Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
sehr herzlich und heiße Sie alle willkommen. Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Deutsches Ressourceneffizienzprogramm.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, Herr Dr. Norbert Röttgen. - Bitte
schön, Herr Bundesminister.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat in ihrer
heutigen Sitzung das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm beschlossen. Damit legt eine Bundesregierung
erstmals ein umfassendes Programm zur nachhaltigen
Nutzung von Rohstoffen vor. Es ist ein Programm, das
global noch nicht viele Vorbilder hat. Beim Thema Ressourceneffizienz sind wir vielmehr Vorreiter einer solchen programmatisch konzeptionellen Ausarbeitung.
Das entspricht dem Anspruch der Bundesregierung, dass
unser Land eine der ressourceneffizientesten Volkswirtschaften wird und Vorreiter bei dieser Entwicklung
bleibt. Wir sind erfolgreich, und wir müssen es auch
sein. Es gibt kein anderes Gebiet, wo ökonomische Vernunft und ökologische Verantwortung so identisch sind
wie beim Thema Ressourceneffizienz.
In den letzten zehn Jahren haben wir global einen
deutlichen Anstieg des Ressourcenverbrauchs erlebt,
nämlich um ein Drittel weltweit. In den letzten zehn Jahren ist der Ressourcenverbrauch in Deutschland um
11 Prozent reduziert worden. Wir haben in den vergangenen 20 Jahren eine Steigerung der Rohstoffproduktivität um fast 50 Prozent erreicht. Das zeigt, Deutschland
ist das Effizienzland. Aber Deutschland ruht sich nicht
aus; wir wollen aus ökonomischen und ökologischen
Gründen das ressourceneffizienteste Land im globalen
Wettbewerb werden. Die Rohstoffnachfrage wird weiter
steigen. Darum sind Effizienz und ein umfassendes Programm eine Notwendigkeit, der wir uns stellen.
In Deutschland werden in der Produktion rund
500 Milliarden Euro für den Rohstoffverbrauch ausgegeben. Im produzierenden Gewerbe liegt der Anteil der
Materialkosten bei 45 Prozent, in rohstoffintensiven Unternehmen liegt er bei fast 50 Prozent. Im produzierenden Gewerbe liegen die Lohnkosten inzwischen bei
unter 20 Prozent. Dies macht deutlich, dass es Kostengründe, ökonomische Gründe und betriebswirtschaftliche Gründe sind, die die Ressourceneffizienz zu einem
sinnvollen Projekt machen. Ich nenne ein Beispiel. Die
deutsche Metallindustrie ist mit jährlich circa 46 Millionen Tonnen Rohstahl und mit circa 2,8 Millionen Tonnen Nichteisenmetallen der größte Stahl- und Nichteisenmetallerzeuger in der EU. Die steigenden Preise für
Eisenerz, Stahl, Schrott und Nichteisenmetalle belasten
die produzierende Wirtschaft erheblich. Die Rohstoffpreise haben sich hier im letzten Jahrzehnt verdreifacht.
Recycling von Massenmetallen ist darum ein zentraler
Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Ein anderes Beispiel ist Kupfer. Wenn man Kupfer recycelt und nicht im Tagebau gewinnt, spart man
50 Prozent Energie, 50 Prozent Schlacke und 100 Prozent
Schwefelsäure. In 1 Tonne Handyschrott steckt 60-mal
mehr Gold als in 1 Tonne Golderz.
Darum gehen wir diese Fragen konzeptionell an,
quasi als Strategie; dabei sind wir sowohl umfassend als
auch konkret. In unserer Konzeption betrachten wir die
gesamte Wertschöpfungskette: von der nachhaltigen
Rohstoffversorgung über die Ressourceneffizienz in der
Produktion, die Ressourceneffizienz im Konsum und natürlich die ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft. Wir
betrachten Elektromobilität, Energieversorgung, nachhaltiges Bauen und einzelne Stoffströme. Außerdem gehen wir konkreten Fragen nach: Wie führt man Umweltmanagementsysteme ein? Wie können Produkte und vor
allem Produktionsprozesse effizienter gestaltet werden?
Wie können freiwillige Produktkennzeichen- und Zertifizierungssysteme erfolgreich eingeführt werden? Wie
lässt sich Ressourceneffizienz im öffentlichen Beschaffungswesen optimieren?
Wir werden unseren bisherigen Weg fortsetzen. Als
ein erfolgreiches Beispiel nenne ich in diesem Zusammenhang die Beratung kleiner und mittlerer Unternehmen, die in einer einzigartigen Kooperation des
Bundesumweltministeriums mit dem Verein Deutscher
Ingenieure sehr erfolgreich unterstützt und von der
demea, der Deutschen Materialeffizienzagentur, die zum
Ressortbereich des Bundeswirtschaftsministers gehört
und sehr erfolgreich arbeitet, gefördert wird. Dieses Beispiel zeigt, dass unser Anliegen zugleich wirtschaftlicher
und umweltpolitischer Natur ist.
Den Prozess der Ausarbeitung haben wir sehr praxisnah und sehr transparent gestaltet. Dabei sind Akteure
der Zivilgesellschaft tätig gewesen; es hat wissenschaftliche Beratungen und Diskussionen gegeben, über hundert schriftliche Stellungnahmen sind eingeflossen. Die
breite Öffentlichkeit ist durch eine Internetkonsultation
einbezogen worden.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass dieses
Konzept übergreifend ist. Es handelt sich um ein wirtschaftliches und ressourcenpolitisches Programm zur
Modernisierung unserer Gesellschaft, mit dem man sich
zu Wachstum bekennt, bei dem man aber gleichzeitig
weiß, dass sich Wachstum, wenn es nachhaltig sein soll,
vom Ressourcenverbrauch abkoppeln muss.
Wir sind erfolgreich, aber noch nicht erfolgreich genug und somit noch nicht am Ziel. Wir werden weitermachen, um das Ziel zu erreichen, in Deutschland bis
2020 die Rohstoffproduktivität im Vergleich zu 1994 zu
verdoppeln. Das ist ein nationales Ziel; zugleich ist es
aber ein nicht zu unterschätzender konkreter Beitrag
zum Gelingen der vor uns liegenden Konferenz „Rio
plus 20“, bei der es darum geht, solche Konzepte international nachhaltigen Wachstums auch in eine internationale Ordnung zu bringen. Das Ganze lebt nicht nur
vom Reden, sondern auch vom Handeln. Daraus erwächst Glaubwürdigkeit. Darum ist dieses Programm so
wichtig.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere an unsere Ein-MinutenRegelung für Fragen und Antworten. Bei der Einhaltung
der Minute werden Sie durch eine sekundenweise rückwärtslaufende Uhr sowie durch Lichtsignale in Gestalt
eines Farbfeldes Grün-Gelb-Rot unterstützt. In den ersten 30 Sekunden zeigt das Farbfeld Grün, gefolgt von
Gelb. Nach Ablauf der 60 Sekunden, also nach Ablauf
der Redezeit, erscheint es dann in Rot. Ich glaube, beim
nächsten Mal müssen wir darauf nicht mehr hinweisen;
dann ist es allgemein bekannt.
Ich bitte, zunächst die Fragen zu dem Themenbereich
zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Als Erstem
gebe ich das Wort unserem Kollegen Dr. Matthias
Miersch.
Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. - Das,
was Sie zum Schluss im Hinblick auf Handeln und
Reden gesagt haben, ist mit Blick auf die derzeitige Bundesregierung und in Ihr Zusammenspiel mit dem Bundeswirtschaftsminister nicht immer so ganz einfach.
Deswegen haben Sie vorhin so schön geredet.
Ich frage Sie ganz konkret nach einer Maßnahme:
Wird sich die Bundesregierung für die Realisierung des
Top-Runner-Ansatzes, der auf internationaler Ebene
durchaus erfolgreich ist, national und auf europäischer
Ebene einsetzen? Haben Sie das beschlossen?
Wir haben uns dafür eingesetzt. Wir werden uns weiter dafür einsetzen; es ist ausdrücklicher Bestandteil unserer Beschlussfassung zum Energiekonzept und zur
Energiewende. Also: ein dreifaches Ja.
Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Dr. Thomas Gebhart.
Herr Minister, es ist ein großer Fortschritt, dass die
Bundesregierung ein solches nationales Ressourceneffizienzprogramm auf den Weg gebracht hat, ein Meilenstein, den wir ausdrücklich begrüßen. Die Frage, die sich
mir stellt, lautet: Welche Fördermittel beabsichtigt die
Bundesregierung im Rahmen der Haushaltsplanung für
das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm zur Verfügung zu stellen?
Wir haben in diesem Jahr nicht nur dieses Programm
ausgearbeitet, sondern auch parallel gehandelt und neue
Förderprogramme auf den Weg gebracht. Alte Förderprogramme werden wir fortsetzen und auch intensivieren. Ich möchte in besonderer Weise herausheben, dass
die KfW natürlich in Kooperation mit der Bundesregierung in diesem Jahr erstmals, übrigens unlimitiert, einen
speziellen Fördertatbestand Ressourceneffizienz in ihr
Umweltprogramm aufgenommen hat. Das ist ein neuer
Schwerpunktförderbereich der KfW.
Die Förderprogramme, die wir in den unterschiedlichen Bereichen haben, werden natürlich fortgesetzt. Ich
habe eben schon insbesondere ein Projekt, nämlich das
VDI Zentrum für Ressourceneffizienz, genannt. Dieses
Projekt ist kennzeichnend für den Schwerpunkt „Beratung kleiner und mittlerer Unternehmen“. Das Ziel der
Ressourceneffizienz wird sich in diesem Jahr noch stärker im Umweltinnovationsprogramm der Bundesregierung und natürlich in weiterer Gesetzgebung widerspiegeln.
Sie wissen, dass gerade vor wenigen Wochen das
nach 16 Jahren novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz in
Kraft getreten ist; es ermöglicht mehr Wiederverwertung
und höhere Recyclingquoten. Darauf aufbauend werden
wir jetzt die gesetzliche Einführung einer Wertstofftonne
in Angriff nehmen. Damit wird zum Beispiel das konkrete Ziel verfolgt, dass pro Einwohner und Jahr noch
einmal 7 Kilogramm wertvoller Reststoffe nicht deponiert, verbrannt oder weggeworfen, sondern der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden. Der Ansatz ist also umfassend: Beratung, Förderung und Gesetzgebung. Wir
werden diesen Aspekt auf nationaler, europäischer und
internationaler Ebene konsequent verfolgen.
Jetzt sind wir am Ende der Zeit. - Nächste Fragestellerin ist Kollegin Dorothea Steiner.
Vielen Dank, Herr Minister, für die Ausführungen zu
diesem Programm, das Ihr Kollege von der Union als
„Meilenstein“ bezeichnet. - Ich teile die Einschätzung
des Kollegen Miersch, dass darin sehr schöne Worte und
hehre Zielsetzungen enthalten sind; je konkreter es werden soll, desto größer ist aber die Nullstellenanzahl.
Nachdem Sie selber das Kreislaufwirtschaftsgesetz
angesprochen haben - da geht es ja auch um Ressourcenwiedergewinnung -, möchte ich Sie als Erstes fragen: Wieso haben Sie die Recyclingquoten so niedrig
angesetzt, dass sie teilweise, zum Beispiel bei verschiedenen Baustoffen, schon jetzt erreicht werden, anstatt
ambitioniertere Recyclingquotenziele, zum Beispiel für
2015, 2017 oder 2020, anzustreben?
Frau Kollegin, wir haben die Debatte um das Kreislaufwirtschaftsgesetz geführt. Wir haben in dem Gesetz
ohne jeden Zweifel die höchsten Recyclingquoten in
ganz Europa vorgesehen; sie werden weiter gesteigert.
Wir haben eine neue, fünfstufige Abfallhierarchie eingeführt, um die Aspekte der Vermeidung von Abfall, der
Wiederverwertung und des Recyclings auszudifferenzieren. Darum gab es am Ende eine so breite Unterstützung,
ich glaube, auch aller Landesregierungen, an denen Ihre
Partei beteiligt ist; das ist schon an sich bemerkenswert.
Es gab auch die Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände zu diesem Gesetz. Ich meine, dass das nach
16 Jahren der alten Rechtslage in der Tat ein wirklicher
Meilenstein für die Kreislaufwirtschaft ist. Jetzt geht es
- das ist eben angesprochen worden - mit der Wertstofftonne weiter, die wir einführen werden. Ich glaube, das
ist wirklich ambitioniert, und es ist auch von wirtschaftlichem Vorteil.
Weil Sie sagten, es werde viel geredet, aber es sei wenig konkret unterlegt, darf ich Ihre Aufmerksamkeit
vielleicht auf den im Programm extra aufgeführten Anhang lenken, in dem die Schwerpunkte der Aktivitäten
der Bundesregierung en détail ressortübergreifend aufgelistet werden. Diese Auflistung vermittelt ein eindrucksvolles Bild und weist konkret nach, dass Ressourceneffizienzpolitik schon bislang betrieben wurde,
übrigens nicht nur von der Bundesregierung; auch die
Aktivitäten der Landesregierungen, von Verbänden und
Einrichtungen werden aufgeführt. Das ist in der Tat -
Das war der Hinweis zum Nachlesen.
So ist es.
Nächste Fragestellerin, Frau Kollegin Eva BullingSchröter.
Herzlichen Dank. - Herr Minister, die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie hat das Ziel, die Ressourcenproduktivität bis 2020 gegenüber 1990 zu verdoppeln. Momentan haben wir pro Jahr eine Erhöhung der
Ressourcenproduktivität von 2,7 Prozent. Die Wachstumsrate der deutschen Volkswirtschaft seit 1994 beträgt
real 1,5 Prozent. Wenn ich beide Zahlen nehme und sie
fortschreibe, dann ergibt sich für 2050 rechnerisch ein
absoluter Ressourcenverbrauch von 50 Prozent; laut
dem Wuppertal-Institut sind aber 75 Prozent notwendig.
Meine Frage an Sie lautet daher: Halten Sie diese Minderungsziele für angemessen? Halten Sie sie für nachhaltige Ziele? Wir wissen doch, dass gerade in der ersten
Zeit am meisten Ressourcen eingespart werden können,
wohingegen das Einsparen später immer schwieriger
wird.
Lassen Sie mich etwas zu den Zahlen sagen. Ich habe
eben dargelegt, dass wir in der Nachhaltigkeitsstrategie
das eindeutige Ziel festgelegt haben, die Rohstoffproduktivität bis 2020 bezogen auf 1994 zu verdoppeln. Wir
haben bislang 47,5 Prozent erreicht. Wenn wir das einfach so fortsetzen - auch weil am Anfang die noch tiefhängenden Früchte geerntet werden können -, dann wird
der Zuwachs 2020 bei circa 82 Prozent liegen. Das zeigt:
Wir waren erfolgreich, wir sind erfolgreich, und wir
wollen noch erfolgreicher werden, um das Ziel der Verdoppelung zu erreichen. Es geht voran, auch bei der Entkoppelung vom Verbrauch.
Um die Zahlen noch einmal zu nennen: Der Rohstoffverbrauch in Deutschland ist im letzten Jahrzehnt bei
steigender Wirtschaftsleistung - die zum Teil enorm
war; wir hatten ein Wachstum zwischen 3 und 3,7 Prozent in den vergangenen Jahren - um 11 Prozent zurückgegangen. Das heißt, wir liegen gut; aber wir wollen
noch besser werden. Das sind unsere Ziele.
Nächster Fragesteller, Kollege Oliver Krischer.
Herr Minister, herzlichen Dank für Ihren Bericht. Dieser Bericht war genauso wie das Programm insgesamt: eine interessante und lesenswerte Stoffsammlung.
Die Kurzfassung, die Sie vorgetragen haben, würde man
so ähnlich auch bei Wikipedia unter dem Stichwort
„Ressourceneffizienz“ finden. Das Problem der gesamten Strategie ist, dass es überhaupt keine Maßnahmen
gibt. Sie ist zu wenig konkret; was vorliegt ist nichts als
bedrucktes Papier. Ich fürchte, dass diese Strategie am
Ende im BMU in einem Aktenschrank landet, abgeheftet
wird und zu nichts Konkretem führt.
Sie selber haben gerade die nationale Nachhaltigkeitsstrategie angesprochen. Die Kollegen im Umweltausschuss waren nicht bereit, die entsprechenden Ziele
in den Koalitionsantrag aufzunehmen; das ist schon ein
bisschen traurig. Wenn die Zahlen stimmen, dann verhält
es sich so, dass wir in Bezug auf unser Ziel, die Ressourceneffizienz bis 2020 zu verdoppeln, derzeit erst 47 Prozent erreicht haben. Es verbleiben noch acht Jahre.
Meine Frage: Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie gewährleisten, dass die fehlenden rund 50 Prozent - Sie sagen selber, es sei schwierig, sie zu erreichen,
weil die „low hanging fruits“ schon weg sind - erreicht
werden?
Sehr geehrter Herr Kollege, da Sie auf fehlende Aktivitäten hinweisen, sollte ich vielleicht meinen Lektürehinweis wiederholen; diesmal möchte ich auch Seitenangaben machen. Auf Seite 79 des Programms fängt die
Darstellung der Maßnahmen an, die bereits ergriffen
worden sind. Das ist relativ eindrucksvoll. Sie müssen
das einfach nur einmal lesen bzw. zur Kenntnis nehmen.
({0})
- Es mag ein gewisser parteipolitischer Widerwille vorhanden sein, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen und die
Erfolge anzuerkennen. Das kann ich ein wenig verstehen; aber man sollte sich am Ende für unser Land freuen.
Bislang sind wir wirklich sehr erfolgreich, und zwar
dadurch, dass sich die Wirtschaft aus eigenem Interesse
aktiv für diesen Bereich einsetzt. Wir haben erfindungsreiche Ingenieure. Der größte Teil der Arbeit wird von
der Gesellschaft geleistet, aber auch die Politik trägt ihren Teil dazu bei, indem sie einen gewissen Rahmen
setzt. Ich glaube, dass die Gesellschaft das, was diese
Regierung macht, gut findet.
Ich habe eben betont, welche Akzente wir mit dieser
Politik setzen. Ich will das kurz wiederholen. Wir haben
über das Kreislaufwirtschaftsgesetz gesprochen. Dieses
Gesetz ist ein wirklicher Fortschritt hinsichtlich der Ressourceneffizienz. Wir werden dieses Gesetz in der eben
geschilderten Weise fortentwickeln. Wir werden es in
unsere Innovationsprogramme, in unsere Förderprogramme, in die Gesetzgebung, in die Strategie der Europäischen Kommission, die jetzt folgt, und in den internationalen Prozess einbringen, und zwar bezogen auf ganz
unterschiedliche Bereiche: Elektromobilität, Bauen, Verkehr, Produktdesign, Kennzeichnungen für den Verbraucher, Zertifizierungssysteme usw. Wir werden allerdings
nicht bevormunden, nicht regulatorisch eingreifen, sondern wir setzen auf Anreize und Innovationen.
Es ist unglaublich, wie schnell eine Minute vergeht. Nächster Fragesteller, Kollege Gerd Bollmann.
Herr Minister, auch mich hat es etwas erstaunt, dass
Sie heute hier schon zweimal betont haben, dass Sie die
Ressourceneffizienz bis 2020 verdoppeln wollen, während in der gerade erst beendeten Ausschusssitzung ein
Antrag der Grünen mit dem gleichen Ziel von Ihren Kollegen von Union und FDP abgelehnt worden ist.
Jetzt zu meiner Frage: Wie steht die Bundesregierung
zu einer Rücknahmeverpflichtung, zum Beispiel für Mobiltelefone oder Photovoltaikmodule, um vor allem seltene und strategisch wichtige Metalle zurückzugewinnen?
Herr Kollege, ich habe es soeben betont: Wir setzen
mit diesem Programm auf Information, auf Beratung,
auf Anreize und nicht auf Vorschriften. In der Bevölkerung wie bei den Ingenieuren und in der Wirtschaft ist
eine große Bereitschaft vorhanden, mitzuwirken. Über
die Handys habe ich bereits gesprochen; Sie haben die
entsprechende Verpflichtung angesprochen. Wenn es so
ist, dass in 1 Tonne Handyschrott 60-mal so viel Gold ist
wie in 1 Tonne Golderz, dann ist es, glaube ich, richtig,
nicht auf Regulation und Vorschriften zu setzen, sondern
auf die wirtschaftliche Vernunft, darauf, dass erkannt
wird, wie sinnvoll es ist, dieses Potenzial zu heben. Ich
glaube, dass wir auf diesem Gebiet mit Anreizen, mit
Hinweisen auf die wirtschaftlichen Vorteile, mit Freiwilligkeit viel mehr erreichen als mit einem bevormundenden Staat. Herr Kollege, die Bürger sind nach meiner
Einschätzung mindestens so weit wie die Politik.
({0})
Als Nächsten habe ich auf meiner Liste Kollegen
Hermann Ott.
Danke schön, Herr Präsident. - Herr Minister, es ist
gut, dass sich die Bundesregierung um dieses wichtige
Thema kümmert. Der Bundestag tut das auch. Er hat
eine Kommission eingesetzt, die Enquete-Kommission
„Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“. Ich habe das
Vergnügen und die Ehre, in diesem Rahmen eine Projektgruppe zu leiten, in der es um die Punkte Ressourcenverbrauch und Entkoppelung geht. Zentraler Begriff
in dieser Gruppe ist „Rebound“, ein Begriff, der Ihnen
sicherlich bekannt ist. Man spricht auch von Jevons‘ Paradoxon: Effizienzsteigerung bei gleichbleibendem Preis
führt zu mehr Verbrauch. Seit 150 Jahren ist das ein
ehernes Gesetz, das anscheinend noch nie durchbrochen
worden ist. Der Begriff „Rebound“ ist in Ihrem Programm übrigens nicht zu finden.
Hier meine Frage: Wie wollen Sie es anstellen, eine
absolute Reduktion zu erreichen? Wir wissen ja, dass es
nicht darum geht, eine im Verhältnis zur Produktion relative Verbesserung der Effizienz zu erreichen, sondern
darum, dass wir den Ressourcenverbrauch absolut senken, und zwar möglichst auf die Hälfte dessen, was wir
heute verbrauchen. Das geht aber nur mit konkreten
Maßnahmen. Das geht nur mit der Schaffung von Obergrenzen oder durch preisliche Maßnahmen. Bitte sagen
Sie uns, was die Bundesregierung diesbezüglich plant.
Ich glaube, dass man beides braucht. Der Erfolg
Deutschlands liegt darin begründet, dass wir nachweislich beides erreicht haben - wir haben über die Zahlen
gesprochen -: Wir haben eine Rohstoffproduktivitätssteigerung in dem beschriebenen Zeitraum von 47,5 Prozent erreicht. Dabei geht es um die Frage: Wie viel Rohstoffverbrauch ist nötig, um eine Maßeinheit des
Bruttoinlandsprodukts zu erwirtschaften?
({0})
- Diese Relation ist auch relevant. Sie ist aber nicht die
einzig relevante. - Gerade im internationalen Kontext
wird deutlich, dass Effizienzgewinne allein nicht ausreichen.
Darum ist der Nachweis, dass das große Industrieland
Deutschland im vergangenen Jahrzehnt erfreulicherweise eine gestiegene Wirtschaftsleistung verzeichnen
konnte und gleichzeitig absolut 11 Prozent weniger Rohstoffverbrauch hatte, wichtig. Dies wurde zum Beispiel
durch ein modernes Kreislaufwirtschaftsgesetz erreicht.
Dieses Gesetz hat dazu geführt, dass heute 13 Prozent
der in Deutschland eingesetzten Rohstoffe Sekundärrohstoffe sind. Das heißt, dass natürliche Rohstoffe zu
13 Prozent durch Abfallstoffe ersetzt werden. Das ist
eine Substitution des Verbrauchs von Rohstoffen durch
sogenannte sekundäre Rohstoffe oder Abfallstoffe.
Das Ganze ist ein Beispiel dafür, dass es möglich ist,
wirtschaftlich erfolgreich zu sein, zu wachsen und
gleichzeitig den Verbrauch an Rohstoffen absolut zu reduzieren. Dies ist möglich durch die Konzeption der
Kreislaufwirtschaft, durch den Einsatz von Technologie
und insbesondere - das wird manchmal ja ein bisschen
gering geschätzt - durch Information, Bildung und Beratung. Diese so weich klingenden Elemente sind enorm
wichtig, gerade im internationalen Kontext.
Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist der Kollege
Cajus Caesar. Bitte schön, Kollege Caesar.
Herr Minister, für die CDU/CSU-Fraktion ist dies ein
sehr wichtiges Thema. Deshalb sind wir der Bundesregierung außerordentlich dankbar, dass sie dieses Thema
in den Vordergrund stellt. Ich glaube, dass es bedeutend
ist, hier den Zusammenhang im Bereich Umweltschutz,
Wirtschaft und Beteiligte zu erkennen und zu erläutern.
Dazu gehört sicherlich auch der Bereich der Forschung;
schließlich kann es gelingen, Ersatz für bestimmte Rohstoffe zu gewinnen.
Meine erste Frage an Sie bezieht sich auf das Miteinander: Wie nehmen Sie die Branchen mit? Gibt es eine
Planung der Bundesregierung, entsprechende Gespräche zu führen und Beteiligungen vorzunehmen? Es gibt
Sorgen in der Baubranche und in anderen Bereichen.
Wie will man das angehen?
Zum Zweiten die Frage: Gibt es Planungen, Forschungsmittel für den Bereich der Ersatzstoffe zu gewinnen, um die Ressourceneffizienz nach vorne zu bringen?
Verehrter Kollege Caesar, all diese Aspekte sind notwendig und werden von der Bundesregierung verfolgt;
sie sind auch in der Vergangenheit von ihr verfolgt worden. Die Ausarbeitung dieses Konzepts drückt aus, dass
wir das als einen gemeinsamen Prozess verstehen. Wir,
die Regierung, haben kein Konzept entwickelt, aus dem
hervorgeht, wie es im Einzelnen ablaufen soll, sondern
es fand ein breiter Konsultations- und Arbeitsprozess
statt, an dem die Bundesländer, Verbände, Einrichtungen, die Wissenschaft und die Zivilgesellschaft beteiligt
waren; so ist dieses Konzept entstanden. Es ist also ein
Gemeinschaftswerk, was ich aufgrund Ihrer Frage gerne
noch einmal ausdrücklich betone.
Das Bundesumweltministerium nimmt die Aspekte
der Forschung, die Sie genannt haben, in unterschiedlicher Weise auf.
Erstens. Dies geschieht dadurch, dass es in seinem
Umweltinnovationsprogramm dem Aspekt der Rohstoffeffizienz einen noch größeren Raum geben wird.
Zweitens. Ich bin ganz sicher, dass Forschung und
Innovation in der Gesellschaft, in der Wirtschaft stattfinden. Darum finde ich das KfW-Umweltprogramm zur
Förderung von Rohstoffeffizienz in der Wirtschaft, zur
Förderung entsprechender Investitionen, das in diesem
Jahr neu aufgelegt worden ist, so wichtig.
Drittens. Wir setzen einen Wirtschaftsordnungsrahmen. Wir schaffen eine Regulierung, die diejenigen honoriert, die diese Investitionen vornehmen. Es gibt also
einen wirtschaftlichen Anreiz für diejenigen, die rohstoffsparend produzieren. Allerdings ist das Eigeninteresse in den Sektoren von vornherein da. Ich habe es ja
eben ausgeführt: Wenn der Materialkostenanteil im produzierenden Gewerbe bei 45 bis 50 Prozent liegt, dann
ist die Eigenmotivation sehr stark. Das ist eine gute Motivation.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Frank Schwabe.
Frank Schwabe ({0}):
Sehr geehrter Herr Minister, wie die Kollegen der
Union finde ich ein Ressourceneffizienzprogramm sehr
Frank Schwabe
gut. Ich finde es jedenfalls besser, als Verträge mit Diktatoren zu schließen und irgendwann die Bevölkerung in
anderen Ländern zu drangsalieren, um an Rohstoffe zu
kommen. Ich finde es auch gut, dass Sie es der Bevölkerung zubilligen - so habe ich es gerade verstanden -, im
Bewusstsein weiter zu sein als manch anderer, vielleicht
auch als die Regierung selbst. Trotzdem geht es in der
Politik ja immer um Konkretion und nicht so sehr um
Philosophie. An Konkretem mangelt es in diesem Programm.
Ein vielleicht nur kleines, aber gewichtiges Thema,
das mittlerweile immer mehr diskutiert wird, ist das
Thema Plastiktüte. Ich will Sie ganz konkret fragen: Wie
viele Ressourcen fließen in die Produktion einer Plastiktüte? Finden Sie den heutigen Umgang mit Plastiktüten
eigentlich sinnvoll, oder können Sie sich vorstellen, bestimmte Politiken zu entwickeln, um in diesem Bereich
eine Regulierung vorzunehmen, sodass wir zum Beispiel
im Meer oder anderswo nicht immer mehr solcher Tüten
- man denke an die darin verarbeiteten Rohstoffe - finden?
Vielen Dank, Herr Kollege Schwabe, für diese
Frage. - Ich weiß gar nicht, ob die SPD zu diesem
Thema eine Meinung hat.
({0})
Diese Frage ist geeignet, um die Unterschiedlichkeit der
Ansätze zu verdeutlichen. Die Grünen werden beim
Thema Plastiktüte schon ganz nervös.
({1})
Das zeigt - das meine ich eigentlich positiv -, dass Ihnen
der Beschluss Ihres letzten Parteitags ein bisschen peinlich ist.
({2})
Sie wollen eine Plastiktütenabgabe einführen. Ich weiß
nicht mehr den genauen Betrag, den der Bürger pro Plastiktüte zahlen soll.
({3})
- Bitte? Wie hoch ist der Betrag? 28 Cent? Ich weiß es
nicht mehr genau.
({4})
Dieser Ansatz zeigt Ihr Verständnis von Politik: Die
Politik ist weiter als die Gesellschaft. Wir sind klüger.
Wir wissen, wie sich die Leute zu verhalten haben. Darum wollen wir sie durch Abgaben zum richtigen Verhalten zwingen.
({5})
Ich sage ganz ausdrücklich: Das ist nicht der Ansatz
der Bundesregierung. Wir glauben, dass die Bürgerinnen
und Bürger verantwortungsvoll sind, dass sie sich ökologisch verantwortlich verhalten wollen und dies auch tun.
Darum setzen wir auf den Nachweis von Erfolg, auf das
freiwillige Mitmachen der Bürgerinnen und Bürger und
nicht auf drangsalierende Abgaben, durch die das Verhalten der Bürger gesteuert werden soll.
({6})
Ich will Ihnen klar sagen: Die hinter Ihrem Ansatz stehende Staatspädagogik lehne ich ausdrücklich ab.
({7})
Nächste Fragestellerin, Frau Kollegin Eva BullingSchröter.
Danke schön. - Ich frage jetzt nichts zur Staatspädagogik, sondern zu Rohstoffpartnerschaften mit Lieferländern; diese werden in einigen Papieren der Bundesregierung erwähnt. Mich würde interessieren: Welche
Vorgaben für die Einhaltung von Menschenrechts- und
Umweltstandards sind im Ressourceneffizienzprogramm
festgeschrieben?
Die Bundesregierung hat vor einiger Zeit ein Konzept
zur Rohstoffsicherung erarbeitet und vorgelegt. Rohstoffsicherung ist der erste Schritt in der Wertschöpfungskette. Ich glaube, dass es richtig ist, dass die
Bundesrepublik Deutschland dieses Thema in den internationalen Beziehungen nicht einigen wenigen großen
Ländern - um es klar zu sagen: China - überlässt, sondern dass wir eine vorausschauende Politik der Rohstoffsicherung betreiben, insbesondere deshalb, weil wir in
Deutschland außer Sand und Kies relativ wenig Rohstoffe in unseren Böden haben und darum in hohem
Maße abhängig sind. Darum ist eine Rohstoffstrategie
im nationalen und im europäischen Interesse.
