Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Interfraktionell ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 50 abzusetzen und an dieser Stelle die Zusatzpunkte 10, 11 und 12 neu aufzusetzen. Dabei handelt
es sich um die Anträge der Fraktionen SPD, Die Linke
und Bündnis 90/Die Grünen zur Lieferung von Panzern
an Saudi-Arabien. Außerdem ist vereinbart, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/6260
zusätzlich an den Ausschuss für Gesundheit sowie den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie zu überweisen. Sind Sie mit dieser Vereinbarung einverstanden? Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Außerdem hat sich der Ältestenrat auf seiner gestrigen Sitzung darauf verständigt, während der Haushaltsberatungen ab dem 5. September keine Befragung der
Bundesregierung, keine Fragestunde und auch keine Aktuellen Stunden durchzuführen. Sind Sie auch damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann verfahren wir so.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 47 sowie den Zusatzpunkt 8 auf:
47 Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Dr. Joachim Pfeiffer, Lena Strothmann, Ernst
Hinsken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paul K.
Friedhoff, Claudia Bögel, Klaus Breil, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Wirtschaftsmacht Handwerk - Impulse für
Wachstum und Beschäftigung
- Drucksachen 17/3270, 17/5879 ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
Joachim Pfeiffer, Lena Strothmann, Peter
Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paul K.
Friedhoff, Claudia Bögel, Dr. Erik Schweickert,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Wirtschaftsmacht Handwerk - Kein Wachstum in Deutschland ohne das Handwerk
- Drucksache 17/6457 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister Dr. Philipp Rösler.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren Abgeordneten! Ich denke, die Wirtschafts- und Wachstumszahlen müssten uns alle zufriedenstellen. Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote
seit Anfang der 90er-Jahre mit Zahlen von unter 3 Millionen. Wir haben ein enormes Wachstum; 2,6 Prozent
lautet die Prognose für das Jahr 2011. Wir alle wissen,
dass sie im Herbst wahrscheinlich nach oben korrigiert
wird.
Wir können mit den Ergebnissen der deutschen Wirtschaft also sehr zufrieden sein. Wir wollen zumindest eines festhalten: Der Positivtrend in der deutschen Wirtschaft ist zuallererst das Verdienst der Menschen in
Deutschland: der Unternehmerinnen und Unternehmer
sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den
Unternehmen im Allgemeinen und im Mittelstand im
Speziellen. Das gilt natürlich auch für das deutsche
Handwerk. Darauf können wir stolz sein. Wir sollten als
Politiker an dieser Stelle einmal Danke sagen. Denn das
Wachstum ist nicht allein die Leistung der Politik, sondern vor allem die Leistung der Menschen in unserem
Lande.
({0})
Das Handwerk ist an dieser Leistung ausdrücklich beteiligt.
Redetext
Wir haben gesehen, dass gerade der Mittelstand dazu
beigetragen hat, dass Deutschland gut durch die Krise
gekommen ist. Im Gegensatz zu Großkonzernen, wo
häufig auch dann, wenn hohe Gewinne erzielt werden,
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen werden,
ist in mittelständischen Unternehmen eher Folgendes der
Fall: Wenn es gut läuft, stellt man zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, und man behält diese auch,
wenn es in Krisenzeiten wieder einmal schlechter läuft;
denn die Bindung zwischen einem mittelständischen Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer ist viel menschlicher
und enger ist als in jedem Großkonzern. Das gilt insbesondere für kleinere Handwerksunternehmen. In
Deutschland gibt es ungefähr 1 Million Handwerksbetriebe mit fast 5 Millionen Beschäftigten. Das zeigt im
Übrigen, wie klein die Strukturen im deutschen Handwerk sind.
({1})
Handwerksunternehmen findet man in Großstädten,
aber auch im ländlichen Raum. Wir können uns an jeder
Stelle auf die guten Dienstleistungen des deutschen
Handwerks verlassen. Deswegen ist es richtig, dass die
Koalitionsfraktionen den folgenden Titel für ihre Große
Anfrage gewählt haben: „Wirtschaftsmacht Handwerk Impulse für Wachstum und Beschäftigung“. Das erinnert
an den Slogan des Handwerks „Die Wirtschaftsmacht.
Von nebenan.“ Das trifft den Kern der Sache: Man kann
sich auf das Handwerk verlassen, an jedem Ort, an jeder
Stelle, immer dann, wenn man gute, qualitativ hochwertige Dienstleistungen braucht.
({2})
Wir sehen das auch an der Ausbildungsleistung, die
gerade im Handwerk großartig ist. Momentan werden
440 000 junge Menschen im Handwerk ausgebildet. Im
Jahr 2010 gab es 155 000 zusätzliche Ausbildungsverträge. Schon im Mai 2011 konnten wir feststellen, dass
42 000 zusätzliche Ausbildungsverträge abgeschlossen
wurden, 5 000 mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Das heißt, das Handwerk stellt sich der Herausforderung der Ausbildung der jungen Menschen wie keine
andere Branche in Deutschland; hier werden die meisten
Menschen ausgebildet. Junge Menschen bekommen hier
eine berufliche Chance, eine berufliche Perspektive. Wir
können hier allesamt dem Handwerk Danke sagen; denn
das Handwerk hat diese Ausbildungsleistung in schlechten Zeiten - in den Jahren 2003 bis 2005 genauso wie in
den Jahren 2008 und 2009 - erbracht und setzt dies jetzt,
in besseren Zeiten, fort. Auf das Handwerk kann man
sich in Ausbildungsfragen zu jeder Zeit verlassen.
({3})
Meine Damen und Herren, hier zeigen sich aber auch
die Herausforderungen, vor denen das Handwerk steht:
Wir erleben schon heute einen Fachkräftemangel; das
Handwerk selber spricht von 7 000 Stellen, die am Ende
des Jahres voraussichtlich unbesetzt bleiben müssen,
weil wir zu wenig qualifizierte junge Leute haben, um
sie im Handwerk auszubilden. Deswegen ist es richtig,
dass die Bundesregierung mit den beteiligten Partnern
eine Fachkräfteinitiative auf den Weg gebracht hat. Mein
Vorgänger im Amte, Rainer Brüderle, hat angefangen,
sich gerade um diejenigen zu kümmern, die bisher keinen Schulabschluss bekommen konnten, und dafür zu
sorgen, dass diese künftig weitergebildet werden können, einen Schulabschluss erhalten, in der Folge einen
Ausbildungsplatz und danach einen Arbeitsplatz. Gerade
diejenigen, die bisher vernachlässigt wurden, brauchen
eine Chance. Das Handwerk ist an dieser Stelle der erste
Ansprechpartner für diejenigen, die bisher im bildungsschwachen Bereich sind. Wir können uns freuen, dass
gerade diese jungen Menschen eine Zukunftschance erhalten.
Wir als Bundesregierung wollen das, was in unseren
Möglichkeiten steht, tun, nicht nur bei der Qualifizierung junger Menschen; wir wollen auch die Selbstverwaltung stärken. Wir wollen die Kammern unterstützen,
wenn es darum geht, sich bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse durch das Dickicht zu kämpfen.
Wir haben gemeinsam mit den Kammern - im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf, der momentan noch in
den Ausschüssen liegt - eine Internetplattform auf den
Weg gebracht, um den Kammern die Möglichkeit zu geben, selber Informationen über ausländische Berufsabschlüsse, die damit verbundene Qualifikation und deren
Anerkennung, zur Verfügung zu stellen. Das ist ein wesentlicher Beitrag der Bundesregierung, um den Fachkräftemangel im deutschen Handwerk zu bekämpfen.
Das ist im Interesse der Fachkräftesicherung.
({4})
Es geht aber auch um Entlastungen: Entlastungen der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - die Bundesregierung hatte dazu gerade Beschlüsse gefasst -,
({5})
zum Beispiel bei den Steuern, durch Bekämpfung der
kalten Progression - das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit - und durch Senkung der Lohnzusatzkosten. Gerade das sind Kosten, die das Handwerk in besonderer
Weise belasten. Deswegen ist es richtig, die Menschen
an dieser Stelle zu entlasten.
({6})
Wir müssen ebenso beim Thema Bürokratieabbau
über Entlastungen reden. Gerade kleine Unternehmen
haben keine eigene Abteilung, die sich mit der deutschen
Bürokratie auseinandersetzen kann. Wer Unternehmen
im Handwerksbereich kennt, der weiß sehr wohl, dass es
oft Familienunternehmen sind, in denen der Mann oder
die Frau als Meister oder Meisterin die handwerkliche
Arbeit macht und sich der jeweilige Partner und die Familienangehörigen um die Bürokratie kümmern. Wenn
wir dem Mittelstand, dem Handwerk helfen wollen,
dann zuallererst dadurch, dass wir die Bürokratie beseitigen, Dokumentationspflichten reduzieren und Antragsverfahren erleichtern. Damit könnte man dem Handwerk
enorm helfen. Auch das ist ein erklärtes Ziel der BundesBundesminister Dr. Philipp Rösler
regierung. Bürokratieabbau ist Handwerkspolitik, so wie
wir Liberale und Christdemokraten sie verstehen.
({7})
Wir brauchen aber auch neue Felder für unser Handwerk. Wir brauchen Innovationen. Es gibt viele entsprechende Programme, auch seitens der Bundesregierung,
zum Beispiel das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand. Innovationen sind nicht nur in großen Unternehmen mit eigenen Forschungsabteilungen zu finden, sondern gerade in mittelständischen Unternehmen, eben im
Handwerk. Mittlerweile gibt es Farbe, die aufgrund modernster Nanotechnologie schmutzabweisend ist. Sie ist
für Häuseranstriche geeignet und ermöglicht ein energieund ressourcenschonendes Agieren.
Es gibt innovative Ideen hinsichtlich der IT-Netzwerke: Mehrere IT-Unternehmen leisten sich zusammen
ein solches Netzwerk und teilen sich die Kosten dafür.
Es gibt neue Produkte im Bereich Leichtbau und neue
Berufe im Bereich Elektromobilität. Bei diesen Innovationen geht es um Umweltschutz und Energieeffizienz.
Auch auf diesem Gebiet gilt es dem Handwerk zu helfen. Wir dürfen nicht nur die Innovationsfähigkeit großer
Unternehmen durch umfangreiche Forschungsprogramme fördern; es gilt darüber hinaus, die Innovationspolitik der Bundesregierung, der Regierungskoalition
auf kleine und mittlere Unternehmen auszudehnen, gerade auf Handwerksbetriebe, die weder eine Abteilung
haben, die sich mit Bürokratiefragen beschäftigt, noch
eine eigene Forschungsabteilung. Das, was sie an Innovationsleistung erbringen, müssen sie mit den Menschen
erbringen, die in den Unternehmen beschäftigt sind.
Deshalb investieren sie in die Köpfe ihrer Mitarbeiter.
Die Mittelstandsbetriebe brauchen die Unterstützung der
Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP, und die
bekommen sie auch.
({8})
Neue Märkte gibt es auch im Ausland. Im Zusammenhang mit der Umstellung der Energieversorgung haben wir schon darüber diskutiert, dass derzeit viele Menschen im europäischen Ausland - das gilt eigentlich
weltweit - auf Deutschland und den deutschen Mittelstand schauen. Die Umstellung der Energieversorgung
ist eine Chance für unser Handwerk. Es geht um neue
Technologien, um Energieeffizienz und um Gebäudesanierung. Diesen Unternehmen wollen wir im europäischen Raum, aber auch im internationalen Rahmen neue
Märkte öffnen. Wir glauben, dass die Unternehmen sehr
wohl in der Lage sind, diese Märkte zu erschließen.
Eines dürfen wir nicht vergessen: Trotz aller Ansprüche in Bezug auf Modernität und Innovationen und angesichts der Herausforderungen im europäischen Ausland bzw. im internationalen Rahmen kann sich das
Handwerk auf seine Qualitäten besinnen: auf Pünktlichkeit, Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Kundennähe und
Verbraucherschutz. All dies spiegelt sich im Begriff
„Meisterbrief“ wider. Der Meisterbrief ist nach wie vor
ein Qualitätssiegel, das man nicht abzuschaffen braucht,
sondern das es zu erhalten gilt.
({9})
- Das ist unsere Lesart. Ich erinnere nur daran: Zu Anfang dieses Jahrtausends wollten die Sozialdemokraten
den Meisterbrief abschaffen.
({10})
Es ist gut, dass diese irrsinnige Überlegung am Widerstand von CDU/CSU und FDP gescheitert ist.
({11})
Wir stehen aus einem ganz einfachen Grund zum
Meisterbrief: Wir finden, dass das Handwerk nicht spießig, brav oder langweilig ist, sondern mit all seinen Traditionen - Freisprechung, Meisterfeier - auf der einen
Seite Strukturen gibt - zum Beispiel wird das Ehrenamt
im Bereich der Ausbildung unterstützt -, auf der anderen
Seite aber auch für neue Herausforderungen in den Bereichen Ausbildung, Innovationen und neue Märkte offen ist. Das Handwerk ist die Wirtschaftsmacht von nebenan und wird von dieser Regierungskoalition
unterstützt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({12})
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Duin.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Minister Rösler, Sie haben einen ganz wichtigen Punkt benannt,
({0})
der für den Erfolg des Handwerks in Deutschland maßgeblich ist: Das ist die Verlässlichkeit. Es geht um die
Verlässlichkeit der Handwerksbetriebe, die Verlässlichkeit der Meister und die Verlässlichkeit bei der Auftragserfüllung. Wenn diese Bundesregierung nur halb so
verlässlich wäre wie die große Anzahl der Handwerksbetriebe in Deutschland, dann wären wir in Deutschland
wesentlich weiter.
({1})
Ich will Ihnen Ihren nicht gerade üppigen Antrag einmal kurz vor Augen halten. Sie haben darauf nicht Bezug genommen, Herr Minister.
({2})
Erster Punkt. Die Regierungskoalition bringt den Antrag „Wirtschaftsmacht Handwerk - Kein Wachstum in
Deutschland ohne das Handwerk“ ein. Hier steht - ich
lese es Ihnen vor -:
Der Deutsche Bundestag begrüßt … die … Konjunkturpakete I und II, insbesondere … das kommunale Investitionsprogramm …
Wer hat es aufgelegt? Frank-Walter Steinmeier, Olaf
Scholz, Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel.
({3})
Wer ist dagegen gewesen? Brüderle und Co.
({4})
- Ich habe Sie gar nicht angesprochen.
Zweiter Punkt. Sie sprechen die „mit dem Konjunkturpaket I erfolgte Verdopplung der Steuerermäßigung“
an. Wer hat das gemacht? Die Sozialdemokraten haben
das in der Großen Koalition vorangebracht. Brüderle
und Co, die ganze FDP, waren immer dagegen. Heute
schreiben Sie, es sei ein großer Erfolg.
({5})
Dritter Punkt. Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm
wird ebenfalls in Ihrem Antrag gelobt. Auch dies wurde
von uns aufgelegt. In den letzten zwei Jahren wurden die
Mittel dafür von Ihnen gekürzt; dies korrigieren Sie jetzt
mühsam. Diese Politik strahlt nicht das aus, was das
Handwerk und die Unternehmen in Deutschland insgesamt brauchen: Planungssicherheit, Verlässlichkeit. Aber
bei Ihnen Fehlanzeige!
({6})
Die einzigen beiden Punkte in Ihrem Antrag, die Sie
für sich selbst in Anspruch nehmen können, sind die
Maßnahmen - so schreiben Sie hier - des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, also die Hotelsteuer - ich weiß
nicht, wie sie dem Handwerk genutzt haben soll -, und
die geplanten Steuervereinfachungen. Dann schreiben
Sie viel über das Thema Steuern. Das ist, wie wir alle
wissen, eine reine Luftnummer.
Sie planen erneut - der Minister hat es gerade bestätigt; wir diskutieren seit einigen Wochen darüber - Steuersenkungen auf Pump. Sie wissen genau - die Äußerungen aus vielen Bundesländern, auch aus Bundesländern,
die von Ihnen, von CDU/CSU und FDP, regiert werden,
sind eindeutig -, dass die Länder das nicht mitmachen.
Auch Herr Schäuble wird das nicht mitmachen. Bei
dieser Bundesregierung wird immer deutlicher: Herr
Schäuble hat mehr Verstand im kleinen Finger als die
ganze FDP. Das, was hier vorgeschlagen wird, ist nicht
realisierbar und wird so auch nicht kommen.
({7})
Stattdessen, Herr Minister Rösler, bräuchten wir eine
Kultur der Investitionen auf der privaten Seite wie auch
auf der öffentlichen. Wenn Sie sich die Investitionsquote
anschauen, sehen Sie, dass Deutschland allen anderen
Ländern in dieser Hinsicht hinterherläuft. Deswegen besteht kein Raum für Steuersenkungen; das sieht übrigens
auch der ZDH so. Wir brauchen öffentliche Investitionen
für ein nachhaltiges Wachstum.
Kollege Duin, gestatten Sie eine Frage des Kollegen
Martin Lindner?
Nein, das würde nicht zum Ziel führen. - Wenn wir
wirklich Steuern einsparen wollen, Steuergeld, das derzeit verprasst wird, dann müssen auf dem deutschen Arbeitsmarkt - dies fordern nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch ganz viele Handwerksmeister vor
Ort - endlich reguläre Bedingungen sowie Recht und
Ordnung herrschen. Dazu gehört unter anderem ein flächendeckender Mindestlohn,
({0})
damit mit Steuergeldern nicht Dumpinglöhne subventioniert werden.
({1})
Ich komme zum Thema Fachkräfte. Die Fakten haben
Sie gerade selbst angesprochen. 1,5 Millionen junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 30 Jahren haben
keinen Berufsabschluss. 400 000 Jugendliche sind in
nicht qualifizierenden Maßnahmen, angesiedelt zwischen Schule und beruflicher Bildung. Immer noch verlassen jedes Jahr 65 000 Schülerinnen und Schüler das
Schulsystem ohne Abschluss. Es geht also in erster Linie
darum, die Potenziale im Inland auszuschöpfen. Dazu
braucht man Veränderungen in der Bildungspolitik. Eine
ganz wichtige Änderung, die wir in diesem Hause
- nicht ganz allein, sondern im Konzert mit den
Ländern - bewerkstelligen könnten, um in diesem Bereich der Bildung endlich voranzukommen, wäre die Beendigung des unsinnigen Kooperationsverbotes.
({2})
Notwendig ist noch eine weitere Änderung in diesem
Bereich - Frau Schavan, Sie haben dazu Vorschläge gemacht, mit denen Sie in Ihrer Partei aber nicht nur auf
Beifall gestoßen sind -: Wir können es uns auf Dauer
nicht länger leisten, 16 verschiedene Bildungssysteme in
Deutschland zu haben. Wir müssen uns der Aufgabe
stellen, dies zu ändern, und dort verbindliche Schritte
nach vorn machen.
({3})
Wir müssen über die Modularisierung im Bereich der
Ausbildung reden, damit alle jungen Menschen mit ihren
Qualifikationen und Talenten - diese sind unterschiedlich; niemand kann alles - eine Chance auf Ausbildung
und einen Berufsabschluss haben. Wir müssen die Frauenerwerbsquote deutlich erhöhen. Aber das funktioniert
nur, wenn wir entsprechende Kinderbetreuungsangebote
machen. Sie wollen eine Herdprämie und investieren
nicht in diesen zentralen Bereich.
({4})
Gerade für die Kommunen stellen Sie die entsprechenden Mittel nicht zur Verfügung.
Ein Letztes. Wenn wir die Potenziale im Inland ausreichend ausgeschöpft haben, haben wir überhaupt
nichts dagegen, auch darüber zu reden, wie wir im Bereich der Zuwanderung ebenfalls entsprechende Potenziale heben. Lassen Sie uns doch anfangen! Ich habe
auch Ihnen, Herr Minister Rösler, gestern in einem Gespräch angeboten: Lassen Sie uns mit den nächstliegenden Dingen anfangen!
Wir könnten zum Beispiel dafür sorgen, dass ausländische Studierende, die in Deutschland ihr Studium absolviert und ihren Abschluss gemacht haben, danach
hierbleiben dürfen. Ich weiß, dass es dafür in der Koalition - ich schaue jetzt ganz bewusst in Richtung der
Liberalen - durchaus Bereitschaft gibt. Es scheiterte bisher aber an der Blockade der CSU. Ich zitiere stellvertretend Frau Hasselfeldt - man hört solche Aussagen allerdings bei vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen immer
wieder -:
Wenn wir die Einkommensgrenzen senken, senden
wir ein falsches Signal zulasten der deutschen Beschäftigten. … Uns könnte eine ungesteuerte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme drohen.
Wenn man der Zuwanderung begegnet, indem man
immer nur das Bild einer drohenden Zuwanderung in unsere Sozialsysteme an die Wand malt - das gilt auch mit
Blick auf die Beseitigung des Fachkräftemangels -, wird
man diesem Thema nicht gerecht. Lösen Sie von der
CSU diese Blockade, damit wir beim Zuwanderungsrecht und beim Ausländerrecht auch mit Blick auf die
Beseitigung des Fachkräftemangels endlich die Schritte
nach vorne machen können, die für Deutschland notwendig sind.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat der Kollege Dr. Fuchs für die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Duin,
eines muss ich Ihnen sagen: Es ist nicht in Ordnung,
wenn Sie sagen, es sei ein Verprassen von Steuergeldern,
wenn man die Handwerker, beispielsweise bei den Löhnen, etwas mehr unterstützt.
({0})
Es ist auch nicht in Ordnung, wenn wir nicht endlich etwas tun, um den Mittelstandsbauch zu verkleinern. Das
geht nicht.
({1})
- Sie haben eben gesagt, das sei verprasstes Steuergeld.
({2})
Nein, wir wollen die Mittelschicht unterstützen. Das hat
mit Verprassen nichts zu tun, sondern ist gerecht.
({3})
Die deutsche Wirtschaft strotzt vor Zuversicht - Gott
sei Dank. Es geht uns richtig gut; das hätte vor zwei Jahren kein Mensch für möglich gehalten. Die Zahlen, die
uns vorliegen, sind exzellent. Im letzten Jahr betrug das
Wirtschaftswachstum 3,6 Prozent. In diesem Jahr - der
Minister ist viel zu bescheiden ({4})
wird es weit höher als 2,6 Prozent ausfallen. Die Auguren reden schon von bis zu 4 Prozent. Es gibt tatsächlich
Institute, die behaupten, es sei mit 4 Prozent Wachstum
zu rechnen, und das bei einer reifen Volkswirtschaft wie
Deutschland.
({5})
Das ist eine Erfolgsstory. Wir befinden uns in einer exzellenten Situation.
({6})
Wenn man sich vor Augen hält, wie die Situation die
ganze Zeit vorher gewesen ist,
({7})
dann zeigt sich, welche Chancen wir jetzt wieder haben,
welche Chancen unsere Unternehmen auf den Weltmärkten haben und welche Chancen das Handwerk hat.
Auch das Handwerk leistet zu diesen Erfolgen seinen
Beitrag. Handwerksleistungen tragen zu 8,5 Prozent zum
Bruttoinlandsprodukt bei. Das ist positiv.
