Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/26/2011

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zur 135. Sitzung des Bundestages. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 17/7359 zu erweitern. Dieser Zusatzpunkt soll zusammen mit dem ersten Tagesordnungspunkt aufgerufen werden. Außerdem ist vorgesehen, die Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 3 Abs. 3 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes - das ist unser Tagesordnungspunkt 7 - auf heute vorzuziehen. Die Wahl soll im Anschluss an die im Zusammenhang mit der Regierungserklärung vorgesehenen namentlichen Abstimmungen erfolgen. Nach der Fragestunde ist dann noch eine von der Fraktion Die Linke verlangte Aktuelle Stunde zur Steuerpolitik geplant. ({0}) - Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Zwischenrufe, wie meistens, im Protokoll erfasst sind, sodass sie hier nicht wiederholt werden müssen. ({1}) Ich stelle jedenfalls Einvernehmen zu den von mir gerade vorgetragenen beabsichtigten Veränderungen fest. Dann können wir so verfahren. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 sowie den gerade aufgesetzten Zusatzpunkt 1 auf: 1 Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat und zum Eurogipfel am 26. Oktober 2011 in Brüssel ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Fritz Kuhn, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einsetzung einer Kommission des Deutschen Bundestages zur Regulierung der Großbanken - Drucksache 17/7359 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({2}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Zu der Regierungserklärung liegen mehrere Entschließungsanträge vor. Wir werden mindestens drei namentliche Abstimmungen im Anschluss an die Regierungserklärung haben. Stellen Sie sich darauf bitte schon einmal ein. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir das so handhaben. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung erhält nun die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel. ({3})

Dr. Angela Merkel (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001478

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor gut drei Jahren löste die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers den größten Börsencrash der Nachkriegszeit aus. Was als amerikanische Immobilienkrise begann, entwickelte sich rasch zu einer globalen Finanzkrise. Gemeinsame Anstrengungen der Bundesregierung und des Bundestages haben damals verhindert, dass Deutschland in eine tiefe Rezession geriet. Den Bürgerinnen und Bürgern hat die Krise dennoch viel abverlangt: wirtschaftliche Einbußen, aber auch Geduld und Vertrauen. Heute können wir festhalten: Unsere gemeinsamen Anstrengungen haben sich gelohnt; denn Deutschland ist Redetext stärker aus der globalen Finanzkrise hervorgegangen, als es in sie hineingegangen ist. Wir können uns über ein beachtliches Wirtschaftswachstum freuen. Und vor allen Dingen ist die Arbeitslosigkeit so gering wie seit 20 Jahren nicht mehr. ({0}) Klar ist aber auch: Deutschland kann es auf Dauer nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht. Deshalb ist jetzt das wichtigste Anliegen der Bundesregierung, dass auch Europa stärker aus der Krise hervorgeht, als es in sie hineingekommen ist. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als: Europa muss eine Stabilitätsunion werden. Was heißt das? Das bedeutet erstens: Wir müssen die akute Krise bewältigen. Dazu müssen wir tragfähige Lösungen für die Länder finden, die eine zu hohe Verschuldung aufweisen, und damit die Fehler der Vergangenheit korrigieren. Gleichzeitig müssen wir verhindern, dass sich die Krise immer weiter auf andere Länder ausbreitet. Genauso wichtig wie das Erstgesagte ist zweitens: Wir müssen Vorsorge für die Zukunft treffen. Dazu müssen wir die Ursachen dieser Krise entschlossen an ihrer Wurzel packen. Das ist die übermäßige Verschuldung, aber auch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Mitgliedstaaten. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir die Fundamente der Wirtschafts- und Währungsunion maximal verstärken müssen. Jede dieser beiden von mir genannten Herausforderungen ist für sich genommen schon relativ groß. Wir müssen jedoch auf diese Herausforderungen gleichzeitig überzeugende Antworten finden, wenn die Wirtschaftsund Währungsunion ihre Belastungsprobe bestehen und dauerhaft gestärkt aus ihr hervorgehen will. Ich glaube, wir sind uns einig: Dies ist die größte Belastungsprobe der Wirtschafts- und Währungsunion, die es je gegeben hat. ({1}) Bei der Formulierung der Antworten sind wir am vergangenen Wochenende in den Beratungen der Finanzminister und der Staats- und Regierungschefs ein gutes Stück vorangekommen, und ich werde mich heute Abend dafür einsetzen, dass wir insgesamt zu tragfähigen Entscheidungen kommen. Die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, haben ihren Ursprung zum Teil weit vor Ausbruch der aktuellen Krise. Dieses wurde jedoch interessanterweise sowohl von den Märkten, aber eben leider auch von der Politik viel zu lange ignoriert. Die Wahrheit ist: Jahrelang war es möglich, Schulden zu machen, ohne dass es Sanktionen der Märkte in Form von erhöhten Zinsen gab oder die Sanktionen im Stabilitäts- und Wachstumspakt, die eigentlich dafür vorgesehen sind. Jahrelang war es möglich, notwendigen Reformen auszuweichen und in der Wettbewerbsfähigkeit zurückzufallen. Zur Wahrheit gehört auch, dass die für die Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union vorgesehenen Fonds - die Strukturfonds und der Kohäsionsfonds - teilweise zu Fehlwirkungen geführt und gerade nicht das gewünschte Ergebnis gezeitigt haben. Mit diesem jahrelangen Reformstau haben wir jetzt zu kämpfen. Deshalb wäre es völlig unseriös, zu behaupten, das könne man über Nacht einfach auflösen. Aber es gibt auch positive Nachrichten. Vor allem Irland ist wieder auf einem guten Weg, Portugal ist fest entschlossen, sein Anpassungsprogramm durchzusetzen, und die griechische Regierung hat in den letzten Monaten mit dringend notwendigen Reformen begonnen. Es ist auch einmal der Erwähnung hier wert, dass den Menschen in Griechenland viel abverlangt wird. Sie verdienen unseren Respekt, und sie verdienen vor allen Dingen eine tragfähige Zukunftsperspektive in der Euro-Zone. ({2}) Dennoch: Es ist noch sehr viel zu tun, um die Probleme Griechenlands in den Griff zu bekommen. Die sogenannte Troika aus Vertretern von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds überwacht die Umsetzung des Programms und bewertet, ob Griechenland seine Schuldenlast grundsätzlich tragen kann. Aus dem inzwischen vorliegenden neuesten Bericht der Troika müssen wir jetzt die richtigen Schlüsse ziehen. Der Bericht zeichnet auf der Basis der Erfahrungen von inzwischen anderthalb Jahren ein realistisches Bild der Lage Griechenlands. Das ist insbesondere das Verdienst des IWF und seiner neuen Direktorin, Christine Lagarde, der ich an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte. ({3}) Der Troika-Bericht verdeutlicht, dass Griechenland erst am Anfang eines langen und schwierigen Weges steht. Er verdeutlicht auch, dass der Privatsektor einen erheblichen Beitrag leisten muss, um die Schuldentragfähigkeit Griechenlands nachhaltig zu verbessern. Das Ergebnis lautet auch: Die Maßnahmen, die wir am 21. Juli 2011 im Europäischen Rat auf der Grundlage der damals vorliegenden Ergebnisse beschlossen haben, sind heute nicht mehr tragfähig. Das Ergebnis der heutigen Beratungen muss sein - das ist das Ziel -, dass die Schuldentragfähigkeit Griechenlands so ausgestaltet wird, dass Griechenland im Jahr 2020 auf einen Schuldenstand von 120 Prozent Verschuldung des Bruttoinlandsprodukts kommt. Das geht nicht, ohne dass sich der private Sektor in erheblich größerem Umfang an den Lasten beteiligt, als das am 21. Juli 2011 vorgesehen war. ({4}) Ein Schuldenerlass allein - das will ich hier ganz deutlich sagen -, egal wie er ausgestaltet ist, löst allerdings die Probleme Griechenlands nicht. Schmerzhafte und notwendige Strukturreformen müssen konsequent umgesetzt werden. Sonst stehen wir trotz Schuldenerlass nach kurzer Zeit wieder da, wo wir heute stehen. Das muss immer klar sein. ({5}) Deshalb ist das Prinzip, das wir von Anfang an anwenden, richtig: Hilfen kann es nur geben, wenn der Empfänger Eigenverantwortung übernimmt. Hilfen müssen immer an strenge Bedingungen geknüpft sein. Meine Damen und Herren, auf diesem Weg müssen wir Griechenland mit Sicherheit noch eine ganze Zeit begleiten. Ich glaube - auch darüber werden wir heute sprechen -, es reicht nicht aus, dass alle drei Monate eine Troika kommt und wieder geht. Es wäre wünschenswert, dass eine permanente Überwachung in Griechenland stattfindet. ({6}) Genauso sind wir verpflichtet, alles dafür zu tun, dass Griechenland die Möglichkeit gegeben wird, wieder zu wachsen. Das bedeutet natürlich auch: Investitionen unter wahrscheinlich verbesserten Voraussetzungen. Deshalb gibt es eine EU-Mission unter Leitung des Deutschen Horst Reichenbach. Deshalb gab es die Reise des Bundeswirtschaftsministers nach Griechenland - mit einer Vielzahl potenzieller Investitionen deutscher Unternehmen im Gepäck. ({7}) Und deshalb gibt es auch ein Treffen der Vertreter deutscher und griechischer Kommunen in der nächsten Woche. Sie wollen darüber beraten, wie sie sich gegenseitig helfen können. Ich sage ausdrücklich - ich glaube, ich sage das in Ihrer aller Namen -: Wir wollen, dass Griechenland schnell auf die Beine kommt. Wir werden in allen Bereichen das tun, was uns möglich ist, im Sinne der deutschgriechischen Partnerschaft. ({8}) Ein Schuldenschnitt für Griechenland, das heißt eine Beteiligung der privaten Gläubiger, bedeutet, egal wie er aussieht, dass wir gleichzeitig auch eine Lösung finden müssen, um systemische Risiken zu vermeiden, das heißt, um zu vermeiden, dass andere Länder aufgrund dieses Vorgangs angesteckt werden. Deshalb müssen wir zwei Wege beschreiten. Wir müssen dafür sorgen - das ist der eine Weg -, dass die Banken das Vertrauen ineinander nicht verlieren. Deshalb wurde am vergangenen Wochenende eine stärkere Rekapitalisierung der Banken von den Finanzministern auf der Grundlage der Vorschläge der europäischen Bankenaufsicht beschlossen. Diese ist unbedingt notwendig und wird ein ganz wichtiges Element sein, um eine solche Ansteckung zu verhindern. Wenn wir diese Rekapitalisierung der Banken durchführen, dann gilt die folgende Reihenfolge - das ist klar -: Zuerst sind die Banken aufgefordert, die Kapitalisierung aus eigener Kraft zu leisten, an zweiter Stelle müssen die Nationalstaaten helfen, und nur dann, wenn die Stabilität des Euro insgesamt in Gefahr ist, weil ein Nationalstaat das nicht leisten kann, kann es in Betracht kommen, dass die EFSF dazu herangezogen wird. Das ist die Reihenfolge. Ein zweites wichtiges Element, um die Ansteckungsgefahr zu verhindern, ist der sogenannte Schutzwall, über den wir jetzt sehr viel gesprochen haben. Sie können es auch Firewall nennen, wenn Sie des Englischen mächtig sind; ({9}) ich wollte mich allerdings deutsch ausdrücken, was sicherlich hilfreich ist. ({10}) Hierzu müssen wir - das ist der zweite Weg - alle anderen Länder von den Ansteckungsgefahren, die von Griechenland ausgehen können, abschirmen. Dazu sage ich: Unabdingbar, bevor wir solche Abschirmungen vornehmen, ist erst einmal, dass jedes Land, das davon betroffen sein könnte, seine Hausaufgaben macht und mit zusätzlichen Maßnahmen versucht, eigene Solidität zu beweisen. Auch darüber wird zuerst gesprochen. Nun geht es um die Formen der Abschirmung; darüber ist schon viel geredet worden. Die EFSF hat jetzt eine effektive Kapazität von 440 Milliarden Euro; das haben wir hier beschlossen. Deutschland übernimmt dabei Garantien in Höhe von 211 Milliarden Euro. Dabei bleibt es: sowohl hinsichtlich des Gesamtvolumens der EFSF als auch der Obergrenze der deutschen Garantien. In unserer heutigen Beratung geht es darum, dass die EFSF mit dieser Kapazität eine möglichst große Wirkung bei der Verhinderung von Ansteckungsgefahren erzielt. Die Wirkung dieser Abschirmung muss groß genug sein. Es hat eine umfassende öffentliche Diskussion dazu gegeben. Ich sage noch einmal - das ist ganz wichtig in diesem Zusammenhang -: Alle Modelle, die eine Beteiligung der Europäischen Zentralbank voraussetzen, sind vom Tisch und heute nicht Gegenstand der Beratung. ({11}) Sie widersprechen den europäischen Verträgen. Ich habe klar gemacht, dass solche Lösungen mit der Bundesregierung nicht infrage kommen. ({12}) Nun werden zwei Optionen ohne Beteiligung der Europäischen Zentralbank verfolgt: erstens die Teilabsicherung neuer Staatspapiere des betreffenden Euro-Staates und zweitens die Schaffung der Möglichkeit zur Beteiligung von privaten und öffentlichen Investoren an der Finanzierung von Maßnahmen, also an der EFSF. Beide Optionen können nur im Rahmen der für die EFSF vereinbarten Instrumente Anwendung finden. Damit ist auch sichergestellt, dass die geltenden klaren Prinzipien der EFSF immer Anwendung finden. Der Mitgliedstaat muss einen Antrag auf Hilfe stellen, es wird ein Memorandum of Understanding ausgehandelt, und darin wird eine strenge Konditionalität der Hilfen vereinbart. Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung müssen der Gewährung einer Hilfe im Einzelfall und damit der Anwendung einer der beiden Optionen zustimmen, und zwar in der Form, die die Vorschläge für das parlamentarische Vorgehen beinhalten. Über beide Optionen wird der Bundestag heute politisch im Grundsatz befinden, über beide Optionen werden wir heute Abend im Rahmen des Treffens der Staats- und Regierungschefs noch einmal politisch im Grundsatz beraten und sie beschließen. Selbstverständlich werden die Leitlinien, wenn sie vorliegen, anschließend entsprechend dem parlamentarischen Verfahren hier im Deutschen Bundestag beraten. ({13}) Darüber hinaus besteht auf europäischer Ebene Konsens, mit dem Internationalen Währungsfonds Gespräche darüber zu führen, wie der IWF über das heutige Maß hinaus zur Stabilisierung der Euro-Zone beitragen kann, und zwar mit Blick sowohl auf seine Expertise als gegebenenfalls auch auf seine Finanzierungsinstrumente. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, weil es für die Beschlussfassung von heute wichtig ist: Wer auch immer möchte, dass sich private Gläubiger an der Schuldentragfähigkeit Griechenlands beteiligen, der muss Sorge dafür tragen, dass eine Abschirmung, ein Schutz gegenüber Ansteckungsgefahren mit beschlossen wird. Alles andere ist grob unverantwortlich. ({14}) Ich habe es gesagt: Die Bundesregierung will, dass die Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Stabilitätsunion wird. Deshalb müssen wir neben der Bewältigung der akuten Krise natürlich auch Vorsorge für die Zukunft treffen, und zwar dadurch, dass die Euro-Mitgliedstaaten mehr gemeinsame Verantwortung übernehmen. Dazu haben wir bereits erste Schritte gemacht, zum Beispiel mit dem Euro-Plus-Pakt, mit dem die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone freiwillige Verpflichtungen eingegangen sind, Strukturreformen durchzuführen. Das bedeutet: Wettbewerbsfähigkeit ist jetzt auch in der Europäischen Union Chefsache. Mit dem neuen, gerade in Kraft getretenen Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte können Wettbewerbsschwächen früher erkannt und auch behoben werden. Auch die Struktur- und Kohäsionsfonds müssen in Zukunft mehr dahin gehend eingesetzt werden, dass sie wirklich der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dienen. Aber ich sage auch - darauf werden wir im weiteren Verfahren achten -: Wirtschaftliche Ungleichgewichte sind noch nicht als solche schlecht. Wenn ein Überschuss entsteht, weil ein Land wettbewerbsfähiger als ein anderes ist, dann darf das natürlich nicht infrage gestellt und nivelliert werden, genauso wie unterschiedliche Zinsen Ausdruck unterschiedlicher Stärke sind. ({15}) Wir haben den Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärft. Sanktionen setzen früher ein. Sie sind effektiver. Der Pakt bekommt jetzt sehr viel mehr Biss. Insofern haben wir hier eine Trendumkehr eingeleitet. Zudem haben der französische Präsident und ich vorgeschlagen - auch darüber werden wir sprechen -, dass sich Parlamente, wenn die Europäische Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters bei der Überprüfung der Haushalte Kritik äußert, freiwillig verpflichten, diese bei der Umsetzung im nationalen parlamentarischen Verfahren zu berücksichtigen, und dass sich alle Euro-Mitgliedstaaten verpflichten, eine Schuldenbremse in ihrer Verfassung aufzunehmen. ({16}) Die Diskussion darüber ist in vollem Gange. Ich finde es absolut bemerkenswert, dass ein Land wie Spanien noch kurz vor den Wahlen seine Verfassung geändert hat, um eine solche Schuldenbremse aufzunehmen. ({17}) Wir verschärfen und verbessern damit europäische Verfahren. Diese ergänzen und verstärken wir durch Selbstverpflichtungen, wie ich es eben gesagt habe. Wir schöpfen damit den Rahmen der geltenden europäischen Verträge weitestgehend aus. Die Probleme, vor denen wir heute stehen, müssen und können heute in diesem Rahmen gelöst werden. Aber ich sage auch: Wir brauchen mehr. Es ist meine feste Überzeugung, dass wir über diesen Ansatz hinausgehen müssen. Es ist im Übrigen auch so: Wenn die internationale Öffentlichkeit auf uns in Europa schaut, dann will sie auch wissen, wie die Entwicklung der Europäischen Union mittelfristig weitergeht, weil sie Sicherheiten braucht, dass der Euro-Raum zusammensteht, seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert und die Stabilitätskultur stärkt. Deshalb werden wir die europäischen Verträge ändern müssen. ({18}) Dafür hat sich der Bundesaußenminister am Samstag, und dafür habe ich mich am Sonntag eingesetzt, und zwar dahin gehend, dass wir - das wird sich auch in den Schlussfolgerungen widerspiegeln - den Präsidenten des Rates bitten, uns im Dezember Vorschläge zu machen, wie die Stabilitätskultur besser verankert werden kann. Dabei geht es nicht um eine umfassende Reform des Vertrags von Lissabon - damit hätte man sich zu viel vorgenommen -, es geht auch nicht um eine Vergemeinschaftung weiter Teile der Wirtschafts- und Finanzpolitik, ({19}) sondern im nächsten Schritt geht es darum, erst einmal im Hinblick auf Länder, die permanent und immer wieder den Stabilitäts- und Wachstumspakt verletzen, eine Möglichkeit zu schaffen, durchzugreifen und auf ihre Verletzungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wirklich Einfluss zu nehmen. ({20}) Denn - weil hier gerade wieder gemurmelt wird - es ist so: Es kann nicht sein - das ist über 50 Mal passiert -, dass gemeinsame Verabredungen im Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht eingehalten werden. Wir wissen jetzt, dass eine Nichteinhaltung in einem der 17 Mitgliedstaaten - Griechenland ist nicht der größte - zur Gefährdung der Stabilität des Euro insgesamt führen kann. ({21}) Deshalb müssen Verletzungen dieser Stabilitätskultur schärfer geahndet werden, zum Beispiel durch ein Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof, wenn sich ein Land permanent nicht an die Vorgaben hält. ({22}) Ich bin mir sehr sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die sich mit Recht viele Sorgen machen, genau dies verstehen. Sie wollen nicht einfach mehr Europa, aber sie wollen mehr Sicherheit für die Stabilitätskultur in Europa. Ich glaube, erst dann, wenn wir in diesem Sinne mehr Europa schaffen, wenn wir Europa also weiterentwickeln, haben wir die politische Dimension dieser Krise verstanden. Dann haben wir auch verstanden, dass wir die Konstruktionsschwächen bzw. die Konstruktionsmängel bei der Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion entweder jetzt oder gar nicht beseitigen. Wenn wir sie jetzt beseitigen, dann nutzen wir die Chance dieser Krise. Ansonsten würden wir versagen. ({23}) Ich bin mir durchaus bewusst: Eine Vertragsänderung birgt immer Risiken. Sie ist ein mühsamer Weg. Alle 27 Mitgliedstaaten müssen zustimmen. Dennoch ist sie der notwendige und beste Weg, eine Spaltung der Europäischen Union in Euro- und Nicht-Euro-Staaten zu verhindern. Wenn uns das nicht gelingt, dann wird sich die Notwendigkeit ergeben, dass die Euro-Staaten untereinander verbindliche Verträge abschließen. Das will ich nicht. Das fände ich nicht vernünftig, weil noch viele Länder dem Euro beitreten wollen. Deshalb muss man bereit sein, diesen Weg zu gehen. Da wir in einer solch existenziellen Krise in Europa sind, frage ich: Wo steht eigentlich geschrieben, dass eine Vertragsänderung immer eine Dekade dauern muss? Wer auf der Welt wird uns für handlungsfähig halten, wenn wir uns hinstellen und sagen: „Nach dem Lissabonner Vertrag darf es nie wieder eine Änderung geben“? Die ganze Welt ändert sich, also muss auch Europa veränderungsbereit sein. ({24}) So wie wir im Zusammenhang mit der deutschen Einheit in sechs Monaten einen Zwei-plus-Vier-Vertrag hinbekommen haben, wird es doch wohl auch möglich sein - der Euro sollte uns so viel wert sein -, dass wir gemeinsam Vertragsänderungen ins Auge fassen. ({25}) Angesichts der Dimension bei der Bekämpfung der Krise ist nicht zu vergessen: Entstanden ist sie maßgeblich auch durch zu wenig Regulierung. Deshalb bleibt die Regulierung der Finanzmärkte eine der großen Aufgaben, die bei weitem noch nicht erledigt ist. ({26}) Deswegen hat sich auch der Europäische Rat am Sonntag noch einmal damit beschäftigt und betont, dass wichtige Vorschläge zur Regelung der Derivate, der Einlagensicherung und der Eigenkapitalanforderungen an Banken jetzt zügig angenommen werden müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal betonen, dass sich die Bundesregierung für die Einführung einer Finanzmarkttransaktionsteuer einsetzt, ({27}) und zwar in den nächsten Tagen zunächst einmal beim G-20-Gipfel in Cannes. Wir sind auch dankbar dafür, dass die Europäische Kommission einen Vorschlag dafür vorgelegt hat. Die Finanzminister werden diesen Vorschlag Anfang November beraten, und Deutschland wird alles tun, damit dieser Vorschlag der Europäischen Kommission ein Erfolg wird. ({28}) Wahr ist aber auch: Viele Fragen erfordern nicht nur eine nationale oder europäische Antwort, sondern globale Antworten. Dafür ist die G 20 das geeignete Gremium. Die G 20 verkörpert immerhin zwei Drittel der Weltbevölkerung und 80 Prozent der Weltwirtschaftskraft. Deshalb war der Ausgangspunkt der G-20-Beratungen im Übrigen auch eine bessere weltweite Regulierung der Finanzmärkte. Man kann sagen: Wir haben einiges geschafft. Ein wichtiger Schritt wird jetzt in Cannes gegangen werden: Systemrelevante Banken werden nicht mehr so, wie es in der Krise der Fall war, behandelt, dass nämlich letztlich der Steuerzahler dafür eintreten muss. „Too big to fail“ gibt es nicht mehr, und international wird ein Restrukturierungsprozess für die systemischen Banken vereinbart, so wie wir das in Deutschland mit dem Restrukturierungsgesetz für Banken bereits vorgeschlagen haben. ({29}) Das hat lange gedauert, aber es ist gut, dass wir das jetzt in Cannes beschließen können. ({30}) Gleichzeitig werden wir den Auftrag erteilen, dass das, was für die Banken gilt, auch für die „Schattenbanken“ gelten muss, zum Beispiel für die Hedgefonds; denn auch sie stellen genauso ein systemisches Risiko für die Finanzmärkte dar. Dieser Auftrag wird von dem sogenannten Financial Stability Board als Nächstes bearbeitet werden. ({31}) In Europa haben wir bereits die Hedgefonds geregelt. Aber weltweit ist das noch nicht in ausreichendem Maße geschehen. Deshalb muss auch das Thema Steueroase wieder auf den Tisch; denn wir hatten uns seitens der G 20 zu Beginn vorgenommen, dass jedes Instrument, jeder Platz und jeder Akteur einer Regulierung unterworfen wird. Da reicht es nicht, dass wir das national oder in Europa tun, sondern das muss weltweit geschehen. Allerdings sage ich auch: Mit Einzelmaßnahmen in Deutschland, zum Beispiel dem Verbot von Leerverkäufen, haben wir gute Erfahrungen gemacht; denn jetzt wird das ganze Thema wenigstens in Europa diskutiert. Nun müssen wir es noch weltweit nach vorne bringen. ({32}) Was auch sehr wichtig ist: G 20 wird nur dann funktionieren, wenn nicht jedes Jahr neue Beschlüsse gefasst werden. Im letzten Jahr in Toronto hatten wir uns verpflichtet, dass alle Industrieländer bis 2013 ihr Staatsdefizit halbieren. Deutschland wird das schaffen, aber längst nicht alle Industrieländer in der G 20. Ich halte nichts davon, jedes Jahr nach Konjunkturlage gerade das zu beschließen, was passt. Vielmehr glaube ich, dass die G 20 die Verpflichtung hat, auf einem langen Pfad das Beschlosssene durchzuhalten und der Ursache vieler der Schwierigkeiten entgegenzuwirken. Verschuldung gibt es nicht nur in Europa, sondern Verschuldung gibt es auch in anderen Teilen der Welt, zum Beispiel in Japan oder in den Vereinigten Staaten von Amerika. Deshalb glaube ich: Es reicht nicht, wenn wir uns gegenseitig immer nur ermahnen, sondern es geht vor allen Dingen darum, dass wir gemeinsam handeln. Wer in diesen Tagen im Lande unterwegs ist und mit den Bürgerinnen und Bürgern spricht, wer die Demonstrationen in New York, Brüssel, Frankfurt oder Berlin verfolgt, der weiß, wie sehr die Schuldenkrise die Menschen bewegt. Ich sage: Dafür habe ich großes Verständnis. Die Lage ist sehr ernst. Die Krise zu bewältigen, erfordert Ausdauer. Wir alle betreten Neuland. Die Ursachen der Krise habe ich dargestellt. Sie sind komplex. Einfache Lösungen, den einen Paukenschlag, wird es nicht geben. Die Themen werden uns noch Jahre beschäftigen. Ihnen liegen heute die Unterlagen mit Details zur Maximierung der Kreditvergabekapazität der EFSF vor, die derzeit nach bestem Wissen und Gewissen vorgelegt werden können. In der öffentlichen Debatte über diese Maximierung ist viel von einem größeren Ausfall- und Haftungsrisiko, das Deutschland mit der Maximierung der EFSF möglicherweise eingeht, die Rede. Ob das so sein wird, kann letztlich niemand abschließend abschätzen. Ich sage aber ausdrücklich: Ausschließen können wir es nicht. ({33}) Deshalb ist es richtig und gut, dass wir dies in unserem Entschließungsantrag so verankert haben. ({34}) Ich möchte darüber sprechen, weil wir hier an einem Punkt sind, an dem wir, die wir alle politische Verantwortung tragen, eine schlichte politische Frage beantworten müssen. Sie lautet: Wie gehen wir in einer solchen Situation, wie wir sie jetzt haben, mit Risiken um? Anders gefragt: Wann halten wir Risiken für vertretbar? Können wir im konkreten Fall das Risiko, das wir mit der Maximierung der EFSF eingehen, für vertretbar halten oder nicht? Das ist heute die konkrete Frage. Wenn ich das Risiko für nicht vertretbar halte, dann darf ich es natürlich nicht eingehen. Wenn ich es aber nach Abwägung aller Argumente für und wider für vertretbar halte, dann muss ich das Risiko eingehen. Genau das zeichnet politisches Handeln aus und unterscheidet es von anderem Handeln. ({35}) Bezogen auf die Maximierung der EFSF können wir festhalten: Erstens. Der deutsche Anteil bleibt bei 211 Milliarden Euro. Zweitens. Verträge werden nicht gebrochen. Drittens. Die wirtschaftlich stärkste Nation sind wir. Aber - auch das sage ich - wir sind nicht der Nabel der Welt. Die Welt schaut auf Europa und Deutschland. Sie schaut darauf, ob wir bereit und fähig sind, in der Stunde der schwersten Krise Europas seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Verantwortung zu übernehmen. Viertens. Dem möglichen Ausfall- und Haftungsrisiko steht der ökonomische Gewinn gegenüber, den Deutschland wie kein anderes Land vom Euro hat. Fünftens. Mein Fazit lautet deshalb: Das Risiko, das mit der jetzt beabsichtigten Maximierung der EFSF verbunden ist, ist vertretbar. ({36}) Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es wäre nicht vertretbar und nicht verantwortlich, das Risiko nicht einzugehen. Eine bessere Alternative, eine vernünftigere Alternative liegt mir nach Prüfung aller Möglichkeiten nicht vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen für Ihre bisherige Unterstützung und kritische Begleitung auf unserem Weg, den Euro zu schützen und zu stärken. Es ist mir ein persönliches Anliegen, in enger Abstimmung mit dem Deutschen Bundestag - mit Regierungsund Oppositionsfraktionen - Lösungen zum Wohle unseres Landes zu finden. Ich bin überzeugt: Mit unserem umfassenden Ansatz, so wie ich ihn dargestellt habe, zur Bewältigung der akuten Krise einerseits und kluger Vorsorge für die Zukunft andererseits wird es uns gelingen, die Wirtschafts- und Währungsunion wieder zur Stabilitätsunion zu machen. Unseren Bürgerinnen und Bürgern sage ich: Es gilt: Was gut ist für Europa, das ist auch gut für Deutschland. Dafür steht ein halbes Jahrhundert Frieden und Wohlstand in Deutschland und in Europa. Gestatten Sie mir angesichts der Lage - nicht nur der ökonomischen Lage wegen der Schuldenkrise, sondern auch der politischen Lage in einzelnen Staaten Europas zum Schluss ein persönliches Wort. Niemand sollte glauben, dass ein weiteres halbes Jahrhundert Frieden und Wohlstand in Europa selbstverständlich ist. Es ist es nicht. Deshalb sage ich: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Das darf nicht passieren. ({37}) Wir haben eine historische Verpflichtung, das Einigungswerk Europas, das unsere Vorfahren nach Jahrhunderten des Hasses und des Blutvergießens vor über 50 Jahren auf den Weg gebracht haben, mit allen uns zur Verfügung stehenden verantwortbaren Mitteln zu verteidigen und zu schützen. Die Folgen, wenn das nicht gelänge, kann niemand von uns absehen. Es darf nicht geschehen - das ist meine tiefe Überzeugung -, dass später einmal gesagt werden kann, dass die politische Generation, die im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts in Europa politische Verantwortung getragen hat, vor der Geschichte versagt hat. Als umso wertvoller empfinde ich das politische Signal, das heute der Deutsche Bundestag mit einem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen an die Menschen in Deutschland, nach Europa und in die Welt aussendet. Er sendet damit eine Botschaft aus, die weit über die finanzpolitischen Aussagen des Antrags hinausreicht. Er sendet die Botschaft aus, dass Deutschland parteiübergreifend das europäische Einigungswerk schützt und für dieses Ziel zusammensteht. Dafür danke ich allen, die daran mitgewirkt haben. Sie können sicher sein, dass ich diese Botschaft auch für die nicht einfachen Verhandlungen heute mit nach Brüssel nehme. Herzlichen Dank. ({38})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Debatte findet große Aufmerksamkeit nicht nur in der deutschen, sondern auch in der internationalen Öffentlichkeit. Stellvertretend für die vielen Gäste, die heute hier im Deutschen Bundestag die Debatte verfolgen, begrüße ich besonders gerne unseren Kollegen Klaus Hänsch, den früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments. ({0}) Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion das Wort. ({1})

