Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Sitzung
habe ich gemäß Art. 39 Abs. 3 des Grundgesetzes in
Verbindung mit § 21 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung
aufgrund des Verlangens aller Fraktionen im Hause ein-
berufen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 a und b auf:
a) Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin
Finanzhilfen für Griechenland und Europäi-
scher Rat am 1./2. März 2012 in Brüssel
b) Beratung des Antrags des Bundesministeriums
der Finanzen
Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3
Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes ({0}) für Notmaßnahmen der
Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik
- Drucksachen 17/8730, 17/8731, 17/8735 Ich weise darauf hin, dass Ihnen inzwischen auch die
Unterrichtung des Bundesministeriums der Finanzen
über das vorläufige Troika-Update, also die aktualisierte
Fassung der zunächst mündlich in den Ausschüssen am
Freitag vorgetragenen Einschätzung der griechischen
Schuldentragfähigkeit und zur öffentlichen Finanzierung, vorliegt, die ich, nachdem ich sie heute Mittag in
einer deutschen Übersetzung erhalten habe, unverzüglich habe verteilen lassen. Sie liegt auch draußen an den
bekannten Stellen für diejenigen Kollegen aus, die da
noch Einsicht nehmen möchten.
Über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen werden wir später namentlich abstimmen. Zu beiden
Punkten liegen mehrere Entschließungsanträge vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die
Staatsschuldenkrise in Europa ist die schwerste Bewährungsprobe in der Geschichte der europäischen Einigung, und ihre Überwindung ist die große Herausforderung für uns alle - für uns alle, die wir heute politische
Verantwortung tragen.
Die Bundesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie alles tun wird, damit Europa diese Bewährungsprobe nicht nur besteht, sondern damit Europa
gestärkt aus dieser Bewährungsprobe hervorgeht.
({0})
In dieser Lage waren es gerade Deutschland und die
Bundesregierung, die immer wieder vor der Illusion
schneller und einfacher Lösungen gewarnt haben.
({1})
Wir warnen unverändert davor, weil es die schnelle und
einfache Lösung, einen Befreiungs- oder Paukenschlag
nicht gibt.
Wir befinden uns vielmehr inmitten eines langen Prozesses aufeinanderfolgender Schritte und Maßnahmen,
und dieser Prozess wird Jahre in Anspruch nehmen.
Europa muss zeigen, dass es die richtigen Lehren aus der
Krise zieht. Seit dem Beginn dieser Krise vor zwei Jahren sind wir ein gewaltiges Stück vorangekommen.
Heute sind wir uns in Europa über die Ursachen der
Krise einig: die übermäßige Staatsverschuldung, eine
mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Staaten
sowie grundlegende Fehler in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion.
Wenn wir Lösungen akzeptieren, die die
Ursachen dieser Krise bekämpfen, dann können und
dann werden wir auch den Weg finden, um wieder aus
dieser Krise herauszukommen. Wenn wir unumkehrbare
Schritte hin zu einer nachhaltigen Stabilitätsunion gehen, dann beenden wir auch den Weg in die immer tiefere Verschuldung, an deren Ende nicht nur einzelne
europäische Mitgliedstaaten am Abgrund stehen, sondern Europa als Ganzes.
Europa scheitert, wenn der Euro scheitert. Europa gewinnt, wenn der Euro gewinnt. Der Euro gewinnt, wenn
wir eine Stabilitätsunion schaffen, die diesen Namen tatsächlich verdient, weil sie von einem starken Fundament
aus Solidität, Wachstum und Solidarität getragen ist.
Solidität, Wachstum und Solidarität, sie sind auch die
Grundlage des neuen Griechenland-Pakets, auf das sich
die Finanzminister der Euro-Gruppe nach harten Verhandlungen in der letzten Woche geeinigt haben. Wie
von den Staats- und Regierungschefs im Oktober letzten
Jahres beschlossen, soll der griechische Schuldenstand
von heute über 160 Prozent auf 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 2020 zurückgeführt werden.
Dennoch ging und geht es bei Griechenland nicht allein ums Sparen, so unausweichlich das auch ist; es geht
darum, Griechenland wettbewerbsfähig zu machen und
auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen.
({0})
Dies wird nur gelingen, wenn alle ihren Beitrag leisten,
vorneweg natürlich Griechenland selbst, indem es eine
umfassende Reformagenda umsetzt. Es führt kein Weg
daran vorbei, frühere Fehlentwicklungen jetzt zu korrigieren. So sind in Griechenland zum Beispiel die Löhne
nach der Einführung des Euro Jahr für Jahr stärker gestiegen als die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft; entsprechend sank die Wettbewerbsfähigkeit. Beides muss
wieder in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden,
wenn es neues Wachstum geben soll.
Deshalb sollen mit dem neuen Programm gerade diejenigen mehr in die Pflicht genommen werden, die sich
ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bisher nur allzu
leicht entziehen konnten.
({1})
Dazu gehört auch, dass Griechenland mit europäischer
Unterstützung seine Steuerverwaltung deutlich verbessert. Gerade die Bezieher hoher Einkommen müssen ihren Beitrag zur Finanzierung des griechischen Gemeinwesens leisten, meine Damen und Herren.
({2})
Griechenland muss in den kommenden Jahren seinen
Staatsapparat grundlegend modernisieren, umfassende
Strukturreformen durchführen, zum Beispiel durch die
stärkere Öffnung bislang geschlossener Märkte und Berufsgruppen. Dazu sind jetzt im griechischen Parlament
wichtige Beschlüsse gefasst worden. Es gilt jetzt, diese
Beschlüsse auch wirklich umzusetzen. Nur dies wird
mittelfristig die Wachstumschancen und damit auch das
Leben jedes einzelnen Bürgers Griechenlands verbessern. Das ist auch dringend erforderlich; denn den Menschen in Griechenland wurde bereits Außerordentliches
abverlangt. Aber nur durch solche Schritte wird den
Menschen in Griechenland eine Perspektive für eine
wirklich bessere Zukunft eröffnet.
Auch wenn ich die Letzte bin, die irgendetwas schönreden wollte,
({3})
so sollten wir doch zur Kenntnis nehmen, dass Griechenland in den letzten zwei Jahren bei allen Rückschlägen
durchaus auch Fortschritte erzielt hat. Es ist der griechischen Regierung zum Beispiel gelungen, das Primärdefizit von 10,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahre
2009 auf 2,4 Prozent im letzten Jahr zu senken. Dennoch: Der vor Griechenland liegende Weg ist lang, und
er ist wahrlich nicht ohne Risiken. Dies gilt auch für den
Erfolg des neuen Programms. Eine hundertprozentige
Erfolgsgarantie kann niemand geben.
Ich rede auch gar nicht drum herum: Immer wieder
mussten und müssen wir Probleme bei der Umsetzung
der Reformmaßnahmen feststellen. Immer wieder mussten und müssen wir erleben, dass Worten keine oder zu
wenige Taten folgen, dass Griechenland seine Zusagen
nicht eingehalten hat. Um dem Einhalt zu gebieten, wird
die Kommission die Überwachungskapazität vor Ort
verstärken; so haben es die Staats- und Regierungschefs
im Oktober letzten Jahres beschlossen. Genau dem dient
auch die Einrichtung eines Sonderkontos für den Schuldendienst, das in der griechischen Verfassung verankert
werden soll. Damit setzt Griechenland ein notwendiges
Zeichen, nach dem Schuldenschnitt zu den verbleibenden Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen und privaten Gläubigern zu stehen.
Wir haben seit langem deutlich gemacht: Auch der
Privatsektor muss seinen Beitrag leisten. Dies geschieht
jetzt, indem er griechische Anleihen bei einem Verlust
von 53,5 Prozent des Nennwerts gegen neue Anleihen
mit längeren Laufzeiten und weiter gesenkten Zinsen
tauscht. Wir ermutigen alle privaten Inhaber von Anleihen nachdrücklich, dieses Tauschangebot anzunehmen.
({4})
Die Mitgliedstaaten der Euro-Zone und des IWF werden ihren Beitrag leisten, indem sie das neue Programmpaket mit zusätzlicher öffentlicher Hilfe von bis zu
130 Milliarden Euro unterstützen. Dass der IWF weiterhin einen signifikanten Beitrag leistet und seine Erfahrung und Expertise einbringt, ist für die Bundesregierung unabdingbar. Das neue Programm läuft bis 2014.
Die Unterstützung wird in Tranchen und immer vorbehaltlich der Erfüllung der Auflagen zur Verfügung gestellt.
Ich kenne die Stimmen derer, die fragen, ob Griechenland nicht ein Fass ohne Boden sei, ein hoffnungsBundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
loser Fall, ob es nicht für alle besser sei, wenn Griechenland wieder die Drachme einführte,
({5})
seine Währung abwertete und so Wettbewerbsfähigkeit
zurückgewinnen könnte, ob es, in einem Wort, der EuroZone ohne Griechenland nicht besser ginge als mit Griechenland.
({6})
Diese Fragen haben ihre Berechtigung. Nach Abwägung
aller Pro- und Kontraargumente komme ich jedoch zu
dem Ergebnis, dass die Chancen, die in dem neuen Programm liegen, seine Risiken überwiegen.
({7})
Vor allem überwiegen die Chancen die Risiken, die
darin liegen, sich jetzt von Griechenland abzuwenden.
Ich halte diese Risiken für unkalkulierbar und deshalb
für nicht verantwortbar. Niemand kann abschätzen, welche Konsequenzen eine immer noch ungeordnete Insolvenz Griechenlands für uns alle und damit auch für die
Menschen in Deutschland hätte. Niemand kann abschätzen, welche Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung
in Deutschland entstünden. Niemand kann abschätzen,
welche Auswirkungen eine Verweigerung des zweiten
Griechenland-Programms auf die anderen Programmländer Portugal und Irland, gegebenenfalls dann auf Spanien und Italien, schließlich auf die Euro-Zone insgesamt und letztlich auf die ganze Welt hätte.
Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland soll und muss ich zuweilen Risiken eingehen;
Abenteuer darf ich aber nicht eingehen: Das verbietet
mein Amtseid.
({8})
Deshalb tue ich das auch nicht, sondern werbe nach Abwägung des Für und Wider, nach Abwägung aller Vorund Nachteile dafür, jetzt die Chancen, die wir Griechenland mit dem neuen Programm eröffnen, zu erkennen und zu nutzen - für Griechenland wie für die EuroZone insgesamt. Denn das Bemühen um eine nachhaltige Stabilisierung Griechenlands dient nicht nur Griechenland, sondern ist ein wichtiger Baustein, mit dem
wir eine neue Stabilitätsunion in Europa schaffen. Damit
liegt die nachhaltige Stabilisierung Griechenlands nicht
nur im Interesse des Landes selbst, sondern sie liegt im
Interesse der Euro-Zone insgesamt, sie liegt im europäischen Interesse und damit auch im deutschen Interesse.
Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung für das neue Griechenland-Programm.
({9})
Bei allen Maßnahmen geht es im Ergebnis darum,
Spielräume für eine nachhaltige Politik zurückzugewinnen. Eine nachhaltige Politik geht nicht auf Kosten kommender Generationen, sondern eröffnet neben dem
Schuldendienst Spielräume für Investitionen in die Zukunft. Für eine solche nachhaltige Politik können wir in
Europa Fortschritte verzeichnen. Italien, die drittgrößte
Volkswirtschaft der Euro-Zone, will durch weitere Sparmaßnahmen bereits im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Es wird seine Produktivität verbessern, indem zum Beispiel die Wettbewerbsbehörde
gestärkt, Dienstleistungen liberalisiert und Genehmigungsverfahren für strategische Infrastrukturprojekte
vereinfacht werden.
Spanien, die viertgrößte Volkswirtschaft der EuroZone, hat eine Schuldengrenze beschlossen, die vor allem auch die nachgeordneten Verwaltungen zu ausgeglichenen Haushalten verpflichtet. Eine umfassende
Arbeitsmarktreform soll die Schaffung längerfristiger
Beschäftigungsverhältnisse fördern und die Qualifikation spanischer Arbeitnehmer erhöhen. Damit werden
wichtige Wachstumsimpulse gesetzt.
Irland hat 2011 das vereinbarte Defizitziel nicht nur
erreicht, sondern die vorgegebene Defizitmarke sogar
unterboten. Wichtige Strukturreformen, vor allem im
Finanzsektor, und tiefe Einschnitte im Haushalt werden
umgesetzt. Die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit stärkt
Exporte und Wachstum. Wir können sagen, dass die Investoren bereits nach Irland zurückkehren.
In Portugal konnte sich die Regierung Coelho mit den
Sozialpartnern auf weitreichende Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine aktive Arbeitsmarktpolitik verständigen. Da das Reformprogramm
trotz der damit verbundenen Härten breite politische und
gesellschaftliche Unterstützung genießt, besteht die
große Chance, dass die Maßnahmen auch tatsächlich
umgesetzt werden können.
Wir sehen: Die Europäer haben begonnen, Strukturreformen anzupacken, die längst überfällig waren. Dies
gilt für die nationale Ebene, und dies gilt auch für die
europäische Ebene. Das bedeutet stärkere politische Zusammenarbeit. Das heißt, wir müssen die Konstruktionsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion auch in Europa beheben. Wir müssen Schritt für Schritt eine
politische Union schaffen. Nur so wird es tatsächlich gelingen, verlorengegangenes Vertrauen in die Euro-Zone
zurückzugewinnen.
In der Vergangenheit wurde der Stabilitäts- und
Wachstumspakt auch deshalb über sechzigmal verletzt,
weil Regelverstöße niemals Konsequenzen hatten. Damit muss nun endgültig Schluss sein.
({10})
Den Weg, den wir im letzten Jahr mit der Stärkung des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingeschlagen haben
- Sie erinnern sich an das Wort Sixpack -, haben wir mit
dem Fiskalvertrag noch verbindlicher und konsequenter
fortgesetzt.
({11})
Das Defizitverfahren bekommt endlich den Biss, den es
braucht, um effektiv und glaubwürdig zu sein.
Vor einem Jahr haben sich die Staats- und Regierungschefs im Euro-Plus-Pakt politisch darauf verständigt, nationale Schuldenregeln einzuführen, wie sie in
Deutschland bereits seit 2009 gelten. Heute stehen wir
unmittelbar vor der Unterzeichnung eines verbindlichen
völkerrechtlichen Vertrages, der hierzu klare und ehrgeizige Vorgaben macht und eine beim Europäischen
Gerichtshof einklagbare, sanktionsbewehrte Umsetzungsverpflichtung mit einer klaren Frist enthält. Dieser
Fiskalvertrag soll dem Deutschen Bundestag in Kürze
zur Ratifizierung vorgelegt werden. Damit binden sich
nationale Regierungen und nationale Parlamente in noch
nie da gewesener Weise in einem Kernbereich nationaler
Souveränität, dem Haushaltsrecht. Dies wäre noch vor
wenigen Monaten absolut undenkbar gewesen. Aber das
ist eben auch absolut notwendig. Denn wenn die Krise
eines gezeigt hat, dann das: Die unverantwortliche Haushaltspolitik eines Euro-Staats kann die gesamte EuroZone an den Rand des Abgrunds bringen.
Eine neue Stabilitätspolitik führt Europa dagegen aus
der Krise heraus. Tatsächlich erfolgreich wird sie aber
nur dann sein, wenn sie gleichzeitig auch Wachstumskräfte freisetzt.
({12})
Wachstum braucht Wettbewerbsfähigkeit. Sicherlich
brauchen wir auch Geld für Investitionen. Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal sagen: Für Griechenland sind mehr Gelder für Investitionen vorhanden, als
Investitionen im Augenblick umsetzbar sind. Das gilt im
Übrigen auch für Italien, für Spanien und für andere
Länder. Aber es bedarf eben auch der Wettbewerbsfähigkeit. Niemand produziert in einem Land, in dem keine
wettbewerbsfähigen Produkte hergestellt werden können. Angesichts der größeren internationalen Konkurrenz müssen wir uns diesem internationalen Wettbewerb
stellen. Wer das nicht tut, wird auf Dauer nicht nachhaltig wirtschaften können.
({13})
Deshalb besteht nachhaltige Politik einerseits darin,
Fehlentwicklungen früher zu erkennen. Die Bundesregierung hat durchgesetzt, dass das neue europäische
Ungleichgewichteverfahren auf die Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet ist und nicht etwa darauf, wettbewerbsstarke Mitgliedstaaten mit vermeintlich zu positiven Leistungsbilanzen zu bestrafen. In ihrem erst kürzlich veröffentlichten Frühwarnbericht hat
die Kommission zwölf Mitgliedstaaten benannt, die sie
vertieft analysieren wird. Deutschland ist der einzige
große Mitgliedstaat, der nicht dazugehört.
Nachhaltige Politik besteht andererseits darin, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit aktiv zu fördern. Deshalb
haben wir uns bereits im März letzten Jahres im EuroPlus-Pakt auf mehr Strukturreformen für mehr Beschäftigung verpflichtet. Auf dem Januargipfel haben wir beschlossen, besondere Anstrengungen zu unternehmen,
um arbeitslosen Jugendlichen schneller Arbeits-, Fortund Ausbildungsmöglichkeiten zu geben. Dazu sollen
nationale, aber auch europäische Ressourcen effizienter
eingesetzt werden. So können zum Beispiel die Strukturfondsmittel flexibler und ganz bewusst auch für mittlere
und kleine Unternehmen eingesetzt werden, kombiniert
mit der Notwendigkeit, dann auch junge Menschen einzustellen und ihnen eine Arbeitschance zu geben.
({14})
Auf dem Rat am kommenden Donnerstag wollen wir einen Schwerpunkt bei den älteren Arbeitnehmern, den
55- bis 64-Jährigen, setzen.
Im Januar haben wir auch beschlossen, die Vollendung des Binnenmarktes voranzutreiben, indem wir
die Rahmenbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen verbessern und Schlüsseltechnologien stärken.
Informations- und Kommunikationstechnologie, Mikround Nanotechnologie, optische Technologien und modernste Fertigungstechnologien, all das hilft dabei, die
Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Mitgliedstaaten und der
gesamten Europäischen Union zu verbessern.
Um Rahmenbedingungen zu schaffen, die Innovationen begünstigen, muss die Wirtschaft weiter von unnötigen Bürokratiekosten entlastet werden. Das ist ein
kostenloses Konjunkturprogramm. Das EU-Aktionsprogramm zum Abbau unnötiger Verwaltungslasten hat bereits Erfolge erzielt. In den untersuchten Bereichen
konnten die Kosten um 22 Prozent gesenkt werden. Vorschläge liegen auf dem Tisch, deren Umsetzung eine
weitere Verringerung um bis zu 11 Prozent ermöglicht.
Wir sind sehr froh darüber, dass dieses Programm fortgesetzt wird.
Die europäische Staatsschuldenkrise zeigt, wie eng
die Geschicke der Euro-Länder, aber auch der übrigen
EU-Mitgliedstaaten inzwischen miteinander verflochten
sind. Jeder Mitgliedstaat trägt Verantwortung für sich
selbst, aber letztlich immer auch für die Euro-Zone als
Ganzes und die Europäische Union. Dieser Eigen- und
Mitverantwortung steht die unverbrüchliche europäische
Solidarität gegenüber, wenn es darum geht, Gefahren
von der Euro-Zone insgesamt abzuwenden.
Wir haben diese Solidarität zunächst durch bilaterale
Hilfen, dann durch den temporären Euro-Rettungsschirm EFSF und schließlich durch die Entscheidung für
die Einrichtung eines dauerhaften Krisenbewältigungsmechanismus, ESM, unter Beweis gestellt. Zuletzt haben wir entschieden, den ESM ein Jahr früher als geplant
zu aktivieren. Damit werden wir schon im Sommer dieses Jahres über ein dauerhaft schlagkräftiges Instrument
verfügen.
Die Bundesregierung ist bereit, den deutschen Kapitalanteil schneller in den ESM einzuzahlen als ursprünglich geplant. Genau darüber werden wir auf dem Rat am
Donnerstag sprechen.
({15})
Voraussetzung dafür ist, dass auch die anderen Mitgliedstaaten mitziehen. Konkret kann ich mir vorstellen, die
Hälfte des deutschen Kapitalanteils, das heißt rund
11 Milliarden Euro, schon in diesem Jahr einzuzahlen
und die zweite Hälfte dann im nächsten Jahr. Damit
würde die effektive Ausleihkapazität des ESM nach nur
zwei Jahren erreicht werden statt, wie bislang geplant,
nach fünf Jahren.
({16})
- Veränderte Verhältnisse erfordern verändertes Handeln, und genau das haben wir gemacht.
Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine Debatte über eine Erhöhung der Kapazitäten
von EFSF und ESM. Die Refinanzierungsbedingungen
für Italien und Spanien haben sich dank der dortigen Reformanstrengungen sichtlich verbessert. Mit der Umschuldung Griechenlands - mit der freiwilligen Umschuldung; das will ich allerdings sagen - betreten wir
Neuland. Verläuft sie erfolgreich, sinkt die Ansteckungsgefahr für andere Euro-Staaten weiter. Jetzt gilt es allerdings erst einmal, den Verlauf dieser Umschuldungsaktion abzuwarten. Wir werden am 10. März wissen, ob
die freiwillige Beteiligung die notwendigen zwei Drittel
erfüllt, und dann schauen, wie wir über die CACs die
Umschuldung insgesamt beenden. Das heißt, vor uns liegen noch Tage eines Prozesses, den es in Europa und in
der Euro-Zone so noch nicht gegeben hat.
In einem Wort: Wer Verantwortung übernimmt, wird
immer auch mit der Solidarität der Partner rechnen können. Wer Solidarität einfordert, muss auch Verantwortung übernehmen. Deshalb ist die Bundesregierung für
die enge Verknüpfung zwischen der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Fiskalvertrag und der Inanspruchnahme von Hilfen aus dem dauerhaften Rettungsschirm
ESM eingetreten, wie sie jetzt in beiden Verträgen verankert ist.
Bei allem müssen wir stets auch über unseren europäischen Tellerrand schauen. Wir sollten die laufenden
multilateralen und bilateralen Handelsverhandlungen
insgesamt intensivieren, um Wachstumsmöglichkeiten
zu verbessern und vor allen Dingen um zu schauen, dass
wir gerade im transatlantischen Verhältnis unsere Handelsaktivitäten vereinfachen, damit sich neue Wachstumsmöglichkeiten eröffnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Gründerväter der Europäischen Union haben mit Kraft, mit
Ideen, mit Mut Europa gebaut. Sie haben die Lehren aus
Jahrhunderten schrecklichen Blutvergießens und Leids
in Europa gezogen und Frieden und Freiheit in Europa
verankert. Sie haben das nicht nur für sich getan, sondern sie haben es auch für die nachfolgenden Generationen getan. Jetzt ist es an uns, mit Kraft, mit Ideen, mit
Mut diese europäische Erfolgsgeschichte im 21. Jahrhundert fortzuschreiben - für uns, vor allem aber auch
für unsere Kinder und Enkel.
Dem dienen die Maßnahmen, die ich Ihnen heute vorgestellt habe: das zweite Griechenland-Programm, für
das ich um Ihre Zustimmung bitte, und der Fiskalvertrag,
der dem Deutschen Bundestag in Kürze zur Ratifizierung vorgelegt wird. Mit ihm beginnen wir, die politische Union zu schaffen, die politische Union, die bei der
Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vor 20 Jahren noch nicht geschaffen wurde.
So können wir unser Ziel erreichen, dass Europa stärker
aus dieser Krise hervorgehen wird, als es in sie hineingegangen ist. Das wollen wir erreichen, weil wir nie vergessen: Wir Europäer sind zu unserem Glück vereint.
Ich danke Ihnen.
({17})
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Peer Steinbrück für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! „Alle große politische Aktion besteht im
Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit“, hat
Ferdinand Lassalle einmal gesagt. Ich frage deshalb,
Frau Bundeskanzlerin: Was ist denn nun mit den Einlassungen Ihres Innenministers Friedrich,
({0})
der vorschlägt, mit Anreizen dafür Sorge zu tragen, dass
Griechenland aus der Euro-Zone ausscheidet? Hätte das
nicht heute Gegenstand Ihrer Regierungserklärung sein
müssen?
({1})
Das, was dieses Mitglied Ihres Kabinetts kurz vor Ihrer
Regierungserklärung zum Besten gegeben hat, läuft dem
Tenor Ihrer Regierungserklärung zuwider. Reicht es
dann, dass Ihr Regierungssprecher ein kleines Dementi
abgibt, oder hätten Sie nicht selber dazu Stellung nehmen sollen? Ich frage mich, was unter einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung passiert wäre, wenn
jemand von uns so quer im Stall gestanden hätte und Sie
als Opposition dies aufgegriffen hätten.
({2})
Im Übrigen ist es in der Tat so, dass es Beklemmungen gibt, nicht nur in diesem Hohen Hause, sondern auch
bei vielen Menschen, die uns zuhören und die Politik im
Fall von Griechenland verfolgt haben. Das zweite Griechenland-Paket löst erhebliche Verunsicherung und
Zweifel aus. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das viel
deutlicher aussprechen und dass Sie nicht bemänteln,
was Sache ist.
Lassen Sie uns das Kind beim Namen nennen: Das
zweite Griechenland-Paket ist auf sehr dünnes Eis gesetzt. Der Beitrag des IWF, der von vielen von Ihnen
analog zum ersten Griechenland-Paket zur Voraussetzung gemacht worden ist, steht nicht fest; das Exekutivkomitee wird erst Mitte März dieses Jahres beschließen.
Das Ergebnis der Umschuldungsaktion bzw. des Anleihentausches gegenüber den privaten Gläubigern steht
noch nicht fest; es wird ebenfalls erst Mitte März dieses
Jahres feststehen. Auch die Zustimmung des Zentralbankensektors mit Blick auf seine Hilfsmaßnahmen bzw.
seinen Verzicht auf die Gewinne aus Griechenland-Anleihen steht nicht fest. Wir haben es bisher allenfalls mit
einer sehr unvollständigen Berichterstattung der Troika
über die Schuldentragfähigkeit und die Entwicklung
Griechenlands zu tun. Das heißt, das Blatt, das hier heute
vom Deutschen Bundestag testiert werden soll, ist sehr
lückenhaft.
Schlimmer als das: Die Troika kommt in einem internen Papier - anders, als wir öffentlich debattieren - zu
dem Ergebnis, dass es Griechenland kaum möglich sein
wird, seinen Schuldenstand gemessen an seiner Wirtschaftsleistung bis 2020 auf 120 Prozent abzusenken.
Die Troika liefert auch den Grund dafür, der in Ihren bisherigen Äußerungen kaum eine Rolle gespielt hat. Der
Grund ist, dass sich die wirtschaftlichen Aussichten dieses Landes kontinuierlich verschlechtern.
({3})
In einem anderen Szenario, das ebenfalls Gegenstand
dieses Berichtes ist, kommt die Troika für Griechenland
sogar zu einem Schuldenstand von 160 Prozent im Jahre
2020. Das ist exakt die Schuldenbelastung, die dieses
Land heute aufweist.
Das ist der Hintergrund für die Entscheidung, die wir
heute zu treffen haben. Ganz im Sinne von Lassalle lassen Sie uns also aussprechen: Griechenland wird auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, und zwar auch nicht
kurz nach 2014, sich eigenes Geld auf den Kapitalmärkten zu beschaffen. Dies ist eine höchstwahrscheinliche
Entwicklung. Alles andere wäre Augenwischerei.
Es wäre auch Augenwischerei, zu glauben, dass Griechenland in der Lage ist - das ist Gegenstand der Erörterung -, bereits ab 2013 oder 2014 einen Primärüberschuss zu erwirtschaften. Ein solcher Primärüberschuss,
also ein Überschuss ohne Berücksichtigung von Kapitaldienst und Vermögensveräußerungen, könnte diesem
Land nur gelingen, wenn es ein sehr starkes Wachstum
erzielen und seine staatliche Einnahmebasis deutlich
verbessern würde. Dies ist exakt nicht die Perspektive,
die dieses Land hat.
Das heißt, der Deutsche Bundestag - also auch Sie
alle - wird sich in absehbarer Zeit mit einem dritten
Griechenland-Paket befassen, was der Bundesfinanzminister mit einer seltenen Hellsichtigkeit für Vertreter
der Bundesregierung auch schon angekündigt hat. Ich
weiß nicht, ob er dafür von Ihnen gescholten worden ist,
aber in einer ziemlichen Offenheit gibt Herr Schäuble in
einem Schreiben an alle Mitglieder des Deutschen Bundestages zu erkennen, dass bei der Lage, mit der wir es
zu tun haben, nach 2014 ein drittes Griechenland-Paket
von wahrscheinlich mindestens 50 Milliarden Euro erforderlich sein wird.
Will sagen: Die Strategie des Zeitkaufens der Bundesregierung durch die bisherige bloße Refinanzierung der
Schulden von Griechenland plus einem Spardiktat und
Kontrollen ist gescheitert, weil die Zeiten immer
schlechter geworden sind.
({4})
Die Zeiten werden für Griechenland nicht besser, sondern sie werden in einem Abwärtssog - schrumpfende
wirtschaftliche Aktivitäten, zunehmende Arbeitslosigkeit, auch Jugendarbeitslosigkeit, plus sinkende Steuereinnahmen - immer schlechter.
Wir haben ganz nüchtern festzustellen, dass wir fast
zwei Jahre nach dem ersten Griechenland-Paket vom
Mai 2010 trotz einzelner Fortschritte, aber auch vieler
großer leerer „Kisten“, die Sie hier vorgestellt haben,
heute wieder exakt an dem Punkt angekommen sind, von
dem aus wir im Mai 2010 gestartet sind: Griechenland
und die damit verbundenen Infektionsgefahren für die
Europäische Währungsunion und für Deutschland.
Nach zwei Jahren, in denen wir über das Europäische
Semester, über das Sixpack der EU-Kommission, über
den Euro-Plus-Pakt, bei dem ich mich frage, was dort
eigentlich genau passiert, und die EFSF diskutiert haben,
die übrigens nur zeitlich limitiert sein und 2013 auslaufen sollte - heute kriegen wir hellauf begeisterte Augen,
wenn wir den ESM als permanenten Schirm bereits ab
Juli für alle Zeiten einführen können -, nach der Hebelsuche vom Oktober des letzten Jahres - können Sie sich
an den Hebel, das Wort des Monats Oktober, erinnern?
Hat jemand den Hebel seitdem irgendwo gefunden?
Nein, keiner hat den Hebel gefunden -, nach einem leeren Paket für Wachstum und Beschäftigung, nach einem
Fiskalpakt und nach einer mehr oder minder zerlaufenden Europa-2020-Strategie sind wir heute, nach vielen
Volten, vielen Pirouetten und einer ziemlichen Springprozession, exakt an demselben Punkt wie vor zwei Jahren.
Darüber ist nicht nur die Rechnung höher geworden
- das alleine ist schon schlimm genug -; auch der Groll
und die Vorurteile in Europa haben auf allen Seiten beträchtlich zugenommen. Das Zerrbild vom faulen Griechen wird inzwischen durch das Bild des hässlichen
Deutschen komplettiert. Der Firnis über lang zugeschüttete Bezüge auf die Nazizeit, der von uns für wahrscheinlich gehalten wurde, ist, wie wir bedauerlicherweise feststellen, sehr dünn, und er bricht gerade wieder
auf.
Daneben wachsen allerdings auch das Unverständnis
und der Zorn der Bürger über den merkwürdigen Golfstrom der Geldverteilung bzw. Umverteilung, indem
zum Beispiel reiche Griechen sich ihrer Steuerpflicht
und ihrer Verantwortung für ihr Land entziehen, Steuern
in Milliardenhöhe hinterziehen und die Gelder auf
Schweizer Banken transferieren. Über diese Schweizer
Banken oder die Orte, die dabei mitmachen, und deren
erklärte Hilfsbereitschaft darf man teilweise auch sehr
undiplomatisch Klartext reden und sagen, was sie dort
machen.
({5})
Wo ist der massive internationale Druck zur Rückführung dieser Gelder an den griechischen Fiskus und zur
Rückgabe dieser Vermögen von Schweizer Banken an
Griechenland, wo diese Gelder dringend gebraucht werden?
({6})
- Ja, lieber Herr Kauder, einige lassen die Kavallerie
auch ausreiten. Sie reden nicht nur davon; sie sind
höchst erfolgreich.
({7})
Das Bild von der Kavallerie ist übrigens sehr hilfreich
gewesen, um überhaupt Fortschritte im Hinblick auf das
Thema der Steuerhinterziehung und des Steuerbetrugs
zu erzielen.
({8})
Ein anderes Beispiel ist, dass selbst die Einbeziehung
der privaten Gläubiger, die Sie übrigens bis Juli 2011
nicht wollten - Ihre Fraktion wollte die Einbeziehung
der privaten Gläubiger nicht -, nicht ganz lupenrein ist.
Denn es ist der Steuerzahler, der das Zückerli, also den
Appetitanreger für die privaten Banken, gibt, dass sie
sich mit 30 Milliarden Euro darauf einlassen. Es ist der
Steuerzahler, der mit mindestens 24 Milliarden Euro - in
früheren Zeiten war auch von 50 Milliarden Euro die
Rede - dazu bereitsteht, die griechischen Banken zu rekapitalisieren. Das ist eine zweite Umverteilung.
Eine dritte Umverteilung findet kaum beachtet von
der deutschen Öffentlichkeit statt. Die Europäische Zentralbank lässt in wenigen Tagen einen weiteren Milliardentender losgehen, der Banken in den Stand versetzt,
unlimitiert zu einem sehr geringen Leitzins für drei Jahre
unendlich viel Geld zu leihen. Was machen sie mit dem
Geld zu vielleicht 1 Prozent Zinsen? Sie machen einen
dicken Schnitt, der mindestens 4 bis 5 Prozent bringt.
({9})
Was sagt der Mittelstandsbauch Ihrer Steuerzahler dazu,
meine Damen und Herren von der CDU/CSU?
({10})
Im Sinne Lassalles gilt es, festzustellen, dass die Strategie des ersten Rettungsplanes vom Mai 2010 auf ganzer Linie gescheitert ist. Denn sonst müssten wir uns
heute nicht mit einem zweiten Rettungsschirm für Griechenland mit einem nochmals gesteigerten Volumen beschäftigen. Daran trägt die Bundesregierung ein gerüttelt
Maß an Mitschuld.
({11})
Ökonomisch sind Sie es, Frau Bundeskanzlerin, die
für die einseitige Fixierung auf das Defizit und die Spiralbewegungen nach unten in Griechenland verantwortlich ist.
({12})
Politisch hat die Bundesregierung, namentlich die Bundeskanzlerin, die Dimension der griechischen Tragödie
für das gesamte europäische Ensemble lange Zeit unterschätzt: mit einem Krisenmanagement des Immer-zuspät, Zu-wenig und vor allen Dingen Zu-ungefähr.
({13})
Sie haben Ihre Politik für die Europäische Währungsunion lange Zeit nach einer innenpolitischen und innerkoalitionären Raison d‘Être ausgerichtet, übrigens gelegentliche Stammtischbesuche nicht ausgeschlossen.
Natürlich sind von der griechischen Regierung Sparanstrengungen, Strukturreformen und eine Verbesserung
der Administration und ihrer Governance, wie es im
Neuhochdeutschen heißt, zu verlangen. Dazu gehört es
seitens Griechenlands auch, die Angebote zur Verbesserung seiner Verwaltung, insbesondere seiner Steuerverwaltung, anzunehmen. Das Land muss ohne Zweifel
Missmanagement, Misswirtschaft, Klientelpolitik und
Steuerhinterziehung bekämpfen.
({14})
Das haben wir übrigens als Sozialdemokraten immer
wieder betont. Aber genauso haben wir betont, dass dies
allein nicht reicht. Dies allein wird nicht ausreichen. Mit
einem reinen Sparpaket und allein mit Daumenschrauben wird dieses Land nicht wieder Wind unter die Flügel
bekommen und nicht wieder auf die Beine kommen.
Nur dann, wenn investiert und die Arbeitslosigkeit
insbesondere junger Menschen abgebaut wird und sie
ihre Qualifikation zur Geltung bringen können, fließen
Steuereinnahmen. Nur dann wird Griechenland je wieder
in der Lage sein, Primärüberschüsse zu erzielen, die es
ihm erlauben, an die Kapitalmärkte zurückzukehren.
({15})
Es ist die derzeitige Perspektivlosigkeit für viele griechische Bürgerinnen und Bürger in dieser wirtschaftlichen Abwärtsspirale, die eine Radikalisierung der griechischen Gesellschaft mitbefeuert. Die Senkung von
Mindestlöhnen als Bestandteil dieses Austeritätsprogramms ist nicht nur zynisch; sie ist alles andere als ein
Beitrag zur Erholung der griechischen Wirtschaft.
({16})
Verkaufsschlager in Griechenland ist im Augenblick
die Wiederauflage eines sogenannten Hungerkochbuches für verarmte Menschen aus der Zeit der Besatzung
in den 1940er-Jahren.
({17})
- Das muss man sich vor Augen führen; denn das ist genau das Europa, das wir nicht wollen.
({18})
Die Bundesregierung hat nicht die Kraft gefunden,
den zentralen Mangel schon des ersten GriechenlandPaketes, geschweige denn den des zweiten Griechenland-Paketes zu beseitigen. Das heißt, es fehlen weiterhin eine glaubwürdige Wachstumsperspektive, ein konkreter Plan für Investitionen in Griechenland.
({19})
Was die europäische Ebene, den IWF und die G-20Gipfel betrifft, werden Sie, Frau Bundeskanzlerin, von
allen Themen, glaube ich, wieder eingeholt, die Ihre
Koalition zuerst verdrängt und ausschließt, um sie dann
gelegentlich unter Camouflage, Wortschwall und Umetikettierung bis zur Selbstverleugnung doch weiter zu
verfolgen. Das erste Beispiel haben Sie selber genannt.
Sie haben gesagt, dass aus Ihrer Sicht eine Aufstockung
der EFSF bzw. des ESM nicht infrage kommt. Ich mache
diesem Hohen Haus die Prognose: Wir werden innerhalb
des nächsten halben Jahres über eine Aufstockung der
EFSF und des ESM beraten, und zwar vor dem Hintergrund dessen, was der IWF, die Europäische Kommission und fast alle anderen europäischen Länder machen.
Warum sagen Sie das dem Publikum und dem Hohen
Hause nicht?
({20})
Das alles kommt wieder. Es kommt nicht nur die
Frage der Aufstockung wieder, die bei Ihnen tabuisiert
ist. Insbesondere wenn der Fiskalpakt ratifiziert sein
sollte - die Frage ist, wann das sein wird, vor oder nach
der Sommerpause -,
({21})
wird es aus Sicht vieler Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion die Konditionalität geben, die die
Voraussetzung für Gemeinschaftsanleihen - ein anderes
Wort für Euro-Bonds - sein könnte. Das ist der zweite
Punkt.
Der dritte Punkt ist: Sie machen bis heute aus Ihrer
klammheimlichen Genugtuung, wie ich glaube, gar keinen Hehl, dass die EZB weiter Staatsanleihen auf den
Sekundärmärkten aufkauft, wenn es denn nötig ist. Sie
alle in diesem Saal hoffen, dass das in der Übergangsphase weiterhin passiert. Die bösen Stichworte „Transferunion“ und „Haftungsgemeinschaft“ gehören lediglich zu einer Show, die dazu dient, manche in diesem
Haus zu beruhigen, während ansonsten die EZB exakt
diese Politik fortsetzt. Das führt zu dem Ergebnis, dass
das Haftungspotenzial der Bundesrepublik Deutschland
immer weiter steigt. Warum erzählen wir das den Menschen nicht, schenken ihnen nicht reinen Wein im Sinne
von Lassalle ein und sprechen aus, was ist?
({22})
Sie werden sich - um ein viertes Beispiel zu nennen auch nicht völlig der Initiative der zwölf Kolleginnen
und Kollegen aus anderen EU-Mitgliedstaaten entziehen
können, die in einem Brief an die Kommission eine Art
europäisches Marshallprogramm vorgeschlagen haben.
Im Zweifelsfall sind Sie als Nachzüglerin dabei, und Sie
werden dafür bezahlen.
Zu all diesen Themen, Frau Bundeskanzlerin, hätten
Sie heute uns, der deutschen Öffentlichkeit reinen Wein
einschenken können. Keiner behauptet, zu wissen, wann,
wo und wie das Ganze enden wird. Aber es wird teurer,
als es uns die Bundesregierung weismachen will. Zur
Bewältigung der Krise steht, wie ich selber weiß, nichts
Hilfreiches in den Lehrbüchern. Auch von den Professoren hören wir sehr unterschiedliche Therapien. Aber es
hat an Teilantworten, an Vorschlägen nicht gefehlt. Vertreter meiner Partei haben schon vor anderthalb Jahren
einen Schuldenschnitt für Griechenland - diesen haben
Sie lange abgelehnt -, eine Rekapitalisierung der Banken, ein europäisches Bankeninsolvenzrecht, eine ehrgeizige Finanzmarktregulierung und die Einführung automatischer Sanktionen gefordert, und zwar sowohl vor
als auch nach dem Spaziergang von Deauville.
({23})
Wir haben vor allen Dingen ein wirtschaftliches Aufbauprogramm für Griechenland und andere mediterrane
Länder verlangt. All das könnte aus dem Aufkommen einer Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte - herkömmlich
genannt Finanzmarkttransaktionsteuer - finanziert werden.