Ich glaube, dass die Bundesrepublik Deutschland die
Chance hat, im Rahmen solcher Partnerschaften auf die
Einhaltung von Menschenrechten, von sozialen Standards, von Gesundheitsstandards und Umweltstandards
einen positiven Einfluss zu nehmen. Ich sehe da keinen
Gegensatz. Vielmehr glaube ich, dass eine Rohstoffstrategie auch eine außenpolitische Strategie ist, die dazu
dient, dass sich unsere Vorstellungen von Menschenrechten, von Menschenwürde und von Respekt vor der
Umwelt auch in anderen Teilen der Erde durchsetzen.
Nächster Fragesteller, Kollege Dr. Thomas Gebhart.
Das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm ist ja in
die europäische Politik eingebettet; auch im europäischen Kontext ist dieses Programm sehr ambitioniert
und fortschrittlich. Ich frage: Wie wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene hinsichtlich der Fortentwicklung der Politik in diesem Bereich positionieren,
und welche Initiativen wird die Bundesregierung in diesem Bereich ergreifen?
In diesem Jahr, im Jahr 2012, wird sich die Kommission diesem Thema widmen. Mit dieser Konzeption, mit
dem Deutschen Ressourceneffizienzprogramm, wird die
Position der Bundesregierung - sie ist, wie Sie sagten,
ehrgeizig und anspruchsvoll - im Rahmen der europäischen Ressourceneffizienzpolitik definiert. Das heißt,
wir werden diese anspruchsvolle Position in die europäische Strategie einbringen, und zwar nicht nur bei der
Entwicklung des strategischen Ansatzes, sondern auch
bei einzelnen Gesetzgebungsaktivitäten der Europäischen Union. Es geht um Richtliniensetzung. Wir haben
über das Kreislaufwirtschaftsgesetz, die ÖkodesignRichtlinie und andere Themen gesprochen. Es gibt viele
einschlägige Gesetzgebungsfelder und -aktivitäten der
Europäischen Union. Hier haben wir nun eine programmatische und ebenso konkrete Grundlage, unsere deutsche Position geschlossen, einheitlich und damit auch
mit Aussicht auf Erfolg zu vertreten.
Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Frau
Dorothea Steiner.
Danke. - Das ermöglicht mir, noch eine Frage zu den
konkreten Maßnahmen zu stellen. Sie haben im Oktober 2010, begleitet von bedeutenden Begriffen, die Deutsche Rohstoffagentur, die DERA, gegründet, und Sie
bezeichnen sie als rohstoffwirtschaftliches Kompetenzzentrum, als zentrale Informations- und Beratungsplattform mit vielerlei Aufgaben; das haben Sie auch gerade
wieder so dargestellt. Ich würde gerne wissen: Wie ist
die Deutsche Rohstoffagentur, die DERA, derzeit personell ausgestattet, und wie viele Stellen sollen bei der
DERA möglicherweise neu geschaffen werden, damit
sie ihren Aufgaben gerecht werden kann?
Ich kann Ihnen die Zahl der Stellen bei der DERA im
Moment nicht aus dem Kopf nennen.
({0})
- Na also, genau.
({1})
Nächster Fragesteller, Kollege Dr. Matthias Miersch.
Herr Minister, ich habe ein bisschen gestutzt, weil Sie
in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Bollmann
auf die Freiwilligkeit abgestellt und dann von Staatspädagogik gesprochen haben. Nun hat der Kollege
Gebhart Sie auf die europäische Ebene angesprochen.
Wenn ich Sie in den letzten Monaten richtig verstanden
habe, haben Sie sich vehement dafür starkgemacht, im
Hinblick auf die Energieeffizienz für Verbindlichkeit zu
sorgen. Nun ist das Gegenteil herausgekommen: Herr
Rösler hat sich gegen Sie durchgesetzt, und Herr
Oettinger kritisiert die Bundesregierung. Müssen wir befürchten, dass das Verbindlichkeitselement, das Sie hier
noch im letzten Monat immer wie ein Mantra aufgesagt
haben, bei Ihnen jetzt keine Rolle mehr spielt und dass
sich der Kollege Rösler auch hier gegenüber den
Schwarzen anscheinend durchgesetzt hat?
Offensichtlich gibt es dort einen wahrscheinlich ein
bisschen parteipolitisch geprägten Unwillen, den Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen.
({0})
Das Gegenteil von dem, was Sie geschildert haben, ist
der Fall. Wir haben eine gemeinsame Position gefunden
und uns dafür ausgesprochen, dass in die Richtlinie, die
auf europäischer Ebene zu erlassen ist, verbindliche
Ziele aufgenommen werden, und zwar entweder ein verbindliches, anspruchsvolles Energieeffizienzziel, das aus
unserem Energiekonzept abgeleitet ist, oder ein verbindliches, definitives Energieverbrauchseinsparziel. Hierzu
haben wir konkrete Ziele formuliert: eine Steigerung der
Energieeffizienz um 6,3 Prozent oder eine Senkung des
Energieverbrauchs um 4,5 Prozent innerhalb von drei
Jahren.
Es sollen nicht nur konkrete und verbindliche Ziele
zum Inhalt der Richtlinie werden, sondern es soll auch
eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten geben, konkrete
Aktionspläne und Maßnahmen zu erarbeiten - diese sind
auch der Europäischen Kommission vorzulegen -, aus
denen sich ergibt, dass das Ziel der Europäischen Union,
bis zum Jahre 2020 20 Prozent mehr Energieeffizienz zu
erreichen, realisiert wird. Wir haben uns also für die Verbindlichkeit der Ziele und Maßnahmen ausgesprochen,
und zwar gemeinsam. Ich finde, das ist eine gute Sache.
Es gibt noch zwei Fragesteller, die ich auch aufzurufen beabsichtige.
Nächster Kollege, Oliver Krischer.
Herr Minister, Ihre Ausführungen zur Plastiktüte und
zur Staatspädagogik, aber auch zur Deutschen Rohstoffagentur haben gezeigt: Es ist ein lyrisches Programm. Es
ist ein Programm ohne konkrete Maßnahmen. In der Tat:
Es gibt ein Kapitel über Maßnahmen. Aber darin stehen
keine Maßnahmen. Auch dort findet sich letztendlich
wieder Lyrik.
Nur zur Sachaufklärung: Die Deutsche Rohstoffagentur hat derzeit fünf Mitarbeiter, und es ist nicht beabsichtigt, die Mitarbeiterzahl aufzustocken. Wie man die zentrale Plattform zu diesem Themenbereich für ganz
Deutschland mit fünf Mitarbeitern betreiben will, ist mir
rätselhaft. Vielleicht können Sie hier noch ein bisschen
Sachaufklärung leisten und erläutern, wie das mit fünf
Mitarbeitern funktionieren soll.
Ich habe eine weitere Frage. In dem Programm ist die
Rede von verantwortungsvollem Rohstoffabbau in anderen Ländern im Rahmen der Rohstoffpartnerschaften.
Hier stellt sich ja auch die Frage, wie das überwacht
werden soll. Deshalb meine Frage: Was tut die Bundesregierung konkret, um die dort vereinbarten und festgelegten Standards zu überwachen? Wie konkret, durch
welche Personen und durch welche Ministerien soll das
im Einzelnen erfolgen?
({0})
Wahrscheinlich stimmen Sie mir am Ende zu, dass
wir, wenn wir eine Partnerschaft mit anderen Ländern
eingehen, nicht mit deutschen Vollzugsorganen in diese
Länder marschieren können, um die wirtschaftliche Aktivität in diesen Ländern zu überwachen. Wir haben in
der internationalen Politik stattdessen ein partnerschaftliches Verständnis, und wir betreiben eine wertebezogene Außenpolitik. Das ist kein Widerspruch, sondern
wir wollen unsere Wertvorstellungen, die des Grundgesetzes - Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenwürde und übrigens auch Schutz der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen -, in unsere Partnerschaften
einfließen lassen.
Ich glaube, dass ein solch partnerschaftliches Verständnis der beste Rahmen ist, in dem wir für unsere
Werte und die Werteordnung des Grundgesetzes eintreten können. Dies darf nicht durch Überwachungsmaßnahmen in anderen Ländern geschehen. Ich glaube, das
wäre kein erfolgreicher Weg, und das ist auch kein Weg,
den es in der Außenpolitik unseres Landes jemals gegeben hat, welche Parteien auch immer die Mitglieder der
Regierung gestellt haben.
Letzter Fragesteller in der Regierungsbefragung, Kollege Gerd Bollmann.
Herr Minister, im Regierungsprogramm taucht auch
der Ausdruck „Produkt- und Herstellerverantwortung“
auf. Dies finden wir zunächst einmal gut. Im Rückblick
auf die langwierigen Verhandlungen zum Kreislaufwirtschaftsgesetz im Vermittlungsausschuss stellt sich für
uns allerdings die Frage: Plant die Bundesregierung unter dem Deckmantel „Produkt- und Herstellerverantwortung“ einen weiteren Zugriff auf die Wertstoffe aus privaten Haushalten, zum Beispiel durch das geplante
Wertstoffgesetz?
Ich glaube, Sie meinen den Zugriff von privaten Unternehmen auf die sogenannte Wertstofftonne.
({0})
Wir haben ja - darum habe ich das eben auch betont die Zustimmung aller drei kommunalen Spitzenverbände
zum Kreislaufwirtschaftsgesetz erhalten, worüber ich
mich freue.
({1})
Wahrscheinlich haben Sie sich darüber nicht so sehr gefreut, aber am Ende sollte man sich immer über ein gutes
Ergebnis freuen.
Wir werden in diesem Geist versuchen, dass wir zu
einer fairen Aufteilung kommen. Es geht auf der einen
Seite um die Zuständigkeit der Kommunen für die Aufgaben der Daseinsvorsorge; denn wenn etwas schiefgeht,
dann rufen die Leute nicht nach einem Unternehmen,
sondern nach der Gemeinde.
({2})
Auf der anderen Seite kann kein Mensch bestreiten, dass
es sich bei der Abfallwirtschaft um einen wesentlichen
und immer bedeutsamer werdenden Wirtschaftszweig
handelt. Wir wollen auch dort den Wettbewerb ermöglichen, so wie wir das jetzt mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz auch getan haben.
Wenn es eine Dienstleistung gibt, die kommunal nicht
angeboten wird, dann darf man es privaten Unternehmen
nicht verbieten, diese anzubieten, und wenn es ein privates Leistungsangebot gibt, das besser als ein kommunales Angebot ist, dann darf das, glaube ich, den Bürgern
auch nicht vorenthalten werden. Wir sind also auch dort
selbstverständlich nicht ideologisch, sondern wir haben
zugunsten der Bürgerinnen und Bürger für einen vernünftigen Ausgleich zwischen den kommunalen Verpflichtungen zur Daseinsvorsorge und dem wirtschaftlichen Wettbewerb gesorgt.
Genau in diesem Rahmen werden wir auch den Gesetzentwurf zur Einführung der Wertstofftonne gestalten,
um am Ende eine wesentliche Menge an recycelbaren
Wertstoffen zu erhalten und sie der Kreislaufwirtschaft
zuzuführen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich beende nun die
Befragung der Bundesregierung.
Herr Bundesminister, vielen herzlichen Dank.
Vizepräsident Eduard Oswald
Somit rufe ich den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 17/8723 Auch an dieser Stelle erinnere ich noch einmal an unsere Minutenregelung. Für die erste Antwort stehen zwei
Minuten zur Verfügung, für die folgenden Fragen und
Antworten je eine Minute. Die Signalisierung erfolgt optisch durch die rückwärtslaufende Uhr und das Farbfeld
in den Ampelfarben.
Wir behandeln nun die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/8723 in der üblichen Reihenfolge.
Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.
Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung.
Die Frage 1 stellt die Frau Kollegin Inge Höger:
Welche deutschen Unternehmen haben nach Informationen der Bundesregierung derzeit Niederlassungen oder Repräsentanten in Libyen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Höger,
ich muss Ihnen sagen, dass aufgrund der immer noch etwas unübersichtlichen Lage in Libyen der Bundesregierung momentan keine gesicherten Informationen vorliegen, inwieweit die bestehenden Niederlassungen und
Repräsentanzen auch tatsächlich betrieben werden. Ich
kann Ihnen aber mitteilen, dass nach den uns vorliegenden Informationen konstant rund 40 deutsche Unternehmen in Libyen tätig sind.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Was heißt „konstant“? Sie haben ihre Tätigkeit nicht unterbrochen und
arbeiten jetzt weiterhin alte Verträge ab, die früher abgeschlossen worden sind? Mit wem sind diese Verträge
abgeschlossen worden? Mit wem besteht die kontinuierliche Geschäftsverbindung?
Nein, Frau Kollegin Höger, ich darf Sie gleich korrigieren: „Konstant“ bezog sich auf die Zahl. Vor der
Krise waren es 40 Unternehmen, und nach der Krise sind
es auch circa 40 Unternehmen. Wir haben aber keine genaue Statistik darüber, wie viele von diesen Repräsentanzen nach derzeitigem Stand tatsächlich betrieben werden. Wir wissen das von einigen wenigen, aber wir
haben die Zahlen noch nicht, weil sich die Situation in
Libyen, wie Sie wissen, erst zu normalisieren beginnt.
Deswegen können wir im Moment noch nicht zu jedem
einzelnen Unternehmen sagen, ob die Repräsentanz tatsächlich wieder besetzt und dort schon wieder tätig ist.
„Konstant“ bezieht sich also auf die Zahl der Unternehmen. Ob das dieselben Verträge sind wie vor der
Krise, kann ich Ihnen nicht beantworten. Über solche Informationen verfügt die Bundesregierung nicht.
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Höger.
Wie sieht die deutsche diplomatische Vertretung vor
Ort aus? Hat sie ihre Arbeit wieder aufgenommen? Denn
auf der Homepage des Auswärtigen Amts findet sich der
Hinweis:
Zeitlich begrenzte Aufenthalte, etwa zur Wahrnehmung unaufschiebbarer Aufgaben oder geschäftlicher Kontakte, können in begründeten Einzelfällen in enger Abstimmung mit der Deutschen Botschaft in Betracht gezogen werden.
Wie sieht diese Abstimmung aus? Ist das Angebot
bisher überhaupt schon in Anspruch genommen worden?
Wie ist die Präsenz der Botschaft?
Frau Kollegin Höger, ich bin, wie Sie wissen, der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums. Diese Fragen
müsste eigentlich die Kollegin des Auswärtigen Amts
beantworten. Ich kann Ihnen aber sagen, dass ich aus
Presseberichten weiß, dass die Botschaft in Tripolis ihre
Arbeit wieder aufgenommen hat.
Ich selber war vor einigen Monaten in Libyen. Damals war die deutsche Botschaft noch geschlossen, und
es gab einen Geschäftsträger in Bengasi. Inzwischen ist
die deutsche Botschaft wieder geöffnet. Wie Sie aus
Presseberichten wissen, hat sich diese Bundesregierung
darauf verständigt und dazu verpflichtet - auch das fällt
in die Zuständigkeit des Auswärtigen Amts -, dass wir
der deutschen Wirtschaft dabei helfen, ihre Kontakte in
den jeweiligen Ländern zu pflegen. Das heißt, dass wir
auch eine gewisse Dienstleistungsfunktion über das Auswärtige Amt und die Außenhandelskammern ausüben.
Aber das ist eine generelle Auskunft, die ich Ihnen nicht
als spezifische Information des Bundeswirtschaftsministeriums geben kann.
Es gibt jetzt eine weitere Nachfrage. Bitte schön, Frau
Kollegin Vogler.
Herr Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, wie
viele dieser deutschen Firmen im engeren oder weiteren
Sinne mit der Ölindustrie bzw. mit dem Export von
Rohöl oder Raffinerieprodukten befasst sind?
Nein, Frau Kollegin, die Zahlen kann ich Ihnen nicht
nennen. Aber Sie und ich wissen, dass es große deutsche
Unternehmen gibt, die in Libyen tätig waren und mutmaßlich auch wieder sind. Von der Firma Wintershall
beispielsweise weiß ich persönlich, dass sie dort wieder
tätig ist, weil ich schon Vertreter dieses Unternehmens
gesprochen habe. Die Firma RWE/Dea war seit jeher in
diesem Land tätig. Aber die Zahlen kann ich Ihnen nicht
nennen. Darüber verfüge ich im Moment nicht.
Sie haben eine weitere Frage. Bitte schön, Frau Kollegin Vogler.
Können Sie uns neben den beiden genannten Firmen
weitere Firmen aus diesem Sektor nennen, von deren
Aktivitäten in Libyen in früherer Zeit - vor mehr als einem Jahr - Sie wissen?
Nein, Frau Kollegin, das kann ich nicht. Ich habe bei
meinem Besuch in Libyen Vertreter der beiden genannten Unternehmen kennengelernt, und deswegen konnte
ich Ihnen das aus eigener Anschauung sagen. Mir liegen
keine Informationen vor, welche Unternehmen in diesem
Bereich tätig sind. Aber ich will mich gerne bemühen,
Ihnen eine ergänzende schriftliche Antwort zu geben.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Wir kommen nun
zur Frage 2 der Frau Kollegin Inge Höger:
Welche deutschen Firmen liefern nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit Rüstungsgüter, sonstige Waffen, Munition oder Sicherheitstechnik nach Libyen?
Ich bitte um Beantwortung.
Frau Kollegin Höger, auf Ihre Frage kann ich Ihnen
die Antwort geben: Mit der Verhängung des Waffenembargos gegen Libyen durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 26. Februar 2011 und mit dem
entsprechenden EU-Embargo, für das sich, wie Sie wissen, die Bundesregierung seinerzeit massiv eingesetzt
hatte, sind Ausfuhren von Rüstungsgütern im Sinne von
Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste nach Libyen grundsätzlich verboten. Diese Vorgaben wurden dann auch in
§ 69 q der Außenwirtschaftsverordnung in deutsches
Recht umgesetzt.
Das Waffenembargo sieht einige Ausnahmen vor,
etwa für nichtletale, also nichttödliche militärische
Güter, die ausschließlich humanitären oder Schutzzwecken dienen, oder auch für solche Rüstungsgüter, die
ausschließlich für die libyschen Behörden zur Unterstützung in den Bereichen Sicherheit und Entwaffnung bestimmt sind.
Die Bundesregierung hat Genehmigungen für solche
international zulässigen Zwecke erteilt.
Seit dem 26. Februar 2011 wurde ferner eine Ausfuhrgenehmigung für Güter der Informationssicherheit
nach der EG-Dual-Use-Verordnung an eine Auslandsvertretung eines EU-Mitgliedstaates in Libyen erteilt.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Höger.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich habe die
Frage: Liegen inzwischen Erkenntnisse vor, wie zur Zeit
des Embargos Maschinengewehre von Heckler & Koch
nach Libyen gekommen sind?
Frau Kollegin, diese Information kann ich Ihnen nicht
geben. Danach hatten Sie nicht gefragt. Auch da kann
ich Ihnen nur eine schriftliche Ergänzung anbieten.
Wenn Sie nach Heckler & Koch fragen wollen, dann
würde ich Ihnen nahelegen, Ihre Frage auch darauf zu
richten.
({0})
Über diese Information verfüge ich jetzt natürlich nicht.
Sie fragen zum zweiten Mal nach. Bitte schön.
Sie sprachen von Sicherheitstechnik. Dazu habe ich
noch eine Frage: An wen wird Sicherheitstechnik in
Libyen geliefert? In der derzeitigen Situation ist die
Sicherheitslage sehr konfus. Es gibt keine staatlichen
Institutionen und keinen Sicherheitsapparat, bevor die
Auseinandersetzungen in diesem Land beendet sind; die
Repressionen verschärfen sich.
Frau Kollegin Höger, zunächst muss ich leider darauf
hinweisen, dass der von Ihnen verwendete Begriff der
Sicherheitstechnik gesetzlich nicht definiert ist. Darunter
können nicht gelistete Güter, Dual-Use-Güter im Sinne
der EG-Verordnung, aber auch Rüstungsgüter im Sinne
von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste fallen. Deswegen kann ich Ihnen auf Ihre Frage nach Sicherheitstechnik nicht antworten.
Ich will Ihnen aber gerne entgegenkommen, weil ich
noch einige Informationen zu den Genehmigungen habe,
die seit Verhängung des UN-Waffenembargos erteilt
worden sind. Wenn Sie damit einverstanden sind, werde
ich Ihnen dies mitteilen.
({0})
Es sind im Wesentlichen folgende Genehmigungen
erteilt worden - ich nenne Ihnen auch jeweils die Position der Ausfuhrliste, damit das schön konkret ist -: Es
wurden Genehmigungen für geländegängige Fahrzeuge
mit Allradantrieb, Position I A 0006 b der Ausfuhrliste,
für Botschaften erteilt. Ferner wurden Genehmigungen
für andere Fahrzeuge für militärische Zwecke, Position I
A 0006 a der Ausfuhrliste, erteilt. Dabei handelt es sich
im Einzelnen um Minenräumgeräte zum humanitären
Minenräumen sowie Ersatz- und Verschleißteile hierfür.
Des Weiteren wurde genehmigt die Ausfuhr von
Körperpanzern und Schutzkleidung; das ist die Position
I A 0013 d der Ausfuhrliste. Dabei handelt es sich um
Schutzkleidung zum humanitären Minenräumen. Letztlich handelt es sich um die Genehmigung zur Ausfuhr
von Ausrüstung und Teilen zur Dekontamination von
ABC-Stoffen, Position I A 0007 f Nr. 2 der Ausfuhrliste,
von Chemikalien zur Dekontamination, Position
I A 0007 f Nr. 3 der Ausfuhrliste, sowie von Ausrüstung
und Teilen zur Feststellung oder Identifizierung bestimmter Materialien; Position I A 0007 g der Ausfuhrliste.
Ich hoffe, dass ich damit Ihre Frage ausführlich und
erschöpfend beantworten konnte.
({1})
Vielen Dank. - Es gibt noch eine Nachfrage der Frau
Kollegin Vogler.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, können Sie uns vielleicht ergänzend noch erklären,
ob es Lieferanträge gegeben hat, die seitens der Bundesregierung zurückgewiesen worden sind, und, wenn ja,
um welche Lieferbegehren es sich gehandelt hat?
Liebe Frau Kollegin, wie Sie wissen: Wenn es sich
um Anträge gehandelt haben sollte, die den Bundessicherheitsrat betreffen, kann ich Ihnen darüber keine
Auskunft geben, weil dieses Gremium geheim tagt.
Ansonsten werden solche Auskünfte immer nur im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung erteilt; sie erfolgen immer im Nachhinein.
({0})
Erstens verfüge ich über diese Informationen nicht.
Zweitens. Selbst wenn ich darüber verfügen würde, wäre
ich aus gesetzlichen Gründen nicht befugt, Ihnen diese
Auskunft hier zu erteilen. Dafür bitte ich um Ihr Verständnis.
Vielen Dank.
Die Frage 3 der Kollegin Katja Keul wird schriftlich
beantwortet.
Wir kommen nun zu Frage 4 des Kollegen Klaus
Barthel:
Wie bewertet die Bundesregierung die hohen deutschen
Rüstungsexporte im Jahr 2010 an die Euro-Krisenländer Portugal - 811 Millionen Euro - und Griechenland - 403 Millionen Euro -, und welche Entwicklung der Exporte erwartet die
Bundesregierung für das Jahr 2011 und die folgenden Jahre in
diese Zielländer?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Herr Kollege
Barthel, ich kann Ihnen wie folgt antworten:
Bei den genannten Werten betreffend Rüstungsexporte im Jahre 2010 - Sie haben in Ihrer Frage
811 Millionen Euro für Portugal und 403 Millionen Euro
für Griechenland erwähnt - handelt es sich wie immer
um die bekanntgegebenen Werte der tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen. Die Bundesregierung hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass diese vergleichsweise hohen Zahlen darauf zurückzuführen sind,
dass im Jahre 2010 zwei U-Boote nach Portugal und ein
U-Boot nach Griechenland effektiv geliefert worden
sind. Die Herstellung der U-Boote für Portugal wurde
bereits im Jahre 2004 und die des U-Bootes für Griechenland wurde im Jahre 2000 genehmigt. Als langjähriger, erfahrener Abgeordneter wissen Sie sicherlich, dass
also schon zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung genehmigt wurde. Ich gehe davon aus, dass Sie besonders
großes Vertrauen in die damalige Genehmigungspraxis
haben. Ich kann Ihnen ferner mitteilen, dass im Jahre
2010 Panzerhaubitzen nebst Zubehör nach Griechenland
ausgeführt worden sind.
Genauso wie an anderen Stellen weise ich im Namen
der Bundesregierung darauf hin, dass der Umfang der
Exporte naturgemäß relativ hohen Schwankungen unterworfen ist, weil es, wie gesagt, nicht auf die Anträge und
die Genehmigungen ankommt. Vielmehr werden die
tatsächlichen Auslieferungen bekannt gegeben. Über
Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die
Bundesregierung im jeweiligen Einzelfall auf Grundlage
der Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den
Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern
- diese stammen aus dem Jahr 2000 - und des Gemeinsamen Standpunktes des Rates der Europäischen Union
vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln
für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie
und Militärgütern. Da die Genehmigung in jedem Einzelfall erfolgen muss, Herr Kollege, kann ich Ihnen an
dieser Stelle keine Aussagen über die zukünftige Entwicklung von Exporten machen.
Kollege Klaus Barthel hat die erste Nachfrage.
Dann stellt sich aber doch die Frage, wie die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass der griechische
Staatshaushalt einen überproportional hohen Anteil an
Rüstungsausgaben aufweist - er beträgt ungefähr das
Zweieinhalbfache des OECD-Durchschnitts; auch verglichen mit den Ausgaben für die Bundeswehr sind die
griechischen Ausgaben überproportional hoch -, und angesichts der jetzigen Debatte über den griechischen
Staatshaushalt und dessen Finanzierung damit umgehen
würde, wenn es weitere Anträge auf Rüstungsexporte
nach Griechenland oder nach Portugal gäbe.
Lieber Herr Kollege Barthel, zum Ersten muss ich
klarstellen - das ist natürlich auch Ihnen bekannt -, dass
die Mitgliedstaaten der EU prinzipiell in eigener Verantwortung über ihre Rüstungsausgaben entscheiden und
die Bundesregierung nicht befugt ist, von sich aus zu sagen, diese oder jene Ausgabe könne nicht getätigt werden.
Ich will Ihnen aber ergänzend sagen, dass die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export
von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus
dem Jahre 2000, die ich eben schon erwähnt hatte, ausdrücklich vorsehen, dass der Export von Kriegswaffen
und sonstigen Rüstungsgütern in NATO-Länder, in EUMitgliedstaaten und in den NATO-Mitgliedstaaten
gleichgestellte Länder grundsätzlich nicht beschränkt
werden kann. Auch daran haben wir uns zu halten.
Das trifft aber -
Ich gebe Ihnen das Wort für die zweite Nachfrage.
Jetzt sind Sie dran.
Entschuldigung, Herr Präsident. Ich war etwas voreilig, weil die Antwort die Frage gar nicht trifft.
Wir haben es doch damit zu tun, dass die Bundesregierung durchaus in der Lage ist, auf europäischer
Ebene bis ins Detail durchzusetzen, welche Arbeitsgesetze verändert und wie der Mindestlohn und die Renten
gesenkt werden müssen usw. Das betraf Griechenland
und ist ähnlich in Portugal. Ich kann mir vor diesem Hintergrund überhaupt nicht vorstellen, dass die Bundesregierung keine Auffassung dazu hat, wie sich zum Beispiel der griechische, aber auch der portugiesische
Rüstungshaushalt in Zukunft entwickeln soll, wenn wir
uns anschauen, was wir erst am Montag beschlossen haben. Deswegen die Frage: Wie bewertet denn die Bundesregierung diese Vorgänge, und wie geht sie damit um,
wenn weitere Anträge in diese Richtung kommen?
Lieber Herr Kollege Barthel, auch darauf eine zweigeteilte Antwort: Zum einen sind wir als Bundesregierung natürlich daran gebunden, dass das Plenum des
Deutschen Bundestages am 18. März letzten Jahres mit
Mehrheit darüber befunden hat, dass wir das Kriterium 8
des Gemeinsamen Standpunktes - da geht es um die fehlende Vereinbarkeit der Ausfuhr mit der technischen und
finanziellen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Empfängerstaates - nicht anwenden wollen.
Das Zweite und viel Entscheidendere aber ist, dass
nicht, wie Sie eben insinuiert haben, die Bundesregierung Mindestlöhne usw. senken kann, sondern dass die
Troika eine gemeinsame Verantwortung trägt. Die Bundesregierung ist natürlich an den Gesprächen dort beteiligt. Wir legen großen Wert auf die Konsolidierung der
Haushalte in den Schuldnerländern. Dabei kann das unter Umständen natürlich auch ein Punkt sein. Nur, es ist
nicht so, dass die Bundesregierung allein bestimmen
könnte, welche Mindestlöhne festgelegt oder welche
Ausgaben für die Rüstung getätigt werden.
Griechenland und Portugal sind unabhängige Länder,
die prinzipiell in eigener Verantwortung ihre Entscheidungen treffen.
({0})
- Entschuldigung, in aller Klarheit: Die Vereinbarungen,
die mit der Troika getroffen werden, sind Vereinbarungen, an denen auch Portugal und Griechenland beteiligt
sind. Um das einmal folgendermaßen zu sagen: Weder
Griechenland noch Portugal sind Protektorate, schon gar
nicht von Deutschland. Ich hoffe, dass gerade Sie das zu
akzeptieren wissen.
Es gibt noch eine Nachfrage der Frau Kollegin Inge
Höger.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, Griechenland und Portugal könnten noch alleine über ihren
Haushalt entscheiden. Die Spardiktate sind aber doch so
formuliert, dass diese Länder kein Geld mehr aus dem
europäischen Stabilisierungsfonds bekommen, wenn sie
die Auflagen nicht erfüllen. Diese bestanden in Rentenkürzungen, Kürzungen für Gesundheitsausgaben und der
Senkung des Mindestlohns. Sie bestanden aber auch darin, wie ich einer Äußerung der Bundeskanzlerin entnommen habe, dass an bestehenden Verträgen mit deutschen Firmen nicht zu rütteln sei.
Es erschließt sich mir wirklich nicht, dass auf der einen Seite im sozialen Bereich gespart wird, auf der anderen Seite aber auf die Einhaltung von Verträgen, die die
Lieferung von Rüstungsgütern betreffen, gedrängt wird.
({0})
Offen gesagt, erschließt sich mir der Sinn Ihrer Frage
nicht. Ich will zum einen sagen, dass es keine Spardiktate gibt; das haben Sie eben so dargestellt. Vielmehr
sind es Vereinbarungen, die zwischen der Troika und der
griechischen Regierung getroffen werden.
({0})
Zum anderen wissen Sie sehr genau, dass um den Inhalt dieser Vereinbarungen gerungen wird. Es ist nicht
so, dass die Troika - und schon gar nicht die Bundesregierung allein - sagen kann: Ihr habt das so oder so zu
machen. - Vielmehr sind es langwierige und schwierige
Verhandlungen, die zu einem bestimmten Ergebnis führen müssen, nämlich zur Haushaltskonsolidierung und
zur gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit der Schuldnerländer.
({1})
- Ich finde Ihre Worte völlig unangemessen, Frau Kollegin Enkelmann. Sie haben gesagt, das sei Erpressung.
Sie werfen der Troika also die Erfüllung eines Straftatbestands vor. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Es ist
nicht angemessen, dass Sie so argumentieren. Wenn wir
Hunderte von Milliarden Euro seitens der deutschen und
europäischen Steuerzahler als Garantien und Kredite zur
Verfügung stellen, dann ist es doch klar, dass wir darauf
achten, dass das kein Fass ohne Boden wird. Wir wollen
Griechenland helfen, wieder stabil zu werden. Das hat
nichts mit Erpressung zu tun.