Meine Damen und Herren, die Exportquoten der deutschen Wirtschaft sind sensationell. Beim Export werden
wir dieses Jahr wohl zum ersten Mal die Grenze von
1 Billion Euro überschreiten. Beim Import werden wir
ein Volumen von etwa 900 Milliarden Euro erreichen.
Das zeigt, dass wir auch ein Motor für die Weltwirtschaft sind. Damit leisten wir unseren Beitrag, in Europa
und in den Schwellenländern. Das ist mehr als positiv.
Auch die Handwerker spüren den Aufschwung.
85 Prozent der Betriebe beurteilen ihre Situation mehr
als positiv, und die Kapazitätsauslastung geht in Richtung 80 Prozent - Zahlen, die es zuvor eigentlich nie gegeben hat.
({8})
Das schlägt sich auf dem Arbeitsmarkt insgesamt nieder.
In Deutschland gibt es etwa 41 Millionen Erwerbstätige,
und die Arbeitslosenquote liegt bei 6,9 Prozent. In manchen Regionen Deutschlands gibt es faktisch so gut wie
keine Arbeitslosigkeit mehr; im Hohenloher Land beispielsweise beträgt die Arbeitslosenquote gerade einmal
1,7 Prozent. Das sind Erfolgsstorys. Die Gründe für diesen Erfolg sind die Programme, die die Regierung aufgelegt hat. Er hat natürlich auch mit den Entscheidungen
zu tun - das gebe ich freiweg zu -, die wir mit Ihnen von
der SPD in der Großen Koalition gemeinsam getroffen
haben.
({9})
Jetzt entfalten sie ihre Wirkung.
Am allermeisten wirkt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
({10})
Erstmals gibt es wieder eine Binnennachfrage; die hatten
wir früher so gut wie nicht. Die Betriebe sind in der
Lage, höhere Löhne zu zahlen. Die Lohnquoten steigen.
All das ist positiv.
({11})
Genau so sollte es weitergehen. Wir kämpfen dafür und
werden uns Mühe geben, dass das so bleibt. Erstens lassen wir uns das von Ihnen nicht schlechtreden, und zweitens lassen wir das von Ihnen nicht verhindern.
({12})
Deutschland ist wieder die Wachstumslokomotive in
Europa. Wir sind das Land, das an der Spitze steht. Ich
verweise auf Folgendes: Als Rot-Grün aufhörte - daran
können sich diverse Menschen noch erinnern -, waren
wir Schlusslicht. Ernst Hinsken hat dem damaligen Bundeskanzler Schröder die rote Laterne überreicht, und er
hat recht damit gehabt; denn seine Politik war eben
schlecht.
Heute sieht die Situation vollkommen anders aus. Ich
sage Ihnen eines: Wenn Schröder jemals solche Zahlen,
wie wir sie jetzt vorweisen, erreicht hätte, dann hätte er
wahrscheinlich im Französischen Dom irgendwelche
Messen oder sich selbst gefeiert, und er wäre zweimal in
der Woche über den Ku’damm gesteppt. Dies tun wir
nicht. Wir arbeiten schlicht und ergreifend weiter und
sorgen dafür, dass diese positive Konjunktur anhält, und
das ist auch nötig.
({13})
Ja, es gibt noch Probleme. Wir müssen sehen, dass
wir auch den Haushalt in den Griff bekommen. Aber
auch das ist meiner Meinung nach eine absolute Erfolgsstory - Herr Kuhn, auch dagegen können Sie nichts sagen -: Das Staatsdefizit wird dieses Jahr auf unter 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sinken.
({14})
Diese Zahl hat Rot-Grün nie erreicht, wir dagegen
schon. Sie von Rot-Grün waren diejenigen, die die europäischen Stabilitätskriterien aufgeweicht haben. Das haben wir jetzt nicht mehr nötig. Wir sind auch hier führend in Europa.
({15})
Dadurch zeigt sich, dass die Konsolidierungsanstrengungen dieser Regierung richtig waren, dass wir die
Schuldenbremse früher einhalten, als das überhaupt geplant war, dass Minister Schäuble eine exzellente Arbeit
macht, dass die Regierung auf dem richtigen Weg ist und
dass wir mit den Gesetzen, die wir verabschiedet haben,
dafür gesorgt haben, dass wir jetzt endlich wieder in ein
positives Fahrwasser kommen.
Es macht keinen Sinn, das schlechtzureden. Wir sollten stolz darauf sein, dass Deutschland die führende
Wirtschaftsmacht in Europa ist, und wir sollten des Weiteren stolz darauf sein, dass wir so weitermachen werden.
Ich wünsche Ihnen eine gute Ferienzeit
({16})
- vielen Dank, Herr Kuhn -, in der Sie diese positiven
Nachrichten verbreiten können.
({17})
Das Wort hat die Kollegin Wagenknecht für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ich denke, nach so viel Selbstbeweihräucherung sollten
wir auf das Thema zurückkommen.
({0})
Etwa 22,4 Milliarden Euro wird die Kreditanstalt für
Wiederaufbau nicht etwa zur Förderung des Handwerks,
sondern für das bisher beschlossene Griechenland-Paket
bereitstellen. Je mehr Geld die KfW dafür verwenden
muss, die Schulden Griechenlands gegenüber den Banken zu bedienen, desto weniger hat sie logischerweise
zur Verfügung, um Förderprogramme aufzulegen,
({1})
die nicht zuletzt dem deutschen Handwerk zugutekämen. Dies haben Sie beschlossen, obwohl Sie ganz genau wissen, wie stark der Bedarf in dieser Richtung
wäre. Die KfW hat bereits vor der Finanzkrise in ihren
Mittelstandspanels - vielleicht sollten Sie dort einmal hineinschauen - sehr deutlich nachgewiesen, dass sich die
Finanzierungsbedingungen gerade kleiner Unternehmen
in Deutschland mit bis zu zehn Beschäftigten seit Ende
der 1990er-Jahre teilweise dramatisch verschlechtert haben. Die Laufzeiten der Kredite wurden immer kürzer,
und teilweise waren solche kleinen Unternehmen sogar
gezwungen, sich über teure Dispokredite zu refinanzieren.
Wenn man diese Situation ins Auge nimmt, dann wird
völlig klar, dass dem deutschen Handwerk zum Beispiel
durch gesetzliche Zinsobergrenzen, die die Wucherzinsen bei Dispokrediten verhindern würden, weiß Gott
mehr geholfen wäre als durch Schönwetterreporte, wie
sie hier vorgelegt wurden und mit denen sich die Bundesregierung selber auf die Schultern klopft.
({2})
Es ist gerade ein Jahr her, dass Sie beschlossen haben,
dass die Mittel der KfW für energetische Gebäudesanierung auf die Hälfte zusammengestrichen werden. Vor ein
paar Wochen haben Sie sich das dann wieder anders
überlegt. Das ist zwar schön, aber das ist doch keine
klare Linie. Das ist eine völlig unseriöse Pingpongpolitik. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die 5 Millionen Menschen, die in Deutschland im Handwerk arbeiten, tatsächlich brauchen: Sie brauchen verlässliche
Rahmenbedingungen und nicht eine Bundesregierung,
die mit ihren Interessen Pingpong spielt.
({3})
Oder nehmen Sie die Fiskalpolitik: Erst werden gigantische Schulden aufgehäuft, nicht zuletzt zur Rettung
maroder Banken. Dann geht die Bundesregierung hin
und verkündet mal eben Steuersenkungen für das Wahljahr 2013. Das, was Sie hier machen, ist doch Harakiri.
Das kann doch kein Mensch mehr ernst nehmen. Natürlich kämen dem deutschen Handwerk Steuersenkungen
gerade im Bereich der niedrigen und mittleren Einkommen zugute. Aber das ist doch nur verantwortbar, wenn
man gleichzeitig mehr Steuern einnimmt, zum Beispiel
bei Banken und Konzernen oder bei Millionären und deren Erben.
({4})
Es ist doch möglich, sich bei denen das Geld zurückzuholen, statt alles auf Pump zu machen, so wie Sie das
tun.
Es ist tatsächlich ein Skandal, dass in Deutschland
Einkommen bei einer besser bezahlten Arbeit in der
Spitze mit bis zu 42 Prozent besteuert werden, aber völlig leistungslose Vermögenseinkommen, Zinsen und Dividenden, gerade einmal mit 25 Prozent besteuert werden. Wer arbeitet und etwas besser verdient, zahlt bis zu
42 Prozent. Wer nicht arbeitet und von seinem Vermögen
lebt, der zahlt nur 25 Prozent Steuern.
({5})
Diese irrsinnige Situation wurde damals unter Finanzminister Peer Steinbrück eingeführt. Doch auch die heutige Bundesregierung würde nie auf die Idee kommen,
an dieser Situation irgendetwas zu ändern. Ich sage Ihnen: Solange Sie diese Situation aufrechterhalten, brauchen Sie gar nicht mehr von Leistung zu reden oder davon, dass sich Leistung lohnen muss. Das, was Sie
machen, ist eine leistungsfeindliche Politik.
({6})
Diese Steuerpolitik hat außerdem zur Folge, dass
viele Kommunen ihre elementaren Aufgaben nicht mehr
erfüllen können. Ein Ergebnis dessen ist nicht zuletzt,
dass das Niveau bei den öffentlichen Investitionen in
Deutschland - das ist schon angesprochen worden jämmerlich ist. Das kommt daher, dass die öffentlichen
Investitionen immer weiter zusammengestrichen wurden. Aber öffentliche Investitionen, gerade in Infrastruktur, Baumaßnahmen und anderes, bedeuten Aufträge und
Arbeitsplätze für das deutsche Handwerk und für die lokalen Anbieter. Die Situation könnte sich zusätzlich verbessern, wenn Sie die Vergabegesetze auf Landesebene
so verändern würden, dass kleine, lokale Anbieter gegenüber großen Unternehmen und internationalen Konzernen bevorzugt werden.
Aber das ist ja die nächste große Lüge Ihrer Politik.
Sie reden immer von Wettbewerb und Mittelstandsorientierung. Tatsächlich aber machen Sie eine Politik, von
der vor allem die Großanbieter, die großen Unternehmen
profitieren, die ihre Marktmacht zulasten der Kunden
und natürlich auch zulasten der Zulieferer völlig ungestört immer weiter ausbauen können. Das gilt für Ihre
Energiepolitik und auch für nahezu alle anderen Bereiche.
In ihrer Antwort auf die Große Anfrage von CDU/
CSU und FDP gibt die Bundesregierung selber zu, dass
sich die Beschäftigung im Handwerk insgesamt eher ungünstig entwickelt hat. Die Begründung, die Sie dafür
geben, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Sie führen das auf die - ich zitiere - „schwache Konsumneigung der privaten Haushalte“ zurück. Ich frage
Sie: Wo leben Sie eigentlich? Wollen Sie einem Beschäftigten, dessen regulärer Job gerade outgesourct
wurde oder der in eine Leiharbeit abgedrängt wurde und
nur noch die Hälfte verdient, wirklich vorwerfen, er habe
eine niedrige Konsumneigung? Oder die Millionen Beschäftigten, die für Hungerlöhne von 5 oder 6 Euro die
Stunde malochen müssen: Haben diese eine niedrige
Konsumneigung? Oder die Millionen Rentnerinnen und
Rentner in diesem Land, die seit Jahren sinkende Renten
hinnehmen müssen: Haben auch diese eine mangelnde
Konsumneigung? Das ist doch absurd, das ist doch blanker Hohn.
({7})
Das Problem der Menschen in diesem Land ist wahrlich
nicht, dass ihre Konsumneigung zu niedrig ist. Das Problem der Menschen in diesem Land ist, dass sie nicht genug Geld in der Tasche haben, um sich die Dinge zu kaufen, die sie brauchen und die sie sich sehr gerne leisten
würden, wenn sie es könnten.
Lohndumping stimuliert vielleicht den Export. Aber
wer sich für das Handwerk wirklich einsetzen will, der
muss bitte schön auch dafür sorgen, dass das Handwerk
zahlungskräftige Kunden hat, und zwar hier im Land.
({8})
Ein Programm zur Stärkung der Kaufkraft durch Mindestlöhne, durch höhere Renten, durch eine Erhöhung
der Hartz-IV-Regelsätze auf 500 Euro käme am Ende
auch dem deutschen Handwerk zugute;
({9})
denn ohne einen starken Binnenmarkt gibt es auch kein
starkes Handwerk.
Ich danke Ihnen.
({10})
Das Wort hat die Kollegin Christine Scheel für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, dass wir weder mit Klassenkampf noch mit
Schönrederei weiterkommen.
({0})
Vielmehr müssen die Probleme benannt werden, die es
zu lösen gilt. Herr Rösler, deswegen sind wir schon ein
bisschen enttäuscht darüber, wie die Bundesregierung
und Ihr Haus auf diese Große Anfrage reagiert haben.
Das ist eine unglaubliche Schönrederei. Es ist richtig:
Das Handwerk hat unglaubliche Leistungen vollbracht.
Das Handwerk ist zuverlässig, das Handwerk bildet gut
aus. Aber das Handwerk hat auch Probleme, weil die
Politik in bestimmten Feldern nicht vorankommt. Zu
diesem Punkt ist nichts gesagt worden.
Auch in dem Antrag, der jetzt von den Koalitionsfraktionen vorgelegt worden ist, ist die Rede davon, dass alles irgendwie in Butter ist. Da sollen nur einige Sachverhalte evaluiert und ein bisschen geprüft werden und dann
soll ein bisschen Unterstützung geleistet werden. Liebe
Kollegen von der Union und von der FDP,
({1})
die Bevölkerung und vor allem das Handwerk kann
schon ein bisschen mehr Substanz von Ihnen erwarten.
({2})
Es ist völlig klar: Wenn die wirtschaftliche Lage gut
ist - und die ist zum Glück derzeit sehr gut -, ist die Auftragslage gut, und das Handwerk hat goldenen Boden,
wie wir immer sagen. Aber es stehen nicht genügend
Fachkräfte zur Verfügung.
({3})
Das ist ein ganz zentraler Punkt. Man muss überlegen,
wie man mit der Situation umgeht, und auch den demografischen Wandel in dieser Gesellschaft mitbedenken.
Wir wissen seit Jahren um die Schwierigkeiten in den
Ausbildungsberufen. Das Handwerk hat seit Jahren Probleme, bestimmte Ausbildungsstellen zu besetzen. Vor
allem im Lebensmittelbereich - ich denke da insbesondere an Bäckereien und Metzgereien - wird immer wieder geklagt, dass man keine geeigneten jungen Leute findet, die bereit wären, eine entsprechende Ausbildung zu
machen. Das müssen wir gar nicht schönreden. Ich
glaube, da sind wir uns auch einig. Aber auch in weiteren Branchen wie in der Elektrotechnik und im Metallbereich, im Heizungs- und Sanitärbereich fehlen zunehmend Menschen. Hier machen zwar viele eine
Ausbildung, aber sie werden oft - das ist ein Problem,
das wir sehr ernst nehmen müssen - von der Industrie
abgeworben. Also das Handwerk bildet gut aus, die Industrie wirbt dann aber einen Teil ab, indem sie besser
bezahlt.
Hier muss die politische Seite angesichts der veränderten Lage, die wir auf dem Ausbildungsmarkt haben,
und angesichts der demografischen Entwicklung ihrer
Verantwortung gerecht werden und sich überlegen, wie
die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks gestärkt
und wie die Qualifizierung junger Menschen gefördert
werden kann.
Wir haben gerade in den Städten viele junge Menschen mit Migrationshintergrund, die keinen Ausbildungsplatz haben. Kollege Duin hat dargestellt, wie
viele junge Leute die Schule verlassen, ohne einen
Schulabschluss zu haben. Das ist ein Riesenproblem.
Wir sehen aber auch, dass die Ausbildungsbeteiligungsquote von jungen Menschen mit Migrationshintergrund
gerade einmal bei 30 Prozent liegt, bei jungen Menschen
ohne Migrationshintergrund dagegen bei 64 Prozent. Es
gibt gute Ansätze bei den Kammern und teilweise auch
bei den Städten, um dieses Problem zu lösen. In Berlin
läuft zum Beispiel die Kampagne: „Berlins Wirtschaft
braucht Dich!“, die sich an junge Menschen richtet, vor
allem an junge Menschen mit Migrationshintergrund.
Das sind gute Ansätze. Das begrüßen wir. Das kann man
nur unterstützen.
({4})
Aber da müssten auch Sie noch einen Beitrag leisten und
aufzeigen, wie die Bewerberinnen- und Bewerberzahlen
hier verbessert werden könnten.
Ein Weiteres - das sage ich mit aller Ernsthaftigkeit -:
Wir diskutieren in diesem Hause sehr viel darüber, wie
wir junge Menschen zu Abitur, Studium und nachfolgend in hoch qualifizierte Berufe bringen. Das ist notwendig, und das ist auch berechtigt, wenn man sich anschaut, wie Deutschland im internationalen Vergleich
dasteht. Was aber in dem Kontext aus meiner Sicht viel
zu wenig gesagt wird, ist, dass Ausbildungsberufe im
Handwerk eine hervorragende Qualifikation bieten und
dass sich hier oftmals jungen Menschen, die handwerklich oder technisch begabt sind, ein hervorragender Lebensweg bietet. Darauf wird, wie ich finde, viel zu selten
hingewiesen. Vom Duktus her tun wir immer so, als ob
diejenigen, die studiert haben, den anderen etwas voraus
hätten. Wir brauchen aber beides. Deshalb müssen wir
uns fragen, wie wir die jungen Leute begleiten und verstärkt für diese Zukunftsberufe gewinnen können.
({5})
Aus meiner Sicht müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um dem zunehmenden Fachkräftemangel begegnen zu können. Statt sich intern mit dieser bescheuerten Steuersenkungsdebatte, die die FDP wieder
losgetreten hat - ich glaube, es ist das vierte Mal in dieser Legislaturperiode, dass sie irgendwelche Vorlagen
ankündigen, die dann sowieso nicht kommen -, auseinanderzusetzen, sollten Sie lieber die notwendigen Gesetzentwürfe vorlegen, um den Fachkräftemangel in
Deutschland anzugehen.
({6})
Daran fehlt es bisher. Statt Steuersenkungsdebatten zu
führen, sollten wir die drängenden Probleme angehen.
Notwendig sind eine schnellere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und die Beratung und Begleitung
derjenigen, die das Anerkennungsverfahren durchlaufen.
Es ist notwendig, nach einer individuellen Kompetenzfeststellung passende Nachqualifikationen mit einer entsprechenden Begleitung der Betroffenen anzubieten. Das
fehlt grundsätzlich.
({7})
Minister Rösler, Sie haben vor ein paar Tagen wieder
gefordert, die Mindestverdienstgrenze für die Erteilung
einer Niederlassungserlaubnis auf 40 000 Euro zu senken.
({8})
- Ja, das muss man.
({9})
Wir Grünen sind seit sehr langer Zeit der Auffassung,
dass die Grenze zu hoch ist. Aber wo bleibt die Gesetzesvorlage für eine entsprechende Änderung? Sie reden
seit Monaten davon. In fast jeder Sitzung des Wirtschaftsausschusses wird darauf hingewiesen, dass die
Rahmenbedingungen schlecht sind und geändert werden
müssen. Es kommt aber keine Vorlage. Auch heute haben Sie es wieder nur angesprochen. Stattdessen liegt ein
Wischiwaschiantrag vor, in dem irgendwelche komischen Punkte aufgeführt sind, die man prüfen soll. Wir
erwarten von Ihnen aber Gesetzesinitiativen statt Gerede
und Schönfärberei, damit wir vorankommen.
({10})
Wir haben die Energiewende beschlossen. Das ist
wunderbar. Ihr Hin und Her in der Atomfrage hat leider
auch dazu geführt, dass Planungssicherheit, die Sie immer sehr hoch hängen und die für unser Land auch notwendig ist, nicht gegeben war. Ihr Zickzackkurs in den
letzten Monaten stellte für das Handwerk ein großes Problem dar; denn sehr viele Menschen haben sich mit Aufträgen zurückgehalten, weil man nicht wusste, wohin
diese Regierung eigentlich wollte.
({11})
Jetzt sind wir endlich an dem Punkt angekommen.
Endlich sagen auch Sie, dass wir mehr für die Gebäudesanierung tun und die Energieeffizienz steigern müssen.
Dafür und für den Ausbau der Leitungssysteme und der
erneuerbaren Energien brauchen wir das Handwerk. Damit muss aber auch die berufliche Ausbildung Schritt
halten. Wir brauchen somit neue Qualifikationen und
müssen uns mit neuen Ausbildungsberufen beschäftigen
- im innovativen Sektor ist vieles beschrieben -, um den
entstehenden Bedarf entsprechend decken zu können.
Frau Kollegin Scheel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pfeiffer?
Nein. - Es wird eine enorme Nachfrage geben. Um
diese Nachfrage decken zu können, brauchen wir entsprechende Fachkräfte. Dann können wir gemeinsam
mit dem Handwerk - das geht nämlich nur mit dem
Handwerk - unser Land nach vorne bringen.
({0})
Wir haben auch eine komische Debatte über die Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen geführt, Herr
Rösler. Es gibt dazu gute Untersuchungen wie die von
Herrn Professor Schneider, die zu dem Ergebnis kommen, dass dank der Möglichkeit der Absetzbarkeit von
Handwerkerleistungen, die Rot-Grün damals auf den
Weg gebracht hat, die Schwarzarbeit zurückgegangen
ist. Die Schwarzarbeit ist in den letzten Jahren nachweislich kontinuierlich zurückgegangen.
({1})
Hinzu kommt, dass Sie von falschen Zahlen ausgehen. Es wird immer behauptet, dass von Steuerausfällen
in Höhe von 2 Milliarden Euro auszugehen ist. Es gibt
aber in dem Sektor keine Steuerausfälle in Höhe von
2 Milliarden Euro; es gibt nur einen Zinseffekt. Dieser
Zinseffekt liegt bei ungefähr 60 Millionen Euro und
nicht mehr. Entweder wissen Sie es nicht, oder Sie wollen suggerieren, dass Sie für das Handwerk sehr viel tun,
und sprechen deswegen von 2 Milliarden Euro. Wenn
man also die gesetzliche Regelung, die jetzt ausläuft,
verlängert, hat man keine Steuerausfälle in Höhe von
2 Milliarden Euro wie zu Beginn, sondern dann hat man
nur Zinsausfälle. Auch das müssen Sie in Ihrem Haus
vielleicht einmal weitergeben, damit das vernünftig
kommuniziert wird.
({2})
Wir wünschen uns außerdem, dass Sie in punkto Istbesteuerung klare Linie halten. Es kann nicht angehen,
dass die Umsatzgrenze zur sofortigen Abführung der
Umsatzsteuer von 500 000 Euro, die jetzt gilt, auf
250 000 Euro gesenkt wird. Es geht um die Liquidität
der Unternehmen. Es geht um das Vertrauen in die Politik. Die Maßnahme ist angekündigt worden, und sie
muss dementsprechend umgesetzt werden.
