Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/9/2012

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 a und b auf: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien - Drucksache 17/8877 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ralph Lenkert, Jan Korte, Dorothée Menzner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Mut zum Aufbruch ins solare Zeitalter - Drucksache 17/8892 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Parlamentarischen Staatssekretärin Katherina Reiche für die Bundesregierung das Wort. ({2})

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bemerkenswerte Wochen hinter uns. Was gab es nicht alles für Vorwürfe? Kahlschlag! Ausstieg! Deindustrialisierung! ({0}) Die Empörungskurve der Opposition kennt keine Grenzen. ({1}) Leider ist die Lernkurve der Opposition, bei SPD und Grünen, bei weitem schwächer als die Lernkurve der Photovoltaik. ({2}) Bundesumweltminister Röttgen hat in der Aktuellen Stunde in der letzten Woche darauf hingewiesen, dass die Vorwürfe falsch sind. Sie waren schon damals falsch, sie sind jetzt falsch, und sie werden auch durch permanente Wiederholung nicht richtiger. ({3}) Was sind die Fakten? Die Photovoltaik ist in Deutschland in einem Ausmaß gewachsen, wie es in dieser Geschwindigkeit niemand für möglich gehalten hätte. Seit Ende 2009 hat sich die installierte Leistung verdreifacht. 25 Gigawatt haben wir mittlerweile in Deutschland, und allein 2011 sind 7 500 Megawatt installiert worden. 2010 und 2011 konnten wir erneut die Einspeisevergütung absenken - und das zu Recht. Ein Wort zur SPD. Umweltminister Gabriel hat in der Großen Koalition verpasst, eine schon damals überfällige Schlankheitskur durchzusetzen. Stattdessen gab es noch einmal einen großen Schluck aus der Förderpulle. Diese Überförderung mussten wir abbauen - zum Wohle der Stromkunden und zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher; ({4}) denn ein Massenmarkt kann nicht dauerhaft durch Subventionen gespeist werden. ({5}) Man kann auch sagen, dass die Photovoltaik erwachsen geworden ist. Wenn man erwachsen ist, dann muss man Verantwortung übernehmen und auf eigenen Füßen stehen. ({6}) Heute haben wir bei der Photovoltaik Netzparität im Haushaltsbereich. Das von der Koalition eingebrachte Gesetz gibt jemandem, der eine Dachanlage hat, die Möglichkeit, seinen Strom günstiger zu erzeugen als zu beziehen. Netzparität heißt eben, dass der durchschnittliche Haushaltsstrom bereits teurer ist als die Erzeugung von Solarstrom. Diese Netzparität erreichen wir in Kürze auch im landwirtschaftlichen und im Gewerbebereich. Hiermit ist ein Marktanreiz gesetzt. Das EEG muss zunehmend zu einem Marktertüchtigungsgesetz werden. Mit dem neuen Marktintegrationsmodell vergüten wir nicht mehr die Gesamtmenge des Stroms, sondern geben einen Anreiz, diesen selbst zu nutzen. Die Anlagenbetreiber können ihren Strom entweder selbst verbrauchen, sie können ihn vermarkten, oder sie können ihn anbieten. Der Eigenstrombedarf wird bei der Anlagenplanung zukünftig stärker berücksichtigt werden. Das eröffnet übrigens Möglichkeiten für die deutsche Industrie. Das eröffnet Möglichkeiten gerade für Anlageninstallateure, mit intelligenter Steuerungs- und Messtechnik maßgeschneiderte Lösungen zu präsentieren. Ich halte das für einen zukunftsfähigen Markt und würde mir wünschen, dass dies auch stärker genutzt werden würde. ({7}) Selbst wenn wir die Förderung nicht anpassen würden, selbst wenn wir höhere Vergütungen genehmigen würden: Am Grundproblem der deutschen Hersteller ändert das doch nichts. Das EEG ist eben kein Absatzsicherungsgesetz. Auf dem Weltmarkt stehen unglaublich viele Module zur Verfügung. Es gibt massive Überkapazitäten, und der Wettbewerb ist hammerhart. Ich sage nicht, dass der Wettbewerb jedes Mal fair ist. Gerade aus Fernost kommen Module auf den Markt, die preislich weit unter dem liegen, was deutsche Hersteller anbieten können. ({8}) Aber es ist auch wahr, dass sich die Bürgerinnen und Bürger oftmals für das günstigere Angebot entscheiden, und das beeinflusst das EEG nicht. ({9}) Wir können diese Wettbewerbsverhältnisse mit einem nachfrageorientierten Instrument nicht beeinflussen. Noch einmal, Herr Kelber: Es ist kein Absatzsicherungsgesetz. ({10}) Mit höheren Vergütungssätzen riskieren wir eine Überförderung, ohne zu steuern. Die Grünen und auch Sie, Herr Kelber, sagen das übrigens auch hinter verschlossenen Türen. Sie sollten den Mut haben, das auch hier so zu sagen und nicht nur im kleinen Kreis. ({11}) Gerade die Tatsache, dass die Unternehmen schon im Jahr 2011 in einer schwierigen Situation waren, obwohl die EEG-Vergütung auskömmlich war, zeigt, dass sich die Industrie in einem Wettbewerb auch unabhängig vom EEG behaupten muss. Dazu sind zwei Dinge notwendig, wie es sich für die Industrie gehört, nämlich das Setzen auf Innovationen und auf Forschung. Deswegen hat diese Bundesregierung zusammen mit dem Forschungsministerium ein Forschungsprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro aufgelegt. Auch die deutschen Unternehmen müssen stärker in den Export, um sich zu behaupten. Die Bürgerinnen und Bürger stehen mit überwältigender Mehrheit hinter der Energiewende. Die Bürgerinnen und Bürger wollen zu über 95 Prozent, nämlich zu 98 Prozent, erneuerbare Energien. Wir wollen, dass das so bleibt. Wenn wir aber risikofreie Renditen im zweistelligen Bereich, finanziert durch alle Stromverbraucher, dulden, dann setzen wir die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger langfristig aufs Spiel, und das wollen wir nicht. ({12}) Zu unserer Verantwortung gehört, die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im PV-Bereich, der Handwerker, aber auch aller Stromkundinnen und Stromkunden im Blick zu haben. Das unterscheidet uns offenbar von der Opposition und auch von manchen Unternehmensverbänden, die leider nur Partikularinteressen im Blick haben. ({13}) Noch ein Wort zur Netzstabilität. In einem Industrieland wie Deutschland ist die Netzstabilität ein ganz hohes Gut. Es gibt den sogenannten Nichtverfügbarkeitswert. Er liegt in Deutschland bei 14,63 Minuten. Das heißt, eine Unterbrechung der Stromversorgung bei Kunden dauert im Durchschnitt in Deutschland lediglich 14,63 Minuten. Wir wollen, dass dieser weltweite Spitzenwert gehalten wird. Wir wollen zum Beispiel keine kalifornischen Verhältnisse, wo der Strom einmal für volle drei Tage weg war. Wir wollen auch nicht, dass der Strom, wie es in Brasilien einmal der Fall war, für 2 Stunden oder, wie in Italien, für 18 Stunden weg war. Deshalb müssen wir die Photovoltaikindustrie, die Installateure von Photovoltaikanlagen ertüchtigen. Auch diejenigen, die Photovoltaikmodule nutzen, müssen sich ihrer Verantwortung, zur Netzstabilität beizutragen, bewusst sein. Vor diesem Hintergrund gehen wir im Gesetz auch auf die 50,2-Hertz-Problematik ein; denn das hohe Gut der Netzstabilität ist etwas, was wir für Deutschland erhalten wollen. ({14}) Meine Damen und Herren, ich glaube ganz fest an die Zukunft der Solarindustrie, auch hier in Deutschland. ({15}) Wir wollen ein Solarstandort sein. Wir wollen diese Industrie hier halten. Wir wollen bis 2020 mindestens 35 Prozent des deutschen Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen decken. Die Solarförderung, die Solarindustrie, die PV wird hier einen großen Beitrag leisten und eine tragende Rolle einnehmen. Aber überhitzte Expansion ist nicht gut. Die Überhitzung, die wir in den vergangenen Jahren trotz Anpassungen immer wieder erlebt haben, schadet sowohl dem deutschen Markt als auch unseren Unternehmen. Deutschland ist momentan einer der größten Solarmärkte weltweit. Aber gleichzeitig müssen wir die Solarindustrie auf einen verträglichen Pfad führen. Auch das wollen wir mit unserem Gesetz garantieren. ({16}) Wichtig für die Unternehmen ist, dass es jetzt keine lange Hängepartie gibt. Zur Wahrheit gehört auch: Mit den Produzenten war schon beim letzten Mal verabredet, dass es dann, wenn wir wieder deutlich über 7 000 Megawatt kommen, erneut eine Korrektur geben wird. Insofern kann keiner ernsthaft verunsichert oder überrascht sein über die Korrektur, die wir jetzt vornehmen. Es gilt also: Wenn wir jetzt schnell Klarheit schaffen, schaffen wir Ruhe im Markt und schaffen Sicherheit für Verbraucher und Installateure. ({17})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Ulrich Kelber für die SPD-Fraktion. ({0})

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die erneuerbaren Energien in Deutschland sind eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Seit der Jahrtausendwende sind 380 000 neue Jobs geschaffen worden, die Emission von Treibhausgasen ist um 150 Millionen Tonnen jährlich gesunken. Wir haben endlich wieder Wettbewerb im Energiemarkt. Wir haben an der Strombörse übrigens niedrigere Preise, wir haben rapide sinkende Kosten für jede Kilowattstunde Ökostrom, und jährlich sind mehr als 30 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen ausgelöst worden. Für all das war das ErneuerbareEnergien-Gesetz, das im Jahr 2000 in Kraft getreten ist, die Grundlage. Die SPD ist stolz auf diese Erfolgsgeschichte. ({0}) Rund 70 Staaten haben weltweit das ErneuerbareEnergien-Gesetz kopiert. Das ist nicht vielen deutschen Gesetzen vergönnt. 2000 und 2004 ist dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz in diesem Parlament durchgesetzt worden - durchgesetzt gegen CDU/CSU und FDP, gegen die Stimme von Angela Merkel, gegen die Stimme von Norbert Röttgen, gegen die Stimme von Katherina Reiche. Heute wird ein Gesetz vorgelegt, das ein Angriff auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist. Es ist erstens ein Angriff auf die Verlässlichkeit, weil in Zukunft die Rahmenbedingungen sehr schnell mit Kabinettsentscheidungen verändert werden können. Zweitens ist es ein Angriff auf den schnellen Ausbau, den schnellen Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien. ({1}) Ich will das nur an einem Beispiel darstellen: Die Regierung hat vor zwei Monaten bei der Netzplanung gesagt, sie wolle 54 Gigawatt Photovoltaik in Deutschland, 54 Gigawatt Solarstrom. Jetzt sollen es mehr als 10 Gigawatt weniger sein. Zum Vergleich: Das ist die Leistung der noch am Netz verbliebenen Atomkraftwerke. ({2}) Die wollen Sie weniger an Solarstrom in Deutschland haben. ({3}) Wir haben gestern im Bundestag über die Gefährdung der Energiewende durch die schwarz-gelbe Bundesregierung gesprochen, weil sie die Energiewende nur aus Wahltaktik akzeptieren musste, aber nicht wirklich überzeugt ist. Wer keine Überzeugung hat, der hat auch keinen Plan. Unsichere Investitionsbedingungen, mangelnder Netzausbau, hü und hott bei den Förderprogrammen und die Kreuzzüge gegen Solarenergie treffen vor allem die erneuerbaren Energien. Ich nenne ein Beispiel: Das Förderprogramm für erneuerbare Energien im Wärmesektor wurde erst gekürzt, dann gestoppt, dann wieder aufgelegt, dann erweitert, jetzt wieder gestoppt. In nur zwei Jahren gab es sechsmal ein Hin und Her bei einem der relevantesten Förderprogramme für unser Handwerk. Wer soll in diesem Chaos von Schwarz-Gelb noch investieren? ({4}) Es geht nicht nur um die Höhe der Vergütung. Immer häufiger können Windenergieanlagen nicht produzieren, weil der Netzausbau nicht vorankommt, weil SchwarzGelb Pilotprojekte für Erdverkabelungen, Hochtemperaturleitungen, Stromautobahnen und andere neue Technologien verweigert. ({5}) Die Technologieförderung wird zusammengestrichen. Wo ist die Speicherstrategie der Regierung? Wo ist die Unterstützung für Kombinationskraftwerke aus verschiedenen erneuerbaren Energien, die punktgenau Strom liefern sollen? Stattdessen erstickt Schwarz-Gelb die erneuerbaren Energien auch durch Bürokratie und Verbote. Ein Beispiel: Das neue Luftverkehrsgesetz wird für jeden Luftlandeplatz ein 50 Quadratkilometer großes Gebiet definieren, in dem Windenergieanlagen nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen errichtet werden können. Das sind 25 000 Quadratkilometer zusätzliche Erschwerungsfläche, mehr als die Fläche von Rheinland-Pfalz. ({6}) Die SPD lehnt den Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundestag und im Bundesrat ab. ({7}) So wird und so darf er keine Mehrheit bekommen. Es ist ein durchsichtiger Angriff auf die erneuerbaren Energien. ({8}) Das wird auch durch kosmetische Veränderungen gegenüber den ersten Entwürfen der Regierung nicht besser. ({9}) Die verschlechterten Bedingungen für erneuerbare Energien sollen nun in drei Wochen in Kraft treten, statt, wie zunächst vorgesehen, heute. Das haben die schwarz-gelben Fraktionen angekündigt. Die vorgesehene Entmachtung des Parlaments durch Kabinettsbeschlüsse wird nun minimal eingeschränkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP: Man kann sich auch selbst zum Affen machen. ({10}) Diese Korrekturen sind weniger als gar nichts! Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an den CDU-regierten Ländern: Die lehnen das ab und wollen gegen die Inhalte dieses Entwurfs kämpfen. Das erwarte ich auch von den Fraktionen von Schwarz und Gelb. In Zukunft soll das Kabinett bei allen erneuerbaren Energien die Vergütung und die Menge des zu vergütenden Stroms innerhalb weniger Tage kappen können. ({11}) Bei den Nichtsolarenergien soll der Bundestag dann noch zustimmen. Bislang hat das der Deutsche Bundestag in einem transparenten Verfahren gemacht. Diese Entmachtung des Parlaments, diese zu befürchtenden kurzfristigen Verschlechterungen greifen die Verlässlichkeit des Erneuerbare-Energien-Gesetzes an. Aber erst die Verlässlichkeit der Förderung erneuerbarer Energien hat die Erfolgsgeschichte möglich gemacht. Die neue Regelung wird für höhere Risikozinsen, weniger Investitionen und weniger Erneuerbare sorgen. Das lehnt die SPD ab. Schwarz-Gelb hat angekündigt, den Zubau von Solarenergie in Deutschland bis 2017 auf maximal 1,5 Gigawatt pro Jahr absenken zu wollen; das heißt 80 Prozent weniger als 2011, die Hälfte weniger als nach den bisherigen Zielen. Pardon, aber wie dumm ist das eigentlich, genau dann, wenn etwas billiger wird, in das man viel investiert hat - und Deutschland hat viel in das Billigerwerden der Solarindustrie investiert -, ({12}) wenn man sozusagen die Ernte einfahren könnte, den Ausbau zurückzufahren? ({13}) Welcher Bauer käme denn auf die Idee, in dem Augenblick, wenn das teure Saatgut Wurzeln geschlagen hat und die Ernte der Früchte zum Greifen nahe ist, das Feld abzubrennen? Niemand käme auf diese Idee. ({14}) Nein, die SPD will beim Ausbauziel von wenigstens 3,5 Gigawatt Solarenergie pro Jahr bleiben, damit die Solarenergie allein alle zwei Jahre ein Atomkraftwerk ersetzen kann. Wir wollen die Solarmodule endlich auch auf den Dächern der Mietshäuser sehen, ({15}) damit der Eigenverbrauch zu niedrigeren Stromkosten für die Mieterinnen und Mieter führt. Diese könnten diesen Strom heute bereits für 15 oder 16 Cent bekommen statt zum Preis von 25 Cent, zu dem ihn die Energiekonzerne an die Mieterinnen und Mieter verkaufen. Wir wollen, dass alle profitieren können. ({16}) Deswegen muss Solarstrom natürlich weiterhin jedes Jahr billiger werden, und zwar mit einer festen monatlichen Rate, die einmal pro Quartal angepasst werden muss, wenn deutlich mehr als die 3,5 Gigawatt zugebaut wurden. An dieser Stelle unterstützen wir die bestehende Gesetzeslage. ({17}) Wir wollen die Vergütung weiter senken; 30 Prozent wären es 2012 ohnehin gewesen. Ein maßvoller zusätzlicher Schritt erscheint möglich. ({18}) Aber wir sollten die Vergütung nur so weit senken, dass jemand, der ein Modul unter marktwirtschaftlichen Bedingungen produziert, dies auch zu einem angemessenen Preis verkaufen kann. Schwarz-Gelb will die Vergütung jedoch so weit absenken, dass nur noch hochsubventionierte Module aus China auf dem deutschen Markt eine Chance haben. ({19}) China hat zweifelsohne technologisch aufgeholt. Aber wir wissen doch auch, dass der Staat, die Provinzregierungen und die Volksarmee die Solarfirmen subventionieren. Schwarz-Gelb akzeptiert die unfairen Dumpingpreise aus China. In Vieraugengesprächen wird gesagt: Das ist halt so; da kann man nichts machen. Nein! Staatlich ausgeglichene Verluste für chinesische Solarfirmen, subventioniertes Siliziumdioxid, subventioniertes Glas, subventionierte Energie, großzügige Kreditlinien - das ist kein fairer Wettbewerb. ({20}) Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland können erwarten, dass eine Bundesregierung einem solchen Dumping aus dem Ausland entgegentritt und nicht tatenlos zusieht. ({21}) Die SPD wird diese Zukunftstechnologien nicht aufgeben. Wir erwarten eine Antidumpingstrategie des Bundeswirtschaftsministers. ({22}) Die Menschen müssen sich darauf verlassen können - in den Hochburgen, in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg. ({23}) Das gilt aber auch für Handwerker und Zulieferer aus der ganzen Republik. Die schwarz-gelben Pläne bedeuten einen Zusammenbruch der deutschen Solarzellen- und Solarmodulefertigung. ({24}) Ich darf noch einmal - wenn Sie mir nicht glauben - das Bundesumweltministerium zitieren, Frau Staatssekretärin Reiche. Damit Sie es finden: Es geht um Ihre Pressemitteilung 145/11 vom Ende letzten Jahres. Zum 1.1.2012 wird die PV-Vergütung nochmals um 15 Prozent abgesenkt. Das EEG 2012 sieht zudem vor, dass auch zum 1.7.2012 ein weiterer Absenkungsschritt erfolgt … Dies stellt die deutschen Unternehmen nochmals vor eine große Herausforderung … Viele deutsche Unternehmen schreiben bereits derzeit Verluste. Wir wollen die Photovoltaikindustrie aber nicht abwürgen … Es ist … gelungen, eine Lösung zu finden, die die Kosten deutlich reduziert, marktwirtschaftliche Anreize erhöht und gleichzeitig Planungssicherheit gewährleistet. Jetzt muss das neue Gesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft tritt, erst einmal wirken. Das war die Meinung Ihres Ministers vor dreieinhalb Monaten, Frau Reiche. Das hat überhaupt nicht zu Ihrer heutigen Rede gepasst. ({25}) Wir haben die große Chance, aus 380 000 Jobs in den nächsten Jahren 750 000 Jobs zu machen. Mit SchwarzGelb drohen jetzt weitere Insolvenzen und Arbeitslosigkeit. Wir wollen die Energieversorgung zu 100 Prozent in Richtung der Erneuerbaren transformieren. SchwarzGelb will die Erneuerbaren den Spielregeln der Energiekonzerne unterwerfen, der Versorgung mit Großkraftwerken; sie sollen nur die Lücke füllen. ({26}) Nicht wenige bei Schwarz-Gelb wollen doch in Wirklichkeit das Scheitern der Energiewende, damit die Atomkraftwerke nach 2022 weiterlaufen können. Sie hätten nur die Interviews der letzten Tage lesen oder gestern Herrn Paul in diesem Parlament hören müssen. ({27}) Wir, die SPD, stellen uns diesen Plänen entgegen. Wir wissen uns in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis. Zu diesem Bündnis gehören auch von CDU und CSU regierte Bundesländer. Jetzt fordern wir diesen Mut, den die Ministerpräsidenten der Bundesländer gezeigt haben, als sie in den letzten Tagen gesagt haben: „Wir stimmen diesem Entwurf der schwarz-gelben Bundesregierung nicht zu“, auch von den Freunden der Erneuerbaren in den Fraktionen von CDU/CSU und FDP ein. Heute bringt die Bundesregierung ihr Anti-Erneuerbare-Energien-Gesetz ein. Wir werden es in den Ausschüssen und in der Anhörung zerpflücken. ({28}) Ende März wird hier die Endabstimmung stattfinden. Die SPD wird namentliche Abstimmung beantragen, damit jeder in den Wahlkreisen weiß, wo sein Abgeordne19728 ter oder seine Abgeordnete in dieser wichtigen Frage steht. Vielen Dank. ({29})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Michael Kauch für die FDP-Fraktion. ({0})

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kelber hat gerade wieder gezeigt, wer hier in diesem Haus der größte Lobbyist für eine bestimmte Branche ist. ({0}) Die SPD-Fraktion kann hier aus meiner Sicht nicht guten Gewissens mit solchen Argumenten antreten. ({1}) Eine Partei, die darauf ausgerichtet war, die kleinen Leute in diesem Land zu vertreten, ist inzwischen hier im Deutschen Bundestag offensichtlich die Partei, die auf Kosten der alleinerziehenden Kassiererin im Supermarkt ({2}) die Umverteilung von unten nach oben propagiert, nämlich zugunsten der Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer. Das war der Inhalt der Rede von Herrn Kelber hier im Deutschen Bundestag. ({3}) Ich kann nur sagen: Sie sollten sich einmal Ihre eigene nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin zum Vorbild nehmen. ({4}) Sie sagt nämlich erstens: Wir müssen unsere industriellen Kerne erhalten, damit wir wettbewerbsfähig bleiben. Zweitens sagt sie: Bei der Photovoltaik muss man mit der Vergütung runter. - Das ist die Zweigesichtigkeit der SPD: hier im Deutschen Bundestag Solarlobby, in Nordrhein-Westfalen Anwalt der kleinen Leute. Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren! ({5}) Im Jahr 2011 war der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion so groß wie nie: Etwa 21 Prozent unseres Stroms stammen aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Mit dieser schnellen Entwicklung werden wir es schaffen, unser Ziel, bis 2020 den Anteil des Ökostroms auf mindestens 35 Prozent zu heben, voraussichtlich weit schneller zu erreichen, als wir noch vor kurzem gedacht haben. Und man sieht: Es ist die Politik von Union und FDP, die Politik dieser Koalition, die wirkt. Das ist die Politik für eine schnellere Energiewende, die wir nicht nur beschlossen haben, sondern die wir auch durchsetzen. Das beweisen die Zahlen ganz eindeutig, meine Damen und Herren! ({6}) Aber man muss auch ehrlich bleiben. Nur jede sechste Kilowattstunde Ökostrom stammt aus der Solarenergie, und wer wie Herr Kelber hier so tut, als würde die Frage der Solarvergütung darüber entscheiden, ob die erneuerbaren Energien in Deutschland erfolgreich sind, der verzerrt die Wirklichkeit. Wir haben es hier mit einem Marktsegment der erneuerbaren Energien zu tun, und das ist nicht einmal das größte. Es sind die Windkraft und Biogas, die das Rückgrat des Ökostroms in Deutschland sind. ({7}) Allerdings - das sage ich auch sehr deutlich - ist die Solarenergie ein Marktsegment mit weltweit großen Marktchancen in der Zukunft, und trotz der asiatischen Konkurrenz haben wir immer noch die Technologieführerschaft inne. Deshalb, meine Damen und Herren, steht die FDP zur Solarenergie. Wir wollen allerdings einen nachhaltigen Ausbau und keine Überhitzung des Marktes, wie wir es in der Vergangenheit erlebt haben. Das halten die Verteilnetze nicht aus, und das ist auch für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Form nicht bezahlbar. ({8}) Man sollte sich auch hier einmal die Ausbauzahlen anschauen. Im Jahr 2010 und im Jahr 2011 hat die Solarindustrie die gesetzlichen Ausbauziele um mehr als das Doppelte überschritten. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die schwarz-gelben Ausbauziele fast doppelt so hoch sind wie die unter dem ehemaligen SPDUmweltminister Sigmar Gabriel, ({9}) könnte man davon reden, dass die Ausbaurate in den letzten beiden Jahren viermal höher war als die Rate, die Sigmar Gabriel wollte. Die SPD, die uns an dieser Stelle vorwirft, wir würden die Solarindustrie nicht genug fördern, müsste sich eigentlich selber fragen, was sie in ihrer Regierungszeit getan hat. Schließlich wollte sie nur ein Viertel dessen, was allein im letzten Jahr erreicht wurde. ({10}) Es ist ein Erfolg dieser Bundesregierung, dass wir die Förderung seit unserem Regierungsantritt in etwa halMichael Kauch biert haben, ohne dass der Ausbau zusammengebrochen wäre. Das Gegenteil ist passiert. Bei jeder Kürzungsrunde standen jedoch die Demonstranten da und haben gesagt, die Solarindustrie bricht zusammen. Jedes Mal haben Sie das Lied vom Tod der Solarbranche gesungen, ({11}) aber jedes Mal ist das Gegenteil eingetreten, und so wird es auch dieses Mal sein, meine Damen und Herren. ({12}) Die Anlagenpreise sinken immer weiter, und wenn die Anlagenpreise immer weiter sinken - und das ist ein Erfolg des technischen Fortschritts -, dann müssen diese sinkenden Preise auch an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden. Denn sonst machen sich Investoren die Taschen voll. ({13}) Wir wollen nicht, dass zweistellige Renditen der Eigenheimbesitzer von normalen Stromkunden, von normalen Familien finanziert werden. ({14}) Das ist auch eine soziale Frage, um die wir uns hier zu kümmern haben, meine Damen und Herren! ({15}) Wenn Sie, Herr Kelber, hier die Rechnung aufmachen: ({16}) „Mehr Vergütung heißt mehr deutsche Module“, dann zeigt das nur, dass Sie den Markt nicht verstanden haben. ({17}) Auch bei der jetzigen Vergütungshöhe guckt sich der Hausbesitzer doch an, welches Modul gut und günstig ist. ({18}) Leider muss man sagen, dass die Chinesen nicht mehr schlechter als die Deutschen sind. Wenn sie dann auch noch billig werden, dann kaufen die Leute die chinesischen Module, und zwar unabhängig von der Vergütungshöhe. Deshalb müssen sich die deutschen Hersteller die Frage stellen, ({19}) warum sie in den letzten Jahren im Verhältnis zum Umsatz weniger für die Forschung ausgegeben haben als der Durchschnitt der deutschen Industrie. ({20}) Wer nicht forscht, kann auch nicht besser werden, meine Damen und Herren! ({21}) Deshalb müssen wir bei der Forschung ansetzen, wenn wir die deutschen Hersteller wieder für den Weltmarkt fitmachen wollen. ({22}) Zu dem Gerede von Herrn Kelber, man müsse jetzt gegen das Dumping aus China vorgehen: ({23}) Dafür ist die Europäische Kommission zuständig, und die Europäische Kommission hat dazu ein Verfahren eingeleitet. ({24}) Aber es ist der Europäischen Kommission bisher nicht gelungen, nachzuweisen, dass es Dumping gibt. ({25}) Wir haben einen WTO-Vertrag, und insofern muss man Beweise bringen und darf nicht nur Behauptungen aufstellen. Sie als Opposition machen es sich hier ganz schön leicht, Herr Kelber. ({26}) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat eine Formulierungshilfe gegeben. Die Fraktionen haben diese Formulierungshilfe abgeändert. Wir haben den Gesetzentwurf, den wir heute in den Bundestag einbringen, nicht eins zu eins von der Bundesregierung übernommen. ({27}) Den Fraktionen war es wichtig, dass in unserem Land Vertrauensschutz besteht. Wir sichern den Vertrauensschutz für mittelständische Unternehmen. Wir sichern Vertrauensschutz für durchgeführte Investitionen. Deshalb haben wir die Übergangsfristen für Dachanlagen und Freiflächenanlagen verlängert. Das ist ein Erfolg für die Koalitionsfraktionen hier im Deutschen Bundestag. ({28}) Wir können das Spiel mit den Übergangsfristen allerdings nicht immer weitertreiben; denn wer die Fristen immer weiter nach hinten schiebt, wird einen Schlussverkaufseffekt auslösen. Das würde dazu führen, dass mehr Anlagen hoch gefördert würden als ohne die geplante Gesetzesänderung. ({29}) Klar muss sein: Wir haben die Regelungen mit Blick auf den Vertrauensschutz geändert, aber wir als FDP-Fraktion werden einem weiteren Hinausschieben über den 1. April hinaus nicht zustimmen. ({30})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir haben auch die Verordnungsermächtigungen, die sich die Bundesregierung zubilligen wollte, im Interesse der Parlamentsrechte eingeschränkt. ({0}) Wir als FDP wollen im weiteren Verfahren eine automatische Anpassung, den sogenannten atmenden Deckel. Wenn die Ausbauziele überschritten werden, soll künftig die Anpassung automatisch erfolgen, damit wir nicht ständig neue Verordnungen der Bundesregierung brauchen. Vielen Dank. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeiten, in denen Investitionen in Solarstrom teuer waren, sind vorbei. Seit 2008 sind die Mittel für die Förderung von Solarstrom halbiert worden, und zwar auf gesetzlicher Grundlage. Aber das genügt Ihnen nicht. Selbst im Jahre 2012 wäre die Förderung nach der derzeit bestehenden gesetzlichen Grundlage noch einmal um 30 Prozent reduziert worden. Aber das reicht Ihnen immer noch nicht, Sie wollen noch drastischer reduzieren. Warum reicht Ihnen das eigentlich nicht? Die Solaranlagen jetzt auszubremsen, so wie Sie das vorhaben, bedeutet nichts anderes, als im Interesse der fossil-nuklearen Energiewirtschaft zu handeln. Das ist gesellschaftspolitischer Irrsinn. ({0}) Für die zusätzliche Kürzung von 10 bis 18 Prozent im Jahr 2012 können Sie keine triftigen Gründe anführen. Das Ziel der Bundesregierung ist meines Erachtens die Blockade der Energiewende, ({1}) wobei es nicht nur um die Kürzung der Förderhöhe, sondern auch um eine radikale Absenkung des Neubaus von Solaranlagen geht. Es steht ausdrücklich im Gesetzentwurf: Der Zubaukorridor soll drastisch heruntergefahren werden. Geht es nach der Regierung, soll in fünf Jahren nur noch ein Viertel der Solaranlagen im Vergleich zum heutigen Stand gebaut werden. Warum? ({2}) Ich werde es Ihnen erklären. Die höhere Mathematik der Bundesregierung lautet wie folgt: Um die Energiewende voranzuträumen - Entschuldigung: voranzutreiben -, also auf Strom aus Atom und Kohle zu verzichten, reduzieren Sie das Wachstum der Solarenergie. ({3}) Sie müssen einmal erklären, wie das funktionieren soll. Das verstehe, wer will. Ihr eingebrachter Gesetzentwurf ist nichts anderes als ein Solarausstiegsgesetz, und genau das muss verhindert werden. ({4}) Die künftigen Kürzungen des Förderumfangs wollen Sie auf dem Verordnungswege regeln. Ich sage Ihnen: Damit entmachtet sich der Bundestag schon wieder selbst. Das ist doch keine Variante! Warum soll nicht der Bundestag darüber beschließen? Aus einem ganz einfachen Grunde wollen Sie das: Sie wollen keine öffentliche Diskussion darüber führen. Sie wollen das schnell auf dem Verordnungswege regeln, aber genau das können wir nicht zulassen. Das ist ein Abbau von Demokratie. ({5}) Sie wollen beim Abbau der Förderung eine Verkürzung erreichen. Man muss sich einmal vor Augen führen, wie Sie vorgegangen sind: Am 29. Februar tagte Ihr Kabinett - schade, dass wir ein Schaltjahr haben, sonst wäre das vielleicht ausgefallen -, ({6}) heute wollten Sie eigentlich abschließend darüber beraten, und am 9. März sollte es schon in Kraft treten. Nun haben Sie sich auf eine „gewaltige“ Verzögerung eingelassen und die Kürzung auf den 1. April verlegt. Wie schnell soll das denn noch gehen? Wollen Sie Ihre VorDr. Gregor Gysi haben künftig innerhalb von 24 Stunden durchwinken? Das, was Sie diesbezüglich hier anstellen, ist absolut verantwortungslos. ({7}) Schauen wir uns doch einmal die Folgen an - Sie sagen, dass Sie das Ganze fördern, dabei vernebeln Sie hier alles -: Die Bestellungen werden storniert; Bankkredite sind schon widerrufen worden - alles wegen Ihrer Gesetzesinitiative. Es wird gesagt: Die Bedingungen stimmen ja gar nicht mehr; wir haben uns auf ein anderes Gesetz verlassen. - Das kann man nicht machen. Es muss immer eine gewisse Rechtssicherheit geben. ({8}) Man hat einer ganzen Branche ein Gesetz vorgelegt und gesagt: Die Förderung sieht so und so aus, sie ist degressiv, sie nimmt von Jahr zu Jahr ab, aber darauf könnt ihr euch einstellen. - Wenn Sie aber als Gesetzgeber das Ganze innerhalb einer Woche umdrehen, dann bringen Sie damit die ganze Branche durcheinander, und zwar die Unternehmerin und den Unternehmer genauso wie die abhängig Beschäftigten. Genau dagegen richtet sich unsere Kritik. ({9}) In den letzten Monaten gab es doch schon genügend Krisenmeldungen - ich möchte daran erinnern -: Das Berliner Unternehmen Solon meldete genauso wie das Erlanger Unternehmen Solar Millennium im Dezember Insolvenz an. Im Januar stellte First Solar für seine Produktionsstätten in Frankfurt/Oder einen Antrag auf Kurzarbeit. Schott Solar stellt die Produktion sogenannter Solar Wafer in Jena ein. Es gibt keine Planungssicherheit. Und was machen Sie jetzt? Jetzt schaffen Sie das, worauf sich die Unternehmen noch verlassen konnten, auch noch ab. Was soll denn jetzt passieren? Wie viele Unternehmen wollen Sie denn noch in die Insolvenz schicken? Sie müssen doch den umgekehrten Weg gehen. ({10}) Ich nehme als Beispiel das sogenannte Solar Valley. Das hat den Menschen in der Region Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt endlich wieder eine Chance gegeben. 3 000 Arbeitsplätze sind in einer Region entstanden, die nach 1990 deindustrialisiert worden ist. Wenn Sie das, was Sie vorhaben, durchziehen, deindustrialisieren Sie die Region erneut. Ich halte das für völlig verantwortungslos. Der Osten verträgt keine zweite Deindustrialisierung, wirklich nicht. ({11}) Ich hoffe auf die Bundesländer. Ich möchte sehen, wie viel Kreuz alle neuen Bundesländer haben. Sie müssten im Bundesrat geschlossen eine Initiative dagegen ergreifen. Da auch Herr Seehofer immer sagt, dass er dagegen ist - ich weiß gar nicht, wie sich die CSU hier dazu verhält; das ist mir auch wurscht -, müsste er ebenfalls eine entsprechende Initiative ergreifen. Leider ist es ja kein zustimmungspflichtiges Gesicht - ich meine natürlich: Gesetz -, aber der Bundesrat könnte zumindest Einspruch erheben. ({12}) - Das, was ich gerade versehentlich gesagt habe, stimmt übrigens auch, aber ich weiß, dass es darum jetzt nicht geht. Noch einmal: Wenn der Bundesrat Einspruch erhebt, dann müsste dieser mit absoluter Mehrheit hier zurückgewiesen werden; es sei denn, wir erreichen ein besseres Ergebnis - es muss wirklich ein vernünftiges Ergebnis sein - im Vermittlungsausschuss. Doch daran kann ich noch nicht glauben, weil Ihre Zielstellung abenteuerlich ist. Ich weiß nicht, wie man diesbezüglich eine Verständigung erzielen will. Was brauchen wir also? Wir brauchen eigentlich ein Förderprogramm für die Solarenergiebranche. ({13}) Sie müssten den Unternehmen zinsgünstige Kredite zur Verfügung stellen und damit zwei Ziele verfolgen: ein soziales und ein inhaltliches. Das inhaltliche Ziel müsste so lauten: Die Kredite werden verwendet, um Forschung und Entwicklung voranzutreiben, und zwar richtig. ({14}) Die zweite Bedingung, die ich daran knüpfen würde, wäre: keine prekäre Beschäftigung. ({15}) Es gibt Unternehmen, die bis zu 20 Prozent Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter beschäftigen. Das wollen wir nicht. Wenn Sie diese Ziele damit verbinden würden, würden Sie der Industrie wirklich helfen und dabei auch noch die soziale Komponente berücksichtigen. Nehmen wir noch einmal das Jahr 2011: Acht Atomkraftwerke sind abgeschaltet worden. Sie haben gesagt: Das führt zu einer Stromkatastrophe. Wir sind aber Nettostromexporteur geblieben. Das ist die Wahrheit. ({16}) Natürlich gab es gewisse Probleme mit der Stabilität von Stromnetzen, aber das lag daran, dass Stromhändler die Börse wieder einmal zum Kasino gemacht haben und dort gespielt und gezockt haben. Gerade wegen der Sicherheit der Stromversorgung finde ich das alles abenteuerlich. Ich muss Ihnen das noch einmal sagen: Wir müssen das Kasino an der Börse schließen. In einem wirklichen Spielkasino gibt es strenge Regeln: Abhängige dürfen da gar nicht hin; am Eingang muss man seinen Pass vorlegen. Aber an der Börse kann jeder machen, was er will. ({17}) Uns wurde erzählt, dass die großen Unternehmen alle kurz vor der Pleite stünden und, wenn man ihnen nicht ungeheuer helfen würde, lauter Katastrophen passieren würden. RWE hat am Dienstag, am 6. März 2012, bekannt gegeben, dass sie ein wahnsinnig schlechtes Jahr hatten. Sie hatten nur einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro. Mir kommen da nicht die Tränen, muss ich ehrlich sagen. Von solchen Gewinnen können andere Branchen nur träumen. Was machen Sie? Ich habe mir das einmal angeschaut; das ist sehr spannend. Sie fördern jetzt kapitalintensive Anlagetypen wie Offshorewindparks in der Nordsee - künftig auch in der Ostsee - und Biogasanlagen. Ich habe nichts dagegen, das Problem ist nur: Warum fördern Sie dies und nicht mehr die Solarenergie? Es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken. Kennen Sie den Grund? Die vier Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW investieren in Offshorewindparks und Biogasanlagen und nicht in die Solarenergie. ({18}) Das muss man sich einmal vorstellen. Sie verschieben die Förderung hin zu den vier großen Konzernen und sagen den kleinen und mittelständischen Unternehmen im Bereich der Solarenergie: Für euch ist Schluss. - Das macht die FDP mit! ({19}) Mein Gott, Sie haben sich doch einmal als Mittelstandspartei gegründet, und jetzt machen Sie den Mittelstand tot. Nun müssen wir als Linke uns auch noch um den Mittelstand kümmern, weil Sie es nicht tun. Das ist wirklich abenteuerlich. ({20}) - Sie haben völlig recht. Natürlich gefalle ich Ihnen in einem Kindergarten besser. Das liegt daran, dass ich mit Kindern gut umgehen kann. Gestern im Kindergarten habe ich eines festgestellt: Kinder unterscheiden sich von vielen hier im Saal. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Kinder sind ehrlich, Kinder sind aufrichtig, Kinder sind sehr konzentriert, und außerdem sind sie niedlich. Das kann man von vielen hier wirklich nicht behaupten. ({21}) Wir sollten übrigens gemeinsam dafür kämpfen, dass die Erzieherinnen endlich anständig bezahlt werden. Sie leisten eine wichtige Arbeit. ({22}) Zurück zum Thema. Es gibt noch einen interessanten Punkt. Sie hatten, als Sie die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert haben, hinsichtlich der erneuerbaren Energien ein Ziel ausgegeben: Im Jahre 2020 sollen 35 Prozent der Stromversorgung durch erneuerbare Energien erfolgen. Jetzt haben Sie gesagt: Schluss mit Atomkraftwerken. Interessanterweise haben Sie aber Ihre Zielmarke hinsichtlich der erneuerbaren Energien nicht erhöht. Sie haben nicht gesagt: Dann brauchen wir nicht mehr 35 Prozent, sondern 45 oder vielleicht 50 Prozent. Sie sind bei 35 Prozent geblieben, schalten aber Atomkraftwerke ab. Wer soll die Lücke schließen? Das ist ganz klar: die fossilen Kraftwerke. Sie setzen wieder auf Kohle. ({23}) Sie haben es nicht begriffen. Wir sind nicht mehr im 20. Jahrhundert und schon gar nicht im 19. Jahrhundert, wir sind im 21. Jahrhundert. Deshalb brauchen wir dringend die Wende hin zu erneuerbaren Energien. Dies ist im Interesse aller. ({24}) - Ja, das mache ich; das können wir beide zusammen machen. ({25}) Ich sage Ihnen: Mich stört, dass das Ganze wie aus einem Kinderbilderbuch von Karl Marx ist. Es gibt vier große Konzerne und Hunderte mittelständische Unternehmen. Was machen Union und FDP? Sie unterstützen die vier großen Konzerne immer mehr und lassen die mittelständischen Unternehmen über die Wupper gehen. Das ist ein Skandal. Tausende Beschäftigte sind davon betroffen. Deshalb werden wir solidarisch mit den Kolleginnen und Kollegen der Solarbranche dafür kämpfen, dass das, was Sie hier vorhaben, verhindert wird. ({26})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Hans-Josef Fell für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte zur Solarvergütung in der letzten Sitzungswoche hat Herr Minister Röttgen aus meiner Rede zitiert, die ich vor zwei Jahren zur EEG-Novelle gehalten hatte. Er warf mir vor, ich hätte vor Insolvenzen und Arbeitsplatzverlusten in der Solarindustrie gewarnt, die dann doch nicht eingetreten seien. Auch Frau Reiche hat heute wieder gesagt, der Solarwirtschaft gehe es blendend. Wo leben Sie denn, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb? Fabrikschließungen und Insolvenzen haben bereits jetzt ein schlimmes Ausmaß angenommen, lange bevor Ihre heute vorgelegte Gesetzesnovelle in Kraft ist. Produktionsstätten wurden schon geschlossen: in Alzenau SCHOTT Solar, Q-Cells in Thalheim und Conergy in Frankfurt an der Oder. Insolvent gegangen sind Gecko Group in Wetzlar, Solon in Berlin, Ralos in Michelstadt, Scheuten in Gelsenkirchen, SunConcept in Limburg und Systaic in Düsseldorf. Schlimmer noch: Der Ausverkauf deutscher Unternehmen an arabische und chinesische Firmen aus Verzweiflung vor drohenden Konkursen hat bereits begonnen. All das ist das Ergebnis Ihrer verfehlten Solarpolitik. ({0}) Diese schwarz-gelbe Bundesregierung trägt die Schuld am bereits erfolgten Verlust Tausender Arbeitsplätze in der deutschen Solarbranche. ({1}) - Ja, natürlich. - Das hat auch etwas mit der wachsenden Konkurrenz aus China zu tun. Die chinesische Regierung hat im Gegensatz zur Bundesregierung klar erkannt, dass die Photovoltaik einer der wichtigsten und größten Exportmärkte der nahen Zukunft sein wird und stützt daher strategisch den Ausbau der erneuerbaren Energien in China. ({2}) Doch was tut die Bundesregierung? Statt die heimische Solarindustrie im wachsenden internationalen Wettbewerb zu stützen, statt ein offensives Solarindustriekonzept vorzulegen, ({3}) legen Sie heute eine Gesetzesnovelle vor, welche die deutsche Solarwirtschaft noch weiter massiv unter Druck setzen wird. ({4}) Wir Grünen lehnen Ihren Gesetzentwurf ab. ({5}) Wir fordern Sie, die Abgeordneten von SchwarzGelb, auf: Korrigieren Sie diesen fatalen, verfehlten Gesetzentwurf der Bundesregierung! ({6}) Hören Sie wenigstens auf die Ministerpräsidenten der unionsregierten Länder vor allem im Osten Deutschlands, wo auch Sie, Frau Reiche, herkommen. ({7}) Diese fürchten eine zweite Deindustrialisierung im Osten. Das kann doch nicht unser Ziel sein! ({8}) Streichen Sie die Verordnungsermächtigungen zur Entmachtung von Bundestag und Bundesrat! Die Entscheidungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien gehören eben nicht in die Hand eines Wirtschaftsministers Rösler, der ausschließlich die Interessen der Kohleund Atomwirtschaft vertritt. ({9}) Wir hoffen, dass der Bundesrat seine eigene Entmachtung durch eine Zweidrittelmehrheit verhindern wird. Ja, auch wir Grünen sehen die Chancen einer gleichmäßigen Vergütungssenkung für die Photovoltaik, aktuell um noch einmal etwa 20 Prozent. ({10}) Das wäre als Reaktion auf die tollen Innovationserfolge der Solarindustrie angemessen. ({11}) Aber: Verhindern Sie die verheerenden Vorschläge der Bundesregierung, die in Teilsegmenten eine Senkung der Vergütung um 37 Prozent vorsehen! Das entspräche in nur einem Jahr einer Vergütungssenkung um über 50 Prozent. Das verträgt die Branche nicht. ({12}) - Ja. Die Insolvenzen sind ja da, wie ich Ihnen gerade vorgelesen habe, Herr Meierhofer. - Schaffen Sie lieber Investitionsanreize für die Netzintegration! Das wäre allemal besser, als den Zubau von Solarstromanlagen wegen fehlender Netzintegration einfach einzudämmen. ({13}) Auch sollten Sie einen Ausbaukorridor von etwa 5 Gigawatt jährlich anstreben. Ihr Ausbaupfad bis 2020 ist geringer als das, was schon heute von der Solarwirtschaft in Deutschland insgesamt installiert ist. Man muss sich Ihre verrückten Vorstellungen einmal vor Augen halten: Je billiger der Solarstrom wird, desto weniger wollen Sie zubauen. Was ist das für eine Industrie- und Energiepolitik? ({14}) Ein Jahr nach Fukushima wird uns immer klarer: Sie wollen die Energiewende gar nicht. Wer gestern die Rede von Herrn Paul gehört hat und wer gehört hat, was Herr Fuchs heute im Deutschlandfunk gesagt hat, ({15}) der weiß, dass Sie zur Laufzeitverlängerung zurückwollen und dass Sie nicht die Energiewende wollen. ({16}) Stoppen Sie, meine Damen und Herren von der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion, den Versuch, die Grundstruktur des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abzuschaffen, und streichen Sie die Regelungen mit der 90und 85-prozentigen Vergütungsdeckelung! ({17}) Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, hören Sie endlich auf, die erneuerbaren Energien für die Energiepreissteigerungen verantwortlich zu machen! ({18}) Solar- und Windstrom senken die Börsenstrompreise immer stärker. Ihre Hetze gegen die erneuerbaren Energien als Energiepreistreiber wird immer unerträglicher. ({19}) Es sind die steigenden Öl-, Gas- und Kohlepreise, die die Verbraucherinnen und Verbraucher belasten. Wenn Sie schon die genauen Gründe nicht wissen wollen, dann hören Sie sich wenigstens an, was Herr Großmann von RWE sagt. ({20}) Er hat bei der Darstellung des Unternehmensergebnisses zugegeben, dass sich aufgrund der steigenden Kohlepreise die Kosten erhöht und die Einnahmen vermindert hätten und dass ihm - hören Sie jetzt genau zu! - der billige Solarstrom die Einnahmen vermasselt und das Ergebnis verhagelt hätte. ({21}) Mit dieser Aussage wird uns immer klarer: In Wirklichkeit wollen Sie den Solarstrom zurückdrängen, weil Sie nur die Interessen von RWE und Co. im Blick haben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit Klimaund Verbraucherschutz, dann setzen Sie endlich konsequent auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Korrigieren Sie diese radikale Solargesetznovelle und nehmen Sie doch bitte dieses Mal unsere Warnungen vor weiteren Insolvenzen ernst! ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Georg Nüßlein für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Schon in der ersten Runde dieser Debatte erkennt man ganz deutlich, was man der breiten Öffentlichkeit suggerieren möchte: Hier sind die Protagonisten der Energiewende und dort die Gegner, ({0}) hier die Befürworter der erneuerbaren Energien und dort die Gegner. Die Welt ist aber nicht mehr ganz so einfach, wie Sie sie gern hätten, meine Damen und Herren. ({1}) Sie machen es sich als Opposition zu einfach. Gregor Gysi hat vorhin davon gesprochen, die Energiewende voranzuträumen. Das war ein entlarvender Versprecher, Herr Gysi. Voranträumen kann man in der Opposition. Als Regierung muss man jedoch etwas umsetzen. Das machen wir derzeit. ({2}) Ich hätte mir gewünscht, dass Sie bei dem, was wir hier vorhaben, an unserer Seite stehen und sagen: Jawohl, es entwickelt sich etwas positiv im Bereich der Solarenergie. - Herr Fell, die Absenkungspotenziale, die unbestreitbar gegeben sind, sind doch ein Beleg dafür, dass wir in absehbarer Zeit nicht nur in der Lage sind, genug Strom zu produzieren, sondern vor allem auch Strom zu vernünftigen Kosten zu produzieren. Darum muss es doch gehen. ({3}) Ich weise darauf hin, dass Sie dafür verantwortlich sind, dass man zu früh und zu teuer mit der Solarenergie an den Markt gegangen ist. ({4}) - Hans-Josef Fell [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Unsinn!) Deshalb schleppen wir jetzt einen Kostenberg hinter uns her, der riskant ist mit Blick auf die Akzeptanz der erneuerbaren Energien in der Öffentlichkeit. Das muss man doch einmal sagen. Deshalb widmen wir uns diesem Thema. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz spielt die Solarenergie eine Sonderrolle. Lassen Sie mich noch etwas zum EEG ausführen. Sie können doch nicht einfach sagen: Da sitzen die Gegner des EEG. - Das ist falsch. Letztendlich steht doch eines klipp und klar fest: Das von Ihnen so viel gerühmte EEG fußt auf dem Stromeinspeisegesetz der Regierung Helmut Kohl. Das ist der Ursprung des Mechanismus dieses Gesetzes. ({5}) Es muss uns gelingen, das, was Sie im EEG im Bereich der Innovation zu Recht angestoßen haben, ({6}) wieder auf ein Maß zurückzuentwickeln, sodass wir letztendlich über das Stromeinspeisegesetz Folgendes sicherstellen können: Der Mittelständler und die Stadtwerke, die Strom produzieren, haben Zugang zu den Netzen, können ihren Strom einspeisen und bekommen dafür eine ordentliche Vergütung. Das muss aus unserer Sicht das Anliegen sein. Ich habe bereits erwähnt, dass die Solarenergie eine Sonderrolle spielt. Sie spielt deshalb eine Sonderrolle, weil bei ihr das Innovationspotenzial am größten ist und die Erfahrungskurve am steilsten verläuft. Genau deshalb sind wir gezwungen, laufend nachzusteuern und einzugreifen. Genau deshalb werden wir das in diesem Zusammenhang wieder tun. Das hat offenkundig aber nichts mit der Frage zu tun, wie sich die Solarmodulproduzenten in Ostdeutschland entwickeln. Es wurde vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass es in diesem Bereich ohnehin schon Schwierigkeiten gibt. Zu Recht kann man feststellen, dass beispielsweise die Halbleiterproduktion in Deutschland schrittweise in Richtung Asien verlagert wurde. Man kann darüber nachdenken, woran das liegt. Das mag natürlich auch damit zu tun haben, dass in Asien entsprechend subventioniert wird, was bei uns letztendlich nicht möglich ist. Dann muss man doch über andere Konzepte nachdenken, aber nicht über die Frage, wie man den Verbraucher noch mehr belasten kann, nur weil man größere Spielräume für Investoren schaffen will. Aber das wird nicht funktionieren, weil die Investoren immer ihren Gewinnanteil natürlich maximieren wollen und am Schluss dafür sorgen werden, dass die Rendite bei ihnen bleibt. Wenn man bei einer hohen Einspeisevergütung noch mehr Gewinn mit billigen Modulen machen kann, dann werden die billigen Module gekauft. ({7}) Deshalb muss man einmal darüber diskutieren, ob man mit der KfW nicht darüber reden sollte, dass das, was sie beispielsweise im Ausland finanziert, auch bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen muss. Diese Qualitätsanforderungen muss der deutsche Produzent natürlich ohnehin erfüllen. Das heißt, ihm bringt die Förderung nur etwas, wenn er qualitativ besser ist als die anderen. Alle, die in diesem Bereich schon lange tätig sind, müssen sich an die eigene Brust fassen und fragen, warum sich im Bereich der Forschung und Entwicklung nicht das getan hat, was wir uns alle vorgestellt haben. Kollege Fell, vielleicht lag das auch am EEG und an der Anfangskonstruktion, wodurch es denen anfangs zu gut ging. ({8}) - Entschuldigung, wir machen in Bezug auf das EEG jetzt erst einmal das, was notwendig ist: Wir führen Abschläge ein; denn die Anlagen müssen sich auch ohne hohe Förderung rentieren. Danach reden wir mit der KfW über die Frage, was die Finanzierungsbedingungen sind. Das ist doch eine ganz logische Geschichte. ({9}) Dabei muss man die WTO und die Tatsache im Blick haben, dass es hier Schranken gibt und dass man in einem Exportland wie Deutschland nicht einfach auf Local Content setzen kann. In Bezug auf die Finanzierung kann man aber vielleicht bestimmte Forderungen stellen. Es muss dann auch um die Frage gehen, was wir mit diesem Gesetzentwurf letztendlich verbessern. Ich bin fest davon überzeugt: Nicht nur die Situation des Verbrauchers, sondern auch die Situation derjenigen, die die Anlagen installieren, wird besser. Über eine permanente, langsame Reduzierung der Vergütungssätze schaffen wir es, den Schlussverkaufseffekt zu beseitigen, der ständig zu Fehlentscheidungen führt. Denn manche achten gar nicht mehr auf die Rendite, sondern investieren, weil sie meinen, dass es noch Geld für sie gibt, wenn sie die Anlage beispielsweise bis zum 31. Dezember auf dem Dach haben. Bei Schnee und Eis hetzen sie dann wie bei uns in Bayern die Handwerker aufs Dach, damit noch schnell eine Anlage installiert wird. Wir werden die Vergütung entsprechend abschwächen und dafür sorgen, dass sich Kontinuität entwickelt. ({10}) Es ist ein großer Erfolg, dass wir dafür gesorgt haben, dass derjenige, der Solarstrom produziert, ihn auch selber nutzt. Wir sind also nicht mehr in der perversen Situation, dass jemand Solarstrom produziert, ihn teuer einspeist und den billigen Strom vom Versorger kauft. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir alle sagen können: Das ist gut. Das ist ein Etappenziel, aber natürlich noch nicht das Ende. ({11}) Deshalb werden wir weiterhin kontinuierlich absenken. Das Problem der Übergangsfristen werden wir bald geklärt haben. Ich bitte um ein wenig Verständnis dafür, dass sich die Regierung hier das sehr ehrgeizige Ziel gesetzt hat, einen solchen Schlussverkauf, bei dem der eine oder andere probiert, vor Ende des Jahres schnell noch irgendetwas anzustoßen, zu vermeiden. Wir haben im parlamentarischen Verfahren dafür gesorgt, dass das schon jetzt ordentlich läuft und dass jeder, der Vorinvestitionen getätigt hat, diese auch umsetzen kann. ({12}) Das ist ein Gebot der Fairness, des Anstandes und der Planbarkeit. Auch an dieser Stelle sieht man ganz deutlich, dass wir hier absolut verlässlich sind. ({13}) Über die Themen „Atmender Deckel“ und „Ermächtigung der Regierung“ werden wir noch einmal offen diskutieren, auch unter dem Gesichtspunkt der Planbarkeit. Wir werden auch noch einmal darüber diskutieren, wie man, nachdem der Eigenverbrauchsbonus letztendlich nicht mehr trägt, mit einem Speicheranreiz dafür sorgen kann, dass sich die Technologie und die Netzintegration weiterentwickeln. Machen Sie sich also keine Sorgen. Wir haben fest im Blick, dass wir eine Energiewende voranbringen und eben nicht nur einseitig eine Branche subventionieren wollen. ({14}) Durch den Aufbau von Kapazitäten wollen wir die Versorgung verbessern, Herr Kelber. Das ist unser Anliegen, und das ist unsere Aufgabe als Regierung. Vielen herzlichen Dank. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat Dirk Becker für die SPD-Fraktion. ({0})