({24})
Wir werden dorthin kommen, allerdings mit großer Verspätung.
({25})
Wir brauchen heute einen Strategiewechsel, der auf
mehr wirtschaftliche Dynamik statt auf ein Spardiktat
setzt, der auf den Abbau von Ungleichgewichten innerhalb der Europäischen Währungsunion setzt, der auf den
Stopp der Kapitalflucht in Europa und die Rückführung
von Vermögen insbesondere nach Griechenland setzt
und der eine wirkungsvollere Finanzmarktregulierung in
Gang setzt.
Wenn es trotz der großen, grundsätzlichen Einwände,
die es in meiner Fraktion gegen das zweite GriechenPeer Steinbrück
land-Paket gibt, doch zu einer breiten Zustimmung
kommt, - ({26})
- Seien Sie froh darüber! Schauen Sie sich doch Ihre Regierungsbank an!
({27})
Diese Selbstgewissheit ist sehr arrogant angesichts der
Einlassungen des Innenministers; normalerweise hätte
bei einer derart kontroversen Haltung gegenüber der
Grundlinie der Bundeskanzlerin ein Trennungsbeschluss
erfolgen müssen, wenn ich das richtig sehe.
({28})
Wir stimmen aus drei Gründen zu: erstens weil es im
wirtschaftlichen Interesse Deutschlands ist, zweitens
weil es im politischen Interesse Deutschlands ist
({29})
und drittens weil es um das Ganze geht.
({30})
Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht
um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die
Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem
die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sollen. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir - und sei es nur
fahrlässig - eine Renationalisierung unserer Währungen
zuließen, dies eine politische Renationalisierung von Europa zur Folge hätte - mit dem Auftauchen von ziemlich
unseligen Geistern, die diese Renationalisierung befördern und nutzen würden.
({31})
Herr Kollege Steinbrück.
Meine Fraktion, jedenfalls die überwältigende Mehrheit, stimmt diesem zweiten Griechenland-Paket zu,
({0})
aus einer politischen Verantwortung für Europa. Dies ist
keine Zustimmung zu dem Grundkurs der Bundesregierung. Niemand sollte diese Zustimmung missdeuten;
denn die SPD bleibt damit nur ihrer Tradition treu und
nimmt ihre europäische Verantwortung wahr.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Das Wort erhält nun der Kollege Rainer Brüderle für
die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die christlich-liberale Koalition ist stolz
({0})
auf das, was die Bundesregierung für Europa leistet.
({1})
Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Finanzminister Wolfgang Schäuble haben mit der gesamten
Bundesregierung erfolgreich Weichen gestellt.
({2})
Wir loben das, wir unterstützen das, und wir bringen die
Maßnahmen parlamentarisch auf den Weg. Diese europapolitische Schwerstarbeit sollte die Opposition wenigstens zur Kenntnis nehmen. Loben ist nicht der Job
der Opposition, auch wenn das angebracht wäre. So ist
das parlamentarische Spiel. Obwohl Sie Zustimmung
angekündigt haben, machen Sie verbal auf: höher,
schneller, weiter, mehr. Das sind nun einmal die Spiele,
die in der parlamentarischen Welt vorhanden sind. Das
Problem ist nur: Sie sind schon in der Theorie so
schwach, dass Europa froh ist, dass es Sie nicht in der
Praxis erleben muss.
({3})
Mich erinnert das an die alte Argumentationsschleife
von Gerhard Schröder. Seine Begründung, als er den
Stabilitätspakt kaputtgemacht hat, war: Wir brauchen
Wachstum, es geht nicht um Stabilität. - Das Resultat
der Schröder-Politik waren Nullwachstum und Rekordarbeitslosigkeit. 5 Millionen Menschen ohne Job - das
war das Ergebnis von Rot-Grün.
({4})
Jetzt empfehlen Sie die alten linkskeynesianischen
Rezepte für Griechenland und für ganz Europa. Sagen
Sie doch, dass Griechenland entscheidende Strukturreformen braucht! Sie wollen die Probleme mit Geld zuschütten. Griechenland hat den Zinsvorteil durch den
Euro nicht für Strukturreformen genutzt. Bundesminister
Schäuble hat die Herausforderungen für Griechenland
kürzlich zu Recht mit der Situation der DDR nach dem
Fall der Mauer verglichen. Das sind Perspektiven von
20 bis 30 Jahren.
In Griechenland kann man den schuldenfinanzierten
Wohlfahrtsstaat in seiner ganzen Pracht besichtigen. Ein
gutes Viertel der Beschäftigten arbeitet im öffentlichen
Dienst. Wahrscheinlich sind es mehr. Die Statistiken
sind nicht sehr aussagekräftig. Das Renteneintrittsalter:
so früh wie möglich. Die Löhne orientieren sich an allem, aber nicht an der Produktivität. Es gibt viele Staatsmonopole und kaum Wettbewerb. Es soll deutsche So19086
zialdemokraten geben, die sich so das Paradies auf
Erden vorstellen.
({5})
Das geht nicht, und so passt es auch nicht zusammen.
Was verteilt werden soll, muss erst erarbeitet werden.
({6})
Hier kämpft ein Land um seine Zukunft; hoffentlich
nicht mit dem Rückfall in die Vergangenheit. Ich wünsche den Griechen, dass sie Maßhalten lernen:
({7})
Maßhalten beim Schulden machen, Maßhalten bei den
Demonstrationen und Maßhalten beim Ton, der gegenüber den europäischen Partnern angeschlagen wird.
({8})
Wenn Zeitungen schiefe Vergleiche ziehen, dann ist das
schon ärgerlich genug;
({9})
wenn sich aber das Staatsoberhaupt im Ton vergreift,
dann dürfen wir schon einmal die Stirn runzeln. Die Lebensgeschichte des griechischen Präsidenten ist bekannt.
Sie kann einiges erklären, aber nicht alles. Es wäre gut,
er hätte die Lebensgeschichte von Personen, die er öffentlich angegriffen hat, auch gekannt.
Griechenland braucht gleichzeitig ein Abbauprogramm für die Schulden und ein Aufbauprogramm für
seine Wettbewerbsfähigkeit. Die europäischen Partner
sind bereit zur Hilfe. Wirtschaftsminister Philipp Rösler
hat konkrete Angebote gemacht: Wir bieten Personal an,
das die Verwaltung unterstützt, wir bieten Hilfe dabei an,
realwirtschaftliche Aufbauprogramme abzurufen und
umzusetzen, und wir helfen bei der Investorensuche. Für
die Privatisierung soll eine Art Treuhandanstalt eingerichtet werden. Herr Steinmeier hat dies öffentlich unterstützt. Ich begrüße das.
({10})
Ob die vorgezogenen Neuwahlen der Weisheit letzter
Schluss sind, will ich einmal dahingestellt sein lassen.
Die Versuchung wird groß sein, die Sparmaßnahmen in
den Wahlkampf zu ziehen. Wir brauchen ganz klare
Schutzmaßnahmen, damit die Zusagen eingehalten werden. Wir haben wichtige Leitplanken eingezogen. Vor
Beginn des Schuldenschnitts muss Griechenland die vordringlichen Maßnahmen wie Kürzungen des Mindestlohns, der einer der höchsten in Europa ist, sowie die
Rentenreform umsetzen. Für Zins und Tilgung wird ein
Sonderkonto eingerichtet.
Meine Damen und Herren, die Mehrzahl der Investitionen in einer Marktwirtschaft sind private Investitionen. Das setzt Strukturveränderungen, Wettbewerbsfähigkeit und Vertrauen voraus. Ihre Idee ist: Der Staat soll
alles machen. - Genau das wäre verkehrt. Nein, es müssen auch private Investitionen erfolgen.
({11})
Die Troika der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds überwacht die Fortschritte permanent. Danach wird ausgezahlt. Es gibt kein Geld ohne
Fortschritte. Ein bisschen muss der Daumen schon
draufgehalten werden. Das Hilfspaket von heute ist auch
die Voraussetzung für die private Gläubigerbeteiligung.
Dies soll den Schuldenschnitt mit abfedern. Die Maßnahmen sollen das griechische Finanzsystem stabilisieren. Noch läuft die Frist. Wir setzen auf eine hohe Beteiligung der privaten Gläubiger und unterstützen den
Appell der Bundeskanzlerin. Es wird noch schwieriger
Verhandlungen, auch mit dem Internationalen Währungsfonds, bedürfen. Deshalb ist das, was wir heute in
Bezug auf die private Gläubigerbeteiligung beschließen,
ein Stück weit ein konditionierter Beschluss. Wir wollen
den IWF dabeihaben. Entscheidend dafür ist seine Expertise.
Der grüne Abgeordnete Cohn-Bendit hat die Troika
im Europaparlament kürzlich als neoliberale Taliban beschimpft. Man kann da eigentlich nur sagen: Oh Herr,
lass Hirn vom Himmel fallen!
({12})
- Herr Trittin, dass Sie sich aufregen, ist putzig. Sie hat
Cohn-Bendit vor kurzem als „Klugscheißer“ bezeichnet.
({13})
Ich wiederhole nicht die Bezeichnung, ich teile sie weder in der Wortwahl noch in der Analyse; es ist Ihr
Freund Cohn-Bendit, der Sie als „Klugscheißer“ bezeichnet.
Die Troika macht teilweise den Job, den die griechische Regierung über viele Jahre nicht gemacht hat. Deshalb verdient die Troika Respekt und Anerkennung, dass
sie die wirtschaftliche Basis schaffen will, damit man einen entsprechenden Aufbau bewerkstelligt. Das muss
anerkannt werden und darf nicht in den Schmutz gezogen werden.
Ihre rot-grünen Rezepte zur Bekämpfung der Schuldenkrise sind jedenfalls vollkommen untauglich. Sie
wollen die Vergemeinschaftung der Schulden durch
Euro-Bonds - heute wieder vorgetragen -, Sie wollen einen Einheitszinssatz; das ist Zinssozialismus. Nehmen
Sie doch zur Kenntnis: Mit Sozialismus gibt es keinen
Fortschritt, weder in Europa noch in Deutschland.
({14})
Die Grünen wollen eine Banklizenz für den Rettungsschirm, also Zugriff auf die Notenpresse. Bei der SPD
kommt es immer darauf an, welcher Kanzlerkandidat in
spe gerade spricht.
({15})
Herrn Steinbrück haben wir heute gehört - die Bazooka.
Herr Gabriel will alles und nichts. Herr Steinmeier hält
sich klug zurück. Insofern sind Sie drei Fragezeichen.
({16})
Solange Sie den Wettbewerb machen nach dem Motto
„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste
Sozi im Land?“, werden Sie so bleiben, wie Sie sind,
nämlich unklar in Ihrer Haltung.
Frau Künast gibt zu Protokoll, unsere Bundeskanzlerin sei von der Realität getrieben. Ich frage mich: Was
treibt Sie politisch an? Fantasien oder Fantastereien?
({17})
Realität ist immer die Basis von Politik; da hat die Kanzlerin völlig recht.
({18})
Die Grünen wollen, dass Deutschland keine Exportüberschüsse mehr macht. Meine Damen und Herren, das
ist natürlich nichts anderes als Deindustrialisierungspolitik.
({19})
Ihr grüner Ministerpräsident will einen Stopp des Straßenbaus. Seien Sie doch froh, dass wir Exportüberschüsse haben, dass wir helfen können! Ich bin froh,
dass wir Autos nach China verkaufen können; Fahrräder
können die selbst bauen.
({20})
Das ist Basis für unsere Arbeitsplätze und für unsere
Möglichkeiten. Unsere Exportstärke sichert Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland. Wer dagegen ist,
legt die Axt an die Leistungsfähigkeit Deutschlands.
({21})
Wir haben in den letzten zwei Jahren eine ganze
Reihe von Brandmauern eingezogen. Erste positive Wirkungen zeigen sich ja: In Irland, in Spanien, in Italien sehen wir konkrete Fortschritte. Wer hätte das vor zwei
Jahren gedacht? Wir sind noch lange nicht über den
Berg, aber Europa ist ein gutes Stück vorangekommen.
Der ESM kommt früher. Die EFSF hat sich als erfolgreich erwiesen. Flankiert wird all das von einem Fiskalpakt. 25 von 27 EU-Ländern schaffen sich eine Stabilitätsarchitektur. Das sind erhebliche Erfolge. Nationale
Schuldenbremsen werden eingebaut. Reden Sie das doch
nicht schlecht! Das ist der Erfolg dieser Bundesregierung, der christlich-liberalen Koalition. Das ist im ureigenen Interesse Deutschlands und im europäischen Interesse. Das ist realistische, erfolgreiche Politik und nicht
Rückfall in Vorstellungen von vorgestern.
({22})
Fundament für einen Erfolg muss eine stabile Währung, muss Stabilitätspolitik sein. Es war eine christlichliberale Koalition, die den Euro eingeführt hat. Es war
eine grün-rote Regierung, die den Stabilitätspakt kaputtgemacht hat.
({23})
Es ist jetzt wieder eine christlich-liberale Koalition, die
sich für Geldwertstabilität starkmacht. Eine Inflationsunion wäre fatal. Eine Stabilitätsunion - das ist die Zukunft. Dafür kämpfen wir.
({24})
Gregor Gysi ist der nächste Redner für die Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, im ersten Satz Ihrer Rede haben Sie gesagt, es handele sich um eine Staatsschuldenkrise. Ich
finde, das ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass
die Staatsschulden zugenommen haben, als wir eine Finanzkrise, ausgelöst durch Banken und Spekulanten,
hatten. Das müssten Sie hinzufügen. Ansonsten denkt
man, die Staaten seien schuld. Nein, erst einmal sind es
die Banken und Spekulanten, auf die die Staaten allerdings völlig falsch reagieren.
({0})
Beim ersten Rettungspaket ging es um 110 Milliarden
Euro; das war im Mai 2010. Man muss heute sagen: Das
erste Rettungspaket ist gescheitert. Das Ziel war damals,
dass Griechenland bis 2014 wieder auf eigenen Kreditbeinen steht. Davon ist heute überhaupt keine Rede
mehr. Ich möchte dies nur einmal erwähnen.
Nun soll das zweite Rettungspaket beschlossen werden; es ist zwar ein falscher Begriff, aber das tut hier
nichts zur Sache. Es geht um weitere 165 Milliarden
Euro. Hinzu kommen 24,4 Milliarden Euro aus dem ersten Rettungspaket, die noch nicht verbraucht wurden.
35 Milliarden Euro, die die Verluste von Banken ausgleichen sollen, kommen ebenfalls hinzu. Auch das zahlen
die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wie lautet das
Ziel jetzt? Die Schulden sollen bis zum Jahr 2020 von
164 Prozent auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung abgebaut werden. Das ist völlig unrealistisch.
({1})
Die Überwachungstroika - - Übrigens, Herr Brüderle,
Sie sprechen das Wort „Troika“ richtig aus, während es
die meisten in der Union falsch aussprechen. Man sagt
nicht Tro-i-ka; denn das Wort kommt aus dem Russischen. Fragen Sie die Bundeskanzlerin; sie wird mir
recht geben.
({2})
Abgesehen davon, die Überwachungstroika glaubt selber nicht an einen solchen Schuldenabbau, wie man einem internen Papier entnehmen kann.
Das Rettungspaket ist also auch diesmal nicht für die
Griechinnen und Griechen geschnürt, sondern ausschließlich für Banken, Vermögensanleger und Hedgefonds. Sie bekommen das Geld, und kein anderer.
Außerdem haben die Europäische Zentralbank und
auch die nationalen Notenbanken griechische Staatsanleihen für 70 Milliarden Euro von den Privatbanken
aufgekauft. Das sind - es tut mir leid, Frau Bundeskanzlerin - Euro-Bonds. Weil diese Staatsanleihen entweder
unserer Notenbank oder der Europäischen Zentralbank
gehören, haften dafür allein die Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler der Euro-Zone und in besonderem Maße
die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Ich habe es einmal ausgerechnet, Frau Bundeskanzlerin: Wenn wir alles zusammennehmen - beide Rettungspakete und die Euro-Bonds -, dann geht es um ein
Gesamtpaket in Höhe von 345 Milliarden Euro. Die
Deutschen haften in einem Umfang von 100 Milliarden
Euro. Wenn wir wenigstens sagen könnten, dass wir dadurch Griechenland helfen würden, dann machte das
Ganze Sinn. Aber wir helfen Griechenland nicht mit einem einzigen Euro. Insofern setzen wir das Geld in den
Sand. Das gilt sowohl für Griechenland als auch für
Deutschland.
({3})
Ich habe es schon gesagt: Auch die 165 Milliarden
Euro werden für die drohenden Verluste der privaten
Banken und Hedgefonds eingesetzt. Alles wird sozialisiert, und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haften
dafür.
({4})
Außerdem kommt Folgendes hinzu, was hier so gut
wie gar nicht thematisiert wird: Weihnachten 2011 hat
die Europäische Zentralbank den großen Privatbanken in
Europa ein Darlehen von 500 Milliarden Euro zu dem
traumhaften Zinssatz von 1 Prozent gewährt - und das
Ganze für drei Jahre. Jetzt bekommen die großen privaten Banken von der Europäischen Zentralbank noch einmal 500 Milliarden Euro, wieder für 1 Prozent und wieder für drei Jahre. Das ist doch abenteuerlich: 1 Billion
Euro nur für die Liquidität der Banken. Kein Mensch
fragt, woher das Geld kommt. Es wird doch gedruckt,
Frau Bundeskanzlerin; um es einmal im Klartext zu sagen. Woher wollen Sie es denn sonst nehmen?
({5})
Die Frechheit besteht doch darin, dass die Banken im
Geld schwimmen. Wenn sie jetzt Staatsanleihen zum
Beispiel von Irland, Portugal oder Spanien kaufen, dann
verlangen sie mindestens 3 bis 4 Prozent Zinsen. Aber
sie müssen nur 1 Prozent Zinsen zahlen. Was ist mit den
Bürgerinnen und Bürgern? Wenn sie ihren Dispokredit
in Anspruch nehmen, dann müssen sie 13 oder 18 Prozent Zinsen zahlen. Aber die Banken zahlen an uns nur
1 Prozent. Das ist eine Unverschämtheit, um es einmal
klipp und klar zu sagen.
({6})
Es geht auch um eine schwerwiegende Verletzung des
Eigentumsrechts. Jetzt wundern Sie sich sicher, dass ich
die Verletzung des Eigentumsrechts rüge. Aber das mache ich. Ich will es Ihnen erklären: Normalerweise haftet
jede Eigentümerin und jeder Eigentümer für ihr oder
sein Eigentum. Das heißt, man kann Gewinn daraus erzielen, aber wenn man Verluste oder Schulden hat, haftet
man auch dafür. Das gilt für jede Bürgerin und jeden
Bürger sowie für sämtliche Wirtschaftsunternehmen.
Fragen Sie einmal einen Bäckermeister, der Schulden
hat, ob er sich an die Regierung wenden kann und sie
ihm dann einen zinsgünstigen Kredit zu 1 Prozent gibt,
damit er das Ganze zurückzahlen kann.
({7})
Fragen Sie einmal den Eigentümer eines Grundstücks,
ob er eine solche Chance hat. Die Einzigen, die überhaupt kein Risiko eingehen, sind die Banken; denn sie
bekommen immer die Gewinne und die Profite, haften
aber niemals für die Schulden, weil das immer die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler übernehmen. Das verletzt das Eigentumsrecht schwerwiegend.
({8})
Ich darf daran erinnern: 480 Milliarden Euro haben
wir in einem Rettungsschirm für die Banken zur Verfügung gestellt. Darüber redet ja schon keiner mehr, weil
es drei Jahre her ist. Jetzt wird der Rettungsschirm wiederbelebt, es wird wieder Geld daraus gezahlt.
Ich habe bereits von der 1 Billion Euro gesprochen,
die um Weihnachten und jetzt, im Februar, den Banken
gewährt wurde. Man muss sich einmal überlegen, welche Beträge in die Banken fließen. Für all das haften die
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das ist eine Unverschämtheit und zerstört übrigens auch das gesamte Wirtschaftssystem. Wir brauchen keine Banken, die sich jedes Risiko leisten können, weil für jeden Verlust die
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haften und nicht sie
selbst.
({9})
Deshalb ist unsere Forderung völlig berechtigt: Wenn
die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schon sämtliche
Schulden der Banken bezahlen, dann müssen diese öffentlich-rechtliches Eigentum werden. Ich möchte, dass
die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dann auch die
Gewinne und die Profite bekommen - und nicht nur die
Schulden. Genau das muss sich ändern.
({10})
Außerdem sind die großen privaten Banken zu groß.