Ich sage hier in aller Klarheit: Es geht um Vereinbarungen zwischen der demokratischen Regierung von
Griechenland und der Troika. Deswegen ist der Ton, den
Sie hier hineinbringen, meiner Meinung nach nicht in
Ordnung.
({2})
- Nein, Sie hat „Erpressung“ gesagt, und auch Nötigung
ist ein Straftatbestand.
Ich erinnere Sie an die Zeit, Herr Staatssekretär. Die
Zeit gilt für alle.
Ich rufe nun die Frage 5 des Kollegen Klaus Barthel
auf:
Strebt die Bundesregierung eine europäische Vereinbarung
zur Reduzierung von Rüstungsexporten in die Euro-Krisenländer an und, wenn nein, warum nicht?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für
den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 2000 sehen ausdrücklich vor, dass
der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in NATO-Länder, EU-Mitgliedstaaten und
NATO-Mitgliedstaaten gleichgestellte Länder grundsätzlich nicht zu beschränken ist; ich habe eben schon
darauf hingewiesen.
Eine Änderung dieser Politischen Grundsätze ist nicht
beabsichtigt. Wir haben diese Grundsätze, die noch aus
sozialliberaler Zeit stammen, einzuhalten, und das tun
wir.
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege.
Es wäre schön, wenn Sie diese Grundsätze einhalten
würden.
Das tun wir.
Meine Frage lautete vorhin, wie die Bundesregierung
das alles bewertet. Denn auf der einen Seite kann man
sich nicht wie die Bundeskanzlerin dafür feiern lassen,
dass nun ordentliche Sparorgien in Griechenland veranstaltet werden, und auf der anderen Seite der Einschätzung, wie man einer Reduzierung von Rüstungsexporten
gegenübersteht, ausweichen.
Ich frage Sie deshalb: Treffen Presseberichte zu, wonach zum Beispiel sowohl von der Bundesregierung als
auch von der französischen Regierung Initiativen ausgehen, dass Griechenland weitere Rüstungsbeschaffungen
zum Beispiel aus Deutschland und aus Frankreich vornimmt? Ich meine beispielsweise die Bestellung von
Eurofightern. Können Sie uns sagen, ob diese Berichte
zutreffen und wie die Entwicklung in diesem Punkt weitergeht?
Herr Kollege Barthel, ich kann Ihnen keine Informationen darüber geben, ob es seitens der griechischen Regierung Anfragen zur Beschaffung von Eurofightern
gibt.
Ich kann Ihnen aber allgemein antworten - das bezieht sich auf den ersten Teil Ihrer Frage -, dass die Bundesregierung natürlich daran interessiert ist - wir sind
schließlich das Land, das die größten Garantien und Kredite für Griechenland gibt -, dass der griechische Haushalt so schnell wie möglich konsolidiert wird. Wenn man
einen Haushalt konsolidiert, wird sicherlich kein Teil des
Haushalts tabu sein können. Insofern liegt es durchaus
im Interesse des deutschen Steuerzahlers und dieses
Hauses, dass auch der Rüstungsetat, der, wie wir wissen
und wie man der Presse entnehmen kann, gerade in Griechenland überdurchschnittlich hoch ist, vor Kürzungen
nicht gefeit ist.
Kollege Barthel, Ihre zweite Nachfrage.
Die Nachfrage hätte sich genau darauf bezogen. Es
muss uns ja allen klar sein, dass vor dem Hintergrund
der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands
jeder Kauf, zum Beispiel von Rüstungswaren aus
Deutschland, letzten Endes von irgendjemandem verbürgt sein muss. Nachdem sich private Finanziers und
der griechische Staat dafür nicht mehr eignen, folgt logischerweise, dass die Finanzierung solcher Beschaffungen über staatliche Garantien, wie zum Beispiel Hermesbürgschaften der Bundesrepublik Deutschland, oder über
europäische Garantien, für die im Grunde die deutschen
und europäischen Steuerzahler die Last tragen, abgesichert werden müsste. Wie sehen Sie denn diesen Tatbestand mit Blick auf die Zukunft?
Herr Kollege Barthel, Sie machen sich jetzt Gedanken
über etwaige Hermesdeckungen usw., ohne dass wir
beide irgendwelche Informationen darüber haben, ob
und in welchem Umfang überhaupt Anträge auf Genehmigungen vorliegen.
({0})
Sie haben mich konkret nach den Lieferungen an Portugal und Griechenland im Jahr 2010 gefragt. Ich kann
Ihnen jetzt keine Auskünfte darüber geben und habe, offen gesagt, auch gar keine Erkenntnisse darüber, ob für
das Jahr 2012 überhaupt irgendwelche Anträge auf Lieferungen vorliegen. Das weiß ich nicht. Deswegen verbietet es sich meines Erachtens auch, sich Gedanken
über Hermesdeckungen und Ähnliches zu machen.
Ihren theoretischen Überlegungen kann man folgen;
aber es ist doch nicht angebracht, jetzt darüber zu schwadronieren, welche Deckungen notwendig oder sinnvoll
sind bzw. gefährdet sein können, wenn wir überhaupt
nicht wissen, ob Anträge auf Deckungen vorliegen.
({1})
Es gibt jetzt zwei Nachfragen, zunächst von der Frau
Kollegin Kathrin Vogler und dann vom Kollegen Volker
Beck. - Bitte schön, Frau Kollegin Kathrin Vogler.
Herr Staatssekretär, da beißt sich ja die Katze in den
Schwanz, wenn Sie dem Kollegen Barthel zunächst einmal nicht sagen, ob es das Ansinnen von Rüstungsexporten gibt, und dann bei der Frage, wer dafür bürgen soll,
auf diese Nichtantwort verweisen.
Danach ist auch nicht gefragt worden, Frau Kollegin.
Ich möchte noch einen ganz anderen Aspekt ansprechen. In dem Griechenland-Paket, das wir am Montag
hier im Haus debattiert und verabschiedet haben, werden
Größenordnungen für Einsparungen in unterschiedlichen
Bereichen des griechischen Haushalts und der öffentlichen Ausgaben genannt. Ich kann Ihnen mitteilen, dass
im Militäretat bis zu 300 Millionen Euro eingespart werden sollen, während im Gesundheitsetat nur bei den Medikamenten 1 Milliarde Euro in einem Jahr eingespart
werden soll. Teilen Sie mit mir die Auffassung, dass ein
höchst unethisches Verhältnis von Sparmaßnahmen vorliegt, wenn - ich spitze das einmal zu - die kranken
Menschen in Griechenland die Sanierung des Staatshaushaltes stärker finanzieren sollen als die deutschen
und europäischen Rüstungsunternehmen, die von Rüstungsgüterexporten nach Griechenland profitieren?
Frau Kollegin Vogler, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Fragestunde hier eine bestimmte
Ordnung hat.
({0})
Wir diskutieren über die Rüstungsexporte nach Portugal
und Griechenland im Jahre 2010. Das war die Frage.
({1})
Die weiter gehende Frage, welche Einsparpotenziale es
bei Gesundheitsmitteln und Rüstungsgütern gibt, kann
und möchte ich jetzt natürlich nicht beantworten.
({2})
Das war hier nicht gefragt. Deswegen teile ich auch
nicht Ihre Einschätzung,
({3})
dass das von vornherein unethisch sei. Wir müssten, um
diese Diskussion zu führen, den Tagesordnungspunkt
„Einsparungen in Griechenland“ haben. Das ist aber
nicht Gegenstand der schriftlich eingereichten Frage.
({4})
Deswegen lehne ich es ab, hier irgendwelche Überlegungen oder Einschätzungen von Ihnen zu kommentieren.
Nächste Nachfrage des Kollegen Volker Beck.
Herr Kollege Staatssekretär, für diese Haltung habe
ich grundsätzlich Verständnis.
Danke schön.
Es geht darum, die Fragen, die hier gestellt sind, zu
beantworten. Gerade das haben Sie bei der Frage von
Herrn Barthel nicht getan. Er hat in Frage 5 überhaupt
Volker Beck ({0})
nicht nach 2010, nicht nach 2012 und nicht nach 2011
gefragt, sondern er fragt, ob man nicht vor dem Hintergrund, dass wir von den Krisenländern Sparanstrengungen erwarten - darauf haben Sie mit Ausführungen zu
den Rüstungsexportrichtlinien geantwortet; das entspricht aber auch nicht der Frage -, auf europäischer
Ebene - nicht auf nationaler Ebene; deswegen geht es
eben nicht um Rüstungsexportrichtlinien - die Vereinbarung treffen will, an diese Länder gegenwärtig keine
nicht dringend benötigten Rüstungsgüter zu exportieren.
Denn unsere Außenhandelsüberschüsse, auch bei den
Rüstungsexporten, sind natürlich die Außenhandelsdefizite dieser Länder und tragen somit zur schlechten Leistungsbilanz und zur finanziellen Situation dieser Staaten
bei.
Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie sich noch einmal der vorhin geäußerten Grundfrage widmen würden.
Deshalb erspare ich Ihnen Exkurse zu Ihrer persönlichen
Ethik und zu der der Bundesregierung. Aber Sie sollten
schon die Frage des Kollegen Barthel beantworten: Plant
die Bundesregierung oder stellt sie, angeregt durch die
Fragestellung, Überlegungen an, im Sinne ausgeglichener Außenhandelsbilanzen den Druck von den Haushalten dieser Staaten zu nehmen?
({1})
Lieber Herr Kollege Beck, ich glaube, dass ich diese
Frage schon klar beantwortet habe.
({0})
Ich wiederhole meine Antwort: Nein, die Bundesregierung plant das nicht. Ich habe gegenüber dem Kollegen
Barthel auch begründet, warum wir so handeln. Unser
grundsätzliches Verständnis ist, dass NATO- und EUPartner selbst zu entscheiden haben - es liegt nämlich in
deren Souveränität -, ob und gegebenenfalls in welchem
Umfang sie welche Güter kaufen.
Der Fall liegt anders bei Ländern außerhalb der
NATO und außerhalb der EU. Ich will es noch einmal
sagen: Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung
für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahre 2000 - die Grünen waren damals an der Regierung beteiligt ({1})
sehen unter Punkt II Abs. 1 ausdrücklich vor, dass die
Exporte in NATO-Länder nicht zu beschränken sind.
({2})
- Lieber Herr Kollege Beck, wenn Sie mich freundlicherweise ausreden lassen würden. Ich habe Ihnen lange
zugehört.
Die Bundesregierung hält sich an diese Grundsätze,
die aufgrund der Initiative der damaligen Bundesregierung zustande kamen und die keine Beschränkungen für
den Export in NATO-Länder vorsehen. Daher streben
wir keine Vereinbarung gegenteiligen Inhaltes auf der
europäischen Ebene an.
({3})
Im Übrigen, Herr Kollege Beck, möchte ich Sie fragen, welche Form eine Vereinbarung zur Reduzierung
der Exporte haben soll. Starten Sie doch eine parlamentarische Initiative. Dann können wir darüber diskutieren.
Aber hier nur theoretisch über eine Vereinbarung zur Reduzierung zu schwadronieren, ist nicht ausreichend. Was
heißt das konkret? Ich kann mir darunter nichts vorstellen.
Jetzt haben wir die entsprechenden Zeiten ausgiebig
ausgenutzt.
Die Frage 6 der Frau Kollegin Zimmermann wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt die Frage 7 unseres Kollegen Manfred
Nink auf:
Welche konkreten Maßnahmen und Schritte hat die Bundesregierung bislang eingeleitet bzw. unternommen, um sich
auf EU-Ebene für ein unabhängiges europäisches Kartellamt
einzusetzen, wie es die CDU, CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag ({0}) angekündigt haben, und warum
konnten bisher noch keine wesentlichen Fortschritte erzielt
werden?
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, diese Frage zu beantworten.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Nink,
Sie weisen in Ihrer Frage zu Recht darauf hin, dass die
Schaffung eines europäischen Kartellamts in der Koalitionsvereinbarung als Ziel formuliert ist. Allerdings
muss ich Ihnen sagen: Um ein solches Ziel zu erreichen,
bedarf es einer längerfristig angelegten Überzeugungsarbeit der Bundesregierung, da Voraussetzung für das Erreichen eines solchen Ziels die Zustimmung aller Mitgliedstaaten für eine entsprechende Vertragsänderung
ist, wie Sie sicherlich wissen. Gespräche haben schon
stattgefunden; sie werden auch weiterhin stattfinden.
Um es ganz offen zu sagen: Das ist kein kurzfristig zu
erreichendes Ziel.
Ihre erste Nachfrage, Kollege Manfred Nink.
Herr Staatssekretär, was spricht nach Meinung der
Bundesregierung für ein unabhängiges europäisches
Kartellamt und gegen die Europäische Kommission als
Behörde zur Verfolgung von Kartellrechtsverstößen?
Es gibt sicherlich eine Reihe von guten Argumenten
für ein europäisches Kartellamt. Darunter fallen eine
möglicherweise größere Unabhängigkeit und eine geringere Möglichkeit der Einflussnahme von nationalen Regierungen auf ihre jeweiligen Kartellbehörden oder die
Europäische Kommission. Auf der anderen Seite gibt es
die große Schwierigkeit, dass eine Änderung der EUVerträge erforderlich wäre. Sie wissen, wie schwierig ein
solches Änderungsverfahren ist.
Ihre zweite Nachfrage, Kollege Manfred Nink.
Gehen Sie davon aus, dass Ihr im Koalitionsvertrag
angekündigtes Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode umsetzbar ist?
Herr Kollege, meine Erkenntnis ist, dass wir in unserem Bemühen um ein europäisches Kartellamt noch
nicht alle Mitgliedstaaten - ich formuliere es einmal vorsichtig - haben überzeugen können. Deswegen kann ich
keine Aussage darüber treffen, ob wir das Ziel, das wir
nach wie vor erreichen wollen, noch in dieser Legislaturperiode verwirklichen können. Wir bleiben am Ball.
Vielen Dank. - Ich rufe die Frage 8 des Kollegen
Manfred Nink auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung, individuelle Strafsanktionen gegen nachweislich schuldige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Managerinnen und Manager bei Kartellrechtsverstößen zur Verstärkung der
Abschreckung im europäischen Kartellrecht zu verankern,
und welche Schritte wird sie selbst unternehmen, um eine adäquate europäische Regelung zu erzielen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich darf Ihnen antworten, Herr Kollege: Aus Sicht der Bundesregierung ist das
bestehende europäische Sanktionsregime, das auf der einen Seite die behördliche Verfolgung und Bebußung von
Unternehmen bei Kartellrechtsverstößen umfasst und
auf der anderen Seite die privatrechtliche Durchsetzung
des Kartellrechts und eine Sanktionierung ermöglicht,
angemessen und auch hinreichend. Einer darüber hinausgehenden Kriminalisierung des EU-Kartellrechts,
nach der Sie gefragt haben, steht die Bundesregierung
zurückhaltend gegenüber. Wir haben Erfahrungsberichte
aus anderen EU-Mitgliedstaaten und den USA ausgewertet. Diese Erfahrungsberichte haben uns keinen Hinweis darauf geliefert, dass eine weitere Sanktionierung
erforderlich oder zielführend wäre.
Ihre erste Nachfrage, Kollege Manfred Nink.
Herr Staatssekretär, sollen nach Ansicht der Bundesregierung Compliance-Maßnahmen der Unternehmen,
die ja letztendlich im Rahmen des Kartellrechts zur Verantwortung gezogen werden, bei der Sanktionierung von
Kartellrechtsverstößen berücksichtigt werden? Wenn ja,
auf welche Art und Weise, wenn nein, warum nicht?
Herr Kollege Nink, Ihre ursprüngliche Frage zielte
zunächst nicht darauf ab, Compliance-Regeln anzuwenden oder umzusetzen, sondern darauf - das war jedenfalls Ihre Frage -, ob weitere strafrechtliche Normen geschaffen werden sollen, um ein kartellrechtswidriges
Verhalten der Mitarbeiter zu sanktionieren. Diese Frage
habe ich Ihnen beantwortet.
Es ist eine ganz andere Frage, inwieweit ComplianceRegeln berücksichtigt werden sollen. Compliance-Regeln haben, wie Sie wissen, eine unternehmensinterne
Funktion. Compliance-Regeln sind dafür da, dass die
Mitarbeiter eines Unternehmens genau wissen, was sie
zu beachten und welche Konsequenzen sie zu befürchten
haben, wenn sie gegen diese Regeln verstoßen. Von der
Systematik her ist es so, dass Compliance-Regeln eine
unternehmensinterne und Strafrechtsnormen eine externe Wirkung entfalten. Das würde ich nicht miteinander kombinieren.
Vielen Dank. - Die zweite Nachfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass mittlerweile sehr viele Unternehmen Compliance-Maßnahmen
ergriffen haben, die auch wirksam sind, und es trotzdem
in einigen Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die sich gegen Kartellrechtsvorgaben stellen und
damit Schaden für das Unternehmen anrichten, was teilweise aus persönlichen Gründen geschieht?
Herr Kollege Nink, dies mag durchaus sein. Von solchen Fällen liest man gelegentlich in der Presse. Das will
ich gar nicht in Abrede stellen.
Es ist aber nicht so, dass es, wenn ein Mitarbeiter eines Unternehmens das Unternehmen vorsätzlich schädigt, den Compliance-Regeln zuwiderhandelt und dies
möglicherweise, wie Sie sagen, aus sachfremden Motiven geschieht, keine strafrechtliche Sanktionierungsmöglichkeit gäbe. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es
in § 266 Strafgesetzbuch den Tatbestand der Untreue
gibt. Wenn ein Mitarbeiter vorsätzlich und dauerhaft die
Grundsätze des Unternehmens schädigt, um womöglich
eigene oder fremde Vorteile herbeizuführen, dann ist das
schon unter dem jetzigen Regime strafrechtlich sanktionierbar. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es sogar
bei einigen deutschen Großunternehmen strafrechtliche
Ermittlungen gegen Mitarbeiter wegen Schädigung des
Unternehmens gegeben hat.
Aus unserer Sicht besteht keine Veranlassung, die
Strafrechtsnormen zu erweitern oder zu ändern. Wir sehen in diesem Bereich keine Lücke im Strafrecht. Ich
gebe Ihnen recht, dass vorsätzliches nachhaltiges Wirken
zulasten eines Unternehmens nicht ohne Sanktionen
bleiben darf. Es gibt aber zum einen zivilrechtliche
Sanktionen und zum anderen auch unter dem geltenden
Recht in besonderen Fällen die Möglichkeit, strafrechtliche Ermittlungen und Sanktionen gegen solche schädigenden Mitarbeiter einzuleiten.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zur Frage 9 unseres Kollegen
Garrelt Duin:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
Entscheidungen der Unternehmen TenneT TSO GmbH und
RWE AG, neue Investitionen in den Ausbau von Windparkprojekten zu stoppen, und wie bewertet die Bundesregierung
die in diesem Zusammenhang geäußerte Begründung, dass
die nötige Rechtssicherheit sowie belastbare Haftungsregelungen für den Fall der Nichtverfügbarkeit oder eines verspäteten Netzanschlusses fehlen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Duin,
ich darf Ihnen namens der Bundesregierung Folgendes
antworten: Die Bundesregierung nimmt die Ankündigungen von RWE und TenneT zum Ausbaustopp mit Bedauern zur Kenntnis. Die Bundesregierung geht davon
aus, dass die Akteure ihre rechtlichen Verpflichtungen
einhalten. So ist der Netzbetreiber TenneT auf Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes verpflichtet, eine
Netzanbindung von Offshorewindparks zu gewährleisten.
Im Übrigen betreibt die Bundesregierung aktiv die
Optimierung der Rahmenbedingungen für die rechtzeitige Anbindung von Offshorewindparks. In diversen Arbeitsgruppen werden Konzepte für eine zügige Anbindung von Offshorewindparks erarbeitet. Das betrifft
beispielsweise die Verkürzung der Anbindungsdauer des
Windparks durch den Netzbetreiber. Ziel ist es, bis Ende
März Vorschläge für eine Beschleunigung der Offshoreanbindung vorzulegen. Auch die Bundesnetzagentur
arbeitet an Möglichkeiten zur Optimierung der Offshoreanbindung. Gegenwärtig läuft ein Konsultationsverfahren, in dem über Maßnahmen für einen effizienten
Anschluss von Windparks mit den beteiligten Offshoreakteuren gesprochen wird. Die Offshorebranche sollte
dieses Verfahren nutzen, um Vorschläge einzubringen.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Bewertung sagen: Wir sind uns - vermutlich in völligem Einklang mit Ihren eigenen Auffassungen - dessen bewusst,
dass es sich um ein sehr wichtiges Thema handelt. Die
Offshorewindenergie spielt in dem Energiekonzept der
Bundesregierung eine große Rolle. Deswegen unternehmen wir derzeit alles, um diese Schwierigkeiten, die Sie
in Ihrer Frage angesprochen haben, zu beheben.
Kollege Garrelt Duin, Sie haben die erste Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
erlauben Sie mir die Anmerkung, dass sich Ihre Antwort
eher auf die Frage 11 bezog - da geht es um den Zeitplan als auf die Frage 9. Sie haben in Ihrer Antwort darauf
hingewiesen, dass Sie auf Vorschläge - so haben Sie es,
glaube ich, gerade formuliert - aus den betroffenen Unternehmen und der betroffenen Branche warten. Eines
der betroffenen Unternehmen, TenneT, hat ja schon Vorschläge gemacht.
Ich will einmal ganz konkret auf das Thema Klarstellung der Haftung zu sprechen kommen. Es geht darum,
wie die Versicherungsfrage gelöst werden kann. Gibt es
in der Bundesregierung Überlegungen, wie man diese
Versicherung gewährleisten kann? Welche Vorstellungen
hat die Bundesregierung für den Fall, dass ein Versicherungsschutz über bestimmte Summen hinaus - im Gespräch sind ja 100 Millionen Euro für bestimmte Konstellationen - nicht erlangt werden kann, und wie bzw.
von wem können die dann gleichwohl entstehenden
Kosten getragen werden?
Diese Frage kann ich Ihnen mit einem klaren Ja beantworten. Das ist eine der zentralen Fragen, die derzeit
erörtert werden. Wie Sie vielleicht wissen, ist am 12. Januar bei einem ersten Gespräch zwischen Bundeswirtschaftsminister Rösler, der Offshorebranche und den
Netzbetreibern eine sogenannte AG „Beschleunigung“
seitens der betreffenden Akteure gegründet worden. Im
Rahmen dieser AG ist die Frage eines klaren Haftungsregimes bei Kabelausfällen einer der zentralen Punkte.
Wir überlegen momentan, ob es möglich ist, eine Regelung zu finden, nach der der Netzbetreiber nur bis zu
einer Höchstgrenze haftet; Sie haben eben einen Betrag
genannt. Es geht hier nicht nur, wie Sie angesprochen
haben, um die Frage der Versicherbarkeit, sondern es
geht auch darum, Investoren zu finden. Diese Investoren
wollen natürlich eine gewisse Investitionssicherheit haben. Deswegen ist uns klar, dass wir uns an einer sehr
wichtigen Weichenstellung befinden. Im Moment ist
noch nicht entschieden, wie das Ganze ablaufen kann.
Ich kann Ihnen aber bestätigen, dass die Frage des Haftungsregimes einer der wichtigsten Punkte überhaupt ist,
die aktuell in den Gesprächen behandelt werden.
Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege.
Ganz kurz: Können Sie uns diesbezüglich den Zeitplan der Bundesregierung verraten? Wir alle wissen ja,
dass die Zeit sehr drängt, wenn man noch zu Änderungen, zum Beispiel im Energiewirtschaftsgesetz, kommen
will.
Herr Kollege Duin, wir teilen Ihre Einschätzung, dass
die Zeit drängt. Deswegen wird daran mit Hochdruck
gearbeitet. Die beteiligten Ressorts, BMU und BMWi,
werden auf Spitzenebene im März ein Gespräch - ({0})
- Nein, nein. Sie sollten meine Antwort komplett anhören. - Noch im März,
({1})
und zwar dieses Jahres 2012, werden sie tagen. Wie Ihre
Fragestellung schon hat andeuten lassen, geht es um eine
sehr komplexe Materie. Trotzdem: Weil das im Hinblick
auf die Umsetzung der Energiewende ein sehr wichtiges
und drängendes Thema ist - da sind wir völlig bei
Ihnen -, denken wir, dass wir sehr zeitnah im Laufe des
März - gegen Ende März - erste Vorschläge öffentlich
zur Diskussion stellen können.
Vielen Dank. - Wir kommen dann zur Frage 10 ebenfalls unseres Kollegen Garrelt Duin:
Wie bewertet die Bundesregierung aktuelle Vorschläge,
die Finanzierung von Offshore- und Overlayverbindungen
durch die Beteiligung der Übertragungsnetzbetreiber in
Deutschland an einer deutschen Gleichstrom-Netzgesellschaft
zu gestalten, und was gedenkt die Bundesregierung insoweit
zu tun?
Danke, Herr Präsident. - Lieber Herr Kollege Duin,
ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass wir uns zur Beschleunigung des Netzausbaus selbstverständlich alle
Optionen offenhalten. Wir werden auch diese Frage sehr
zeitnah einer Beantwortung zuführen. Wir haben dabei
aber darauf zu achten - das will ich schon andeuten -,
dass keine übermäßige Belastung der Verbraucher erfolgt. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass solche
Lösungen, die zu einer Beschleunigung beitragen können, nicht auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen
werden. Deshalb muss ich Sie leider insofern um etwas
Geduld bitten. Ich glaube, dass wir Ihnen noch vor Ostern konkretere Angaben zu diesem Themenkomplex
machen können.
Die erste Nachfrage des Kollegen Duin wird zeigen,
ob er die Geduld hat. - Bitte schön.
Herr Präsident, ich bin zeitlich sehr unter Druck, weil
ich gleich über das Thema Infrastrukturausbau diskutieren soll. - Insofern gleich die erste Nachfrage - sie geht
eher in Richtung Ordnungspolitik -: Können Sie sich
vorstellen, dass die Bundesregierung - dann hier durch
uns als Gesetzgeber - eine Pflicht zur Gründung einer
solchen Netzgesellschaft in das EnWG hineinschreibt?
Wie die Netzgesellschaft zusammengestellt sein könnte,
möchte ich an dieser Stelle zunächst einmal offenlassen.
Es kommt nicht darauf an, was ich mir vorstellen
kann. Ich kann Ihnen nur die offizielle Antwort geben,
dass sich die Bundesregierung alle Optionen offenhält.
Das schließt diese natürlich mit ein. Aber ich glaube, es
ist jetzt nicht angesagt, darüber zu spekulieren, was ich
oder der Minister aus ordnungspolitischen und sonstigen
Gründen davon hielte. Die offizielle Antwort, die Sie eigentlich zufriedenstellen sollte, ist, dass wir keine Option von vornherein ausschließen.
Damit kommen wir zu Ihrer zweiten Nachfrage.
Ich habe genau dazu eine Nachfrage: Umfasst diese
Offenheit für alle Lösungen auch die Beteiligung des
Staates an einer solchen Netzgesellschaft?
Lieber Herr Kollege Duin, Sie werden ahnen, dass
wir als ein liberales Haus dies nicht als erste Option betrachten. Aber ich sage Ihnen, dass wir zu diesem Zeitpunkt keine Option ausschließen; vielleicht kann ich Ihnen einen schönen Tag bereiten, wenn ich Ihnen sage,
dass wir auch diese Option nicht von vornherein ausschließen.
Wir bekennen uns dazu: Wir tun alles, um die Energiewende so effektiv und zügig wie möglich umzusetzen. Wenn wir bei den laufenden intensiven Verhandlungen zu dem Ergebnis kommen, dass eine bestimmte
Lösung diejenige ist, die uns weiterhilft, dann werden
wir diese Lösung Ihnen, dem Haus, vorschlagen; denn
wir werden höchstwahrscheinlich Gesetzesänderungen
brauchen. - Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen,
werden dann daran beteiligt sein. Im Klartext: Sie werden diejenigen sein, die darüber zu entscheiden haben.
Ich kann Ihnen versichern, dass die entsprechenden
Gespräche mit Hochdruck geführt werden. Ich habe die
Hoffnung, dass wir Ihnen noch im Laufe des März die
ersten konkreten Vorschläge unterbreiten können. Dann
können wir an dieser oder anderer Stelle, möglicherweise im Wirtschaftsausschuss, weiter darüber diskutieren.
Mal sehen, ob Sie dem Kollegen Garrelt Duin damit
einen schönen Tag beschert haben.
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Ingo Egloff auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus, dass
Stromnetzbetreiber gewarnt haben, der Zeitverzug zwischen
der Fertigstellung der Offshorewindanlagen und dem Anschluss an das Netz könne bis zu 42 Monate betragen, und die
Offshoreanlagenersteller daraufhin damit gedroht haben,
keine Offshoreanlagen mehr zu erstellen, und mit welchen
Vizepräsident Eduard Oswald
Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, dass zukünftig die Offshoreanlagen ohne zeitliche Verzögerung an
das Netz angeschlossen werden können und der Plan, bis
2020 10 Gigawatt Strom aus Offshorewindenergie zu erzeugen, tatsächlich eingehalten werden kann?
Lieber Herr Kollege Egloff, im Grunde hat der Kollege Duin zu Recht darauf hingewiesen, dass die Antworten, die ich ihm eben gegeben habe, eigentlich auch
Ihre Frage schon beantworten.
Wir befinden uns in konkreten Gesprächen mit Vertretern der beiden betroffenen Branchen. Es gibt - ich
will nicht sagen: täglich - aber doch sehr intensive Gespräche. Diese Gespräche werden hoffentlich im Laufe
des März zu konkreten Vorschlägen verdichtet, die möglicherweise dann auch der Gesetzgeber, der Deutsche
Bundestag - also Sie - behandeln wird.
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Egloff.
Herr Staatssekretär, da Sie eben bei der Beantwortung
der Frage des Kollegen Duin darauf hingewiesen haben,
dass es gegebenenfalls auch gesetzgeberische Maßnahmen geben muss - und wir alle wissen, dass das mit einem weiteren Zeitverzug bei der Umsetzung verbunden
sein wird -, stelle ich mir folgende Frage: Die Bundesregierung hat für 2020 einen bestimmten Anteil der durch
Offshoreanlagen gewonnenen Energie an der Gesamtenergieerzeugung vorgesehen. Sind Sie der Auffassung,
dass die Zielzahlen angesichts der Verzögerung, die wir
jetzt festzustellen haben, noch erreicht werden können?
Diese Zielzahlen sind ambitioniert, aber durchaus zu
erreichen. Wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen, ist
das bis 2020 in jedem Fall aufzuholen.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Die Fragen 12 und 13
der Kollegen Ingrid Nestle und die Frage 14 des Kollegen Krischer werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 15 unserer Kollegin Frau Doris
Barnett auf:
Wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zu dem für den 15. März 2012 angekündigten Termin im
Rahmen des Wirtschaftsdialoges, bei dem die Ergebnisse des
Gutachtens zu Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen
mit Rechteinhabern und Diensteanbietern diskutiert werden
sollen, auch Vertreter der Verbraucherschutzorganisationen
und der Zivilgesellschaft einladen und, wenn nein, warum
nicht?
Ich habe den Kollegen Krischer bis eben noch gesehen und war noch auf seine Fragen vorbereitet. Aber ich
stelle mich schnell um auf Sie, Frau Kollegin Barnett.