Dr. Frank Walter Steinmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Dass die FDP und die CSU zu dieser Regierungserklärung Beifall geklatscht haben, wird in der Tat viele in Deutschland überraschen. Frau Bundeskanzlerin, ich hätte viele dieser Sätze gerne vor einem Jahr gehört, ({0}) zum Beispiel den guten und richtigen Satz über die Anerkennung der Eigenanstrengungen der Griechen. Er wäre vor einem Jahr in diesem Hause und gegenüber der Öffentlichkeit dringend notwendig gewesen. ({1}) Stattdessen haben Sie Ressentiments geweckt, mit denen Sie jetzt zu kämpfen haben. Das ist ein besonderer Tag, nicht nur für Europa, sondern auch für uns Deutsche. Griechenland ist ohne fremde Hilfe zahlungsunfähig. Italien ist seit Monaten politisch nahezu führungslos. In Portugal ist eine Regierung schon aus dem Amt. In Spanien steht ein Regierungswechsel bevor. Frankreich ringt um seine Bonität. Die europäischen Institutionen wirken hilflos, sind kaum sichtbar, und überall in Europa haben die Menschen Sorge um ihren Wohlstand. Ich schildere es so dramatisch, weil sich Ehrlichkeit auch gegenüber der Öffentlichkeit gehört. ({2}) Da helfen keine Beschwörungsformeln. Ich sage es, wie es ist: Das europäische Projekt steht auf der Kippe, und deshalb ist das, was wir in Brüssel im Augenblick erleben, kein normales Gipfelgeschehen, sondern das ist eine Operation am offenen Herzen. Jeder vernünftige Mensch in Deutschland muss hoffen, dass diese Operation gelingt. Ich tue das, meine Damen und Herren. ({3}) Meine Fraktion tut das in gleicher Weise. Die SPD steht - das wissen Sie - zur europäischen Geschichte und zur europäischen Integration, und wir flüchten nicht aus dieser Verantwortung für Europa, nur weil wir Oppositionspartei in diesem Lande sind. Auch wir kennen den Wert für eine Demokratie, wenn man Fragen solcher Grundsätzlichkeit - um die geht es - nicht auf dem Altar des täglichen Hickhacks opfert. Es gibt eine Tradition in diesem Hause, dass die großen Grundlinien der Außenund Europapolitik von einer breiten Mehrheit getragen werden. So weit werden mir auch die Koalitionsfraktionen zustimmen. Nur, Sie sind in diesen Tagen heftig da15956 bei, diese Tradition zu zerstören. Frau Merkel und Herr Schäuble, Sie gehen nicht offen und ehrlich mit diesem Parlament um, und das zerstört den Rest von Vertrauen, den Ihre Regierung dringender braucht als jede andere vorher. ({4}) Ich verstehe es nicht. Ihr Motiv, Herr Schäuble, wird Ihr Geheimnis bleiben. ({5}) - Ich würde nicht so überheblich sein an Ihrer Stelle, meine Damen und Herren. ({6}) Warum nicht? Weil Sie es auch den Gutwilligen in den Reihen der Opposition von Mal zu Mal schwerer machen. Es wird Sie nicht weiter interessieren, weil Sie ohnehin nur auf das Ergebnis der Abstimmung in knapp zwei Stunden warten. Aber wenigstens einmal in dieser Debatte soll es gesagt sein: Ihren Umgang mit dem Parlament bei der Debatte über den Rettungsschirm fand ich unverschämt. ({7}) Es lagen alle Fragen auf dem Tisch. Sie haben taktiert und Informationen zurückgehalten. Sie hatten die Chance zur Wahrheit, weil nämlich gefragt worden ist, ob über den Rettungsschirm hinaus Weiterungen und Hebelungen beabsichtigt seien. Die Spatzen pfiffen es doch schon von den Dächern. Sie haben, statt irgendetwas dazu zu sagen, mit gespielter Empörung geantwortet. Die CSU ist aufgetreten und hat die roten Linien beschworen, Herr Brüderle hat Hebelungsinstrumente jeder Art als Massenvernichtungswaffen gebrandmarkt, und der Finanzminister hat von diesem Pult aus Nebelkerzen gezündet. ({8}) Das Ganze ist nicht drei Jahre her, das Ganze ist nicht drei Monate her, es ist nicht einmal drei Wochen her. Sie wollen das alles vergessen machen und sagen heute: Ab sofort gilt das Gegenteil. ({9}) Verstehen Sie eigentlich, dass es in meiner Fraktion und vermutlich nicht nur in meiner Fraktion nicht wenige Kollegen gibt, die mich fragen: Warum sollen wir eigentlich für die die Kohlen aus dem Feuer holen, warum sollen wir für das Chaos, das die angerichtet haben, noch die Finger heben? - Das ist doch die Lage. ({10}) Wir entziehen uns unserer Verantwortung nicht. Da können Sie sicher sein. Aber Hilfe und Unterstützung hätten Sie nach diesem Vorlauf eigentlich nicht verdient. Im Gegenteil: Sie im Regen stehen zu lassen, wäre nicht nur verständlicher Oppositionsreflex gewesen; das wäre die naheliegendste Entscheidung gewesen. Wir stimmen heute aber nicht über die Zukunft einer Regierung ab. Wir spekulieren nicht auf das Ende einer Regierung, die politisch gescheitert ist. Die Regierung hat allein nicht mehr die Kraft, das Notwendige zu tun. Das wissen Sie. Sie stehen am Abgrund und wissen es genau. ({11}) Um all das geht es bei dieser Abstimmung eben nicht. Worum es geht, ({12}) ist die Zukunft Europas. Die Zukunft Europas ist in höchster Gefahr. Sie darf nicht weiter durch drei Regierungsparteien gefährdet werden, die seit 18 Monaten zwischen leichtfertigem Populismus auf der einen Seite und europäischen Rationalitäten auf der anderen Seite schwanken. Ich sage Ihnen: Die SPD wird in diesen europäischen Fragen berechenbar und gegenüber den Europäern eine verlässliche Kraft bleiben. Ob das bei Ihren eigenen Leuten auch so ist, wage ich zu bezweifeln. ({13}) Dass Sie immer mehr Schwierigkeiten haben, Ihre eigenen Leute hinter sich zu bekommen, wundert mich auch nicht; denn Sie dementieren im Drei-Wochen-Abstand immer genau das, was bis dahin ehernes Gesetz zu sein schien. Wir haben Ihnen vor drei Wochen in diesem Parlament gesagt: Wenn das Krisenszenario, das Sie uns allen hier gezeichnet haben, stimmt, dann ist der Rettungsschirm zu klein gestrickt. - Stimmt nicht, haben Sie gesagt. Wir haben Ihnen gesagt: Wenn Sie das Volumen des Rettungsschirms hebeln, dann hebeln Sie auch die Risiken. - Stimmt nicht, haben Sie gesagt. Wir haben Ihnen gesagt: Wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit der Garantien sich verändert, sich vergrößert, dann muss die Entscheidung hier ins Plenum. - Bloß nicht, haben Sie gesagt. Sie haben das alles dementiert und kommen mit einigen Tagen Verspätung doch auf unseren Kurs zurück. Meine Damen und Herren, ich finde es ja gut, dass wir am Ende noch die Kraft für eine gemeinsame Entschließung finden. Aber jenseits des Nutzens, den diese Entschließung für Europa hat - Frau Bundeskanzlerin, Sie haben es am Ende gesagt -, brauchen Sie sie auch, um sich von eigenen Irrtümern zu verabschieden. Vor allen Dingen brauchen Sie diese Entschließung, weil Sie sich auf die Seehofer-CSU und die Schäffler-FDP nicht verlassen können. Das ist doch der Grund. ({14}) Alle Ihre europapolitischen Wendungen, von denen wir in den letzten 18 Monaten genügend mitbekommen haben, folgen derselben Dramaturgie. Ich könnte das vor den Gipfeln schon herunterbeten. In den Überschriften steht immer, was Frau Merkel zurückweist, was Frau Merkel richtigstellt und was Frau Merkel ausschließt. Am Ende wird aber genau das getan, was vorher verschwiegen und ausgeschlossen worden ist. Wir alle in diesem Hause kennen das Struck’sche Gesetz, dass kein Gesetz das Parlament so verlässt, wie es hineingekommen ist. Bislang blieb unerkannt, dass sich ein weiteres Gesetz eingeschlichen hat, nämlich das Merkel’sche Gesetz: Je bestimmter ich etwas ausschließe, desto sicherer kommt es am Ende doch. - So ist das, meine Damen und Herren. ({15}) Sie erinnern sich: Kein Cent für Griechenland. - Am Ende waren es 22,4 Milliarden Euro. Weiter hieß es: Griechenland ist ein Einzelfall. - Dann kam der Rettungsschirm. Danach wurde gesagt: Der Rettungsschirm wird nicht in Anspruch genommen. - Dann kamen Irland und Portugal. Schließlich wurde gesagt: Der Rettungsschirm ist temporär. - Dann kam der ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus. Das setzt sich jetzt bei der Weiterung des Rettungsschirms fort. Frau Merkel, wenn man so agiert, dann kann man nicht auf Dauer hoffen, dass man auch nur die eigenen Leute auf eine gemeinsame Linie bringt. Das funktioniert doch nach unser aller Erfahrung nicht. Das geht nicht, meine Damen und Herren. ({16}) Solange es bei all dem nur um Ihre Glaubwürdigkeit ginge, könnten Sie ja sagen, das könne der SPD doch egal sein. Es geht aber um Politik. Es geht um Demokratie in diesem Lande. Ich sage es zum wiederholten Male: Diese Art und Weise, Politik zu betreiben, untergräbt Ansehen und Handlungsfähigkeit der Politik insgesamt. ({17}) Vertrauen ist die Ressource, mit der wir alle gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande arbeiten. Dieses Vertrauen wird untergraben durch die Politik, die ich gerade geschildert habe. Das merken Sie noch nicht heute Mittag. Das merken Sie auch noch nicht morgen Nachmittag. Aber genau das ist der langfristige Schaden für die Demokratie. Für den sind Sie mitverantwortlich, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen. ({18}) Wo ist der Weg nach vorn? Was brauchen wir konkret? Sie wissen, dass wir Sozialdemokraten seit langem sagen: Wir brauchen einen Schuldenschnitt, wir brauchen eine Schuldenreduzierung zugunsten Griechenlands; Peer Steinbrück und ich haben das vor einem Jahr geschrieben. Damals haben Sie gesagt: Alles Unsinn! Wir Sozialdemokraten sind auch dafür, dass das europäische Bankensystem stabilisiert wird. Wir wissen: Der Schuldenschnitt ist nur hinzubekommen, wenn wir ihn gleichzeitig mit einer Bankenstabilisierung begleiten. Das ist unsere Überzeugung, und das bleibt sie. Des Weiteren sind wir der Überzeugung, dass der Rettungsschirm - das haben wir vor drei Wochen auch gesagt - nicht ausreicht, wenn er wirklich Wirkung haben soll. Aber ob er Wirkung und welche Wirkung er haben wird, kann ich beim besten Willen nicht aus den dreieinhalb dürren Seiten erschließen, die uns von Ihnen zugegangen sind. Ich verstehe mittlerweile, was eine Versicherungslösung ist. Ja, ich könnte sie mittragen. Aber ich müsste die zweite Option, von der die Rede ist, wenigstens verstehen, um mir ein Urteil zu bilden: Ist das ein Fonds mit einer internationalen Beteiligung, oder was bedeutet diese Investmentlösung? Bedeutet das etwa, dass wir jetzt in den Handel mit Produkten einsteigen, die wir doch eigentlich verbieten wollen? Wir wollen jedenfalls Klarheit, bevor wir solche Modelle hier im Hohen Haus absegnen. ({19}) Deshalb ist sich meine Fraktion einig: Das, was wir heute hier erteilen, ist keine Carte blanche. Wir erwarten - nicht mehr und nicht weniger -, wie es im Schlusssatz der gemeinsamen Entschließung heißt, dass solche Instrumente in Kenntnis der Risiken und der Funktionsweise vor Inkraftsetzen, vor Ingebrauchnahme vom Deutschen Bundestag beraten und beschlossen werden. ({20}) All das wird heute in Brüssel zur Sprache kommen. Ich habe gesagt: Wir haben ein Interesse daran, dass der Brüsseler Gipfel Ergebnisse zeitigt, die Europa weiterhelfen. Aber wir alle sollten wissen, dass das nicht ausreicht. Jeder weiß hier: Die Wunderwaffe gegen die Krise gibt es nicht. Aber allein mit Stückwerk werden wir Europa nicht retten. Was wir brauchen, ist eine glaubwürdige, auf Dauer angelegte Gesamtstrategie. Sonst werden wir dieses Europa nicht vom Krankenbett herunterbringen. Wir müssen eben auf mehr setzen als nur auf Haushaltsdisziplin und Rettungsschirme. Sparen ist eine Tugend. Ja, wir brauchen sie. Aber wo kein Geld mehr hereinkommt und die Wirtschaft den Bach heruntergeht, nutzt auch eisernes Sparen nichts mehr. Das sehen wir im Augenblick an dem Großprojekt Griechenland. ({21}) Was wir jetzt brauchen - etwas vom heutigen Tag und von der näheren Zukunft abgesetzt -, ist ein mit konkreten Zielen und Zwischenzielen unterlegtes Zehnjahreskonzept für eine Wirtschafts- und Fiskalunion in Europa. Wir müssen uns daran orientieren, was in früheren Zeiten gelungen ist, zum Beispiel bei der Einführung des Euro. Ich erinnere an den Delors-Plan, der über den langen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren angelegt war. So etwas brauchen wir jetzt auch zur Wiedergesundung dieses Europas, wenn Sie so wollen einen Delors-Plan II. Dabei geht es natürlich - das vertrete ich auch - um die Durchsetzung der Haushaltsdisziplin. Aber vor allem muss es auch um eine Wachstumsstrategie für die südliche Peripherie in Europa gehen. Sonst wird das Ganze nicht gelingen. ({22}) Wir brauchen Konvergenz in der Steuerpolitik. Dazu gehören eben auch Regeln, die dazu führen, dass das elende Steuerdumping in Europa endlich beseitigt wird. Sonst funktioniert es nicht. ({23}) Dazu gehört auch ein gemeinsamer europäischer Umgang mit den Steueroasen, von denen es noch viel zu viele auf der Welt gibt. Das muss man gemeinsam in Europa regeln. Bilaterale Abkommen werden da allein nicht ausreichen. ({24}) Wir brauchen Regelungen für die Finanzmärkte. Wir müssen dahin zurückkommen, wo wir 2008 waren, als wir schon einmal gesagt haben: Kein Produkt mehr auf den Finanzmarkt, das nicht vorher auf seine Risiken untersucht und zugelassen worden ist. Wenn der Derivatehandel ein Vielfaches des globalen Bruttosozialproduktes ausmacht, dann müssen wir das selbstverständlich zurückschneiden. Zurückschneiden müssen wir auch das, was sich an Dynamik im Hochfrequenzhandel entwickelt, wo kein einziger Mensch mehr, sondern namenlose Logarithmen darüber entscheiden, was gekauft und was verkauft wird, und damit die Negativdynamik noch weiter verstärken. Wir müssen die grauen Finanzmärkte austrocknen, und wir müssen dem Treiben der Schattenbanken ein Ende setzen. Sie werden sagen: Das alles ist nicht unbekannt. - Ja, das alles ist nicht unbekannt. Was fehlt, ist das Handeln. Da ist Fehlanzeige, leider auch in dieser Regierung. ({25}) Ich bin froh über den Satz zur Besteuerung der Finanzmärkte. Die Finanzmarkttransaktionsteuer ist das Stichwort, an dem hier noch vor einem Jahr, Herr Kauder, eine gemeinsame Entschließung gescheitert ist. Dass das jetzt enthalten ist, ist gut. Wir erwarten, dass das keine Lippenbekenntnisse bleiben, sondern dass diese Steuer jetzt auch durchgesetzt wird, maßgeblich auf deutschen Druck hin, auch durch Überzeugung der anderen, die in Europa möglicherweise noch dagegenhalten. ({26}) Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen sind in Europa Tausende auf die Straße gegangen. Wenn ich es richtig gehört habe, Frau Merkel, haben Sie an einer Stelle auch Verständnis für die Motive dieser Menschen gezeigt. Nur, diese Menschen haben - davon bin ich überzeugt - mehr verdient als warme Worte. Was sich hier Bahn bricht - davon bin ich überzeugt -, das ist eben nicht klassisch links oder rechts, sondern das ist die Sorge von Menschen, dass die Politik dem Treiben der Märkte nur noch hilflos zusehen kann, und dagegen - gegen diese Angst, gegen diese Sorge - hilft eben nur überzeugende Politik. Spätestens seit der Pressekonferenz von Herrn Schäuble und Herrn Rösler in der vergangenen Woche und der Reaktion von Herrn Seehofer darauf haben Sie bitte Verständnis dafür, dass diese überzeugende Politik von dieser Bundesregierung nicht mehr erwartet wird. ({27}) Nur, das ist keine Privatangelegenheit dieser Regierung, nicht in diesen Zeiten. Die Zerrüttung dieser Regierung wird zu einer Hypothek für Europa. Aber Europa darf an dieser Regierung nicht scheitern. Herzlichen Dank. ({28})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion. ({0})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Steinmeier, ich bin wahrlich ein Freund einer kraftvoll-lebendigen Parlamentsdebatte. Aber ich glaube, das heutige Thema sollte nicht überlagert werden von dem Showdown der SPD über den Kanzlerkandidaten. ({0}) Nachdem Helmut Schmidt Ihren Kollegen Steinbrück gesalbt hat, sollten Sie die Debatte ruhig entspannt führen. Sie haben wahrlich keinen Anlass, so kraftvoll herumzuschimpfen. ({1}) Bei der Griechenland-Hilfe I haben Sie sich vom Acker gemacht und haben sich kraftvoll enthalten. Da hatten die Sozialdemokraten keine Meinung. ({2}) Als Herr Minister Rösler den Schuldenschnitt für Griechenland gefordert hat, haben Sie seinen Rücktritt gefordert, ({3}) statt ihn zu unterstützen. ({4}) Sie haben elf Jahre den Bundesfinanzminister gestellt und - um es vorsichtig zu formulieren - viel Aufzuarbeitendes hinterlassen. Vom heutigen europäischen Gipfel wird ein Signal der Entschlossenheit ausgehen: ein Signal der Entschlossenheit, aus der Schuldenkrise Einzelner keine Währungskrise entstehen zu lassen, ein Signal der Entschlossenheit, keine zweite Bankenkrise zuzulassen, und ein Signal der Entschlossenheit, keine tiefe Wirtschaftskrise zuzulassen. Im Vorfeld wurde international geunkt, ein zweigeteilter Gipfel werde die Situation verschlimmern. Aber der Deutsche Bundestag hat sich für das Primat der Politik entschieden. Das hat die Märkte beeindruckt. Sie sind nicht abgestürzt. Wir haben mit der Parlamentsbeteiligung einen demokratischen Meilenstein gesetzt. ({5}) Das ist eine Herausforderung für unsere europäischen Partner, aber auch eine Herausforderung für uns selbst. Wir müssen unserer Regierung genügend Flexibilität in den Verhandlungen lassen. Volker Kauder hat es vor wenigen Wochen hier deutlich dargelegt: Wir halten ein Verfahren ein, das der Bundestag sich selbst gegeben hat. ({6}) Wir gehen verantwortungsvoll mit unseren neuen Rechten um. Das ist wichtig: Werden sie überdehnt, werden sie missbraucht, dann werden sie entwertet. ({7}) Der gemeinsame Entschließungsantrag der vier Fraktionen ist ein gutes Signal für Europa, und es zeigt, dass wir trotz aller unterschiedlichen Positionen noch die Kraft haben, dann, wenn es darauf ankommt, gemeinsam ein Signal zu setzen. Das sollte heute im Vordergrund stehen. ({8}) Wir stärken damit die Position der Kanzlerin auf dem Gipfel. Uns ist bewusst: Wir müssen die Ansteckungsgefahren im Euro-Raum eindämmen. Wir müssen das Bankensystem stabil halten. Wir müssen eine Umschuldung Griechenlands vorbereiten, müssen darauf auch vorbereitet sein. Die Troika hat grünes Licht für die nächste Griechenland-Tranche gegeben. Das Urteil ist eher eine Vier minus. Keiner hat erwartet, dass Griechenland über Nacht zum Einserschüler wird. Aber ein „Befriedigend“ müsste es schon sein. Wenn Griechenland nicht mehr erreicht, wird das die Versetzung gefährden. ({9}) Die Beteiligung privater Gläubiger im Fall Griechenland wird erheblich größer ausfallen als geplant. Der Schuldenschnitt ist ein Gebot der Fairness. Das ist ein Gebot der sozialen Marktwirtschaft. Es muss klar sein: Wer mit Risiken hohe Gewinne erreichen kann, muss auch für die Verluste einstehen. Dieser Grundsatz muss wieder stärker zum Tragen gebracht werden. ({10}) Es muss in Griechenland ein umfassender Umdenkprozess stattfinden. Früher lebte in Griechenland nur Diogenes in einem Fass ohne Boden. ({11}) Die Griechen haben es selbst in der Hand, dass nicht alle Griechen in einem Fass ohne Boden leben. ({12}) Der Troika-Bericht hat sehr deutlich gemacht: Griechenland ist ein Transformationsland, wie es die Staaten Osteuropas vor 20 Jahren waren. Griechenland braucht Wettbewerbsfähigkeit, eine funktionierende Verwaltung, Privatisierung und Reformen. Viele Banken haben in den Büchern bereits Vorsorge für einen Schuldenschnitt getroffen. Dennoch müssen die Ansteckungsgefahren eingedämmt werden. Mich beunruhigt, dass viele Banken wieder mehr Geld bei der Zentralbank, bei der EZB, parken. Unangenehme Erinnerungen werden wach. Bei den Banken muss es sein wie bei den Staaten: Machen sie ihre Hausaufgaben nicht, nehmen wir sie an die Hand. Notfalls müssen die Staaten den Banken auch klare Vorgaben machen. Zunächst sind nationalstaatliche Aufgaben zu erledigen. Das muss koordiniert, grenzübergreifend geschehen. Aber klar muss sein: Die Bereitstellung europäischer Gelder ist nicht der erste Schritt, sondern nur der allerletzte Schritt dessen, was man im Bankensektor machen muss. ({13}) Ich will es noch einmal deutlich sagen: Bei der EFSF gilt der Grundsatz der Einstimmigkeit. Macht ein Land nicht mit, dann geht nichts. Deshalb müssen die Regeln klar eingehalten werden. Ich habe vor drei Wochen hier gesagt, die EFSF darf nicht zur Investmentbank werden; in diesem Zusammenhang habe ich Warren Buffett zitiert. Deshalb kam eine Banklizenz für den Rettungsfonds für uns nicht infrage. Es gab andere in Europa, die das wollten. Ich begrüße sehr, dass SPD und Grüne heute auf dieser Linie sind. ({14}) Sie sind nicht dem DGB auf den Leim gegangen. Der DGB hat vor kurzem wörtlich gesagt: Präsident Sarkozy hat recht, genau eine solche Banklizenz einzuführen. 15960 Teile des DGB haben die Zentralbank oft als verlängerten Arm der Wirtschafts- und Finanzpolitik gesehen, frei nach dem Motto von Helmut Schmidt: 6 Prozent Inflation sind besser als 6 Prozent Arbeitslosigkeit. Er hat am Schluss beides erreicht: Stagflation. Das ist nicht unser Weg. ({15}) Wir wollen eine unabhängige Zentralbank. Der Kurs stimmt. Wir führen keine Euro-Bonds ein. Der Rettungsfonds bekommt keinen Zugriff auf die Notenpresse. Eine Beteiligung der privaten Gläubiger erfolgt. Ich sage ganz klar zur Finanztransaktionsteuer: Sie kann dämpfende Wirkung entfalten. ({16}) Aber diese ist nur dann gegeben, wenn entsprechende Finanzplätze einbezogen sind. Eine Wettbewerbsverzerrung löst die Probleme nicht. Entscheidend ist, das breit anzulegen. ({17}) Meine Damen und Herren, das Haftungsrisiko kann in diesem Zusammenhang - es wird sehr unterschiedlich interpretiert - auch vermindert werden. Die beiden Ansätze, die unser Entschließungsantrag enthält, bedeuten Diversifikation. Wenn man das intelligent macht, kann das Haftungsrisiko sinken. Eine alte Anlegerweisheit lautet: Lege nie alle Eier in ein Nest. Deshalb ist es gut, dass hier verschiedene Instrumente aufgezeigt werden und eine Kombination möglich ist. Entscheidend ist immer, dass Deutschland und Frankreich sich zusammenfinden. Das ist nicht einfach, weil die zentralistische Tradition unseres Nachbarn und die dezentrale soziale Marktwirtschaft nicht leicht zu kombinieren sind. Aber Deutschland und Frankreich haben sich immer gefunden. Wir sind gute Freunde. Das ist auch die Basis, das historische Verdienst eines erfolgreichen Wirkens. Da bin ich bei Ihnen, Herr Steinmeier: Ja, die Europäische Union ist das erfolgreichste Friedensprojekt aller Zeiten. Aber - die Kanzlerin hat es angesprochen, und auch der Außenminister hat es deutlich gemacht - wir brauchen Vertragsänderungen, kleine und größere. Ich halte den Gedanken, wieder einen Konvent in Betracht zu ziehen, für durchaus erwägenswert. Europa braucht ein gutes und verständliches Recht, und es braucht Bürger, die hinter Europa stehen. ({18}) Die zentrale Aufgabe, die uns allen gestellt ist, lautet, dass die krisenhaften Zustände auf den Finanzmärkten keine Legitimationskrise der parlamentarischen Demokratie auslösen. Das sollte unsere gemeinsame Basis sein. Wir sollten der Versuchung widerstehen, die Ängste zu missbrauchen. Was wir brauchen, ist Ordnungspolitik, ein Ordnungsrahmen für die Finanzwirtschaft. Erste Schritte hat die Regierung getan. Sie hat ungedeckte Leerverkäufe verboten, die Bankenabgabe auf den Weg gebracht und Verbriefungen mit einem Selbstbehalt eingeführt. Was weiter ansteht, ist, den Hochfrequenzhandel unter die Lupe zu nehmen. Der computerisierte Handel birgt viele Gefahren. Wir brauchen unabhängige und mehr Ratingagenturen, mehr Bereiche, die im Wettbewerb stehen. Der Schattenbanksektor muss in die Regulierung des Bankensektors einbezogen werden. Wer wie eine Bank handelt, muss auch wie eine Bank behandelt werden. Sonst haben wir eine Schieflage im Finanzsektor. ({19}) Meine Damen und Herren, die Welt verändert sich dramatisch schnell. Europa muss sich neu aufstellen. Wir handeln entschlossen. Wir bringen mit dem Rettungsschirm und der heutigen Grundausrichtung wichtige Entscheidungen auf den Weg. Damit sichern wir eine gute Entwicklung in Deutschland und in Europa. Das sollte die Kernposition unseres gemeinsamen Tuns sein. Wir müssen aber auch die Kraft haben, dann, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, dies nicht zu verdecken, weil dies sonst bei den Menschen, die ganz unterschiedliche Empfindungen haben, nicht als ein glaubwürdiges Handeln einer parlamentarischen Demokratie ankommt. Vielen Dank. ({20})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Gregor Gysi, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verdanken es der Opposition, dass es überhaupt zur Abstimmung über den Hebel im Bundestag kommt. Sie wollten das in den Haushaltsausschuss verlegen. Ich sage Ihnen: Es ist immer Ausdruck der Arroganz der Macht, wenn man anfängt, das Parlament zu vernachlässigen. Das sollten Sie sich nicht leisten. ({0}) Ich sage ferner, dass der Bundestag vor der letzten Abstimmung am 29. September 2011 getäuscht wurde; denn damals haben gerade Sie, Herr Brüderle, den Hebel ausgeschlossen. Ich werde Sie einmal zitieren. Am 29. September, also am Tag der Abstimmung, haben Sie gegenüber dem Deutschlandfunk gesagt: „Meines Erachtens wird es ihn“ - gemeint war der Hebel - „nicht geben.“ ({1}) Der Vorsitzende der CSU, Herr Seehofer, hat einen Tag nach der Abstimmung Folgendes gesagt: Weitere Aufstockungen oder größere Risiken aus den übernommenen Garantien - beispielsweise über finanztechnische „Hebel“ - lehnen wir jedoch ab. Was machen die Abgeordneten der CSU heute? Sie werden zustimmen. Sie widerlegen die Aussagen ihrer eigenen Politiker innerhalb weniger Wochen. ({2}) Am 1. September hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Kampeter unserer Abgeordneten Sahra Wagenknecht schriftlich mitgeteilt, dass eine Ausweitung der Risiken nicht erfolgen wird. Auch das ist nicht wahr. Was bedeutet nun der Hebel? Das müssen wir der Bevölkerung einmal sagen. Am 29. September habe ich hier davon gesprochen, dass ein Schuldenschnitt kommen wird. Sie alle haben dazu nichts gesagt. Es ist bestritten worden, dass ein Schuldenschnitt kommen wird. Ich habe gesagt: Anders geht es überhaupt nicht mehr mit Griechenland, anders ist es nicht einmal im Ansatz lösbar. Interessant ist: Jetzt reden alle vom Schuldenschnitt. Früher, Herr Kauder, brauchten Sie mehrere Jahre, um mir zu folgen. Jetzt dauert es nur noch drei Wochen. Vielleicht sollten wir darüber einmal nachdenken. ({3}) Jetzt wollen Sie den Hebel einführen. Was heißt das? Die ersten 20 Prozent soll der europäische Rettungsschirm, bezahlt von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern der Euro-Zone und damit vornehmlich von Deutschland, übernehmen - die ersten 20 Prozent, das ist wichtig zu wissen. Angenommen, es würde nur ein Schuldenschnitt von 20 Prozent beschlossen werden, dann würden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler alles allein bezahlen. Die Banken müssten nicht einen halben Euro dazulegen. Das ist Ihre Entscheidung. Nun sagen Sie aber: Es sollen nicht 20 Prozent sein, sondern es soll mehr werden; dazu komme ich noch. Aber was heißt denn das? Während es bisher ein vages Haftungsrisiko war - Sie haben immer gesagt: „Ob der europäische Rettungsschirm überhaupt in Anspruch genommen wird, das wissen wir noch gar nicht“ -, machen Sie daraus heute eine zwangsläufige, direkte Zahlung; denn es wird den Schuldenschnitt geben. Das heißt, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die ersten 20 Prozent davon ganz alleine und direkt bezahlen. Das müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern einmal so ehrlich erklären. ({4}) Nun wird aber von einem Schuldenschnitt von 50 bis 60 Prozent geredet. Auch dazu muss man etwas erklären: Bei einem Schuldenschnitt von 50 Prozent oder 60 Prozent geht es nicht nur um den Betrag, den man gezahlt hat, als man die Anleihen kaufte, sondern für die Banken geht es immer um alles, also auch um die Zinsen. Nehmen wir das Beispiel, eine Bank hätte für 1 Milliarde Euro griechische Anleihen gekauft. Je nach Laufzeit und Zinshöhe hat sie dann am Ende einen Anspruch auf 2 Milliarden Euro. Wenn eine Kürzung um 50 Prozent erfolgt, bekommt diese Bank immer noch 1 Milliarde Euro. Das heißt, sie verliert, nachdem sie schon jahrelang Zinsen kassiert hat, nur weitere Zinsen. Von dem eigentlichen Betrag büßt sie überhaupt nichts ein. Auch das müssen Sie einmal der Öffentlichkeit so deutlich sagen. ({5}) Nun ist die Frage: Was machen wir mit den Zinsverlusten? Völlig richtig. Dabei stellt sich auch die Frage, wer die Zinsverluste bezahlt. Da gibt es theoretisch drei Varianten, meine vielen Herren und wenigen Damen von der FDP: Die erste Variante wäre, zu sagen: Tja, das ist eben das Pech der Banken. Dann haben sie eben einmal einen Zinsverlust. - An so etwas denken Sie noch nicht einmal nachts oder heimlich. Bei dem Gedanken, dass die Deutsche Bank auch nur einen halben Euro verlieren könnte, bekommen Sie ja das Gruseln. Das käme für Sie überhaupt nicht infrage. Eine zweite Variante wäre, dass die Staaten die Zinsverluste ihrer Banken direkt bezahlen. Dann müssten Frankreich und Deutschland für ihre Banken zahlen. Frankreich müsste aber sehr viel mehr zahlen als Deutschland. Deshalb gefällt dieser Weg den Franzosen nicht. Daher schlagen diese vor - das wäre die dritte Variante -: Entweder die EZB oder der Rettungsschirm sollte diese Zahlungen übernehmen. Das würde bedeuten, dass die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Verluste der französischen Banken mitbezahlen. Darum geht der Streit. Warum sagen Sie das nicht einfach so offen? Dann wissen die Bürgerinnen und Bürger wenigstens, worum eigentlich diesbezüglich gestritten wird. ({6}) Sie haben ein Chaos verursacht, das eine Wirrnis organisiert, die alle überfordert. Ich behaupte, auch das Parlament. Ich behaupte, auch die Medien ({7}) und erst recht die Bevölkerung. Sie sagen jede Woche etwas Neues zu dieser Krise. Sie lehnen einen Vorschlag in der ersten Woche ab, um ihn in der zweiten Woche zu übernehmen. Bringen Sie doch einmal einen Zug von Klarheit in diese Sache hinein! Erst soll ein EU-Gipfel stattfinden und dort etwas beschlossen werden. Dann teilen Sie uns mit: Nein, es wird doch nichts beschlossen. Er wird erst am Mittwoch tagen. - Dann soll die Kanzlerin am Freitag reden. Dann wird gesagt: Nein, sie redet nicht. Sie redet erst am Mittwoch. - Mein Gott! Auch das Recht der Bundesregierung, die Bevölkerung in Verwirrung zu bringen, hat Grenzen, und die müssen irgendwann einmal gesetzt werden. ({8}) Kommen wir wieder zur FDP. Jetzt machen die USA Druck. ({9}) Die USA sagen, wir sollten das Eigenkapital unserer Banken erhöhen. Es sollte, wenn ich richtig informiert bin, bei 9 Prozent der Bilanzsumme liegen. Was bedeutet es eigentlich, wenn eine Bank zu wenig Eigenkapital hat? Dann ist sie überschuldet. Es stellt sich daher die Frage: Wie kommen sie zu diesen 9 Prozent? Da gibt es wieder verschiedene Varianten: Sollen das die Staaten selbst bezahlen? Bezahlt das Europa? Auch da haben die Franzosen wieder andere Vorstellungen als wir. Für uns ist ganz klar - da müssen Sie mir keinen Vogel zeigen -: Wir fordern zwar 9 Prozent der Bilanzsumme als Eigenkapital; dies leisten aber weder die Commerzbank noch die Landesbanken. Das heißt, sagen Sie doch den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern heute, dass sie die Differenz bezahlen müssen, und zwar direkt an die Banken. Das ist das, was Sie planen und was Sie nie ehrlich zugeben. Ich sage Ihnen noch etwas dazu, dass die Banken überschuldet sind. Die Banken bieten doch Dispokredite an. Die Commerzbank nimmt bei einem Dispokredit Zinsen in Höhe von 13,24 Prozent. Das ist eine Unverschämtheit. Die Deutsche Bank nimmt bei einem Dispokredit 13,25 Prozent; auch das ist eine Unverschämtheit. Das heißt, wenn sich eine Bürgerin oder ein Bürger bei einer dieser beiden Banken überschuldet, dann muss sie bzw. er für diesen Betrag so hohe Zinsen bezahlen. Nun wäre doch das Mindeste, meine Damen und Herren von der FDP und von der Union, dass Sie sagen: Wenn wir einer Bank Geld geben, dann verlangen wir die Zinsen, die die Bank bei einem Dispokredit fordert; denn sie hat sich ja auch überschuldet. ({10}) Das wäre das Mindeste. Aber Sie kommen mit lächerlich kleinen Zinsen. Das interessiert Sie nicht. Zurück zum Eigenkapital der Banken. Wir können das in Deutschland vielleicht noch irgendwie meistern, Frankreich vielleicht auch noch, Griechenland aber bestimmt nicht, Spanien und Italien auch nicht. Und was passiert dann? Dann - so sagt es auch die Bundeskanzlerin - muss es der europäische Rettungsschirm bezahlen. Wer ist der europäische Rettungsschirm? Es sind wieder - überwiegend, nicht nur - die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Da heißt, Sie verpulvern hier Milliarden - das gilt auch für diese Abstimmung -, ohne es den Bürgerinnen und Bürgern ehrlich zu sagen. ({11}) Wie war das denn bei Griechenland? Erst hieß es: 110 Milliarden Euro reichen; dann ist Griechenland gerettet. Das war im Mai 2010. Im Juli 2011 haben Sie gesagt: Na ja, wir brauchen doch noch weitere 109 Milliarden Euro. Jetzt sagen Sie: Ach, wir haben uns verrechnet, es sind doch 252 Milliarden Euro. - Man kann gespannt sein, was wir im Dezember oder Januar hören und wie sich diese Zahlen entsprechend weiterentwickeln. Es ist übrigens ein absurder Zahlenwirrwar, den Sie hier liefern. Warum ist Griechenland unter anderem in diese schwierige Situation gekommen? Unter anderem durch den deutschen Exportüberschuss, das möchte ich einmal klipp und klar sagen. Der ist möglich geworden durch Lohndumping in Deutschland. Beides war falsch, beides ist falsch, und beides bleibt falsch. ({12}) Die Rezepte für das Griechenland-Problem sind falsch. ({13}) Ein griechischer Linker hat bei uns auf dem Parteitag gesprochen und erzählt, wie es in Griechenland aussieht: massenhafte Entlassungen, Lohnsenkungen, Rentensenkungen, Streichung von Investitionen, Verschleuderung des öffentlichen Eigentums. Ich nenne Ihnen nur zwei Beispiele aus Griechenland: 27 000 kleine Unternehmen - für die Sie angeblich durchs Feuer gehen, liebe FDP -, mussten schon die Insolvenz anmelden. Eine Lehrerin erhielt im Juni 2011 bei einer Neueinstellung einen monatlichen Bruttolohn von 1 020 Euro. Ab Dezember wird sie einen monatlichen Bruttolohn von 575 Euro erhalten. Soll sie verhungern? Wie wollen Sie das Ganze überhaupt bewerkstelligen? ({14}) Sie stehen vor dem Scherbenhaufen Ihrer Auflagenpolitik. Das geht so nicht weiter. Wir brauchen in Griechenland, in Italien und in Deutschland nicht Abbau, sondern Aufbau. Wenn Sie Investitionen streichen, streichen Sie auch die Steuern. Wenn Sie aber die Steuern streichen, versenken Sie das ganze Geld, weil dann keines zurückfließen kann. ({15}) - Wissen Sie, erst einmal ist es überhaupt gut, wenn Sie mir zuhören, weil Sie dabei dazulernen können. ({16}) Ich komme jetzt aber zur SPD und zu den Grünen. ({17}) Sie legen heute einen gemeinsamen Entschließungsantrag mit Union und FDP vor. Sie tragen fast alles mit, was Union und FDP diesbezüglich geplant haben. Es bringt nur nichts, Herr Steinmeier, wenn Sie hier den Oppositionellen spielen, in der Sache aber vollständig mit Union und FDP übereinstimmen. ({18}) Ich sage Ihnen, Herr Bundestagspräsident: Die Reihenfolge der Redner war falsch; denn nach der Bundeskanzlerin soll eigentlich ein Oppositioneller sprechen. In diesem Falle hätte ich das dann sein müssen. ({19}) Sie bringen das nicht, Herr Steinmeier. Ich will Ihnen auch sagen, was an Ihrer Argumentation falsch ist; das ist mir wichtig. Sie unterstützen doch den „Hebel“. In dem Zusammenhang sagen Sie, dass er zu einer Veränderung der Risiken führt. Warum sind Sie nicht ehrlich? Warum sagen Sie nicht, dass aus einem Risiko direkt die Zahlung durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wird? Das ist nämlich die Veränderung, die stattfindet. ({20}) Darüber hinaus verkünden Sie stolz: Die Europäische Zentralbank soll keine Staatsanleihen mehr kaufen. Schaut man sich den Entschließungsantrag aber genauer an, dann stellt man fest: Die EZB soll keine Anleihen mehr von den Staaten kaufen, aber von den privaten Banken soll sie weiterhin Anleihen kaufen. Damit sichern Sie wiederum die Banken. Ich sage Ihnen: Ihre vier Fraktionen sind die Fraktionen der Banken. Wir brauchen endlich Fraktionen für die Bevölkerung. ({21})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Gysi!

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich komme zum Schluss. - Eine Garantieerklärung ist im Entschließungsantrag übrigens auch nicht enthalten. Wir haben Ihnen klare Modelle genannt. Um zwei Dinge werden Sie nicht herumkommen: Wir brauchen erstens in Europa und in Deutschland endlich eine Vermögensteuer. Ich bin es leid, dass die Hartz-IV-Empfängerin, der Stahlarbeiter und die Lehrerin die Folgen der Krise bezahlen. Das müssen andere bezahlen, nämlich die, die an der Krise verdient haben. ({0}) Zweitens brauchen wir endlich öffentlich-rechtlich organisierte Banken im Sinne des Art. 14 Abs. 2 und Art. 15 Grundgesetz, ({1}) nicht Ihre großen Privatbanken, die die Staaten in Abhängigkeiten treiben. ({2}) Wir brauchen die Unabhängigkeit der Staaten von den Privatbanken, ({3}) sonst führen die Sie noch länger durchs Land, und zwar Sie alle vier zusammen. ({4})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Gysi, nachdem Sie mit der Reihenfolge der Redner schon nicht restlos zufrieden waren, werden Sie mit umso größerer Zufriedenheit die großzügige Bemessung der Redezeit durch den Präsidenten registriert haben. ({0}) Das Wort hat nun der Kollege Volker Kauder für die CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Bundeskanzlerin kann heute Abend beim Gipfel in Brüssel über das Programm, das sie heute hier zu den anstehenden Entscheidungen in Europa vorgetragen hat, verhandeln. Es entspricht nämlich genau dem Rahmen, den wir von Koalition, SPD und Grünen der Bundesregierung mit dem gemeinsamen Entschließungsantrag setzen. Das heißt also, der Bundestag ermutigt die Regierung, er hemmt nicht. Der Deutsche Bundestag macht die Bundesregierung stärker zur Durchsetzung unserer Interessen, die nicht ausschließlich deutsche Interessen sind, sondern einer guten Zukunft Europas dienen. Darauf kommt es an; das ist entscheidend. ({0}) Ich finde es schön, dass es gelungen ist, hier im Deutschen Bundestag bei einer wirklich bedeutenden - man kann vielleicht sogar sagen: existenziellen - Frage für Europa zu einer breiten Mehrheit zu kommen und eine gemeinsame Entschließung zu verabschieden. Lieber Herr Kollege Gysi, wir haben schon am Wochenende vorausgesehen, dass Sie bei einer solchen Entschließung nicht mitmachen können; wer für Sozialismus und kommunistische Wirtschaftsthesen eintritt, der kann keine gute Zukunft für Europa mitgestalten. ({1}) Deswegen ist es ganz klar, dass Sie, Herr Gysi, nicht dabei sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir in diesem Antrag formulieren, bedeutet eine Perspektive für Europa und Stabilität für den Euro. Herr Kollege Steinmeier, jetzt will ich ein paar Hinweise zu dem machen, was Sie gesagt haben. Sie haben in Ihrer Rede in der großen Linie deutlich gemacht, dass es keine „Wunderwaffe gegen die Krise gibt“ und man jetzt und in ein paar Wochen noch gar keine absolut richtige Entscheidung dazu treffen kann, was man alles machen sollte. Ich würde Ihnen sehr raten, ({2}) nie zu vergessen, dass ein Teil der Probleme, die wir jetzt miteinander zu beheben haben, auf Entscheidungen aus der Regierungszeit von Rot-Grün beruht. ({3}) Ich kann nur sagen: Es ist in Ordnung, wenn Herr Gabriel sagt, dass er sich für das, was geschehen ist - man hat die Finanzmärkte dereguliert -, entschuldigt und vielleicht sogar ein bisschen schämt. Es ist aber Fakt, dass es geschehen ist. Deswegen sollten Sie hier nicht in einer Art und Weise auftreten, die dem, was auch Sie mit zu verantworten haben, nicht angemessen ist. ({4}) - Ich will gar nicht in die Vergangenheit schauen. Ich will nur sagen: Wer von anderen Demut einfordert, muss sie auch selber einmal aufbringen, vor allem, wenn er Grund dazu hat. Herr Steinmeier, das ist der entscheidende Punkt. ({5}) Wir wollen, dass dieses Europa wieder auf stabile Füße kommt. Hier ist mehrfach gesagt worden, dass man Grundlinien vermisse. Dazu kann ich nur sagen: Es gibt ein paar entscheidende Positionen, die diese Koalition von Anfang an durchgehalten hat, wo sie nie etwas geändert hat und ich manchmal Zweifel hatte, ob Sie von der Opposition da richtig liegen. Wir haben von Anfang an gesagt: Es wird überhaupt keine Lösung geben, wenn einige glauben, sie könnten aus Solidarität Geld bekommen, ohne ihre eigenen Probleme anzupacken. ({6}) Es wäre doch völlig falsch gewesen, damit zu starten, dass wir sagen: „Wir nehmen euch alle Schulden ab; erst wenn wir alle Schulden abgenommen haben, könnt ihr uns einmal sagen, was ihr machen wollt.“ Dann wäre nichts geschehen. Insofern war es der richtige Weg, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass notwendige Reformen durchgeführt werden, und dann miteinander darüber zu reden, wie es weitergehen kann. Wissen Sie, Herr Gysi, Sie vergießen hier dicke Tränen. Da kann ich nur sagen: Natürlich kann der einzelne Mensch in Griechenland nichts für das, was geschehen ist, aber es ist zwingend erforderlich - dafür waren auch die Maßnahmen, die die Bundesregierung in Europa vorangetrieben hat, erforderlich -, dass wir bei der Rente und anderen Ansprüchen ein Niveau erreichen, das für alle in Europa gilt. Es kann nicht sein, dass einige wenige in der Welt glauben, sie könnten es sich leichter machen, und andere es dafür schwerer haben. Daher war unser Vorgehen zwingend notwendig. ({7}) Den Kurs der Hilfe und Solidarität - gegen entsprechende Auflagen - hat die Bundesregierung konsequent durchgehalten. Die Bundesregierung hat auch durchgängig die Meinung vertreten, dass der private Sektor beteiligt werden muss. Was Rainer Brüderle formuliert hat, ist völlig richtig: Risiko und Haftung gehören ganz eng zusammen. Deswegen wird heute Abend der Gipfel in Europa nur dann zu einem Erfolg führen, wenn der private Sektor stärker als bisher beteiligt wird. Das hat die Bundeskanzlerin klar und deutlich gesagt. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass der private Sektor diese Mahnung ernst nehmen und nicht glauben soll, er könne ausschließlich mit dem Schielen auf Steuergelder durchkommen. Das dürfen wir und das wird die Bundesregierung nicht zulassen. Der private Sektor muss sich beteiligen. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, der Kollege Ernst würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir wollen, dass dies auf dem Gipfel heute Abend klar und deutlich wird. Das wollen wir formulieren. Ja, es ist richtig, dass wir in Bezug auf die Entschließung - die wir heute fassen und die die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin bei ihren Verhandlungen stärken wird -, auch darauf hinweisen, dass wir den privaten Sektor nicht nur auffordern, sich zu beteiligen, sondern dass wir dem privaten Sektor deutlich machen: Wir wollen eine Besteuerung von bestimmten - nicht allen Finanztransaktionen. Ja, es wäre auch uns lieb und recht, wenn dies auf internationaler Ebene durchführbar wäre und sich alle daran beteiligen würden. Das ist aber nicht zu erwarten. Deswegen müssen wir es zumindest in Europa umsetzen. Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Ich bitte Sie, Frau Bundeskanzlerin, heute Abend Folgendes klarzustellen: Wir nehmen es hin - manchmal auch mit der Faust in der Tasche -, ({0}) dass uns die Briten erklären, wie man aus der Krise herauskommt, aber dann erwarten wir auch ihre Solidarität und dass sie endlich bereit sind, der Finanztransaktionsteuer zuzustimmen. ({1}) Man kann nicht ständig Ratschläge geben, aber sich dann, wenn es ernst wird, davonmachen. Das geht nicht. Das gehört zur Solidarität in Europa. Wir haben auch klar formuliert - das ist für uns ein zentraler Punkt -, was die EFSF nach den neuen Regeln machen kann. Unter anderem ist vorgesehen - jeweils mit Zustimmung des Deutschen Bundestages, vertreten durch den Haushaltsausschuss -, dass unter eng begrenzten Möglichkeiten Anleihen am Sekundärmarkt aufgekauft werden können. Da Einstimmigkeitsprinzip herrscht, kommt es ganz entscheidend auf unsere Zustimmung im Deutschen Bundestag an. Die Bundeskanzlerin hat gestern klargestellt, was die EZB auf gar keinen Fall machen darf und für welche Bereiche Deutschland seine Zustimmung nicht geben wird. ({2}) Ich möchte für unsere Koalition ausdrücklich darauf hinweisen: Wenn wir im Zuge der Gestaltung der EFSF klargestellt haben, dass unter bestimmten Voraussetzungen Anleihen am Sekundärmarkt aufgekauft werden können, dann wollen wir aber nicht mehr, dass die EZB in Zukunft solche Anleihen aufkauft. Das muss Aufgabe des Rettungsschirms sein und bleiben. ({3}) Wir hätten mit unserem Nein nichts erreicht, wenn die EZB später doch einspringt. Wir legen großen Wert darauf, dass das klargestellt wird. Es ist angesprochen worden, dass die Bürger viele Fragen stellen und sich Sorgen machen, weil sie viele der Details, die hier diskutiert werden, gar nicht so richtig verstehen. Sie wissen gar nicht, worauf es im Einzelfall ankommt. Umso notwendiger ist es, dass wir den Menschen sagen: Wir haben Rezepte; wir wissen, wie wir diesen Risiken begegnen können. Der heutige Tag, an dem der Deutsche Bundestag in großer Geschlossenheit entscheidet, ist ein guter Tag, um diese Botschaft auszusenden. Natürlich gibt es bei der einen oder anderen Frage noch unterschiedliche Auffassungen. Ich wünsche mir aber, dass wir, nachdem wir diesen Antrag gemeinsam verabschiedet haben, auch zum Ausdruck bringen, dass wir unsere Bundesregierung, unsere Verhandlungsführer für die Verhandlungen in Brüssel so ausgestattet haben, dass das Notwendige getan werden kann. Ich wünsche mir, dass zum Ausdruck kommt, dass es dafür eine breite Zustimmung im Parlament gab. Jetzt zum Parlament. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, gerade wir, die wir Gesetze verabschieden, sollten größten Wert darauf legen, dass mit diesen Gesetzen anständig umgegangen wird und die Bestimmungen der Gesetze ordentlich angewandt werden. ({4}) In dem Antrag, über den wir am letzten Freitag beraten haben, steht ausdrücklich, dass laut Gesetz die Befassung mit Richtlinien, mit Leitlinien zum Aufgabenbereich des Haushaltsausschusses gehört. Es ging um technische Fragen. Es waren keine politischen Entscheidungen zu fällen. ({5}) Wir haben den Gesetzestext eng ausgelegt und gesagt: Wir wollen, dass der Haushaltsausschuss darüber entscheidet - Punkt und aus. Wir haben uns doch alle etwas dabei gedacht, als wir den Gesetzentwurf verabschiedet haben. ({6}) Wir haben aber auch gesagt: Bei jeder anstehenden Entscheidung prüft der Deutsche Bundestag, ob er oder der Haushaltsausschuss zuständig ist. Das Ergebnis der Prüfung ist in diesem Fall - das ist eine politische Entscheidung -, dass das Parlament die Entscheidung treffen soll. Ich sage Ihnen: Nachdem in Brüssel Entscheidungen getroffen worden sind, schauen wir uns die Situation erneut an. Wenn in Brüssel Richtlinien vereinbart werden, dann spricht einiges dafür, dass sich der Haushaltsausschuss damit befassen wird. Bauen Sie hier doch keinen Popanz auf. Das Parlament hat sich Regeln gegeben, und diese Regeln werden eingehalten. Wenn der Haushaltsausschuss zuständig ist, ist der Haushaltsausschuss zuständig, und wenn das Parlament zuständig ist, ist das Parlament zuständig. Daran halten wir uns. Deswegen diskutieren und entscheiden wir heute im Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Darüber entscheidet nicht die Opposition und auch nicht die Koalition, sondern das steht im Gesetz. Danach richten wir uns. Ich glaube, dass wir mit dem, was wir der Bundesregierung heute mit auf den Weg nach Brüssel geben, auch zum Ausdruck bringen, dass dieser Deutsche Bundestag sich in breiter Mehrheit seiner Verantwortung bewusst ist. Es freut mich, dass wir diese Geschlossenheit im Deutschen Bundestag zum Ausdruck bringen. Damit stärken wir unserer Regierung bei den Verhandlungen in Brüssel den Rücken. Das stärkt die Position der Bundeskanzlerin. Sie muss stark sein, um den teilweise abwegigen Wünschen, die an sie gerichtet werden, begegnen zu können. Frau Bundeskanzlerin, wir wünschen Ihnen heute viel Kraft. Die Entschließung des Deutschen Bundestages, die wir Ihnen heute mit auf den Weg geben, kann Sie ermutigen und dazu beitragen, dass Sie die richtigen Entscheidungen fällen. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Klaus Ernst das Wort. ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Kauder, Sie haben meine Zwischenfrage nicht zugelassen. Deswegen reagiere ich so. Sie haben hier vorgetragen, die Griechen seien nicht auf europäischem Niveau und sie müssten das europäische Niveau erreichen. Herr Gysi hat gerade vorgetragen, dass das Gehalt einer Lehrerin von knapp über 1 000 Euro - ihr Einkommen ist bereits gekürzt worden durch Maßnahmen infolge der Auflagen, die Sie befürworten, auf 575 Euro im Monat gekürzt wurde. Halten Sie diese Politik als Modell für Deutschland für akzeptabel? Ich halte das, was Sie hier vorgetragen haben, für ungeheuerlich. Ich will das mit aller Deutlichkeit sagen. ({0}) Aus einem einzigen Grund werde ich dem Paket nie und nimmer zustimmen: ({1}) Das, was Sie in Europa machen, geht zulasten der normalen Bürger, zulasten der Gesundheit und zulasten der Bildung. Portugal haben Sie Auflagen gemacht, die dazu führen, dass der Bildungsetat und der Gesundheitsetat heruntergesetzt werden. In Griechenland werden die Renten und die Löhne gekürzt. Das ist für mich Grund genug, nie und nimmer einem solchen Paket zuzustimmen. Während die Banken nach wie vor das Geld in den Hintern gestopft bekommen, ziehen Sie es den Leuten aus der Nase. Das, was Sie hier vorgetragen haben, ist ungeheuerlich. ({2}) Wenn das das Modell Deutschland ist, wird mir himmelangst und bange. Eine Frage, Herr Kauder, hat Ihre Regierung noch nicht beantwortet. In einem Brief an die Regierung, an Frau Merkel stellen mein Kollege Gysi, meine Kollegin Gesine Lötzsch und ich die Frage, ob Sie hier für die Bundesrepublik Deutschland eine Garantie für die Löhne und für die Renten geben, sodass die Menschen wissen, dass ihnen nicht das passiert, was den Menschen in Griechenland, Portugal und Spanien von Ihnen aufgebürdet wird. Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. Das ist mein Punkt, Herr Kauder. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann doch gar nicht daran vorbeidiskutieren, dass die Menschen angesichts der Summen, über die wir sprechen - wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt -, zutiefst verunsichert sind. Ich sage Ihnen, lieber Herr Kauder: Ein Teil der Verunsicherung kommt auch daher, dass Sie am Mittwoch das Gegenteil von dem, was Sie am Freitag hier praktiziert haben, für richtig erklären. ({0}) Sie haben am Freitag unseren Antrag, in dem lediglich gefordert wurde, dass, wenn eine Hebelung kommt, hier im Deutschen Bundestag darüber entschieden werden muss, gemeinsam abgelehnt. Heute stellen Sie sich hier hin und erklären das zu einem Ausbruch Ihrer politischen Kultur. Das verunsichert die Menschen in diesem Lande. ({1}) Ich füge ein Weiteres hinzu - das gilt auch für Sie, Herr Brüderle -: Sie haben vor drei Wochen unisono - es ist ja selten Einigkeit in der Koalition, aber in diesem Fall war es so - mit Herrn Seehofer erklärt, dass es eine Hebelung nicht geben wird. Heute beschließen Sie es. ({2}) Lieber Herr Brüderle, es ist ja nicht schlimm, dass man schlauer wird, aber die Menschen im Lande erwarten von jemandem in Ihrer Position, dass er begründet und darlegt, warum er heute anderer Meinung ist als vor drei Wochen. Das ist politische Kultur, lieber Kollege Brüderle. ({3}) Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, Frau Bundeskanzlerin, dass man in einer solchen Situation ernsthaft über Risiken sprechen muss. Ich habe versucht, Ihnen sehr genau zuzuhören; ich habe es auch nachgelesen. Auch Sie haben es vermieden, das Wort „Hebel“ in den Mund zu nehmen. Warum eigentlich? Warum scheuen Sie sich, den Menschen die Wahrheit zu sagen, ({4}) die sie in den letzten Tagen ohnehin verstehen mussten? Es ist auch falsch, die Menschen darüber im Unklaren zu lassen, was damit verbunden ist. Selbstverständlich bleibt die Summe gleich - das hat niemand bestritten -, aber wenn Sie sich den Mechanismus einmal anschauen, dann stellen Sie fest: Wenn nur 20 Prozent der Garantien fällig werden, wenn Sie lediglich 200 Milliarden Euro, also nicht alles, in die Hebelung bringen, was Sie ja nicht können, dann würden ohne die Hebelung für Deutschland 24 Milliarden Euro fällig werden. Mit einer Hebelung liegt dieser Betrag bei 66 Milliarden Euro. Das ist eine Verdreifachung des Risikos. Ich sage Ihnen, Frau Bundeskanzlerin: Es wäre dieses Hohen Hauses würdig gewesen und ein berechtigter Anspruch der Menschen im Lande, dass Sie ihnen dies erklären und ihnen auch erklären, warum es richtig ist, dieses Risiko einzugehen. Davor haben Sie sich heute hier gedrückt. ({5}) Reden wir über die Risiken. Noch vor Monaten haben Sie bestritten, dass man an einem Schuldenschnitt für Griechenland nicht vorbeikommt; er ist übrigens die Grundvoraussetzung dafür, dass das Land wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt und die Dinge, die einige Kollegen zu Recht kritisiert haben, abgestellt werden können. Sie haben in diesem Zusammenhang gesagt, es gehe dabei auch um die Beteiligung privater Gläubiger. Ja, aber eben auch. Sie alle wissen doch, dass ein Großteil der Verbindlichkeiten, die bestehen, in mittlerweile verstaatlichten Banken liegt, also nicht im privaten Sektor - nicht bei der Deutschen Bank oder der Commerzbank, die zu drei Vierteln in privater Hand ist -, sondern in der Bad Bank der Hypo Real Estate. Auch das hätten Sie den Menschen hier und heute sagen müssen, weil es zum Gesamtpaket und zum Gesamtbild der Wahrheit gehört. ({6}) Sie hätten auch deutlich machen müssen, dass wir nicht darum herumkommen, diesen Schritt zu gehen, weil alle Sparanstrengungen in Griechenland sonst nicht zum Erfolg führen werden, und dass wir dies tun müssen, damit dort wieder geordnete Verhältnisse einkehren. Weil das so ist, müssen wir dafür sorgen, dass die Risiken, die in Griechenland bestehen, nicht auf Spanien und Italien überschwappen. ({7}) Deswegen ist die Hebelung trotz der damit verbundenen Risiken notwendig. Deswegen müssen wir heute im Bundestag gemeinsam diesen Weg gehen. ({8}) Es ist notwendig - dies betrifft zweierlei: das Risiko, aber auch die Rekapitalisierung, die Sie alle ursprünglich nicht in unserem gemeinsamen Entschließungsantrag haben wollten -, endlich dafür Sorge zu tragen, dass nicht nur der Überschuldung von Staaten, sondern auch der systematischen Überschuldung von Banken ein Riegel vorgeschoben wird. ({9}) Sie haben gesagt, Sie wollen dieses Thema jetzt im Rahmen der G 20 behandeln. Liebe Frau Merkel, darauf hätten Sie nicht warten müssen. Es war schon in der Schweiz möglich, systemrelevanten Banken eine Kernkapitalquote von 12 Prozent zwingend zu verordnen. ({10}) - Lieber Herr Lindner, passen Sie auf! Jetzt kommen für Sie nämlich ganz schlimme Zahlen. - Sie sind jetzt stolz darauf, dass Sie beabsichtigen, den Banken zum 30. Juni nächsten Jahres eine Kernkapitalquote von 9 Prozent aufzudrücken, wissen aber noch nicht, ob sich das alle Banken leisten können. Auch hier sage ich: Die Menschen erwarten im Hinblick auf die Bankenregulierung nicht nur, dass man Ankündigungen macht, sondern sie erwarten auch, dass Ankündigungen in politisches Handeln umgesetzt werden. Regieren heißt, politisch zu handeln, aber nicht, sich so zu verhalten, wie Sie es getan haben. ({11}) Schließlich: Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben sich auf die Bewegung „Occupy Wall Street“, auf die Menschen, die hier in Berlin und in der Frankfurter Innenstadt, im Bankenviertel, demonstriert und protestiert haben, bezogen. Sie haben gesagt, Sie hätten Verständnis für diese Menschen. Ich glaube, Sie sollten sich noch einmal genau anhören, was diese Menschen vertreten. Diese soziale Bewegung bringt nicht nur Kritik an unregulierten Banken zum Ausdruck, sondern klagt auch eine falsche Arbeitsteilung zwischen Politik und wirtschaftlich Mächtigen sowie einen Mangel an Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft an. ({12}) Bei diesen Menschen ist der Eindruck entstanden - die Wirklichkeit hat ihn bestätigt -, dass die Lasten dieser Krise nicht hauptsächlich von denjenigen, die sie verursacht oder von den Rettungsmaßnahmen profitiert haben, getragen werden. Liebe Frau Bundeskanzlerin, glauben Sie im Ernst, dass irgendjemand von „Occupy Wall Street“ zum Beispiel Verständnis dafür hat, dass Sie in diesen Tagen ein Abkommen mit der Schweiz getroffen haben, durch das Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe straffrei gestellt wird und die Hände der Finanzbehörden auch künftig in Fesseln gelegt werden sollen? Glauben Sie im Ernst, dass das bei denen, die in Frankfurt demonstrieren, auf Verständnis stößt? ({13}) Dahinter steht ein tiefer liegendes Problem. Diejenigen, deren Vermögensbestände nun durch diese Rettungsmaßnahmen gesichert werden, müssen für die Bewältigung der Folgen dieser Krise ihren Beitrag leisten. Deswegen muss die FDP der Finanztransaktionsteuer jetzt in einem gemeinsamen Antrag zustimmen und an dieser Stelle, wie bei der Hebelung, ihre Meinung ändern. ({14}) Deshalb bleibt es richtig, dass wir auf den Skandal hinweisen, dass in Deutschland durch Rettungsmaßnahmen Vermögensbestände gesichert werden, Sie aber bis heute nicht den Mut haben, diejenigen, die über sehr große Vermögen verfügen - das sind die Vermögen, die hier durch solche Maßnahmen gesichert werden -, durch eine Vermögensabgabe zu einer entsprechenden Beteiligung an den Kosten heranzuziehen. Das ist bei aller Gemeinsamkeit für dieses Europa, bei aller Gemeinsamkeit darin, dass jetzt die notwendigen Rettungsschritte wirklich verbindlich, bewusst und aufrichtig gegangen werden müssen, indem die tatsächlichen Risiken benannt werden, der Grund, warum wir an dieser Stelle noch lange nicht übereinkommen. Ich bin mir aber sicher: Am Ende werden Sie uns auch in diesem Punkt folgen. Vielen Dank. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Michael Link hat das Wort für die FDPFraktion. ({0})