Dirk Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003736, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bevor ich mit der eigentlichen Rede beginne, möchte ich ein paar Punkte klarstellen, Frau Reiche. Ich finde es zwar schön, dass Sie sich mit dem Bauch meines Parteivorsitzenden auseinandersetzen, zumindest wenn es um den Ausbau der PV geht. Aber genau an dieser Stelle hat er keinen Bauch; Sie können ihm den Ausbau nicht in die Schuhe schieben. Denn ich erinnere an die Verhandlungen über die Zubauziele beim Thema PV in der Großen Koalition: Die Vergütungssätze sind wie bei allen anderen erneuerbaren Energien in einer Koalitionsrunde besprochen, verhandelt und beschlossen worden. ({0}) - Moment. - Wir haben stundenlang zusammengesessen und zum Thema PV Beschlüsse gefasst. Dann kam Herr Pfeiffer zu der Sitzung. Er konnte leider erst später kommen, weil er einen Interviewtermin bei Phoenix hatte. Er kam in den Saal und sagte: Ich bin mit der Einigung nicht einverstanden und möchte, dass nachverhandelt wird. - Dazu hat sich die CDU/CSU zu Wort gemeldet und gesagt, das sei in der Fraktion nicht abgestimmt; die CSU sei gegen eine Nachverhandlung. Dann hat die damalige Verhandlungsführerin der Union so abgeschlossen, und das war Katherina Reiche. Machen Sie sich hier also keinen schlanken Fuß! ({1}) Zwei Punkte zu Herrn Kauch. Man kann wie Sie bei der Vergütung im Rahmen des Ausbaus der erneuerbaren Energien eine große Rede über soziale Gerechtigkeit halten. Sozial gerecht ist, wenn die Menschen endlich die Alternative haben, zwischen vielen Energieanbietern auszuwählen, ({2}) und wenn wir eine dezentrale Energiestruktur bekommen und auf Windenergie und PV setzen, statt zu versuchen, diesen Weg zu bremsen, wie Sie das wollen. ({3}) Der zweite Punkt ist: Wenn jetzt der Netzbetreiber TenneT über die Lande zieht und sagt, er könne die Anbindung der Offshorewindenergie nur dann hinbekommen, wenn ihm gestattet werde, eine zweistellige Rendite einzupreisen, die mindestens 10 Prozent betragen müsse, sonst mache er das nicht, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie genauso standhaft sind und sagen: 7 Prozent müssen reichen. ({4}) Interessant ist, dass wir das Thema, den Ausbau der PV zu bremsen, hier immer wieder leidenschaftlich debattieren, dass dies aber in der Öffentlichkeit nicht der Fall ist. Mit derselben Leidenschaft, mit der die Menschen den Ausstieg aus der Kernenergie wollten, wollen sie jetzt in die PV. Nach einer aktuellen Umfrage von Emnid halten 91 Prozent der Befragten Solarstrom für wichtig und richtig. ({5}) 69 Prozent finden nicht, dass PV zu schnell ausgebaut wird. 60 Prozent sagen sogar, die Politik müsse mehr für die Photovoltaik tun. Darüber kann man sprechen. Sie werden sicherlich sagen: Die Menschen haben gar nicht verstanden, was das für sie bedeutet. - Nein, die Mehrheit ist sogar bereit, mehr für den Umstieg, für die Energiewende zu bezahlen. Das ist Ihr Problem. Darum versuchen Sie immer wieder, durch neue Diskussionen und einen Zickzackkurs in der Förderpolitik Verunsicherung zu schüren. Diese Verunsicherung ist bei den Menschen nicht vorhanden. Die Angst vor dem Umstieg gibt es nicht. Sie versuchen aber immer wieder, auf dieses Pferd zu setzen, weil Ihnen die Energiewende zu schnell geht. Das ist der Punkt. ({6}) Deshalb verstehen die Menschen in Ostdeutschland auch nicht, dass Sie die industriellen Strukturen, die wir mühevoll über zehn Jahre hinweg aufgebaut haben, jetzt durch diese ruckartige Politik gefährden. An diesem Punkt sagen die Menschen: Wir haben Angst vor einer zweiten Deindustrialisierung. - Sie tragen die Verantwortung dafür. ({7}) Sie bringen nicht nur in Vieraugengesprächen, wie es der Kollege Kelber sagte, sondern auch in Ausschusssitzungen durchaus mit Zwischenrufen zum Ausdruck, dass Sie längst gesagt haben: Wir werden dem Wettbewerb mit den chinesischen Anbietern nicht standhalten können. - Wenn wir das nicht können, dann deshalb, weil Ihre Politik den Unternehmen in Deutschland die Zukunft raubt. ({8}) - Wenn Sie das als „Käse“ bezeichnen, Herr Meierhofer, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie neben den Debatten über Kürzungsschritte auch debattieren, wie wir den Standort Deutschland anders für die PV sichern können und wie wir über Forschung, Entwicklung und neue Anforderungen an die PV den Standort Deutschland erhalten, ({9}) die geschaffenen Arbeitsplätze sichern und Arbeitsmarktpolitik betreiben. Doch dazu sagen Sie kein Wort. Absoluter Stillstand! ({10}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines ist aber auch deutlich: Die geplante Änderung des EEG bezieht sich entgegen der ursprünglichen Absicht nicht mehr nur auf das Thema Photovoltaik. Vielmehr ist die Absicht erkennbar, dass Sie das, was Sie jetzt beim Thema PV machen, auch auf andere Erneuerbare ausdehnen wollen. Damit entfällt die Argumentation, Sie wollten nur vor den hohen Kosten des PV-Zubaus schützen. Es geht um einen Generalangriff auch auf andere Technologien der erneuerbaren Energien. ({11}) Ich will nur zu einigen Punkten des Gesetzentwurfs Stellung nehmen. Herr Fell hat eben für die Grünen gesagt: Wir sind bereit, ein Stück weit mitzugehen. - Für die Sozialdemokraten gilt das ebenfalls; Uli Kelber hat es deutlich gemacht. Wir verschließen uns einem Kürzungsschritt nicht. Ich erwarte aber von der Koalition, dass die jetzt anstehende Sachverständigenanhörung von Ihnen ergebnisoffen und nicht vorfestgelegt durchgeführt wird und dass wir nach der Anhörung gucken, wie wir auch mit Rücksicht auf die Unternehmen in Deutschland und mit Rücksicht auf die Umlage die weitere Degression ausgestalten können. Wenn Sie das tun, dann haben Sie unser Wort, mit Ihnen gemeinsam eine gute Lösung zu finden. ({12}) Es gibt einen weiteren wichtigen Punkt, bei dem wir im Ziel beieinander sind. Ja, auch wir wollen den Eigenverbrauch stärken. Wenn man den Eigenverbrauch aber stärken will - gerade im Hinblick auf das, was Uli Kelber für Mehrfamilienhäuser, für Mietshäuser angesprochen hat -, muss man auch Anreize schaffen. Dann darf man nicht vorhandene Anreize abschaffen und stattdessen die umlagefähigen Prozentzahlen kürzen. Dies ist kein Anreiz, um in Speicher zu investieren. Vielmehr nehmen Sie damit eine weitere kalte Kürzung vor. Bei dem, was Sie künftig im Zusammenhang mit dem Zubaukorridor vorhaben, handelt es sich um einen totalen Systemwechsel. Zum einen gehen Sie weg von einer prozentualen Kürzung hin zu einem festen Centbetrag. Je niedriger der Preis wird, desto stärker kürzen Sie also prozentual. Insbesondere im Bereich der Freiflächen kürzen Sie überproportional. Damit blockieren Sie erneut ausgerechnet den Ausbau der günstigsten Art der Photovoltaik. In dem vorliegenden Entwurf ist an mehreren Stellen erkennbar, dass Sie insbesondere die Freiflächen-PV in Deutschland zum Erliegen bringen wollen. An dieser Stelle nehmen Sie einen weiteren Schritt vor. Dabei handelt es sich um die räumliche Begrenzung. Freiflächenanlagen in einem Umkreis von 4 Kilometern werden als eine Anlage gewertet. Was für einen Sinn soll das machen? Wir haben reichlich Zuschriften bekommen - Sie auch -, in denen zum Ausdruck gebracht wird: Dies hat inhaltlich keine Substanz und ist auch nicht umsetzbar. - Das heißt, das Einzige, was Sie wollen, ist, die kostengünstigste und leistungsstärkste Form der PV jetzt endgültig aus dem Markt zu kicken. Das ist mit uns nicht zu machen. ({13}) Der letzte Punkt betrifft das Thema Verordnungsermächtigung. Ich sage Ihnen: Da muss man schon ganz schön viele Glücksperlen gelutscht haben, um das, was aus Ihrer Fraktion kommt, als Stärkung des Parlaments zu verkaufen. Auf der einen Seite haben Sie es zwar geschafft, dass die Übertragung der Kürzungsinstrumente, die Sie beim Thema Photovoltaik vorsehen, auf andere Technologien einem Parlamentsvorbehalt unterliegt. Ich habe gelesen: Das Parlament darf jetzt mitbestimmen. Nein, das ist das ureigene Recht des Parlaments. Das muss es auch bleiben. ({14}) Auf der anderen Seite machen Sie aber beim Thema PV genau das Gegenteil, Herr Kauch; beim Thema Photovoltaik ist es anders. Wenn vom Korridor abgewichen wird, treffen sich Herr Rösler und Herr Röttgen und entscheiden am Parlament vorbei, welche nächsten Kürzungsschritte kommen. Dies ist eine Entmachtung des Parlaments. ({15}) Wir werden das Thema PV nicht in die Hände dieser beiden Minister legen; denn wir wissen, wie das ausgehen wird. Nein, auch hier muss die Entscheidung im Parlament bleiben. ({16}) Meine Damen und Herren, auch wenn ich gestern beim Thema Kraft-Wärme-Kopplung positive Ansätze herausgestellt und erklärt habe, dass man damit arbeiten kann, sage ich Ihnen jetzt: Beim Thema PV ist mit Ihnen kein Staat zu machen. Unser Fazit dieses neuerlichen Kürzungsszenarios ist eindeutig: Sie versuchen alles, um beim Thema Photovoltaik einen Stellvertreterkrieg auszutragen. Das ist offenkundig. Ich sage nur: Ein Schelm, wer denkt, dass insbesondere die Atomlobbyisten in Ihren eigenen Reihen massiv Einfluss hierauf haben. Ich empfehle Ihnen - es klang eben schon kurz an -, sich das Interview von Herrn Fuchs von heute Morgen im Deutschlandfunk einmal anzuhören. ({17}) - Ja, es war sehr gut. Wer hat das gesagt? Dann kann ich ihn gleich mit auf die Liste setzen. ({18}) - Herr Hintze; okay, alles klar. Herr Fuchs hat heute Morgen im Deutschlandfunk gesagt: Der schnelle Atomausstieg in Deutschland war ein großer Fehler. ({19}) Immerhin gibt es bei uns keine Tsunamis. - Der Mann hat es noch immer nicht begriffen. ({20}) Sie müssen jetzt die Frage beantworten: Sind es nach wie vor die Dinosaurier in Ihrer Fraktion, die die Energiepolitik bestimmen? Wenn ja, dann ist völlig klar: Die Energiewende ist nicht Sache Ihrer Fraktion. Ich habe den Eindruck, dass Herr Fuchs bei Ihnen das Sagen hat. ({21}) Dass dem so ist, merkt man auch bei anderen Gelegenheiten. Uli Kelber hat zu Recht darauf hingewiesen: Es ist doch wirtschaftspolitischer und energiepolitischer Wahnsinn, kurz bevor die PV an der Schwelle zur Wettbewerbsfähigkeit steht, nach einem Jahrzehnt der Investitionen in den Aufbau industrieller Kapazitäten sowie am Beginn des weltweiten Siegeszugs der Solarenergie diese Branche in Deutschland ans Messer zu liefern. Das ist mit uns nicht zu machen. Vielen Dank. ({22})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Horst Meierhofer für die FDP-Fraktion. ({0})

Horst Meierhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003806, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie machen es sich in der Opposition äußerst leicht. Sie erklären, was bei der Photovoltaik alles falsch und schlecht läuft, machen aber keinen einzigen konkreten Vorschlag, aus dem hervorgeht, wie man es besser machen kann. ({0}) Sie erklären uns, dass Sie jederzeit einer Kürzung in einer bestimmten Höhe zustimmen würden. Das haben sowohl die SPD als auch die Grünen gesagt. Die Linken haben das natürlich nicht gesagt, weil sie gern eine höhere Vergütung zahlen wollen. Aber SPD und Grüne sagen, Herr Kollege Fell, man könne um bis zu 20 Prozent zusätzlich kürzen. Gleichzeitig weisen Sie darauf hin, dass Firmen in Mitteldeutschland selbst ohne eine 20-prozentige Kürzung zum Teil untergegangen bzw. pleitegegangen sind und dass es zu Entlassungen und Kurzarbeit gekommen ist. Wie wollen Sie den Menschen, die ihren Job verlieren, dann eine 20-prozentige Kürzung erklären? Wie soll das funktionieren? ({1}) Es ist doch scheinheilig, einerseits eine solche Forderung zu erheben und andererseits festzustellen, dass bereits Firmen pleitegegangen sind. Dann kann es doch nicht an der EEG-Vergütung liegen. Dann sind wir uns wieder einig. ({2}) Wenn man mit den ausländischen Wettbewerbern konkurrieren will, hat man verschiedene Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist, dass wir genauso wie die Chinesen diese Branche subventionieren. Herr Krischer, das wünschen Sie sich vielleicht; denn Sie haben gefragt, wie wir den deutschen Markt schützen können. Vermutlich können wir die Photovoltaikbranche in Deutschland genauso wenig schützen wie die deutschen Spielzeughersteller vor chinesischen Herstellern, die günstiger produzieren. Das EEG wäre auf jeden Fall der vollkommen falsche Weg. ({3}) - Herr Kollege Ott, wir schützen Eon und RWE doch nicht dadurch, dass wir jedes Jahr so viel erneuerbare Energie in die Netze fließen lassen wie niemals zuvor. Was soll das denn für ein Schutz sein? ({4}) Kennen Sie jemanden, der momentan neue Gaskraftwerke - das fordern Sie - bauen möchte? Kennen Sie jemanden, der Hunderte Millionen Euro in die Hand nehmen will? Ich jedenfalls kenne niemanden. Es gibt niemanden, weil keine Planungssicherheit herrscht. Für die Erneuerbaren gilt in den nächsten 20 Jahren Planungssicherheit; das ist gut und richtig. Aber je stärker der Anstieg bei den Erneuerbaren ist, desto unrentabler wird es, in Kraftwerke, die auf Basis fossiler Energieträger betrieben werden, zu investieren; das ist doch logisch. ({5}) In einer solchen Phase uns zu unterstellen, dass wir Politik zugunsten der vier Großen machen, die sich deutlich schwerer tun als die Photovoltaikbranche, ist verlogen. ({6}) Liebe Grüne, in dem letzten Jahr, in dem Sie noch mitregiert haben, wurde die Kapazität der Photovoltaik um 0,92 Gigawatt ausgebaut. Zuvor war es noch weniger. Wir haben die Leistung der Photovoltaik im vorletzten Jahr um 7,4 Gigawatt und im letzten Jahr um 7,5 Gigawatt ausgebaut. Wer ist denn hier der Freund der Erneuerbaren? ({7}) Wer hat denn etwas für die Photovoltaikbranche getan, und wer hat nur warme Worte ohne Substanz übrig und tut nichts? In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir für eine Degression von über 50 Prozent bei den Einspeisevergütungen gesorgt und gleichzeitig die höchsten Zuwachsraten erzielt. Das nutzt der Branche doch. Wir helfen ihr, wettbewerbsfähig zu werden. Nicht derjenige, der die höchsten Subventionen zahlt, ist der beste Freund der erneuerbaren Energien, sondern derjenige, der ihnen hilft, am besten und schnellsten wettbewerbsfähig zu werden. Herr Gysi, Sie haben gesagt, wir wollten in fünf Jahren nur noch 20 Prozent des jetzigen Ausbaus erreichen. Das stimmt nicht. Wir wollen dann nur noch 20 Prozent fördern. Die Branche selbst sagt nämlich, sie könne schon in fünf Jahren bei den großen Anlagen wettbewerbsfähig sein. Das ist doch das Ziel. Wir wollen unendlich viel erneuerbare Energie, idealerweise 100 Prozent, aber nicht allein durch Förderung. Die Branche muss wettbewerbsfähig werden. Wenn es eine Branche gibt, die bewiesen hat, dass das ohne Subventionen möglich ist, dann ist es die Photovoltaikbranche. In dieser Branche werden die schnellsten Degressionen erreicht. Wir folgen dem. Deswegen werden die Subventionen weiterhin gesenkt, und zwar zu Recht; denn es wurden Renditen von 15, 16 Prozent erzielt. Dafür zahlt derjenige, der eine Wohnung mietet, also der Mieter, an denjenigen, der ihm eine Wohnung vermietet, also an den Vermieter. Nach der normalen Miete und den Heizkosten sind die so entstehenden Kosten, die EEG-Umlagen-Miete, wie eine dritte Miete. Wenn das Sozialpolitik à la Rot-Grün ist, dann weiß ich, ehrlich gesagt, nicht mehr, was Sie wollen. ({8}) Mir geht es um das Thema Rechtssicherheit. Wir haben uns für Rechtssicherheit starkgemacht. Wir haben die Auffassung vertreten, dass eine Entscheidung bis heute, 9. März, zu kurzfristig ist. Den großen Herstellern von Solarmodulen wäre eine frühere gesetzliche Neuregelung wahrscheinlich lieber gewesen, weil sie genau wissen, was passieren wird, nämlich ein gigantischer Run. Hingegen brauchen die kleinen Hersteller von Solarmodulen, die Unternehmer vor Ort, die die Solarzellen schon eingekauft haben, dahin gehend Planungssicherheit, dass sie ihre Produkte verkaufen können. Genau dafür haben wir uns eingesetzt. Planungssicherheit ist für die Hersteller von Solarmodulen für Freiflächen noch wichtiger. Wir haben klargestellt: Wer bis zum 1. März dieses Jahres einen Aufstellungsbeschluss vorliegen hat - das ist der erste Schritt im Genehmigungsverfahren -, der soll auch die Möglichkeit haben, Solaranlagen zu bauen. Sich darauf verlassen zu können, das ist Rechtssicherheit. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bulling-Schröter?

Horst Meierhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003806, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, sehr gerne.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Kollege Meierhofer. - Ich stelle fest: Die FDP hat etwas gegen Gewinnspannen von 15, 16 Prozent in der Solarindustrie; das stört die Koalition bzw. Ihre Fraktion. Wie schaut es denn mit den großen Gewinnen von RWE und Eon aus? ({0}) Sie haben die Rede des Kollegen Gysi sehr interessiert verfolgt, wie ich gerade bemerkt habe. Er hat die Gewinnspannen bzw. die Ausschüttungen der großen Konzerne, worüber gestern in den Medien berichtet wurde, beschrieben. Wie stehen Sie zu diesen großen Gewinnmargen? Sind Sie bereit, auch sie zu beschränken?

