrechtseingriffe. Da muss man
ganz klar sagen - das war bei einigen von Ihnen nicht so
ganz klar -: Es geht im Verhältnis zwischen den Betroffenen und den verantwortlichen nicht öffentlichen Stellen vor allen Dingen um die Betätigung und Ausübung
von Grundrechten. Nach unserer Einschätzung muss das
noch klarer herausgearbeitet werden. Das fehlt uns in
den Anträgen.
Ich wende mich an die Kollegen von den Grünen. Aus
unserer Sicht lässt sich bei Ihren Vorschlägen ein auffälliges Missverhältnis zulasten des Datenschutzes bei der
polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit erkennen.
Zu den Vorstellungen der Europäischen Kommission,
wie der Schutz der Bürgerrechte gerade in diesem sensiblen Bereich in Zukunft ausgestaltet sein soll, sagen
Sie gar nichts; aber das wundert einen nicht wirklich.
Am Ende haben auch wir noch viele Kritikpunkte. Einige sind hier schon, verstreut über alle Reden, genannt
worden. Auch wenn man sich mit der europäischen Sache beschäftigt, gibt es noch viele Kritikpunkte. So stellt
sich etwa die Frage, ab welcher Größe der Unternehmen
es Datenschutzbeauftragte geben sollte. Die Tatsache,
dass dort 45 Rechtsetzungsakte vorgesehen sind, kann
man als stolzer Parlamentarier nicht hinnehmen. Wir
werden uns darum kümmern müssen, dass viele Sachen
nicht direkt geregelt werden. Die Fragen, wie wir das
Bußgeld, das Verbandsklagerecht und die Altersgrenze
regeln, sind angesprochen worden.
Frau Kollegin Tack, ich wundere mich schon, dass
Sie für die SPD eine nicht gegenderte Rede halten und
nur von Paul reden dürfen. Bei uns müsste man schon
von Paul und Paula sprechen.
({8})
Wenn Sie schon das Beispiel des 13-jährigen Paul nennen, dann hätte ich mir schon - das hätte ich mir gewünscht - eine Äußerung zu der Altersgrenze auf europäischer Ebene gewünscht. Denn es ist aus unserer Sicht
nicht hinzunehmen, dass das total undifferenziert ist.
({9})
- Ja, der erwähnte Paul war 13. Wir wissen immer noch
nicht, ob es ihn gibt. Wir würden ihn gerne kennenlernen. - Wir werden sicherlich alle gemeinsam daran arbeiten, dass der Datenschutz in Europa und damit in
Deutschland noch besser wird.
Herzlichen Dank.
({10})
Vielen Dank, Frau Kollegin Gisela Piltz. - Nächster
Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der
CDU/CSU unser Kollege Stephan Mayer. Bitte schön,
Kollege Stephan Mayer.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Das EU-Datenschutzrecht
Stephan Mayer ({0})
ist in die Jahre gekommen. Die noch heute gültige EUDatenschutzrichtlinie stammt aus dem Jahr 1995, ist also
17 Jahre alt. Das bedeutet Lichtjahre im Bereich des Datenschutzes,
({1})
gerade angesichts der rasanten Entwicklung im Bereich
der Informations- und Kommunikationstechnologie.
Deshalb begrüßen wir grundsätzlich das Tätigwerden
der EU-Kommission in diesem Bereich. Die EU-Kommissarin und Vizepräsidentin der EU-Kommission,
Viviane Reding, hat am 25. Januar 2012 zwei Rechtsetzungsvorschläge für eine neue Datenschutz-Grundverordnung und für eine Datenschutzrichtlinie unterbreitet.
Was mich wundert, gerade in Bezug auf die drei Anträge der Grünen, die wir heute debattieren: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie gehen schon sehr zaghaft und sehr zögerlich in Ihrer Kritik
gegenüber diesen beiden Rechtsetzungsakten vor.
({2})
Ansonsten sind Sie mit Kritik gegenüber der Regierungsseite auf Bundes-, Landes- oder auf europäischer
Ebene nicht so zurückhaltend. Ich muss sagen: Ihre Anträge sind insoweit schon reichlich armselig.
({3})
Was mich ebenfalls wundert - auch das muss ich ganz
offen gestehen -, ist, dass Ihren Anträgen eine unheimliche Regulierungshörigkeit innewohnt, eine Staatsgläubigkeit, die Ihnen an sich sonst eher fremd ist. Aber
offenbar sind das die neuen Grünen, die lieber auf Regulierung und gesetzgeberisches Handeln als auf Selbstverpflichtungen oder auf die Eigenverantwortung der Bürger setzen.
({4})
Bei aller Grundsympathie gegenüber diesen beiden
Rechtsetzungsvorschlägen der EU-Kommission bleiben
meines Erachtens doch deutliche Kritikpunkte an den
beiden Vorschlägen. Es ist gut, dass wir uns mit diesen
beiden Vorschlägen frühzeitig befassen. Es wird mit Sicherheit noch 18 Monate dauern, bis die beiden Vorschläge letzten Endes Gesetzeskraft erlangen werden.
Aber gerade bei EU-Rechtsetzungsakten kann man sich
aus meiner Sicht als nationales Parlament gar nicht früh
genug zu Wort melden.
({5})
Deswegen begrüße ich grundsätzlich die heutige Debatte.
Ich möchte deutlich betonen, dass es meines Erachtens sehr berechtigte und stichhaltige Gründe gibt, dass
sich der Bundesrat heute mit zwei Subsidiaritätsrügen zu
Wort meldet. Sehr geehrter Herr Landesminister Hahn,
ich darf Ihnen stellvertretend für den Bundesrat ganz
herzlich dafür danken, dass Sie sich dieses Themas annehmen, weil die beiden Rechtsetzungsakte die durchaus
berechtigte Frage aufwerfen, inwieweit hier nicht die
Kompetenz, die Rechtsetzungshoheit der nationalen
Mitgliedsländer betroffen ist; andersherum gefragt, ob
die Europäische Union nicht teilweise Gesetzgebungskompetenzen an sich zieht, die ihr an sich gar nicht zugemessen sind.
Ich meine vor allem den Bereich der polizeilichen
und justiziellen Zusammenarbeit. Aus meiner Sicht geht
es die EU-Kommission und auch die europäische Gesetzgebung nichts an, wenn Daten von einer Polizeiinspektion in Bad Reichenhall an eine andere Polizeiinspektion nach Altötting übertragen werden. Ich sehe
die ganz konkrete Gefahr, dass unser bewährtes deutsches Strafprozessrecht durch diesen Vorschlag im Bereich der Datenschutzrichtlinie ausgehöhlt wird.
In der Datenschutzrichtlinie werden umfangreiche
Vorgaben für die Führung von Verfahrensakten, für Ermittlungsmaßnahmen unter der Verwendung besonderer
Kategorien von personenbezogenen Daten sowie für die
Akteneinsicht und die Auskunftserteilung gemacht. Dies
ist alles sehr sauber und sehr ordentlich im Strafprozessrecht in Deutschland geregelt und bedarf keiner europäischen Regulierung. Die Argumentation der Kommission
ist: Es kann ja einmal sein, dass Daten, die von Polizeibehörden erhoben werden, grenzüberschreitend weitergegeben werden. - Ich sage ganz offen: Dies ist aus meiner Sicht eine zu kurz greifende und zu kurz springende
Argumentation, weil die überwiegende Mehrheit der Daten, gerade im polizeilichen Bereich, die Landes- und
Bundesgrenzen nicht verlässt. Über die Hintertür, das
abstrakt und rein hypothetisch die Möglichkeit besteht,
dass irgendwann einmal eine Weitergabe der Daten an
ausländische Polizeibehörden erfolgt, eine Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union zu begründen,
halte ich für verfehlt.
({6})
Auch die Datenschutz-Grundverordnung begegnet
aus meiner Sicht großen Bedenken. Ich habe grundsätzlich Verständnis für den Wunsch der Wirtschaft nach
einheitlichen Datenschutzstandards in der gesamten
Europäischen Union; dagegen ist zunächst überhaupt
nichts einzuwenden. Ich sage ganz offen: Davon werden
die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren, weil
auch die jetzige Regelung nicht zielführend ist, da sich
manche Unternehmen - ein Fall ist heute schon genannt
worden - als Sitzland das Land aussuchen, das die geringsten Datenschutzstandards aufweist.
({7})
Insoweit ist es richtig, dass wir ein einheitliches Grundniveau in Europa schaffen. Es muss nur verhindert wer20510
Stephan Mayer ({8})
den, dass damit die sehr hohen deutschen Datenschutzstandards ausgehöhlt werden.
({9})
Es ist schon mehrmals auf die Aussage der EU-Kommissarin Reding hingewiesen worden, die in der Wochenzeitung Die Zeit vom 21. März ganz deutlich betont
hat, dass das deutsche Datenschutzrecht mit das beste innerhalb der Europäischen Union ist.
({10})
Das ist ein Ritterschlag für Deutschland. Ich kann den
Vorwürfen vonseiten der Opposition nur entgegnen: Lassen Sie die Fakten sprechen und vor allem die profilierte
zuständige EU-Kommissarin!
({11})
Wenn sie der Auffassung ist, dass wir in Deutschland einen hohen Datenschutzstandard haben, dann sollte man
dies sehr wohlwollend und anerkennend zur Kenntnis
nehmen.
Ich nehme ebenfalls sehr anerkennend und positiv zur
Kenntnis, dass der Verordnungsentwurf der Kommissarin vorsieht, dass der Strafrahmen für Bußgelder deutlich
erhöht wird. Das in Deutschland derzeit maximal festzustellende Bußgeld von 300 000 Euro schreckt große
Konzerne wie Microsoft oder Google nicht ab. Es ist
deshalb richtig, dass der Bußgeldrahmen auf 5,6 Millionen Euro erhöht wird.
Das vorgesehene Kohärenzverfahren hingegen sehe
ich sehr kritisch. Aus meiner Sicht begegnet es großen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Ich teile die Auffassung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der
Länder, die in ihrer Entschließung vom 21. und 22. März
dieses Jahres deutliche Kritik am vorgesehenen Kohärenzverfahren geübt haben; denn mit dem Kohärenzverfahren wird die Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten deutlich beeinträchtigt. Die EU-Kommission
schriebt sich ein Selbsteintrittsrecht zu, was im Endeffekt bedeutet, dass die Befugnisse nationaler Datenschutzbehörden ausgehöhlt werden, dass die Entscheidungen von nationalen Datenschutzbehörden bis zu
einem Zeitraum von zwölf Wochen sogar suspendiert
werden können und die EU-Kommission sich an die
Stelle der nationalen Datenschutzbehörden setzt. Das ist
meines Erachtens mit deutschem Recht, vor allem mit
deutschem Verfassungsrecht, nicht in Einklang zu bringen.
Aus meiner Sicht ist ebenso kritisch zu sehen, dass
der Verordnungsentwurf insgesamt knapp 50 Verordnungsermächtigungen für die EU-Kommission beinhaltet. Wir sollten unserem Selbstbewusstsein als nationales
Parlament entsprechend die Auffassung vertreten, dass
die Grundzüge, die wesentlichen Inhalte des Datenschutzrechts entweder von den Mitgliedstaaten oder in
der Verordnung selbst geregelt werden, aber nicht im
Wege von Ermächtigungen, weil dann der Kommission
die Möglichkeit gegeben wird, eigenmächtig, ohne jegliche demokratische Rückkopplung Änderungen in das
Datenschutzrecht zu implementieren.
({12})
Ich möchte auf einen sehr wesentlichen Punkt zurückkommen. Wir haben in Deutschland bereits ein qualitativ
hochwertiges Datenschutzrecht. Deswegen erfreut es
mich, dass die EU-Kommission die Bedeutung von betrieblichen Datenschutzbeauftragten grundsätzlich anerkennt. Ich möchte aber kritisch hinterfragen, dass die
EU-Kommission die Einsetzung von betrieblichen Datenschutzbeauftragten erst ab einer Mitarbeiterzahl von
250 pro Unternehmen verbindlich vorsieht.
({13})
Es muss im Zuge von Öffnungsklauseln die Möglichkeit
geben, dass die in Deutschland bewährte Regelung, dass
schon ab einer Mitarbeiterzahl von 10 ein betrieblicher
Datenschutzbeauftragter vorgesehen ist, weiterhin in
Kraft bleiben kann.
Der Programmsatz, der im Verordnungsentwurf steht,
dass es ein „Recht auf Vergessenwerden“ gibt, ist wunderschön. Das Problem ist nur, dass das derzeit technisch
nicht umsetzbar ist: Den digitalen Radiergummi gibt es
nicht. Nach dem Ermessen von Fachleuten, von ausgewiesenen Experten, wird dies auch in absehbarer Zeit
nicht möglich sein. Deswegen sollte man ein großes Fragezeichen hinter dieses „Recht auf Vergessenwerden“
setzen. Es ist zwar schön gemeint, aber meines Erachtens nicht gut gemacht.
({14})
Das Verbandsklagerecht ist schon angesprochen worden.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wie
schon erwähnt: Es ist gut, dass wir uns frühzeitig mit den
beiden Rechtsetzungsakten auseinandersetzen. Wir werden mit Sicherheit in den nächsten Monaten bei unterschiedlichen Gelegenheiten noch die Möglichkeit dazu
haben.
Den drei Anträgen, die heute zur Abstimmung stehen
und die seitens der Grünen gestellt worden sind, kann
nur in aller Deutlichkeit die Zustimmung verweigert
werden.
Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
({15})
Vielen Dank, Kollege Stephan Mayer. - Nächste Rednerin ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere
Kollegin Frau Kirsten Lühmann. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!
Sehr verehrte Gäste! Eine junge Frau stellt ein freizügiges Foto von sich selbst in ein soziales Netzwerk und
findet es auf einer privaten Sexseite wieder, deren Server
in Russland steht. Sie wird ihre Rechte genauso wenig
geltend machen können wie das Opfer des Einbruchdiebstahls aus Reutlingen, das bei Facebook Hinweise
auf den Täter vermutete. Der Server stand in den USA.
Die Hinweise konnten nicht erlangt werden.
Wir reden heute hier sehr viel über Deutschland und
die EU. Die beiden Beispiele zeigen, dass eine Forderung aus dem Antrag, den wir heute debattieren, nämlich
neben den Regelungen für Deutschland und die EU und
auch den Schutz der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Drittstaaten zu sichern, von drängender
Bedeutung ist.
Das Internet hat erreicht, was die Politik noch nicht
geschafft hat - daran arbeiten wir -, nämlich eine weltweite Gemeinschaft, Stärkung und Fortschritt durch Diskussionen in allen Bereichen der Gesellschaft. Aber neben den Chancen dieser Gesellschaft ohne Grenzen gibt
es natürlich auch Möglichkeiten für unerwünschtes Verhalten. Wir alle sind uns einig: Regeln sind nötig. Aber
die Frage ist: Wer stellt diese Regeln in einem weltweiten Netz auf, und wie werden diese Regeln dann durchgesetzt?
Dieses Thema ist nicht neu. Die EU und die USA haben bereits im Jahr 2000 das Safe-Harbor-Abkommen
getroffen. Dabei geht es um die Speicherung von personenbezogenen Daten. Aber auch da ist die Frage der
Sanktionierung noch unklar. Der G-8-Gipfel hat sich im
letzten Jahr des Themas angenommen. Präsident
Sarkozy forderte die „Zivilisierung des Netzes“ mit entsprechenden Eingriffen. Attac merkte dazu an, der Fokus
liege bei dieser Forderung wohl einseitig auf der Wirtschaft, und von der Freiheit sei wenig die Rede. Wenn
ich mir die Worte unseres Staatssekretärs Schröder von
vorhin vor Augen halte, dann muss ich sagen, dass das
zu stimmen scheint.