Michael Link (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003802, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Trittin, Ihre Empörung war vorhersehbar. Verständlich wäre sie, wenn Sie sich selbst an das, was Sie fordern, in Ihrer eigenen Regierungszeit gehalten hätten. ({0}) Das, was wir jetzt mühsam aufräumen müssen, haben Sie uns mit der Aushöhlung des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2003, 2004 und 2005 eingebrockt. Das können wir Ihnen - haben Sie die Gnade, sich umzudrehen und zuzuhören - nicht ersparen. Ihre Empörung wäre dann verständlich, wenn Sie - wenn es denn so ist, dass Ihre Thesen zur Finanzmarktsteuer zutreffen - Ihre eigene Regierungszeit dazu genutzt hätten, das durchzusetzen. Damals war das SPDgeführte Finanzministerium gegen die Tobin-Tax, gegen die Finanztransaktionsteuer, wissend, wie schwierig sie unter anderem unter den Gesichtspunkten „Finanzplatz London“ etc. durchzusetzen ist. Sie betonen hier den Punkt Transparenz sehr stark. Ja, ich weiß mich im Kampf um Transparenz mit vielen Kollegen gerade in Ihrer Fraktion sehr einig. Wir haben freundschaftlich gestritten, auch darum, wie wir die Parlamentsbeteiligung ausgestalten. In einem Fraktionspapier vom 30. August 2011 haben Sie hinsichtlich EFSF - ich rede also nur über EFSF und nicht über ESM - gesagt - ich zitiere -: Vor der Entscheidung über die Gewährung von Finanzhilfen … soll die Bundesregierung Einvernehmen mit dem Bundestag herstellen. Das ist die Fraktionsposition der Grünen vom 30. August 2011. ({1}) Gleichzeitig sagen Sie weiter hinten, weil es so delikat sei, so etwas im Plenum zu diskutieren, und weil die gesamte Thematik so delikat sei, sei das stille Verfahren im Haushaltsausschuss in der Regel vorzuziehen. Trotzdem haben Sie in der letzten Woche lauthals gefordert, das Plenum damit zu befassen. Das passt nicht zusammen. Deshalb haben wir an dieser Stelle klar entschieden, einen Entschließungsantrag einzubringen. ({2}) Wir haben im Übrigen - dafür bin ich vielen Kollegen gerade aus den Koalitionsfraktionen, aber auch aus den Oppositionsfraktionen dankbar - beim Thema Parlamentsbeteiligung gemeinsam etwas geschafft, was wir nicht kleinreden dürfen, sondern was wir selbstbewusst, aber auch verantwortungsbewusst wahrnehmen müssen. Für all diejenigen, die es noch nicht wissen: Diese Entscheidungen gehören hierher. Ich möchte einen Leitsatz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zitieren, weil er nicht oft genug zitiert werden kann: Als Repräsentanten des Volkes - so das Gericht müssen die gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch in einem System intergouvernementalen Regierens - wie der EU die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten. Deshalb debattieren wir heute hier. Deshalb diskutieren wir abgestuft im Haushaltsausschuss. Deshalb war die Position Ihrer Fraktion vom 30. August spätestens am 7. September, als aus Karlsruhe offiziell die Entscheidung erging, überholt. Genauso sind ihre Vorschläge überholt, wie man die Wachstums- und Schuldenkrise bekämpfen könnte. Dafür haben Sie in Ihrer eigenen Regierungszeit exakt die falschen Weichen gestellt. Wir als Koalition sagen ganz klar: Stabilitätsunion statt Schuldenunion. ({3}) Das ist die Grundlinie dieser Koalition. Diese verfolgen wir, seit diese Koalition angetreten ist. Weil wir sie konsequent weiterführen wollen, weil wir zeigen wollen, dass europäische Integration und ordnungspolitische Vernunft kein Widerspruch sind - im Gegenteil -, treten wir als Koalition - Frau Bundeskanzlerin hat es gesagt für Vertragsänderungen ein. Diese Vertragsänderungen brauchen wir. Wir brauchen sie jetzt nicht, um einen Nachfolgevertrag für den Vertrag von Lissabon zu machen. Das ist noch Zukunftsmusik. Wir brauchen sie, um den jetzigen Vertrag so zu schärfen, dass wir agieren können. Dazu gehören Durchgriffsrechte. Dazu gehören - Kollege Kauder hat es angesprochen - vielleicht Überlegungen, wie man die EZB Michael Link ({4}) dazu bringt, nicht mehr am Anleihenmarkt tätig zu werden. Das kann man nicht gerichtlich und auch nicht politisch machen. Aber man kann sehr wohl in den Vertrag Präzisierungen aufnehmen, welches die Aufgaben der einzelnen Institute sind. Das können wir machen. Von daher müssen wir genau diese Punkte in kontrollierten und begrenzten Vertragsänderungen in einem kleinen Konvent angehen. Dafür steht die FDP-Fraktion ganz intensiv zur Verfügung. Wir wünschen der Bundesregierung für die heutigen Verhandlungen viel Erfolg. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Gerda Hasselfeldt hat jetzt das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war richtig, dass die Entscheidungen beim EU-Gipfel zunächst um einige Tage verschoben wurden. Auch die Entscheidung, heute im Plenum darüber zu diskutieren und über die weiteren Schritte zu entscheiden, war richtig. In der vergangenen Woche war nichts entscheidungsreif, weder hier noch auf EU-Ebene. Heute haben wir eine hinreichend konkrete Vorlage und einen darauf aufbauenden Entschließungsantrag. Worum geht es? Es geht um weitere Schritte zur Schuldenkrisenbewältigung, ausgehend von der Krise in Griechenland. Es geht um Schritte zur Bewältigung einer Krise, die zwar in anderen Euro-Ländern ihren Ursprung, aber Auswirkungen auf uns alle hat. Es geht nicht um griechische Probleme, sondern es geht um die Bewältigung von Problemen, die sich auf uns, auf den gesamten Euro-Raum auswirken. Es geht um die Auswirkungen auf unsere Arbeitsplätze, unseren Wohlstand, unsere soziale Sicherheit, unsere Spareinlagen. Um all das geht es. Es geht um unsere ureigensten Probleme im gemeinsamen Währungsraum. ({0}) Wir in Deutschland sind davon durch die Größe unseres Exports, durch die wirtschaftlichen Verflechtungen im gesamten globalen Sektor, aber insbesondere im Euro-Bereich, ganz besonders betroffen. Wir profitieren vom Euro am allermeisten. Deshalb haben wir auch die höchste Verantwortung in diesem Sektor. Ich möchte bei dieser Gelegenheit der Bundeskanzlerin für all das herzlich danken, was sie in den letzten Monaten auf europäischer Ebene schon verhandelt und erreicht hat. Das alles war bei den unterschiedlichsten Interessen, den unterschiedlichsten Ausgangspositionen der einzelnen Euro-Länder nicht selbstverständlich. Es wurde vieles verhindert, was andere auch in diesem Haus wollten, beispielsweise eine Vergemeinschaftung von Schulden. Das ist auch auf ihren Einsatz zurückzuführen. Dafür sollten wir ihr herzlich danken. ({1}) Die Grundlage unseres Handelns war und ist auch heute noch: Unterstützung und Solidarität ja, aber nur in Verbindung mit Solidität, Eigenverantwortung der einzelnen Länder und eigenen Anstrengungen der Schuldnerländer, aus ihrer Situation herauszukommen und wieder wettbewerbsfähig zu werden. Diese Verbindung - Solidarität und Eigenverantwortung - ist die Grundlage des europäischen Rettungsschirms. Das haben wir in den vergangenen Wochen durch die Ertüchtigung der EFSF zum Ausdruck gebracht, aber das gilt auch für den vorliegenden Entschließungsantrag. Dass dieses System und die Gewährung von Hilfen nur in Verbindung mit konkreten Auflagen und deren Kontrollen funktionieren, das zeigen die Beispiele Irland und Portugal. Das macht auch deutlich, dass wir mit diesem Grundsatz auf dem richtigen Weg sind. ({2}) Heute geht es darum, wie die Mittel noch effizienter eingesetzt werden können, um die Märkte zu stabilisieren und zu entspannen und um mögliche Ansteckungen auf andere europäische Länder, insbesondere auf andere Euro-Länder, zu verhindern. Für uns ist dabei erstens besonders wichtig, dass der festgelegte Haftungsrahmen von 211 Milliarden Euro für Deutschland auf keinen Fall überschritten wird, und zweitens, dass sich der Rettungsschirm kein zusätzliches Geld über die Europäische Zentralbank besorgen kann. Der Rettungsschirm darf keine Gelddruckmaschine werden. ({3}) Ein Blick auf die Zusammenhänge zeigt, dass alle diejenigen, die eine noch höhere Gläubigerbeteiligung beispielsweise bei Griechenland fordern, auch für eine Effizienzsteigerung des Rettungsschirms sein müssen. Denn beides hängt eng miteinander zusammen. Nur mit einer Steigerung der Effizienz der Mittelvergabe beim europäischen Rettungsschirm ist die Ansteckungsgefahr, die mit einer stärkeren Gläubigerbeteiligung verbunden ist, einzudämmen. Es wird immer wieder darüber diskutiert, ob bei den möglichen Optionen einer Versicherungslösung oder Fondslösung, die jetzt im Raum stehen, das Ausfallrisiko höher ist und wie es begrenzt bzw. beziffert werden kann. Ganz eindeutig kann man das nicht beantworten, weil es vom Verlauf der Entwicklung abhängig ist. Aber alles spricht dafür, dass mit der Effizienzsteigerung dieser Mittel die Entspannung und Stabilisierung der Märkte und die Minderung der Ansteckungsgefahren verbunden ist. Allein dies bedeutet schon eine Verringerung des Risikos. Hinzu kommt, dass auch die Risikostreuung größer wird, weil durch die angedachte Effizienzsteigerung vermehrt privates Kapital mit einfließt. Auch das bedeutet eine Risikominderung für die öffentlichen Mittel. Nur zu sagen, Effizienzsteigerung führe in jedem Fall zu einer Erhöhung des Ausfallrisikos, ist mit Sicherheit so nicht richtig. ({4}) Aber jenseits dieser Maßnahmen, die in dem Entschließungsantrag stehen, über die wir dann entscheiden und die Gegenstand der Gespräche beim Gipfel sind, bleibt eine Fülle zusätzlicher Aufgaben auf der Tagesordnung. Es bleibt dabei - das ist vorhin schon angesprochen worden -: Jede Anstrengung, die Verschuldung in den einzelnen Euro-Ländern zurückzuführen, muss fortgesetzt werden. ({5}) Deshalb begrüße ich es, dass die Bundeskanzlerin auf europäischer Ebene die Diskussion über die Einführung der Schuldenbremse in den nationalen Haushalten vorangetrieben hat. Wir waren Vorreiter in Europa, wir sind Stabilitätsanker und Wachstumslokomotive in einem. Das hat sich bewährt. Dass jetzt auch andere Euro-Länder zumindest teilweise zu einer Schuldenbremse bereit sind und dass diese Diskussion auf europäischer Ebene fortgeführt wird, ist nicht von Anfang an selbstverständlich gewesen. Das ist eine gute Entwicklung. Wir brauchen weiterhin eine Regulierung der Finanzmärkte und auch mehr Transparenz. Aber dazu muss ich sagen: Diejenigen, die heute so kritisieren, dass wir in dieser Beziehung noch nicht weitergekommen sind, und die die Vereinbarung mit der Schweiz kritisieren, wie es vorhin Herr Trittin gemacht hat, müssen sich schon fragen lassen, was denn Rot-Grün in seiner Regierungszeit gemacht hat. ({6}) Welches Abkommen haben Sie denn mit der Schweiz getroffen? ({7}) Was haben Sie denn gemacht, außer unsere Kollegen dort mordsmäßig zu verärgern? Sie haben doch nichts auf den Weg gebracht. Auch was die Regulierung der Finanzmärkte betrifft, haben Sie damals das Gegenteil gemacht. ({8}) Auch das gehört mit zur Wahrheit. Deshalb ist es notwendig, nach vorne zu blicken und zu sehen, was man machen kann und was man machen muss. ({9}) Man darf auch nicht übersehen, was schon gemacht wurde auf nationaler Ebene, beispielsweise was den Bereich der Leerverkäufe anbetrifft, aber auch auf europäischer Ebene. Wir brauchen eine höhere Widerstandsfähigkeit der Banken - das ist schon angesprochen worden -, und wir brauchen eine bessere Koordinierung der Wirtschaftsund Finanzpolitik auf europäischer Ebene. Dazu sind schon eine Menge Vorarbeiten geleistet worden. Ich begrüße ausdrücklich das, was zu den möglichen Vertragsänderungen gesagt wurde. Ein Wort noch zu der Diskussion, ob wir mehr oder weniger Europa brauchen. Ich finde die Diskussion unter diesen Überschriften nicht allzu hilfreich. Das sage ich ganz offen. Das ist zu allgemein. Jeder versteht darunter irgendetwas anderes. Wenn ich über mehr Europa nachdenke, dann will ich ausdrücklich nicht mehr Bürokratie, zusätzliche Vorschriften und Regulierungen zu etwas, was nicht dringend notwendig ist, beispielsweise die Bodenschutzrichtlinie. ({10}) Aber alles, was zur Stärkung der Stabilitätskultur in Europa beiträgt, muss ernsthaft geprüft werden. Wenn nach der Prüfung Maßnahmen tauglich sind, um mehr Stabilität unserer gemeinsamen Währung zu erreichen, dann müssen diese durchgeführt werden. ({11}) Ich begrüße ausdrücklich, dass der vorliegende Entschließungsantrag eine breite Zustimmung dieses Hauses erfährt. Je deutlicher unser Votum heute für diesen Entschließungsantrag ist, desto stärker ist die Verhandlungsposition der Bundeskanzlerin heute Abend und in den nächsten Wochen und Monaten. Je stärker ihre Verhandlungsposition ist, desto besser können unsere, die deutschen Interessen und das Interesse an der Stabilität unserer gemeinsamen Währung in Europa durchgesetzt werden. Deutschland steht in Europa für eine gewachsene Stabilitätskultur. Die Bundeskanzlerin hat diese Stabilitätskultur von Anfang an als Maßstab für ihre Arbeit und ihre Verhandlungen auf europäischer Ebene angenommen und sie immer wieder als Maßstab eingebracht. Frau Bundeskanzlerin, ich wünsche Ihnen für die weiteren Verhandlungen viel Erfolg. Alles Gute für Sie und insbesondere für die Bevölkerung in unserem Land! ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Michael Roth hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Michael Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003213, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist schon ein starkes Stück. Frau Kollegin Hasselfeldt, während Ihrer fulminanten Rede haben Sie in unsere Richtung geschaut und uns die Deregulierung der Finanzmärkte vorgeworfen. ({0}) Die Gralshüter von Neoliberalismus und Marktradikalismus sitzen doch auf der anderen Seite. Michael Roth ({1}) ({2}) Ihnen ging doch alles nicht weit genug. ({3}) Sie haben doch jede Regulierung abgelehnt und groß herumgetönt. Ein Stückchen mehr Selbstkritik, wie Sie es - nicht ganz zu Unrecht - von uns eingefordert haben, würde ich auch einmal von Ihnen erwarten, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP. Was wir hier seit Monaten erleben, ist doch eine nicht enden wollende Serie gebrochener Versprechen, Dementis und Kehrtwenden. Heute haben Sie es wieder genauso gemacht. In dieser Hinsicht sind Sie sehr konsequent. Sie bleiben bei Ihrer Linie. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP, wir werfen Ihnen ja nicht vor, dass Sie Zweifel haben. Zweifel haben auch wir bisweilen in diesen schwierigen Fragen. Wir werfen Ihnen auch nicht unbedingt vor, dass Sie keine Ahnung haben. ({4}) Wir werfen Ihnen aber vor, dass Sie jedes Mal im Brustton der Überzeugung Vorschläge ablehnen, die Sie kurze Zeit später kleinlaut unterstützen. Das zerstört Vertrauen in der Europäischen Union. ({5}) Leider zerstört das nicht nur Vertrauen in das Regierungshandeln oder in die Fähigkeit Ihrer Koalition, die Probleme zu lösen. Es bringt arge Probleme für das Europa, für das wir alle gemeinsam streiten, mit sich. Zusätzlich zerstört es auch das Vertrauen in die Fähigkeit der Politik, Probleme zu lösen. Das müssen Sie sich zuschreiben, die Damen und Herren von CDU/CSU und FDP und leider auch die Riege in der Regierung. ({6}) - Zu den Euro-Bonds kann ich Ihnen gerne etwas sagen. Das ist nämlich der Gipfel der Heuchelei. Sie stellen sich bestimmt auch heute wieder hier hin und sprechen sich gegen Gemeinschaftsanleihen aus. Herr Schäuble hat ja noch kürzlich im Europaausschuss erklärt, er sei gegen unkonditionierte Gemeinschaftsanleihen. Meine Damen und Herren, unkonditionierte Gemeinschaftsanleihen hat in diesem Hause noch nie jemand gefordert, erst recht nicht Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. ({7}) An Ihrer Stelle wäre ich auch ganz bescheiden und ein bisschen demütig; ({8}) denn Sie werden irgendwann auch diesen Vorschlägen folgen müssen, weil die Zeiten nun einmal so sind, wie sie sind. In dem gleichen Brustton der Überzeugung, in dem Sie immer wieder Vorschläge voreilig ablehnen, sollten Sie sich einmal auf eine ernsthafte Diskussion mit uns einlassen. Das würde ich mir wünschen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD Dr. Michael Meister ({9}): Sind Sie auch dafür, Herr Roth? Immerhin gibt es zwei Gründe, warum die SPD-Bundestagsfraktion aus Überzeugung dem gemeinsamen Antrag zustimmen kann. ({10}) Zum allerersten Mal wird diese Koalition ehrlich. Wir haben von Anfang an von den Risiken der Hebelwirkung gesprochen. Diese geben Sie jetzt endlich zu. Dies liegt im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die Sorgen haben. Ich finde es schon schmählich, dass Sie dazu erst uns brauchten, damit wir Ihnen das in Ihren ursprünglichen Antragsentwurf hineindiktieren, meine Damen und Herren. Frau Hasselfeldt spricht ganz kommod von Effizienzsteigerung. Meinen Sie allen Ernstes, dass das allein hilft? Warum sprechen Sie nicht von dem Hebel? Warum sprechen Sie nicht davon, dass der vorläufige Rettungsschirm ertüchtigt bzw. gestärkt werden muss? Und warum wählen Sie dann immer solche verschwurbelten Sätze, die sicherlich auch nicht das notwendige Maß an Vertrauen wachsen lassen, das wir nun einmal brauchen? Ich will aber durchaus zugeben, dass es bei den zwei Optionen zur Hebelwirkung auch in meiner Fraktion kritische Fragen gibt. Das erste Modell der Versicherungslösung will ich nicht weiter bewerten und nur auf die zweite Option zu sprechen kommen, nämlich die Zweckgesellschaften. Wir wollen das Finanzkasino schließen. Zweckgesellschaften hören sich aber gelegentlich arg nach Zockermodell an. Insofern werden wir auch auf die Details dessen achten, was Sie uns aus Brüssel mit nach Hause bringen. Hier muss man sehr genau aufpassen. Ich bin gespannt, wie es mit der Finanztransaktionsteuer weitergeht. Herr Brüderle hat eben Herrn Kauder wahrscheinlich aufmerksam zugehört. Wir wollen auf jeden Fall nicht so lange warten, bis sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit der Einführung einer Finanztransaktionsteuer einverstanden erklären. Wir wollen in der Euro-Zone voranschreiten. Wenn das nicht gelingt, dann wollen wir gemeinsam mit Frankreich und anderen Staaten dazu beitragen, dass auch die Krisenverursacher endlich ihren Beitrag zur Finanzierung der Bewältigung dieser schwerwiegenden Krise in der Europäischen Union leisten. ({11}) Michael Roth ({12}) Zum Schluss. Eines, Frau Bundeskanzlerin, habe ich in Ihrer Regierungserklärung einmal mehr vermisst: Europa bezeichnet sich als Raum des Wohlstands. Das ist derzeit für viele junge Menschen in der Europäischen Union blanker Hohn. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt in Spanien fast 50 Prozent, in Griechenland rund 40 Prozent und in Irland - so gepriesen - genauso wie in einer Reihe anderer Staaten um die 30 Prozent. Auch gut ausgebildete Menschen drohen zur verlorenen Generation Europas zu werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Michael Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003213, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wünsche mir, dass auf dem Gipfel in Brüssel auch an diese Generation gedacht wird. Denn sie ist es wert, dass mit Europa etwas Positives und Zukunftsweisendes verbunden wird.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Michael Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003213, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich hoffe, dass Sie Ihren heutigen Worten auch Taten folgen lassen. Wir erwarten das!

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Michael Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003213, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir fordern das von Ihnen ein, Frau Bundeskanzlerin. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Norbert Barthle hat jetzt das Wort für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dem Gipfel heute Abend - darauf hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung hingewiesen - geht es insbesondere um die laufenden Verhandlungen auf europäischer Ebene, die sich auf die Ausgestaltung und die Funktionsweise des europäischen Rettungsschirms EFSF konzentrieren. Dazu liegt uns ein Papier mit möglichen Modellen zur Optimierung der EFSF und zur Maximierung der Schlagkraft des Rettungsschirms vor. Wir stimmen heute unter anderem über einen gemeinsamen Entschließungsantrag ab. Er basiert inhaltlich auf diesem Papier. Es geht letztendlich darum, unserer Bundesregierung und unserer Bundeskanzlerin die geballte Rückendeckung des Parlaments für die Verhandlungen in Brüssel zu geben, um ihr damit die Lösung der schwierigen Aufgabe, die sie dort zu erfüllen hat, zu erleichtern, nämlich bei der Ausgestaltung dieses Rettungsschirms einerseits Verantwortung für Europa und den Euro wahrzunehmen und andererseits nationale Interessen zu wahren. Das muss kein Gegensatz sein. Das kann eins sein, wenn man es richtig macht. Darum geht es bei den Verhandlungen. Nun wurde im Vorfeld Kritik an den Parlamentsbeteiligungsrechten in Deutschland laut. Es hieß, wir blockierten damit Entscheidungen. Das muss man genau betrachten. Nach meiner Auffassung ist es jedenfalls richtig und gut, dass wir unsere Beteiligungsrechte so klar und konsequent gesetzlich verankert haben. Das zeigt sich auch in diesem Vorgang. Nun würde der gemeinsame Entschließungsantrag von SPD, Grünen - ich nenne bewusst die Opposition zuerst -, CDU/CSU und FDP noch viel mehr Kraft entfalten, wenn sich die gemeinsame Unterstützung auch in den Reden widergespiegelt hätte. Das allerdings vermisse ich leider. Ich finde es schade, dass sowohl Herr Steinmeier als auch Herr Trittin versuchen, in kleiner Münze zu zahlen und innenpolitisch Kapital aus einem Thema zu schlagen, das das eigentlich nicht verdient hat. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Barthle, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele zulassen?

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Ströbele, gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Barthle, ich danke Ihnen. - Sie sind heute quasi meine letzte Hoffnung. Ich habe heute Morgen aus den Nachrichten erfahren, dass ich nun über einen Schuldenschnitt zugunsten Griechenlands abstimmen soll. Die Bundeskanzlerin hat heute gesagt, die Beteiligung privater Gläubiger solle vereinbart werden. Ich habe die Papiere, die uns gestern und heute Nacht zur Verfügung gestellt wurden, und auch den Entschließungsantrag, den Sie so gelobt haben, aufmerksam gelesen. Ich finde dazu nichts. Nun habe ich gehört, dass darüber heute gar nicht entschieden werden soll. Können Sie das Hohe Haus aufklären - Sie sind haushaltspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion, einer der Regierungsfraktionen; bei Ihnen sitzt auch der Bundesfinanzminister -, wie der Plan für die Beteiligung privater Gläubiger an der GriechenlandHilfe aussieht? Inwieweit werden Schulden von privaten Gläubigern geschnitten? Berücksichtigen Sie dabei bitte, was der Kollege Gysi gesagt hat: dass man gar nicht an das Kapital herangeht, sondern möglicherweise nur an die Zinsen. Berücksichtigen Sie dabei bitte auch, was der Kollege Trittin vorhin gesagt hat: ({0}) dass ein Großteil der Schulden, die Griechenland hat, inzwischen bei staatlichen Banken sind. Das heißt, dass nicht private Gläubiger beteiligt werden, sondern dass es wieder die Steuerzahler aus Deutschland sind, die es trifft. Erklären Sie mir: Was sollen die Banken als Gegenleistung bekommen, wenn sie auf 40, 50, 60 oder mehr Prozent verzichten? Wenn Sie mich darüber aufklären, kann ich mir noch einmal überlegen, ob ich vielleicht doch zustimme.

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich weiß nicht, welches Papier Sie gelesen haben. Aber das Papier, das ich gelesen habe, beschreibt, wie die Wirkungsweise der EFSF durch einen entsprechenden Einsatz der Möglichkeiten maximiert werden soll, die wir der EFSF vor drei Wochen hier in diesem Hohen Hause mit einer Erweiterung ihrer Möglichkeiten und der Abstimmung über die sogenannten Leitlinien gegeben haben. Davon ist in diesem Papier die Rede. Uns wurden zwei verschiedene Modelle beschrieben, wie dies geschehen könnte. Es wird darin beschrieben, dass ein Prüfungsauftrag an die EFSF erteilt werden soll, dass die EFSF diese Möglichkeiten evaluiert, testet, auf ihre Marktgängigkeit hin überprüft und dann entsprechend zum Einsatz bringt. Das, was Sie hier vortragen, finde ich in diesen Papieren überhaupt nicht. Deshalb weiß ich nicht, welches Papier Sie gelesen haben. Das, was uns als Haushaltsausschussdrucksache vorliegt, haben Sie jedenfalls nicht gelesen, und deshalb kann ich auf Ihre Frage auch gar nicht eingehen. Danke. ({0}) Lassen Sie mich aber nochmals eines feststellen, auch auf die Zwischenfrage von Herrn Ströbele hin: Ich wünsche mir, dass Sie in Ihrer Fraktion einmal klären, was Sie eigentlich unter „Hebel“ verstehen. Der Vorwurf, den Sie erhoben haben - er wurde auch an Herrn Brüderle gerichtet -, hat etwas damit zu tun, dass Sie ständig eine falsche Definition des Begriffes „Hebel“ verwenden. ({1}) Es gibt Finanzhebel. Es gibt Hebel im operativen Sinne. Es gibt Derivatehebel. Was wir hier vorhaben, ist finanztechnisch kein Hebel. Das, was Sie uns vorwerfen, beruht auf Ihrer eigenen Definition. Sie wollen einen möglichst großen Finanzhebel und möglichst hohe Risiken beschreien. Warum? Weil Sie meinen - das gilt auch für die SPD -, mit einem solchen möglichst großen Hebel die Regierung aushebeln zu können. ({2}) Das wird Ihnen aber nicht gelingen; denn einerseits gibt es diesen Hebel gar nicht, und andererseits fehlt Ihnen dazu das Gewicht. ({3}) Lassen Sie mich zum Thema zurückkommen. Ich glaube, man muss an dieser Stelle zunächst festhalten - das hätte ich mir auch vonseiten der Opposition gewünscht -, dass unsere Bundesregierung bei den Verhandlungen auf internationaler Ebene schon sehr große Erfolge erzielt hat. Es ist nun einmal so: Wir reden nicht mehr über eine Bankenlizenz für die EFSF. Wir reden nicht mehr über Hebel durch die EZB. Das ist nicht mehr in der Diskussion, sondern wurde wegverhandelt. Wir reden nicht mehr über unkonditionierte Hilfsprogramme für Länder. Wir reden nicht mehr über eine Rekapitalisierung der Banken direkt über die EFSF, sondern nur noch über ein bestimmtes Land. Zunächst der Markt, dann das Land und dann erst die EFSF; diese Reihenfolge ist eingehalten worden. Das ist ein Verhandlungserfolg dieser Bundesregierung. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. ({4}) Ich will an dieser Stelle dem Bundesfinanzminister noch einmal ausdrücklich danken; denn wir hatten zu diesem Thema im Haushaltsausschuss ausführliche und gute Beratungen. Zu all diesen Beratungen stand der Bundesfinanzminister zur Verfügung. Das habe ich in den Jahren, in denen ich im Haushaltsausschuss bin - das sind schon einige -, noch von keinem seiner Vorgänger erlebt. Auch das will ich hier einmal deutlich ansprechen. ({5}) Es gibt eine immer wiederkehrende öffentliche Debatte über die Frage des Risikos. Kein Mensch will wegreden, dass mit einer Erweiterung der Möglichkeiten der EFSF eine Erhöhung des Risikos verbunden sein kann. Aber ich sage bewusst „kann“ und nicht „muss“. Sie kann nämlich auch zu einer Verringerung des Risikos führen, je nachdem, wie die Mittel eingesetzt werden. Schauen Sie sich das zweite Optionsmodell an! Das ist so angelegt, dass man Fremdkapital, privates Kapital, akquirieren will, um damit Staatsanleihen aufzukaufen. Da verringert sich das Risiko für das eingesetzte EFSFKapital; die Kapitalsumme wird erhöht, aber nicht durch das EFSF-Kapital, sondern durch das Kapital privater Anleger. Das sollten Sie sich einmal vor Augen führen. Deshalb ist eine Debatte, in der immer nur von der Erhöhung der Risiken gesprochen wird, nicht sachgerecht. Wäre es so sicher, dass das Risiko sich erhöht, und könnte man dafür Garantien abgeben, dann könnte man mit diesem Wissen wunderbare Geschäfte an den Börsen machen. Das weiß aber niemand so genau. Deshalb ist diese Frage auch offen. Lassen Sie mich zu dem Thema „Rekapitalisierung/ Griechenland“ noch ein paar Sätze sagen. Ich glaube, es ist gut und richtig, dass die Bundesregierung versucht, auf europäischer Ebene eine höhere Beteiligung des privaten Sektors zu verhandeln. Das ist in zweierlei Hinsicht gut und richtig. Erstens geht es darum, den Finanzbedarf für Griechenland auch stemmen zu können. Zweitens geht es darum, den Bürgerinnen und Bürgern klar zu sagen: Mit der höheren Beteiligung des privaten Sektors geben wir auch ein Stück weit die Verantwortung an diejenigen, die über Jahre hinweg gute Renditen hatten. Das ist korrekt. Das ist in Ordnung. Ich hoffe, dass es erfolgreich so verhandelt wird. Ich wünsche unserer Bundesregierung, dass sie bei den Verhandlungen in den kommenden Tagen, aber vor allem heute Abend, im Sinne von Europa, im Sinne der Sicherung des Euro bei gleichzeitiger Wahrung unserer nationalen Interessen weiterhin so erfolgreich verhandelt wie bisher. Danke sehr. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus-Peter Flosbach für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Klaus Peter Flosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003528, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute mit großer Mehrheit einen gemeinsamen Entschließungsantrag von vier Fraktionen des Hauses verabschieden werden, ist ein wichtiges Zeichen für eine gemeinsame Europapolitik und gibt unserer Bundesregierung einen starken Rückhalt und ein starkes Verhandlungsmandat für Brüssel. Dafür sollten wir allen danken, die daran mitwirken. ({0}) Wir sollten aber nicht vergessen, dass eine der wichtigsten Entscheidungen bereits im Vorfeld des Gipfels gefallen ist, nämlich dass der Rettungsschirm EFSF keine Banklizenz erhält, dass er sich also nicht bei der Europäischen Zentralbank refinanzieren kann. Um es so zu formulieren wie unsere Bundesbanker: Es ist verhindert worden, dass eine Lizenz zum Gelddrucken ausgereicht wurde. - Das ist entscheidend. ({1}) Wenn wir an die Zukunft und an nachhaltige Stabilität denken: Die wichtigste Bedingung für unsere Währungsunion ist und bleibt die Nachhaltigkeit und der Verzicht darauf, die Notenpresse anzuwerfen. Wir haben es mit einer dramatischen Überschuldung von Staaten zu tun. Wir in Deutschland sind bereit, unseren Beitrag zu leisten und anderen Ländern konkrete Hilfe zu gewähren. Das haben wir zugesagt; das werden wir auch einhalten. Es gibt nur viele Diskussionen - das kennen wir aus unseren Wahlkreisen -: Viele glauben, wir bräuchten keine Hilfe zu leisten. Das ist falsch. Wir müssen nicht nur unsere Nachbarn unterstützen; wir müssen auch wirtschaftlich und finanzpolitisch intensiver zusammenarbeiten sowie wirtschaftliche Hilfe geben. Wir dürfen nie vergessen - das sagt die Bundesbank bei jeder Gelegenheit -, dass nach wie vor eine sehr starke Ansteckungsgefahr gegeben ist. Wir haben viele Berater, liebe Kolleginnen und Kollegen, die uns in dieser Krise Ratschläge geben. Aber wenn wir auf die Ansteckungsgefahren zu sprechen kommen, werden manche sehr still. Was passiert, wenn in Griechenland die Banken oder das Sozialsystem oder die Rentensysteme zusammenbrechen? Was passiert mit denen, die den Griechen Geld geliehen haben? Was passiert mit den Unternehmen, die in Geschäftsbeziehungen mit Griechenland stehen? Was passiert mit den anderen Ländern? Platzieren sie überhaupt noch Anleihen an den Märkten? All das hat dazu geführt, dass wir unseren Rettungsschirm erweitert haben, um neue Möglichkeiten der Darlehensvergabe, der Absicherung, aber auch einer Rekapitalisierung zu schaffen. Das ist der entscheidende Vorteil der Erweiterung des Rettungsschirms. ({2}) Wir geben Hilfe, aber immer - das ist das Prinzip von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission - mit strengen Konditionen und bei entsprechenden Anpassungsprogrammen. Das hat sich bisher bewährt und wird sich auch in Zukunft bewähren. Nur wenn wir möglichst nah an den alten Stabilitätspakt herankommen, werden wir ein nachhaltig stabiles Europa erreichen. Herr Steinmeier, Sie haben die Kanzlerin gebeten, auf die Situation vor einem Jahr zurückzublicken, als die ersten Entscheidungen für Griechenland gefallen sind. Ich bitte Sie, einmal auf die Jahre 2002 bis 2005 zurückzublicken; viele Ihrer Kollegen tun das auch. Damals war immer von den Defizitländern Deutschland und Frankreich die Rede. Sie wissen, dass falsch gehandelt wurde, als der Stabilitätspakt gebrochen wurde. Deshalb sollten Sie in dieser Frage etwas demütiger sein. ({3}) Das war auch einer der Gründe dafür, dass wir im Jahre 2009 eine Schuldenbremse eingeführt haben. Diese sollte nach der ersten Finanzkrise, die von den Banken ausgelöst worden war und die uns viel Geld gekostet hat, dazu dienen, die Finanzen in Deutschland nachhaltig zu stabilisieren. Die heutige Finanzkrise ist aber keine Bankenkrise, sondern zunächst eine Staatsverschuldungskrise. Deshalb geht es in erster Linie um die Haushaltskonsolidierung. Gleichzeitig geht es um die Frage: Wie können wir die Finanzmärkte insgesamt stabilisieren, bzw. was müssen wir tun, damit die Märkte sich entsprechend verändern? Wir haben festgeschrieben, dass große und systemische Banken mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Denn es kann nicht sein, dass der Steuerzahler das Kapital zugunsten der Banken bereithält. Wichtig war auch, dafür zu sorgen, dass die EFSF in der Lage ist, Banken aus Ländern zu unterstützen, in denen das Bankensystem zusammenbrechen könnte, indem über die Länder Beteiligungen an diesen Banken erfolgen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland war in vielerlei Hinsicht Vorreiter bei der Regulierung der Finanzmärkte. Schauen Sie sich noch einmal die Anträge der SPD oder auch der Linken an, und achten Sie genau darauf, was für den deutschen Markt gefordert wird. Wir waren Vorreiter bei der Restrukturierung von Banken, bei deren Umwandlung, Restrukturierung oder Abwicklung. Das haben wir in Deutschland zuerst durchgeführt, und es ist wichtig, dass das in Europa insgesamt umgesetzt wird. ({4}) Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie in den G-20-Verhandlungen das Thema der Schattenbanken angeht. ({5}) Es kann nicht sein, dass wir die regulierten Märkte noch stärker regulieren und die unregulierten Märkte über die regulierten herrschen. Das ist ein wichtiges Thema, und da hat die Bundesregierung eine gewisse Verantwortung. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Klaus Peter Flosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003528, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich komme damit auch zum Schluss. - Ich weise darauf hin, dass wir, die Deutschen, auch im Bereich der Leerverkäufe Vorreiter waren, indem wir diese bei Aktien, Staatsanleihen und Kreditversicherungen verboten haben. Das war ein spekulativer Handel, der nicht zu akzeptieren war. Heute sagen die Europäische Kommission, das EU-Parlament oder auch der Europäische Rat: Das soll in ganz Europa gelten; das habt ihr hervorragend gemacht! Gratulation an die Bundeskanzlerin und den Finanzminister!

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Klaus Peter Flosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003528, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich schließe mit einem letzten Satz. - Frau Bundeskanzlerin, Sie haben unser Vertrauen bei den weiteren Verhandlungen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und viel Glück. Alles Gute! ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie- ßungsanträge. Wir beginnen mit den namentlichen Abstimmungen. Im Anschluss daran werden wir noch weitere, einfache Abstimmungen sowie eine Wahl durchführen. Ich weise darauf hin, dass zahlreiche Erklä- rungen zu den Abstimmungen vorliegen, und zwar aus allen Fraktionen des Hauses. Wir kommen nun zu den drei Entschließungsanträ- gen, zu denen namentliche Abstimmung verlangt wurde. Es geht zunächst um den Entschließungsantrag der Frak- tionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grü- nen auf Drucksache 17/7500. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen be- setzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstim- mung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das die Stimmkarte nicht abgeben konnte? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir kommen dann zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/7457. Die Schrift- führerinnen und Schriftführer sind an ihren Plätzen. - Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgeben konnte? - Das ist offensicht- lich nicht der Fall. Dann schließe ich diese Abstimmung. Wir kommen nunmehr zum Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/7456. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe- nen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann ist die Abstimmung eröffnet. Was uns noch fehlt, sind Schriftführerinnen und Schriftführer, die beim Auszählen helfen. Schriftführe- rinnen und Schriftführer, die ihre Stimmkarte bereits ein- geworfen haben, begeben sich bitte zum Auszählen, da- mit wir vor Mitternacht damit fertig sind. Das ist auch im allgemeinen Interesse. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben.1) Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort. Ich komme zum Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/7455. Wer stimmt für die- sen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Die einbringende Fraktion hat zugestimmt; alle anderen haben dagegen gestimmt. Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/7501. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschlie- ßungsantrag ist abgelehnt. Dafür gestimmt hat die ein- bringende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dagegen ge- stimmt haben die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und der Linken. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. 1) Ergebnisse S. 15978 C, 15981 A, 15983 B Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/7359 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Damit sind Sie einverstanden. Dann verfahren wir so. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf: Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes - Drucksache 17/7454 Es liegen Wahlvorschläge aller fünf Fraktionen auf Drucksache 17/7454 vor. Wer stimmt für diese Wahlvorschläge? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit sind die Wahlvorschläge einstimmig angenommen. Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung Dieser Tagesordnungspunkt scheint im Haus auf breites Interesse zu stoßen. Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die diesem Tagesordnungspunkt nicht direkt, sondern mental oder anders folgen wollen, den Plenarsaal möglichst schnell zu verlassen. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung zur demografischen Lage und zukünftigen Entwicklung des Landes. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister des Innern, Herr Dr. Hans-Peter Friedrich. - Bitte schön.

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Kabinett hat sich heute mit dem Demografiebericht befasst, der nicht nur eine Zusammenfassung der demografischen Lage in Deutschland und der Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf alle Lebensbereiche gibt, sondern sich auch mit den bereits ergriffenen Maßnahmen auseinandersetzt. Zur demografischen Entwicklung allgemein sei vorausgeschickt: Es handelt sich dabei um das häufig vorkommende Phänomen, dass man eine über viele Jahrzehnte anhaltende Entwicklung, die schleichend, aber stetig in allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen zu Veränderungen führt, in der tagespolitischen Auseinandersetzung nur eingeschränkt zur Kenntnis nimmt. Die demografische Entwicklung ist eine solche Entwicklung: Im Grunde beeinflusst sie schon seit 40 Jahren Stück für Stück unsere gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Situation; aber jetzt haben wir einen Punkt erreicht, an dem man schon bei den tagespolitischen Auseinandersetzungen feststellt, dass das Thema in allen Bereichen angekommen ist. Es gibt zwei Trends, die Sie nicht überraschen werden. Der eine Trend ist, dass wir seit vielen Jahren weniger Geburten haben, als notwendig wären, um eine Reproduktionsrate von 100 Prozent zu erreichen. Der zweite Trend ist, dass die Lebenserwartung der Menschen immer höher wird. Nach Modellrechnungen des Statistischen Bundesamtes werden in knapp 50 Jahren, also im Jahr 2060, etwa 65 bis 70 Millionen Menschen in Deutschland leben, also 17 Millionen Menschen weniger als heute. Bis dahin wird es aber - das ist das Ergebnis der beiden genannten Trends, die zahlenmäßig gegenläufig sind - eine völlig andere Alterszusammensetzung der Bevölkerung geben: Jeder Dritte wird dann 65 Jahre oder älter sein; jeder Siebte wird 80 Jahre oder älter sein. Das ist eine Entwicklung, die definitiv auf uns zukommt. Wir können sie mit aktuellen politischen Entscheidungen nicht mehr verändern, sondern ihr nur Rechnung tragen. Das ist ein wichtiger Punkt. Ich denke, dass man die demografische Entwicklung nicht nur als Bedrohung sehen darf, sondern durchaus auch die Chancen, die darin liegen, erkennen muss. Der Demografiebericht, den ich heute dem Kabinett vorgelegt habe und über den beschlossen worden ist, zeigt, dass wir in allen Bereichen - Familie, Gesellschaft, Zuwanderung, Integration, Wirtschaft, Arbeit, Bildung, Forschung, Alterssicherung - betroffen sind und es in den letzten Jahren und Jahrzehnten Maßnahmen der Bundesregierungen gegeben hat, um sich darauf vorzubereiten. Was wir nicht haben, ist eine Strategie, die einer Entwicklung, die sich erst in den letzten Jahren immer deutlicher abgezeichnet hat, ressortübergreifend Rechnung trägt. So gibt es bei der demografischen Entwicklung außerordentlich unterschiedliche regionale Betroffenheiten; in den ländlichen Räumen ist es völlig anders als in den Großstädten. Das haben die Berichte bisher nicht im Einzelnen widergespiegelt. Wir wollen auf der Grundlage des Berichts anhand von vier Leitzielen eine Strategie entwickeln: Das erste Leitziel ist, die Chancen, die mit dem längeren Leben und der höheren Lebenserwartung verbunden sind, zu erkennen und zu nutzen. Das zweite Leitziel ist, dafür zu sorgen, dass wir in Zukunft trotz der anderen Alterszusammensetzung und dem Schrumpfen der Bevölkerung die gleiche oder am besten eine gestärkte Innovationskraft sowie Wachstumsperspektiven und Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Das dritte Leitziel ist, trotz der Entwicklungen in der Lage zu bleiben, soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gewährleisten. Schließlich ist es das vierte Leitziel, die Handlungsfähigkeit des Staates zu bewahren, und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht - ich glaube, da hat man mit der Schuldenbremse schon einen wesentlichen Beitrag geleistet -, sondern auch, indem wir der demografischen Entwicklung im Bereich der Verwaltung Rechnung tragen. Insgesamt geht es um ein Thema, bei dem - das weiß die Bundesregierung - wesentliche Entscheidungen und Maßnahmen nicht vom Bund getroffen werden, sondern von den Ländern und Kommunen. Wir hoffen und wünschen uns natürlich, dass die Länder mit ihren Programmen und die Kommunen mit ihren Vorstellungen und spezifischen Problemen unmittelbar an die Strategie, die wir jetzt entwickeln wollen, anschließen und andocken können, sodass es zu einer harmonischen Entwicklung kommt. - So viel, Frau Präsidentin, zur Einführung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die erste Frage stellt die Kollegin Dittrich.

Heidrun Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004028, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich möchte gerne eine Frage zum Bereich Pflege stellen. Sie haben es zwar nicht direkt angesprochen, aber wir wissen, dass Sie für den Pflegebereich eine Ausbildungsoffensive planen. Wie möchten Sie dafür sorgen, dass im Pflegebereich mehr Männer beschäftigt werden, sodass es zu gemischten Teams kommen kann; denn Pflege ist Schwerstarbeit. Außerdem haben wir einen Mindestlohn in Höhe von nur 7,50 Euro im Osten und in Höhe von 8,50 Euro im Westen.

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Liebe Frau Kollegin, ich habe zunächst vorausgeschickt, dass der Demografiebericht eine Bestandsaufnahme dessen ist, was wir an aktuellen Entwicklungen haben und was wir an Auswirkungen in den einzelnen Bereichen zu erwarten haben. ({0}) Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit, nämlich aufgrund dieser Fragestellung eine Strategie zu entwickeln. Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. In der Strategie, in der wir neben vier Leitzielen, die ich genannt habe, zehn Handlungsfelder definiert haben, wollen wir uns insbesondere mit der Frage beschäftigen, wie wir die Pflege insbesondere in den ländlichen Räumen, wo die jungen Menschen zum Teil in großem Ausmaß weggezogen sind, sicherstellen. Die von Ihnen gestellte Frage wird sicherlich eine zentrale Rolle spielen. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Nachfragen gibt es hier nicht, aber ich schreibe Sie gerne noch einmal auf. Die nächste Frage stellt die Kollegin Rawert.

Mechthild Rawert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003825, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, herzlichen Dank für Ihre Einführung. Die Einführung war auch nötig, da wir Abgeordnete den Bericht erst gestern Abend bekommen haben. Vielleicht war der eine oder andere in der Lage, wenigstens die Kurzfassung zu lesen. Mich interessiert der Bereich „Zuwanderung und Fachkräfte“. Sie haben ausgeführt, dass Sie im vorliegenden Bericht eine Bestandsaufnahme der aktuellen Entwicklungen vorgenommen haben. Können Sie etwas zum künftigen Fachkräftemangel und dessen Bekämpfung in Kombination mit dem Aspekt Zuwanderung bzw. einer gezielten Zuwanderungsstrategie sagen?

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Wie Sie wissen, hat es in der Vergangenheit bereits Änderungen im Zuwanderungsrecht gegeben. Beispielsweise wurde die Gehaltsgrenze für Hochqualifizierte auf 66 000 Euro gesenkt; früher lag sie bei 80 000 Euro. Es hat also bereits erste Öffnungen bzw. Ausweitungen in diesem Bereich gegeben. Sie weisen auf eine Grundsatzfrage hin, nämlich: Können wir die demografischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, durch Zuwanderung lösen? Die Antwort lautet: mit Zuwanderung allein mit Sicherheit nicht. Bevor man aber über Zuwanderung diskutiert, muss man zuallererst prüfen - ich glaube, das ist zwingend -, ob und in welchem Umfang wir in der Lage sind, unseren Fachkräftebedarf mit eigenem Potenzial zu decken. Ich halte es für das richtige Vorgehen, zunächst dafür zu sorgen, das vorhandene Potenzial an Erwerbsfähigen auszubauen und für die künftige Entwicklung zu nutzen. Wenn das nicht ausreichen sollte, die Lücke auf dem Arbeitsmarkt zu schließen - die Zahlen besagen, dass wir in den nächsten 50 Jahren eine Reduzierung der Bevölkerung um 17 Millionen zu verzeichnen haben; auch für den Arbeitsmarkt rechnet man mit einer Lücke in einer Größenordnung von mehreren Millionen -, muss wahrscheinlich mit Zuwanderungsszenarien gerechnet werden. Die zweite Stufe wäre daher meines Erachtens - wir werden das in den nächsten Monaten im Rahmen der Erarbeitung einer Strategie diskutieren -, dass wir die Möglichkeiten nutzen, die uns der europäische Arbeitsmarkt bringt. Ich nenne insbesondere unsere Partner in der Euro-Zone; das sind 16 Länder. Ich erinnere an Spanien, das derzeit eine Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent zu verzeichnen hat. In Portugal geht eine verlorene Generation - so nennt sie sich selber - auf die Straße und sagt: Wir haben trotz guter Ausbildung keine Perspektive. - Wir sollten dem europäischen Gedanken Rechnung tragen und versuchen, Fachkräfte aus diesen Ländern für Deutschland zu gewinnen. Diese Fachkräfte können später grenzüberschreitend und damit völkerverständigend tätig werden. Erst wenn dieses Potenzial ausgeschöpft ist, kann man über Zuwanderung aus Drittstaaten reden. Auch darüber spricht man in der Koalition. Das, was bereits entschieden ist, und das, was noch auf den Weg gebracht wird, werden wir selbstverständlich in die Strategie einbinden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister, Sie hatten Glück, dass wir ein Problem mit der Technik hatten. Sonst hätte es längst geklingelt. Das gibt mir Gelegenheit, alle an die Ein-MinutenRegelung für Fragen und Antworten zu erinnern. Daran wird sich als Nächste die Kollegin Tabea Rößner halten.