Horst Meierhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003806, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich wünsche der Photovoltaik Renditen von 20, 30, 40 Prozent, aber bitte schön nicht dadurch, dass sie zulasten der Stromkunden erwirtschaftet werden. ({0}) Das ist der entscheidende Unterschied, ({1}) Ich stelle infrage, dass jemand, der Subventionen bekommt, eine Rendite von bis zu 16 Prozent erzielen muss. Zum Beispiel die Stiftung Warentest sagt, dass auch nach der Absenkung der Vergütung für einen Kleinunternehmer, der keine großen Anlagen hat und keine Sonderkonditionen erhält, noch eine Rendite von 3,4 Prozent - bisher waren es bis zu 6,7 Prozent - möglich ist, und zwar dann, wenn es auf dem Markt zu keinerlei Anpassungen kommen wird. Zu solchen Anpassungen wird es aber kommen. Natürlich wird es in der nächsten Zeit so sein, dass man günstigere Module erwerben kann; denn der Preis der Module bestimmt sich nicht nach den Herstellungskosten, sondern leider allein danach, wie hoch die EEGVergütung ist. ({2}) Herr Kelber, es ist nun einmal so, dass zwar 70 Länder dem EEG entsprechende gesetzliche Regelungen übernommen haben, aber nicht die hohen Fördersätze, die bei uns gelten. Da dort also nicht so hohe Vergütungen wie bei uns gezahlt werden, kommt die Mehrzahl der Solarmodule zu uns, und ihr Preis wird immer niedriger. Natürlich wird mehr zugebaut. Sie haben selbst gesagt: Wenn mehr als 3,5 Gigawatt zugebaut werden sollten, dann müssten wir für eine deutlichere Degression sorgen. ({3}) Der Kollege Fell hat gesagt: Wenn mehr als 5 Gigawatt zugebaut werden, dann müsste man über eine Änderung der Degression nachdenken. ({4}) Übrigens sagt selbst der Branchenverband BSW, dass ein Zubau von 5 Gigawatt möglich ist. Ich gehe mit Ihnen jede Wette ein, Herr Fell, Herr Kelber, dass wir im Jahr 2012 einen Zubau von deutlich mehr als 3,5, ja sogar mehr als 5 Gigawatt haben werden. Dann werden wir einmal schauen. ({5}) - Die Module kommen von dem, der dem Kunden das beste Angebot macht. ({6}) Wenn Sie an Ihr Unternehmen vor Ort denken, lieber Herr Kelber, dann werden Sie dafür sorgen, ({7}) dass mehr in Forschung, in Entwicklung und in Technologie investiert wird, damit die deutschen Unternehmen in dem Maße besser werden als die Chinesen, die billiger sind. Wenn Sie das nicht tun, dann wird es diese Unternehmen irgendwann nicht mehr geben. ({8}) Aber das ist Marktwirtschaft, und das hat nichts mit dem zu tun, was Sie zu interessieren scheint. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Bärbel Höhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier sehr hitzig und sehr leidenschaftlich. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir in dieser Diskussion über erneuerbare Energien nicht allein über Marktanpassungen reden - das haben wir oft genug getan -; vielmehr geht es heute in der Tat darum: Wird die Energiewende umgesetzt, ja oder nein? Heute geht es darum: Werden die erneuerbaren Energien ausgebaut, oder machen Sie die Photovoltaik kaputt? Dazu sage ich Ihnen: Das darf nicht geschehen. ({0}) Sie sind aus der Atomkraft ausgestiegen, und jetzt müssen Sie die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz stärker ausbauen. An einem einzigen Tag haben zwei Minister dieses Kabinetts, nämlich der Minister Rösler und der Minister Röttgen, die Energiewende in den Senkel gestellt. Das geschah einmal dadurch, dass sie nach einem halben Jahr der Blockade von Maßnahmen zur Energieeffizienz eine Lösung vorgeschlagen haben, die ein Witz ist. Die EU-Mitgliedstaaten mokieren sich über Deutschland. Gleichzeitig haben sie die radikale Absenkung der Vergütung für Strom aus Photovoltaikanlagen vorgeschlagen. Deshalb frage ich: Wo ist eigentlich Herr Rösler? Ich kann verstehen, dass der Minister Röttgen heute nicht da ist; er ist in Brüssel. Aber Herr Rösler ist auf der CeBIT. Gestern hat er ein Stück Torte ins Gesicht bekommen; ich würde es gut finden, wenn er heute hier wäre und seine Fehlentscheidung zu den erneuerbaren Energien verteidigen würde. Aber er drückt sich vor der Diskussion. ({1}) Worum geht es bei der Energiewende? Es geht darum, wer die Oberhand gewinnen wird: die erneuerbaren Energien oder die fossilen Energien. Deshalb ist es schon spannend, was Herr Großmann von RWE auf der Bilanzpressekonferenz vor einigen Tagen gesagt hat. Er hat nämlich den Gewinnrückgang von 20 Prozent mit dem Ausbau der Photovoltaik begründet. Warum? Man denkt, dass Strom aus Photovoltaikanlagen viel teurer ist. Wie kann das also sein? Strom aus Photovoltaikanlagen ist nicht immer verfügbar, er ist aber dann verfügbar, wenn es spannend wird, nämlich mittags. Er ist dann verfügbar, wenn der Stromverbrauch am größten ist. Mittlerweile ist die Photovoltaik so weit ausgebaut, dass der Solarstrom zu einer Senkung der Strompreise an der Börse führt. Damit fehlen dem Unternehmen von Herrn Großmann und den großen Kohlekraftwerken die höchsten Margen um die Mittagszeit. ({2}) Ihnen und leider auch der FDP, auch Herrn Rösler, geht es darum, die Solarenergie klein zu machen, damit die Gewinne von RWE und Co groß bleiben. Darum geht es in dieser Diskussion. ({3}) In der Tat haben sich die großen Energiekonzerne wieder neu aufgestellt. Sie sehen natürlich: Je mehr die Erneuerbaren ausgebaut werden, desto mehr Probleme bekommen sie. Und wegen der stark sinkenden Preise wird die Photovoltaik immer wettbewerbsfähiger. Aber die jetzt vorgeschlagenen Kürzungen gehen zu weit: Ich mache Ihnen das einmal anhand einer ganz normalen Dachanlage mit einer Leistung zwischen 10 und 30 Kilowatt klar. Es gab im letzten Jahr eine Vergütung von 28,74 Cent für jede Kilowattstunde Solarstrom aus einer solchen Dachanlage. Wir alle gemeinsam haben gesagt, dass die Vergütung auf 24,4 Cent gesenkt werden kann. Sie wollen die Vergütung im April auf 16,5 Cent senken. Wenn man dann in Rechnung stellt, dass eine weitere Absenkung im Laufe des Jahres auf 15,3 Cent erfolgen und für 10 Prozent der erzeugten Strommenge überhaupt keine Vergütung mehr gezahlt werden soll, dann kommt man bei einer solchen Photovoltaikanlage auf eine effektive Vergütung von 14,37 Cent pro Kilowattstunde. Damit hat sich die Vergütung in einem Jahr von 28,74 Cent auf 14,37 Cent halbiert. Ich sage Ihnen: Eine solche Kürzung kann keine Technologie verkraften. Sie aber setzen diese drastische Kürzung durch. ({4}) Deshalb müssen wir uns fragen, wie wir damit umgehen. Der chinesische Markt ist zu Recht angesprochen worden. Was passiert in China? Anders als in den vergangenen Jahren werden mittlerweile viele Photovoltaikanlagen in China installiert. Jetzt sind es erst 3 000 Megawatt, aber in den nächsten Jahren wird es viel mehr sein, mehr als in Deutschland heute. Die entscheidende Frage ist, ob dann unsere Photovoltaikindustrie noch existiert und nach China liefern kann. Dafür haben Sie zu sorgen. Im April gibt es einen Gipfel der EU mit China. Ich erwarte, dass Deutschland und die EU dafür sorgen, dass China seinen Markt öffnet. ({5}) China schottet seinen Markt momentan ab und subventioniert die eigene Photovoltaikindustrie. Und China versucht, den Markt in Deutschland kaputtzumachen. Ihre Antwort darauf ist - das hat auch ein Wirtschaftsforscher gesagt -: Dann gibt es eben in Deutschland keine Solarindustrie mehr. - Das ist ein Fehler, das zerstört Zehntausende von Arbeitsplätzen, und Sie tragen dafür die Verantwortung. ({6}) Sie wollen den Ausbau der Photovoltaik sogar noch deckeln. Der Ausbau soll zurückgeführt werden, und am Ende sollen es am unteren Ende des Ausbaukorridors nur noch 900 Megawatt neu installierter Leistung pro Jahr sein. Das heißt, vor dem Hintergrund, dass die Preise gefallen sind, wollen Sie in den nächsten zehn Jahren weniger zubauen als in den letzten zwei Jahren. So etwas Verrücktes! Die Photovoltaik ist immer preiswerter geworden, und jetzt würgen Sie die Photovoltaik ab. Das ist das Gegenteil von guter Wirtschaftspolitik. Dass ein Wirtschaftsminister der FDP sich hier hinstellt und eine so erfolgreiche Industrie kaputtmacht und Arbeitsplätze zerstört, ist ein Skandal. Deshalb liegen Sie in den Umfragen zu Recht bei 2 bis 3 Prozent. Eine solche Politik kann man nicht befürworten. ({7}) Ich komme zum Ende. - Es geht um die Energiewende. Ich habe am Anfang gedacht: Herr Rösler kann sie nicht. Aber jetzt weiß ich: Er will sie nicht. Diese Bundesregierung will die Energiewende nicht. ({8}) Sie will den Markt für fossile Energien weiter offenhalten. Dagegen werden wir stehen, und dagegen werden wir kämpfen. Mit einer solchen Politik werden Sie nicht durchkommen, meine Damen und Herren. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Maria Flachsbarth für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Höhn, ich glaube, es hilft unserer gemeinsamen Sache nicht, ({0}) wenn wir diese Debatte jetzt zum Kampf der Systeme gegeneinander hochstilisieren oder dramatisieren, und es hilft vor allen Dingen nicht, wenn man die Augen vor den Realitäten nur fest genug zumacht. Der Zubau der letzten beiden Jahre im Solarbereich, die PV-Installation 2010 und 2011 von jeweils 7,5 Gigawatt, ist zu groß. Das ist ein überhitztes Wachstum. Das ist nicht nachhaltig. ({1}) Das hat mit den hohen Kosten zu tun - es sind trotz der gesunkenen Modulpreise immer noch 3 Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren -, aber vor allen Dingen mit der Sorge um die Netze, die eine gemeinsame Sorge sein sollte. In einem Gutachten im Auftrag des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums heißt es - Zitat -: Da … großflächige PV-Nutzung … in schwachbesiedelten Regionen erfolgt, fehlt dort die notwendige Abnahme und die regenerativ erzeugte Energie muss über die Mittel- und Hochspannungsnetze in das 380/220-kV-Übertragungsnetz zurückgespeist werden. Für diese Aufgabe wurden die Netze … nicht gebaut … Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass es nicht zu einem Blackout kommt, weil das völlig unabsehbare volkswirtschaftliche Kosten hervorrufen würde und weil das vor allen Dingen die Akzeptanz in der Bevölkerung für unsere Energiewende, für den weiteren Zubau an Erneuerbaren von jetzt auf gleich schwinden lassen würde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein gemeinsames Anliegen von uns allen. ({2}) Deshalb geht der Kabinettsbeschluss vom 29. Februar in die richtige Richtung. Wir Koalitionsfraktionen haben ihn ein wenig modifiziert ({3}) und am 6. März unseren Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Um noch einmal über den Zielhorizont zu sprechen: Da sind wir eigentlich auch gar nicht auseinander. Dieser Zielhorizont ist im derzeit real existierenden Erneuerbare-Energien-Gesetz nachzulesen, damals mit der Branche gemeinsam vereinbart. Darin steht für den Zubau ein Zielhorizont von 2,5 bis 3,5 Gigawatt pro Jahr. ({4}) Nur damit das klar ist: Das ist nicht vom Himmel gefallen, sondern das ist gemeinsam vereinbart worden. ({5}) Wir sehen jetzt, dass dieser Zielhorizont nicht erreicht wird. Wir sehen aber zugleich - auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen -, dass auf dem Weltmarkt die Preise noch einmal stark sinken werden, auch in diesem Jahr. Das hat etwas mit dem enormen Zubau von Produktionskapazitäten zu tun. Das hat auch mit den enormen Subventionen zu tun, die es in China gibt. Das hat aber auch etwas mit dem Nachfragerückgang auf den internationalen Märkten zu tun. Die Preise für chinesische kristalline Module lagen im Januar bereits um 51 Prozent unter dem Vorjahrespreis. Wir haben Produktionskapazitäten weltweit von 60 Gigawatt und einen erwarteten Zubau von 25 Gigawatt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen - da haben viele meiner Vorredner recht -, dass dieser Wettbewerb für viele Betriebe gerade in Deutschland ruinös ist. Das ist so. Aber daran ändern wir durch unser EEG nichts. ({6}) Wir können weder Arbeitsplätze retten noch Arbeitsplätze in Gefahr bringen, weil dieser Markt längst global aufgestellt ist. Da können wir hier noch so engagiert debattieren: Das ist nicht mehr im Rahmen unseres EEG zu lösen. ({7}) Für uns ist es deshalb wichtig, die Preisreduktion - es ist keine Kostenreduktion - jetzt auch beim Verbraucher ankommen zu lassen. Deshalb haben wir jetzt den ohnehin für den 1. Juli erwarteten Abschlag von 15 Prozent um ein Vierteljahr vorgezogen. Das ist nicht maßlos. Darauf kommt noch ein Abschlag von 5 bis 10 Prozent. Von daher sind wir fast bei Ihren 20 Prozent, Herr Fell. Wir liegen da also nicht Welten auseinander. ({8}) Um die Absenkung zu verstetigen und den Schlussverkaufeffekt zu vermeiden, machen wir eine monatliche Absenkung, und zwar auch in dem Umfang, wie sie schon bislang im EEG etabliert war. Auch dazu muss ich sagen: Das ist einigermaßen kompatibel. Aber was ich wirklich nicht verstehe, was mich ratlos und auch ein bisschen ärgerlich macht, ist Ihr Schaulaufen gegen die Absenkung der einzuspeisenden Menge an Strom bzw. die Verpflichtung, 15 Prozent bzw. 10 Prozent bei Freiflächenanlagen selbst zu verbrauchen oder zu vermarkten. ({9}) Das ist mühelos zu schaffen, bei kleinen Dachanlagen ohnehin, und zwar rein durch eine Verhaltensänderung. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich erwarte einfach, dass auch jemand, der eine große Dachanlage hat und nebenbei einen Schweinestall betreibt, seine Lüftung über die eigene PV-Anlage laufen lässt und dass ein großer Einzelhändler - verflixt noch mal - seine Kühltruhen über die PV-Anlage laufen lässt. ({10}) Ich kann überhaupt nicht begreifen, warum man den Strom, nur weil es ein paar Cent mehr gibt, lieber einspeist, sich das teuer erstatten lässt und sich dann selbst über das allgemeine Netz versorgt. ({11}) Das kann nicht sein. Das entspricht auch nicht unserer Idee von dezentraler Versorgung. Von daher möchte ich sehr darum bitten, dass man sich mit diesem Gedanken in Zukunft mehr und mehr anfreundet. Das ist genau der Gedanke, den uns die Branche immer wieder nahegelegt hat. Wir haben im EEG die Möglichkeit der Marktprämie. Auch da wäre es vielleicht ganz gut, wenn sich die Sonnenbranche einmal mit diesem Gedanken auseinandersetzen würde. Wenn jetzt jemand sagt, das Ganze komme zu plötzlich, ({12}) kann ich dazu nur sagen: Ich habe schon im Sommer 2008 bei den Verhandlungen zum EEG 2009 über die Marktintegration gesprochen. Seinerzeit hat der damalige Koalitionspartner die Branche beschützt. Wohin das führt, sehen wir heute. Aber die Notwendigkeit, sich im Markt zu etablieren, ist doch da. Man kann in Deutschland nicht mehr als 20 Großkraftwerke mit 25 Gigawatt installierter Leistung betreiben und dann erklären: Wir müssen einfach nur produzieren, aber nicht nach Kunden suchen. - Das funktioniert nicht und wird in Zukunft immer weniger funktionieren. ({13}) Ich begrüße allerdings ausdrücklich die Übergangsregelungen, die die Berichterstatter, die Koalitionsfraktionen und insbesondere die Union selbstverständlich in diesem Gesetzentwurf formuliert haben. Das Gesetz zur Absenkung des Abschlags für Dachanlagen tritt zum 1. April in Kraft bei derzeit gültigen Inbetriebnahmeregelungen. Bei Freiflächenanlagen muss es bis zum 1. März 2012 einen Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan geben. Bis zum 30. Juni muss das Vorhaben realisiert werden. Bezüglich der Verordnungsermächtigungen wird es so sein, dass eine Entscheidung in Bezug auf die Marktintegration immer nur unter Einbeziehung des Bundestages getroffen werden kann. Das ist gut und richtig. Bezüglich der Verordnungsermächtigung im Hinblick auf die Einspeisevergütungen müssen wir einmal gucken, ob das wirklich ein glückliches Instrument ist oder ob wir nicht eher, wie es der Kollege Kauch angedeutet hat, doch wieder Instrumente wie den atmenden Deckel in dieses Gesetz einfügen werden. Wir handeln jetzt, um den Ausbau der PV auf einen nachhaltigen Pfad zu führen. ({14}) Wir werden in den parlamentarischen Beratungen die Ziele des Klimaschutzes, der Versorgungssicherheit, des Verbraucherschutzes und der Zukunft der PV-Technologie im Blick haben. Unser Ausbauziel, um auch das noch einmal zu sagen, bleiben 52 Gigawatt bis 2020. Aber wir gehen davon aus - das unterscheidet die beiden Seiten dieses Hauses tatsächlich -, dass der Zubau nicht mehr ausschließlich im EEG stattfindet, sondern dass die PV mehr und mehr erwachsen wird, sodass es sich schon allein aus Marktgründen lohnt, eine PV-Anlage zu bauen und den Strom entsprechend zu nutzen. Deshalb können wir den Zubaukorridor ab 2014 langsam absenken. Wer hätte noch vor fünf Jahren gedacht, dass die PV in diesem kurzen Zeitraum tatsächlich so erfolgreich sein wird und auf eigenen Beinen steht. ({15}) Ich bin deshalb ganz sicher, dass die PV in diesem Land auch künftig eine sonnige Zukunft haben wird. Herzlichen Dank. ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als letztem Redner zu diesem Debattenpunkt erteile ich Kollegen Thomas Bareiß für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Thomas Bareiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003734, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Lieber Herr Kelber, Herr Becker, nach Ihren Reden ({0}) - ja - möchte ich Ihnen ein Zitat Ihres Parteivorsitzenden liefern, das mir vor wenigen Tagen auf den Tisch gelegt wurde. Es ist ein Zitat, das im April letzten Jahres in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu lesen war. Dort sagte Sigmar Gabriel zur Solarenergie: Und wir müssen über die sozialen Aspekte reden: Ist es gerecht, dass Leute in Mietwohnungen über einen sehr hohen Strompreis die Solardächer der Hausbesitzer bezahlen? ({1}) Meine Damen und Herren, lieber Herr Kelber, lieber Herr Becker, es ist nicht gerecht, dass wir eine solche Umverteilung von unten nach oben weiterhin dulden. Deshalb müssen wir an diesem Punkt ansetzen. Deshalb ist der Gesetzentwurf, wie wir ihn jetzt eingebracht haben, auch der richtige Weg, der richtige Schritt in die richtige Richtung. ({2}) Wir müssen im Blick haben, dass die Bezahlbarkeit von Strom in den nächsten Jahren die Achillesferse der Energiewende wird. Schon heute zahlt eine vierköpfige Familie eine EEG-Umlage in Höhe von 180 Euro. ({3}) Eine kleine mittelständische Bäckerei zahlt eine EEGUmlage in Höhe von 6 000 Euro. Wir haben Industrien in Deutschland, die schon jetzt ihre Produktion ins Ausland verlagern, weil sie die Strompreise nicht mehr mittragen können. Das ist doch die Realität. ({4}) Deshalb müssen wir gegensteuern und dafür sorgen, dass die Energie zukünftig noch bezahlbar ist. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krischer?

Thomas Bareiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003734, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Bareiß, Sie entdecken die Energiekosten immer dann, wenn es um die EEG-Umlage geht. Ist Ihnen bekannt, dass, wenn die Strompreise steigen, das nur die Ursache hat, dass Sie Netznutzungsentgelte für Großverbraucher senken? Sie machen mehr und mehr Ausnahmeregelungen. Sie führen eine Marktprämie ein, die zu reinen Mitnahmeeffekten führt und nichts mit dem Markt zu tun hat. All diese Effekte haben dazu geführt, dass die EEG-Umlage gestiegen ist. Hätten Sie das nicht gemacht, wäre sie gesunken. Sind Ihnen diese Tatsachen bekannt? ({0})

Thomas Bareiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003734, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Krischer, mir ist die Tatsache durchaus bekannt, dass wir hoch energieintensive Industrien auch entlasten. ({0}) Im Übrigen war das in diesem Hause bisher immer Konsens von allen Parteien, dass wir das tun müssen, um die Industrien in Deutschland zu halten, die wir insbesondere mit Blick auf die Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien brauchen. ({1}) Wir brauchen auch weiterhin die Kupfer- und Aluminiumhütten in Deutschland. ({2}) Wir müssen sehen, dass sie auch noch weiterhin in Deutschland bleiben. Deshalb ist es richtig, dass wir sie auch weiterhin entlasten. ({3}) Es ist auch wichtig, dass wir die kleinen und mittelständischen Unternehmen entlasten, damit wir weiterhin Arbeitsplätze in Deutschland erhalten können. ({4}) Herr Fell, ich komme zu Ihnen. ({5}) Sie überraschen mich immer wieder; das muss ich ganz offen sagen. Auch mich bedrückt es, ({6}) wenn die vielen Unternehmen, die Sie vorhin genannt haben, ihre Module nicht mehr in Deutschland produzieren. Trotzdem haben wir in der Solarindustrie in den letzten zwei Jahren Rekordwerte erzielt. Wir haben in den letzten zwei Jahren zweimal jeweils 7 500 Megawatt zugebaut. Herr Gabriel hat noch vor vier Jahren in seinem Erfahrungsbericht gesagt, er erwarte für 2011 einen Zubau von 800 Megawatt. Tatsächlich betrug der Zubau 7 500 Megawatt! Trotz dieser Überförderung haben wir viele, viele Firmen verloren. Das zeigt doch ganz klar, dass die Überförderung nicht dazu führt, dass wir Arbeitsplätze erhalten, sondern die Überförderung kostet Arbeitsplätze. Deshalb müssen wir das entsprechend anpacken. ({7}) Die Zahlen sprechen für sich. Meine Vorredner haben das schon teilweise dargelegt: Schon heute beträgt der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien an unserem Strommix 20 Prozent. Bis 2020 wollen wir einen Stromanteil von 35 Prozent erreichen, ({8}) mehr als Sie es jemals vorgehabt haben. Ich habe schon gesagt, wir sind im letzten Jahr bei 7 500 Megawatt gewesen. ({9}) - Ich habe manchmal den Eindruck, lieber Herr Kelber, dass Sie ein bisschen neidisch sind auf das, was wir erreichen. Ihnen geht das Thema verloren. Das merkt man auch an den Reden, die den gleichen Inhalt haben wie vor zwei Jahren. Sie haben die Energiewende ein Stück weit verschlafen und sind im Heute noch nicht angekommen. ({10}) Insofern rate ich Ihnen zu mehr Offenheit und Konsens. ({11}) Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal deutlich machen - das hat auch meine Vorrednerin Maria Flachsbarth gesagt -: ({12}) Auch wenn diese Zubaurate von jeweils 7 500 Megawatt in den letzten beiden Jahren beachtlich ist, müssen wir ganz klar sagen, dass wir uns jährliche Zubauraten in dieser Höhe in den nächsten Jahren nicht leisten können. Wir tragen die Verantwortung nicht nur für die Verbraucherpreise, sondern auch für die Netzstabilität. Wir müssen zu einem Zubau kommen, der nicht nur bezahlbar, sondern auch mit dem Netz kompatibel ist und mit dem Netzausbau einhergeht. ({13}) Deshalb müssen wir zu einem Grundkonsens kommen, maximal 3 500 Megawatt zuzubauen; ({14}) das ist unsere Strategie für die Gesetzesnovelle. Der Gesamtzubau im letzten Jahr kostete in der Summe über 20 Milliarden Euro. Wenn wir in diesem Jahr nicht aufpassen, dann werden wir bei einem Zubau von 8 000 Megawatt landen und müssen dafür in den nächsten 20 Jahren noch einmal 25 Milliarden Euro für die Photovoltaik ausgeben. ({15}) Diese Zahlen zeigen, dass wir jetzt relativ schnell reagieren und das Gesetz entsprechend schnell umsetzen müssen. Was machen wir konkret? Lassen Sie mich kurz auf die einzelnen Punkte eingehen: Zunächst wollen wir mit einer einmaligen Absenkung der Vergütung eine Anpassung an die gesunkenen Marktpreise bewirken und neh19746 men eine Degression von 20 bis 26 Prozent vor - nicht die 36 Prozent, die von Ihnen vorhin beschrieben wurden. ({16}) Wenn Sie sich einmal die Vergütungssätze anschauen, stellen Sie fest: Es sind 20 bis 26 Prozent. Das spiegelt ganz klar die Marktpreise wider. Insofern ist diese Absenkung - das sagt sogar die Branche - durchaus vertretbar. ({17}) Ich glaube, mit den jetzt vorgelegten Übergangsregelungen werden wir problemlos den Bestandsschutz bzw. den Vertrauensschutz vor Ort regeln können. Bei den Dachanlagen kommt die Degression zum 1. April. Damit können wir die sonst zu erwartende Endrallye etwas eindämmen. Die vorhandenen Projekte werden wir dennoch umsetzen können. Bei den Freiflächenanlagen gibt es eine Übergangsregelung, die vorsieht, dass der Aufstellungsbeschluss zum 1. März vorliegen musste; die Anlagen müssen dann bis zum 1. Juli installiert werden. Mit diesen Vorschlägen können wir hoffentlich alle konform gehen. Ich hoffe, dass auch die Bundesländer entsprechend mitmachen werden. Das ist jedoch nur ein kleiner Baustein in dieser Gesetzesnovelle, die im Grunde nur kurzfristig wirken kann. Langfristig müssen mehr Markt und mehr Wettbewerb wirken. ({18}) Die christlich-liberale Koalition steht für mehr Markt und Wettbewerb bei den erneuerbaren Energien. Wir brauchen mehr Eigenverantwortung. Ich glaube, dass wir mit der geplanten Regelung, nur noch 85 bis 90 Prozent des EEG-Stroms aus Photovoltaik zu vergüten, den richtigen Weg gehen. Die restlichen 15 Prozent müssen entweder eigenvermarktet oder selbst verbraucht werden. Das ist heute bereits möglich. Deshalb glaube ich - das will ich in aller Deutlichkeit sagen -, dass wir sogar noch etwas mehr machen können. Darüber müssen wir in den nächsten Tagen sprechen. Ich halte es durchaus für möglich, dass die Photovoltaik 20 bis 25 oder sogar 30 Prozent in den Markt hineingeben kann. In diesem Zusammenhang finde ich den Vorschlag einer Kombination mit Speichertechnologien sehr interessant. Wenn wir es schaffen, die eine oder andere Speichertechnik in irgendeiner Form zu fördern, dann hätten wir eine intelligente Lösung: die Photovoltaik auf dem Dach und einen Speicher im Keller. Eine solche Lösung ({19}) wäre auch in den nächsten drei Jahren noch tragfähig. Wir müssen prüfen, inwieweit die Speicher schon heute technisch sinnvoll sind. Das werden wir in den nächsten Wochen besprechen. Herr Kelber, ich lade Sie ein, hierbei mitzumachen. ({20}) Wir müssen prüfen, wie hoch der Anreiz sein muss und was das Ganze an Netzentlastung bringt. In den Fraktionen werden wir hierüber diskutieren. Wir gehen jedenfalls den richtigen Weg. Ein weiterer Punkt, den wir anpacken werden, ist die Verstetigung der zukünftigen Degressionsschritte. Zum 1. Mai werden wir 0,15 Cent pro Kilowattstunde Degression einführen. Ich sage in aller Deutlichkeit: Auch wenn dieser Weg der richtige ist - immerhin wollen wir die Endrallyes vermeiden -, reicht meiner Meinung nach dieser Betrag monatlich noch nicht aus. Mit einem Blick auf die Marktpreise ist die Gesamtdegression immer noch zu niedrig. Ich halte den Vorschlag eines „atmenden Deckels“ für den richtigen. Damit können wir mehr Automatismus und Verlässlichkeit schaffen ({21}) und damit für die Zukunft im Hinblick auf die Investoren den richtigen Weg gehen. Dann wäre eine Verordnungsermächtigung nur noch ein Notfallinstrument. Auch das ist der richtige Weg. ({22}) Meine Damen und Herren, ich glaube, unsere Politik ist verantwortlich. ({23}) Das ist auch unser Anspruch. Wir wollen, dass die Energiewende gelingt und bezahlbar ist. Die Debatte hat auch gezeigt, dass dringend Handlungsbedarf besteht, dass wir jetzt relativ schnell in die Beratungen gehen müssen. Ich bin hoffnungsfroh, dass wir am 28. März in die zweite Lesung gehen und Planungssicherheit für die Investoren schaffen können. In diesem Sinne freue ich mich auf das kommende Gesetzgebungsverfahren. Herzlichen Dank. ({24})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/8877 und 17/8892 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 27 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Eva Högl, Christel Humme, Elke Ferner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen ({0}) - Drucksache 17/8878 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({1}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Eva Högl für die SPD-Fraktion das Wort. ({2})

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn unserer Debatte heute Morgen zunächst ein Blick auf die Fakten: Ein Drittel der 160 Unternehmen in den DAXIndizes der Deutschen Börse hat keine einzige Frau in seinen Führungsgremien, weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat. Aktuell haben wir 3,4 Prozent Frauen in den Vorständen und 12,7 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten. Da sage ich: Immerhin! In den Aufsichtsräten ist es so verteilt: auf der Anteilseignerseite 7,8 Prozent, auf der Arbeitnehmerbank - da können wir ganz froh sein - immerhin 20,6 Prozent Frauen. Angesichts dieser Situation ist Deutschland Schlusslicht im Vergleich der westlichen Industrienationen und in Europa. Ich darf hier heute Morgen sagen: Das ist eine inakzeptable Situation. Elf Jahre nach der Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft und der Vereinbarung mit der Bundesregierung und auch drei Jahre nach Aufnahme des Themas Gleichberechtigung in den Corporate Governance Kodex haben wir es hier mit einer entsetzlichen Situation zu tun, die mehr als peinlich ist. ({0}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen zeigen mehr als deutlich - das wissen wir alle -: Appelle und Selbstverpflichtungen führen zu rein gar nichts. Die Zeit ist mehr als reif für eine gesetzliche Regelung. ({1}) Ich möchte hier heute Morgen auch sagen, dass wir alle miteinander - ich hoffe, dass ich da für alle spreche mehr als froh wären, wenn wir auf Quoten verzichten könnten, wenn wir sagen könnten: „Wir haben genügend Frauen in den Vorstandsgremien, in den Aufsichtsräten“, wenn wir sagen könnten: „Unsere Politik ist erfolgreich, und die Unternehmen wissen selbst, was sie tun müssen.“ Aber wenn wir feststellen, dass die Situation so ist, wie sie ist, dann sind wir hier als Gesetzgeber, als Deutscher Bundestag, gefragt, diese Situation zu beenden und tätig zu werden. ({2}) Diese Verpflichtung resultiert nicht zuletzt aus Art. 3 Abs. 2 GG. Die SPD hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir heute Morgen beraten, und ist damit die erste Fraktion, die die politische Forderung nach mehr Frauen in den Führungsgremien der deutschen Wirtschaft ausformuliert und einen konkreten Vorschlag vorgelegt hat. Wir wollen 40 Prozent Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten. Wir wollen das stufenweise einführen; wir wollen niemanden überfordern. Wir fangen mit einer Quote von 20 Prozent Frauen in den Vorständen und 30 Prozent in den Aufsichtsräten an. Aber wir sagen auch ganz deutlich: Wir müssen jetzt beginnen; wir dürfen das nicht auf die lange Bank schieben. Wir haben jetzt den Handlungsbedarf. ({3}) Denn wir müssen im Hinblick auf die nächsten Aufsichtsratswahlen tätig werden. Das Gesetz, das wir hier umsetzen wollen, muss schon für die nächste Wahlperiode der Aufsichtsräte gelten. Ich betone noch einmal: Wir schmeißen niemanden aus den Führungsgremien der deutschen Wirtschaft heraus, weder aus dem Vorstand noch aus dem Aufsichtsrat. Aber wir wollen die frei werdenden Plätze endlich konsequent mit Frauen besetzen. ({4}) Wir wissen auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ein Gesetz, das nur ein Ziel formuliert, überhaupt nichts bringt. Wir kennen das vom Bundesgleichstellungsgesetz. Wir kennen das auch vom Bundesgremiengesetz. Wir kennen die Berichte. Wir wissen, dass wirksame Sanktionen notwendig sind. Nur dann ist ein Gesetz erfolgreich. Nur dann führt es dazu, dass Frauen auch tatsächlich auf die Plätze kommen. Wir haben uns deshalb wirksame Sanktionen überlegt und setzen dabei nicht darauf, die sofortige Beschlussunfähigkeit von Gremien herbeizuführen. Weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat sollen handlungsunfähig werden. Uns ist die Handlungsfähigkeit deutscher Unternehmen sehr wichtig, und deshalb setzen wir auf Selbstregulierung. Wir setzen darauf, dass dann, wenn die Vorgaben aus welchen Gründen auch immer nicht erfüllt werden können, die Plätze zunächst unbesetzt bleiben. Aber wir sagen auch ganz deutlich: Die Plätze sollen nicht lange unbesetzt bleiben. Denn wir wollen, dass Frauen auf den Stühlen sitzen. Wir wollen keine leeren Stühle. ({5}) Deswegen dürfen diese Stühle maximal ein Jahr leer bleiben. Wir gehen allerdings davon aus, dass das gar nicht der Fall sein wird. Wir setzen nämlich auf die Selbstregulierung. Beispielsweise gilt für den Aufsichtsrat eines mitbestimmten Unternehmens die Quote für jede Bank, und wir gehen davon aus, dass jedes Unternehmen ein Interesse daran hat, die Bänke der Anteilseigner und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch mit Frauen zu besetzen. Wir meinen, dass es viele gute Frauen in unserem Land gibt, die diese Plätze auch besetzen können. ({6}) Ich möchte noch ein Wort zu dem Thema Vorstand sagen. Dies ist ein sensibler Punkt, was wir selbstverständlich in unserem Gesetzentwurf berücksichtigt haben. Wir haben es sorgfältig geprüft und die Verfassungsgemäßheit ausführlich diskutiert. Wir schlagen auch für den Vorstand eine Regelung vor, die den Vorstand zwar nicht in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt, aber eine wirksame Sanktion beinhaltet. Demnach soll der Vorstand seine Vertretungsmacht verlieren, wenn er nicht ordnungsgemäß besetzt ist. Dann muss der Aufsichtsrat für das Unternehmen tätig werden. Wir gehen davon aus, dass das dem Aufsichtsrat so lästig sein wird, dass er alles dafür tun wird, dass der Vorstand ordnungsgemäß mit Frauen besetzt wird. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss noch ein paar Worte zu dem, was uns entgegenschlägt, da wir eine Quote befürworten. Es schlägt uns entgegen: Ihr findet gar keine Frauen - und schon gar nicht für Vorstände. Es gibt gar keine qualifizierten Frauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Welt ist voll von qualifizierten Frauen. ({8}) - Das ist demonstratives Desinteresse. Ich nehme das zur Kenntnis. - Was ist das für eine Botschaft an die Frauen, wenn wir ihnen sagen, dass sie nicht qualifiziert genug sind? Wir wissen, dass 97 Prozent der Vorstände mit Männern besetzt sind. Will mir jemand erzählen, dass diese 97 Prozent ausschließlich etwas mit Qualifikation zu tun haben? ({9}) Das kann doch wohl nicht wahr sein. ({10}) Deswegen sage ich Ihnen eines: Die Quote führt dazu, dass die guten Frauen, die wir haben, endlich auf die Plätze kommen, die ihnen zustehen. ({11}) Das allein ist der Sinn und Zweck einer Quotierungsregelung, und deswegen appelliere ich an Sie, die Koalitionsfraktionen: Verschließen Sie sich doch nicht länger dieser Debatte. Geben Sie Ihr grundsätzliches Nein auf. Steigen Sie mit uns in die Sachdebatte ein. Wir haben einen Vorschlag vorgelegt. Wir können über Details sprechen. Wir haben es in Form eines Gesetzentwurfs durchformuliert. Lassen Sie uns doch heute, einen Tag nach dem 101. Internationalen Frauentag, etwas für die vielen tollen Frauen in unserem Land in Sachen Gleichberechtigung tun und endlich tätig werden für mehr Frauen in Führungspositionen in deutschen Unternehmen. Herzlichen Dank. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Andrea Voßhoff für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die SPD will mit ihrem Gesetzentwurf börsennotierte und mitbestimmte Unternehmen der Privatwirtschaft zwingen, mit einer gestaffelten gesetzlichen Mindestquote den Anteil der Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen und damit in Führungspositionen zu erhöhen. ({0}) Ja, Frau Kollegin Högl, dem Grunde nach stimme ich Ihnen zu, und es ist unstreitig: Frauen sind in unternehmerischen Führungspositionen im Jahr 2012 deutlich unterrepräsentiert; Sie haben die Quoten genannt. Die Kollegin Strothmann wies mich gerade auf Folgendes hin - und ich will das auch gerne sagen -: An dieser Stelle wird immer wieder unter den Tisch fallen gelassen, dass dieses Thema in mittelständischen Betrieben längst kein Thema mehr ist. Dort sind sehr viele starke und qualifizierte Frauen auch in Führungspositionen. Ich finde, es gehört der Vollständigkeit halber dazu, das auch einmal zu erwähnen. ({1}) Ja, in den großen Unternehmen sind es viel zu wenig. Ich will die Zahlen aus Zeitgründen nicht wiederholen, aber wir wissen, dass Frauen in den Vorstandsetagen deutlich unterrepräsentiert sind. Das darf uns als Politiker und Politikerinnen nicht in Ruhe lassen, wir dürfen diese Probleme auch nicht kleinreden. Das ist richtig, Frau Kollegin Högl. ({2}) Aber wenn wir als Politiker merken, dass Handlungsbedarf gegenüber der Wirtschaft besteht, dann sollten wir auch darauf achten, wie wir es in Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung auf Bundes- und Länderebene halten. Sie erwähnten vorhin das Bundesgremienbesetzungsgesetz. Von den dort gesetzten Zielvorgaben sind wir auch nach 15 Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes noch weit entfernt. Einer neueren Studie zufolge sind Frauen in Aufsichtsräten von Bundesunternehmen mit einem Anteil von 18,2 Prozent und in Vorständen mit 6,5 Prozent vertreten. Die genannten Zahlen zeigen, dass es in Bezug auf das Thema Frauen in Führungspositionen noch viel zu tun gibt - da bin ich ganz selbstkritisch -; denn in der Politik sollten wir eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen. Liebe Kollegin Högl, meine Damen und Herren von der SPD, ich frage Sie: Wie hoch ist eigentlich die Quote in Einrichtungen in den Bundesländern, in denen Sie mitregieren? Nehmen wir als Beispiel das Land Brandenburg, in dem ich leben darf. Dort regiert die SPD seit der Wiedervereinigung, also seit mehr als 20 Jahren. Ich darf auf eine aktuelle Anfrage der CDU-Landtagsfraktion vom Januar dieses Jahres verweisen. Die Antwort der Landesregierung auf die Frage, wie hoch der Anteil von Frauen in der Geschäftsführung der Unternehmen mit Landesbeteiligung sei, lautete: Die Landesregierung konzentriert sich nur auf die Unternehmen, bei denen das Land Brandenburg zu nahezu 100 Prozent Anteilseigner ist und auf die sie Einfluss ausüben kann - das setzt sie vorweg -, um dann im gleichen Atemzug zu sagen: Der Anteil von Frauen in den Geschäftsführungsorganen der sieben landeseigenen Unternehmen liegt lediglich - meine Damen und Herren, hören Sie es sich an - bei 15,38 Prozent. ({3}) Meine Damen und Herren Sozialdemokraten, noch viel interessanter war die Antwort der Brandenburgischen Landesregierung auf die zweite Frage, ob die rotrote Landesregierung eine Zielgröße festgesetzt hat, auf die der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Unternehmen mit Landesbeteiligung erhöht werden soll. Nun hören Sie gut zu. Die Landesregierung antwortete: Das Ziel einer Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen bei Unternehmen mit Landesbeteiligung findet seinen Ausdruck in einer Reihe von Handlungsempfehlungen - sehr erstaunlich in den Regeln für die Unternehmen im Abschnitt VI. des Corporate Governance Kodex für die Beteiligungen des Landes Brandenburg an privatrechtlichen Unternehmen …. Dort ist vorgesehen, dass der Aufsichtsrat bei der Zusammensetzung der Geschäftsführung auch auf Vielfalt … achten und dabei insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen anstreben soll … ({4}) Meine Damen und Herren Sozialdemokraten, ({5}) es ist schon wohlfeil: Hier und heute wollen Sie die Privatwirtschaft per Gesetz zu einer festgelegten gesetzlichen Mindestquote von 40 Prozent zwingen. Sie wollen massiv in deren Eigentumsrechte eingreifen. ({6}) Aber dort, wo Sie konkret Einfluss nehmen könnten, erreichen Sie nicht einmal selbst die Quote, die Sie der Privatwirtschaft auferlegen wollen. ({7}) Sie legen sie nicht einmal fest. Statt sich zu einer Quote zu bekennen, verweisen Sie lediglich auf den Corporate Governance Kodex, den Sie an anderer Stelle kritisieren. Wenn Sie es im Land Brandenburg nach 20 Jahren nur auf 15 Prozent geschafft haben, ist es schon eine Chuzpe, von der Privatwirtschaft bereits in neun Monaten eine Quote von 30 Prozent für Aufsichtsräte und 20 Prozent für Vorstände zu verlangen. ({8}) Ich hege den Verdacht: Wenn wir uns die Beteiligungsberichte anderer Bundesländer, in denen die SPD mitregiert, anschauen würden, dann würden wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Bilanz nicht sehr viel anders aussieht. ({9}) Meine Damen und Herren Sozialdemokraten, wie halten Sie es denn eigentlich in Ihrer Partei mit Frauen in Führungspositionen? ({10}) In ihrer langen Geschichte hat es zwar viele Parteivorsitzende gegeben, aber wie viele davon waren weiblich? Keine einzige! Wie viele Bundeskanzlerinnen hat die SPD gestellt? Keine einzige! Wie viele weibliche Fraktionsvorsitzende hatte die SPD bisher im Bundestag? Keine einzige! ({11}) Frau Kollegin Högl, Sie sagten vorhin: Die Welt ist voll von qualifizierten Frauen. Ich denke, das trifft auch auf die SPD zu. ({12}) Aber dass sich an Ihrer Bilanz etwas ändert, steht nicht zu vermuten; denn in Bezug auf die Kanzlerkandidatur erleben wir das Warmlaufen dreier Herren: Gabriel, Steinmeier und Steinbrück. ({13}) Ich rege an, mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Union hat es Ihnen vorgemacht. Machen Sie es uns nach. Das Problem der geringen Beteiligung von Frauen in Führungspositionen ist komplex; das wissen wir. Ich will den Handlungsbedarf auch gar nicht in Abrede stellen. Ich weiß ebenso wie Sie, dass in meiner Fraktion unterschiedliche Positionen vertreten werden. Das heißt aber nicht, dass wir uns über den Handlungsbedarf nicht einig sind. Wir sind uns nur über die Wahl des Instrumentes nicht einig. Ich denke, es muss erlaubt sein, zu fragen, ob eine starre oder gesetzliche Mindestquote das Problem lösen könnte oder ob das vielleicht ein nachhaltiger Eingriff in Eigentumsrechte ist. Auch ich glaube, dass die Wirtschaft mehr und nachhaltiger - wenn Sie so wollen: auch von der Politik - unter Druck gesetzt werden muss. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2010 hat im Ergebnis mehr oder weniger nichts gebracht. Das ist vollkommen richtig. Für die politische Seite hat damals Bundeskanzler Schröder verhandelt. Jetzt hat die Familienministerin, Frau Schröder, zusammen mit der Wirtschaft versucht, einen Stufenplan zu entwickeln. ({14}) Ich muss Ihnen sagen: Dieser Vorschlag bietet eine gute Grundlage, um, ohne zu nachhaltig in Eigentumsrechte von Unternehmen einzugreifen, dem Handlungsbedarf, den wir ja wohl alle sehen, entsprechend zielgerichtet zu handeln. Ich gestehe zu: Davon müssen wir unseren Koalitionspartner überzeugen. Wir arbeiten daran. Vielleicht gelingt es uns. Vielen Dank. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Dr. Barbara Höll spricht jetzt für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute erneut über ein so wichtiges gleichstellungspolitisches Thema wie die gerechte Teilhabe von Frauen an den Entscheidungen der Unternehmen dieses Landes sprechen. Frau Voßhoff, ich hätte mich gefreut, wenn Sie sich mehr zum Thema geäußert hätten. ({0}) Sie haben der SPD Nachholbedarf vorgeworfen. Ich wäre vorsichtig, dies als Mitglied einer Fraktion mit einem Frauenanteil von 19 Prozent zu tun, da die SPD einen Frauenanteil von 40 Prozent hat. In der Fraktion der Linken sind wir 55 Prozent Frauen. ({1}) Das ist noch einmal ein ganzes Stück mehr. Ihre Art und Weise des Umgangs geht gar nicht. So kann man schwerlich vom Thema ablenken. ({2}) Ich glaube, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD ein absolut richtiger Schritt vorgeschlagen wird. Ein wenig Kritik sei mir am Anfang meiner Ausführungen aber erlaubt - das muss jetzt doch sein -: Ich verstehe nicht, warum unser Antrag, der in eine ähnliche Richtung zielt, hier gestern keine breite Unterstützung der anderen Oppositionsfraktionen erhalten hat, sondern sogar Gegenstimmen. Das ist für mich ein wahlkampftaktisches Spielchen. Das finde ich wirklich mehr als ärgerlich. Frau Ziegler und Frau Fischbach haben gestern zu Recht betont, dass es uns weiblichen und männlichen Abgeordneten nur dann gelingen wird, eine geschlechtergerechte Gesellschaft zu erreichen, wenn wir in diesem Haus gemeinsam und fraktionsübergreifend tätig werden. Quoten sind unbeliebt, aber ohne Quote bewegt sich in unserem Land offenbar nichts. ({3}) Nicht die Frauen, sondern die Unternehmen haben über Jahrzehnte nachgewiesen, dass es ohne Quote nicht geht. ({4}) Wir brauchen verbindliche, gesetzliche Regulierungen, weil die Unternehmen sonst nicht bereit sind, die Forderung des Grundgesetzes zu erfüllen. Frauen und Männer sind gleichberechtigt - diese Formulierung existiert seit 60 Jahren. Aufgrund dieses Gleichstellungsauftrages des Grundgesetzes muss eigentlich alles Regierungshandeln auf die Herstellung geeigneter Rahmenbedingungen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgerichtet sein. Aber leider sind wir davon weit entfernt. Die entscheidenden Positionen in Politik, Wirtschaft, Sport, Medien und Kultur werden in der Bundesrepublik Deutschland leider immer noch von Männern besetzt. Mehrere Bundesregierungen haben versucht, die Unternehmen zu einer freiwilligen Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen zu bewegen. Sie sind damit klar gescheitert. Ich möchte insbesondere Frau Merkel daran erinnern, dass dieses Thema bereits zu ihrer Zeit als Ministerin für Frauen und Jugend eine Rolle spielte. ({5}) Aber während sie mit dem Gleichberechtigungsgesetz Maßnahmen zur Frauenförderung in der Bundesverwaltung und bei der Besetzung öffentlicher Gremien durch Frauen und Männer durchsetzen konnte, hat sich durch die freiwillige Verpflichtung von Unternehmen auch unter ihren Nachfolgerinnen nichts, aber auch gar nichts geändert. Besonders peinlich ist dieses Schneckentempo bei der Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungspositionen, wenn wir einmal über den eigenen Tellerrand schauen. Norwegen ist zwar mit einer Quote von 40 Prozent Frauen in Führungspositionen immer noch Spitzenreiter, aber auch in anderen Ländern hat sich sehr viel bewegt. Schauen wir nach Spanien, Frankreich, Belgien und Italien. Dort sind wesentlich mehr Frauen in den Vorstandsetagen der Wirtschaft als in der Bundesrepublik. Auch im weiteren internationalen Vergleich hinken wir massiv hinterher. Man muss sagen: Deutschland ist und bleibt ein gleichstellungspolitisches Entwicklungsland. ({6}) Die EU-Kommissarin Reding kündigte in der letzten Woche die Einführung einer EU-weiten verbindlichen Frauenquote für große Unternehmen an, nachdem die Aufforderung zur freiwilligen Selbstverpflichtung vor einem Jahr keine ausreichende Wirkung zeigt. Der Tageszeitung Die Welt gegenüber sagte Frau Reding: „Ich bin kein Fan von Quoten. Aber ich mag die Ergebnisse, die Quoten bringen.“ - Recht hat sie. An der Quote kommen wir nicht vorbei. ({7}) Wir als Gesetzgeber sollten nicht warten, bis eine Richtlinie der EU uns dazu zwingt, sondern wir sollten selbst noch in diesem Jahr dafür sorgen, dass die fortdauernde Verletzung des Art. 3 des Grundgesetzes durch eine klare gesetzliche Quotenregelung endlich beendet wird. Es wäre schön, wenn die Bundesrepublik die EU-Kommissarin Reding in ihrem Bemühen unterstützen würde. ({8}) Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion enthält eine Reihe konkreter Schritte, durch die eine Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen mit mindestens 40 Prozent Frauen in den nächsten Jahren erreicht werden kann. Als erster Schritt wird vorgeschlagen, ab 2013 eine gesetzliche Quote von mindestens 30 Prozent in Aufsichtsräten und 20 Prozent in Vorständen festzulegen. Das bewegt sich in etwa in dem Rahmen, den auch wir in unserem Antrag vorgesehen haben. Diese Größenordnung ist realisierbar. Es ist unbedingt notwendig, noch in diesem Jahr diesen Schritt zu tun, ({9}) weil in diesem Jahr eine ganze Reihe von Positionen frei werden. Wenn wir es nicht in diesem Jahr machen, werden uns weitere fünf Jahre einfach verloren gehen. ({10}) In zahlreichen Petitionen wird gefordert, dass Frauen Entscheidungen, auch ökonomische, endlich direkt auf der Führungsebene treffen können. Umfangreiche Diskussionen in den Medien belegen dies. Es ist Zeit, dass die Frauen endlich die Hälfte der Macht und des Kuchens erhalten. Wir sind nicht länger bereit, Brosamen zu akzeptieren. ({11}) Ich unterstreiche: Nicht nur Frauen haben dies erkannt, sondern bereits auch viele Männer. Gemeinsam müssen wir diese Aufgabe lösen. ({12}) Im Dezember des vergangenen Jahres haben unsere Kolleginnen Dorothee Bär, Ekin Deligöz, Sibylle Laurischk, Cornelia Möhring, Rita Pawelski und Dagmar Ziegler gemeinsam mit den Vertreterinnen von sechs Verbänden die Berliner Erklärung vorgestellt, in der sie eine Mindestquote von 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten als ersten Schritt zu einer geschlechtergerechten Besetzung von Entscheidungsgremien der Wirtschaft fordern. Dies ist eine sehr gute Initiative. ({13}) Die Reaktionen waren und sind interessant. Es gibt ein großes Echo in den Verbänden, den Gewerkschaften, den Kirchen und den Frauenverbänden aller im Bundestag vertretenen Fraktionen. Ich denke, es wäre gut, wenn wir hier gemeinsam ein Zeichen setzen und Sie vielleicht die heutige Debatte bzw. die Woche des Frauentages nutzen, um diese Erklärung zu unterzeichnen. Ich helfe gern: www.berlinererklaerung.de. Per iPad können Sie das sofort erledigen. ({14}) Ich denke, der Entwurf der SPD kommt zum richtigen Zeitpunkt. Wir werden ihn unterstützen. Sie haben sehr detailliert gearbeitet und präzise dargelegt, wie man die Besetzung der Aufsichtsräte und der Vorstände ohne Ausnahmemöglichkeiten regeln kann. Das finde ich gut. Ich glaube aber, wir sollten noch einmal gemeinsam überlegen, ob die Frage der Sanktionen, die verhängt werden können, wenn in einem Unternehmen nichts passiert, ausreichend geregelt ist. Aber dafür ist ja genug Beratungszeitraum da. ({15}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist für mich, für die Linke und für viele Frauen hier im Saale die Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen nur ein erster Schritt hin zu einer geschlechtergerechten Besetzung aller Arbeitsplätze in den Unternehmen. Es ist absurd, dass Frau Schröder gestern versucht hat, diese Debatte als Elitediskussion abzuqualifizieren. ({16}) Dies ist vielmehr ein wichtiger erster Schritt, den viele Wählerinnen und Wähler unterstützen. Freiwillige Verpflichtungen haben nichts verändert. Wir müssen endlich tätig werden. ({17}) Frau Schröder redet in der heutigen Debatte ja gar nicht; vielleicht ist es auch besser so. ({18}) Was sie gestern gesagt hat, war schon sehr abstrus. Sie hat gesagt, wer sie nicht bei der Flexiquote unterstütze - die nichts anderes ist als wieder einmal nur eine Selbstverpflichtung -, der würde diesem Ziel in den Rücken fallen. Darauf muss man erst einmal kommen aber okay. ({19}) An anderer Stelle hat sie sich noch klarer geäußert. Dem Wiesbadener Kurier gegenüber sagte sie: Eine starre Quote halte ich grundsätzlich für problematisch. ({20}) Es ist nicht Aufgabe des Staates, den verschiedensten Unternehmen ein und dieselbe Quote zu verordnen. ({21}) Das Grundgesetz gilt doch wohl für alle, oder? ({22}) Frauen und Männer sind gleichberechtigt, und zwar in allen Unternehmen. Das ist die Zielstellung, und dazu bekennen wir uns. Ich glaube, wir haben die große Chance, noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zu verabschieden und endlich international aufzuholen. Wir können die Weichenstellung vornehmen, Frauen in der Wirtschaft in Führungspositionen zu bringen. So könnten wir bewirken, dass die Frauen in Führungspositionen mit dazu beitragen, dass alle Arbeitsplätze tatsächlich geschlechtergerecht besetzt werden. Frauen haben einen anderen Blick. Genau deshalb arbeiten Unternehmen, die gemischte Führungsgremien haben, erwiesenermaßen besser. Frauen sorgen nämlich oftmals für ein besseres Betriebsklima. Frauen ist zum Beispiel klar, dass man dann am besten arbeiten kann, wenn man weiß, dass die Kinder gut versorgt sind. Dafür stehen Frauen. Ich glaube, dieses Thema ist es wert, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen. In diesem Sinne werbe ich für den Gesetzentwurf der SPD. Unsere Unterstützung haben Sie. ({23}) Danke. ({24})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Marco Buschmann hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal bei den Erstellern der Beratungsgrundlage bedanken. ({0}) Die Erstellung eines Gesetzentwurfes ist immer eine besondere Leistung, ({1}) die über die Erarbeitung eines bloßen Entschließungsantrags hinausgeht. Auch wenn uns das Ziel der Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen in diesem Hause eint, ({2}) wird Sie nicht verwundern, dass wir als FDP-Fraktion diesen Gesetzentwurf nicht unterstützen werden. ({3}) Denn das Instrument einer allgemeinen Zwangsquote für die Leitungsorgane der Privatwirtschaft halten wir schlichtweg für falsch. Warum das so ist, möchte ich mit drei grundsätzlichen Bemerkungen begründen. ({4}) Die erste Bemerkung lautet: Zwangsquoten bringen nichts. Sie bringen keinen gesellschaftlichen Fortschritt, ({5}) und sie bringen kaum einer Frau etwas. ({6}) Von einer Zwangsquote würde allenfalls eine verschwindend geringe Anzahl von Frauen profitieren. ({7}) Nehmen wir das Beispiel der immer wieder zitierten Gruppe der DAX-Vorstände. ({8}) Dabei geht es um 450 bis 500 Personen in Deutschland. 40 Prozent davon - abzüglich der Frauen, die bereits in Amt und Würden sind - sind weniger als 200 Frauen. ({9}) Bezogen auf die 15 Millionen erwerbstätigen Frauen in Deutschland ist das eine Quote von - hören Sie genau zu! - 0,00001. ({10}) Von Ihrer Zwangsquote würde nur jede Hunderttausendste berufstätige Frau profitieren. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung wäre es gar nur jede Fünfhunderttausendste Frau. ({11}) Sie betreiben hier keine Gesellschaftspolitik. Was Sie betreiben, ist ein Elitenprojekt für die Champagneretage. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Buschmann, Frau Ziegler würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchte Sie sie zulassen?