Wir müssen sie verkleinern. Ich nenne Ihnen nur einen
Grund: Frau Kohl, die abends im Fernsehen von der
Börse berichtet, sagte zu mir bei Jauch: Wenn Sie deutscher Kanzler wären - ich räume ein, eine unwahrscheinliche Vorstellung; sie hat es aber gesagt -,
({11})
müssten auch Sie die Deutsche Bank kurz vor einer Insolvenz retten.
({12})
Da sagte ich: Daran sehen Sie, dass sie zu mächtig ist.
Wieso sind wir alle erpressbar? Wir müssen die Banken verkleinern. Auch eine Bank muss in Insolvenz gehen können. Wir können immer noch die Sparguthaben
der Leute retten, aber wir müssen nicht die Bank retten.
Wenn wir das müssen, dann ist sie zu mächtig. Deshalb
sage ich: verkleinern, unbedingt regulieren und öffentlich-rechtlich gestalten - so wie die Sparkassen. Aber
nicht wie die Landesbanken; denn die waren gegenüber
den Finanzministern weisungsgebunden. Das will ich
nicht. Ich will, dass sie wie die Sparkassen ausgestaltet
werden. Mit diesen hatten wir in der Krise nicht die geringsten Schwierigkeiten. Sie sind öffentlich-rechtlich
und sehr sinnvoll.
({13})
Jetzt komme ich noch einmal zum Paket für Griechenland. Das, was Sie in diesem Zusammenhang verlangen, ist derart unsozial, dass es in mir mehr als Erstaunen auslöst. Wie Sie, Herr Brüderle, in diesem
Zusammenhang von einem Wohlstandsstaat sprechen
können, zeugt von abenteuerlicher Arroganz.
({14})
Was machen wir denn? Wir sagen: Der Mindestlohn in
Griechenland muss von 751 Euro auf 586 Euro gekürzt
werden. Das ist für Sie ein Wohlstandsstaat? Die Löhne
müssen um 22 Prozent gekürzt werden. 15 000 Menschen
müssen in diesem Jahr und 150 000 Menschen müssen
bis 2014 aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden.
Die Renten sollen in den nächsten drei Jahren um
14 Milliarden Euro gekürzt werden. Und da sprechen Sie
hier von einem Wohlstandsstaat?
({15})
Die Konsequenzen der bisherigen Politik, der Kürzung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen sowie
der Privatisierungen, sind die folgenden: Seit drei Jahren
gibt es eine Wirtschaftskrise. Es gibt einen Rückgang der
Investitionen in Griechenland um 50 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ist von 9 Prozent auf 21 Prozent gestiegen.
Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf 50 Prozent gestiegen.
Es gibt weniger Steuereinnahmen und ein Minuswachstum. Und Sie, Frau Bundeskanzlerin, sprechen von Fortschritten. Welche Fortschritte in Griechenland sind denn
damit verbunden? Es gibt doch nicht einen einzigen
Fortschritt.
({16})
Die Schulden sind um 50 Milliarden Euro angestiegen.
Wir haben jetzt nicht mehr eine Schuldenquote von
130 Prozent der Wirtschaftsleistung, sondern von
170 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Wenn man sieht, dass diese verheerende und rigorose
Kürzungspolitik nicht dazu führt, dass wir Griechenland
retten, sondern, ganz im Gegenteil, dazu, dass wir Griechenland immer weiter in die Katastrophe führen, dann
muss man sich doch korrigieren.
({17})
Wir kennen das doch. Die Siegermächte des Ersten
Weltkrieges haben in Versailles einen Vertrag beschlossen, der Deutschland bis ins Mark gedemütigt hat. Das
war nicht der einzige, aber einer der Gründe, weshalb
der Verbrecher Hitler und die NSDAP so stark wurden.
Die Sieger des Zweiten Weltkrieges - gerade im Westen - waren viel klüger und beschlossen geringe Reparationen und den Marshallplan zum Aufbau. Sie machen
bei Griechenland Versailles. Die Griechen brauchen aber
Marshall. Das ist das Entscheidende. Genau das findet
nicht statt.
({18})
Wir gefährden die Solidarität innerhalb einer Gesellschaft und zwischen den Gesellschaften. Das ist zerstörerisch für Griechenland und die EU. Wir gefährden
auch die Demokratie. Wenn zwei Männer, die in Banken
Funktionen hatten, jetzt die Chefs in Griechenland und
Italien sind - und das auch noch ohne Wahlen -, dann
finde ich das schon abenteuerlich; ich will gar nicht darüber reden.
Herr Schäuble schlägt den Griechen vor, die Wahlen
zu verschieben, weil sie ihm nicht passen. Ich sage nur:
Wo leben wir denn eigentlich?
({19})
Und Innenminister Friedrich will Griechenland aus dem
Euro drängen.
Herr Kollege Gysi, darf Ihnen der Kollege Beck eine
Zwischenfrage stellen?
Ja.
Ich möchte Sie fragen, was Sie uns gerade mit den
Aussagen zum Versailler Frieden mitteilen wollten.
Wollten Sie das intonieren im Sinne von „Weg mit dem
Versailler Schandfrieden“, wie das früher in der Weimarer Republik gefordert wurde?
({0})
Ich bin wirklich ein bisschen entsetzt.
({1})
Man kann doch diese Art von Parolen nicht ohne historischen Zusammenhang aufnehmen. Was war denn 1870/71,
wie war die Vorgeschichte, und was ist mit dem historischen Kontext? Wie beurteilen Sie die Auseinandersetzungen zur Verantwortlichkeit im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg?
({2})
Das werde ich Ihnen sagen, obwohl ich jetzt keinen
gesamthistorischen Vortrag halten kann; das würde ein
bisschen zu weit führen. In Versailles saßen die Siegermächte zusammen. Das war völlig korrekt, ebenso dass
sie einen Vertrag geschlossen haben. Aber sie sind viel
zu weit gegangen, weil sie nicht aufhören konnten, zu
siegen. Dadurch haben sie Deutschland wirtschaftlich,
sozial und politisch in einem Grade gedemütigt, dass
Hitler mit seiner Verbrecherpartei das Ganze nutzen
konnte. Das ist das, was ich ihnen vorwerfe. Da waren
die Westmächte nach dem Zweiten Weltkrieg viel klüger,
({0})
indem sie gesagt haben: So machen wir das nicht wieder,
wir machen das anders. - Das ist das Entscheidende.
Wenn Sie das nicht begriffen haben, dann tut es mir leid.
({1})
Jetzt komme ich leider nicht mehr zum Fiskalvertrag;
ich sage hierzu aber kurz Folgendes: Der Fiskalvertrag
ist deshalb eine Katastrophe, weil Sie die Schuldenbremse in ganz Europa einführen. Diese macht aber die
Politik handlungsunfähig.
({2})
Damit werden die Zustände immer undemokratischer.
Egal welche Regierung an der Macht ist, sie kann nicht
mehr verantwortungsbewusst handeln. Sie übertragen
jetzt den falschen Weg, den Deutschland mit der
Agenda 2010 und mit der Schuldenbremse eingeschlagen hat, auf ganz Europa. An unserem Wesen werden die
Leute nicht genesen.
({3})
Wir müssen in Bezug auf Europa endlich klüger werden.
Zum Schluss - meine Redezeit geht zu Ende, Herr
Bundestagspräsident - sage ich Ihnen noch Folgendes:
Ich habe die tapfere Oppositionsrede von Herrn
Steinbrück gehört, jetzt wird auch Frau Künast eine tapfere Oppositionsrede halten, und dann stimmen Sie der
Regierungsvorlage wieder zu. Das ist immer dasselbe.
({4})
Egal ob ich an den Afghanistan-Krieg, die Agenda 2010
Herr Kollege.
- oder die Griechenland-Pakete denke: Immer
herrscht zwischen Union, SPD, FDP und Grünen eine
Konsenssoße. Aber zum Glück gibt es noch die Linke
und damit eine Kraft, die den Mut hat, Nein zu sagen.
Danke schön.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Volker Kauder für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bin nicht
sprachlos, nur ein wenig erkältet. Aber nach den historischen Kenntnissen, die Gregor Gysi hier vorgetragen
hat, könnte man sprachlos sein.
({0})
Es war eine unglaubliche Interpretation des Geschehens
im Zusammenhang mit dem Ausgang des Ersten Weltkrieges.
({1})
Noch etwas, Herr Gysi: Ich finde es nicht richtig, dass
Sie hier lachend und grinsend vom Rednerpult gegangen
sind. Auch für die Opposition ist es eine Frage der Verantwortung, wenn es darauf ankommt, zum Euro und zu
unserem Land zu stehen. Diese Verantwortung nehmen
Sie gerade nicht wahr, Herr Gysi. Das ist der Unterschied.
({2})
Ich begrüße es außerordentlich, dass der Kollege
Steinbrück gesagt hat, dass die SPD-Bundestagsfraktion
mit großer Mehrheit zustimmen wird. Aber dann, Herr
Steinbrück, hört es mit den Gemeinsamkeiten auch
schon weitgehend auf.
({3})
Ich finde es schon sehr mutig von Ihnen, sich hier hinzustellen und Prognosen abzugeben, was passieren wird
und was nicht.
({4})
Weil ich schon damals dem Bundestag angehört habe,
erinnere ich mich noch sehr gut daran, welche Prognosen die Sozialdemokraten und ihr Bundeskanzler
Gerhard Schröder abgegeben haben, als wir vor der Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone gewarnt haben.
({5})
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie da vorne gesagt worden ist, das sei alles kein Problem. Wer sich
schon bei dieser Frage so granatenmäßig geirrt hat, der
braucht uns hier keine Belehrungen zu geben, was passieren wird.
({6})
Jetzt schauen wir uns doch einmal die Entwicklung
an. Es war völlig richtig, dass wir von Anfang an gesagt
haben: Es geht um den Euro, es geht um Europa, es geht
auch um die Zukunft unseres eigenen Landes; deswegen
sind wir zur Hilfe und Solidarität bereit. Deswegen war
für uns, für die überwiegende Mehrheit unserer Koalition, völlig klar, dass wir den Griechen die Chance geben wollen, dass sie in der Euro-Zone wieder auf die
Füße kommen und vorankommen. Wir haben gesagt:
Dafür gibt es Hilfe; es müssen aber auch notwendige
Maßnahmen ergriffen werden.
Ich kann nur sagen: Gott sei Dank ist das in dieser Situation von der Regierungskoalition, von der Bundeskanzlerin und vom Bundesfinanzminister so formuliert
worden. Wenn Sie an der Regierung gewesen wären,
hätten Sie versucht, Ihren Fehler, den Sie damals, 2000,
gemacht haben, dadurch zu kaschieren, dass Sie eine
Vergemeinschaftung der Schulden durch Euro-Bonds
vorangetrieben hätten. Das wäre ein glatter Fehler gewesen.
({7})
Es hätte in Griechenland nichts bewirkt, null. Deswegen
kann ich nur sagen: völlig auf der falschen Fährte.
Im Übrigen waren Sie sich nicht ganz sicher - ich
habe mir das einmal angeschaut, Herr Steinbrück -: einmal für Euro-Bonds, dann wieder dagegen. Vielleicht
waren Sie da, wie Frau Künast sagen würde, ein bisschen von der Wirklichkeit getrieben.
({8})
Das ist im Übrigen kein Fehler; denn, Frau Künast, Politik beginnt immer mit dem Betrachten der Wirklichkeit,
nicht mit grüner Ideologie. Das will ich einmal klar und
deutlich formulieren.
({9})
Wir sind in Europa Schritt für Schritt vorangekommen. Ich finde es wirklich unglaublich, sich hier im
Deutschen Bundestag hinzustellen und so zu tun, als ob
sich überhaupt nichts bewegt hätte, als ob überhaupt
nichts vorangegangen wäre. Ich will Ihnen einmal sagen:
Ich habe großen Respekt vor den Leistungen, die die
Iren erbracht haben. Ich habe großen Respekt vor dem,
was die Spanier und die Portugiesen vorangebracht haben.
({10})
Es ist also total falsch, hier zu sagen, die Politik, die von
der Regierung und der Koalition gemacht worden ist, sei
nicht erfolgreich. Es hat sich bewährt, dass wir gesagt
haben: Wir gehen hier Schritt für Schritt vor und versuchen, zu erreichen, dass es keine Ansteckung gibt.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es war eine
Forderung auch aus der Opposition, aber vor allem von
uns, dass der private Sektor beteiligt wird.
({11})
Das war nicht einfach. Ich bin außerordentlich dankbar,
dass genau dieser Punkt, der uns in der Koalition so
wichtig war, von der Regierung eins zu eins umgesetzt
worden ist. Das, was dort erreicht wurde, ist ein wirklich
großer Erfolg.
({12})
Ich habe Verständnis dafür, dass sich manche Rentner
und Menschen mit kleinem Einkommen in Griechenland
die Frage stellen: Was ist denn eigentlich passiert? Wie
kann es weitergehen? Wie kriegen wir wieder eine Perspektive? Aber, Herr Steinbrück, ich habe überhaupt
kein Verständnis, wenn Sie den Eindruck erwecken - so
ist es wenigstens bei mir angekommen; ich hoffe, Sie haben es nicht so gemeint -, dass Sie Verständnis dafür haben, dass einige in Griechenland unsere Spitzenpolitiker
verunglimpfen und von ihnen ein Bild zeichnen, das
nicht akzeptabel ist, das wir in keinster Weise akzeptieren können.
({13})
Es zeichnet sich jetzt ab, dass diejenigen, die in Griechenland Verantwortung tragen, durchaus Verständnis
für unser Tun haben. Es war schon beeindruckend, dass
eine ganze Reihe von Spitzenpolitikern gesagt hat, dass
sie zu den notwendigen Reformmaßnahmen stehen. Das
wäre vor einigen Monaten noch nicht der Fall gewesen.
Wir haben also erreicht, dass sich ein Bewusstseinswandel vollzogen hat.
Natürlich stellt man sich auch in unserem Land Fragen,
zum Beispiel: Warum muss Griechenland so geholfen
werden? Dann ist man sehr schnell dabei, zu sagen: Eigentlich habt ihr recht, auch wir haben unsere Zweifel. Ich weiß, dass auch in meiner Fraktion der eine oder andere der Meinung ist, dass man einen anderen Weg beschreiten müsste.
({14})
- Das gibt es bei Ihnen offenbar auch, Herr Trittin; seien
Sie vorsichtig. Wahrscheinlich ist es bei Ihnen selber so,
dass Sie reden und gleichzeitig Zweifel am Gesagten haben; das kennen wir auch.
({15})
Ich will auf Folgendes hinweisen: Natürlich haben
wir diese Frage diskutiert. Nach reiflicher Überlegung
sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass die Risiken, wenn wir es anders machen als jetzt und Griechenland nicht mit entsprechenden Auflagen helfen, zu groß
sind; denn niemand kann sagen, was es für Folgen für
den einzelnen Sparer in unserem Land hat, wenn wir
jetzt die falschen Entscheidungen treffen. Deswegen haben wir uns für dieses Programm entschieden. Wir als
Koalition werden dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Es ist eine Hilfe für Griechenland, für Europa,
aber es liegt auch in unserem ureigenen nationalen Interesse.
({16})
Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen, dass wir
mit diesem zweiten Griechenland-Paket einen entscheidenden Schritt tun. Ich bin übrigens außerordentlich
dankbar dafür, dass der IWF dabei ist. Man muss angesichts der Situation sagen: Ohne IWF wären wir nicht
auf diesen richtigen und guten Weg gekommen. Darauf
muss man ausdrücklich hinweisen.
({17})
Der IWF legt Programme nur für drei Jahre auf, und
dann schaut er sich das Ganze wieder an. Deswegen ist
es doch völlig richtig, dass wir uns auf die nächsten drei
Jahre konzentrieren mit der Perspektive, dass es vorangeht.
Es ist natürlich auch richtig, dass sich jetzt die Staatsund Regierungschefs darüber unterhalten, wie wir Griechenland eine Wachstumsperspektive eröffnen können.
Man wird sicher überlegen müssen, Frau Bundeskanzlerin, wie man es den Griechen leichter machen kann, dass
sie die Gelder, die im Rahmen der europäischen Strukturfonds zur Verfügung stehen, tatsächlich einsetzen
können. Ich weiß sehr wohl, dass gesagt wird: Wenn auf
den Eigenanteil verzichtet wird, dann ist das ein Problem. Aber wir würden zustimmen, dass in einer solchen
Ausnahmesituation bei ganz bestimmten Programmen
dieser Weg gegangen wird, um dem Land wieder eine
Perspektive zu geben.
({18})
Das ist eine Art Marshallplan, den wir für richtig halten
würden. Diesen Weg bei den nächsten Beratungen in
Brüssel einzuschlagen, dazu möchten wir Sie ermuntern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle haben uns diese Situation nicht ausgesucht. Für uns alle ist
es nicht leicht, immer wieder mit diesen Fragen konfrontiert zu werden, sich in Sondersitzungen außerhalb der
üblichen Sitzungen mit diesen Themen zu befassen und
die Ergebnisse den Menschen draußen im Land zu erklären. Aber ich kann nur sagen: Es gibt Augenblicke in der
Geschichte, in denen es wirklich darauf ankommt, geschlossen das Richtige zu tun und den einen oder anderen Zweifel zurückzustellen, um die Zukunft zu gewinnen. In einer solchen Situation sind wir.
({19})
Deswegen werden wir dem Antrag der Bundesregierung
zustimmen.
({20})
Das Wort erhält jetzt die Kollegin Renate Künast,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Merkel, wir stehen jetzt erneut hier. Vor fast zwei Jahren,
als es um das erste Griechenland-Paket ging, standen wir
schon einmal hier. Damals haben wir als Grüne zugestimmt. Es entspricht unserem Wertegerüst, zu sagen: Es
gibt eine gemeinsame Verantwortung, nicht nur in der
Euro-Zone, sondern in ganz Europa. Wir wollen kein
Land in der Europäischen Union fallen lassen, und wir
wollen schon gar nicht die Ärmsten der Armen in Griechenland, die Rentnerinnen und Rentner, fallen lassen.
Dazu stehen wir. Unser Gerüst steht. Ich muss aber feststellen, dass Ihr Gerüst bedenklich wackelt, und zwar so
sehr, dass Herr Kauder am Ende seiner Rede sogar pathetisch werden musste, um alle zusammenzubringen.
Was haben wir erlebt? Sie lassen sich in der Europäischen Union „Madame Non“ nennen - Sie haben sich
dort den Ruf erarbeitet, dass Sie das Europäische nicht
weiterentwickeln wollen -, und zu Hause lassen Sie sich
von der Bild-Zeitung als eiserne Lady feiern. Frau
Merkel, das Feuer der Krise in Europa ist durch Ihr Zögern und Zaudern erst richtig angefacht worden. Deshalb
befinden wir uns heute in dieser Situation.
({0})
Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, dass das jemals passieren würde, aber ich muss doch sagen: Helmut
Kohl hätte in einer solchen historischen Situation keine
Sekunde gezögert oder gezaudert. Er hätte dagestanden
als einer, der sich für die Weiterentwicklung Europas
einsetzt, und hätte gestaltet, während Sie Ihre Handtasche und das Portemonnaie darin wie die eiserne Lady
festhalten und de facto sagen: „Wir geben nichts“,
({1})
während Sie sich im Luftraum über den Stammtischen in
Europa und in Bayern aufhalten. Ich aber sage: Frau
Merkel, knallhartes Sparen allein hilft uns nicht.
({2})
Herr Brüderle, ich glaube, Sie haben verstanden, was
ich meine, wenn ich in diesem Zusammenhang sage: von
der Realität getrieben. Alle Vorschläge, die von dieser
Koalition gemacht wurden, waren schon nach kurzer
Zeit nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie standen, weil die Vorschläge immer von der Realität überholt wurden. Leider ist dies immer noch der Fall.
({3})
Ich muss eine Sache ansprechen, die ich entgeistert
zur Kenntnis genommen habe - Frau Merkel, ich gebe
zu, dass Sie dieses Thema angetippt haben; das, was Sie
dazu gesagt haben, war mir aber, ehrlich gesagt, zu wenig -: Mittlerweile haben Sie nicht einmal mehr Ihr eigenes Kabinett im Griff. Dass selbst im Kabinett keine Rededisziplin mehr herrscht und man nicht mehr an die
eigene Strategie glaubt, ist schon ein unglaublicher Vorgang. Überhaupt gibt es lauter unglaubliche Vorgänge.
Der Wirtschaftsminister kümmert sich um Frösche und
philosophiert darüber, und der Bundesinnenminister erzählt uns, man solle Griechenland lieber Anreize bieten,
um aus der Euro-Zone herauszugehen. Was ist das denn
für ein Unsinn? Wenn Griechenland geht, gehen auch
andere. Dann haben wir einen Dominoeffekt. Dieses Gerede führt in Griechenland zu Kapitalflucht. Die Kapitalflucht führt dazu, dass es Griechenland noch schneller
noch schlechter geht. Das, was Herr Friedrich gemacht
hat, ist Brandbeschleunigung. Das hätten Sie mit klaren
Worten zurückweisen müssen.