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Minister, für die Vorlage des Berichts und die Klarstellung, dass es sich um eine Zustandsbeschreibung handelt. Eine Strategie und ein Handlungskonzept wären aus unserer Sicht wesentlich wichtiger. In dem Bericht heißt es: „Die Bevölkerungsabnahme wird vor allem in dünn besiedelten ländlichen Räumen zu einer zurückgehenden Auslastung“ der Infrastruktur führen. Diesbezüglich widerspreche ich Ihnen: Das wird nicht erst in der Zukunft so sein, sondern das ist bereits Fakt. In diesem Zusammenhang vermisse ich Analysen und Grundsatzfragen wie diese: Nach welchen Kriterien soll die Infrastruktur zukünftig ausgebaut, erhalten oder eventuell sogar zurückgebaut werden? Ich würde mir wünschen, dass Sie darauf kurz eingehen. Damit verbunden frage ich, inwieweit davon der Grundsatz bezüglich der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse betroffen ist. Schließlich schreiben Sie, dass daran zwar nicht gerüttelt werden soll, aber dennoch an die jeweilige Region „angepasste Lösungen“ entwickelt werden sollen. Vielen Dank.

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Ich will mit der zweiten Frage beginnen. Natürlich ist es notwendig, dass man der spezifischen Situation einer Region Rechnung trägt; denn die Wirtschaftsstrukturen und die Altersstrukturen sind überall anders. Insofern ist es, glaube ich, richtig, dass man mit den Kommunen vor Ort angepasste Strategien entwickelt. Das ist aber in erster Linie Aufgabe der Länder. Wir versuchen nur, das, was der Bund darüber hinaus leisten muss, zu koordinieren und die Maßnahmen in einer Strategie zu bündeln. Was die Infrastruktur angeht, muss man den Begriff Infrastruktur etwas weiter fassen und darf darunter nicht nur die Verkehrsinfrastruktur verstehen. ({0}) Im Grunde geht es um alles. Es geht auch um die soziale Infrastruktur, um Bildungseinrichtungen und um die Kommunikationsinfrastruktur, zum Beispiel um das Thema Breitbandversorgung. Die Breitbandtechnologie wird in der Strategie eine wichtige Rolle spielen; das vermute ich jedenfalls. Dieser Bericht ist die Grundlage für das, was wir erarbeiten wollen. Ob an der einen oder anderen Stelle ein Rückbau notwendig bzw. möglich sein wird, kann ich jetzt noch nicht sagen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt zu geben: Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat auf Drucksache 17/7500: Es wurden 596 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben 503 gestimmt. Mit Nein haben 89 gestimmt. Es gab 4 Enthaltungen. Damit ist dieser Antrag angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 596; davon ja: 503 nein: 89 enthalten: 4 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Manfred Behrens ({1}) Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen ({2}) Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({3}) Dirk Fischer ({4}) Axel E. Fischer ({5}) Dr. Maria Flachsbarth Herbert Frankenhauser ({6}) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({7}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({8}) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Günter Lach Dr. Karl A. Lamers ({9}) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Dr. Ursula von der Leyen Matthias Lietz Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({10}) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({11}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({12}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({13}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({14}) Anita Schäfer ({15}) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({16}) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön ({17}) Dr. Kristina Schröder Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({18}) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({19}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({20}) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({21}) Peter Weiß ({22}) Sabine Weiss ({23}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Heinz-Joachim Barchmann Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({24}) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({25}) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf ({26}) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({27}) Hubertus Heil ({28}) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({29}) Frank Hofmann ({30}) Dr. Eva Högl Christel Humme Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe ({31}) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange ({32}) Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Dr. Carola Reimann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({33}) Michael Roth ({34}) Marlene Rupprecht ({35}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({36}) Bernd Scheelen Marianne Schieder ({37}) Ulla Schmidt ({38}) Silvia Schmidt ({39}) Carsten Schneider ({40}) Swen Schulz ({41}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Christian Ahrendt Christine AschenbergDugnus Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Daniel Bahr ({42}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({43}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({44}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner ({45}) Michael Link ({46}) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({47}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({48}) Dirk Niebel Gisela Piltz Dr. Christiane RatjenDamerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Johannes Vogel ({49}) Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff ({50}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({51}) Volker Beck ({52}) Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz ({53}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({54}) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller ({55}) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({56}) Krista Sager Manuel Sarrazin Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Wolfgang Bosbach Alexander Funk Dr. Peter Gauweiler Josef Göppel Manfred Kolbe Paul Lehrieder Dr. Carsten Linnemann Thomas Silberhorn Klaus-Peter Willsch SPD Wolfgang Gunkel Werner Schieder ({57}) Rolf Schwanitz Rüdiger Veit FDP Jens Ackermann Nicole Bracht-Bendt Sylvia Canel Frank Schäffler Torsten Staffeldt DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothee Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Nešković Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer ({58}) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Enthalten CDU/CSU Veronika Bellmann SPD Gerold Reichenbach Ottmar Schreiner Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/7457: 594 Stimmen wurden abgegeben. Mit Ja haben 199 gestimmt, mit Nein 394. Es gab 1 Enthaltung. Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 594; davon ja: 199 nein: 394 enthalten: 1 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Heinz-Joachim Barchmann Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({59}) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({60}) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf ({61}) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({62}) Hubertus Heil ({63}) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({64}) Frank Hofmann ({65}) Dr. Eva Högl Christel Humme Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe ({66}) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange ({67}) Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({68}) Michael Roth ({69}) Marlene Rupprecht ({70}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({71}) Bernd Scheelen Marianne Schieder ({72}) Werner Schieder ({73}) Ulla Schmidt ({74}) Silvia Schmidt ({75}) Carsten Schneider ({76}) Ottmar Schreiner Swen Schulz ({77}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({78}) Volker Beck ({79}) Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz ({80}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({81}) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller ({82}) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({83}) Krista Sager Manuel Sarrazin Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({84}) Manfred Behrens ({85}) Veronika Bellmann Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen ({86}) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({87}) Dirk Fischer ({88}) Axel E. Fischer ({89}) Dr. Maria Flachsbarth Herbert Frankenhauser ({90}) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({91}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({92}) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Günter Lach Dr. Karl A. Lamers ({93}) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({94}) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({95}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({96}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({97}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({98}) Anita Schäfer ({99}) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({100}) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön ({101}) Dr. Kristina Schröder Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({102}) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({103}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({104}) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({105}) Peter Weiß ({106}) Sabine Weiss ({107}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({108}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({109}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({110}) Heinz Lanfermann Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner ({111}) Michael Link ({112}) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({113}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({114}) Dirk Niebel Gisela Piltz Dr. Christiane RatjenDamerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Johannes Vogel ({115}) Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff ({116}) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothee Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Nešković Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer ({117}) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Enthalten BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/7456 zum selben Thema: abgegebene Stimmen 594. Mit Ja haben gestimmt 137, mit Nein 455. Es gab 2 Enthaltungen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 593; davon ja: 137 nein: 454 enthalten: 2 Ja SPD Dr. Peter Danckert Daniela Kolbe ({118}) Swen Schulz ({119}) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothee Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Nešković Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer ({120}) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({121}) Volker Beck ({122}) Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz ({123}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({124}) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller ({125}) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({126}) Krista Sager Manuel Sarrazin Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({127}) Manfred Behrens ({128}) Veronika Bellmann Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen ({129}) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({130}) Dirk Fischer ({131}) Axel E. Fischer ({132}) Dr. Maria Flachsbarth Herbert Frankenhauser ({133}) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({134}) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({135}) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Günter Lach Dr. Karl A. Lamers ({136}) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({137}) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({138}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({139}) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({140}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({141}) Anita Schäfer ({142}) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({143}) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön ({144}) Dr. Kristina Schröder Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({145}) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl ({146}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel ({147}) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({148}) Peter Weiß ({149}) Sabine Weiss ({150}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Heinz-Joachim Barchmann Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({151}) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({152}) Edelgard Bulmahn Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf ({153}) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({154}) Hubertus Heil ({155}) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Frank Hofmann ({156}) Dr. Eva Högl Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange ({157}) Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Andrea Nahles Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({158}) Michael Roth ({159}) Marlene Rupprecht ({160}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({161}) Bernd Scheelen Marianne Schieder ({162}) Werner Schieder ({163}) Ulla Schmidt ({164}) Silvia Schmidt ({165}) Carsten Schneider ({166}) Ottmar Schreiner Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({167}) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({168}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth ({169}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner ({170}) Michael Link ({171}) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({172}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({173}) Dirk Niebel Gisela Piltz Dr. Christiane RatjenDamerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Johannes Vogel ({174}) Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff ({175}) Enthalten SPD Ulla Burchardt Petra Hinz ({176}) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Ich bitte jetzt die Kollegin Klamt um ihre Frage.

Ewa Klamt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004203, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, Sie haben gerade ausgeführt, dass wir nun eine Analyse und erste Bestandsaufnahme vorliegen haben. Ich freue mich, dass uns im Hause jetzt ein so ausführlicher Bericht vorliegt und dass ressortübergreifend daran gearbeitet wird. Ich denke, uns alle hier im Hause interessiert: Wann rechnen Sie damit, dass uns ein Strategiekonzept - es wird wohl im kommenden Jahr sein - vorgelegt werden wird?

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Ich gehe davon aus, dass wir, aufbauend auf diesem Bericht, sehr zügig arbeiten und im ersten Halbjahr 2012 über eine Strategie diskutieren können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Birkwald.

Matthias W. Birkwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004012, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, haben Sie herzlichen Dank für Ihre einführenden Worte. Ich hatte Gelegenheit, schon einmal in die Kurzfassung des Demografieberichts zu schauen, und beziehe mich auf die Aussagen zur Alterssicherung. Dort heißt es unter anderem, dass es um einen „angemessenen Interessensausgleich zwischen Jung und Alt“ gehe und um eine „generationengerechte Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme“. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Anhebung der Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung auf 67 eine gute Maßnahme ist. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat bei Forsa eine Umfrage in Auftrag gegeben. Es ging darum, ob es sinnvoll ist, die Regelaltersgrenze auf 67 anzuheben, da die geplante Beitragssenkung pro Durchschnittsverdienerin und -verdiener nur etwas mehr als 6 Euro betragen wird. Die Ergebnisse sind deutlich: 79 Prozent der Befragten wollen, dass die Beiträge nicht gesenkt werden und die Rente mit 67 abgeschafft wird; stattdessen soll das Geld für die Bekämpfung von Altersarmut ausgegeben werden. Übrigens: Auch 71 Prozent der CDU/CSU-Anhänger und 64 Prozent der FDP-Anhänger äußerten sich so. Nur 12 Prozent der Befragten wollen eine Senkung der Rentenbeiträge. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob Sie nicht vielleicht noch einmal darüber nachdenken wollen: Ist es aus Ihrer Sicht wirklich sozial gerecht, die Rente ab 67 einzuführen, oder könnte man angesichts von 6 Euro weniger Beitrag pro Beschäftigtem nicht darauf verzichten?

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Die Zahlen, die ich mit diesem Bericht vorgelegt habe, und auch die Zustandsbeschreibung sind Fakten einer Entwicklung, die wir schon haben bzw. objektiverweise zu erwarten haben. Jetzt gilt es, aus der anderen Alterszusammensetzung der Bevölkerung die richtigen Schlüsse ziehen. Sie können schon heute am Arbeitsmarkt feststellen, dass beispielsweise in den letzten zehn Jahren die Zahl der Beschäftigten, die über 55 Jahre alt sind, dramatisch gestiegen ist. Während vor zehn Jahren noch gut ein Drittel der Menschen in diesem Alterssegment berufstätig waren, sind es jetzt fast 60 Prozent. Man muss auf die Tatsache, die ich vorhin vorgetragen habe, dass die Menschen eine höhere Lebenserwartung haben und dass sie gesünder älter werden, reagieren. Wir erwarten eine Auflösung der bisher üblichen Dreiteilung - Ausbildung, Berufstätigkeit, Ruhestand im Leben eines Menschen. Die Rente mit 67 ist ein Vorläufer der strukturellen Veränderungen, die in den nächsten Jahren notwendig sein werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Frage stellt der Kollege Kurth.

Patrick Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003900, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, herzlichen Dank für diesen umfassenden Demografiebericht. Es ist in der Tat ein Zukunftspapier. Wie bindend ist dieses Papier für die gesamte Bundesregierung, also auch andere Ministerien? Welche Schlüsse werden daraus gezogen? Wie stark sind die anderen Ministerien mit diesem Papier verhaftet? Ich habe eine weitere Frage. Die demografische Entwicklung ist in den Regionen sehr unterschiedlich. Zum Teil sind schon an Landkreisgrenzen Unterschiede feststellbar. Sie haben im Handlungskonzept für die neuen Länder erste Maßnahmen verankert. Inwieweit ist man in den neuen Ländern - oder überhaupt innerhalb von Bundesländern - bereit, gezielt für Landkreise, in denen dies nötig ist, Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen? Duldet man es, dass einzelne Landkreise dadurch quasi bevorteilt würden? Wie ist Ihre Einschätzung?

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Zunächst einmal zur ersten Frage. Beschlossen wurden die Erstellung dieses Berichts und die Erarbeitung der Strategie vor zwei Jahren in Meseberg. Dieser Bericht wurde ressortübergreifend erarbeitet und wird von allen betroffenen Ressorts getragen. Natürlich werden wir auch die Handlungsstrategie, die notwendig ist, gemeinsam erarbeiten und dem Deutschen Bundestag vorstellen. Was die Situation in den neuen Ländern angeht, haben wir insofern bereits einen Blick in die Zukunft geworfen, als sich dort schon heute demografische Entwicklungen abzeichnen, die in den alten Bundesländern, jedenfalls in großen Teilen, vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren deutlich werden. Das, was wir in den neuen Ländern vorfinden, ist eine Art Großpilotprojekt für die Entwicklungen, zu denen es bundesweit kommen wird. Sicherlich wird man - allerdings koordiniert von den Bundesländern und nicht von der Bundesregierung auch der spezifischen Situation in den einzelnen Landkreisen, die sehr unterschiedlich sein wird, Rechnung tragen müssen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Müntefering.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, dass der Bericht mit Akribie erstellt wurde, will ich nicht bestreiten. Aber ein bisschen mehr Herzblut und Leidenschaft in der Sache wären ganz gut gewesen. Wenn ich mir den Zeitplan, den Sie gerade noch einmal erläutert haben, ansehe, muss ich sagen: Er lässt eigentlich nichts Gutes vermuten. Sie haben gesagt, bis Mitte 2012 sei über die Strategie zu sprechen. Das ist etwa ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl. Dann wird seitens der Bundesregierung nicht mehr besonders viel geschehen. ({0}) Es wird bestimmt 2014, ehe wirklich etwas in Bewegung kommt. Ich hätte von Ihnen gerne eine Äußerung dazu gehört, wie Sie sich das vorstellen, insbesondere vor dem Hintergrund - dazu finde ich im Bericht ganz wenig -, dass Bund, Länder und Gemeinden hier eine gemeinsame Verantwortung haben. Der demografische Wandel trifft die Kommunen und Regionen in sehr unterschiedlichem Maße; allerdings trifft er jede Kommune und jede Region. Die Frage ist: Was passiert dann? Wäre die Einsetzung einer Demografiekommission, in der sich Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam mit diesem Thema befassen, Ihrer Meinung nach ein Vorschlag, der das Finden einer Lösung erleichtern könnte? Sie sprechen im Wesentlichen über die Bundesebene. Die Entscheidungen in den Regionen und Kommunen sind allerdings sehr unterschiedlich. An diesem Punkt brauchen wir Klarheit. Wenn Sie, was die Abfolge betrifft, so arbeiten, wie Sie es angekündigt haben, werden wir eine entsprechende Strategie in Deutschland nicht vor 2014 umsetzen. Das wäre aber zu spät.

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Sie haben völlig recht: Das ist eine Entscheidung, die zuallererst für die Kommunen vor Ort relevant ist. Zunächst einmal will die Bundesregierung eine ressortübergreifende Strategie erarbeiten. In einem weiteren Schritt wird man selbstverständlich die Länder, die übrigens schon viele Prozesse angestoßen haben, einbeziehen. Inzwischen gibt es in jeder Region Handlungskonzepte, in denen vorgezeichnet ist, was man erreichen will. Dass man diesen Dialog führen muss, ist richtig. Lassen Sie mich noch eines sagen: Ich glaube, dass es bei der Erarbeitung der Strategie notwendig ist, von der konkreten Situation vor Ort auszugehen und dann das Land und den Bund in den Blick zu nehmen. Man sollte sich fragen: Was ist notwendig, um eine konkrete Lösung vor Ort zu finden? Dabei muss man die Gesamtsituation, von der Kommune über das Land bis hin zum Bund, vor Augen haben. Dabei geht es auch um die Frage: Welche Gesetzesänderungen oder Durchgriffsmöglichkeiten braucht man im Hinblick auf die einzelnen Ressorts auf Bundesebene? Das ist im Grunde die Aufgabe, vor der wir jetzt stehen. Sie haben also völlig recht: Man muss von der konkreten Situation vor Ort ausgehen und dann abstrahieren, um herauszufinden, welche Gesetze man auf Bundesebene verändern muss.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Deligöz.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich möchte eine etwas konkretere Frage stellen. Sie haben in dem Bericht geschrieben, dass Sie die Versorgung mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen für notwendig und wichtig halten; das haben Sie gerade noch einmal betont. Insbesondere im Rahmen des TKG wurde aber die Chance verpasst, dies in die Tat umzusetzen. Wie sehen Ihre Pläne und wie sieht vor allem der konkrete Zeitplan hierfür aus?

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Dies ist ein wichtiger Punkt. In unserem Handlungskonzept für die neuen Länder, das ich vor drei Wochen vorgestellt habe und in dem wir sehr viele Pilotprojekte, die wir in den neuen Ländern durchführen, untersucht haben, haben wir festgestellt, dass die Breitbandstrategie eines der zentralen Elemente ist. Dies gilt sowohl im Hinblick auf Arbeitsplatzmöglichkeiten wie Telearbeitsplätze als auch dann, wenn es darum geht, die Industrie, mittelständische Unternehmen und das Handwerk im ländlichen Raum zu halten. Hier kommt der Breitbandversorgung eine zentrale Aufgabe zu. Deswegen glaube ich, dass wir bei der Entwicklung der Strategie besonderen Wert darauf legen müssen. Hier gilt, was Herr Müntefering vorhin gesagt hat, in besonderer Weise; denn es gibt Breitbandstrategien der Länder und der Bundesregierung. Auch in dieser Frage werden wir, wenn wir unsere Schlussfolgerungen vorbereitet haben, sehr eng mit den Ländern zusammenarbeiten müssen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Bluhm, bitte.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister Friedrich, Sie haben jetzt mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei diesem Bericht um eine Analyse handelt und die Handlungsempfehlungen im nächsten halben Jahr zu erwarten sind. Wir als Parlament werden uns mit diesem Bericht auseinandersetzen und ihn auch bei den aktuellen Debatten zum Haushalt 2012 berücksichtigen. Uns würde interessieren, welche Empfehlungen oder Vorschläge für künftige Schwerpunktsetzungen im Bundeshaushalt der Bericht der Bundesregierung zur demografischen Lage und künftigen Entwicklung des Landes enthält. Die Frage lautet konkret: Wie passen die Erkenntnisse in diesem Bericht der Bundesregierung mit den Kürzungen der Bundesmittel für das Jahr 2011 - die Kürzungen sind vollzogen worden und sollen 2012 fortgesetzt werden im Bereich der allgemeinen Städtebauförderung zusammen? Es geht insbesondere um die Programme „Altersgerecht Umbauen“ und „Die soziale Stadt“. Können Sie in Aussicht stellen, dass Sie Ihr aktuelles Handeln in diesem Punkt noch einmal überdenken?

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Wenn Sie sich den Bericht anschauen, dann sehen Sie im letzten Kapitel die Handlungsfelder - es sind zehn an der Zahl - aufgelistet. Hier spielt insbesondere die Ertüchtigung der ländlichen Räume eine zentrale Rolle. Ich glaube, das haben Sie mit dem Stadtumbauprogramm angesprochen. Das sind wichtige Punkte. ({0}) - Diese Punkte werden in der Strategie natürlich eine zentrale Rolle spielen; keine Frage. Die verschiedenen Handlungsempfehlungen muss man in den nächsten Jahren entsprechend unterlegen. Wir wollen ja gemeinsam eine etwas längerfristige Strategie angehen und hier im Hohen Hause beschließen. Dass man dem in den Haushalten Rechnung tragen muss, ist überhaupt keine Frage.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt bitte Frau Bätzing-Lichtenthäler.

Sabine Bätzing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Minister, für den Bericht. - Ich schließe an die vorhergehende Frage an. Sie beschreiben in Ihrem Bericht die Rahmenbedingungen, die gesetzt werden müssen, um dem demografischen Wandel zu begegnen, und schreiben, dass man die Kommunen dabei unterstützen muss, Infrastrukturen aufrechtzuerhalten und Wohnungsangebote für älter werdende Menschen zu schaffen. Meine Frage, die Kollegin unterstützend, lautet: Wie kann es dann sein, dass man die Mittel für Programme wie „Die soziale Stadt“ um 70 Prozent kürzt und andere Programme, die gut laufen und die man einfach weiterlaufen lassen könnte, wie „Altersgerecht Umbauen“, auslaufen lässt? Ich möchte noch ein anderes Feld ansprechen, nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Bezug auf Fachkräfte. In Ihrem Bericht schreiben Sie: Wir wollen die Erwerbsquote von Frauen erhöhen und die Kinderbetreuung flexibler gestalten. - Wie passt das von Familienministerin Schröder angekündigte Betreuungsgeld dazu?

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Das Thema, das Sie zuletzt angesprochen haben - Vereinbarkeit von Familie und Beruf -, ist deswegen wichtig, weil es ein erhebliches Potenzial insbesondere an Frauen gibt, die entweder derzeit unfreiwillig nicht berufstätig sind oder mehr arbeiten möchten als in Teilzeit. Ich denke, dass es wichtig ist, mit der bereits eingeleiteten Politik, mit dem Recht auf einen Kindergartenplatz und all den anderen Maßnahmen der Vergangenheit konsequent weiterzumachen, um das Potenzial gut ausgebildeter Frauen und Männer, das sich hier bietet, zu nutzen. Sie waren gezwungen, sich so zu entscheiden, wie sie sich entschieden haben, aber sie hätten anders entschieden, wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Dort müssen wir mehr Flexibilität schaffen. Deswegen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz wichtig. Wie gesagt, wir haben in den letzten Jahren insgesamt eine Vielzahl von Programmen auf den Weg gebracht. Viele von denen sind Pilotprojekte, bei denen man von vornherein gesagt hat: Diese laufen fünf Jahre, und dann ist Schluss. Dass das nicht immer günstig ist, ist mir bekannt. Das weiß ich auch aus eigener Anschauung. Ich denke, deswegen ist es umso notwendiger, dass man eine langfristige Strategie erarbeitet, um langfristige Programme durchführen zu können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kilic, bitte.

Memet Kilic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004069, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben in Ihrer Berichterstattung als einen von vier wichtigen Punkten die Einwanderung selbst angesprochen. Es ist bekannt, dass die Regierung im Rahmen der Umsetzung der Bluecard-Richtlinie der Europäischen Union weitere Änderungen im Bereich des Aufenthaltsrechts vornehmen möchte, um die Fachkräfteeinwanderung zu erleichtern. Wird die Regierung, wie angekündigt, noch im November einen Gesetzentwurf vorlegen? Welche Erleichterungen wird dieser Gesetzentwurf enthalten? Wo gibt es in welchem Umfang noch Meinungsverschiedenheiten?

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Falls die Regierung im November einen solchen Gesetzentwurf vorlegen und er hier im Bundestag von der Mehrheit beschlossen wird, wird das selbstverständlich als gegebene Tatsache in unsere Strategie Eingang finden. Wir müssen bei der Erarbeitung unserer Strategie natürlich immer von den gesetzlichen Gegebenheiten ausgehen. Wenn bis dahin eine Modifizierung des Einwanderungsrechtes vorliegt, wird das selbstverständlich dieser Strategie zugrunde gelegt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Weitere Fragen zu diesem Themenbereich können wir nicht berücksichtigen. Aber es gibt noch eine Frage zu einem anderen Thema der heutigen Kabinettssitzung durch die Kollegin Enkelmann. Bitte schön.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Minister, der Spiegel hat in dieser Woche über einen Bericht der Bundesregierung zum Thema Mindestlöhne informiert.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Enkelmann, wollen Sie die Frage auch an Minister Friedrich stellen?

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich weiß nicht, ob er das weiß.

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Frau Enkelmann, im Zweifel weiß ich alles.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Logischerweise wäre dafür der Bereich Arbeit und Soziales zuständig. Vielleicht entscheidet die Regierung, wer antwortet.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das war meine Frage. Dann könnte sich der Kollege Friedrich zunächst setzen, und dann entscheidet die Regierung untereinander, wer antwortet.

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

So soll es sein.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Alles klar. Danke, Frau Präsidentin. - Es geht um eine Information des Spiegel zu einem weiteren Bericht der Bundesregierung zum Thema Mindestlöhne. Die Bundesregierung hat vier Forschungsinstitute beauftragt. Sie kommen zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass bei einer Einführung von Mindestlöhnen keine nennenswerten Folgen für Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit nachzuweisen wären. Das stimmt mit den Argumenten der Linken zu Mindestlöhnen überein. Hat sich das Kabinett mit diesem Bericht beschäftigt? Welche Schlussfolgerung hat das Kabinett im Zusammenhang mit der flächendeckenden Einführung gesetzlicher Mindestlöhne gezogen?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Fuchtel, bitte.

Hans Joachim Fuchtel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000616

Ich hatte nicht die Ehre, an diesem Tag am Kabinettstisch zu sitzen. Deswegen muss ich die Frage wieder zurückgeben und kann sie also hier jetzt nicht beantworten. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Also jetzt doch Herr Friedrich. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Minister:in)

Politiker ID: 11003124

Liebe Frau Enkelmann, das, was Sie angesprochen haben, war heute nicht Gegenstand im Kabinett. Aber wenn es eine solche Untersuchung gibt, werden wir uns die Sache, auch in der Ressortzuständigkeit des Kollegen, Staatssekretär Fuchtel, anschauen. Das ändert natürlich an unserer grundsätzlichen Auffassung darüber, wie Mindestlöhne in Deutschland, auch unter dem Gesichtspunkt der Tariffreiheit und der Tarifautonomie, zu beurteilen sind, überhaupt nichts. ({0}) - Wir haben in vielen Bereichen mit dem hervorragenden Instrument eines tariflich geregelten Mindestlohns - es wurde in früheren Jahren ausgearbeitet -, der sehr gezielt und sehr spezifisch auf die Situation in den Branchen zugeschnitten ist, hervorragende Erfahrungen gemacht. Ich könnte mir vorstellen, dass das vielleicht Grundlage dieser Untersuchung war. Ich werde sie mir anschauen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Vielen Dank. - Damit beende ich die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksache 17/7411 Auch hierbei gilt die Ein-Minuten-Regelung. Allerdings werden wir das Signal bei der ersten Antwort nicht benutzen, damit sie etwas ausführlicher ausfallen kann. Sie müssen höchstens damit rechnen, dass die Präsidentin oder der Präsident eingreift. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Rainer Arnold auf: Wie kann eine im Umfang und in der Ausrüstung deutlich reduzierte Bundeswehr das gleiche Fähigkeitsprofil und die damit verbundenen Aufgaben wie vor der Reform erfüllen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege Arnold, auf Ihre Frage kann ich antworten, dass es nicht zutrifft, dass die Bundeswehr künftig dieselben Aufgaben und dasselbe Fähigkeitsprofil wie vor der Neuausrichtung haben wird. Wie Sie wissen, sind im Mai dieses Jahres die Verteidigungspolitischen Richtlinien vorgestellt worden, die das Fähigkeitsprofil weiterentwickeln. Die Neuausrichtung ist sicherheitspolitisch begründet und basiert auf einer Analyse der Risiken und Bedrohungen, denen wir so weit wie möglich gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern begegnen wollen. Wir haben das Fähigkeitsprofil auch in Erkenntnis dessen, was die vorherigen Strukturen einer gedanklichen und faktischen Dreiteilung der Bundeswehr in unterschiedliche Kräftekategorien aufgegeben haben, angepasst und die eher auf Stabilisierungsoperationen ausgerichteten Kräfte stärker auf das gesamte Aufgabenund Intensitätsspektrum ausgerichtet. Wir werden künftig nicht mit weniger Kräften dasselbe wie oder mehr als in der Vergangenheit leisten können, werden aber uns künftig auf die Fähigkeiten konzentrieren, die wir als relevant ansehen. Dazu gehört, zum Landesschutz gegen direkte Bedrohungen die über das Instrument des Grundwehrdienstes sehr personalintensiv sichergestellte Fähigkeit zur Rekonstitution, also den Wiederaufwuchs, durch ein neues, der Lageänderung angepasstes Konzept für den Heimatschutz zu ersetzen. Wir unterscheiden nicht mehr zwischen Eingreif- und Stabilisierungskräften. Wir werden unter dem wunderschönen deutschen Wort - Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung - Single Set of Forces - das bedeutet schlicht und einfach, dass grundsätzlich jeder für jede Fähigkeit zur Verfügung stehen muss - diese Aufgaben bewältigen und auf Parallelstrukturen, die sich leider entwickelt hatten, verzichten.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Arnold, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sehen Sie es mir nach: Ganz verstehe ich Ihre Antwort nicht. Denn wenn ich die Verteidigungspolitischen Richtlinien lese, dann stelle ich fest, dass sich die sicherheitspolitischen Herausforderungen in den letzten Jahren nicht gewandelt haben und dass es bei der gesamten Breite der Aufgaben für die Streitkräfte bleiben soll. Wenn Sie sagen, Sie hätten andere Prioritäten, dann müsste wenigstens in den Bereichen, in denen Sie andere Prioritäten sehen, die Bundeswehr materiell und personell gestärkt werden. Die Ausplanungen und Vorgaben zeigen aber, dass alles außer den Infanteriekräften geschwächt und reduziert werden soll. Können Sie die Prioritäten, die Sie neu definieren, näher beschreiben?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Wir haben schon eine Reihe von Prioritäten geändert bzw. gesetzt. Der sogenannte Single Set of Forces, also das gemeinsame Fähigkeitsprofil, soll uns mehr Flexibilität bieten. In der Tat haben Sie recht - darin stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege -, dass sich die Herausforderungen bzw. die Bedrohungslagen in ihrer Unkalkulierbarkeit nicht geändert haben. Gerade deswegen müssen wir uns mit den zur Verfügung stehenden Kräften auf das konzentrieren, was wir für das Wahrscheinlichste halten. Dazu dienen vor allem die Erkenntnisgewinnung, die Kommunikation und die schnelle Beweglichkeit und Organisation. Ich denke, dass wir gerade in diesen Punkten in den Verteidigungspolitischen Richtlinien und jetzt in der Umsetzung des Konzepts einiges an Verbesserungen eingebracht haben. Ich darf beispielsweise daran erinnern, dass wir mit dem Beginn der SIGINT-Überwachung mit unbemannten Luftfahrzeugen auch eine völlig neue Kategorie von Fähigkeiten einbringen werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine zweite Nachfrage, Herr Arnold? Bitte.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Betrachtet man die Aufklärungskomponente, Herr Staatssekretär, stellt man einfach fest, dass auch dort entgegen den ursprünglichen Planungen zumindest eine Reduktion des technischen Gerätes stattfinden soll. Insofern erschließt sich mir das nicht ganz. Eines interessiert mich ganz besonders, mit Blick auf Mangelfähigkeiten, die zweifellos die Bundeswehr hat, die aber auch die Verbündeten in NATO und EU insgesamt haben: Haben Sie darüber nachgedacht und entsprechende Vorkehrungen getroffen, damit wir gerade bei den internationalen Mangelfähigkeiten nicht noch schwächer werden, sondern stabil bleiben oder gar stärker werden? Gibt es hierzu Überlegungen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Ja, hier gibt es eine Reihe von Überlegungen. Frau Präsidentin, die Nachfrage des Kollegen Arnold steht im Zusammenhang mit der zweiten Frage des Kollegen Bartels, der neben ihm sitzt. Kann ich sie gleichzeitig mit beantworten?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels auf: Für welche Bereiche der Streitkräfte hat vor den Reduzierungsbeschlüssen eine Abstimmung mit anderen ({0}) NATO-Mitgliedern stattgefunden?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Ich darf auf die zweite Nachfrage zurückkommen. Natürlich sind wir uns alle bewusst und wissen, dass wir begrenzte Fähigkeiten bei der Bundeswehr, was das Material betrifft, haben. Kollege Arnold und Kollege Bartels, deswegen muss Konzentration stattfinden. Ich darf darauf hinweisen, dass wir das in einer guten und vernünftigen Art und Weise, gerade was die einsatzrelevanten Fähigkeiten betrifft, gemacht haben. Dafür müssen wir allerdings auch viel Material binden. Gerade deswegen - nun beantworte ich Frage 4 - ist es aus unserer Sicht unabdingbar notwendig, dass wir international, sei es auf Ebene der Europäischen Union, der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik oder auch auf Ebene der NATO, eine enger verknüpfte Herangehensweise an Fähigkeitsplanung und an das Zurverfügungstellen von Fähigkeiten haben. Ich nenne ein Beispiel: Es gab eine Diskussion, inwieweit eine spezielle Fähigkeit im Luftbereich - Sie kennen die Fähigkeit der sogenannten ECR-Tornados - bleiben soll. Ist das eine Mangelfähigkeit auf Ebene der NATO oder nicht? Wir haben uns ganz bewusst entschieden, diese Fähigkeit beizubehalten, weil sie ein Beitrag dazu sein kann, in internationalen Missionen eine Fähigkeitslücke nicht entstehen zu lassen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Bartels, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte.

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bei Ihren Experimenten mit der Wehrpflicht haben Sie in dem Gesetz, das wir im Bundestag beschlossen haben, immerhin eine Evaluationsklausel eingefügt. Die Erfahrungen aus dem freiwilligen Wehrdienst sollen zum 1. Januar 2013 überprüft werden, damit man möglicherweise nachsteuern kann. Ist es auch für die jetzt vorgelegte Strukturreform der Bundeswehr vorgesehen, zu evaluieren, wie sinnvoll die Strukturen und die Ausrüstungsentscheidungen tatsächlich sind? Kollege Arnold hat es angesprochen: Mangelfähigkeit Lufttransport. Statt dass die Mittel bei einer kleiner werdenden Bundeswehr aufwachsen oder zumindest im vorgesehenen Bereich bleiben und somit Fähigkeiten verbessert werden, reduzieren Sie in dem Maße, in dem die Bundeswehr kleiner wird, also um ein Drittel. Dann verbessert sich nichts. Ein Drittel weniger A400M, ein Drittel weniger Hubschrauber. Wird denn das Joint Support Ship, das diese Fähigkeit des Transports verbessern soll, in absehbarer Zeit kommen? Was sind die Perspektiven der Fähigkeitsverbesserung?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Bartels, wenn in Bezug auf die von Ihnen genannten Gerätschaften, insbesondere das strategische Transportflugzeug A400M und den mittelschweren Transporthubschrauber NH-90, den Sie insinuieren, nun die freudige Erwartung endlich befriedigt ist und wir diese Gerätschaften irgendwann wirklich zur Verfügung haben, wird die Fähigkeit der Bundeswehr in diesem Bereich keine Lücke aufweisen. Allerdings teile ich Ihre von Ihnen nicht geäußerte, aber mir unterstellte Erwartung, dass dies auch endlich der Fall sein wird. Sie wissen, dass wir mit großer Hoffnung auf die Fähigkeiten der deutschen Industrie bauen, die Dinge nun auch zeitgerecht fertigzustellen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine zweite Nachfrage, Herr Bartels. Bitte schön.

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will noch einmal an den ersten Teil der Frage erinnern. Wird es eine Evaluierung bzw. Überprüfung geben? Wird man zu irgendeinem Zeitpunkt noch einmal schauen, ob das so jetzt vernünftig aufgestellt ist?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

In Bezug auf die Reform denke ich, dass die Veränderungen konzeptionell zugrunde gelegt sind und schon allein wegen der Planungsentscheidung eine Nachhaltigkeit haben. Ich stehe aber nicht an, zu sagen, aus den Erfahrungen der letzten 20 Jahre sei erkennbar, dass man gut daran tut, eine gewisse Flexibilität einzuplanen. Deswegen gilt: keine förmliche Revision, aber doch ein Verständnis dafür, dass Dinge auch angepasst werden müssen und sich ändern können. Wir versuchen in unserer jetzigen Reformstruktur durch eine Beschleunigung der Beschaffungsverfahren allerdings auch dem Dilemma zu entkommen, das wir leider in den letzten 30 Jahren miterleben mussten. Herr Kollege, Sie wissen es; erlauben Sie bitte, dass ich es trotzdem als Beispiel anfüge. Der Kampfhubschrauber Tiger, über dessen Beschaffung bzw. Indienststellung gerade in diesen Tagen geredet worden ist, datiert von seiner abschließenden militärischen Forderung her aus dem Jahre 1986. Im Jahr 2011 haben wir die freudige Erwartung, ihn vielleicht im nächsten Jahr endlich in Einsatz bringen zu können. So kann das nicht sein. Deswegen müssen wir auch das Beschaffungsverfahren beschleunigen - das ist eine der Erfahrungen aus diesen Fällen -, weil wir damit auch mehr Flexibilität gewinnen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt kommen wir zu Frage 2 des Kollegen Arnold: Wie viele Soldaten und Zivilbeschäftigte der Bundeswehr sind durch die Reform der Bundeswehr von Versetzungen betroffen, und wie viele dieser Versetzungen sind durch Standortschließungen begründet?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege, die genaue Anzahl der Versetzungen kann noch nicht genannt werden. Ich denke, dass das von Ihnen auch nicht erwartet worden ist. In der Tat erfordert die personelle Umsetzung der Stationierungsentscheidungen, die heute früh vom Minister druckfrisch vorgestellt worden sind, jetzt eine genaue Analyse sowie anschließend die Feinausplanung. Dann kann man verlässlich sagen, wie viele Beamtinnen und Beamte, Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Beschäftigte betroffen sind. Ich will es mir auch versagen, eine gegriffene Zahl als Vorstellungsrahmen zu nennen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir gerne erst noch einmal die Fakten ausplanen und analysieren würden. Dann kann ich allerdings gerne auf die Frage zurückkommen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Arnold, Sie haben eine Nachfrage. Bitte.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese Geduld sagen wir Ihnen natürlich gerne zu. Aber können wir wenigstens über den Bereich der Zivilbeschäftigten, die der Verteidigungsminister an andere Ressorts abgeben will, reden? Wie viele sollen das sein? Und wann wird der Minister diese Entscheidung treffen? Vielleicht können Sie auch dazusagen, ob dies personalrechtlich unter Wahrung der tarifvertraglichen Absicherung der Beschäftigten möglich ist.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Sie wissen - das wurde auch angedeutet -, dass gewisse Aufgaben der Verwaltung anderweitig erfüllt werden sollen, insbesondere im Bereich des Abrechnungswesens oder auch im Bereich der Reisekostenabrechnung. Über diese Frage finden innerhalb der Bundesregierung Gespräche statt, insbesondere mit dem BMI. Dabei geht es auch um die daraus entstehenden dienstrechtlichen und verfahrensmäßigen Konsequenzen. Das Ganze kann natürlich nur dann Sinn machen, wenn es Synergieeffekte bietet. Wir gehen sehr davon aus, dass es zu diesen Synergieeffekten kommen wird. Wenn dieses Modell sich bewährt, ist es übrigens auch eines, das sich nicht auf die Beziehungen zweier Ressorts untereinander beschränken muss. Weitere Planungen in diesem Bereich sind gegenwärtig aber nicht aktiv.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie haben eine zweite Nachfrage, bitte.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist unsere Information richtig, dass andere Ressorts bereit sind - Sie selber haben davon gesprochen -, dem Innenministerium bestimmte Aufgaben zu übertragen, aber das dafür notwendige Personal behalten wollen? Anders gefragt: Müssen wir als Verteidigungspolitiker nicht nur auf den Einzelplan 14, den Verteidigungshaushalt, schauen, sondern auch feststellen, dass es dem Steuerzahler und dem Bundeshaushalt nicht sehr hilft - das Personal ist da; die Menschen haben Verträge -, wenn die Kosten von einem Etat in den anderen verschoben werden?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Wenn es bei einer reinen Verschiebung von der rechten Tasche in die linke Tasche bliebe, würde das keinen Sinn machen. Es kann nur dann Sinn machen, wenn daraus ein Synergie- und Effizienzgewinn resultiert, sei es bei der Leistung, den Nutzungsmöglichkeiten oder dadurch, dass Personal adäquat und punktgenau eingesetzt werden kann. Ich denke, dass wir uns das, wenn die entsprechenden Vorlagen zur Abstimmung vorliegen, noch einmal genau anschauen müssen. Es geht um keinen ideologischen Ansatz, sondern um sehr pragmatische Überlegungen. Die entscheidende Frage kann nicht sein, ob am Türschild das Zeichen der Bundeswehr bzw. einer dem Bundesverteidigungsministerium nachgeordneten Behörde oder ob eventuell das Zeichen einer dem Bundesministerium des Innern nachgeordneten Behörde zu finden ist.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Bartels hat dazu noch eine Nachfrage.

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, von der Reduzierung der Zahl der zivilen und militärischen Beschäftigten durch die Strukturreform sind die Bundesländer sehr unterschiedlich betroffen. Mein Heimatland Schleswig-Holstein ist zu über 40 Prozent und Niedersachsen zu 20 Prozent betroffen. Warum sind die Bundesländer so unterschiedlich betroffen? Die Zeit des Kalten Krieges ist doch vorbei. Die natürlichen Stationierungsräume entlang der möglichen Frontlinie eines dritten Weltkriegs sind nicht mehr vorgegeben. Sie haben heute relativ viel Freiheit, Stationierungsentscheidungen zu treffen. Warum haben Sie sie so getroffen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, ich kann und würde Ihnen die Zahlen über die Zivilbeschäftigten, aufgeschlüsselt nach Bundesländern, nachreichen. Ich vermute, dass Sie auf die Zahlen in toto Bezug genommen haben, die sowohl die militärischen als auch die zivilen Planstellen betreffen. Es ist eine rein funktionale Ausrichtung, die sich daraus ergibt. Wir haben natürlich bei der Dislozierung die Vorstellungen und Situationen zu berücksichtigen, wie wir sie vorgefunden haben und die vielleicht ein Stück weit Bezug zu früheren Zeiten haben. Nehmen Sie als Beispiel nur die hohe Personalkonzentration in der sogenannten Rheinschiene. Das hat historische Gründe. Eine besondere Orientierung an den Bundesländern hat es aber nicht gegeben. Das Ganze wurde funktional betrachtet. Ein regionaler Ausgleich ist dort, wo er möglich und notwendig ist, in die Wege geleitet worden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit sind wir bei Frage 3 des Kollegen Bartels: Mit welchen Kostensteigerungen rechnet die Bundesregierung bei dem Outsourcing von Aufgaben der Bundeswehr durch den geplanten weiteren Abbau des Zivilpersonals - Materialerhaltung, Sanitätswesen und anderes?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege, auf Ihre Frage antworte ich wie folgt: Ein Outsourcing von Aufgaben ist nur insoweit vorgesehen, wie es zweckmäßig und wirtschaftlich sinnvoll ist; allerdings vermute ich, dass Sie mir und der Bundesregierung auch nichts anderes unterstellen wollen. Das heißt, dies muss im Einzelfall genau zu untersuchen sein. Die Bundesregierung lässt sich nicht von der Vorstellung leiten, dass alles, was outgesourct sei, billiger oder günstiger sei. Vielmehr erfolgt zuvor eine präzise Bewertung, ob dieses Ziel mit Outsourcing erreicht werden kann. Bislang gibt es gute Beispiele, aber auch Beispiele, die zur Vorsicht Anlass geben. Als Beispiel für die Schwierigkeiten darf ich an das vormalige Projekt der Privatisierung der Verpflegung erinnern. Verpflegung ist eine außerordentlich sensible Materie, nicht nur bei Soldaten. Deswegen war es gut, hier dem Pragmatismus jenseits von irgendwelchen grundsätzlichen Vorstellungen den Vorzug zu geben und die Entscheidung zurückzunehmen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Bartels, eine Nachfrage, bitte.