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wer?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Ziegler.

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. Sehr gern.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Dagmar Ziegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weiß nicht, warum Sie den Begriff einer gesetzlichen Zwangsquote verwenden; denn das hat nichts mit Zwang zu tun. Sonst wären alle Gesetze Zwangsgesetze. Das halte ich für eine sehr verwerfliche Formulierung von Ihnen. Wenn Sie aber sagen, dass der Nutzen einer solchen Quote so gering sei, warum fürchten Sie sie dann? ({0})

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie müssen stehen bleiben, damit ich Ihre Frage beantworten kann. ({0}) Die erste Antwort auf Ihre Frage ist: Ich nenne das Zwangsquote, weil sich die gesetzliche Quote dadurch von der Selbstverpflichtung unterscheidet, dass die Regelung notfalls mit gesetzlichem Zwang durchgesetzt wird. Deshalb ist die Bezeichnung „Zwangsquote“ selbstverständlich zutreffend; denn sie unterscheidet sich auch nicht von anderen Formen des gesetzlichen Zwangs. Das Zweite ist: Ich fürchte eine Quote überhaupt nicht. Die Quote ist allerdings ein Instrument, das nichts bringt, und was nichts bringt, gehört nicht ins Bundesgesetzblatt. Das Bundesgesetzblatt gehört nicht aufgebläht mit überflüssigen Maßnahmen. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, es gäbe noch eine zweite Zwischenfrage zur Verlängerung Ihrer Redezeit, und zwar eine Frage des Kollegen Oppermann.

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr gern.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Unter Männern. - Herr Oppermann, bitte schön.

Thomas Oppermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003820, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege, Sie sagen, dass freiwillige Vereinbarungen zur Besetzung von Spitzenpositionen mit Frauen ausreichen, dass diese Vereinbarungen gut funktionieren. Daher frage ich Sie, ob Sie wissen, wie viele Frauen in der Bundesregierung von der FDP gestellt worden sind. Die FDP war 46 Jahre lang an der Bundesregierung beteiligt. Wissen Sie, wie viele FDPFrauen in dieser Zeit ein Ministeramt bekleidet haben? ({0})

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist eine hochinteressante Frage, die aber nichts mit dem Thema der heutigen Debatte zu tun hat und deshalb neben der Spur liegt. ({0}) Heute geht es um Leitungsorgane in der Privatwirtschaft. Insofern halte ich das für eine Nebelkerze, die Sie hier zünden. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Oppermann möchte eine zweite Fragen stellen. Herr Buschmann entscheidet, ob er diese zulässt.

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Selbstverständlich. - Herr Kollege Oppermann, auch für die zweite Nebelkerze bin ich sehr dankbar.

Thomas Oppermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003820, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe nur die Frage stellen wollen, ob Sie wissen, wie viele Ministerinnen die FDP gestellt hat. Wenn Sie das nicht wissen, kann ich Ihnen helfen. Es waren nämlich zwei FDP-Ministerinnen in 46 Jahren. In dieser Zeit hätten Sie aber doch die Möglichkeit gehabt, hochqualifizierte FDP-Frauen ins Kabinett zu holen. Warum ist das nicht geschehen?

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Kollege Oppermann, die Frage, wen wir ins Kabinett schicken und wie sich Kabinette zusammensetzen, hat mit der Frage, wie sich Leitungsorgane der Privatwirtschaft zusammensetzen, schlichtweg nichts zu tun. Herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Würden Sie Herrn Beck auch noch eine Frage stellen lassen?

Dr. Marco Buschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004023, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Mit Rücksicht auf die Redner der nachfolgenden Debatten meine ich, dass wir in der Debatte vorwärtskommen sollten. Insofern lehne ich diese Zwischenfrage jetzt ab. Zwangsquoten verhelfen den betroffenen Gesellschaften auch nicht zu mehr Ausgewogenheit in der Gesamtbelegschaft. Ich habe an dieser Stelle schon sehr häufig auf die sozialwissenschaftlichen Belege dafür hingewiesen, dass die einfache Formel „Frauen oben fördern Frauen unten“ empirisch schlicht falsch ist. Statt Zwangsquoten bedarf es echter Gesellschaftspolitik. Dazu gehören intelligente Arbeitszeitmodelle auch für Führungskräfte sowie vor allen Dingen verlässliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten, und zwar jenseits der normalen Kernarbeitszeiten; denn hier treten sehr häufig Probleme auf. Eine Zwangsquote bietet all das aber natürlich nicht. Meine zweite grundsätzliche Anmerkung lautet: Tun Sie bitte nicht immer so, als ob gar nichts passieren würde. Sie haben natürlich recht - und das ist auch mit eine Antwort auf die Frage des Kollegen Oppermann -, wenn Sie sagen, dass die Vereinbarungen der rot-grünen Bundesregierung selbstverständlich nichts gebracht haben. Auch wir attestieren Ihnen gerne vollständiges Versagen. Ignorieren Sie aber doch bitte nicht, dass es 2010 eine Änderung des Corporate Governance Kodex mit neuen Regeln für mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten gab. ({0}) Wenn Sie den Anteil der Frauen in der Gruppe der dann neu gewählten Vorstände mit ihrem Anteil in diesen Gremien insgesamt vergleichen, dann stellen Sie fest, dass der Faktor 4 beträgt. ({1}) - Ein Faktor 4 ist nicht nichts! Natürlich ist das Niveau noch niedrig, aber dieser Faktor 4 ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. ({2}) Damit komme ich zu meiner dritten Bemerkung. Hören Sie bitte auf, immer die Privatwirtschaft an den Pranger zu stellen. Sie tun immer so, als ob das eine Insel der Fortschrittsverweigerer wäre, ({3}) die man mit Zwangsmitteln bessern müsse. Frau Kollegin Voßhoff hat bereits darauf hingewiesen, dass sich diese Probleme auch in anderen Organisationen finden, denen Sie seltsamerweise nicht mit Zwang zu Leibe rücken wollen. Ich nenne zum Beispiel die Tatsache, dass die größten Arbeitgeber in Deutschland gar keine privatwirtschaftlichen Unternehmen mehr sind. Das sind nämlich die gemeinnützigen Wohlfahrtsverbände. Schauen Sie sich die Vorstände dieser Unternehmen an, in denen überproportional viele Frauen beschäftigt sind. Ist da denn Geschlechtergerechtigkeit in Ihrem Sinne verwirklicht? Der Paritätische Gesamtverband hat einen Vorstand mit sieben Mitgliedern. Eines davon ist weiblich. Warum rücken Sie denen denn nicht zu Leibe? Oder schauen Sie sich den Bereich der politischen Bildung an. Bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gibt es elf ordentliche Vorstandsmitglieder. Zwei davon sind weiblich. ({4}) Warum rücken Sie denen denn nicht mit Zwang zu Leibe? ({5}) Sie sind also der Meinung, dass man mit Zwang arbeiten muss. Warum aber nicht bei denen? Ist gemeinnützige Arbeit etwa weniger wert? ({6}) Ich glaube das nicht. Ich sage Ihnen, warum Sie das nicht tun und warum Sie bei diesen Organisationen kneifen: wegen all der SPD-Funktionäre in den Gremien dieser Organisationen, die Sie dann nämlich auf die Straße setzen müssten, um die Quoten zu erfüllen. Dass Sie dort kneifen, ist Ausdruck reiner Lobbypolitik im Sinne der SPD und der männlichen SPD-Funktionsträger. ({7}) Neben diesen drei grundsätzlichen Bemerkungen könnte ich auch noch jede Menge rechtstechnischer Ungereimtheiten und großer Ungerechtigkeiten für kleine Gesellschaften in dem Entwurf ansprechen. Zum Beispiel ist Ihre 20-Prozent-Quote für die kleinen AGs faktisch eine 50-Prozent-Quote. Auf all das werden wir im Rahmen der zweiten Lesung aber noch zu sprechen kommen. Die FDP bleibt bei ihrem klaren Nein zu Zwangsquoten. Herzlichen Dank. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ekin Deligöz hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, die wir hier führen, löst bei mir ambivalente Gefühle aus. Zum einen freue ich mich, dass die Debatte fortgesetzt wird, dass nach dem Gesetzentwurf der Grünen auch die SPD einen Gesetzentwurf vorlegt und zeigt, wie es gehen kann, und dass wir eine breite Zustimmung der Frauen in diesem Haus für eine gesetzliche Frauenquote haben. Zum anderen schmerzt es mich, ehrlich gesagt, solchen Reden zuhören zu müssen. ({0}) Noch mehr schmerzt es mich, dass die zwei zuständigen Ministerinnen es noch nicht einmal für notwendig halten, in diesem Raum zu sein. ({1}) Ich habe aus den Reihen der CDU/CSU gehört, die zuständige Ministerin von der Leyen sei ja da. Ich wünschte mir, Frau von der Leyen wäre die zuständige Ministerin, weil sie die Zeichen der Zeit erkannt hat. ({2}) Die zuständige Frauenministerin hält es noch nicht einmal mehr für nötig, sich für eine Flexiquote einzusetzen. Stattdessen glänzt sie hier durch Abwesenheit. Sie ist in der großen weiten Welt unterwegs und nicht hier, um Politik zu machen. Das ist das Problem, das wir hier haben. Das sollten auch Sie erkennen. Ihre Frauen, die sich für die Sache einsetzen, müssen sich nach hinten setzen und dürfen hier vorne nicht das Wort ergreifen. Das sollten Sie einmal wahrnehmen. ({3}) Wie viel Zeit wollen Sie eigentlich noch vertrödeln, bevor Sie die Zeichen der Zeit erkennen? Was soll denn noch alles geschehen? Viel schlimmer noch: Wie stark will diese FDP Frauen in diesem Land noch diffamieren? ({4}) Dazu will ich Ihnen ein Beispiel nennen: In dieser Woche sagte Herr Patrick Döring ({5}) im Hamburger Abendblatt, das Thema Frauenquote sei ein „Luxusprogramm“. ({6}) Falls Sie es nicht mitbekommen haben: Gleichberechtigung ist in diesem Land kein Luxusprogramm, meine Herren. ({7}) Ich sage bewusst „meine Herren“; denn der Anteil der Damen ist in Ihrer Fraktion ja verschwindend gering. Es ist kein Luxus, sich in diesem Land für Gleichberechtigung einzusetzen; das steht vielmehr in unserer Verfassung. Sie sind verpflichtet, sich dafür einzusetzen. Dieser Verpflichtung müssen wir endlich nachkommen. Die Diffamierung von Frauen in diesem Land steht keiner Fraktion in diesem Haus zu. Sie sollten sich fragen, wie weit Sie damit kommen werden. ({8}) Warum wollen wir die Frauenquote? Warum kämpfen wir dafür? Weil es um die Sache geht. Es geht um die Inhalte; die Quote ist kein Selbstzweck. Wir wissen: Erst mit dem weiblichen Blick in den Führungsstrukturen können wir auch etwas für die Arbeitnehmerinnen insge19756 samt tun. Damit können wir etwas in der Geschäftskultur und in den Führungs- und Personalstrukturen ändern. Auch deshalb wollen wir mehr Frauen in den Führungsetagen. Wir wollen die festgefahrenen männlichen Strukturen aufbrechen. Es gibt auch genug Männer, denen diese festgefahrenen Strukturen nicht gefallen. Deshalb wollen wir Frauen in den Führungsetagen. Wir wollen die Besten der Besten aus diesem Land in verantwortungsvollen Positionen, statt nur deshalb auf Talente zu verzichten, weil es weibliche Talente sind. ({9}) Wir wollen Wettbewerbsfähigkeit, und wir wollen die Wirtschaft stärken. Lesen Sie die Studien, die es dazu gibt. Wenn Frauen an der Spitze stehen, dann sind Unternehmen viel besser dran als die mit einer reinen Männerspitze. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, wenn Sie tatsächlich eine gute Wirtschaftspolitik machen wollen, meine Herren von der FDP. Auch darum geht es bei der Frauenquote. ({10}) Die Berliner Erklärung zeigt, dass es im Bundestag genug Frauen gibt, die verstanden haben, worum es geht. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die SPD hat nun auch einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir beweisen, dass es möglich ist. Wir können das machen. Die Frauen in den Unternehmen beweisen: Es gibt genug qualifizierte Frauen. Inzwischen gibt es Datenbanken, die zeigen, wie viele Frauen nicht nur dafür infrage kommen, sondern auch bereit sind, verantwortungsvolle Führungspositionen zu übernehmen. Es gibt diese Frauen. Diese Chance hat das Land. Diese Chance nicht zu ergreifen, wäre eine Schande. Absichtserklärungen reichen uns nicht mehr; wir wollen mehr. Frei nach dem Sozialphilosophen Charles Fourier, der das bereits im 18. Jahrhundert sagte, gilt: Der soziale Fortschritt erfolgt nur dann, wenn wir auch Fortschritte in den Rechten der Frauen manifestieren. - Was damals gesagt wurde, gilt noch heute. ({11}) Wenn Sie eine Modernisierungspartei sein wollen, dann müssen Sie das ernst nehmen. Ohne Frauen wird das nicht funktionieren. Vielen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Dr. Stephan Harbarth für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Stephan Harbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004049, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich glaube, bei allen Unterschieden, die heute zutage getreten sind, sollten wir uns zunächst einmal vor Augen führen, wo wir eigentlich beieinander sind. Ich glaube, wir sind in der Bewertung der Ausgangslage relativ eng beieinander. Wir sind relativ eng beieinander in der Feststellung, dass der Frauenanteil gerade in den großen Unternehmen in Deutschland viel zu niedrig ist. Das zeigt etwa ein Blick auf die Vorstände der DAX-Unternehmen mit einem Frauenanteil von weniger als 5 Prozent. Das ist inakzeptabel. Darin teile ich uneingeschränkt Ihre Auffassung, Frau Kollegin Högl. Unterschiedlicher Auffassung sind wir in der Frage, welche Konsequenzen wir ziehen müssen, um das Ziel der Erhöhung des Frauenanteils besser zu erreichen. Dabei haben wir die grundsätzliche Frage zu beantworten, ob wir auf starre Vorgaben und starre Lösungen oder auf flexible Modelle und passgenaue Lösungen setzen. Aus unserer Überzeugung ist Letzteres der bessere Weg. Warum? Ein Blick auf unsere Wirtschaft zeigt: Wir haben sehr unterschiedliche Branchen mit völlig unterschiedlichen Frauenanteilen. In der Branche der Energiewirtschaft und Wasserversorgung liegt der Frauenanteil bei 14 Prozent. In der Baubranche beträgt der Frauenanteil 17 Prozent. Im Maschinenbau sieht es wenig besser aus. Wenn wir in den Dienstleistungsbereich schauen, stellen wir fest: Es gibt Branchen, in denen der Frauenanteil über 50 Prozent - mitunter weit über 50 Prozent liegt. So klar es ist, dass es ungerecht ist, wenn Frauen und Männer in der Arbeitswelt unterschiedlich behandelt werden, so klar ist nach meiner Überzeugung auch: Es ist ungerecht, eine Quote von 40 Prozent über alle Unternehmen zu legen ({0}) völlig unabhängig davon, ob das eine Branche mit einem Frauenanteil von 17 Prozent ist oder eine Branche mit einem Frauenanteil von 60 oder 70 Prozent. Das passt nicht. Deshalb ziehen wir passgenaue und maßgeschneiderte Lösungen vor. ({1}) Wenn Sie erklären, wie eben wieder geschehen, das sei alles auch im wohlverstandenen Interesse der Unternehmen - es gebe ja Studien, die belegten, dass Unternehmen dann besser geführt würden -, müssen Sie sich schon fragen lassen, warum Sie Ihren Gesetzentwurf eigentlich so eng angelegt haben. Diese Studien führen nämlich nicht nur zu dem Ergebnis, dass Vorstände, Aufsichtsräte und sonstige Gremien besser arbeiten, wenn in ihnen beide Geschlechter angemessen berücksichtigt sind. Vielmehr sprechen diese Studien für mehr Diversität in einem viel breiteren Sinne. ({2}) Sie plädieren dafür, etwa die unterschiedlichen beruflichen Hintergründe, die Menschen haben, stärker zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass nicht nur Techniker, Kaufleute oder Juristen in den Gremien sitzen, sondern dass es eine gesunde Mischung gibt. Diese Studien besagen: Es kommt auch auf die regionale Herkunft an; Aufsichtsgremien, denen Europäer und vielleicht Amerikaner oder Asiaten angehören, ({3}) sind aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit Gremien, die zu einseitig besetzt sind, vorzuziehen. Wenn Sie aus diesen Studien nur ein Segment herausgreifen, das Ihnen gerade opportun erscheint, ({4}) setzen Sie sich schon dem Vorwurf aus, dass Ihr Gesetzentwurf zu eng angelegt ist. ({5}) Meine Damen und Herren, Sorgen bereitet mir bei Ihrem Entwurf, dass er in seinem Anwendungsbereich weit über die DAX-30-Unternehmen hinausgeht, an die wir in der Diskussion häufig denken. ({6}) Sie wollen nämlich den Anwendungsbereich auf mitbestimmte Unternehmen ausdehnen. Wir haben in Deutschland 700 paritätisch mitbestimmte Unternehmen. Wir haben 1 500 drittelparitätisch besetzte Unternehmen. ({7}) - Ich weiß, dass Sie schon immer gewisse Probleme mit dem Mittelstand hatten. Der passt nicht so sehr in Ihr Weltbild wie Großkonzerne. ({8}) Wir sind der festen Überzeugung, dass gerade die mittelständischen Betriebe das Herz unserer Wirtschaft sind. Darunter sind viele Betriebe, die nicht von morgens bis abends von der Sorge geplagt sind, wie sie möglichst viel Frauenfeindlichkeit und Frauenbenachteiligung umsetzen könnten. Vielmehr gehen diese Betriebe sehr pragmatisch vor. Das sind häufig Familienunternehmen, in denen die Frage, wie ein Geschäftsführungsorgan oder ein Beiratsorgan in der nächsten Generation besetzt wird, schlicht und ergreifend davon abhängt, ob die Unternehmerfamilie in der nächsten Generation vielleicht zwei Töchter oder ob sie zwei Söhne hat. ({9}) Warum Sie in Ihrem Regelungsansatz weit über die börsennotierten Großunternehmen hinausgehen und sagen: „Wir wollen in all diese Unternehmen hineinregieren“, ist für uns nicht nachvollziehbar. Es gibt Familienunternehmen, in denen es seit jeher Tradition war, dass das Unternehmen von Mitgliedern der Familie geführt wird. Wenn das Unternehmen in einer Generation eben zwei weibliche Familienmitglieder hat, die das Unternehmen führen möchten: Warum nicht? Warum muss dann unbedingt ein männlicher Fremdgeschäftsführer eingestellt werden? ({10}) Ein weiterer Punkt kommt hinzu: die kurzen Übergangsfristen. Frau Kollegin Högl, Sie haben gesagt, dass Sie niemanden rauswerfen möchten. Was die Aufsichtsratswahlen betrifft, mögen Sie mit Ihrem Regelungsansatz recht haben. Im Hinblick auf die Vorstände und die Geschäftsführer haben Sie nicht recht. In aller Regel werden Geschäftsführerverträge eben nicht für ein paar Monate abgeschlossen, sondern für drei, vier oder fünf Jahre. Wenn Sie jetzt sagen: „Wir wollen ab 2013 Neuregelungen haben“, führt das für viele Unternehmen dazu, dass sie das Problem auf der Geschäftsführungsebene nicht einfach bei der nächsten routinemäßigen Besetzung lösen können. Für diese Unternehmen führt es schlicht und ergreifend dazu, dass sie neben den Geschäftsführern, die sie im Augenblick haben, weitere Geschäftsführer einstellen müssen und sich damit die Kosten für das Unternehmen erhöhen. Das mag bei Großunternehmen eine vernachlässigbare Größe sein. Für einen mittelständischen Unternehmer macht es aber einen Unterschied, ob er zwei, drei oder vier Geschäftsführer bezahlen muss. ({11}) Nach meiner Meinung stellen Sie in Ihrem Gesetzentwurf diese Thematik in keinen ausreichend breiten Zusammenhang. Es geht auch um Fragen der Frauenförderung weit unterhalb der Vorstandsebene. Wir müssen sicherstellen, dass der Anteil weiblicher Führungskräfte zunimmt, damit im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte quasi hineinwachsen können. Wir sind in der Union der Auffassung, dass der richtige Weg nicht eine starre Quote, sondern ein Konzept ist, das sich an einen Stufenplan anlehnt. In der Tat kann es kein Weiter-so wie in den letzten Jahren geben. Aber wir brauchen keine einheitliche, pauschalierende Quote für alle Unternehmen, sondern eine maßgeschneiderte Lösung, die branchenspezifischen Besonderheiten und der jeweiligen Situation der Unternehmen Rechnung trägt. ({12}) Dass ein solcher Gesetzentwurf vorgelegt wird und dass einzelne Reden mit Heftigkeit, Vehemenz und mitunter sogar mit Schärfe vorgetragen werden, hat möglicherweise etwas damit zu tun, dass von der Frauenpolitik der rot-grünen Bundesregierung eigentlich nicht mehr in Erinnerung geblieben ist als die dümmliche Bemerkung des damaligen Kanzlers, Frauenpolitik sei Gedöns. Herr Kollege Oppermann, falls Sie sich nicht mehr richtig erinnern können: Es ist Gerhard Schröder, von dem das stammt. ({13}) Aber dass dümmliche Äußerungen von Gerhard Schröder keine Seltenheit sind, haben wir auch in dieser Woche zur Genüge erleben dürfen. ({14}) Wir werden mit der Umsetzung unseres Konzepts, das vorsieht, den Frauenanteil mit maßgeschneiderten Lösungen zu erhöhen, fortfahren. ({15}) Wir werden aber jede Vorlage, die auf Quotierung, Regulierung und staatlichen Dirigismus setzt, ablehnen. Vielen herzlichen Dank. ({16})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Caren Marks hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Caren Marks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003587, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit der Lippenbekenntnisse muss endgültig vorbei sein. Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, erhalten von uns, der SPD-Bundestagsfraktion, die Gelegenheit, sich nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zu beteiligen. ({0}) Allen, die es mit der Forderung nach mehr Frauen in Führungsfunktionen - mindestens 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen - wirklich ernst meinen, können am Ende des parlamentarischen Verfahrens unserem Gesetzentwurf zustimmen. ({1}) Wir freuen uns über alle, die diese parlamentarische Initiative konstruktiv begleiten und unterstützen. Nachdem bei der schwarz-gelben Regierungskoalition Fraktionsdisziplin ja keine so große Rolle mehr spielt, hoffe ich natürlich auf Unterstützung auch aus Ihren Reihen. ({2}) Denn damit erhielten auch all die gesellschaftlichen Kräfte, die sich für eine Quotenregelung engagieren, ein klares, ein notwendiges Signal aus der Politik. Ich denke dabei zum Beispiel an den Deutschen Juristinnenbund und seine engagierte Aktion „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“. Erst letzte Woche haben führende Journalistinnen einen Aufruf gestartet, um eine 30-Prozent-Quote in den Chefetagen der Redaktionen einzufordern. Heute, ganz aktuell, ist nachzulesen, dass selbst Olaf Henkel eine gesetzliche Quote in Aufsichtsräten fordert. ({3}) Diese Beispiele machen deutlich: Große Teile unserer Gesellschaft fordern unüberhörbar die angemessene Beteiligung von Frauen ein. Und ich sage: Recht haben sie! ({4}) Dennoch ist diese Bundesregierung handlungsunwillig, wenn es um Frauen- und Gleichstellungspolitik geht. Das beste Beispiel dafür ist uns zu Beginn dieser Woche geboten worden: Da verbittet sich Ministerin Schröder, die es heute noch nicht einmal nötig hat, anwesend zu sein, ({5}) und die eigentlich auch Frauenministerin sein sollte, weitere Einmischungen. Deutschland brauche keine bürokratischen Vorschriften und Belehrungen aus Brüssel. ({6}) Wir hingegen, die SPD-Bundestagsfraktion, begrüßen ausdrücklich das Engagement der EU-Kommissarin Viviane Reding für gesetzliche Regelungen. ({7}) Frau Reding hat uns sehr deutlich vor Augen geführt, wie schlecht es bei uns in Deutschland um den Anteil von Frauen in Führungspositionen im europäischen Vergleich aussieht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Besetzung von Vorstandsposten finden wir Frauen uns in Deutschland am Schluss wieder. Bei den Aufsichtsratsmandaten rangiert Deutschland im unteren Drittel. Selbst diese Position ist nur der Tatsache geschuldet, dass die Rate der entsandten Frauen auf der Arbeitnehmerseite höher ist. Das ist beschämend. Frauen sind bei den Schlüsselpositionen der deutschen Wirtschaft weiterhin außen vor. Überwiegend prägen reine Männerrunden die Unternehmenskultur und damit die Arbeitswelt in unserem Land. Trotz dieser Tatsachen handelt die Bundesregierung nicht. Frau Schröder setzt weiter unbeirrt auf die Freiwilligkeit der Wirtschaft, und diese Woche konnten wir den Medien entnehmen, dass sie vor der FDP eingeknickt sei und selbst ihre wachsweiche Flexiquote zu den Akten gelegt habe. Diese Regierung kommt frauenpolitisch einfach nicht voran. Sie ist zerstritten, und sie ist somit handlungsunfähig. Wir haben eine Bundesfrauenministerin, die durch ihre „Nichthaltung“ und ihren Beitrag in der gestrigen Debatte zum Internationalen Frauentag signalisiert, dass ihr dieses Thema eigentlich egal ist. ({8}) Außerdem haben wir eine Bundesarbeitsministerin, die jetzt, dank einer gereiften Erkenntnis, eine gesetzliche Quote von 30 Prozent fordert. Als sie noch Frauenministerin war, habe ich ein entsprechendes Engagement vermisst. Aber ich sage ganz ehrlich: Ich freue mich über Ihre Unterstützung. Ich finde es auch gut, dass Sie heute hier sind und damit ein Zeichen setzen, Frau von der Leyen. ({9}) Dann ist da noch eine Bundesjustizministerin, die ich heute genauso wie die Frauenministerin vermisse. Sie ist gleichstellungspolitisch uninteressiert und ignoriert die Meinung ihrer Länderfachkolleginnen und -kollegen. Diese haben nämlich auf der Justizministerkonferenz im Mai letzten Jahres festgehalten, dass die Einführung einer bundesgesetzlich geregelten Geschlechterquote dringend geboten ist. Und was macht die Kanzlerin? Nichts! Sie ist handlungsunwillig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz anderer Verlautbarungen von Frau Schröder ist gleichstellungspolitisch in diesem Land in den letzten Monaten nichts passiert. Der von Frau Schröder bejubelte Quotengipfel im Oktober 2011 ist im Ergebnis mehr als peinlich. Solche freiwilligen Unverbindlichkeiten führen nicht zum Ziel. Ich kann allen nochmals empfehlen: Sehen Sie sich die Entwicklung in Norwegen an: Dort ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten von 7 auf 42 Prozent gestiegen. ({10}) Das belegt eindeutig: Wenn es einen Schlüssel zum Erfolg gibt, dann ist es die gesetzliche Quote. Andere Länder sind diesem Beispiel im Übrigen inzwischen bereits gefolgt. ({11}) Nur in Deutschland glaubt die Bundesregierung auch nach über zehn Jahren freiwilliger Vereinbarung - ja, woran eigentlich? An ein Wunder? Die geschehen erfahrungsgemäß selten, eigentlich nie. Wir von der SPD-Fraktion warten nicht auf Wunder, sondern legen heute einen Gesetzentwurf vor. Damit wird ein entscheidender Beitrag für eine chancengerechte Teilhabe von Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen ermöglicht, und dies nicht nur bei den börsennotierten, sondern auch bei den mitbestimmten Unternehmen. Eine gesetzliche Quote wird mehr Frauen in Führungspositionen bringen. Am Ende zählt das Ergebnis. Auch wird die Quote eine Signalfunktion für die Unternehmenskultur und für die Arbeitswelt in unserem Land haben. Allen Kritikerinnen, die betonen, sie wollten keine Quotenfrauen sein, kann ich nur sagen: Die Quote öffnet lediglich die Tür. Beweisen müssen sie sich ohnehin selbst. ({12}) Unser Gesetzentwurf bürdet den Unternehmen keine Last auf, im Gegenteil: Mehr Frauen in Führungsfunktionen erhöhen die Chancen auf einen wirtschaftlichen Erfolg. Dies belegen auch diverse Studien. Außerdem kommt unser Gesetzentwurf ohne finanzielle Sanktionen und ohne Härtefallregelungen aus. Wenn die Quote nicht eingehalten wird, bleibt der Stuhl leer. Ich bin mir sicher: Dieser wird nicht lange leer bleiben. Auf ihm wird schnell eine kompetente Frau Platz nehmen. Nach kurzer Zeit wird darüber kein Wort mehr verloren, so wie in Norwegen. Die Frauen in Deutschland fordern zu Recht Taten statt Worte von Regierung und Parlament. Mit Ihrer Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf lassen wir den Worten Taten folgen. Tatsächliche Gleichstellung muss Realität auch bei uns in Deutschland werden. Ich bin mir sicher: Dafür lohnt es sich, zu kämpfen, auch über die Fraktionsgrenzen hinweg. Herzlichen Dank. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Unser Kollege Jörg von Polheim hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Jörg Polheim (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004220, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Debatte schon einiges gehört, einiges Richtige und viel Falsches. ({0}) Deshalb möchte ich als Handwerker und kleiner mittelständischer Bäckermeister in dieser Debatte auf die Auswirkungen Ihres Gesetzentwurfs auf den oder die ganz normale Berufstätige eingehen. Während wir Liberale und Christdemokraten uns mit der Materie „Chancengleichheit von Männern und Frauen“ eingehend auseinandersetzen und eventuell auch unpopuläre Meinungen vertreten, weil wir sie für richtig halten, fordert die SPD einen Stufenplan für eine 40-Prozent-Mindestquote für börsennotierte Gesellschaften, ({1}) womit man ganz herrlich Schlagzeilen produzieren kann, was jedoch in der Sache nur wenigen Hundert Unternehmen und Menschen hilft. ({2}) Dass Ihre Initiative zum Thema Quote lediglich an Symptomen herumdoktert und dabei an sämtlichen Alltagsproblemen der Bürgerinnen und Bürger vorbeigeht, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Was bringt Ihre Elitenquote für die Mutter von nebenan, die hart arbeitet und trotzdem Probleme hat, ihren Lebensunterhalt zu sichern? Nichts. ({3}) Welche spürbaren Verbesserungen ergeben sich für junge Singlefrauen, die zukunftssicher ihr Leben planen möchten? Keine. Oder anders gesagt: Wem nützt das, was Sie vorschlagen? Niemandem. ({4}) Anstatt mit Quotenregelungen staatlichem Zwang das Wort zu reden, sollte es Ihnen, wenn es Ihnen um die Sache ginge, vielmehr ein Anliegen sein, Angebote für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterbreiten. Damit wäre den berechtigten Anliegen der Frauen und übrigens auch vieler Männer weitaus mehr geholfen als mit einer Quote für einige wenige Führungsetagen. ({5}) Es geht hier um Chancengleichheit für alle Bürgerinnen und Bürger. Es geht um reale Fortschritte bei der Koordinierung von Kind und Karriere. Es geht um Menschen in unserem Land, um bessere Aufstiegschancen für Frauen in der Arbeitswelt, aber nicht um willkürlich festgesetzte Vorstandsquoten fernab der Lebenswirklichkeit unserer Bürgerinnen und Bürger. Diese Koalition hat viel für die berufliche Chancengleichheit getan, mehr als es durch jede Quote erreicht werden könnte. ({6}) Wir haben trotz Haushaltskonsolidierung zusätzliche 4 Milliarden Euro für den Rechtsanspruch auf die U-3Betreuung aufgebracht. Das erhöht die Chancen jeder einzelnen Frau, ihre Karriere individueller zu planen, als es je zuvor der Fall war. ({7}) In diesem Zusammenhang sollten Sie einmal zu Ihren Genossen nach Nordrhein-Westfalen schauen. Dort wird der Ausbau der U-3-Betreuung von der SPD-geführten Landesregierung massiv gekürzt, und Sie reden hier von Chancengleichheit. ({8}) - Schauen Sie einmal in den Landeshaushalt. - Diese Bundesregierung hat das Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“ und die Initiative „Familienbewusste Arbeitszeiten“ aufgelegt. Diese Programme sorgen dafür, dass Familienleben und Arbeitswelt besser in Einklang gebracht werden können. In Zukunft wird diese Koalition die Elternzeit flexibler gestalten. Durch diese Flexibilisierung wird es jungen Familien ermöglicht, mit einem Bein im Berufsleben zu bleiben, ohne auf eine Auszeit zum Wohle des Kindes verzichten zu müssen. All diese Initiativen sind weiche Faktoren, die uns langsam, aber stetig dorthin bringen sollen, wo beispielsweise Schweden schon heute ist: mehr Frauen in Vorstandsgremien - und das ohne staatlich verordnete Quote. Das ist ernst gemeinte nachhaltige Politik. ({9}) Jede unserer Initiativen hilft sowohl den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch den Arbeitgebern weitaus mehr als die von Ihnen vorgeschlagene Frauenquote für Vorstandsetagen. Die SPD möchte Frauen mit der Brechstange in die Vorstände bringen; ({10}) wir wollen Verbesserungen in der Sache. Sie bedienen Klischees; wir bedienen die Realität. Vielen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr von Polheim, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Dazu gratuliere ich Ihnen im Namen des Hauses recht herzlich und wünsche Erfolg für Ihre Arbeit hier. ({0}) - Küsse werden ins Protokoll aufgenommen; nur damit das klar ist. ({1}) Die nächste Rednerin ist Monika Lazar für Bündnis 90/Die Grünen.