({4})
Jeder erzählt munter, wie es geht. Wir brauchen aber
etwas anderes. Gerade weil wir merken, dass Griechenland an den Intentionen Deutschlands zweifelt und manches Plakat und manches Titelblatt als historischer Missgriff bezeichnet werden kann - das muss man sich nicht
gefallen lassen -, müssen wir hier deutlich machen: Wir
sagen Ja zu Europa, wir sagen Ja zum Weiterbau Europas, und wir sind wild entschlossen, den Griechen zu
helfen, und zwar nicht nur beim Sparen, sondern auch
bei der Schaffung ordentlich bezahlter Jobs und beim
Aufbau einer ordentlichen Wirtschaft.
({5})
- Mit dem einfachen Klappklapp der Linken geht es
nicht. Sie haben ja nicht einmal beim Versailler Vertrag
die Geschichte verstanden.
Wir sagen eines ganz klar: Dieses Paket ist nötig und
sinnvoll, aber es kommt sehr spät. Es ist - aber deshalb
kann man nicht die Zustimmung verweigern - leider
nicht ausreichend für das, was gebraucht wird.
Frau Merkel, Sie haben in der ganzen Zeit der politischen Auseinandersetzung darüber mehrere Fehler gemacht. Sie haben am Anfang immer nur das Glück der
Gläubiger und der Commerzbank im Kopf gehabt. Sie
haben sich dem Schuldenschnitt und der privaten Beteiligung nicht genähert. Sie haben immer wieder erklärt,
ein nächster Schritt oder eine Aufstockung müsste nicht
sein. Da halte ich es lieber nicht mit Friedrich und nicht
mit Kampeter, der nicht die Wahrheit sagt, sondern lieber mit Herrn Schäuble, der schon heute zugibt, dass ein
drittes Rettungspaket nicht ausgeschlossen werden kann.
Meine Damen und Herren, sagen wir dem Land die
Wahrheit!
Eine gute, prosperierende Entwicklung in Europa,
eine gute Wirtschaft, gute Jobs und gute Einnahmen in
Bund, Ländern und Kommunen sind nur bei einer funktionierenden Euro-Zone und einer neuen Wirtschaftsregierung in Europa möglich. Sie erreicht man nicht, indem man den Menschen keinen reinen Wein einschenkt,
sondern sie in einer Sicherheit wiegt, in der wir uns gar
nicht befinden.
({6})
Viele haben es hier schon gesagt: Nur durch Sparen
wird Griechenland nie aus der Krise herauskommen,
Frau Merkel; denn so wird Griechenland am Ende kaputtgespart.
({7})
Wir brauchen jetzt Folgendes: Wir brauchen den Stopp
der fatalen Abwärtsspirale, in der sich Griechenland gerade befindet.
({8})
Deshalb geht es jetzt darum, Griechenland die Hand zu
reichen und dafür Sorge zu tragen, dass es kein Fass
ohne Boden gibt, sondern dass ein Boden eingezogen
wird. Das heißt, es muss ein europäisches Investitionsprogramm geschaffen werden, eine Art Marshallplan.
Da müssten wir schon längst weiter sein, als Sie es in allen Ihren Vorlagen sind.
({9})
Zu den Zielen, die sich Europa selbst gesetzt hat, gehört, jetzt loszulegen und einen ganz konkreten Vorschlag dafür zu machen - und nicht nur mit Investoren
hinfahren und herumschwadronieren, Herr Rösler -, wie
man eine Taskforce aus Vertretern der griechischen Regierung, lokalen Regierungen, potenziellen Investoren
und vielleicht auch der EU-Verwaltung einrichtet, mithilfe derer in einzelnen Segmenten bürokratische und
rechtliche Hindernisse beseitigt werden, um dort eine
funktionsfähige Wirtschaft bzw. Wirtschaftszweige aufzubauen. Was ist denn zum Beispiel mit dem HeliosProjekt und den erneuerbaren Energien, damit Griechenland von den teuren Öl- und Gasimporten wegkommt?
({10})
Wie wäre es denn mit Investitionen in den Netzausbau
und in die Infrastruktur sowie dem Ausbau des Tourismus, wovon es viel mehr geben könnte? Nur mit solchen
konkreten Maßnahmen kommen wir weiter.
Was Griechenland in diesem Zusammenhang braucht,
ist nicht nur Sparen auf dem Rücken der Ärmsten und
Armen, sondern ein Programm, mit dem die Wirtschaft
in einigen Regionen tatsächlich losgeht, ein Programm,
das den Griechen ein Stück Zeit gibt, und ein Programm
- dies sage ich bewusst in Richtung FDP -, das natürlich
auch finanziert werden kann. Deshalb noch einmal: Wir
brauchen eine Finanztransaktionsteuer. Genau die
könnte Griechenland helfen, das, was die Finanzmärkte
angerichtet haben, zu beseitigen.
({11})
Ich muss schon sagen, Frau Merkel: Gemeinhin muss
man feststellen, dass der Kern der Krise Vertrauen ist.
Deshalb habe ich gerade einmal auf Helmut Kohl rekurriert, bei dem immer alle wussten, dass sie darauf vertrauen können, dass er dieses europäische Projekt vorantreiben will. Das tun Sie nicht. Sie kommen mit einem
Fiskalpakt, den wir demnächst zur Notifizierung vorgelegt bekommen und von dem Sie behaupten, er sei ein
scharfer Wachhund gegenüber dem bisherigen Schlendrian. Aber wenn ich daraufgucke, dann muss ich feststellen, dass es kein scharfer Wachhund ist, sondern ein
klappriges Gebiss; denn Sie haben die Sanktionen nicht
einmal so geregelt, dass Sie die Regeln des Fiskalpaktes
am Ende auch durchsetzen können. Das Geld wird sehr
einseitig eingesetzt, es gibt keine Investitionen in neue
Jobs.
Ich kann Ihnen eines sagen: Es ist richtig, für die
nachfolgenden Generationen ein Zeichen für mehr Haushaltsdisziplin zu setzen, wobei jedes Kind schon heute
20 000 Euro Schulden hat. Aber dieser Fiskalpakt hat
jede Menge Mängel.
Zum Schluss bleibt mir nur eines festzustellen: Wir
werden dem vorliegenden Antrag heute im Bundestag
zustimmen,
({12})
weil es um den Erhalt der Europäischen Union geht. Ihnen von den Linken sage ich: Es reicht nicht, im Leben
links zu sein und links zu tönen. Man muss auch dafür
sorgen, dass den Armen und Ärmsten und den Rentnerinnen und Rentnern nicht durch einen ungeordneten
Staatsbankrott das letzte Geld aus dem Portemonnaie gezogen wird.
({13})
Ihr habt keine Lösung. Ihr wisst nicht, wie Griechenland
Mitte März dieses Jahres seine Kredite zurückzahlen
soll. Man muss beides machen: Man muss akut helfen
und gleichzeitig ein zweites Standbein aufbauen, indem
man Griechenland hilft - zum Beispiel bei den Reformen, beim Abbau der Korruption und bei der Verwaltungsreform - und ein gezieltes Investitionsprogramm
für neue Jobs auf den Weg bringt.
({14})
Das sollte die Botschaft des heutigen Tages sein.
({15})
Ich sage eines ganz klar: Die Europäische Union ist
ein elementares deutsches Interesse, weil wir die Globalisierung sozial gestalten wollen und weil wir den Klimaschutz wollen. Wir wollen keine Europäische Union,
in der die Reichen immer reicher werden, sondern eine
Europäische Union, in der jeder Mann und jede Frau
eine Chance hat.
Frau Kollegin.
Ich komme zum Schluss. - Unter diesem Gesichtspunkt muss man eines sagen: Die Pleite Griechenlands
kann man im Interesse der Griechinnen und Griechen
nicht wollen. Man kann sie auch mit Blick auf die gesamte Europäische Union nicht wollen. Deshalb stimmen wir heute zu.
({0})
Zugleich weisen wir allerdings darauf hin, dass es weiter
zu arbeiten gilt.
({1})
Hermann Otto Solms ist der nächste Redner für die
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die FDP ist die einzige Partei, die ihre Mitglieder zu diesem Thema befragt hat;
({0})
es wäre gut gewesen, auch Sie hätten das gemacht.
({1})
Diese Befragung führte zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit unserer Mitglieder die Politik der Koalition trotz der
kritischen Stimmung, die in dieser Frage in Deutschland
herrscht, unterstützt.
({2})
Wir sind der Meinung, dass wir aus europäischer Solidarität, aber auch aus Solidarität mit den Griechen vernünftige Hilfe leisten müssen. Es ist nicht so, Frau
Künast, dass nichts gegeben wird. Zu dem Vergleich mit
Versailles, Herr Gysi, kann ich nur sagen: Das war voll
daneben.
({3})
Der Versailler Vertrag hatte zur Folge, dass das Deutsche
Reich ausgeblutet ist und das Geld entzogen worden ist.
({4})
Was wir mit Griechenland machen, ist das genaue Gegenteil.
({5})
Wir haben dem Land zuerst 110 Milliarden Euro gegeben, und jetzt stellen wir weitere 130 Milliarden Euro
bereit. Wir zahlen dem Land also riesige Beträge. Aber
wir stellen das Geld nicht einfach so zur Verfügung. Für
diese Leistung muss es eine Gegenleistung geben. Griechenland muss bereit sein, seine Strukturen so zu verändern, dass das Geld vernünftig eingesetzt werden kann.
({6})
Im Rahmen der Fonds, die es auf europäischer Ebene
gibt, steht Geld zur Verfügung, das in Griechenland gar
nicht abgerufen werden kann, weil die Voraussetzungen
nicht erfüllt sind. Wir sorgen dafür, dass die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Betätigung, für Wettbewerb und für Investitionen in Griechenland so gestaltet
werden, dass es für Investoren Sinn macht, dort tätig zu
werden. Eine Reihe von deutschen mittelständischen
Unternehmern ist gemeinsam mit Herrn Rösler nach
Griechenland gereist. Dass die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, haben sie nicht gesehen. Dies muss
jetzt geschehen. Dafür zu sorgen, ist unsere Aufgabe.
Zu der Forderung, Griechenland solle aus dem EuroRaum austreten, muss ich sagen: Diese Forderung
kommt zwei Jahre zu spät. Herr Friedrich, wenn Sie das
ernst meinen, hätten Sie Ihre Kritik vor zwei Jahren äußern sollen; ich habe meine Kritik damals zu Protokoll
gegeben. Heute sind wir nämlich einen Riesenschritt
weiter, und zwar auf dem Weg in eine Stabilitätsunion
und nicht in eine Transferunion, der einige von Ihnen
noch anhängen, Stichwort Euro-Bonds. Schauen Sie sich
doch an, welche Veränderungen in Irland, Portugal, Spanien und selbst in Italien mittlerweile auf den Weg gebracht worden sind. Schauen Sie sich an, was bei der Rekapitalisierung der Banken in Europa geschehen ist. Die
Stabilität des Bankensektors ist doch deutlich gesteigert
worden.
Schauen Sie sich an, welche Regulierungen wir an
den Finanzmärkten eingeführt haben. Sie vergessen das
ja anscheinend immer wieder. Wir haben die Bankenabgabe eingeführt, wir haben Leerverkäufe verboten, wir
haben die Hedgefonds reguliert, die Herr Eichel seinerzeit nichtreguliert eingeführt hat, wir haben mit einem
speziellen Gesetz die Bankenrestrukturierung vorgenommen, und wir haben in Europa dafür gesorgt, dass
die Ratingagenturen gemeldet und genehmigt werden
müssen.
Wir sind also auch hier schon einen Riesenschritt weiter. Sie diskutieren immer nur so, als wären wir noch auf
dem Stand von vor zwei Jahren. Das ist längst Vergangenheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind auf
einem guten Weg. Wir halten diese Entwicklung für ausgesprochen unterstützenswert. Wir wissen aber, dass auf
dem Weg immer auch Fehler geschehen können. Das ist
nicht schlimm. Man muss die Fehler dann korrigieren
und den Griechen eben auch sagen: Hier habt ihr zusätzliche Leistungen zu erbringen, das seid ihr unserer Solidarität schuldig. Das ist Geben und Nehmen und beruht
auf Gegenseitigkeit.
Auf dieser Basis sollten alle in diesem Hause diesem
Antrag zustimmen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({7})
Carsten Schneider erhält nun das Wort für die SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Solms, Sie haben eben darauf rekurriert,
dass man, wenn man Fehler gemacht hat, sie auch korrigieren muss. Das ist grundsätzlich richtig. Mit dem jetzigen Programm für Griechenland korrigieren Sie einen
Fehler, nämlich den, eine Beteiligung privater Gläubiger
an der Sanierung Griechenlands auszuschließen, wie das
bisher der Fall war. Auch das ist ein Grund, weshalb wir
dieses Mal zustimmen werden.
({0})
Peer Steinbrück hat es schon gesagt: Wir haben von
Beginn an gefordert, dass der Finanzsektor einen maßgeblichen Beitrag für die Sanierung und die Wiederherstellung der Ordnung der öffentlichen Finanzen in
Europa leisten muss. Ich kann hinsichtlich der Finanztransaktionsteuer nur unterstreichen: Sie ist notwendig.
Sie wehren sich aber dagegen, dass auch diejenigen einen Teil der Last tragen müssen, die in den vergangenen
Jahren profitiert haben.
({1})
Die Beteiligung des Privatsektors haben wir als Sozialdemokraten als einen von zwei Marksteinen von Anfang an gefordert. Diejenigen, die über Jahre hinweg
hohe Zinsen erhalten haben, müssen auch an der Sanierung beteiligt werden. Das passiert jetzt. Das ist der erste
richtige Schritt.
Über den zweiten Schritt, der aufgrund der Analyse
hinzukommen müsste, können Sie heute im Handels19096
Carsten Schneider ({2})
blatt etwas nachlesen. Ihr Sachverständigenrat zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
empfiehlt Ihnen, auch das Thema Wachstum noch viel
mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Man muss ganz klar
sagen: Hier gibt es eine große Lücke. Nichts aus dem
bisher bestehenden Programm hilft, Wachstum oder Stabilität in Griechenland, geschweige denn in Europa, zu
generieren.
({3})
Wir haben hier 2004, 2005, 2006 gezeigt, dass man
auch mit aktivierender - Herr Brüderle, Sie haben das
vorhin „keynesianisch“ genannt - ({4})
- „Linkskeynesianisch“! Nennen Sie es, wie Sie wollen. Heute profitieren Sie durch die guten Arbeitsmarktzahlen davon, dass wir das damals gemacht haben.
({5})
Mit dem neuen Griechenland-Programm, das mit einem Volumen von 154 Milliarden Euro - das Haftungsvolumen Deutschlands beträgt 44,4 Milliarden Euro auf zwei Jahre angelegt ist, ist klar, dass Griechenland
mindestens in den nächsten zwei Jahren vom Kapitalmarkt weg sein wird. Das heißt, Private werden sich an
der Finanzierung nicht mehr beteiligen.
Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit dazu, zu sagen
- Peer Steinbrück hat das vorhin zu Beginn der Analyse
gesagt -, dass es auch nach zwei Jahren nicht anders sein
wird. Es wird uns etwas kosten, Griechenland dauerhaft
im Euro und in der Europäischen Union zu halten, aber
das ist es uns wert, weil uns der Erhalt der Europäischen
Union und vor allen Dingen auch der europäischen Währung das wert sein müssen. Alle anderen Alternativen,
die es gibt, sind deutlich teurer.
({6})
Das hat vor allem damit zu tun, dass Sie sich in der
Koalition in den letzten zwei Jahren nie sicher waren,
was eigentlich das Problem ist, was man dagegen tun
kann, wie man es dem Volke sagen kann und ob Sie es
sich überhaupt trauen. Bisher gab es nur einen einzigen
vernünftigen Krisenhelfer, und das war die Europäische
Zentralbank. Sie hat Ende vergangenen Jahres mit den
500 Milliarden Euro den Banken noch ein Aspirin gegeben und wird das in dieser Woche erneut tun, indem sie
den Banken unbegrenzte Liquidität gewährt. Das hilft
aber nur kurzfristig, nicht dauerhaft.
Deswegen ist die Lösung Griechenlands für den Finanzsektor, aber auch zugunsten des Vertrauens in die
politische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union
- denn darum geht es -, sich nicht von den Märkten diktieren zu lassen, ob wir eine Staatengemeinschaft mit einer gemeinsamen Vorstellung von Recht und Ordnung,
von Freiheit, Sicherheit, Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit sind oder nicht. Deswegen brauchen wir stabile
Mechanismen, die uns in manchen Punkten von den
Märkten unabhängig machen.
({7})
Die heutige Debatte ist ein Zwischenspiel für das, was
im März mit einer Ausweitung des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus noch kommen wird.
Herr Kollege.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Aber ich
glaube, dass das vor der Abstimmung für die Kollegen
von Bedeutung ist.
Das gilt aber für andere Redner natürlich meistens
auch.
Natürlich. - Es ist nur ein erster Schritt, und Sie werden auch an dieser Stelle wieder eingeholt werden und
wenn nicht einer Ausweitung, dann zumindest einer Parallelität der beiden Fonds, die wir derzeit haben, zustimmen. Denn das hat auch das G-20-Treffen am Wochenende gezeigt: Wir können von anderen Ländern keine
Solidarität erwarten, wenn wir nicht selbst bereit sind,
sie zu gewähren. Wir von der SPD sind dazu bereit.
({0})
Das Wort hat nun die Kollegin Gerda Hasselfeldt für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Vereinbarungen zu Griechenland in der vergangenen
Woche und die Vorschläge zum Fiskalpakt sind ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Bewältigung der
Staatsschuldenkrise in den Euro-Ländern.
({0})
Sie sind auch die logische Konsequenz unseres bisherigen Kurses. Dieser Kurs war und ist von Solidarität auf
der einen Seite und Eigenverantwortung auf der anderen
Seite geprägt.
({1})
Aber beides, die Solidarität und die Eigenverantwortlichkeit, gehört zusammen. Die Fortsetzung dieses Kurses haben wir mit dem Griechenlandpaket unter Beweis
gestellt.
({2})
Frau Kollegin Hasselfeldt, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fritz Kuhn zu?
Ja, freilich.
Frau Hasselfeldt, wie man schon am Dialekt unschwer erkennen kann, sind Sie von der CSU.
Wie schön, dass Sie Bayern mit der CSU gleichsetzen, Herr Kuhn!
({0})
So leicht kriegt man Beifall.
Aber im Ernst: Wir wollen von Ihnen, der Chefin der
Landesgruppe, wissen, wie Sie die Äußerungen des Innenministers - er ist gerade hereingekommen - einschätzen. Sie stehen nämlich in einem gewissen Widerspruch
zu dem, was Sie eben in Ihrer Rede gesagt haben. Teilen
Sie die Äußerungen, oder lehnen Sie sie ab? Wie wird er
abstimmen? Haben Sie mit ihm geredet? Das sind die
Punkte, die uns alle interessieren.
({0})
Herr Kuhn, ich empfehle Ihnen, alles zu lesen, was
über die Äußerungen von Herrn Minister Friedrich zu lesen war. Dann wird Folgendes deutlich:
Erstens. Er wird dem Griechenlandpaket zustimmen.
Das sage nicht ich über ihn, sondern das hat er selbst gesagt.
({0})
- Natürlich.
Zweitens hat er deutlich gemacht, dass Griechenland
jetzt wirklich an den Wettbewerbsstrukturen arbeiten
und die Auflagen erfüllen muss. Griechenland darf nicht
nur Maßnahmen ankündigen, sondern muss auch Taten
folgen lassen.
({1})
Im Übrigen gilt der Grundsatz: Wenn ein Land dazu
nicht in der Lage und langfristig auch nicht dazu bereit
ist, dann muss man über andere Wege nachdenken. Aber
jetzt ist eindeutig festzustellen: Dieser Weg ist eine konsequente Fortsetzung von Solidarität und Eigenverantwortung. Diesen Weg werden wir auch bei der nun anstehenden Entscheidung konsequent weitergehen.
({2})
Es ist klar: Kein Land kann auf Dauer über seine Verhältnisse leben und darauf hoffen, dass die anderen Länder in der Gemeinschaft schon helfen werden. Deshalb
gilt: Es darf nicht nur angekündigt werden. Vielmehr
müssen entsprechende Anstrengungen tatsächlich unternommen werden. Dass unser Kurs grundsätzlich erfolgreich war und ist, zeigt sich an einigen Ländern, beispielsweise an Irland und Portugal. Irland ist auf dem
Weg, sich in der vorgesehenen Zeit auf dem Kapitalmarkt wieder finanzieren zu können. Unser Kurs ist auch
in anderen Ländern erfolgreich. Dass wir von den Auswirkungen der Situation in Griechenland bislang in
Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern so wenig gespürt haben und dass unsere wirtschaftliche Entwicklung und insbesondere unsere Arbeitsmarktentwicklung so gut sind, hängt damit zusammen,
dass wir die richtigen, besonnenen Entscheidungen getroffen haben, und zwar Schritt für Schritt und gut vorbereitet.