({3})
- Ich stehe wirklich dahinter, weil es hier um Liquidität
geht, und fordere Sie auf: Tun Sie etwas!
({4})
Legen Sie endlich die Maßnahmen vor und reden Sie
nicht immer nur darüber! Das Handwerk wartet auf das
Handeln dieser Regierung; da ist es mit Gequatsche
nicht getan.
({5})
Das Wort hat die Kollegin Bögel für die FDP-Fraktion.
({0})
Bei vielen meiner Vorredner konnte ich geradezu spüren, dass sie noch nie einen Handwerksbetrieb von innen
gesehen haben, geschweige denn, mit Handwerkern gesprochen haben.
({0})
Ich kenne das Handwerk von der Pike auf. Mein Großvater war Modellbaumeister. Mein Onkel ist Malermeister. Von daher kenne ich diese Leute, und ich weiß um
deren Bedürfnisse.
({1})
Das Handwerk propagiert nicht umsonst auf seiner
Homepage: „Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht. Von
nebenan.“
({2})
Warum wohl? Jeder kennt einen Handwerker. Jeder hatte
schon einen Handwerker. Das fängt morgens beim Brötchenholen an und hört am Heiligabend bei der Instandsetzung der Heizungsanlage noch nicht auf. Es gibt mehr
als 4,8 Millionen Beschäftigte in 151 Ausbildungsberufen; der Jahresumsatz hat einen dreistelligen Milliardenbetrag erreicht. Das ist eine wahre Schwergewichtsklasse im Ring der deutschen Wirtschaft.
({3})
Was aber bei dieser Betrachtung viel zu kurz kommt,
ist die hohe soziale Kompetenz des Handwerks.
({4})
- Nein, das unterscheidet uns nicht vom Handwerk, weil
gerade das von uns gefördert wird.
({5})
Ich möchte einmal ein Beispiel aus meinem Wahlkreis
darstellen.
({6})
Ein mittelständischer Unternehmer, der ein sehr erfolgreiches Dentallabor leitet, kümmert sich außerordentlich
um sehr schwierige Jugendliche, indem er sie in seinem
Betrieb ausbildet und ihnen eine zweite und auch eine
dritte Chance bietet. Dieser Unternehmer hat ein Projekt
gegründet. Das Projekt heißt „Startbahn“. Hier wurde
schon von „Fordern und Fördern“ gesprochen. Nach diesem Prinzip funktioniert das Projekt. In dem Projekt
kümmert man sich um Jugendliche, fördert sie, aber fordert auch von ihnen, zum Beispiel gute Schulnoten. Der
Unternehmer hat es geschafft, in seinem Heimatort die
Vermittlungsquote der Hauptschüler von bisher 40 Prozent auf 85 Prozent zu heben. Das ist doch was!
({7})
Das ist ein Paradebeispiel für unser deutsches Handwerk: persönliches Engagement, Eins-zu-eins-Begegnung, keine großen Hörsäle, in denen anonym irgendetwas gelehrt wird, jedem eine oder auch eine zweite
Chance bieten, handeln, statt nur fordern.
Das Handwerk engagiert sich also sehr stark und ist
mit großem Verantwortungsbewusstsein dabei.
({8})
Wir benötigen jedoch eine ausreichende Zahl an gut ausgebildeten Fachkräften, um unsere Wettbewerbs- und
Innovationsfähigkeit und damit den Wohlstand und das
Wachstum für unser Land zu sichern.
({9})
- Danke. - Das Problem des Fachkräftemangels hängt
aber wie ein Damoklesschwert über den Unternehmen.
Deswegen ist es sehr wichtig und sehr richtig, dass sich
unsere Regierung gerade um dieses Problem kümmert.
Hier müssen wir - Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine gemeinsame Lösung finden und an einem Strang
ziehen. Es gibt auch schon sehr viele gute Projekte, bei
denen Politik, Wirtschaft, Unternehmen und Verbände
zusammenarbeiten. Es gilt, inländische Potenziale besser
auszuschöpfen und gleichzeitig durch eine kluge Zuwanderungspolitik - hier möchte ich eindringlich an das
Punktesystem erinnern - ausländische Fachkräfte zu gewinnen.
Die geplante Steuersenkung wird von den Handwerkskammern, den Handelskammern und auch von
vielen Verbänden sehr begrüßt.
({10})
Wir haben durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, durch die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung
und auch durch die Vereinfachung der Kreditvergabe
sehr viele richtige und wichtige Maßnahmen getroffen für den Mittelstand, für das Handwerk.
({11})
Das Handwerk zaubert mit seinen Händen solide
Meisterstücke. Wir machen solide Politik,
({12})
die den Aufschwung der „Wirtschaftsmacht von nebenan“ dauerhaft verstetigt.
Vielen Dank und eine schöne Sommerpause.
({13})
Das Wort hat die Kollegin Schwarzelühr-Sutter für
die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Handwerk hat goldenen Boden - an diesen
Spruch hat sich die Bundesregierung wohl erinnert und
versucht jetzt, mit der Beantwortung der Großen Anfrage beim Handwerk Boden gutzumachen. Dies wird
ihr nur leider nicht gelingen. Aber die Hoffnung stirbt
bekanntlich zuletzt.
Sie brüsten sich mit einem Aufschwung, für den Sie
eigentlich recht wenig im Vorfeld getan haben. Dass das
Handwerk aktuell so gut dasteht, beruht nämlich auf den
Initiativen der Sozialdemokraten.
({0})
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm und die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen - um nur
zwei Beispiele zu nennen - haben dem Handwerk Aufträge und Beschäftigung gebracht. Sie sind nicht auf
schwarz-gelbem Boden gewachsen, sondern wurden von
uns Sozialdemokraten angestoßen und umgesetzt.
({1})
Es ist erfreulich, dass das Handwerk so gut dasteht.
Man erwartet dort mehr als 2 Prozent Wirtschaftswachstum. Die Auftragslage ist gut; die Umsätze entwickeln
sich positiv. Die Stimmung im Handwerk ist tatsächlich
so gut wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Das
Handwerk ist der Motor des Aufschwungs. Dazu hat das
CO2-Gebäudesanierungsprogramm beigetragen. Zur Erinnerung: Dieses Programm wurde von der rot-grünen
Regierung 2001 aufgelegt, um Klimaschutz zu verbessern - wir waren schon immer etwas früher dran -,
Wohnnebenkosten einzusparen und Wachstum und Beschäftigung im Baugewerbe sowie im Bauhandwerk zu
erhöhen.
({2})
Dieses Programm hat sich auf allen Ebenen als Erfolg
erwiesen.
Die Nachfrage bei Eigentümern, bei Vermietern und
Kommunen nimmt weiterhin zu. Circa 40 Prozent des
gesamten Energieverbrauchs in Deutschland entfallen
auf den Gebäudebereich; dieser bietet damit ein riesiges
Potenzial für Energieeffizienz, Senkung der Wohnnebenkosten und Reduktion von CO2-Emissionen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Körber?
Nein.
({0})
Darf ich nachfragen, ob Sie generell keine Zwischenfragen gestatten; denn es gibt noch weitere Meldungen.
Ich sehe, dass sich auch Herr Pfeiffer gemeldet hat.
Bitte sehr.
({0})
- Sie, Herr Körber, dürfen danach fragen, damit es ausgeglichen ist.
Dann hat erst einmal der Kollege Pfeiffer das Wort.
Frau Kollegin, Sie tragen zwar nicht im Bund, aber in
Baden-Württemberg Verantwortung. Nachdem Ihr dortiger Seniorpartner in Person von Frau Scheel auf eine
Zwischenfrage nicht antworten wollte, frage ich halt den
Juniorpartner, die SPD.
({0})
In Ihrem dortigen Koalitionsvertrag werden weder
Arbeiter oder Handwerker noch Freiberufler erwähnt.
Aber das Wort „Beamte“ ist in all seinen Varianten 24-mal
zu finden, und das Wort „Lehrer“ kommt 30-mal vor.
({1})
Können Sie mir die Diskrepanz zwischen dem Handeln
dort, wo Sie Verantwortung tragen und Maßnahmen umsetzen können, und dem, was Sie hier erzählen, ein wenig erläutern?
({2})
Herr Pfeiffer, wir wollen nicht an Worten, sondern an
Taten gemessen werden. Wir werden unseren Ankündigungen auch Taten folgen lassen.
({0})
Ihre Tat in Regierungsverantwortung auf Bundesebene
war im letzten Haushalt vor allen Dingen, dass Sie die
Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm gekürzt haben.
({1})
Darf ich das so werten, dass Sie jetzt die Frage des
Kollegen Körber zulassen?
Ja, gut, dann bitte.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich hätte noch kurz eine
Frage zum CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Sie sprechen völlig zu Recht an, dass das ein sehr starker Motor
für das Handwerk gewesen ist. Deshalb konkret die
Frage - der Klimawandel ist ja nicht erst seit heute ein
Problem, sondern dieses Problem ist meiner Meinung
nach auch schon in den letzten fünf Jahren vorhanden
gewesen -: Warum hatte das SPD-geführte Ministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung dieses Programm
befristet angelegt, wenn es doch so ein großer Faktor ist?
Erstens freue ich mich neben Ihrem Sinneswandel bei
der Atomenergie, dass Sie zu der Erkenntnis gekommen
sind, dass es ein gutes Programm für den Klimaschutz
ist. Wir haben das Programm im Zuge des Konjunkturpaketes I und insbesondere des Konjunkturpaketes II
deutlich aufgestockt. Mit den Kürzungen, die Sie jetzt
vorhaben, erreichen Sie noch nicht einmal mehr die
Höhe des Ansatzes von 2009.
({0})
Bevor Sie jetzt weitersprechen, sei mir der Hinweis
gestattet: Wir sind gehalten, Zwischenfragen auch gemessen an der Redezeit zuzulassen. Deshalb lasse ich
jetzt keine weiteren Zwischenfragen zu. - Bitte.
({0})
Bis zu 340 000 Arbeitsplätze im Mittelstand und im
Handwerk werden durch die KfW-Programme zum energieeffizienten Bauen und Sanieren tatsächlich geschaffen und gesichert. Es ist eine Win-win-Situation für
Investoren, aber auch für private Eigentümer von Immobilien.
Wie gesagt, die Rücknahme der Kürzungen des KfWFörderprogramms ab 2012 auf 1,5 Milliarden Euro führt
zu einem Ansatz, der noch unter dem Niveau von 2009
liegt und bei weitem nicht ausreicht. Pro Jahr sind zum
Beispiel laut Aussage der unterzeichnenden Verbände
des Pakts für Klimaschutz mindestens 2 Milliarden Euro
aus dem Bundeshaushalt an konstanter Förderung nötig,
um die erforderlichen Energieeinsparungen zu erreichen.
Selbst die 1,5 Milliarden Euro, die Sie hier zur Verfügung stellen, geben keine Planungssicherheit, denn sie
kommen aus dem unsicheren Energie- und Klimafonds.
Die in dieser Woche beschlossenen fatalen Kürzungen möchte ich natürlich auch nicht unerwähnt lassen:
Auch die 45 Millionen Euro, die Sie beim Städtebau kürzen, werden Auswirkungen auf das Handwerk haben.
Auch der neue Energieeffizienzfonds aus dem Sondervermögen, der unter anderem die Markteinführung
von Motoren und Pumpen gerade im Heizungsbereich
sowie in Kälteanlagen unterstützen will, ist bezüglich
der Förderhöhe unsicher.
Beständigkeit und Verlässlichkeit der finanziellen
Mittel sind aber wesentliche Voraussetzungen für Investitionsentscheidungen. Verlässliche Rahmenbedingungen sind unerlässlich, um energetische Sanierungen umzusetzen. Typisch hier wieder der Zickzackkurs der
Bundesregierung bei diesen Programmen. Planungssicherheit und Verlässlichkeit sind also Fehlanzeigen bei der
Politik dieser Regierung.
({0})
Die SPD steht hinter den Handwerkern und unterstützt
sie bei der Forderung nach Planungssicherheit.
({1})
Der Umstieg aus dem Atomzeitalter in das Zeitalter
der erneuerbaren Energien bietet dem Handwerk riesiges
Potenzial, riesige Chancen nicht nur bei Maßnahmen der
Energieeffizienz, sondern auch bei Technologien für
Photovoltaik- oder Windkraftanlagen. Hier ziehen SPD
und das deutsche Handwerk an einem Strang.
Planungssicherheit und Verlässlichkeit brauchen aber
ebenso Existenzgründerinnen und Existenzgründer. Die
geplanten Kürzungen bei den Fördermaßnahmen für
Langzeitarbeitslose sind ein fatales Signal. Die Ankündigung von Arbeitsministerin von der Leyen, die Zuschüsse für Existenzgründerinnen und Existenzgründer
um über 1 Milliarde Euro zu kürzen, also um mehr als
die Hälfte, kann man nicht nachvollziehen; das ist kontraproduktiv. Insgesamt gehen die Zahlen bei den Existenzgründungen leicht zurück. Mit dem neuen Streichkonzert verabschiedet sich die Bundesregierung vom
Gründerland Deutschland.
({2})
Auch die geplanten Kürzungen bei den beiden Jugendprogrammen „Schulverweigerung - Die 2. Chance“
und „Kompetenzagenturen“ sind absolut nicht nachvollziehbar. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir
Nachwuchsmangel haben, dass wir Fachkräftemangel
haben, ist das eine falsche Maßnahme; diese muss unbedingt zurückgenommen werden.
({3})
Die SPD steht für ein modernes Handwerk. Das
Handwerk hat eine lange Tradition und hat es immer geschafft, die neuen Herausforderungen anzunehmen und
dabei innovativ zu sein.
Ich möchte das Beispiel der Elektromobilität nennen.
Früher gab es den Beruf des Kfz-Mechanikers, dann gab
es den Beruf des Kfz-Mechatronikers. In Zukunft brauchen wir für den Bereich Elektromobilität gut ausgebildete Fachkräfte. Allerdings sind herkömmliche Berufe
wie Bäcker und Metzger bei Jugendlichen als sehr
unsexy verschrien. Die Imagekampagne des ZDH setzt
hier auf eine sehr witzige und ansprechende Art richtige
Akzente. Mit dem Slogan „Am Anfang war Himmel und
Erde. Den ganzen Rest haben wir gemacht“ machen die
Handwerkerinnen und Handwerker in meinem Wahlkreis richtig gute Werbung.
Die SPD will mittels guter Politik für den Mittelstand
wirtschaftliches Wachstum mit sozialem Ausgleich und
ökologischer Nachhaltigkeit verbinden. Denn für die
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft nehmen der Mittelstand und insbesondere das
Handwerk eine zentrale Rolle ein.
({4})
Die FDP und der ehemalige „Mister Mittelstand“
Brüderle haben Mittelstand und Handwerk enttäuscht.
({5})
Außer Erleichterungen für Hoteliers hat es bisher
nicht wirklich viel gegeben. Der Mittelstand wartet vergeblich auf die Einlösung der Versprechen, die vor der
Bundestagswahl gemacht wurden. In der heutigen Ausgabe des Handelsblatts steht zum Stichwort „Steuerpolitik“ unter der Überschrift „Auf Kosten der Beitragszahler“:
Die schwarz-gelbe Regierung will mit Hilfe der Arbeitslosenversicherung eine Steuerreform finanzieren. Die Kosten tragen vor allem die, die angeblich
entlastet werden sollen.
Das spricht Bände. Bereits letzte Woche hat Ihnen Herr
Zetsche von Daimler in diesem Zusammenhang die Leviten gelesen.
Wir von der SPD wollen eine moderne Politik für die
Wirtschaftsmacht und -kraft des Handwerks von nebenan. Diese gilt nicht nur heute, sondern auch im Hinblick auf die Herausforderungen von morgen.
Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.
({6})
Die Kollegin Lena Strothmann hat für die Unionsfraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! 150 000 Solarwärmeanlagen
wurden 2009 in Deutschland installiert. 310 Millionen
Liter Farbe haben Maler und Lackierer 2010 in Deutschland verarbeitet. 55 000 Wärmepumpen wurden 2009
eingebaut. Fast 3 000 Handwerksbetriebe in Deutschland stellen Musikinstrumente her. Haben Sie gewusst,
dass auch die Übergabewimpel unserer Nationalelf und
der Goldene Bär der Berlinale handwerklich hergestellt
werden?
({0})
Handwerk ist Vielfalt. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig bietet diese Vielfalt an Berufen und Gewerbegruppen. Das Spektrum reicht von der Bauzeichnerin und
dem Geigenbauer bis hin zur Fotomedienfachfrau. Jährlich kommen hochinteressante, hochtechnisierte und anspruchsvolle Berufe hinzu. 1 Million Betriebe, fast 5
Millionen Beschäftigte und fast 500 000 Auszubildende
- das ist, kurz gefasst, die Erfolgsstory des deutschen
Handwerks, der Wirtschaftsmacht von nebenan.
({1})
Dies wird nun aufgrund unserer Großen Anfrage eindrucksvoll durch eine Vielzahl an Daten belegt. An dieser Stelle möchte ich ein herzliches Dankeschön an das
Bundeswirtschaftsministerium für die intensive Arbeit
bei der Beantwortung der Fragen richten.
Es wird deutlich, dass der Wirtschaftszweig Handwerk in Deutschland eine wichtige Rolle einnimmt, stärker als in anderen europäischen Ländern, die auch über
sehr viele kleine und mittlere Betriebe verfügen. Bei uns
in Deutschland ist diese gewachsene Struktur stark geprägt von der hohen Qualität unserer Meisterbetriebe
und unserem erstklassigen Ausbildungssystem.
({2})
Fest steht: Das Handwerk ist eine der tragenden Säulen unserer Wirtschaft. Was für die Gesamtwirtschaft
gilt, gilt auch für das Handwerk. Wir haben die Wirtschaftskrise überwunden und sind - ganz nach der Maßgabe unserer Kanzlerin - aus der Krise stärker herausgegangen, als wir hineingegangen sind.
({3})
Ende des Jahres wird voraussichtlich sogar das Vorkrisenniveau im Handwerk wieder erreicht. Das erste Quartal lief sensationell gut mit einem Zuwachs - man höre
und staune - von 11,7 Prozent.
({4})
Aufgrund seiner Stabilität wurden während der Krise
im Handwerk kaum Mitarbeiter entlassen. Das spiegelt
die Philosophie unserer Meisterbetriebe wider. Betonen
möchte ich: Gerade in Krisenzeiten stehen unsere Betriebe zu ihren Beschäftigten und setzen auf Qualität und
Leistungsbereitschaft.
({5})
Unsere Betriebe haben das Kurzarbeitergeld genutzt,
weil sie wissen, dass sie die gut ausgebildeten Menschen
im Aufschwung wieder brauchen,
({6})
gerade im Hinblick auf den drohenden Fachkräftemangel.
({7})
Gespürt hat das Handwerk die Krise besonders am
schmerzhaften Umsatzeinbruch und am Rückgang der
Aufträge, besonders im Dienstleistungsbereich, wie zum
Beispiel dem Friseurhandwerk, wo sich die Konsumzurückhaltung der Bürger unmittelbar bemerkbar macht,
und vor allen Dingen bei den Zulieferern der Industrie,
die exportabhängig ist.
Die Maßnahmen der Bundesregierung haben sich positiv ausgewirkt. Insbesondere das Gebäudesanierungsprogramm hat im krisenanfälligen Baugewerbe die
Nachfrage gesteigert. Ich will aber auch erwähnen, dass
die Istbesteuerung ein wichtiges Element war, um die Liquidität unserer Betriebe zu sichern. Deswegen halte ich
es für wichtig, diese Maßnahme zu verlängern.
({8})
Dies gilt in gleicher Weise für die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen in Privathaushalten.
Beide Maßnahmen haben wir unter anderem in unserem
Antrag festgehalten.
Im Konjunkturpaket I haben wir die absetzbare
Summe verdoppelt. Das war ein Anreiz für die Vergabe
legaler Aufträge in privaten Haushalten. Viele handwerkliche Leistungen wurden aus der Grauzone der
Schwarzarbeit geholt. Dadurch wurden Folgeaufträge
generiert. Somit finanziert sich der Steuerbonus teilweise selbst, und er beschert dem Staat zusätzliche
Steuer- und Sozialeinnahmen.
({9})
An dieser Stelle möchte ich gerne auf die Kritik des
Bundesrechnungshofes eingehen.
Erstens. Der Bundesrechnungshof legt in seiner Bewertung die Schätzungen des Subventionsberichts zugrunde. Bereits vor dem Start der Evaluierung, die von
der Bundesregierung noch in diesem Jahr durchgeführt
wird, gibt es Anzeichen, dass die tatsächlichen Steuerausfälle geringer sind.
Zweitens. Eine reduzierte Sicht auf diese Steuerausfälle greift zu kurz, weil es Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer und bei den Sozialbeiträgen gibt. Diese Effekte hat der Bundesrechnungshof nicht ausreichend in
seine Bewertung einfließen lassen.
({10})
Drittens. Es kann nicht sein, dass wir wegen hoher
Kontrolldefizite der Finanzämter den Steuerbonus abschaffen. Für mich steht fest: Der Steuerbonus ist wachstums- und beschäftigungsfördernd und daher keine Subvention im herkömmlichen Sinne.
({11})
Es ist aber durchaus kritisch zu beleuchten, dass die
Steuervergünstigung auch für ohnehin legal vergebene
Aufträge gilt, zum Beispiel für Pflichtwartungen. Hier
besteht Korrekturbedarf, der auch vom Handwerk selbst
unterstützt wird. Über dieses Thema werden wir in diesem Hohen Haus sicher noch debattieren.
Zurück zur Großen Anfrage. Stichwort Eigenkapitalquote. Als Ostwestfälin würde ich sagen: Die ist nicht
schlecht. Jedenfalls ist sie besser, als ich erwartet habe
und als man landläufig geglaubt hat.
({12})
- Lesen Sie es nach!
({13})
Sie wirkt sich jetzt im Aufschwung positiv auf die Finanzierungslage aus. In der Krise - das muss man zugeben - gab es durchaus Spannungen, aber ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Eine Kreditklemme hat es im
deutschen Handwerk definitiv nicht gegeben.
Besser als in der übrigen Wirtschaft sieht es bei den
Insolvenzen aus. Während in der Gesamtwirtschaft ohne
Handwerk 11 von 1 000 Unternehmen insolvent wurden,
waren es im Handwerk lediglich 7 von 1 000. Dieser
Umstand ist nicht zufällig; denn unsere familien- und
meistergeführten Betriebe sind nun einmal stabiler.
Nicht umsonst ist die unternehmerische Ausbildung der
wichtigste Bestandteil der Meisterausbildung.
Besonders freut mich, dass auch das ostdeutsche
Handwerk heute gut dasteht. Es ist doppelt so stark wie
bei der Wiedervereinigung. Auch die dreimal so hohe
Ausbildungsleistung und die deutlich gesteigerte Produktivität der ostdeutschen Handwerksbetriebe sprechen
für sich.