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Quote wird in dieser Woche wieder sehr breit diskutiert. Trotz des Widerstands in der Koalition gibt es inzwischen eine breite Mehrheit, die sich für die Quote ausspricht, ({0}) unter anderem bei der Frauen Union und bei den Frauen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ministerin von der Leyen, die als einzige Ministerin hier zum Glück dabei ist, sagte erst kürzlich im Tagesspiegel: „Im Schneckentempo können wir nicht weitermachen“. Das ist richtig. ({1}) Die EU-Kommissarin Reding ist mit ihrer Geduld am Ende und wird handeln. Auch die Berliner Erklärung, für die sich Frauen aus allen Fraktionen zusammengefunden haben und die Tausende von Unterschriften trägt, spricht, denke ich, eine eindeutige Sprache. Die FDP - das hat man auch heute wieder gesehen hat anscheinend große Angst vor der Quote. ({2}) Sie sollten sie ruhig einmal ausprobieren. Ich glaube, dann hätten Sie auch ein paar Probleme weniger. ({3}) Generalsekretär Döring beklagt, dass eine gesetzliche Quote ein Eingriff in das Eigentum der Aktionärinnen und Aktionäre wäre. Damit hat er recht. Aus gutem Grund würde der Gesetzgeber eingreifen: zum Schutz vor Diskriminierung. Auch Herr Brüderle lehnt eine Quote ab. Zitat: „Frauen sind zu unterstützen, weil sie gut sind - nicht weil sie Frauen sind“. Was ist denn das für ein Argument? Das zeigt wieder einmal, dass die FDP das Prinzip der Quote immer noch nicht verstanden hat. ({4}) Wenn Sie allen Ernstes behaupten, eine Quote habe mit Leistung nichts zu tun, dann ignorieren Sie die wissenschaftlichen Ergebnisse zu den Leistungen von Frauen einerseits und ihren Aufstiegsmöglichkeiten andererseits. Wir müssen uns eben die besten Frauen aus dem Pool heraussuchen und dürfen nicht, als hätten wir Scheuklappen auf, nur auf die Männer setzen, die den meisten Unternehmen als Erstes einfallen. ({5}) Die Enttäuschung über die Frauen- und Geschlechterpolitik der Koalition sitzt tief. Selbst die dürftigen Ansätze der Frauenministerin werden von der FDP im Keim erstickt. So schrieb die taz am 5. März: „FDP muckt auf und Frau Schröder knickt ein“, und sie schrieb ferner von der FDP in „Ignorantenhausen“. Womit die Ministerin allerdings regelmäßig die Medien bedient, sind Ankündigungen von Gesetzentwürfen. Wir erwarten, dass sie ihre Vorhaben zuerst mit dem Koalitionspartner bespricht, dann uns im Plenum informiert, sodass wir es hier diskutieren können. Es kann nicht sein, dass wir immer nur in der Zeitung etwas lesen und dann nichts passiert. Auch die aktualisierten Zahlen aus dem Ministeriumsetat sprechen eine eindeutige Sprache. Besonders überrascht bin ich darüber, dass beim Titel „Gleichstellungspolitik in der Lebenslaufperspektive“ deutlich weniger ausgegeben werden soll als zunächst geplant. Sie haben doch erst gestern den Antrag zu diesem Thema eingebracht. Anscheinend ist das nicht mit Zahlen untermauert, oder Ihnen fällt nichts dazu ein. Auch zur Flexiquote und zum Stufenplan der Ministerin - so niedrig die Ziele darin auch sind - ist im aktuellen Haushaltsentwurf nichts Passendes mehr drin. Sie untergraben mit den Zahlen also Ihre eigenen Vorhaben mit den ohnehin schon niedrigen Zielen. Das ist wirklich ein Trauerspiel. ({6}) In dem Gleichstellungsbericht, den wir gestern mit diskutiert haben, heißt es sehr eindeutig: Die Kosten der gegenwärtigen Nicht-Gleichstellung übersteigen die einer zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik bei weitem. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, und handeln Sie danach! Wir wollen nicht mehr länger darauf warten, dass es endlich einmal vorangeht. Die Opposition handelt wieder einmal. Heute steht der Gesetzentwurf der SPD auf der Tagesordnung. Wir Grünen haben vor reichlich einem Jahr einen Gesetzentwurf zu den Regelungen bei Aufsichtsräten und danach noch einen Antrag zu den Regelungen bei Vorständen eingebracht. Auch von der Linksfraktion liegen Vorschläge vor. Ich denke, selbst wenn sich unsere einzelnen Vorschläge etwas unterscheiden, ist die Richtung doch die gleiche. ({7}) Uns allen sollte klar sein: Freiwillige Vereinbarungen haben nichts gebracht. Die gläserne Decke lässt sich so einfach nicht durchbrechen. Ich rufe die Ministerin auf - Herr Kues, richten Sie es ihr bitte aus, da sie heute nicht da ist; vielleicht kommt ja im Laufe der nächsten Monate doch noch etwas -: Wir müssen wirklich handeln; denn - dies wurde schon angesprochen - die meisten der Aufsichtsratsposten werden im nächsten Jahr neu besetzt. Deshalb ist es Zeit, in diesem Jahr etwas vorzulegen. Die Vorschläge der Opposition liegen vor. Suchen Sie sich etwas aus. Wir diskutieren gern im Detail darüber. Meine Bitte zum Schluss: Tun Sie endlich etwas! Danke. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich darin einig, dass es in Deutschland nach wie vor erhebliche Defizite bei der Gleichstellung von Männern und Frauen gibt und dass das namentlich auch in der Privatwirtschaft der Fall ist. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen bewegt sich weiterhin auf einem unbefriedigend niedrigen Niveau. Deswegen sollte auch Einigkeit darin bestehen, dass das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Nur, wenn wir dieses Thema als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachten, dann muss das auch in unseren Debatten zum Ausdruck kommen. Dann muss es auch eine Beteiligung von Männern an dieser Debatte geben. ({0}) Ich stelle fest, dass von der CDU, der CSU und der FDP Männer an dieser Plenardebatte teilnehmen. Ich frage Sie von der Opposition: Wo sind Ihre Männer? ({1}) Sie lassen die Frauen reden. ({2}) Ihre Männer aber bleiben bei diesem Thema stumm ({3}) und rücken damit die Gleichstellung von Frauen in eine Nische, in die sie gerade nicht gehört. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Silberhorn, der Kollege Beck hat das jetzt persönlich genommen. Er würde gern eine Zwischenfrage stellen.

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme gleich zu den Grünen. - Ich erinnere mich noch sehr gut an die Worte von Bundeskanzler Gerhard Schröder über Frauen. Er sprach von „Gedöns“. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Sie haben noch nicht viel dazugelernt. Sie als Frauen in der SPD müssen Ihre Männer bei dieser Diskussion in Mitverantwortung nehmen. ({0}) Wie kann es sein, dass in der Tante SPD immer nur Onkels das Sagen haben? Denn dort, wo es um Spitzenfunktionen geht - Fraktionsvorsitzende und Parteivorsitzende -, finden Frauen in der SPD nicht statt. ({1}) Frauen an der Spitze sind in der SPD Fehlanzeige. ({2}) Bei den Grünen schaut es nicht allzu viel besser aus, wenn ich in die Zeitungen der letzten Tage schaue. Die Financial Times Deutschland titelte am 7. März: „Bedrohte Art: Die grüne Spitzenfrau“. Es ist die Rede davon, dass die Doppelspitze für 2013 infrage gestellt wird und dass in den Ländern die Doppelspitze vielfach nicht mehr vorhanden ist. Die ehemalige Kollegin Antje Hermenau wird mit dem Satz zitiert: Die Quote ist unverzichtbar für die Erstchance, damit Frauen zeigen können, was sie drauf haben. Aber weiter heißt es dann: Für die ganz hohen Weihen ist sie nicht unbedingt das beste Auswahlkriterium.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Silberhorn, jetzt hat sich Herr Beck noch einmal gemeldet.

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde gerne fortfahren. ({0}) Wir haben in der CDU und in der CSU - von Angela Merkel bis Gerda Hasselfeldt - kein Problem mit Frauen an der Spitze. ({1}) Deswegen sage ich Ihnen sehr deutlich: Die Politik muss in dieser Debatte schon ihre Vorbildfunktion wahrnehmen. Sie alle sollten sich an die eigene Nase fassen und nicht mit dem Finger auf andere zeigen. ({2}) Ich möchte deutlich machen - da können Sie mir sicherlich wieder zustimmen -, dass wir einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen müssen. Gleichstellungspolitik - das ist ein Ergebnis des Ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung, über den wir gestern im Plenum diskutiert haben - soll sich an den grundgegebenen natürlichen Unterschieden zwischen den Geschlechtern orientieren. Es kann nicht darum gehen, unterschiedliche Verhaltensweisen und unterschiedliche Lebensverläufe von Männern und Frauen zu negieren. ({3}) Im Gegenteil, Gleichstellungspolitik muss diese unterschiedlichen Lebensverläufe ermöglichen. Deshalb brauchen wir flexible und differenzierte Konzepte für verschiedene Lebensphasen. Eine gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen muss in allen Etappen des Lebensverlaufs gewährleistet sein. ({4}) Dies liegt nicht nur im Interesse der Frauen. Auch Männer stoßen oft auf Widerstand ({5}) - Sie sollten das nicht lächerlich machen; das ist ein Faktum -, ({6}) wenn sie selber Verantwortung für ihre Familie, für ihre Kinder übernehmen wollen und Elterngeld beantragen oder zugunsten der Familie Teilzeit arbeiten möchten. Deswegen liegt es auch im Interesse der Frauen, dass Männer zunehmend ihren Teil der Verantwortung für die Familie wahrnehmen. ({7}) Natürlich reden wir unstreitig über eine vorhandene Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben. Das stellt nicht nur eine Beeinträchtigung ihrer individuellen Chancengleichheit, sondern auch eine Verschwendung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ressourcen dar. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung und den wachsenden Bedarf an Fachkräften können wir uns das schlicht nicht länger leisten. Deswegen sage ich sehr deutlich: Abwarten und nichts tun ist aufgrund der festgestellten Missstände und der offenkundigen Defizite keine Lösung. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung in der Wirtschaft bisher nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt hat. Ich bin allerdings der Auffassung, dass die gesetzgeberische Verantwortung zunächst darin besteht, die Wahrung gleicher Teilhabe sicherzustellen, und nicht darin, die gleiche Teilhabe selbst zu realisieren. Der Gesetzgeber darf an dieser Stelle nicht über das Ziel hinausschießen, sondern muss die Eigenverantwortung der Wirtschaft einfordern. ({8}) Ich darf feststellen, dass hier in den letzten Monaten und Jahren ein Umdenken eingesetzt hat. 24 der DAX-30-Unternehmen haben sich im Frühjahr 2011 konkrete Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils in ihren Aufsichtsräten gesetzt. ({9}) Im Herbst vergangenen Jahres haben die DAX-30-Unternehmen außerdem verbindliche Zielvorgaben vorgestellt, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Im Jahr 2011 sind 40 Prozent der frei gewordenen Aufsichtsratssitze in den DAX-30-Unternehmen mit Frauen besetzt worden. In den Vorständen sind wir noch nicht so weit, aber auch hier ist ein positiver Trend zu verzeichnen. Ein Blick auf die Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zeigt aber auch, dass individuelle Lösungen je nach Größe und Branche der Unternehmen erforderlich sind. Es ist so, dass in vielen Branchen der Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft schon relativ niedrig ist. Das schlägt natürlich auf die Führungsetagen durch. Führungspositionen werden oft nach einer langjährigen Bewährung im Unternehmen vergeben. ({10}) Der Personalpool ist begrenzt. In Personalabteilungen und bei Personalagenturen haben Frauen durchaus gute Chancen auf Führungspositionen. Die Forderung der Opposition nach starren Quoten geht aber an der Realität vorbei. ({11}) Sie wird den spezifischen Gegebenheiten in vielen Unternehmen nicht gerecht. Besonders praxisfern finde ich die Vorstellung, bei einer mangelnden Berufung von Frauen Stellen vorübergehend unbesetzt zu lassen. Das ist ein massiver Eingriff in die Berufsfreiheit und in die Eigentumsfreiheit der Unternehmen. ({12}) Eine Quotenregelung, die die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens gezielt schwächt, kann niemanden überzeugen. Ich bin durchaus der Auffassung, dass eine gesetzliche Regulierung mithilfe von Quoten als Impuls dienen kann, die Gleichstellung von Frauen voranzutreiben. Wir sind uns sicherlich einig, dass eine stärkere Teilhabe von Frauen an der Unternehmensführung wirtschaftlich sinnvoll ist, dass sie positive Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens hat. Die Bundesfamilienministerin hat ein Stufenmodell vorgelegt, das individuelle spezifische Lösungen ermöglicht, ({13}) je nach Branche und Größe des Unternehmens. Dieses Modell setzt auf Transparenz und auf Wettbewerb, auch unter Beteiligung der Belegschaften und der Öffentlichkeit. Das ist meiner Meinung nach der richtige Weg. ({14}) Ich sage Ihnen aber auch: Wir müssen die Arbeitswelt deutlich familienfreundlicher gestalten, als das heute der Fall ist. Dass von Beginn an Frauen deutlich schlechter bezahlt werden als Männer, nämlich im Schnitt um 22 Prozent, ist schlicht inakzeptabel. ({15}) Im öffentlichen Dienst gibt es das seit Jahrzehnten nicht mehr. Es ist nicht hinnehmbar, dass die freie Wirtschaft nicht das zuwege bringt, was im öffentlichen Dienst seit Jahrzehnten der Fall ist. Dass Teilzeit in Führungspositionen nur selten möglich ist, ist auch ein Phänomen der Privatwirtschaft, das wir im öffentlichen Dienst so nicht kennen. Selbst die Kinderbetreuung wird im öffentlichen Dienst vielfach besser sichergestellt als in Unternehmen. Das ist auch eine unternehmerische Aufgabe, weil man nur dann im Beruf leistungsfähig ist, wenn man den Kopf frei hat, weil die Kinderbetreuung sichergestellt ist.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der öffentliche Dienst hat hier eine Vorbildfunktion, und die Wirtschaft hat erheblichen Nachholbedarf. Ich darf mit der Bemerkung schließen: Frauenförderung ist eine Führungsaufgabe, ({0}) gerade auch für die Männer, die an der Spitze stehen - in Unternehmen, in Verbänden, im öffentlichen Dienst, aber auch in unserer und in Ihrer Partei. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Silberhorn, Sie haben die Vorbildfunktion der Politik angesprochen. Wenn ich in die Reihen der Koalition schaue, dann wundert es mich nicht, dass es in der Debatte einen hohen Anteil männlicher Redner gibt; denn auch im Hinblick auf die Präsenz ist der Frauenanteil bei Ihnen gering. Bei der FDP-Fraktion ist eine einzige Frau vertreten, demgegenüber acht Männer. Das kommt nicht von ungefähr. Es liegt nicht daran, dass die Frauen in der FDP-Fraktion zu faul wären, ins Plenum zu kommen, sondern schlicht daran, dass es so wenige gibt. ({0}) Das wiederum liegt daran, dass die FDP bislang auf die „Zwangsquote“, wie Sie das nennen, verzichtet. Das führt eben zu solchen Resultaten. ({1}) Dass es eine Auslese nach Eignung und Befähigung gibt, kann man an dem politischen Ergebnis der FDP eindeutig widerlegen. Das sehen die Wählerinnen und Wähler übrigens auch so. ({2}) Herr Silberhorn, wenn Sie hier sagen, eine starre Quote widerspreche der Berufsfreiheit und anderen Grundrechtspositionen - offensichtlich der Grundrechtspositionen von Angehörigen meines Geschlechts -, dann wundert es mich, dass Sie bei grundsätzlichen demokratischen Fragen wie der Freiheit des Mandats und der demokratischen Partizipation in Ihrer Partei mittlerweile anderer Auffassung sind. Selbst die CSU - man mag es kaum fassen - hat mittlerweile eine Mindestquotierung von 40 Prozent. ({3}) Warum ist das, was in der CSU richtig ist, in der Wirtschaft falsch? Das vermag mir nicht einzuleuchten. ({4}) Wir haben doch in unseren eigenen Parteiorganisationen gesehen: Wo es keine Quote gibt, führen die Männernetzwerke dazu, dass nach Netzwerkzugehörigkeit entschieden wird und nicht nach Eignung und Befähigung. ({5}) Das wäre in unserer Fraktion, in unserer Partei auch so. Wenn wir die Quote nicht hätten, dann gäbe es einen Backlash. ({6}) In unserer Fraktion werden Sie aufgrund der Mindestquotierung häufig erleben, dass in fachpolitischen Debatten nur weibliche Rednerinnen auf der Liste stehen, und zwar nicht, weil wir das in der Fraktion nach Geschlecht entscheiden, sondern weil sich das aufgrund der angemessenen Repräsentation beider Geschlechter fachpolitisch so ergibt. ({7}) Das fällt uns für gewöhnlich gar nicht so auf. Ich finde gut, wenn sich das herumspricht; denn das ist für die Politik sehr wichtig.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Beck!

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben hier eine Vorbildfunktion: Junge Frauen und junge Männer sehen, dass sich im Politikbetrieb beide Geschlechter an Führungsaufgaben beteiligen. Das ist bei uns eine Selbstverständlichkeit. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Silberhorn zur Beantwortung, bitte.

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Beck, ich danke Ihnen sehr für Ihre Kurzintervention, wenngleich ich es wirklich bedaure, dass Sie als Mann in Ihrer Fraktion zu diesem Instrument greifen müssen, weil man Ihnen bei diesem Thema keine Redezeit zugebilligt hat. ({0}) Herr Kollege Beck, wir können gerne zählen, wer wie viele Frauen in Parteien und Fraktionen hat. Das war aber gar nicht mein Anliegen. Mein Anliegen war, dass wir Frauenförderung, die Gleichstellung von Männern und Frauen, zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema machen; ({1}) das muss auch in der Debatte im Deutschen Bundestag zum Ausdruck kommen. Deswegen ist es nicht zureichend, wenn nur Frauen über Frauenförderung diskutieren. Sie müssen darüber gemeinsam mit den Männern diskutieren, wenn sie zu Erfolgen kommen wollen. Das hat die Koalition demonstriert. Sie sollten es nachmachen. ({2}) Was die Quoten in der CSU betrifft, leite ich Ihnen gerne die entsprechenden Texte zu; denn das sind gerade keine starren, sondern differenzierte Quoten. Wir haben eine verpflichtende Quote auf Landes- und Bezirksebene, ({3}) und wir haben in den Orts- und Kreisverbänden mit Blick auf die dortige Situation eine nicht verpflichtende Quote, verbunden mit der Zielvorstellung, einen Frauenanteil in gleicher Größenordnung zu erreichen. ({4}) Es gibt durchaus die Möglichkeit, in zwei Jahren zu überprüfen, ob wir mehr tun müssen als bisher. Aber wir wollen eben nicht eine Quote, bei deren Realisierung man vor Ort auf Schwierigkeiten stoßen würde; wir müssen schon entsprechende Ergebnisse erzielen können. ({5}) Herr Kollege Beck, bei der Besetzung von Vorständen einer Partei geht es nicht um Eigentumspositionen, die infrage gestellt werden. Wir sehen auch nicht vor, Vorstandspositionen nicht zu besetzen; die Vorstände werden vollständig gewählt, unter Beteiligung der Frauen. Ich verrate Ihnen etwas: Trotz der Quote, die wir in der CSU haben, gibt es viele Vorstände, die diese Quote weit übererfüllen, weil wir eben nicht allein zählen, sondern uns daran gelegen ist, dass Frauen an der politischen Willensbildung beteiligt werden. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Elke Ferner hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Silberhorn, ich möchte Ihnen gerne zweierlei mitgeben. Das Erste ist: Ihre Rede war an Peinlichkeit wirklich nicht zu überbieten. ({0}) Ich habe gedacht, die gestrigen Reden der Ministerin und auch des Generalsekretärs der FDP - er ist schon wieder weg - seien nicht zu toppen; aber Sie haben das heute mühelos geschafft. ({1}) Das Zweite ist: Ihre Quote in der CSU scheint nur mäßig zu wirken. Der hohe Frauenanteil in der CSULandesgruppe führt dazu, dass der Frauenanteil in der Unionsfraktion nicht einmal 20 Prozent übersteigt. Insofern sollte, was die parteiinternen Geschichten anbelangt, jeder vor seiner Haustür kehren. Wir haben das in unserer Partei teilweise mit sehr großem Erfolg gemacht: In unserer Parteispitze sind jetzt, nach dem letzten Bundesparteitag, mehr Frauen als Männer. ({2}) Ich garantiere Ihnen: Auch Sie werden noch eine sozialdemokratische Kanzlerkandidatin und auch eine sozialdemokratische Kanzlerin erleben. ({3}) Ich möchte auf gestern zurückkommen, als der Erste Gleichstellungsbericht diskutiert wurde. Ich muss sagen: Es liegen ganz konkrete Handlungsoptionen vor; aber Sie tun nichts. Auch der Antrag, der gestern von den Koalitionsfraktionen eingebracht worden ist, ist an Unsäglichkeit und Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten. Wir brauchen in diesem Jahr eine Regelung, weil im nächsten Jahr zahlreiche Aufsichtsratsmandate neu besetzt werden. ({4}) Ich kann zwar nachvollziehen, dass Sie hier auf Zeit spielen, weil Sie nicht bereit sind, etwas zu tun; aber es ist nicht angemessen und vor allen Dingen nicht das, was die Mehrheit in der Bevölkerung will. Jetzt sieht man, dass die sogenannte Frauenministerin strammsteht, nur weil die Boygroup der Fast-3-ProzentPartei FDP sagt: Wir wollen überhaupt keine Quoten. Das wundert mich nicht. In der gestrigen Ausgabe der Zeit gab es einen Artikel mit der Überschrift „Wenn schon Frauen, dann schöne“. Daraus möchte ich gerne zitieren: Neben den Altherren der FDP zeigen sich auch die jungen liberalen Männer weitgehend unempfänglich für frauenpolitische Fragen. ({5}) Spötterinnen unter den FDP-Damen führen das darauf zurück, dass die eitle Jungsriege um Rösler, Christian Lindner und Daniel Bahr so viel von Augencremes und Maniküre verstehen, dass sie das Weibliche in der Politik abzudecken glaubten. ({6}) So weit zur FDP. Mein Eindruck ist: Das ist in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft nicht anders. Denn dort hieven sich die Männerseilschaften gegenseitig in die Vorstände und in die Aufsichtsräte. Wenn es nach der Qualifikation ginge, dann müssten schon jetzt deutlich mehr Frauen in den Führungspositionen der deutschen Wirtschaft angekommen sein. ({7}) Aber wir wissen, dass das nicht der Fall ist. In den DAX-30-Unternehmen gibt es einen Anteil der Frauen von 3,7 Prozent. Das sind sieben; dieses Jahr kommen noch zwei hinzu. In 24 von 30 Vorständen ist keine einzige Frau zu finden. In den Vorständen der Top-100-Unternehmen - ohne die Finanzdienstleister - gab es 2011 sage und schreibe elf Frauen; in den nächsten 100 Unternehmen waren es ein paar mehr. Insgesamt sind 28 Frauen in den Top-200-Unternehmen. Von 942 Vorstandsposten sind es sagenhafte 3 Prozent. Man kann es auch andersherum sagen: 97 Prozent der Vorstandsposten sind mit Männern besetzt. Wenn das keine Quote ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist es dann? ({8}) Es gibt unter den Top-100-Unternehmen keine einzige Vorstandsvorsitzende, und unter den nächsten 100 ist es gerade einmal eine einzige. In den Aufsichtsräten sieht es nicht besser aus. Auch da gibt es frauenfreie Zonen. Schließlich findet man in mehr als einem Viertel der Top-200-Unternehmen keine einzige Frau im Aufsichtsrat. Insofern kann man nur noch sagen: Hier liefert sich der Fortschritt mit einer Schnecke ein Wettrennen. Wenn man dann sieht, dass der Löwenanteil der Aufsichtsrätinnen über die Mitbestimmung und nicht über die Hauptversammlung in die Aufsichtsräte kommt - es sind über 70 Prozent -, dann liegt der Handlungsbedarf doch auf der Hand. Wer das negiert, ist noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. ({9}) Was die FDP angeht - Sie wollen ja keine Quotenregelung, weil es Ihnen auf die Qualität ankommt -, so tun mir die Frauen in der FDP echt leid. ({10}) Denn von hoher Qualität kann man beispielsweise bei den Verursachern der Finanzkrise nun wirklich nicht reden; das waren ja ausschließlich Männer. Ich finde, es wird auch den Frauen in der FDP nicht gerecht, dass die Männer jetzt so tun - das gilt auch für einige Frauen -, als ob bei der FDP nicht mehr als 25,8 Prozent der Frauen - 24 Frauen sind in der FDP-Fraktion; das entspricht 25,8 Prozent - für ein Bundestagsmandat infrage kämen. Wenn ich mir die 74,2 Prozent Männer in Ihrer Fraktion anschaue, kann ich nur festhalten, dass das Kriterium Qualifizierung nicht unbedingt ausschlaggebend gewesen sein kann. ({11}) Und was macht die Union? Sie stellt zwar die erste Kanzlerin - das ist wohl wahr -, aber sie tut nichts für Frauen. Auch die sogenannte Frauenministerin tut nichts für Frauen. Man hat ja gestern gesehen, wie sie sich gequält hat, etwas Positives zum Thema Frauen zu sagen. Ich meine, sie sollte das Wort „Frauen“ aus ihrem Ministeriumsnamen streichen. Das würde der Sache gerechter als das, was sich im Moment abspielt. ({12}) Zu unserem Gesetzentwurf. Wenn ich mir anschaue, welche Instrumente wir jetzt anbieten, dann kann ich Ihnen sagen, dass das überhaupt nichts mit Zwang zu tun hat. Wenn die beiden Bänke, sowohl Anteilseignerseite als auch Arbeitnehmerseite, die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben erfüllen, dann sind alle Stühle besetzt und es tritt nicht mehr ein, als dass mehr Frauen in die Gremien kommen. Was wäre daran so schlimm? Sie vermitteln den Eindruck, als breche eine Katastrophe aus, nur weil plötzlich mehr weiblicher Sachverstand in die Führungsetagen der deutschen Wirtschaft einzieht. Wenn man sich Norwegen und andere Länder anschaut, dann stellt man fest, dass die Unternehmen, in denen die Vielfalt in den Führungspositionen angekommen ist, auch wirtschaftlich erfolgreicher sind. ({13}) Ich räume ein: Das ist zwar ein Eingriff in Eigentumsrechte; das ist richtig. Aber es ist keine Enteignung. Vor allen Dingen dient dieser Eingriff der Durchsetzung des Gleichheitsgebotes in Art. 3 Grundgesetz, und dieses Gebot steht nicht umsonst so weit vorne im Grundgesetz. Insofern kann ich nur sagen: Die Zeit ist reif für eine gesetzliche Regelung. Wer etwas verändern will, der muss sich jetzt für eine gesetzliche Vorschrift mit klaren Zielvorgaben und wirksamen Regelungen entscheiden, und wer den Stillstand konservieren will, der muss alles daransetzen, dass eine solche gesetzliche Regelung verhindert wird. Ich hoffe sehr auf die Frauen, aber auch auf die wenigen Männer in den Koalitionsfraktionen, die im 21. Jahrhundert angekommen sind. Wir als Abgeordnete des Bundestages haben es in der Hand, ob die vielen qualifizierten Frauen im nächsten Jahr in die Aufsichtsräte kommen oder nicht. ({14}) Lassen Sie uns dieses Thema in den Ausschüssen vernünftig diskutieren. Ich hoffe, dass wir in zweiter und dritter Lesung mit Mehrheit für dieses Gesetz stimmen werden, damit der Fortschritt endlich auch in Deutschland einziehen kann. Vielen Dank. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Nicole Bracht-Bendt. ({0})

Nicole Bracht-Bendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004016, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg möchte ich feststellen: Ich bin gerne als Frau in der FDP, ({0}) und ich bin im 21. Jahrhundert angekommen. Ich danke meinen männlichen Kollegen, dass sie hier sind. Ich fühle mich wirklich wohl, und das ohne Quote. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen, insbesondere in Vorständen und Aufsichtsräten der großen deutschen Unternehmen, ist immer noch deutlich zu niedrig; da sind wir einer Meinung. Auch ich bin der Meinung, dass sich das ändern muss, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion. ({1}) Tun Sie aber bitte nicht so, als wäre in den letzten Monaten nichts passiert. ({2}) Seit der Aufnahme der Empfehlungen zur Erhöhung des Frauenanteils im Deutschen Corporate Governance Kodex im Jahr 2010 - ich sage 2010, weil Sie immer sagen: vor zehn Jahren - zeigen sich erste deutliche Erfolge. ({3}) Die DAX-30-Unternehmen haben sich außerdem konkrete Ziele auch unterhalb der Ebene des Vorstands und des Aufsichtsrats gesetzt. Das ist positiv; denn eine höhere Anzahl von Frauen in den mittleren und oberen Führungsetagen ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, mehr Frauen in der höchsten Ebene zu etablieren. Vor diesem Hintergrund lehnt die FDP-Fraktion gesetzliche Quoten derzeit ab. ({4}) Eine gesetzliche Frauenquote für den Aufsichtsrat und erst recht für den Vorstand wäre ein massiver Eingriff in die unternehmerische Freiheit; darauf wurde heute schon mehrfach hingewiesen. Eine Quote würde nur an den Symptomen und nicht an den Ursachen ansetzen. Wir können auch nicht alle Unternehmen über einen Kamm scheren. Unsere Aufgabe wird es sein, aufmerksam zu beobachten, ob die freiwilligen Lösungen weiterhin Erfolg haben. ({5}) Die FDP-Fraktion setzt auf Transparenz und auf Offenlegung aller Angaben zum Anteil von Frauen in den Gesellschaftsorganen ({6}) - hören Sie zu! - und in den ersten zwei Führungsebenen unter der Geschäftsführung in allen börsennotierten Unternehmen. Eine solche neue Berichtspflicht würde sich gut in den Stufenplan einfügen, den wir im Koalitionsvertrag beschlossen haben. ({7}) Bereits jetzt gibt es mit dem Women-on-Board-Index von FidAR, Frauen in die Aufsichtsräte e. V., einen gut funktionierenden Monitoringansatz. Der könnte damit auf eine noch größere Basis gestellt werden. Interessant an dem FidAR-Bericht, der im letzten Monat veröffentlicht wurde, ist übrigens, dass von den Aufsichtsratsposten, die im vergangenen Jahr neu besetzt wurden, 40 Prozent auf Frauen entfielen; auch das wurde schon erwähnt. Aber auch ein von der Wirtschaft oder ihren Verbänden selbst durchgeführtes Monitoring auf der Grundlage der neuen Berichtspflicht würde deutlich machen, dass ein höherer Frauenanteil im oberen Management ein eigenes, unmittelbares Anliegen der Wirtschaft ist. Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, fragen Sie doch einmal Personalberater. ({8}) Von wegen, die Unternehmen seien nur sensibilisiert - hören Sie bitte zu -; Personalberater werden heute regelrecht angefleht, Kandidatinnen zu nennen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie gab schon letztes Jahr unumwunden zu, dass eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Unternehmensführung aus demografischen und wirtschaftlichen Gründen im ureigenen Interesse der Unternehmen liege. ({9}) Die FDP-Fraktion bleibt dabei: Eine starre Quote für Wirtschaftsunternehmen in Verbindung mit einer Änderung im Aktiengesetz wird es mit uns nicht geben. ({10}) - Ja gut, eine. - Ohnehin wird eine starre Quote unternehmerischen Realitäten nicht gerecht. Neben transparenten Selbstverpflichtungen sind die gesellschaftli19768 chen, politischen und betrieblichen Rahmenbedingungen so zu ändern, dass Führungsaufgaben auch tatsächlich von Frauen und Männern in gleicher Weise wahrgenommen werden können. Wir brauchen also größere Anstrengungen für einen stärkeren Wandel der Unternehmenskulturen. Flexiblere Arbeitszeiten, der Kontakt zwischen Unternehmen und Mitarbeiterinnen auch während der Elternzeit, lockere Präsenzpflichten sind das eine, die Vereinbarkeit von Familie und Karriere ist das andere. Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion - ich muss Sie leider immer wieder ansprechen -, Sie kommen in Ihrem Gesetzentwurf zu dem Schluss, dass Freiwilligkeit nicht zu gerechter Teilhabe in Aufsichtsräten und Vorständen führt. ({11}) Das sehen wir anders. Ich bin sicher, dass die Wirtschaft auf das wertvolle Potenzial hervorragend ausgebildeter Frauen in Zukunft nicht verzichten kann und auch gar nicht will. Ganz herzlichen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Matthias Heider. ({0})

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Schluss dieser Debatte ist es an der Zeit, ein Resümee zu ziehen: Nicht jeder wünschenswerte Zustand erstarkt in einer gesetzlichen Pflicht, und nicht jede Quote garantiert ein gutes Ergebnis. Das Feuerwerk, das Sie hier heute abbrennen, sehr geehrte Kolleginnen von der SPD, leuchtet weit. Sie weisen auf einen Zustand hin, der in der Tat verbesserungsfähig ist. ({0}) Einmal abgebrannt, zeigen sich nach dem schönen Schein aber auch Effekte, die gesellschaftspolitisch und wirtschaftspolitisch unbefriedigend wären. Ob auf dem von Ihnen eingeschlagenen Weg wirklich Chancengleichheit für Männer und Frauen hergestellt werden kann, ist zweifelhaft. Allein dass Ihnen eine Mindestquote von 40 Prozent reicht, ({1}) zeigt, dass es eigentlich gar nicht um Gleichberechtigung geht. Warum fordern Sie nicht 50 Prozent? Warum schreiben Sie das nicht in Ihren Gesetzentwurf hinein? ({2}) Abgesehen davon zielt die Regelung, die Sie für börsennotierte und mitbestimmte Unternehmen fordern, an den realen Anforderungen der Wirtschaftsunternehmen vorbei. Es geht um eine erfolgreiche und verantwortliche Besetzung der Leitungs- und Aufsichtsgremien dieser Unternehmen. ({3}) Sie wollen eine politische Frauenquote in den Führungsgremien. Das schmälert in jedem Fall den notwendigen unternehmerischen Spielraum. Es geht darum, aufgabenbezogen den personellen Anforderungen in den Leitungsgremien gerecht zu werden. ({4}) Das stellt - das muss ich Ihnen leider sagen - einen weitreichenden Eingriff in die Eigentumsrechte der Anteilseigner dar. ({5}) Das ist ordnungspolitisch falsch, das ist verfassungsrechtlich bedenklich, ({6}) und das ist in jedem Fall nicht im Sinne der Unternehmen. ({7}) Grund dafür, dass es in Deutschland noch zu wenig Frauen in Führungspositionen gibt - das möchte ich ganz deutlich machen -, ist nicht die Tatsache einer fehlenden gesetzlichen Regelung. Gründe für die Probleme sind eine fehlende Sensitivität der Anteilseigner und Aktionäre, eine nicht ausreichend vorausschauende Personalpolitik in den Unternehmen, fehlende flexible Arbeitszeitmodelle und zu wenig Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Ich will nicht sagen, dass Letzteres bei den Führungskräften das Hauptproblem ist. Ganz entscheidend für die Debatte ist aber, dass wir dort ansetzen, wo die eigentlichen Probleme liegen, nämlich bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Herausforderung betrifft alle Frauen ({8}) in deutschen Unternehmen und nicht nur die Kandidatinnen, die für Aufsichtsräte oder Vorstände in Betracht kommen. Die Bundesregierung hat gehandelt. Ich nenne die Einführung des Elterngeldes. Ich nenne die Initiative „Familienbewusste Arbeitszeiten“. ({9}) Ich nenne die Förderung des Ausbaus der Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es geschäftspolitisch sinnvoll ist, die Besetzung einer Position in Vorstand oder Aufsichtsrat nur aufgrund einer gesetzlichen Zwangsquote vorzunehmen. ({10}) Das Selbstverständnis der Managerinnen in den Führungsgremien der deutschen Wirtschaft, die ich kenne, ist ein anderes. Hier zählen ({11}) Kompetenz, Qualifikation und Leistung. Das sind im Übrigen exakt die gleichen Prinzipien, die für Führungsaufgaben in Unternehmen grundsätzlich gelten. ({12}) Ich glaube, an dieser Stelle ist es angebracht, die vielen selbstständigen und erfolgreichen Apothekerinnen, ({13}) Wirtschaftsprüferinnen, Architektinnen, Rechtsanwältinnen, Steuerberaterinnen, Ingenieurinnen und Frauen in anderen freien Berufen zu nennen, die als eingetragene Kaufleute, als Partnerinnen in Sozietäten oder Teilhaberinnen von Gesellschaften in hohem Maße zum Erfolg ihres Unternehmens beitragen. ({14}) Das Gleiche gilt übrigens für den industriellen deutschen Mittelstand. Die Lage dort - das wissen Sie - ist eine andere. ({15}) Aber um diese Dimension geht es Ihnen gar nicht in Ihrem Entwurf. Dieser zielt auf alle börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen, ({16}) bei denen die DAX-30-Werte sozusagen die Leuchttürme bilden. Wahr ist aber, meine Damen und Herren von der SPD, dass Sie mit Ihrem Vorschlag auch über 700 paritätisch mitbestimmte Gesellschaften und über 1 000 drittelparitätisch mitbestimmte Gesellschaften treffen. Damit zwingen Sie sie in ein gesellschaftspolitisches Konzept, das nicht den wirtschaftlichen Erfolg dieser Unternehmen und ihrer Belegschaft zum Ziel hat, ({17}) sondern Ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen. ({18}) Die Zeit, auf technische Einzelheiten Ihres Entwurfs einzugehen, bleibt hier leider nicht. Nur so viel: Was passiert eigentlich mit Einzelvorständen und Einzelgeschäftsführern? Wenn Sie konsequent wären, dürften Sie diese nicht allein handeln lassen. Wollen Sie wirklich einem Aufsichtsrat die Beschlussfähigkeit aberkennen, wenn er infolge von Änderungen seiner Zusammensetzung nach zwölf Monaten die 40-Prozent-Quote verfehlt? Schon diese Beispiele zeigen, dass der Gesetzentwurf mit dem Anspruch an eine auf Kontinuität ({19}) und Risikovermeidung orientierte Unternehmensführung in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht viel zu tun hat. ({20}) Wenn alles so einfach wäre, dann müssten wir zusammen den politischen Willen aufbringen, in den Unternehmen des Bundes, der Länder und der Kommunen eine andere Besetzung der Aufsichtsräte und Vorstände hinzubekommen. Bei den öffentlichen Unternehmen des Bundes liegt der Anteil von Frauen in Vorständen mit 5,5 Prozent im Jahr 2011 sogar noch unter dem Anteil, den es 2010 gab. ({21}) In den Aufsichts- und Verwaltungsräten lag die Quote bei 15,1 Prozent. Wenn Sie alle überlegen, wie die Geschäftsführungen und Aufsichtsräte bei kommunalen Gesellschaften in Ihren Wahlkreisen besetzt sind, ({22}) dann wird Ihnen ohne Weiteres klar, wie sehr Personalentscheidungen vom Gestaltungswillen im Einzelfall abhängen. Wenn wir nicht einmal bei öffentlichen Unternehmen - nehmen wir ruhig den Bund als Beispiel ({23}) in der Lage sind, Frauen in der Unternehmensleitung angemessen zu beteiligen, ({24}) dann wird man von der Wirtschaft wohl nicht die Erfüllung einer gesetzlichen Zwangsquote verlangen können. ({25}) Ich sage noch einmal ausdrücklich: Es ist völlig unbestritten, dass Unternehmen ein großes Interesse daran haben müssen, den Frauenanteil in ihren Topgremien zu steigern; ich stimme Ihnen da völlig zu. Eine Analyse des Mixed Leadership von Ernst & Young zeigt, dass ge19770 mischte Führungsteams durchaus einen guten Einfluss auf die Unternehmensperformance haben. ({26}) Ich bin als letzter Redner in dieser Debatte zuversichtlich, dass wir bei den kommenden Aufsichtsratswahlen im Frühjahr 2013 positive Entwicklungen hin zu einer höheren Frauenrepräsentanz in Führungspositionen sehen werden. Bei all der Diskussion über die Einführung einer Frauenquote dürfen wir nicht außer Acht lassen: Es geht weniger um Quotenfrauen, es geht bei Männern und Frauen immer um Kompetenz, um Qualifikation und um Leistung. Deshalb sollten wir der freiwilligen Selbstverpflichtung zunächst weiter Gelegenheit geben, sich in der Praxis zu bewähren. ({27}) Nicht die Brechstange ist gefragt, sondern kluge Unternehmensführung. ({28}) Sie dürfen sicher sein, dass wir von der CDU die Wirtschaft dabei unterstützen werden. Herzlichen Dank. ({29})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich schließe damit die Aussprache. Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/8878 soll an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Jetzt rufe ich Tagesordnungspunkt 28 auf: Vereinbarte Debatte Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2012 Eine Dreiviertelstunde soll debattiert werden. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort für die Bundesregierung erhält der Staatsminister Michael Link. ({0})

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Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es hat gute Tradition, dass Bundestag und Bundesregierung gemeinsam über das Arbeitsprogramm der Kommission diskutieren. Aber lassen Sie mich aus aktuellem Anlass eines vorab sagen: Ich glaube, die Tatsache, dass die griechische Umschuldung in den letzten Tagen zu einem sehr befriedigenden Anteil gelungen ist, ist etwas, was uns alle mit großer Erleichterung erfüllen sollte. Es zeigt, dass sich die Europäische Union, insbesondere die Euro-Zone, auch und gerade gemeinsam mit dem Mitglied Griechenland als handlungsfähig erwiesen hat. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Bundesregierung ist damit außerordentlich zufrieden. ({0}) Europa muss gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Deshalb müssen wir an ihren Ursachen ansetzen. Ansetzen müssen wir insbesondere an der exzessiven und undisziplinierten Staatsverschuldung, der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Staaten und der Bereinigung der grundlegenden Konstruktionsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Lösung dieser Grundprobleme kann nur im Aufbau einer nachhaltigen Stabilitätsunion bestehen, die von den Grundsätzen einer soliden Haushaltsführung, der europäischen Solidarität und eines engagierten Wachstumskurses getragen wird. Deshalb stellt der Fiskalpakt, den wir in den vergangenen Wochen verhandelt und beim Europäischen Rat unterzeichnet haben, einen ganz wichtigen Meilenstein dar. Über Jahre hinweg hat Deutschland, haben deutsche Vertreter im Europäischen Rat immer wieder dafür geworben, dass wir eine europäische Schuldenbremse bekommen. Dass wir es mithilfe des Fiskalpakts jetzt geschafft haben, sie entweder in Verfassungen zu verankern oder sie in nationale Gesetzgebungen zu tragen, ist ein großer Erfolg, den wir bei allen parteipolitischen Unterschieden, die es in diesem Hause gibt und die in einer Demokratie natürlich immer zum Tragen kommen werden, nicht kleinreden sollten. Die Schuldenbremse ist ein großer Erfolg. ({1}) Der Fiskalpakt, den wir vereinbart und den die Kanzlerin, der Außenminister und der Bundesfinanzminister gemeinsam verhandelt haben, steht für einen fundamentalen Paradigmenwechsel in Europa. Er steht für die Kultur der Stabilität. Der Leitsatz lautet: Keine immer neuen Schulden, um der alten Schulden Herr zu werden. Dass es uns noch dazu gelungen ist, den Pakt in Rekordzeit zu verhandeln, obwohl wir lieber Vertragsänderungen gehabt hätten - das füge ich deutlich hinzu -, ist ein weiterer Beweis für die europäische Entschlossenheit in diesem zentralen Punkt. Wir müssen die Probleme der Staatsverschuldung immer zusammen mit dem Wachstumskurs denken und angehen. Deshalb stellen wir auch in diesem Zusammenhang die Verbindung mit dem Arbeitsprogramm der Kommission her. Denn das Arbeitsprogramm der Kommission muss an genau dieser zentralen Frage ansetzen: Wie kann die Wachstumsfähigkeit gesteigert werden? Was diesen Aspekt betrifft, hat die Bundesregierung Ihnen immer wieder klar gesagt - ich möchte das heute noch einmal ganz deutlich festhalten -: Wir sehen die Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge und als Initiativgeberin. Wir stehen insbesondere zur Stärkung der Gemeinschaftsmethode, überall dort, wo die VerStaatsminister Michael Link träge sie vorsehen, und überall dort, wo in Zukunft Vertragsänderungen vorgenommen werden. Die Stärkung der Gemeinschaftsmethode ist eine Stärkung der Europäischen Union und damit auch eine Stärkung ihrer Mitglieder. ({2}) Das Arbeitsprogramm der Kommission ist aus der Sicht der Bundesregierung ein wichtiges Dokument. Wir haben Ihnen unsere Kommentare dazu vorgelegt. Die Stellungnahme der Bundesregierung ist Ihnen im Januar und Februar dieses Jahres in zwei Teilen zugegangen. Wir haben in dieser schriftlichen Stellungnahme auch eine Reihe von Kritikpunkten und begrüßenswerten Punkten genannt, die ich hier nicht weiter ausführen will. Ich möchte mich jetzt auf einige Kernpunkte beschränken. Unter dem Leitmotiv Wachstum soll die Vertiefung des europäischen Binnenmarktes - das ist für uns ein Kernpunkt - zu einer tatsächlichen europäischen wirtschaftlichen Schlüsselaufgabe werden. Dieses Projekt der Kommission begrüßen wir ausdrücklich. Der Binnenmarkt bietet nämlich das größte Potenzial zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in allen 27 Mitgliedstaaten. Wenn ich von Beschäftigung spreche, dann gilt das vor allem mit Blick auf die jungen Bürgerinnen und Bürger. Denn in zahlreichen Mitgliedstaaten der Union, nicht in Deutschland, gibt es Jugendarbeitslosigkeitsraten von über 25 Prozent. Diese jungen Leute fragen sich mit Recht: Was ist denn eigentlich der Mehrwert dieser Europäischen Union? Deshalb muss es im Kern immer wieder um die Frage gehen: Wie können wir die Beschäftigung steigern? Insofern begrüßen wir den Ansatz der Kommission, die jetzt vorgeschlagen hat, insbesondere die steuerliche Belastung von Arbeit zu reduzieren. Das ist ein Punkt, über den wir, glaube ich, auch über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam nachdenken sollten. ({3}) Wir müssen stärker in den Bereichen investieren, in denen am besten nachhaltiges Wachstum gefördert werden kann. ({4}) Deshalb muss die Strukturpolitik der EU - ich sage das bewusst mit Blick auf Debatten hier bei uns im Lande, wissend, dass es oft unterschiedliche Interessen gibt, auch mit Blick auf die föderale Konstruktion Deutschlands - kritisch überprüft werden. Entscheidend ist eine gezielte Ausrichtung der Struktur- und Kohäsionspolitik auf die Bereiche Bildung, Forschung, Wettbewerb, Innovation sowie auf die Schaffung von Arbeitsplätzen. Auch das Bestreben der Kommission, die Neuordnung der Finanzmärkte weiter voranzutreiben, verdient unsere volle Unterstützung. Die bereits angestoßenen Finanzmarktreformen sowie die für 2012 geplanten Maßnahmen stellen die Antworten der EU auf die Finanzkrise dar und werden auch im globalen Kontext in Umsetzung der bestehenden G-20-Verpflichtungen dazu beitragen, die Akteure und Produkte auf den Finanzmärkten angemessen zu regulieren und streng zu beaufsichtigen, um so ein stabiles und widerstandsfähiges Finanzsystem zu schaffen. Die Bundesregierung wird weiterhin alle Maßnahmen der Kommission zur Finanzmarktreform unterstützen, sei es bei der stärkeren Regulierung von Ratingagenturen oder des außerbörslichen Derivatemarktes. Wir unterstützen grundsätzlich auch die Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionsteuer. Die Vorschläge der Kommission ebenso wie das derzeit in der Diskussion stehende französische Modell werden wir innerhalb der Bundesregierung prüfen. Klar ist aber auch, dass wir eine Finanztransaktionsteuer als eine mögliche Eigenmittelquelle für den EU-Haushalt ablehnen. ({5}) Der mittelfristige Finanzrahmen wird uns noch intensiv beschäftigen, aber nicht in der heutigen Debatte zum Arbeitsprogramm. Die Bundesregierung hat die Stellungnahme des Bundestags zum mehrjährigen Finanzrahmen zur Grundlage für die Erarbeitung ihrer eigenen Position genommen. Zum Ende der dänischen Präsidentschaft werden wir die Verhandlungsbox formulieren müssen, die dann im zweiten Halbjahr konkret wird und möglichst bereits im zweiten Halbjahr beim mehrjährigen Finanzrahmen zum Ende kommen soll. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir einige Punkte des Arbeitsprogramms der Kommission kritisch sehen. Wenn wir die Verhältnismäßigkeit eines angekündigten Vorhabens der Kommission infrage stellen oder Bedenken bei Zuständigkeitsfragen haben, benennen wir das ausdrücklich in unserer Stellungnahme. Es gehört dazu, dass wir auch das deutlich machen. Als Beispiel möchte ich die angekündigte Reform des Mehrwertsteuersystems oder auch die im Bereich der Altersvorsorge vorgelegten Vorschläge der Kommission zu den ergänzenden Rentenansprüchen von Arbeitsplatzwechslern innerhalb der Europäischen Union nennen. Lassen Sie mich deshalb ganz grundsätzlich sagen: Die Kommission ist vor allem dann stark, wenn sie sich auf die Themen und Kernaufgaben konzentriert, bei denen tatsächlich ein Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger Europas entstehen kann. Nicht mehr Regulierung, sondern effiziente Regulierung ist wichtig. Das Initiativrecht der Kommission ist ein hohes Gut. Es sollte nicht für möglichst viele Initiativen genutzt werden, sondern für möglichst substantielle Initiativen. Diese Verantwortung muss die Kommission aus unserer Sicht ernst nehmen; denn sie hat als Inhaberin des Initiativrechts die große Verantwortung, dieses Instrument nicht inflationär, sondern sehr zielgerichtet zu nutzen. Lassen Sie mich zum Schluss kommen, Frau Präsidentin. Wir möchten insbesondere, dass neben dem erwähnten Thema der Solidität in der Haushaltsführung auch im Außenhandel der EU dieses Instrument ernst genommen wird. Mit Blick auf die europäische Nachbarschaftspolitik erwarten wir von der Kommission deutlichere und klarere Initiativen im Rahmen des vorgelegten Plans „More for more“, „Mehr für mehr“, wie ihn die Kommission nennt. Wir warten dringend auf eine Konkretisierung dieses Bereichs mit mehr Konditionalität; denn auch im Außenhandel der Europäischen Union müssen wir effizienter und stärker auftreten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Axel Schäfer hat das Wort für die SPDFraktion.