Seit dem Jahr 2008 - also schon von der früheren Regierung eingerichtet - gibt es im Bundeswirtschaftsministerium einen sogenannten Wirtschaftsdialog für
mehr Kooperation bei der Bekämpfung der Internetpiraterie, bei dem es darum geht, die Kooperation zwischen
den Rechteinhabern, also den Urhebern oder Rechteverwertern, und den Diensteanbietern, also den Serviceprovidern, zu fördern und einvernehmliche Lösungen bei
der Bekämpfung der Internetpiraterie zu finden. Die von
Ihnen in der Frage angesprochene vergleichende Studie
über Modelle zur Versendung von Warnhinweisen durch
Internetzugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen soll - das ist unsere Planung - am 15. März
zunächst in diesem Kreise besprochen werden.
In den vergangenen drei Jahren haben immer Vertreter dieser beiden Branchen sozusagen unter der Moderation des Bundeswirtschaftsministeriums und unter Beteiligung anderer Häuser diskutiert. Es kann durchaus sein,
dass wir weitere Schritte diskutieren. Selbstverständlich
sind die Verbraucherschutzorganisationen herzlich eingeladen, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Wenn
der Wunsch besteht, mit Vertretern des Bundeswirtschaftsministeriums oder anderer Häuser über diese Studie zu diskutieren, dann kann ich Ihnen zusichern, dass
die Verbraucherschutzorganisationen bei mir und den
Kollegen immer ein offenes Ohr finden werden.
Frau Kollegin Barnett, Sie haben Ihre erste Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Sie sagen, die
Verbraucherschutzorganisationen können sich an der
Diskussion beteiligen; das könnte zum Beispiel eine Internetdiskussion sein. Aber wie wird tatsächlich gewährleistet, dass am Ende die Verbraucherinteressen und
auch die der Zivilgesellschaft berücksichtigt werden?
Denn Sie haben mit den beiden anderen Organisationen
praktisch schon alles besprochen.
Nein, Frau Kollegin Barnett, ich kann Sie beruhigen.
Die Diskussion findet nahezu täglich statt. Ich werde
zum Beispiel nachher bei einer Veranstaltung des
eco-Verbandes - das sind die Internetserviceprovider -,
bei der auch Vertreter der Verbraucherschutzorganisationen anwesend sein werden, sprechen. Die Diskussion
findet also nicht nur im Rahmen des Wirtschaftsdialogs
statt.
Um das klarzustellen: Der Wirtschaftsdialog ist der
Versuch, einvernehmliche Regelungen zwischen den
Verwertern der Urheberrechte auf der einen Seite und
der Internetindustrie auf der anderen Seite zu finden.
Sollten diese Versuche nicht zu einem Einvernehmen
führen, dann ist der Bundestag sowieso im Spiel. Dann
ist zu klären, ob wir die Internetpiraterie mit gesetzgeberischen Maßnahmen möglicherweise besser und effektiver bekämpfen können, ohne den Rechtsschutz und die
Liberalität des Netzes zu gefährden.
In jedem Fall, liebe Frau Kollegin Barnett, müssen
Sie sich keine Sorgen machen, dass uns die Anliegen der
Verbraucherschutzorganisationen und der Verbraucher
nicht am Herzen liegen. Wir werden mit Sicherheit keine
Maßnahmen oder Ähnliches vereinbaren, ohne einen
ausführlichen Dialog mit den Verbraucherschutzorganisationen geführt zu haben. Ich kann Ihnen bestätigen,
dass der Dialog mit den Verbraucherschutzorganisationen gerade in diesem Feld immer sehr fruchtbar ist. Deswegen sage ich: Wir wären ja doof, wenn wir nicht mit
den Verbraucherschutzorganisationen reden würden. Das
tun wir auf jeden Fall noch ausgiebig.
Sie haben das Recht zur zweiten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Wie schnell können
Verbraucherschutzorganisationen bzw. wie schnell kann
die Zivilgesellschaft auf Vereinbarungen zwischen den
beiden anderen Organisationen reagieren? Werden die
Vereinbarungen gleich ins Netz gestellt? Kann dann
überhaupt noch etwas geändert werden?
Liebe Frau Kollegin Barnett, ich will den Ergebnissen
des Wirtschaftsdialogs am 15. März 2012 nicht vorgreifen. Ich weiß nicht, ob ich Sie damit beruhige, aber ich
rechne nicht damit, dass am 15. März irgendetwas vereinbart wird, das dann sofort in Kraft tritt. Die Bekämpfung der Internetpiraterie ist sehr langfristig angelegt.
Dieses Thema hat nicht nur diese Bundesregierung, sondern auch frühere Bundesregierungen intensiv beschäftigt. Das heißt, wir werden ohnedies, auch jenseits des
Wirtschaftsdialogs, sehr sorgfältig prüfen müssen, welche Maßnahmen gegebenenfalls geeignet sind, um die
Rechte der Urheber im Netz besser zu schützen, ohne
gleichzeitig rechtsstaatliche Positionen preiszugeben.
Das wird nicht nach einem Gespräch und schon gar nicht
am 15. März abgeschlossen werden können. Deswegen
glaube ich, dass ich Ihnen die Sorge, die in Ihrer Frage
durchklang - werden dort Tatsachen geschaffen, und
wird die Zivilgesellschaft daran nicht beteiligt? -, nehmen kann, sogar nehmen muss. Ich fürchte, es geht gar
nicht so schnell, wie das vielleicht wünschenswert wäre.
Wir werden über die weiteren Schritte sehr sorgfältig in
der Öffentlichkeit und auch in diesem Hause diskutieren
müssen.
Vielen Dank. - Jetzt eine Nachfrage unseres Kollegen
Volker Beck.
Herr Staatssekretär, ich bin hellhörig geworden, als
Sie davon gesprochen haben, dass wir neue rechtliche
Regelungen zur Verbesserung der Urheberrechte im
Nein, das habe ich nicht gesagt.
- oder dass Sie das erwägen. Deshalb wollte ich gerne
wissen, was Sie erwägen. Denken Sie eher an ein Abrüsten im Internet im Sinne einer Pauschalvergütung, was
es ja als Vorschlag gibt, oder wollen Sie die rechtlichen
Instrumentarien zur Durchsetzung des Urheberrechts im
Internet verschärfen, wie es zum Beispiel im Kapitel
zum Schutz des geistigen Eigentums im digitalen Umfeld des ACTA-Übereinkommens angelegt ist?
Lieber Herr Kollege Beck, ich habe nicht gesagt, dass
wir rechtliche Maßnahmen brauchen. Ansonsten würden
wir am 15. März gar nicht über einvernehmliche Regelungen reden. Ob wir Regelungen brauchen und in welche Richtung sie gegebenenfalls zielen, wird mit diesem
Hause natürlich sorgfältig zu erörtern sein. Ich kann Ihnen aber schon jetzt definitiv sagen, weil das Bestandteil
der Koalitionsvereinbarung ist, dass wir in keinem Fall
irgendwelche Maßnahmen beschließen werden, die zu
einer Sperrung von Internetanschlüssen oder zu einer
Drosselung der Leistung führen würden. Das jedenfalls
ist schon einmal ausgeschlossen. Alles andere wird sorgfältig erörtert.
Sie wissen, dass es eine intensive Diskussion gibt.
Das Ziel muss sein, zum einen die immer noch millionenfach vorkommende Internetpiraterie einzudämmen
und damit die kulturelle Vielfalt - dieses Argument kennen Sie - zu sichern, ohne dabei zum anderen rechtsstaatliche Grundsätze und die Liberalität des Netzes zu
gefährden. Das ist eine schwierige Aufgabe. Sie sind alle
herzlich eingeladen, sich an der Diskussion über dieses
Thema zu beteiligen und Vorschläge zu unterbreiten.
Zunächst ist der Kollege Burkhard Lischka eingeladen, eine Nachfrage zu stellen. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, nun haben wir ja vor einigen Tagen - für viele kam das überraschend - die sogenannten
ACTA-Proteste erlebt. Ein Vorwurf, der dort artikuliert
wurde, war ja, dass Fragen des Urheberrechts hinter verschlossenen Türen ausgehandelt worden sind. Sie haben
in Ihrer Antwort eben gesagt: Verbraucherschützer und
Zivilgesellschaft können sich an uns wenden. Ich werde
mich gern mit ihnen unterhalten. - Aber halten Sie es
nach den Erfahrungen gerade zu ACTA in diesem sensiblen Bereich nicht für angebracht, dass Sie von sich
aus auf Verbraucherschutzverbände und entsprechende
Vertreter der Zivilgesellschaft zugehen und bewusst das
Gespräch mit ihnen suchen?
Herr Kollege Lischka, zum einen kann ich Ihnen versichern, dass ich persönlich und auch viele Kolleginnen
und Kollegen meines Hauses ohnehin in einem ständigen Austausch mit Verbraucherschutzorganisationen
stehen. Wir sind momentan mehrmals wöchentlich auf
Veranstaltungen, an denen verschiedene gesellschaftliche Gruppen teilnehmen. Diese Diskussion findet also
statt.
Sie haben das Thema ACTA noch einmal angesprochen. Ich will jetzt gar nicht zu den Vorwürfen in der
Vergangenheit Stellung nehmen. Wir haben jedenfalls
Klarheit hinsichtlich ACTA und der diesbezüglichen Befürchtungen, die es in Teilen der deutschen Bevölkerung
gibt, geschaffen. Der Europäische Gerichtshof ist von
der EU-Kommission angerufen worden, um zu klären,
ob es irgendwelche Rechtsverstöße gibt. Wir werden
selbstverständlich auch über das Thema ACTA, darüber,
ob durch ACTA in Deutschland überhaupt Rechtsnachteile drohen oder nicht, diskutieren. Es ist also keineswegs so, dass Sie jetzt die Befürchtung haben müssten,
Sie würden vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Das sind alles komplexe Themen, die schrittweise abgearbeitet werden müssen.
Ich sage auch Ihnen, was ich dem Kollegen Beck gesagt habe: Jeder von Ihnen ist eingeladen, auch zum
Thema Urheberrecht in der digitalen Welt Vorschläge zu
machen. Wir haben hier eine Hausaufgabe gemeinsam
zu lösen. Ich sehe das nicht als eine parteipolitische oder
allein regierungsmäßige Aufgabe an. Auch die Opposition des Hauses ist herzlich eingeladen, sich an dieser
Diskussion weiterhin konstruktiv zu beteiligen.
Deshalb hat sich der Kollege Dr. von Notz zu einer
Nachfrage gemeldet. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
würden Sie mir denn zustimmen, dass es auch ein Problem sein kann, wenn durch eine Regelung wie ACTA
bestehendes Recht manifestiert wird - Sie sprachen zu
Recht die Frage an, inwieweit das Urheberrecht für die
digitale Welt ergänzt oder reformiert werden muss -,
dass sozusagen der Platz für diese Reformen gerade
durch ein international bindendes Abkommen wie
ACTA zugestellt werden kann?
Lieber Herr Kollege von Notz, wir werden diese Diskussion zunächst einmal auf der Grundlage führen, die
uns der Europäische Gerichtshof dazu geben wird, ob
hier irgendwelche Rechtsverstöße - das meint insbesondere auch Grundrechtseingriffe - drohen. Ansonsten
mache ich Sie darauf aufmerksam, dass das ACTAÜbereinkommen ja keine Privatidee der deutschen Bundesregierung ist, sondern ein letztlich weltweites Abkommen.
({0})
- Ja, die Bundesregierung war in dieser Sache gar nicht
initiativ.
Die Diskussion über ACTA werden wir noch führen
müssen. Natürlich wird auch die von Ihnen aufgeworfene Frage eine Rolle spielen, also nicht nur die Frage,
inwieweit ACTA Rechtsänderungen in Deutschland erfordert, sondern auch umgekehrt die Frage, inwieweit
ACTA Rechtsänderungen in Deutschland verhindert.
Diese Diskussion werden wir selbstverständlich führen.
Auch da - ich wiederhole mich - will ich, dass eine sehr
offensive Diskussion in Gang kommt, damit überhaupt
nicht der falsche Eindruck entstehen kann, es gäbe hier
Geheimverhandlungen oder Ähnliches. Der gesamte
Deutsche Bundestag und die Zivilgesellschaft sind
eingeladen, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Das
findet in großem Maße statt. Diese Diskussion führen
wir mit Freude.
Herzlichen Dank. - Die Frage 16 der Abgeordneten
Beate Walter-Rosenheimer wird schriftlich beantwortet.
Damit, Herr Staatssekretär, sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung steht uns Frau Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung.
Die Fragen 17 und 18 der Abgeordneten Heike
Hänsel werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Dieter Dehm auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Sicherheitslage in
Libyen aktuell?
Frau Staatsministerin, ich bitte um Beantwortung.
Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, bewertet
die Sicherheitslage in Libyen als unübersichtlich und mit
erheblichen Risiken behaftet. Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Milizen finden vereinzelt
weiterhin statt und sind jederzeit möglich. Aus diesem
Grund hat das Auswärtige Amt eine Reisewarnung herausgegeben.
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Dr. Dehm.
Frau Staatsministerin, sind Ihnen Berichte in Medien
oder von „Ärzte ohne Grenzen“ bekannt, wonach
115 Folteropfer in staatlichen Gefängnissen und über
1 500 Häftlinge in Gefängnissen und ähnlichen Einrichtungen der Milizen einsitzen?
Die Menschenrechtslage ist immer wieder Gegenstand der bilateralen Gespräche mit der Übergangsregierung in Libyen. Ich will daran erinnern, dass Bundesaußenminister Westerwelle am 8. Januar 2012 dazu
Gespräche geführt hat. Die libysche Regierung und der
Nationale Übergangsrat haben sich bei dieser Gelegenheit erneut zum Schutz der Menschenrechte bekannt. Sie
wissen, dass - auch auf deutsches Betreiben hin - die
Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, im Namen der EU auf die Überprüfung von Foltervorwürfen und das Ahnden entsprechender Taten gedrängt hat. Die Bundesregierung wird
im Rahmen ihrer bilateralen Kontakte selbstverständlich
weiterhin auf ein Ende von Folter und Misshandlungen
drängen.
Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege.
Frau Staatsministerin, es ist uns bekannt, dass der
Bundesaußenminister bezüglich des Luftangriffs auf
Libyen sehr zurückhaltend war. Dennoch hat er nach
dem Sturz Gaddafis sehr positive Signale in Richtung
dieses sogenannten Übergangsrats gesendet. Ist es in unserem Sinne, dass heute ganze Stadtteile und Städte, die
Gaddafi gegenüber loyal waren - vielleicht waren sie
nicht mit den Segnungen unserer Medien vertraut -, erheblichen Repressalien ausgesetzt sind und dort massenhaft Morde stattfinden?
Ich will noch einmal deutlich machen, Herr Abgeordneter, dass sich die Situation, auch die Sicherheitslage,
seit dem Sturz des Gaddafi-Regimes wesentlich verbessert hat. Aber - das wissen auch Sie - die Übergangsregierung hat noch große Probleme mit der Überführung
der Milizen in nationale Sicherheitskräfte. Es besteht regelrecht ein Sicherheitsvakuum. Der Übergangsregierung ist es bisher nicht gelungen, einen entscheidenden
Einfluss auf die Milizen auszuüben. Der Aufbau der
nationalen Sicherheitskräfte kommt nur mühsam voran.
Der Aufbau von Armee und Polizei wird dadurch behindert, dass nur ein Teil der Milizionäre bislang überhaupt
bereit ist, sich diesen anzuschließen und zu einer zivilen
Tätigkeit zurückzukehren.
Aber die Übergangsregierung hat sich klar zu den
Menschenrechten und zu einer Verbesserung der Sicherheitslage bekannt. Berücksichtigen Sie bitte, dass das
Land die ersten Schritte hin zu einer demokratischen und
zivilgesellschaftlichen Form macht. Sie können nicht erwarten, dass von heute auf morgen Veränderungen stattfinden. Unser Bestreben ist, dieses Thema - auch zusammen mit der Europäischen Union und dem Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen - immer wieder deutlich zu
machen und darauf zu drängen, Verbesserungen durchzusetzen.
Es gibt weitere Nachfragen. Zunächst Frau Kollegin
Kathrin Vogler.
Danke, Herr Präsident. - Frau Staatsministerin, Sie
haben gerade gesagt, dass es eine Reihe von Milizen
gibt, die sich weigern, ihre Waffen abzugeben. Dies wird
auch in der Presse berichtet. Ein wesentliches Argument
dieser Milizen ist - so habe ich das wahrgenommen -,
dass sie ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben wollen, bevor es ein frei gewähltes Parlament gibt. Wie schätzt die
Bundesregierung das ein? Halten Sie es für möglich, in
einer Situation, in der weite Teile des Landes von konkurrierenden Milizen kontrolliert werden und umkämpft
sind und in der die Sicherheits- und Menschenrechtslage, vorsichtig formuliert, mehr als unbefriedigend ist,
freie Wahlen durchzuführen?
Die Bundesregierung wird alles daransetzen, die
Durchführung von freien Wahlen zu unterstützen und zu
begleiten. In der Tat ist es so, wie Sie gesagt haben, Frau
Abgeordnete: Viele der Milizen, die sich im Zuge der
Revolution in allen Regionen des Landes gebildet haben,
bestehen noch und sind nicht bereit, in die nationalen
Sicherheitskräfte einzutreten. Das hat damit zu tun - so
wird es auch von unserer Botschaft vor Ort eingeschätzt -,
dass sich viele Milizangehörige mit der Waffe in der
Hand ein größeres politisches und finanzielles Entgegenkommen vonseiten der Regierung versprechen, als sie es
bislang erlebt haben.
Ich will aber auch die Erfolge erwähnen. Es gibt bis
zu 200 000 Milizionäre. Von ihnen sind vermutlich weniger als 40 000 für einen regulären Dienst angemeldet.
Aber immerhin: Es bewegt sich etwas, und die Übergangsregierung ist sehr bemüht, die Sicherheitslage zu
verbessern.
Eine Nachfrage unseres Kollegen Niema Movassat.
Danke, Herr Präsident. - Frau Staatsministerin, Sie haben gerade in zwei Antworten zwei widersprüchliche
Aussagen gemacht. Sie haben einerseits gesagt, die Sicherheitslage habe sich im Vergleich zur Situation vor dem
Bürgerkrieg verbessert. Andererseits haben Sie gesagt, es
gebe Milizen, die nicht bereit sind, sich der jetzigen Regierung, dem jetzigen Regime unterzuordnen. Was gilt
nun aus Sicht der Bundesregierung? Haben wir eine Verbesserung der Sicherheitslage - obwohl es zahlreiche Milizen gibt, die bewaffnet sind, gegeneinander kämpfen
und sich nicht der Regierung unterstellen -, oder haben
wir eine Verschlechterung der Sicherheitslage?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung stellt fest,
dass sich die Sicherheitslage im Vergleich zur Zeit des
Gaddafi-Regimes verbessert hat. Es ist, glaube ich, auch
die einmütige Meinung in diesem Hohen Hause, im
Deutschen Bundestag, dass das so ist. Ich habe gesagt:
Die Sicherheitslage hat sich verbessert, ist aber nicht zufriedenstellend. - Das sind zwei Beschreibungen der Situation, die sich ergänzen und sich nicht widersprechen.
Natürlich ist die Sicherheitslage nicht zufriedenstellend;
das hatte ich zu Anfang gesagt. Das hat aber seine
Gründe; auch diese habe ich beschrieben.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin.
Wir kommen nun zur Frage 20 unseres Kollegen
Dr. Dieter Dehm:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
der Analyse der International Crisis Group, wonach der regierende Nationale Übergangsrat nicht die Kontrolle über Libyen
hat?
Ich bitte um Beantwortung.
Nach Einschätzung der Bundesregierung, Herr Abgeordneter, hat die libysche Übergangsregierung derzeit
noch nicht die Kontrolle über alle Sicherheitskräfte und
Milizen im Land, wie ich schon sagte. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es Aufgabe der Übergangsregierung ist, Wege zu finden, um die Milizen zu entwaffnen und deren Kämpfer entweder in neuen
staatlichen Sicherheitsstrukturen oder im zivilen Sektor
aufzunehmen. Zu diesem Zweck hat die Übergangsregierung bereits Pläne entwickelt und entsprechende
Angebote an die Angehörigen der Milizen gerichtet. Die
Mission der Vereinten Nationen in Libyen, UNSMIL,
hat unter anderem die Aufgabe, die libysche Regierung
dabei zu unterstützen, die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen und die Rechtsstaatlichkeit zu fördern.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Dehm? - Bitte schön.
Zwischen der Situation, dass weite Teile des Landes
von Milizen terrorisiert werden, und den Möglichkeiten,
freie Wahlen durchzuführen, gibt es einen Zusammenhang. Es ist schlechterdings schwer vorstellbar, dass in
einer Situation, in der auf Menschen aus der Subsahara,
die eine dunkle Hautfarbe haben, eine regelrechte Menschenjagd veranstaltet wird, freie, ungehinderte Wahlen
stattfinden. Könnte daraus nicht eine Situation entstehen,
in der es Milizen und Terroristen in der Hand haben, zu
bestimmen, wann sich ein Volk souverän, parlamentarisch und demokratisch artikulieren kann?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung und auch die
Europäische Union sehen die klaren Bemühungen der
Übergangsregierung, in Libyen freie Wahlen stattfinden
zu lassen. Libyen ist, wie Sie wissen, auf dem besten
Weg dahin. Deswegen haben wir großes Vertrauen in die
Übergangsregierung, dass sie diesen Weg weiterhin beschreiten wird.
Ich will die Befürchtung zurückweisen, dass die Milizen die Bevölkerung und die Regierung terrorisieren,
weil ich glaube, dass das nicht in jedem Fall die richtige
Beschreibung der Situation ist.
In der Tat ist es so, dass die Milizen, die sich im Zuge
der Revolution gebildet haben, noch flächendeckend
agieren. Diese Milizen üben in vielen Fällen weiterhin
lokal die Macht aus und begründen dies mit dem Fehlen
von nationalen Sicherheitskräften. Ich sprach bereits von
dem Sicherheitsvakuum. Man kann aus dem Zustand,
den wir heute sehen, aber nicht darauf schließen, dass
Libyen keine Chance hat. Die Übergangsregierung wird
jede Möglichkeit nutzen, damit es zu freien Wahlen
kommen wird.
Sie haben keine weitere Nachfrage. - Frau Höger,
bitte.
Frau Staatsministerin, Sie sprachen vom Aufbau von
Rechtsstaatlichkeit. Es gibt Berichte von Human Rights
Watch, nach denen die Übergangsregierung Gesetze beschließt und diese teilweise nicht veröffentlicht. Ist der
Bundesregierung bekannt, um welche Gesetze es sich
dabei handelt?
Ich kann Ihnen im Moment keine konkreten Gesetze
nennen. Ich denke, das müssen wir noch erörtern. Das
kann ich Ihnen gerne nachliefern.
Ich denke, über die Berichte von Human Rights
Watch sollten wir weiterhin diskutieren; denn die Bundesregierung hat ein großes Interesse daran, die Menschenrechtslage in Libyen weiterhin zu beobachten und
den Prozess der Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit in Libyen weiterhin zu begleiten. Ich werde bei meinem Besuch in Libyen am 12. März 2012 selbst die
Möglichkeit haben, mit der Regierung in Tripolis darüber zu sprechen.
Jetzt sind wir bei der Frage 21 des Kollegen Movassat:
Wie viele von der Übergangsregierung kontrollierte Gefangenenlager in Libyen mit welcher Anzahl von Gefangenen
sind der Bundesregierung bekannt?
Frau Staatsministerin.
Herr Abgeordneter Movassat, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat berichtet, dass insgesamt
circa 8 500 Personen an rund 60 Orten inhaftiert sind.
Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Zahlen
dazu vor, wie viele dieser Orte unter Kontrolle der Übergangsregierung sind.
Herr Movassat, bitte.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, mit
meiner Nachfrage würde ich gerne auf den Aspekt der
politischen Gefangenen eingehen. Sind der Bundesregierung Zahlen über politische Gefangene bekannt? Wissen
Sie etwas über deren Haftbedingungen, deren Verbleib
und darüber, welche strafrechtlichen Vorwürfe gegen
diese erhoben und ob sie gefoltert werden?
Herr Abgeordneter, das Internationale Komitee vom
Roten Kreuz spricht in der Tat, wie ich schon sagte, von
8 500 Inhaftierten. Darunter gibt es auch politische Gefangene.
Es gibt eine Kommission für vermisste Personen, die
seit der Gaddafi-Revolution für ungefähr 30 000 vermisste Personen in Libyen zuständig ist. Wir wissen,
dass hier viele Fragen aus den Zeiten des Umschwungs
in Libyen unbeantwortet sind und dass wahrscheinlich
viele politische Häftlinge in den Gefängnissen von den
Milizen gefoltert werden.
Die Bundesregierung hat ein großes Interesse daran
- das kann ich nur immer wieder betonen -, dass die
Übergangsregierung die Zügel in die Hand nimmt und
letztendlich nicht nur über diese Foltermaßnahmen Bescheid weiß, sondern auch gegen sie angeht und vor allen Dingen die Gefangenen in ihre Obhut nimmt. Ich
sagte bereits, dass die Übergangsregierung zurzeit nicht
in der Lage ist, das alles zu kontrollieren.
Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte sehr.
Frau Staatsministerin, Sie haben den Bericht von
Human Rights Watch angesprochen. Es gibt einen Bericht von Ärzte ohne Grenzen vom Januar 2012, demzufolge 115 Patienten behandelt worden sind, die unter anderem Spuren und Verletzungen von Folter aufwiesen.
Human Rights Watch spricht, wie gesagt, von willkürlichen Verhaftungen und der Anwendung von Folter.
Wann hat die Bundesregierung dies konkret gegenüber der libyschen Übergangsregierung zur Sprache gebracht, und was war die Antwort der libyschen Übergangsregierung darauf?
In der Tat - ich hatte es bereits erwähnt - spricht die
Bundesregierung nicht nur bilateral, sondern auch auf
EU-Ebene und auf der Ebene der Vereinten Nationen
ständig die Menschenrechtslage in Libyen an. Die Übergangsregierung hat geäußert, dass sie bemüht ist, alles zu
tun, um Folter in den Gefängnissen abzustellen, und den
Demokratisierungsprozess weiter voranzutreiben. Man
hat sich auch klar zu den Menschenrechten bekannt.
Eine Nachfrage des Kollegen Beck.
Als Menschenrechtspolitiker machen mich die Berichte in Bezug auf die Folter besorgt, die wir bekommen, ohne das Ausmaß des Ganzen richtig bewerten zu
können. Deshalb bitte ich Sie, uns zu schildern, was das
Internationale Rote Kreuz dazu sagt, ob es freien Zugang
zu allen Gefangenenlagern und Gefängnissen hat, und
welche konkreten Initiativen die Bundesregierung ergriffen hat, um die libysche Seite bzw. die libyschen Seiten,
wie man vielleicht präziser sagen muss, anzuregen,
Maßnahmen zu ergreifen, damit die Folterproblematik
abgestellt wird. Denn abstrakte Bekenntnisse zu den
Menschenrechten reichen nicht aus. Wir müssen auch
sehen, dass Menschen, die vielleicht als Helfer des vorherigen Regimes selber schreckliche Verbrechen zu verantworten haben, trotzdem den Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren frei von Folter haben. Dieser
Gedanke scheint sich nicht überall durchgesetzt zu haben.
Herr Abgeordneter, in der Tat ist das auch ein
Schwerpunkt der Bundesregierung in ihrer Menschenrechtsarbeit in Libyen. Sie wissen, dass derzeit vor allem
der Umgang mit libyschen mutmaßlichen Gaddafi-Anhängern sowie den als Gaddafi-Söldnern verdächtigen
Migranten aus Subsahara-Afrika in der Kritik steht. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen, auf die Sie auch hingewiesen haben, berichten in
der Tat von willkürlichen Verhaftungen durch Milizen,
von Folter und Misshandlungen.
Es ist aber auch zu sehen, dass in den vergangenen
Wochen der Justizminister zunehmend Gefängnisse unter seine Kontrolle gebracht hat. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat ungehinderten Zugang zu
den Gefängnissen. Aber, wie ich schon sagte, steht nur
ein Teil der Gefängnisse unter staatlicher Kontrolle. Das
macht das Ganze so schwierig.
Frau Vogler, bitte.
Frau Staatsministerin, ich möchte noch einmal auf die
eben erwähnten Berichte von Ärzte ohne Grenzen über
die Folteropfer zurückkommen. Das hat die Organisation
dazu gebracht, ihren Einsatz in Libyen zu beenden, weil
sie nicht mehr humanitär wirken kann. Wenn die Menschen, die mit Folterspuren gebracht werden, nach dem
Gesundpflegen nur weitere Folter zu erwarten haben,
dann kann sie ihrem humanitären Auftrag nicht mehr
entsprechen.
Ist der Bundesregierung bekannt, ob es weitere deutsche oder internationale NGOs gibt, die in Libyen im humanitären Bereich gearbeitet und aus dieser Tatsache
ähnliche Konsequenzen gezogen haben?
Das können wir nicht ausschließen, Frau Abgeordnete. Wir sind uns dieser Problematik bewusst, und wir
werden sie bilateral auch immer wieder ins Gespräch mit
der Übergangsregierung in Libyen bringen.
Frau Dağdelen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin Pieper, Sie haben gesagt, dass Sie auf EU-Ebene,
aber auch bilateral immer wieder auf die neuen Machthaber wegen der Berichte, die sich wirklich schrecklich
anhören, zugegangen sind. Vorhin haben Sie gesagt, dass
man sehr bemüht ist, dass der Aufbau in Libyen nach
rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätzen erfolgt.
In diesem Zusammenhang würde ich gerne wissen, ob
und unter welchen Umständen die Bundesrepublik
Deutschland sich an einer Sicherheitssektorreform in
Libyen beteiligen wird. Es ist sehr naheliegend, dass es
eine SSR-Mission geben wird. Haben Überlegungen in
diese Richtung stattgefunden? Falls ja, unter welchen
Umständen wäre eine Beteiligung denkbar?
Wie Sie wissen, Frau Abgeordnete, ist das nicht nur
ein Thema für die Bundesregierung, sondern auch für
die Europäische Union und die Vereinten Nationen. Wir
erwarten dazu einen Bericht mit einer Bestandsaufnahme. Den werden wir abwarten, und dann kann man
weitere Schritte unternehmen.
Wir kommen zur Frage 22 des Kollegen Movassat:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Mitglieder der libyschen Übergangsregierung unmittelbar oder mittelbar an
Kriegsverbrechen beteiligt waren, und wie geht sie mit diesen
um?
Frau Staatsministerin.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Behandlung der Situation in Libyen bereits im Februar
2011 an den Internationalen Strafgerichtshof verwiesen,
der damit auch für Ermittlungen wegen mutmaßlicher
Kriegsverbrechen zuständig ist. Bislang hat der Internationale Strafgerichtshof in diesem Zusammenhang drei
Haftbefehle wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen, und zwar gegen den inzwischen verstorbenen
Muammar al-Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam alGaddafi sowie seinen früheren Geheimdienstchef alSenussi. Das Verfahren gegen Muammar al-Gaddafi
wurde am 22. November 2011 eingestellt.
Herr Movassat, bitte.
Es geht natürlich um die Verletzungen von Menschenrechten durch die Übergangsregierung. Dafür gibt
es verschiedene Beispiele. Was ist der Bundesregierung
zum Beispiel über Vertreibungen der Zivilbevölkerung
im Zusammenhang mit der Machtübernahme durch die
Aufständischen bekannt?
Ein Beispiel sei an dieser Stelle genannt: Die Stadt
Tawergha wurde am 12./13. August 2011 durch die Aufständischen erobert. Infolgedessen wurden die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt aus ihr vertrieben.
Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ein
Verstoß gegen Art. 49 des Genfer Abkommens über den
Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten. Inwiefern ist
der Bundesregierung bekannt, ob Mitglieder der libyschen Übergangsregierung daran beteiligt waren?
Herr Abgeordneter, Sie wissen so gut wie ich, dass
Libyen sich in einer schwierigen Übergangsphase befindet und dass die Übergangsregierung nicht alleine die
Grundlagen für den zivilen Neuaufbau und den Demokratisierungsprozess in der Zukunft schaffen kann. Das
kann nur eine frei gewählte, durch das Volk legitimierte
Regierung.