({14})
Die Große Anfrage hat auch bestätigt, wie erfolgreich
Frauen im Handwerk sind. Es gibt drei Bereiche, in denen Frauen immerhin einen Anteil von 20 Prozent haben: bei den Meisterprüfungen, bei den Existenzgründerinnen und den Betriebsinhaberinnen.
({15})
Dieser hohe Frauenanteil ist erfreulich, aber noch lange
nicht ausreichend. Ich möchte an junge Frauen und Mädchen appellieren, in sogenannte männerdominierte Berufe einzusteigen. Viele Mädchen wissen nicht, welche
Chancen sie in Hightechberufen haben. Dort ist heute
nicht mehr Muskelkraft gefragt, sondern es wird mit
Computerunterstützung gearbeitet. Meistens ist auch die
Bezahlung besser. Unsere Betriebe können auf die gut
ausgebildeten Frauen und Mädchen in technikorientierten Berufen nicht mehr verzichten. Sie brauchen die jungen Frauen als Fachkräfte für die Zukunft.
({16})
Umgekehrt müssen wir natürlich auch mehr Jungen
für dienstleistungsorientierte Berufe begeistern. Die
Große Anfrage zeigt: Die Zahl der Betriebsübergaben an
Töchter, die im Vergleich zu der Zahl der Übergaben an
Söhne hinterherhinkt, ist noch ausbaufähig. Von dieser
Tatsache war ich wirklich überrascht. Hier muss es sicherlich noch ein Umdenken geben, sowohl bei Vätern
als auch bei Töchtern.
Untersuchungen zeigen, dass pro Jahr etwa 22 000
Betriebe zur Übergabe anstehen und dass nur ein Teil der
Betriebe einen Nachfolger findet. Wenn wir den Betriebsbestand und die Zahl der Beschäftigten erhalten
wollen, muss die Zahl der Betriebsnachfolger auch innerhalb der Familie steigen. Das ist ein Thema, mit dem
wir uns in Zukunft noch intensiv beschäftigen müssen,
um die Substanz des Handwerks zu erhalten, als Motor
für Wachstum, Arbeitskräfte und Ausbildungsplätze.
Grundsätzlich müssen wir das Handwerk als tragende
Säule der Gesellschaft stärken. Das gelingt nur, wenn
wir auch die Begeisterung für das Unternehmertum und
für die Selbstständigkeit anfachen. Ich appelliere eindringlich an junge Menschen, die sich bereits für einen
Handwerksberuf entschieden haben, ihre Chancen zu
nutzen und ihre unternehmerische Weiterbildung voranzutreiben. Die Meisterprüfung ist die Krönung der Ausbildung und die beste Befähigung für die Leitung eines
eigenen Betriebes.
({17})
Viele junge Menschen wissen nicht, dass es unglaublich
viele Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten im deutschen Handwerk gibt.
Seit der Novelle zur Handwerksordnung 2003 ist es
zwar in den B1-Berufen möglich, ohne Meisterbrief in
die Selbstständigkeit zu gehen, aber man muss feststellen: Weil dort die Ausbildungsleistung nachlässt und die
unternehmerische Qualität oft fehlt, ist die Überlebensfähigkeit dieser Betriebe deutlich schlechter.
Die Ausbildungsquote im Handwerk beträgt 10 Prozent. Das heißt, bei rund 5 Millionen Beschäftigten stellt
das Handwerk nahezu eine halbe Million Ausbildungsplätze. Von den 2010 neu abgeschlossenen Verträgen
entfielen über 27 Prozent - das sind über 155 000 - auf
das deutsche Handwerk. Das ist beeindruckend und zeigt
die hohe Ausbildungsbereitschaft unserer Unternehmen.
Ihnen an dieser Stelle dafür ein herzliches Dankeschön!
({18})
Nicht nur die Zahlen beeindrucken, sondern auch das dahinterstehende System der dualen Ausbildung bei uns in
Deutschland. Unsere Jugendlichen haben die besten
Chancen, und zu Recht werden wir von unseren europäischen Nachbarn darum beneidet.
Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel
werden uns auch am Ausbildungsmarkt empfindlich
treffen. Aber das Handwerk hat Zukunft, und deshalb
kann es sich auch ständig auf neue Entwicklungen und
gesellschaftliche Veränderungen einstellen.
Kollegin Strothmann, achten Sie bitte auf die Zeit!
Ja. - Die Innovationsfähigkeit im Handwerk ist belegt. Sie spielt gerade im Klimaschutz und bei der Energiewende eine große Rolle. Die erneuerbaren Energien
und die Energieeffizienz bieten enorme Chancen. Es
wird keine Energiewende ohne das Handwerk geben.
Ich bin davon überzeugt: Das Handwerk hat wieder
goldenen Boden. Nutzen wir die Chancen für Wachstum,
Arbeitskräfte und Ausbildungskräfte!
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort hat der Kollege Dr. Diether Dehm für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Der Antrag der Koalitionsfraktionen verrät nicht die mindeste Vision für unser Handwerk. Er ist eine einzige Schönfärberei.
Sie freuen sich über eine Eigenkapitalquote von über
10 Prozent, und das bei 67 Prozent des Handwerks. Was
sind 11, 12, 13 Prozent Eigenkapitalquote?
({0})
- Lesen Sie den Bericht einmal durch! Das ist doch kein
Grund zur Freude.
Bei der Beschäftigungsrate freuen Sie sich über eine
Prognose von plus 0,5 Prozent. 2009 gab es ein Minus
von 1 Prozent und 2010 ein Minus von 0,6 Prozent. Das
Handwerk ist noch lange nicht aus dem Krisental.
Auch die Umsatzentwicklung im Handwerk ist im
Reparatur- und Dienstleistungsbereich, aber auch im
Bau- und Sanierungsgewerbe vom Vorkrisenniveau und
von früheren Zeiten noch weit entfernt.
Hinter dem Begriff „KMU“ stecken in Wahrheit Hunderttausende kleine und Kleinstunternehmen. Dort ist in
den letzten Jahren die Zahl derer, die mit Hartz IV „aufstocken“ mussten, um 50 000 auf 125 000 gestiegen,
weil sie mit 400 bis 800 Euro im Monat zu wenig zum
Leben hatten.
Das ist die nackte Wahrheit; das sind die Zahlen. Die
werden von Ihrer Schönfärberei in gar keiner Weise verbessert.
({1})
Gleichzeitig rollt die Pleitewelle; aber das Finanzamt
greift, selbst bei Insolvenzgefährdung, immer noch viel
zu schnell und unbarmherzig ein.
Wir linken Unternehmer wollen eine Steuerstundung
bei unverschuldeter Dominoinsolvenz. An die FDP gerichtet kann ich nur sagen: Ich erinnere mich noch an
Ihre lauten Rufe gegen die 19-Prozent-Mehrwertsteuer.
Wo haben Sie denn in der Bundesregierung etwas getan,
um die Mehrwertsteuer von 19 Prozent wenigstens um
einen 1 Prozentpunkt zu senken? Damit hätten Sie auch
unser Handwerk entlastet. Alles heiße Luft, sobald Sie
regieren.
({2})
Wir linken Unternehmer wollen das Finanzamt radikal umbauen, von einer gefühlten Dauerbedrohung zu
einem freundlichen Partner für kleine Unternehmen, damit kleine Handwerker keinen Steuerberater brauchen,
der teurer ist als ihr Telefon.
({3})
Wenn wir mehr Mitarbeiter in den Finanzämtern fordern,
dann zum einen, weil wir mehr Helfer für die kleinen
und Kleinstunternehmen wollen, zum anderen aber auch
als Großbetriebsprüfer, damit endlich von der Deutschen
Bank und den Energiekonzernen die Steuer geholt wird,
die bisher einseitig nur vom Mittelstand und von abhängig Beschäftigten gezahlt wird. Wir wollen die Finanzämter zu einem Vorposten eines freundlichen, weil starken Staates umbauen.
({4})
- Ja, für einen starken und freundlichen Staat. Das
Finanzamt ist die Visitenkarte.
Wir werben auch dafür, dass die Unternehmerinnen
und Unternehmer in Deutschland der Pflicht, gerechte
Steuern zu zahlen, wieder gerne nachkommen. Das gilt
besonders für die Deutsche Bank und die Großkonzerne,
die nämlich so gut wie gar nicht zahlen, weshalb der
Mittelstandsbauch entsteht.
({5})
Im Übrigen wissen unsere Bürgermeister und Landräte und auch die Kreissparkassen besser als irgendein
anonymes Rankingsystem nach Basel II oder III, ob der
am Ort eingesessene Bäckermeister für 15 000 Euro eine
Teigmischmaschine kreditiert bekommen sollte oder ob
er wegradiert wird und stattdessen eine weitere Wiener
Feinbäckerei, also die Filiale irgendeines Bäckereikonzerns, der halbfertige Teigstücke liefert, dort eröffnet
wird.
({6})
Sie sagen, es gebe keine Darlehensklemme. Ein Darlehen bekommt ein Handwerksunternehmen, gerade ein
kleines Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten, doch oft nur, wenn es bei der Bank nachweisen
kann, dass es gar kein Darlehen braucht.
({7})
Ich will Ihnen noch etwas sagen. Wir brauchen eine
Vision für das Handwerk. Deswegen setzen wir gegen
den Niedergang des Handwerks die Vision einer Reparaturoffensive. Reparieren vor Ort ist die Devise, Reparieren statt Austauschen konzernpatentierter und roboterDr. Diether Dehm
verschweißter Module. Die Zulieferer und Werkstätten
müssen aus der Knechtschaft der Konzerne und auch
von den Wucherzinsen der großen Banken befreit werden.
({8})
Wenn in meinem Auto der hintere Fensterheber
klemmt, dann bekomme ich in der Werkstatt drei weitere
Fensterheber mitgeliefert plus Zentralverriegelung. Alles muss dann zusammen ausgetauscht werden.
({9})
- Ich kann Ihnen die Marke nennen. Das ist eine große
Marke, die mit Wolfsburg in Verbindung steht.
({10})
Jedenfalls ist es so, dass ausgetauscht wird, anstatt zu
reparieren. Die Konzerne produzieren oft extra so, dass
nicht mehr repariert werden kann. Das ist das Problem.
Irgendwann werden die hochverzinkten Module dann zu
Umweltschrott, der nicht mehr recycelbar ist. Zudem
wird Naturstoff verbraucht und das alles auf Tausenden
von Autobahnkilometern hin und her geschippert.
Die Handwerkerinnen und Handwerker haben das
Nachsehen; denn sie können ihr Talent - das Reparieren
- nicht mehr anwenden. Im Interesse einer ökologischen
Wende muss der Staat die Konzerne zwingen, endlich
wieder reparaturfreundlich zu produzieren.
({11})
Das kann dann mit einem TÜV-Label „Reparabel handwerks-, weil kundenfreundlich“ prämiert werden.
({12})
Wir brauchen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz,
wir brauchen 1 Prozent Zinsen für Start-ups
({13})
und Überbrückungsdarlehen im Reparaturhandwerk.
Dann wird eine Reparaturoffensive daraus. Wir müssen
uns entscheiden, gerade bei der Frage der Steuern, aber
auch bei der Frage der Darlehen: Wollen wir den goldenen Boden für die Ackermänner, oder wollen wir den
goldenen Boden fürs Handwerk? Die Linke entscheidet
sich für das Handwerk.
({14})
Der Kollege Ernst Hinsken hat für die Unionsfraktion
das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Herr Dr. Dehm, Sie mögen ja von allem
etwas verstehen, aber vom Handwerk verstehen Sie
nichts.
({0})
Ihre Rede ist total ins Leere gegangen.
({1})
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen,
dass Sie zu Recht neben Ihrer Kollegin Frau
Wagenknecht sitzen. Sie haben eine Klassenkampfrede
gehalten, anstatt zum Thema Handwerk zu sprechen.
({2})
Vom Klassenkampf hat das Handwerk gar nichts, und
Gott sei Dank steht der Klassenkampf beim Handwerk
ganz weit unten auf der Liste.
({3})
Damit würden Sie dort nie und nimmer einen Blumentopf gewinnen.
Ich habe das Bedürfnis, zunächst Ihnen, verehrter
Herr Wirtschaftsminister Dr. Rösler, ein großes Kompliment zu machen.
({4})
Nicht nur ich, sondern auch die sieben im Deutschen
Bundestag vertretenen Handwerksmeisterinnen und
Handwerksmeister gratulieren Ihnen zu Ihrer großartigen Rede.
({5})
Da können Sie von den Grünen, der SPD und den Linken natürlich nicht mitreden, weil in Ihren Fraktionen
kein einziger Handwerksmeister vertreten ist. Wir hingegen stehen mitten im Leben. Wir wissen, wo der Schuh
drückt, und haben unmittelbaren Kontakt mit den Betroffenen.
({6})
Wir machen eine Politik für das Handwerk als einen
ganz starken Mittelstandsbereich. Das ist notwendig, damit sich das Handwerk weiterhin entfalten kann.
({7})
Herr Kollege Duin, wenn wir dem damaligen Wirtschaftsminister unter Rot-Grün, Herrn Clement, gefolgt
wären und die Anlage A zur Handwerksordnung auf
29 Berufe ausgerichtet hätten ({8})
- Herr Heil, Sie waren auch dabei -, dann sähe es ganz
düster aus für unser Handwerk und andere Bereiche, insbesondere was die Arbeitsplätze anbelangt.
Wir - CDU/CSU und FDP - haben es fertiggebracht,
({9})
dass die Anlage A zumindest auf 44 Gewerke ausgeweitet wurde. Im Nachhinein kann jetzt festgestellt werden,
dass das eine vernünftige und richtige Entscheidung war.
Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wäre alles ganz anders gekommen.
({10})
Meine Damen und Herren, die heutige Debatte ist
längst überfällig, und zwar deshalb, weil uns allen bewusst ist, dass das Handwerk einer der robustesten Wirtschaftszweige der Bundesrepublik Deutschland ist. Die
92 Fragen, die in der Großen Anfrage zum Handwerk
gestellt worden sind, haben auf 69 Seiten Antworten erhalten.
({11})
- Das ist wirklich toll, weil wir etwas zu sagen haben,
weil wir etwas nachzuweisen haben, weil wir Perspektiven geben möchten und weil wir dem Handwerk das
Verständnis entgegenbringen wollen, das es benötigt, das
es aber häufig vermisst.
({12})
Wenn man 988 000 Betriebe zum Bereich des Handwerks zählen kann, wenn man auf 4,7 Millionen Beschäftigte verweisen kann, wenn man 440 000 Ausbildungsverträge abgeschlossen hat, dann hat man allen
Anlass, auf eine solche Leistung stolz zu sein. Erkennen
Sie das doch einmal an!
({13})
Im Übrigen erwirtschaftet unser Handwerk im laufenden Jahr einen Umsatz von einer halben Billion Euro.
({14})
Das ist einmalig und großartig. Ich wollte es besonders
hervorheben.
Mir ist bewusst: Das Handwerk steht für Qualitätsarbeit, Ausbildungsplätze, Betriebsgründungen, Innovationen, Fleiß und Zuverlässigkeit. Ein Handwerker, ob
Frau oder Mann, hat die 40-Stunden-Woche - das
möchte ich auch einmal sagen - bereits am Mittwochoder Donnerstagabend erreicht.
({15})
Handwerker stehen mit beiden Beinen im Leben und
bringen sich inhaltlich voll ein. Sie haben einen Anteil
daran, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland so
blendend dastehen.
Frau Kollegin Scheel, ich meine schon, dass es erwähnenswert ist, dass 90 Prozent der Handwerksbetriebe
Personengesellschaften sind. Da kann man nicht wie ein
smarter Manager vorgehen, der seinen Hut nimmt, wenn
es danebengeht.
({16})
Da haftet man mit seinem ganzen Hab und Gut; da muss
man sich einbringen. Ich hebe das besonders hervor;
denn ich habe vielfach Kontakt mit Handwerkern und
möchte anerkennen, was sie leisten.
({17})
Es kann nicht von der Hand gewiesen werden: Dort,
wo das Handwerk und der Mittelstand breit aufgestellt
waren, hat sich die Wirtschaftskrise am wenigsten ausgewirkt;
({18})
da ist man am leichtesten über die Runden gekommen.
Herr Duin, ich bin schon bereit, anzuerkennen, dass das
Konjunkturprogramm II eine ganz gute Sache für das
Handwerk war.
({19})
Die Große Koalition hatte das Programm beschlossen.
Warum sollte nicht darüber geredet werden, wenn sich
etwas so positiv auswirkt? Durch dieses Konjunkturprogramm wurde insbesondere die Binnenwirtschaft angekurbelt, die einen Schub brauchte, um die Herausforderungen, die auf uns zukamen, leichter zu bewältigen.
Ich möchte kurz die Ausbildungsleistung des Handwerks ansprechen. Frau Kollegin Strothmann, Sie sind
Präsidentin einer Kammer und stehen mit beiden Beinen
im Leben. Sie wissen, dass im Jahr 2010 gut 155 000 Ausbildungsverträge im Handwerk abgeschlossen wurden;
({20})
das sind 27,7 Prozent aller Ausbildungsverträge, die in
Deutschland abgeschlossen wurden.
Eines freut mich ganz besonders: In verschiedenen
Parteien und darüber hinaus wird immer wieder über
eine Frauenquote diskutiert. Frau Kollegin Pawelski,
jeder vierte Handwerksbetrieb in der Bundesrepublik
Deutschland wird von Frauen gegründet. Ein großes
Kompliment an die Frauen!
({21})
Ich möchte auch sagen: Ein Handwerker weiß, dass er
Unternehmer und nicht Unterlasser ist.
({22})
Er greift zu. Er bindet seine Mitarbeiter ein; einer kennt
den anderen im Betrieb.
({23})
Das ist die Grundlage für einen erfolgreichen Betrieb,
wie wir ihn in der Bundesrepublik Deutschland gerne
haben.
Die Handwerksmeister sind zu Recht stolz auf ihren
Meisterbrief. Ich meine aber, dass die Meister, die wir
haben, noch zu wenige sind. Eine breite Gründungswelle
in der ganzen Bundesrepublik Deutschland täte uns gut;
wir könnten sie gebrauchen.
Wenn ich einen Handwerker frage, was ihn beschwert
und ihm am meisten unter den Nägeln brennt, dann
bringt er es ganz kurz, wie aus der Pistole geschossen,
auf den Nenner: zu hohe Steuern, zu hohe Sozialabgaben,
({24})
zu viel Bürokratie und: „Wer wird mein Nachfolger?“
Meine Damen und Herren, genau auf diese vier Fragen
geben wir Antworten. Wenn Sie die Antworten auf unsere Große Anfrage genau lesen, dann bekommen Sie
auch die Antworten auf die vier genannten Fragen. Die
Zeit lässt es nicht zu, darauf näher einzugehen.
Ich bin mir dessen bewusst: Ein Handwerksmeister
- oder eine Handwerksmeisterin - der Gegenwart muss
ein Fachmann, ein Kaufmann und ein Techniker sein
und etwas von den neuen Medien verstehen. Wenn er
diese vier Komponenten beherrscht, dann wird er - davon bin ich fest überzeugt - die Herausforderungen der
Zukunft ohne Weiteres meistern.
Wir sollten die heutige Debatte vor dem Hintergrund
führen, dass rund 85 Prozent der Handwerksbetriebe die
Geschäftslage als gut bzw. befriedigend betrachten. Das
zeigt sich auch daran, dass man ein Umsatzplus von gut
3 Prozent erwartet, während im Jahr 2009 - Sie wissen,
da gab es die kleine Wirtschaftskrise - ein Minus von
0,6 Prozent ausgewiesen wurde.
7 000 Ausbildungsstellen können nicht besetzt werden. Herr Minister, Sie haben darauf verwiesen, dass
junge Leute animiert werden müssen, ihre Zukunft im
Handwerk zu suchen. Es wird belohnt, wenn man tüchtig
ist, wenn man fleißig ist, wenn man sich einbringt.
Als letzten Punkt möchte ich die Verlängerung der
Lebensarbeitszeit ansprechen. Das muss im Zusammenhang mit dem Facharbeitermangel gesehen werden. Ich
persönlich bin der Meinung, dass ein Handwerker durchaus in der Lage und bereit ist, länger zu arbeiten. Ich
glaube, dass er Verständnis dafür hat, dass er länger arbeiten muss. Man kann einen Maurer oder Dachdecker
natürlich nicht mehr mit 65 oder 66 Jahren auf das Dach
jagen - das ist klar -, mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit kann man dem Fachkräftemangel aber in gewisser Hinsicht begegnen. Tüchtige Leute, die bereit sind,
sich weiter einzubringen, sollten die Möglichkeit haben,
ein wichtiges Glied in der Handwerkerfamilie zu bleiben, insbesondere, wenn sie in dem Betrieb nicht erst ein
halbes Jahr, sondern schon 20, 30, 40 oder sogar
50 Jahre tätig sind.
Das soll als Botschaft hinausgehen: Wir setzen auf
das Handwerk. Wir sind stolz auf diese Wirtschaftssparte
in der Bundesrepublik Deutschland und werden weiterhin unser Augenmerk darauf richten.
Herzlichen Dank.
({25})
Das Wort hat die Kollegin Wicklein für die SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Rund 160 Millionen Füße sind täglich in
Deutschland unterwegs und können sich dabei auf das
handwerkliche Geschick der Schuhmacher verlassen. In
75 600 Handwerksbetrieben sorgen Elektrotechniker,
Elektroniker und Informationstechniker dafür, dass der
Funke immer überspringt. 72 Prozent aller Erwachsenen
haben in den letzten drei Jahren einen Augenoptiker besucht und einen Sehtest machen lassen. Maler und Lackierer verarbeiten in Deutschland in jedem Jahr etwa
310 Millionen Liter Farbe. 45 000 Bäckereifachgeschäfte versorgen uns täglich mit Brot und Backwaren.
Deutschlandweit sorgen circa 78 000 Friseursalons mit
handwerklichem Geschick dafür, dass ihre Kunden gut
frisiert sind.
({0})
Dank der handwerklichen Fähigkeiten von Brauern und
Mälzern werden in Deutschland jährlich 10 Milliarden
Liter Bier abgesetzt und wahrscheinlich auch getrunken.
({1})
- Da freuen sich die Männer.
Diese und viele andere interessante Fakten findet man
auf der Internetseite des Zentralverbands des Deutschen
Handwerks. Die Beispiele zeigen: Handwerk ist Vielfalt.
Handwerk schafft Arbeitsplätze. Handwerk schafft viele
interessante Perspektiven für junge Menschen; auch
heute hören uns viele zu. Das muss man immer wieder
betonen, weil nach wie vor häufig nur die zehn bekanntesten Handwerksberufe gewählt werden. Da müssen wir
etwas ändern, damit das in Zukunft anders aussieht.