Axel Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003624, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme das auf, was der Kollege Staatsminister gesagt hat zum Thema „Mehr Gemeinschaft in Europa“. Die Bundesregierung kann das direkt beweisen, indem sie bei der Beratung des ESM sagt: Jawohl, das ist eine europäische Gemeinschaftsaufgabe. Das ist eine europäische Angelegenheit nach Art. 23 Grundgesetz und nicht nach Art. 59 Grundgesetz. Deshalb korrigieren Sie Ihre Position, lieber Kollege Link. Sie haben mit der Übernahme Ihrer neuen Aufgabe, zu der ich Ihnen alles Gute wünsche, direkt den Auftrag, der wahrscheinlich von der großen Mehrheit im Parlament mitgetragen wird, dieses durchzusetzen. Glück auf dafür! Sie haben uns an Ihrer Seite. ({0}) Bei den Vorschlägen der Kommission in ihrem Arbeitsprogramm ist eines, glaube ich, ganz wichtig: Die Kommission, die um ihre Rolle als zentraler Akteur innerhalb der Europäischen Union kämpfen muss, lässt sich nicht zu einem Sekretariat des Rates herabstufen, sozusagen downgraden. Die Kommission hat sehr viele Vorschläge zu Finanzmarktregelungen, zur Finanzmarkttransaktionsteuer und zur Bankenaufsicht gemacht. Das ist eine sehr lange Liste. Allen gemein ist - es geht nicht um Details, über die wir sicherlich streiten können -, dass es sich hierbei um europäische Regeln handelt, die per Gesetz verabschiedet werden müssen. Das heißt, dies muss auf gleicher Augenhöhe zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament geschehen. Für diese Verabschiedung ist eine intensive, frühe Beteiligung der nationalen Parlamente notwendig, also gerade das, was wir im Deutschen Bundestag gemeinsam tun wollen. Bei jedem Arbeitsprogramm der Kommission haben wir in Europa diesen Kampf auszufechten: Wird sich auf Dauer die sogenannte Unionsmethode von Frau Merkel durchsetzen, die, neben den schönen Worten von Gemeinschaft, in der Praxis immer mehr intergouvernemental sein wird, oder werden wir dieses gemeinsame Europa tatsächlich auch parlamentarisch, das heißt richtig demokratisch, stärken oder nicht? Das wird die entscheidende Frage sein. ({1}) Deshalb war es ganz wichtig, dass das Europäische Parlament bei der kritischen Bewertung des Fiskalpaktes das geschafft hat, was wir im Bundestag bisher nur erreicht haben, als es um die Beteiligungsrechte ging. Es hat nämlich einen europäischen Konsens erreicht. Ich habe die Bitte und die Erwartung an die Regierungskoalition, dass sie bei allen anstehenden Gesetzen auf einen Konsens in Bezug auf die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages im ganzen Hause setzt, wie wir das, Michael Stübgen, mit allen fünf Fraktionen in der letzten Legislaturperiode geschafft haben. Das ist Ihre Bringschuld. Wir warten darauf. Ich glaube, wir alle sind hier offen. Die Grünen sehen das ebenfalls so, und ich glaube, das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion. An diese Bringschuld werden wir Sie in den nächsten Tagen und Wochen erinnern; denn es kommt hier wirklich darauf an, ob der Bundestag gemeinschaftlich in der Lage ist, seine Rechte durchzusetzen, oder ob Parteitaktik und anderes die entscheidende Rolle spielen. In Bezug auf die Arbeit der Kommission kann ich als Sozialdemokrat feststellen: Vieles von dem, was jetzt vorgeschlagen wird, teilen wir ausdrücklich. Das ist deshalb überraschend, weil die meisten Kommissarinnen und Kommissare in Europa eher der Parteifamilie der Christdemokraten oder der Liberalen angehören. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten - auch die Grünen - sind hier leider noch in der Minderheitenposition. Eine Reihe von Dingen, die von der Europäischen Kommission vorgeschlagen werden, werden im Deutschen Bundestag und auch von der Regierungskoalition aber nicht so gesehen. Kollege Link, in den Bereichen, in denen es die Möglichkeit gibt, etwas europäisch zu regeln - das gilt gerade für den Bereich der Steuern, zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer -, würde ich mir im Gegensatz zu Ihnen mehr Mut von der Kommission wünschen. Wenn wir die Chance haben, das, was bereits heute in den Verträgen steht, in Europa gemeinschaftlich zu regeln, dann müssen wir das auch anpacken. Das ist der entscheidende Punkt. Dafür braucht man als Kommission Mut, ({2}) und man muss schauen, wie die Mehrheitsverhältnisse sind, aber der erste Schritt ist der wichtigste. Man muss damit anfangen. Daneben wird von uns sicherlich zu Recht kritisch gesehen: Es gibt kein Stabilitätseuropa in finanzieller Hinsicht auf der einen Seite, wenn es auf der anderen Seite kein Stabilitätseuropa in sozialer Hinsicht gibt. Es gibt keine erfolgreiche einseitige Fixierung auf die Schuldenreduzierung, wenn es auf der anderen Seite nicht eine genauso starke Verpflichtung in Richtung Impulse für Wachstum, Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und soAxel Schäfer ({3}) ziale Nachhaltigkeit gibt. Beides gehört zusammen. Nur auf diesem Wege werden wir gemeinsam erfolgreich sein. ({4}) Deshalb werden wir sehr genau darauf achten - Sie haben ja auch von der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gesprochen -, wie das entsprechende Programm aussieht und was das in der Praxis bedeutet. Sie wissen: Das ist vor allen Dingen für Länder in Süd- und Südosteuropa entscheidend, deren Situation aufgrund einer Jugendarbeitslosigkeit von 30 bis 50 Prozent dramatisch ist. Es wird darauf ankommen, dass die Bundesregierung nicht nur am Sonntag erklärt, dass sie die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft, sondern dass sie auch von Montag bis Freitag in den konkreten Beratungen sagt: Jawohl, wir werden auch in Europa den notwendigen Weg gehen und Mittel dafür einsetzen, damit schnell etwas passiert. Wir dürfen, wollen und können uns in Europa keine verlorene Generation von Jugendlichen leisten. ({5}) Es geht auch ein bisschen um die Selbstverpflichtung in diesem Hause. Ich glaube, es ist wichtig, dass es bei allen Delegationsreisen nach Brüssel und unseren Gesprächen dort immer eine Selbstverpflichtung sein muss, dass wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament gut und eng zusammenarbeiten. Ich glaube, das hat sich in den letzten Jahren in allen Fraktionen verbessert. Es wird aber auch darauf ankommen, dass wir auch als Parlamentarier hier sagen: Für die Handlungsfähigkeit in Europa brauchen wir eine handlungsfähige Kommission. Das hat simple und praktische Konsequenzen. Ich finde, wir sollten im Zusammenhang mit dem nächsten Arbeitsprogramm der Kommission auch darüber diskutieren, wie wir die Kommissare im Deutschen Bundestag etwas besser einbeziehen, etwa durch eine Einladung zum Meinungsaustausch und all das, was dazugehört. Ich möchte aber noch einen Schritt weitergehen. Ich möchte anregen - der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum, ist auch anwesend -, das Experiment, das wir im Jahr 2009 auf Initiative von SPD und FDP gemacht haben, nämlich den designierten Kommissar in den Deutschen Bundestag einzuladen, zur Selbstverpflichtung der nationalen Parlamente zu machen. Günther Oettinger ist Christdemokrat - man muss auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Couleur loben können, wo dies richtig ist - und hat das damals gemacht. Er war übrigens der Einzige in Europa. ({6}) - Ich bekomme einmal Beifall von der Union. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen das in Europa auch im Rahmen unserer Möglichkeiten - Stichwort COSAC - mit voranbringen; neueuropäisch heißt das Good Practice. Wir müssen es schaffen, dass es selbstverständlich wird, dass die Kommissarinnen und Kommissare, die demnächst wieder zur Wahl anstehen, sich vorher auch in den nationalen Parlamenten vorstellen. ({7}) Es geht nicht darum, dass wir sie auswählen, sondern um eine andere Form von Rückbindung. Wir bekommen nur dann eine starke Kommission, wenn sie auch stark in den Nationalstaaten verwurzelt ist, und zwar im politischen Sinne für die europäische Gemeinschaft statt als spezielle Interessenvertretung des Landes. Dafür ist bekanntlich die Mannschaft und Frauschaft im Ministerrat zuständig. Wir müssen beim nächsten Mal die Selbstverpflichtung schaffen, dass wir eine große Zahl von Frauen in die Kommission bekommen wollen. Das wird die schwierigste Selbstverpflichtung. Ich weiß, wie es in meiner eigenen Parteifamilie ist. Ich weiß aber auch, wie weit wir schon positiv vorangekommen sind. Es reicht nicht aus, dass wir 1982 unter Odile Quintin mit dem Gleichstellungsprogramm die Frauenbüros in der EU-Kommission erfunden haben, sondern wir müssen das auch für die künftigen Kommissionen auf allen Ebenen durchsetzen. Und wir müssen die Europäische Kommission tatsächlich aufgrund des Ergebnisses der nächsten Europawahl im EP wählen. Wir werden von der Kommission nicht verlangen können, dass sie parlamentarisch agiert, wenn wir nicht die volle Parlamentarisierung in Europa durchsetzen. Das heißt - das ist als Selbstverpflichtung an alle in diesem Hause gerichtet -, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten leisten unseren Beitrag dazu, dass die Europawahl tatsächlich eine europäische Wahl wird. Ich hoffe sehr - die Grünen haben 2004 mit Daniel CohnBendit begonnen; wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden mit einem Mann oder einer Frau folgen -, ({8}) dass wir einen Spitzenmann oder eine Spitzenfrau aufstellen ({9}) - okay, damit bin ich einverstanden, aber bitte eine Sozialdemokratin -, damit wir es schaffen, dass derjenige oder diejenige als Spitzenkandidat hinterher im Europäischen Parlament als Kommissionspräsident oder Kommissionspräsidentin zur Wahl steht. Wir sollten als Parlamentarier Interesse daran haben. Wir sollten, egal ob wir Regierung oder Opposition sind, kein Interesse daran haben, dass bei der nächsten Europawahl die Kommission schon vorher dadurch geschwächt wird, dass Staats- und Regierungschefs im Mai sagen, wer Kommissionspräsident wird, egal wie die Europawahl ausgeht. Nein, die Europawahl muss die Voraussetzung für die Zusammensetzung der Kommission schaffen, zumindest was den Kommissionspräsidenten oder die -präsidentin anbelangt. Nur so werden wir uns Axel Schäfer ({10}) parlamentarisch behaupten können. Nur so wird sich die Europäische Kommission auch gegenüber dem Rat durchsetzen können. ({11}) Dabei bitte ich ganz herzlich auch im Namen meiner Fraktion und, wie ich sehe, auch mit Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen der Grünen um Umsetzung. Das wird die Aufgabe sein. Ein Letztes: Wir brauchen auch noch eine Selbstverpflichtung. Jedes Jahr diskutieren wir das Arbeitsprogramm der Kommission. Wir sollten uns gemeinsam in den Fraktionen bemühen, dass wir das an noch etwas prominenterer Stelle und dann auch mit mehr Beteiligung in diesem Hause hinbekommen. Das gilt für alle. ({12}) In diesem Sinne: Lassen Sie uns weiterhin an diesem gemeinsamen Europa arbeiten. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben eine Reihe von guten Vorschlägen gemacht. Es kommt jetzt darauf an, sie umzusetzen. Vielen Dank. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU hat jetzt der Kollege Detlef Seif das Wort. ({0})

Detlef Seif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für uns ist nicht überraschend, dass das Arbeitsprogramm 2012 der EU-Kommission dieses Jahr unter dem Vorzeichen der Finanzmarktkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise steht. Die EU-Kommission widmet sich deshalb folgerichtig in ihrem ersten Teil des Programms einem Europa der Stabilität und Verantwortung. Letztes Jahr wurde viel auf den Weg gebracht - Staatsminister Link hat das im Einzelnen ausgeführt -: sei es das Europäische Semester, sei es der Sixpack, sei es der in diesem Jahr noch zu ratifizierende Fiskalpakt, der insbesondere die Schuldenbremse enthält. Das wird eine gute Ausgangslage sein, um zukünftig die Staatsfinanzen in Europa auf eine solide Basis zu stellen. ({0}) Ich halte es auch für richtig, dass die Kommission einen Schwerpunkt auf eine weitere Regulierung des Finanzmarkts legt. Persönlich sehe ich die Einführung einer Finanztransaktionsteuer aber eher kritisch. ({1}) Die Finanztransaktionsteuer hätte weder die Immobilienblase in den USA noch die dadurch verursachte Finanzmarktkrise verhindert. ({2}) Sie ist sicherlich ein wichtiges Instrument zur Verhinderung des Turbohandels, des Hochfrequenzhandels. Aber wir müssen hier mit äußerstem Fingerspitzengefühl vorgehen. ({3}) Die kritischsten Ausführungen, die davon ausgehen, dass dem Finanzplatz Europa sogar bis zu 200 Milliarden Euro Wirtschaftskraft entgehen könnten, teile ich nicht. Dennoch kann sie zur Wettbewerbsverzerrung führen und auch den Finanzplatz Europa gefährden. Wir müssen ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass gerade auch die Interessen des Finanzplatzes Deutschland gewahrt bleiben. Im zweiten Teil des Programms geht es folgerichtig um eine Union des Wachstums und der Solidarität. Die vernünftige Regulierung des Finanzmarkts sowie die Vorschriften, die die Begrenzung der Staatsverschuldung vorsehen, sind wichtig und unumgänglich. Damit lässt sich aber noch kein Wachstum generieren. Deshalb widmet sich das Arbeitsprogramm der EU-Kommission folgerichtig auch vielen Einzelmaßnahmen zur Belebung des Binnenmarktes. Eine besondere Herausforderung ist auch für die EUKommission, die da im Wesentlichen mitgewirkt hat, bei den Ländern, die in Schieflage geraten sind, Wachstumsimpulse zu setzen. Die vielfach vertretene These „Wir brauchen einen Marshallplan; dann wird sich alles lösen“ kann ich aber nicht teilen. Die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg war eine völlig andere. Europa lag brach. Die Produktionsstätten waren zerstört. Vor der Haustüre gab es keinen oder kaum Wettbewerb. Der Marshallplan war ein Selbstläufer. Wir können mit dem Pumpen von viel Geld in Krisenregionen die Probleme hingegen nicht lösen. Gerade den südeuropäischen Ländern hat nach der Aufnahme in die Euro-Zone billiges Geld in großem Maße zur Verfügung gestanden. Heute wissen wir: Man hat dieses Geld nicht für Produktion genutzt, sondern überwiegend in Konsum gesteckt. Auch das war eine Mitursache für unsere Staatsschuldenkrise. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Deshalb werden uns große Worte von einem Marshallplan nicht weiterhelfen. Die Griechen haben in den letzten Monaten viel erreicht und große Opfer gebracht. Das wissen wir alle. Ich wünsche mir, dass es den vernünftigen Kräften in Griechenland gelingt, sich durchzusetzen, und zwar dauerhaft. Vor allen Dingen wünsche ich mir, dass man die Hilfe, die wir Europäer den Griechen anbieten, tatsächlich annimmt. Die Europäische Union kann Griechenland beim Wirtschaftsaufbau vielfach unterstützen, so zum Beispiel durch die im vergangenen Jahr eingerichtete Taskforce, die meines Erachtens aber personell aufgestockt werden muss, um den zügigen Einsatz der bislang noch nicht abgerufenen Kohäsionsmittel von rund 15 Milliarden Euro zu ermöglichen. In ihrem Arbeitsprogramm betont die EU-Kommission, dass sie die Rolle Europas auf der Weltbühne stärken will. Das ist richtig. Aber hier wird verschwiegen, dass das Kompetenzgerangel innerhalb der EU-Kommission und die Missachtung der Kompetenzen der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik hausgemachte Probleme sind. Hier erwarte ich eine deutliche Nachjustierung durch die Kommission. Auch die Kompetenzen der Hohen Vertreterin müssen zur Geltung kommen. ({4}) Die jüngsten Krisen haben zweifelsohne die Länder der Europäischen Union enger zusammengeschweißt. Die Europäische Union entwickelt sich zunehmend zu einer Schicksalsgemeinschaft. Gerade auch deshalb bin ich der Meinung, dass die Erweiterungspolitik der Europäischen Union zu überdenken ist. Wohin soll Europa steuern? Verstehen wir uns in erster Linie als eine große Wirtschaftsmacht oder als eine Wertegemeinschaft? Ist die EU auf dem richtigen Weg, wenn sie bei der Aufnahme neuer Mitglieder bei einzelnen Kapiteln nicht nur ein Auge, sondern sogar beide Augen zudrückt? ({5}) - Ich vermeide es bewusst, in meiner Rede konkrete Länder zu nennen. Sie als erfahrener Europapolitiker der Grünen wissen sicherlich, warum ich das an dieser Stelle mache. Meine Damen und Herren, ich erwarte hier Anregungen der Kommission. Ich sehe unser gemeinsames Projekt Europa in Gefahr, wenn die zukünftige Erweiterungspolitik nicht mit Vernunft und Augenmaß betrieben wird. Lassen Sie uns gemeinsam mit der Bundesregierung und der EU-Kommission daran arbeiten. Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Andrej Hunko das Wort. ({0})

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über das Arbeitsprogramm der EU-Kommission. Es ist symptomatisch, dass wir die Diskussion über dieses Arbeitsprogramm mehrfach verschoben haben, obwohl in der Zwischenzeit weitreichende Entscheidungen auf europäischer Ebene und hier im Bundestag gefällt wurden, die - wie der Kollege Link richtigerweise gesagt hat - einen Paradigmenwechsel in der Europäischen Union bedeuten. Ich meine unter anderem das Griechenland-Paket, das wir am vorletzten Montag in einer Sondersitzung des Bundestages verabschiedet haben. Es ist nichts anderes als ein Programm des Sozialabbaus und führt zu sozialer Verelendung in Griechenland. So wird der Mindestlohn um 22 Prozent - bei jungen Menschen sind es sogar 32 Prozent - gesenkt. Ich weiß nicht, wer die 750 Seiten, auf denen dieses Paket dargelegt wird, tatsächlich gelesen hat. Wer es aber getan hat, weiß, dass unter anderem die Gesundheitsausgaben in Griechenland auf 6 Prozent des ohnehin schrumpfenden Bruttoinlandsproduktes - bei uns dagegen sind es 11 Prozent - gedeckelt werden. Die EU-Kommission ist in Form der Troika - zusammen mit IWF und EZB - an dem Paket für Griechenland genauso beteiligt wie an den Paketen für Portugal und Irland. Aber dazu finden wir nichts im Arbeitsprogramm der EU-Kommission, ebenso wenig wie zum sogenannten Fiskalpakt, der am vergangenen Donnerstag bzw. Freitag in Brüssel beschlossen wurde. Auch daran ist die EU-Kommission beteiligt. Es handelt sich zwar um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen 25 Ländern, der aber die EU-Kommission einbindet. Aber auch dazu finden wir nichts im Arbeitsprogramm der EU-Kommission, genauso wenig wie zur Einrichtung des ESM, der die andere Seite der gleichen Medaille ist. Man kann sagen: Der Fiskalpakt ist die Peitsche, während der ESM das vermeintliche Zuckerbrot ist. Fiskalpakt und ESM gehören zusammen. An beidem ist die EU-Kommission beteiligt. Auch dazu finden wir nichts. Ich will trotzdem ein paar Worte zu diesem Arbeitsprogramm selbst sagen. Insgesamt ist es von der EU2020-Strategie geprägt, einer Fortsetzung der gescheiterten neoliberalen Lissabon-Strategie aus dem Jahre 2000. Entsprechend kritisch sehen wir dieses Arbeitsprogramm. ({0}) Es gibt ein paar wenige positive Elemente, zum Beispiel den Vorschlag zur Ausgestaltung der Finanztransaktionsteuer. Es gibt darin aber auch Sätze wie den folgenden - ich zitiere -: Eine umfassende Reform der Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte hat das Finanzsystem der EU auf eine solide Grundlage gestellt. Man fragt sich: Wo leben die Autoren denn? ({1}) Haben sie etwa nicht den letzten Halbjahresbericht der EZB gelesen, in dem es beispielsweise heißt, dass das Finanzsystem der Euro-Zone so stark gefährdet ist wie seit 2008 nicht mehr? Ist denn in Europa die Finanztransaktionsteuer eingeführt? Sind Hedgefonds verboten worden? Sind die Giftpapiere verboten worden? Ist das Kasino geschlossen worden? All das hat nicht stattgefunden. ({2}) - Die Europäische Kommission spricht hier von der Regulierung der Finanzmärkte, und die hat eben nicht stattgefunden. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir stehen europapolitisch vor sehr weitreichenden Entscheidungen. Der Fiskalpakt ist zwar unterzeichnet worden, aber noch nicht ratifiziert. Der ESM steht vor der Verabschiedung. Meine Erfahrung mit dieser Bundesregierung ist, dass sie Argumenten sehr wenig zugänglich ist. Deswegen wende ich mich hier auch an die irische und die französische Bevölkerung: I want to address the Irish people: You have the chance to vote on the fiscal treaty, a possibility that is denied to us here in Germany and is denied to hundreds of millions of Europeans. I appeal to you to use this opportunity wisely. Please study the fiscal treaty carefully and reject it. ({3}) Ich wende mich auch an die französische Bevölkerung. Sie hat nämlich in der Präsidentschaftswahl die Möglichkeit - ({4}) - Jetzt werden einige hier ganz aufgeregt. ({5}) - Ja, jetzt werden einige hier ganz aufgeregt. - Die französische Bevölkerung hat bei der Präsidentschaftswahl die Möglichkeit, zumindest Sand in das Getriebe dieses Fiskalpaktes zu streuen. Ich appelliere auch an die französische Bevölkerung, sehr genau hinzuschauen, welcher Präsidentschaftskandidat welche Position dazu vertritt, und sich dagegen zu wenden, dass wir ein austeritäres und autoritäres - in Frankreich sagt man „une Europe autoritaire et austéritaire“ - Europa bekommen. Eines ist klar - das sage ich immer am Ende -: Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein. Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Lisa Paus das Wort.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Europäische Erneuerung“ - so lautet die Überschrift dieses Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission. Wenn man die letzten beiden Jahre heute einmal nüchtern Revue passieren lässt, dann kommt man zu dem Schluss: Europa hat sich in den letzten beiden Jahren ganz massiv verändert; aber von einer Erneuerung war leider nichts zu spüren. Stattdessen mussten wir erleben, wie nationalstaatliche Restauration quasi aus allen Löchern dieser Europäischen Union herausgekrochen ist. ({0}) In Bismarck’scher Manier mussten wir erleben, wie Regierungschefs Spaziergänge absolviert haben, ({1}) Verträge verhandelt haben, unterzeichnet haben. Damit bin ich schon direkt beim Thema Fiskalpakt, meine Damen und Herren von der Koalition. Das Demokratiedefizit dieses Fiskalpakts ist eben keine Petitesse. Die intergouvernementale Strategie der letzten beiden Jahre ist eben nicht nur ein Schönheitsfehler; damit einher geht vielmehr das Problem der Renationalisierung und der Entsolidarisierung. So droht der Grundstein, auf dem die Europäische Union gebaut ist, eingerissen zu werden. Das ist ein Problem. ({2}) Ich möchte es ganz konkret machen. Griechenland war heute schon Thema; auch Herr Seif hat sich dazu ausgelassen. Herr Seif, die Sendung Monitor hat letzte Woche, sichtbar für alle Bürgerinnen und Bürger im öffentlich-rechten Fernsehen, zum Glück deutlich gemacht, dass wir eine völlig schräge Debatte führen. Der Bürger ist der Auffassung, wir hätten bereits Kosten in Milliardenhöhe gehabt und der deutsche Steuerzahler hätte in den letzten zwei Jahren für die Europäische Union geblutet. Richtig ist: Wir haben über Garantien abgestimmt, und wir sind Risiken eingegangen, aber gekostet hat uns das bisher noch nicht einen einzigen Euro. Im Gegenteil besteht die absurde Situation, dass Deutschland Krisengewinnler ist und von der aktuellen Krise profitiert. Der deutsche Bundeshaushalt ist durch diese Krise um 50 Milliarden Euro entlastet worden, weil im Gegensatz zu früher momentan lieber Bundesanleihen als die Anleihen anderer Staaten gekauft werden. ({3}) Dieses Land hat die Exportüberschüsse um über 50 Milliarden Euro erhöhen können, ({4}) weil sich die Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der Krise verbessert hat und weil der Euro leicht abgewertet wurde. Deshalb sind 100 Milliarden Euro mehr in der deutschen Kasse und nicht weniger. Die schräge Debatte, die wir hier in Deutschland führen, ist das Produkt Ihrer Renationalisierungsstrategie. Deswegen müssen wir damit aufhören. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Paus, gestatten Sie eine Frage oder eine Bemerkung?

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bitte, Herr Seif.

Detlef Seif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst einmal haben Sie eine Meinung geäußert, die sich nicht mit der Meinung der Koalition deckt und sich nicht in Übereinstimmung mit der praktischen Politik der Koalition befindet. ({0}) Meine Frage an Sie lautet: Meinen Sie nicht, dass Europa darauf angewiesen ist, dass wir ein wirtschaftlich starkes und finanziell gut aufgestelltes Deutschland haben? Denken Sie an die EFSF. Wir müssen aufgrund unserer Stellung als Staat mit einer Triple-A-Bewertung viel mehr aufbringen als andere Staaten. Ist es also nicht gut für Europa, dass es ein starkes Deutschland gibt und Deutschland ein Schlüsselland in Europa ist? ({1})

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Seif, das habe ich überhaupt nicht in Abrede gestellt. Aber in der Tat ist die spannende Frage, ob es für Europa gut ist, wenn Deutschland die Ungleichgewichte innerhalb der Europäischen Union weiterhin verschärft, indem sich diese Bundesregierung und die Koalition nach wie vor weigern, das Thema der Leistungsbilanzungleichgewichte in der Europäischen Union adäquat zu thematisieren und einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Länder der Europäischen Union noch stärker zusammenwachsen, anstatt dass sie weiter auseinanderdriften. ({0}) Ich habe auf das Demokratiedefizit des Fiskalpakts hingewiesen. Auch das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission unterstreicht, dass dieser Fiskalpakt nicht nur was die Demokratiefrage angeht, zu kurz greift, sondern dass er auch inhaltlich zu kurz greift. Es werden zwei Punkte angeführt, die auch wir Ihnen vorgetragen haben. Ich möchte somit die Kommission als Anwalt zitieren und Ihnen die Lektüre des Arbeitsprogramms ans Herz legen. Zum Ersten finden Sie die Binsenweisheit - das führt bei Ihnen aber leider nicht zu Taten -, dass wir aus der Krise nur herauskommen, wenn wir sparen und investieren. Zum Zweiten steht in diesem Programm, dass die Konsolidierungsanstrengungen nicht allein über Ausgabenkürzungen geleistet werden können, sondern dass auch Einnahmeerhöhungen erfolgen müssen. Deswegen müssen wir in der Europäischen Union gemeinsam Steuerflucht bekämpfen; denn das ist wegen der Liberalisierung und der Binnenmarktfreiheit national nicht mehr möglich. Wir brauchen gemeinsame Anstrengungen zur Reduzierung der Steuerflucht. Wir brauchen eine gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für Unternehmen, damit es keinen schädlichen Steuerwettbewerb innerhalb der Europäischen Union gibt. Wir brauchen auch Mindeststandards bei der Energiebesteuerung, und wir müssen erreichen, dass die Einführung der Finanztransaktionsteuer nicht nur in jeder Rede vorkommt, sondern dass diese Steuer endlich Realität in der Europäischen Union wird. ({1}) Die Haltung der FDP in der Debatte um die Finanztransaktionsteuer ist besonders unerträglich. Ich will den disparaten Chor der Einzelstimmen nicht wiederholen. ({2}) Auch Herr Seif hat sich ja diesbezüglich heute noch einmal geäußert. Ich möchte an dieser Stelle nur eines sagen: In diesem Hause gibt es zumindest für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer, werte CDU/CSU, eine Zweidrittelmehrheit; das wissen Sie. Für den Fiskalpakt gibt es die Zweidrittelmehrheit in diesem Hause bisher noch nicht. ({3}) Herr Krichbaum, Sie sagten, die Grünen hätten vielleicht ein Problem, weil alle anderen Grünen in der Europäischen Union zustimmen würden; deshalb könnten wir nicht anders. Diesbezüglich kann ich Sie informieren, dass das nicht der Fall ist. ({4}) Es wäre eher umgekehrt. Wenn wir Grüne zustimmen würden, dann wären wir mit den finnischen Grünen die Einzigen und somit in der Minderheit. Es geht also um Anstrengungen Ihrerseits. Draußen versteht kein Bürger und keine Bürgerin, warum die Finanztransaktionsteuer in der Europäischen Union nicht endlich kommt. Deswegen wollen wir mit Ihnen darüber reden, ganz konkret, dass die Devisen mit einbezogen werden und dass die Derivate mit einbezogen werden. Wir brauchen konkrete Verabredungen zur Finanztransaktionsteuer im Rahmen der Fiskalpaktdebatten hier im Deutschen Bundestag. ({5}) - Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. „Nicht nur sparen, auch investieren“, das kommt in den Sonntagsreden der Bundeskanzlerin inzwischen vor; konkret gibt es dazu gar nichts, Geld sowieso nicht. Ich würde trotzdem Ihren Blick noch einmal auf das Arbeitsprogramm richten wollen. Das Arbeitsprogramm gibt zumindest Hinweise auf die zentralen Wachstumsfelder, die erst einmal noch keinen zusätzlichen Euro kosten. In der Energiewende und der Energieeffizienzrichtlinie - das sind zwei Beispiele, die ich nennen will steckt richtig Wachstumspotenzial. Was machen Sie? Sie blockieren! Zur Energieeffizienzrichtlinie gibt es keine Meinung dieser Koalition. Die Umsetzung würde jeden Privathaushalt in der Europäischen Union um 1 000 Euro entlasten und 2 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Das nur als ein Beispiel. Deswegen: Geben Sie sich zumindest an dieser Stelle einen Ruck für mehr Zukunft in Europa! Herzlichen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Karl Holmeier für die Unionsfraktion. ({0})

Karl Holmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004059, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0}) „Europäische Erneuerung“ - so lautet der Titel des diesjährigen Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission. Ein solcher Titel klingt überaus vielversprechend, und er weckt auch große Erwartungen. Für uns als Parlamentarier ist dieser Titel daher zugleich aber auch eine große Verpflichtung. Denn seit wir uns als nationales Parlament mit dem Vertrag von Lissabon neue Rechte im europäischen Gesetzgebungsprozess erkämpft haben, sind wir natürlich auch in der Pflicht, uns frühzeitig aktiv mit den anstehenden europäischen Themen auseinanderzusetzen. Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission stellt hierfür den Auftakt dar. Es kann daher in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich möchte an dieser Stelle gern auf einige mir besonders wichtig erscheinende Punkte dieses Programms eingehen. Wie wir schon öfter gehört haben, liegt der Schwerpunkt des Programms auf der Schaffung von Stabilität und Wachstum. Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Europa, das wirtschaftlich und finanzpolitisch auf festen Füßen steht, ein Europa der Verantwortung, das sich gerade wegen seiner Stabilität auch Solidarität leisten kann. Dabei müssen wir Schuldenabbau auf der einen Seite und Wachstum auf der anderen Seite miteinander in Einklang bringen. Hier sind mir die geplanten Maßnahmen des Arbeitsprogramms der Kommission zum Schuldenabbau ein wenig zu einseitig. Die Europäische Kommission will hauptsächlich die Einnahmeseite erhöhen und vernachlässigt zu stark die Ausgabenseite. Daran muss sich etwas ändern; denn die Wachstumsagenda muss mit einer echten Konsolidierung einhergehen. Dass dies kein Widerspruch ist, zeigt das Beispiel Deutschland. Wir sind trotz massiver Sparanstrengungen die Wachstumslokomotive in Europa. Gott sei Dank haben wir ein starkes Deutschland, und dies, meine Damen und Herren, liegt sicherlich an der guten und erfolgreichen Politik der christlich-liberalen Regierung. ({1}) Kritisch anmerken muss ich auch, dass es die Europäische Kommission offenbar nicht lassen kann, in immer wiederkehrenden Abständen nach einer eigenen Steuer als EU-Eigenmittel zu streben; nun über die Finanztransaktionsteuer, die wir und auch ich im Grundsatz sehr begrüßen. Die Forderung nach einer eigenen europäischen Steuer weisen wir aber ebenso hartnäckig zurück, wie sie von der Kommission erhoben wird. Sehr zu begrüßen ist die Absicht, die Mindestdauer öffentlicher Konsultationen im Anschluss an einen Kommissionsvorschlag um vier Wochen zu verlängern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Holmeier, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Sarrazin?

Karl Holmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004059, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gern.

Manuel Sarrazin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003889, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Kollege Holmeier, Sie wissen, dass ich ein großer Freund vieler europäischer konservativer Parteien bin, in vielen Bereichen insbesondere ein großer Anhänger der Politik der polnischen Konservativen von Ministerpräsident Tusk. Jetzt haben die polnischen Konservativen eine ganz andere Position als Sie. Sie sind nämlich für die Finanztransaktionsteuer, und zwar ausdrücklich als europäisches Eigenmittel, weil sie finden, dass es den polnischen Interessen widerspricht, wenn nachher polnische Unternehmen über den Finanzplatz Frankfurt sozusagen zum deutschen Steueraufkommen beitragen. ({0}) Deswegen frage ich Sie hier, ob die Linie der Bundesregierung, die Finanztransaktionsteuer als europäisches Eigenmittel zu verhindern, nicht letztlich erstens dem gemeinsamen Interesse, dass sich möglichst viele Staaten daran beteiligen, schadet und zweitens auch den Interessen der polnischen Konservativen diametral entgegensteht.