({3})
Griechenland ist sicherlich ein schwieriger Einzelfall;
das wird niemand bestreiten. Aber hier zeigt sich in ganz
besonderer Weise, was unsolide Haushaltspolitik, gepaart mit fehlenden Wettbewerbsstrukturen, alles anrichten kann. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir heute mit
dem Problemfall Griechenland nicht so befasst wären,
wenn nicht unter der rot-grünen Regierung markante
Fehlentscheidungen getroffen worden wären.
({4})
Ich kann Ihnen das nicht ersparen. Alles, was Sie heute
sagen, wirkt ein Stück weit unglaubwürdig. Herr
Steinbrück hat zwar beklagt, dass in Griechenland fast
alles schlecht ist und nichts vorwärts geht. Aber das
hätte er schon damals sehen können. Er und viele andere
hätten auf unsere Warnungen hören sollen. Dann hätten
wir vieles, was wir heute zu beklagen haben, nicht zu beklagen.
({5})
Wie Sie wissen, waren wir damals gegen den Beitritt
Griechenlands zur Euro-Zone. Wir haben hier nicht darüber abgestimmt, sondern eine Debatte geführt, in der
sich die Redner meiner Fraktion eindeutig gegen diesen
Beitritt ausgesprochen haben, und zwar nicht nur ein
bisschen, sodass man es hätte überhören können, sondern sehr deutlich und markant.
({6})
Frau Kollegin Hasselfeldt, darf der Kollege Heil eine
Zwischenfrage stellen?
Herr Heil, bitte sehr.
({0})
Herr Kauder, ich wäre mit Namensspielen recht vorsichtig.
(Volker Kauder ({0})
- Können Sie das wiederholen, Herr Kauder? Ich habe
Sie akustisch nicht verstanden. - Offenbar nicht. Okay,
das ist Ihr Niveau.
Frau Hasselfeldt, ich habe eine ernsthafte Frage. Können Sie bestätigen, dass damals die Vertreterinnen und
Vertreter der CDU/CSU im Europäischen Parlament der
Aufnahme Griechenlands zugestimmt haben, und können Sie uns das in diesem Zusammenhang erklären?
Nach meinen Informationen haben damals die Vertreter der CSU - ich spreche für die CSU - bei der Landesgruppe nicht zugestimmt.
({0})
Wir haben schon vor einem Jahr deutlich gemacht,
dass weitere Hilfen für Griechenland notwendig sein
werden. Wir haben damals auch deutlich gemacht: Dazu
bedarf es eines Schuldenschnitts, einer Gläubigerbeteiligung. Die Verhandlungen dazu sind mittlerweile abgeschlossen. Dieser Schuldenschnitt muss gelingen. Ohne
einen Beitrag der privaten Gläubiger, ohne einen erfolgreichen Schuldenschnitt können wir Griechenland keine
neuen Kredite geben; denn in ein Fass ohne Boden werfen wir kein Geld. Dieser Schuldenschnitt, diese Gläubigerbeteiligung ist notwendig.
Eine weitere Bedingung ist: Griechenland muss seine
Hausaufgaben machen. Es darf nicht nur Maßnahmen
ankündigen, sondern muss sie tatsächlich auch durchführen, und zwar glaubhaft und erfolgreich. Die Bürger
haben kein Verständnis dafür, dass angekündigte Maßnahmen im Parlament verwässert werden und im Endeffekt wieder nichts passiert. Deshalb ist es richtig, dass
die Umsetzung der Maßnahmen überwacht wird und
dass die Auszahlung der Gelder an Griechenland mit einer Kontrolle der erforderlichen Reformschritte verbunden wird.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass am nächsten Donnerstag und Freitag im Rat nicht nur die Fragen des Sparens und der soliden Haushalte eine Rolle spielen, sondern dass der Schwerpunkt der Beratungen dort auch die
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der problematischen Länder ist. Die Probleme der Länder sind nicht in
jedem Fall identisch; die Situation in Griechenland ist
eine ganz andere als in vielen anderen europäischen Ländern, die auch Probleme haben. Deshalb muss im Detail
gesagt werden, wo angesetzt werden muss und wie man
helfen kann. Dass eine Diskussion über die Details der
Verbesserung der Wettbewerbsstrukturen stattfindet, ist
ein ermutigendes und notwendiges Zeichen.
Genauso wichtig ist die Einrichtung des Sonderkontos. Dieses Sonderkonto bedeutet nicht einen unverantwortbaren Eingriff in die Souveränität des Landes, es ist
auch kein Zeichen von Misstrauen, sondern es ist die
entscheidende Voraussetzung für Transparenz, für die
Transparenz der Einnahmen, aber auch für die Transparenz der Zinszahlungen und Tilgungen. Nur mit Transparenz kann gewährleistet werden, dass die Schuldentragfähigkeit gesichert wird.
({1})
Wir machen uns diese Entscheidung nicht leicht. Wir
haben intensive Diskussionen auch in den eigenen Reihen darüber geführt. Ich kann heute nicht nur für mich,
sondern auch für die Mehrheit meiner Kollegen sagen:
Wir stimmen nach bestem Wissen und Gewissen zu,
nach sorgfältiger Abwägung der Konsequenzen, der
Risiken und aller Alternativen. Dabei geht es nicht um
theoretische Alternativen, sondern um die praktischen
Alternativen für die Menschen und ihre Auswirkungen
auf die wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Entwicklung, die Arbeitsmarktentwicklung, die Rentner und
die sozial Schwächeren. Diese sind es, für die wir Verantwortung haben. Die Konsequenzen unserer Entscheidungen wirken sich in diesem Fall auf deren Lebensverhältnisse in besonderer Weise aus.
({2})
Mit dem Griechenlandpaket und den Entscheidungen
zur EFSF und zum ESM, also zu den beiden Rettungsschirmen, haben die leistungsstarken Länder in Europa
ihre Solidarität unter Beweis gestellt. Aber diese Solidarität ist natürlich nicht unbegrenzt. Auch Deutschland
- auch wenn es noch so leistungsstark ist und über eine
starke Wirtschaft verfügt - kann sich dabei nicht übernehmen. Deshalb lehnen wir auch alles, was zur Vergemeinschaftung von Schulden und zur Übernahme der
Schulden der anderen Euro-Länder führt, ab.
({3})
Deshalb lehnen wir auch Ihren Vorschlag der EuroBonds ab, die Sie immer wieder ins Gespräch bringen.
({4})
Unser Ziel ist nicht eine weitere Verschuldung, unser
Ziel ist nicht eine Schuldenunion.
({5})
Unser Ziel ist eine Stabilitätsunion.
({6})
Auf dem Weg zur Stabilitätsunion sind wir durch den
Fiskalpakt und das, was jetzt auf europäischer Ebene
diskutiert, verabschiedet und von uns ratifiziert werden
wird. Wer hätte denn noch vor einem Jahr geglaubt, dass
so etwas wie die gesetzliche Verankerung der Schuldenbremsen in den nationalen Verfassungen und Gesetzen
tatsächlich realisierbar wäre? Ich bin überzeugt davon:
kaum jemand von Ihnen. Das wird jetzt gemacht, genauso wie die Verhängung von automatischen Sanktionen oder die Klagemöglichkeiten vor dem EuGH.
Das macht deutlich: Wir sind auf dem richtigen Weg.
Das ist nicht zuletzt der Hartnäckigkeit und dem Verhandlungsgeschick des Finanzministers und der Bundeskanzlerin zu verdanken. Ich möchte dafür meinen Dank
und meine hohe Anerkennung aussprechen und Ihnen
versichern: Auf diesem Weg haben Sie auch weiterhin
unsere Unterstützung.
({7})
Das Wort erhält nun der Kollege Klaus-Peter Willsch.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche
heute für den Abgeordneten Willsch und nicht für meine
Fraktion.
({0})
Ich will deutlich machen, dass ich meiner Fraktion in
diesem Punkt nicht folgen kann. Ich halte diesen Weg,
den wir hier weiter gehen, ökonomisch für grundfalsch.
({1})
Es ist nicht einmal 22 Monate her, dass wir uns mit dem
Paket Griechenland I beschäftigt haben; das war im Mai
2010. Damals war die Situation so, dass gesagt wurde:
Das ist ein einmaliger Vorgang; das ist strikt befristet
und klar konditioniert. Es war die Rede von Ultima Ratio und einer einmaligen Situation.
Wir alle wissen, dass das Strickmuster der Politik, zu
versuchen, Länder vollständig aus der Marktfinanzierung herauszunehmen und deren Schulden über Vergemeinschaftungsstrukturen zu finanzieren, mit der EFSF
und in Zukunft mit dem ESM fortgesetzt wird. Ich halte
dies für einen Weg, der nicht gut ist für Europa. Ich kann
auch nicht feststellen, dass sich in den letzten 22 Monaten das Zusammenleben und das Zusammenarbeiten in
Europa erheblich verbessert hätten, im Gegenteil: Ich
höre im Miteinander in Europa Stimmen, die wir lange
nicht gehört haben und die ich nicht für positiv halte.
Wenn wir durch diese Form der Politik die Signalwirkung hoher Zinsen ausschalten, dann nehmen wir damit
den wesentlichen Indikator weg, der es verbietet, sich
übermäßig zu verschulden. Wir versuchen, Schulden mit
immer mehr neuen Schulden zu bekämpfen, und schalten das einzig wirksame Signal, das es gegenüber einer
übermäßigen Verschuldung gibt, nämlich hohe Zinsen,
mit dieser Form der Politik aus. Deshalb ist das keine
richtige Politik.
Lassen Sie mich ganz konkret noch etwas zu Griechenland sagen.
({2})
Wir haben einen Fiskalpakt verhandelt, der in der Tat
Bekenntnisse enthält. Einen Teil dieser Bekenntnisse
hatten wir jedoch schon im Vertrag von Maastricht, im
Stabilitäts- und Wachstumspakt. Das ist nicht eingehalten worden. Der Pakt war nicht schlecht, aber er wurde
nicht eingehalten. Ich hoffe, dass es dem jetzigen Fiskalpakt besser ergehen wird.
Wenn wir darüber hinaus sehen, was wir an Konditionalität und wirklichen Verhaltensänderungen für das,
was wir gegeben haben, erreicht haben, dann ist das Ergebnis nicht besonders positiv. Jetzt sind es 130 Milliarden Euro, das letzte Mal waren es 110 Milliarden Euro.
Das sind mal schlankweg 20 Milliarden mehr; das ist das
Gesamtvolumen, das der Verkehrsminister in einem Jahr
zur Verfügung hat.
Wir haben erlebt, dass uns versprochen wurde: Es
wird erheblich privatisiert werden, um den Staat zu entschulden. In Griechenland sollten Privatisierungen im
Wert von 50 Milliarden Euro erfolgen; 5 Milliarden Euro
davon sollten im ersten Jahr erbracht werden. Jetzt ist
das zweite Jahr um. Ende 2011 lag das Ergebnis bei den
Privatisierungserlösen bei rund 400 Millionen Euro. Wir
kommen dort nicht wirklich weiter, weil die staatlichen
Strukturen in Griechenland so sind, wie sie sind, und
weil die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft so ist, wie sie ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass Griechenland außerhalb des Euro mit der
Möglichkeit, selbst währungspolitisch zu handeln, eine
wirkliche Chance hätte. So wird Griechenland diese
nach meiner festen Überzeugung nicht haben.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass dies nichts mit
mangelnder Solidarität zu tun hat. Solidarität ist geradezu die Raison d‘Être für die EU. Die gesamte EU ist
ein Modell der Solidarität. Seit der Einführung des Euro
haben wir netto rund 100 Milliarden Euro aufgebracht;
wir sind in der Nettozahlerposition: Wir haben also
100 Milliarden Euro mehr in die Strukturen einbezahlt,
als wir herausbekommen haben. Das ist in etwa der Betrag, den Griechenland und Portugal in dieser Zeit gemeinsam erhalten haben. So viel zur Abteilung Solidarität.
Darüber hinaus gab es einen so nicht geplanten Effekt, dass nämlich allein durch die Zinsvergünstigungen,
die sich dadurch ergeben haben, dass sich Griechenland
und andere Länder zu 3 bis 4 Prozent refinanzieren
konnten, nachdem sie vorher 13 bis 14 Prozent an Zinsen bezahlt hatten, ein gewaltiger Entlastungseffekt für
diese Länder eingetreten ist. Das ist nicht genutzt worden.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Mein Schlusssatz: Ich denke, wir sollten hier ehrlich
sein. Für mich persönlich muss ich sagen: Ich kann diesen Weg nicht mittragen, weil ich ihn ökonomisch für
falsch halte, weil er das Gegenteil dessen ist, was wir
den Menschen bei der Einführung des Euro versprochen
haben, und weil er den nachfolgenden Generationen,
also unseren Kindern und Enkeln, unzumutbare Risiken
aufbürdet.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort erhält nun der Kollege Norbert Barthle für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns nicht zum ersten Mal in diesem Hohen
Hause mit der Bekämpfung der Staatsschuldenkrise und
mit der Stabilisierung des Euro. Ich will doch noch einmal zusammenfassen, dass all das, was wir bisher beschlossen haben, dazu dient, Europa auf den Weg einer
Stabilitätsarchitektur zu führen. Diese Architektur wird
derzeit ausgearbeitet, verfeinert, eingezogen. Da befinden wir uns auf dem richtigen Weg. Zwei wichtige Seiten der einen Medaille auf diesem Wege sind einerseits
das Bemühen um Stabilität - das erkennen wir im Fiskalpakt - und andererseits das Bemühen um Solidarität das steckt in dem Griechenland-II-Paket drin.
Ich bin froh, dass durch die Regierungserklärung unserer Bundeskanzlerin an dieser Stelle noch einmal klar
und deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass
Europa mehr ist als eine Währungsunion. Es geht um
ganz Europa. Europa ist ein Hort der Stabilität, ist ein
Hort des Friedens, ist ein Hort des Wohlstands und des
Wachstums und der Demokratie. Deshalb geht es um
mehr als nur um unsere gemeinsame Währung. Es geht
um Europa.
({0})
Ich bin überzeugt: Europa kann aus dieser Krise gestärkt hervorgehen. Das muss unser aller Ziel sein. Deshalb muss es darum gehen, die Gemeinsamkeit zu
beschwören. Die Kritik, die von griechischer Seite an
unserem Finanzminister geübt wurde, kann man nur mit
Unverständnis zurückweisen. Das ist nicht förderlich.
Das muss auch in aller Deutlichkeit gesagt werden.
({1})
Lassen Sie mich an der Stelle ein ganz deutliches Lob
aussprechen an die Staats- und Regierungschefs, an die
Finanzminister der Euro-Zone, die dieses zweite Griechenland-Paket ausgearbeitet haben. Denn dabei wurden
wesentliche Verhandlungserfolge erzielt, die vorher so
nicht zu erwarten gewesen waren. Das Volumen wurde
eingehalten: 130 Milliarden Euro; da waren ganz andere
Zahlen in der Diskussion. Die 120,5 Prozent an Verschuldung wurden erreicht; auch da waren andere Zahlen in der Diskussion. Der private Sektor wurde stärker
einbezogen, als es vorher absehbar war. Außerdem
wurde das Sonderkonto eingerichtet - unter starker Kontrolle der Troika. Das alles sind Verhandlungserfolge erst
der letzten Wochen. Dafür mein hoher Respekt und
meine Anerkennung.
({2})
Lassen Sie mich an der Stelle noch etwas zu der Kritik von der Opposition sagen, die insbesondere von Ihnen, Herr Steinbrück, vorgetragen wurde. Im Grunde genommen ist das, was Sie kritisieren - Sie sagen, das Ziel
sei richtig, aber der Weg sei falsch; die Bundeskanzlerin
sei zu zögerlich und mache zu wenig -, eigentlich ein
Lob in seiner schönsten Form.
({3})
Wir sprechen ja über ein Paket, das die Regierungschefs
aller Euro-Staaten gemeinsam mit dem IWF und der
EZB ausgehandelt und ausgearbeitet haben. Sie kritisieren nun die Bundeskanzlerin dafür. Damit sagen Sie de
facto, dass dieses Paket die Handschrift der Kanzlerin
trägt und dass alle anderen auch falsch liegen. Sie überreichen also eine Rose mit Dornen der Kritik. Aber jede
Rose hat Dornen. Ich bedanke mich für diese schöne
Rose, die Sie der Bundeskanzlerin überreicht haben.
({4})
Zu Ihrem Vergleich unserer Bundeskanzlerin mit
Herrn Kohl, Frau Künast:
({5})
Bei allem Respekt vor unserem Altbundeskanzler - er ist
ein überzeugter Europäer; wir erinnern uns alle an seine
Regierungserklärungen; sie haben meist eineinhalb
Stunden gedauert; eine Dreiviertelstunde davon ging
über Europa - ist festzuhalten, dass Helmut Kohl es immer abgelehnt hat, nur den Anschein einer Führungsrolle
in Europa zu erwecken.
({6})
Lieber hat er die Trikolore oder den Union Jack dreimal
am Tag gegrüßt. Angela Merkel hat diese Rolle übertragen bekommen - das war die Äußerung aller Partner in
Europa. Dafür kann sie nichts. Diese Rolle ist ihr zugewachsen, und sie füllt sie aus. Ich würde mir wünschen,
dass die damit verbundene Verantwortung auch von IhNorbert Barthle
nen mitgetragen wird und Sie diese billige Kritik endlich
einstellen.
({7})
Lassen Sie mich auf einen weiteren Aspekt hinweisen, durch den deutlich wird, dass das, was wir bisher
zur Bekämpfung dieser Staatsschuldenkrise gemacht haben, erste Erfolge zeigt, und zwar dort, wo wir immer als
Getriebene erschienen sind, nämlich auf den Finanzmärkten. Wer sich die Zinsentwicklung der letzten Wochen und Monate anschaut, der erkennt, dass nicht nur
die sicheren Länder enorm günstige Zinsen für ihre
Staatsanleihen erhalten, sondern insbesondere auch die
Zinssätze für die Krisenländer stabiler werden.
Wenn Sie sich einmal die Zinsdifferenz zwischen irischen und deutschen Staatsanleihen anschauen, dann
werden Sie feststellen, dass sich diese Differenz von
Mitte 2011 bis heute halbiert hat. Auch die Krisenländer
werden also zunehmend stabiler und genießen mehr Vertrauen. Dasselbe gilt für Spanien, Italien, Frankreich, die
Niederlande und Belgien. All diese Länder können inzwischen ihre Staatsanleihen wieder an den Märkten zu
deutlich günstigeren Konditionen platzieren, als es noch
vor Wochen und Monaten der Fall war. Das ist ein Ausweis dessen, dass das, was wir und die EZB machen, um
diese Staatsschuldenkrise zu bekämpfen, richtig ist.
Wir sind uns alle darin einig, dass Griechenland einen
Sonderfall darstellt. Dennoch bin ich der Überzeugung:
Griechenland hat eine weitere Chance verdient. Aber
diese Chance ist mit klaren Bedingungen verknüpft.
Diese klaren Bedingungen schlagen sich nieder in den
sogenannten Prior Actions, also den gesetzlichen Auflagen, die Griechenland erfüllen muss, bevor Geld im
Rahmen eines zweiten Paketes ausbezahlt werden kann.
Weiterhin schlägt sich das nieder in der Forderung, dass
der Anleihetausch erfolgreich abgeschlossen sein muss,
und in unserem Wunsch, dass sich der IWF weiterhin angemessen beteiligt. Ich glaube, die Mehrheit des Hohen
Hauses steht hinter diesen drei Bedingungen. Darauf legen wir auch im weiteren Verfahren wert.
Vielleicht ist das die letzte Chance für Griechenland.
Das wissen wir alle nicht. Es bestehen berechtigte Zweifel an der Umsetzung der jeweiligen Auflagen und an
dem Willen Griechenlands, zur Umsetzung dieser Dinge
beizutragen. Aber gerade deshalb braucht es eine starke
Europäische Gemeinschaft und eine starke Euro-Zone,
um nämlich Griechenland auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Wir sind der Auffassung: Hilfe geschieht
immer im Sinne der Subsidiarität, der Hilfe zur Selbsthilfe. Dafür stehen das zweite Griechenland-Paket und
vor allem auch der Fiskalpakt, den ich als einen großen
Erfolg und als einen großen Fortschritt auf dem Weg hin
zu einer Stabilitätsunion in ganz Europa betrachte. Lassen Sie mich daran erinnern: Wesentlicher Bestandteil
dieses Fiskalpaktes ist die Schuldenbremse. Es ist klar
und deutlich erkennbar, dass gerade die Linke und auch
große Teile der SPD immer gegen diese Schuldenbremse
polemisieren. Auch die Gewerkschaften tun dies.