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da Sie die Sinnhaftigkeit unter Beweis stellen wollen, will ich an Ihr Verständnis der Sensibilität des Outsourcings im Bereich der Materialerhaltung der Marine appellieren; Sie können mit Ja oder Nein antworten. Die Marinearsenale müssen, nachdem Ausschreibungen stattgefunden haben, Aufgaben an privatwirtschaftliche Einrichtungen abgeben. In der Vergangenheit ist evaluiert worden, was teurer und was günstiger ist. Das Ergebnis - oh Wunder -: Die öffentliche Auftragserfüllung war drastisch, bis zu achtmal, günstiger als die Vergabe an Monopolisten, die diese Aufgaben im zivilen Bereich natürlich ebenfalls erfüllen können. Die Frage ist, ob Sie diese Sensibilität dem Bereich der Materialerhaltung der Marine entgegenbringen wollen.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, diese Sensibilität bringen wir entgegen. Es wird nicht so sein, dass die Beispiele anderer Teilstreitkräfte - dazu gehören die Heeresinstandsetzungslogistik als ein Projekt des Heeres und die spezielle Zusammenarbeit der Luftwaffe mit Triebwerksherstellern etc. in der Wartung - dazu verleiten, dies etwa auf die Spezifika der Marine zu übertragen. Auch hier gilt: Es muss das tragfähig und leistungsfähig sein, was angestrebt wird und was gedacht wird, und es geht nicht nur um ein bestimmtes Etikett. Was die Arbeit in dem Marinearsenal betrifft, kann man feststellen, dass sie dem ersten Anschein nach und vielleicht auch dem zweiten in der Tat eine sehr ermutigende, erfolgreiche, gute Tätigkeit ist und dass wir das bei der Beurteilung der Sensibilität natürlich in Betracht ziehen müssen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eine zweite Nachfrage, Herr Bartels? - Die haben Sie nicht. Die von Ihnen gestellte Frage 4 ist vorhin schon beantwortet worden. Wir kommen zu Frage 7 der Kollegin Inge Höger: Welche Rüstungsfirmen nahmen am Mittwoch, dem 19. Oktober 2011, an dem Gespräch zwischen dem Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, und führenden Unternehmern aus der Rüstungsbranche teil, und um welche Beschaffungsmaßnahmen ging es dort konkret? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin, an dem Gespräch waren Vertreter der wesentlichen Unternehmen der wehrtechnischen Industrie in Deutschland beteiligt. Der Bundesminister der Verteidigung informierte die Firmenvertreter über das im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr beauftragte Projekt zur Überprüfung von Rüstungs- und Beschaffungsvorhaben. Er teilte mit, dass für alle Großprojekte Abnahmeverpflichtungen bestünden - das wisse man; man nennt das juristisch „Pacta sunt servanda“ -, die zum Teil deutlich oberhalb des nach Überprüfung der Ausrüstungsvorhaben ermittelten Bedarfs für das zukünftige Fähigkeitsprofil lägen. Deshalb müsse über Möglichkeiten nachgedacht werden, wie trotz der bestehenden Vertragslage ein Einstieg in die weitere Modernisierung der Bundeswehr gemeinsam mit der gewerblichen Wirtschaft gestaltet werden könnte. Der Bundesminister der Verteidigung eröffnete den Anwesenden die geplanten Stückzahlen von Hauptwaffensystemen der Streitkräfte. Sie entsprechen den Zahlen, die in dem Schreiben, das unser Haus an den Verteidigungsausschuss und, ich denke, auch an den Haushaltsausschuss gerichtet hatte, genannt waren. Es war ein Einstieg in Gespräche. Es sind keine Vereinbarungen getroffen worden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Höger, Ihre erste Nachfrage, bitte.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär Schmidt, Ihr Kollege Kossendey hat mir in der Verteidigungsausschusssitzung gesagt, die Reduzierung der Stückzahlen sei ein Schritt in Richtung Abrüstung der Bundeswehr. Im Gegensatz dazu hat Minister de Maizière in verschiedenen Interviews, unter anderem in den Tagesthemen, gesagt, das Ziel dieser Maßnahme sei nicht, Ausgaben zu kürzen, sondern wieder Aufträge auslösen zu können. Das sind sehr widersprüchliche Aussagen. Was ist das Ziel dieser Gespräche?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Das Ziel der Gespräche ist - ich habe es vorhin in anderem Zusammenhang mit Blick auf den Kampfhubschrauber Tiger genannt - eine Anpassung der Stückzahlen an die heutigen Planungen. Ich darf darauf hinweisen, dass dieses „Pacta sunt servanda“ sich auch auf Liefertreue, auf zeitnahes, pünktliches und vollständiges Liefern nach Pflichtenkatalog, bezieht. Insofern ist sehr viel Raum für Gespräche eröffnet, wie wir das auch beispielhaft an den Gesprächen mit Airbus über das strategische Lufttransportflugzeug A400M sehen konnten. Es geht somit einmal darum, dass wir die Investitionsmittel des Verteidigungsetats - sie sind zu circa drei Vierteln gebunden - wieder etwas flexibler einsetzen und auf Neues hin ausrichten können. Weiter geht es darum, die Exportbemühungen der deutschen Industrie insofern zu unterstützen, als wir als zufriedener Kunde Referenz für ihre Leistungsfähigkeit geben können.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Frau Höger, Sie haben eine weitere Frage. Bitte schön.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär Schmidt, Sie haben gerade von Exportbemühungen der Rüstungsindustrie gesprochen. Meine erste Frage lautet: Gehen die Gespräche in die Richtung, dass im Hinblick auf die Stückzahlen, die die Bundeswehr nicht mehr abnehmen wird, Exportbemühungen der Rüstungsindustrie unterstützt werden und dementsprechend Zusagen gegeben werden? Zweite Frage: Geht es nur um Exporte in Richtung NATO und EU, die ja nicht so restriktiv zu handhaben sind wie Exporte in andere Länder? Was schwebt Ihnen da vor?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Sie wissen, dass bei Großprojekten in Einzelfällen die Möglichkeit eröffnet worden ist, überzählige Flugzeuge - um beim Beispiel der Flugzeuge zu bleiben - weiterzuveräußern. Ungeachtet der Frage der genauen rechtlichen Konstruktion - in Form eines Zwischenerwerbs oder auf andere Weise - will ich auf Folgendes hinweisen: Wir haben Exportbemühungen sowohl beim A400M - Reduzierung auf 40 Flugzeuge, sodass de facto gegenwärtig 13 Flugzeuge überzählig sind - als auch beim Kampfflugzeug Eurofighter unternommen. Es gibt gegenwärtig insbesondere zwei Länder, die ein Abnahmeinteresse haben. Das eine Land ist Indien und das andere die Schweiz.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zur Frage 8, die unsere Kollegin Katja Keul gestellt hat: Welche Art der Unterstützung von Rüstungsexporten wurde der Rüstungsindustrie durch den Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, - Financial Times Deutschland am 20. Oktober 2011 - zugesagt? ({0}) Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin, ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie den Hintergrund des Gesprächs, um das es in der Frage von Kollegin Höger ging - darauf durfte ich schon antworten -, noch etwas ausleuchten wollen. Es war so, dass die Industrievertreter die Möglichkeit angesprochen haben, durch den Export von Gütern eine entsprechende Auslastung zu erzielen. Unter Exporthilfe für die wehrtechnische Industrie versteht die Bundesregierung Maßnahmen wie bilaterale Gespräche mit Regierungsvertretern anderer Länder, um die Bemühungen der deutschen Industrie, Verträge mit diesen zu schließen, flankierend zu unterstützen. Beispielhaft sei daran erinnert, dass sich die Bundeskanzlerin sowie der Bundesminister Herr Dr. de Maizière während der gemeinsamen deutsch-indischen Kabinettssitzung im Mai dieses Jahres in Neu-Delhi in bilateralen Gesprächen für das Programm Eurofighter eingesetzt haben; ich hatte darauf bereits hingewiesen. Dann sei noch die Funktion der Bundeswehr als Referenzkunde erwähnt, wobei das natürlich nur funktioniert, wenn der Kunde zufrieden ist. Das kann er bei deutschen Produkten allerdings nahezu durchgängig sein. Darin sehen wir die Schwerpunkte solch einer unterstützenden Zusammenarbeit.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Bitte, Ihre erste Zusatzfrage.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Daran, dass Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist, sehen wir ja, dass die Kunden mit der deutschen Ware sehr zufrieden sind. Ich hatte in meiner Frage nur ganz allgemein wissen wollen, welche Unterstützung zugesagt worden war, auf die sich Verbandspräsident Adamowitsch in seinen Presseäußerungen bezogen hat. Aber verstehe ich Ihre Aussage richtig, dass in erster Linie und schwerpunktmäßig Exportförderung zugesichert worden war? Dann frage ich Sie, ob zu dieser Exportförderung auch die Zusage weiterer Bürgschaften gehört und ob darüber hinaus auch über eine Lockerung der bestehenden Rüstungsexportrichtlinien gesprochen worden ist.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Sie gestatten, Frau Kollegin, dass ich die in den Medien zitierten Äußerungen von Herrn Adamowitsch nicht weiter kommentiere. Inhalt unseres Gespräches waren nicht in erster Linie Exportfragen, sondern die Anpassung der Verträge. Das hat in der von mir genannten Art und Weise zu Fragen geführt. Über Bürgschaften im konkreten Sinne oder eine grundsätzliche Veränderung der Position ist nicht geredet worden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Weitere Nachfrage, Frau Kollegin?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, vielen Dank. - Sie hatten gerade den Verkauf der sozusagen überschüssigen Flugzeuge - hier konkret: Eurofighter - an Indien erwähnt. Ich möchte Sie fragen, wie eine solche Förderung mit der restriktiven Rüstungsexportpolitik, die die Bundesregierung angeblich betreiben will, zu vereinbaren ist. Schließlich handelt es sich bei Indien um einen Drittstaat, in den schon nach unserem Grundgesetz in der Regel keine Kriegswaffen geliefert werden dürfen, höchstens im Ausnahmefall. Wie ist damit zu vereinbaren, dass im Zuge der Reform ausgerechnet Kriegswaffen massiv in Drittländer geliefert werden sollen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Indien, ein sehr großer demokratischer Staat, ist ein vertrauenswürdiger Partner. Alle Fragen, die mit rechtlichen Begrenzungen zu tun haben, müssen in den Gremien, die dazu berufen sind, beraten und entschieden und dann entsprechend beachtet werden. Die Bemühungen der Firma EADS, Flugzeuge nach Indien zu exportieren - es ist nicht so, dass die Bundesrepublik DeutschParl. Staatssekretär Christian Schmidt land als Vertragspartner beteiligt wäre -, unterliegen im Hinblick auf die Waffenexportkontrolle dem gleichen Regime.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Ich habe jetzt eine Reihe von weiteren Nachfragen. Zunächst Kollege Dr. Hans-Peter Bartels.

Dr. Hans Peter Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003031, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, soll es im Verteidigungsministerium in Zukunft eine gesonderte, nur für Fragen des Rüstungsexports zuständige Organisationseinheit geben?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Abgesehen davon, dass wir über das neu eingerichtete Bundesamt für Ausrüstung und Nutzung auch internationale Kontakte im Sinne von multilateralen Programmen pflegen, ist die Frage der Exportförderung nicht primäre Aufgabe des Bundesministeriums der Verteidigung. Entsprechende Bemühungen sind mir nicht bekannt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Als Nächste Frau Kollegin Inge Höger.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, Indien sei ein demokratisches Land und Sie sähen keine Probleme, Rüstungsgüter nach Indien zu exportieren. Die Rüstungsexportrichtlinien untersagen aber die Lieferung von Rüstungsgütern in Krisenregionen. Der Konflikt zwischen Indien und Pakistan spricht ja wohl eindeutig dafür, dass es sich um eine Krisenregion handelt. Wie vereinbaren Sie das miteinander?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin, ich glaube, es ist in unser aller Sinne, wenn die Fragen präzise beantwortet werden. Dann sollte man aber auch die Antworten genau zur Kenntnis nehmen. Ich habe keine Bewertung des konkreten Geschäfts abgegeben und auch nicht dazu, ob es aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen möglich ist. Ich habe darauf hingewiesen, dass solche Fragen in den entsprechenden Gremien - Sie wissen, dass das in unserem Lande insbesondere der Bundessicherheitsrat ist - zu bewerten und zu entscheiden sind und dass dann auch andere Überlegungen, die anzustellen nicht Aufgabe der Bundesregierung ist, miteinzubeziehen sind. Das Projekt der Veräußerung von Flugzeugen nach Indien ist also ein Projekt, das nach Prüfung eine gewisse Unterstützung im Sinne dessen, was ich eben als die Haltung des guten Kunden bezeichnet habe, erfährt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Jetzt habe ich eine weitere Nachfrage, und zwar des Kollegen Omid Nouripour.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist vertraglich gewährleistet, dass Indien weder zeitnah noch später die Flugzeuge weiterverkaufen kann?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege, gemäß den Exportrichtlinien ist eine Endverbleibklausel vorzusehen, durch die sicherzustellen ist, dass das jeweilige wehrtechnische Gerät dort verbleibt, wohin es nach Prüfmaßstäben geliefert werden darf, und nicht dorthin kommt, wohin es nach Prüfmaßstäben nicht geliefert werden darf. Die Endverbleibklausel ist also ein Instrument, um so etwas grundsätzlich zu verhindern.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Bevor ich die Frage 9 unserer Kollegin Katja Keul aufrufe, muss ich noch erwähnen, dass die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Kekeritz schriftlich beantwortet werden. Jetzt die Frage 9 unserer Kollegin Katja Keul: Welche Daten sind bei dem laut Zeitungsberichten ({0}) am 21. Juli 2011 stattgefundenen Erprobungsflug des Euro-Hawk von Kalifornien nach Oberbayern gesammelt und gespeichert worden, und welche Rechtsgrundlage liegt dem zugrunde?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Verehrte Kollegin, auf dem Überführungsflug des Euro-Hawk Full Scale Demonstrators, der die volle Bandbreite dessen demonstrieren kann, was das Seriengerät später leisten kann, aus den USA nach Deutschland wurden nur Flugparameter und Flugleistungsdaten erfasst. Das Aufklärungssensorsystem wird erst jetzt in einer Folgephase installiert. Deswegen konnten auf diesem Flug Daten weder gesammelt werden noch wurden sie gespeichert.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Sie haben sicherlich recht, wenn Sie sagen, dass diese enormen Datenmengen am 21. Juli noch nicht gespeichert werden konnten, da die Technik noch nicht eingebaut war. Nun wird sie aber eingebaut. Mit Sicherheit wird es auch weitere Probeflüge des Euro-Hawk geben. Nach dem, was wir so lesen, wird in technischer Hinsicht alles in den Schatten gestellt, was wir bisher jemals im Zusammenhang mit Lauschangriffen und Vorratsdatensammlungen für möglich gehalten haben. Es wird davon gesprochen, dass der Euro-Hawk Daten wie ein Staubsauger aufsauge und selbst aus enormer Höhe jede SMS und jedes Telefongespräch erfassen könne. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Bürger am Boden in Zukunft davor geschützt werden, dass von diesem Datenstaubsauger sämtliche Daten aufgenommen und gespeichert werden?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin, bitte gestatten Sie mir die Bemerkung: Ich glaube, dass das eine Frage ist, die sehr berechtigt ist und der man sich nicht nur nähern muss, sondern die man auch beantworten muss. In einem freien Land haben freie Bürger ein Interesse daran und ein Recht darauf, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umgesetzt wird. Dies wird durch technische und organisatorische Maßnahmen gewährleistet. Wenn Sie mich fragen sollten, wie das im Einzelfall technisch funktioniert, muss ich auf eine schriftliche Beantwortung verweisen. Ich bin nicht darauf vorbereitet, das im Detail zu erläutern. Im Ergebnis kommt es darauf an, dass bei der Erfassung von Fernmeldeverkehren - hierunter fällt auch die moderne Form der SMS - durch diese Aufklärungsdrohne der Bundeswehr Fernmeldeverkehre von Personen anhand von erkannten Kriterien - Länderkennung, Anschlussnummer usw. - unterdrückt und ausgeschlossen werden. Die Erfassung von unbeabsichtigt erfassten Verkehren ist, sobald erkannt wird, dass sie dem Schutz des Art. 10 des Grundgesetzes unterliegen, unabhängig vom jeweiligen Stand und Grad der Bearbeitung und Auswertung sofort einzustellen, und bisherige Aufzeichnungen und Daten sind sofort zu löschen. Bei dem eingesetzten Personal werden verpflichtend nachweispflichtige Belehrungen in Form von Erst- und jährlichen Wiederholungsbelehrungen durchgeführt. Zudem wird großer Wert darauf gelegt, dass die Sensibilität der Arbeit mit dem Verantwortungsbewusstsein der Betroffenen korrespondiert.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Frau Kollegin Keul, haben Sie eine weitere Nachfrage? Oder sind Sie vielleicht schon zufrieden?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, Herr Staatssekretär, dass mich Ihre Antwort noch nicht befriedigt. Ich bin sicherlich kein Technikfreak. Ich würde mich jedoch freuen, wenn Sie noch ein paar Einzelheiten liefern könnten. Ich kann mir nicht vorstellen, wie aus einem mit einem Staubsauger aufgesaugten Datenpool die privatsensiblen Daten aussortiert werden sollen. Wenn alles gelöscht wird, dann könnten wir uns den Euro-Hawk auch komplett sparen. Ich wäre daher dankbar, wenn Sie diese Information nachliefern könnten. Meine zweite Nachfrage betrifft die Bürger auf deutschem Boden: Was passiert, wenn sie die Grenze übertreten? Was passiert mit unseren europäischen Nachbarn? Was passiert weltweit mit diesen Daten? Wie werden die Menschen am Boden davor geschützt?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Ich verstehe die Frage so, dass sie sich auf deutsches Gerät und auf den Euro-Hawk bezieht. Die Verantwortung, die wir weltweit tragen, wird noch ganz anderer Betrachtung zu unterwerfen sein. Wir werden uns im Rahmen der rechtlichen Vorgaben bewegen und keinesfalls darüber hinausgehen. Es ist nicht die Aufgabe von Euro-Hawk, Fernmeldeverkehre abzuhören. Es kommt ausschließlich darauf an, militärisch relevante Signale im Einsatzland wie Signale von Raketen- und Radarstellungen, Funktürmen, Fahrzeugen, Flugzeugen oder Schiffen mit Funk- oder Radaranlagen an Bord zu erkennen und im Rahmen der Aufklärung einzuordnen. Daran sieht man, dass sich die eigentliche Nutzung von Euro-Hawk auf die Einsatzgebiete der Bundeswehr beschränkt. Hinzu kommt, dass die Rules of Engagement einen entsprechenden Filter für die Nutzung von Euro-Hawk und anderer Aufklärungsgerätschaften bilden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Die Frage 10 des Kollegen Ströbele wird schriftlich beantwortet. Herr Staatssekretär, Sie werden es nicht glauben: Zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung liegen keine weiteren Fragen vor. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung. Die Frage 11 der Kollegin Haßelmann, die Fragen 12 und 13 des Kollegen Schwartze, die Fragen 14 und 15 der Kollegin Lazar sowie die Fragen 16 und 17 der Kollegin Marks werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zur Frage 18 unserer Kollegin Aydan Özoğuz: Wie ist der aktuelle Sachstand des von der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/5868 ({0}) genannten Projekts zur Untersuchung der Karriereverläufe bei jugendlichen Gewalttätern, und liegen bereits Ergebnisse vor? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Sie haben auf Drucksache 17/5868 verwiesen. Das Projekt mit dem Titel „Jugendliche Gewalttäter zwischen Jugendhilfe und krimineller Karriere“, das dort angesprochen wird, ist am 1. Oktober dieses Jahres gestartet. Es wird bis zum 30. September 2014 andauern. Mit validen Ergebnissen kann von daher frühestens im Juli 2014 gerechnet werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, ist denn geplant, für dieses Projekt auch eine wissenschaftliche Begleitung vorzunehmen? Hat das Ministerium einen solchen wissenschaftlichen Auftrag erteilt?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Das weiß ich nicht genau. Da muss ich mich einmal erkundigen. Ich werde Ihnen dann schriftlich Auskunft geben.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die hat sich damit erübrigt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Dann ist das damit erledigt. Herr Staatssekretär, wir kommen zur Frage 19 der Kollegin Özoğuz: Wie begründet die Bundesregierung, dass in dem genannten Projekt über Karriereverläufe jugendlicher Gewalttäter ({0}) „ausschließlich männliche Schwerststraftäter … und Täter mit Migrationshintergrund“ in den Fokus genommen werden sollen, und wie wird die Unterscheidung in der Zielgruppe des Projekts ({1}) gerechtfertigt? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Bei dem Projekt, das in der Drucksache beschrieben ist, geht es um männliche Schwerststraftäter im Alter zwischen 14 und 20 Jahren und um Täter mit Migrationshintergrund, das heißt also nicht um alle Täter mit Migrationshintergrund. Statistisch gesehen handelt es sich um eine kleine Gruppe von zumeist männlichen Jugendlichen, die wiederholt durch schwerste kriminelle Straftaten aufgefallen sind. Wenn man sich das genauer ansieht, erkennt man, dass dahinter häufig eine verdichtete Problemkonstellation wie schwierige Familienverhältnisse und teilweise auch Alkoholmissbrauch stecken. Ein Teil dieser Gruppe ist den Jugendämtern seit langem bekannt. Häufig ergeben sich parallel zu den kriminellen Karrieren auch Jugendhilfekarrieren. Die Jugendhilfe hat jedoch große Zugangs- und Akzeptanzschwierigkeiten bei dieser Gruppe. Das trifft in besonderer Weise auf Jugendliche mit Migrationshintergrund zu. Völlig unabhängig voneinander ist es nicht so einfach, einen Zugang zu den Milieus zu finden. Man tut sich auch sehr schwer dabei, geeignete Unterbringungsmöglichkeiten zu finden. Deswegen endet das Ganze häufig im Jugendstrafvollzug, obwohl das unter anderen Voraussetzungen nicht notwendig wäre. Bei diesem Forschungsvorhaben geht es somit auch darum, die Dynamiken dieser Karriere sowohl aus der Perspektive der betroffenen Jugendlichen und deren Sorgeberechtigten als auch aus der Perspektive der beteiligten Institutionen zu erhellen und dabei die Zeitpunkte für mögliche Eskalationen sowie für mögliche Abbrüche genauer in den Blick zu nehmen. Es geht darum, mehr Hinweise zu erhalten, damit noch nicht ausreichende Strategien der Kinder- und Jugendhilfe in diesem Bereich fachlich weiterentwickelt werden können.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben es eben schon ausgeführt, aber ich hätte gerne die unterschiedlichen Zielgruppen noch einmal erläutert bekommen. Auf der einen Seite sprechen Sie von „männlichen Schwerststraftätern“, auf der anderen Seite von „allen Tätern mit Migrationshintergrund“.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Nein.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

So ist es hier aber formuliert. Gibt es da irgendeine Eingrenzung? Letztere sind ja nicht alles Schwerststraftäter.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Keineswegs. Es ist nicht die Rede von „allen Tätern mit Migrationshintergrund“, so wie es Ihre Frage unterstellt. In der Drucksache ist nicht von „allen Tätern“ die Rede.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Doch, da steht „Täter mit Migrationshintergrund“.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Es werden Jugendliche in den Blick genommen, die Schwerstgewalttäter sind, und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Aus Letzteren wird die Tätergruppe ausgewählt, die schwerstkriminell ist.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Okay. Also auch bei denen mit Migrationshintergrund?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ja, es ist aber nicht so, dass alle Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Blick genommen werden; sondern es werden schwerstkriminelle Jugendliche und Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Blick genommen, also nicht alle.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gut, dann sehe ich das einfach nur als Mangel in der Formulierung, habe es aber ansonsten verstanden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Habe ich das richtig verstanden, dass das noch keine zweite Frage war? Sie haben also noch eine Frage. Bitte schön.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident! Das ist nett. - Könnten Sie noch etwas dazu ausführen, wie die geplante Kooperation zwischen der Jugendhilfe und der Justiz aussehen soll?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Welche Konsequenz daraus zu ziehen ist, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Wir sind noch bei den Untersuchungen. Ich hatte bereits gesagt: Das Ganze hat am 1. Oktober dieses Jahres begonnen. Wir haben noch nicht einmal Ende Oktober. Zu verlässlichen Aussagen werden wir erst - ich habe die Jahreszahl bereits genannt - im Jahr 2014 in der Lage sein; da müssen Sie sich also noch ein bisschen gedulden. Vielleicht gibt es Zwischenergebnisse, dann können wir uns darüber gerne austauschen. Das Projekt befindet sich derzeit noch in den Anfängen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mehr dazu sagen kann.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt es keine weiteren Fragen, sodass wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung kommen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung. Die Fragen 20 und 21 des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, die Fragen 22 und 23 der Abgeordneten Tabea Rößner, die Frage 24 der Abgeordneten Bettina Herlitzius sowie die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Gustav Herzog werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 27 der Abgeordneten Cornelia Behm auf: Wie will die Bundesregierung durch fortwährende Baumaßnahmen an der Elbe den Wassermangel beheben, und welche Folgen hätte die während der Konferenz der Elbanlieger-Handelskammern in Prag am 27. September 2011 in Aussicht gestellte Neuklassifizierung der Elbe? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Behm, ich bedanke mich, dass Sie mit den zwei Fragen zur Elbe noch ausgeharrt haben. Die Antwort ist wie folgt: Die Maßnahmen an der Binnenelbe beschränken sich auf Maßnahmen, die die Schifffahrtsverhältnisse vor dem Hochwasser vom August 2002 wieder herstellen und erhalten. Dieses Konzept geht konform mit dem sogenannten Modernisierungskonzept der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Für die Elbe sind derzeit durch das Konzept zur Neustrukturierung des Netzes der Bundeswasserstraßen keine Auswirkungen erkennbar.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung der Frage. Wie man dem Bericht zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vom April dieses Jahres entnehmen konnte, gibt es Vorschläge des BMVBS, die Elbe südlich von Lauenburg als Nebennetz mit einem Gütertransport größer/gleich 1 Million Tonnen einzuteilen. In der Übersicht über die Auswirkungen der Netzstruktur auf Ausbau, Unterhaltung und Betrieb heißt es in Hinblick auf das Nebennetz, dass bezüglich des Ausbaus eine „geringere Intensität“, bezüglich der Optimierungen eine „geringere Intensität“, bezüglich der verkehrsbezogenen Unterhaltung die „gleiche Intensität wie heute“ und bezüglich des verkehrsbezogenen Betriebs die „gleiche Intensität wie heute“ vorgesehen ist. Jetzt frage ich Sie: Was ist mit der „geringeren Intensität“ bei den ersten beiden Punkten, also beim „Ausbau“ und bei den „Optimierungen“, gemeint? Laut Definition beinhaltet der Ausbau im Vorrangnetz Baumaßnahmen …, die mit erheblichen Eingriffen verbunden sind und die Befahrbarkeit mit wesentlich größeren Fahrzeugen als bisher ermöglichen ({0}).

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin Behm, genau das ist der Hintergrund. Wir nehmen zum einen, beauftragt durch das Parlament, eine Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vor. Ausfluss des entsprechenden Diskussionsprozesses ist nicht nur die Verwaltungsreform, sondern auch die Analyse der Netzstruktur. Die Elbe ist so kategorisiert worden, wie Sie es gesagt haben, auch abgeleitet aus den Gütertransportmengen. Die Analyse, die durchgeführt wurde, wird von den Fachleuten als unkritisch betrachtet. Im Verkehrsausschuss und auch hier in der Fragestunde ist intensiv darüber diskutiert worden; ich war eingeladen, zweieinhalb Stunden lang zu diversen Fragen zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Auskunft zu geben, was ich sehr gerne gemacht habe, um so mehr Transparenz zu schaffen. Bitte verwechseln Sie diese Kategorisierungen nicht mit den Maßnahmen zum Hochwasserschutz und den Modernisierungen, die wir jetzt in Angriff nehmen müssen, um die Elbe insoweit fit zu machen, dass wieder alParl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer les dem Stand vor dem Hochwasser 2002 entspricht. Sie gehen wohl insofern mit mir d’accord bzw. sind auch daran interessiert, dass der umwelt- und klimafreundliche Verkehrsträger Binnenschifffahrt zu stärken ist und Hochwasserschutzmaßnahmen in der Art und Weise zu ergreifen sind, dass die Bürgerinnen und Bürger vor entsprechenden Ereignissen geschützt sind. Dazu braucht man Baumaßnahmen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Frau Kollegin Behm, Ihre weitere Zusatzfrage.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich denke, Hochwasserschutzmaßnahmen sind unstrittig, wenn damit nicht in ein Flusssystem in der Weise eingegriffen wird, dass ein frei fließender Fluss zu einem nicht mehr frei fließenden Fluss, wie es die Elbe ist, wird. Nichtsdestotrotz habe ich das Gefühl, dass Sie versuchen, meiner schriftlich und meiner mündlich gestellten Frage durch geschickte Formulierungen auszuweichen.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin Behm, niemals!

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

„Niemals“, ich weiß. Wir haben uns schon oft genug an dieser Stelle getroffen. Sie kennen das Papier des UBA „Die Elbe: Schifffahrt und Ökologie im Einklang?“ vom Januar dieses Jahres. Darin empfiehlt das UBA - das sind Fachleute, die sich damit beschäftigt haben - eine „Eindämmung der Tiefenerosion“, die es an verschiedenen Stellen der Elbe gibt, „indem das Flussbett weniger durch Buhnen eingeengt … wird.“ Ich frage Sie: Werden sich die Maßnahmen, die Sie im Bereich der Elbe im Interesse des Hochwasserschutzes ergreifen werden, an diesen Empfehlungen orientieren?

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Das UBA hat sehr viele Experten; wir haben sehr viele Experten. Deswegen stimmen wir die Maßnahmen ab. Sie gehen doch mit mir insofern d’accord, dass Maßnahmen, die dem Hochwasserschutz dienen, unterstützenswert sind. Ich weiß, dass Sie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Verkehrspolitik andere Ausbauziele als die christlich-liberale Koalition haben, die den Logistikweltmeister Deutschland stärken möchte und für leistungsfähige Verkehrsnetze sorgen will. Darüber diskutieren wir ja intensiv im Verkehrsausschuss. Fakt ist: Die Planungen zu Maßnahmen im Bereich der Elbe basieren allein darauf, was notwendig ist, um die Verhältnisse vor dem Hochwasser 2002 wieder herzustellen; diese Maßnahmen sind nun abzuarbeiten. Natürlich gibt es gerade bei einer Wasserstraße hohe Auflagen; es gibt ökologische Begutachtungen und vieles mehr. Wir haben natürlich die Meinungen der Experten, vor allem der Experten im Hause des BMVBS, mit einbezogen. Bei solchen Maßnahmen ist das unsere Pflicht.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen herzlichen Dank. Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Cornelia Behm auf: Mit welchen konkreten Maßnahmen und in welchem Zeitraum will die Bundesregierung die vom Parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann auf einer Konferenz der Elbanlieger-Handelskammern in Prag am 27. September 2011 gemachte Aussage, die Elbe solle bis zur tschechischen Grenze eine Fahrrinne von 1,60 Meter Tiefe erhalten und an 345 Tagen im Jahr befahrbar sein, angesichts der Tatsache, dass wiederholt aus dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die Aussage gemacht wurde, diese Wassertiefe könne nicht sichergestellt werden, in die Realität umsetzen, ohne dabei den nach dem Elbehochwasser 2002 von der Bundesregierung gefassten Beschluss, Ausbaumaßnahmen und alle ausbauähnlichen Unterhaltungsmaßnahmen einzustellen, zu konterkarieren? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin Behm, Sie beziehen sich auf eine Konferenz in Prag, an der mein Kollege Parlamentarischer Staatssekretär Enak Ferlemann teilgenommen hat. Er lässt Sie persönlich herzlich grüßen. Er ist gerade im Haushaltsausschuss, daher stehe ich zur Beantwortung zur Verfügung. Die Bundesregierung hat das Ziel, die Fahrrinnenverhältnisse für die Schifffahrt auf der Elbe, die vor dem Jahr 2002 - Stichwort: Hochwasser - bestanden, wiederherzustellen. Das heißt konkret: Fahrrinnentiefen an durchschnittlich 345 Tagen im Jahr von 1,60 Metern zwischen Geesthacht und Dresden und von 1,50 Metern zwischen Dresden und der Grenze zur Tschechischen Republik. Dazu ist zum einen die Wiederherstellung von Stromregelungsbauwerken erforderlich. Zum anderen ist ein Bündel von Maßnahmen zur Sohlstabilisierung, welche vor allem aus wasserwirtschaftlichen und ökologischen Gründen konzipiert wurden, umzusetzen. Diese werden Bestandteil des von BMVBS und BMU initiierten Gesamtkonzepts für die Elbe. Bevor weitergehende Planungen hierzu aufgestellt werden, soll das Gesamtkonzept für die Elbe mit allen Beteiligten entwickelt und abgestimmt werden. Daher können zu den konkreten Zeiträumen noch keine Angaben gemacht werden. Mit Blick auf Ihre eben gestellte zweite Zusatzfrage sage ich: Natürlich gibt es ein Gesamtkonzept in Zusammenarbeit mit dem BMU.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Behm.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie bestehen also auf der mutigen Zusage, dass an 345 Tagen im Jahr eine Wassertiefe von 160 Zentimetern eingehalten wird. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es Buhnenbauwerke, also eine Einengung der Fahrrinne, um diese Wassertiefe zu gewährleisten. In der Antwort der Bundesregierung auf Drucksache 17/6716 auf die Kleine Anfrage der Linken „Erhaltung der Elbe“ vom August dieses Jahres schreibt die Bundesregierung: … eine Mindesttiefe eines frei fließenden Flusses wie der Elbe kann nicht garantiert werden, weil die Mindesttiefe von den hydrologischen Bedingungen des jeweiligen Jahres ({0}) abhängt. Im Jahr 2011, das noch nicht zu Ende ist - es war ein sehr nasses Jahr; Sie werden sich daran erinnern, wenn Sie an den Sommer denken -, wurde die Fahrrinnentiefe von 1,60 Metern Tiefe bereits an 80 Tagen unterschritten. Ich frage mich: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie künftig sicherstellen, dass an 345 Tagen diese Wassertiefe erreicht werden kann?

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin Behm, wenn ich das so sagen darf: Ich glaube, Sie verwechseln die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und damit die Einkategorisierung der Netze mit den jetzigen Maßnahmen zur Erhaltung der Elbe, die dazu dienen, die Verhältnisse von vor dem Hochwasser 2002 wiederherzustellen. Es ist unstrittig, dass die Zweitgenannten - BMVBS und BMU - ein Gesamtkonzept auflegen, um genau dies zu erreichen. Ich unterstelle nicht, dass es schon jetzt erreicht wird. Das Gesamtkonzept wird noch entwickelt, auch mit den von Ihnen zitierten Fachleuten. Das wird in nächster Zeit in Abstimmung - deshalb gab es die Konferenz in Prag mit unseren tschechischen Freunden erfolgen. Der tschechische Verkehrsminister war unlängst zum Gespräch mit Herrn Bundesminister Dr. Ramsauer in Berlin. Bei der Gelegenheit wurde auch über dieses Thema gesprochen. Wie gewohnt, hat die Bundesregierung ein völlig abgestimmtes Gesamtkonzept, ({0}) das gilt auch für die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn in der Tschechischen Republik.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Frau Kollegin Behm, Sie haben eine weitere Zusatzfrage?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Herr Staatssekretär, Sie betonen immer wieder, die Verhältnisse von vor 2002, also vor dem Elbehochwasser, wiederherstellen zu wollen. Sie müssen aber doch einkalkulieren, dass Sie das mit den Niederschlägen nicht so regeln können, wie es manchmal wünschenswert wäre. In diesem Zusammenhang möchte ich Folgendes anmerken: Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zum Gesamtkonzept Elbe - Drucksache 17/6874 - geschrieben: Die vorhandenen hydrologischen Daten an der Elbe der Zeitreihe 1961 bis 2008 lassen keine statistisch signifikanten Trends für eine Veränderung der Niedrigwasserextreme erkennen. Das gilt für die Zeit bis 2008. Ich frage: Ist der Bundesregierung bekannt, dass nach einer Untersuchung der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe, IKSE, vom August dieses Jahres die Niedrigwasserstände an der Elbe einen signifikanten Abwärtstrend aufweisen und sich daher die Probleme hinsichtlich der Schiffbarkeit der Elbe verschärft haben? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin Behm, mich überrascht, dass Sie nachfragen. Es geht um das verkehrspolitische Ziel, den umweltverträglichen und klimafreundlichen Verkehrsträger Binnenwasserstraße zu stärken. Aus der Region habe ich sehr viel Kritik aufgrund der Tatsache vernommen, dass die Bundesregierung die Elbe nicht in die höchste Kategorie - Ausbau des Verkehrsweges - eingeordnet hat, sondern in die Kategorie „Erhalt der Verhältnisse“. Es geht um den wichtigen Zugang zu den Häfen an der Nordsee, von wo aus die Güter in die Welt verschifft werden. Wenn ich mir vor Augen führe, dass ein Lastkahn etwa 130 Lkw fassen kann, was bei Einhaltung des Sicherheitsabstands auf der Autobahn einer Länge von 5,3 Kilometern entspricht, dann wird mir klar, welche Möglichkeiten die Binnenwasserstraßen bieten. Natürlich schauen wir uns die Niederschlagsverhältnisse an. Der Deutsche Wetterdienst, eine nachgeordnete Behörde des BMVBS, kann nicht steuern, wie viel Niederschlag wir haben. Das maßen wir uns nicht an. Aber wir haben Zugriff auf die Daten bezüglich der Wasserstraßen. Die Verhältnisse sind natürlich wetterabhängig. Das Ziel muss aber sein - deswegen führen wir diese Maßnahmen durch -, dass die Fahrrinnenverhältnisse an der Elbe wieder so werden wie vor dem Hochwasser 2002, um mehr Möglichkeiten im Bereich des klimafreundlichen Verkehrsträgers Wasserstraße zu bekommen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir verlassen nun Ihren Geschäftsbereich. Alle Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 29 bis 36. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Hier ist es ebenso: Alle Fragen werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 37 bis 45. Auch alle Fragen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 46 bis 48. Vizepräsident Eduard Oswald Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ist das, wenn ich das richtig sehe, ebenso. Es handelt sich um die Fragen 49 bis 62. Damit kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht uns Frau Kollegin Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, zur Verfügung. Ich rufe die Frage 63 des Kollegen Sönke Rix auf: Was waren vor dem Hintergrund der letztjährigen Probleme bei der Finanzierung der dänischen und deutschen Minderheiten in Schleswig-Holstein und Sonderjylland die Gesprächsinhalte sowie Positionen der dänischen Regierung und Schlussfolgerungen der deutschen Bundesregierung nach dem Gespräch des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner nach seinem Besuch in Kopenhagen am 10. August 2010, der in der Fragestunde am 7. Juli 2010 von der Staatsministerin Cornelia Pieper angekündigt wurde, und was waren die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeitsgruppe, die nach einer telefonischen Verständigung vom 29. Juni 2010 zwischen dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und dem damaligen dänischen Regierungschef Lars Lökke Rasmussen, nach den Worten der Staatsministerin Cornelia Pieper in derselben Fragestunde, eingerichtet werden sollte, um die finanziellen Grundlagen der Minderheiten, auch der Minderheitsschulen, auf beiden Seiten der Grenze zu dokumentieren? Bitte schön.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Kollege Rix, der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Christoph Bergner, führte am 10. August 2010 in Kopenhagen Gespräche mit dem dänischen Innenminister Haarder und den Staatssekretären Ahrenkiel und Grube aus der Staatskanzlei und dem Außenministerium. Hauptthema waren die vom Bund und vom Land Schleswig-Holstein geplanten Kürzungen der Mittel für die dänische und deutsche Minderheit in den jeweiligen Haushalten 2011. Bei den Gesprächen wurde vereinbart, einen Vertreter der Bundesregierung als Beobachter in die zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein gebildete dänisch/ schleswig-holsteinische Arbeitsgruppe zur Behandlung von Gleichstellungsfragen in der Finanzierung der Schulen der dänischen und der deutschen Minderheiten zu entsenden. Der Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe ist auf der Internetpräsenz der Schleswig-holsteinischen Landesregierung einsehbar. Die Arbeitsgruppe hatte insbesondere zwei Aufgaben: erstens die Beschreibung der historischen und politischen Entwicklung der Bedingungen der dänischen und deutschen Minderheiten sowie der gesetzlichen Grundlagen für den Betrieb für die dänischen und deutschen Minderheitenschulen und zweitens die Darlegung der Entwicklung der Zuschüsse und Einnahmen zum Schulbetrieb - auch mit Blick auf die Entwicklung der Finanzierung der sonstigen privaten und öffentlichen Schulen - für die dänischen und deutschen Minderheiten jeweils in Deutschland und Dänemark. Ziel der Arbeitsgruppe war eine Analyse des ermittelten Istzustandes, nicht jedoch die Erarbeitung konkreter Handlungsanweisungen für die Beteiligten. Im Ergebnis waren sich die Vertreter beider Parteien einig, dass die Aufarbeitung der Fragen zu einem besseren gegenseitigen Verständnis der nur bedingt miteinander vergleichbaren Systeme beigetragen hat.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Kollege Rix.

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. - Zunächst einmal habe ich die Frage, wie Sie diese Ergebnisse der Arbeitsgruppe bewerten. Vielen Dank für den Hinweis auf die Internetseite. Aber welche Schlussfolgerungen für die Praxis ziehen Sie aus den dort aufgeführten Ergebnissen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich freue mich sehr, dass Sie das Auswärtige Amt mit diesen Fragen beschäftigen. Ich beantworte Ihre Frage sehr gern, will aber auch darauf hinweisen, dass wir uns mit dem Bundesinnenministerium einig sind, dass aus unserer Sicht der Umgang mit der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein ein Vorzeigemodell in Europa bezüglich des Umgangs mit Minderheiten ist. Sowohl der Herr Staatssekretär Bergner als auch ich werden zukünftig darauf achten, dass die Rechte von deutschen Minderheiten im Ausland, aber auch von Minderheiten hier in Deutschland anerkannt und entsprechend ausgebaut werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre zweite Nachfrage. Bitte schön, Herr Kollege Rix.

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Kürzung der entsprechenden Mittel um 3,5 Millionen Euro Ausdruck dieser Wahrnehmung der Interessen, die Sie gerade erläutert haben? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie darauf hinweisen - diese Fragen wurden mir schon einmal im Rahmen einer Regierungsbefragung gestellt -, dass es sich bei den 3,5 Millionen Euro um zusätzliche Zuschüsse handelt, die in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses für das Haushaltsjahr 2011 gewährt wurden. Sowohl der Deutsche Bundestag und das zuständige Ministerium als auch das Auswärtige Amt - der Außenminister hat mehrere Gespräche dazu mit dem dänischen Außenminister und auch mit der Staatskanzlei geführt; das wissen Sie haben sich dazu verpflichtet gefühlt, nachdem die Landesregierung Schleswig-Holstein aufgrund von Sparzwängen Mittel in der Bildungspolitik gekürzt hat; man kann darüber streiten, ob das politisch sinnvoll ist oder nicht. Sie wissen, dass die Bundesregierung genau das nicht tut. Wir konsolidieren die Haushalte und investieren gleichzeitig 12 Milliarden Euro in Bildung und Forschung. Wir haben dadurch, glaube ich, den Weg eröffnet, die dänische Minderheit an deutschen Schulen weiter in gleicher Höhe zu fördern.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Eine weitere Nachfrage unseres Kollegen Franz Thönnes.

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, schönen Dank, dass Sie die Fragen beantworten. Man könnte jedoch fragen, warum nicht das zuständige Ministerium, in dem die Finanzmittel ressortiert sind, hier antwortet. Gleichwohl möchte ich zu den Finanzmitteln fragen. Sie haben gerade gesagt, dass die Förderung in gleicher Höhe fortgesetzt wird. Wie kommt es dann, dass im Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2012 die dänische Minderheit ausdrücklich nicht wiederum mit 3,5 Millionen Euro gefördert werden soll, wie es im Haushalt 2011 der Fall war? Wie ist das in Übereinstimmung zu bringen mit Ihren Worten, dass in gleicher Höhe gefördert wird? Jetzt stellt es sich so dar: Die CDU-geführte Landesregierung von Schleswig-Holstein hatte die Mittel gekürzt, und die Bundesregierung ist im letzten Jahr beim Haushalt 2011 eingesprungen. Aber im Haushalt 2012 ist dies nicht vorgesehen. Für die Betroffenen im dänischen Schulverein bedeutet dies, dass ihre Kinder im Vergleich zu anderen schleswig-holsteinischen Kindern nur zu 85 Prozent gefördert werden, obwohl ihre Eltern als deutsche Staatsbürger genauso Steuerzahler sind wie alle anderen Eltern in Schleswig-Holstein.

Not found (Gast)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Thönnes, ich kann Ihre Aufregung in dieser Frage verstehen und will für die Bundesregierung noch einmal ausdrücklich sagen, dass Angelegenheiten der Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftsfinanzierung für uns höchste Priorität haben. Ich will aber gerade Sie als Bundestagsabgeordneten daran erinnern, dass dieses Hohe Haus mit einer Zweidrittelmehrheit zur Zeit der damaligen Großen Koalition, also auch mit Stimmen der SPD, beschlossen hat, ein Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung im Grundgesetz zu verankern. Es steht dem Bund nach der Verfassung nicht zu, in die Schulen bzw. in den Bildungsbereich der Länder zu investieren. Wir haben die Kulturhoheit der Länder im Grundgesetz verankert. Die Länder haben ihre Verantwortung in diesen Fragen wahrzunehmen. Ich nehme zur Kenntnis, dass sich die Landesregierung Schleswig-Holstein aufgrund der besonderen finanziellen Lage gezwungen sah, gerade an dieser Stelle zu kürzen. Die Bundesregierung - das sage ich ausdrücklich - tut das in ihrem Haushalt nicht. Es handelte sich im Haushalt 2011 übrigens um eine Überbrückungszahlung. Dazu sind wir laut Grundgesetz nicht verpflichtet; das dürfen wir eigentlich gar nicht. Wie Sie wissen, wurde diese Zahlung aus Projektmitteln des BMI finanziert und damit ausgeglichen. Aber das kann keine Dauerlösung sein.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Jetzt rufe ich die Frage 64 unseres Kollegen Sönke Rix auf: Hat die Bundesregierung mit der Landesregierung Schleswig-Holstein Gespräche über diese Problematik geführt, und welche Vorstellungen sind dabei entwickelt worden, wie eine verlässliche Förderung des dänischen Schulvereins in Schleswig-Holstein in 2012 und den folgenden Jahren erreicht werden kann?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hat mit der Landesregierung Schleswig-Holstein natürlich Gespräche über die Frage der Finanzierung der Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland geführt. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Christoph Bergner, steht in engem Kontakt sowohl zum Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Torsten Geerdts, als auch zu den Betroffenen selbst. Unter anderem nahm der Beauftragte am 13. April 2011 an einer Sitzung des Gremiums des Schleswig-Holsteinischen Landtages für Fragen der deutschen Minderheit in Nordschleswig teil, das zweimal jährlich unter der Leitung des schleswig-holsteinischen Landtagspräsidenten tagt. Die Weiterführung der Überbrückungszahlung des Bundes in Höhe von 3,5 Millionen Euro zur Förderung des dänischen Schulvereins und dessen finanzielle Situation im Jahre 2012 waren Gegenstand einer Sondersitzung des Beratenden Ausschusses für Fragen der dänischen Minderheit beim Bundesministerium des Innern am 29. Juni 2011 unter Leitung des Beauftragten. Diesem Gremium gehören sowohl Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein als auch Vertreter der dänischen Minderheit und der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung an. Der Beauftragte legte dar, dass die Weiterführung der Sonderförderung des dänischen Schulvereins 2012 nur dann möglich sei, wenn der Förderbetrag an anderer Stelle im Einzelplan 06, dem Etat des Bundesministeriums des Innern, eingespart würde. Dies sei bei einer Summe von 3,5 Millionen Euro nicht darstellbar. In der Sitzung zeigte sich der dänische Schulverein für die Überbrückungszahlung des Bundes im Jahr 2011 dankbar, verlieh aber seiner Erwartung Ausdruck, dass das Land Schleswig-Holstein seinen Verpflichtungen zur Förderung der dänischen Schulen in Südschleswig in ursprünglicher Höhe nachkommen solle. Ähnliches habe ich eben zum Ausdruck gebracht.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Ihre erste Nachfrage, Kollege Rix.

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kann ich also davon ausgehen, dass es in dieser Frage einen Dissens zwischen der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung und der Bundesregierung gibt, weil es nach den Gesprächen nicht so aussieht, dass die Landesregierung die Zahlungsausfälle kompensieren wird?

Not found (Gast)

Nein, das können Sie meinen Worten ganz sicher nicht entnehmen, Herr Abgeordneter. Ich sehe eher den Bedarf, dass sich dieses Hohe Haus erneut mit dem Thema „Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung“ auseinandersetzt. Aufgrund der haushaltspolitischen Notwendigkeiten, auch in den Bundesländern, wird es für strukturschwache Länder zukünftig nämlich schwerer sein, in Bildung, Forschung und Wissenschaft zu investieren.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Hinweis auf das Kooperationsverbot ist das eine. Das andere ist die Zusage in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen, in denen wir gesagt haben, dass die Bundesrepublik dafür geradesteht, dass es eine dementsprechende Förderung im Bereich der Minderheiten gibt. Dieser Aufgabe müssen wir uns trotz des Kooperationsverbotes weiterhin stellen. Wie bewerten Sie das, und wann gibt es die Initiative der Bundesregierung zur Aufhebung des Kooperationsverbotes?

Not found (Gast)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich will als Erstes sagen, dass der Haushalt jetzt in den Händen des Bundestages - im Haushaltsausschuss - liegt. Sie kennen das Verfahren vom letzten Jahr. Ich kann Sie hier als Vertreterin der Bundesregierung, die Ihnen Rede und Antwort zu stehen hat, nur noch einmal auf das Haushaltsrecht des Parlamentes hinweisen. In der Tat kann ich nur bekräftigen, dass wir alles daransetzen werden, die Empfehlungen des Europarates zu den Minderheiten einzuhalten und auch umzusetzen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nun gibt es eine Nachfrage des Kollegen Ingbert Liebing.

Ingbert Liebing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003801, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei allem persönlichen Verständnis von meiner Seite für diese Fragen - in meinem Wahlkreis wohnt die dänische Minderheit - möchte ich die Bundesregierung fragen, ob dies der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt für eine Debatte über diese Fragen ist oder ob Sie meine Einschätzung teilen, dass dieses Thema jetzt in erster Linie in die Haushaltsberatungen des Parlaments und damit in die Beratung der zuständigen parlamentarischen Gremien gehört, nachdem die Regierung ihre Arbeit abgeschlossen hat und wir als Fraktionen im Haushaltsausschuss und in den anderen parlamentarischen Gremien darüber mit Blick auf den Haushalt 2012 zu entscheiden haben.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, bei der Beantwortung der letzten Frage habe ich bereits versucht, den Ball zurück ins Parlament zu spielen. In der Tat sollten wir jetzt die parlamentarischen Beratungen und auch die Vorschläge abwarten, die der Haushaltsausschuss unterbreiten wird. Dann können die Parlamentarier noch selbst Initiativen ergreifen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Der Kollege Franz Thönnes hat hierzu auch noch eine Nachfrage. Bitte schön, Herr Kollege. ({0})

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, Sie haben auf das Kooperationsverbot hingewiesen. Kann ich daraus entnehmen, dass Sie der Auffassung sind, dass das Parlament und die Bundesregierung bei der Förderung für das Jahr 2011 dagegen und möglicherweise sogar auch gegen die Verfassung verstoßen haben? Herr Präsident, ich darf zumindest rhetorisch einflechten: Ist es nicht merkwürdig, dass der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten permanent von der Staatsministerin zitiert wird, wonach er dieses und jenes gemacht habe - er sitzt neben ihr -, während das Innenministerium, in dem die Mittel ressortieren, jetzt nicht antworten kann? Das übernimmt das Außenministerium, obwohl wir nach der Förderung der dänischen Minderheit in Deutschland und damit nach etwas fragen, was in unserem Land geschieht.