Der UN-Sonderberichterstatter hat im Juni 2011 zu
der Frage der Informations- und Meinungsfreiheit festgestellt: Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den
konventionellen Medien und dem Netz. Wir müssen aufpassen, dass wir die Freiheitsrechte sicherstellen. - Da
stellt sich mir jetzt die Frage: Wo bleibt eigentlich die
Bundesregierung in dieser Debatte?
({0})
- Genau, das ist eine gute Frage. - Bei der Antwort habe
ich etwas gefunden. Die Kanzlerin nimmt Stellung.
Beim G-8-Gipfel hat sie Stellung genommen, aber weniger zu den Einschränkungsplänen des französischen Präsidenten, sondern ihr wichtiges Thema bei den internationalen Verhandlungen war: schnelles Internet. Bei der
UNO hat Deutschland den Bericht noch nicht einmal unterzeichnet.
({1})
Das heißt, bei einer elementaren Zukunftsfrage, nämlich:
„Wie wollen wir unsere Gesellschaft organisieren?“, ist
diese Bundesregierung abgetaucht. Das finde ich unglaublich.
({2})
Dabei gibt es doch Beispiele: Im internationalen
Flugverkehr haben wir die ICAO, im internationalen
Schiffsverkehr haben wir die IMO. Das heißt, gemeinsam mit allen wurden Regeln festgelegt, die für alle verbindlich sind. Nun weiß auch ich, dass man diese beiden
Organisationen nicht eins zu eins auf das Netz übertragen kann. Aber wir haben doch eine Richtung, wohin es
gehen kann. Die Richtung heißt nicht binationale Verträge. Die Richtung heißt auch nicht G 8. Die Richtung
heißt weltweite Standards. Gerade für Deutschland als
Hochtechnologieland sind Freiheit und Sicherheit im
Netz sowohl für die Wirtschaft als auch für die Zivilgesellschaft elementar wichtig. Und was hören wir dazu
von der Bundesregierung? Dröhnendes Schweigen,
meine Herren und Damen. Reden Sie endlich, Frau
Merkel!
({3})
Die Menschen in diesem Land haben ein Recht darauf,
dass sich die Regierung hier für ihre Interessen einsetzt.
Danke schön.
({4})
Wir danken Ihnen, Frau Kollegin. - Nächster Redner
in unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP unser
Kollege Sebastian Blumenthal. Bitte schön, Kollege
Sebastian Blumenthal.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben
jetzt schon einige Debattenbeiträge zu den Anträgen gehört, die Sie von Bündnis 90/Die Grünen uns hier vorgelegt haben. Ich möchte in meinem Beitrag auf den Antrag
von Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/8161 eingehen. Das ist der Antrag zu Datenschutz und Verbraucherschutz in sozialen Netzwerken.
Lieber Herr Kollege von Notz, wir stimmen mit Sicherheit in vielen Punkten überein, gerade wenn es darum geht, darauf hinzuweisen, dass die bestehenden Datenschutzgesetze von den Dienstebetreibern, namentlich
Facebook und Google, nicht immer vorbildlich eingehalten wurden. Das eint uns. Gleichwohl sind in Ihrem Antrag auch einige Punkte aufgeführt, zu denen ich, wie so
häufig, sagen muss: Die Arbeit ist im Detail nicht ganz
gelungen.
({0})
Darauf möchte ich im Folgenden gezielt eingehen.
Sie fordern die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen auf, sich offensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Genau das findet statt. Herr von Notz, Sie
waren selbst dabei. Wir haben uns im Unterausschuss
Neue Medien mehrfach mit Google und Facebook auseinandergesetzt, unter Beteiligung des Bundesinnenministeriums und des Verbraucherministeriums.
({1})
Die handelnden Akteure waren dort vertreten und haben
ihre Position dargestellt.
({2})
- Gut, dass Sie danach fragen. - Wir haben dort einen
Erfolg erzielt. Sie erinnern sich, dass der Dienst
Google+, ein Konkurrent von Facebook im Bereich sozialer Netzwerke, im letzten Jahr versucht hat, die Verwendung von Pseudonymen bei der Nutzung des Dienstes nicht zuzulassen. Das war ein klarer Verstoß gegen
das Telemediengesetz in Deutschland. Wir haben
Google+ in der Sitzung des Unterausschusses mit diesem Umstand konfrontiert. Wir haben schon vorher
Druck ausgeübt. Es gab offene Briefe, auch von Parlamentariern; Sie waren mit dabei. In der Sitzung des Unterausschusses Neue Medien hat Google+ klargestellt,
dass das offensichtlich dann doch ein Versehen war. Die
Pseudonyme dürfen wieder verwendet werden. Die
Rechtskonformität mit dem Telemediengesetz wurde
hergestellt.
({3})
Hier den Eindruck zu erwecken, man schaue einfach nur
zu und tue nichts, ist nicht zielführend. Das Gegenteil ist
der Fall, und das können wir mit Fakten belegen.
Ich möchte nun auf Punkt III.4 Ihres Antrags eingehen. Sie möchten gesetzlich regeln, dass Maßnahmen zu
ergreifen sind, „die grundsätzlich die Auslesbarkeit von
Profilen und nutzergenerierten Inhalten durch Suchmaschinen ausschließen“. Wer die Souveränität und die
Entscheidungsfreiheit von Nutzern ernst nimmt, kann so
etwas auf gar keinen Fall gesetzlich regeln wollen. Ich
erinnere daran, dass zum Beispiel das Businessnetzwerk
Xing die Möglichkeit bietet, dass sich Nutzer zum
Zweck der Jobsuche mit ihren eigenen Profilen darstellen. Diese Menschen machen das ganz bewusst. Sie
publizieren dort ganz bewusst ihre Skillprofile, also ihre
Fähigkeitsprofile, um über die Suchmaschine entsprechend gefunden zu werden. Deswegen geben sie Stichworte ein, die auf Branchenschwerpunkte hinweisen
oder auf besondere Fähigkeiten, zum Beispiel im Bereich Softwareentwicklung und Programmierung.
({4})
Gesetzlich regeln zu wollen, dass das nicht mehr passieren darf, dass Suchmaschinen das nicht mehr auslesen
dürfen, widerspricht komplett den Gedanken von Wahlfreiheit und Nutzersouveränität. Dafür stehen wir von
der Fraktion der Freien Demokratischen Partei unbedingt.
Es gibt trotz vieler Gemeinsamkeiten also gute
Gründe, Ihren Antrag abzulehnen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Vielen Dank, Kollege Sebastian Blumenthal. - Letzter Redner in unserer Aussprache ist das heutige Geburtstagskind, Michael Frieser, dem schon mehrfach
gratuliert worden ist. Auch ich gratuliere ihm. Vielleicht
klatschen wir jetzt Beifall, weil sich jetzt vermutlich alle
Fraktionen dem Beifall anschließen können.
({0})
Man weiß nie, wie das am Ende einer Rede ist.
({1})
Bitte schön, Kollege Michael Frieser.
Sogenannter Akontoapplaus tut immer gut. Vielen
Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Es ist ein schöner Tag, auch um über den
Datenschutz zu reden. Dann bekomme ich von den Grünen auch noch drei Anträge, die ich nun zusammenfassend würdigen darf. Das ist ein wunderschönes Paket,
aber es ist vieles dabei, was uns nicht ganz neu ist. Aber
so ist das nun einmal mit Geschenken. Wann schaut man
sie sich schon genau an? Wir freuen uns trotzdem darüber. Ein schönes Schleifchen gehört auch dazu: Zur
Stunde berät der Bundesrat bei der Subsidiaritätsrüge
über genau diese Frage.
Der letzte Redner hat immer das Problem, dass vieles
schon gesagt wurde. Ich versuche, es zusammenzufassen.
Man muss die Redezeit natürlich nicht ganz ausnutzen.
({0})
Ich wollte gerade sagen: Wenn mich das Präsidium
nicht unterbricht, könnte ich die geplante Redezeit sogar
unterbieten.
({0})
Ich möchte deutlich machen, dass es einen wirklichen
Konsens gibt: Es ist wichtig, dass sich Europa endlich
mit der Frage einer EU-Datenschutzrichtlinie, soweit es
Recht und Justiz betrifft, und einer entsprechenden Verordnung, soweit es im weitesten Sinne die privaten Daten betrifft, befasst. Wenn wir uns die Zahlen in Europa
anschauen, sehen wir, dass immer noch drei Viertel der
Menschen ihr Verhältnis zum Thema Daten und Datensicherheit zumindest als gestört ansehen. In Deutschland
sind es über 80 Prozent. Deshalb ist es nicht nur geboten,
dass wir uns dieser Frage intensiv stellen, sondern auch,
dass wir die Tatsache aufnehmen und uns mit der Frage,
wie man dieses Thema europaweit regeln sollte, auseinandersetzen. Es ist keine Häresie und keine Majestätsbeleidigung, wenn man sagt, dass das, was vorgelegt
wurde, noch nicht ganz dem entspricht, was wir wollen.
Wir haben eine Harmonisierung des Datenschutzes und
der Planungssicherheit auf europäischer Ebene erwartet.
Das sind die grundlegenden Ziele. Von diesen sind wir
noch etwas entfernt.
Ich darf sagen, dass ich von der heutigen Debatte etwas überrascht bin. Die Regelungswut, die uns hier vonseiten der Grünen entgegenschlägt - sie wird zumindest
von den Linken akkompagniert -, hat mich etwas überrascht.
({1})
Herr Kollege, ich bin gespannt, welche Reaktionen von
der Netzcommunity kommen, wenn sie Kenntnis davon
erlangt, welche Grenzen im Einzelnen gesetzt werden
sollen und welche Einzelbestimmungen die Grünen fordern.
({2})
Wir wollen - das ist der Punkt -, dass nicht nur die
Regelungen an sich betrachtet werden. Wir haben vor allem die Sorge, dass es auf diesem sehr hohen Abstraktionsniveau zu einer Vollharmonisierung kommt. Was
sind die Gefahren? Die Gefahren sind alle schon hinlänglich angesprochen worden. Deshalb möchte ich sie
nicht noch einmal benennen. Das Problem der Niveauabsenkung scheint mir das entscheidende zu sein. Insofern sind alle politischen Kräfte aufgefordert, wenn sie
Einfluss im Europäischen Parlament haben, darauf hinzuwirken, dass man sich nicht auf dem niedrigstmöglichen Niveau einigt. Das kann nicht unser gemeinsames
Ziel sein.
({3})
Es bedarf auch noch der Konkretisierung. Das hat die
Kommission anscheinend selbst erkannt. Sie hat insofern einen Hilfsmodus eingenommen und gesagt: Das,
worauf wir uns jetzt nicht einigen können, werden wir irgendwann einmal regeln. Gerade deshalb sind wir in der
Union bereit, die inhaltlichen Bedenken der derzeitigen
Subsidiaritätsrüge zu teilen.
Ich darf zu dem Thema der personenbezogenen Daten
sagen, dass es wichtig ist, dass wir nicht alle Daten, die
wir sammeln, dem gleichen Schutzkatalog - ich spreche
noch nicht einmal von Schutzniveau - unterwerfen. Es
ist ein Unterschied, ob Daten zwischen Privaten ohne
jegliches wirtschaftliches Interesse gesammelt werden
oder ob private Daten mit einem kommerziellen Gedanken, aufgrund wirtschaftlicher Interessen, oder von öffentlichen Verwaltungen und staatlichen Behörden erhoben werden. Das sind unterschiedliche Risikosphären,
die unterschiedlich behandelt werden müssen. Hier müssen wir feststellen, dass in der vorgelegten Verordnung
noch Nachholbedarf besteht.
Ich komme zum zweiten wesentlichen Punkt; ich
möchte mich ja in meiner Rede auf wenige Punkte beschränken. Die Delegated and Implementing Acts sind
tatsächlich wichtig. Wenn man sich vorstellt, dass es bei
45 von 91 vorgelegten Artikeln eine Ermächtigungsgrundlage für die EU geben soll, dann erweckt das den
Anschein, dass sich hier unterschiedliche Bereiche innerhalb der Kommission nicht ganz einigen konnten,
was man am Ende des Tages wirklich regeln kann und
regeln will. Deshalb muss ich sagen: Über diese Form
von nichtkontrollierbarer selbstgewählter Eigenmacht
der Kommission würde ich gerne näher informiert werden, bevor ich einer solchen Verordnung zustimme. Ich
glaube, an dieser Stelle ist es deshalb nicht zu viel verlangt, wenn man versucht, etwas nachzubessern.
Es wird Sie nicht irritieren, dass wir beim Thema Beschäftigtendatenschutz hängen bleiben. Als Berichterstatter nehme ich mir heraus, noch ein Beispiel zu nennen. Einiges wird durch die EU vielleicht etwas überorganisiert.
Aber eines hat sie nicht geregelt. Wir finden in der gesamten Verordnung nichts zum Thema Konzernprivileg.
Dabei geht es um Daten, die innerhalb eines europäisch,
international organisierten Konzerns - derer haben wir ja
nun wirklich viele - von einem Sitz an einen anderen
weitergegeben werden. Hier waren wir uns hinsichtlich
des Schutzniveaus relativ einig. Es soll erst einmal einen
Erlaubnistatbestand geben, das heißt, Daten dürfen übermittelt werden, aber beim Empfänger müssen alle Anforderungen an den Datenschutz erfüllt werden.
({4})
Diese Frage ist im Augenblick noch nicht geregelt.
Ich kann nur sagen: Wir sollten in der Debatte nicht
versuchen, das alte Klischee zu bedienen, dass der Staat,
dass Europa versucht, Daten zu sammeln, wo immer es
geht. Vielmehr sollten wir versuchen, bei dieser Frage
ernst zu bleiben. Wir müssen das Datenschutzniveau so
hoch halten, wie es irgend geht. Vor allem müssen wir
Grenzen setzen, wenn es um sogenannte Datenmilliardäre geht, also um Unternehmen, die so viele Daten sammeln, dass sie gar nicht mehr wissen, wohin damit.
Letztendlich haben wir unsere Arbeit dann richtig getan,
wenn wir den Datenschutz auf unserem, dem deutschen
Niveau gehalten haben, ohne überzureglementieren.
Vielen Dank.
({5})
Vielen Dank, Kollege Michael Frieser. In der Tat haben Sie Ihre Redezeit nicht ausgeschöpft. Das verdient
Anerkennung. Vielen Dank.
Vizepräsident Eduard Oswald
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die
Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/9166 und 17/6345 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen jetzt - Tagesordnungspunkt 32 c - zur
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit dem Titel „Grundrechte schützen - Datenschutz und Verbraucherschutz in sozialen Netzwerken
stärken“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/9198, den Antrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/8161
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die
Linksfraktion. Enthaltungen? - Die Fraktion der Sozialdemokraten. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um allzu große Verzögerungen zu vermeiden, mache ich weiter.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Umsetzung von Basel III: Finanzmärkte stabilisieren - Realwirtschaft stärken - Kommunalfinanzierung sichern
- Drucksache 17/9167 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Sie widersprechen nicht. Dann ist auch das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in unserer
Debatte ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser
Kollege Manfred Zöllmer. Bitte schön, Herr Kollege
Manfred Zöllmer.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein
wesentlicher Baustein der Neujustierung der Finanzmärkte sind die Vorschläge des sogenannten Baseler
Ausschusses für Bankenaufsicht - Stichwort Basel III -,
der notwendige, strengere Regeln zur Regulierung des
Finanzsystems vorgelegt hat. Im Vordergrund und im
Mittelpunkt dieser Regulierung stehen dabei Regelungen
zur Eigenkapitalunterlegung. Die EU-Kommission setzt
diese Vorschläge zurzeit in europäisches Recht um. Sie
sollen stufenweise von 2012 bis 2018 umgesetzt werden.