Karl Holmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004059, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist die Meinung der polnischen Partei. Wir haben natürlich eine andere Meinung. Wir sind dafür, dass Europa keine eigene Steuer bekommt. ({0}) - Ja, aber als deutsche Steuer. Wir wollen nicht, dass das eine europäische Steuer wird. ({1}) Dass die Mindestdauer öffentlicher Konsultationen um vier Wochen verlängert wird, habe ich schon angesprochen. Dies ist angesichts der Fülle und Komplexität vieler Vorschläge positiv zu bewerten und fördert unser aller Ziel, Europa bürgernäher zu machen. Als Kommunalpolitiker, der ich noch immer bin, freut es mich natürlich besonders, dass unsere Forderungen nach Bürokratieabbau auf europäischer Ebene nun wenigstens im Ansatz Gehör gefunden haben. Ich sage aber ganz klar: Hier geht noch mehr. Unser ehemaliger bayerischer Ministerpräsident Edmund Stoiber hat zwar schon einiges erreicht, aber es muss noch mehr möglich sein. Erfreut habe ich auch das Ziel zur Kenntnis genommen, einen integrierten, wettbewerbsfähigen und benutzerfreundlichen europäischen Zahlungsverkehr zu schaffen. Hier hat der Deutsche Bundestag mit seinem Entschließungsantrag aus dem letzten Jahr zur SEPAVerordnung einen überaus wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass nun die vom Rat verabschiedete Verordnung tatsächlich nutzerfreundlich geworden ist. Danach sah es am Anfang gar nicht aus. Das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, sich frühzeitig mit den europäischen Themen zu befassen und insofern auch das Arbeitsprogramm der Kommission sehr ernst zu nehmen. Abschließend möchte ich als Berichterstatter für den Güterkraftverkehr im Verkehrsausschuss gern noch etwas zu diesem Thema sagen. Es freut mich, dass die Kommission einen Bericht vorlegen möchte, der die Lage auf dem Güterkraftverkehrsmarkt analysiert. Das erscheint mir sehr wichtig und auch dringend notwendig. Wenn ich jedoch im Programm lese, dass gleichzeitig ein neues Legislativpaket für den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt und zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers vorgelegt werden soll, dann erscheint mir das positiv zu sehende Bestreben einer vorgeschalteten Analyse etwas unglaubwürdig. Vielleicht sollte man hier strategisch etwas klüger vorgehen, den Bericht zunächst abwarten und ihn sich dann in Ruhe anschauen. Wenn ich dann noch lese, dass Spediteure in die Vorschriften über den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers einbezogen werden sollen, bestätigt das meinen Eindruck, dass hier häufig Vorschriften von Leuten gemacht werden, die von der Praxis wenig Kenntnis haben. ({2}) Sehr positiv hingegen sehe ich die Pläne zur Schaffung eines einheitlichen Rahmens für die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren. Auch die Überlegungen zur Einbeziehung leichter Nutzfahrzeuge und gegebenenfalls auch einer Pkw-Vignette finden meine vollste Unterstützung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sieht, welche Tragweite dieses Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission hat. Ich denke, das Beispiel SEPA zeigt, wie wichtig es ist, sich frühzeitig einzubringen. Wenn wir alle das gemeinsam ernst nehmen, dann haben wir gute Chancen, die von der Europäischen Kommission in Angriff genommene „Europäische Erneuerung“ zu schaffen. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Stefanie Vogelsang für die Unionsfraktion. ({0})

Stefanie Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004180, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, herzlichen Dank. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am Ende dieser Debatte bleibt nicht mehr auf viele Punkte aufmerksam zu machen. Ich denke, die wesentlichen Dinge sind schon angesprochen worden. Ich möchte noch einmal das Arbeitsprogramm der Kommission mit den vier Bestandteilen, in denen es aufgelegt ist, würdigen. Ich möchte meinen Schwerpunkt auf den zweiten Bestandteil legen, und zwar auf die Freisetzung von Wachstumskräften und Solidarität. Ich möchte ganz konkret zwei Punkte aus dem Bereich der Gesundheitsforschung, nämlich insbesondere die Stärkung des Wettbewerbs - nicht aus Selbstzweck, sondern im Hinblick auf die Qualität der Versorgung der Menschen in der Europäischen Union -, ansprechen. Mir ist wichtig, am Anfang eines deutlich zu machen: Wir sind in unserer Strategie zum Aufbau der Europäischen Union nicht davon ausgegangen, dass wir uns als Völker einfach zusammentun, sondern unsere Botschaft war von Anfang an auf eine Friedens- und eine Wertegemeinschaft gerichtet. Ich glaube, dass es auch Aufgabe der Europäischen Kommission in diesem und im nächsten Jahr sein muss, Werbung bei den Menschen in den europäischen Ländern dafür zu machen, dass wir solidarisch miteinander für diese europäische Wertegemeinschaft einstehen und dass wir als europäische Völker auch den jeweiligen anderen Völkern Vertrauen entgegenbringen. Ich glaube, die Diskussion um die Staatsschuldenkrise in den unterschiedlichen Ländern innerhalb Europas zeigt, dass jedes Land einen anderen Schwerpunkt setzt. In Deutschland reden wir über die Belastung des deutschen Steuerzahlers. In Griechenland wird über die Art und Weise geredet, wie die Menschen dort eingeschränkt werden. In Frankreich wird der Schwerpunkt auf den einen Bereich und in anderen Ländern auf andere Bereiche gelegt. Im Mittelpunkt unserer Philosophie und unseres Gedankenganges steht, dass die Europäische Union der Garant für einen Wertekanon Europa ist. Die Europäische Union ist nur möglich, wenn alle zusammenhalten und sie innerhalb der Bevölkerung akzeptiert wird, das heißt von den Eliten, aber natürlich auch von den einfachen Menschen in den Ländern. Dies kommt mir etwas zu kurz. Ich bitte herzlich darum, dass wir in Deutschland oder in den unterschiedlichsten Ländern, die wir auf Delegationsreisen besuchen, unser Augenmerk auf diesen Aspekt legen. ({0}) Vertrauen der Völker untereinander liegt also im Interesse des gemeinsamen Wertekanons und auch im Interesse des gemeinsamen Wohlstandes. Block zwei des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission ist ausgerichtet auf die Unterstützung der Kräfte des Binnenmarktes, auf das Freilegen von Wachstumskräften. Das wird nicht aus Selbstzweck gemacht. Es geht in der Europäischen Union oder in unseren Debatten nicht darum, aus Selbstzweck diesen Wachstumskurs zu formulieren und aus Selbstzweck die einzelnen Meilensteine zu setzen. Es geht ausschließlich darum, den Wohlstand und die Lebensqualität aller Menschen, die in Europa zusammenleben, zu stabilisieren, zu mehren und auf einem hohen Stand zu halten. Deswegen sind alle Maßnahmen, die im Binnenmarkt Wachstumskräfte freisetzen, von allerhöchstem Interesse für jedes einzelne Mitglied der Europäischen Union. Wir haben vor zwei Jahren im deutschen Parlament, als die Debatten über Griechenland begannen, aus der CDU/CSU-Fraktion heraus unsere Regierung aufgefordert, eine Diskussion über die Gläubigerbeteiligung beim Schuldenschnitt und über die Staatshaushaltskrise in Griechenland zu führen. Wir haben unsere Regierung beauftragt, über eine Gläubigerbeteiligung in den europäischen Gremien zu sprechen. Heute, wenn ich es richtig gesehen habe, hat die griechische Regierung mitgeteilt, dass sich nahezu 90 Prozent der privaten Gläubiger am Schuldenschnitt beteiligen. Ich finde, das ist ein eindrucksvolles Zeichen erfolgreicher deutscher Europapolitik. ({1}) Deswegen sehe ich das sehr, sehr positiv. Ich würde gerne einen Übergang formulieren, aber weil mir das nicht gelingt, mache ich lieber einen Schnitt: In dem Arbeitsprogramm der Europäischen Union stehen 127 einzelne Maßnahmen. Mir kommt es dabei auf einen einzelnen Punkt an, nämlich auf die Schaffung eines einheitlichen Zugangsmarktes für innovative Medizinprodukte und innovative Produkte aus dem Bereich der Gesundheitsforschung. Ich glaube, es ist nicht positiv, weder für die Kraft des Wachstums noch für die Versorgung der Menschen mit diesen wichtigen gesundheitsfördernden Gütern, dass wir 20 verschiedene Zulassungsverfahren mit ganz unterschiedlichen Kriterien für den Zugang zu unseren Gesundheitsmärkten haben. Ich denke, eine Vereinheitlichung muss das Ziel sein. Mit diesem Anliegen, dass alle Menschen in Europa medizinisch gleich gut versorgt werden, möchte ich schließen. Herzlichen Dank. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Leiharbeit verbieten und in reguläre Beschäftigung umwandeln - Drucksache 17/8794 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales ({0}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite des Hauses, die an der Debatte nicht mehr teilnehmen können, uns möglichst schnell die entsprechenden Bedingungen zu gewährleisten, dass ich die Aussprache eröffnen kann. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Jutta Krellmann für die Fraktion Die Linke. ({1})

Jutta Krellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004080, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit nahezu zehn Jahren entwickelt sich die Leiharbeit in Deutschland negativ. Dank der Aufweichung von Rot-Grün wurde das Prinzip „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ gesetzlich unterlaufen. Leiharbeit wurde zu einem Massenphänomen. ({0}) Seitdem versuchen wir, die Leiharbeit wieder in den Griff zu bekommen. Wenn ich mir anschaue, welche Konsequenzen Leiharbeit für die Menschen hat, werde ich regelrecht wütend. ({1}) Mittlerweile kratzt die Zahl der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer an der Millionenmarke. 120 000 von ihnen müssen ihr Gehalt mit staatlicher Unterstützung aufstocken. Kaum Geld zum Leben und die Angst, wieder keinen dauerhaften Job zu finden - das ist Alltag für diese Menschen. Die Zahlen sind deutlich: Der angebliche wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands - in einer Zeit, in der europaweit die Arbeitslosenzahlen steigen - ist vor allem ein Aufschwung in der Leiharbeit. Noch im letzten Monat verzeichnete die BA die meisten offenen Stellen im Bereich der Leiharbeit - mehr als im Handel, im Gesundheits- und Sozialwesen und im verarbeitenden Gewerbe zusammen. Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken; ich jedenfalls möchte nicht an der Ausbeutung meiner Mitmenschen beteiligt sein. ({2}) Wir müssen das alte Gerede von einem Job um jeden Preis endlich durch eine strukturelle Diskussion über gute Arbeit ersetzen. Die Linke will sich mit der Leiharbeit nicht abfinden und fordert deshalb ein Ende dieser menschenverachtenden Form der Erwerbsarbeit. ({3}) Mit dieser Forderung stellen wir uns an die Seite von über 90 Prozent der Bevölkerung, die die unterschiedliche Bezahlung von Beschäftigten mit gleicher Tätigkeit innerhalb eines Betriebes für falsch halten. Wir müssen aufhören, uns von den Wirtschaftsverbänden vor den Karren spannen zu lassen; denn diese haben Leiharbeit als strategisches Instrument zum Lohndumping und zur Spaltung von Belegschaften genutzt. Nach den völlig unzureichenden gesetzlichen Änderungen im vergangenen Jahr entdeckt die Wirtschaft jetzt Werkverträge als einen neuen Weg zum Billiglohn. Das ist eine richtige Sauerei! ({4}) Leiharbeit, Werkverträge und Befristungen haben eine doppelte Disziplinierungsfunktion gegenüber Beschäftigten, Gewerkschaften und Erwerbslosen. Selbst wenn wir Equal Pay zurückerobert hätten: Leiharbeitnehmer hätten immer noch einen anderen Status als Festangestellte und müssten wie befristet Beschäftigte Sorge haben, dass sie nicht weiterbeschäftigt oder übernommen werden, insbesondere dann, wenn sie den Mund aufmachen und sich für ihre Rechte einsetzen. Leiharbeit besser zu regeln und Equal Pay einzuführen, wäre ein wichtiger erster Schritt. Wenn man aber zu einer guten, angstfreien Arbeit kommen will, dann muss man Leiharbeit abschaffen. ({5}) Denn nur auf diesem Wege untersagt man es den Arbeitgebern, Leiharbeit als Instrument zur Disziplinierung von Beschäftigten und zur Spaltung von Belegschaften zu nutzen. ({6}) Wer einen Leiharbeitsjob nicht annehmen will, dem droht Hartz IV als weiteres Disziplinierungsinstrument. ({7}) Daher werden wir auch in Zukunft alles daransetzen, dass Leiharbeit bald nur noch an einem Ort zu finden ist in den Geschichtsbüchern. Ich sage Ihnen: Sie werden uns unsere Hoffnung, dass sich hier etwas ändert, nicht nehmen. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Max Straubinger für die Unionsfraktion. ({0})

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Krellmann hat wieder versucht, in der Öffentlichkeit ein Zerrbild der Arbeitswelt entstehen zu lassen. Die Fraktion der Linken glaubt, dass Leiharbeit der Ursprung allen Übels in der Arbeitswelt sei. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist beileibe nicht so. ({0}) Gerade einmal 3 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland sind in Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. ({1}) Das zeigt sehr deutlich, dass nur ein ganz kleiner Bruchteil der Bürgerinnen und Bürger, die einer Arbeit nachgehen, in Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind. ({2}) Zusätzlich, Frau Kollegin Krellmann, ist zu verzeichnen, dass es sich auch bei der Zeitarbeit um reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse handelt ({3}) und die Zeitarbeit dazu angetan ist, Arbeitsspitzen in den Betrieben abzufedern. ({4}) In dem wirtschaftlichen Aufschwung, den wir derzeit dank der guten Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung erleben, sind natürlich mehr Arbeitsspitzen abzuarbeiten, als wenn wir eine Rezession zu verzeichnen hät19782 ten. Deshalb gibt es auch bei der Zeitarbeit einen Aufschwung. ({5}) Verehrte Kollegin Krellmann, dass dies zutreffend ist, zeigt sich auch darin, dass nur 50 Prozent der Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer länger als drei Monate im selben Betrieb beschäftigt sind. Das ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass die Zeitarbeit zur Abarbeitung von Arbeitsspitzen eingesetzt wird. ({6}) Ein Weiteres ist, dass Zeitarbeit eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt ist, weil sie die Chance bietet, in die Stammbelegschaft übernommen zu werden. Gerade in wirtschaftlich guten Zeiten, wie wir sie derzeit hier erleben können, in denen eine große Nachfrage nach Arbeitskräften besteht, zeigt sich sehr deutlich, dass sehr viele Zeitarbeitnehmer in die Stammbelegschaft aufgenommen werden. Laut Zahlen des iGZ sind im vierten Quartal des Jahres 2011 34,7 Prozent der Zeitarbeitnehmer in die Stammbelegschaften der Betriebe aufgenommen worden. Das zeigt sehr deutlich, dass die Zeitarbeit Chancen eröffnet. Dies gilt auch für gering qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. Langzeitarbeitslose. ({7}) Laut iGZ-Umfrage sind sogar 70 Prozent der Zeitarbeitnehmer, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine höhere Qualifizierung verfügen, in die Stammbelegschaft aufgenommen worden. Das zeigt sehr deutlich, welche Chancen in der Zeitarbeit liegen. Sie wollen die Zeitarbeit verbieten und damit den Menschen diese Chancen nehmen, verehrte Damen und Herren. ({8}) Ich möchte aber nicht verhehlen, dass es in der Vergangenheit auch Probleme gab und dass es Situationen gibt, über die man diskutieren muss. Die Zeitarbeit hat sicherlich durch zu geringe Lohnabschlüsse, die zu verzeichnen waren, einen schlechten Ruf bekommen. Ich möchte aber herausstellen, dass diese Bundesregierung dafür gesorgt hat, dass seit 1. Januar dieses Jahres ein Mindestlohn in der Zeitarbeit Gültigkeit hat, also eine Lohnuntergrenze eingezogen worden ist. ({9}) Dann gibt es Klagen darüber, dass es einen sogenannten Drehtüreffekt gegeben hat, dass nämlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen ausgestellt worden sind, ({10}) sie aber gleichzeitig das Angebot erhalten haben, für eine betriebseigene Zeitarbeitsfirma wieder am selben Arbeitsplatz tätig zu werden. Das ist dank dieser Bundesregierung seit Juli vergangenen Jahres verboten. ({11}) Sie hat also auch hier für Ordnung im Bereich der Zeitarbeit gesorgt. Letztendlich gilt es, verehrte Kolleginnen und Kollegen, daran zu arbeiten, bessere Bedingungen im Zeitarbeitnehmerbereich zu schaffen. Diese Bundesregierung hat sich das auf die Fahnen geschrieben. Aber zuerst sind die Tarifparteien gefordert. Sie stehen jetzt in Verhandlungen - besonders die IG Metall, aber auch die anderen Gewerkschaften -, um hier gute Verträge auszuhandeln und unter Umständen auch noch gleichen Lohn für gleiche Arbeit nach drei Monaten am selben Arbeitsplatz durchzusetzen. Wir sind sehr optimistisch, dass dies erreicht werden kann. Wir geben der Tarifautonomie den Vorrang. Sie aber sind nur eine Verbotspartei, die den Arbeitsmarkt letztendlich stranguliert. Diesen Weg werden wir nicht mitgehen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Klaus Barthel das Wort. ({0})

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon richtig, dass wir das Thema Leiharbeit auf der Tagesordnung halten; das gilt auch für das Thema Werkverträge. Denn leider steigen die entsprechenden Zahlen weiterhin an, und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist besorgniserregend. Zunächst einmal müssen wir uns die Grundsatzfrage stellen, was für eine Arbeitswelt wir in Zukunft eigentlich wollen. Wollen wir die, die neulich im Spiegel - es war in der Ausgabe 6/2012 - beschrieben worden ist? Der Artikel „Frei schwebend in der Wolke“ stellt ein Belegschaftsmodell vor, das bei IBM diskutiert wird. Demnach sollen kleine Kernmannschaften ein Heer von Auftragnehmern dirigieren, die unter den miesesten Bedingungen arbeiten. Das ist das Konzept „Prekarität für möglichst viele und Sicherheit für möglichst niemanden“. Die Entwicklung auf unserem Arbeitsmarkt geht in der Tendenz in diese Richtung; das muss man ganz klar sehen. Die Alternative ist das Modell, das uns erfolgreich durch die Krise gebracht hat: Kurzarbeiterregelung, Konjunkturprogramme, Arbeitszeitkonten, Flexibilität auf der Grundlage von betrieblicher Mitbestimmung und von gewerkschaftlichen Tarifvereinbarungen auf AugenKlaus Barthel höhe. Das ist sozusagen das Gegenmodell. Welches Modell wir wollen, ist die erste Frage, die wir klären müssen. Die zweite Frage ist eine Grundsatzfrage, die gerade im Zusammenhang mit Europa diskutiert worden ist. Wollen wir tatsächlich die anderen Länder in Europa mit unseren Exportüberschüssen plattmachen und jetzt die Griechen, Spanier und andere zwingen, ihren Kündigungsschutz abzubauen, Tarifverträge nur noch auf betrieblicher Ebene abzuschließen, in Tarifverträge einzugreifen und Löhne zu senken? Oder sagen wir, dass unsere Vorstellung von Europa einem sozialen Europa mit gesicherten und geregelten Arbeitsmärkten, in denen Leiharbeit begrenzt werden muss - ich komme darauf noch zu sprechen -, entspricht? ({0}) Herr Straubinger, ich bin an einem Freitagnachmittag jedes Mal gespannt, was die Koalition zu einer solchen Debatte beiträgt. Wir erleben schließlich am Beispiel des Mindestlohns, welch eine Inszenierung die CDU/CSU seit Monaten hier vorführt: Sind Sie jetzt für oder gegen den Mindestlohn? Dann verhandeln Sie vor und nach Parteitagen untereinander. ({1}) Dann sagen Sie: Schauen wir einmal, ob wir im März vielleicht zu irgendeiner Einigung kommen. Aber danach müssen wir erst noch mit der FDP reden. ({2}) Diese Diskussion kann man doch aktuell in den Medien nachverfolgen. Eine solche Inszenierung muss Ihnen doch langsam peinlich sein, Herr Straubinger. ({3}) Bezüglich der Leiharbeit haben Sie es gerade noch einmal dokumentiert. Sie haben hier die Leiharbeit verteidigt und das Hohelied auf die tollen Erfolge aufgrund dieser Leiharbeit gesungen. Dann liest man aber in Ihrer Vorschau auf die heutige Debatte - das ist das, was Sie von der CSU in den Sozialausschüssen herumreichen -: Die CSU fordert jedenfalls, dass Zeitarbeitnehmer nach drei Monaten den gleichen Lohn erhalten müssen wie Stammbeschäftigte. - Bravo! Dann machen Sie es doch endlich. ({4}) Sie erzählen, was die Stammtische hören wollen. Aber Sie machen hier etwas ganz anderes. Das haben wir jetzt langsam satt. ({5}) Ich könnte noch viel zitieren. Das, was Sie machen, erinnert mich immer ein bisschen an den Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars. Zum Antrag der Linken. Ich glaube, auch Sie müssen sich langsam festlegen, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie Equal Pay? Oder wollen Sie die Leiharbeit abschaffen? Ich glaube, das Abschaffen der Leiharbeit würde den Betroffenen wenig helfen. Denn wenn Sie die Unternehmen zwingen würden, die Mitarbeiter zu übernehmen, dann wären sie in dem Moment draußen, in dem hier das Gesetz verabschiedet wird. Darüber hinaus denke ich, dass so etwas in einer modernen Wirtschaft nicht funktioniert. Ich würde uns allen empfehlen: Nehmen wir doch einfach die Befürworter der Leiharbeit und der Zeitarbeit ernst, die da sagen: Wir brauchen das eben für Produktionsspitzen; in einer modernen Wirtschaft muss so etwas möglich sein. - Wir können ihnen dann entgegnen: Produktionsspitzen sind Zeiten, in denen die Arbeit besonders produktiv ist und in denen mehr Wert durch die Nutzung des schon vorhandenen Maschinenparks entsteht, wodurch höhere Gewinne erzielt werden. Es ist doch das Mindeste, dass die Leiharbeiter vom ersten Tag an das gleiche Gehalt wie die festen Mitarbeiter bekommen. ({6}) Die Leiharbeit darf nicht billiger sein, so wie das jetzt der Fall ist. Klar ist: Leiharbeit wird missbraucht. Wir wissen, dass Leiharbeiter im Durchschnitt ein Drittel bis die Hälfte weniger an Lohn bekommen. Wir beobachten, dass die Leiharbeit in Bereichen eingeführt wird, in denen sie nichts zu suchen hat. In der Pflege, in den Krankenhäusern, in der Gebäudereinigung und im Verkehrsbereich gibt es keine Produktionsspitzen, sondern es handelt sich dort um Arbeit, die immer geleistet werden muss. Hier findet eindeutig Missbrauch statt, den wir durch gesetzliche Maßnahmen unterbinden müssen. ({7}) Was Herr Straubinger eben erzählt hat, ist eindeutig widerlegt. Die Lobbyistenpropaganda, dass es zu einem Klebeeffekt kommen würde, hat das IAB schon hundertfach widerlegt. Es gibt so gut wie keinen Klebeeffekt, und es gibt so gut wie keine Qualifizierungserfolge. ({8}) Es gibt so gut wie keine Maßnahmen, die dazu führen, dass die Langzeitarbeitslosigkeit abgebaut wird; denn klar ist: Betriebe, die Mitarbeiter brauchen, würden auch Langzeitarbeitslose einstellen. Falls die Betriebe aber keine Mitarbeiter brauchen, stellen sie auch keine Leiharbeiter ein. Unsere Forderungen bleiben bestehen: Begrenzung der Leiharbeit auf ein Jahr - das haben wir in verschiedenen Anträgen deutlich gemacht -, Equal Pay zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, Mindestlohn für die entleihfreie Zeit - der muss natürlich dynamisch gestaltet werden - und Synchronisierungsverbot. Wir fordern vor allen Dingen die Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung - das haben Sie gar nicht erwähnt -; denn auch die Betriebsräte müssen kontrollieren, was in dem Betrieb, für den sie verantwortlich sind, hinsichtlich der Leiharbeit passiert. Anders geht es nicht. Aus dem Verleihbetrieb heraus ist so etwas nicht möglich. Außerdem müssen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bei der Zahl der Beschäftigten berücksichtigt werden; denn sie ist relevant für die Größe der Gremien. Spannend finde ich auch das Thüringer Modell. Es sieht vor, dass öffentliche Mittel nur dorthin vergeben werden dürfen, wo Leiharbeit nicht missbraucht wird. Dafür muss es klare Kriterien geben, auch bei der Gewährung von Zuschüssen durch öffentliche Stellen. Ich nenne beispielsweise die Strukturmittel der EU. ({9}) Zum Thema Werkverträge. Auch hier finden Sie nicht den richtigen Ansatz. Sie fordern: Scheinwerkverträge muss man verbieten. - Das Problem ist aber die Definition. Was ist denn ein Scheinwerkvertrag? ({10}) Klar ist, dass die jetzige Rechtslage völlig unbefriedigend ist, weil die Abgrenzung zwischen Scheinselbstständigkeit, Dienstvertrag und Werkvertrag sehr kompliziert ist. ({11}) - Herr Kolb, ich weiß, dass Sie nachher wieder mit der Story kommen, dass das Rot-Grün zu verantworten hat. ({12}) Das hören wir von Ihnen jedes Mal. Wir haben Ihnen schon hundertmal gesagt: Wir haben die Entwicklung zehn Jahre lang beobachtet und daraus gelernt, dass wir die Regelungen korrigieren müssen. - Sie aber wollen nichts daraus lernen. Ganz im Gegenteil: Sie wollen es noch viel schlimmer machen. ({13}) Das sind die unterschiedlichen Lernprozesse, die hier zu beobachten sind. Beim Vorgehen gegen Scheinwerkverträge kommt es darauf an, dass wir praktikable und kontrollierbare Kriterien für die Werkverträge festlegen. ({14}) Solchen komplizierten Fragen stellen sich die Linken leider nicht. Eine letzte Bemerkung zur Tarifrunde. Herr Straubinger, ich bin immer wieder erstaunt, dass Sie plötzlich die Gewerkschaften loben. Wir müssen bei den jetzt anstehenden Tarifverhandlungen doch sehen, dass eine Leiharbeitsregelung einen Preis hat, der bei den Lohnerhöhungen etwas kostet.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Im Übrigen stellt sich auch die Frage: Was machen wir in den Bereichen, in denen es keine starken Gewerkschaften und keine entsprechenden Regelungen gibt? Denn dort wird die Leiharbeit am meisten missbraucht. Sie kommen nicht drum herum, diese Frage zu beantworten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Barthel, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich verrate Ihnen aber ein Geheimnis: Es folgt noch eine Kurzintervention der Kollegin Krellmann. Das heißt, Sie haben gleich noch einmal das Wort.

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke für die Aufmerksamkeit. ({0})

Jutta Krellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004080, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Barthel, vieles von dem, was Sie gesagt haben, fand ich sehr richtig. Zu ein paar Punkten muss ich aber etwas sagen. Wissen Sie, dass wir auch zu Werkverträgen einen Antrag eingebracht haben? Kennen Sie unseren Antrag zur Leiharbeit? Sie wissen, dass mir, seit ich im Bundestag bin, die Themen Werkverträge und Leiharbeit am Herzen liegen, weil ich als Gewerkschafterin weiß, was in Betrieben los ist. Sie haben nichts zu dem Kernpunkt dieses Antrags gesagt. Er verurteilt die Disziplinierung, die in diesem Bereich stattfindet. Es geht darum, zuerst den ersten Schritt zu machen. Daher möchte ich Sie bitten, sich unseren Antrag zu den Werkverträgen anzuschauen. Als Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales lade ich Sie herzlich zur Anhörung zum Thema Werkverträge ein. Sie findet am 23. April statt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Barthel, möchten Sie antworten? - Bitte.

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zu diesem Punkt muss man in der Tat etwas sagen. Das konnte ich im Rahmen meiner Rede aufgrund der knappen Redezeit nicht mehr tun. Sie haben in der Tat viele Anfragen dazu eingereicht, die uns viele Erkenntnisse gebracht haben. ({0}) - Anfragen, aber auch Anträge. - Mich hat es überrascht, dass Sie nun einen solchen Antrag vorlegen. Die Anträge werden doch nicht dadurch besser, dass man immer mehr hineinschreibt und immer noch radikalere Forderungen stellt, wie jetzt das Verbot von Leiharbeit und Scheinwerkverträgen. Es macht mehr Sinn, sich an den Anträgen abzuarbeiten, die Sie vorher gestellt haben; denn diese Anträge haben mehr inhaltliche Substanz und einen stärkeren Realitätsbezug. Es hätte sich schon gelohnt, weiter daran zu arbeiten. Die Anträge werden, wie gesagt, nicht dadurch besser, dass man immer noch etwas draufsetzt. Dadurch kommt man doch nur von den eigentlichen Punkten weg. Außerdem machen Sie es dadurch der Koalition leicht - das werden Sie gleich erleben -, den Antrag abzubürsten, weil Sie nicht auf dem Boden der Tatsachen und auf der Grundlage bleiben, die Sie mit uns gemeinsam erarbeitet haben. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nun hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb für die FDPFraktion das Wort. ({0})

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte sehr zeiteffizient sein. Herr Kollege Barthel, Sie müssen es ertragen, dass Sie immer wieder auf Ihre Fehler hingewiesen werden. Sie können sich allerdings nicht hier hinstellen und sagen: Wir haben es zehn Jahre lang beobachtet und wollen es jetzt ändern. - Denn von den zehn Jahren haben Sie acht Jahre regiert. In dieser Zeit hätten Sie etwas tun können. ({0}) Erst in den letzten zwei Jahren, in denen Sie in der Opposition sind, ist Ihnen eingefallen, dass Sie gerne alles anders machen würden. Frau Kollegin Krellmann und liebe Kollegen von den Linken, Sie sollten öfter positiv denken. ({1}) Negatives Denken ist gefährlich. Das hat Nebenwirkungen: Es schlägt aufs Gemüt. ({2}) Ihre Anträge triefen nur so von negativem Denken. Das gilt auch für den Antrag, der heute vorgelegt wurde. Man merkt schon an der Sprache, dass Sie davon nicht wegkommen. Sie sprechen von „Leiharbeit“. Nein, das ist Zeitarbeit. Es ist eine mögliche Beschäftigungsform in einem ganzen Mix an Beschäftigungsformen, den wir in unserem Land haben. Gänzlich verbieten wollen wir die Zeitarbeit auf gar keinen Fall. Wir wären ja auch blöd, wenn wir das täten. 1 Million Menschen haben dadurch in einer eigenen Branche eine in der Regel unbefristete Beschäftigung gefunden. Man muss zwischen dem befristeten Ausleihverhältnis und dem unbefristeten Grundbeschäftigungsverhältnis im Zeitarbeitsunternehmen unterscheiden. So weit gehen Sie aber gar nicht. Ich glaube, dass Zeitarbeit auf ein erträgliches Maß beschränkt ist: Der Anteil beträgt weniger als 3 Prozent der gesamten Beschäftigungsverhältnisse. Aber 1 Million Menschen hat die Zeitarbeit als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt genutzt. ({3}) Frau Kollegin Krellmann, Sie sagen, dass die Beschäftigten in der Zeitarbeit zu gleichen Bedingungen übernommen werden müssen. Das ist etwas anderes als Equal Pay. Equal Pay hat die FDP als eine der ersten Fraktionen im Deutschen Bundestag thematisiert, wenn sie nicht sogar die erste Fraktion war. ({4}) Darüber kann man reden. Diese Umwandlung finde ich aber gefährlich. Man muss nicht viel Fantasie haben, um zu ahnen, wie Ihr nächster Antrag aussehen wird. Sie haben ja für alles einen Antrag. Manchmal vertreten Sie sogar die Pro- und die Kontraposition. Ich formuliere Ihren nächsten Antrag einmal ins Unreine: Die Arbeitslosigkeit wird abgeschafft; jedes Unternehmen in Deutschland muss einen Arbeitslosen einstellen. ({5}) Ihrer Logik folgend muss Ihr nächster Antrag so aussehen. Er wird genauso kurz und genauso einfältig sein. Auf diese Art und Weise kann man aber keine Politik machen. Ich glaube, die Probleme gebieten es, dass man sich ihnen ein bisschen intensiver zuwendet. Dass Sie noch weiter gehen und auch Werkverträge verbieten wollen, ist aus Ihrer Sicht nur logisch. Das wäre ein wirklich gefährlicher Eingriff in die arbeitsteilige Wirtschaft. Die SPD hat sich damals bei dem Versuch der Regelung der Scheinselbstständigkeit die Finger verbrannt. Ich sage Ihnen voraus: Wenn Sie das versuchen, werden Sie aufgrund der Komplexität der Wirtschaft und der arbeitsteiligen Lieferbeziehungen scheitern. Sie würden sich die Finger verbrennen. Zum Abschluss meiner drei Minuten Redezeit, in denen niemand eine Zwischenfrage gestellt hat,

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das klappt nicht immer am Freitagnachmittag.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- rate ich uns, über die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in unserem Lande, die es gibt und geben kann, ernsthaft zu diskutieren. Aber auf der Basis des Antrags, den Sie heute vorgelegt haben, sollten wir das, glaube ich, besser nicht tun. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Beate Müller-Gemmeke das Wort.

Beate Müller-Gemmeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004117, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss gestehen: Der Antrag der Linken irritiert auch mich. ({0}) Sie, die Linken, wollten die Leiharbeit bisher regulieren, jetzt wollen Sie die Leiharbeit ganz verbieten. Außerdem geht es um Scheinwerkverträge. Ein anderer Antrag - Sie haben es gerade angesprochen - liegt bereits vor; aber wir haben noch nicht einmal die Anhörung dazu durchgeführt. Um was geht es heute eigentlich? Wir Grüne stehen zu unseren Positionen. Wir wollen die Leiharbeit nicht abschaffen, aber regulieren. Sie soll weiterhin zur flexiblen Abfederung von Auftragsspitzen und zur Überbrückung personeller Engpässe genutzt werden können, aber nicht zum Nachteil der Beschäftigten. ({1}) Leiharbeitskräfte müssen fair entlohnt werden und mehr Sicherheit erhalten. Deswegen fordern wir konsequent Equal Pay, und zwar, Herr Kolb, nicht erst nach neun Monaten, ({2}) sondern ab dem ersten Tag. Wir fordern einen Flexibilitätsbonus von 10 Prozent und die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots. ({3}) Wir kritisieren auch, dass die Leiharbeit vermehrt durch Scheinwerkverträge umgangen wird. Deshalb haben auch wir vor einiger Zeit einen entsprechenden Antrag eingebracht. Wir fordern klare Kriterien und eine eindeutige Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Werkverträgen. Diese Positionen sind bekannt. Bei uns Grünen gibt es also nichts Neues. Ich kann Ihnen versichern, dass wir heftig darum streiten werden. Ich möchte die heutige Diskussion nutzen, um einen anderen Aspekt zu erwähnen - dieser ist schon angesprochen worden -: Nach der Reform der Leiharbeit im letzten Jahr haben Sie, die Regierungsfraktionen, und die Bundesarbeitsministerin von der Leyen die Verantwortung für die Schaffung einer Equal-Pay-Regelung auf die Tarifpartner übertragen. Sie haben den Tarifpartnern dafür ein Jahr Zeit gegeben. Für den Fall, dass in dieser Zeit keine tragfähige tarifliche Regelung gefunden wird, hatte die Ministerin die Einführung einer gesetzlichen Equal-Pay-Regelung in Aussicht gestellt. Dieses eine Jahr ist bald vorbei. Ich frage die Regierungsfraktionen: Wie sieht es aus? Wird es eine tarifliche Regelung geben? ({4}) - Die Frist von einem Jahr ist bald vorbei. - Wird wirklich jede Branche, also auch kleine Branchen, selber verhandeln müssen? Sind Sie, falls es keine tarifliche Regelung geben sollte, endlich bereit, den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gesetzlich durchzusetzen, oder waren Ihre Ankündigungen wieder einmal nur schöne Sonntagsreden?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Müller-Gemmeke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Weiß?

Beate Müller-Gemmeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004117, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Müller-Gemmeke, nachdem Sie die Regierungskoalition und die Regierung gefragt haben, antworte ich nun mit einer Rückfrage an Sie: Haben Sie zur Kenntnis genommen - es wurde auch öffentlich bekannt gegeben -, dass die Gewerkschaften und die Zeitarbeitgeberverbände, vorneweg IG Metall und Gesamtmetall, das Thema Equal Pay auf der Tagesordnung der zurzeit laufenden Tarifverhandlungen haben und über Regelungen in Form von branchenbezogenen Zuschlägen und über den Zeitpunkt, ab dem 100 Prozent gezahlt werden sollen, diskutieren? Die Tarifverhandlungen werden in diesen Tagen geführt, und man sagte uns auf Nachfrage: Jawohl, wir sind optimistisch, eine Regelung zu finden. Also wird das, was die Koalition angekündigt hat, aller Voraussicht nach in diesem Frühjahr umgesetzt werden.

Beate Müller-Gemmeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004117, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Weiß, natürlich habe ich das mitbekommen. ({0}) Ich weiß auch, dass es in der Metallbranche bereits eine tarifliche Regelung gibt. Aber - Kollege Barthel hat das gerade schon angeführt -: Es kann doch nicht sein, dass jede Gewerkschaft für ihren Bereich eine Regelung aushandeln muss. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt nicht im Dialog, sondern es heißt in unserer Geschäftsordnung: Fragen und Bemerkungen. ({0})

Beate Müller-Gemmeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004117, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist mir nicht bekannt, dass die im Bereich Metall gefundene Regelung auf alle Branchen übertragen werden kann; das kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich weiß nicht, wie das gehen soll. ({0}) Was wird mit den Branchen sein, in denen es keine Tarifverträge gibt? Was ist zum Beispiel mit den Kirchen? Auch dort gibt es Leiharbeit und, und, und. Von daher: Ich bin natürlich der Meinung, dass wir eine einheitliche Regelung brauchen. Wir brauchen aber keine IG-MetallRegelung. ({1}) - Es ist ja schön, dass Sie miteinander diskutieren; aber ich glaube, jetzt bin ich an der Reihe. ({2}) Ich möchte nicht, dass das von meiner Zeit abgeht. Aus meiner Sicht ist eine tarifliche Equal-Pay-Regelung ohnehin der falsche Weg. Die Gewerkschaften müssen mittlerweile über sehr viele unterschiedliche Themen verhandeln: ({3}) über die Übernahme von Azubis, Regelungen für Ältere, die Übernahme von Leiharbeitskräften, die Arbeitsplatzsicherung und vieles andere mehr. ({4}) Je mehr Themen dazukommen - Herr Kolb stellen Sie doch eine Frage -, umso weniger können die Gewerkschaften faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen durchsetzen. Meiner Meinung nach schwächt das die Gewerkschaften. Eine gesetzliche Equal-Pay-Regelung hingegen würde die Gewerkschaften stärken. ({5}) Zudem war Ihre Reform der Leiharbeit letztes Jahr für die Beschäftigten nahezu bedeutungslos. Die Interessen der Leiharbeitsbranche und der Wirtschaft aber sind bedient worden. In der Folge ist der Trend zu immer mehr Leiharbeit ungebrochen. Die Unternehmen profitieren weiterhin doppelt: Sie erhalten Flexibilität und billige Arbeitskräfte. Die Leiharbeitskräfte hingegen leiden unter einer doppelten Belastung: Sie verdienen weniger und haben keinen sicheren Job. Ich bleibe dabei: Das ist ungerecht und auch nicht fair. Leiharbeitskräfte haben einen berechtigten Anspruch auf die gleichen Arbeitnehmerrechte, auf faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen wie alle anderen Beschäftigten auch. Ich kann Ihnen versichern, dass wir nicht lockerlassen. Wir werden Sie immer wieder an Ihr Versprechen erinnern und konkretes Handeln einfordern. Sie sind jetzt am Zug. Machen Sie Ernst mit Equal Pay, und zwar mit einer gesetzlichen Regelung! Liefern Sie das, was Sie versprochen haben! Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Gitta Connemann für die Unionsfraktion. ({0})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt ist die Katze endlich aus dem Sack. In den letzten Jahren haben Sie, meine Damen und Herren von den Linken, uns fast monatlich mit Anträgen zur Zeitarbeit überzogen. ({0}) Jetzt sagen Sie endlich, was Sie wirklich wollen, ({1}) nämlich die Abschaffung der Zeitarbeit. ({2}) Ich sage: Das ist ein starkes Stück. Das gilt übrigens auch für das, was uns die Redner der Oppositionsfraktionen hier bieten. Ich hatte bei dem einen oder anderen Hinweis, lieber Herr Barthel und liebe Frau Müller-Gemmeke, schon den Eindruck, Sie seien vom Virus der Vergesslichkeit befallen. ({3}) Ich erinnere daran, dass die Deregulierung der Zeitarbeit, die Sie immer wieder aufs Neue beklagen, 2003 eingeführt worden ist. ({4}) Ich erinnere daran: Seinerzeit, 2003, hatten wir eine rotgrün geführte Bundesregierung. Ich empfehle jedem - auch den Gästen, die uns heute zuhören -: Messen Sie Politiker an ihren Taten! ({5}) An Ihren Taten messe ich auch Sie, lieber Herr Barthel. Sie haben den Missbrauch bei der Zeitarbeit beklagt. Ja, es gibt einen Missbrauch bei der Zeitarbeit - ich nenne das immer „Scheinzeitarbeit“ -, nämlich dann, wenn Tochterunternehmen gegründet werden, um Mitarbeiter zu niedrigeren Tariflöhnen im eigenen Unternehmen zu beschäftigen. Wissen Sie, wer so etwas macht? Zum Beispiel Mediengesellschaften der SPD wie die Madsack-Gruppe ({6}) und große Unternehmen wie VW, aber auch viele andere. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich dort empören, wo im Hinblick auf die Scheinzeitarbeit tatsächlich Handlungsbedarf besteht. ({7}) Aber dazu habe ich von Ihnen noch nie ein Wort gehört. ({8}) Tatsächlich verzerren Sie einmal mehr die Fakten. Wir haben den Tarifvertragsparteien ins Stammbuch geschrieben, dass sie eine Regelung zum Equal Pay vereinbaren sollen. Die Tarifvertragsparteien stehen in Verhandlungen. Wir tun das, weil das Wort „Tarifautonomie“ für uns mehr ist als eine bestimmte Anzahl schwarzer Buchstaben. Vielmehr geht es dabei um ein Grundrecht, und dieses Recht ist im Grundgesetz verankert. ({9}) Die richtige Zeitarbeit hat ungeheuer viel für unseren Arbeitsmarkt getan. Hinter der richtigen Zeitarbeit stehen bestimmte Wahrheiten, und ich bitte Sie, diese endlich zur Kenntnis zu nehmen: Erstens. Zeitarbeitnehmer sind vollwertige Beschäftigte mit einem ganz normalen Arbeitsvertrag - in der Regel unbefristet. ({10}) Zweitens. Es gilt das allgemeine deutsche Arbeitsrecht. Zeitarbeitnehmer haben dieselben Schutzrechte wie alle anderen Beschäftigten. Sie haben übrigens kein spezielles Kündigungsrecht. Drittens. Fast 100 Prozent der Zeitarbeitnehmer werden nach Tariflöhnen bezahlt, davon übrigens drei Viertel nach DGB-Tarifverträgen. ({11}) Viertens. Es gibt in der Zeitarbeitsbranche eine Lohnuntergrenze, die von der christlich-liberalen Koalition eingeführt wurde. Das niedrigste Einstiegsgehalt für Ungelernte liegt bei 7,89 Euro pro Stunde. Begehrte Spezialisten können mehr als 80 000 Euro im Jahr verdienen. Es gibt viele Branchen, in denen das Lohnniveau unterhalb des Lohnniveaus der Zeitarbeitsbranche liegt. Ich nenne beispielhaft das Fleischerhandwerk in Nordrhein-Westfalen oder den Einzelhandel in Bremen. Fünftens. In Deutschland gilt anders als im Rest Europas das Arbeitgebermodell. Zeitarbeitnehmer erhalten ein festes Einkommen, übrigens auch in Zeiten des Nichteinsatzes. Sechstens. Die Zeitarbeit steht für die gesamte Fülle des Arbeitsmarktes, vom Hilfsarbeiter bis zum IT-Experten. Siebtens. Die Zeitarbeit holt Menschen aus der Arbeitslosigkeit. 65 Prozent der neu eingestellten Zeitarbeitnehmer waren vorher ohne Beschäftigung. ({12}) Achtens. Fast ein Drittel der Zeitarbeitnehmer hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und erhält über die Zeitarbeit die Möglichkeit der Qualifizierung im Job. ({13}) Neuntens. Stammbelegschaften werden nicht verdrängt. In Deutschland gibt es gut 29 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, davon 800 000 Zeitarbeitnehmer. Damit ist eine Verdrängung allein schon rechnerisch nicht möglich. ({14}) - Hören Sie einfach zu, und schreien Sie nicht. Zehntens. Jedes Zeitarbeitsunternehmen benötigt eine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit. Bei Verstößen kann diese jederzeit entzogen werden. ({15}) Das sind zehn Wahrheiten über die Zeitarbeit. Alle Zahlen belegen das, aber das ficht Sie ja nicht an. Meine Damen und Herren von der Linken, liebe Frau Krellmann, wenn Sie Ihre juristischen Hausaufgaben gemacht hätten, dann müssten Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1967 kennen. ({16}) Seinerzeit galt ein Verbot der Zeitarbeit, wie Sie es heute fordern. Das Bundesverfassungsgericht erklärte dieses Verbot für verfassungswidrig. Es sei nicht mit dem Grundrecht der freien Berufswahl vereinbar. Dieses Urteil wurde von Ihnen geflissentlich ignoriert. Ich habe gerade Ihre Zwischenbemerkung gehört, Sie seien keine Juristin. ({17}) Das ist aber eine vollständige Bankrotterklärung. Denn Tatsache ist, dass sich der Gesetzgeber an Recht und Gesetz halten sollte, insbesondere an das Grundgesetz selbst Sie, Frau Kollegin Krellmann. ({18}) Auch das Europarecht spielt für Sie keine Rolle. Ein Verbot der Zeitarbeit auf nationaler Ebene würde auch gegen dieses verstoßen, nämlich gegen die EU-Leiharbeitsrichtlinie. Dort heißt es übrigens in der Präambel - ich zitiere -: Die Leiharbeit entspricht nicht nur dem Flexibilitätsbedarf der Unternehmen, sondern auch dem Bedürfnis der Arbeitnehmer, Beruf und Privatleben zu vereinbaren. Sie trägt somit zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Teilnahme am und zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt bei. So die Leiharbeitsrichtlinie. Das interessiert Sie aber nicht. Ihnen geht es vielmehr um Ideologie. Das zeigt übrigens auch Ihre zweite Forderung. Sie wollen die Kundenunternehmen gesetzlich zwingen, Zeitarbeitnehmer zu übernehmen. Das ist selbst für Ihre Verhältnisse wirklich grotesk. Dabei will ich Sie gar nicht mit rechtlichen Hinweisen langweilen. Ich könnte wieder unsere Verfassung anführen: Art. 2 - die Privatautonomie - und Art. 12 des Grundgesetzes usw. Mit dieser Forderung missachten Sie die Grundrechte eklatant; das interessiert Sie aber nicht. Für mich bleibt damit nur folgendes Fazit: Nach Ihrem Willen, nach Ihrem Antrag, soll der Gesetzgeber zukünftig bestimmen, welche Mitarbeiter ein Unternehmen einstellen soll. Das hat mit sozialer Marktwirtschaft überhaupt nichts mehr zu tun. Das wäre ein weiterer Schritt in Richtung sozialistische Planwirtschaft. ({19}) Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Linken: Wollen Sie wirklich zurück zum System der DDR? Wollen Sie, dass der Ein-Parteien-Staat die Wirtschaft plant, übrigens mit bekanntem Ausgang und Erfolg? Das kann tatsächlich nicht Ihr Ernst sein. Das ist es auch nicht; denn Sie vertrauen darauf, dass wir Ihren Antrag ablehnen, und das werden wir auch tun. ({20})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Johannes Vogel für die FDP-Fraktion. ({0})