Not found (Gast)

Sie wissen, dass die Bundesregierung harmonisch zusammenarbeitet. ({0}) Deswegen habe ich kein Problem damit, zu antworten, auch wenn die Fragen in die Zuständigkeit des BMI fallen. Es macht mir regelrecht Freude, dass die Abgeordneten derartige Fragen stellen, weil wir uns durchaus bewusst sind, dass Investitionen in die Bildung, in die Köpfe junger Menschen, das Wichtigste sind, was uns für die Zukunft unseres Landes beschäftigen sollte. Das bringen Sie auch mit Ihren Fragen zu der dänischen Minderheit zum Ausdruck. Ich glaube, mein Kollege Bergner wäre überhaupt nicht abgeneigt, sich auch zu diesen Themen zu äußern, wenn Sie das denn wünschen. Der Präsident müsste ihm dazu das Wort erteilen. Das habe nicht ich zu entscheiden. Sie wissen, dass wir im haushalterischen Verfahren für den Haushalt 2011 einen Weg gefunden haben, dem dänischen Schulverein ordnungsgemäß über Zuschüsse im Rahmen einer Projektfinanzierung zu helfen. Das geschah nach Recht und Gesetz und hat dem Grundgesetz nicht widersprochen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Ich werde auf diesen Punkt noch einmal zurückkommen; denn der Kollege Franz Thönnes hat ja die Fragen 69 und 70 gestellt. Dort können wir der Bundesregierung die Möglichkeit zur zusätzlichen Beantwortung geben. Die Fragen 65 und 66 der Kollegin Hiller-Ohm sowie die Fragen 67 und 68 des Kollegen Rossmann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zu der Frage 69 des Kollegen Franz Thönnes, die ich gerade schon angekündigt habe: Wird durch die Weigerung der Bundesregierung, die Förderung des dänischen Schulvereins in 2012 im gleichen Maß wie 2011 fortzusetzen, nicht das deutsche außenpolitische Interesse vernachlässigt, und werden dadurch nicht die deutschdänischen Beziehungen belastet, wenn der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, auch im Namen von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in seinem Schreiben vom 23. September 2011 an den Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Torsten Geerdts, noch formulierte, dass die 2011 erfolgte zusätzliche Bereitstellung von 3,5 Millionen Euro für den dänischen Schulverein „ausschließlich dem außenpolitischen Interesse geschuldet“ war, „um die deutsch-dänischen Beziehungen nicht weiter zu belasten“? Bitte, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Thönnes, die Förderung von Schulen ist grundsätzlich Angelegenheit der Länder. Das habe ich hier schon erwähnt. Wie ich in den Antworten auf die Fragen Ihres Kollegen Rix bereits darlegte, handelt es sich bei der Überbrückungszahlung an den dänischen Schulverein 2011 um eine einmalige Förderung aufgrund übergeordneter Interessen, nämlich um Raum für eine dauerhafte Lösung zu schaffen. Eine Dauerförderung des dänischen Schulvereins aus Bundesmitteln ist nicht beabsichtigt. Die deutsch-dänischen Beziehungen sind ausgesprochen gut, solide und belastbar. Gleichwohl wurden die schleswig-holsteinischen Kürzungen beim dänischen Schulverein auf dänischer Seite als Verschiebung der finanziellen Ausgewogenheit und gemeinschaftlichen Finanzierung der Minderheiteneinrichtungen im deutschdänischen Grenzland wahrgenommen und thematisiert. Sowohl der Bund als auch das Land Schleswig-Holstein sind um den Erhalt der ausgesprochen guten und freundschaftlichen deutsch-dänischen Beziehungen bemüht. Allerdings wird im Zuge der allgemeinen Haushaltskonsolidierung auch ein Beitrag der Minderheiten zu erbringen sein.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Kollege Thönnes.

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön, Herr Präsident. - Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin, für die Beantwortung. Nun ist es so, dass sich seitens der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung die Kürzung für 2011 in der Größenordnung von 4,7 Millionen Euro bewegt hat und der Bund 2011 mit 3,5 Millionen Euro versucht hat, einen Teil davon aufzufangen. Darüber reden wir. Dass aber dann am 23. September der Bundesinnenminister, Herr Dr. Friedrich, auch im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel an den Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages geschrieben hat, dass die 2011 erfolgte zusätzliche Bereitstellung von 3,5 Millionen Euro „ausschließlich dem außenpolitischen Interesse geschuldet“ war, um die deutsch-dänischen Beziehungen nicht weiter zu belasten, veranlasst doch auch angesichts Ihrer jetzigen Aussage, dass man konsolidieren muss und dass dazu Beiträge geleistet werden sollen, zu der Frage, ob man dann, wenn für 2012 kein Ausgleich für die fehlenden 3,5 Millionen Euro erfolgt, aus den Aussagen des Bundesinnenministers in diesem Brief - auch im Namen der Kanzlerin schließen kann, dass die deutsch-dänischen Beziehungen belastet werden und dass man das außenpolitische Interesse nicht so berücksichtigt, wie man das 2011 gemacht hat.

Not found (Gast)

Sie können davon ausgehen, Herr Abgeordneter Thönnes, dass ich es außerordentlich begrüße, dass Bundesinnenminister Friedrich zum Ausdruck gebracht hat, dass unsere Beziehungen zu Dänemark und auch zur dänischen Minderheit vorbildlich in Europa sind. Weil wir natürlich in diesem Zusammenhang die finanziellen Probleme gesehen haben, ist die Bundesregierung in 2011 aktiv geworden. Sie haben diesem Antrag, die 3,5 Millionen Euro bereitzustellen, soweit ich weiß, im Parlament zugestimmt. Ich will Sie nur darauf hinweisen, dass es haushaltsrechtlich nicht möglich ist, eine Dauerförderung für eine Aufgabe einzurichten, die nicht Aufgabe der Bundesregierung, sondern originäre Aufgabe des Landes Schleswig-Holstein ist. Nun weiß ich natürlich, dass Schleswig-Holstein einen Haushalt für zwei Jahre beschlossen hat und dass sich für 2012 keine Mittel mehr einstellen lassen. Deswegen will ich den Ball noch einmal zurückspielen und auf das hinweisen, was der Kollege von der Union vorhin zum Ausdruck gebracht hat. Ich sehe als Außenpolitikerin durchaus die Perspektive, dass man dem dänischen Schulverein auch im Haushalt 2012 hilft. Ich sage aber ganz klar: Die Haushaltsberatungen laufen. Es obliegt nicht mir als Vertreterin der Bundesregierung, jetzt aktiv zu werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Thönnes, Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön.

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie die Entwicklung zeigt, hat sich in den vergangenen Jahren aufgrund der Reduzierungen der Förderung durch die Schleswig-Holsteinische Landesregierung und auch durch die Bundesregierung, was die deutsche Minderheit in Dänemark angeht, ein zunehmend ungleiches Verhältnis zwischen den Förderanteilen des Landes Dänemark gegenüber der dänischen Minderheit in Deutschland und der deutschen Minderheit in Dänemark ergeben. Können Sie angeben, auf welche Größenordnung Sie die Verschiebung dieses Verhältnisses beziffern? Ich denke, es lag früher in der Größenordnung von 55 Prozent Dänemark gegenüber 45 Prozent Deutschland. Das hat sich in den letzten Jahren mit Sicherheit erheblich verschlechtert. Wie bewertet die Bundesregierung diese Verschlechterung?

Not found (Gast)

Ich würde die Frage gerne ausführlich beantworten, aber ich glaube, dass mir der Signalton des Herrn Präsidenten dazwischenkommt. Sie haben recht, Herr Abgeordneter: Die dänische Regierung hat in ihren Haushaltsberatungen für 2011 beschlossen, die Förderung der Schulen der deutschen Minderheit in Nordschleswig auf 100 Prozent des Schülerkostensatzes zu erhöhen und damit die volle Einhaltung der Gleichbehandlung gegenüber den deutschen Minderheitenschulen gemäß dem Gleichstellungsprinzip zu sichern. Vorher hatte bereits die Bundesregierung beschlossen, die Förderung der deutschen Minderheit in Nordschleswig zu kürzen. Die Entscheidung zur Kürzung der Zuwendung des Bundes an die Nordschleswiger im Sozialtitel um 500 000 Euro und im Investitionstitel um 200 000 Euro ist im Frühjahr 2010 gefallen. Auf die Forderung einer Beibehaltung der seinerzeit für zwei Jahre vorgesehenen Erhöhung des Sozialtitels um 800 000 Euro ist der Bund nicht eingegangen. Im Rahmen der Bereinigungsgespräche zum Haushalt 2011 im November letzten Jahres hat der Haushaltsausschuss den Sozialtitelansatz aber wieder um 500 000 Euro erhöht, also ausgeglichen. Die Förderungen aus den Mitteln des Kulturstaatsministers sind im Übrigen für 2011 gleich geblieben. Ich will als Letztes darauf hinweisen, dass nach einem Schreiben des Bundestagsabgeordneten Herrn Brackmann von der CDU/CSU-Fraktion an Herrn Bundesminister Westerwelle eine weitere Finanzierungslücke für den BDN aus Mitteln des Goethe-Instituts gedeckt worden ist. Wir haben also hier die Mittel nicht gekürzt, sondern aufgestockt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen dann zur Frage 70 des Kollegen Thönnes: Hat das Thema Minderheitenförderung nach der Bundeshaushaltsaufstellung 2011 bei Kontakten zwischen Vertretern der deutschen und der dänischen Regierung oder bei dem Besuch von Staatsminister Dr. Werner Hoyer am 14. Oktober 2011 beim neuen dänischen Europaminister in Kopenhagen eine Rolle gespielt, und, wenn ja, wie sieht die dänische Regierung diese Problematik, und hat man sich dort auf Initiativen oder Maßnahmen verständigt? Bitte, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Lieber Kollege Thönnes, ich beantworte die Frage 70 wie folgt: Bei dem Besuch des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Dr. Werner Hoyer, am 14. Oktober 2011 in Kopenhagen hat der dänische Europaminister Nicolai Wammen die Gleichstellung der Schüler des dänischen Schulvereins im Schulgesetz von Schleswig-Holstein in allgemeiner Form angesprochen. Die dänische Regierung fordert grundsätzlich die Gleichstellung der Schüler des dänischen Schulvereins im Schulgesetz des Landes Schleswig-Holstein.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin. - Dann lautet meine erste Nachfrage: Wie lautete denn die Antwort von Herrn Staatsminister Hoyer auf das Interesse des dänischen Europaministers?

Not found (Gast)

Ich habe an dem Gespräch zwischen Staatsminister Hoyer und Europaminister Wammen nicht teilgenommen, aber ich kann Ihnen zumindest sagen, dass man sich in dieser Sache nicht auf neue Initiativen verständigt hat. Ich will aber gerne zur Aufklärung beitragen. Ich weiß, dass eine unterschiedliche Behandlung von dänischen Ersatzschulen bzw. Privatschulen im Vergleich zu deutschen staatlichen Schulen bzw. Privatschulen immer wieder ins Gespräch gebracht wird. Sie kennen die Gesetzgebung von Schleswig-Holstein, des Bundeslandes, aus dem Sie kommen, wahrscheinlich sehr gut und wissen, dass es sich bei den Schulen der dänischen Minderheit in der Tat nach dem Gesetz um Ersatzschulen, also Privatschulen, handelt, die zu 85 Prozent bezuschusst werden. Gleichwertige deutsche Schulen werden nur zu 80 Prozent bezuschusst. Das heißt, eigentlich werden die Schulen der Minderheit im Vergleich zu deutschen Privatschulen bessergestellt. Das Missverständnis ist daraus entstanden, dass die dänische Regierung, soweit ich weiß, gerne möchte, dass die Schulen der dänischen Minderheit mit den staatlichen Schulen im Schulsystem gleichgestellt und mit 100 Prozent bezuschusst werden. Das würde allerdings die deutschen privaten Schulen in freier Trägerschaft benachteiligen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage, bitte.

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nun ist es ja so, dass an dieser Stelle die dänische Minderheit von einer Kürzung betroffen wurde. In der Vergangenheit war die deutsche Minderheit von Kürzungen seitens der Bundesregierung betroffen. Für das Jahr 2012 bleibt nominal der gleiche Betrag für Förderungen der deutschen Minderheit in Dänemark wie 2011. Gleichwohl entsteht die Situation, wie in der Vergangenheit auch, dass die deutsche Minderheit aufgrund der Tarifsteigerungen in Dänemark an die 200 000 Euro aufwenden muss, um das Lehrpersonal zu bezahlen. Diese sind in der Förderung, die sie bekommt, nicht eingepreist. Das heißt, dass für die eigentliche Arbeit 200 000 Euro weniger vorhanden sind. Kommt das nicht auch einer Kürzung gleich, weil dies von der Bundesregierung nicht aufgefangen wird?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass wir die Probleme des Bundeslandes Schleswig-Holstein nicht hier im Deutschen Bundestag diskutieren können. ({0}) - Nein. ({1}) - Sie haben mich gerade nach den Lehrergehältern gefragt. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir sind jetzt in der Fragestunde und treten nicht in einen Dialog ein. Es tut mir leid. ({0})

Not found (Gast)

Ich will darauf hinweisen, Frau Präsidentin, Herr Thönnes, dass wir die entsprechenden Haushaltstitel nicht gekürzt haben. Ich sage das noch einmal: Die 3,5 Millionen Euro waren eine Überbrückungsförderung. Was die Finanzierung des dänischen Schulvereins anbelangt, können wir keine dauerhafte Förderung einrichten. Ich betone ausdrücklich, dass bei den Haushaltstiteln für die deutsche Minderheit, die sich insbesondere im Etat des Kulturstaatsministers Neumann wiederfinden, nicht gekürzt worden ist, sondern sie in gleicher Höhe von der Bundesregierung wieder eingestellt wurden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Liebing das Wort.

Ingbert Liebing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003801, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben die Erwartungshaltung der dänischen Staatsregierung nach rechtlicher Gleichstellung der Schüler der dänischen Schulen im schleswig-holsteinischen Schulgesetz zitiert. Die rechtliche Gleichstellung im schleswig-holsteinischen Schulgesetz ist die Erwartungshaltung auch des Dansk Skoleforening. Wenn das die Position ist, ist es dann richtig, dass diese Position und die Erwartungshaltung der dänischen Staatsregierung weder durch die Bundesregierung noch durch den Bundestag erfüllt werden können, sondern ausschließlich durch den Schleswig-Holsteinischen Landtag als Landesgesetzgeber des schleswig-holsteinischen Schulgesetzes?

Not found (Gast)

Das ist richtig, Herr Abgeordneter.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Fragen 71 und 72 der Kollegin Bettina Hagedorn werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 73 des Kollegen Klaus Barthel auf: Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die laut aktuellen Presseberichten geplante Lieferung französischer Tarnkappen-Fregatten an Griechenland, und seit wann besitzt sie diese gegebenenfalls? Bitte, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Abgeordneter Barthel ist zugegen. Wie gut! Ich hatte Sie eben noch nicht gesehen. Wegen des engen Sachzusammenhanges möchte ich gerne die Fragen 73 und 74 zusammen beantworten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dann rufe ich auch die Frage 74 des Kollegen Klaus Barthel auf: Wie will die Bundesregierung ausschließen, dass deutsche Steuermittel direkt oder indirekt für die Lieferung französischer Tarnkappen-Fregatten an Griechenland mit aufkommen, und gibt es Bestrebungen seitens der Bundesregierung, auf europäischer Ebene gegen das angeblich geplante Geschäft vorzugehen?

Not found (Gast)

Der Bundesregierung sind die langjährigen französischen Bemühungen bekannt, Fregatten des in Rede stehenden Tarnkappentyps FREMM an Griechenland zu verkaufen. Die Verhandlungen wurden jedoch nach Kenntnis der Bundesregierung Anfang 2010 beendet bzw. ohne Datum vertagt. Von einer aktuell geplanten Lieferung oder von aktuellen Vertragsverhandlungen ist der Bundesregierung nichts bekannt. Entsprechende Pressemeldungen können nicht bestätigt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich aus Sicht der Bundesregierung derzeit die in Ihrer zweiten Frage aufgebrachte Problematik der Verwendung deutscher Steuermittel für das von Ihnen erwähnte Geschäft nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage.

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann habe ich jetzt vier Nachfragen, wenn ich das richtig sehe.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Natürlich.

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die erste Nachfrage lautet: Ist denn dieser Zustand des Nichtwissens der Bundesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass gleichzeitig Medienberichte erscheinen, und im Zuge dessen, dass wir in der EU einen Gemeinsamen Standpunkt betreffend Rüstungsexporte sowie eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik haben, für die Bundesregierung befriedigend?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, als Erstes möchte ich sagen, dass die Bundesregierung ihre Arbeit nicht auf die Berichterstattung in namhaften Nachrichtenmagazinen aufbauen kann, denen Sie diese Information entnommen haben. Ich kann Ihnen nur bestätigen, dass wir bei allen zuständigen Stellen - auch Auslandsvertretungen - nachgefragt haben und die Antwort, die ich Ihnen gegeben habe, die reelle ist. Als Zweites will ich aber auch Folgendes sagen: Eine unmittelbare Pflicht der Unterrichtung über die Beschaffung von Rüstungsgütern durch die EU-Partner existiert nicht. Der öffentliche Jahresbericht der EU gemäß Art. 8 Abs. 2 des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP des Rates betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern enthält Informationen über die von den EU-Partnern erteilten Genehmigungen - nicht aber über tatsächliche Vertragsabschlüsse - für Ausfuhren in andere EU-Mitgliedstaaten, jedoch nur in aggregierter Form.

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es mag ja sein, dass es im Moment noch nicht so ist. Aber ich habe meine Frage ja vor dem Hintergrund der aktuellen Situation gestellt. Betrachten wir zum Beispiel diesen Fall, über den in den Medien berichtet worden ist. Nehmen wir einmal an, dass da etwas dran ist, oder nehmen wir an, es gäbe vergleichbare Fälle. Ist denn der Zustand, dass es diese Nichtinformation und dieses Nichtwissen gibt, angesichts der Problemlage für die Bundesregierung befriedigend, und wie würden Sie einen solchen Vorgang bewerten, wenn er den Tatsachen entspräche? Es muss ja etwas dran sein, wenn schon 2010 Verhandlungen stattgefunden haben.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung kann spekulative Äußerungen überhaupt nicht bewerten. Das werden wir uns auch nicht anmaßen. Diese Qualität der Arbeit möchten wir Ihnen auch nicht zumuten. Ich kann nur noch einmal bekräftigen: Die Deutschen Botschaften in Athen und Paris haben auch nach Kontakten zur französischen bzw. zur griechischen Regierung keine Bestätigung für das erwähnte Geschäft mit FREMM-Fregatten erhalten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre nächste Nachfrage, bitte.

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann muss ich noch einmal andersherum fragen. Wie man den Presseberichten entnehmen kann, bin ich nicht der Einzige, der sich dafür interessiert. Auch Abgeordnete der Koalition haben angekündigt, dieser Sache nachzugehen. Das Ganze ist auch vor dem Hintergrund der hier vor wenigen Stunden geführten Diskussion über die europäische Situation der Staatsverschuldung interessant. Ein solcher Vorgang kann doch eine Bundesregierung nicht kaltlassen. Gibt es denn eine generelle Haltung und ein kritisches Bewusstsein gegenüber solchen Vorgängen? Nehmen wir einmal an, es geht an dieser Stelle um größere Rüstungsbeschaffungen zum Beispiel Griechenlands, die teilweise vielleicht durch ein anderes EU-Mitgliedsland finanziert werden, aber auf jeden Fall auch durch das hochverschuldete Land Griechenland mitzufinanzieren sind. Gibt es denn hier ein kritisches Bewusstsein und eine Sensibilität der Bundesregierung?

Not found (Gast)

Es gibt in der Tat eine Sensibilität der Bundesregierung für alles, was uns zurzeit im Zusammenhang mit Griechenland und auch im Zusammenhang mit der EuroKrise beschäftigt. Herr Abgeordneter, Sie haben auch gefragt, ob die Bundesregierung es für verantwortbar hält, dass Griechenland vor dem Hintergrund des zukünftigen Einsatzes von Steuermitteln für die EFSF weiterhin solche Geschäfte tätigt. Ich will in diesem Zusammenhang Folgendes erwähnen: Die Troika legt im Benehmen mit den griechischen Behörden gesamtstaatliche Einsparungsziele fest. Der Anteil des griechischen Verteidigungshaushalts am Bruttoinlandsprodukt beträgt im Jahr 2011 2,16 Prozent. Nach Kenntnis der Bundesregierung werden in 2011 rund 50 Prozent der Mittel zur Bezahlung von Außenständen aus alten Verträgen genutzt. Die verbleibenden Mittel gehen überwiegend in die Erhaltung des vorhandenen Materials. Die diesbezüglichen Zahlen besagen, dass keine neuen Bestellungen vorgenommen werden können.

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, nach meinen Informationen hat Griechenland einen im Vergleich zu seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten überproportionalen Rüstungshaushalt. Da die Troika und die Bundesregierung ständig Druck auf die griechische Regierung ausüben, Haus16008 haltskonsolidierung zu betreiben, und bis ins Detail Vorschriften betreffend arbeitsrechtliche Beziehungen, den öffentlichen Dienst und Privatisierungen gemacht werden, stellt sich die Frage: Macht man solche Vorgaben auch in Bezug auf den Rüstungshaushalt, und ist die Bundesregierung bereit, sich für eine Ausgabenreduzierung im Zuge der Haushaltssanierung in verschuldeten EU-Staaten einzusetzen? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass nicht die Bundesregierung, sondern die Troika, bestehend aus Vertretern des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank, im Benehmen mit den griechischen Behörden gesamtstaatliche Einsparziele festlegt. Die griechische Regierung macht sodann ihrerseits in Wahrnehmung ihrer Souveränität und unter Beachtung der Budgethoheit des griechischen Parlaments Vorschläge, wie diese Ziele zu erreichen sind. Wie Sie wissen, existieren Instrumente zur Festlegung spezifischer Einsparziele derzeit nicht. Das heißt, die Troika kann nicht diktieren, auf welche Weise Einsparungen zu erzielen sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit sind die vier Nachfragemöglichkeiten erschöpft. Die Fragen 75 und 76 des Kollegen Dr. Rolf Mützenich werden schriftlich beantwortet. Dies gilt auch für die Frage 77 des Kollegen Memet Kilic. Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Christoph Bergner zur Verfügung. Die Frage 78 des Kollegen Memet Kilic wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 79 des Kollegen Lars Klingbeil auf: Welche Gespräche hat es seitens der Bundesregierung oder seitens der Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden des Bundes mit Skype und anderen VoIP-Anbietern zur Zusammenarbeit und der Ermöglichung der rechtmäßigen Telekommunikationsüberwachung gegeben, und zu welchem Ergebnis sind diese gekommen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Herr Kollege Klingbeil, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Bundeskriminalamt hat im Dezember 2010 Gespräche mit dem Leiter der Kontaktstelle für die Strafverfolgung bei der Firma Skype geführt. Von diesem wurde mitgeteilt, dass Skype keine Kommunikationsinhalte zur Verfügung stellen kann. Kommunikationsinhalte unverschlüsselter VoIP-Dienste können über die klassische Telekommunikationsüberwachung zugänglich gemacht werden. Hier besteht kein Anlass zur Kontaktaufnahme. Bei Anbietern verschlüsselter VoIPDienste hat sich mit Ausnahme von Skype bisher keine fachliche Notwendigkeit einer Kontaktaufnahme ergeben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage, Herr Klingbeil.

Lars Klingbeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003715, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank für die Antwort. - Gestatten Sie mir folgende Nachfrage: Sie haben gesagt, es habe Gespräche gegeben und Skype habe deutlich gemacht, man werde keine Gesprächsinhalte übermitteln. Ist der Bundesregierung denn bekannt, dass es Aussagen gibt, wonach in anderen europäischen Ländern eine solche Zusammenarbeit stattfindet?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Unabhängig von der Lage in anderen europäischen Ländern kann ich in diesem Zusammenhang nur auf die in den Gesprächen gegebene Auskunft und das Verhandlungsergebnis verweisen. Ich mache darauf aufmerksam - das ist bereits Gegenstand meiner Antwort auf Ihre nächste Frage -, dass die Grenzen, die sich für Skype ergeben, technisch plausibel sind, was die Weitergabe von Kommunikationsinhalten im Rahmen dieser speziellen Konstellation angeht. Insoweit müsste ein gewisses Verständnis für die Lage von Skype bestehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Lars Klingbeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003715, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben gerade von technischen Grenzen gesprochen. Können Sie mir bitte kurz erläutern, welche technischen Grenzen Skype angedeutet hat?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Es gibt für die Übermittlung im Netz ganz unterschiedliche Wege, die im Grunde nicht ohne Weiteres definiert werden können. Das heißt, Skype ist häufig gar nicht Herr der Inhaltsdaten, die über Skype übermittelt werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dann kommen wir jetzt zur Frage 80 des Kollegen Klingbeil: Wie bewertet die Bundesregierung - vor dem Hintergrund, dass es in der Datenschutzerklärung von Skype wörtlich heißt, dass „Skype, der örtliche Skype-Partner oder der Betreiber bzw. Anbieter, der die Kommunikation ermöglicht … personenbezogene Daten, Kommunikationsinhalte oder Verkehrsdaten Justiz-, Strafvollzugs- oder Regierungsbehörden zur Verfügung ({0}), die derartige Informationen rechtmäßig anfordern“ - die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder in der Fragestunde vom 19. Oktober 2011 ({1}), derzufolge die Bundesregierung dies geprüft und festgestellt habe, dass es keine Alternativen zur Quellen-TKÜ gebe, und wie begründet sie diese Feststellung? Vizepräsidentin Petra Pau Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Der Telekommunikationsdienst Skype bietet Telefondienste über das Internet an, die entweder unmittelbar zwischen zwei internetfähigen Endgeräten oder zwischen einem internetfähigen Endgerät und herkömmlichen Telefonanschlüssen, also Mobiltelefonen bzw. Festnetztelefonen, stattfinden können. Letzteres wird je nach Gesprächsrichtung als Skype-In oder Skype-Out bezeichnet. Im Falle der Telefonie zwischen zwei internetfähigen Endgeräten, also der VoIP, fließen die Inhaltsdaten auf beliebigen Wegen im Internet und nicht über technische Einrichtungen von Skype. Dieser Punkt berührt die vorherige Frage. Skype ist es in diesem Fall nach derzeitigem Kenntnisstand der Bundesregierung schon aus technischen Gründen nicht möglich, Inhaltsdaten den Justiz-, Strafvollzugs- und Regierungsbehörden zur Verfügung zu stellen. Bei Skype-In bzw. Skype-Out werden die Gespräche über sogenannte Media Gateways von Skype geleitet. Es besteht prinzipiell die Möglichkeit der Ausweitung von Kommunikationsinhalten. Skype verweist in seinem Informationsblatt „Responding to Law Enforcement Records Requests“ darauf, dass es ihm auf entsprechende Anordnung ausschließlich möglich ist, bestimmte Bestandsdaten, also Mail-Adressen und Rufnummern des Teilnehmers, sowie Verkehrsdaten, Zielrufnummern, für jedes Gespräch in öffentliche Telefonnetze bereitzustellen. Gesprächsinhalte werden in keinem Fall von Skype zur Verfügung gestellt, nicht einmal, wenn diese als Voicemail auf den Servern von Skype abgelegt werden. Die kriminalpolizeiliche Erfahrung zeigt darüber hinaus, dass in der Vielzahl der Fälle Skype unmittelbar zwischen zwei internetfähigen Endgeräten eingesetzt wird. Ohne Quellen-Telekommunikationsüberwachung gäbe es keine Möglichkeit, diese Gespräche zu überwachen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre Nachfrage, bitte.

Lars Klingbeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003715, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Stimmen Sie denn mit mir überein - ich zitiere jetzt aus den Datenschutzerklärungen von Skype -, dass die Datenschutzerklärungen von Skype nicht mit dem übereinstimmen, was man Ihnen erklärt hat? Hier ist nämlich ausdrücklich erwähnt, dass man auf Kommunikationsinhalte zurückgreifen kann und sie auch zur Verfügung stellen würde.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Ich stimme Ihnen in dieser Hinsicht nicht zu. Die Erfahrungen aus den Gesprächen, soweit sie mir bekannt sind, haben eine Grenze aufgezeigt: Ohne die Möglichkeiten der Quellen-Telekommunikationsüberwachung hat man keine Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung. Dieses Prüfungsergebnis ist der Ansatz für die entsprechenden richterlich angeordneten Quellen-Telekommunikationsüberwachungen, die vorgenommen wurden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage.

Lars Klingbeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003715, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Niemand spricht sich hier gegen die Quellen-TKÜ aus. Aber es geht darum - darin sind wir uns, glaube ich, einig -, die grundrechtsschonendsten Mittel einzusetzen. Deswegen war die Frage: Welche Gespräche gab es? Jetzt haben wir gehört - dem gehen wir gerne nach -: Es gibt keine Möglichkeit, zusammenzukommen. Die Frage, die ich Ihnen noch stellen will, ist: Hat es denn Vereinbarungen mit Skype gegeben, wie man das Thema weiter bearbeiten will? Sie haben vorhin von technischen Grenzen geredet. Hat es Fragen der Bundesregierung gegeben, wie Skype sich weiterentwickeln könnte und wo man mit den Strafermittlungsbehörden zusammenarbeiten kann? Gibt es da einen Prozess, der eingeleitet wurde?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Gehen Sie bitte davon aus, dass die Bundesregierung, insbesondere das Bundesinnenministerium, die Sondierungen fortführen wird, um sich auch bei zukünftigen Entscheidungen immer darauf verlassen zu können, dass der Einsatz von Quellen-TKÜ im Vergleich zu anderen Möglichkeiten angemessen ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Alle übrigen Fragen der Fragestunde, die Fragen 81 bis 98, werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Unklare Konzepte der Bundesregierung zu Steuersenkungen - Pläne zur Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Dr. Barbara Höll für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „50 Minuten Geschlossenheit“, „Regierung blamiert sich bei Steuerreform“, „Steuerharmonie für eine Stunde“, „Seehofer stört den Steuerfrieden“ - das sind einige der Schlagzeilen, die Sie mit Ihrer chaotischen Steuersenkungsdebatte produziert haben. ({0}) Seit 2009 - da haben Sie den Koalitionsvertrag geschlossen - kündigen Sie alle paar Monate Steuersenkungen an, dann warten wir wieder auf die nächste Steuerschätzung; das geht immer so als Spiel. Den traurigen Höhepunkt bildete in der letzten Woche die Bundespressekonferenz mit Finanzminister Schäuble und Wirtschaftsminister Rösler. Es wurden dort Steuererleichterungen ab 2013 versprochen. Aber selbst auf Nachfragen sagte Herr Schäuble nichts dazu, wie er sich die Entlastung genau vorstellt. Nicht einmal eine Stunde später ertönte der Paukenschlag aus Bayern, und seitdem streiten Sie sich wie im Kindergarten. Sie sollten sich mit Steuererleichterungen vielleicht wirklich etwas beeilen. Wer weiß, wie lange Sie noch regieren! ({1}) Damit dieses Hin und Her bei Ihnen ein Ende findet, haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Ich denke, Sie sind der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet, endlich konkrete Angaben zu Ihren Steuerplänen zu machen. ({2}) Viele Menschen in unserem Land glauben eh nicht mehr an Steuergerechtigkeit und Steuererleichterungen. Die Menschen haben Angst. ({3}) Sie fragen sich, wie teuer sie die Rettung der Banken kommen wird, wenn die Milliarden erst einmal fällig werden. Wie viele Schulen bleiben dann weiter unsaniert? In wie vielen Universitäten bleiben die Hörsäle weiter überfüllt? Wie viele Straßen bleiben Ruckelpisten? Für die Menschen ist doch die Lohnpolitik entscheidend und nicht die kalte Progression. Die will ich Ihnen aber doch einmal erklären. Ein Arbeitnehmer bekommt eine Lohnerhöhung, die gerade mal die Inflation ausgleicht. Durch den höheren Bruttolohn rutscht er in einen höheren Tarif, sodass er am Ende weniger bekommt, weniger Reallohn zur Verfügung hat. - Das ist die kalte Progression. ({4}) Aber das ist nicht das Entscheidende. ({5}) - Herr Michelbach, wir haben Sie doch schon 2007 in einem Antrag aufgefordert, endlich tätig zu werden. Ich finde es gut, dass Sie jetzt endlich aufwachen und etwas machen wollen. ({6}) Trotzdem ist die kalte Progression nicht das Hauptproblem. Wir haben - die Menschen haben das in den vergangenen zehn Jahren gespürt - Reallohnverluste von 4 Prozent. Demgegenüber haben sich die Unternehmensgewinne und die Einkommen aus Vermögen verdreifacht. ({7}) Das ist die Ungerechtigkeit in diesem Land, und hier spielt die Musik. ({8}) Ich betone noch einmal: Alle in diesem Land zahlen Steuern, zum Beispiel Mehrwertsteuer auf Butter und Milch. Sehr vielen Menschen - es sind inzwischen 1,4 Millionen -, die arbeiten gehen, oftmals in Vollzeit, reicht ihr Lohn nicht zum Leben; sie müssen noch zum Amt, um aufzustocken. Das müsste Ihnen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Da geht es wirklich um Entlastung. Da geht es darum, dass wir endlich einen Mindestlohn einführen. Ein solcher Mindestlohn vernichtet auch keine Arbeitsplätze. Das wissen Sie genauso gut wie ich; das ist empirisch bewiesen. ({9}) Ein Mindestlohn würde Steuermehreinnahmen bringen, die Sozialkassen füllen und den Menschen den entwürdigenden Gang zum Amt ersparen. ({10}) Herr Schäuble hat auf der Pressekonferenz nebulös eine Tarifveränderung angesprochen. Gut, dann fangen wir mal konkret an! Im Gegensatz zu Ihnen haben wir schon einen konkreten Vorschlag vorgelegt. Stellen Sie sich also einmal Folgendes vor: Wir hätten einen durchgängig linear-progressiven Einkommensteuertarif. Wir würden den Grundfreibetrag auf 9 300 Euro erhöhen bei 14 Prozent Eingangssteuersatz und hätten 53 Prozent Spitzensteuersatz ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 65 000 Euro. Dann wäre automatisch die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet. Ich rechne Ihnen das gern vor: Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von etwa 26 000 Euro, also abzüglich Freibeträge, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und Werbungskosten, würde man gegenüber heute 1 086 Euro weniger zahlen. Wenn man ein Jahreseinkommen von 40 000 Euro zu versteuern hätte, wären es 1 410 Euro weniger. Erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 70 000 Euro gäbe es eine Mehrbelastung von 86 Euro. Ich finde, das ist bei diesem Jahreseinkommen aufs Jahr verteilt wirklich zu verkraften. ({11}) Nach dem, was Sie vorgelegt haben - im Ausschuss konnten Sie noch nicht einmal sagen, ob das nur für die niedrigen und mittleren Einkommen gilt oder auch für die großen Einkommen -, betrüge die Entlastung bei einem Jahreseinkommen von 26 000 Euro wahrscheinlich maximal 200 Euro. Nun vergleichen Sie das einmal mit dem durchgehend linear-progressiven Tarif: Nach meinen Vorgaben wäre die Entlastung um über 1 000 Euro höher. Das wäre ein richtiger Schritt. Im Übrigen finde ich es völlig unverschämt, dass Sie hier vollmundig verkünden, ab 2013 für Steuererleichterungen in Höhe von 6 bis 7 Milliarden Euro sorgen zu wollen, wobei Sie, wie gesagt, noch nicht einmal wissen, für wen, und auch nicht genau, wie. Dass Sie darüber natürlich erst einmal mit den Ländern und Kommunen reden müssen, weil es um die Einkommensteuer geht, oder ob Sie sich dazu verpflichtet haben, dass alles der Bund zahlt, lassen Sie völlig außen vor. Insofern sind das alles nur Luftblasen. Sie denken, Sie könnten damit irgendetwas gewinnen; aber Ihnen wird nicht geglaubt. Kehren Sie endlich zu einer seriösen Politik zurück, zu einer Politik, die tatsächlich Steuergerechtigkeit herstellt! ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Olav Gutting hat nun für die Unionsfraktion das Wort. ({0})

Olav Gutting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Jedes Jahr haben wir bis zu 3 Milliarden Euro Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer. Darüber könnte man sich eigentlich freuen. Aber Steuermehreinnahmen auf der Seite des Staates bedeuten auf der anderen Seite eine zusätzliche Belastung bei denjenigen, die das Ganze erarbeiten, nämlich bei den Bürgerinnen und Bürgern. Steuermehreinnahmen haben also immer auch eine Kehrseite. Diese zwei Seiten der Medaille scheinen einige hier immer wieder zu vergessen. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest, wenn man die Steuererhöhungspläne der versammelten Opposition betrachtet. Was droht, wenn wir nicht mehr regieren, haben Sie vorhin schon angedeutet. Sie haben aber nur die halbe Wahrheit gesagt. Denn Sie wollen den Spitzensteuersatz auf über 50 Prozent erhöhen; das Ehegattensplitting soll wegfallen; das Dienstwagenprivileg - was auch immer das sein soll wird gestrichen; die Pendlerpauschale wird ebenfalls gestrichen usw. Sie sagen dann zwar, Steuersenkungen müssten durch die Streichung von Steuervergünstigungen gegenfinanziert werden. Am Ende läuft es aber darauf hinaus, dass Sie auf der einen Seite Steuern erhöhen und auf der anderen Seite Steuervergünstigungen streichen. ({0}) Während die Opposition sich also derzeit nach dem Motto „Wer bietet mehr?“ mit Steuererhöhungsplänen beschäftigt, nehmen wir zur Kenntnis, dass im Jahr 2011 in diesem Land die höchsten Lohnzuwächse seit 20 Jahren zu verzeichnen sind. ({1}) Dieser Bundesregierung ist es gelungen, mit gezielter Wachstumspolitik die schwerste Wirtschaftskrise in diesem Land zu überwinden und Arbeitsplätze nicht nur zu sichern, sondern die Arbeitslosigkeit auf das niedrigste Niveau seit der Wende zurückzuführen. ({2}) Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben in der Wirtschaftskrise Maß gehalten. Jetzt, im Aufschwung, steht ihnen dafür eine kräftige Lohnerhöhung zu. Wir wollen, dass die Menschen spüren, dass es wieder aufwärts geht und dass es sich lohnt, wenn man sich anstrengt. Was ist das aber für ein Steuerrecht, das die Inflation und deren Ausgleich über eine Lohnerhöhung dazu nutzt, die Bürger schleichend in eine höhere Steuerprogression zu führen? Die Weigerung der Opposition und die Blockade des Bundesrates, die ja bereits angekündigt ist, ({3}) konsequent zu Ende gedacht führen dazu, dass innerhalb der nächsten Jahre immer mehr Menschen dem Spitzensteuersatz unterliegen, obwohl sie tatsächlich gar kein Spitzeneinkommen haben. ({4}) Wenn man davon ausgeht, dass das verdiente Geld beim Staat besser aufgehoben ist als bei den Menschen, dann ist Ihr Ansatz konsequent; dann ist die Argumentation von Grünen, SPD und Linken in der Tat richtig. Aber wir glauben, dass es hier einer Korrektur bedarf. Wir glauben, dass es richtig ist, den Menschen möglichst viel von dem, was sie sich hart erarbeitet haben, zu belassen. Wir glauben - und dies gerade vor dem Hintergrund einer drohenden Abflachung der Konjunktur -, dass es falsch ist, die Steuergarotte über die kalte Progression immer weiter zuzuziehen. Meine Damen und Herren, wenn wir über den Abbau der kalten Progression sprechen, dann geht es weder um Steuergeschenke noch um Mindereinnahmen. Vielmehr geht es um den Verzicht des Staates auf Steuermehreinnahmen, die durch die Kombination von Inflation und Lohnerhöhung entstehen und die nichts mit der Idee des linear-progressiven Tarifs zu tun haben, nach der derjenige, der leistungsfähiger ist, einen höheren Steuersatz zahlen muss als derjenige, der weniger leistungsfähig ist. ({5}) Unser Konzept ist völlig klar. ({6}) Es geht uns darum, den Menschen in diesem Land den Teil ihres sauer verdienten Lohnes zu belassen, der ihnen auch zusteht. Um nichts anderes geht es uns. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Nicolette Kressl hat für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Nicolette Kressl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002706, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Titel der Aktuellen Stunde stellt sich zunächst einmal die Frage, um welche Konzepte der Regierung es eigentlich geht. ({0}) Heute haben wir im Ausschuss gehört, dass das, was die beiden Minister vorgestellt haben, nicht das Konzept der Regierungsfraktionen sei. Man müsse sich erst zusammensetzen und darüber reden. ({1}) Außerdem hätten wir beim Vorliegen von Konzepten erwartet, dass Sie uns irgendwelche Eckpunkte vorstellen, Herr Gutting. Ich habe sehr genau zugehört, aber außer allgemeinen Bekenntnissen haben wir nichts gehört, was auch nur annähernd als Eckpunkt zu bewerten gewesen wäre. Insofern ist das weniger als unklar. Es gibt kein Konzept. ({2}) - Wir nicht. Ein weiterer Punkt ist sehr wichtig. Was Sie in der vergangenen Woche hier aufgeführt haben - die Zeitungen haben zum Teil getitelt: „50 Minuten Einigkeit“ -, zeigte eines: Das war der schlimmste Dilettantismus, den wir seit langer Zeit im Bereich der Steuerpolitik erlebt haben. Aus den vergangenen zwei Jahren sind wir bereits einiges gewöhnt, aber das hat nun wirklich alles übertroffen. ({3}) Man könnte eigentlich sagen: Bei verrückten Ideen ist immer Verlass auf die CSU, dass sie ein bisschen Sand ins Getriebe wirft. Mittlerweile ist aber die CSU selbst zerstritten. Frau Hasselfeldt hat gestern gesagt, es sei alles abgesprochen gewesen und Herr Seehofer sei auf dem falschen Weg. ({4}) Dieses Chaos der vergangenen Woche könnte man als Opposition ja noch fröhlich betrachten. Jedoch führen Sie dieses Chaos nicht nur in internen Zirkeln auf. Vielmehr sorgen Sie dafür, dass die Menschen in dieser ohnehin schwierigen Situation auf eine absolut unerträgliche Weise verunsichert werden. Das müssen wir Ihnen schon einmal ganz deutlich sagen. ({5}) Diese Verunsicherung führt dazu, dass das Vertrauen in die Fähigkeit der Politik insgesamt, gradlinige und klare Positionen aufzeigen zu können, immer mehr verloren geht. Das haben wir Ihnen heute Morgen in der Europadebatte schon deutlich gesagt. Das Gleiche wiederholen Sie jetzt bei der Frage der Steuerpolitik. Es wäre gut, wenn Sie wenigstens Ihre grundsätzlichen Bekenntnisse und Vorstellungen zum Beispiel zum Thema der kalten Progression mit Zahlen belegen könnten. Wir müssen hier gar nicht darüber streiten, dass das irgendwann zu einer politischen Konsequenz führen muss. Der entscheidende Punkt ist aber doch, dass die Antwort seitens des Finanzministeriums auf meine Nachfrage in einer Fragestunde und auch im Ausschuss lautete, dass es in den vergangenen Jahren keine kalte Progression gegeben habe. Heute haben wir in der Sitzung des Finanzausschusses gefragt, Herr Koschyk, ob Sie uns denn wenigstens mit irgendwelchen Zahlen belegen können, ob diese 6 Milliarden Euro Entlastung, die Sie planen, tatsächlich der kalten Progression im Jahr 2013 entsprechen. Sie haben es nicht belegen können. ({6}) Sie haben uns keine konkrete Zahl genannt. Sie haben irgendetwas von der Inflation erzählt. Dabei haben Sie nicht einmal erwähnt, dass die Inflation allein gar nicht zur kalten Progression führt. Das gilt nur für die Kombination von Inflation und Lohnerhöhungen. ({7}) Ich sage nicht, dass wir uns weigern, darüber zu reden. Wir erwarten von Ihnen hier im Parlament aber ein paar Fakten, bevor Sie irgendwelche Pressekonferenzen abhalten; das muss ich Ihnen einmal sagen. ({8}) Ich komme zu meinem letzten Punkt: Die Tatsache, dass Sie das nicht mit Zahlen belegen können, ({9}) deutet sehr stark darauf hin, dass es Ihnen eher darum geht, Ihren dahinsiechenden Koalitionspartner FDP ein wenig zu schützen und ihm etwas mitzugeben. ({10}) Dabei verkennen Sie aber völlig, dass die Menschen in diesem Land inzwischen nicht mehr vorrangig Steuerentlastungen erwarten. Deren Prioritäten haben sich längst so verlagert, dass sie sagen: Es muss zu einem Schuldenabbau kommen. Wir müssen den Schwerpunkt auf die Bildungspolitik und die Infrastruktur setzen. Das heißt: Sie setzen bei Ihren nicht vorhandenen Konzepten und Ideologien auch noch auf das falsche Pferd. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie die veränderten Rahmenbedingungen wahrnehmen und Ihre Politik darauf einstellen. Ich möchte mit den Worten des baden-württembergischen Finanzministers Nils Schmid aus der heutigen Debatte des Landtags schließen. Er sagte, dass diese Koalition dem gesunden Menschenverstand hartnäckigen Widerstand leiste. Ich finde, er hat recht. Sie sollten sich ein bisschen darauf konzentrieren, logische Politik zu machen. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Wissing für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Kollegin Kressl hat gesagt, man muss sich mit veränderten Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Ich will Ihnen einmal etwas zu den heutigen Rahmenbedingungen und zu den Rahmenbedingen unter Rot-Grün sagen: Als Rot-Grün die Verantwortung hatte, gab es fast 5 Millionen Arbeitslose. ({0}) Unter Schwarz-Rot waren es 3,5 Millionen. Unter Schwarz-Gelb sind es nur noch 3 Millionen. ({1}) Zum Haushalt: Für 2010 hatte der sozialdemokratische Finanzminister Peer Steinbrück eine Neuverschuldung in Höhe von 86,1 Milliarden Euro geplant. SchwarzGelb kam mit 44 Milliarden Euro aus. Für 2011 hatte Peer Steinbrück eine Neuverschuldung in Höhe von 71,4 Milliarden Euro geplant. Schwarz-Gelb kommt mit unter 50 Milliarden Euro aus. ({2}) Das heißt: In zwei Jahren schaffen wir es, 65 Milliarden Euro weniger Schulden zu machen. Damit sind wir in jeder Hinsicht besser, als Sie es bei der Haushaltskonsolidierung jemals waren. Das wollen wir, was die Rahmenbedingungen angeht, einmal festhalten. ({3}) Zu den Steuern: Wir haben es geschafft, dass eine Familie mit einem Durchschnittseinkommen von 3 200 Euro im Jahr 2011 netto 604 Euro mehr in der Tasche hat als noch 2009. ({4}) 65 Milliarden Euro weniger Staatsverschuldung und über 600 Euro netto mehr für eine Durchschnittsfamilie, das beweist: Haushaltkonsolidierung und maßvolle, vernünftige Steuerpolitik kann man erfolgreich miteinander kombinieren. Damit ist die Richtigkeit Ihrer Politik widerlegt. ({5}) Jetzt stellt sich ein Herr Schmid in Baden-Württemberg hin und sagt, ({6}) die Pläne seien verrückt. Dann stellt sich in RheinlandPfalz ein Kurt Beck hin ({7}) und sagt, die Beseitigung der kalten Progression sei Quatsch und dass er das für verfassungswidrig halte. Verrückt ist, dass sich eine Partei wie die SPD, die die größte Steuererhöhung in der deutschen Geschichte beschlossen und bei der Haushaltkonsolidierung versagt hat, jetzt hinstellt und eine Steuererhöhung nach der anderen fordert. Das ist verrückt. ({8}) Quatsch ist, was die Linkspartei fordert. Die Linke fordert - das haben wir heute Morgen erst wieder von Ihnen gehört - eine Erbschaftsteuer von 60 Prozent. ({9}) Das haben Sie ernsthaft gefordert. Sie fordern außerdem eine Vermögensteuer von 5 Prozent. Das ist Ihre Politik. Das ist schlichtweg Quatsch. ({10}) Wir hingegen bleiben bei einer vernünftigen Steuerpolitik. Die beiden Minister haben deutlich gemacht: Sobald die Wachstumsprognose vorliegt, werden wir sagen, in welchem Umfang wir in den nächsten Jahren dafür sorgen können, dass Lohnsteigerungen nicht nur beim Staat ankommen, ({11}) sondern auch zu einer Verbesserung des Nettoeinkommens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen. Das mag Ihnen nicht passen, ({12}) weil wir damit etwas aufgreifen, was auch bei Ihnen einmal im Wahlprogramm stand, wovon Sie aber heute nichts mehr wissen wollen, nämlich mehr Steuergerechtigkeit für Bezieher unterer Einkommen. Ich finde es bemerkenswert, dass Sie immer von Steuergeschenken sprechen. Dagegen finde ich, dass Lohnsteigerungen keine Geschenke für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, sondern dass sie ihnen zustehen. ({13}) Das unterscheidet Sie von uns. Für die christlich-liberale Koalition gilt: Wir wollen die kalte Progression für die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen spürbar abmildern. Wir wollen den Mittelstandsbauch abflachen, ({14}) und wir werden konkrete Vorschläge dazu machen. Die Bundesregierung hat gesagt, wohin sie will. Die Koalitionsfraktionen werden das gemeinsam mit der Bundesregierung auf den Weg bringen. Wir werden einen konkreten Gesetzentwurf vorlegen und ihn selbstverständlich mit Zahlen untermauern. Dann werden Sie sehen, dass Sie auf der falschen Seite stehen, wenn Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Gerechtigkeit verweigern. Wir bleiben dabei: Wir stehen für eine strikte Stabilitätspolitik. Deswegen wollen wir den Bundeshaushalt nicht auf inflationsbedingte Mehreinnahmen stützen, sondern wir wollen ihn auf der Ausgabenseite konsolidieren. Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen von Lohnsteigerungen nichts haben sollen. Das ist eine Gerechtigkeitslücke in unserem Steuersystem. Genauso wie wir die Sozialleistungen an veränderte Rahmenbedingungen anpassen und dort einen Ausgleich schaffen, müssen wir auch denjenigen, die einen Arbeitsplatz haben, die morgens aufstehen und bei der Arbeit anpacken - gerade im unteren und mittleren Einkommensbereich -, einen Ausgleich bieten. Den wollen wir in unserem Steuersystem schaffen. Ich finde es offen gestanden mutlos von Ihnen, dass Sie immer nur sagen: Wir leben in Krisenzeiten, und deswegen kann man für die Bezieher unterer Einkommen nichts tun. Wir geben den Ehrgeiz nicht auf und wollen - gerade in Krisenzeiten - die Reformen in unserem Land nicht vernachlässigen. Denn es kann nicht sein, dass wir bei all den notwendigen Rettungsmaßnahmen und Stabilisierungspaketen, die wir auf europäischer Ebene auf den Weg bringen - heute haben wir viel darüber diskutiert -, diejenigen vergessen, die in Deutschland den Karren mitziehen. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet Sozialdemokraten, Grüne und auch die Linkspartei dabei ihre Unterstützung verweigern, vor allem, wenn es um die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen geht. Sie als Sozialdemokraten sind sogar noch stolz darauf, dass Sie mit Ihren merkwürdigen Ankündigungen im Bundesrat die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen hängen lassen. ({15}) Sie sollten sich dafür schämen und nicht hier im Bundestag selbstbewusste Reden halten. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr. Gerhard Schick hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was sich uns gerade dargeboten hat, war ein Zerrbild. ({0}) Das ist umso trauriger, als wir ja wissen, dass Kollege Wissing in den Fakten eigentlich präzise sein kann, ({1}) aber es war heute wieder einmal nicht gewollt. ({2}) Ich finde es gut, dass die Debatte, in der es um das Problem der Staatsschulden geht - das uns gerade stark beschäftigt -, am selben Tag geführt wird wie die Debatte über die Steuersenkung. ({3}) Solange für den nächsten Bundeshaushalt sowie für Landes- und Kommunalhaushalte viele Milliarden Euro Neuverschuldung eingeplant sind, wäre jede Steuerentlastung eine Steuerentlastung auf Pump und angesichts des Schuldenstandes unverantwortlich. ({4}) Ich will das einmal konkret machen: Der Bund gibt Berlin zur Einhaltung der Schuldenbremse Konsolidierungshilfen in Höhe von 80 Millionen Euro pro Jahr. Wenn die Steuerentlastung kommt, die Sie jetzt avisieren, dann verliert Berlin 200 Millionen Euro. ({5}) Ist das sinnvoll? Das ist natürlich nicht sinnvoll. Das Ganze könnte man ebenso für Schleswig-Holstein durchrechnen, das zurzeit 80 Millionen Euro Konsolidierungshilfen bekommt und dann 120 Millionen Euro weniger hätte. Die Bundesländer lehnen ja die Steuerentlastungen nicht deshalb ab, weil sie es den Leuten nicht gönnen. Der Grund ist vielmehr die Schuldenbremse, die es zu Recht gibt, und dass die Bundesländer jetzt versuchen müssen, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen, und gleichzeitig dafür sorgen müssen, dass die Infrastruktur stimmt, Bildungsleistungen für alle zur Verfügung stehen und die Polizei anständig ausgestattet werden kann. Deswegen sind Steuerentlastungen in dieser Situation einfach unverantwortlich. ({6}) Ich komme zum zweiten Punkt: die Inflation und der Ausgleich bei der kalten Progression. Clemens Fuest, nun wirklich niemand, der hier in den Oppositionsreihen sitzen würde, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, schreibt: Wenn man Einkommensteuerentlastungen in der aktuellen Situation trotz der schlechten Lage der öffentlichen Haushalte will, sollte man bessere Argumente ins Feld führen als das Märchen von der kalten Progression. Ich finde, er hat recht. In den letzten Jahren gab es das Phänomen in Deutschland einfach nicht; es existiert theoretisch, aber taucht, wie man sehen kann, in den Statistiken nicht auf. ({7}) Die Steuerquote, das Verhältnis zwischen Einkommensteuereinnahmen und der jährlichen Wirtschaftsleistung, war ziemlich konstant; sie war übrigens in der rot-grünen Regierungszeit niedriger als heute. Insofern hat es diesen Effekt nicht gegeben. Sie bringen bei der Lösung der realen steuerpolitischen Probleme dieses Landes nichts auf die Reihe: ({8}) Die Kommission zur Reform der Ermäßigungen bei der Mehrwertsteuer hat nicht ein einziges Mal getagt. Die Kommission zur Frage der Kommunalfinanzen hat ihre Arbeit ergebnislos beendet. Jetzt gehen Sie an ein Phänomen heran, das einfach nicht das Hauptproblem ist, über das wir uns unterhalten sollten. ({9}) Eines ist zu beobachten - ich gebe noch einmal Herrn Fuest wieder -: Wenn es eine höhere Belastung der Bezieher unterer und mittlerer Einkommen gibt, sich aber die Belastung bzw. das Steueraufkommen insgesamt nicht verändert hat, muss eine Verschiebung der Steuerlasten stattgefunden haben. Wenn wir etwas für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen tun wollen, geht es deshalb darum, die Verteilung der Steuereinnahmen zu verändern; genau das machen wir. Ja, Bündnis 90/Die Grünen sagen: Es soll eine steuerliche Entlastung für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen geben; wir wollen den Grundfreibetrag anheben. Aber wir machen es, anders als Sie, nicht auf Pump, sondern verantwortlich. Wir werden dafür den Spitzensteuersatz erhöhen, denn wir machen seriöse Steuerpolitik und sorgen für eine Gegenfinanzierung. Dazu haben Sie nicht den Mut. Sie schauen immer nur dann auf die Gerechtigkeit, wenn es zu Ihrer Klientelorientierung passt. Wir wollen einmal das Argument der Entlastung der Bezieher unterer und mittlerer Einkommen betrachten. Wenn man sich die groben Skizzen, die wir haben, anschaut, dann erkennt man: Ein Single mit einem zu versteuernden Einkommen von heute 10 000 Euro würde um etwa 80 Euro im Jahr entlastet; ein Steuerpflichtiger mit einem zu versteuernden Einkommen von 250 000 Euro würde um 870 Euro entlastet. Daran erkennt man die Schieflage. Es geht also nicht um die Entlastung der Bezieher unterer und mittlerer Einkommen, über die Sie gerne reden, sondern um die der hohen Einkommen, die Sie deutlich mehr entlasten wollen. Seien Sie da bitte einmal ehrlich. ({10}) Wenn Sie wirklich etwas für die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen tun wollten, dann müssten Sie an die Sozialabgaben herangehen oder es so machen, wie es unser Vorschlag vorsieht, also gezielt im unteren Einkommensbereich entlasten und durch Belastungen im oberen Bereich gegenfinanzieren. Aber dazu haben Sie nicht den Mut; denn es geht bei Ihnen um eine Politik für die oberen 10 Prozent. Das muss einmal klar gesagt werden. Danke schön. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Norbert Schindler spricht nun für die Unionsfraktion. ({0})