Wir sollten froh sein, dass das Regime von Gaddafi,
das die Zivilbevölkerung, wie wir alle verfolgt haben,
terrorisiert hat, gestürzt ist. Wir sollten einmal zur
Kenntnis nehmen, dass wir jetzt einen Prozess mit der
Übergangsregierung in Libyen unterstützen können, der
- Anfang Februar ist ein Wahlgesetz verabschiedet und
eine Wahlkommission berufen worden - auf freie Wahlen in Libyen hinausläuft, die nach der Wahl einer verfassunggebenden Versammlung im Sommer 2013 stattfinden sollen.
Diesen Prozess unterstützt die Bundesregierung nachhaltig. Wir verurteilen jeden Fall von Menschenrechtsverletzungen und Folter, der im Rahmen eines auch für
die jetzige Übergangsregierung nicht immer kontrollierbaren Prozesses noch stattfindet.
Für eine zweite Nachfrage, Herr Movassat.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, die
Menschen, die jetzt in den Foltergefängnissen in Libyen
sitzen, werden sich natürlich über die Möglichkeit, zu
wählen, sehr freuen. Das ist sicherlich das dringendste
Problem von Menschen in Gefängnissen.
Sie haben meine Frage leider zweimal nicht beantwortet. Deshalb versuche ich es jetzt noch einmal. Meine
ursprüngliche Frage lautet: Ist der Bundesregierung bekannt, welche Mitglieder der libyschen Übergangsregierung unmittelbar oder mittelbar an Kriegsverbrechen beteiligt waren, und wie geht sie mit diesen um? Das ist
eine ganz klare Frage, und ich bitte um eine Antwort.
Ich habe Ihre Frage bereits beantwortet, Herr Abgeordneter, genauso wie die Frage, wie viele Strafverfahren beim Internationalen Strafgerichtshof anhängig sind.
Frau Vogler, bitte.
Frau Staatsministerin, da Sie die Frage des Kollegen
Movassat dreimal nicht beantwortet haben, werden Sie
sie mir auch nicht beantworten. Deshalb stelle ich eine
andere Frage in diesem Zusammenhang. Ich möchte Sie
fragen, ob nach Ansicht der Bundesregierung der Tod
von Muammar al-Gaddafi - Sie haben ihn vorhin so
schön „als verstorben“ bezeichnet - hinreichend und entsprechend den Forderungen der Vereinten Nationen aufgeklärt ist. Ich möchte Sie bitten, Ihre Antwort zu begründen.
Ich hatte Ihnen bereits gesagt, dass der Internationale
Strafgerichtshof drei Haftbefehle wegen mutmaßlicher
Kriegsverbrechen erlassen hat. Ein Haftbefehl betraf
Muammar al-Gaddafi. Sie haben hinreichend verfolgen
können, wie Muammar al-Gaddafi ums Leben gekommen ist. Dass das weiterer Klärung bedarf, ist unbestritten. Trotzdem sollte man aus meiner Sicht nicht
Kriegsverbrecher in den Vordergrund der politischen
Diskussion über die Zukunft Libyens stellen.
({0})
Frau Dağdelen.
Frau Staatsministerin Pieper, gehen wir davon aus,
dass sich die Berichte bewahrheiten und die neuen
Machthaber oder Mitglieder der Übergangsregierung
sich an Kriegsverbrechen beteiligt haben oder involviert
sind. Mich interessiert im Vergleich zu vorherigen Aktivitäten der Bundesregierung, ob die Bundesregierung
dann zum Beispiel einen Antrag auf Überstellung vor
dem Internationalen Strafgerichtshof stellen wird.
In der Tat ist das so. Ich sage noch einmal, dass die
Bundesregierung ein großes Interesse daran hat, dass
alle Menschenrechtsfragen gelöst und dass Kriegsverbrecher im Einklang mit dessen Statut vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt werden.
Damit sind wir bei Frage 23 des Kollegen Paul
Schäfer:
Mit welchen Mitteln unterstützt die Bundesregierung in
Libyen die Beseitigung von Kampfmitteln und die Entwaffnung von Milizen, und wie viele Waffen konnten bislang eingesammelt werden?
Die Bundesregierung finanziert, Herr Abgeordneter
Schäfer, den Aufbau des Libya Centre for Mine Action
and Remnants of War, einer Behörde des libyschen Verteidigungsministeriums, die für Kampfmittelbeseitigung,
Minenräumung und Kleinwaffenkontrolle zuständig ist,
mit circa 750 000 Euro. Das Auswärtige Amt hat 2011
zudem Projekte der Kampfmittelbeseitigung und der Gefahrenaufklärung der libyschen Bevölkerung mit insgesamt 437 000 Euro gefördert. 2012 wird die Förderung
des Projektes der Gefahrenaufklärung mit 162 000 Euro
fortgeführt. Darüber hinaus unterstützte das Auswärtige
Amt 2011 ein Projekt der Minen- und Kampfmittelräumung in Höhe von 614 617 Euro. Weitere Projekte mit
einem Umfang von 750 000 Euro sind in Planung. Außerdem hat die Bundesregierung Unterstützung bei der
Inspektion und der Sicherung von Chemiewaffenbeständen in Form von zwei Inspektionsflügen durch die Bundeswehr und Bereitstellung von Schutzausrüstung sowie
Dekontaminationsgeräten geleistet. Wir sind darüber hinaus bereit, die Internationale Atomenergieorganisation
bei der Sicherung hochradioaktiver Strahlenquellen zu
unterstützen. Hierfür ist ein Betrag von 1,6 Millionen
Euro bereitgestellt.
Herr Schäfer, Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
Danke. - Frau Staatsministerin, Sie haben auf die
Beiträge zur Minenräumung abgehoben. Das alles ist
nicht zu kritisieren. Meine Frage bezog sich aber auch
auf die Beiträge der Bundesregierung zur Entwaffnung
der Milizen. Sie haben vorhin dazu gesagt, das sei Aufgabe des Nationalen Übergangsrats. Dieser habe Pläne
zur Überführung der Milizen in die reguläre Armee
vorgelegt. Sie haben in diesem Zusammenhang von
200 000 Milizionären gesprochen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die künftige libysche Armee aus 200 000 Menschen besteht. Deshalb
meine Frage: Drängt die Bundesregierung darauf, dass
ein solcher Prozess der Entwaffnung und Demobilisierung des überwiegenden Teils dieser Milizen stattfindet,
Paul Schäfer ({0})
und ist sie bereit, diesen Prozess auch finanziell zu begleiten?
Herr Abgeordneter Schäfer, Sie haben es eben schon
bestätigt: Die Zuständigkeit für die Integration von Angehörigen der Milizen in den Staatsdienst oder in eine zivile Tätigkeit liegt bei der libyschen Übergangsregierung, die entsprechende Angebote gemacht hat. Da
bisher nur ein kleiner Teil der Angehörigen von Milizen
bereit war, diese Angebote anzunehmen, gestaltet sich
das Einsammeln von Waffen schwierig. Deutschland hat
deshalb die Resolution 2022 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 2. Dezember 2011 mit eingebracht,
die die Aufgaben der VN-Mission UNSMIL um die Unterstützung der nationalen Anstrengungen zur Bekämpfung der Proliferation ergänzt.
Das Einsammeln der Waffen ist noch nicht abgeschlossen. Belastbare Zahlen hierzu liegen nicht vor.
Trotzdem will ich deutlich machen: Es handelt sich hier
nicht um ein robustes Mandat der VN. Das heißt, es ist
kein Entwaffnungsmandat. Das ist politisch auch nicht
gewünscht.
Sie haben eine weitere Nachfrage?
Ja. - Frau Staatsministerin, wir haben es mit einem
doppelten Problem zu tun: zum einen mit der unkontrollierten Verbreitung der Waffen des alten Regimes und
zum anderen mit der Zuführung neuer Waffen während
der Kriegshandlungen, zum Beispiel durch die NATO
und EU-Mitgliedstaaten, namentlich durch Frankreich.
Meine Frage lautet: Haben Sie Kenntnis darüber, dass
diese Staaten, wie zum Beispiel unser Bündnispartner
Frankreich, darauf bestehen, dass diese Waffen zurückgegeben oder aufgekauft werden, und würden Sie gegebenenfalls solche Programme zur Entmilitarisierung unterstützen?
Die Bundesregierung hat natürlich ein großes Interesse an der Bekämpfung der Proliferation der Waffen in
Libyen. Sie wissen, dass mehrere Tausend tragbare Luftabwehrsysteme, deren Verbleib zum Teil ungeklärt ist,
ein erhebliches Sicherheitsrisiko auch für die zivile Luftfahrt darstellen. Neben den eigenen Projekten engagiert
sich Deutschland auch in der EU für Maßnahmen zur Sicherung von Waffen und Munition. Ich will ohne Einschränkung sagen: aller Waffen und aller Munition.
Ich will ausdrücklich darauf hinweisen - das wissen
auch Sie -, dass der Abrüstungsbeauftragte der Bundesregierung Libyen vom 19. bis 22. Februar besucht hat,
um sich ein Bild von der auch von Ihnen beschriebenen
Situation in Libyen zu machen. In diesem Zusammenhang gibt es übrigens eine sehr enge Zusammenarbeit
mit den USA. Sie werden heute Abend noch die Möglichkeit haben, im Unterausschuss Ihre entsprechenden
Fragen an den Abrüstungsbeauftragten der Bundesregierung zu stellen.
Frau Dağdelen?
({0})
- Dann Herr Movassat.
Frau Staatsministerin, ich war gerade in Tunesien und
bin vorher in Niger und anderen Ländern gewesen. Wir
wurden immer wieder darauf hingewiesen, dass die libyschen Waffen, die jetzt über die Grenzen gebracht werden, ein sehr großes Problem für diese Staaten darstellen
- einmal stärker, einmal weniger stark, aber auf jeden
Fall ein Problem - und teilweise die Stabilität gefährden.
Wie geht die Bundesregierung damit um? Wie unterstützt sie die Nachbarstaaten Libyens dabei, zu verhindern, dass Waffen ins Land kommen, die bisher stabile
Staaten gefährden?
Ich finde es gut, dass Sie als Abgeordneter so wie
auch der Bundesaußenminister und ich recht oft nach
Nordafrika reisen, zum Beispiel nach Tunesien, das Sie
eben genannt haben. Ich glaube, wir sollten alles daransetzen, um die Proliferation von Waffen einzudämmen.
Die Bundesregierung jedenfalls wird alles tun, um einen
guten und demokratischen Entwicklungsprozess in Libyen auf den Weg zu bringen.
Wir kommen zur Frage 24 der Kollegin Vogler:
Ist die Bundesregierung wegen der nicht zuletzt durch die
Aussagen der Hilfsorganisationen Amnesty International und
Ärzte ohne Grenzen bekannt gewordenen Folterungen und
Misshandlungen von Gefangenen in libyschen Lagern bereits
bei den libyschen Behörden vorstellig geworden, und welche
weiteren Aktivitäten plant die Bundesregierung, um den
Druck auf die libyschen Behörden zur Abstellung dieser
Missstände zu erhöhen?
Frau Abgeordnete Vogler, die Bundesregierung beobachtet die Menschenrechtslage in Libyen mit großer
Aufmerksamkeit und bringt ihre Haltung dazu sowohl
bilateral als auch in den Gremien der Vereinten Nationen
und der EU kontinuierlich zum Ausdruck. Das sagte ich
schon. Die Menschenrechtslage war unter anderem Gegenstand der Gespräche des Bundesaußenministers im
Januar in Libyen. Die libysche Übergangsregierung und
der Nationale Übergangsrat haben sich auch bei dieser
Gelegenheit zum Schutz der Menschenrechte bekannt;
das will ich noch einmal ausdrücklich betonen.
Auch auf deutsches Betreiben hin hat die Hohe Vertreterin der Außen- und Sicherheitspolitik der EU,
Catherine Ashton, ihrerseits für die EU auf die Notwen19158
digkeit der Überprüfung von Foltervorwürfen und des
Ahndens entsprechender Taten gedrängt. Die Bundesregierung wird auch im Rahmen ihrer bilateralen Kontakte
weiterhin aktiv auf ein Ende von Folterungen und Misshandlungen drängen. Ich kann es nur immer wieder wiederholen und betonen, dass dies der Bundesregierung ein
wichtiges Anliegen ist.
Frau Vogler mit einer Nachfrage. Bitte.
Frau Staatsministerin, wir hatten über den Gegenstand dieser Frage schon im Zusammenhang mit anderen
Fragen gesprochen. Mir wäre es wichtig, den Blick insbesondere auf die Situation der Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika in Libyen zu richten. Wie bewertet die Bundesregierung deren Situation? Wie hat sie sich
gegenüber der Situation unter dem Gaddafi-Regime verändert?
Ich hatte schon gesagt, dass sich die Sicherheitslage
seit dem Sturz des Gaddafi-Regimes zwar wesentlich
verbessert hat, aber nicht zufriedenstellend ist. Natürlich
wird besonders kritisiert - das haben Sie, Frau Abgeordnete, gesagt, und das kritisiert auch die Bundesregierung
in ihren bilateralen Gesprächen ständig -, dass insbesondere ehemalige Anhänger der Gaddafi-Regierung bzw.
Gaddafi-Söldner sowie Migranten aus Subsahara-Afrika
der Folter und Misshandlungen in Gefängnissen unterworfen sind. Die Bundesregierung hat das im Auge und
wird alles daransetzen, dass die Übergangsregierung und
auch die zukünftige Regierung die positive Überführung
dieser Gefängnisse, die noch von den Milizen kontrolliert werden, die nicht in staatlichen Diensten stehen,
vollziehen.
Ich sagte es schon: Etwa 10 Prozent der Inhaftierten
sind Ausländer. Zahlreiche Häftlinge wurden nicht an ihren früheren Aufenthaltsorten wiedergefunden. Das alles
ist sehr beunruhigend. Das alles sehen wir. Auch die
Übergangsregierung weiß das, und sie setzt alles daran,
um die Lage zu verbessern.
Haben Sie noch eine Nachfrage, Frau Vogler?
Frau Präsidentin, ich habe noch eine Nachfrage. Mich interessiert, ob die Bundesregierung Erkenntnisse
darüber hat, ob schwarzafrikanische Flüchtlinge, denen
es gelingt, Libyen zu verlassen und die auf dem Mittelmeer oder in den Nachbarländern aufgegriffen werden,
nach Libyen zurückverbracht werden und ob es eine EUinterne Absprache mit den Nachbarländern gibt, wie mit
diesen Flüchtlingen zu verfahren ist.
Es gibt keine konkreten Zahlen dazu, Frau Abgeordnete. Mir liegen keine Erkenntnisse darüber vor, die ich
Ihnen jetzt hier vermitteln könnte. Ich sage aber noch
einmal, dass der Prozess, der in Libyen stattfindet, auch
für die Übergangsregierung sehr wichtig ist und dass die
internationale Gemeinschaft, dass die Europäische
Union, dass Deutschland und dass wir im Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen auf eine Verbesserung der Lage
der Flüchtlinge und der Situation der Inhaftierten in den
Gefängnissen drängen.
Dann rufe ich jetzt Frage 25 - diese ist ebenfalls von
der Kollegin Vogler - auf:
Haben internationale Hilfsorganisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, IKRK, freien und ungehinderten Zugang zu den libyschen Gefangenenlagern, und,
falls nein, was unternimmt die Bundesregierung gegenüber
den libyschen Behörden, um diesen Zugang durchzusetzen?
Frau Staatsministerin.
Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete! Die Frage
wurde mir bereits gestellt, und ich kann sie nur so beantworten, wie ich sie schon beantwortet habe: Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat freien und ungehinderten Zugang zu den libyschen Gefangenenlagern.
Ich sagte es aber schon: Nicht alle Gefangenenlager stehen unter staatlicher Kontrolle.
Frau Vogler.
Dann möchte ich noch einmal nachfragen, wie es
denn um den Zugang zu nichtstaatlichen Gefangenenlagern bestellt ist und welche Anstrengungen die Bundesregierung gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der EU
und den Vereinten Nationen unternimmt, um den Zugang auch zu den nichtstaatlichen Gefangenenlagern
durchzusetzen.
Grundsätzlich hat das Internationale Komitee vom
Roten Kreuz freien und ungehinderten Zugang zu allen
Gefangenenlagern; aber der ist nicht bei allen ausreichend, weil - das sagte ich ja schon, und das ist Ihnen
auch bekannt - nicht alle Gefängnisse unter der Kontrolle des Übergangsrats stehen. Die Bundesregierung
wird alles daransetzen, dass sich auch die Möglichkeiten
der Arbeit des Internationalen Komitees vom Roten
Kreuz in der Frage, was den ungehinderten Zugang anbelangt, verbessert.
Frau Vogler, haben Sie noch eine Nachfrage? - Nein.
Dann sind wir bei Frage 26 der Kollegin Högl:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Welche „verschärften Kontrollmaßnahmen“ ({0}) hat die Bundesregierung mit
Wirkung vom 1. Januar 2012 eingeführt, um private Hausangestellte stärker gegen Ausbeutung durch ausländische Diplomateninnen und Diplomaten zu schützen, und welche weiteren konkreten Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung
von privaten Hausangestellten hat die Bundesregierung in den
letzten Monaten ergriffen?
Frau Abgeordnete Högl, die Bundesregierung hat mit
Wirkung vom 1. Januar 2012 neue Regeln für die Beschäftigung von privaten Hausangestellten in Kraft gesetzt, die den hiesigen diplomatischen Vertretungen mit
Rundnote Nr. 34/2011 vom 1. Dezember 2011 kommuniziert worden sind. Gleichzeitig wurde das Arbeitsentgelt neu festgesetzt.
Der von der Bundesregierung vorgegebene Musterarbeitsvertrag zeigt Arbeitnehmern und Arbeitgebern bereits bei Vertragsabschluss klar ihre Rechte und Pflichten
auf und verpflichtet die Arbeitgeber zur Einhaltung der
deutschen Normen. Hinweise wie die Bekanntgabe der
Arbeitszeiten durch Übergabe der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes an den Arbeitnehmer, die Verpflichtung
zu Schutzmaßnahmen gemäß § 618 des Bürgerlichen
Gesetzbuches, die Fortzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts im Fall einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit, infolge Krankheit oder gemäß den Bestimmungen nach dem Mutterschutzgesetz schaffen arbeits- und
sozialrechtliche Klarheit.
Frau Högl, eine Nachfrage? - Bitte sehr.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herzlichen
Dank auch an Frau Staatsministerin Pieper. Ich hatte danach ja schon einmal gefragt und auch eine Antwort des
zuständigen Staatsministers bekommen. Ich knüpfe daran jetzt an. Vielen Dank, es handelt sich um eine erfreuliche Nachricht.
Ich möchte ganz gern noch einmal auf Verdachtsfälle
zu sprechen kommen. Wenn solche Verdachtsfälle auftreten, ist es ja schwierig, zwischen dem Immunitätsschutz der Botschaften und dem Recht der Angestellten,
ordnungsgemäß behandelt zu werden, abzuwägen. Welche Möglichkeiten gibt es dann, zu handeln? Welche
Möglichkeiten haben Sie, um in solchen Fällen Kontrollen vorzunehmen? Nach welchen Kriterien gehen Sie da
vor?
Sie wissen ja, dass sich mit der Rundnote die Situation von privaten Angestellten in diplomatischen Vertretungen wesentlich verbessert hat. Hinzu kommt: Die
diplomatischen Vertretungen sind verpflichtet, der Bundesregierung die Einhaltung der vorgegebenen Regeln
per Verbalnote zu garantieren. Die Bundesregierung hat
sie darüber informiert, dass sie sich in Zukunft ausdrücklich vorbehält, bei Verstößen gegen ihre Vorgaben die
Genehmigung zur Einstellung von privaten Hausangestellten zu verweigern.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Das scheint der
Fall zu sein.
Ja, habe ich. - Damals hatte Ihr Kollege, Herr
Dr. Hoyer, mir geantwortet, dass Sie vorhaben, diese
neuen Regelungen, die Sie jetzt erlassen haben, auch mit
den anderen EU-Mitgliedstaaten zu besprechen, um so
gegebenenfalls zu gemeinsamen Regelungen zu kommen. Können Sie etwas dazu sagen, welche Gesprächskontakte Sie diesbezüglich mit anderen EU-Mitgliedstaaten haben und ob Sie sich weiterhin bemühen, auf
europäischer Ebene vielleicht zu einheitlichen Regelungen zu kommen?
In der Tat ist es das Bestreben der Bundesregierung,
dass wir auf EU-Ebene darüber sprechen und verhandeln
und dass wir versuchen, zu einheitlichen Regelungen zu
kommen. Sie müssen allerdings wissen, dass private
Hausangestellte in diplomatischen Vertretungen in
Deutschland nach hiesigem Tarifrecht bezahlt werden.
Diese Tarife stimmen ja mit denen in anderen europäischen Staaten nicht überein. Hier muss es natürlich andere Regelungen geben. Aber das Ziel bleibt bestehen.
Damit kommen wir zur Frage 27 der Kollegin Högl:
Hat die Bundesregierung Elemente guter Praxis aus der
Studie „Domestic Workers in Diplomats‘ Households“ des
Deutschen Instituts für Menschenrechte vom Juni 2011 übernommen bzw. eingeführt, und, wenn ja, welche der Elemente
wurden neu eingeführt?
Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort zur Antwort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Abgeordnete
Högl, eine Anzahl der in der Studie „Domestic Workers
in Diplomats’ Households“ des Deutschen Instituts für
Menschenrechte vom Juni 2011 enthaltenen Elemente
guter Praxis werden von der Bundesregierung bereits
seit Jahren angewendet. Hierzu zählen neben klaren
Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von privaten
Hausangestellten, der Information über Rechte und
Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der
Festsetzung von Mindestarbeitslöhnen unter anderem
auch die Vermittlung zwischen den Parteien bei Streitigkeiten, die Einleitung von diplomatischen Sanktionsmaßnahmen, die Dokumentation schwerwiegender Verstöße oder, wie ich schon sagte, der Austausch über
gemeinsame Maßnahmen zum Schutz der privaten
Hausangestellten auf europäischer Ebene.
Frau Högl, eine Nachfrage, bitte.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin, auch für diese Antwort vielen Dank. Ich habe
eine Nachfrage. Wie gelangen bei Vorliegen von Verdachtsmomenten - diesen Punkt habe ich vorhin schon
erwähnt - die Beschwerden der Hausangestellten zu den
zuständigen Stellen?
Diese Studie enthält den Vorschlag, einen unabhängigen Beschwerdemechanismus einzurichten. Ich weiß
zwar, dass das nicht ganz unkompliziert ist. Ich halte es
aber für eine gute Idee, den Hausangestellten eine solche
Beschwerdestelle an die Seite zu stellen, damit die Regeln tatsächlich eingehalten werden. Wir alle wissen,
dass die Hausangestellten unter erheblichem Druck stehen. Es ist ein großer Fortschritt, dass ihnen die Wahrung ihrer Rechte ermöglicht wird. Die Frage ist aber,
wie ihnen dies ermöglicht wird. Was halten Sie von einem solchen unabhängigen Beschwerdemechanismus?
Über die Elemente guter Praxis in dieser Studie, nach
der Sie gefragt haben, hinaus haben wir Anfang 2012 die
persönliche Abholung von Protokollausweisen in Verdachtsfällen eingeführt, damit wir klärende Gespräche
mit den privaten Hausangestellten führen können. Wir
planen außerdem, Informationsveranstaltungen in Kooperation mit einer Nichtregierungsorganisation - es
handelt sich um Ban Ying e. V.; Sie kennen sie wahrscheinlich - zu führen, die sich dem Schutz der Interessen der privaten Hausangestellten widmet, was ich für
außerordentlich wichtig halte, um in Verdachtsfällen die
richtigen Hinweise zu bekommen.
Haben Sie eine zweite Nachfrage?
Ja, sehr gerne. - Frau Staatsministerin, ich möchte
gerne noch ein Thema ansprechen, das zwar zu einem
anderen Komplex gehört, das ich gleichwohl hier schon
einmal einführen möchte. Die Internationale Arbeitsorganisation hat im Juni ein wegweisendes Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit von Hausangestellten verabschiedet; dies betrifft alle und nicht nur
Diplomatenhaushalte. Haben Sie Hinweise darauf, dass
auch damit die Rechte von Hausangestellten in dem
Sinne, wie Sie es eben beschrieben haben, gestärkt werden? Sehen Sie in diesem Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation auch Anknüpfungspunkte,
um das auch global umzusetzen?
In der Tat ist die Bundesregierung sehr aufgeschlossen gegenüber den wertvollen Hinweisen der Internationalen Arbeitsorganisation, die wir natürlich auch in Zukunft mit berücksichtigen werden. Frau Abgeordnete,
wenn Sie mögen, kann ich Ihnen gerne die Dokumente
zur Verfügung stellen, die wir den privaten Hausangestellten in den diplomatischen Vertretungen gemäß den
entsprechenden Vorschriften und der Rundnote gegeben
haben. Ich kann Ihnen diese Dokumente gerne aushändigen, damit Sie sehen, dass sie in Einklang mit den internationalen Bestimmungen stehen.
({0})
Die Frage 28 der Kollegin Keul, die Frage 29 der
Kollegin Cramon-Taubadel, die Frage 30 der Kollegin
Zimmermann sowie die Frage 31 des Kollegen Ströbele
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt als Letztes noch zur Frage 32 der
Kollegin Sevim Dağdelen:
Wurde nach Auffassung der Bundesregierung durch die
Stellungnahme des Bundesministers des Auswärtigen,
Dr. Guido Westerwelle, wonach „die Verweigerung des Zugangs zu Atominstallationen ein weiterer Verstoß Irans gegenüber der IAEO und der internationalen Staatengemeinschaft“
sei, ({0}) eine auch von den Medien verbreitete Fehleinschätzung verstärkt, wonach es Ziel der jüngsten IAEO-Delegationsreise ({1})
in den Iran gewesen sei, tatsächliche oder mutmaßliche
Atominstallationen - insbesondere die Militäranlage Partschin zu inspizieren, obgleich der Delegationsleiter, Herman
Nackaerts, bereits vor der Abreise klarstellte, dass ihr Ziel
nicht Inspektionen, sondern lediglich Gespräche hierüber sind
({2}), welche dann auch stattfanden, und wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung wiederholter Androhungen eines Krieges
bzw. von Luftschlägen durch ihre Verbündeten auf die Bereitschaft der iranischen Führung ein, internationale Beobachter
eine besonders auch für die iranische Luftabwehr relevante
Militärbasis mit einem der größten Munitionsdepots und
wichtigen Rüstungsstandorten inspizieren zu lassen und somit
zu einer friedlichen Lösung des Atomstreites beizutragen?
Frau Abgeordnete, Iran ist aufgrund einer Reihe von
Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
rechtlich verpflichtet, vollständig und umfassend mit der
Internationalen Atomenergie-Organisation zusammenzuarbeiten und bei der Aufklärung der offenen Fragen zu
seinem Nuklearprogramm zu kooperieren. Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie-Organisation
hat Iran zuletzt am 18. November 2011 mit überwältigender Mehrheit nachdrücklich dazu aufgefordert, die
geforderten Kriterien einzuhalten. Das Ziel der letzten
Delegationsreise der IAEO nach Teheran war, bei der
Klärung der offenen Fragen mit Iran Fortschritte zu erzielen. Hierzu hat die Delegation einen Besuch in der
Anlage in Partschin verlangt. Diesen hat Iran verweigert.
Damit hat Iran seine internationalen Verpflichtungen erneut verletzt.
Frau Dağdelen, eine Nachfrage? - Bitte schön.
Frau Staatsministerin, das hört sich widersprüchlich
an. Der Leiter der IAEO-Delegation, Herman Nackaerts,
hat vor der Abreise klargestellt, dass ihr Ziel nicht Inspektionen sind, sondern lediglich Gespräche. Darüber
hinaus interessiert mich, warum von Herrn Westerwelle
in der Öffentlichkeit gesagt wurde: Es ging um Inspektionen der Militäranlage in Partschin. Das hat nicht stattgefunden. Das geht nicht usw. - Das kommt mir etwas
aufgesetzt vor. Meines Wissens wurde 2003 der Verdacht geäußert, dass in Partschin eine Sprengkammer installiert worden sei, in der gegebenenfalls Zünder getestet werden könnten, die auch für Atomwaffen geeignet
sein könnten. Darüber gibt es zwei sehr ausführliche Berichte über zwei sehr ausführliche Inspektionen in dieser
Anlage, nämlich von 2004 und 2005. Deshalb interessiert mich jetzt: Was ist der Bundesregierung über den
Verlauf und die Ergebnisse dieser Inspektionen aus den
Jahren 2004 und 2005, über die Bedeutung der Militäranlage Partschin für die Landesverteidigung Irans und
insbesondere über die Verteidigung gegen Luftangriffe
auf Teheran und mögliche Gegenschläge im Falle eines
Angriffs auf den Iran bekannt?
Frau Abgeordnete Dağdelen, Sie wissen wahrscheinlich, dass Iran bereits zweimal einen Besuch der IAEO
in Partschin zugelassen hat. Es gibt geregelte Verfahren
darüber, wie unter Wahrung der militärischen Vertraulichkeit diese Besuche durchgeführt werden können.
Iran wusste bereits seit Januar 2012 von der Bitte der
IAEO, Partschin zu besuchen. Damit wäre ausreichend
Zeit gewesen, einen solchen Besuch von iranischer Seite
vorzubereiten. Die IAEO hatte mit ihrem Besuchswunsch keine Inspektion von Partschin beabsichtigt,
sondern wollte diesen Besuch als vertrauensbildende
Maßnahme durchführen. Ich meine, damit hätte Iran
seine Bereitschaft signalisieren können, substanziell bei
der Aufklärung der offenen Fragen zu kooperieren. Eine
umfassende technische Inspektion hätte in einem zweiten Schritt folgen können. Das ist nicht passiert.
Die jüngsten Entwicklungen im iranischen Nukleardossier sind zutiefst besorgniserregend. Der Bundesaußenminister hat das immer wieder zum Ausdruck
gebracht. Iran baut im Widerspruch zu seinen internationalen Verpflichtungen insbesondere die Anreicherung
auf 20 Prozent aus. Iran kooperiert unzureichend mit der
IAEO. Trotzdem streben der Bundesaußenminister und
die Bundesregierung weiterhin eine diplomatische Lösung der Nuklearfrage an. Das setzt aber voraus, dass der
Iran ernsthaft bereit ist, auch mit den E3+3 über sein Nuklearprogramm zu verhandeln.
Da ja in den Medien immer wieder ein militärisches
Vorgehen zur Sprache kommt, will ich nur daran erinnern, dass ein militärisches Vorgehen unabsehbare Folgen, auch über die Region hinaus, haben würde. Deswegen lehnen wir es ab, uns an solchen Diskussionen zu
beteiligen, und wollen Iran dazu zwingen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Deswegen haben wir
uns auch seitens der EU für weitere Sanktionen gegen
Iran starkgemacht.
Sie haben noch eine Nachfrage? - Bitte schön.
Es freut mich zu hören, dass die Bundesregierung an
einer diplomatischen Lösung interessiert ist. Weniger besorgniserregend dürften die neuesten Informationen des
US-Geheimdienstes sein. So etwas ist ja schon 2007 geschehen, als man erklärte, dass bis 2003 in Teheran womöglich an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet
worden sei, das aber, wie gesagt, 2003 schon eingestellt
wurde. Jetzt ist die CIA wieder zu dem Schluss gekommen, dass es überhaupt keine ernstzunehmenden Belege
und Hinweise auf ein Atomwaffenprogramm gibt. Ich
fände es gut, wenn man das einmal zur Kenntnis nehmen
würde.