Dabei hat die EU-Kommission die Empfehlungen des
Baseler Ausschusses weitgehend übernommen. Diese
Empfehlungen wurden für international tätige Großbanken formuliert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die beabsichtigte
Stärkung der Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung
von Banken ist notwendig, um die Krisenfestigkeit des
Systems zu erhöhen.
({0})
Die quantitative und qualitative Anhebung der Eigenkapitalausstattung erhöht die Risikovorsorge der Kreditinstitute. Aber: Diese Bundesregierung ist dafür verantwortlich, dass dieses Regelwerk in Form einer
Verordnung und nicht, wie wir Sozialdemokraten gefordert haben, in Form einer Richtlinie umgesetzt wird. Sie
blockieren damit jede Möglichkeit, diese Regeln an die
Besonderheiten der deutschen Bankenstruktur anzupassen.
({1})
Wir haben in Deutschland nun einmal eine dreigliedrige
Struktur - mit Sparkassen, Genossenschaftsbanken und
international agierenden Großbanken -, die so in anderen Ländern nicht zu finden ist. Für die Kreditversorgung gerade des Mittelstandes sind die örtlichen
Sparkassen und Genossenschaftsbanken von zentraler
Bedeutung.
Nun ist Basel III aber für international agierende, kapitalmarktorientierte Großbanken konzipiert. Deshalb
wollen wir mit unserem Antrag auf ein wichtiges Problem
aufmerksam machen: Wenn der Grundsatz „Same
Risk - Same Rules“, also „Gleiches Risiko - Gleiche Regeln“, richtig ist - und wir halten ihn für richtig -, dann
müssen örtliche Sparkassen und internationale Großbanken differenziert behandelt werden. Wir sind nicht der
Auffassung, dass eine Bankengruppe von dem neuen Regelwerk ausgenommen werden sollte, aber die Finanzmarktkrise hat gezeigt, wo Risiken und Gefahren liegen jedenfalls nicht bei den örtlichen Sparkassen.
({2})
Die Europäische Kommission hat diese Differenzierung innerhalb der Bankenlandschaft in Deutschland bei
der Umsetzung von Basel III bisher allerdings zu wenig
beachtet. Wir fordern die Bundesregierung in unserem
Antrag nun auf, hier tätig zu werden. Wir fordern, dass
die neuen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen
auf die Größe und auf das Geschäftsmodell der Kreditinstitute differenziert Anwendung finden. Neben der
Stabilisierung des Finanzsystems muss auch die Kreditvergabefähigkeit besonders der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken, die ja die Hauptkreditgeber für
den Mittelstand sind, besondere Beachtung finden.
({3})
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, bei den
Verhandlungen über Basel III folgende Punkte umzusetzen:
Die Eigenkapital- und Liquiditätsregeln sind nach Geschäftsmodell und Größe der Institute zu differenzieren.
Die Risikogewichte von Mittelstandskrediten sind an ihre
tatsächlichen Risiken anzupassen und nicht mit dem
gleichzusetzen, was von Großbanken spekulativ umgesetzt wird. Die besonderen Bedingungen der Finanzverbünde bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind
zu berücksichtigen. Bei der Bankenaufsicht - wir haben
bereits gestern Abend darüber diskutiert - muss es zu einer vernünftigen Arbeitsteilung zwischen europäischer
und nationaler Bankenaufsicht kommen, die die Unterschiede zwischen systemrelevanten internationalen Großbanken und zum Beispiel der Sparkasse Wuppertal berücksichtigt.
({4})
Bei der risikounabhängigen Verschuldungsobergrenze,
der sogenannten Leverage-Ratio, ist zu differenzieren.
Wir Sozialdemokraten sagen: Wir brauchen eine Leverage-Ratio. Sie ist im Grundsatz eine wirksame Maßnahme, um eine ausufernde Fremdfinanzierung der Banken zu verhindern, und damit eine sinnvolle Ergänzung
der risikogewichteten Eigenkapitalunterlegung. Wenn es
diese Leverage-Ratio gibt, dann besteht für die Banken
allerdings der Anreiz, auf risikoreiches und damit gewinnträchtigeres Geschäft auszuweichen, um bei gleichem Geschäftsvolumen eine höhere Eigenkapitalrendite erwirtschaften zu können.
Kollege Zöllmer, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Schick?
Aber immer.
({0})
- Das haben Sie jetzt gesagt.
Die Frage ist auch ganz kurz: Mich würde interessieren, welche Höhe die Leverage-Ratio nach der Vorstellung Ihrer Fraktion haben soll. Ich habe das im Antrag
nicht gefunden.
Nein, das haben wir nicht in den Antrag hineingeschrieben. Ich denke, hier muss man erst einmal die Vorschläge des Baseler Ausschusses abwarten, bevor wir
uns differenziert über die Höhe unterhalten.
({0})
Wir haben gesagt: Bei einer Leverage-Ratio sind die Risiken unterschiedlich zu bewerten. Das muss in den Vorgaben dann auch entsprechend umgesetzt werden.
Wir wollen nicht, dass eine solche Leverage-Ratio
letztendlich zulasten des risiko- und margenarmen Kommunal- und Hypothekenkreditgeschäftes geht. Deshalb
muss bei einer Leverage-Ratio zwischen risikoreichen
und risikoarmen Geschäftsmodellen unterschieden werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere
Ziele sind eine effektive Regulierung und eine effiziente
Aufsicht. Entscheidend ist dabei der Grundsatz „Same
Risk - Same Rules“. Dieser Grundsatz muss bei Basel III eingehalten werden. Die Bundesregierung ist hier
in der Pflicht, für die deutschen Banken das Gebotene
nachzuverhandeln - ich habe eben versucht, das zu skizzieren - und auch auf europäischer Ebene durchzusetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, bei diesem Vorhaben werden Sie uns an
Ihrer Seite haben.
Vielen Dank.
({1})
Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Ralph
Brinkhaus.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
Kollege Zöllmer hat schon erklärt: Ein Ergebnis der
Bankenkrise 2008 ist die Erkenntnis, dass die Banken
mehr Eigenkapital und mehr Liquidität brauchen. Der
sogenannte Baseler Ausschuss hat sich daraufhin zusammengesetzt und neue Regeln gemacht. Diese Regeln
werden gerade in europäisches Recht umgesetzt. Das
nennt man CRD IV. Wenn diese Regeln in europäisches
Recht umgesetzt werden, kommen wir zu einem Grundproblem jeglicher europäischer Rechtsetzung: Sie passen
nicht für alle gleichermaßen. Das heißt, wenn wir einheitliche Regeln für ganz Europa aufstellen, dann passen
sie nicht zu 100 Prozent zu Deutschland. Teilweise sind
diese Regeln dann schlechter als diejenigen, die wir allein beschließen würden. Wir müssen uns daher die
Frage stellen: Was wollen wir? Was ist uns wichtiger:
gemeinsame europäische Regeln oder ein Rechtssystem,
das zu 100 Prozent zu uns passt?
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nichtsdestotrotz ist es mehr als berechtigt, dass wir uns mit
diesem Punkt befassen; denn wir kennen die vielfachen
Sorgen insbesondere von kleinen, regionalen und mittelständischen Banken genauso wie die Sorgen des Mittelstandes, der sogenannten Realwirtschaft, und der Kommunen. Man kann auf die eben gestellte Frage zwei
Antworten geben. Die eine Antwort lautet - diese haben
wir auch in unserem Antrag gegeben, den wir gestern
hier im Plenum beschlossen haben -: Wir akzeptieren,
dass es gemeinsame europäische Regeln gibt, aber wir
wollen diese Regeln verbessern. Wir wollen, dass diese
Regeln alle Institute berücksichtigen, nicht nur die klassische britische börsennotierte Bankaktiengesellschaft,
sondern zum Beispiel auch die Volksbank Kaunitz mit
einer Bilanzsumme von 90 Millionen Euro in meinem
Wahlkreis. Ich denke, diese Antwort ist richtig.
Wenn ich allerdings Ihren Antrag lese, habe ich das
Gefühl, dass Sie eigentlich ein deutsches Sonderrecht
generieren wollen. Ich glaube, dass das nicht gut ist. Ich
will Ihnen das anhand einiger Beispiele erläutern. Sie
haben als erste Forderung aufgestellt, dass unterschiedliche Banken unterschiedlich behandelt werden sollen,
dass also differenziert wird. Herr Kollege Zöllmer hat in
seiner Rede begründet, was damit gemeint ist. Im
Grunde ist damit ein spezielles Aufsichtsrecht für Sparkassen und Volksbanken gemeint. Ich glaube, es ist nicht
gut und nicht richtig, für unser deutsches System und unsere deutschen Besonderheiten ein spezielles Aufsichtsrecht zu schaffen. Das kann sich irgendwann einmal
auch gegen uns richten. Griechen, Spanier und Portugiesen können dann ebenfalls ein spezielles Aufsichtsrecht
für ihre kleinen und mittleren Banken fordern. Das kann
man nicht wirklich wollen.
Damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage. Was ist
uns wichtiger: ein System, das zu 100 Prozent zu uns
passt, oder gemeinsame europäische Regeln? Ich bin der
Meinung, dass es gut ist, dass wir an dieser Stelle gemeinsame europäische Regeln haben. Aber wir müssen
die Regeln so konstruieren, dass die deutschen Interessen berücksichtigt werden. Das hat die Bundesregierung
mit ihren Vertretern im Verhandlungsprozess im Baseler
Ausschuss und im CRD-IV-Verfahren in Brüssel erreicht. Die Bundesregierung hat es geschafft, dass als
Eigenkapital nicht nur - wie von mancher Seite gewünscht - das Kapital gilt, das an der Börse oder auf
dem Kapitalmarkt beschafft wird, sondern auch das gute
Genossenschaftskapital und stille Beteiligungen. Das ist
ein riesiger Erfolg. Herr Zöllmer, es ist nicht richtig und
nicht wahr, dass die Bundesregierung, wie Sie behauptet
haben, nichts erreicht und nicht versucht hat, den tatsächlichen Besonderheiten und Anforderungen des deutschen Bankensystems gerecht zu werden. Wir haben hier
einiges geschafft, und das ist auch gut so. Ich denke, es
ist ein besserer Weg, gemeinsame europäische Regeln zu
schaffen, die zu allen passen, als spezielle deutsche Regeln.
({0})
Zu den Mittelstandskrediten. Sie haben gesagt, die
Mittelstandskredite dürften sich durch Basel III nicht unnötig verteuern. Wir sind hier genau der gleichen Meinung. Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt,
dass noch einmal geprüft wird, ob die Risikogewichtung
der Mittelstandskredite richtig ist und gegebenenfalls
eine Anpassung notwendig ist. Herr Staatssekretär, wir
sind auf einem guten Weg. Wir werden hier einiges erreichen. Aber die Dramatik, die Sie hier sehen, Herr
Zöllmer, ist tatsächlich nicht gegeben. Erst heute hat die
Bundesbank veröffentlicht, dass sie nicht damit rechnet,
dass die Kreditkosten des Mittelstands durch Basel III
signifikant steigen werden. Ich habe bei den Sparkassen
nachgefragt und erfahren, dass man mit einem Anstieg
von 30 bis 40 Basispunkten rechnet. Das führt zu 0,3 bis
0,4 Prozent höheren Kreditkosten. Wenn das tatsächlich
in dem Rahmen bleibt, dann sollte es uns, wie ich
glaube, das wert sein, dass wir einen stabilen Finanzrahmen in Europa haben. Insofern ist zu den Mittelstandskrediten zu sagen: Die Bundesregierung arbeitet daran.
Wir sollten das nicht dramatisieren. Wir werden zu einer
guten Lösung kommen.
Ein weiterer Punkt ist die Eigenkapitalunterlegung
bei Verbundbeteiligungen. Das ist in der Tat sehr interessant. Hier geht es zum Beispiel um eine Sparkasse, die
über ihren Verband wiederum an einer anderen wirtschaftlichen Einheit, wie zum Beispiel einer Bausparkasse oder Ähnlichem, beteiligt ist. Hier gab es in der
Tat bisher eine Sonderregelung. Diese hat ganz gut gepasst, wenn auch nicht immer; denn durch solche Beteiligungen sind durchaus auch einige Risiken in das Sparkassenlager hineingekommen, wie wir in der jüngsten
Vergangenheit schmerzvoll erfahren mussten. Bei dieser
Sonderregelung stellt sich aber nun auch wieder die
Frage: Wollen wir, dass sie europaweit gilt? Wollen wir,
dass solche Sonderregelungen, die das Finanzsystem
weniger stabil machen, auch in Griechenland und Spanien gelten? Ich frage mich angesichts dessen, ob es
nicht besser wäre, den deutschen Genossenschaftsbanken und Sparkassen eine angemessene Übergangsfrist zu
gewähren - diese haben wir ja auch ausgehandelt -, sodass wir auch hier am Ende des Tages zu einheitlichen
europäischen Regelungen kommen.
Nun kommen wir zu einem weiteren interessanten
Punkt: Sie sagen, dass eigentlich bei Hypotheken- und
kommunalen Krediten überhaupt kein Risiko vorhanden
sei, und fordern, dass man dieses Risiko auch entsprechend geringer gewichten sollte. Das ist vielleicht sogar
richtig angesichts der heutigen Situation in Deutschland.
Aber, wie gesagt, wir machen Regelungen für ganz Europa. Finden Sie, Herr Zöllmer, dass bei griechischen
Gemeinden gewährten Kommunalkrediten kein Risiko
besteht?
({1})
Schauen wir einmal weiter in die Zukunft: Glauben Sie,
dass Kommunalkredite, die Ihrer Heimatstadt Wuppertal, für die Sie ja jahrelang als Kommunalpolitiker Verantwortung getragen haben und die eine der am höchsten
verschuldeten Städte Deutschlands ist, gewährt wurden,
auf ewige Zeiten sicher sind? Ich bin mir da nicht ganz
sicher.
Wir haben, meine Damen und Herren, eines in der
Krise gelernt: Dinge, die wir heute als sicher ansehen,
können auf einmal zu einem erheblichen Risikofaktor
werden. So hätte vor zwei oder drei Jahren jeder gesagt,
bei griechischen Staatsanleihen könne nichts passieren.
Dementsprechend mahne ich zur Vorsicht, ehe man aus
der Augenblicksbetrachtung heraus sagt: Das ist doch sicher. Da kann im Grunde genommen nichts passieren.
Dementsprechend müssen Banken dafür weniger Eigenkapital hinterlegen und können mit diesem Risiko anders
umgehen. - Ich trete dafür ein, dass wir hier ein wenig
mehr in die Zukunft schauen.
Jetzt zu den Punkten 5 und 6 Ihres Forderungskatalogs: Diese Forderungen bezüglich der Aufsicht sind
richtig gut, wir teilen sie auch. Wir kommen hier zu dem
eigentlichen Punkt, der bei der Umsetzung der CRD IV
im Zuge von Basel III tatsächlich auch unsere SparkasRalph Brinkhaus
sen, Volksbanken und kleinen Privatbanken belastet. Ihnen wird das Gefühl vermittelt, dass sie aufsichtsmäßig
genauso behandelt werden sollen wie Großbanken und
dass eine große Bürokratie aufgebaut wird. Sie haben
nun Angst, dass sie auf einmal Briefe von der EBA in
London bekommen, mit denen sie nicht umgehen können. Diese Punkte sind in der Tat ernst zu nehmen. Genau
aus diesem Grund haben wir gestern einen entsprechenden Antrag gestellt, den die SPD dankenswerterweise
auch unterstützt hat. Ich glaube, wir sind uns einig, dass
wir aufpassen müssen, dass hier das passiert, was Sie im
ersten Punkt Ihres Antrages fordern, nämlich dass unterschiedliche Dinge unterschiedlich behandelt werden. Wir
werden über diesen Antrag auch noch im Ausschuss beraten. Da sollten wir uns wirklich die Zeit nehmen, noch
einmal auf diesen Punkt einzugehen, und uns fragen, ob
die Aufsicht so tatsächlich funktionieren kann.