({2})
Mit mehr als 4,8 Millionen Beschäftigten in 151 Ausbildungsberufen und einem Jahresumsatz in dreistelliger
Milliardenhöhe ist das Handwerk tatsächlich das
Schwergewicht der deutschen Wirtschaft. Es gibt kaum
einen Lebensbereich, in dem das Handwerk nicht eine
wichtige Rolle spielt. Es ist richtig: Noch nie ging es
dem Handwerk so gut wie heute. Als Brandenburgerin
freut mich ganz besonders, dass es dem Handwerk in
den ostdeutschen Bundesländern besonders gut geht.
Das Handwerk hat sich in Ostdeutschland sehr positiv
entwickelt. Es stellt inzwischen eine tragende Säule der
ostdeutschen Wirtschaft dar.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich den vielen
Unternehmerinnen und Unternehmern in Ostdeutschland
danken, die viel Mut und Risikobereitschaft aufgebracht
haben. Sie haben mit ihrem Einsatz dazu beigetragen,
dass sich eine Struktur der mittelständischen Wirtschaft
herausgebildet hat. Das war viele Jahre lang nicht der
Fall. Aufgrund dieser positiven Entwicklung haben die
jungen Menschen in Ostdeutschland jetzt eine Perspektive.
({3})
Trotz dieser positiven Bilanz steht natürlich auch das
Handwerk vor großen Herausforderungen; wir haben
heute schon viel darüber gehört. Diese Herausforderungen sind zum Beispiel der demografische Wandel und
der daraus resultierende Fachkräftemangel; meine Kollegen haben dazu schon einiges gesagt.
Aus meiner Sicht ist eines ganz besonders wichtig
und klar - das hört man immer wieder vom Handwerk -:
Handwerk braucht Verlässlichkeit und Planbarkeit.
({4})
Die Politik der aktuellen Bundesregierung zeichnet sich
leider durch das Gegenteil aus.
({5})
Eklatante Planlosigkeit und ständige Richtungswechsel
sind Gift für die Entwicklung des Handwerks.
({6})
Wir bekommen es aktuell bei der Debatte über Steuersenkungen wieder vor Augen geführt: Im Koalitionsvertrag wurden Steuersenkungen vereinbart. Dann wurden sie vernünftigerweise kurze Zeit später vom Tisch
gewischt. Jetzt werden sie für das Wahljahr 2013 angekündigt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
({7})
Der Atomausstieg bzw. der Ausstieg vom Ausstieg und
anschließende Wiedereinstieg und auch das bereits erwähnte Gebäudesanierungsprogramm sind bedauerlicherweise Paradebeispiele für das Hü und Hott der jetzigen Bundesregierung.
Diese Wankelpolitik spiegelt sich auch in vielen Entscheidungen wider, die wichtig für die Entwicklung des
Handwerks und des Mittelstands insgesamt sind. Entscheidungen über Dinge, die sich in der Vergangenheit
bewährt hatten, wurden kurzerhand rückgängig gemacht.
Wenn der Wind sich dreht oder erster Widerspruch bei
möglichen Wählergruppen entsteht, werden sie wieder
aus der Kiste geholt. Planungssicherheit für die vielen
kleinen und mittelständischen Unternehmen wird so
nicht geschaffen ({8})
und Vertrauen in die Regierungspolitik übrigens auch
nicht. Ihre Politik treibt den Unternehmern den Angstschweiß auf die Stirn,
({9})
weil sie heute Abend nicht wissen, was der nächste Tag
bringen wird.
({10})
Ein Beispiel ist die Städtebauförderung; darüber wird
im Anschluss noch ausreichend diskutiert werden. Die
Mittel werden um 45 Millionen Euro gekürzt; sie reichen
vorne und hinten nicht. Der Förderbedarf wird auf
700 Millionen Euro geschätzt, und zwar in einer Studie,
die Ihr eigener Bauminister in Auftrag gegeben hat.
Diese Kürzungsorgie und dieses Hin und Her haben unmittelbare Auswirkungen auf das Handwerk. Deshalb
fordern wir die Bundesregierung auf, die Kürzungen bei
der Städtebauförderung komplett zurückzunehmen und
die Höhe der Mittel auf den ursprünglichen Stand zu setzen.
({11})
Nehmen wir das Beispiel Bürokratieabbau. Das vollmundig von der Bundesregierung angekündigte Ziel, bis
Ende 2011 die jährlichen Bürokratiekosten der Wirtschaft um 25 Prozent zu senken, wird nach dem gegenwärtigen Stand nicht erreicht. Zahlreiche Vorschläge
- übrigens auch von Handwerkern - wurden bis heute
nicht aufgegriffen. Die Entscheidungen darüber wurden
vertagt. Ein Sprint auf der Zielgeraden ist das nicht.
An diesen wenigen Beispielen aus einer endlosen
Liste wird deutlich, wie schnell sich die aktuelle Politik
der Bundesregierung ändert. Für mich ist die derzeitige
Politik der Bundesregierung hilflos, planlos und orientierungslos.
({12})
Genau das verunsichert das Handwerk. Unsere mittelständischen Unternehmen brauchen Planungssicherheit,
Kontinuität und Verlässlichkeit.
Vielen Dank.
({13})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Schummer für die Unionsfraktion.
({0})
Das Handwerk ist eine starke Wirtschaftsmacht. Es ist
vor allem eine sehr starke Bildungsmacht. Damit hat es
eine Voraussetzung dafür geschaffen, dass wir gemeinsam gestärkt aus der Weltwirtschafts- und -finanzkrise
herausgekommen sind. 19 Prozent aller Betriebe in der
Wirtschaft sind Handwerksunternehmen. Diese 19 Prozent stellen allerdings fast 30 Prozent aller Ausbildungsplätze in Deutschland zur Verfügung. Das Handwerk ist
deutscher Meister in der Berufsausbildung. Die Ausbildungsquote liegt im Handwerk bei 10 Prozent, in der
Großindustrie bei 3,5 bis 4 Prozent. Bis Juni dieses Jahres - diese Zahl ist also ganz aktuell - meldete das
Handwerk 58 000 neue betriebliche Ausbildungsplätze,
6 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Das
heißt, es geht auch nach der Krise weiter bergauf. Das
Handwerk bildet sogar über den eigenen Bedarf hinaus
aus, sodass es seine wichtige gesellschaftliche Funktion
im Bildungsbereich immer wieder von Neuem erfüllt.
Was den Unterschied zwischen den Genossen der
Bosse und der Meisterin des Handwerks, Frau Merkel,
({0})
ausmacht, ist Folgendes: 2005 gab es in Deutschland
5 Millionen Arbeitslose, derzeit 2,8 Millionen. 2005
wurden jeden Tag unter dem Strich 2 000 Arbeitsplätze
vernichtet, derzeit werden täglich unter dem Strich 1 400
neue Arbeitsplätze geschaffen. Das ist der Unterschied
zwischen einer unionsgeführten Bundesregierung und
einer SPD-geführten Bundesregierung.
({1})
Eine Bildungspartnerschaft gibt es beispielsweise im
Rahmen des Ausbildungspaktes. Die christlich-liberale
Koalition hat es geschafft, dafür zu sorgen, dass auch die
Bundesländer eingestiegen sind. Hier gibt es also kein
Kooperationsverbot, sondern eine ganz konkrete Bildungspartnerschaft, die dazu führt, dass insgesamt mehr
Ausbildungsplätze und in der Ausbildung mehr Qualität
geschaffen werden.
Ein entscheidendes Instrument zur Verbesserung der
Zielgenauigkeit der Berufsorientierung - sie ist im Zusammenhang mit den Hartz-Gesetzen 2003 massiv unter
Beschuss geraten - ist die Schaffung von Bildungsketten. Das heißt, dass wir nicht erst drei Monate, sondern
schon drei Jahre vor der Schulentlassung gemeinsam mit
den Schülern überlegen, wie Berufsorientierung und Berufsberatung aussehen können. Wir wollen drei Jahre vor
der Schulentlassung in der Schule eine Potenzialanalyse
durchführen, um die Stärken und Schwächen des jeweiligen Schülers zu erkennen, sodass wir in der verbleibenden Zeit daran arbeiten können. Wir wollen die Stärken
stärken und die Schwächen weitestgehend beseitigen.
Zwei Jahre vor der Schulentlassung wollen wir dafür
sorgen, dass in überbetrieblichen Ausbildungsstätten
- davon gibt es in Deutschland über 600 - zwar nicht
alle 342 Berufsbilder kennengelernt, zumindest aber die
wichtigsten Berufsfelder durchlaufen werden können,
innerhalb von zwei, drei Wochen und projektbezogen.
Anschließend sollen betriebliche Praktika absolviert
werden, und zwar in dem Berufsbereich, für den der Jugendliche geeignet ist und in dem er den Übergang von
der Schule in die berufliche Qualifizierung schaffen
kann.
Die Ausbildungsketten, die wir entwickelt haben und
jetzt umsetzen, sind ein wesentliches Instrument, auch in
den 600 Berufsbildungsstätten des Handwerks, die wir
mit Zuschüssen von 40 Millionen Euro unterstützen. Sie
sind auch eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die
Motivation in der Schule steigt. So ist die Zahl der
Schulabbrecher von 100 000 vor einigen Jahren auf derzeit 60 000 gesunken.
Wir wollen darüber hinaus die Zielgenauigkeit des
Übergangs in die Berufsqualifizierung verbessern, damit
auch die Abbrecherquote in der Berufsausbildung - derzeit liegt sie bei 24 Prozent - sinkt. Sie ist allerdings bei
weitem geringer als die Abbrecherquote an den Fakultäten der Universitäten; dort liegt sie teilweise bei 35, 40
oder 45 Prozent.
Kollegin Wicklein, Angstschweiß auf der Stirn hatte
das Handwerk 2003, 2004 und 2005, als die Handwerksnovelle von der damaligen rot-grünen Koalition angegangen worden ist.
({2})
Damals mussten wir den Meisterbrief - Kollege Hinsken
hat es geschildert - gegen die Ich-AGs von Rot-Grün
verteidigen. Wir haben erreicht, dass neben dem Kriterium der Gefahrengeneigtheit auch das Kriterium der
Ausbildungsleistung - ein wichtiges Instrument für das
Handwerk - beim Erhalt des Meisterbriefes gemäß der
Handwerksrolle Anlage A gesichert werden konnte.
Dort, wo der Meisterbrief als Voraussetzung für die
Selbstständigkeit im Handwerk weggefallen ist, bei den
Fliesenlegern, kam es zu einem wunderbaren Anstieg
der Zahl neuer Betriebe. Aber die Ausbildungsquote hat
sich halbiert. Ich wiederhole: Verdopplung der Zahl der
Betriebe, Halbierung der Ausbildungsleistung. Das
zeigt: Der Meisterbrief ist die Voraussetzung für die
Ausbildungsleistung in unserem Lande.
Wir diskutieren derzeit über den Europäischen Bildungsrahmen bzw. den Europäischen Qualifikationsrahmen. Uns allen ist daran gelegen, im europäischen
Raum, zwischen Portugal und Griechenland, dafür zu
sorgen, dass auch die Länder, die das duale System nicht
in dem Maße kennen, zu dem Ergebnis kommen - das
wollen wir im Rahmen der Anerkennungsrichtlinie im
Hinblick auf die Berufsausbildung auf europäischer
Ebene durchsetzen -, dass der Meisterbrief oder der
Techniker, also die Weiterbildung, europaweit genauso
bewertet wird wie der Bachelor, dass also akademische
Ausbildung und berufliche Ausbildung gleichgestellt
werden. Wir sagen beispielsweise auch: Ein Ausbildungsabschluss als Mechatroniker hat im Europäischen
Qualifikationsrahmen den gleichen Wert wie zum Beispiel das Abitur. Wir brauchen nicht nur Menschen, die
Mondbahnen berechnen und die Relativitätstheorie von
Einstein erläutern können, sondern wir brauchen auch
Menschen, die eine Heizung reparieren können und wissen, wie eine Maschine zusammengebaut wird, damit sie
auch funktioniert. Das bedeutet Gleichwertigkeit von
akademischer und Berufsausbildung.
Auch im Bildungsausschuss höre ich immer wieder,
und zwar von den Sozialdemokraten, dass die Abiturquote und die Studienzugangsquote Maßstäbe für Bildungserfolge sind. 46 Prozent aller Schulabgänger sind
in der derzeitigen Generation Gott sei Dank Studienanfänger, aber der Weiterbildungsberuf, die duale Ausbildung, hat den gleichen Wert und die gleiche Sinnhaftigkeit wie diese akademische Ausbildung.
({3})
Das müssen wir in einem europäischen Ausbildungsraum zwischen Portugal und Griechenland auch miteinander umsetzen.
Ich komme zum Schluss. Ernst & Young haben bei einer Befragung von globalen Personalentscheidern festgestellt, dass Deutschland mit der dualen Ausbildung
hinter China, den USA und Indien an vierter Stelle der
Talentschmieden steht. Der Bildungsfaktor Handwerk ist
eine Voraussetzung für diesen Erfolg, den wir gemeinsam haben. Dem geht es heute gut, und das hat etwas mit
der christlich-liberalen Koalition zu tun.
({4})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/
6457 mit dem Titel „Wirtschaftsmacht Handwerk - Kein
Wachstum in Deutschland ohne das Handwerk“. Wer
stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der
Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stim-
men der SPD und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 48 a und b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sören
Bartol, Uwe Beckmeyer, Martin Burkert, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie
der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela
Wagner, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
40 Jahre Städtebauförderung - Erfolgsmodell
für die Zukunft der Städte und Regionen erhalten und fortentwickeln
- Drucksache 17/6444 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({0})
Innenausschuss
Sportausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun
Bluhm, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Städtebauförderung auf hohem Niveau verstetigen, Forderungen der Bauministerkonferenz
umsetzen
- Drucksache 17/6447 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({1})
Innenausschuss
Sportausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
({2})
- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde gerne die
Aussprache eröffnen. - Kollegen Kauder und Beck, ich
würde gerne die Aussprache eröffnen.
({3})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Bartol für die SPD-Fraktion.
({4})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor fast genau 40 Jahren, am 16. Juni 1971, hat der BunSören Bartol
destag das Städtebauförderungsgesetz beschlossen.
40 Jahre Städtebauförderung: Das wäre eigentlich ein
Anlass, zu feiern, wenn uns in diesem Jahr nicht die
dritte Kürzungsrunde in Folge erwarten würde.
Nur noch 410 Millionen Euro für die Städtebauförderung stehen im Haushaltsentwurf für 2012. Damit bleiben Sie noch hinter den 455 Millionen Euro zurück, die
Sie, Herr Ramsauer, uns noch Anfang Juni im Ausschuss
in Aussicht gestellt haben - und weit hinter den 700 Millionen Euro, die eigentlich nötig wären.
({0})
Herr Ramsauer, die Zukunft der Städte interessiert Sie
offenbar überhaupt nicht; denn ansonsten hätten Sie im
Kabinett endlich einmal mehr Rückgrat gezeigt.
({1})
Die Bundesregierung spart damit ein historisch gewachsenes Instrument der Stadtpolitik kaputt, das eine
der großen Reformleistungen der Regierung Willy
Brandt war. Anliegen des sozialdemokratischen Bauministers Lauritz Lauritzen war es, die Bodenspekulationen einzuschränken, den Kommunen mehr Steuerungsmöglichkeiten zu geben und die Bürgerbeteiligung und
den Mieterschutz zu stärken. Das waren damals und sind
heute noch immer aktuelle und hochspannende Themen.
Die Städtebauförderung hat sich über 40 Jahre bewährt. Die Städte und Gemeinden werden durch sie darin unterstützt, die Bausubstanz zu erhalten und ein
lebenswertes Wohnumfeld und nicht zuletzt gute Investitionsbedingungen zu schaffen.
Die rot-grüne Bundesregierung hat mit dem Programm „Soziale Stadt“ und mit den Stadtumbauprogrammen die Städtebauförderung entscheidend fortentwickelt. Sie hat sich damit verstärkt den Stadtteilen
zugewandt, die wirtschaftlich und sozial benachteiligt
sind. Die Programme „Soziale Stadt“ sowie „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“ setzen auf ganzheitliche Entwicklungsstrategien. Sie beteiligen die
Menschen an der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes. Sie sind damit Erfolgsmodelle für Bürgerbeteiligung und gelebte Demokratie. Vor diesem Hintergrund freue ich mich ganz besonders, dass es uns
gelungen ist, dazu mit den Grünen einen gemeinsamen
Antrag vorzulegen.
Auch in der Großen Koalition war die Stadtentwicklungspolitik von einem breiten, parteiübergreifenden
Konsens getragen. Die Städtebauförderung blieb als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern auch nach
der Föderalismusreform erhalten; zu Recht, denn sie ist
ein Paradebeispiel dafür, wie Zusammenarbeit von Bund
und Ländern gelingen kann.
Umso bedauerlicher finde ich es, dass die Bundesregierung dieser erfolgreichen Zusammenarbeit mehr und
mehr die Grundlage entzieht. In diesem Jahr protestieren
die Bauminister der Länder schon zum zweiten Mal einstimmig gegen die Kürzungen der Städtebauförderung.
Herr Minister Ramsauer, die Vertrauensbasis bröckelt.
Auch Ihr Haushaltsentwurf für 2012, Herr Minister,
zeigt, dass Sie überhaupt nicht begriffen haben, was
kluge Stadtentwicklungspolitik ausmacht. Stadtentwicklung geht nicht von heute auf morgen. Sie braucht Verlässlichkeit. Stattdessen erleben wir Ungewissheit und
alljährliche Kürzung. Ihr Haushaltsentwurf enthält, verglichen mit 2009, eine Kürzung um 60 Prozent bei dem
Programm „Soziale Stadt“, eine Kürzung um 40 Prozent
bei dem Programm „Stadtumbau Ost“ und eine Kürzung
um ein Drittel bei dem Programm „Stadtumbau West“,
um drei Beispiele zu nennen.
({2})
- Das sicherlich sinnvolle Programm für kleine Städte
und Gemeinden wird seit 2010 immer weiter aufgestockt. Wen wundert das: 25 der 75 bisher in diesem Programm geförderten Kommunen liegen in Bayern.
({3})
Ich bin nicht sicher, welch böse Überraschung die
Haushaltsberatungen dieses Mal für uns bereithalten.
Die drastische Kürzung der Mittel für das Programm
„Soziale Stadt“ im letzten Jahr kam quasi über Nacht.
({4})
CDU/CSU und FDP haben nicht nur die Mittel für das
Programm von 95 auf 28,5 Millionen Euro zusammengestrichen. Nein, sie haben die Mittel für Modellvorhaben zur Integration, zum Spracherwerb und zur Betreuung von Jugendlichen in sozialen Brennpunkten ganz
gestrichen und den Ländern verboten, überschüssige
Mittel anderer Programme dort einzusetzen.
({5})
Bibliotheken für Mädchen mit Migrationshintergrund
seien nicht Aufgabe des Bauministeriums, so die Begründung der FDP;
({6})
man solle sich auf rein investive Maßnahmen beschränken. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP,
ist nicht nur ein Ausdruck sozialer Kälte, sondern das ist
auch ein Ausdruck ökonomischer Kurzsichtigkeit.
({7})
Diese Woche haben wir im Ausschuss eine Studie
debattiert, die die positive Anstoßwirkung der Städtebauförderung für Investitionen bestätigt. 1 Euro Städtebaumittel von Bund und Land stoßen über 7 Euro Investitionen in den Fördergebieten an, mit überaus positiven
Wirkungen auf Wertschöpfung, Beschäftigung, Steuerund Sozialversicherungseinnahmen. Das gilt - liebe
Kolleginnen und Kollegen, hören Sie doch einmal zu überdurchschnittlich für das Programm „Soziale Stadt“.
({8})
Wenn Sie das Gutachten aufmerksam lesen, können
Sie lernen: Langfristige und ganzheitliche Strategien der
Quartiersentwicklung zahlen sich aus, nicht nur im Hinblick auf den sozialen Zusammenhalt, sondern auch finanziell. Neben Wohnungsunternehmen engagieren sich
private Einzeleigentümer, Einzelhändler, Stiftungen und
Kirchen in den Fördergebieten.
Ohne sie geht es nicht, aber es geht auch nicht ohne
Bundesmittel; denn in den Städten und Gemeinden entscheiden sich ganz konkret die großen Zukunftsfragen
unserer Gesellschaft. Um diese großen demografischen,
wirtschaftlichen, sozialen, aber auch ökologischen Herausforderungen zu bewältigen, fehlt den allermeisten
Städten die Finanzkraft. Von Ihnen, Herr Minister
Ramsauer, können sie keine Unterstützung erwarten.
({9})
Im Gegenteil: Sie kürzen nicht nur bei der Städtebauförderung, sondern Sie fahren auch den altersgerechten
Umbau in der Zukunft in Richtung null.
({10})
Wir fordern von der Bundesregierung: Lassen Sie die
Kommunen nicht weiter ausbluten! Nehmen Sie endlich
die Kürzung in der Städtebauförderung zurück! Dann
haben Sie, Herr Minister Ramsauer, eine gute Grundlage, um mit den Ländern, Kommunen und allen anderen
Akteuren der Stadtentwicklung endlich wieder zu einem
konstruktiven und vertrauensvollen Dialog über die Zukunft der Städte zu kommen.
Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Bartol, als jemand, der seit 33 Jahren,
seit 1978, in der Kommunalpolitik nicht nur tätig war,
sondern ist, etwas mehr als elf Jahre davon - bis zum
Eintritt in den Bundestag - im Stadtrat seiner Heimatgemeinde - damals war ich noch jünger, als Sie es heute
sind - und seit 1984 im Kreistag seiner Heimat im
Chiemgau, im Landkreis Traunstein, als jemand, der also
33 Jahre Erfahrung in der Kommunalpolitik auch an verantwortlicher Stelle hat,
({0})
brauche ich keine solchen arroganten Belehrungen über
den Wert der Kommunalpolitik, wie Sie sie gerade vorgebracht haben.
({1})
Das wirkt bei Ihnen schon etwas schnöselhaft, das muss
ich wirklich sagen.
Genauso deutlich und voller Überzeugung sage ich
- auch aus meiner Erfahrung als Kommunalpolitiker heraus -: 40 Jahre Städtebauförderung sind eine immense
Erfolgsgeschichte, und das braucht sich kein Kommunalpolitiker in ganz Deutschland von Ihnen kaputtreden
zu lassen.
({2})
- Wenn Sie da lachen, müssen sich die tüchtigen Kommunalpolitiker, die Verantwortungsträgerinnen und -träger draußen im Lande in unseren Kommunen, verhöhnt
vorkommen. Sie können sich von Leuten wie Ihnen, die
auf solche Aussagen so reagieren, nicht ernst genommen
fühlen.
({3})
Ich nehme sie ernst, und ich bin auch überzeugt, dass
die Städtebauförderung die ganz zentrale Säule der
Stadtentwicklungspolitik des Bundes ist und dass wir dadurch einen ganz elementaren Beitrag dazu leisten, dass
viele Kommunen auch strukturelle Probleme lösen können. Ohne die Hilfen der Städtebaupolitik wären sie zur
Lösung vieler struktureller Probleme schlicht und einfach nicht in der Lage.