Wir sind völlig d'accord, dass die Kooperationsfähigkeit Teherans stärker ausgeprägt sein könnte. Eine Frage
haben Sie mir aber nicht beantwortet. Ich habe danach
gefragt, welche Kenntnisse die Bundesregierung über
den Verlauf und die Ergebnisse der beiden ausführlichen
Inspektionen in der Militäranlage Partschin 2004 und
2005 hat.
Frau Abgeordnete, wie ich schon sagte, hat es uns
verwundert, dass der Iran keinen weiteren Besuch der
Anlage in Partschin zugelassen hat. Sie wissen, dass
IAEO-Besuche unter Wahrung der militärischen Vertraulichkeit durchgeführt werden. Aber ich will noch
einmal betonen - weil Sie das unterstellten -, dass die
Bundesregierung nachdrücklich an einer diplomatischen
Lösung der Nuklearfrage interessiert ist.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Auswirkungen der geplanten Kürzung der Solarvergütung von bis zu 32 Prozent auf die
Energiewende und den Arbeitsmarkt insbesondere in Ostdeutschland sowie drohender
Stillstand bei der EU-Energieeffizienzrichtlinie
Als Erstem gebe ich das Wort dem Kollegen Rolf
Hempelmann für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In der letzten Sitzungswoche haben wir uns hier zu
einer Aktuellen Stunde getroffen. Das Thema war der
monatelange Streit zwischen den beiden Ministern Herrn
Rösler und Herrn Röttgen um die Themen Energieeffizienz und Photovoltaik.
Die Medien hatten damals scharfe Kritik an der Bundesregierung geübt. Die erste Reaktion darauf war, dass
sich Herr Röttgen, sozusagen demonstrativ, in die erste
Reihe neben Herrn Rösler setzte, um deutlich zu machen: Ist doch alles gar nicht so schlimm, wir sind uns
doch im Grunde einig.
({0})
Es ist keine Überraschung, dass wir heute, eine Sitzungswoche später, wieder in einer Aktuellen Stunde zusammensitzen, um über das zu diskutieren, was man uns
als „Einigung“ vorgesetzt hat. In den Medien hat man erkannt, dass es - ähnlich wie damals die Show in der ersten Reihe - den Versuch gab, sozusagen federnden
Schrittes, mit Showeffekten und Erfolgsrhetorik, diese
Einigung als den ganz großen Wurf zu verkaufen. Aber
diejenigen, die das ganz nüchtern als das beschrieben haben, was es ist, nämlich als einen Kuhhandel, haben es
wohl eher getroffen.
({1})
Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch genau an, was der Kern der Einigung ist. Bei der Photovoltaik, mit der ich mich im Moment nur kurz befassen will,
weil das andere noch intensiver tun werden, geht es vor
allen Dingen um einen radikalen Einmalschritt, um eine
Absenkung der Vergütung um bis zu 32 Prozent. Die
Opposition ist nicht grundsätzlich gegen Absenkungen
bei der Photovoltaikförderung; das haben wir in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht. Wir haben Konzepte vorgelegt, wie man das sukzessive, in vernünftigen
Schritten, organisieren kann. Aber das, was hier passiert
und auch schon vorher passiert ist, dass nämlich ständig
radikale Absenkungen oder sogar der Ausstieg aus der
Förderung nach dem EEG angekündigt werden, hat genau zu dem geführt, was wir vermeiden wollten: Es gab
ein Dezemberfieber und damit Aufwüchse bei der Photovoltaik, die jedenfalls in dieser Form niemand wollte.
Dann wird uns da noch etwas mit der Vokabel
„Marktintegrationsmodell“ verkauft: Der Eigenverbrauch soll auf 15 Prozent gesteigert werden. Das bedeutet im Klartext: Begrenzung der EEG-Vergütung auf
85 Prozent. Ich will gar nicht sagen, dass man darüber
nicht reden kann. Aber es zeugt schon von Chuzpe, das
als Marktintegrationsmodell zu verkaufen.
({2})
Es ist also völlig klar, dass Sie auf genau diesem Feld,
nämlich bei der Markt- und Systemintegration - da liegt
die eigentliche Herausforderung bei den erneuerbaren
Energien -, bisher völlig versagt haben.
Das Einzige, was Sie getan haben, war die Einführung der optionalen Marktprämie. Sie läuft nach Auskunft aller Fachleute ins Leere.
({3})
Sie hat keine Wirkung, kostet aber viel Geld: eine halbe
Milliarde Euro in einem Jahr.
Insofern: Ja, die Vokabel „Marktintegrationsmodell“
ist gut; aber sie trifft auf den von Ihnen vorgeschlagenen
Sachverhalt nicht zu. Vielmehr trifft sie genau auf die
Dinge zu, die Sie bisher nicht angegangen sind: nichts
zum Thema Speicher, Wärmespeicher, nichts zum
Thema Kombikraftwerke, virtuelle Kraftwerke, nichts
zum Thema Solarthermie - auch sie kann eine Speicherfunktion übernehmen - und zu vielen anderen Fragen.
Der zweite Komplex: Energieeffizienz. Ihre Überschriften klingen hervorragend. Sie sagen immer, wie
wichtig Ihnen die Energieeffizienz ist, dass sie die tragende Säule bei der Energiewende sein soll. Nur, wenn
man genau hinschaut, dann erkennt man: Das Einzige,
was Sie zu der entsprechenden europäischen Richtlinie
beizutragen haben, ist, dass Sie sie ablehnen und versuchen, sie zu verwässern,
({4})
anstatt sich an die Spitze der Bewegung zu stellen - in
einem Land, das eine Energiewende organisieren will,
bei der es in besonderem Maße darauf ankommt, das
System im Sinne von mehr Energieeffizienz umzugestalten.
Genau an dieser Stelle versagen Sie. Bei dem, was Sie
wollen, bleiben Sie nebulös und unklar. Nur bei dem,
was Sie nicht wollen, bleiben Sie klar. Sie sagen nicht,
welche Maßnahmen Sie ergreifen wollen. Sie verweisen
nur sehr unkonkret auf einen noch zu erstellenden Aktionsplan zur Energieeffizienz. Sie verschieben also wieder einmal alles in die Zukunft. Sie nennen auch nicht
die Marktakteure, die die Maßnahmen umsetzen sollen.
Wie sollten Sie auch! Sie haben ja noch gar nicht die
Maßnahmen genannt. Wir wissen also nicht, was Sie von
den Netzbetreibern, den Energieanbietern und den Verbrauchern im Privatsektor wie in der Industrie künftig
erwarten.
Wie soll es in Deutschland eigentlich beim Thema
Energieeffizienz weitergehen, aber auch beim Thema
Energiewende, wenn Sie es immer nur bei Überschriften
belassen? Sie wollen den Energiedienstleistungsmarkt
entwickeln, aber Sie tun nichts dafür. Wir sehen nicht,
wie es etwa bei intelligenten Stromzählern zum Rollout
kommen soll, wie Sie bei intelligenten Netzen oder bei
variablen Tarifen vorankommen wollen - alles Grundlagen eines solchen Energiedienstleistungssystems.
Abschließend sage ich Ihnen, meine Herren: Ihre Einigung kommt spät, für Brüssel wahrscheinlich zu spät.
Die Signale, die wir dort hören, deuten darauf hin: Man
hat keine Lust mehr gehabt, auf diese Bundesregierung
zu warten.
({5})
Deswegen wird es wohl so sein, dass die größte europäische Volkswirtschaft bei dieser zentralen Richtlinie ungehört bleiben wird - kein Kompliment für diese Bundesregierung.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Norbert Röttgen.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich erneut für die Beantragung einer
Aktuellen Stunde bedanken,
({0})
weil sie Gelegenheit zur Diskussion bietet - das schätze
ich - und die Gelegenheit gibt, auf Argumente einzugehen.
Herr Kollege Fell, ich habe damit gerechnet, dass Sie
in der heutigen Debatte sprechen.
({1})
- Ich wollte eher mein Bedauern ausdrücken. Aber wenn
Sie schon nicht reden, dann möchte ich Sie als Ausdruck
meiner Wertschätzung wenigstens zitieren, und zwar aus
einer Rede, die Sie ziemlich genau vor zwei Jahren, am
25. März 2010, hier im Bundestag gehalten haben. Sie
ist stellvertretend für die Beiträge der Opposition.
Damals ging es um den ersten Vorschlag von mir, die
Vergütung im EEG zu senken. Sie wissen, dass dem weitere Senkungen folgten. Nun möchte ich aus Ihrem Beitrag zu dieser Debatte zitieren, der damals - wie bereits
erwähnt - ein repräsentativer Beitrag sowohl für die
Meinung der Opposition als auch für die der Branche
war.
({2})
Gleichzeitig greifen Sie
- „Sie“ bin ich heute mit der Vorlage der Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz massiv in die Erfolgsgeschichte der Solarwirtschaft ein. Sie wollen nach
der zum Jahreswechsel erfolgten Senkung der Solarvergütung um etwa 10 Prozent nun zum Juli erneut um bis zu 16 Prozent senken und zu Beginn
des nächsten Jahres noch einmal um circa 10 Prozent zulangen. Einnahmeverluste von mehr als
30 Prozent innerhalb eines Jahres kann keine Branche schadlos überstehen. Zusätzlich wollen Sie mit
den besonders kostengünstigen Freiflächen auf den
Äckern sogar ein ganzes Marktsegment völlig zum
Erliegen bringen.
Ich zitiere immer noch:
({3})
Alle diese Vorschläge sind hochgefährlich für die
deutsche Solarwirtschaft.
Ich zitiere weiter:
Viele der jungen deutschen Solarfabriken haben bereits 2009 rote Zahlen geschrieben. … Viele Experten befürchten,
- das ist der letzte Satz, den ich zitiere dass mit Ihren Vorschlägen zur Solarvergütung und
zur Kürzung der Fotovoltaikforschungsmittel Zehntausende Jobs in den deutschen Solarfabriken gefährdet sind. Symbolische Werksschließungen und
Protestkundgebungen der Belegschaft lassen Sie
einfach kalt.
({4})
Das ist Ihr Beitrag von damals. Kollege Fell klatscht jedenfalls nicht. Das rechne ich ihm hoch an.
({5})
Das war die Meinung der Grünen-Fraktion und der
SPD-Fraktion; es war die Meinung der Branche, es war
die Meinung der Mehrheit der Bundesländer. Was war
die Realität? Tatsache ist: Zu Beginn des Jahres, für das
Sie den Tod der Branche vorausgesagt haben - Sie alle,
ich möchte mich nicht nur auf Herrn Fell beziehen -,
({6})
fing die Erfolgsgeschichte der Photovoltaik in Deutschland erst richtig an, und ich freue mich darüber, dass sie
angefangen hat.
({7})
Sie fing erst an, der Tod war nicht eingetreten.
Sie haben vorausgesagt, dass wir Jobverluste erleiden
werden, aber das Gegenteil ist eingetreten. Wir konnten
in den darauffolgenden Jahren 2010 und 2011 insgesamt
15 000 Megawatt Zubau von Photovoltaikanlagen verzeichnen. Das entspricht der Kapazität der 15 Großkraftwerke, die nach der Todesankündigung von SPD und
Grünen in Deutschland gebaut worden sind. Das ist die
Erfolgsgeschichte, die wir ermöglicht haben.
({8})
Die Erfolgsgeschichte besteht darin, dass wir diese
Technologie und die Wertschöpfung im Land halten,
dass wir die Technologieführerschaft in der globalen
Konkurrenz behaupten und gleichzeitig die Vergütungen
senken, weil Kostensenkungen durch den Markt möglich
sind. Die Bürgerinnen und Bürger, die Stromverbraucher, haben einen Anspruch darauf, dass sie das Geld be19164
kommen; denn sie finanzieren die Renditen der anderen.
Alles das, was der Markt hergibt, gehört den Verbrauchern und nicht einzelnen Investoren.
({9})
Es ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern zurückzugeben und nicht wegzunehmen. Das ist der Erfolg.
Es ist immer ein Unterschied, ob man die Energiepolitik als ideologisches Projekt betrachtet oder ob es um
die wirtschaftliche Kompetenz geht, die Energiewende
zu vollziehen. Die liegt bei uns.
({10})
Das haben Sie bis auf den heutigen Tag noch nicht gelernt.
({11})
Das ist die politische Wahrheit in Deutschland.
Die Erfolgsgeschichte geht weiter. In diesem Jahr ist
der selbst produzierte Solarstrom preiswerter als der
Strom aus dem Netz; es ist heute schon wirtschaftlich attraktiv, Solarstrom selbst zu produzieren; denn das ist
preiswerter, als ihn zu beziehen. Das ist ein Erfolg.
Herr Kollege Hempelmann, Marktintegration bedeutet übrigens, dass wir die Technologie so wettbewerbsfähig machen, dass die Vergütung immer weiter zurückgeht. Ich sage das hier sicher schon zum zehnten Mal,
ich wiederhole es trotzdem: Als wir 5 Prozent Strom aus
erneuerbaren Energien hatten, konnte man die Branche
auf Basis eines Subventionsgesetzes fördern. Jetzt haben
wir aber 20 Prozent, und wir wollen 80 Prozent haben.
Dieses Ziel können wir nicht auf Basis eines Subventionsgesetzes erreichen. Dafür braucht man Markt,
Marktordnung und wettbewerbsfähige Technologien.
Das ist der Ansatz, den wir verfolgen. Es geht um die
Marktintegration.
({12})
Wer für eine stärkere Nutzung der Photovoltaik ist,
der muss das Vergütungssystem anpassen. Die Freunde
von Subventionen im Bereich Photovoltaik, die den
Markt ignorieren, sind die schlechtesten Freunde der Solarbranche in Deutschland.
({13})
Sie helfen der Solarbranche nicht, weil sie an Einzelinteressen denken. Weil ich für die Nutzung erneuerbarer
Energien bin und die Solartechnologie für eine Gegenwartstechnologie mit hohem Zukunftspotenzial, mit guten Exportchancen und einer großen technologischen
Innovationsfähigkeit halte - sie hat alles Notwendige:
hohe Investitionen und hohes Innovationspotenzial -,
muss ich ganz nüchtern konstatieren - hoffentlich können wir diesbezüglich einen fachlichen Konsens erreichen -, dass wir uns ein drittes Jahr mit einem Zubau
von sieben oder acht konventionellen Großkraftwerken
im Bereich Photovoltaik nicht leisten können. Das
Stromversorgungssystem in Deutschland hält das nicht
aus. Darum müssen wir hier wirksam eingreifen.
Die Maßnahmen, die wir vorschlagen, dienen dazu,
dass die Photovoltaik dauerhaft ein integraler Bestandteil der Stromversorgung wird. Wer diese Branche wuchern lässt und nicht dafür sorgt, dass sie systemverträglich ist - angesichts der gegenwärtigen Zubauraten
müssen wir sagen, dass das systemunverträglich ist -,
der gefährdet die Stromversorgung und die Photovoltaikbranche gleich mit. Das muss verhindert werden.
({14})
Darum unterbreiten wir diese Vorschläge: aus wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die das über ihre
Stromrechnung finanzieren. Die normalen Einkommensbezieher, die Arbeitnehmer bezahlen das über ihre
Stromrechnung. Deshalb ist es ökonomisch und sozial
geboten, die Kostensenkungspotenziale zu nutzen.
Wir tun das, weil im letzten Jahr die Stromgestehungskosten für Solarstrom um 30 Prozent gefallen sind.
Das markiert - das ist fachlich ziemlich unbestritten das vorhandene Kostensenkungspotenzial. Das realisieren wir, nicht durch einen generellen 30-Prozent-Schnitt,
sondern wir fangen mit einer einmaligen Absenkung an.
Darüber hinaus schlagen wir in der Tat ein neues Instrument vor, mit dessen Hilfe die gesunkenen Solarstromgestehungskosten stärker in den Markt eingebracht werden. Wenn wir das Nischenprodukt Solarstrom - das gilt
generell für Strom aus erneuerbaren Energien - zu einem
Massenprodukt, das der Grundversorgung dient, entwickeln wollen - das wollen wir, ich will es -, dann können wir den Strom nicht völlig unabhängig davon bezahlen, ob ihn irgendjemand braucht, ob er also am Markt
nachgefragt wird. Nach dem jetzigen System wird jede
Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien unabhängig von der Frage, ob diesen Strom irgendjemand
braucht, bezahlt. Das geht auf Dauer nicht. Auf Dauer
können wir nur Produkte bezahlen, die gebraucht werden. Da muss man einsteigen.
({15})
Das ist das Marktintegrationsmodell.
({16})
Wir sagen: 85 Prozent garantierte Vergütung bei den
Dachanlagen. Es werden nicht mehr 100 Prozent garantiert vergütet, sondern nur noch 85 Prozent, weil es möglich ist, 15 Prozent entweder selbst zu verbrauchen - das
ist nämlich preiswerter - oder direkt zu vermarkten. Das
ist der Einstieg in eine wirksame Marktintegration. Diesen Ansatz werden wir weiterverfolgen.
Die Photovoltaikbranche wird in Deutschland bleiben. Wir werden Technologieführer bleiben; wir wollen
das. Wir werden Wertschöpfung im Land haben, aber
wir werden die Branche nach und nach ins System integrieren.
Noch eine Bemerkung zur Energieeffizienz. Ich will
hier darstellen, was wir erreicht haben
({17})
und wie wir jetzt in Europa verhandeln. Unser Konzept
steht nämlich auf zwei Beinen. Erstens wollen wir den
Bereich der erneuerbaren Energien entwickeln, und zwar
in Richtung Marktintegration. Zweitens wollen wir mehr
Energieeffizienz und mehr Energieeinsparung. Das ist
das zweite Bein, das dazugehört. Darum ist es wichtig,
dass wir die europäischen Potenziale nutzen. Wir setzen
uns nun gemeinsam dafür ein, dass wir in Europa anspruchsvolle Effizienz- oder Einsparziele verfolgen: entweder 6,3 Prozent Effizienzsteigerung oder 4,5 Prozent
Energieverbrauchsabsenkung jeweils in einem Dreijahreszeitraum. Das sind verbindliche, ehrgeizige konkrete
Ziele.
({18})
Um diese Ziele zu erreichen, verpflichten wir die Mitgliedstaaten dazu, konkrete Maßnahmen und Aktionspläne vorzulegen, wobei diese unterschiedlich sind. Es
macht nämlich einen Unterschied, ob die Maßnahmen in
Rumänien oder in Deutschland angewendet werden. Wir
wollen die nationalen Besonderheiten und den erreichten
Stand an Effizienz berücksichtigen. Das ist ein zweiter
Beitrag dazu, dass die Energiewende vorankommt.
Die Energiewende ist ein ökonomisches und ökologisches Erfolgsmodell. Sie ist kein Selbstläufer, wie es
Ihre Kritik vermuten lässt. Darum ist es gut, dass CDU/
CSU und FDP diese Energiewende wirtschaftlich vernünftig gestalten.
({19})
Jetzt hat Oliver Krischer für Bündnis 90/Die Grünen
das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Röttgen, dass Sie den Kollegen Fell hier minutenlang zitieren, adelt den Kollegen. Das ist in Ordnung,
das ist gut. Was ich hier tun könnte, wäre, Sie zu zitieren,
wie Sie die Atomkraft hochgejubelt haben, wie Sie jede
EEG-Novelle abgelehnt haben, wie Sie die Erneuerbaren
in Grund und Boden geredet haben. Sie haben diese
Energiewende nicht verstanden.
Was ist denn in den letzten Monaten passiert?
({0})
Wir haben einen Streit erlebt, bei dem man sich jetzt
fragt, worum es eigentlich ging;
({1})
denn Herr Röttgen, der Umweltminister, ist zu 100 Prozent eingeknickt. Herr Rösler hat sich durchgesetzt. Es
geht gegen Erneuerbare, es geht gegen Energieeffizienz.
Das ist das Ergebnis dieses Streits.
({2})
Es gehört schon Chuzpe dazu, sich hier hinzustellen und
kampfgrün für die Energiewende zu reden.
({3})
Meine Damen und Herren, bis vor kurzem habe ich ja
geglaubt, Sie können es nicht. Wenn man aber den Streit
erlebt hat und sich anguckt, was es in den letzten Monaten gegeben hat, dann kommt man zu dem Ergebnis: Sie
wollen die Energiewende nicht. Sie wollen keine erneuerbaren Energien und keine Energieeffizienz. Sie wollen
zurück zu Kohle und Atom. Das ist das Ergebnis.
({4})
Richtig ist, dass man die Vergütungen im Bereich
Photovoltaik reduzieren muss, angepasst an die Entwicklung der Kosten. Aber was nicht geht, ist das, was
Sie machen: Sie greifen in bestehende Verträge ein. Sie
machen das Ganze rückwirkend. Sie sehen eine Verordnungsermächtigung vor, die das Parlament entmachtet.
Das alles geht nicht. Ich habe immer gedacht, SchwarzGelb, die bürgerliche Koalition, sei wenigstens ein anständiger Kaufmann und greife nicht in die Verträge der
Handwerker ein.
({5})
Aber ich erlebe das Gegenteil. Sie treiben Tausende von
Handwerksbetrieben, die sich auf das verlassen haben,
was hier beschlossen worden ist, in die Insolvenz. Das
ist das Ergebnis Ihrer Politik. Das müssen Sie den Leuten erklären.
({6})
- Nein, wir reden hier über den kleinen Handwerker, der
überall im Lande diese Anlagen baut. Der hat investiert
und sich darauf verlassen, dass es einen verlässlichen
Weg gibt. Den machen Sie kaputt. Gerade Sie, Herr
Lindner, müssen das Ihrer Klientel einmal erklären, da
Sie immer davon sprechen, Sie seien für den Mittelstand.
({7})
Interessant ist, dass genau diese Kritik inzwischen
auch aus Ihren Reihen kommt. Da laufen die Ticker ja
schon über. Frau Hasselfeldt - ich sehe sie hier leider
nicht -, die noch vor ein paar Wochen in einem Brief gefordert hat, man möge die Vergütungen kürzen, läuft
jetzt durch Bayern und sagt: Verhindert diese Kürzungen! - Das ist doch die Irre Ihrer Politik: Vor Ort, da, wo
es konkret wird, sind Sie dagegen, aber hier betreiben
Sie das Gegenteil.
({8})
Beim Thema Energieeffizienz - das muss man leider
sagen - ist es noch viel schlimmer; denn dieses Thema
reduzieren Sie - das haben wir gerade bei Herrn Röttgen
erlebt - nicht auf konkrete Maßnahmen, sondern auf
Lyrik und Sonntagsreden. Man muss sich vor Augen
führen: Es war die Bundeskanzlerin, die 2007 Deutschland zum Energieeffizienzweltmeister machen wollte
und mehr Energieeffizienz in der EU - minus 20 Prozent
Energieverbrauch - durchsetzen wollte. Was war das Ergebnis? Deutschland steht beim Thema Energieeffizienz
in Europa nur auf der Bremse. Herr Oettinger - er ist
wahrlich kein Grüner - hat recht, wenn er an die Adresse
der Bundesregierung sagt: Nur Eisbären zu knutschen,
nützt nichts; man muss auch konkrete Maßnahmen ergreifen.
({9})
Wir erleben einen Wirtschaftsminister, der bei diesem
Thema von Planwirtschaft und Sozialismus spricht. Das
ist völlig absurd. Großbritannien, Frankreich, Italien, etliche Staaten der USA, zum Beispiel Kalifornien, New
York und Texas, praktizieren solche Maßnahmen, wie
sie in Art. 6 der EU-Richtlinie verankert sind. Texas als
Hort des Sozialismus und der Planwirtschaft - das ist
doch lächerlich, Herr Rösler.
({10})
Das Schlimme daran ist: Sie zerstören damit die
Chancen deutscher Unternehmen. Unternehmen wie
Bosch und Siemens würden davon profitieren, wenn wir
uns mit konkreten Maßnahmen und ambitionierten Zielen in Europa durchsetzen würden. Aber Sie zerstören
ihre Chancen. Das ist unverantwortlich mit Blick auf den
Wirtschaftsstandort Deutschland und das Klima. Es führt
auch zum Scheitern der Energiewende.
({11})
Ich glaube, dass Sie eines nicht verstanden haben. Sie
haben gedacht: Es reicht, einmal Atomkraftwerke abzuschalten, dann kann man zur alten Welt zurückkehren. So wird es aber nicht sein. Sie bewegen sich zurück zu
Kohle und Atom und versuchen, den Ausbau von erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz zu verhindern.
Herr Kollege.
Das ist der falsche Weg. Dagegen werden wir uns
wehren.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat der Kollege Michael Kauch für die
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben das alles schon erlebt - der Umweltminister hat es
deutlich gemacht -: Vor jeder Kürzungsrunde bei der
Photovoltaik wurde der Tod der Branche ausgerufen,
und das Gegenteil ist passiert. Es ist der Erfolg dieser
Bundesregierung und dieser Koalition, dass die Solarvergütung seit unserem Regierungsantritt in etwa halbiert wurde und sich der Ausbau der Solarenergie trotzdem auf einem nie zuvor erreichten Niveau befindet.
Das zeigt: Man kann auch mit weniger Geld viel erreichen. Man muss Branchen nicht möglichst viel Geld vor
die Tür schütten, wie es die Grünen immer machen.
({0})
Die Anlagenpreise sind drastisch gesunken, und zwar
schneller als die Vergütungen. Das Ergebnis davon ist:
Da machen sich Leute die Tasche voll,
({1})
und zwar mit dem Geld aller Bürger in Deutschland;
denn es ist Teil ihrer Stromrechnung. Es findet also eine
Umverteilung von den Stromkunden zu den Investoren
statt. Das kann man akzeptieren, solange sich die Renditen in einer vernünftigen Größenordnung bewegen. Aber
die Renditen in den letzten Jahren waren sehr hoch. Dies
führt dann zu einer sozialen Schieflage. Da machen sich
genau die Leute die Tasche voll, die genügend Kapital
haben, das sie investieren können.
({2})
Es ist spannend, wenn die SPD-Fraktion hier sagt: So
kann man es nicht machen. Sie sagt aber nicht, wie man
es machen soll. Das ist auch nicht verwunderlich. Die
Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Frau
Kraft, sagt zum einen: Wir müssen aufpassen, dass die
Kosten aus der EEG-Umlage unsere Industrie nicht gefährden. Man müsse sie davon befreien. Das kritisiert die
SPD hier im Bundestag. Auf der anderen Seite sagt Frau
Kraft, man müsse die Photovoltaik in einem vernünftigen Rahmen fördern. Das machen wir. Sie sollten vielleicht einmal mit Ihrer Ministerpräsidentin reden, Herr
Hempelmann, dann könnten Sie etwas lernen.
({3})
Meine Damen und Herren, wir finden es gut, dass die
Solaranlagen immer billiger werden. Das ist genau das,
was man angesichts des technischen Fortschritts erwarten kann. Wir erwarten aber auch, dass diese Preisreduktion an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird. Sie darf nicht bei bestimmten Gruppen in
der Wirtschaft hängenbleiben. Sie muss bei den Verbrauchern ankommen. Deswegen machen wir diese Reform.
Nun zu der Menge an Solaranlagen, in die wir investieren. Ich denke, dass die Grünen immer noch glauben:
Immer mehr ist immer besser. Wir sind inzwischen aber
in einer Situation, die erfordert, dass wir systemisch
denken.
({4})
Wir müssen uns fragen: Welcher vernünftige Mix an erneuerbaren Energien bringt Stabilität in unser Netz? Es
braucht einen vernünftigen Mix aus Wind, Biogas und
Solarenergie. Aber wir können nicht die Hälfte der Subventionen, die gezahlt werden, auf eine einzige Technologie konzentrieren, egal was dies im Hinblick auf die
Netzstabilität bedeutet. Wir haben, weil es bei der Solartechnik zu Schwankungen kommt, Probleme mit dem
Netz. Deswegen kann die Menge nicht in den Himmel
wachsen.
Die Solarbranche hat den Zielkorridor, der im Gesetz
steht und den jeder in der Solarbranche kennen müsste,
zwei Jahre hintereinander gebrochen, und zwar nicht um
10 oder 20 Prozent, sondern um das Doppelte. Dabei hat
die schwarz-gelbe Koalition diesen Korridor im Vergleich zu der Zeit, in der SPD-Umweltminister Gabriel
die Verantwortung trug, schon verdoppelt. Das heißt, der
Ausbau, den wir im letzten Jahr zu verzeichnen hatten,
war viermal so hoch wie der, den Herr Gabriel angestrebt hat. Die SPD braucht uns also nicht zu belehren,
wie man erneuerbare Energien ausbaut.
({5})
Die SPD sollte sich nicht in einen Wettbewerb mit den
Subventionshubern von den Grünen begeben, sondern
vielleicht einmal vernünftige Politik für die Verbraucherinnen und Verbraucher machen.
Was den kritisierten Punkt im Hinblick auf den Eigenverbrauch betrifft, sage ich ganz deutlich: Wir fordern,
dass 15 Prozent des Stroms, den die Anlage produziert,
selbst verbraucht werden. Wer von Solarenergie als
dezentraler Energie redet, der kann doch nicht ernsthaft
wollen, dass eine Anlage für teuer Geld den Strom ins
Netz einspeist und der Produzent dann für billigeres
Geld den Strom aus dem Netz bezieht. Das ist nicht das,
was ich mir unter dezentraler Energieversorgung vorstelle.
({6})
Ein solches Vorgehen ist im Übrigen erst recht nicht
sinnvoll, wenn die Stromproduktion über eine Solaranlage demnächst billiger ist als der Bezug von Haushaltsstrom. Wir können von den Anlagenbetreibern fordern, dass sie sich darüber Gedanken machen. Das ist
möglich.
Der Kollege Göppel, der nicht im Verdacht steht, ein
großer Anhänger der Atomlobby zu sein - das unterstellen Sie ja immer gleich jedem -, hat eine Anlage, die
ohne Speicher 30 Prozent schafft. Ich glaube, das, was
der Kollege Göppel schafft,
Herr Kollege!
- können viele Menschen in diesem Land schaffen.
Insofern ist es gut, dass wir an dieser Stelle nicht nur fördern, sondern auch fordern.
({0})
Der Kollege Ralph Lenkert hat jetzt das Wort für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Will diese Regierung die Energiewende?
Wollen die Herren Rösler und Röttgen mit der erneuten
Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz wirklich die
Verbraucher schützen?
({0})
Die Einspeisevergütung sinkt zum 9. März dieses Jahres
um über 20 Prozent. Ab Mai dieses Jahres wird sie dann
monatlich um 15 Cent je Kilowattstunde verringert.
Damit fällt die Vergütung von Solarstrom aus neuen
Anlagen von etwa 21 Cent auf 17 Cent je Kilowattstunde. Laut Bundesregierung soll durch diese Kürzung
der Zubau von Photovoltaikanlagen auf 3 Gigawatt
reduziert werden. Dann betrüge die Gesamtentlastung
für die Stromkunden 660 Millionen Euro. Fast könnte
man eine soziale Ader der Koalition vermuten ({1})
wenn da nicht die umgewälzten Strompreisrabatte für
die Industrie wären.
Nach einer Studie von arepo consult im Auftrag der
Rosa-Luxemburg-Stiftung
({2})
müssen Bürgerinnen und Bürger, Handwerker und Unternehmen jährlich 3,25 Milliarden Euro für die Befreiung der Industrie von Netzentgelten und EEG-Umlage
bezahlen. Der Staat verzichtet zum Wohle der Großunternehmen jährlich auf über 6,5 Milliarden Euro an Einnahmen aus der Ökosteuer und dem Handel mit CO2Zertifikaten. Wir alle zahlen Monat für Monat 100 Euro
mehr zugunsten der Industrie. Das belegt: Wenn Rösler
und Röttgen die Verbraucher schützen wollten, dann
müssten sie die Ausnahmen für die Industrie begrenzen.