Johannes Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004179, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gute, das man über Ihren Antrag sagen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ist ({0}) - in der Tat, lieber Kollege Kolb, er ist kurz -, dass er ehrlich ist: Sie wollen die Zeitarbeit verbieten. Das Schlechte, das man über Ihren Antrag sagen kann, ist: Das ist nicht nur in der Sache falsch, sondern das ist auch handwerklich unbefriedigend umgesetzt. ({1}) Das fängt damit an, dass Sie die Fakten in Ihrer Begründung falsch darstellen. Sie sagen, jeder zwölfte Zeitarbeiter müsse wegen der Lohnhöhe aufstocken, deswegen, weil sein Lohn nicht zum Leben reicht. Dabei ignorieren Sie ein weiteres Mal - wir haben das schon sehr häufig diskutiert; das wissen Sie so gut wie wir -, dass die meisten Menschen, die trotz Vollzeit in Deutschland ergänzendes Hartz IV bekommen, dies deshalb bekommen, weil sie eine große Familie haben. ({2}) Wir können stolz darauf sein, dass wir als Gesellschaft das solidarisch gewährleisten. Es liegt also nicht an der Lohnhöhe. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, an einigen Stellen verstehe ich zudem nicht ganz, wie Sie sich das vorstellen. Sie sagen, Sie wollen die Zeitarbeit verbieten und alle Zeitarbeitnehmer, die gerade in einem Entleihbetrieb im Einsatz sind, müssen von diesem fest angestellt und übernommen werden. Selbst wenn man die Zeitarbeit verbieten wollte: Was ist denn mit denjenigen, die gerade in einer Verleihpause sind? Die sind Johannes Vogel ({3}) dann arbeitslos. Insofern könnte man sagen: Ihr Antrag würde zu Arbeitslosigkeit per Gesetz führen. Ich glaube nicht, dass Sie das wollen. Ich habe den Eindruck: Richtig durchdacht ist Ihr Antrag nicht. Unabhängig von den Inkonsistenzen stört mich der Antrag natürlich vor allem in der Sache. Ich verstehe wirklich nicht - ich meine das ganz ernst -, wie Sie nicht sehen können, dass die Zeitarbeit eine Branche ist, die - das wurde von meinem Kollegen Kolb eben schon gesagt - Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht. ({4}) Man muss es noch einmal betonen - denn ich verstehe nicht, wie Sie an diesem Fakt vorbeigehen können -: Zwei Drittel der Zeitarbeiter kommen aus der Beschäftigungslosigkeit, und 40 Prozent derjenigen, die in der Zeitarbeitsbranche arbeiten, haben keine berufliche Qualifikation. Sie hätten es am Arbeitsmarkt ansonsten enorm schwer. Für sie ist die Zeitarbeit eine enorme Einstiegschance. Das sollten wir in Deutschland nicht zerstören. ({5}) Man muss auch sagen: Das deutsche Arbeitgebermodell, das wir erhalten wollen und das Sie von der versammelten Opposition nicht mehr wollen - auch diejenigen nicht, die die Zeitarbeit erhalten wollen -, sorgt eben dafür, dass Zeitarbeit eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist. Frau Kollegin MüllerGemmeke, Sie wollen das immer abschaffen. Ich frage mich: Warum sehen Sie nicht, dass der Unterschied zum Beispiel zwischen dem Modell in Frankreich und unserem Modell ist: Wenn in Frankreich ein Zeitarbeiter krank wird, dann verliert er seine Stelle. In Deutschland erhält er Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. ({6}) Das ist doch etwas Gutes, und das sollten wir erhalten. Deshalb verstehe ich nicht, wie Sie gegen das deutsche Arbeitgebermodell der Zeitarbeit so zu Felde ziehen können. Es ist richtig: Wir müssen Missbrauch verhindern. Deshalb ist es gut, dass diese Koalition den Weg zu einer Lohnuntergrenze, die von den betroffenen Tarifpartnern in der Zeitarbeit ausgehandelt wurde, freigemacht hat, und es ist auch gut, dass wir den Weg hin zu Equal Pay nach klug bemessener, ausreichend langer Frist gehen wollen. Die Tarifpartner sind gerade dabei. Liebe Frau Kollegin Müller-Gemmeke, ich habe nicht verstanden, wie Sie danach rufen können, dass die Politik das übernehmen soll. Das ist ein weiteres Beispiel, bei dem ich mich frage, ob es nicht eine etwas seltsame Situation ist - darüber sollten Sie nachdenken -, wenn wir von der Regierungskoalition die Gewerkschaften und die Tarifpartner vor Ihnen und Ihrem politischen Handeln beschützen müssen. Ich glaube, das ist eigentlich nicht in Ihrem Sinne, aber in der Diskussion über die Zeitarbeit vertreten Sie diese Position immer wieder. Ich habe dafür kein Verständnis. Die Tarifpartner sollen den Bereich Equal Pay regeln. Sie können besser entscheiden, was die beste Lösung für die Menschen ist. Deshalb muss das von ihnen vereinbart werden. Es ist gut, dass sie sich auf diesen Weg gemacht haben und dass wir das politisch angeschoben haben. Man kann also zusammenfassend sagen -

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Vogel, das mit der Zusammenfassung klappt jetzt nicht mehr.

Johannes Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004179, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gut. Man kann in einem Satz, Frau Präsidentin,

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der auch einen Punkt hat.

Johannes Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004179, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- zusammenfassend und etwas zugespitzt sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Leiharbeit ist Zeitarbeit, und Zeitarbeit ist gut. - Das sollten Sie sich einmal ins Stammbuch schreiben lassen. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/8794 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Volker Beck ({0}), Tom Koenigs, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zur Situation von Roma in der Europäischen Union und in den ({1}) EU-Beitrittskandidatenstaaten - Drucksachen 17/5536, 17/7131 Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Volker Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Dritten Reich wurden von Deutschland im Rahmen des HoVolker Beck ({0}) locaust in einem Völkermord an den Sinti und Roma in Europa 500 000 Menschen ermordet. Wer „Nie wieder Auschwitz“ sagt, der muss auch sagen: Nie wieder Diskriminierung von Sinti und Roma, und zwar in Deutschland und in Europa. ({1}) Die gesellschaftliche Situation von Sinti und Roma in unserem Land und von Roma in den Mitgliedstaaten und Beitrittsstaaten der Europäischen Union zeigt: In vielen Staaten ist die Lage katastrophal. In Deutschland ist sie dramatisch schlecht. Was sagt die Bundesregierung in ihren Antworten auf die Große Anfrage und eine Kleine Anfrage zur RomaStrategie der Bundesregierung? - Ich weiß nichts. Ich will nichts wissen. Ich tue auch nichts. Die von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ mitfinanzierte Bildungsstudie sagt über die Situation deutscher Sinti und Roma: Nicht einmal 20 Prozent haben eine berufliche Ausbildung. Fast die Hälfte hat keinerlei Schulabschluss, und 13 Prozent der Kinder besuchen nicht einmal eine Schule. 45 Prozent bekommen keine Unterstützung zum Beispiel bei Hausaufgaben. Dabei ist doch die Bildung der zentrale Schlüssel für die Integration wenigstens der nachfolgenden Generationen der Sinti und Roma in Deutschland. Was gibt die Bundesregierung zum Besten, nachdem sie ursprünglich in ihrer Antwort auf die Anfrage völlige Unwissenheit vorgeschützt hat? Ich zitiere: Die Bundesregierung vermutet, dass die Einschätzungen der beiden - von uns zitierten Studien, dass die Bildungsbeteiligung und Bildungserfolge von Sinti und Roma in Deutschland unterdurchschnittlich sind, nicht ganz unbegründet sind. Die Verbesserung der Bildungssituation von Sinti und Roma in den genannten Bereichen fällt - sofern überhaupt staatliche Aufgabe - überwiegend in die Zuständigkeit der Länder. Dabei belässt sie es dann. Das „sofern überhaupt staatliche Aufgabe“ muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wir werden unserer historischen Verantwortung und der dramatischen Benachteiligung von Sinti und Roma in unserem Land nicht gerecht. Wir haben dabei eine große Verantwortung, zunächst einmal für die Menschen, die hier bei uns leben, aber auch dann, wenn wir die massiven Menschenrechtsverletzungen, die die Bundesregierung in ihrer Antwort - zu Recht - konzediert, in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union kritisieren. Wie können wir diese Kritik glaubwürdig vortragen und von diesen Ländern verlangen, die Entmietung von Roma-Familien in den Städten Osteuropas und den Ausschluss von der Gesundheitsversorgung zu beenden und Maßnahmen zu ergreifen, damit Kinder von Roma-Familien nicht per se in Sonderschulen landen, indem man durch frühkindliche Erziehung dafür sorgt, dass sie die Sprache des Umgebungsvolkes erlernen, damit sie eine Chance haben, in den Schulen Erfolge zu erzielen, wenn wir selber die Hände in den Schoß legen? Bei allen Maßnahmen, zu denen wir uns in der Europäischen Union verpflichtet haben, haben wir Argumente: Für die Gesundheitsversorgung gibt es bei uns die Krankenkassen. Für die Bildung sind die Länder und die Schulen zuständig. Was Integration angeht, kümmern wir uns nicht um spezifische Gruppen. ({2}) - Wie können Sie sagen: „Das ist so“? Wir verlangen von anderen Ländern, dass sie sich der spezifischen Problematik dieser Minderheiten annehmen, und prangern das Problem des Antiziganismus an, das keine osteuropäische Besonderheit ist, sondern, genauso wie der Antisemitismus, auch in unserem Land vorhanden ist. Wir fordern, dass sie etwas tun. Dabei sind wir selber keinen Deut besser. ({3}) Meine Damen und Herren, unsere historische Verantwortung gebietet, dass wir hier etwas tun. Wir müssen auch bei den ausländerrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Fragen etwas tun. Wenn man sieht, dass die Kinder von Roma-Familien im Kosovo nicht eingeschult werden, dass die Wohnungssituation in vielen Regionen des Kosovo für Roma-Familien nicht geregelt ist, dass es dort eine dramatische Benachteiligung vonseiten des Staates und der Gesellschaft gibt und dass viele dieser Roma-Familien seit Jahren hier leben und viele Kinder hier geboren sind, finde ich: Wir müssen mit der Abschiebung Schluss machen. Wir müssen uns um die Integration kümmern und diesen Menschen eine Chance geben. ({4}) Ganz zum Schluss: Es gibt in meinem Wahlkreis unweit meiner Wohnung ein wunderbares Projekt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Beck, versuchen Sie, es ganz kurz zu machen. Ich weiß, die Redezeit ist ungerecht.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dieses Projekt nennt sich Amaro Kher, Unser Haus. Dort werden Kinder aus Roma-Familien, die keinen Aufenthaltsstatus haben, beschult. Der Erfolg ist sagenhaft. Diese Kinder merken erstmals, dass sich Bildung lohnt, dass es Spaß macht, etwas zu lernen, und dass sie eine Chance bekommen. Viele erfolgversprechende Bildungskarrieren werden aber wieder abgebrochen, weil die Familie von Abschiebung bedroht ist. Die Kinder sind durch die Situation in der Familie traumatisiert und kommen dann nicht zur Schule, oder sie werden durch das Umziehen von einem Volker Beck ({0}) Asylbewerberheim zum nächsten herumgeschubst und am Schulbesuch behindert.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Damit müssen wir Schluss machen. ({0}) - Herr Kollege, wir haben in Nordrhein-Westfalen dafür gesorgt, dass durch ein sehr differenziertes Verfahren die Abschiebung der Roma dort faktisch beendet wird. ({1}) - Sagen Sie einmal, wie viele wo abgeschoben werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Beck, diese Debatte müssen Sie jetzt bitte auf die Ausschussberatungen verschieben.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich fordere uns alle auf, in diesem Zusammenhang keine Parteipolitik zu machen, ({0}) sondern sich unserer historischen Verantwortung bewusst zu werden. Wir machen hier keine Parteipolitik. ({1}) Mir geht es um die Situation der Menschen. Sie sollten sich dieses Problems annehmen. Die Antwort der Bundesregierung zeigt,

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- dass Sie da noch viel zu tun haben. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, es steht außer Zweifel, dass wir uns hier mit einem sehr wichtigen Thema beschäftigen und dass wir dieses Thema auch differenziert betrachten müssen. Ich bitte Sie trotzdem, mich nicht dazu zu zwingen, diesem Thema und der entsprechenden Behandlung durch Intervention bei erheblichem Überschreiten der Redezeit zu schaden. Lassen Sie uns das jetzt also bitte miteinander so debattieren, dass wir dann auch in die Ausschussberatungen gehen können, ohne dort Verletzungen aufarbeiten zu müssen. ({0}) Nun hat der Kollege Peter Beyer aus der Unionsfraktion das Wort.

Peter Beyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004010, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Ich glaube, ich unterschreite meine hier angezeigte Redezeit von zwölf Minuten bei weitem. Auch heute ist die Diskriminierung von Minderheiten in Europa immer noch anzutreffen. Dies ist ein zutiefst beklagenswerter Zustand, an dessen Überwindung wir alle - die Regierungen, die Nichtregierungsorganisationen und auch alle Teile der Zivilgesellschaft - arbeiten müssen. Besonders auffällig ist die Diskriminierung der Roma. So sind Roma oftmals überproportional von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Die Gründe dafür liegen meistens in tief verwurzelten Vorurteilen, welchen sich die Roma schon seit sehr, sehr langer Zeit leider immer noch ausgesetzt sehen. Insbesondere in einigen osteuropäischen Staaten geht die soziale Ausgrenzung oftmals mit einer räumlichen Ausgrenzung einher. In isolierten Siedlungen leben die Menschen meistens unter unwürdigen Bedingungen mit einer unzureichenden medizinischen Versorgung. Leider ist es daher wenig überraschend, dass viele Roma nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten besitzen, sich weiterzubilden bzw. ihren Kindern den so wichtigen Zugang zur Schulbildung zu ermöglichen. Daraus ergibt sich wiederum die schlechte Ausgangslage für die spätere berufliche Entwicklung. Somit setzt sich die Armut vieler Roma über Generationen fort. Prekäre Lebensverhältnisse bleiben bestehen. Ein Ausstieg aus diesem Armutskreis durch berufliche Weiterentwicklung ist nur sehr schwer erreichbar. Ebenfalls versuchen rechtsextreme Parteien - das ist besonders beklagenswert -, die Roma zu stigmatisieren und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Selbst vor gewaltsamen Aktionen gegen Angehörige der Roma wird dabei nicht zurückgeschreckt. Dies ist ein untragbarer Zustand, der entschiedene Gegenmaßnahmen erfordert. Schließlich ist es eine besondere europäische Verantwortung, jedem Menschen, unabhängig von Ethnie, Religionszugehörigkeit oder auch Herkunft, Sicherheit und Entwicklungschancen zu gewähren. Ich hatte erst kürzlich Gelegenheit, mich mit Vertretern der Roma aus Ungarn hier im Deutschen Bundestag persönlich auszutauschen. Meine Gesprächspartner lobten die Anstrengungen, welche durch den EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020 unternommen werden. Dieser wurde 2011 von der damaligen ungarischen Ratspräsidentschaft initiiert und wird weiterhin mit Nachdruck vorangetrieben. Wichtig war es den Roma-Vertretern, darauf hinzuweisen, dass diese Anstrengungen nicht nachlassen, um mittelfristig die soziale Integration ihrer Volksgruppe in die jeweiligen Mehrheitsgesellschaften zu erreichen. Die Bundesregierung hat die Wichtigkeit der Integration von Roma seit langem erkannt. Daher engagiert sie sich für die Verbesserung der Situation dieser Menschen im Rahmen der europäischen Institutionen sowie bilatePeter Beyer ral in Zusammenarbeit mit Partnerregierungen, Nichtregierungsorganisation und Menschenrechtsgruppierungen. Im Rahmen der Europäischen Union haben sich seit dem Jahre 2007 der Europäische Rat, der Rat der Europäischen Union, das Europäische Parlament sowie die Europäische Kommission bereits verstärkt mit der Integration der Roma befasst. Besonders die Leitinitiative Europäische Plattform gegen Armut, die Bestandteil der 2010 verabschiedeten Strategie Europa 2020 ist, setzt dabei richtige Signale. Der bereits erwähnte EU-Rahmen bietet den Mitgliedstaaten wertvolle Hilfestellung auf einer breiten europäischen Basis. Dabei ist äußerst begrüßenswert, dass diese Entscheidungen auf eine Berücksichtigung der Belange der Roma in allen relevanten Politikbereichen setzen. Beispielsweise wird dem Zugang zu Bildung - das hatte der Kollege Beck schon erwähnt - besondere Bedeutung beigemessen. So ist es das erklärte Ziel, dass Kinder aus Roma-Familien zumindest die Grundschule erfolgreich abschließen. Letztendlich kann nur ein umfassender und integrativer Ansatz in den zentralen wirtschaftlichen und sozialen Fragen eine fortlaufende Verbesserung der Situation der Roma im Hinblick auf Chancengleichheit ermöglichen. In seiner Straßburger Erklärung vom 20. Oktober 2010 hat der Europarat ebenfalls grundlegende Weichen für eine nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen der Roma gestellt. Der in diesem Rahmen verabschiedete Prioritätenkatalog bietet einen übergreifenden Ansatz insbesondere in den Bereichen Nichtdiskriminierung und Staatsbürgerschaft, soziale Einbeziehung sowie internationale Zusammenarbeit. Klar ist bei all dem, dass sich die dauerhafte Verbesserung der Lebensbedingungen der Roma nur gesamteuropäisch erreichen lassen kann. Die Bundesregierung setzt daher den Schwerpunkt ihres Engagements bewusst und richtigerweise auf einen multilateralen Ansatz. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass nur mittels gemeinsamer Anstrengung der europäischen Länder, welche über die grundsätzlich nationale Verantwortlichkeit der Staaten für Minderheitenschutz hinausgeht, eine effektive Integrationsförderung zugunsten der Roma gelingen kann. Ergänzend thematisiert die Bundesregierung im bilateralen Dialog mit den europäischen Partnerländern die Situation der Roma und anderer ethnischer Minderheiten. Ziel muss es sein, den Roma bei der eigenständigen Verbesserung ihrer jeweiligen Lebensumstände zu helfen und sie vor jeglicher Diskriminierung zu schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, gilt es letztendlich, gegen Stereotype und Ressentiments vorzugehen. Diese sind eine der Hauptursachen für die schwierige Lage der Roma, wie sie heute leider noch besteht. Wer einem Menschen mit Vorurteilen begegnet und ihn deshalb kategorisch ablehnt oder ihm aufgrund seiner Herkunft negative Wesensmerkmale zuordnet, wird diesem Menschen auch keine fairen Chancen einräumen. Die Auseinandersetzung mit Vorurteilen erfordert kontinuierliche Anstrengungen und setzt Durchhaltevermögen voraus. Tiefverwurzelte Vorurteile lassen sich leider - das wissen wir alle - nur sehr langsam beseitigen. Wir müssen auch strukturelle Hindernisse überwinden, wenn wir den Roma Perspektiven für das berufliche Weiterkommen aufzeigen möchten. Damit meine ich insbesondere die Verbesserung der Bildungssituation, die den Schlüssel für einen eigenständigen Aufstieg in der Gesellschaft darstellt. Dass ein solcher eigenständiger Aufstieg gelingen kann, habe ich in meinem Wahlkreis erfahren. Ich habe dort Kontakt zu einer Roma-Familie, welche aus dem ehemaligen Jugoslawien zu uns nach Deutschland gekommen ist. Diese Familie lebt bereits seit einigen Jahren hier bei uns in Deutschland und hat alle Hürden, mit denen Einwanderer oftmals zu tun haben, erfolgreich gemeistert. Mittlerweile hat es diese Familie geschafft, sich erfolgreich mit einem kleinen Familienunternehmen in die Selbstständigkeit zu begeben. Bei allen kritikwürdigen Umständen und noch zu lösenden Problemen müssen wir auch die positiven Beispiele benennen, welche zeigen, dass es für jede Minderheit, auch für die Roma, möglich ist, ihre Lebenssituation in Europa und auch hier bei uns in Deutschland eigenständig zu verbessern. Abschließend möchte ich sagen, dass es unsere vorrangige Aufgabe dabei ist, für einen entsprechenden Rahmen zu sorgen, in dem diese Entwicklung möglich ist. Ich danke Ihnen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Angelika Graf für die SPD-Fraktion. ({0})

Angelika Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002662, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 20 Jahren hat man beschlossen, für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma ein Mahnmal im Berliner Tiergarten zu errichten. Damit wurde erst vor drei Jahren wirklich begonnen. Derzeit ist das Ganze noch eine Baugrube. Man streitet wieder einmal ums Geld. Entsprechende Meldungen standen vor einigen Tagen in den Zeitungen. Lassen Sie mich sagen, dass ich hoffe, dass wir es, wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann angekündigt hat, im nächsten Winter einweihen können. Ich denke, es wäre ein wichtiges Zeichen dafür, dass wir die vielen ermordeten Sinti und Roma eben nicht vergessen wollen, und es wäre auch ein Zeichen gegen Rassismus in unserer Gesellschaft. ({0}) Ich sage aber auch: Vonseiten der Bundesregierung muss es dazu mehr geben als ein Faltblatt und eine Broschüre. Die Errichtung dieses Mahnmals muss intensiv begleitet werden. Angelika Graf ({1}) Zur heutigen Debatte. Heute diskutieren wir eine Große Anfrage der Grünen zur Situation der Roma in der Europäischen Union und in den Staaten potenzieller EUBeitrittskandidaten. Ich erinnere mich sehr gut an die beeindruckende Rede von Zoni Weisz zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus im Jahr 2011. ({2}) Er hat eben nicht nur über die Vergangenheit gesprochen, sondern auch die heutige Lebenssituation von Sinti und Roma in der EU und insbesondere in osteuropäischen Ländern als menschenunwürdig bezeichnet. Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, haben damals diese Rede von Zoni Weisz aufgenommen und einen daran anknüpfenden Antrag verfasst. Leider wurde er von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt. Ich freue mich deshalb sehr, dass die Grünen die Mahnung aus dieser Rede in ihrer Großen Anfrage mit aktuellen Zahlen zu Vorgängen in ganz Europa unterfüttert haben. Freude empfinde ich auch deshalb, weil sich auch die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien nochmals mit diesem schwierigen Thema beschäftigen mussten. Beim Lesen der Antworten der Bundesregierung wird einem sehr klar: Der Umgang vieler EU-Staaten mit der größten europäischen Minderheit ist sehr kritisch zu sehen. Ich nenne nur einige Beispiele: Frankreich ist ganz offensichtlich nur knapp einem Vertragsverletzungsverfahren wegen Verletzung der Freizügigkeitsrichtlinie entgangen. In Italien besuchen 75 Prozent der Roma-Kinder keine Schule. Die Roma sind in Camps offensichtlich sehr schlecht untergebracht. Dadurch verfestigt sich - ich zitiere aus der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage - „die irrige Vorstellung von einer nomadischen Lebensweise“ und der schlechten Integrierbarkeit der Roma. Hier versagt aus meiner Sicht, wie auch in anderen Zusammenhängen, der italienische Staat. Die Bemerkung sei erlaubt: Ein bisschen weniger „Bunga, bunga!“ und ein bisschen mehr Anstrengungen für die Integration von Menschen wären hier vielleicht eine gute Sache gewesen. ({3}) In Tschechien stellte im Jahre 2009 eine neonazistische Partei ihre als wissenschaftlich deklarierte Schrift „Die Endlösung der Zigeunerfrage in den böhmischen Ländern“ ausgerechnet auf dem Gelände des ehemaligen Roma-Lagers in Lety bei Pisek vor. Ich finde es sehr erfreulich, dass derzeit gegen diese Neonazis ermittelt wird. ({4}) Tatsache ist aber auch, dass es solche Tendenzen überall gibt. Relativ finster wird es, wenn es um die Situation in Ungarn, in Bulgarien und in Rumänien geht. Der Antiziganismus wird in beunruhigender Weise immer salonfähiger, und das trotz zahlreicher guter Initiativen, Interventionen und Programme der Europäischen Union. Was den restlichen Balkan betrifft, weiß ich auch aus eigener Anschauung, wie schwierig die Situation der Roma zum Beispiel in Mazedonien ist. Wer einmal in einem solchen Dorf war, in dem Roma leben, der weiß, wovon ich spreche. Ich habe dies schon in meiner letzten Rede zu diesem Thema sehr deutlich gemacht. Es muss uns klar sein - da hoffe ich auf die Zustimmung des ganzen Hauses -: Die humanitären Mittel im Rahmen des Stabilitätspakts für Südosteuropa dürfen im kommenden Jahr nicht gekürzt werden. Ich möchte mich ausdrücklich bei unserem ehemaligen Kollegen Christian Schwarz-Schilling für seinen Einsatz für serbische Roma bedanken ({5}) und bin als Vorstandsmitglied der Organisation Help stolz, dass auch wir über gute Projekte in Serbien den Menschen helfen konnten. Dies ist umso wichtiger, als das Einkommen von Roma in Serbien laut Antwort der Bundesregierung um 48 Prozent niedriger liegt als das der „normalen“ Serben. Wie soll ein Mensch vernünftig und gesellschaftlich integriert leben können, wenn ihm zusätzlich noch das Recht auf Bildung oder das Recht auf Wasser verweigert wird? Im Kosovo ist die Situation nach vielen Berichten, unter anderem auch von der UNICEF, noch schlimmer als in anderen Ländern des Balkans. Ich denke deshalb, dass es richtig ist, Abschiebungen in dieses Gebiet auszusetzen und dabei insbesondere das Wohl der Kinder, die oft bei uns in Deutschland geboren und sozialisiert sind, im Auge zu haben. ({6}) Wie sieht es generell mit der Roma-Politik in Deutschland aus? Ist es wirklich so, wie die Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen schon bei der letzten Debatte behauptet haben, dass die Roma in Deutschland sozusagen auf einer Insel der Glückseligen leben und nichts verändert werden muss, dass wir also keinen nationalen Aktionsplan brauchen? In Deutschland sind Sinti und Roma seit 600 Jahren beheimatet. In den letzten Jahrzehnten sind allerdings viele Roma aus den Staaten Südosteuropas zugewandert. Sie erleben auch bei uns vielfältige Diskriminierung. Wird irgendwo ein Fahrrad geklaut, dann war es im Zweifelsfall die Roma-Familie aus der Parterrewohnung. Diskriminierung lässt sich auch im Bildungsbereich feststellen. Die Antwort der Bundesregierung zur Bildungsbeteiligung und zum Bildungserfolg von RomaKindern hat Volker Beck schon angesprochen. Die Einschätzung, dass die Erfolge unterdurchschnittlich seien, sei, so steht es in der Antwort der Bundesregierung, nicht unbegründet. Allerdings falle das in die Zuständigkeit der Länder. Angelika Graf ({7}) Erkenntnisse zum Antiziganismus hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nicht. Es gibt auch keine Lehrstühle, die sich schwerpunktmäßig mit Antiziganismus auseinandersetzen, wobei es im NGO- und halbstaatlichen Bereich eine Reihe von guten Berichten und Ausarbeitungen dazu gibt. Ich frage mich, warum die Bundesregierung diese Unterlagen nicht zum Anlass nimmt, einen nationalen Aktionsplan für die in Deutschland lebenden Roma aufzulegen. ({8}) Der ständige Verweis der Bundesregierung auf die Verantwortung der Länder, der sich durch die ganze Antwort zieht, macht es übrigens nicht wirklich besser. In nahezu jeder Antwort, die zu den Lebensumständen der Roma in Deutschland gegeben wurde, berichtet die Bundesregierung zudem, es bestünden wegen des zu Recht fehlenden statistischen Kriteriums der ethnischen Zugehörigkeit keine aussagekräftigen „Erkenntnisse über Wohnraumprobleme sowie die soziale und medizinische Versorgung.“ Wäre es denn nicht klüger, auf offenkundige Tatsachen zu reagieren, als den Eindruck zu erwecken, man benutze das Fehlen statistischer Erkenntnisse als Ausrede? Ich nehme daher die Anfrage der Grünen zum Anlass, nochmals an die Bundesregierung zu appellieren: Entwickeln Sie gemeinsam mit den Roma-Verbänden und dem Zentralrat Lösungen. Legen Sie einen Aktionsplan auf. Holen Sie die Bundesländer und die Gemeinden ins Boot. Stoppen Sie die Abschiebungspläne, und setzen Sie sich für eine humanere Lösung ein. ({9}) Nehmen Sie Ihre Verantwortung innerhalb Europas wahr. Das würde insbesondere vor dem Hintergrund unserer Geschichte sicher gut sein. Vielen herzlichen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Pascal Kober das Wort. ({0})

Pascal Kober (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004075, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 10 bis 12 Millionen Roma leben derzeit in den Staaten Europas als deren Staatsbürger. In Deutschland gibt es etwa 70 000 Roma mit deutschem Pass; hinzu kommt noch eine unbekannte Zahl von Roma, die unter uns leben. Um diese Menschen zu fördern, setzt diese Koalition auf politische Maßnahmen im Rahmen ihrer breiter angelegten Integrationspolitik. Dabei liegt der Fokus auf dem Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und Wohnraum. Das stellt eine auf die konkreten Probleme dieser Menschen ausgerichtete Politik dar. ({0}) Festhalten möchte ich jedoch, dass die allermeisten Roma, die in Deutschland leben, sehr gut integriert sind und auch keine nationale Roma-Strategie benötigen oder fordern. Wir befürchten vielmehr, dass eine solche Strategie, die ausschließlich auf die Roma ausgerichtet wäre, unter Umständen sogar zu deren Diskriminierung beitragen und damit das Gegenteil von dem bewirken könnte, was wir uns erhoffen. ({1}) Jedoch sind sich alle Organisationen von der EU über die OSZE bis zum Europarat darin einig, dass Roma in vielen Ländern Europas mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben. Vor allem ihre wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte werden häufig nicht hinreichend gewährleistet; häufig sind sie von Armut betroffen, und ihre Lebenserwartung liegt deutlich unter dem Durchschnitt. Ich möchte außerdem auf die besondere Problematik hinweisen, dass Roma aus dieser Armut und Perspektivlosigkeit heraus überdurchschnittlich häufig Opfer von Menschenhandel werden. Dieses Problem anzugehen, ist uns als FDP-Fraktion, uns als Regierungskoalition besonders wichtig. Die Diskriminierungen, denen Roma ausgesetzt werden, nehmen ein sehr unterschiedliches Maß an. Hier muss man eine regionale Differenzierung vornehmen. Vor allem in südosteuropäischen Ländern sind seit dem Fall des Eisernen Vorhangs neue und sehr komplexe Problemlagen entstanden. Während der vergangenen 20 Jahre hat dort der Zusammenhang von Armut und ethnischer Zugehörigkeit stark zugenommen. Hiervon sind die Roma in besonderem Maße betroffen. Die bisher aufgelegten Regierungsprogramme, so sie denn existieren, bringen häufig nicht den erhofften Erfolg; Diskriminierung und Segregation nehmen zu. Diese schleichende gesellschaftliche Desintegration beginnt häufig schon in der Schule, wo immer mehr RomaKinder getrennt unterrichtet werden. In Tschechien beispielsweise werden besonders viele Roma-Kinder in Schulen für Kinder mit Lernbehinderungen oder in reinen Roma-Klassen unterrichtet. Dort ist nicht nur der Bildungsstandard geringer als an den regulären Schulen, womit den Kindern der spätere Einstieg in den Arbeitsmarkt erschwert wird; die Folge davon ist auch, dass diesen Kindern zwischenmenschliche Bindungen und Freundschaften mit Kindern der Mehrheitsgesellschaft fehlen. Diese Segregation fördert solches Schubladendenken und lässt überhaupt erst die Idee des Anderen manifest werden. Eine traurige Konsequenz aus den so entstandenen Grenzen in den Köpfen der Menschen verdeutlicht die Entwicklung in einer ostslowakischen Stadt. Dort hat die Stadtverwaltung im September 2010 eine hohe Mauer in der Nähe einer Roma-Siedlung errichten lassen. Sie sperrt eine Straße ab und verhindert, dass die Roma auf ihrem Weg in das Stadtzentrum ein anliegendes Wohnviertel durchqueren, welches hauptsächlich von NichtRoma bewohnt wird. ({2}) Diese Absperrung verlängert den Weg ins Stadtzentrum für die Roma um rund eine halbe Stunde und ist ein Zeichen von Segregation, wie es ausgrenzender und diskriminierender kaum sein könnte. Ähnliche Mauern und Zäune sollen auch in weiteren Gemeinden errichtet worden sein. Solchen Betonmauern gehen meist mentale Mauern voraus, deren Fundamente tiefverwurzelt sind und die es abzubauen gilt. Nicht zu vergessen ist die menschenverachtende Hetze rechtsextremer Gruppen, deren Gedankengut in die Gesellschaft eindringt. Ihre Ausläufer zeigen sich in der täglichen Diskriminierung, denen Roma ausgesetzt sind, sei es in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt oder bei den Behörden. Darum begrüße ich es, dass die Bundesregierung auf diesem Feld besonders aktiv ist und sich europaweit für die Rechte der Roma einsetzt. ({3}) Dass sie dabei in erster Linie einen multilateralen Ansatz verfolgt, leuchtet angesichts des umrissenen Problems ein. Denn die Integration der Roma in einem Europa ohne Binnengrenzen kann nur gemeinsam gelingen, indem jeder Staat seinen Verpflichtungen nachkommt. Neben den multilateralen Maßnahmen steht diese Bundesregierung natürlich auch im bilateralen Dialog mit unseren europäischen Nachbarn und bringt dabei die Roma durchaus zur Sprache. Sie hat beispielsweise die bulgarische und rumänische Regierung in ihrer Politik für die Roma unterstützt, indem sie den Kontakt zu Hilfsorganisationen, einzelnen Vereinen und Verbänden sowie zuständigen Regierungsstellen gefördert hat. Als im April 2011 mehrere rechtsextremistische Gruppierungen in einem ungarischen Dorf die Roma-Bevölkerung über mehrere Wochen terrorisierten, hat die Bundesregierung nicht geschwiegen und die ungarische Regierung eindringlich ermahnt, dagegen vorzugehen. Darüber hinaus steht die deutsche Botschaft in Budapest in regelmäßigem Kontakt mit Vertretern der ungarischen Zivilgesellschaft, organisiert Veranstaltungen und unterstützt den Austausch mit deutschen Roma. Außerdem fördert die Bundesregierung in mehreren Staaten des westlichen Balkans zahlreiche Projekte, die der Verbesserung der Situation der Roma dienen. Dazu gehören beispielsweise Hilfsmaßnahmen bei Existenzgründungen, Unterstützung bei der Schaffung von Wohnraum und Mediationsmaßnahmen bei Konflikten zwischen ethnischen Gruppen. Das Bundesministerium des Innern und das Auswärtige Amt haben dafür in den Jahren 2008 bis 2011 ungefähr 3,66 Millionen Euro ausgegeben. Auch zukünftig soll der bisherige Mittelumfang aufrechterhalten werden. Schließlich setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass bei der Bewertung der EU-Beitrittskandidaten der vollständigen rechtlichen Gleichstellung und der gleichberechtigten Teilhabe von Minderheiten wie den Roma gebührende Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ich begrüße ausdrücklich, dass dabei nicht nur die formale Gesetzgebung bewertet, sondern auch auf Indikatoren wert gelegt wird, die über die Entwicklung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Teilhabe der Roma Auskunft geben. Ich denke, ich habe klargemacht, dass diese Bundesregierung, lieber Herr Kollege Beck, ihrer Verantwortung für die Roma in Gesamteuropa auf vielfältige Weise nachkommt. ({4}) In diesem Sinne werden wir uns weiter für eine Gesellschaft einsetzen, in der niemandem sein Platz verwehrt wird. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Andrej Hunko das Wort. ({0})

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sehr begrüßenswert, dass wir diese wichtige Debatte führen. Ich möchte ausdrücklich den Grünen für ihre Große Anfrage und die Entschließungsanträge danken, die wir heute behandeln. Auch wenn ich es bedauere, dass wir hier am Freitagnachmittag nur mit geringer Aufmerksamkeit diskutieren, ({0}) ist es wichtig, dass wir das diskutieren; denn die Lage der Roma in der Europäischen Union ist in der Tat dramatisch. Es sind bereits viele Beispiele genannt worden. Ich möchte noch an das Lager in Turin in Italien erinnern, das vor einigen Wochen von einem Mob in Brand gesteckt wurde. Ich möchte - das ist noch nicht angesprochen worden - auch an die unerträgliche Kampagne von Sarkozy vor anderthalb Jahren gegen die Roma in Frankreich erinnern. Das sind Sachen, die nicht passieren dürfen. Das wollen wir in Europa nicht. ({1}) Aber auch die Situation der Roma in Deutschland ist bedrohlich. Allein durch das sogenannte Rückführungsabkommen mit dem Kosovo sind an die Zehntausend Roma in Deutschland von der Abschiebung bedroht. Die Abschiebungen finden auch statt. Auch wenn die Bundesregierung argumentiert: „Wir schieben gar keine Roma ab; wir schieben kosovarische Staatsbürger ab“, so sind es doch mit überwältigender Mehrheit Roma, die von diesem Abschiebeabkommen betroffen sind. Wir lehnen diese Abschiebeabkommen ganz klar ab. ({2}) Ich möchte ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Aachen bringen. Dort wurde am Nikolaustag 2011 die 19-jährige Roma-Schülerin Sadbera R. frühmorgens nicht vom Nikolaus, sondern von der Polizei aus dem Schlaf gerissen. Sie wurde am gleichen Tag nach Sarajevo abgeschoben. Sie war gut integriert. Sie war Schülerin. Ihre Familie ist auseinandergerissen worden. Diese Abschiebung, Herr Beck, hat in Nordrhein-Westfalen unter einer SPD-Grünen-Regierung stattgefunden. ({3}) Auch das darf nicht sein. Deswegen fordern wir einen Abschiebestopp auch in Nordrhein-Westfalen. ({4}) Ich will auch an den Fall Borka T. erinnern, der 49-jährigen Roma-Frau aus Mayen bei Koblenz. Sie wurde am 7. Dezember 2010 - ähnlich wie bei dem Fall in Aachen morgens zusammen mit ihrer Familie aus dem Bett gerissen und wurde noch am gleichen Tag abgeschoben. Wenige Wochen später ist diese Roma-Frau im Kosovo an einer Gehirnblutung verstorben. Viele Sachverständige, die sich im Nachhinein damit befasst haben, haben gesagt: Das ist durch die Abschiebung passiert. Mit einer fachärztlichen Betreuung, wie sie in Deutschland gegeben war, wäre das nicht passiert. - Wir halten das für unerträglich. So etwas darf in einem zivilisierten Land wie Deutschland nicht passieren. ({5}) Zu den Anträgen der Grünen. Es ist begrüßenswert, dass ein Abschiebestopp gefordert wird. Setzen Sie das aber bitte schön auch in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen um. Kürzlich war eine Delegation der Landesregierung Baden-Württemberg im Kosovo. Im Nachhinein haben Sie die Situation dort schöngeredet und haben gesagt: „Es ist alles okay, wir können weiter abschieben.“ - Bitte nutzen Sie Ihren Einfluss auf die Landesregierungen in Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen, um einen völligen Abschiebestopp durchzusetzen. ({6}) Die Linke fordert - ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin - ein vollständiges Bleiberecht und Aufenthaltsrecht aller Roma in Deutschland. ({7}) Wir fordern das nicht nur aufgrund der humanitären Verantwortung, sondern auch aufgrund der historischen Verantwortung. 500 000 Sinti und Roma sind unter dem Naziregime ermordet worden. ({8}) Wir fordern vor allen Dingen auch eine Aussetzung dieses unerträglichen Rückführungsabkommens mit der Republik Kosovo. Bitte stoppen Sie dieses Abkommen. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Entschließungsantrag auf Drucksache 17/8868 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit und an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Der Entschließungsantrag auf Drucksache 17/8869 soll überwiesen werden zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe und an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist auch diese Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 21. März 2012, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles Gute, nicht nur für das Wochenende.