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste auf der Tribüne! Lieber Herr Schick, Sie haben hier ein Zerrbild des Steuersystems abgegeben. Sie alle wissen doch: Bei den höheren Gehältern wird bei einer Gehaltserhöhung aufgrund des Spitzensteuersatzes im oberen Bereich immer gleich viel abgeschöpft. Bei den Gehältern der Leistungsträger, der Damen und Herren, deren Gehalt darunter liegt, werden im Falle einer geringen oder starken Lohnerhöhung sofort hohe Steuern abgeschöpft. Nicht bei allen, aber bei vielen ergibt sich eine Nullsummenrechnung, gerade wenn man die steigenden Sozialbeiträge mit einrechnet. So entsteht doch draußen bei den Leistungsträgern der Frust. Sie verkünden jetzt, wir würden eine Politik für Millionäre machen. Ich muss Ihnen doch nur vorrechnen, wie es damals unter Rot-Grün war. Damals wurden die Spitzensteuersätze deutlich gesenkt, weil es hieß, man müsse diese international angleichen. ({0}) Was wurde denn damals wegen der Freiheit des Kapitalflusses beschlossen, meine Damen und Herren? Ich will jetzt gar nicht das Alte hervorholen, ({1}) sondern nur einmal darauf hinweisen. Die Grünen fordern in ihrem Antrag, die kalte Progression zu mindern, was wir als Regierung wollen. ({2}) Sie fragen nach dem Konzept. Es gibt einen Koalitionsvertrag, auf den wir uns verständigt haben. ({3}) Es gibt ein Wahlversprechen, für dessen Einhaltung wir unter anderem 2009 gewählt wurden. Die Wählerinnen und Wähler haben uns damals den Auftrag gegeben, dieses Versprechen einzulösen. Da ist es nur legitim, wenn wir uns in dieser Legislaturperiode dieser Frage widmen und sie beantworten. ({4}) Dass die kalte Progression ein Abstrafen darstellt, weil der Staat bei jeder Lohnerhöhung automatisch partizipiert, das haben viele, auch Sie, Herr Dr. Schick, in anderen Debatten schon eingesehen. Sie wollen dem mit einem anderen Konzept beikommen. ({5}) Sie werfen uns vor, wir hätten noch kein fertiges Konzept. Es ist doch legitim, in einer Regierung, die aus drei Koalitionsparteien besteht, vernünftig über den richtigen Weg zu streiten. ({6}) Wir wissen um die Schuldensituation unseres Staates. Dr. Volker Wissing und auch Olav Gutting haben zu Recht darauf hingewiesen, wie die Zustände waren, als wir Rot-Grün beerbten, und dass wir in den letzten Monaten und Jahren gute Politik gemacht haben. Das gilt in Bezug auf die große Entscheidung, wie man die Banken retten kann. Das hat dazu geführt, dass wir im internationalen Vergleich Weltmeister sind: was unsere absolute Entwicklung angeht, die Steuereinnahmen, die Staatskonsolidierung und die deutliche Verminderung der Neuverschuldung. Das alles redet ihr schlecht. Das versteht ein normaler Mensch beim besten Willen nicht. ({7}) Sie werfen uns vor, wir hätten in der Konzeption eine Drohgebärde in Bezug auf den Solidaritätszuschlag aufgebaut. Sie kündigten im Bundesrat an, dass Sie die Leistungsträger nicht entlasten wollen. Diese stellen doch gerade den Mittelbau, bekommen in der Regel Kinder und schaffen ein Häuschen oder eine Eigentumswohnung an. Die Menschen werden über die kalte Progression abgestraft. Das entspricht nicht dem Ziel, das wir uns im Bereich Steuerentlastung gesetzt haben. ({8}) Wir wollen keine griechischen Zustände. Es muss nicht gerade Freude auslösen, Steuern zu zahlen, aber wichtig ist die Akzeptanz. Das alles darf nicht durch Staatsverdrossenheit, sondern muss durch Staatszustimmung getragen werden. ({9}) Die Leistungsträger, die den Mittelbau unserer Republik finanzieren, brauchen ein deutliches Zeichen, was wir als Entlastung für ihre Leistungen vorsehen; denn Leistungen werden erbracht. Ich sage das an die Linke gerichtet: Sie sprechen nur von den Leistungsempfängern und den armen Menschen, die am Staatstropf hängen. Sie sprechen nicht mehr über jene, die die Leistung erbringen. Es geht nicht an, die Leistungen anderer Leute, die diese ganz selbstverständlich für den Wohlfahrtsstaat Bundesrepublik Deutschland erbringen, umverteilen zu wollen. In Bezug auf die gesamte Debatte möchte ich darauf hinweisen: Die deutsche Wiedervereinigung hat über 2 Billionen Euro gekostet. Der Rettungsschirm umfasst 500 Milliarden Euro. Wie viele Restschulden haben wir noch durch die Wiedervereinigung? Es sind um die 400 Milliarden Euro. Ich lasse gern mit mir streiten, wie wir das aufrechnen. Der Bundesbankgewinn trägt sicherlich dazu bei. Es stellt sich die Frage: Wie viele Restbürgschaften bestehen noch vom Aufspannen des Bankenrettungsschirms? 500 Milliarden Euro. Die Summe, die für die Rettung der Hypo Real Estate inklusive der Einrichtung einer Bad Bank aufgewendet wurde, betrug nicht einmal ein Viertel der Summe. Sie lag bei circa 100 Milliarden Euro. Aber darüber redet niemand mehr. Im Gegenteil: In den Debatten wird das Volk durch die Milliardenbeträge verrückt gemacht. Es wird das schlimmste Szenario geschildert. Unser Mut, den wir damals hatten, wurde damit belohnt, dass das Misstrauen gegenüber den Banken abgenommen hat. Abschließend stelle ich fest: Bei allen Leistungen, die Deutschlands Bürgerinnen und Bürger erbracht haben, die der Staat geschickt gelenkt hat, auch in der Großen Koalition mit den Sozialdemokraten: Es gab keinen AbNorbert Schindler strich beim Wohlstand. Was wir in dieser Koalition an Topleistung im Konjunkturpaket II erbracht haben, hat zwischen Großbritannien und Italien Wallfahrten ausgelöst. Alle haben sich gefragt, wie wir Deutsche das gemeistert haben. Ihr redet dieses Deutschland schlecht. Unsere Leistungsträger, die die Hauptsteuerlast tragen, haben das Recht, dass Wahlversprechen eingelöst werden. ({10}) Ob es nun 6 Milliarden Euro oder 10 Milliarden Euro sind: Es ist eine gesunde Entwicklung, dass wir unter 3 Millionen Arbeitslose haben. Wer hätte das angesichts der schweren wirtschaftlichen Wolken, die am Himmel standen, gedacht? Ich bin stolz auf das Geleistete. Reden wir positiv über die Zukunft unseres Landes! Es ist wichtig, dass die Leistungsträger motiviert werden. Es muss Spaß machen, in diesem Land Steuern zu zahlen. Die Leistungsträger müssen diesen Staat mittragen. Sie tragen nicht dazu bei, dass diese positiv in die Zukunft schauen. Danke schön. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Martin Gerster hat für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Martin Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kollege Schindler, ich finde es toll, dass Sie erwähnt haben, dass es einen Koalitionsvertrag gibt. Ehrlich gesagt: Wir haben gedacht, es gibt überhaupt keine Koalition mehr. ({0}) Der Auftritt in der letzten Woche war eine ganz komische Geschichte. Ich habe noch nie erlebt, dass zwei Minister eine Pressekonferenz geben und anschließend der Ministerpräsident von Bayern sagt: Das war alles nur Fasching. ({1}) Das kann doch wohl nicht wahr sein. Angesichts dieses Vorgehens wundere ich mich nicht über das, was Infratest dimap uns gestern gesagt hat: Die Linkspartei liegt in Sachen Steuerkompetenz inzwischen vor der FDP. ({2}) Natürlich bewegen sich beide auf ganz niedrigem Niveau. Deswegen ist es auch völlig in Ordnung, dass wir im Rahmen einer Aktuellen Stunde über diese Vorgänge reden. Heute Morgen haben wir gehört, dass es nicht nur das Struck’sche Gesetz, sondern auch das Merkel’sche Gesetz gibt, das da heißt: Je deutlicher die Kanzlerin etwas ausschließt, desto wahrscheinlicher ist, dass es tatsächlich kommt. Seit Schwarz-Gelb hier regiert - na ja, „regiert“ ist falsch -, sich im Regieren übt - so muss man das sagen -, gilt ein neues Gesetz: Egal welches Problem kommt, es ist immer einer da, der „Steuersenkungen sind die Lösung des Problems!“ ruft. ({3}) Das ist vielleicht das Westerwelle’sche Gesetz. Jetzt muss man es wohl umbenennen, weil Herr Rösler jetzt in der Verantwortung steht. Aber vielleicht trifft das aber ja auch schon nicht mehr zu. Auf jeden Fall muss man konstatieren: Der x-te Versuch, einen Überraschungscoup zu landen, das Kaninchen aus dem Hut zu zaubern - Steuersenkungen! Hurra! -, ist misslungen. Das muss man ganz klar sagen. Das wurde auch in den Medien entsprechend kommentiert. Ich will zitieren und ein paar Presseschnipsel anbringen. Die Welt spricht von einem „Kommunikationsdesaster“, das einfach nicht enden will. Herr Michelbach ich weiß nicht, ob Sie Welt-Leser sind. ({4}) Vielleicht sind Sie auch Leser der Süddeutschen Zeitung: „50 Minuten Geschlossenheit“, dann war das übliche Steuerchaos zurück. Kennen Sie den Film Und täglich grüßt das Murmeltier mit Bill Murray in der Hauptrolle? ({5}) Das war ein großer Erfolg. Jetzt in der Neuverfilmung von dieser Koalition! Herzlichen Glückwunsch! Wenn man sich vor Augen führt, wie oft wir schon über dieses Thema diskutiert haben, muss man ganz klar sagen: Diese Aktuelle Stunde dauert schon mindestens eine halbe Legislaturperiode. ({6}) Aber man weiß ja nicht, wie lange diese Legislaturperiode wirklich dauert. So, wie Sie sich präsentieren, kann sie ja auch ganz schnell zu Ende sein, was bedeuten würde, dass wir uns schon im zweiten Drittel dieser Veranstaltung befinden. Insofern muss man sagen: Auch der jüngste Versuch, die FDP wiederzubeleben - ich meine das 7 Milliarden Euro schwere Rösler-Rettungspaket -, ist misslungen. Die Financial Times Deutschland schreibt dazu - Herr Michelbach, vielleicht sind Sie ja auch Leser dieser Zeitung -: Merkels Truppe wirkte wieder einmal wie ein Dilettantenstadl. ({7}) Die Bild am Sonntag - Springer-Presse - kann ich noch anbieten: Die Drei von der Zankstelle Das ist ein schöner Titel. ({8}) Was soll man von dieser Regierung halten, wenn sie sich noch nicht einmal darüber verständigen kann, wer die Verantwortung für dieses verhunzte Steuersenkungsstückchen trägt. Einerseits heißt es beim Bundeskanzleramt: Es gab noch nicht einmal eine Panne. Herr Rösler, der Vizekanzler sagt: Ja, es gab eine Panne. Dann wird darüber gestritten, ob sich jemand entschuldigt hat, aber hinterher weiß man nicht, wer bei wem. Das, was Sie hier aufführen, ist ein wirklich tolles Theaterstück. Das ist einfach eine klasse Sache. ({9}) Auch der Regierungssprecher musste betonen: Reinlegen ist kein Teil der gegenseitigen Umgangsformen. ({10}) Ich finde es wichtig, dass das vom Regierungssprecher unterstrichen wurde und nicht Worte aus dem Bereich Fauna und Flora benutzt wurden. Diese Umgangsformen wollten Sie ja auch ablegen. Insofern trifft die Analyse der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu; Herr Michelbach, vielleicht haben Sie diese Zeitung ja im Abo. Dort war zu lesen: Falls sie bis zum Ende durchhält - diese Koalition ist gemeint -, dann wird der Stoff für Streit bis zum Schluss nicht ausgehen. Auch das, denke ich, kann man nur unterstreichen. ({11}) Apropos Steuerchaos, ich will die FDP an dieser Stelle - die Gelegenheit jetzt ist einfach so schön - noch an eine Pressemitteilung vom Mai 2010 erinnern. Damals hat Herr Lindner gesagt, die FDP prüfe jetzt intensiv, ob man die Steuersenkungen für Hoteliers zurücknehmen wolle. - Ich wollte einmal nachfragen - Herr Volk, Sie sind, glaube ich, der nächste Redner -, ob Sie nach eineinhalb Jahren mit der Prüfung fertig sind ({12}) und ob es ein Ergebnis gibt. Ich denke, wenn Sie diese Steuersenkungen zurücknehmen würden, hätten Sie eine gute Basis, um das Thema kalte Progression anzugehen. Herzlichen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dr. Daniel Volk von der FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Daniel Volk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003894, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Gerster, kommen wir erst einmal zurück zur Sache und zum eigentlichen Thema dieser Aktuellen Stunde. ({0}) Wenn ich es richtig verstanden habe, so haben zwei von drei Oppositionsfraktionen durch ihre Redner hier in der Aktuellen Stunde zugegeben, dass wir im Bereich der unteren und mittleren Einkommen eine Änderung in der Steuergesetzgebung vornehmen müssen. Die einzige Oppositionsfraktion, die dies nicht fordert, die sich als Vertreterin der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischenzeitlich vollkommen abgemeldet hat, ist die SPD-Fraktion. Daher, Herr Kollege Gerster, ist klar, warum Sie während Ihrer gesamten Rede kein einziges Wort zu der eigentlichen Thematik, zum Problem der kalten Progression bei den unteren und mittleren Einkommen, gesagt haben. ({1}) Kommen wir ganz nüchtern zurück zum Thema. Herr Schick hat dies als ein nur theoretisches Problem bezeichnet. Ich glaube, dass dieses von Ihnen als theoretisch bezeichnete Problem für eine sehr große Anzahl von Steuerpflichtigen ein sehr praktisches Problem ist. ({2}) Deswegen sollten wir als verantwortliche Politiker nicht realitätsfern die Augen davor verschließen. Vielmehr müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es gerade in den letzten Jahren eine deutliche Preissteigerung, also Inflation, gegeben hat. Wir haben in den letzten Monaten deutliche Einkommenserhöhungen aufgrund der Tarifverhandlungen beobachtet, und wir werden sie in den nächsten Monaten beobachten können. ({3}) In dieser Kombination kann, denke ich, niemand abstreiten, ({4}) dass es im Bereich der unteren und mittleren Einkommen einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, die in die kalte Progression rutschen. Dies ist kein rein theoretisches Problem. Frau Höll hat es dargestellt. Die kalte Progression führt dazu, dass die nominale Lohnerhöhung im Wesentlichen durch ein Hochrutschen in den Steuersätzen aufgefressen wird. Ich finde es gut, dass wir uns hier zumindest zwischen vier Fraktionen - die Ausnahme ist die SPD-Fraktion einig sind, dass wir dieses Problem angehen müssen. ({5}) - Frau Kressl, ich habe mir die Beschlüsse der SPD in den letzten Monaten sehr genau angesehen. Sie haben sich rasant davon verabschiedet, ({6}) die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier im Parlament zu vertreten. Volker Wissing hat es schon gesagt: Sie sollten sich dafür schämen, dass Sie als traditionelle Arbeitnehmerpartei dieses Feld vollkommen aufgeben. Aber es gibt ja andere Parteien, zum Beispiel die FDP, die sich dieser Gruppe annehmen werden. ({7}) Natürlich wird von den Oppositionsfraktionen sofort wie ein Mantra gesagt: Wir müssen dann aber an anderer Stelle Steuern erhöhen. Ich möchte zu bedenken geben, dass es bei den Themen kalte Progression und Inflation insgesamt um Gerechtigkeit, um das Austarieren zwischen den Interessen des Staats in Form des Fiskus einerseits und den Interessen der Steuerpflichtigen andererseits geht. Es darf nicht sein, dass der Fiskus sozusagen als Gewinner der Inflation zulasten der Steuerpflichtigen auftritt. Das ist für mich ein grundsätzlicher Verstoß gegen die Gerechtigkeit. Insofern ist auch eine Forderung wie „Wir müssen an anderer Stelle Steuern erhöhen!“ ein Verstoß gegen die Leistungsgerechtigkeit, die wir in Deutschland weiterhin verteidigen müssen. Denn nur mit einer gesunden Leistungsgerechtigkeit, gerade im Steuer- und Abgabensystem, sorgen wir dafür, dass die Konjunktur bzw. die Wirtschaft in Deutschland gut läuft, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden und dass mehr Leute in Lohn und Brot kommen. Das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit hat in den letzten zwei Jahren zu fantastischen Wirtschaftsdaten geführt. ({8}) Vor diesem Hintergrund kann ich nur dringend empfehlen, dass sich auch die Opposition des Themas „Kalte Progression“ annimmt und nicht sofort reflexartig sagt: Wir lehnen das ab. Teilweise wurde gesagt, es gebe noch keine konkreten Vorstellungen. ({9}) Offensichtlich waren sie aber so konkret, dass Sie sie sofort reflexartig ablehnen konnten. ({10}) Ich denke, wir sollten dieses Problem insgesamt angehen. ({11}) Ich lade Sie ein, zu diesem Thema einen konstruktiven Dialog mit uns zu führen, ({12}) um dazu beizutragen, dass das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit weiterhin gilt. Vielen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dr. Axel Troost von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Axel Troost (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003857, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die FDP hört, dann hat man das Gefühl, es habe seit zehn Jahren ständig Steuersatzsteigerungen gegeben und nun müssten wir endlich einmal eine Steuersatzsenkung durchführen. Das Gegenteil ist doch der Fall. Seit 2000 gab es - erst von Rot-Grün, dann von der Großen Koalition, dann fortgesetzt von der jetzigen Regierung - ständig Steuersenkungen. Wenn man die Steuersenkungen von 2000 bis 2011 summiert, kommt man zu dem Ergebnis: Es waren Mindereinnahmen von mehr als 400 Milliarden Euro zu verzeichnen, nur bedingt durch Steuersenkungen. ({0}) Dieses Geld fehlt den öffentlichen Haushalten. Dies war ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass wir eine steigende Staatsverschuldung hatten. ({1}) Jetzt gibt es das Regime der Schuldenbremse. Die Schuldenbremse kann allerdings zur Investitionsbremse und zur Zukunftsbremse werden, wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Einnahmen gesteigert werden. Deswegen hat Herr Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats, damals in der Diskussion über die Schuldenbremse gesagt: Wir brauchen keine Schuldenbremse, sondern eine Steuersenkungsbremse. - Das halten wir für völlig richtig. ({2}) Das heißt natürlich nicht, dass man am Grundkonzept der Steuern nicht einiges ändern und dass man nicht in bestimmten Bereichen Steuersenkungen durchführen muss. Aber wir wollen keine Nettosenkung, sondern insgesamt mehr Steuereinnahmen. Insofern ist - abgesehen von dem ganzen Chaos des Vorstellens - die Grundintention Ihres Konzeptes falsch. Das liegt nicht etwa daran, dass es noch nicht fertig ist, sondern daran, dass Sie nicht auf ein Gesamtkonzept abzielen, das zumindest aufkommensneutral ist oder zu Mehreinnahmen führt. Wir haben unser Konzept zur Einkommensteuer heute erneut dargelegt. Wir haben ein Gesamtkonzept, das wir Ihnen bereits vor vielen Monaten und sogar schon in der letzten Legislaturperiode erläutert haben. Die Kollegin Höll hat es schon gesagt: Wir sind in der Tat für eine Linearisierung des Einkommensteuertarifs. Wir wollen dafür sorgen, dass der sogenannte Waigel-Buckel verschwindet. Damit würden wir einen großen Teil des Gesamtproblems lösen, das darin besteht, dass Einkommenssteigerungen gerade im unteren und mittleren Einkommensbereich zu besonders hohen Steuersatzsteigerungen führen. Das muss allerdings gegenfinanziert werden. Für uns ist völlig klar: Wir brauchen bei der Einkommensteuer wieder einen Spitzensteuersatz von mindestens 53 Prozent. Das ist übrigens nichts Besonderes. Das gab es schon unter Helmut Kohl. Auch damals hatten wir keinen Sozialismus (Norbert Schindler ({3}): Nein! Da haben wir eure Schulden bezahlt! - nein, nein -, ({4}) sondern ein Steuersystem, das in der Tat noch einigermaßen zur Finanzierung der Infrastruktur beigetragen hat. ({5}) Wenn wir für Entlastungen sorgen wollen - ich glaube, das macht Sinn und ist notwendig -, müssen wir uns um die Gegenfinanzierung kümmern. ({6}) Um das einmal deutlich zu sagen: Nach Ihrem Konzept soll es im Einkommensteuerbereich zu einer Kürzung von 6,5 Milliarden Euro kommen. 57,5 Prozent dieser Kürzung entfallen auf die Länder und Gemeinden. Das wären 3,7 Milliarden Euro pro Jahr weniger. Um das einmal konkret zu machen: Nordrhein-Westfalen hätte pro Jahr 790 Millionen Euro weniger, Bayern 560 Millionen Euro und Baden-Württemberg 480 Millionen Euro. ({7}) - Ihr Hinweis auf das „Mehr“ ist sehr schön. Schauen Sie sich an - Herr Koschyk hat mir im Finanzausschuss, als wir darüber geredet haben, völlig zugestimmt -, wie die Steuerprognose für das Jahr 2012 im Jahre 2008 im Vergleich zu der im Mai 2011 ausgesehen hat. Es fehlen immer noch 60 Milliarden Euro. Wir haben bei den Schätzungen für das Jahr 2012 noch immer nicht das Niveau von vor der Krise erreicht. Es stehen ja auch weiterhin viele Kürzungen an, zum Beispiel das 80-Milliarden-Euro-Paket allein hier im Bund. ({8}) Insofern ist es für uns völlig inakzeptabel, hier neue Löcher zu reißen, wodurch bei den Kommunen und bei den Ländern, die jetzt schon nicht wissen, wie sie die Schuldenbremse einhalten sollen, ebenfalls neue Löcher gerissen werden. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, und das haben wir heute dargelegt. Danach wird nicht nur unten entlastet, sondern dadurch werden auch der Spitzensteuersatz verändert, die Vermögensteuer eingeführt, die Erbschaftsteuer verändert, die Finanztransaktionsteuer eingeführt und viele andere Privilegien abgeschafft. ({9}) Nur so können wir insgesamt zu mehr Steuergerechtigkeit beitragen und eine Entlastung im unteren Bereich erreichen. Danke schön. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dr. Hans Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Zur Klarstellung: Unser politisches Konzept ist erstens, eine solide Haushalts- und Finanzpolitik zu betreiben - das sind wir konkret angegangen -, zweitens, eine wirtschaftliche Erholung zu erzielen und Wachstumschancen zu geneDr. h. c. Hans Michelbach rieren - das sind wir erfolgreich angegangen -, und drittens, eine ungerechte Bereicherung des Staates durch die kalte Progression zulasten der Steuerzahler zu verhindern - das gehen wir jetzt an. So sieht die Politik aus, die wir im Koalitionsvertrag ganz klar gemeinsam festgelegt haben. ({0}) Deswegen finde ich, dass wir auch heute offensiv darüber reden müssen. ({1}) Die Koalition will die Empfänger kleinerer und mittlerer Einkommen entlasten und die kalte Progression abschwächen. ({2}) Dadurch kann verhindert werden, dass Lohn- und Einkommenssteigerungen in Zukunft überproportional steuerlich belastet werden. Das ist im Sinne eines erfolgreichen Wirtschaftsstandortes Deutschland und insbesondere im Sinne unserer Steuerzahler und unserer Arbeitnehmer in Deutschland. ({3}) Sie wissen es scheinbar gar nicht: Die Mehrheit der Steuerzahler leidet unter der kalten Progression. ({4}) Bislang führt der Tarifverlauf dazu, dass selbst bei geringen Einkommenssteigerungen die Steuerbelastung überproportional steigt. Die Bundesbürger haben bei der derzeitigen Inflation trotz Lohnerhöhungen unter dem Strich monatlich oft weniger im Geldbeutel. Eine Gehaltserhöhung muss auch zu einem höheren Einkommen führen und darf nicht nur eine höhere Steuerbelastung bedeuten. 1 Euro mehr an Verdienst darf in Zukunft nicht zu 2 Euro mehr an Steuern führen. ({5}) Zu dieser Situation kommt es durch eine überproportionale Steigerung der Steuerbelastung. Dieser Automatismus, der zu immer höheren Steuereinnahmen aufgrund prozentual immer höherer Steuerbelastungen führt, wird von uns nach dem Prinzip „Mehr netto vom Brutto“ gebremst werden. ({6}) Soweit progressionsbedingte Steuermehrbelastungen auf rein nominalen Einkommenssteigerungen beruhen, mit denen lediglich die Preissteigerungsraten im Zeitraum zwischen 2010 und 2012 ausgeglichen werden, sollen sie durch eine gezielte Tarifsenkung zurückgenommen werden. Zum 1. Januar 2013 soll der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer angehoben und der Steuertarif nach rechts verschoben werden. Zudem soll der Tarif alle zwei Jahre an die Entwicklung der kalten Progression angepasst werden, danach sollen entsprechende Tarifkorrekturen vorgenommen werden. So sieht dieses Konzept aus. ({7}) Sie behaupten, dass es keine Inflation und daher keine Notwendigkeit für einen Inflationsausgleich gibt. Das klingt nach Ihrem Weltökonomen Helmut Schmidt, den Sie heute oft zitieren. Mir ist noch bekannt, dass ihm 6 Prozent Inflation lieber waren als 6 Prozent Arbeitslosigkeit. Wie wir wissen, hat er beides bekommen. Das ist Ihre Ökonomie. Wir haben eine Entlastung und kein Modell zum Abkassieren vor. ({8}) Niemand soll hier verunsichert werden. ({9}) Unser Konzept führt für alle Steuerzahler zu mehr Steuergerechtigkeit. Die Opposition - das muss man deutlich machen - hat letzten Endes vor, dem Steuerzahler möglichst viel Geld abzunehmen. Das heißt, Sie pflegen den unersättlichen Staat. Sie wissen gar nicht, dass es uns nicht um Steuergeschenke geht. Das Geld gehört zunächst den arbeitenden Menschen in Deutschland. ({10}) Sie aber verteilen das Geld schon jetzt. Das ist Ihre Philosophie. ({11}) Niemand wird von uns verunsichert. Es ist aber so: Die Opposition ist für heimliche Steuererhöhungen. Sie fordern Lohnerhöhungen, wollen aber für Ihre Staatsideologie Geld einnehmen. Das ist die Situation. ({12}) Staatsbeglückung der sogenannten Gutmenschen nennt man das. Das Geld gehört nicht Ihnen, damit Sie wunderbare politische Ideologie betreiben können. ({13}) Das Geld gehört unseren Bürgerinnen und Bürgern. Sie wissen am besten, was sie damit anfangen können. ({14}) Angesichts Ihres Steuererhöhungsprogrammes wird klar, dass Sie arbeitnehmerfeindlich sind, weil Sie die kalte Progression nicht abschaffen wollen bzw. ersetzen wollen. ({15}) Ihre Steuerpolitik ist auch höchst leistungsfeindlich, insbesondere für die mittelständischen Steuerzahler. Der Spitzensteuersatz für Personengesellschaften soll schon bei 64 000 Euro gelten. Das trifft den Handwerker, der für Investitionen Eigenkapital braucht. Das wollen Sie wegsteuern. Die Erbschaftsteuer wollen Sie erhöhen. Die Vermögensteuer wollen Sie einführen. Diese Programme kann Deutschland nicht brauchen. Das führt zu Verhältnissen wie in Griechenland und zu nichts anderem. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Hinz von der Fraktion der SPD. ({0})

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Volksmund hat fast immer recht, auch in diesem Fall. In dieser Debatte - ich muss es am Anfang doch bringen -, bekommt das Sprichwort - ich schaue in Richtung FDP, Herr Dr. Volk - „Lügen haben kurze Beine“ eine ganz neue Dimension. Was wir hier gerade an Geschichtsklitterung gehört haben, war schon sehr interessant. Die Aktuelle Stunde trägt die Überschrift „Unklare Konzepte der Bundesregierung …“. Diese Überschrift zieht sich in dieser Regierung wie ein roter Faden durch die gesamte bisherige Regierungszeit. Steuererleichterung: Die FDP hat lange um Steuererleichterungen gekämpft. Endlich, endlich knickt die CDU, knicken der Finanzminister und die Kanzlerin ein. Allerdings zahlt die sogenannten Steuererleichterungen der Steuerzahler. (Dr. Daniel Volk ({0}): Was ist denn zum 1. Januar 2010 passiert? Der Steuerzahler wird von den Erleichterungen kaum etwas merken. ({1}) Was Sie hier betreiben, ist Augenwischerei. Sie haben permanent davon gesprochen, die kalte Progression abzumildern. Ich habe von Ihnen dazu überhaupt nichts gehört: keine Zahlen, kein tatsächliches Konzept, keine Idee. Es gab nur Oppositionsbeschimpfung. ({2}) Das ist aber kein Problem; denn alle Ihre Ankündigungen wurden innerhalb einer Stunde einkassiert. ({3}) Oder sprechen wir es ruhig aus: Der Rettungsschirm gilt der FDP, und zwar auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger. Dieser Rettungsschirm, der nichts anderes zum Inhalt hat, als den kleinen Koalitionspartner FDP zu retten, zieht die CDU mit in den Abgrund. Ich kann Ihnen versichern: Das wird Ihnen keine Stimme mehr einbringen. ({4}) Wie soll das alles bezahlt werden? Wenn es nach CDU und FDP geht, wird es durch die Bürger, die Kommunen und die Länder finanziert. Das ist von den Kolleginnen und Kollegen schon sehr oft dargestellt worden. Die kleinen Steuergeschenke, die Sie gerade verpacken wollen, werden Kostensteigerungen und Gebührenerhöhungen zur Folge haben. ({5}) Am morgigen Donnerstag werden wir den Gesetzentwurf zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen beraten und verabschieden. Ist das nicht grotesk? Morgen wollen wir die kommunalen Finanzen stärken, und heute nehmen wir den Kommunen das Geld weg. Herzlichen Glückwunsch, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP und der CDU/CSU! ({6}) Auf dem sogenannten Gipfeltreffen der Koalition haben Sie beschlossen, weitere Milliarden Euro für Infrastruktur, Gesundheit und Pflege auszugeben. Es war vom Koalitionsvertrag die Rede. Ich würde eher von einem Letter of Intent, einer beabsichtigten Vereinbarung zu weiteren Projektgruppen und Arbeitsgruppen, sprechen; denn mehr ist es definitiv nicht. ({7}) Wo sind denn Ihre klaren Prioritäten? Wo ist Ihre Linie? Sie haben nichts als Kostensteigerungen vor. Von Haushaltskonsolidierung ist nicht die Rede. Die Frage der Neuverschuldung haben Sie schon gar nicht mehr im Griff. Wie sollen die ganzen Mindereinnahmen kompensiert werden? Kommen wir auf die Steuergeschenke zurück. ({8}) Schuldenfinanzierte Steuergeschenke sind unverantwortlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierung. ({9}) Allein in Nordrhein-Westfalen - Sie haben es bereits angesprochen, Herr Kollege - geht es um 700 Millionen Euro. ({10}) Petra Hinz ({11}) - Wenn wir schon immer wieder über Geschichte reden: Wer war denn dort fünf Jahre in der Verantwortung? Waren das nicht CDU und FDP? ({12}) Die sogenannten Steuergeschenke werden das Land Nordrhein-Westfalen 700 Millionen Euro an Mindereinnahmen kosten. Damit sind das Geschenke auf Pump. Aber vielleicht greifen Sie wieder in die Trickkiste und erkaufen die Zustimmung im Bundesrat, der schließlich auch zustimmen muss. Was sagen die B-Länder, also die CDU/CSU- und - die FDP gibt es ja auch noch - FDP-geführten Bundesländer? Wir sagen: Steuersenkungen, also Mindereinnahmen, müssen durch eine stärkere Belastung der Reichen über den Spitzensteuersatz ausgeglichen werden. Was aber sagen die CDU-Ministerpräsidenten? Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sagt ganz klar, dass er keinen Spielraum für Steuersenkungen sieht. Ich zitiere den Ministerpräsidenten: „Steuersenkungen zulasten der Landeskasse können wir uns als Konsolidierungsland nicht erlauben.“ ({13}) Ich könnte noch weitere Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten anführen. Alle Ihre Kollegen schreiben Ihnen ins Stammbuch, dass diese Steuersenkung auf Kosten der Länder und der Kommunen erfolgt. Es bleibt bei Ankündigungen. Auch auf Anfrage im Finanzausschuss bleibt die Steuerpolitik der schwarzgelben Regierungskoalition unklar und chaotisch. Sowohl in der Steuerpolitik als auch bei anderen finanzpolitischen Themen ist Schwarz-Gelb offensichtlich zerstritten. ({14}) Es gibt kein Konzept, sondern, wie gesagt, maximal einen Letter of Intent. Niemand weiß, woran er in der Steuerpolitik ist. Sie sollten wichtige Weichenstellungen vornehmen. Heute war nichts zur kalten Progression oder zu einem Konzept zu hören. CDU/CSU und FDP sind handlungsunfähig. Ich will auch die Meinungen Dritter zitieren. Die Wirtschaftsforscher stellen der Regierung ein miserables Zeugnis aus. ({15}) Aus Zeitgründen will ich nicht näher darauf eingehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Hinz, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Noch einen Satz. - Nehmen wir zum Beispiel Herrn Weidmann, den Bundesbankpräsidenten. Sie wissen sicherlich noch, dass er vorher als Berater von Bundeskanzlerin Merkel tätig war. Er hat ganz klar gesagt: „Angesichts der Risiken in der Finanzplanung und eines krisenbedingt sehr hohen Schuldenstands muss die Haushaltskonsolidierung Vorrang haben.“ Er spricht sich gegen Steuersenkungsgeschenke aus. Nehmen wir den Finanzminister.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Hinz, kommen Sie bitte jetzt sofort zum Schluss.