Ich habe lange nach einem passenden Vergleich gesucht, um das verständlich zu machen. Vielleicht nehmen wir einmal eine Situation aus dem Straßenverkehr:
In einer geschlossenen Ortschaft dürfen Sie überall nur
50 km/h fahren. Diese Regelung gilt für ungefährliche
Straßen und auch für Unfallschwerpunkte. Ungefährlichen Straßen entsprächen in diesem Bild Sparkassen und
Volksbanken, Unfallschwerpunkten große international
tätige Banken und Institute. Wie kontrolliert die Polizei
jetzt die einzuhaltende Geschwindigkeit? Sie stellt sich
ganz oft an die Unfallschwerpunkte. Das ist auch gut so;
denn es ist ganz besonders wichtig, dass hier die Geschwindigkeitsgrenze eingehalten wird. Manchmal stellt
sich die Polizei auch an Stellen, die keine Unfallschwerpunkte darstellen, aber eben nicht mit der gleichen Intensität.
Wir sollten uns einmal überlegen, meine Damen und
Herren, ob wir Finanzaufsicht nicht auch so organisieren: Da, wo große Risiken bestehen, also bei den großen
Banken, muss es eine intensive Aufsicht geben. Hier
muss ganz genau hingeschaut werden. Hier ist es angebracht, lieber eine Zahl mehr als eine Zahl weniger zu
erheben. Aber bei den kleineren Banken, bei der von mir
schon erwähnten Volksbank Kaunitz zum Beispiel, muss
nicht jedes Jahr genau das abgefragt werden, was bei
größeren Instituten abgefragt wird. Diese Banken sollen
sich vor Ort mit der Kreditvergabe beschäftigen, mit den
Häuslebauern, den Firmenkunden und den Handwerkern, mit denen sie Geldgeschäfte tätigen.
Wenn man das Positive aus diesem Antrag herauszieht, der sicherlich gut gemeint war, aber in vielen Bereichen einen falschen Ansatz verfolgt, weil gefordert
wird, eine spezielle Regulierungswelt für Deutschland
zu schaffen, so ist festzustellen: Gut an diesem Antrag
ist, dass wir uns mit der Bürokratie, mit der Intensität der
Aufsicht beschäftigen müssen. Da haben Sie auch mit
uns einen Partner. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen. Ich glaube, dann werden wir mehr für den Finanzplatz Deutschland tun, als wenn wir eine Diskussion darüber führen, ob wir eine Verordnung oder eine
Richtlinie, ob wir ein Sonderaufsichtsrecht für Sparkassen und Volksbanken brauchen. Ich denke, eine Einigung darüber bringen wir nach einer guten Diskussion
im Finanzausschuss zustande.
Danke schön.
({2})
Für die Fraktion Die Linke hat nun Richard Pitterle
das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was haben wir nicht schon alles
von den Vertretern der Regierungskoalition in den letzten Monaten, aber auch heute wieder gehört: Die Regierung wolle die Finanzmärkte stabilisieren und die Realwirtschaft stärken, nichts solle unbeaufsichtigt bleiben,
alle Finanzprodukte sollten reguliert werden. Manchmal
könnte man meinen, dass die Bundesregierung in die
richtige Richtung denkt, zum Beispiel, wenn von Bankenabgabe, der Finanztransaktionsteuer oder dem Finanzmarkt-TÜV die Rede ist.
Doch leider ist es nicht so. Die Redewendung „etwas
auf die lange Bank schieben“ bekommt erst bei dieser
Bundesregierung ihren Sinn.
({0})
Die Bundesregierung hat bei der Regulierung der Finanzmärkte fast nichts auf die Reihe bekommen: keine
Finanztransaktionsteuer, keine richtige Bankenabgabe.
Da müsste sie bereit sein, sich mit den Ackermännern
anzulegen, statt ihnen Sahnetörtchen zu schenken.
({1})
Sie gehen Tippelschritte - zum Beispiel leichte Erhöhung des Eigenkapitals, Einschränkungen bei der Verschuldung -; ein größerer Wurf fehlt allerdings. Aber
den bekämen Sie bei der FDP auch nicht durch.
Da hatten wir einen Rettungsschirm mit 400 Milliarden Euro Garantien und 80 Milliarden Euro direkte Kapitalhilfen. Damit haben wir unter anderem die Commerzbank gerettet. Ja, die Commerzbank: Selbst als sie
Gewinne erwirtschaftet hatte, haben wir kaum einen
Cent davon gesehen, weil Sie die Verträge so schlecht
ausgehandelt hatten, dass die Commerzbank bisher
kaum Zinsen auf die Kapitalhilfen zahlen musste.
({2})
Durch Ihre mehr als großzügige Unterstützung greift die
Commerzbank außerdem Sparkassen und Genossenschaftsbanken an und nimmt ihnen mit Kampfkonditionen Spargelder weg.
Ich sage Ihnen: Wenn es um die Regulierung der Banken geht, haben Sie die Sache so gebogen, wie Sie sie
brauchen. Der Schutz von Sparkassen und Genossenschaftsbanken kommt nicht vor. Dabei sind sie es, die in
der Finanzkrise die Kreditversorgung der kleinen und
mittleren Unternehmen, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Kommunen sichergestellt hatten.
({3})
Bei der Umsetzung der neuen Vorschriften für Banken, Basel III genannt, in deutsches Recht, besteht jetzt
die große Gefahr, dass die bewährten Vorteile, beispielsweise eine sichere und stabile Kreditversorgung, auf der
Strecke bleiben. Bereits Bundesbankdirektor Zeitler betonte, dass das Kreditgeschäft der Banken wichtiger ist
als deren spekulative Geschäfte.
Meine Damen und Herren, was mir in dem Antrag der
SPD noch fehlt, ist der stärkere Schutz der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer, nämlich des Mittelstands, der
Verbraucherinnen und Verbraucher, der Kommunen. Wir
wollen, dass sie weiter langfristige Kredite zu stabilen
Bedingungen bekommen können, für 10 Jahre, für
15 Jahre oder noch länger. Und nicht nur das: Auch die
Zinsen sollen für einen langen Zeitraum festgeschrieben
bleiben. Damit hätten Unternehmen, Kommunen und
Privatleute eine klare Kalkulationsgrundlage und wären
vor unangenehmen Überraschungen an der Zinsfront geschützt.
({4})
Doch diese Sicherheit ist durch die geplante Umsetzung von Basel III in deutsches Recht stark gefährdet.
Basel III fördert die aus den USA und Großbritannien
bekannte Kurzfristkultur. Was bedeutet Kurzfristigkeit?
Das sind Bankkredite für ein bis zwei Jahre für Maschinen, die aber zehn Jahre laufen sollen. Doch nach Ablauf
der zwei Jahre ist unsicher, ob die Unternehmerin oder
der Unternehmer einen neuen Kredit bekommt. Wenn sie
oder er ihn bekommt, ist unsicher, zu welchem Zinssatz.
Damit werden Finanzmärkte aber nicht stabilisiert, sondern es werden Schwankungen und Unwägbarkeiten erhöht. Das wollen wir nicht.
({5})
Wir sagen: Statt Rentnerinnen und Rentner, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu belasten, müssen
endlich die Spekulation der Banken beendet, die Finanztransaktionsteuer eingeführt, die großen Banken zerschlagen und vergesellschaftet werden. Dann würden die
Banken auch wieder der Realwirtschaft dienen und nicht
nur ihren Aktionären.
Vielen Dank.
({6})
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Björn
Sänger das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Im Grunde genommen hat sich die Debatte mit
der Abstimmung von gestern Abend über den Antrag zur
Stärkung des Systems der europäischen Finanzaufsicht
erledigt.
Dabei sind wir uns mit der SPD einig. Die strittigen
Punkte sind von der Bundesregierung - durch das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - aufgegriffen worden, und darüber wird in Brüssel gut verhandelt, sodass
auch die Kreditversorgung der kleinen und mittleren Unternehmen gewährleistet ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Antrag
geht aber von einem grundsätzlichen Missverständnis
aus. Ich werde versuchen, darzulegen, worin das Missverständnis bestehen könnte. Sie gehen davon aus, dass
es nicht um „Same Business - Same Rules“, sondern um
„Same Risk - Same Rules“ geht. Wenn Sie aber eine
Bank betreiben, dann haben Sie eben ein bestimmtes Risiko, das für alle Bereiche gilt.
Ich habe gestern schon einmal versucht, das anhand
der Gastronomie zu verdeutlichen. Das ist vielleicht
nach dem Vergleich mit dem Straßenverkehr ein weiteres Bild, das Ihnen weiterhilft. Wenn Sie einen gastronomischen Betrieb betreiben, dann unterliegen Sie den Hygienevorschriften. Deshalb können Sie nicht sagen: Ich
habe aber ein besonders gutes Restaurant mit einem besonders ausgewählten Kundenkreis. Außerdem verwende ich überhaupt gar keine Risikolebensmittel. Roher Fisch kommt bei mir nicht auf die Karte. Ich
verwende keine Mayonnaise. Eier lasse ich weg.
({0})
Also im Prinzip all das, was möglicherweise zu Problemen führen könnte, lasse ich weg. Außerdem kommen
die Tierchen nur aus ökologischer Aufzucht und werden
sanft in den Tod gekuschelt.
({1})
Ich brauche also nicht die Hygienevorschriften einzuhalten, die beispielsweise für eine grenzüberschreitend tätige Imbisskette gelten müssen, bei der die knoblauchhaltige Joghurtsoße vorne in der Auslage steht.
Es beruht auf einem Grundmissverständnis, dass Sie
diese Regeln ändern wollen. Im Grunde genommen wollen Sie aus Basel III eine Art Lüneburg I machen. Das
wird aber nicht funktionieren.
Natürlich bilden die Sparkassen und Volksbanken
wertvolle Institutsgruppen. Ich bin Kunde von Instituten,
die zu diesen beiden Säulen gehören, und außerordentlich zufrieden mit ihnen.
({2})
- Ich bin nicht befangen, sondern gehe, wie man merkt,
kritisch damit um.
Wir haben aber Krisenerfahrungen gemacht. Wir haben auch eine Anhörung zu Basel III durchgeführt, in
der die Wirtschaftssachverständige Frau Professor Buch
sehr klar gesagt hat, dass auch bei kleinen und mittleren
Unternehmen systemische Risiken entstehen können.
Weil Ostern vor der Tür steht, möchte ich Ihnen das
anhand eines Beispiels aus dem Lebensmittelbereich
verdeutlichen. Wir haben Erfahrungen mit schadstoffbelasteten Eiern gemacht. Es ist sozusagen das Ei an sich
in Probleme geraten. Dabei wurde auch nicht differenziert, aus welchem Betrieb das Ei kommt. Sondern das
Ei an sich war das Problem.
Wenn beispielsweise ein Problem bei einer Bank mit
einem großen S auftaucht, dann differenziert der Kunde
nicht, welche Sparkasse dies ist, ob dies die Lüneburger
Sparkasse ist, die möglicherweise besonders gut aufgestellt ist, oder ob dies die Sparkasse Köln-Bonn ist, bei
der man vielleicht etwas vorsichtig sein sollte.
Damit sind wir beim zweiten Punkt Ihres konsequenten Ausblendens der Krisenerfahrung. Sie möchten, dass
Finanzbeteiligungen weiterhin beim Eigenkapital angerechnet werden. Herr Kollege Zöllmer, Sie haben die
Sparkasse Wuppertal angesprochen, die auch an der
WestLB beteiligt war. Ich habe nicht den Eindruck, dass
das eine besonders werthaltige oder eine besonders risikofreie Beteiligung gewesen ist. Bei der BayernLB sieht
es ähnlich aus.
Natürlich wird Basel III die Kreditvergabe hinsichtlich der Konditionen für Unternehmen und auch für
Kommunen verändern. Bei den Unternehmen ist es etwas problematisch, weil wir in Deutschland traditionell
einen sehr starken Fokus auf die Kreditfinanzierung legen.
An dieser Stelle sage ich Ihnen ganz klar: Wenn Sie
etwas für die kleinen und mittleren Unternehmen tun
wollen, können Sie beispielsweise dazu beitragen, dass
die Unternehmen in die Lage versetzt werden, Eigenkapital aufzubauen. Ihre Steuerbeschlüsse - bei der SPD
plus 30 Milliarden Euro, bei den Grünen plus 26 Milliarden Euro - passen aber sicherlich nicht dazu. Diese Beschlüsse sind sicherlich nicht dazu geeignet, Eigenkapital bei kleinen und mittleren Unternehmen aufzubauen.
Dabei habe ich die Gebote und Verbote, mit denen Sie
unseren gut arbeitenden deutschen Mittelstand überziehen wollen, noch gar nicht eingepreist.
Es geht eher darum, auch kleinen und mittleren Unternehmen einen alternativen Zugang zum Kapitalmarkt
zu verschaffen. Gute Ansätze dafür gibt es beispielsweise bei den Börsen in Düsseldorf oder Stuttgart. Diese
gilt es weiter auszubauen.
Auch für die Kommunen gibt es einen Weg, um aus
der Finanzierungsproblematik herauszukommen. Dieser
Weg heißt - das wird Sie jetzt möglicherweise ein bisschen irritieren -: Sparen. Auch dafür gibt es in Nordrhein-Westfalen gute Beispiele, etwa in Düsseldorf. Dort
halten sich Einnahmen und Ausgaben die Waage.
({3})
Die Düsseldorfer Bürger haben sich aber auch eine besondere App geleistet. Diese App heißt Schwarz-Gelb.
Da funktioniert das: Dort halten sich Einnahmen und
Ausgaben die Waage.
({4})
Aber auch die Kommunen können und müssen sich
Alternativen überlegen, um Zugang zum Kapitalmarkt
zu bekommen. Damit kommen wir im Grunde genommen zu der Intention Ihres Antrags, wenn man die Prosa
links und rechts wegstreicht.
Sie möchten den Kommunen weiterhin niedrige Zinsen sichern, damit Sie - Nordrhein-Westfalen macht es
vor - Ihre Schuldenorgien weiterfeiern können.
({5})
Sie möchten weniger Sicherheit bei den Finanzsystemen, um Ihre Schuldenorgien feiern zu können. Diesen
Weg gehen wir nicht mit. Wir machen keine Abstriche
bei der Sicherheit in den Finanzsystemen.
({6})
Die berechtigten Anliegen, die der Antrag aufgreift,
sind bei der Bundesregierung in guten Händen. Darüber
wird in Brüssel verhandelt. Mit der Ergänzung des Antrags gestern sind wir insgesamt auf einem guten Weg.
Deswegen kann Ihr Antrag keine Zustimmung finden.
Herzlichen Dank.
({7})
Der Kollege Dr. Gerhard Schick hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man die Öffentlichkeitsarbeit der SPD in der letzten Zeit verfolgt hat, dann hat man festgestellt, dass knackige Sätze die Runde machten. Der Parteivorsitzende
Sigmar Gabriel hat gesagt: „Unsere Gegner sind die Finanzmärkte.“ Die Kampfansage lautet: „Demokratie
statt Bankenmacht.“
Vor diesem Hintergrund habe ich den vorliegenden
Antrag gelesen und festgestellt, dass davon wenig übrig
bleibt.