Herr Minister, sind Sie bereit, eine Frage des Kollegen Pronold zu beantworten?
Pronold? - Endlich bekomme ich vom Kollegen
Pronold einmal eine Zwischenfrage gestellt. Jetzt bin ich
ein Jahr und acht Monate im Amt. Es ist das erste Mal;
das stelle ich ausdrücklich fest. Ich begrüße es, dass sich
der Kollege Pronold alle gut eineinhalb Jahre aufrafft,
mir irgendwo eine Frage zu stellen, nachdem das im
Ausschuss, dem er - schweigend - angehört, bisher noch
überhaupt nicht der Fall war.
Also, bitte sehr.
Herr Kollege Ramsauer, ich bin wirklich überrascht,
dass Sie dem Kollegen Bartol angesichts Ihres Auftritts
hier Arroganz vorwerfen.
({0})
Aber das war nicht meine Frage.
Mich interessiert, wie viele Briefe Sie von bayerischen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern in den letzten zwei Jahren bekommen haben, die
sich gegen die Kürzung der Mittel für die Städtebauförderung im Haushalt ausgesprochen haben, die Sie zu
verantworten und im Kabinett zu vertreten haben.
Ich möchte die Antwort in zwei Teile gliedern.
Erstens. Ich habe Gott sei Dank viele solcher Briefe
bekommen, und ich habe mir ausdrücklich auch viele
solcher Briefe bestellt, was Sie vielleicht verwundern
wird.
({0})
- Ja, ich habe sie bestellt und darum gebeten, man möge
mir solche Bittschreiben schicken, damit ich auch eine
gute Argumentationsgrundlage habe.
({1})
Jetzt der zweite Teil, lieber Herr Pronold. Es wäre
vielleicht besser gewesen, nicht Sie hätten die Frage gestellt. Wenn Sie aus Bayern heraus argumentieren, wäre
ich an Ihrer Stelle einmal ganz vorsichtig. Wer so baden
geht wie Sie auf Ihrem letzten Landesparteitag,
({2})
wäre besser beraten, nichts zu fragen. Ich zitiere hier aus
der Süddeutschen Zeitung von vor ein paar Tagen. Da
heißt es:
… ließen die Delegierten
- Ihre Parteitagsdelegierten beim zweitägigen SPD-Parteitag … ihren Chef
- das sind Sie überraschend schroff abblitzen. Anders, als zunächst absehbar, lehnten die Delegierten Pronolds
… Steuerkonzept komplett ab. … Am Ende war
Pronold mit seinem Antrag komplett untergegangen.
Ende der Antwort, Sie können sich setzen.
({3})
Zu Ihrer Kritik muss ich sagen: SPD und Grüne
schreiben im vorliegenden Antrag, unsere Städte und
Gemeinden seien in Gefahr, „drastisch an Lebensqualität
zu verlieren“. Das halte ich, gelinde gesagt, für eine arge
Übertreibung. Es gibt zwar eine Reihe problematischer
Entwicklungen. Das ist die Lebensrealität in den Kommunen. Um diese Entwicklungen müssen wir uns selbstverständlich kümmern. Aber ich finde, wir sollten dies
mit größtmöglicher Sachlichkeit tun, statt mit solchen
Formulierungen Zehntausenden von Kommunalpolitikern eine Ohrfeige zu erteilen.
Wir haben in den 40 Jahren seit 1971 stolze 14 Milliarden Euro an Bundesfinanzhilfen bereitgestellt und
konnten damit 6 400 städtebauliche Maßnahmen konkret
fördern. Wie erfolgreich diese Städtebaupolitik war,
sieht man im Übrigen besonders in den neuen Ländern.
Was Städte, Gemeinden und Bürger mithilfe des Bundes
und ihre jeweiligen Länder seit 1990 geschafft haben,
nämlich teilweise völlig verwahrloste Stadtquartiere
wieder herzurichten, verdient allergrößten Respekt und
kann sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im ersten Redebeitrag ist kritisiert worden, dass die Mittelausstattung zurückgefahren worden ist. Sie haben die Große Koalition
angesprochen. Wir alle, auch ich, haben in der letzten
Legislaturperiode die Schuldenbremse beschlossen.
Diese hat konkrete Auswirkungen auf die Haushaltspolitik.
Im letzten Jahr ist es für das Haushaltsjahr 2011 gelungen, die ursprünglich ins Auge gefasste Halbierung
zu halbieren,
({5})
und zwar von 610 Millionen Euro auf 305 Millionen
Euro. Wir sind dann auf 455 Millionen Euro gekommen.
Dafür möchte ich mich beim Bundesfinanzminister,
beim Parlament und beim Haushaltsausschusses unseres
Bundestages ganz herzlich bedanken.
Sie haben von 410 Millionen Euro gesprochen. Gehen
Sie das doch bitte vernünftig an. Wie Sie wissen, waren
nach dem Eckwertebeschluss, den wir am 16. März gefasst haben, ursprünglich 266 Millionen Euro für das
Jahr 2012 vorgesehen. Wir haben in den Gesprächen
- so ist es jetzt auch im Kabinettsbeschluss für das Jahr
2012 festgehalten - eine Summe von 410 Millionen
Euro vereinbart. Sie könnten zwar sagen, dass eine Senkung von 455 Millionen Euro auf 410 Millionen Euro
10 Prozent weniger bedeuten, aber nehmen Sie bitte
auch Folgendes zur Kenntnis, Kollege Bartol: Wir haben
daneben ein neues KfW-Programm zur energetischen
Stadtentwicklung aufgelegt, für das 92 Millionen Euro
veranschlagt sind.
({6})
Auch das muss man in diesem Zusammenhang sehen.
Die energetische Stadtentwicklung ist eine Art von
Stadtentwicklung und Sanierung. Wenn man das KfW14272
Programm mit einbezieht, dann kommt man nicht mehr
auf 410 Millionen Euro, sondern auf gut 500 Millionen
Euro. Das kann sich in der Tat sehen lassen.
({7})
Uns stehen also statt 455 Millionen Euro in diesem
Jahr insgesamt 502 Millionen Euro zur Verfügung.
({8})
- Entschuldigung, Sie wissen doch genau, wie diese Mittel eingesetzt werden. Energetische Sanierung im Quartier ist auch eine Art von Städtebauförderung.
({9})
Wir werden alle Programme fortführen. Ich komme
viel herum und habe mir von vielen Programmen ein
Bild gemacht. Das sollten auch Sie tun. Alle Kommunalpolitiker, die ich in den letzten eineinhalb Jahren gesprochen habe, haben mich gefragt, ob wir nicht einen Weg
finden können, um die energetische Sanierung im Quartier stärker anzugehen. Genau diesen Weg eröffnen wir
jetzt. Ich bekomme dazu nur anerkennende Kommentare,
({10})
nicht nur von Kommunalpolitikern der Union, sondern
auch von den vernünftigen Kommunalpolitikern unter
den Sozialdemokraten und den Grünen; für die FDP gilt
das selbstverständlich genauso.
Wie gesagt, wir führen alle Programme fort. Ich
möchte unterstreichen, dass wir ein Programm weiter
aufstocken, und das ist unser Programm für kleinere
Städte und Gemeinden im ländlichen Raum. Herr Bartol,
wenn Sie dies kritisieren, dann zeigt das Ihr gestörtes
Verhältnis zum ländlichen Raum.
({11})
Wann immer ich hier zur Städtebaupolitik gesprochen
habe, habe ich klar gemacht: Es kann nicht nur um die
Metropolzentren gehen, um die großen städtischen Zentren.
({12})
Die brauchen wir selbstverständlich.
({13})
Ein Bundespolitiker mit Gewissen muss aber auch für
den ländlichen Raum da sein, muss sich für die kleinen
Gemeinden einsetzen; denn sie geben unserem Land
Seele und Substanz.
({14})
Funktionierende Metropolzentren in einem gut strukturierten Land brauchen starke ländliche Regionen, und
natürlich brauchen gute ländliche Regionen auch städtische Zentren; das ist ganz klar.
({15})
Beide Seiten der Medaille ergeben eine gute und ausgewogene Bundesbaupolitik.
Im Übrigen hat diese Förderung - das haben wir in
der Handwerksdebatte gerade gehört - auch eine ganz
immense konjunkturpolitische Bedeutung.
({16})
Ich bin froh, dass wir nicht nur aus der Kommunalpolitik, sondern gerade auch aus dem Bereich des Handwerks großen Zuspruch bekommen; denn die Mittel, die
in die Städtebaupolitik fließen, wirken vielfach. Von
dem Multiplikator haben Sie gerade gesprochen. 1 Euro
von Bund und Land löst das Siebenfache an Investitionen aus.
({17})
Das kommt gerade dem mittelständischen Bauhandwerk, dem Bauhauptgewerbe, dem Baunebengewerbe,
zugute, und das ist dann gut ausgelastet. In Verbindung
mit der in den kommenden Jahren hervorragenden Ausstattung im Bereich der CO2-Gebäudesanierung wird ein
großartiger Schuh daraus, nicht nur städtebaulich, sondern auch konjunkturpolitisch.
({18})
Natürlich war zu erwarten, dass Sie das Programm
„Soziale Stadt“ ansprechen.
({19})
Wir stocken das wieder auf. Im parlamentarischen Verfahren war im letzten Jahr in der Tat eine Kürzung auf
28 Millionen Euro beschlossen worden.
({20})
- Im parlamentarischen Verfahren! Eines können Sie
von mir nicht erwarten: dass ich als Bundesminister das
Parlament und den Haushaltsausschuss kritisiere. Das
tue ich nicht. Das ziemt sich auch nicht.
({21})
Das hat der Haushaltsgesetzgeber, dieses Parlament, beschlossen.
({22})
Jetzt stocken wir die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ von 28 Millionen Euro auf 40 Millionen
Euro auf; denn es ist richtig: Hier kann viel Segensreiches bewirkt werden, wenn auch nicht unbedingt mit einer hohen Multiplikatorwirkung. Ich sehe die Dinge aber
immer gesamtvolkswirtschaftlich. Da steht zweifellos
fest, dass man mit einem Programm wie der „Sozialen
Stadt“, wenn es vernünftig angelegt ist, viel Prävention
betreiben kann, damit viele Probleme in einer Kommune
erst gar nicht entstehen, die sonst hinterher mit teuren
Reparaturmaßnahmen wieder bereinigt werden müssten. Darum stehe ich hinter diesem Programm. Ich bin
froh, dass wir es wieder aufstocken können.
({23})
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Der Bund ist
ein verlässlicher Partner der Kommunen. Der Bund steht
zur Städtebauförderung. Nach 40 Jahren Städtebauförderung kann man mit Fug und Recht sagen: Es ist eine Erfolgsgeschichte. Der Bund weiß, was er den Kommunen
schuldig ist. Ich glaube, die Städtebauförderung hat eine
gute Zukunft. Ich sage es mit einem Wort: Wir als Bund
und ich als Bundesbauminister bleiben ein verlässlicher
Partner für die Kommunen.
Besten Dank.
({24})
Heidrun Bluhm hat nun das Wort für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr
Ramsauer, mit Ihrer Rede haben Sie Ihre einzige Qualifikation gezeigt, nämlich Streichorgien als Erfolgsgeschichte zu verkaufen. Das nimmt Ihnen aber niemand
mehr ab.
({0})
Wenn man die Debatten der letzten Monate und auch
die heutige Debatte Revue passieren lässt, dann scheint
es so zu sein, dass in diesem Hause eine große Übereinstimmung herrscht, was die Bewertung der Städtebauförderung betrifft. „Eine einzigartige Erfolgsgeschichte“, so
auch Herr Ramsauer heute, hört man allenthalben, und
niemand widerspricht. Politiker aller Parteien übertreffen sich geradezu in ihren lobenden Wertungen der Städtebauförderung insgesamt und ihrer Einzelprogramme.
Es ist in der Tat beeindruckend, welche wirtschaftlichen und sozialen Effekte die Städtebauförderung des
Bundes in den vergangenen 40 Jahren in den Städten und
Regionen ausgelöst und angestoßen hat. Die einzelnen
Programme der Städtebauförderung haben sich als effektive und vor allem als lernende Konzepte bewährt, in denen die Kommunen zielgenau und bedarfsgerecht agieren können.
Was ebenso wichtig ist: Die Programme haben sich
darüber hinaus als äußerst wirtschaftsfördernd erwiesen.
Nun trauen Sie mir das vielleicht nicht zu, aber ich
möchte gerade auf diesen Aspekt etwas genauer eingehen. Wo sonst hat man eine Investitionseffizienz von
eins zu sieben, zu acht oder zu elf? Diese Wirkungsquoten werden durch das Bauministerium explizit mit den
Zahlen für 2011 bestätigt. Selbst diese Zahlen sind trotz
gekürzter Mittel beachtlich. Aus 455 Millionen Euro
Bundesmitteln werden durch die Kofinanzierung der
Länder 910 Millionen Euro. Daraus entstehen wiederum
gesamtwirtschaftliche Effekte durch kommunale Anteile
und Privatinvestitionen in einer Größenordnung von
6,6 Milliarden Euro.
Die Beschäftigungswirkung in Höhe von 152 000 Erwerbstätigen im Jahr zusätzlich, die Bruttowertschöpfung in Höhe von rund 7,9 Milliarden Euro, die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1,6 Milliarden Euro
und Steuereinnahmen von rund 1,4 Milliarden Euro
- davon 658 Millionen Euro für den Bund, 603 Millionen Euro für die Länder und 117 Millionen Euro für die
Kommunen -: Das kann doch eigentlich auch ein Finanzminister zusammenzählen.
Hier muss sich jedem die Frage aufdrängen: Warum
um alles in der Welt will die Bundesregierung auf diese
volkswirtschaftlichen Effekte verzichten? Warum
schmälert sie seit Jahren die finanzielle Basis für Wirtschaft und Sozialsysteme? Denn im Umkehrschluss bedeutet diese Rechnung doch, dass die Kürzung der Mittel für die Städtebauförderung zu einem vielfachen
Einnahmeverlust an Steuern und Sozialbeiträgen führt.
Die Kürzungen mit den Zwängen der Haushaltskonsolidierung zu begründen, ist angesichts solcher Zahlen
geradezu grotesk. Die Städtebauförderung ist kein Subventionsprojekt; sie ist ein einzigartiges Haushaltskonsolidierungsprogramm.
Von 2009 bis zum Haushaltsplan 2012 hat die Bundesregierung die Mittel für die Städtebauförderung gegen jegliche wirtschaftliche Vernunft Jahr für Jahr zurückgefahren. 570 Millionen Euro waren es noch im
Jahre 2009; dieses Jahr sind es 455 Millionen Euro. Für
2012 ist nun doch ein Volumen von 410 Millionen Euro
geplant. Das Eckwertepapier, das noch 266 Millionen
Euro vorsah, ist offensichtlich überholt.
Besonders gravierend und zugleich bezeichnend für
die Denkweise der Bundesregierung ist die massive Kürzung der Mittel für das Programm „Soziale Stadt“. Auch
wenn Sie jetzt feiern, auf die 28 Millionen Euro für dieses Jahr etwas draufgelegt zu haben, muss man sagen,
dass es immer noch nicht das ist, was wir in den Kommunen für dieses Programm brauchen.
({1})
Diese Kürzung wird begleitet von einer kompletten
Sinnentleerung dieses Programms durch die Vorgabe,
Fördermittel nur noch investiv zu verwenden.
({2})
Es ist schon schizophren, Herr Minister, wenn Sie hier
davon sprechen, dass Sie mit dem Programm „Soziale
Stadt“, bei dem nur noch in Beton investiert wird, integrativ tätig werden. Ich bin nicht sicher, ob das funktionieren kann. Begleitet von einer kompletten Sinnentleerung, ist die Verwendung der Mittel aus unserer Sicht
völlig fehlgeleitet.
({3})
Die Neubezeichnung dieses Programms für 2012
„Soziale Stadt - Investitionen im Quartier“ bedeutet also
ein Festhalten an Ihrer Denkweise. Dabei hat sich gerade
dieses Programm als Instrument bei der sozialen Stabilisierung benachteiligter Stadtquartiere bestens bewährt
und hat seine Bedeutung keinesfalls verloren. Im Gegenteil: Angesichts der drohenden und vielerorts bereits
weit fortgeschrittenen Segregation in deutschen Städten
ist genau dieses Programm das am besten geeignete Instrument, um gegenzusteuern.
Nach alldem ist das Unverständnis nur allzu gut nachvollziehbar, das aus den Beschlüssen und der Resolution
der Bauministerkonferenz vom 28. Juni dieses Jahres
spricht. Einstimmig hat die Konferenz beschlossen und
die Bundesregierung aufgefordert, die Zusagen des
Koalitionsvertrages aus 2009 einzuhalten, die Städtebauförderung ab 2012 mindestens auf einen Betrag von
535 Millionen Euro anzuheben und auf diesem Niveau
zu verstetigen.
Gemessen an den Zielsetzungen der Bundesregierung, Energie einzusparen, den CO2-Ausstoß zu verringern und die Sanierungsquote im Gebäudebereich zu
verdoppeln, scheinen selbst die im Antrag von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen genannten 700 Millionen Euro
jährlich noch gar nicht zu reichen. Sei’s drum.
Die Bundesregierung liefert uns dieses Jahr dasselbe
Schauspiel wie 2010: Zunächst werden in den ersten Kabinettsrunden zum Haushalt die Mittel für die Städtebauförderung halbiert, dann wird die Halbierung wieder
halbiert, und dann wird die Halbierung der Halbierung
mit großem medialen Getöse als Aufstockung verkauft.
({4})
Wen wollen Sie hier eigentlich für dumm verkaufen?
Da waren die Bauminister diesmal schlauer, Herr
Ramsauer, sie haben ihre Sondersitzung rechtzeitig abgehalten und Ihnen diese Trickserei damit diesmal verdorben.
({5})
Die Bauminister haben auf ihrer Konferenz eine
zweite Forderung erhoben, nämlich, die vorgesehenen
Mittel für das Programm der KfW Bankengruppe zur
energetischen Stadtentwicklung in die bewährte Systematik der gemeinsamen Städtebauförderung einzugliedern ({6})
mit den Kostenanteilen von 30 Prozent für den Bund,
30 Prozent für die Länder und den Rest für die Kommunen. Das, was Sie mit der KfW-Förderung machen, ist
hingegen eine reine Kreditfinanzierung. Ich will Ihnen
sagen: Viele Kommunen bekommen überhaupt keine
Kredite mehr.
({7})
Ihre Innenminister sagen, Kreditgenehmigungen sind
nicht mehr drin. Selbst wenn die Kommunen noch Kredite aufnehmen könnten, wäre diese Variante in jedem
Fall die teurere, weil sie den Kredit nicht nur zurückzahlen müssten, sondern ihn auch verzinsen müssten, wenn
auch günstig.
Schließlich fordern die Bauminister, die Länder sowie
die Städte und Gemeinden zukünftig intensiver in die
Planungen der Bundesfinanzhilfen einzubeziehen. Auch
diese Forderung unterstützen wir.
Alles in allem sind wir der Auffassung, dass die Bauminister der Länder mit ihren Forderungen und damit
mit ihrer Resolution nicht überzogen haben. Wir unterstützen das Anliegen, das die Sonderkonferenz mit der
Resolution vorgetragen hat. Deshalb haben wir diese
Forderungen und die Resolution zu einem Antrag zusammengefasst, der hier vorgelegt worden ist, und hoffen auf Ihre Einsicht und auf Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.
({8})
Petra Müller hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Verehrter Minister Ramsauer, über die mehr als positive
Wirkung der Städtebauförderung des Bundes wurde viel
und viel Richtiges gesagt.
({0})
In Ihren Anträgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird
doch deutlich, dass die Städtebauförderung in Deutschland etwas geleistet hat - ökonomisch, infrastrukturell,
Petra Müller ({1})
kulturell und sozial. Es freut mich, feststellen zu können:
In diesem Punkt sind wir uns einig.
({2})
Jetzt sind nur noch zwei wesentliche Fragen zu klären
- und ich habe dafür sieben Minuten Zeit -:
({3})
die inhaltliche Ausrichtung der Städtebauförderung und
die Finanzierung. Schon beginnen die Unterschiede zwischen einer maßvollen, konsistenten und finanzierbaren
Politik, wie die christlich-liberale Koalition sie vorschlägt, und einer Wunsch- und Gießkannenpolitik der
Opposition. Zukunftsmodell gegen Auslaufmodell.
({4})
- Ja, so ist es doch.
Die inhaltliche Ausrichtung - so schreiben Sie, liebe
Freunde von der Linken und von den Grünen - der Städtebauförderung wurde in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. - Stimmt. Richtig. Alles super.
Dabei ging es in den 70er- und 80er-Jahren zunächst
um den Erhalt der Stadtkerne, die Bewahrung der historischen Bausubstanz. Nach der Wiedervereinigung
wurde ein Programm „Aufbau Ost“ aufgelegt, später,
1999 folgende, das Programm „Soziale Stadt“ - zuerst
übrigens nur im Osten, später dann auch im Westen.
({5})
Genau diese Flexibilität macht die deutsche Städtebauförderung heute so erfolgreich.
({6})
Wir, die FDP-Bundestagsfraktion, haben uns die
Frage gestellt: Was sind heute die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen? - Die haben sich nämlich verändert.
({7})
Wie haben wir darauf zu reagieren, Herr Pronold?
({8})
Vor einer Woche haben wir an dieser Stelle mit großen Teilen dieses Hauses gemeinsam die Energiewende
beschlossen.
({9})
Wir haben uns vorgenommen, in nur wenigen Jahren die
Energieversorgung dieses Landes auf völlig neue Füße,
auf eine völlig neue Grundlage zu stellen. Das ist der
wichtige Aspekt dieser gesellschaftlichen Veränderung.
Dazu wird die energetische Stadtsanierung einen wichtigen, den entscheidenden Beitrag leisten.
({10})
- Das kommt ja noch. Immer mit der Ruhe! - Wenn Sie
sich noch erinnern: Damit erfüllen wir eine Forderung
der Ethikkommission. Effektiver Klimaschutz ist ohne
effizienten Neubau nicht möglich. Effektiver Klimaschutz ist ohne energetische Sanierung im Bestand und
im Quartier nicht möglich. Es geht darum, 40 Prozent
der Primärenergie in diesem Land einzusparen. Das geht
nur unter Einbeziehung privater und öffentlicher Gebäude. Da liegen die Energiereserven dieses Landes.
Diese müssen wir heben.
({11})
Chance und Verantwortung, das ist hier doch der entscheidende Punkt.
({12})
Neben den altbekannten Städtebauförderprogrammen
kommt schwerpunktmäßig die Neuausrichtung zum
Thema Energieeffizienz: erstens mit dem KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“ und zweitens mit
der steuerlichen Abschreibung - dazu habe ich heute
noch gar nichts gehört - bei der energetischen Gebäudesanierung für private Einfamilien- und Zweifamilienhäuser, und das alles unter Berücksichtigung sozialer, wirtschaftlicher und demografischer Entwicklungen. Das
sind die Schwerpunkte einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung.