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Finanzminister hat deutlich gemacht, dass Ihre Steuergeschenke und vermeintlichen Superentlastungen nicht zu dramatischen Entlastungen führen würden. Das war Ihr Minister. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der Kollege Dr. Mathias Middelberg von der CDU/CSUFraktion das Wort. ({0})

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Da hier eben die kalte Progression angesprochen wurde, sollte man das Problem kurz am praktischen Beispiel erklären. ({0}) Nehmen wir einen Facharbeiter, der ein Jahreseinkommen von 43 000 Euro nach Hause bringt, als Beispiel. Wenn er eine Lohnsteigerung von 2,5 Prozent bekommt, erhält er im nächsten Jahr 44 075 Euro. Weil durch die Steuerprogression die Summe, die er mehr verdient, mit einem höheren Satz besteuert wird, steigert sich seine Steuerlast von 4 644 Euro auf 4 900 Euro. Er zahlt jetzt auch höhere Sozialabgaben. Was ihm netto verbleibt, wird aufgrund der Preissteigerung, der Inflation, weniger wert. Das heißt, seine Kaufkraft wird effektiv geringer. Somit hat der Facharbeiter zwar nominal gut 800 Euro mehr am Jahresende verdient, er und seine Familie haben aber 138 Euro an Kaufkraft verloren. Wir wollen nun diese schleichende Belastung, die durch die Inflation und durch die Steuerprogression entsteht - der Steuertarif belastet die Leute immer stärker -, über die Jahre ausgleichen. Das ist nichts anderes als ein Stück Gerechtigkeit. ({1}) Darum geht es. Es geht nicht darum, dass wir besondere Gruppen dieser Gesellschaft bevorzugen oder entlasten oder bestimmte Gruppen gegeneinander ausspielen wollen. Es geht vielmehr ganz einfach um Gerechtigkeit. ({2}) Wir wollen, dass die Lohnsteigerungen nicht in der Steuerkasse des Staates landen, sondern bei denen ankommen, die sie erwirtschaftet haben. Das sind die Arbeitnehmer in Deutschland. ({3}) Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger und grundlegender Punkt. Es geht um Gerechtigkeit. Deswegen machen wir diese Operation, deswegen halten wir das für richtig. Es ist noch ein anderer Punkt angesprochen worden, der auch mir wichtig ist. Ich glaube, man kann beide Punkte miteinander verbinden - Herr Wissing hat das schon erklärt -: Man kann Steuern in einem moderaten Umfang senken und gleichzeitig die Staatsverschuldung im Griff behalten. ({4}) Wie wichtig das Thema Staatsverschuldung ist, haben wir heute Morgen ausgiebig diskutiert. Es ist jedem in Deutschland und Europa jetzt deutlich geworden, dass Staatsverschuldung gerade für unsere Währung sehr gefährlich ist. Da wir beim Thema Staatsverschuldung sind: Ich bin verwundert, welche Beiträge dazu hier teilweise geleistet wurden, gerade von den Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie. Wenn ich mir die jüngere Entwicklung in Ihrem - ich sage mal - Mustervorzeigeland Nordrhein-Westfalen ansehe, dann stelle ich fest, dass das eine reine Katastrophe ist. Die Regierung dort hat nach ihrem Antritt die Neuverschuldung des Haushalts um 30 Prozent erhöht. Der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof hat den Haushalt 2010 inzwischen für verfassungswidrig erklärt. Die Neuverschuldung des Haushalts steigt von 6,6 Milliarden Euro, die von der Vorgängerregierung vorgesehen waren, um 1,8 Milliarden Euro auf 8,4 Milliarden Euro. Im Endeffekt beträgt die Neuverschuldung nicht so viele Milliarden. ({5}) - Auch wenn man die Mittel für die WestLB herausrechnet, ist das eine Katastrophenbilanz, Frau Hinz. Das ändert sich dadurch nicht. ({6}) Das Problematische ist - hier ist das Stichwort „Sparen“ angesprochen worden -, dass sich im Haushalt kein einziger konkreter Sparvorschlag findet. Es sind nur Positionen mit Mehrausgaben darin. Sie verteilen einfach nur Geld. Sie in Nordrhein-Westfalen verstreuen das Geld der Bürger, Geld, das Sie nicht haben. ({7}) Das hat der Kollege Schick eben sehr richtig gesagt. Das ist eine absolute Katastrophenbilanz: alles auf Pump, kein einziger Sparbeitrag. ({8}) Die Süddeutsche Zeitung - weiß Gott kein CDU-Blatt schreibt dazu, mittlerweile habe sich ein politischer Konsens herausgebildet: … dass man die Neuverschuldung der Haushalte senken muss, sich vorbereiten auf die Schuldenbremse, die im Jahr 2020 kommen wird. In Nordrhein-Westfalen geht man den umgekehrten Weg, man macht mehr Schulden als jemals zuvor. Der Spiegel hat kommentiert: „Alle sparen, nur die Neue nicht.“ Gemeint war Frau Kraft, Ihre Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen. Das markiert den Unterschied zwischen unserer von CDU/CSU und FDP geführten Bundesregierung und Ihrer von SPD und Grünen geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. ({9}) Ich glaube, dass die Menschen mit dieser Bundesregierung ziemlich gut dran sind. Wie erwähnt worden ist, sind wir von 5 Millionen auf weniger als 3 Millionen Arbeitslose heruntergekommen. ({10}) Das ist im Grunde genommen schon der wichtigste Bilanzpunkt. Wir hatten im vergangenen Jahr 3,6 Prozent Wachstum; in diesem Jahr sind es 2,8 Prozent. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit seit 20 Jahren in diesem Land und kommen jetzt auch deutlich damit voran, endlich die Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen. Man kann zwar manches an der Art der Darstellung dieser Regierung kritisieren. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass auch ich mir manche Optimierung in der Performance nach außen wünsche. Was die Resultate und die Fakten angeht, können die Bürger in diesem Land sich im Moment aber keine solidere, vernünftigere und bessere Regierung vorstellen. Vielen Dank. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Vereinbarte Debatte 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei ({0}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin Frau Professor Dr. Maria Böhmer für die Bundesregierung das Wort. ({1})

Not found (Gast)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Almanya“ hieß der Traum von einem besseren Leben. Allein zwischen 1961 und 1972 kamen 750 000 türkische Männer und Frauen in die Bundesrepublik. Sie wurden hier dringend als Arbeitskräfte gesucht. Mit ihrem unermüdlichen Einsatz haben diese Gastarbeiter maßgeblich zum Wohlstand unseres Landes beigetragen. Dafür danken wir ihnen sehr herzlich. ({0}) Für die Türkei war das Anwerbeabkommen ohne Zweifel ebenfalls ein Gewinn. Mit ihrem in Deutschland verdienten Geld unterstützten die Gastarbeiter ihre Familie. Das trug zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Türkei bei. Was als Aufenthalt auf Zeit geplant war - zunächst für zwei Jahre -, wurde für viele Menschen ein Bleiben für immer. Heute leben viele schon in der dritten, ja in der vierten Generation hier. Sie sind Teil unserer Gesellschaft. Deutschland ist ihre Heimat geworden. 50 Jahre Anwerbeabkommen - das bietet Anlass, innezuhalten und den Blick nach vorne zu richten. In den letzten Jahren hat sich die Bundesregierung mit aller Kraft für eine bessere Integration eingesetzt. Wir wollen Migranten die gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen. Und wir wollen den Zusammenhalt in unserem Land stärken. Das ist angesichts der wachsenden Vielfalt in unserer Bevölkerung unverzichtbar. ({1}) Im Deutschen Bundestag gibt es einen breiten Konsens darüber, dass Integration eine Schlüsselaufgabe für unser Land ist. Wir haben in der Integrationspolitik bewusst umgesteuert. Integration muss gezielt gefördert werden, aber sie muss auch gefordert werden. Integration kann nur gelingen, wenn wir mit den Migranten sprechen und nicht über sie. Deshalb habe ich von Anfang an die Migranten und Migrantinnen und die gesellschaftlichen Gruppen an einen Tisch geholt. Das hat sich bewährt. Wir sind vorangekommen. Gerade bei türkischstämmigen Migranten lohnt sich ein differenzierter Blick. Viele haben sich hier erfolgreich eine Existenz aufgebaut - als Unternehmer, als Selbstständige. Beispiele gelungener Integration gibt es auch in anderen Bereichen. Sie sind ein Vorbild dafür, dass man es schaffen kann, dass der Aufstieg in unserem Land gelingt. Damit Zuwanderer die Chancen in unserem Land voll nutzen können, müssen sie die deutsche Sprache gut beherrschen. Darüber gibt es zum Glück keinen Streit mehr. Mit den Integrationskursen haben wir eine wirkliche Erfolgsgeschichte geschrieben. Aber das reicht nicht. Wir müssen von der nachholenden zur vorbereitenden Integration kommen. Für die Sprachförderung heißt das, wir müssen so früh wie möglich ansetzen: beim Spracherwerb im Herkunftsland und hier in Deutschland in den Kindergärten. Die PISA-Ergebnisse belegen, dass es vor allem bei Jugendlichen aus Zuwandererfamilien einen klaren Aufwärtstrend bei Bildung und Ausbildung gibt. Wir sind auf dem richtigen Weg. Aber noch immer gibt es großen Nachholbedarf bei den drei Großbaustellen: Sprache, Bildung und Ausbildung sowie Arbeitsmarkt. Das 50-jährige Jubiläum des Anwerbeabkommens bietet die Chance, ein neues Kapitel in der Integration aufzuschlagen. Erstens. Wir wollen mehr Verbindlichkeit. Dafür steht meine Initiative der individuellen Integrationsvereinbarungen. Dafür steht der Nationale Aktionsplan. Und dafür steht das Gesetz zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Mit dem Anerkennungsgesetz erhalten erstmals alle Migranten einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren. Viele Migranten aus der Türkei haben sehnsüchtig darauf gewartet. Das Gesetz bedeutet aber weit mehr als die Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Die Lebensleistung von Migranten wird anerkannt und wertgeschätzt. Es ist ein Meilenstein in der Integration und Teil unserer neuen Willkommenskultur. ({2}) Ich appelliere deshalb an die SPD, den Gesetzentwurf im Bundesrat zügig zu verabschieden. Blockieren Sie ihn nicht! Das haben die Menschen nicht verdient. ({3}) Zweitens. Es kommt darauf an, Zuwanderer von Anfang an und konsequent dabei zu unterstützen, in unserem Land anzukommen. Vor wenigen Tagen erklärte der Minister für die Auslandstürken: Menschen, die Deutsch wie ihre Muttersprache, Türkisch jedoch wie eine Fremdsprache sprechen, sind Ausdruck der Assimilation. Das dient nicht der Integration. Wir brauchen von der türkischen Regierung die klare Botschaft, die vielen Migranten ihre innere Zerrissenheit nimmt: Engagiert euch mit ganzer Kraft in unserem Land! Sagt Ja zu Deutschland! Es ist eure neue Heimat. Gestern habe ich die Preisträger des von mir initiierten Wettbewerbs „Heimat Almanya - Zeig uns Dein Deutschland“ ausgezeichnet. Viele junge Leute haben mitgemacht. Wir haben sie gefragt: Wie fühlt es sich an, als junge Migrantin oder junger Migrant in Deutschland zu leben? Was bedeutet Heimat, wenn man selbst in Berlin, Frankfurt oder Leipzig geboren ist, die Eltern aber aus Trabzon, Istanbul oder Gaziantep stammen? Wo fühlt ihr euch zu Hause? - Die Jugendlichen haben uns ihre Antwort gegeben: Heimat ist da, wo man sich wohlfühlt. - Das ist so in ihrem Deutschland, in unserem gemeinsamen Deutschland. Mit gemeinsamen Geschichten stärken wir das Wirgefühl. Aus vielen einzelnen Geschichten entsteht eine gemeinsame Geschichte. Es ist die Geschichte unserer Zukunft. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Aydan Özoğuz von der SPD-Fraktion. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Professorin Böhmer, ich finde, wir sollten diese Debatte nutzen, um an die zu erinnern, die damals zu uns gekommen sind. Mir mutet ein bisschen befremdlich an, dass Sie uns zurufen, wir sollten dem Gesetz zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen zustimmen und es nicht blockieren. Sie und Ihre Kollegen waren es doch bisher, die das Ganze verschleppt haben. Wir fordern schon seit langem ein solches Gesetz. Das war ein eigenartiger Zuruf, der nicht in diese Debatte passt. ({0}) Ein Teil deutscher Geschichte liest sich so: In München holten sie uns in einen großen Raum. Jeder von uns hatte eine Startnummer bekommen, ich hatte die Nummer 311, und jetzt drückte man uns einen Zettel in die Hand, auf dem das Ziel stand, wo wir hinfahren sollten. Die anderen Türken waren immer in Gruppen, zu viert oder zu fünft, und ich war die Einzige, die alleine war. Auf meinem Zettel stand Uelzen. … In meinem Abteil fand ich einen Plan, den blätterte ich durch und schaute nach dem Namen „Uelzen“. Das war das Einzige, was ich verstanden hatte. Ich werde in Uelzen arbeiten. Nermin Özdil kam im März 1973 nach Deutschland. Sie war damals eine von mittlerweile 600 000 Menschen, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren. Sie arbeitete in einer Stoßdämpferfabrik und in einer Schneiderfirma in unserem Land, und dies einige Jahrzehnte. Das Abkommen, über das wir sprechen, jährt sich, wie erwähnt, zum 50. Mal. Die Türkei war nach Italien als erstem Land, 1955, Griechenland und Spanien das vierte Land, mit dem ein solches Anwerbeabkommen geschlossen wurde. Im ersten Jahr, also 1962 - ich denke, auch an so etwas sollte man sich erinnern -, kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp 18 000 Türken nach Deutschland. Eine solche Zahl - 18 000 - mutet heute fast ein bisschen niedlich an. Es waren oft harte Tätigkeiten, für die in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs keine einheimischen Arbeitskräfte gefunden werden konnten. Es ist diesen Menschen nicht allzu oft für das gedankt worden - ich fand sehr schön an der Rede von Professor Böhmer, dass sie es getan hat -, was sie für Deutschland getan haben. Das vielzitierte Wirtschaftswunder Deutschlands wäre nämlich ohne ihre Mithilfe sicherlich nicht vollendet worden. ({1}) Deswegen danke ich ihnen sehr und drücke im Namen der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten meine Anerkennung aus. Viele dieser ersten Gastarbeiter sind inzwischen verstorben; auch Nermin Özdil, von der ich berichtete - sie hat mir einmal ihre Geschichte erzählt -, lebt nicht mehr. Die meisten haben ihre Geschichten leider nie erzählt, häufig nicht einmal den eigenen Kindern. Daher ist es so wertvoll, dass in den vergangenen Jahren Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Regisseurinnen und Regisseure, Journalistinnen und Journalisten recherchiert und dokumentiert haben. Einer der größten Erfolge war der Film Almanya der Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli, mit dem sie ein größeres Publikum erreicht haben. Ich glaube, sie haben ihrem Publikum das nahegebracht, was der vielzitierte Satz von Max Frisch: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“, wirklich bedeutet. Meines Erachtens wurde dieser Teil der deutsch-türkischen Lebensgeschichten zu wenig dokumentiert. Vielleicht ist das eine Anregung, es doch mehr zu tun. Die größte Zuwanderungswelle erlebte die Bundesrepublik im Jahr 1973. Die Arbeitsmigranten übernahmen Jobs als un- oder angelernte Arbeiter in der Landwirtschaft, auf dem Bau, in der Stahl- und Automobilindustrie sowie im Bergbau. Interessanterweise wird meistens nur der Bergbau erwähnt; aber es war ein breiteres Feld. Die Arbeitsmigranten wurden meist in Wohnbaracken untergebracht. Die ursprünglich geplante maximale Aufenthaltsdauer von zwei Jahren wurde dann entfristet, weil es die Arbeitgeber hier in Deutschland waren, die nicht damit einverstanden waren, die Leute anzulernen und sie nach zwei Jahren wieder wegzuschicken, um neue Arbeitskräfte zu bekommen. Diese Arbeitgeber haben damals dafür gesorgt, dass das Rotationsprinzip aufgegeben wurde. Meine Eltern waren keine Gastarbeiter. Sie waren Unternehmer. Sie kamen schon in den 50er-Jahren immer wieder nach Deutschland. Sie haben dieses Land häufig besucht, bevor sie hierher siedelten, und sie gehörten damit zu den ungefähr 7 000 türkischen Staatsbürgern, die schon vor der Anwerbung von Gastarbeitern hier waren. Auch in den 70er- und 80er-Jahren sind Menschen aus vollkommen unterschiedlichen Beweggründen hierhergekommen, meist im Familiennachzug, wie wir wissen, als Studenten, als Flüchtlinge. Die Differenziertheit von Lebensentwürfen zu verstehen und diese nicht pauschal über ethnische Herkünfte oder gar über Religionszugehörigkeiten zu definieren, das sehe ich als eine der ganz großen Aufgaben für unsere Zukunft an; denn das schaffen wir bisher irgendwie noch nicht. Johannes Rau sagte im Jahr 2000 - Zitat -: Wir brauchen einen breiten Konsens über Integration und Zuwanderung. Das ist schon elf Jahre her. Darum bitte ich alle, die in unserer Gesellschaft Auftrag und Stimme haben: Streiten Sie über den besten Weg zu diesem Ziel. Aber so, dass weder Angst geschürt noch Illusionen geweckt werden. Dieses Ziel haben wir noch nicht erreicht, besonders was das Erste angeht. Leider wird häufig mit dem Schüren von Ängsten gearbeitet, wenn es um Integration geht. ({2}) Politisch ist für eine Kultur der Anerkennung und als starkes Signal gerade für das deutsch-türkische Zusammenleben der Schritt hin zu echter doppelter Staatsangehörigkeit für uns Sozialdemokraten längst überfällig. ({3}) Ich glaube, das haben sich gerade die Älteren lange für ihre Kinder gewünscht. Es ist schon ein Armutszeugnis, dass das 50 Jahre nach Abschluss des Anwerbeabkommens immer noch nicht möglich ist; die Reaktionen aus der Union zeigen, an wem es liegt. Es ist schade, dass einst Zugewanderte, die mittlerweile im Rentenalter sind, einen Einbürgerungstest durchlaufen sollen, in dem sie solche Fragen beantworten sollen wie die, welche Ausländer in der DDR gelebt haben oder was behördlich zu tun ist, wenn man einen Hund verschenken möchte. Ich glaube, das könnten wir uns so langsam sparen. ({4}) Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Die Aufgabe, die 56 Jahre nach der ersten Anwerbung von Gastarbeitern und 50 Jahre nach Abschluss dieses deutschtürkischen Abkommens vor uns liegt, heißt: Wie wachsen wir zu einer solidarischen und starken Gesellschaft zusammen? Ich ende mit einem Satz von Johannes Rau: Es kommt nicht auf die Herkunft des Einzelnen an, sondern darauf, dass wir gemeinsam die Zukunft gewinnen. Danke schön. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Serkan Tören von der FDPFraktion. ({0})

Serkan Tören (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004177, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 30. Oktober 1961 markiert, geschichtlich betrachtet, den Beginn der Arbeitsmigration in die Bundesrepublik Deutschland. An diesem Tag wurde das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei unterschrieben. Zu diesem Jahrestag gibt es unterschiedlichste Veranstaltungen. Mit dem Kollegen Marco Buschmann, der hier rechts sitzt, haben wir uns Gedanken darüber gemacht, was wir anlässlich dieses Tages aus dem Parlament heraus machen können. Ich bin froh darüber, dass wir uns auf diesen Tagesordnungspunkt heute verständigt haben. Rund 2,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben in Deutschland. Knapp 1 Million davon sind mittlerweile deutsche Staatsangehörige. In den 60er-Jahren wurden Menschen aus der Türkei eingeladen, um hier zu arbeiten. Sie waren tätig in der Schwerindustrie, im Bergbau unter Tage und in der Stahlindustrie. Die türkischen Migranten der ersten Stunde haben unser Land mit aufgebaut und unseren Wohlstand mit begründet. ({0}) Diese Menschen haben Offenheit bewiesen. Sie hatten Durchhaltevermögen, sie hatten Leidenschaft und viel Mut. Danke, dass Sie gekommen sind, sich mit Ihrem Fleiß und Ihrer Kraft für unser Land eingesetzt haben, und danke, dass Sie auch geblieben sind! ({1}) Zur aktuellen Situation muss man natürlich auch das erwähnen, was vielleicht nicht so gut funktioniert hat. Beispielsweise haben 38 Prozent der Jugendlichen türkischer Herkunft keine Ausbildung. Mit 21 Prozent sind türkischstämmige Männer am häufigsten von Arbeitslosigkeit betroffen. Aber es gibt auch viele positive Entwicklungen, die leider allzu oft unter den Tisch fallen. So machen aktuell rund 23 Prozent der Frauen türkischer Herkunft das Abitur - gegenüber 18 Prozent der Gesamtgruppe. Im Zeitraum von 1980 bis 1996 nahm die Gesamtzahl türkischer Studentinnen um das 9,5-Fache zu. Viele türkischstämmige Migranten nutzen seit langem die wirtschaftlichen Chancen der Selbstständigkeit, die sich hier in Deutschland bieten. Im Großen und Ganzen, so muss man sagen, ist die Zuwanderung aus der Türkei eine Erfolgsgeschichte für uns alle. ({2}) Daran anknüpfend müssen wir in die Zukunft schauen. Unser Ziel ist ein erfolgreiches Miteinander. Dazu müsAydan ÖzoðuzAydan Özoğuz sen alle mitwirken: einheimische und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Mit Blick auf die Türkei heißt es: Umdenken! Deutschland braucht qualifizierte Zuwanderer, und das ist keine Frage von Hautfarbe oder Religion. Die Türkei ist nicht nur als Handelspartner von immenser Bedeutung für Deutschland; dort gibt es auch ein zunehmendes Fachkräftepotenzial. Das Bildungsniveau steigt stetig an. Viele gut ausgebildete junge Menschen haben Beziehungen zu Deutschland, sind vielleicht sogar mit der Sprache vertraut. Hieran sollten wir anknüpfen und mit Leidenschaft, Mut, Einsatz und Offenheit diese Erfolgsgeschichte deutsch-türkischer Beziehungen fortschreiben. Leidenschaft, Mut, Einsatz und Offenheit, das sind die Eigenschaften, die Einwanderer und Einheimische auch im Jahr 2011 brauchen, um gemeinsam erfolgreich und friedlich miteinander zu leben. Vielen Dank. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann von der Fraktion Die Linke. ({0})

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland spricht man gern von deutschen Tugenden. Man spricht auch gern vom deutschen Wirtschaftswunder oder von Deutschland als Exportweltmeister. Allzu oft vergisst man dabei, dass die Hebung der Bundesrepublik Deutschland aus den Ruinen des Zweiten Weltkrieges und das Fundament der wirtschaftlichen Entwicklungen der Nachkriegsjahre von Menschenhand erarbeitet wurden, von Menschen, die noch heute oft nicht an den Früchten ihrer Arbeit teilhaben dürfen. 50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen - da ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Diese Bilanz stellt die Feierlaune gerade aufseiten der bisherigen Bundesregierungen erheblich infrage. Denn wenn die Einwanderung aus der Türkei als Erfolgsgeschichte dargestellt werden kann, dann nicht wegen, sondern trotz der herrschenden Migrations- und Integrationspolitik. ({0}) Deshalb möchte ich im Namen der Fraktion Die Linke den vielen türkischen Migrantinnen und Migranten für ihre Lebensleistung danken, mit der sie maßgeblich mitgeholfen haben, ein Wohlfahrts- und Sozialstaatsmodell aufzubauen. ({1}) Die daraus erwachsenen sozialen Mindestsicherungen haben ihnen die Bundesregierungen aber gezielt vorenthalten. Am 23. Januar 1971 hieß es im Handelsblatt: Der nicht integrierte, auf sehr niedrigem Lebensstandard vegetierende Gastarbeiter verursacht relativ geringe Kosten von vielleicht 30 000 DM. Bei Vollintegration muß jedoch eine Inanspruchnahme der Infrastruktur von 150 000 bis 200 000 DM je Arbeitnehmer angesetzt werden. Hier beginnen die politischen Aspekte des Gastarbeiterproblems. Jahrzehntelang basierte die offizielle Politik der Bundesregierungen darauf, den Betroffenen politische und soziale Rechte zu verweigern: Integrationshilfen oder Sprachkursangebote - Fehlanzeige; stattdessen Ausweisungsdrohungen und sogenannte Rückkehrförderung. 1988 legte der damalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann von der CSU einen Gesetzentwurf vor, wonach ein Ausländer, der sich gut integriert hat, die Aufenthaltserlaubnis verliert. Die Begründung war, dass er durch seine Integration zeige, dass er nicht rückkehrwillig sei. Das ist völlig unverständlich. ({2}) Wenn auch heute gerade türkische Migrantinnen und Migranten überdurchschnittlich oft keinen Schul- und Berufsabschluss haben - das haben wir vorhin schon gehört -, dann ist dies nicht zuletzt auch eine Folge von 50 Jahren Diskriminierung und Dequalifizierung. Rolf Weber von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände brachte es 1971 im Spiegel auf den Punkt: Kein deutscher Arbeitgeber beschäftigt Ausländer, um damit Bildungs- oder Entwicklungspolitik zu betreiben. In erster Linie interessiert ihn die Arbeitskraft und was sie für den betrieblichen Produktionsprozeß zu leisten imstande ist. Auch die Bundesregierungen hatten an sozial- und bildungspolitischen Angeboten für die Migrantinnen und Migranten keinerlei Interesse - als hätte sich seit 1912 nichts geändert. Am 23. Februar 1912 sagte Karl Liebknecht im Deutschen Reichstag: Sie wollen die ausländischen Arbeiter in Deutschland, aber sie sollen in Deutschland Sklaven sein … Meine Damen und Herren, die aktuellen Zahlen vom Statistischen Bundesamt zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut kommen einer Bankrotterklärung der unsozialen Politik der letzten Jahrzehnte durch Konservative und Liberale, aber auch durch Sozialdemokraten und Grüne gleich. Diese trifft die Migranten aufgrund der rechtlichen Benachteiligung und strukturellen Diskriminierung in besonderem Maße. Aber auch Berichte der Bundesregierung wie der 8. Lagebericht, der Migrationsbericht, das Working Paper 36 „Migranten am Arbeitsmarkt in Deutschland“ und andere zeigen die Folgen von Ausgrenzung und Diskriminierung. Obwohl die wesentlichen Handlungsfelder und die Knackpunkte seit Jahrzehnten bekannt sind, hat sich im Leben der meisten Migranten kaum etwas bis gar nichts verändert. Wie auch? Der Bundesregierung geht es gar nicht um die soziale Integration. Sonst würde sie dafür sorgen, dass das vorhandene Geld in massive Ausbildungs-, Bildungs- und Arbeitsmarktförderung fließt ({3}) statt in milliardenschwere Bankenrettungspakete. Keine gute Nachricht also zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens. Der Bundesregierung sind die Rechte türkischer Staatsangehöriger egal. Auf diese kurze Formel lässt sich die Politik der Regierung gegenüber türkischen Migrantinnen und Migranten bringen. Will sie dies ändern, müssen Ausgrenzung und Diskriminierung endlich ein Ende haben. Danke schön. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Memet Kilic von Bündnis 90/Die Grünen.

Memet Kilic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004069, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße sehr, dass wir den 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens im Plenum des Deutschen Bundestags mit einer besonderen Veranstaltung würdigen. Obwohl wir mutig nach vorne schauen können, liebe Frau Böhmer, muss zu diesem Anlass auch ein kritischer Blick auf die Integrationspolitik erlaubt sein. Als türkischstämmiger Bundestagsabgeordneter erlaube ich mir, sowohl als Einwanderer, aber auch als Repräsentant des deutschen Volkes zu sprechen. Ich möchte gleich am Anfang meiner Rede festhalten, dass es viele gute Gründe gibt, trotz aller Schwierigkeiten, die wir gemeinsam erlebt haben, uns gegenseitig Dank auszusprechen. Die Einwanderinnen und Einwanderer aus der Türkei haben ihre Jugend und Gesundheit in den Aufbau und Ausbau unseres Landes investiert, haben unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet und ungeliebte Tätigkeiten ausgeübt, für die sie keine hohen Löhne erhalten haben. Wir bedanken uns für den Fleiß und die Bescheidenheit der türkischen Einwanderer der ersten Generation und für ihre hervorragenden Leistungen: Danke. ({0}) Immer wieder gab es in Krisensituationen Schuldzuweisungen gegen Einwanderer. Sie wurden zu Sündenböcken der unfähigen Politik gemacht. Im November 1973 wurde die Anwerbestoppverordnung erlassen. Ende der 70er-Jahre überboten sich CDU/CSU und SPD bei der Das-Boot-ist-voll-Politik nach dem Motto: Wer geht härter gegen Einwanderer vor? 1982 sagte Helmut Schmidt gegenüber der Zeit: Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze. - Acht Jahre später kam Memet Kilic über die Grenze. 1983 wurde das sogenannte Rückkehrförderungsgesetz verabschiedet, um älter gewordene Einwanderer loszuwerden. Nach der Wiedervereinigung nahm die Das-Boot-ist-voll-Politik überhand. Die Folgen waren verheerend. In Rostock, Hoyerswerda und Lichtenhagen wurden Flüchtlingsheime in Brand gesteckt. In Mölln und Solingen wurden türkischstämmige Immigranten verbrannt. - Dies sind die Schattenseiten, die neben den prekären Lebenssituationen wie den alltäglichen Diskriminierungen den Einwanderern in Deutschland das Leben schwer gemacht haben. Dafür muss man sich entschuldigen. Als es in der Türkei 1971 und 1980 zu Militärputschen kam, haben viele politisch Verfolgte in Deutschland Schutz für sich und ihre Kinder gefunden. Dafür muss man sich bedanken. Viele Menschen haben eine Arbeitsstelle gefunden. Herzlichen Dank dafür. Im Jahr 2000 wurde die sogenannte Kinderstaatsangehörigkeit eingeführt, damit die Kinder von Einwanderern, die in der dritten und vierten Generation in unserem Land geboren werden, nicht als Ausländer, sondern als Staatsbürger unseres Landes aufwachsen können. Herzlichen Dank dafür. ({1}) Wir müssen aus der Vergangenheit lernen und mutig in die Zukunft schauen. Es gibt noch Baustellen, die dringend angepackt werden müssen. In erster Linie muss unser Bildungssystem so ausgestaltet werden, dass die Schulerfolge der Kinder weder vom Portemonnaie noch von der Herkunft ihrer Eltern abhängen. Des Weiteren müssen Einbürgerungen unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit erleichtert und das kommunale Wahlrecht auch auf Nicht-EU-Bürger erweitert werden. Dies hat schon der erste Ausländerbeauftragte, Heinz Kühn, gefordert. Es ist ein Armutszeugnis für die Politik, dass das Heinz-Kühn-Memorandum nach 32 Jahren immer noch auf dieselben offenen Baustellen hinweist. ({2}) Schließlich muss Deutschland die europarechtlichen Vorgaben beachten. Das bedeutet zum einen Visafreiheit für türkische Staatsangehörige. Das bedeutet zum anderen, dass Deutschkenntnisse nicht mehr zur Bedingung für den Ehegattennachzug gemacht werden dürfen. Ein gutes Miteinander ist von allen Seiten gewünscht. Dies erfordert aber auch ein entsprechendes gesellschaftliches Klima. Wir brauchen endlich - nach mehr als 50 Jahren Anwerbeabkommen - ein Wirgefühl. Wir können unsere Schwierigkeiten gemeinsam in die Hand nehmen und bewältigen. Wir sind eine Gesellschaft. Unser Schicksal ist untrennbar mit dem Schicksal unseres schönen Landes, der Bundesrepublik Deutschland, verbunden. Deutschland ist auch unser Land. Als Einwanderer stehen wir dazu, und als Deutsche finden wir das gut. Bitte mehr Mut und Optimismus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen herzlichen Dank. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Reinhard Grindel von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens mit der Türkei ist auch für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein guter Anlass, den positiven Beitrag zu würdigen, den unsere türkischen Mitbürger zum wirtschaftlichen, aber auch sozialen Wohlstand in unserem Land geleistet haben. Frau Özoğuz hat die unterschiedlichen Wege und die unterschiedlichen Gruppen von türkischen Mitbürgern beschrieben, die zu uns gekommen sind. Es ist wahr: Darunter gibt es auch Flüchtlinge, die bei uns geblieben sind, obwohl sie vielleicht kein Recht dazu gehabt haben. Aber das ist eben nicht die Mehrheit. Die Mehrheit ist zu uns gekommen, weil wir sie - und damit auch ihre Familien - zu uns geholt haben. Es ist richtig, dass diese Menschen oftmals Arbeiten verrichtet haben, für die sich keine deutschen Arbeitnehmer gefunden haben. Deshalb sage ich: Auch für unsere Fraktion ist dieser Jahrestag Anlass zur Dankbarkeit gegenüber unseren türkischen Mitbürgern. ({0}) Zu Recht werden in diesen Tagen viele erfolgreiche Zuwanderungsgeschichten in den Medien erzählt. Das zeigt auch, welche große Bedeutung eine gute berufliche Perspektive für eine erfolgreiche Integration hat. Gleichzeitig hören wir von einer wachsenden Zahl junger Türkinnen und Türken, die unser Land auch deshalb verlassen, weil sie - wahrscheinlich zu Recht - den Eindruck haben, dass sie wegen ihres Migrationshintergrundes nicht die beruflichen Chancen bekommen, die sie aufgrund ihrer Ausbildung verdienen. Deswegen will ich mit allem gebotenen Nachdruck festhalten: Wir müssen begreifen, dass wir uns nicht allein deshalb für Integration einsetzen, weil wir eine soziale Verantwortung gerade gegenüber den nachfolgenden Generationen der türkischen Arbeitnehmer haben, die vor 50 Jahren angeworben wurden; sondern im Kern geht es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Es ist unser ureigenstes Interesse - gerade angesichts der demografischen Entwicklung -, dass alle ausländischen Mitbürger in unserem Land eine gute Perspektive haben, weil nur so unser Land eine gute Perspektive haben wird. Mein Appell geht deshalb insbesondere an die vielen türkischen Unternehmer, die es in Deutschland geschafft haben: Sorgen Sie dafür, dass auch andere es schaffen! Es ist so, dass die Ausbildungsquote bei den Unternehmen, die von türkischen Mitbürgern geleitet werden, leider unter dem Durchschnitt liegt. Das muss besser werden. Es muss mehr ausgebildet werden. Das Thema Integration steht heute ganz oben auf der politischen Agenda. Der Vorwurf ist berechtigt, dass das viele Jahre - um nicht zu sagen: Jahrzehnte - nicht der Fall war. Viele Deutsche gingen von einem nur vorübergehenden Aufenthalt aus. Aber auch viele unserer türkischen Mitbürger haben das lange Zeit so gesehen. Ich kann mich entsinnen - mein Kollege Franz Josef Jung hat eben daran erinnert -, dass die Bemühungen, in den Schulen intensiv Deutschkenntnisse zu vermitteln, von unterschiedlichen politischen Gruppen als Zwangsgermanisierung angesehen wurden und es manchmal noch zum Konzept gehörte, den Jüngeren zu sagen: Bewahrt doch die Heimatsprache! Jetzt hat das Thema Integration eine neue Dynamik erfahren. Die Integrationsbeauftragte, Staatsministerin Böhmer, hat zu Recht darauf hingewiesen. Ich glaube, es war richtig, dieses Amt dem Bundeskanzleramt zuzuordnen. Damit haben wir deutlich gemacht: Integration ist für uns eine Querschnittsaufgabe; es ist aber auch Chefsache. Es wurden wichtige Themen angegangen: die Integrationskurse und das Gesetz zur Anerkennung von Abschlüssen, mit dem wir die Qualifikationsschätze unserer ausländischen Mitbürger heben wollen. Das sind ganz konkrete Maßnahmen, mit denen wir den Menschen vonseiten des Bundes wirklich helfen wollen. Frau Özoğuz, Sie haben als einzige Forderung das Thema doppelte Staatsbürgerschaft angesprochen. Das hat mich deshalb überrascht, weil Ihr Förderer, der Parteivorsitzende Gabriel, nach einem unwidersprochenen Bericht der FAZ am Montag im SPD-Präsidium gefragt hat, ob die Neuauflage der Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft nicht reichlich rückwärtsgewandt sei. ({1}) Er ging noch weiter. Er hat erklärt, die SPD habe zu lange ein paternalistisches Verhältnis zu den Migranten gepflegt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo Herr Gabriel recht hat, hat er recht. ({2}) Es war die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu Integrationsgipfeln in das Kanzleramt eingeladen hat, wo ich finde, das ist ein wichtiger Ansatz - nicht über die, sondern ganz bewusst mit den Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert wurde. Wir haben immer wieder junge Migranten - Sie haben das in Ihrer Regierungszeit nicht gemacht - zu Diskussionen im Kanzleramt über ihre Lebensperspektiven in unserem Land eingeladen, auch um ein deutliches Signal zu setzen, dass wir nicht über sie, sondern mit ihnen reden wollen. Wir wollten damit gerade auch für jüngere Migranten, die aufgrund der Optionsregelung oftmals deutsche Staatsbürger sind, das Signal setzen - ich sage das hier mit Blick auf die eine oder andere Rede von Herrn Erdoğan -: Ihr Regierungschef ist Angela Merkel und niemand anders. ({3}) Auch das muss festgehalten werden. Lassen Sie mich kurz zu zwei Bereichen kommen, in denen wir die Integrationsbemühungen meines Erachtens deutlich verstärken müssen: zu den Kindertagesstätten und zum Ehrenamt. Nahezu jedes zweite Kind, das heute geboren wird, hat einen Migrationshintergrund. Wir brauchen alle Kinder; wir können kein einziges am Wegesrand stehen lassen. Insofern kommt den Kindertagesstätten eine zentrale Bedeutung zu. ({4}) - Weil ein Zwischenruf mit der Frage kam, was wir konkret täten: Wir haben gerade ein 400-Millionen-EuroProgramm des Bundes zur speziellen Sprachförderung in Kitas aufgelegt. - Den Kindertagesstätten kommt deswegen eine zentrale Bedeutung zu, weil man dort die Erziehungsleistungen der Eltern unterstützen kann, wenn das zum Beispiel in sprachlicher Hinsicht notwendig ist, damit alle Kinder, wenn sie in die Schule kommen die gleichen Startbedingungen haben. Gleiche Startbedingungen sind die entscheidende Voraussetzung dafür, dass das vermieden wird, was im Zusammenhang mit dem beruflichen Scheitern junger türkischer Mitbürger zu Recht beschrieben worden ist. In den ersten fünf Lebensjahren werden die wesentlichen Weichen gestellt. Da müssen wir mit sprachlichen und anderen Maßnahmen konkret helfen und gute Perspektiven schaffen. Ich bin dafür, dass wir mehr dafür tun, dass sich gerade auch Türken ehrenamtlich in unseren Vereinen betätigen, und zwar nicht nur bei Türkiyemspor, sondern auch bei der Eintracht oder bei Viktoria, als Trainer, Betreuer, Schiedsrichter oder eben auch im Vorstand, als Schatzmeister oder Vorsitzender. Weil ich aus dem ländlichen Raum komme, will ich gern hinzufügen: Es gibt noch viel zu wenige türkischstämmige Schützenkönige ({5}) und Mitglieder in Freiwilligen Feuerwehren. Auch das gehört dazu: Menschen im Ehrenamt, die gemeinsam Integration erfahren und im wahrsten Sinne des Wortes Schulter an Schulter mit Menschen mit Migrationshintergrund zusammenarbeiten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Grindel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Integration muss im Staat und in der Zivilgesellschaft gelingen. Wir von der Union leisten unseren Beitrag dazu. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Josip Juratovic von der SPD-Fraktion. ({0})

Josip Juratovic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003782, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Grindel, ich kann Sie beruhigen: Ich war einmal Schützenkönig. ({0}) Das vor 50 Jahren geschlossene Anwerbeabkommen mit der Türkei ist ein bedeutender Teil unserer deutschen Einwanderungsgeschichte. Somit ist es auch ein bedeutender Teil des deutschen Wirtschaftswunders. Es waren die sogenannten Gastarbeiter aus aller Herren Länder, die Deutschland gemeinsam mit den deutschen Kolleginnen und Kollegen teilweise unter schwierigsten Bedingungen wirtschaftlich zu einer der erfolgreichsten Gesellschaften der Welt gemacht haben. Dafür gebühren ihnen unser Respekt und unsere Anerkennung. Die Menschen kamen zu uns zunächst als Gastarbeiter. Sie kamen im jungen Alter, oftmals mit traurigen Geschichten aus ihrer Heimat, die sie aus wirtschaftlichen, familiären oder politischen Gründen verlassen mussten. Zu lange dachte die deutsche Gesellschaft, dass die Gastarbeiter in ihre Heimat zurückkehren würden; das dachten leider auch viel zu viele der Gastarbeiter. Ich selbst habe eine klassische Gastarbeiterkarriere durchlebt: Nach einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker habe ich sieben Jahre lang als Lackierer am Fließband gearbeitet und dort Integration gelebt. Denn mit mir arbeiteten kaum Deutsche, sondern hauptsächlich Gastarbeiter. Ich wurde vom Gastarbeiter zum Ausländer, dann zum Migranten und schließlich zum Deutschen mit Migrationshintergrund, ({1}) dabei wollte ich eigentlich immer nur ein Mensch sein. ({2}) In der Geschichte der Gastarbeiter war Integration viel zu lange nicht vorgesehen. Doch spätestens seit die Kinder und Enkelkinder der Gastarbeiter hier geboren wurden, ist auch Deutschland zu ihrer Heimat geworden. In Deutschland aber galt das Motto „Man hat sich gefälligst anzupassen“; andere wiederum warben für mehr Toleranz. Doch Integration ist mehr als nur Anpassung oder Toleranz. Erst unter Rot-Grün wurde akzeptiert, dass wir hier tätig werden müssen. Erst dann wurde anerkannt, dass Deutschland, wie fast alle anderen europäischen Staaten, ein Einwanderungsland ist. Anfänglich kam es hier zu sehr irritierenden Reaktionen, vor allem aus dem konservativen Lager, zum Beispiel mit der Debatte um Leitkultur. Es wurde sogar behauptet, dass Multikulti gescheitert sei. Aber Multikulti ist doch Realität, zum Beispiel in unseren Fußgängerzonen: Neben dem Dönerstand befindet sich ein italienischer Modeladen, holländische Blumen werden verkauft, und im Radio wird überwiegend Musik mit Texten in englischer Sprache gespielt - um nur ein paar Klischees zu benennen. Das heißt nicht, dass es beim Zu16032 sammenleben keine Probleme gibt; aber es heißt, dass wir an dieser Realität nicht vorbeikommen. Wir müssen vor allem verstehen: Integration ist mehr als nur Sprachkenntnisse. Integration bedeutet vor allem Identifikation, und zwar von beiden Seiten; denn Migration verändert unsere Gesellschaft, und zwar fortdauernd. Mit dieser sich im ständigen Veränderungsprozess befindenden Gesellschaft müssen sich alle identifizieren, die hier leben: aufnehmende Gesellschaft und Migranten. In der Integrationspolitik geht es nicht nur um juristische Feinheiten, sondern um Integration mit dem Herzen, die zu der von mir geforderten Identifikation führt. ({3}) Daran müssen wir unsere Politik ausrichten, und dafür müssen wir die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Ich nenne als Beispiel die Debatte um die Staatsangehörigkeit. Die Staatsbürgerschaft hat für die Migranten eine hohe symbolische Bedeutung. Sie ist eine Anerkennung für die Lebensleistung im Sinne von: „Ja, du gehörst zu uns.“ Es darf nicht darum gehen, entweder nur die deutsche oder eine andere Staatsbürgerschaft zu haben. Auch bei der Visavergabe brauchen wir mehr Herz. Im Petitionsausschuss habe ich oft Fälle, in denen Kindern der Familiennachzug verwehrt wird, oder Fälle, in denen Familien ihre Verwandten nicht zu sich nach Deutschland einladen dürfen. Wir müssen Integrationspolitik mit Herz und Verstand machen. ({4}) Identifikation schafft man nicht nur mit juristischen Paragrafen, sondern indem wir ein Klima der Empathie aufbauen. Nur dann wächst zusammen, was zusammen gehört, nicht nur Ost und West, sondern auch Deutsche und Migranten in unserer gemeinsamen Heimat Deutschland. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt hat der Kollege Johannes Vogel von der FDPFraktion das Wort. ({0})

Johannes Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004179, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte meinen beiden Kollegen Serkan Tören und Marco Buschmann für die Initiative danken, dass wir heute diese Debatte führen. Es ist gut, dass wir der 50 Jahre Anwerbeabkommen gedenken; denn das war der Beginn einer Einwanderungswelle, die unser Land wie kaum eine andere geprägt, aber auch bereichert hat. Deutschland ist schon immer ein Einwanderungsland gewesen. Das ist keine neue Erfahrung für uns Deutsche. Vor 300 Jahren sprach ein Viertel der Berliner fließend Französisch, und Thomas de Maizière ist heute Bundesminister der Verteidigung. Vor 100 Jahren sprach eine halbe Million Menschen im Ruhrgebiet fließend Polnisch, und Deutschland wurde 1974 mit einem Grabowski im Kader Weltmeister. Heute sprechen 2 Millionen Menschen in Deutschland die türkische Sprache, und wir alle hoffen, dass Deutschland mit Mesut Özil bald Europameister wird. ({0}) Es ist wichtig, dass wir uns vergegenwärtigen, dass Deutschland eine lange und erfolgreiche Einwanderungsgeschichte hat, weil wir in einer Zeit leben, in der uns junge türkischstämmige Mitbürger leider in Richtung Türkei verlassen und in der wir den klügsten Köpfen der Welt endlich den roten Teppich ausrollen müssen. Ich glaube, dass Deutschland zu spät verstanden hat, was Max Frisch gesagt hat: Wir riefen Gastarbeiter, und es kamen Menschen. - Ich glaube, dass wir uns das zu spät eingestanden haben. Ich glaube, dass uns das lange den gesellschaftlichen Blick darauf verstellt hat, dass Integrationspolitik konkret gestaltet werden muss, von der Sprachförderung über die Integrationskurse bis hin zum modernen Staatsbürgerschaftsrecht. Mir ist wichtig, zu betonen, dass uns das aber nicht den Blick auf folgende Tatsache verstellen darf: Die türkische Einwanderung, die nach Abschluss des Anwerbeabkommens bald weit über das konkrete Anwerben von Fachkräften hinausging - das war schlicht eine Einwanderungswelle -, ist vor allem eine große Erfolgsgeschichte für unser Land. ({1}) Das wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Erfolgsgeschichten, wie viele Aufstiegsgeschichten es gibt. Schauen wir einmal auf die Zahlen: Es gibt heute 82 000 selbstständige Unternehmer, die entweder die türkische Staatsbürgerschaft oder türkische Wurzeln haben. Sie beschäftigen 400 000 Menschen in diesem Land, erwirtschaften jährlich einen Umsatz von 40 Milliarden Euro und investieren jedes Jahr 8 Milliarden Euro. Ich glaube, diese Zahlen verdeutlichen: Die türkische Einwanderung ist ein entscheidender Teil der Geschichte vom deutschen Wirtschaftswunder und ist auch heute noch für unsere wirtschaftliche Stärke mit verantwortlich. ({2}) Dass es sich dabei um eine Erfolgsgeschichte handelt - es ist mir wichtig, das zu betonen -, wird aber vor allem abseits der Zahlen deutlich. Ich möchte an dieser Stelle ganz persönlich sagen: Dass sich der Vater meiner Freundin in seinem Heimatdorf an der türkischen Westküste als junger Mann, der in Europa studieren wollte, Johannes Vogel ({3}) entschieden hat, über Frankreich nach Deutschland zu kommen, hatte ganz sicher auch damit zu tun, dass es damals eben nicht ungewöhnlich war, als junger Türke nach Deutschland zu gehen. Die Tatsache, dass er das getan hat, dass er seine spätere Frau kennenlernte und meine Freundin geboren wurde, ist für mich ganz persönlich abseits aller Zahlen entscheidend. Ich bin dankbar, dass er sich so entschieden hat, und ich bin dankbar dafür, dass es die türkische Einwanderung nach Deutschland gab, weil sie mir die Liebe meines Lebens beschert hat. ({4}) An dieser Stelle muss Folgendes einmal gesagt werden - ich denke an meine Freundin, an frühere Mitspieler mit türkischen Wurzeln bei TuRU Wermelskirchen, lieber Kollege Grindel, und die unzähligen türkischen Unternehmer und Vereine, die wir alle kennen; denn es wird nicht nur mir so ergangen sein, sondern Millionen Menschen in diesem Land -: Unser Land wäre heute ärmer, hätte es die türkische Einwanderung nicht gegeben. Ich will mit einem Zitat der Schauspielerin Aylin Tezel, die in dem wunderschönen Film Almanya mitgespielt hat, schließen. Sie hat einmal gesagt, dass ihr in der Integrationsdebatte der liebevolle Blick auf das Ganze fehlt. Ich glaube, sie hat recht - noch. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir alle über diese Debatte hinaus den kommenden Sonntag - das ist der 30. Oktober 2011 dazu nutzten, das 50. Jubiläum des Anwerbeabkommens wirklich zu feiern. Wir feiern heute 50 Jahre türkische Anwerbung. Feiern kann man auch, indem man Danke sagt. Deshalb schließe ich mit dem Dank an die vielen Menschen, die nach Deutschland gekommen sind und uns mit zu dem gemacht haben, was wir heute sind, an. Ich glaube, wir alle sollten das tun. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt der Kollege Stephan Mayer von der CDU/CSUFraktion das Wort.

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! In vier Tagen jährt sich zum 50. Mal der Abschluss des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei. Ich möchte zu Beginn gleich darauf hinweisen, dass dieses Abkommen unter einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung geschlossen worden ist, insbesondere auf Betreiben des damaligen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard. Der Vollständigkeit halber muss man aber auch darauf hinweisen, dass die Initiative von den USA ausging - aus geopolitischen Erwägungen - und von der türkischen Regierung, aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus. Es ist klar festzuhalten: Deutschland, vor allem die deutsche Wirtschaft, hat enorm von der Einwanderung türkischer Gastarbeiter profitiert. Das Wirtschaftswunder war Anfang der 60er-Jahre zwar schon voll im Gange - das hat in den 50er-Jahren begonnen -, aber es ist unzweifelhaft festzuhalten, dass die insgesamt mehr als 800 000 türkischen Gastarbeiter, die im Rahmen des Anwerbeabkommens bis 1973 nach Deutschland gekommen sind, entscheidend mit dazu beigetragen haben, dass sich Deutschland so entwickelt hat, wie es sich entwickelt hat. Deswegen sollten wir an dieser Stelle ein ausdrückliches Wort des Dankes und der Anerkennung an die Adresse der türkischen Gastarbeiter richten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass unsere türkischen Mitbürger damals auch große Demütigungen und Diskriminierungen erleiden mussten, möchte aber darauf hinweisen, dass auch die türkische Gesellschaft, auch das türkische Volk von diesem Anwerbeabkommen profitiert hat. Ich zitiere Necla Kelek, die vorgestern im Feuilleton der FAZ geschrieben hat: Ein deutscher Arbeitsvertrag war so wertvoll wie ein Lottogewinn. Es gab viermal so viele Bewerber, wie Stellen vermittelt werden konnten. Sie führt in ihrem Artikel aus, dass 1970 ungefähr 10 Prozent der damals 30 Millionen Menschen, die in der Türkei lebten, teilweise oder gänzlich von Überweisungen aus Deutschland profitiert haben. Es kamen Gastarbeiter, sie blieben, gründeten Familien, hatten Kinder und wurden sesshaft. Es gilt auch festzuhalten, dass von den jetzt 3 Millionen in Deutschland lebenden Türken der überwiegende Teil sehr gut bis gut in die deutsche Gesellschaft integriert ist. Es gibt beeindruckende Lebensläufe und Karrieren. Unternehmer, Ärzte, Juristen, Ingenieure, Bankkaufleute und Politiker stammen von unseren türkischen Mitbürgern ab. Lieber Herr Kollege Vogel, ich habe zwar keine türkische Freundin, aber ich habe in meinem Büro derzeit einen Praktikanten, der deutscher Staatsangehöriger ist und dessen Großeltern als Gastarbeiter aus der Türkei eingewandert sind. Er steht kurz vor dem erfolgreichen Abschluss seines Jurastudiums und ist - auch dies ist bemerkenswert - ehrenamtlich engagiert. Er ist Basketballtrainer eines Damenzweitligisten hier in Berlin. Das ist schön. Ich glaube, gerade angesichts dieses 50-jährigen Jubiläums gilt es, die positiven Beispiele gelungener und erfolgreicher Integration stärker ins Bewusstsein zu bringen und in den Vordergrund zu stellen. ({0}) Aber wir dürfen die Augen nicht vor den Problemen verschließen. Teilweise bilden sich Parallelgesellschaften. Der Anteil der Schulabbrecher ist bei den türkischen Schülern immer noch wesentlich höher als bei den deutschen Schülern; er ist ungefähr doppelt so hoch. Unter den türkischen Mitbürgern ist der Anteil der Arbeitslosen etwa dreimal so hoch. Auch gibt es immer noch Stephan Mayer ({1}) - zwar sehr vereinzelt, aber dies ist durchaus nennenswert - Probleme, wenn es um das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung geht. Die Integration gehört ganz oben auf die politische Agenda. Ich bin froh, dass seit 2005, seit die CDU/CSU in der Bundesregierung ist, das Thema Integration nicht nur in Sonntagsreden behandelt wird, sondern auch ganz konkret in aktive Integrationspolitik mündet. ({2}) Dies gilt es an dieser Stelle positiv herauszustellen. Integration darf und kann nie eine Einbahnstraße sein. Wir haben in sehr vorbildlicher, in beeindruckender Art und Weise in den letzten Jahren allein seitens des Bundes über 1 Milliarde Euro für Sprach- und Integrationskurse unter anderem auch für türkische Mitbürger zur Verfügung gestellt. Ich erwarte, dass diese Angebote auch angenommen werden. Es ist schön, dass das 50-jährige Jubiläum des Abschlusses des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei in einem großen Festakt am 2. November dieses Jahres in Anwesenheit unserer Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und des türkischen Ministerpräsidenten, Tayyip Erdoğan, begangen wird. Ich glaube, dass mit dem sehr würdigen Begehen dieses Jahrestages deutlich wird, dass es traditionell eine enge Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern, zwischen unseren beiden Völkern gibt. Ich glaube, wir sollten diesen Jahrestag zum Anlass nehmen, noch stärker darauf hinzuwirken, dass Missverständnisse und Vorurteile abgebaut werden und dass deutlich gemacht wird, dass unsere türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger eine Bereicherung für unser Land darstellen und die Vielfalt unseres Landes erweitern. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. Oktober 2011, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.