({0})
Alle Ihre Forderungen zum Thema Basel III laufen darauf hinaus: Die Aufsicht soll weniger tun.
({1})
Ich möchte aus Ihrer gestrigen Rede zitieren, Herr
Zöllmer:
Wir hatten gehofft, dass Sie in Ihren Formulierungen Konkretes von der Bundesregierung fordern.
Aber diese Hoffnung war vergeblich. Wir diskutieren hier im Bundestag viele Anträge, aber selten
gibt es im Forderungsteil eines Antrags eine solche
Ansammlung von Plattitüden und Gemeinplätzen
wie hier.
Das haben Sie gestern anderen vorgeworfen und dann
gesagt, das sei alles nicht besonders klar.
Jetzt will ich zwei Beispiele nennen. Sie wollen, dass
Aufsichtsstandards angemessen angewandt werden. Sollen sie etwa unangemessen angewandt werden? Das ist
doch eine Selbstverständlichkeit.
({2})
- Sie sprechen von einer angemessenen Arbeitsteilung
zwischen nationaler und europäischer Aufsicht, ohne zu
sagen, wer eigentlich was machen soll.
Wenn Sie Forderungen zur Bankenregulierung vorlegen, dann sollten Sie auch konkrete Vorschläge vorlegen. Sonst geht der Vorwurf, den Sie gestern geäußert
haben,
({3})
auch an Sie. Sie haben nämlich gesagt: „Da werfen Sie
aber schwer mit Wattebäuschchen.“ Ich finde, das ist
verglichen mit den großen Forderungen Ihres Parteivorsitzenden bei diesem Antrag der Fall.
({4})
Ich will aber konkret sagen, um welche zentralen
Auseinandersetzungen es in Brüssel bei der Kapitaladäquanzrichtlinie gerade geht. Eine zentrale Frage betrifft
die Leverage-Ratio. Deswegen habe ich gerade die Zwischenfrage gestellt. Es geht darum, ob ein Mindestniveau an Eigenkapital gelten soll, unabhängig davon, was
man sich mit den Risikogewichten ausrechnet. Wir halten diese Schuldenbremse bei Banken für eine zentrale
Regelung.
({5})
Die Bundesregierung hat sich dagegen ausgesprochen, sie verbindlich zu machen, sowohl in Basel als
auch in Brüssel. So hat die Bundesregierung meine
Kleine Anfrage dazu beantwortet.
({6})
Wir fordern, dass sie auch in Deutschland verbindlich
eingeführt wird. Das ist übrigens auch auf nationaler
Ebene möglich. Wenn man sie will, muss man eben an
dieser Stelle auch einmal springen.
({7})
Die zweite Frage, die sich stellt, lautet: Wie gehen wir
mit dem Streit über die Frage „Soll es eine Maximalharmonisierung sein oder nicht?“ um? Wichtige Auseinandersetzung in Brüssel! Die Regierung des Vereinigten
Königreichs hat gesagt: Wir wollen, dass eine nationale
Regierung höhere Anforderungen an die Banken stellen
kann. Die Position der Kommission ist: Wir wollen eine
einheitliche Regelung für alle. Die Position von Bündnis 90/Die Grünen dazu ist völlig klar: Es braucht eine
Mindestharmonisierung auf europäischer Ebene, aber es
gibt keinen Grund, auszuschließen, dass eine nationale
Aufsichtsbehörde dann, wenn sie feststellt, dass es zu
wenig Kapital bei ihren Banken gibt, einen zusätzlichen
Aufschlag festsetzt. Ich finde, wir müssen hier bei dieser
Debatte klären: Was ist eigentlich die Position Deutschlands in dieser entscheidenden Frage? Darauf geben Sie
keine Antwort.
Mich würde bei den nachfolgenden Reden die Position der Regierungsfraktionen dazu interessieren; denn
ich höre, dass die Bundesregierung auf der Seite derer
ist, die sagen: Nationale Regierungen sollen keinen Aufschlag festsetzen können. Ich fände diese Position
falsch. Ich fordere Sie auf: Machen Sie den Weg frei dafür, dass wir eine Mindestharmonisierung bekommen,
aber dass dann zusätzlich national Vorsorge getroffen
werden kann! Es ist ja wichtig, konkret reagieren zu
können, wenn es Schieflagen im nationalen Bankensektor gibt.
({8})
Damit komme ich zu der abschließenden Bewertung.
Was passiert bei Basel III? Ich glaube, es gibt für eine
Reihe von regionalen Banken tatsächlich zu hohe Anforderungen, gerade in den Säulen 2 und 3, also bei der
Frage der Standards. Das ist so. Wir müssen dafür sorgen, dass es hier Erleichterungen gibt, um nicht einem
Konzentrationsprozess Vorschub zu leisten.
Ich finde Folgendes richtig - an dieser Stelle ausdrückliche Zustimmung; ich glaube, da haben wir einen
Konsens -: Wenn die empirischen Daten zeigen, dass die
Risikogewichte bei den Mittelstandskrediten zu hoch gesetzt sind, müssen diese runter.
({9})
Es ist völlig klar, dass wir uns hier an den wissenschaftlichen Ergebnissen orientieren müssen.
Aber auf der anderen Seite müssen wir auch dafür
sorgen, dass die Eigenkapitalanforderungen, die ja immer wieder heruntergerechnet werden, eine Mindestuntergrenze bekommen. Ich will noch einmal die Zahl nennen, die einfach die Verantwortung auch in Deutschland
verdeutlicht: Die Deutsche Bank hat eine ungewichtete
Eigenkapitalquote von nur 2,3 Prozent.
({10})
Die Zahl ist vom Sachverständigenrat. Das zu tolerieren,
halte ich für einen Fehler. Wir brauchen sofort eine verbindliche Untergrenze von 3 Prozent. Wir Grünen sagen:
Die muss über die Jahre auf 5 Prozent aufwachsen.
Kollege Schick, ich kann leider keine Zeitkredite vergeben. Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
5 Prozent Eigenkapital muss das Minimum sein, das
wir bei Banken einfordern.
Vielen Dank.
({0})
Für die Unionsfraktion hat nun die Kollegin Antje
Tillmann das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Kollegen
der SPD, in Ihrem Antrag, der auch „Kommunalfinanzierung sichern“ im Titel hat, gibt es drei Sätze über
Kommunalfinanzierung - ein bisschen enttäuschend. In
diesen drei Sätzen fordern Sie, dass wir sicherstellen,
dass auch hochverschuldete Kommunen unbegrenzt und
preisgünstig an neue Kredite gelangen. Was macht das
für einen Sinn? Was macht das für einen Sinn für Kommunen, die selbstverschuldet in Schwierigkeiten geraten,
weil sie jahrelang fahrlässig mehr Geld ausgegeben haben, als es die Lage zuließ, weil sie auf sinkende Steuereinnahmen nicht mit Ausgabenkürzungen oder Personalabbau reagiert haben, weil sie gegebenenfalls bewusst
Probleme nicht beachtet und nicht dementsprechend reagiert haben? Mit Blick auf diese selbstverschuldeten
Schwierigkeiten macht Ihr Antrag gar keinen Sinn.
Das gilt auch für die Aussage des Deutschen Städtetages:
Das Risikogewicht von Direktausleihungen der
Kreditinstitute an Kommunen … muss sich auch in
Zukunft an der Bonität des Zentralstaates orientieren können. Für die Bundesrepublik Deutschland
bedeutet das aufgrund des gesamtstaatlichen Haftungsverbundes aus Bund, Ländern und Kommunen eine Beibehaltung der Null-Risiko-Gewichtung.
Für die Kommunen, die bewusst nicht reagieren, obwohl sie finanzielle Schwierigkeiten haben, heißt das:
Ganz egal, was sie ausgeben - irgendjemand im Staat
wird es schon bezahlen. Bezahlen wird es genau die
Kommune, die, gegebenenfalls mit hohen eigenen Anstrengungen, versucht, auf die wirtschaftliche Situation
zu reagieren, die ihren Bürgern und Bürgerinnen Einsparungen zumutet. Diese Kommune soll nach Ihrer Auffassung demnächst der Nachbarkommune, die diese Disziplin nicht aufbringt, aus der Patsche helfen. Das heißt,
sie soll nicht nur beim eigenen Haushalt einsparen, sondern auch noch die Fehler der Nachbarkommune mitbezahlen. Das kann aus unserer Sicht nicht richtig sein.
({0})
Aber selbstverständlich gibt es auch Kommunen, die
unverschuldet in die Situation geraten, dass ihr Haushalt
nicht mehr ausgeglichen ist. Das kann zwei Gründe haben. Erstens könnte ein großes Unternehmen, das den
Hauptanteil an den Gewerbesteuereinnahmen erbracht
hat, aus einer Kommunen weggezogen oder pleitegegangen sein. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise könnten also eine Kommune, die sehr abhängig von den Gewerbesteuereinnahmen ist, besonders getroffen haben.
Zweitens könnten Bürgerinnen oder Bürger, die eine
hohe Einkommensteuer zahlen, aus einer Kommune
weggezogen sein, weil sie anderswo einen Arbeitsplatz
gefunden haben.
Solchen Kommunen sagen Sie: Wir helfen dir. Wir geben dir die Möglichkeit, zu deinen sowieso schon hohen
Schulden weitere Schulden aufzunehmen, die du sehr
günstig finanzieren kannst. - Auch das ist doch wohl
keine sinnvolle Lösung. Eine Kommune, die unverschuldet in eine solche Situation geraten ist, braucht einen
Strukturwandel. Sie braucht Hilfen vom entsprechenden
Land, um ihre Struktur umzubauen. Wir haben auf Bundesebene reagiert, indem wir es schon seit einigen Jahren
zulassen, dass mit der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ nicht mehr nur
ostdeutsche Kommunen, sondern selbstverständlich auch
strukturschwache westdeutsche Kommunen unterstützt
werden können. Einer betroffenen Kommune helfen
keine neuen Kredite, sondern Förderprogramme, wie wir
sie zusammenstellen.
({1})
Wenn man sich dann die Verteilung der Schulden auf
die einzelnen Länder anschaut, dann wird doch ganz offensichtlich, dass die Länder ihre Kommunen finanziell
sehr unterschiedlich ausstatten. Ich will nicht die Sondersituation der ostdeutschen Kommunen aufzeigen, die
Gott sei Dank aus manchen Fehlern der westdeutschen
Kommunen gelernt haben, die von Anfang an Haushaltsdisziplin großgeschrieben haben, die aber natürlich auch
über den Solidaritätszuschlag und über den Solidarpakt
Hilfen bekommen.
Aber vergleichen Sie nur einmal die Kommunen in
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg! Warum
sind denn die Kommunen in Nordrhein-Westfalen so
viel höher verschuldet als in Baden-Württemberg? Man
hat doch den Verdacht, dass manche Länder ihre Haushalte sehr wohl auf Kosten der Kommunen entlasten.
Auch diesen Kommunen hilft man nicht durch zusätzliche billige Kredite, sondern man hilft ihnen, indem die
Länder ihrer Verantwortung gerecht werden und ihre
Kommunen entsprechend entlasten.
Gott sei Dank haben das die ersten Länder getan; es
gibt kommunale Hilfsfonds. Die ersten Länder haben
festgestellt, dass zusätzliche Neuverschuldung keine Lösung ist, sondern dass die Haushalte wieder zur Haushaltsdisziplin und -konsolidierung zurückgeführt werden
müssen.
({2})
Aber ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Die
Kommunen sind verfassungsrechtlich Teil der Länder.
Es ist nicht Bundesaufgabe, die Kommunen zu finanzieren, sondern das ist Aufgabe der Länder. Der Bund ist
hingegen für die Sozialversicherungssysteme zuständig.
Unsere Verantwortung für die Sozialversicherungssysteme nehmen wir genauso ernst wie unsere Verantwortung für die Schuldensituation im Bund.
Doch der Bund hat in der Vergangenheit auch Fehler
gemacht. Wir sind dabei, diese Fehler peu à peu in dieser
Legislaturperiode zu beheben. Wir haben bei der Grundsicherung angefangen, bei der die rot-grüne Bundesregierung einen großen Fehler gemacht hat. Wir haben ihn
behoben, indem wir den Kommunen die Kosten für die
Grundsicherung im Alter zu 100 Prozent erstatten.
({3})
- Dass Ihnen das nicht gefällt, Herr Scheelen, ist mir
klar. Aber Sie haben ja gleich noch fünf Minuten, um
das richtigzustellen.
Es ist eine Tatsache, dass die Kommunen bis 2020
von dieser Bundesregierung um 50 Milliarden Euro entlastet werden.
({4})
Seien Sie sicher, das hilft den Kommunen mehr, als
wenn ihnen Kredite zu günstigen Konditionen zur Verfügung gestellt würden.
({5})
- Es war diese Regierung. Die Finanzierung der Kommunen hat unser Finanzminister Schäuble als Erster ins
Gespräch gebracht. Ich habe Ihnen die Protokolle schon
x-mal zugeschickt; ich tue das gerne noch einmal.
({6})
Ich weiß sehr sicher, dass die Verhandlungen zum 1. Januar 2013 abgeschlossen sein werden und dass diese
Entlastungen kommen.
Aber ich möchte noch andere Punkte aufgreifen, die
Sie aufregen werden. Von daher können Sie Ihre Emotionen noch ein bisschen zurückhalten.
({7})
Wir kommen zum Thema Kinderbetreuung. Auch
hier hat der Bund seine Aufgabe erfüllt. Wir haben
4 Milliarden Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung
zur Verfügung gestellt. Auch hierbei sieht man wieder,
welche Länder ihren Kommunen Kofinanzierungmittel
zur Verfügung stellen und welche nicht.
Bei den Familienhebammen, beim Bildungspaket, bei
der Sprachförderung, bei Mehrgenerationenhäusern haben wir unseren Anteil gezahlt. Der Bund lässt die Kommunen nicht im Stich. Wir geben Hilfen und nicht die
Möglichkeit, neue Kredite aufzunehmen.
({8})
- Das hätten Sie unter Rot-Grün ja mit sehr viel weniger
Druck haben können, Sie haben es aber nicht gemacht.
Von daher ist diese Aussage sehr fragwürdig.
Wir haben aktuell eine einmalige Chance: Im Jahr 2011
stiegen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer um fast
14 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 42,5 Milliarden Euro.
({9})
2008 - vor der Krise - waren es 41 Milliarden Euro. Das
sind also Steuereinnahmen in einer Höhe, die es nie zuvor gegeben hat.
In dieser Situation erzählen Sie den Kommunen: Es
ist doch gut, wenn ihr zusätzliche Kredite zu günstigen
Konditionen aufnehmt. Wir helfen euch dabei. - Das ist
für uns der falsche Weg. Wir glauben, durch eine Kombination aus Strukturmitteln, aus Hilfen aus den Ländern
und auch aus Haushaltskonsolidierungen können wir die
Kommunen auf dem richtigen Weg begleiten. Bei diesen
Hilfsmaßnahmen stehen wir an der Seite der Kommunen. Das gilt aber nicht für den Fall, dass trotz überschuldeter Haushalte zusätzliche Kredite aufgenommen
werden.
Ich danke Ihnen.
({10})
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Bernd
Scheelen das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kollegin Tillmann, die schwarz-gelbe Koalition kann froh sein, dass es den Vermittlungsausschuss gibt, in dem die SPD und die Grünen eine gewisse Durchschlagskraft haben, sonst hätten Sie diese
positiven Dinge für die Kommunen nicht auf Ihrer Habenseite verbuchen können.