({3})
Bei Photovoltaikmodulen kommt es zu Preissenkungen. Die Preise für die Installation auf Dächern und Freiflächen sinken im Laufe der Jahre kaum, doch bei größeren Anlagen werden sie anteilig kleiner.
({4})
Mit der Novelle wird deshalb gerade die Installation
kleiner, dezentraler Photovoltaikanlagen unrentabel.
({5})
Nach der erneuten, plötzlichen und überzogenen Kürzung bei der Solarstromförderung kann niemand weitere
Rösler-/Röttgen-EEG-Kapriolen ausschließen. Weder
Herstellerunternehmen noch Investoren können so für
die Zukunft planen.
({6})
Den Solarfirmen brechen seit letztem Donnerstag
Kunden, Finanzbeteiligungen und Kreditlinien bei den
Banken weg.
({7})
Wer neue Solaranlagen plante, weiß nicht mehr, wie es
weitergeht. Wer profitiert davon? Es sind die großen
Stromkonzerne,
({8})
weil der Ausbau der Solarstromerzeugung ausgebremst
wird und so mehr Platz für konventionellen Strom im
Netz bleibt. Dass dabei die einheimische Solarindustrie
stirbt, wie die Solon AG, ist gewollt; denn diese liefert
eben auch an Häuslebauer und Landwirte. Die asiatischen Großhersteller bevorzugen dagegen auch große
Kunden. Somit können RWE, Eon, EnBW und Vattenfall ihr Monopol auch in diesem Bereich sichern. Diese
Regierung verdirbt die Energiewende.
({9})
120 000 Menschen arbeiteten 2011 in der Solarindustrie. In Thüringen wurden für neue Arbeitsplätze durchschnittlich 40 000 Euro an Fördermitteln gezahlt.
({10})
Will man mit diesem Fördersatz 120 000 neue Ersatzarbeitsplätze schaffen, so kostet dies 4,8 Milliarden
Euro. Die Kosten für einen Arbeitslosen liegen bei
20 000 Euro je Jahr. Teile ich die 660 Millionen Euro an
gestrichener Solarförderung durch die gefährdeten
120 000 Jobs, dann stelle ich fest: Diese Regierung
riskiert jeden dieser Arbeitsplätze für 5 500 Euro. Das ist
volkswirtschaftliches russisches Roulette.
({11})
Die Solarbranche hat ihre Kosten in den letzten Jahren massiv gesenkt. Schon heute kostet Solarstrom weniger, als Sie und ich je Kilowattstunde bezahlen.
({12})
In fünf bis sieben Jahren wird Solarstrom billiger als
Strom aus Windkraft sein. Spätestens in zehn Jahren
wird Solarstrom preiswerter sein als Strom aus Gaskraftwerken. Solarstrom hat daneben einen praktischen
Vorteil: Den höchsten Stromverbrauch des Jahres in
Südeuropa und anderen wärmeren Ländern gibt es im
Sommer mittags bei strahlender Sonne, wenn alle
Klimaanlagen Höchstleistungen bringen. Preisfrage:
Welche erneuerbare Energie liefert dann den meisten
Strom? - Dieser Strommix deckte übrigens auch bei uns
die Mittagsspitzen in diesem Winter ab.
Damit von dieser positiven Preisentwicklung und den
Vorteilen der Photovoltaik auch die einheimische Solarbranche profitiert, damit nicht zum zweiten Mal in
20 Jahren Teile Ostdeutschlands deindustrialisiert werden, schlägt die Linke folgende Maßnahmen vor: erstens
die Einrichtung eines Programms zur sicheren Finanzierung der Solarunternehmen über die Kreditanstalt für
Wiederaufbau, zweitens die Unterstützung von Grundlagenforschung zur Speicherung und Netzintegration
von Solarstrom, drittens die Herstellung von zuverlässigen Rahmenbedingungen für die Solarbranche,
({13})
viertens die Verlängerung der bis 31. Dezember 2011 befristeten Sonderregelung für Kurzarbeiter für die Solarindustrie und fünftens die Ergänzung des EEG um eine
Förderung der Tagesspeicherung von Solarstrom.
Die Linke will die Energiewende. Wir kämpfen für
gute, zukunftsfähige Arbeitsplätze in der Solarindustrie Ralph Lenkert
in Frankfurt, in Bitterfeld, in Thalheim, in Arnstadt, in
Nürnberg, in Jena und an anderen Standorten. Wir wollen eine saubere, dezentrale Energieversorgung, bei der
die Steuereinnahmen und Gewinne in den Kommunen
bleiben und Menschen ihren Lebensunterhalt in Solarfirmen verdienen können. Dafür sind wir zur Zusammenarbeit bereit.
({14})
Der Kollege Thomas Bareiß hat jetzt das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen!
Meine Herren! Lassen Sie mich nach den ersten beiden
Reden von Rot-Grün doch noch einmal aus dem EEGErfahrungsbericht 2007 des damaligen Umweltministers
Sigmar Gabriel zitieren. Damals hieß es wortwörtlich:
Die Photovoltaik liefert bis dahin
- bis 2020 mit 8 bis 9 TWh Strom bereits einen nennenswerten
Beitrag. Dabei geht der jährliche Anlagenzubau
gegenüber dem Jahr 2006 von 950 MWp auf
400 MWp im Jahr 2015 zurück.
Wir sind bereits jetzt bei 12 TWh.
({0})
Das ist der Stand 2011. Wir haben 2009 3 800 MW zugebaut. Wir haben 2010 7 400 MW zugebaut. Wir haben
2011 7 500 MW zugebaut. Wir haben die Ziele, die Sie
vor vier Jahren festgelegt haben, um das Zehnfache
überschritten.
({1})
Insofern können wir bei Ihren Zielen schon allemal Vollzug melden. Wir haben das, was Sie bis 2020 erreichen
wollten, schon heute geschafft.
({2})
Jetzt geht es darum, die nächste Stufe einzuleiten.
({3})
Dabei geht es darum, den quantitativen Zubau hin zu einem qualitativen Zubau zu entwickeln.
({4})
Das ist die große Herausforderung, die wir in den nächsten Monaten anpacken müssen. Dazu kann ich gleich das
nächste Zitat anführen. Das sehen wir nicht alleine so.
Ihr Frank-Walter Steinmeier hat vor 22 Tagen Folgendes
gesagt:
… die Förderung der Installation von Photovoltaik,
von der deutsche Solarhersteller immer weniger
profitieren, ({5}) erkennbar an die Grenzen der
Wirtschaftlichkeit.
({6})
Das EEG war richtig und ist ein Katalysator der
Energiewende. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen,
an dem wir es innovativ weiterentwickeln müssen.
Der Zubau der erneuerbaren Energien muss mit der
Aufnahmefähigkeit des Stromnetzes synchronisiert
werden.
Genau das machen wir.
({7})
- Die Vorschläge der Bundesregierung, unter anderem
auch im Bereich der Systemintegration, lieber Herr
Hempelmann, sind der richtige Weg.
({8})
Wir müssen jetzt Ihre Fehler korrigieren.
({9})
Lassen Sie mich zwei Zahlen nennen, die vielleicht interessant sind. Knapp 50 Prozent der Förderung für die
erneuerbaren Energien fließt in die Photovoltaik. Die
Photovoltaik hat aber nur einen Anteil von 3 Prozent an
der Stromversorgung. Wir müssen Ihren Förderbauch
von 2007 abbauen.
({10})
- In den nächsten 20 Jahren kostet uns die Photovoltaik
65 Milliarden Euro. Das ist der Förderbauch von Sigmar
Gabriel, den wir vor uns herschleppen müssen. 65 Milliarden Euro kostet uns die Photovoltaik in den nächsten
20 Jahren bei einem Anteil von nur 3 Prozent an der
Stromversorgung. Das müssen wir angehen. Deshalb ist
die Einmal-Degression der richtige Schritt.
Wir müssen auch in den nächsten Monaten auf die
Märkte reagieren. Deshalb brauchen wir auch einen Systemwechsel. Wir brauchen mehr Markt und mehr Wettbewerb. Nur so können sich die Photovoltaikhersteller
zukünftig bei uns behaupten. Obwohl wir im letzten Jahr
7 500 Megawatt zugebaut haben, kommen nur noch
10 Prozent der Module aus Deutschland. Das sollte uns
zum Nachdenken anregen. Wir müssen jetzt darauf achten, dass sich unsere Modulhersteller Schritt für Schritt
dem Markt stellen können. Deshalb ist die vorgesehene
Regelung richtig, dass künftig mindestens 10 bis 15 Prozent der Energie selbst vermarktet werden müssen und
der Eigenverbrauch entsprechend gefördert wird.
Das ist der eine Baustein, der jetzt vorliegt. Der andere Baustein ist der wichtige Bereich der Energieeffizienz. Energieeffizienz hat für uns oberste Priorität.
({11})
Auch wenn es in dieser Frage etwas länger gedauert hat,
ist der vorliegende Vorschlag richtig. Denn wir haben
uns klar zu einem Energieeffizienzziel auf europäischer
Ebene bekannt. Wir verpflichten uns, die Ziele auch auf
europäischer Ebene einzugehen. Aber wir sagen mit der
gleichen Entschiedenheit, dass wir die Instrumente und
Maßnahmen in unserem Land selber regeln wollen.
Ich frage mich, welches Selbstverständnis Sie als Parlamentarier in Deutschland eigentlich haben. Wir müssen uns in diesem Haus darüber verständigen, welche
Ziele wir ansetzen bzw. welche Maßnahmen wir umsetzen wollen. Das ist der richtige Punkt.
({12})
Wir wollen ein gemeinsames Ziel auf europäischer
Ebene. Die Maßnahmen diskutieren wir in diesem
Hause. Deswegen ist es richtig, dass wir die Wahlfreiheit
haben, bestimmen zu können, was wir wollen, und die
Instrumente auch selber umsetzen können.
Wir sind dabei auch erfolgreich. Wir haben im letzten
Jahr den Energieverbrauch um 4,8 Prozent reduziert und
trotzdem 3 Prozent Wirtschaftswachstum erzielt. Ich
glaube, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Insofern wollen wir auch zukünftig auf Anreize setzen, nicht
auf Zwang. In diesem Sinne werden wir die Energiewende erfolgreich, wirtschaftlich, sicher und bezahlbar
gestalten.
Herzlichen Dank.
({13})
Für die SPD-Fraktion hat jetzt Kollege Dirk Becker
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Herr Röttgen, es ist natürlich leicht, heute
Aussagen des Kollegen Fell und anderer aus dem Jahr
2010 zu zitieren. Um die Geschichte vollständig zu erzählen, muss man aber auch feststellen, dass wir die Vergütung von 2008 bis 2012 um 50 Prozent gekürzt haben.
Das heißt, es gibt keine Endloskürzungsspirale, sondern
man muss immer wieder von Neuem die Frage stellen,
was noch verkraftbar ist.
Es gibt heute viele Argumente vonseiten derer, die in
den entsprechenden Branchen beschäftigt sind, die zumindest uns als Sozialdemokraten Anlass geben, genau
hinzuschauen, ob man jetzt diesen Schritt in dieser Ausprägung gehen kann. Das müsste doch eigentlich auch
für die Verantwortlichen in Ihrem Ministerium erkennbar sein. Man kann doch nicht einfach sagen, dass es immer so weitergeht.
({0})
Herr Minister, wenn Sie mir kurz Ihre Aufmerksamkeit schenken könnten! Ich weiß, dass Sie das ungern
tun, weil Sie nie zuhören, wenn die Opposition redet.
({1})
Sie haben im Jahr 2010 die Zahlen des Nationalen Aktionsplans für erneuerbare Energien nach Brüssel gemeldet und kommen selbst zu dem Ergebnis, dass im Jahr
2020 52 000 Megawatt aus solarer Strahlungsenergie
kommen sollen. Das waren auch Ihre Ziele. Davon ist
heute kein Wort zu hören.
Im Gegenteil, Sie spielen hier jetzt wieder den großen
Retter der erneuerbaren Energien. Auch für uns Sozialdemokraten war immer ganz klar, dass wir den Ausbau
der erneuerbaren Energien vorantreiben wollen. So
schwierig die Umlageentwicklung ist: Die Ausbauzahlen
zeigen den Erfolg der Erneuerbaren. Darüber darf man
sich auch ein Stück weit freuen. Wir müssen aber natürlich auch sehen, wie wir die Entwicklung mit Blick auf
die Umlagebelastung steuern. Wir haben in der Vergangenheit sehr wohl gesagt, dass wir einem Korridor zustimmen, und wir werden das auch jetzt tun.
Aber es kann doch nicht sein - das hat mit Investitionssicherheit nichts zu tun -, dass Sie in der Breite
neue Kürzungsschritte debattieren, obwohl die EEGNovelle 2012 noch nicht einmal in Kraft getreten ist. So
machen Sie den Markt kaputt, so verunsichern Sie Investoren. Das ist keine vorausschauende Energie- und Wirtschaftspolitik.
({2})
Auch wenn das EEG kein Gesetz zum Zwecke der
Wirtschaftspolitik ist - es ist ein Markteinführungsinstrument für erneuerbare Energien -, so hat es zu unserer großen Freude doch gerade in Ostdeutschland auch
wirtschaftliche Impulse gegeben. Ich weiß, dass das
EEG kein Schutzschirm zur dauerhaften Bewahrung von
Arbeitsplätzen ist. Aber man muss doch auch ein bisschen Verantwortung für die geschaffenen Arbeitsplätze
zeigen und bei der Rückführung der Vergütungen ein
wenig Rücksicht darauf nehmen. Es darf keinen Schnellschuss geben, der diese Arbeitsplätze nachhaltig gefährdet.
Ja, wir müssen die Umlage im Blick behalten. Aber
auch die Arbeitsplätze insbesondere in Ostdeutschland
sind uns wichtig und müssen bei der Entscheidung im
Blick behalten werden.
({3})
Es gibt viele Projekte, die in der Planung bereits so
weit vorangeschritten sind, dass, wenn die Kürzung in
der vorgesehenen Form kommt, die hohen Vorlaufkosten
nicht refinanziert werden können. Wenn es überhaupt so
kommt, wie Sie vorschlagen, dann brauchen wir Übergangsregelungen - die Zusage gibt es -, damit begonnene Projekte nicht zum Ruin führen. Ich appelliere an
Ihre Verantwortung für die getätigten Investitionen.
Das große Risiko bei dieser Debatte ist, dass wir wieder einmal sehr emotional über die Kürzungsschritte reden. Der Teufel steckt im Detail. Wenn ich vom Teufel
im Detail in Bezug auf diese Novelle spreche, dann
meine ich zum einen das Marktintegrationsmodell und
zum anderen die Verordnungsermächtigung zur Übertragung dieses Modells auf andere Branchen. Es handelt
sich um eine Ermächtigung, die wir Parlamentarier dieser Regierung, dem BMWi und dem BMU unter Führung von Herrn Röttgen - Sie lachen, Herr Rösler; wir
tun es auch -, erteilen sollen. Sie sollen die Verantwortung und die Kompetenz erhalten, künftig über die Frage
zu entscheiden, wie viel Vergütung es für welche Technologie gibt, nach dem Motto: Kürzen wir doch einmal
auf 85 oder auf 70. - Es kann doch nicht Ihr Ernst sein,
dass wir eine Kernregelungsschraube des EEG in Ihre
Hände legen. Unser Vertrauen haben Sie nicht. Schon
unter anderen Regierungen - auch in der Großen Koalition - gab es entsprechende Absichten. Wir haben bereits damals gesagt: Dies ist ein Kerninstrument des parlamentarischen Handelns, und es muss beim Parlament
bleiben. Daher sagen wir Nein zu dieser Verordnungsermächtigung.
({4})
Herr Röttgen, Sie haben Aussagen anderer Kollegen
zitiert und bekennen sich jetzt ausdrücklich zu den Ausbauszenarien betreffend die erneuerbaren Energien, die
die Gutachten enthalten, die Sie im Rahmen der Laufzeitverlängerung haben anfertigen lassen. Wir haben in
den letzten Debatten mehrfach gefragt, Herr Röttgen:
Sind diese Ausbauszenarien Bestandteil des Konzepts
der Bundesregierung, und stellen sie die Ziele dar? - Sie
haben gesagt: Nein, das sind wissenschaftliche Gutachten, die die Basis bilden. - Nun nehmen die Fraktionsvorsitzenden und Sie selbst immer Bezug auf diese Szenarien und sagen: Jawohl, das sind unsere Ziele. Tatsache ist, dass Sie die Mechanismen entsprechend anpassen. Wer gibt uns die Garantie, dass das, was Sie nun
bei der Solarenergie machen, morgen nicht auch bei anderen Energien, zum Beispiel bei der Windenergie, machen?
({5})
Herr Kollege!
Sie haben Ihre Maske fallen lassen. Sie sind nicht der
Umweltminister der Energiewende. Herr Röttgen, Sie
sind kein Antreiber, sondern ein Getriebener, und zwar
vom Wirtschaftsminister.
Herr Kollege!
Mit Ihnen wird diese Wende nicht gelingen.
({0})
Das Wort für die Bundesregierung hat Herr
Dr. Philipp Rösler.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren Abgeordnete!
({0})
Ich habe mir Ihre Redebeiträge angehört und kann feststellen: Weder in Ihren Beiträgen noch in dem Titel der
von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde kommen diejenigen,
({1})
die all das bezahlen müssen, was Sie für eine bestimmte
Branche lauthals fordern, mit einem einzigen Wort vor.
Das zeigt deutlich, wie weit Sie sich von den Menschen
entfernt haben.
({2})
Ich halte weiter fest: Die Prognosen, die Sie im Jahr
2010 mit großen Krokodilstränen abgegeben haben, haben sich bereits als falsch erwiesen. Kollege Röttgen hat
es vollkommen zu Recht zitiert. Sie haben damals bei
dem großen Schnitt für die Solarvergütung gesagt: Das
ist das Ende der Photovoltaikbranche. - Aber im Jahr
2011, nur ein paar Monate später, haben wir genau das
Gegenteil erlebt. Es gab einen Rekordzubau im Bereich
der Photovoltaik. Das müssen Millionen Kundinnen und
Kunden, Millionen Haushalte, und Millionen mittelständische Unternehmen bezahlen. Ich finde es daher gerechtfertigt, an die Bezahlbarkeit von Energie zu denken.
Wir tun es jedenfalls und orientieren uns nicht nur an
den Interessen einer einzigen Branche, wie Sie das vorhin in Ihren Wortbeiträgen getan haben.
({3})
Selbstverständlich wollen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien.
({4})
Heute liegt der Anteil dieser Energien bei 20 Prozent.
Unser Energiekonzept sieht bis 2020 den Ausbau auf
35 Prozent
({5})
und bis 2050 sogar auf 80 Prozent vor.
({6})
Aber gerade angesichts dieser Zahlen ist klar: Der Ausbau muss bezahlbar bleiben. Das bedeutet, dass wir andere Instrumente als bisher brauchen.
({7})
Denn es ist genauso ersichtlich: Wenn bei einem Anteil
von 3 Prozent an der Stromproduktion über 7 Milliarden
von den 14 Milliarden Euro der EEG-Umlage, also mehr
als die Hälfte, für die Photovoltaikförderung draufgehen,
dann ist das nicht wirtschaftlich, erst recht nicht bei einem geplanten Ausbau auf 35 bzw. 80 Prozent. Deswegen müssen wir zu einer besseren EEG-Förderung kommen, zumindest zu einer besseren als derjenigen, die Sie
auf den Weg gebracht haben.
({8})
Sie tun immer so, als wäre die Förderung der erneuerbaren Energien Ihre Erfindung gewesen.
({9})
Ich erinnere daran, dass die Grundidee Anfang der 90erJahre im Zusammenhang mit dem Stromeinspeisegesetz
entstanden ist und von der christlich-liberalen Koalition
stammt.
({10})
Es war richtig, die damalige Nischenbranche erneuerbare Energien mit Subventionen zu fördern. Aber jetzt
haben wir einen Anteil von 20 Prozent, den wir massiv
ausbauen wollen.
({11})
Wenn wir künftig einen Massenmarkt haben, dann müssen dort natürlich Marktinstrumente eine Rolle spielen.
Deswegen ist der erste Schritt, dass wir eine erfolgreiche
Marktintegration schaffen, nämlich mit dem Marktintegrationsmodell.
({12})
Das ist die beste Voraussetzung für die Bezahlbarkeit
von erneuerbaren Energien, gerade bei dem dramatisch
starken Ausbau in der Zukunft im Rahmen der Energiewende.
({13})
Ein weiterer Punkt ist die Energieeffizienz. Um es
hier genauso festzuhalten: Wir bleiben natürlich bei dem
Ziel, das wir uns auf europäischer Ebene gesetzt haben,
nämlich eine Steigerung um 20 Prozent bis zum
Jahr 2020.
({14})
Wir können mit dem Erreichten sehr zufrieden sein.
Kollege Bareiß hat es deutlich gemacht. Die Zahlen
sprechen für sich. Trotz eines wirtschaftlichen Wachstums in den letzten Jahren ist der Energieverbrauch in
Deutschland gesunken. Das ist ein Erfolg auch unserer
Politik für mehr Energieeffizienz in Deutschland. Darauf
können wir stolz sein, und auf diesem Weg müssen wir
gemeinsam voranschreiten, wenn es darum geht, die
Energieeffizienz in Deutschland und in Europa zu verbessern.
({15})
Deswegen unterstützen wir die Kolleginnen und Kollegen auf europäischer Ebene bei dem Ziel,
({16})
eine Steigerung der Energieeffizienz von 20 Prozent bis
zum Jahr 2020 zu erreichen.
({17})
- Holen Sie einmal ordentlich Luft, dann haben Sie eine
kleine Pause! Dann werden Sie feststellen, dass wir das
Ziel auf europäischer Ebene natürlich unterstützen.
({18})
Aber wir fordern gleichermaßen
({19})
Flexibilität für die einzelnen Mitgliedstaaten auf dem
Weg zum Erreichen dieses Ziels. Sie sprechen immer
von verpflichtenden Maßnahmen. Was heißt denn „verpflichtende Maßnahmen“? Das sind am Ende Zwangsmaßnahmen. Sie wollen den Energieversorgern vorschreiben,
({20})
jährlich die Energieproduktion um 1,5 Prozent zu senken. Das ist so, als wollte man einem Automobilkonzern
vorschreiben, jedes Jahr 1,5 Prozent weniger zu produzieren.
({21})
Mit sozialer Marktwirtschaft hat eine solche starre Vorgabe definitiv nichts zu tun. Das ist in Wahrheit Planwirtschaft.
({22})
Das kann man auf europäischer Ebene nicht akzeptieren.
({23})
Ich wundere mich immer wieder. Es geht dabei nicht
um die großen Energieversorgungsunternehmen. Die
werden es leichter haben, zu einer Reduktion von
1,5 Prozent zu kommen. Die brauchen nur eine Vereinbarung mit Großen zu treffen, und dann haben sie die
Reduktion. Uns geht es um die vielen kleinen und mittelständischen Energieversorgungsunternehmen. Das sind
über 1 000 Unternehmen in Deutschland, größtenteils
auf kommunaler Ebene. Was Sie, Herr Hempelmann,
fordern, wird von denen rundweg abgelehnt. Das zeigt,
dass Sie mittlerweile Politik gegen die Kommunen in
Deutschland machen.
({24})
Deswegen bleiben wir bei unseren Zielen.
({25})
Im Übrigen gibt es noch nicht einmal eine Handvoll
von Energieministerkollegen auf europäischer Ebene,
die diese starren Vorgaben in irgendeiner Form unterstützen. Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien
und die Steigerung der Energieeffizienz. Wir wollen das
durch bessere Produkte, bessere Dienstleistungen, durch
Kraft-Wärme-Kopplung und durch die energetische Gebäudesanierung, wenn ich auch die erwähnen darf, erreichen. Wir haben darüber schon beim letzten Mal hier im
Bundestag diskutiert.
({26})
Sie hätten damals die Chance gehabt, im Bundesrat einer
Einigung zuzustimmen. Die Wahrheit ist sehr konkret,
Herr Hempelmann: Wieder einmal hat die Sozialdemokratie da versagt. Sie haben der energetischen Gebäudesanierung nicht zugestimmt.
({27})
Das ist Politik gegen Energieeffizienz, gegen den Mittelstand, der händeringend genau auf diese Zustimmung
der Länder wartet.
({28})
Deswegen halten wir fest: Wir kommen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten voran. Es findet erstmalig eine
Marktintegration statt. Wir arbeiten weiter an der Energieeffizienz.
Ihre Glaubwürdigkeit wird sich daran messen lassen,
ob Sie endlich im Bundesrat zustimmen oder nicht. Unabhängig von all den Reden, die Sie halten, können Sie
im Bundesrat zeigen, ob Sie wie die Bundesregierung
für Energieeffizienz sind oder nicht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({29})
Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Kerstin
Andreae.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Rösler, Sie stellen sich hier hin und sagen, die
Strompreise seien das Problem und keiner spreche über
die Verbraucher, die diese Strompreise zahlen müssten.
Hallo?! Wer hat denn die Zahl der Unternehmen, die von
der EEG-Umlage befreit sind, verzehnfacht? Wer hat
denn Ausnahmen für Teile der Industrie bei den Netzentgelten gemacht?
({0})
Das ist doch der Grund für die hohen Strompreise. Hören Sie auf mit der Lüge vom teuren Solarstrom! Seien
Sie ehrlich an dieser Stelle! Reden Sie nicht blödes Zeug
im Hinblick auf die Strompreise!
({1})
Sie sind doch gerade dabei, eine der erfolgreichsten Industrien, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben,
massiv zu beschädigen. Die Solarbranche konnte in den
letzten Jahren Wachstumspotenziale verzeichnen, die Sie
in dieser Größenordnung in anderen Industrien nicht
nachweisen können.
Jetzt verunsichern Sie Investoren. Sie gefährden Arbeitsplätze. Ihre Ministerpräsidenten - ich meine den einen in Sachsen-Anhalt und den anderen in Bayern ({2})
sind ja schon zitiert worden. Sie sagen: So wollen wir
das nicht haben. Das macht uns in Ostdeutschland die
Solarindustrie kaputt.
({3})
Sie machen hier nicht nur eine falsche Energiepolitik,
sondern Sie machen hier auch noch eine falsche Industriepolitik.
({4})
Wir Grüne haben uns nie gegen die Absenkung der
Vergütung ausgesprochen. Das haben wir nicht getan.
({5})
Wir haben immer klare Zeitpläne und eine klare Degression vorgeschlagen. Wir haben allerdings auch gesagt,
dass wir Augenmaß und vor allem Planungssicherheit
als Ziele haben.
Ihr Termin 9. März bedeutet doch, dass zwischen der
Ankündigung des Gesetzes und dem 9. März 16 Tage
liegen. Eine Dachanlage braucht mindestens zwei Monate.
({6})
Eine Freiflächenanlage braucht mindestens sechs Monate. Was machen Sie denn jetzt mit jemandem, der gerade erst die Solaranlage bestellt hat? Wie reagieren
Banken, wenn die ersten Unternehmen in die Insolvenz
gehen? Institutionelle Anleger brauchen doch Sicherheit.
Die Energiewende braucht privates Kapital, und das bedingt Planungs- und Investitionssicherheit. Wir fordern
Sie daher hier auf: Weg mit dem 9. März! Machen Sie
wenigstens einen vernünftigen Zeitplan, der Planungssicherheit garantiert.
({7})
Jetzt noch einmal zur Industriepolitik. Die deutschen
Solarunternehmen haben es doppelt schwer. Sie müssen
ständig mit dieser chaotischen schwarz-gelben Energiepolitik umgehen. Heute hü, morgen hott! Stop and go!
Gas und Bremse! Ständig ändert sich irgendetwas, und
gleichzeitig müssen sie auf einem immer schärfer werdenden Weltmarkt bestehen.
Anstatt eine vernünftige Industriepolitik zu machen
und zu sagen: „Ja, wir stellen uns vor die deutsche Solarindustrie, wir stellen uns vor die europäische Solarindustrie, und wir überlegen, wie sich diese Industriepolitik
weiterentwickeln kann, und wir fördern Forschung und
Innovation“, veranstalten Sie ein absolutes Chaos. Innovation braucht Forschung. Forschung braucht Perspektive. Perspektive braucht Vertrauen, und Vertrauen
braucht Planungssicherheit. So sähe Industriepolitik aus,
die Sie an dieser Stelle machen müssten. Das von Ihnen
veranstaltete Chaos hilft uns jedoch nicht weiter.
({8})
Zur Energieeffizienz. Die beste Energie ist die, die
wir nicht verbrauchen, und die billigste Energie ist die,
die wir nicht verbrauchen. So viel zu den Strompreisen.
Nun liegt uns diese Energieeffizienzrichtlinie vor.
Was aber machen Sie? Klare Maßnahmen werden durch
irgendwelche nebulösen Ziele ersetzt. Ursprünglich war
es so: Die Akteure waren die großen Energieversorger,
und es wurde gesagt, dass diese jedes Jahr 1,5 Prozent
einsparen müssen. - Das war wirtschaftspolitisch nicht
nur deshalb sinnvoll, weil ein klares Einsparziel genannt
wurde, sondern auch deshalb, weil sich für die Energieversorger neue Geschäftsfelder aufgetan haben.
Was haben wir jetzt? Wir haben Ziele, aber keinen
verbindlichen Akteur, und eingerechnet wird das, was
sowieso schon gemacht wird; Stichwort „Kraft-WärmeKopplung“. Dann erzählen Sie uns: Na ja, wenn wir drei
Jahre lang von 1,5 Prozent ausgehen, dann können wir
auch gleich 4,5 Prozent sagen. - Sie haben also nichts
verstanden. Setzen Sie die Energieeffizienzrichtlinie forciert und engagiert um. Denn sie ist einer der entscheidenden Hebel dafür, dass wir im Hinblick auf Versorgung mit Energie und Strompreise auf den richtigen Weg
kommen. Gehen Sie die Energieeffizienzrichtlinie so an,
wie sie vorgeschlagen ist, aber handeln Sie nicht auf
diese nebulöse Art und Weise.
({9})
Wir hatten heute Morgen schon im Ausschuss die
Möglichkeit, mit Ihrem Staatssekretär über diese zwei
Vorschläge zu sprechen. Wissen Sie, was wir inzwischen
glauben? Herr Röttgen, das werfe ich Ihnen vor. Das tut
mir wirklich - ({10})
- Nein, es tut mir nicht nur leid, dass ich Ihnen das vorwerfen muss.
Aber wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, die FDP
hat sich mit diesem Wirtschaftsminister inzwischen darauf eingestellt, dass sie im Jahre 2013 nicht mehr in der
Regierung sein wird. Sie baut ihre Oppositionsstrategie
auf. Diese Oppositionsstrategie nimmt keine erfolgreiche Energiewende in den Blick; vielmehr braucht ihr den
Misserfolg bei der Energiewende, damit ihr in zwei Jahren eure Oppositionsstrategie habt.
({11})
Wir appellieren an die Union: Nehmen Sie Ihre Verantwortung für die Umsetzung der Energiewende wahr!
({12})
Raus aus der Froschperspektive! Rein in die Verantwortung! Rein in die Energiewende! Das müssen Sie machen. Dafür sind Sie gewählt worden. Das haben Sie den
Menschen versprochen. Also setzen Sie es auch um.
Vielen Dank.
({13})
Maria Flachsbarth hat jetzt das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Solarbranche, aber auch wir haben ein Problem, und
zwar mit dem eigenen Erfolg. Wer hätte das gedacht,
auch von den früheren Umweltministern, die eben bereits genannt worden sind, dass in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, nämlich 2010 und 2011, ein Zubau an installierter PV-Leistung in Höhe von 7,5 Gigawatt pro
Jahr möglich ist?