({8})
- Das gilt vielleicht nicht für Sie, Herr Kollege. Aber
viele in Ihrer Fraktion haben überhaupt kein Gefallen an
der Schuldenbremse.
Frau Künast, die Schuldenbremse in diesem Fiskalpakt ist ein scharfer Zahn, ein Eckzahn, der das Ganze
nicht zu einem, wie Sie sagten, klapprigen Gebiss, sondern zu einem kräftigen Gebiss macht, mit dem man entsprechend zubeißen kann. Davon bin ich überzeugt. Ich
wünsche daher nicht nur dafür, sondern auch für den Antrag zum zweiten Griechenland-Paket eine möglichst
breite Zustimmung in diesem Hause. Darum bitte ich,
und dafür werbe ich. Für Ihre Zustimmung sage ich ein
herzliches Dankeschön.
({9})
Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Griechenland hat nicht gespart. Griechenland gibt in
absoluten Zahlen mehr Geld aus. Griechenlands Wirtschaft schrumpft. Griechenland verschleppt Reformen.
Griechenland ist nicht wettbewerbsfähig. Griechenland
verliert Kapital. Mit anderen Worten: Griechenland ist
insolvent.
Alle Zahlen, die uns 2010 und 2011 vorgelegt wurden, stimmten nicht. Jetzt werden uns neue Zahlen vorgelegt. Die ihnen zugrunde liegende Schuldentragfähigkeitsanalyse haben wir erst als Tischvorlage erhalten.
Nun rechnet die Troika im Basisszenario mit einem
Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr um 4,3 Prozent. Realistisch sind 7 bis 8 Prozent. Nach nur drei Jahren wird das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands Ende
des Jahres um 17 bis 18 Prozent geschrumpft sein.
Griechenland wächst von einer niedrigeren Basis aus,
wodurch sich der prozentuale Schuldenstand von 2012
bis 2020 weiter erhöhen wird. Damit ist der für das Jahr
2020 angenommene Schuldenstand von 120,5 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts heute schon unrealistisch. Die
Annahme, dass Griechenland nächstes Jahr einen Überschuss im Primärhaushalt von 3,6 Milliarden Euro und
2014 von 9,5 Milliarden Euro erzielen kann, ist reine Illusion.
Nach den öffentlich einsehbaren Zahlen Griechenlands gab Griechenland im Jahre 2011 68,9 Milliarden
Euro aus. 2010 hat Griechenland 66,9 Milliarden Euro
ausgegeben. Innerhalb eines Jahres sind die absoluten
Ausgaben des griechischen Staates trotz aller angeblicher Sparprogramme um rund 1,9 Milliarden Euro oder
2,9 Prozent gestiegen.
Es ist nichts besser geworden. Es ist alles schlimmer
geworden. Jetzt meinen wir, Griechenland mit einer
Austerity-Politik aus dieser Falle herauszuführen. Das
kann nicht funktionieren.
({0})
Deshalb ist es entscheidend, dass Griechenland da
Wachstumsimpulse setzt, wo es notwendig ist. Aber
Griechenland macht das nicht. Griechenland gibt zum
Beispiel für den Militäretat mehr Geld aus als in der Vergangenheit. 2010 hat Griechenland 4,5 Milliarden Euro
im Militärhaushalt ausgegeben, 2011 sollen es 4,73 Milliarden sein und 2013 4,63 Milliarden. Griechenland gibt
im Militärhaushalt also mehr Geld aus als im Jahr 2010.
Daran sehen Sie, dass die Weichen falsch gestellt
werden. Griechenland hat im Euro keine Chance, wettbewerbsfähig zu werden. Griechenland muss vielmehr
zweierlei hinbekommen: Zum einen muss es aus der
Währungsunion austreten. Verbunden werden muss das
zum anderen mit einem wirklichen Schuldenschnitt, der
seinen Namen auch verdient. Der beschlossene Schuldenschnitt wird vom europäischen Steuerzahler finanziert: Von den 107 Milliarden Euro stammen 50 Milliarden Euro aus dem Programm zur Rekapitalisierung der
Banken, und weitere 30 Milliarden Euro dienen dazu,
das Umtauschangebot attraktiv zu machen. 80 Milliarden der 107 Milliarden Euro kommen vom europäischen
Steuerzahler. Das ist keine Beteiligung privater Gläubiger, wie ich sie mir vorstelle.
({1})
Risiko und Haftung gehören zusammen. Das darf
nicht außer Kraft gesetzt werden. Wer Risiken eingeht,
der muss im Zweifel haften, der muss die Verantwortung
für sein Handeln tragen. Wir dürfen nicht die Schulden
sozialisieren und die Gewinne privatisieren. Das ist die
falsche Botschaft.
({2})
Damit werden wir den Rattenfängern auf der linken
Seite Zuspruch verschaffen.
({3})
Das ist das Gegenteil von sozialer Marktwirtschaft, was
wir an den Tag legen. Deshalb lehne ich dieses Paket ab.
Vielen Dank.
({4})
Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Michael
Stübgen für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte am Anfang, gerade mit Blick auf die
Rede von Herrn Schäffler, Folgendes sagen: Wir befinden uns jetzt im dritten Jahr der sogenannten EuroFinanzierungskrise. Nach meiner Einschätzung - das
lässt sich einfach verdeutlichen - hat die Euro-Zone, hat
die Europäische Union, hat die Bundesregierung und hat
dieser Deutsche Bundestag in den letzten zwei Jahren
deutlich mehr richtig gemacht, als dass Fehler gemacht
worden sind.
({0})
Bisher ist - das muss man doch auch einmal zur
Kenntnis nehmen - kein Land der Euro-Zone bankrott
gegangen. Der Wechselkurs des Euro ist nach wie vor
stabil. Und wenn wir uns Irland und Portugal anschauen,
die unter Auflagen der EFSF arbeiten, dann sehen wir,
dass Irland sehr klar die Reformen umsetzt, die es selber
versprochen und angekündigt hat, und dass auch Portugal sich in diesem Rahmen bewegt.
Dafür, jetzt immer zu sagen, es sei alles falsch gewesen, gibt es schlichtweg keine sinnvolle Begründung, nur
die Behauptung: In der nächsten Woche, im nächsten
Monat oder im nächsten Jahr wird alles schiefgehen.
Wir müssen das sogenannte Griechenland-II-Paket
beschließen. Warum müssen wir das machen? Als wir vor
knapp zwei Jahren, im Mai 2010, das Griechenland-I-Paket beschlossen haben, konnten wir das wirkliche Ausmaß der Verschuldung Griechenlands noch gar nicht
richtig einschätzen, und zwar nicht, weil wir uns verrechnet hätten. Wir haben uns damals auf die Zahlen der
Troika verlassen. Wir konnten auch die makroökonomischen Probleme in Griechenland nicht richtig einschätzen, die geradezu beängstigend größer sind, als wir das
vor zwei Jahren gemeint haben.
Wenn die Zahlen, von denen man im Hinblick auf ein
Programm ausgegangen ist, sich nicht als richtig herausstellen, dann muss man doch ein Programm korrigieren,
verändern oder ergänzen können. Herr Kollege
Steinbrück, ich finde Ihre Aussage interessant, dass aufgrund der Tatsache, dass wir jetzt ein Griechenland-IIPaket beschließen, das Griechenland-I-Paket gescheitert
sei. Sie selber waren Bundesfinanzminister. Wenn Sie einen Nachtragshaushalt machen wollten oder die mittelfristige Finanzplanung verändern mussten, habe ich nie
gehört, dass Sie dann erklärt hätten: Ich muss etwas verändern, weil sich die Zahlen anders entwickelt haben;
darum ist meine Haushaltspolitik gescheitert.
Natürlich müssen wir anders vorgehen, wenn wir
merken, dass die Entwicklung nicht so verläuft, wie wir
uns das vorgestellt haben. Das wissen Sie sehr genau.
Sie haben nur versucht, hier einen anderen Eindruck zu
vermitteln.
({1})
Ich will auf einen ganz wesentlichen Punkt des Griechenland-II-Pakets hinweisen; darauf habe ich, ebenso
wie viele Kollegen, in diesem Hause schon mehrfach
hingewiesen: Bei den jetzigen Rettungsstrukturen für die
Euro-Länder gibt es einen Webfehler - das hat natürlich
etwas damit zu tun,
({2})
dass wir diese Rettungsmaßnahmen im Mai 2010 sehr
schnell zusammenzimmern mussten -: Die Problematik
besteht darin, dass wir mit diesen Rettungsstrukturen nebenher folgenden Effekt erzielt haben: Die privaten
Gläubiger erhalten alle ihre Zinsen und bei Ausschüttung ihrer Staatsanleihen 100 Prozent zurück. Das bedeutet, sie machen sich mit den privatisierten Gewinnen
einen schlanken Fuß. Die Risiken für neue Staatsanleihen hingegen landen beim Steuerzahler; das heißt, sie
werden sozialisiert, und zwar ohne eine Ausweichmöglichkeit. Ich bin überzeugt, dass das weder politisch akzeptabel ist noch dass die Menschen in unserem Land
das Ganze auf Dauer akzeptiert hätten.
Die jetzigen Beschlüsse zur Gläubigerbeteiligung im
Griechenland-II-Paket sind von fundamentaler Bedeutung. Zum einen kann damit die griechische Schuldentragfähigkeit erreicht werden. Zum anderen werden diejenigen, die in hohen Maße mitverantwortlich für die
Finanzierungskrise sind - nämlich die Kapitalgeber, die
Griechenland noch Kredite zu billigsten Zinsen zu einem
Zeitpunkt gegeben haben, als Griechenland schon nicht
mehr die notwendige Rückzahlungsfähigkeit besaß -,
zur Lösung dieser Probleme auch mit herangezogen.
Das will ich Ihnen an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Gehen wir einmal von 1 000 Euro griechischen Staatsanleihen aus: Davon sind mit diesem Umtausch 535 Euro futsch, 150 Euro werden cash
ausgezahlt, und 315 Euro werden für 30 Jahre angelegt,
zu einem festen Zinscoupon - 2 Prozent bis 2015, 3 Prozent bis 2020 und danach 4,3 Prozent. Rückzahlung ist
2042. Wer hier behauptet, wie gerade der Kollege
Schäffler, dass das nicht ein nachhaltiger Beitrag der
Gläubiger ist, der kann nicht rechnen. Ich kann mir nicht
vorstellen, wie man sonst zu solch einer Aussage kommen kann.
({3})
Das, was in diesem Programm besonders unattraktiv
und schlecht für die Gläubiger ist, ist besonders hilfreich
für die Schuldner, in diesem Fall Griechenland. Ich bin
der festen Überzeugung, dass Griechenland - auch aufgrund der Tatsache, dass der übrigbleibende reduzierte
Verschuldungsbetrag erst in 30 Jahren, nämlich 2042,
mit berechenbaren niedrigen Zinsen fällig wird - jetzt
auch längerfristig die Zeit bekommt, die es braucht, um
seine eigenen Strukturreformen voranzubringen.
Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, dass beim
Griechenland-II-Paket auch die sogenannten vordringlichen Maßnahmen, die Prior Actions, zu denen sich Griechenland verpflichtet hat, einen wesentlichen Raum einnehmen. Dieser Begriff ist, wenn man sich die Liste
einmal genau anschaut, fast ein bisschen euphemistisch.
Denn Tatsache ist, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen - sie betreffen zum großen Teil Strukturreformen,
die den Wettbewerb und die Wettbewerbsfähigkeit fördern sollen - von Griechenland teilweise schon vor
einem oder zwei Jahren zugesagt worden ist, ohne dass
es bisher zu einer Umsetzung gekommen wäre.
Es wird für die nächsten Monate und Jahre ganz entscheidend sein, dass die griechische Politik mehr darauf
achtet, an den Punkten, an denen es ganz massive Fehlentwicklungen gibt, dringend Reformen umzusetzen: im
Hinblick auf den massenhaften Rentenbetrug, der erst
jetzt richtig angegangen wird, und auf die Tatsache, dass
große Einkommen und Vermögen nach wie vor kaum
zur Steuer herangezogen werden, weil man ausweichen
kann und es keine Strukturen gibt, um die Steuerzahlung
durchzusetzen und zu erzwingen. So kann Griechenland
die Chance erhalten, an die Kapitalmärkte zurückzukehren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werbe
um Zustimmung zu diesem Paket; es ist ein wesentlicher
Schritt bei der Bewältigung dieser Krise. Aber es ist mit
Sicherheit nicht die letzte Beschlussfassung des Bundestages zu dieser Thematik.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Ich schließe die Aussprache.
Bevor wir nun zu den Abstimmungen über die Ent-
schließungsanträge bzw. über den Antrag der Bundes-
regierung kommen, bitte ich um Aufmerksamkeit für
folgenden verfahrensleitenden Hinweis: Mir liegen etwa
25 schriftliche Erklärungen1) und 9 Meldungen zu
mündlichen Erklärungen zur Abstimmung nach
§ 31 GO-BT vor, die nach unserer Geschäftsordnung
nicht länger als fünf Minuten dauern dürfen. Ich schlage
Ihnen vor, dass wir diese mündlichen Erklärungen zur
Abstimmung nach den Abstimmungen mit einer Redezeit von jeweils drei Minuten vornehmen. Sind Sie damit
einverstanden?
({0})
- Das ist offenkundig ganz überwiegend der Fall; auch
der Widerspruch der Linken ist zu Protokoll genommen.
Dann ist das aber ganz offenkundig mit der notwendigen
Geschäftsordnungsmehrheit so beschlossen, und dann
werden wir so verfahren.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die
Entschließungsanträge zur Regierungserklärung.
Zunächst der Entschließungsantrag der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP auf der Drucksache 17/8739.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschlie-
1) Anlagen 2 bis 8
Präsident Dr. Norbert Lammert
ßungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen.
Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der SPD
auf der Drucksache 17/8740. Wer stimmt diesem Ent-
schließungsantrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Dieser Entschließungsantrag ist mehrheit-
lich abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/8741. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist mit großer Mehr-
heit abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der
Drucksache 17/8743. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Auch dieser Entschließungsantrag ist mit den
Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt.
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 1 b. Hier
geht es um die Abstimmung über den Antrag des Bun-
desministeriums der Finanzen - Drucksachen 17/8730,
17/8731 und 17/8735 - mit dem Titel: Finanzhilfen zu-
gunsten der Hellenischen Republik; Einholung eines zu-
stimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages
nach unseren einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen.
Wir stimmen über diesen Antrag namentlich ab. Ich
darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Ich eröffne die Abstimmung.
Haben alle anwesenden Mitglieder ihre Stimme abge-
geben? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe
ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Er-
gebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.1)
Wir kommen nun zur Abstimmung über drei Entschließungsanträge zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bitte Sie noch einen Moment um Aufmerksamkeit
für die Abstimmung über diese Entschließungsanträge.
Zunächst zum Entschließungsantrag der Fraktionen
von CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/8742. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag
ist mit den Stimmen der FDP, von Teilen der CDU/CSU
gegen die Stimmen der Linken und der Grünen bei
Stimmenthaltung der SPD angenommen.
Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der
Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8738. Wer stimmt
für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit
den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen und der
Linken gegen die Stimmen von SPD und Grünen abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/8737. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag
ist mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis wie zuvor abgelehnt.
Wir kommen nun zu den angekündigten erbetenen
persönlichen Erklärungen zur Abstimmung. Wie vereinbart gilt für jede dieser persönlichen Erklärungen eine
Redezeit von drei Minuten. Alle acht angemeldeten persönlichen Erklärungen stammen aus der Fraktion der
Linken. Zunächst erteile ich das Wort Kollegin Kathrin
Vogler.
({0})
Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den
Antrag des Bundesministeriums der Finanzen „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ abgelehnt,
weil ich es beinahe als Verhöhnung des Parlaments empfinde, dass wir hier über einen Text mit über 700 Seiten
abstimmen sollten, den wir erst am Wochenende zur
Kenntnis nehmen durften. Eine Zustimmung durch dieses Haus, die wahrscheinlich erfolgt ist, verliert für mich
ihre Bedeutung, wenn die parlamentarische Beratung eines derart wichtigen Dokuments auf diese Weise unmöglich gemacht wird. Um den Kollegen Marco Bülow von
der SPD zu zitieren: Sie machen die Abgeordneten hier
zu Abnickern und Abnickerinnen. Das kann ich vor meinem Gewissen und gegenüber den Wählerinnen und
Wählern nicht verantworten.
({0})
Als Gesundheitspolitikerin habe ich mir zumindest
die Seiten zum Gesundheitswesen näher angesehen. Ich
muss sagen: Ich bin entsetzt, und zwar aus zweierlei
Gründen:
Zum einen entsetzt mich, wie Sie die Austeritätspoli-
tik, also das blindwütige Einsparen öffentlicher Ausga-
ben, auf das griechische Gesundheitswesen ausdehnen.
Da heißt es etwa, dass sich die griechische Regierung
verpflichtet, die öffentlichen Gesundheitsausgaben auf
maximal 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu be-
grenzen, und das bei, wie wir alle wissen - das haben
wir gerade mehrfach gehört -, sinkendem Bruttoinlands-
produkt. In Deutschland betragen die Gesundheitsauf-
wendungen ungefähr 11 Prozent des BIP, und das ist im
internationalen Vergleich keineswegs zu viel.
Dieses Paket wird zur Folge haben, dass in Griechen-
land viele Menschen notwendige Behandlungen nicht
mehr erhalten. Schon jetzt sind viele Griechinnen und
Griechen aufgrund zunehmender Armut nicht mehr in
der Lage, sich mit notwendigen Medikamenten zu ver-
sorgen und Krankenhausaufenthalte zu bezahlen. Das ist
für mich ein gewichtiger Grund, dieses Paket abzuleh-
nen.
Die Gehälter der Beschäftigten im Gesundheitswesen
sollen sinken, Krankenhäuser geschlossen und die Priva-1) Ergebnis Seite 19105 C
tisierung des Gesundheitswesens soll weiter vorangetrieben werden. Das ist giftige Medizin; denn die qualifiziertesten Fachkräfte werden Griechenland verlassen
und in anderen EU-Staaten ihr Einkommen suchen.
Auch dadurch werden konkret Menschenleben gefährdet, und dem kann ich auf keinen Fall zustimmen.
({1})
Zum anderen erstaunt mich, dass Sie hierzulande gebetsmühlenartig predigen, dass Markt und Wettbewerb
die besten Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen
sind, nun aber die staatliche Regulierung des griechischen Gesundheitswesens vorantreiben wollen. So sollen alle Krankenkassen zentralisiert und dem Gesundheitsministerium unterstellt werden. Vor allem an die
Adresse der Kolleginnen und Kollegen auf der rechten
Seite dieses Hauses sage ich: Es ist eine Staatsmedizin
nach Kassenlage, die Sie damit vorprogrammieren.
({2})
Wir haben eine zentrale, öffentliche Festsetzung der
Preise für Medikamente gefordert. Wir haben gefordert,
dass sich die Arzneimittelpreise an dem niedrigsten Preis
orientieren, der in einem anderen EU-Land zu zahlen ist.
Wir haben eine Positivliste mit den von den Kassen erstattungsfähigen Medikamenten und die Vorlage einer
umfassenden Kosten-Nutzen-Bewertung innerhalb kürzester Zeit gefordert. Sie haben sich geweigert, all dies
für Deutschland auch nur in Erwägung zu ziehen. Griechenland soll jetzt ein umfassendes Werbeverbot für
Pharmareferenten erhalten. Das ist gut und richtig, aber
warum machen wir das nicht auch in Deutschland?
({3})
Schon heute sind in Griechenland viele Medikamente
deutlich preiswerter als in Deutschland. Jetzt fordern Sie
für den griechischen Arzneimittelmarkt weitere drastische Preissenkungen. Wenn in Deutschland auch nur ein
Teil davon gefordert wird, äußern Sie stets die Befürchtung, dass einige Pharmahersteller ihre Produkte dann
hier vom Markt nehmen würden. In Griechenland werden aufgrund Ihrer harten Vorgaben demnächst manche
Präparate möglicherweise überhaupt nicht mehr verfügbar sein oder nur noch für jene, die sich die Medikamente im Ausland für teures Geld beschaffen können.
Einer solchen Politik gegen die Menschen in Griechenland kann und will ich nicht zustimmen.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwischendurch
gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen
Republik“, Drucksachen 17/8730, 17/8731, 17/8735, bekannt: abgegebene Stimmen 591. Mit Ja haben gestimmt
496, mit Nein haben gestimmt 90, Enthaltungen 5. Der
Antrag ist damit angenommen.