({0})
Gestern war ich in meiner Heimatstadt Krefeld. Dort
fand eine Konferenz zur Aufstellung der Kandidatinnen
und Kandidaten für die Landtagswahl am 13. Mai statt.
({1})
Es ging dort um die Wahlkreise Krefeld I und Krefeld II.
Als ich sagte, dass ich heute im Bundestag eine Rede
zum Thema Basel III halten werde, wurde ich gefragt,
welcher Wahlkreis das sei.
({2})
Dabei wurde mir deutlich, dass wir häufig über Dinge
reden, die der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln
sind. Deswegen will ich noch einmal kurz erklären, was
Basel III ist.
({3})
- Möglicherweise.
Basel III ist ein Regelwerk, das der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht geschaffen hat, um Leitplanken zu entwickeln, innerhalb derer sich Banken in ihrem
Geschäft bewegen können, und um auf dem Bankensektor Sicherheit herzustellen. Basel III heißt aber auch,
dass es zuvor Basel I und Basel II gegeben haben muss.
Basel I und II haben die große Finanzkrise mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahre 2008 nicht
verhindern können. Deswegen ist es logisch, dass es eine
Weiterentwicklung des Regelwerks geben muss. Diese
liegt uns jetzt vor. Darüber debattieren wir heute.
Das Regelwerk Basel III ist sinnvoll, weil es systemrelevante große Banken regulieren soll; denn dort entstand die Krise. Das ist der Ansatz. Wir versuchen, in
unserem Antrag deutlich zu machen, dass das generelle
Regelwerk, das für systemrelevante, weltweit agierende
Banken gedacht ist, die besondere Handelsgeschäfte betreiben, nicht für alle Banken gleichermaßen angewendet werden kann. Das würde nämlich einer Rasenmähermethode entsprechen, durch die die Geschäfte kleiner
und mittlerer Institute, die nur regional tätig sind, sehr
begrenzt würden bzw. durch die bestimmte Kreditgeschäfte sogar verhindert würden.
Das ist unser Thema. Deswegen haben wir die Kommunen in unserem Antrag - „Kommunalfinanzierung sichern“ - erwähnt. Frau Kollegin Tillmann, es geht nicht
darum, Kommunen zu ermuntern, sich auf Teufel komm
raus zu verschulden. Das, was Sie hier vorgetragen haben, ist Wahlkampfrabulistik.
({4})
Es geht darum, zu ermöglichen, dass die Kommunen in
Zukunft noch Kredite aufnehmen können.
({5})
Sowohl der Bund, die Länder, die Kommunen wie
auch die reale Wirtschaft kommen nicht ohne Kredite
aus. Es ist sinnvoll, dass man über Kredite Investitionen
finanziert. Das macht jeder Privatmann, der sich ein
Haus bauen oder eine Wohnung kaufen will. Er geht zur
Bank und bittet um einen Kredit, den er dann über
20 oder 30 Jahre abbezahlt. So ähnlich agieren auch die
staatlichen Ebenen, zu denen auch die Kommunen gehören.
Uns geht es darum, dass dies in Zukunft weiterhin
möglich ist. Wenn Sie mit den Vertretern der Sparkassen
reden - reden Sie doch einmal mit Herrn Haasis; der
steht Ihnen politisch doch näher als uns -, werden Sie
feststellen, dass sie sehr große Sorgen haben, dass dieses
Regelwerk, wenn es nicht differenziert angewendet
wird, verhindert, dass Banken überhaupt noch Kommunalfinanzierung machen.
Wie kommt das? In diesem Zusammenhang will ich einen Punkt besonders hervorheben. Das ist die Verschuldungsobergrenze. Sie wird als Leverage-Ratio bezeichnet. Verschuldungsobergrenze heißt: Die Banken haben
aufgrund ihres Eigenkapitals und Geschäftsmodells ein
bestimmtes Volumen, das sie als Kredit ausgeben können.
Kommunalkredite zeichnen sich dadurch aus, dass sie
hundertprozentig sicher sind - Frau Kollegin Tillmann
und Herr Sänger, Sie haben diesen Punkt angesprochen -,
weil hinter den Kommunen der Haftungsverbund von
Ländern und Bund steht. Wenn Sie hier die Bonität der
Bundesrepublik Deutschland anzweifeln wollen, dann
sollten Sie das zu Protokoll geben. Ich glaube, das wäre
eine falsche Aussage.
({6})
Es geht, wie gesagt, darum, dass Kommunalkredite
hundertprozentig sicher sind. Kommunen können nach
der geltenden Gesetzeslage nicht pleitegehen. Banken
vergeben Kommunalkredite und erhalten dafür relativ
wenig Zins; denn für ein sicheres Geschäft bekommt
man nur eine kleine Marge.
Wenn nun einer Bank im Hinblick auf ihre Geschäfte
Grenzen vorgeschrieben werden, dann kann, um genügend Geld zu verdienen, die Neigung dieser Bank groß
sein, zu sagen: Wir vergeben keine Kommunalkredite
mehr; wir vergeben lieber Mittelstandskredite oder kümmern uns um andere, risikoreichere Geschäfte mit einer
größeren Marge, die also mehr Gewinn bringen. Auch
Institute wie Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Förderbanken leben natürlich davon, dass sie einen Profit machen. Das ist ihre Aufgabe. Die Gefahr besteht, dass sie das margenschwache Kommunalgeschäft
abstoßen und sich risikoreicheren Geschäften widmen.
Genau das wollten wir mit Basel III eigentlich verhindern. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.
Deswegen sagen wir: Das Regelwerk muss differenziert angewendet werden, um Kreditklemmen zu verhindern. Ebenso muss verhindert werden, dass sich Kommunen in Zukunft nicht mehr finanzieren können; denn
Kommunen tragen 60 Prozent der öffentlichen Investitionen. Sie haben die Verantwortung für Arbeitsplätze
und Beschäftigungssicherung im Mittelstand und im örtlichen Handwerk.
Wenn Sie das alles eliminieren wollen, dann müssen
Sie gegen unseren Antrag stimmen. Ich gehe aber davon
aus, dass auch Sie das örtliche Handwerk und den Mittelstand in den Kommunen unterstützen wollen. Deswegen müssen Sie unserem Antrag zustimmen. Ich rechne
mit einer breiten Mehrheit.
Vielen Dank.
({7})
Ich schließe die Aussprache.
Vizepräsidentin Petra Pau
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/9167 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörn
Wunderlich, Diana Golze, Matthias W. Birkwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Alleinerziehung von Kindern würdigen Alleinerziehende gebührend unterstützen
- Drucksache 17/8793 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({0})
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich bitte Sie, die notwendigen Umgruppierungen im
Plenarsaal zügig vorzunehmen, damit wir jetzt dem ersten Redner folgen können.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Jörn Wunderlich für die Fraktion Die Linke.
({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bei dieser Debatte geht es um die Situation Alleinerziehender; man könnte glatt von der „Auflage 3“ reden. Das
Thema dürfte eigentlich allen bekannt sein; für die, die
an partieller Demenz leiden, möchte ich kurz daran erinnern:
({0})
Wir haben in der 16. Legislaturperiode darüber gesprochen, wir haben auch vor anderthalb Jahren über die Situation Alleinerziehender gesprochen.
Alleinerziehende sind häufig massiv von Arbeitslosigkeit bedroht, sie befinden sich in Teilzeitarbeit oder
sind im Niedriglohnsektor beschäftigt. Ich will aus dem
Koalitionsvertrag zitieren; dort heißt es:
Wir wollen die Rahmenbedingungen für Alleinerziehende durch ein Maßnahmenpaket verbessern.
({1})
Was ist in der Zwischenzeit passiert? Nichts. Seit dem
letzten Mittwoch wissen wir ja, wie die Familienministerin mit solchen Themen umgeht: Sie weiß um die Situation, sie fordert Sachverständigengutachten an usw., und
dann ruft sie hilfeschreiend nach Ideen und Initiativen,
weil ihr selbst nichts einfällt. Gut. Wir legen nun ein
Bündel von Maßnahmen und Initiativen vor. Ich hoffe,
dass die Ministerin zumindest das eine oder andere davon aufgreift.
({2})
In Anbetracht der Kürze der mir verbleibenden Zeit
kann ich nur einige wenige Punkte aufgreifen. Es geht
zunächst um die Flexibilisierung der Arbeitszeit; darüber
haben wir schon gesprochen. Die Arbeitszeit muss flexibel gestaltet sein. Das ist gerade für Frauen wichtig. In
diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an die
Quote erinnern und daran, wie wichtig Frauen für die
Unternehmen sind. Ebenfalls erforderlich ist ein gesetzlicher Mindestlohn, um die Situation von Alleinerziehenden deutlich zu verbessern.
({3})
Bei einem vorübergehenden Ausstieg aus dem Beruf
muss weiterhin ein Rechtsanspruch auf Qualifizierung
bestehen, ebenso nach dem Wiedereinstieg in den Beruf.
Dieser Anspruch muss also während der Auszeit sowie
nach der Rückkehr Bestand haben. Die soziale Infrastruktur, auf die Alleinerziehende besonders angewiesen
sind, ist auszubauen. Notwendig ist insbesondere eine
umfassende bedarfs- und altersgerechte Ganztagskinderbetreuung.
Die Ausbildung und Qualifikation von Erzieherinnen,
Erziehern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen
sind sicherzustellen und dem gestiegenen Bedarf anzupassen. Vor Jahren habe ich Frau von der Leyen schon
darauf hingewiesen, dass es, berechnet im Hinblick auf
das Jahr 2013, einen Fehlbedarf von 14 000 Erzieherinnen und Erziehern gibt.
({4})
- Ja, Markus, die Leute gehen, aber das hat, glaube ich,
andere Gründe. - Inzwischen wurde festgestellt, dass
nicht nur 14 000, sondern 20 000 Erzieherinnen und Erzieher fehlen. Es gibt aber keine entsprechend hohe Zahl
von Auszubildenden. Das heißt, die Regierung weiß,
dass es zu einem Mangel kommt, aber sie macht nichts das Übliche halt.
Die Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe müssen rückgängig gemacht werden.
({5})
- Frau Ministerin ist auch nicht da; das stimmt. Sie interessiert sich anscheinend nicht so richtig für dieses
Thema. ({6})
In diesem Bereich geht es darum, auf kommunaler
Ebene und auf Kreisebene letztlich die alleinerziehenden
Mütter und - wir wollen sie nicht vergessen - die alleinerziehenden Väter zu unterstützen.
In diesem Zusammenhang ist natürlich zu sagen, dass
das sogenannte Betreuungsgeld zurückzunehmen ist. Es
ist familienpolitisch absoluter Quatsch und Nonsens; das
hat die Anhörung gezeigt. Insofern hat die Regierung
gestern wieder eine Chance vertan, als es um das Betreuungsgeld ging.
({7})
Ich zitiere einmal den VAMV, der zum Kindertagesstättenausbau sagt: Davon würden besonders Alleinerziehende und Familienernährerinnen profitieren, denn
Alleinerziehende brauchen Kitaplätze und kein Betreuungsgeld.
({8})
Bei der Gesundheitsförderung und den Maßnahmen
der Prävention, bei den Mutter-Kind- und Vater-KindKuren - man muss sich nur die Ablehnungspraxis der
Krankenkassen anschauen - besteht dringender Handlungsbedarf. All das steht in unserem Antrag.
Die finanzielle Absicherung von Alleinerziehenden
und Kindern ist zu gewährleisten. Der Unterhaltsvorschuss ist auszubauen. Es dürfen nicht, wie jetzt von der
Regierung geplant, Streichungen erfolgen. Den Alleinerziehenden darf beim Unterhaltsvorschuss kein Monat
verloren gehen, wodurch sie wieder finanziell schlechtergestellt werden würden, was offensichtlich der Sinn
der Maßnahme ist. Vielmehr ist der Unterhaltsvorschuss
auszubauen und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
zu gewähren. Die maximale Bezugsdauer von derzeit
72 Monaten ist zu entfristen. Der Entlastungsbetrag für
Alleinerziehende im Steuerrecht ist auf 1 308 Euro anzuheben. Die Kürzungen beim Elterngeld sind zurückzunehmen.
Wenn mir jetzt einer von der Koalition kommt und
sagt: „Da sind wir ja dran, und alles ist auf einem guten
Weg“, dann muss ich sagen: Diesen „guten Weg“ kenne
ich jetzt seit sechseinhalb Jahren. Auf dem „guten Weg“
ist so dermaßen viel abgeladen worden, dass ich nicht
weiß, wo er zu finden ist; wahrscheinlich ist er im Bereich der Mythologie anzusiedeln. Es gibt Vorhaben der
Regierung, die so alt sind, dass sie in Kürze eingeschult
werden.
({9})
Kollege Wunderlich, achten Sie bitte auf die Zeit.
Ja, es geht doch noch.
({0})
Ich bin sofort fertig. - Langsam habe ich den Eindruck:
Bei dieser Regierung ist der Weg das Ziel. Ich denke, da
besteht dringender Handlungsbedarf, damit den Alleinerziehenden endlich geholfen wird.
Danke für die Nachsicht. Ich wünsche frohe Ostern.
({1})
Ich weise darauf hin, dass es noch die Möglichkeit
gibt, diesen Antrag in aller Ausführlichkeit in den Ausschüssen zu beraten.
({0})
Die Kollegin Nadine Schön hat für die Unionsfraktion das Wort.
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen!
Wenn ich als Mutter alleine wäre und ich hätte weder Partner noch Großeltern, noch soziales Umfeld
oder Freunde noch irgendwas, dann würde ich vielleicht wirklich sagen, bin ich „alleinerziehend“.
Ich bin eine Mutter mit Kind, aber ich bin nicht alleinerziehend.
Das sind Aussagen aus der Studie Lebenswelten und
-wirklichkeiten von Alleinerziehenden des Sinus-Instituts.
Diese Aussagen zeigen: Die meisten Alleinerziehenden mögen das Wort „alleinerziehend“ nicht, weil es
nach Einsamkeit und Isolation klingt. Die Studie zeigt,
dass das Selbstbild alleinerziehender Mütter und Väter
in Deutschland - in der Studie dreht es sich vor allen
Dingen um Mütter - wesentlich positiver ist als das
Fremdbild. Das war für mich eine sehr interessante Erkenntnis.
Laut der Studie überwiegt bei allen Schwierigkeiten,
die Alleinerziehende anerkanntermaßen haben und die
wir auch in den Blick nehmen müssen, bei vielen das
glückliche und stolze Gefühl, Mutter zu sein. Viele bewerten ihr Leben weitaus weniger kompliziert, als ihnen
das durch die Öffentlichkeit suggeriert wird. Sie leiden
unter den Vorurteilen, dem negativen Fremdbild und der
Opferrolle, die ihnen zugeschrieben wird.
Diese Studie verschafft wirklich ein sehr klares Bild.
Wenn man sich Medienberichte anschaut und auch
schaut, wie wir immer über das Thema diskutieren - ich
glaube, da müssen wir uns an die eigene Nase fassen -,
dann erkennt man, dass das Bild wirklich von Begriffen
wie „Hilfsbedürftigkeit“, „Chancenlosigkeit“, „finanziell schwierige Situation“ und „Einsamkeit“ geprägt ist.
Das ist auch der Tenor Ihres Antrags, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Linkspartei. Ich finde, das müssen
wir alle gemeinsam einmal überdenken.
Das Bild, das Sie in Ihrem Antrag von den Alleinerziehenden zeichnen, ist sehr einfach. Deshalb sind
auch Ihre Antworten auf die wirklich komplexe Lebenssituation Alleinerziehender ziemlich einfach. Sie sagen
schlicht: Es muss mehr Geld her, und die Wirtschaft
muss umgekrempelt werden.