({0})
Dieser Zubau ist einfach zu viel, weil er zu schnell
kommt. Es gibt doch - das wissen wir alle - Probleme
mit der Netzstabilität. Wir haben die große Sorge, dass
es durch entsprechenden PV-Einfluss zu einem Blackout
kommen könnte. Von daher bin ich dankbar, dass die
Bundesregierung zugleich mit dieser Novelle das Problem aufgreift und die 50,2-Hertz-Problematik lösen
will.
Zu der Argumentation, PV sei ja im Moment gar nicht
mehr so teuer, von daher könnten wir das ganz gut verkraften, möchte ich nur sagen: Allein der im letzten Jahr
erfolgte Zubau kostet Jahr für Jahr 1,6 Milliarden Euro.
Da hilft nichts. Man kann also wirklich nicht sagen, dass
es sich dabei um Peanuts handeln würde.
({1})
Beides zusammen, die Befürchtung eines Blackouts
und die hohen Kosten, die einfach anfallen - das müssen
wir zur Kenntnis nehmen -, macht mir Sorge im Hinblick auf die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land. Diese müssen wir auf jeden Fall
für unsere Energiewende, also den Umbau hin zu immer
mehr erneuerbaren Energien, erhalten.
Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der atmende Deckel, den wir
bislang hatten
({2})
und der an 2 500 bis 3 500 Megawatt ausgerichtet war,
eben nicht funktioniert hat, obwohl sich die Vergütung
für Solarstrom in den letzten vier Jahren fast halbiert hat.
Das war angesichts des rasanten Verfalls der Modulpreise viel zu langsam. Dieser rasante Verfall der Preise
liegt letztendlich überhaupt nicht in unserer nationalen
Gesetzgebung begründet, sondern darin, dass in China
und in Asien riesige Produktionskapazitäten aufgebaut
worden sind, mit riesigen staatlichen Subventionen, gegen die wir überhaupt nicht ankommen, und darüber hinaus darin, dass die Nachfrage der internationalen
Märkte zusammengebrochen ist. Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nun von hier aus, aus
dem Deutschen Bundestag heraus, überhaupt nicht beeinflussen. Deshalb ist es einfach falsch, wenn man sagt,
dass wir durch Änderungen am EEG entweder Arbeitsplätze retten oder in Gefahr bringen könnten. Mit solchen Aussagen werden die Leute draußen einfach für
dumm verkauft. Das stimmt einfach nicht.
({3})
Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung jetzt
drei Maßnahmen vorgeschlagen hat, um zu einem nachhaltigen Ausbau der Erneuerbaren, insbesondere der
Photovoltaik, zu kommen.
Eine Maßnahme ist die Einmalabsenkung, die, auf
den ersten Blick betrachtet, weil sie sich in einer Größenordnung von 20 bis 30 Prozent bewegt, sicherlich
heftig ist. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wenn man
in Erwägung zieht, dass es sich in Wirklichkeit um das
Vorziehen der ohnehin zum 1. Juli geplanten Absenkung
um 15 Prozent handelt, relativiert sich das Ganze schon
wieder ein wenig. Man kann eben nicht sagen: Alles,
was möglichst teuer ist, ist auch gut. Vielmehr müssen
wir schauen, wie wir es möglichst effizient machen.
({4})
Es ist richtig, dass die Bundesregierung jetzt sagt: Für
Anlagen über 10 Megawatt soll keine Vergütung mehr
gezahlt werden; denn diese bringen die größten Netzintegrationsprobleme. Es ist auch richtig, dass wir den
Bau von „Solarstadl“ oder „Scheinscheunen“ nun nicht
mehr durch das EEG fördern. Auch hier gibt es nämlich
ganz sicher Korrekturbedarf.
Mit Blick auf die Marktintegration will ich sagen,
dass die Frage, ob die Begrenzung der Vergütung für
Investoren eine Zumutung ist, durchaus berechtigt ist.
Besitzer von Solaranlagen, die auf den Dächern von
Eigenheimen installiert sind, können durch Verhaltensänderungen einen Eigenverbrauch von 10 Prozent leicht
realisieren. Ich wünsche mir, dass die Gewerbebetriebe
und die landwirtschaftlichen Betriebe, die entsprechend
größere Anlagen haben, jetzt tatsächlich in die Pötte
kommen und schauen, was sie denn tun können, um ihren Eigenverbrauch zu steigern. Das halte ich für ein
ausgesprochen gutes Signal.
({5})
Die Verstetigung wird gebraucht, damit nicht immer
und immer wieder eine Schlussverkaufsrallye stattfindet.
Bei all dem, was wir tun, müssen wir aber schauen, dass
wir den Vertrauensschutz gewährleisten. Das bedeutet,
dass die Investoren, die im Vertrauen auf die von uns
verabschiedeten Gesetze Geld in die Hand genommen
haben, sicheren Grund unter den Füßen haben. Deshalb
muss es da zu Änderungen im Vorschlag der Bundesregierung kommen. Wir müssen auch die Frage vernünftig überdenken, inwieweit wir als Parlamentarier das Gesetz - Stichwort „Verordnungsermächtigung“ - in den
eigenen Händen behalten können.
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir ganz sicher, dass wir auf Grundlage dieser Novelle auch weiterhin einen dynamischen Zubau von Photovoltaikanlagen
in Deutschland haben werden und dass die Photovoltaik
auch zukünftig einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten wird. Ich bin mir ebenfalls sicher, dass wir
die selbst gesteckten Ziele - dazu gehört die Realisierung einer Leistung von 52 Gigawatt - erreichen werden.
Herzlichen Dank.
({7})
Wolfgang Tiefensee hat jetzt das Wort für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute erneut mit dem Thema Energiewende.
Nach dem Verlauf der Diskussion kann ich resümieren:
Es macht eigentlich keinen Spaß, ewig dieselben Dinge
in Richtung Regierungsbank zu sagen, ohne dass es von
dieser Seite eine vernünftige Reaktion gibt.
({0})
Sehr verehrter Herr Kollege Rösler, was nicht geht,
ist, dass Sie in einer ernsthaft geführten Debatte, in der
es um Energieeffizienz und um Solarstromförderung
geht, der Opposition in denunziatorischer Weise vorwerfen, sie würde sich nicht um die Stromkunden, um den
Mittelstand und um den vernünftigen Einsatz erneuerbarer Energien kümmern.
({1})
Das geht so nicht. Wir erwarten, dass Sie die Vorschläge
der Opposition konstruktiv aufnehmen, damit endlich
die Energiewende stattfindet, die wir gemeinsam wollen.
({2})
Ich will den Stand der Diskussion anhand einiger
Punkte verdeutlichen. Herr Rösler und Herr Röttgen, die
Energieeffizienzrichtlinie der EU-Kommission hat bisher nur dazu geführt, dass Sie - übrigens nach monatelangem Streit; wir haben es vor drei Wochen thematisiert eine Stellungnahme auf den Tisch gelegt haben, die mit
Blick auf das Gesamtkonzept besagt: Wir erwarten, dass
es Aktionspläne für die Energieeffizienz gibt, in denen
wir zukünftig die Maßnahmen verankern wollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierung, wo sind denn jetzt die Maßnahmen, über die wir
diskutieren können und die sich in ein großes System
einbetten?
Erster Kritikpunkt. Es gibt kein Gesamtkonzept. Wie
will man dann überhaupt vorangehen?
Zweiter Kritikpunkt. Es gibt keine Kostensicherheit.
In einigen Bereichen - ich greife beispielsweise die
Elektromobilität und das Gebäudesanierungsprogramm
heraus - gibt es nur einen Schlingerkurs. Sie haben die
Förderung der Elektromobilität an den Erlös aus dem
Zertifikatehandel gebunden. Der Finanzminister muss
jetzt die Förderung für die nächsten Jahre auf 50 Prozent
und die Höhe der Verpflichtungsermächtigungen auf
60 Prozent begrenzen. Wie soll sich denn eine Technologie, die im Mobilitätssektor die Effizienz vorantreiben
könnte, entwickeln, wenn es diese Unsicherheiten gibt?
Dritter Kritikpunkt. Die fehlende Planungssicherheit
wurde schon mehrfach angesprochen. Sowohl die Großindustrie als auch der Mittelstand, aber natürlich ebenso
die privaten Haushalte und die öffentliche Hand brauchen Planungssicherheit.
Herr Röttgen, ich kann nicht verstehen, dass Sie einen
Pappkameraden aufbauen und hier ausführen, dass die
Opposition eine Degression der Subventionen verhindern wolle. Erst bauen Sie einen Pappkameraden auf,
und dann fassen Sie einen entsprechenden Beschluss in
der Öffentlichkeit. Es hat nie einen Zweifel daran gegeben, dass wir Subventionen intelligent zurücksteuern
müssen; schließlich waren sie ein Markteinführungsinstrument. Also: Die Vorschläge liegen auf dem Tisch.
Im letzten April haben wir unser Konzept vorgelegt. Lesen Sie es nach; dann können Sie sehen, was Planungssicherheit ist.
Eine Partei wie die FDP, die so tut, als ob sie für den
Mittelstand wäre, aber am Ende dazu beiträgt, dass im
Mittelstand Verunsicherung herrscht, sollte umdenken,
Herr Rösler, statt auf diejenigen einzudreschen, die vernünftige Vorschläge machen.
({3})
Es hat keinen Sinn, von einer Seite der Allee zur anderen
zu fahren. Wir brauchen vielmehr eine Verstetigung,
eine Planungssicherheit, einen Vertrauensschutz für den
Mittelstand.
({4})
Das nächste Thema ist die Transparenz. Ich habe gehört, dass Sie über die Verordnungsermächtigung noch
einmal nachdenken wollen. Es ist doch ein Unding, dass
Sie den zentralen Gedanken der Festlegung der Förderung von der Entscheidung eines Verwaltungsgremiums
abhängig machen wollen.
({5})
- Nein. - Das ist nicht nur eine Entmachtung des Parlamentes, sondern auch eine völlig unsachgemäße Entscheidung. Diese Entscheidung gehört hierhin. Wir bitten, das zu überdenken.
({6})
Schließlich: Was tun Sie für die Kommunikation in
Bezug auf die Energiewende, in Bezug auf die Energieeffizienz? Was für eine chaotische Diskussion erleben
wir in der Öffentlichkeit? Es wird nur kommuniziert,
dass sich die Ministerien streiten. Für die Akzeptanz in
der Bevölkerung, in den öffentlichen Verwaltungen, in
den Handwerksbetrieben und in der Industrie tun Sie
nichts.
Summa summarum: Sie gefährden die Umweltziele.
Sie gefährden die Industriepolitik und die Politik für den
Mittelstand. Sie gefährden Arbeitsplätze. Deshalb ist es
an der Zeit, dass Sie ein Gesamtkonzept mit Maßnahmen
vorlegen, die überprüfbar sind und die sich in den europäischen Kontext einordnen. Ich erwarte, dass Sie - hier
spreche ich insbesondere Sie an, Herr Rösler; ich habe
Sie in Leipzig vor Tausenden Unternehmern erlebt endlich Ihre Arroganz und Ihren Zynismus in Bezug auf
diejenigen fallen lassen, die das eingeleitet haben, auf
dem Sie sich jetzt ausruhen.
Vielen Dank.
({7})
Klaus Breil hat das Wort für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um eine längst überfällige Anpassung der Solarförderung. Wir begrüßen die Einigung. An
einer Stelle wollen wir allerdings nachbessern: Wir arbeiten daran, mehr Vertrauensschutz und längere Übergangsfristen zu schaffen. Wir wollen damit Investitionen, die die mittelständische Wirtschaft getätigt hat,
sichern. Das haben Sie hoffentlich gehört, Herr
Tiefensee.
({0})
In Deutschland wurde allein in den letzten beiden
Jahren eine Kapazität von rund 15 Gigawatt Photovoltaik neu installiert. Dieser gewaltige Zubau verursacht
auch gewaltige Kosten, die der Verbraucher zu tragen
hat. Ich meine zuerst diejenigen Verbraucher, die selbst
kein Haus besitzen und mit ihrer Stromrechnung die
Renditen der Besitzer von Photovoltaikanlagen sichern
müssen. Es ist also das Gebot der Stunde und nicht weniger auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit, die Kosten
für den Zubau wirkungsvoll zu begrenzen.
Zugleich werden wir dafür sorgen, dass die deutsche
Photovoltaikindustrie auf dem Weltmarkt bestehen kann.
Es ist zwar richtig, dass die Solarindustrie in Ostdeutschland, vor allem auch in Thüringen, sehr stark ist; allerdings leiden viele Branchen im Osten massiv unter den
hohen Energiepreisen. Es droht, dass diese Branchen aus
diesem Grund Personal abbauen und sogar aus Deutschland abwandern müssen. Es ist wahrscheinlich, dass ein
weiteres Steigen der Energiepreise im Endeffekt mehr
Arbeitsplätze kosten wird als die jetzt beschlossenen
Förderkürzungen.
Mit der hohen Förderung subventionieren wir ohnehin schon jetzt zum großen Teil Arbeitsplätze in China
und nicht in Ostdeutschland. Ich will einmal deutlich
machen, wie viele Menschen eigentlich direkt in der
deutschen Photovoltaikindustrie und in der Installation
tätig sind: Es handelt sich um 30 000 Vollzeitjobs. Das
stimmt, auch wenn die Photovoltaikindustrie immer andere Zahlen in die Welt zu setzen versucht.
Schließlich muss uns bekannt sein, wie viel uns die
Photovoltaikförderung kostet und wie viel Strom am
Ende produziert wird. Es geht um einen gesunden Blick
auf das Verhältnis von Subvention zu Ergebnis: 2011
produzierte die Photovoltaikindustrie 19,5 Terrawattstunden Strom. Das sind lediglich 3,2 Prozent der Primärenergie zur Erzeugung von Strom in Deutschland.
Das Ganze kostet uns Verbraucher 8 Milliarden Euro
netto pro Jahr. Dieser Luxus bedeutet: Jede erzeugte Kilowattstunde Photovoltaikstrom kostet 41 Cent.
Frau Andreae, als Wirtschaftspolitiker wissen Sie
doch:
({1})
Es kommt auf ein gesundes Verhältnis von Kosten und
Nutzen an. Sie wissen auch, dass die deutsche Industrie
weltweit die höchsten Energiekosten hat. Deshalb sind
Kostenentlastungen notwendig.
({2})
Aus diesem Grund passen wir jetzt mit einer einmaligen Absenkung die Vergütung an die gesunkenen Marktpreise der Anlagen - also Module, Wechselrichter und
Installationen - an; wir tun nicht mehr und nicht weniger. Die Reaktion darauf war übrigens überwältigend.
Die Tinte unter diesem Kompromiss zwischen BMU und
BMWi war noch nicht trocken, da klingelte schon das
Telefon Sturm. Photovoltaikverbände und Projektierer
zeichneten ein Bild des Untergangs.
Das Gegenteil wird der Fall sein, wie schon bei früheren Anpassungen bewiesen. Der Markt wird richtig reagieren und sich auf die neue Situation einstellen. Nur
die Solarlobby hat das noch nicht erkannt; denn sie hat
es versäumt, ihre Mitglieder über die absehbare Entwicklung von Preisen und Kosten hinreichend zu informieren,
({3})
obwohl sie selbst wiederholt Bedenken über die schwindende Akzeptanz der Photovoltaikförderung äußerte.
Falsch gehandelt haben auch weite Teile der Solarindustrie. Sie ruhte sich insbesondere in den Jahren satter Gewinne auf garantierten Vergütungssätzen aus, anstatt
ausreichende Mittel in Forschung und Entwicklung zu
investieren.
Wir verfolgen übrigens auch das Ziel, bei einer Überoder Unterschreitung des Zubaukorridors sofort Änderungen an der monatlichen Degression vornehmen zu
können. Bei der hierfür angedachten Verordnungsermächtigung für das BMU im Einvernehmen mit dem
BMWi fehlt mir allerdings noch die notwendige Beteiligung des Parlaments. Wir werden hier noch eine geeignete Lösung finden.
Meine Damen und Herren, um die Photovoltaik näher
an den Markt heranzubringen, wird künftig nur noch ein
bestimmter Prozentsatz - 85 bis 90 Prozent der Strom19178
menge - vergütet. Die nicht vergüteten Strommengen
können entweder selbst verbraucht oder am Markt verkauft werden. Gleichzeitig fällt der Eigenverbrauchsbonus nach dem EEG 2012 weg. Die EEG-Kosten werden
so weiter entlastet.
Noch ein Wort zur EU-Effizienzrichtlinie. Deutschland hat seit Jahren einen rückläufigen Energieverbrauch
und dennoch ein beachtliches wirtschaftliches Wachstum. Diese Entkopplung von Energieverbrauch und
Wirtschaftswachstum haben nur wenige andere EU-Mitgliedstaaten geschafft. Natürlich bekennen wir uns zu
dem Ziel, die Energieeffizienz bis 2020 um 20 Prozent
zu steigern.
Vielen Dank.
({4})
Jetzt hat Waltraud Wolff das Wort für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Bei diesem Thema geht es insbesondere um
die Arbeitsplätze in Ostdeutschland. Deshalb, Herr
Breil, hören Sie einmal gut zu; Sie können vielleicht
noch etwas lernen.
Das Solarmagazin Photon hat in seiner aktuellen Ausgabe Herrn Minister Röttgen zum „Solarfeind Nr. 1“ erklärt.
({0})
In einem offenen Brief hat die Redaktion in Gänze seinen Rücktritt gefordert und gefragt, für wie dumm er die
Leute eigentlich hält. In den letzten Tagen habe ich viel
mit Betriebsräten gesprochen. Ich kann Ihnen sagen: Die
Leute im Land sind nicht dumm. Sie sehen ganz genau,
dass die schwarz-gelbe Bundesregierung bei der Photovoltaik einen Kahlschlag vornehmen will. Sie sehen
auch, dass es hier um ihre Arbeitsplätze geht.
Herr Minister Rösler, es wurde vorhin schon angesprochen: Keiner redet über die Verbraucher. Auch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind Verbraucher.
Ich rede über sie. In Sachsen-Anhalt hält sich Q-Cells,
eines der ersten und größten Unternehmen der Branche,
so gerade noch über Wasser. Herr Breil, die Angestellten
- es geht um 1 650 Arbeitsplätze - produzieren dort zu
40 Prozent für den deutschen Markt, nicht für China;
({1})
China produziert auch nicht für den hiesigen Markt. Diesen Markt, meine Damen und Herren, will die Bundesregierung trockenlegen. Ist das der Todesstoß nicht nur für
Q-Cells? Fakt ist doch, dass jeder verlorene Arbeitsplatz
in der Solarbranche auf das Konto der Herren Minister
Rösler und Röttgen gehen wird.
({2})
Meine Damen und Herren, noch im August 2010 hat
Herr Röttgen in Thüringen die „hochwertigen Arbeitsplätze“ in der Solarindustrie gelobt. Seitdem wird die
Photovoltaikbranche aber ständig ausgebremst. Was bedeutet der jetzige, der aktuelle Schritt? Der Zubau wird
begrenzt. Herr Röttgen, Sie vernichten jetzt die Arbeitsplätze, die Sie noch 2010 hoch gelobt haben.
({3})
Die Solarbranche … schafft gerade in Ostdeutschland viele hochwertige Arbeitsplätze.
So ließ sich Herr Röttgen noch im vorletzten Jahr zitieren; es ist auch ein Thema dieser Aktuellen Stunde. Es
stimmt: 12 500 Arbeitsplätze sind es schon allein bei den
PV-Herstellern im Solar Valley in Mitteldeutschland. In
einem Standortgutachten zur Entwicklung in Ostdeutschland heißt es: 18,4 Prozent der Erwerbstätigen
Deutschlands arbeiten im Osten der Republik; im Bereich der Photovoltaik sind es 32,6 Prozent, bei den industriellen Herstellern ganze 57,1 Prozent. Damit ist
ganz klar belegt, dass die Photovoltaikbranche die zweitwichtigste auf dem ganzen ostdeutschen Arbeitsmarkt
ist.
({4})
Nun kann man sich heute hier die Frage stellen: Wird
das so bleiben? In Bitterfeld bangen die Mitarbeiter von
Q-Cells. Bei First Solar in Frankfurt an der Oder gibt es
ab morgen Kurzarbeit. Mein Herz ist bei den Kollegen in
Frankfurt ({5}).
({6})
Betroffen sind 1 200 Mitarbeiter. Auch das sind Verbraucherinnen und Verbraucher.
({7})
Auch bei Conenergy fängt man jetzt mit Kurzarbeit an;
die ersten Mitarbeiter wurden sogar entlassen.
Meine Damen und Herren, das EEG ist doch eine Erfolgsgeschichte.
({8})
Die Erneuerbaren haben sich durchgesetzt. Es gibt erfolgreiche Technologien. Ostdeutschland hat hochqualifizierte Arbeitsplätze gewonnen. Aber diese Bundesregierung reißt alles ein. Die Zeche zahlen die Unternehmer,
die auf Zukunft gesetzt haben, und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
({9})
Herr Röttgen, Photon scheint recht zu haben: Als Umweltminister sollten Sie an dieser Stelle Ihren Hut nehmen. Anstatt auf diese Entwicklung stolz zu sein, setzen
Waltraud Wolff ({10})
Sie hier die Axt an, zielen auf den Solarstrom und treffen
damit den Klimaschutz und den Aufbau Ost.
({11})
Meine Damen und Herren, zum Schluss vielleicht ein
kleiner Blick in die Geschichte. Noch vor 100 Jahren beherrschte ein Land, das Großbritannien heißt, den Weltmarkt. Dann hat es in Deutschland Vorreiter gegeben.
Vorhin ist Siemens angesprochen worden; es gab noch
mehr Vorreiter. Sie haben es geschafft, die deutsche
Wirtschaft durch Vordenken auf die Gewinnerstraße zu
bringen und zum Exportweltmeister zu machen. Die
Bundesregierung und die beiden Minister, die heute hier
im Mittelpunkt stehen, führen diese Branche auf die Verliererstraße.
({12})
Es ist ein trauriger Tag, wenn es dabei bleibt.
Vielen Dank.
({13})
Jetzt spricht Franz Obermeier für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Tagen wurde in Deutschland das Ergebnis einer
Umfrage veröffentlicht, in der die Frage gestellt wurde:
Welcher Fraktion im Deutschen Bundestag würden Sie
die größte Problemlösungskompetenz zumessen? Das
Ergebnis: Die SPD ist marginalisiert, und die Grünen
spielen keine Rolle.
({0})
Warum sage ich das? Weil diese Aktuelle Stunde den
einschlägigen Beweis dafür liefert, dass hier mit Argumenten gearbeitet wird, die alles andere als stichhaltig
sind und die ausschließlich der Verwirrung unserer Bürgerinnen und Bürger dienen.
({1})
Ich möchte mich als Erstes mit dem Argument auseinandersetzen, dass die Novellen zum EEG, die diese
Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, die Ursache
dafür sind, dass in Deutschland Arbeitsplätze in der Photovoltaikindustrie gefährdet sind. In den zurückliegenden zwei Jahren hatten wir einen Aufwuchs im Bereich
Photovoltaik in einem Ausmaß, das wir volkswirtschaftlich nicht mehr vertragen. Deswegen muss jetzt korrigiert werden.
({2})
Trotzdem haben wir uns gegen Ende vergangenen Jahres
mit der Insolvenz von Solon auseinandersetzen müssen,
und das, obwohl die Nachfrage nach Modulen in
Deutschland so hoch war wie nie.
({3})
Frau Kollegin Wolff, allein dieses eine Beispiel widerlegt Sie eindeutig: Die Ursache für den Niedergang
der Solarbranche, den wir hoffentlich in Grenzen halten
können, ist eben nicht der deutsche Markt.
({4})
Nein, die Ursache sind der weltweite Wettbewerb und
der Aufbau von Produktionsüberkapazitäten, insbesondere in China. Auch ich beklage die Tatsache, dass in
China mit Mitteln gearbeitet wird, die wir als Anhänger
der sozialen Marktwirtschaft nicht tolerieren können.
Staatliche Subventionen für Produkte, die den Wettbewerb auf dem Weltmarkt verfälschen, das entspricht
nicht unseren Vorstellungen.
Lassen Sie mich ein paar Worte zur aktuellen Diskussion über den Vorschlag der Bundesregierung sagen. Natürlich werden wir über den Stichtag reden.
({5})
- Selbstversändlich werden wir über den Stichtag reden. Es gilt das Struck’sche Gesetz:
({6})
Noch kein Gesetz hat das Parlament so verlassen, wie es
hineingekommen ist. Das ist das eine.
Das andere ist
({7})
die Verordnungsermächtigung.
({8})
Ich gebe ganz offen zu, dass ich mich furchtbar schwer
damit tue, meine Meinung von 2008 und 2009 - damals
haben wir schon einmal über dieses Thema gesprochen zu ändern. Es gäbe zwar Gründe, weil zumindest in einem Ministerium mittlerweile mehr Sachverstand vorhanden ist; das will ich gerne zugestehen. Aber ich bin
auch der Auffassung, dass das Parlament bei diesen Entscheidungen das Heft des Handelns in der Hand halten
sollte.
({9})
Zum Abschluss noch ein Wort zum Thema Eigenverbrauch. Die Regelung zur Eigenverbrauchsvergütung,
die Minister Röttgen bei der vorletzten Novelle zum
EEG eingeführt hat, war ein erster, für meine Begriffe
richtiger Schritt. Wenn man das ganze System jetzt so
umstellt, dass wir von der erzeugten Strommenge pauschal prozentual etwas abziehen, dann ist auch das eine
Möglichkeit, vermutlich sogar eine bessere Möglichkeit
als die freiwillige Inanspruchnahme.
Wir werden die Energiewende so gestalten, dass sie
volkswirtschaftlich verträglich ist, dass sie keinen besonderen Schaden anrichtet; denn wir haben die Gesamtverantwortung für die Volkswirtschaft in Deutschland.
({10})
Wir sind mit dem Herzen nicht nur bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Photovoltaikindustrie,
sondern bei allen Mitarbeitern in der gesamten deutschen Wirtschaft. Denen fühlen wir uns verantwortlich,
und so werden wir Politik betreiben.
Herzlichen Dank.
({11})
Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Jens Koeppen für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche einmal, die Debatte
zusammenzufassen: Es besteht Konsens - das habe ich
festgestellt -, dass der Umbau der Energieversorgung
nach wie vor eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist; darin sind wir uns einig.
Ich möchte mich auf ein paar Kernaussagen dieser
Debatte konzentrieren. Ich fange bei der Energieeffizienz an. Dieses Thema ist aus meiner Sicht ein bisschen
zu kurz gekommen.
({0})
Wir wollen die Energieeffizienz steigern. Die Energie,
die wir nicht verbrauchen, müssen wir nicht erzeugen.
Ich glaube, das ist die beste Alternative. Auf diesem Gebiet müssen wir mehr tun. Wir geben auf europäischer
Ebene pro Jahr 400 Milliarden Euro für Energieimporte
aus. Wir wollen einen großen Teil dieses Geldes umschichten, damit nicht mehr so viele Energierohstoffe
eingekauft werden müssen. Das entspricht unserem
Energieeffizienzansatz. Wir wollen in Energieeffizienztechnologie investieren. Das spart Ressourcen, das
schont die Umwelt, und das schafft vor allen Dingen Arbeitsplätze hier bei uns im Land. Darauf müssen wir
mehr Wert legen.
({1})
Es gibt die ganz hervorragende und erfolgreiche Exportinitiative Energieeffizienz - die gibt es allerdings schon
seit 2007 -: „Energieeffizienz - Made in Germany“. Auf
diesem Gebiet müssen wir noch ein bisschen mehr tun.
({2})
Es wurde bereits gesagt, dass die Bezahlbarkeit der
Energie an oberster Stelle steht. Das kann ich nur unterstützen. Energie darf kein Luxusgut werden. Die EEGUmlage darf - das haben wir ins Konzept geschrieben 3,5 Cent pro Kilowattstunde nicht überschreiten. Die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie muss gewährleistet bleiben. Hohe Energiepreise sind heutzutage
die größte Wirtschaftsbremse. Weit vor den Personalkosten stehen die Energiekosten, und die müssen wir im
Auge behalten.
({3})
In diesem Zusammenhang wurde hier immer wieder
über Arbeitsplätze gesprochen. Ich möchte ganz deutlich
sagen, dass wir die Arbeitsplätze auf keinen Fall gegeneinander ausspielen dürfen: auf der einen Seite die guten
Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien und
auf der anderen Seite die weniger guten im Bereich der
Industrie.
({4})
Wenn wir das machen, haben wir schon verloren. Uns
sind alle Arbeitsplätze in Deutschland wichtig. Ich fordere Sie auf, unseren Kurs mitzutragen.
({5})
Am meisten wurde hier darüber diskutiert, dass die
Energieversorgung zum überwiegenden Teil durch die
Nutzung erneuerbarer Energien erfolgen soll. Das heißt,
dass wir das Zeitalter der erneuerbaren Energien gemeinsam beginnen wollen. Dazu brauchen wir aber Anreize und nicht Dauersubventionen. Das EEG - das ist
jetzt, glaube ich, die fünfte Novelle - ist eine gute Idee,
wenn es um Energieversorgung geht.
({6})
Hier hatte ich aber immer wieder den Eindruck - vor allen Dingen bei Ihnen, den Sozialdemokraten -, dass es
um enttäuschte Renditeerwartungen geht. Es geht um
Vergütungssätze - hoch und runter.
({7})
In den Diskussionen im Ausschuss geht es immer wieder
um den NaWaRo-Bonus. Es geht um den Güllebonus
und um die Maisquote; aber es geht nicht um Energieversorgung. Deswegen sage ich: Im Zusammenhang mit
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz muss es wieder um
die Energieversorgung in Deutschland gehen. Dazu rufe
ich Sie auf.
({8})
Wir brauchen bezahlbare, sichere Energie. Es muss
auch wieder über Grundlasten gesprochen werden. Es
muss über Lastmanagement gesprochen werden.
({9})
Es muss über Regelenergie gesprochen werden.
({10})
Es muss darüber gesprochen werden, wie dafür gesorgt
werden kann, dass die Regelenergie bezahlbar bleibt. Es
muss über Energietransporte gesprochen werden, über
Netzausbau, über Speichertechnologie und nicht nur
über den Bonus.
Es kann einfach nicht sein, dass wir auf der einen
Seite erneuerbare Energien, die überschüssig sind, exportieren und auf der anderen Seite teuren Kernenergiestrom aus Frankreich oder Temelin importieren. Das
muss der Vergangenheit angehören. Wir wollen, dass das
Ganze im Kontext gesehen wird.
({11})
Meine Damen und Herren, man sollte innovativ sein
und nicht 20 Jahre lang blind einspeisen. Blind einzuspeisen, das bewirkt, dass Unternehmer satt und träge
werden. Das EEG braucht viel stärkere Innovationsansätze. Wir müssen es zu einem wahren Innovationsgesetz fortschreiben. Sie glauben doch nicht wirklich,
dass Sie mit höheren Vergütungssätzen Arbeitsplätze sichern können. Arbeitsplätze bleiben nur dann erhalten,
wenn Qualität und technologische Leistungsfähigkeit
kaufentscheidend sind. Den Wettbewerb mit Asien werden wir nicht gewinnen, auch wenn wir die Vergütungssätze um 10 Cent erhöhen. Die Rendite durch den Verkauf chinesischer Module wird immer höher als die
Rendite durch den Verkauf unserer Module sein. Das
müssen wir doch endlich einmal begreifen.
({12})
Das EEG muss die Branche zu Innovation ermuntern.
Ein überhitzter Markt, ein überstürzter Umbau, extrem
hohe Zubauraten und die ständige Jahresendrallye schaden der Branche. Die deutsche PV-Industrie muss mit
Innovationen am Weltmarkt gehalten werden. Deswegen
fordere ich Sie auf, diese Novelle zu unterstützen.
Vielen herzlichen Dank.
({13})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 1. März 2012,
9 Uhr, ein.
Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Einsichten.
Die Sitzung ist geschlossen.