({0})
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 591;
davon
ja: 496
nein: 90
enthalten: 5
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Manfred Behrens ({1})
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({2})
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({3})
Dirk Fischer ({4})
Axel E. Fischer ({5})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({6})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({7})
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({8})
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({9})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({10})
Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({11})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({12})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({13})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({14})
Anita Schäfer ({15})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({16})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön ({17})
Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Armin Schuster ({18})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Dieter Stier
Gero Storjohann
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({19})
Lena Strothmann
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({20})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({21})
Peter Weiß ({22})
Sabine Weiss ({23})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({24})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({25})
Kerstin Griese
Michael Groschek
Michael Groß
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({26})
Hubertus Heil ({27})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({28})
Frank Hofmann ({29})
Dr. Eva Högl
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({30})
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({31})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({32})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({33})
Michael Roth ({34})
Marlene Rupprecht
({35})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({36})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
({37})
Werner Schieder ({38})
Ulla Schmidt ({39})
Silvia Schmidt ({40})
Carsten Schneider ({41})
Swen Schulz ({42})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Ute Vogt
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({43})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({44})
Florian Bernschneider
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Klaus Breil
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({45})
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth ({46})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({47})
Michael Link ({48})
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({49})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({50})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({51})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({52})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({53})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({54})
Volker Beck ({55})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Agnes Brugger
Viola von Cramon-Taubadel
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Priska Hinz ({56})
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Markus Kurth
Undine Kurth ({57})
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({58})
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann E. Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({59})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Veronika Bellmann
Wolfgang Bosbach
Thomas Dörflinger
Herbert Frankenhauser
Alexander Funk
Dr. Peter Gauweiler
Manfred Kolbe
Paul Lehrieder
Dr. Carsten Linnemann
Thomas Silberhorn
Christian Freiherr von Stetten
Stephan Stracke
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Klaus Barthel
Marco Bülow
Wolfgang Gunkel
Gerold Reichenbach
Rüdiger Veit
Dr. Marlies Volkmer
FDP
Jens Ackermann
Sylvia Canel
Torsten Staffeldt
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Harald Koch
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Petra Pau
Jens Petermann
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({60})
Michael Schlecht
Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Johanna Voß
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
Enthalten
CDU/CSU
Christian Hirte
Hans-Georg von der Marwitz
SPD
Ottmar Schreiner
FDP
Dr. Erwin Lotter
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Hans-Christian Ströbele
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Nunmehr erteile ich dem Kollegen Diether Dehm das
Wort zu einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung.
({61})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe heute gegen das zweite sogenannte GriechenlandRettungspaket gestimmt, weil es noch immer nicht um
die Rettung der Griechinnen und Griechen geht, sondern
einzig um die Rettung der Besitzer griechischer Schuldverschreibungen; denn auch diese 165 Milliarden Euro
wandern in den Orkus der Finanzmafia und sollen Bankprofite sowie Spekulationsgewinne absichern, während
der griechische Staat endgültig kaputtgespart wird.
Fakt ist, dass von den 73 Milliarden Euro, die aus
dem ersten Hilfspaket an Griechenland ausgezahlt worden sind, rund 70 Milliarden Euro durch Zins- und Tilgungszahlungen direkt in die Hände von Banken und
privaten Gläubigern geflossen sind, während die Schulden des Landes um über 50 Milliarden Euro gestiegen
sind und die Schuldenquote von 130 auf 170 Prozent
- ich wiederhole: von 130 auf 170 Prozent - des Bruttoinlandsprodukts hochgeschnellt ist.
Diese unmenschliche Politik, die den Armen, den Arbeitenden und den Alten in Griechenland und nachfolgend auch in ganz Europa angetan wird, einhergehend
mit einer Entmündigung der Demokratie, die auch vor
Deutschland und unseren Kommunen nicht haltmachen
wird, ist mit meinem Gewissen völlig unvereinbar.
({0})
Das Wort hat nun Jutta Krellmann.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe
heute gegen die sogenannten Finanzhilfen zugunsten
von Griechenland gestimmt, weil die Krise nicht auf
dem Rücken der Beschäftigten und sozial Schwachen
gelöst werden kann und darf.
({0})
Als Gewerkschafterin muss ich mich dafür schämen,
was wir im Moment mit den Menschen in Griechenland
machen. Es ist ein Skandal, dass die Kleinen die Zeche
zahlen sollen, während kaum einer der griechischen Reichen und Superreichen zahlen muss.
Mittlerweile wurden von griechischen Millionären
weit über 560 Milliarden Euro ins Ausland gebracht.
Das Geld liegt vor allem auf Konten in der Schweiz, in
Liechtenstein, Zypern und London. Der neueste Trend
der reichen Griechen: Immobilienkauf in Deutschland.
Jeder Euro, der in Berlin investiert wird, fehlt jedoch in
Athen.
({1})
Zeitgleich wurde die Mehrwertsteuer von 19 auf
23 Prozent erhöht. Die Steuerfreibeträge sanken von
80 000 auf 5 000 Euro. Die Gehälter der Staatsbediensteten werden bei 2 000 Euro eingefroren. Das 13. und
14. Monatsgehalt entfallen. 180 000 Stellen im öffentlichen Dienst werden gestrichen. Denjenigen, die verbleiben, wurden die Gehälter eingefroren bzw. um 15 Prozent gekürzt und die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich
verlängert. Der Mindestlohn wurde von 750 auf
580 Euro gekürzt. Es gab eine Kürzung des Arbeitslosengeldes von 461 auf 322 Euro und Lohnkürzungen im
privaten Bereich von ungefähr 20 bis 30 Prozent. Die
Renten wurden um 20 Prozent gekürzt, und zwar mit sofortiger Wirkung.
Anstatt griechischen Rentnern, Arbeitnehmern und
Erwerbslosen das Geld aus der Tasche zu ziehen und damit die Binnenwirtschaft weiter zu schwächen, müssen
endlich die Vermögenden und Profiteure zur Kasse gebeten werden.
({2})
Keine europäische Agenda 2020! So nicht!
({3})
Das Wort hat nun Sevim Dağdelen für die Linke.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Gemeinsam mit meiner
Fraktion Die Linke habe ich heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil mit den bis zu 189,4 Milliarden Euro ausschließlich Banken, Versicherungen und
Gläubigern geholfen wird. Die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gehen zum wiederholten Male
ein ganz erhebliches finanzielles Risiko zur Rettung der
Spekulanten und der Ackermänner ein. Das ist, wie ich
finde, unverantwortlich und skandalös.
({0})
Dieses Paket hilft der griechischen Bevölkerung
nicht. Im Gegenteil: Dieses Paket stürzt Griechinnen und
Griechen regelrecht ins Elend. Bis 2015 sollen weitere
150 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlassen
werden. Der ohnehin niedrige Mindestlohn wird in Griechenland massiv abgesenkt. Öffentliches Eigentum mit
einem Volumen von 50 Milliarden Euro soll privatisiert
werden. Weite Teile der griechischen Bevölkerung leben
schon jetzt in bitterster Armut. Zu Hunderten werden
Kinder bei den griechischen SOS-Kinderdörfern abgegeben, weil ihre Eltern sie nicht mehr ernähren können.
Dafür, dass es in Schulen keine Heizmittel mehr gibt und
Kinder erfrieren müssen oder gar nicht mehr zur Schule
geschickt werden können, weil es keine Kohle gibt, sind
Sie von der Regierung, aber auch Sie von SPD und Grünen verantwortlich. Das ist eine verheerende Verelendungspolitik.
Sevim Da?delen
({1})
Machen wir uns nichts vor: Heute sind es die Griechen, die Opfer dieser verfehlten Politik sind, und morgen wird in Deutschland gekürzt. Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner sollen die Zeche für die
Wirtschafts- und Finanzkrise zahlen. Das ist der Kern Ihres Pakets. Eine Ablehnung dieses Bankenrettungspakets ist im Interesse der griechischen, aber auch der
deutschen Bevölkerung. Es ist nämlich ein Angriff auf
Demokratie und Sozialstaat in Europa, den die Linken
zurückweisen müssen.
({2})
Ich habe dagegen gestimmt, weil klar ist: Griechenland wird mit diesem sogenannten Rettungspaket regelrecht unter Wasser gedrückt. Die Bundesregierung hat
Griechenland nämlich zusammen mit SPD und Grünen
einen Rettungsring aus Blei zugeworfen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Griechenland Souveränitätsrechte entzogen werden. Keine Regierung kann akzeptieren, dass
man ihr sämtliche Staatseinnahmen entreißt und sie einem Sonderkonto zuführt, auf das allein die Gläubiger
Zugriff haben. Diese demokratiefeindlichen Maßnahmen
zerstören die Zukunft Europas. Deshalb sagen wir dazu
Nein.
({3})
Ich habe heute mit meiner Fraktion Die Linke an der
Seite der deutschen und der griechischen Bevölkerung
gegen dieses Paket gestimmt, weil ich es verheerend
finde, dass sogar von einem dritten Paket die Rede ist.
Mit diesen Rettungspaketen für Banken und Spekulanten
untergraben Sie die Zukunft der Bevölkerung in Europa.
Hier im Deutschen Bundestag stehen Sie für die verheerende Politik der Bankenrettung und des Sozialkahlschlags.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Ich
möchte sagen: Sie sind solidarisch mit den Zockerbanden, den Spekulanten und der Finanzmafia. Wir als
Linke sind solidarisch mit der Bevölkerung.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Herr Präsident, wenn Sie erlauben, würde ich -
Nein, ich erlaube es nicht.
Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihr Verständnis und
Ihre Toleranz. Dafür sind Sie sehr bekannt.
({0})
Werte Frau Kollegin, ich weise das entschieden zurück.
({0})
Es ist eine Redezeit von drei Minuten vereinbart. Sie haben bereits 40 Sekunden darüber hinaus geredet. Es ist
eine Unverschämtheit, mich deswegen, weil ich die Regel, die wir vereinbart haben, einhalte, hier öffentlich zu
kritisieren.
({1})
Das Wort hat nun Eva Bulling-Schröter.
({2})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemeinsam mit meiner Fraktion Die Linke habe ich heute
gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil damit
nicht der griechischen Bevölkerung geholfen wird, sondern den Finanzspekulanten. Beschäftigte, Rentnerinnen
und Rentner sowie Arbeitslose, aber auch der Mittelstand werden die Zeche für die große Finanzmarkt- und
Wirtschaftskrise zahlen, in einem Ausmaß, das wir uns
heute nur ansatzweise vorstellen können; meine Kolleginnen und Kollegen haben dazu schon einiges gesagt.
Die Berichte, die uns aus Griechenland erreichen, zeigen, dass das Geld, das im Rahmen dieses Pakets zur
Verfügung gestellt wird, nicht die Menschen, sondern
nur die Banken erreicht. Auferlegt wird der griechischen
Bevölkerung eine Privatisierungsorgie, verbunden mit
Lohnkürzungen und massiven Preis- und Steuererhöhungen. Der Mindestlohn wird gesenkt, und Entlassungen
sind vorprogrammiert und beschlossen. Dies führt zu
massiver Armut in diesem Land - bitte lesen Sie die Medien und schauen Sie bei Facebook nach; es gibt genügend Berichte darüber -, zerstört mittelfristig die Demokratie und führt zu nationalistischen Tendenzen, vor
denen ich warnen muss.
({0})
Die privaten Banken und andere Finanzjongleure werden durch den freiwilligen Forderungsverzicht eben
nicht angemessen an den Kosten beteiligt, die sie maßgeblich mit verursacht haben.
Ich habe auch deshalb gegen das Griechenland-Paket
gestimmt, weil sich die Bundesregierung und all diejenigen, die ihm zugestimmt haben, damit wieder einmal
zum Erfüllungsgehilfen der Banken und Spekulanten
machen. Ich habe dem nicht zugestimmt; denn ich meine
- und die Linke fordert dies -, dass wir ein sofortiges
Ende der ökonomisch und sozial schädlichen Sparpolitik
in den Schuldnerländern brauchen, dass wir dort für ei19110
nen Aufbau sorgen müssen und dass wir die Menschen
nicht, wie die Menschen in der Dritten Welt, in die Armut laufen lassen dürfen.
({1})
Das Wort hat nun Heike Hänsel.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir
ist es wichtig, heute diese persönliche Erklärung abzugeben, weil ich nicht in einen Topf mit der Bild-Zeitung
geworfen werden möchte, die ständig gegen die griechische Bevölkerung hetzt.
({0})
Ich habe heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil dieses Paket ein Angriff nicht nur auf den
griechischen Sozialstaat, sondern auch auf die Demokratie in Griechenland ist. Als der ehemalige Ministerpräsident Papandreou letztes Jahr versucht hat, eine Volksabstimmung über die Kürzungsauflagen zu organisieren,
musste er zurücktreten. Sarkozy und Merkel haben angedroht, nicht zu zahlen, und es wurde ein sogenannter Experte als Ministerpräsident eingesetzt. Bei den jetzt anstehenden Neuwahlen in Griechenland müssen sich alle
großen Parteien verpflichten, nach der Wahl das schon
beschlossene Kürzungsprogramm umzusetzen. Im
Grunde hat die griechische Bevölkerung also gar keine
Wahl. Sie kann nur eine Regierung wählen, die das
Sozialabbauprogramm auf alle Fälle umsetzen wird. Das
ist völlig undemokratisch.
({1})
Ich habe heute auch gegen das Griechenland-II-Paket
gestimmt, weil ich nicht dazu beitragen will, dass die
Demokratie in Griechenland, die Wiege der Demokratie,
auf diese Weise beschädigt wird. Griechenland wurde
1981 in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen,
um die Demokratie nach der Überwindung der Militärdiktatur zu schützen. Mittlerweile ist die EU selbst zur
größten Gefahr für die Demokratie in Griechenland geworden. Das muss ein Ende haben.
({2})
Die griechische Bevölkerung verarmt vor unseren Augen von Monat zu Monat mehr, und das sollte uns alle
beschämen. Genau deshalb lehne ich dieses sogenannte
Rettungspaket ab.
Die Menschen in Griechenland, aber auch in Portugal, Spanien und Italien wehren sich gegen diese aufgezwungene, unsoziale Politik. Ihnen gehört deshalb unsere Solidarität. Ich habe großen Respekt vor den
Menschen, die dort auf die Straße gehen, zum Beispiel
auch der international bekannte Komponist Mikis
Theodorakis, der sich noch mit über 86 Jahren auf den
Syntagma-Platz setzt, um für die Demokratie zu demonstrieren, für die er während der Diktatur in Griechenland
eingestanden ist.
({3})
Am 15. Mai dieses Jahres werden viele Menschen in
vielen europäischen Ländern mit einer großen Demonstration zeitgleich gegen diese Politik demonstrieren.
Die Linke wird sich daran beteiligen. Wir sind solidarisch mit den Menschen, die diese neoliberale Politik
jetzt zu spüren bekommen.
({4})
„Wir sind alle Griechen“, lautet der Slogan. Imaste oli
Ellines!
({5})
Das Wort hat nun Nicole Gohlke.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich
habe heute gegen den Antrag des Bundesministeriums
der Finanzen zu den sogenannten Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik gestimmt, weil mit den
154,4 Milliarden Euro, zu denen de facto noch einmal
35 Milliarden Euro an Hilfen für den sogenannten
Schuldenschnitt kommen, der Bevölkerung Griechenlands nicht geholfen wird. Stattdessen ist dieses Paket
ausschließlich ein Rettungspaket für Banken, Versicherungen und Gläubiger und geht zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Dieses Paket beteiligt noch
nicht einmal diejenigen, die die Krise mit verursacht haben.
Begleitet von einer unerträglichen rassistischen Stimmungsmache gegen die Griechinnen und Griechen, die
auch von dieser schwarz-gelben Regierung mitbefeuert
wird, wird die griechische Bevölkerung durch dieses
Rettungspaket regelrecht ins Elend getrieben. Hunderttausende griechische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner und Studierende sind
nunmehr seit Monaten auf der Straße, weil sie in ihrer
Existenz bedroht sind und nicht wissen, wie sie menschenwürdig überleben können.
Ich habe gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt,
weil klar ist, dass sich dadurch die griechischen Staatsschulden noch weiter erhöhen werden. Die verfehlte
Wirtschaftspolitik wird lediglich beschleunigt. Statt einer europaweiten Kürzungspolitik und immer neuen
Rettungspaketen für die Banken brauchen wir endlich
eine europäische Vermögensabgabe und eine Millionärsteuer.
({0})
Nicht die deutsche oder griechische Bevölkerung, nein,
die Verursacher und Profiteure der Krise sollen zahlen.
Die Maßnahmen sind auch ein erneuter Angriff auf
die Demokratie. Die EU und allen voran die Merkel-ReNicole Gohlke
gierung diktieren Griechenland eine fatale Politik und
umgehen dabei grundlegende demokratische Verfahrensweisen. Der Verlust von Souveränitätsrechten, die Einrichtung eines Sperrkontos zur Schuldenbedienung und
das Verbot von Tarifverhandlungen sind Ausdruck dieses Angriffs.
Mit meiner Gegenstimme zum Griechenland-II-Paket stehe ich auch an der Seite der Griechinnen und Griechen, die sich seit Monaten mit Streiks und Massendemonstrationen gegen die Abwälzung einer Politik von
Korruption und Profitgier auf ihre Schultern wehren.
Sie, nicht die Banken, verdienen unsere Hilfe und Solidarität.
({1})
Das Wort hat nun Johanna Voß. - Die Kollegin Voß
ist nicht da. Dann erledigt sich das jetzt.1)
Als Letzte hat Inge Höger das Wort zu einer persönlichen Erklärung.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemeinsam mit meiner Fraktion Die Linke habe ich heute gegen
das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil damit eine
grundsätzlich falsche Wirtschaftspolitik weiter vorangetrieben wird.
({0})
Dieses Paket ist nichts weiter als ein neues Bankenrettungspaket. Kein Cent davon wird bei der griechischen
Bevölkerung ankommen.
Genauso war es bereits beim ersten sogenannten
Hilfspaket für Griechenland. Damals wurden insgesamt
73 Milliarden Euro ausgezahlt. 70 Milliarden davon
flossen durch Tilgungen und Zinszahlungen direkt an
Banken und private Gläubiger. Die griechische Bevölkerung wird dazu gezwungen, für diese Bankenrettung mit
beispiellosen Sozial- und Lohnkürzungen zu bezahlen.
Die Europäische Linkspartei warnte jüngst in einer Presseerklärung: Wer Elend sät, wird Wut ernten. - Das erlebt man bei den vielen Demonstrationen jetzt in Griechenland, wo die Menschen dieses Paket nicht mehr
ertragen können.
Im zweiten sogenannten Rettungspaket sind Kredite
in Höhe von knapp 100 Milliarden Euro dafür vorgesehen, die sogenannte freiwillige Gläubigerbeteiligung
von gut 100 Milliarden Euro abzusichern und umzusetzen. Das heißt: Die griechischen Staatsschulden werden
dadurch nicht sinken. Gleichzeitig wird erzwungen, dass
die wachstumsfeindliche Kürzungspolitik weitergeht. So
ist die Insolvenz Griechenlands nicht aufzuhalten.
({1})
Ich habe heute gegen das Griechenland-II-Paket gestimmt, weil sich die Misere durch die geplanten Maßnahmen nur weiter verschärfen wird. Die Entwicklung
ist nicht nur schädlich für Griechenland, sondern schädlich für die gesamte Europäische Union.
Die Linke fordert stattdessen, dass die Finanzierung
der öffentlichen Haushalte in der Euro-Zone über eine
öffentliche europäische Bank sichergestellt wird. Diese
öffentliche Bank wiederum sollte zinsgünstige Kredite
bei der EZB erhalten. Nur so kann die Finanzierung der
öffentlichen Haushalte von der Diktatur der Finanzmärkte befreit werden. Die Staatsschulden lassen sich
auch ohne unsoziale Sparpolitik senken, zum Beispiel
durch einen harten Schuldenschnitt und eine europaweite Vermögensabgabe für Millionäre. Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte ist dauerhaft durch eine
höhere und konsequente Besteuerung von Reichen und
großen Konzernen auf eine solide Grundlage zu stellen.
Auch hier in Deutschland muss sich vieles ändern. So
brauchen wir geeignete Maßnahmen zur Stärkung der
Binnennachfrage in Deutschland, etwa durch deutliche
Lohnerhöhungen und einen gesetzlichen Mindestlohn
von 10 Euro.
({2})
Nur so lässt sich die Exportorientierung überwinden, die
auch eine Ursache dafür ist, dass die Wirtschaft Griechenlands niederkonkurriert worden ist.
Die jetzige Sparpolitik zerstört die griechische Gesellschaft. Die Linke ist solidarisch mit den Menschen,
die gegen Sozialabbau und die Zerstörung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten kämpfen, egal
ob dieser Kampf in Griechenland, in Portugal oder in
Deutschland stattfindet.
({3})
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 29. Februar 2012, 13 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.