({0})
Ich habe mich beim Lesen Ihres Antrags wirklich
gefragt: Was bringt nun den Alleinerziehenden eine
„kollektive Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnaus20526
Nadine Schön ({1})
gleich“? Eben haben Sie die Quote angesprochen. Sosehr ich dafür bin: Aber was bringt die Frauenquote den
Alleinerziehenden? Wie viele Unternehmen werden
dann noch Alleinerziehende einstellen, wenn Sie den
Kündigungsschutz für Alleinerziehende bis zum 7. Lebensjahr des Kindes ausdehnen? Ihre Vorschläge gehen
in die falsche Richtung. Sie werden den Bedürfnissen
und auch der komplexen Situation von Alleinerziehenden in keiner Weise gerecht.
({2})
Natürlich legen Alleinerziehende wie jeder andere
auch Wert auf soziale Absicherung und finanzielle Sicherheit. Dass sie es besonders schwer haben - das zeigen uns die Zahlen -, kritisieren Sie in Ihrem Antrag zu
Recht. Was Sie aber verkennen, ist, dass auch Alleinerziehende die soziale Sicherheit am liebsten nicht vom
Staat bekommen, sondern sich selbst erarbeiten wollen.
Dafür spricht, dass über 57 Prozent der Alleinerziehenden tatsächlich einen Job haben. Zwei Drittel von denen,
die arbeitslos sind, wollen arbeiten. Selbstständigkeit,
das eigene Leben managen, das wollen die meisten Alleinerziehenden. Das ist ihnen wichtiger als die Transferleistungen, die Sie fordern. Genau in diesem Wunsch
sollten wir sie unterstützen.
({3})
Dafür braucht es natürlich an erster Stelle einen Arbeitsplatz. Hier gilt: Sozial ist, was Arbeit schafft.
({4})
Deshalb trägt die gute wirtschaftliche Entwicklung dazu
bei, die Chancen von Alleinerziehenden zu verbessern.
Will ich als Alleinerziehende arbeiten, dann brauche
ich in dieser Zeit natürlich eine gute Kinderbetreuung.
Deshalb ist der vom Bund forcierte Ausbau der Kindertagesstätten genau das Richtige für Alleinerziehende.
Nachmittagsbetreuung in den Schulen und vor allem
verlässliche Schulzeiten sind hier unverzichtbare Elemente; denn als Mutter oder Vater kann ich nur dann arbeiten, wenn ich mein Kind in guten Händen weiß. Betreuung wiederum kann nur funktionieren, wenn die
Arbeitszeiten mit den Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen harmonisieren.
Diese Zahnräder müssen perfekt ineinandergreifen.
Das macht die Sache so schwer. Deshalb beschäftigt sich
die vom Bundesfamilienministerium forcierte Initiative
„Familienbewusste Arbeitszeiten“ mit genau diesem
Thema. Sensibilität und Verständnis des Arbeitgebers
sind wichtige Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von
Kindererziehung und Beruf und für Alleinerziehende
ganz besonders wichtig.
({5})
Neben dem Arbeitsplatz und neben der Betreuung ist
natürlich die finanzielle Absicherung ein wichtiges
Thema, gerade dann, wenn derjenige, der Unterhalt zahlen muss, seinen Pflichten nicht nachkommt. Fehlende
Unterhaltszahlungen können ein massives Problem für
diejenige werden, die die Verantwortung für das Kind
übernimmt. Deshalb gibt es den Unterhaltsvorschuss.
Wie Sie wissen, haben wir die Höhe in dieser Legislaturperiode angehoben. Wir sind mit der Entwicklung des
Unterhaltsvorschusses ganz sicher noch nicht am Ende.
Diese Art von Hilfe kommt wirklich an.
Schließlich brauchen Alleinerziehende unbürokratische und schnelle Hilfe. In meinem Wahlkreis laufen
zwei Projekte mit Alleinerziehenden als Zielgruppe. Da
wurde genau geschaut: Was brauchen Alleinerziehende
vor Ort wirklich? Wie Sie wissen, komme ich aus dem
ländlichen Raum, wo die Situation besonders schwierig
ist. Als Ergebnis der Projekte hat sich herausgestellt:
Wenn engagierte Menschen als Ansprechpartner vor Ort
mit den Alleinerziehenden zusammen ein Netz spinnen,
wenn sie die Kinderbetreuung sicherstellen, wenn sie im
Haushalt unterstützend tätig sind und sich dafür einsetzen, dass die Arbeitszeiten mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden, dann können diese Helfer dazu beitragen, dass die Alleinerziehenden genau das bekommen,
was sie brauchen. Dann können sie dazu beitragen, dass
Alleinerziehende ihr Leben selbst managen. Das ist
wirklich konkrete Unterstützung, die ankommt. Von diesen Projekten können wir alle lernen.
Mit der chronischen Verteilungsmaschinerie, die Sie
vorschlagen, hilft man bestimmt kurzfristig, aber nicht
nachhaltig. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Wir
wollen Politik machen, die wirklich hilft.
({6})
Deshalb wollen wir genau so vorgehen, wie ich es eben
geschildert habe. Mit Ihrem Antrag helfen wir vielleicht
kurzfristig, aber langfristig helfen wir den Alleinerziehenden nicht.
Vielen Dank.
({7})
Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Caren
Marks das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem
letzten Tagesordnungspunkt in dieser Sitzungswoche vor
Ostern debattieren wir ein wichtiges Thema: die Unterstützung Alleinerziehender in unserem Land. Viele der
im Antrag der Linken formulierten Forderungen sind
richtig und gleichermaßen wichtig. Über Details werden
wir sicherlich noch in der Ausschussberatung sprechen.
({0})
Fakt ist: Alleinerziehende, aber auch ihre Kinder leisten in ihrem Alltag Enormes und müssen von der Politik,
von uns, insgesamt noch mehr Unterstützung erfahren,
und zwar nicht nur in Form von politischen Erklärungen,
Frau Schön, sondern in Form von Taten.
({1})
Der Anteil Alleinerziehender hat sich in den letzten
30 Jahren verdoppelt. Die sogenannten Ein-ElternteilFamilien - in Deutschland sind es circa 1,6 Millionen machen ungefähr ein Fünftel aller Familien in Deutschland aus. Es sind nach wie vor überwiegend alleinerziehende Frauen, circa 90 Prozent. All das ist bekannt.
Aufgabe der Politik ist es, gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Lebenssituation Alleinerziehender und ihrer Kinder wirklich verbessert. Politik
für Alleinerziehende ist und bleibt eine Querschnittsaufgabe.
({2})
Dabei muss es insbesondere um die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf, um die Betreuungssituation, die Bildung, die Erwerbssituation, aber um auch um eine gezielte finanzielle Unterstützung gehen. Alles in allem
geht es um nichts anderes als um eine moderne und sozial gerechte Familienpolitik, die diesen Namen auch
verdient; denn Familie ist für uns überall dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen.
Beim Thema Alleinerziehende geht es aber auch um
Gleichstellung und Chancengleichheit vor allem von
Frauen, etwa auf dem Arbeitsmarkt; es geht aber auch
um die Chancengleichheit von Kindern. Im Detail geht
es natürlich - Herr Wunderlich sprach das an - um Regelungen im Zusammenhang mit dem Elterngeld, dem
Sorgerecht, dem Unterhalt, dem Unterhaltsvorschuss
und vieles andere Wichtige mehr. Es ist theoretisch ein
wirklich weites Betätigungsfeld für die Bundesregierung. Nur leider kommt auch hier nichts, aber auch gar
nichts Substanzielles.
Alleinerziehende brauchen einen gelungenen Mix aus
all dem. Vor allem brauchen sie gute Arbeit. Nach wie
vor haben sie nur eingeschränkte Möglichkeiten, einer
existenzsichernden Arbeit nachzugehen und eine eigenständige Alterssicherung aufzubauen. Der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat sehr deutlich dargelegt, dass eine eigenständige Existenzsicherung und
finanzielle Unabhängigkeit nur mit einer Vollzeitbeschäftigung bzw. vollzeitnahen Beschäftigung möglich
sind. Alleinerziehende sind mit 37 Prozent mehr als anderthalbmal so häufig in Vollzeit erwerbstätig als Mütter
in sogenannten Paarhaushalten. Die Möglichkeit, einer
solchen Beschäftigung nachzugehen, hängt aber entscheidend vom Betreuungsangebot in unserem Land ab.
Ist die Betreuung der Kinder unter sechs Jahren sichergestellt, ist immerhin über die Hälfte der alleinerziehenden Mütter erwerbstätig.
Allerdings liegt die Teilzeitquote von Frauen insgesamt in Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt. Fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen arbeitet - überwiegend nicht gewünscht - in Teilzeit.
Hauptgrund für Teilzeittätigkeit sind die Betreuung von
Kindern und die Pflege von Angehörigen sowie unzureichende Betreuungs- und Unterstützungsangebote. Auch
deshalb brauchen wir einen Rechtsanspruch auf Wiederaufstockung der Arbeitszeit und weder unverbindliche
Erklärungen von Arbeitgebern noch Showveranstaltungen für die Presse.
({3})
Teilzeitarbeit und die Beschäftigung zu Niedriglöhnen stehen einer eigenständigen Existenzsicherung Alleinerziehender im Weg. Deshalb ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns - wir können es nicht oft
genug sagen - ein notwendiger und wirklich längst überfälliger Schritt.
({4})
Aber auch hier bleibt festzuhalten: Die Bundesregierung
interessiert sich nicht für die Situation der Frauen, und
schon gar nicht für die Situation Alleinerziehender.
({5})
- Ich scheine es getroffen zu haben, sonst würden Sie
nicht so aufjaulen.
({6})
- Der Beweis ist noch einmal erbracht; das ist schön.
Alleinerziehende benötigen vor allem verlässliche
Angebote an Kinderbetreuungsplätzen. Deswegen sind
Kitas und Ganztagsschulen, aber auch die Erfüllung des
Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz für unter Dreijährige ab 2013 so besonders wichtig. Der Ausbau muss
hier schneller vorangehen. Wir fordern von Familienministerin Schröder, die hier in der Pflicht ist, zu Recht,
endlich einen Krippengipfel einzuberufen, um mit den
Ländern und Kommunen schneller voranzukommen.
Die Eltern und Kinder in unserem Land brauchen das.
({7})
Eine Verbesserung der Betreuungssituation bedingt
auch mehr Ganztagsangebote. Eine zuverlässige ganztägige Betreuung geht mit mehr Chancen für eine Erwerbstätigkeit gerade Alleinerziehender einher. Daher
muss der Ausbau von Ganztagsangeboten und Ganztagsschulen vorangehen.
Gerade erst gestern hat die Bundesfamilienministerin
eine neue Studie präsentiert. Die Studie zeigt, dass ein
flächendeckendes Angebot an Ganztagsbetreuungsplätzen 110 000 Alleinerziehende in Arbeit bringen könnte.
Damit wären 175 000 Kinder finanziell besser abgesichert. Zudem haben Kinder von Alleinerziehenden
durch gute Betreuungsangebote - auch das sagt diese
Studie - bessere Bildungschancen.
Die Studie zeigt ebenfalls ganz klar, dass sich die
Ganztagsbetreuung mittelfristig für die öffentliche Hand
auch finanziell auszahlt: durch Erwerbstätigkeit, weniger Sozialleistungen, weniger Nachqualifizierung und
vieles mehr.
Das alles sind viele richtige und wichtige Erkenntnisse. Aber es steht zu befürchten - wie bei vielen anderen Studien, die aus dem Familienministerium veröffentlicht werden -, dass es bei der Präsentation bleibt.
Fakten und wichtige Erkenntnisse, wie zum Beispiel im
Gleichstellungsbericht, führen nicht zu einer politischen
Umsetzung durch die Bundesregierung. Frau Schröder
ist und bleibt seit nunmehr gut zwei Jahren handlungsunwillig. Ich finde, es ist Zeit zum Aufwachen.
({8})
Der Ausbau der Kinderbetreuung ist und bleibt die
wichtigste Voraussetzung dafür, erwerbstätig sein zu
können und damit unabhängig von staatlichen Transferleistungen zu leben. Dies ist auch langfristig die wirklich
beste Armutsvermeidungsstrategie; denn Alleinerziehende haben nach wie vor ein hohes Armutsrisiko. Das
ist nicht zu akzeptieren. Auch in diesem Zusammenhang
bleibt unerklärbar, weshalb diese Bundesregierung das
unsinnige Betreuungsgeld einführen will.
Natürlich haben auch die Transferleistungen für die
Situation von Alleinerziehenden eine Bedeutung. Mehr
als jede dritte Familie mit nur einem Elternteil bezieht
Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Für
knapp ein Drittel der Alleinerziehenden stellt diese Leistung eine Überbrückungsphase dar. Die Vermittlung in
existenzsichernde Arbeit ist eine sehr wichtige Aufgabe.
Alleinerziehende brauchen auch Teilzeitqualifizierungsmöglichkeiten; denn diese können gerade für arbeitslose Alleinerziehende für die spätere Berufstätigkeit
eine wichtige und gute Grundlage darstellen.
Ich komme zum Schluss. Zu der Situation von Alleinerziehenden gäbe es noch viel zu sagen. Fest steht: Im
Gegensatz zu Schwarz-Gelb wollen wir, also alle Oppositionsparteien, Alleinerziehende in unserer Gesellschaft nicht im Regen stehen lassen. Sie brauchen die
Unterstützung und Wertschätzung der Politik. Darum
muss gehandelt werden.
Vielen Dank.
({9})
Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Sibylle
Laurischk das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese
Debatte zeigt mir, dass wir noch einmal ganz grundsätzlich etwas zum Thema Alleinerziehende sagen sollten.
Man kann dieses Thema sicherlich behandeln, indem
man über viele Einzelleistungen spricht. Wir sollten uns
aber bewusst machen, dass sich die Gesellschaft in den
letzten Jahren tatsächlich gewandelt hat. Diesem Wandel
widmen wir uns als die die Bundesregierung tragenden
Koalitionsfraktionen ernsthaft.
Im Raum steht zum einen der Begriff des Alleinerziehenden, der alleinerziehenden Mutter; Frau Schön, Sie
haben das Stichwort genannt. Vor Jahren war das noch
ein Stigma. Das war ein Tabu. Es wurde die Frage gestellt: Ist da etwas schiefgelaufen? Mittlerweile ist das
Realität. Ungefähr ein Viertel unserer Familien sind Familien mit einem Elternteil. Das heißt, es sind Alleinerziehende. Es gibt immer mehr Alleinerziehende, übrigens auch immer mehr alleinerziehende Männer.
Männer nehmen zunehmend ihre Verantwortung wahr
und stellen sich der Aufgabe, die sich aufgrund von
Trennung oder anderen persönlichen Entwicklungen einfach ergibt. Dieser Realität müssen wir uns politisch
stellen.
Ich glaube, wir stellen uns dieser Realität. Im Familienausschuss sind wir einhellig der Auffassung, dass
wir den Bereich der Kinderbetreuung ganz entschieden
ausbauen müssen. Es ist gar keine Frage mehr, ob wir
das wollen. Die Frage ist eher, ob wir das in angemessener Zeit schaffen. Der Anspruch auf Kinderbetreuung ist
für uns eine Selbstverständlichkeit. Er wird überhaupt
nicht mehr infrage gestellt.
({0})
Ich möchte hier durchaus auch anmerken, dass das
Betreuungsgeld, das in diesem Zusammenhang immer
wieder genannt wird, nach meinem Dafürhalten zu
Recht kritisiert wird. Der Wunsch, daheimbleiben zu
können und sich seinem Kind widmen zu können, ist ja
verständlich. Ob wir dafür unbedingt Geld ausgeben
müssen, bezweifle ich.