({13})
Kommen wir zur Finanzierung. Wir haben die Schuldenbremse beschlossen. Das bedeutet Haushaltskonsolidierung. Genau deshalb müssen wir die Mittel effizient
und zielgenau einsetzen. In diesem Jahr stehen 455 Millionen Euro für die Stadtentwicklung zur Verfügung.
Nächstes Jahr sind es laut Kabinettsbeschluss vom Mittwoch 410 Millionen Euro plus 92 Millionen Euro für das
neue KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“.
Wenn ich richtig gerechnet habe, dann sind das in der
Addition 502 Millionen Euro.
({14})
Für diejenigen, die nicht rechnen können: Das sind
47 Millionen Euro mehr als dieses Jahr. Hinzu kommen
1,5 Milliarden Euro für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Das nenne ich Verstetigen. Das nenne ich Einhalten des Koalitionsvertrages. Das nenne ich eine gute
Nachricht.
({15})
Das ist eine gute Nachricht für die Bauwirtschaft,
weil hier Investitionen angestoßen werden; das geht
Petra Müller ({16})
auch mit einem KfW-Programm, Frau Bluhm. Das ist
eine gute Nachricht für das Handwerk, die Architekten
und für alle anderen am Bau Beteiligten. Das ist auch
eine gute Nachricht für die Städte und Gemeinden. Gerade weil unsere Kommunen Planungssicherheit brauchen, finanzieren wir die 92 Millionen Euro aus dem
Energie- und Klimafonds für das neue KfW-Programm
„Energetische Stadtsanierung“. Damit werden Kommunen entlastet. Sie müssen nicht den sonst üblichen Anteil
wie bei der klassischen Zwei-Drittel/Ein-Drittel-Lösung
übernehmen. Sie werden nicht mehr belastet.
({17})
Im Gegensatz zu einigen anderen KfW-Programmen ist
dieses KfW-Programm nur für die Kommunen nutzbar.
Andere KfW-Programme sind nur für Private nutzbar. Es
gibt also einen Mix, und auf diesen Mix kommt es an.
Wir haben Instrumente geschaffen, die die Themen
Quartiers- und Gebäudesanierung, demografischer Wandel, sozialer Wandel, Gesundheit und Klimaschutz effizient miteinander verbinden. Das halte ich für einen ausgesprochenen Gewinn.
({18})
Damit hat die christlich-liberale Koalition Prioritäten
für eine erfolgreiche und kontinuierliche Stadtentwicklungspolitik gesetzt. Das ist eine verantwortungsvolle
Politik, weil wir unsere Städte und Gemeinden nicht zusätzlich belasten, sondern entlasten. Zu dieser Politik laden wir Sie ein, genauso wie am Anfang dieser Woche.
Wir bitten Sie, gemeinsam mit uns zukunftsorientiert,
problembewusst und nachhaltig für die Städte von morgen zu arbeiten.
Ihren Anträgen können wir leider nicht zustimmen.
({19})
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Bevor ich das Podium ganz verlasse und sich alle nur
aufregen, wünsche ich Ihnen eine schöne Sommerpause.
Vielleicht bekomme ich dafür auch Applaus von Ihnen,
meine Damen und Herren von der Opposition.
Tschüss.
({20})
Bettina Herlitzius hat das Wort. Sie will auf diese
Weise ihren Geburtstag mit uns begehen. Herzlichen
Glückwunsch! Alles Gute!
({0})
Bitte, Frau Herlitzius.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich glaube, dieses Thema ist ein kleines Geburtstagsgeschenk; denn Städtebauförderung ist ein Herzensthema
von mir. 40 Jahre Städtebauförderung sind 40 Jahre Erfolgsmodell und 40 Jahre Kooperation zwischen Bund,
Ländern und Kommunen für unsere Menschen in unseren Städten und Gemeinden. Das ist wirklich ein Grund
zum Feiern.
({0})
Ich möchte an dieser Stelle meinem Kollegen Sören
Bartol von der SPD meinen Dank für seine Unterstützung und dafür aussprechen, dass wir diesen Antrag gemeinsam formuliert haben. Es ist wichtig, dass wir dieses Thema angesichts der vielen Themen, die wir zu
behandeln haben, heute auf die Tagesordnung gesetzt
haben. Damit senden wir ein Signal an unsere Kommunen, dass der Städtebau für uns im Bund nach wie vor
ein wichtiges Thema ist.
({1})
Lassen Sie uns einen Blick zurückwerfen. Nach den
enormen Wiederaufbauleistungen nach dem Krieg
musste man in den 60er-Jahren feststellen, dass es viele
städtebauliche Missstände gab. Aus diesem Grund
wurde 1971 - das wurde vorhin schon angesprochen von der sozialliberalen Koalition - liebe Kollegen von
der FDP, Sie waren dabei ({2})
das Bundesgesetz zur Städtebauförderung ins Leben gerufen. Fast auf den Tag genau, am 1. August 1971, verabschiedete der Bundestag das Städtebauförderungsgesetz. Es war eine nicht ganz einfache Geburt, war und ist
der Städtebau doch in erster Linie eine kommunale Aufgabe. Der damalige Bundestag erkannte aber die Dringlichkeit und sah es als Bundesaufgabe, die Städte und
Gemeinden in der Bundesrepublik als Wirtschafts- und
Wohnstandort zu stärken.
Starke Bedenken kamen allerdings damals vonseiten
der FDP. Ihre Sorge war es, dass das Eigentum mehr als
notwendig eingeschränkt würde. Liebe Kolleginnen und
Kollegen von der FDP, Ihre Haus- und Grundpolitik war
schon damals deutlich erkennbar.
({3})
Privat vor Staat, Zwangssanierungen, Enteignungen,
Mietnomaden - das sind die gelben Angstszenarien, mit
denen Sie immer wieder die guten Ansätze der Städtebauförderung sabotieren.
({4})
Zukunftsfähige Stadtpolitik sieht anders aus. Dabei
kann man noch nicht einmal behaupten, dass die
schwarz-gelbe Regierung nicht wisse, was sie tue. Ich
darf von Ihrer Homepage zitieren, liebe Kollegin Müller:
Dafür müssen wir die vorhandenen Städtebauförderprogramme an die veränderten sozialen, demografischen und ökologischen Rahmenbedingungen
anpassen.
Warum tun Sie es dann nicht?
({5})
Politik heißt gestalten, Politik heißt mitmachen, regieren. Aber Sie stümpern seit zwei Jahren, seitdem Sie an
der Regierung sind, an der Städtebauförderung herum.
({6})
Lieber Herr Minister Ramsauer, wenn wir über gestörte Verhältnisse reden, dann muss ich sagen, dass Sie
ein gestörtes Verhältnis zur Städtebauförderung haben,
um es vorsichtig auszudrücken. Anders kann ich mir das
nicht erklären.
({7})
Mit der Veräppelung der Bürgerinnen und Bürger
geht es weiter. Tatsächlich stellt sich die FDP hin und
feiert sich als Retterin der Städtebauförderung,
({8})
obwohl die Programmansätze im Haushalt - das ergibt
sich aus den Gesetzen der Mathematik - definitiv um
45 Millionen Euro gekürzt worden sind. Erzählen Sie
uns doch keine Märchen!
({9})
- Liebe Frau Kollegin, ich weiß, dass in NordrheinWestfalen im Mathematikunterricht lange Zeit Mengenlehre gelehrt wurde, aber das ist doch keine Erklärung
für diese Taschenspielertricks.
({10})
Sie addieren einfach die 92 Millionen Euro des KfWProgramms für die städtebauliche Quartierssanierung
zur Städtebauförderung. Das funktioniert so nicht. Das
sind zwei völlig unterschiedliche Programme. Solide
Finanzpolitik und Bürokratieabbau - auch das ist eines
Ihrer großen Wahlkampfthemen - gehen anders.
Diese Koalition ignoriert das Parlament, wenn es um
die politische Zusammenarbeit geht. Das muss man sich
einmal vorstellen. Der Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung des Bundestages lädt zu einer Anhörung zum Thema „Klimaschutz im Baurecht“ ein. Das
ist gar nicht lange her; das war vor zwei Wochen. Aus
ganz Deutschland wurden Fachleute eingeladen. Fünf
Minuten nachdem die eineinhalbstündige Sitzung zu
Ende war, ziehen die Vertreter der Regierungskoalition
einen in den Grundsätzen völlig geänderten Gesetzentwurf aus der Tasche. Die ganze Anhörung war für die
Katz. So gehen Sie mit den Fachverbänden, mit den
Fachleuten und mit uns Fachpolitikern um! Das ist
schwarz-gelbe Politikignoranz.
({11})
Frau Kollegin, Herr Körber würde Ihnen gerne eine
Zwischenfrage stellen. Möchten Sie die zulassen?
Ja.
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Sie haben zwei verschiedene Instrumentarien der Städtebaupolitik genannt.
Sind Sie der Auffassung, dass das von Ihnen zitierte
KfW-Programm nicht in den Städten zur Anwendung
kommt? Wo wird es denn sonst verwendet? Auch das
kommt doch der Städtebauförderung zugute. Teilen Sie
meine Einschätzung?
Herr Körber, ich glaube, Sie haben die grundsätzlich
unterschiedliche Fördersystematik noch nicht verstanden.
({0})
Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen: Lesen Sie
bitte das Gutachten, das uns die Regierung vorgelegt hat.
Es geht um eine wirtschaftliche Bewertung des Investitionspakts für Schulen und kommunale Einrichtungen
und der Städtebauförderung. Das Ergebnis ist ganz klar:
Das Verhältnis bei der Akquirierung von öffentlichen
und privaten Geldern beträgt bei der Städtebauförderung
1 : 8 und beim Investitionspakt 1 : 1,6. Das ist doch ein
Riesenunterschied! Sie können doch nicht behaupten,
das sei dasselbe.
({1})
Sie haben die Auswirkungen in den Städten angesprochen. Natürlich ist Ihr neues Programm eine Unterstützung - wir wollen das auch nicht schlechtmachen -, und
auch das Programm „Energetisch Sanieren“ der KfW ist
eine Unterstützung. Aber es ist nicht dasselbe.
({2})
Herr Götz, ich bin sehr enttäuscht.
({3})
- Sie haben noch nichts gesagt, aber Sie bekommen
gleich die Gelegenheit.
({4})
Gerade Sie sind immer für interfraktionelle Einigkeit in
der Bau- und Städtebaupolitik eingetreten. Gerade Sie
haben immer betont, dass wir seit Jahren fachlich effektiv zusammenarbeiten und dass es - egal über welche
politischen Themen wir uns gestritten haben - bei der
Städtebauförderung und bei Änderungen im Baugesetzbuch immer eine interfraktionelle Einigung gab. Warum
kündigen Sie das jetzt grundlos auf?
({5})
Warum legen Sie uns seit drei Jahren diese desaströste
Städtebaupolitik vor? Das ist nicht Ihr Stil.
({6})
Besinnen Sie sich doch endlich auf die ursprüngliche
Verfahrensweise!
Worüber reden wir? Seit 1971 gibt es die Städtebauförderung. 5 000 Projekte in mehr als 2 300 Kommunen sind gefördert worden, und zwar flächendeckend in
allen Bundesländern - schauen Sie sich die Karte an! -:
in Bayern, in Schleswig-Holstein und in NordrheinWestfalen. Es gibt die unterschiedlichsten Programmansätze - die Kollegin hat sie vorhin genannt -, die effektiv
wirken. Es sind lernende Programme, die vor allen Dingen - das hat uns das Gutachten gezeigt - sehr viele Folgeinvestitionen auslösen.
Der geschätzte ausgelöste Investitionsbedarf des gesamten Programmes liegt bei über 65 Milliarden Euro.
Nennen Sie mir ein anderes Förderprogramm des Bundes, das über all die Jahre diese Summen ausgelöst hat.
Ich kenne keines. Das haben nicht nur wir in der Opposition uns so ausgedacht. Auch die Fachleute haben berechnet und belegt: Die Städtebauförderung erzielt beachtliche ökonomische Effekte, die weit über das Ziel
der städtebaulichen und sozialräumlichen Erneuerung
hinausgehen. Das kann sich sehen lassen. Mir ist kein
anderes Programm bekannt, das so etwas leistet.
Die Städtebauförderung zu verbessern, bedeutet, die
Lebensqualität in unseren Städten zu verbessern, das gemeinsame soziale Leben in Verbindung mit einem wirtschaftlich aktiven Leben zu einem Erfolgsmodell weiterzuführen.
Aber was macht die Regierung? Sie sind jetzt das
dritte Jahr an der Regierung und kürzen den Mittelansatz
zum dritten Mal um 10 Prozent; das ist so, Herr Minister
Ramsauer. Damit gefährden Sie das soziale Gleichgewicht in unseren Städten und Kommunen. Denn es gibt
heute Städte mit klar erkennbaren Missständen. Es gibt
eine soziale Segregation in einigen Stadtvierteln. Natürlich gibt es auch gut und in sozialer Hinsicht funktionierende Kommunen und Städte, aber es gibt eben auch
diese Missstände. Deswegen werden wir das Programm
„Soziale Stadt“ und die Städtebauförderung weiterhin
brauchen.
Nicht zu vergessen: Die Städtebauförderung ist auch
ein Jobmotor. Selbst der reduzierte Mittelansatz von
2011, der bei 455 Millionen Euro liegt, bewirkt eine
Bruttowertschöpfung von 7,9 Milliarden Euro. Daraus
entstehen 152 000 Arbeitsplätze, und zwar in Deutschland. Liebe Wirtschaftsförderer, das müssen Sie uns erst
einmal nachmachen!
({7})
Ganz wichtig ist an dieser Stelle - das wird auch
durch das Gutachten belegt - der integrative Ansatz. Dadurch unterscheidet sich die Städtebauförderung von der
KfW-Förderung. Es ist der integrative Ansatz, durch den
Folgeinvestitionen ausgelöst und Firmen, Verbände und
Bewohner an einen Tisch geholt werden. Nur so entstehen Konzepte für Stadtviertel, nur so entsteht eine Identifikation mit dem Stadtviertel, und nur so werden Bewohner auch zu Kümmerern, die sich für ihr Stadtviertel
verantwortlich fühlen.
Die investitionsbegleitenden Maßnahmen - damit
komme ich zu einem ganz entscheidenden Punkt, der gerade bei den Kollegen der FDP immer auf Widerstand
stößt - stellten im Programm „Soziale Stadt“ eine ganz
wichtige Voraussetzung dar.
({8})
Nicht nur wir, die Opposition, sind zu dieser Erkenntnis
gekommen. Aus der Leipzig-Charta der EU, die wir alle
unterzeichnet haben, geht hervor, dass gerade die nicht
investiven Mittel, die investitionsbegleitenden Mittel,
für die Qualitätssicherung einer Städtebauförderung sorgen.
({9})
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Ja, ich komme zum Schluss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierung, lassen Sie Ihren schönen Worten endlich Taten folgen! Hören Sie mit Ihren Sonntagsreden - oder Freitagsreden auf! Helfen Sie den Menschen in unserem Land! Unterstützen Sie die Länder und Kommunen mit einer Städtebauförderung, die verlässlich ist und ihren Namen verdient!
({0})
Frau Kollegin!
Sorgen Sie dafür, dass wir in zehn Jahren den 50. Geburtstag feiern können und nicht das Begräbnis begehen
müssen.
Danke schön.
({0})
Peter Götz hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Unabhängig davon, liebe Bettina Herlitzius, dass diese
Koalition noch keine drei Jahre besteht, sondern noch
nicht einmal ganze zwei Jahre,
({0})
herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
({1})
Die Urbanisierung unserer Städte ist ohne Frage ein
Zukunftsthema des 21. Jahrhunderts. Deshalb war es
richtig und konsequent, in der Koalitionsvereinbarung
die Städtebauförderung als unverzichtbaren Teil zur lebenswerten Gestaltung von Städten und Gemeinden zu
verankern. Sie ist seit 40 Jahren das Erfolgsmodell für
eine gute städtebauliche Entwicklung in den Städten und
Gemeinden unseres Landes. Es wurde schon gesagt:
Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre wurde zu Recht
erkannt, wie wichtig es ist, die Funktion der Innenstädte
zu stärken und einem sich abzeichnenden Bedeutungsverlust entgegenzuwirken. „Vom Wohnungsbau zum
Städtebau“ hieß es damals. Allein waren die Städte und
Gemeinden schon damals nicht in der Lage, diese Aufgaben finanziell zu bewältigen. Mithilfe der Mittel des
Bundes und der Länder war es ihnen in den letzten
40 Jahren möglich, stadtbildprägende Gebäude zu erhalten und zu modernisieren, Zentren und Nebenzentren zu
revitalisieren, das Wohnumfeld zu verbessern und Stadtkerne zu erhalten oder zu entwickeln. Nach Abzug der
ausländischen Streitkräfte wurden in vielen Konversionsgebieten in Ost und West ganz neue innerstädtische
Quartiere in zentraler Lage geschaffen.
Millionen Postkarten mit Ansichten deutscher Städte
werden jährlich in alle Welt versandt. Vermutlich wurden fast alle dieser Stadtbilder durch die Städtebauförderung unterstützt. Aber Steine allein machen noch keine
Stadt aus. Deutschland ist bekannt für eine Vielzahl von
attraktiven Städten, in denen das Leben pulsiert. Zentren, Städte und Stadtteile werden bewusst bewahrt und
weiterentwickelt. Das ist anstrengender und teurer, als
draußen auf der grünen Wiese einen neuen Stadtteil entstehen zu lassen. Deshalb danken wir den vielen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, die es
geschafft haben, ihre Heimat mit Unterstützung der
Städtebauförderung lebens- und liebenswert zu gestalten. Das gilt für Metropolregionen genauso wie für den
ländlichen Raum. Das ist nicht nur das Ergebnis traditioneller Stadtentwicklung über Jahrhunderte in Europa,
sondern auch zurückzuführen auf bewusstes, engagiertes
Handeln in Deutschland innerhalb der letzten 40 Jahre.
({2})
Ich selbst durfte Anfang der 70er-Jahre in meinen ersten Berufsjahren eine kommunale Koordinierungsstelle
für Stadtsanierung leiten. Wir waren in unserer Stadt damals sehr dankbar, dass es möglich war, zwei Drittel der
unrentierlichen Kosten unserer Stadtkernsanierung mit
Mitteln aus dem seinerzeit neu aufgelegten Programm
„Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ finanziert zu bekommen. Das hat einen enormen
Schub gegeben. Ich freue mich deshalb besonders, dass
ich - Jahrzehnte später - zum 40-jährigen Bestehen der
Städtebauförderung hier im Deutschen Bundestag am
Rednerpult stehen kann.
Meine Damen und Herren, wenn wir auf die letzten
20 Jahre zurückblicken und mit offenen Augen betrachten, was nach dem Zerfall des Kommunismus und des
Sozialismus vor allem in den neuen Ländern geleistet
wurde, dann stellen wir fest, dass es richtig war, unmittelbar nach der Wende die Prioritäten der Förderung in
den neuen Ländern zu setzen. Heute gibt es dort viele
blühende Städte.
({3})
Gute Stadtentwicklungspolitik ist bei einer sich verändernden Gesellschaft aktueller und wichtiger denn je.
Wir müssen den Mut haben, anzuerkennen, dass sich
auch die Zeiten ändern. Neue Herausforderungen kommen hinzu. Das gilt für den Stadtumbau genauso wie für
die „Soziale Stadt“.
Was ist die Kernbotschaft der heutigen Debatte?
Erstens. Bundesminister Dr. Ramsauer war erfolgreich.
({4})
Danke für das Engagement in einer Zeit, in der die Einhaltung der Schuldenbremse im Vordergrund aller Haushaltsberatungen steht! Herzlichen Glückwunsch zu dem
Ergebnis, das sich sehen lassen kann!
({5})
Zweitens. Die Opposition gönnt uns diesen Erfolg
nicht.
({6})
Sie sitzt im Schmollwinkel und versucht krampfhaft, den
Untergang des Abendlands herbeizureden.
({7})
Dabei vollziehen sich für die Stadtentwicklung mit dem
vom Bundeskabinett am Mittwoch dieser Woche verabschiedeten Haushaltsentwurf neue Sonnenaufgänge.
({8})
Lieber Herr Kollege, über 500 Millionen Euro für die
Stadtentwicklung - wenn Sie es richtig zusammenzählen
können - in 2012 und 2013,
({9})
- ich glaube, dass Ihnen das wehtut, aber ich erspare es
Ihnen nicht ({10})
1,5 Milliarden Euro jährlich zusätzlich für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, und es kommen - wenn der
Bundesrat zustimmt - jährlich weitere 1,5 Milliarden
Euro für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung hinzu. Lieber Herr Kollege Bartol, eine
solche Summe haben Sie in Ihrer Regierungszeit noch
nie erreicht. Diesen Erfolg sollten Sie endlich einmal anerkennen.
({11})
Nun zu Ihnen, liebe Kollegin Herlitzius. Wir haben in
der letzten Woche im Gesetzentwurf den Klimaschutz
im Planungsrecht der Gemeinden an exponierter Stelle
verankert. Das wissen Sie sehr wohl. Wir brauchen mehr
erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz im Gebäudebereich. Das alles hat unmittelbare Auswirkungen
auf die Stadtentwicklung. Deshalb ist es der richtige Ansatz, die klassische Städtebauförderung um die energetische Stadtsanierung zu erweitern.
Wir sind Bundesminister Dr. Ramsauer sehr dankbar,
dass er es geschafft hat, zusätzlich zu den - von Ihnen
kritisierten - 410 Millionen Euro Städtebaufördermittel
für das kommende Jahr 92 Millionen Euro aus dem
Energie- und Klimafonds für die energetische Stadtsanierung einzuplanen.
({12})
- Aber es kommt der Stadtentwicklung und dem Städtebau zugute.
({13})
Wenn der vorhin bereits angesprochene einstimmige
Beschluss der Bauministerkonferenz vom Juni dieses
Jahres fordert, die vorgesehenen Mittel der KfW zur energetischen Stadtsanierung in die bewährte Systematik
der gemeinsamen Städtebauförderung einzugliedern,
({14})
dann verstehe ich dies zunächst als Aufforderung der
Länderbauminister an ihre eigenen Landesregierungen,
die 92 Millionen Euro des Bundes durch eigene Landesmittel noch einmal aufzustocken, weil bei der klassischen Städtebauförderung eine Drittelfinanzierung gilt.
({15})
Dafür sollen die Länder ihre 92 Millionen in die Hand
nehmen; wenn die Kommunen es ebenfalls tun, erhöht
und verbessert sich der Wirkungsfaktor zusätzlich.
({16})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen die Städtebauförderung nicht isoliert betrachten. Deshalb war es
richtig, sie gezielt mit anderen Instrumenten zu verzahnen. Gerade bei Problemvierteln hat es sich bewährt,
eine Verknüpfung mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten herzustellen. So wurde das ergänzende Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ zu
Recht in der Großen Koalition auf den Weg gebracht und
von Bundesminister Ramsauer Ende vergangenen Jahres
in eine zweite Förderungsrunde geschickt. Von 2011 bis
2014 sollen dafür 83 Millionen Euro bereitgestellt werden. Damit wird die Arbeit in den Quartieren erneut gestärkt, gerade in den Problemgebieten der sozialen Stadt.