({1})
Es ist durchaus wünschenswert, sich seinem Kind widmen zu können. Ob wir uns das leisten können, ist eine
ganz andere Frage. In vielen Familien ist nicht nur das
Einkommen eines Elternteils, sondern beider Elternteile
dringend notwendig, um überhaupt die Existenz der Familie zu sichern. Das zeigt, dass der Alleinerziehende
bzw. die alleinerziehende Mutter mit ihrem Einkommen,
so sie eines hat, oftmals am Rand des Existenzminimums steht.
Wenn die Alleinerziehende dann auch noch keinen
Unterhalt bekommt, dann ist die Situation der Familie
ganz schwierig. In der Debatte wird dieses Thema meiner Ansicht nach völlig unterschätzt. Viele alleinerziehende Elternteile bekommen vom anderen Elternteil
keinen Unterhalt für ihre Kinder. Das ist kein Kavaliersdelikt - dies ist übrigens ein Straftatbestand im Strafgesetzbuch; dessen sollten wir uns einmal bewusst werden -, sondern dabei handelt es sich um eine völlige Verkennung
der Situation der Alleinerziehenden. Hier müssen wir
Hilfestellung geben.
Ich glaube, dass das Ziel, eine Erhöhung des Unterhaltsvorschusses zu erreichen, richtig ist. Das ist finanziell zweifellos schwierig; daraus mache ich gar keinen
Hehl. Der Unterhaltsvorschuss ist eine familienpolitische Leistung und keine Sozialleistung, die es schon
lange gibt. Dieser Unterhaltsvorschuss muss als Überbrückungsleistung dann, wenn kein Unterhalt gezahlt
wird, für einen längeren Zeitraum gewährt werden und
nicht nur bis zum zwölften Lebensjahr eines Kindes.
Dies wurde von uns zu Recht im Koalitionsvertrag verankert.
Meiner Ansicht nach müssen Alleinerziehende - in
der Mehrzahl sind es Mütter - die Möglichkeit zur Berufstätigkeit haben. Hierfür ist öffentliche Unterstützung
in Form von Kinderbetreuung nötig.
Im Zusammenhang mit dem Thema Alleinerziehende
wird oftmals die Situation von Migranten verkannt. Alleinerziehende Migranten befinden sich in einer noch
schwierigeren wirtschaftlichen Situation. Sie leiden besonders unter Stigmatisierung, weil es in der Zuwanderungsgesellschaft oftmals überhaupt nicht akzeptiert ist,
alleinerziehend zu sein.
In diesem Feld haben wir also einige Fragen aufzuwerfen und zu beantworten, die meiner Ansicht nach zu
wenig Beachtung finden. Sie eignen sich auch nicht für
Plattitüden und kontroverse Exkurse, die man heute in
der letzten Debatte eventuell noch auf den Weg bringen
will.
Ich werbe dafür, dass wir das Thema Alleinerziehende als eine echte Aufgabenstellung der Familienpolitik in diesem Lande verstehen und entsprechende Signale senden; dies tun wir insgesamt mit unserer
familienpolitischen Aufstellung. Durch die Anhörung im
Ausschuss werden wir hoffentlich die Differenziertheit
dieser Situation noch besser verstehen. Wir müssen in
unsere Gesellschaft das Signal senden, dass es kein
Stigma mehr ist, alleinerziehend zu sein, sondern dass es
je nach persönlicher Situation durchaus ein Schicksal
sein kann, das man sich so nicht ausgesucht hat, dem
man sich aber stellt. Wir werden die bestehenden Probleme hoffentlich gut lösen.
Ich hoffe, dass ich in diese Diskussion etwas mehr
Ruhe und Augenmaß bringen konnte; das ist mir bei diesem Thema sehr wichtig.
Vielen Dank.
({2})
Mein Respekt, Kollegin Laurischk, Sie sind bisher die
Einzige, die sich an die vorgesehene Redezeit gehalten
hat.
({0})
Das Wort hat nun die Kollegin Katja Dörner für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Schön, ich finde es sehr
gut, dass Sie hier deutlich gemacht haben, dass sich Alleinerziehende nicht in der Opferrolle sehen. Das ist
nämlich nicht so. Aber das darf gerade nicht heißen, dass
wir in der Politik ihre besondere Lebenssituation und
ihre besonderen Bedürfnisse komplett aus dem Blick
verlieren.
({0})
Das ist leider bei dieser Bundesregierung der Fall.
Weitere Belege dafür sind der aktuelle Achte Familienbericht und auch die Stellungnahme der Bundesregierung dazu. Der Familienbericht befasst sich dezidiert mit
dem Faktor Zeit. Der Faktor Zeit ist natürlich für Alleinerziehende von ganz besonders herausragender Bedeutung, aber weder im Familienbericht noch in der Stellungnahme werden die Alleinerziehenden besonders
erwähnt. Dabei müsste sich die Familienministerin den
Alleinerziehenden ganz besonders widmen.
Eben wurde schon gesagt: Zwei Drittel der Alleinerziehenden bestreiten ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit. Mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet in
Vollzeit. Damit ist die Erwerbsquote deutlich höher als
die verheirateter Frauen. Trotzdem ist das Armutsrisiko
von Alleinerziehenden deutlich erhöht. Das muss uns zu
denken geben.
({1})
Was ist zu tun? Selbstverständlich ist der Ausbau der
Kindertagesbetreuung elementar; das ist schon gesagt
worden. Erst gestern hat das Deutsche Rote Kreuz eine
Studie vorgelegt, in der ganz klar belegt wird, dass Ganztagsplätze unabdingbar sind. Deshalb ist es überfällig,
dass in dem diesbezüglichen Bundesgesetz klargestellt
wird, dass es sich beim Recht auf einen Betreuungsplatz
um einen Ganztagsplatz handelt. Selbstverständlich
muss auch der Ausbau der Ganztagsschulen forciert werden.
({2})
Es geht um mehr. Gut die Hälfte der alleinerziehenden Frauen mit Kindern zwischen null und sechs Jahren
hat keinen Berufsabschluss. Fast 20 Prozent haben nicht
einmal einen Schulabschluss. Vor diesem Hintergrund ist
es fatal, dass die schwarz-gelbe Koalition die Anzahl der
öffentlich geförderten Beschäftigungsangebote fast halbiert hat; denn passgenaue Hilfen bei der Qualifizierung
und die Heranführung an den ersten Arbeitsmarkt sind
für diese jungen Mütter unerlässlich. Wir unterstützen
ausdrücklich die Forderung im Antrag der Linken, die
Möglichkeiten, eine Teilzeitausbildung zu machen, aus20530
zubauen, weil sich damit für viele Alleinerziehende neue
Perspektiven eröffnen, insbesondere wenn sie kleine
Kinder haben.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die Altersgrenze der Kinder im Unterhaltsvorschussgesetz von 12 auf 14 Jahre auszuweiten. Das wäre
eine sinnvolle Maßnahme. Wir wissen: Dieses Vorhaben
liegt auf Eis. Wir dürfen jetzt nicht nur nicht auf Verbesserungen hoffen, sondern wir müssen uns eventuell sogar auch auf Verschlechterungen einstellen. Aus dem
Bundesrat kommt das sogenannte Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz auf uns zu; Herr Wunderlich
hat es schon angesprochen. Wir müssen befürchten, dass
unter dem Label Entbürokratisierung Maßnahmen eingeführt werden, die faktisch zulasten der unterhaltsberechtigten Kinder und damit ihrer alleinerziehenden Eltern
gehen. Wir werden uns damit im Bundestag befassen.
Ich möchte Sie aber bereits jetzt für dieses Thema sensibilisieren, weil ich finde, dass wir das nicht zulassen dürfen.
({3})
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter hat in einem Positionspapier zur Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sehr
gut herausgearbeitet, dass alleinerziehende Frauen auf
dem Arbeitsmarkt nicht in erster Linie deshalb benachteiligt sind, weil sie alleinerziehende Frauen sind, sondern erstens deshalb, weil sie Frauen sind, und zweitens,
weil sie Mütter sind. Solange die Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht forciert wird, so lange
wird sich auch für alleinerziehende Mütter wenig ändern. Wir müssen also große und kleine Räder drehen.
Es wäre wichtig, bei den Alleinerziehenden endlich damit anzufangen.
Vielen Dank.
({4})
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Eckhard
Pols das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Frau Marks hat es schon gesagt:
1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind alleinerziehend, und 90 Prozent davon sind Frauen; da haben Sie
völlig recht. Die Linksfraktion hat in ihrem Antrag versucht, eine Momentaufnahme der Situation der Alleinerziehenden zu machen. Ich finde, das Bild, das Sie zeichnen, ist ein bisschen schief. Sicherlich ist nicht alles
glänzend; aber das Bild ist schief.
Die Gründe für Alleinerziehung sind vielfältig. Mal
ist sie ungewollt, mal gewollt. Vielleicht kommt es auch
durch das Ende einer Beziehung dazu. Wenn es ganz
schlimm kommt, wird sie durch den Tod des Partners
verursacht. Aber viele Alleinerziehende sind nicht ein
Leben lang alleinerziehend. Wer alleinerziehend ist,
muss all das, was vorher gemeinsam mit der Familie und
dem Partner rund lief, allein bewerkstelligen. Dabei geht
es um Erziehung, Schule, Unterhalt, Versorgung und
Freizeit; das sind nur einige Themen, die auf die alleinerziehende Person und ihre Kinder zukommen.
In Ihrem Antrag fordern Sie zu Recht, dass der Staat
hierfür Rahmenbedingungen schaffen muss, Rahmenbedingungen, wie sie der Staat auch für eine funktionierende, florierende Wirtschaft schafft. So gut wie diese
Bundesregierung dies für die Wirtschaft tut - wir merken, es boomt in Deutschland -, tut sie das auch für die
Familien in Deutschland. Dazu zählen auch die Familien
der Alleinerziehenden. Das Bild, das Sie von den alleinerziehenden Familien zeichnen, ist falsch.
Wir als CDU haben schon in der Großen Koalition
mit der zentralen Aufgabe einer modernen und zukunftsweisenden Familienpolitik, wie es in Ihrem Antrag heißt,
begonnen. Unter Rot-Grün war so etwas nicht möglich.
Kanzler Schröder hat Familienpolitik ja noch als „Gedöns“ abgetan.
({0})
Wir haben diese Kompetenz an uns gezogen und - ich
nenne nur ein Beispiel, das wir schon mehrfach gehört
haben - die Krippenvereinbarung zwischen Bund, Ländern und Kommunen auf den Weg gebracht. Dies war
ein entscheidender Schritt zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Besonders für Alleinerziehende muss eine bedarfsgerechte Palette von Kinderbetreuungsangeboten zur Verfügung gestellt werden.
Denn gerade Alleinerziehenden ermöglicht oft erst die
Kinderbetreuung eine eigene Erwerbstätigkeit, ohne die
nicht selten andere staatliche Leistungen wie das Arbeitslosengeld II in Anspruch genommen werden müssten.
Sie behaupten in Ihrem Antrag, dass auf der Ebene
der unterstützenden Infrastruktur Defizite unübersehbar
sind.
({1})
Ich behaupte das Gegenteil. Der Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige stockt nicht - wenn, dann
vielleicht in den Ländern und Kommunen, in denen Sie
an der Regierung beteiligt sind.
({2})
Ich will nur ein Beispiel nennen, wo das funktioniert,
Herr Wunderlich.
({3})
- Nein,
({4})
in Niedersachsen,
({5})
und zwar in meiner Heimatstadt Lüneburg.
Ich kann Ihnen sagen, dass wir dort sehr gut aufgestellt sind. Bis Ende 2012 haben wir die 35-ProzentQuote erreicht. Wir hören aber nicht auf. Denn wir wissen: Wir leben in einer wachsenden Region, und wir
brauchen mehr. Wir wollen nämlich attraktiv bleiben.
Wir wollen den Alleinerziehenden das bieten, was sie
brauchen. Viele Alleinerziehende sind nämlich - das
wissen Sie - im Schichtdienst tätig: in der Alten- oder
Krankenpflege und in Produktionsbetrieben. Daher müssen sich Kinderbetreuungseinrichtungen, ob in kommunaler oder freier Trägerschaft, den zeitlichen Bedürfnissen der Alleinerziehenden anpassen. Wenn Flexibilität
von der Wirtschaft gefordert wird, dann muss sie auch
von den Betreuungseinrichtungen gefordert werden.
Dies ist aber Aufgabe der Kommunen.
({6})
Auch Ihre Aussage zur nicht bedarfsorientierten Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder ist falsch.
Das Bundesverfassungsgericht hat seinerzeit nicht die
Höhe, sondern die Berechnungsverfahren beanstandet.
Die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in
der Höhe unverändert gebliebenen Hartz-IV-Regelsätze
für Kinder sind das Ergebnis einer realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung.
({7})
Die Richter konnten nicht feststellen, dass die Regelleistungsbeträge evident unzureichend sind.
Vieles, was Sie bemängeln und fordern, sind kommunale Aufgaben. Diese Bundesregierung ist die kommunalfreundlichste, die wir seit langem haben, und sie
entlastet - das haben wir auch schon gehört - die Kommunen auf vielen Ebenen.
({8})
Die Kommunen sind für die Umsetzung des Bildungsund Teilhabepakets für Kinder zuständig. Insbesondere
alleinerziehende Mütter, die überdurchschnittlich häufig
auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
angewiesen sind, profitieren davon.
Ich möchte noch einmal auf meine Heimat zurückkommen. Im Landkreis Lüneburg wurde im Vorfeld eine
umfangreiche und erfolgreiche Informationspolitik betrieben. In Kitas und Schulen sind flächendeckend Hinweise verteilt worden. Auch meine Kinder kamen mit
den Hinweisen nach Hause. Außerdem wurden alle Bedarfsgemeinschaften angeschrieben. Die Rücklaufquote
beträgt immerhin über 60 Prozent.
({9})
Die Verwaltung in Lüneburg ist damit ihrer Bringschuld nachgekommen. Ich meine aber, die Eltern haben
hier auch eine Holschuld. Als Mitglied des Rates der
Stadt Lüneburg widerspreche ich Ihnen, Herr
Wunderlich, dass viele Kommunen öffentliche Infrastruktureinrichtungen wie Büchereien, Jugendzentren
und Musikschulen aus Finanznot schließen mussten. Die
Stadt Lüneburg baut zurzeit eine neue Musikschule, Herr
Wunderlich, und ein Jugendtheater ist vor zwei Jahren
entstanden.
({10})
Innovativ und zukunftsorientiert ist auch eine Projektidee des Landkreises Lüneburg, die im Rahmen des Modellvorhabens „LandZukunft“ des Bundesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
eingereicht wurde. Eine Kinder-Notfall-App wird Eltern
verlässlich über Betreuungsangebote informieren.
({11})
Das ist ein wichtiger Schritt zur weiteren Verbesserung
der Situation von Alleinerziehenden.
Alle Alleinerziehenden brauchen unsere gesellschaftliche Anerkennung; das ist richtig. Viele von ihnen sind
doppelt belastet: durch Erwerbstätigkeit und Fürsorgeaufgaben. Deshalb müssen wir die Möglichkeiten der
Unterstützung für Alleinerziehende ausweiten. Es darf
kein Entweder-oder zwischen Familie und Beruf geben.
Herr Wunderlich, ich wünsche Ihnen und auch allen
anderen ein frohes Osterfest im Kreise Ihrer Familien
und freue mich, wenn wir uns in etwa vier Wochen hier
wiedersehen.
Vielen Dank.
({12})
Herzlichen Dank. - Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/8793 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 25. April 2012, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles
Gute. Finden Sie auch ein wenig Erholung über die Feiertage.