Sie haben das Thema vorhin kritisch angesprochen; aber
die Vorwürfe der Opposition in Bezug auf dieses Programm sind bei objektiver Betrachtung hoffnungslos
überzogen.
Die Oppositionsredner haben die Finanzlage der
Kommunen angesprochen. Tatsächlich stehen viele
Städte und Gemeinden nach wie vor mit dem Rücken zur
Wand. Die internationale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat auch vor den Kommunen nicht haltgemacht.
Sie bekamen die Auswirkungen zeitversetzt zu spüren:
Nachdem die Kommunen 2007 und 2008 Rekordüberschüsse erzielen konnten, brachen ihre Einnahmen in
2009 und 2010 weg, und das bei steigenden Ausgaben,
vor allem im sozialen Bereich. Auch hier rächt sich, dass
die rot-grüne Regierung 2003 die Altersgrundsicherung
eingeführt und die Kosten einfach auf die Kommunen
übertragen hat, ohne für die notwendige Finanzierung zu
sorgen. Die dadurch steigenden Sozialausgaben führten
neben den krisenbedingten Einbrüchen zu einer strukturellen Schieflage. Das war neben vielen anderen Entscheidungen zulasten der Kommunen der Tiefpunkt einer ignoranten rot-grünen Bundespolitik gegenüber den
Städten und Gemeinden. Dafür tragen Sie - ausschließlich Sie - die Verantwortung.
Es war von Anfang an unser Anliegen, alles zu tun,
um den Kommunen aus der Krise herauszuhelfen. Wir
haben in der christlich-liberalen Koalition von Beginn an
sehr viel für die Kommunen erreicht. Es zeichnet sich
bereits heute ab, dass die Städte, Gemeinden und Kreise
im Jahr 2012, also bereits im kommenden Jahr, im Bundesdurchschnitt mit ausgeglichenen Haushalten rechnen
können. Das eröffnet neue Spielräume, auch im Bereich
des Städtebaus.
Mit der schrittweisen Übernahme der einst von RotGrün auf die Kommunen übertragenen Kosten der Altersgrundsicherung entlasten wir die Kommunen bei den
Sozialausgaben bis 2015 um etwa 12,2 Milliarden Euro;
bis 2020 wird der Bund die kommunalen Kassen allein
durch die Übernahme dieser Kosten um rund 54 Milliarden Euro entlasten. Das kommt vor allem den strukturschwachen und besonders armen Städten und Gemeinden zugute.
({17})
Eine Kommunalentlastung in dieser Größenordnung ist
in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmalig. Der Bund wird damit seiner Verantwortung gerecht. Jetzt stehen an erster Stelle die Länder für ihre
Kommunen in der Pflicht.
({18})
- Nach unserer Finanzverfassung gibt es eine Finanzbeziehung zwischen den Ländern und den Kommunen. Sie
wissen sehr gut, dass es eine Finanzbeziehung zwischen
dem Bund und den Kommunen in dieser Form nicht
gibt.
({19})
Lieber Kollege, wenn die Schlüsselzuweisungen
SPD-geführter Länder, wie jetzt vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz festgestellt, nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine angemessene
kommunale Finanzausstattung erfüllen, dann ist das
mehr als nur peinlich. Diese unverantwortliche Politik
gegenüber den Städten, Gemeinden und Kreisen wird
leider nicht nur vom Ministerpräsidenten Beck aus
Rheinland-Pfalz betrieben. Auch in Baden-Württemberg, einem Land, das im besten Zustand an eine grünrote Regierung übergeben wurde,
({20})
wird derzeit versucht, die von den baden-württembergischen Kommunen aufgrund der positiven finanziellen
Entwicklung erzielten Überschüsse über den kommunalen Finanzausgleich abzuschöpfen.
({21})
Meine Damen und Herren, es ist unanständig, erst die
Kommunen ausbluten zu lassen und anschließend den
Bund zu deren Rettung aufzufordern.
({22})
Lassen Sie uns deshalb den Menschen vor Ort gemeinsam die Chancen und Möglichkeiten zurückgeben, damit
sie ihre Heimat wieder selbst gestalten und sich im Wettbewerb behaupten können.
Herzlichen Dank.
({23})
Franz Müntefering hat jetzt das Wort für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist klar, dass das Geld endlich ist und man nicht alles,
was man sich wünscht, bekommt. Mit dieser Erwartung
bin ich auch gar nicht hergekommen. Herr Ramsauer, die
Uninspiriertheit, mit der Sie die Rede vorgelesen haben,
die Ihnen ein Erbsenzähler aufgeschrieben hat, fand ich
angesichts der Probleme, die die Kommunen im Augenblick haben, aber schon beachtlich.
({0})
Wenn Sie das einem Sozialdemokraten nicht glauben,
dann empfehle ich Ihnen: Sprechen Sie einmal mit Oscar
Schneider! Es gab auch mal andere Zeiten. Es gab große
Städtebau- und Wohnungspolitiker bei der CDU und bei
der CSU. Das, was Sie hier vorgetragen haben, macht eines deutlich: Sie haben entweder nicht verstanden, wo
die Probleme liegen, oder es interessiert Sie nicht besonders.
({1})
Wir leben in diesem Land auf Pump, wir leben von
der Substanz, und die Städte und Gemeinden können zu
wenig Prävention betreiben. Alles drei kommt zusammen. Das belastet die Städte und Gemeinden in ganz besonderer Weise, und zwar alle 12 400, die wir haben; das
gilt für die ganz großen und die ganz kleinen. Das gilt
überall, wenn auch in ganz unterschiedlicher Weise. Die
Städte und Gemeinden erwarten von uns und den Ländern, dass ihnen geholfen wird, damit sie sich aus dieser
Situation herausarbeiten können.
Jedenfalls ist klar: Stadtentwicklung für Städte und
Gemeinden ist kein Zuckerguss, den man sich leisten
kann oder auch nicht. Arme Kommunen werden den
Staat und die Gesellschaft sehr teuer zu stehen kommen.
Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass unsere Städte
und Gemeinden in Ordnung sind und ihre Aufgaben erfüllen können. Dazu gehört Stadtentwicklung. Wir dürfen nicht nur darüber reden, nicht nur ein bisschen Geld
dahin oder dorthin schieben, sondern wir müssen eine
Perspektive für die Städten eröffnen. Darum geht es.
({2})
Im Übrigen betrachten wir mit Sorge, dass die Demokratie in vielen Städten und Gemeinden an vielen Stellen
zur Farce wird. Die Kolleginnen und Kollegen, die in
den Parlamenten vor Ort sitzen, haben keine Chance, das
eine oder andere, und seien es auch nur Kleinigkeiten,
selbst zu bestimmen. In vielen Städten und Gemeinden
bekommen sie von entsandten Beamten Bescheid darüber, was sie tun können und was nicht. Das ist demokratiehygienisch ein großes Problem, mit dem wir es in
Deutschland in vielen Städten zu tun haben. Das gilt
nicht für alle Städte, aber doch für viele. Ich empfehle
sehr, dass wir uns diese Situation anschauen und dafür
sorgen, dass in den Städten und Gemeinden wieder entschieden werden kann, wie Oscar Schneider, Oswald
von Nell-Breuning oder andere es immer gelehrt haben.
Wer Subsidiarität will, der muss auch dafür sorgen, dass
in den Städten entschieden werden kann. Nur wenn die
Städte die erforderlichen Instrumente und das nötige
Geld haben, kann das Ganze funktionieren. Das müssen
wir sehen. Darauf müssen wir Antworten geben, Herr
Ramsauer.
({3})
1971, als die Städtebauförderung entstand, begann der
Minister Lauritz Lauritzen seine Rede vor dem Deutschen Bundestag mit dem Motto des Deutschen Städtetages. Das hieß: „Rettet unsere Städte jetzt!“ Das ist aus
heutiger Sicht vielleicht ein bisschen dramatisch. Ich
will das nicht überzeichnen, halte es angesichts der Situation in einigen Städten aber durchaus für zeitgemäß,
wieder über diese Frage zu sprechen: Was können wir eigentlich tun? Diese Idee des Städtebaus hing damals
ganz eng mit „Mehr Demokratie wagen“ zusammen, mit
der großen Parole dieser Zeit, in der es darum ging
- auch in den Städten -, die Fenster und Türen aufzumachen und die Menschen einzuladen, mitzumachen. Die
Aufgabe damals war vor allen Dingen, dafür zu sorgen,
dass der Ausbau gestaltet wird und die Städte nicht einfach so wuchern.
Heute kommen andere Aufgaben hinzu. Zum Beispiel
ist der Rückbau zu organisieren, um nicht eine Implosion der Städte und Gemeinden zuzulassen. Wir müssen
dafür sorgen, dass wir Prävention machen können, statt
auf Repression zu setzen. Das, was Sie gesagt haben,
Herr Götz, war nicht ganz falsch. Was wir an Kinderund Jugendarbeit in den Städten nicht mehr machen können, weil die Programme zur sozialen Arbeit und „Soziale Stadt“ rasiert werden, kommt uns teuer zu stehen.
Das kostet uns in den darauffolgenden Jahren das Doppelte und Dreifache. Jugendstrafvollzugsanstalten sind
teurer als eine vernünftige Kinder- und Jugendarbeit in
den Städten und Gemeinden. Da müssen wir ran.
({4})
Das gilt auch für den Vorzug für die Inklusion gegenüber der Gettoisierung und das Motto „Ambulant vor
stationär“. Diese Stichworte wurden hier angesprochen.
Heute leben in Deutschland 81 Millionen Menschen.
In 40 Jahren werden es 65 oder 68 Millionen Menschen
sein. Wir sind auf dieser Rutsche unterwegs. Alle im
Land sprechen darüber; nur, wir handeln nach dem
Motto „Das war schon immer so! Das war noch nie anders! Da kann ja jeder kommen!“ und tun so, als ob alles
in Ordnung wäre. In Wirklichkeit ist es höchste Zeit,
Antworten zu geben. Wir müssen uns um die Städte
kümmern, die weiter wachsen und zu explodieren drohen, aber auch um diejenigen, die große Probleme haben, mit der Schrumpfung fertigzuwerden. Wir sind mitten in diesem Prozess. Wir müssen die Debatte auch im
Deutschen Bundestag aufnehmen und mit den Städten
und den Ländern Lösungsmöglichkeiten suchen. Die
Menschen vor Ort haben Anspruch darauf, dass wir uns
darum kümmern und die Probleme und Aufgaben nicht
mit der Melodie „Alles in Ordnung“ beiseiteschieben.
({5})
Sie kürzen die Mittel für das Programm „Soziale
Stadt“. Die soziale Arbeit wird reduziert, die Freiwilligendienste werden an vielen Stellen chaotisiert. Das
alles trifft die Städte und Gemeinen in ganz besonderer
Weise. Städte und Gemeinden haben - das ist keine Sentimentalität - in der hochmobilen Zeit, in der wir leben,
eine ganz besonders wichtige Funktion für die Menschen. Da sind sie zu Hause, dafür engagieren sie sich,
damit wollen sie sich identifizieren, und da sind sie erreichbar. Der Staat hat den Sozialstaat zu sichern, aber
die soziale Gesellschaft gelingt in den Kommunen, oder
sie gelingt nicht. Wir wollen, dass soziale Gesellschaft in
den Kommunen gelingt, und zwar mit viel Eigeninitiative von Verbänden und Organisationen, von Nachbarschaften, von Menschen in den Städten. Sie kann gelingen. Nur, die Menschen müssen von uns das Zeichen
bekommen, dass wir ihnen den dafür nötigen Raum geben.
({6})
Von den 18 Forderungen, die wir Ihnen zusammen
mit den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen vorgelegt haben, möchte ich drei stichwortartig erwähnen.
Erstens. Stocken Sie die Mittel für das Programm
„Soziale Stadt“ auf.
({7})
Sorgen Sie dafür, dass es wieder eine intensive Zusammenarbeit mit Bildung und Gesundheit, mit Arbeit,
Wirtschaft, Integration und Sport gibt, sodass wir die
Mittel nicht für lauter kleine Programme verkleckern,
sondern alles in einem Programm zusammenführen.
Zweitens. Sprechen Sie mit den Ländern, sprechen
Sie mit den Kommunen, stärken Sie die lokale Demokratie dadurch, dass wir ein Zeichen setzen. Kommunalpolitik ist nicht das Kellergeschoss der Politik, wo
sozusagen der Rest aufgearbeitet werden muss. Kommunalpolitik ist vielmehr eine tragende Säule der Demokratie. Sie ist genauso wichtig wie Bundes- und Landespolitik. Das müssen wir hier verstehen und den Menschen
vor Ort sagen, damit sie begreifen, dass wir sie ernst
nehmen.
({8})
Drittens. Lassen Sie uns mit den Ländern und mit den
kommunalen Spitzenverbänden ein Gespräch führen, damit die Städte, die schon unter dem Regime der Haushaltssicherung sind, eine Chance haben und nicht abgehängt werden. Wir erleben eine soziale Spaltung
zwischen den Städten und den Stadtteilen. Manchen geht
es ganz gut. Auf die Aussage „Im Durchschnitt ist das ja
in Ordnung“ sage ich: Es kann ja in Ordnung sein, aber
es sind einige dabei, die abschmieren, und zwar in verheerender Weise. Es geht nicht um abstrakte Städte, sondern um die Menschen, die dort wohnen und das auszuhalten haben.
({9})
In diesem Sinne sollten wir weiter miteinander an der
Stadtentwicklung, Städtebauförderung und an der Zukunft unserer Städte und Gemeinden arbeiten.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({10})
Sebastian Körber hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Kollege Müntefering, Sie haben jetzt hinsichtlich der Theorie viel Richtiges gesagt; das war ein
stadtphilosophischer Ansatz. Aber mich würde sehr interessieren - schließlich ist das unsere Aufgabe als Parlament -, mit welchen Summen wir das Ganze im Haushalt hinterlegen sollen. Dazu habe ich bis jetzt nichts von
Ihnen gehört. Ich denke, auch das ist ein wichtiger Ansatz.
({0})
Da ich jetzt keinen Zwischenruf gehört habe, gehe ich
davon aus, dass Sie noch in der Findungsphase sind.
({1})
- Herr Pronold, ich komme gleich zu Bayern. - Wenn
wir anlässlich des 40-jährigen Jubiläums die Ursprünge
der Städtebauförderung eruieren wollten, sollten wir einmal in die Bayernhymne schauen:
Er behüte deine Fluren,
schirme deiner Städte Bau …
Ich denke, der Ursprung der Städtebauförderung ist damit ganz klar.
Ich bleibe beim Beispiel Bayern - Herr Pronold, da
können Sie als Landesvorsitzender vielleicht noch etwas
lernen -: Bayern ist ein Land, das relativ gut dasteht.
Schauen wir uns einmal meine Heimatregion Oberfranken und Mittelfranken mit der Metropole Nürnberg an.
Dort haben wir ganz andere Aufgaben als vielleicht im
östlichen Teil Bayerns, wo es - Stichwort: demografische Entwicklung - eher Bevölkerungsabwanderungen
gibt. Daher muss man die Städtebauförderung ganz gezielt - auch darüber müssen wir sprechen - regionalspezifisch ausgestalten.
Städtebauprojekte können durch Verbesserungen des
Wohnumfelds Identifikation vor Ort schaffen und dazu
beitragen, Menschen in den Regionen, wo Abwanderungen stattfinden, zu halten. Hierfür gibt es im Bereich der
Städtebauförderung sehr viele unterschiedliche Instrumente. Es gibt auch unterschiedliche Programme. Ich
glaube, niemand hier im Raum stellt die Wirtschaftlichkeit des Ganzen infrage, da jeder eingesetzte Euro bekanntlich Investitionen in Höhe von 7, 8 oder 9 Euro
nach sich zieht.
({2})
Wie wir bereits gehört haben, stellt dies gerade für das
Handwerk vor Ort - der Bundeswirtschaftsminister hat
dies in der vorigen Debatte ausgeführt - einen sehr guten
Anreiz dar.
Ich möchte Ihnen kurz erläutern, wie sich die Mittel
für die Städtebauförderung zusammensetzen. Sie sagen
immer, im Vergleich zum letzten Jahr sei es in diesem
Haushaltsjahr, in dem vom Parlament 455 Millionen
Euro dafür bereitgestellt worden sind, zu Kürzungen gekommen.
({3})
Wenn ich die entsprechenden Zahlen addiere, komme
ich zu einem anderen Ergebnis. Die Städtebaufördermittel haben ein Volumen von 410 Millionen Euro;
({4})
ich denke, insoweit besteht Konsens. Ich gehe bei meiner Berechnung aber anders als die Kollegin Herlitzius
vor. Ich bin nämlich sehr wohl der Auffassung, dass das
neu zu schaffende KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“ in den Städten und Gemeinden Wirkung entfalten wird. Wenn man dies berücksichtigt, erreichen die
Städtebaufördermittel ein Volumen von über 500 Millionen Euro.
({5})
Das sind über 45 Millionen Euro mehr, als wir in diesem
Jahr bereitstellen.
({6})
- Frau Bluhm, da Sie gerade von einem Kredit gesprochen haben, muss ich Ihnen sagen: Ich weiß nicht, inwieweit Sie in der Thematik sind.
({7})
Auch wenn eine Kommune einen Kredit braucht, um vor
Ort Städtebaufördermaßnahmen umzusetzen, ist der Effekt - darauf kommt es doch an - der gleiche.
({8})
Die eine Kommune kann damit vielleicht ganz gut operieren, die andere Kommune geht vielleicht einen anderen Weg.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken,
sollten an dieser Stelle sowieso ganz ruhig sein. Die Linken sind die Nachfolgepartei der SED. Man muss sich
nur einmal anschauen, welch triste, graue und kaputte
Städte Sie uns in den neuen Bundesländern hinterlassen
haben.
({9})
Ich sage nur: normierte Platten und standardisierte
Grundrisse. Sie müssen uns im Hinblick auf die Städtebauförderung wirklich keine Ratschläge geben.
({10})
- Leider aber auch ein zutreffendes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und
von den Grünen, niemand hindert Sie daran, diese Maßnahmen in den Ländern, in denen Sie Regierungsverantwortung übernommen haben - in Baden-Württemberg
und in Nordrhein-Westfalen -, umzusetzen. Im Wahlkampf haben Sie das noch mit dicken Backen versprochen.
({11})
Ich habe noch nicht festgestellt, dass Sie die entsprechenden Maßnahmen gegenfinanzieren können, um
diese Programme aufzufangen.
({12})
Wenn Sie an dieser Stelle Kritik äußern und wenn Ihnen
dieses Thema so wichtig ist, muss ich Ihnen sagen: Sie
können doch handeln.
Frau Wagner und Frau Herlitzius - vielleicht hören
Sie mir kurz zu;
({13})
so sehr scheint Sie dieses Thema ja doch nicht zu interessieren -, sprechen Sie doch einmal mit dem Kollegen
Kretschmann. Dann können Sie die Maßnahmen vielleicht vor Ort umsetzen.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Pronold zulassen?
Aber natürlich.
Es gibt nach der Geschäftsordnung auch die Möglichkeit der Zwischenbemerkung. Da ich glaube, dass eine
Frage wenig Sinn macht, möchte ich eine Bemerkung
machen.
({0})
Erstens. Einige Länder haben es trotz schwieriger
Haushaltsbedingungen geschafft, die Kürzungen beim
Programm „Soziale Stadt“ auszugleichen. Dies gilt zum
Beispiel für das Land Berlin, falls Sie das nicht wissen.
({1})
Zweitens zu dem Aspekt, den Sie vorhin angesprochen haben. Sie hätten sich die Mühe machen sollen,
Orte in Bayern zu besuchen, in denen Projekte des Programms „Soziale Stadt“ durchgeführt werden; dies geschieht unter anderem in Nürnberg und in manchen ländlichen Räumen. Sie hätten sich von den Menschen
berichten lassen sollen, welch positive Entwicklungen
eingetreten sind.
({2})
Außerdem hätten Sie das Gutachten, das im Auftrag der
Bundesregierung verfasst worden ist, lesen sollen. Darin
heißt es: Das Verhältnis zwischen jedem eingesetzten
Euro und den Investitionen, die er nach sich zieht, beträgt 1 zu 7. Ich frage Sie: Wie können Sie sich vor diesem Hintergrund hier hinstellen und die Kürzungen beim
Programm „Soziale Stadt“ sowie die Kürzung der Mittel
für die Städtebauförderung auch noch schönreden?
({3})
Die Frage, die Sie mir gestellt haben, Herr Kollege
Pronold, werde ich gerne beantworten. Ich bin noch gar
nicht auf die Programme zu sprechen gekommen. Hier
haben wir einen Mittelaufwuchs zu verzeichnen. Ich vermute, dass ich mir gerade aufgrund meines beruflichen
Hintergrunds als Architekt wahrscheinlich schon viel
mehr solcher Projekte angeschaut habe als Sie. Ich lade
Sie gerne ein, in Bayern gemeinsam mit mir solche ProSebastian Körber
jekte anzusehen. Dann kann ich Ihnen vielleicht dies
oder jenes erläutern und Ihnen den einen oder anderen
Sachverhalt, den Sie noch immer nicht richtig erfasst haben, erklären.
({0})
Sie haben das Land Berlin angesprochen. Hier tragen
Sie Regierungsverantwortung; das ist richtig. Ich glaube,
kein anderes Land hat mit der Städtebauförderung so
viel Missbrauch betrieben, gerade was das Programm
„Soziale Stadt“ betrifft, wie Berlin bzw. die Koalition
aus Linken und SPD.
({1})
Herr Pronold, jetzt können Sie sich wieder setzen.
Dann kann ich in meiner Rede fortfahren; vielen Dank.
Die Schwerpunkte der Koalition liegen ganz konkret
in der Bewältigung des wirtschaftlichen Strukturwandels, der demografischen Umbrüche, des sozialen Zusammenhalts und der Stärkung der Innenstädte, auch
was die historischen Kerne angeht. Wichtig ist auch eine
bessere Unterstützung kleiner und mittlerer Städte und
Gemeinden. Diese Koalition hat ein glasklares Bekenntnis zum ländlichen Raum abgegeben. So hat sie die Mittel für das Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“
und für das Programm „Soziale Stadt“ prozentual deutlich erhöht. Ich denke, das steht außer Frage. Das ist eine
sehr wichtige Querschnittsaufgabe, zu der wir uns ganz
klar bekennen.
Ich erlaube mir noch anzumerken, weil das auch zu
unserem Gestaltungsauftrag gehört, dass wir auch die
Bürgerinnen und Bürger vor Ort aufrufen müssen, konkret teilzuhaben, und darauf hinweisen müssen, dass sie
nicht immer nur mit Ja oder Nein für etwas abstimmen
können.
An dieser Stelle gehört es sich auch - das hat bisher
noch keiner getan -, den Gemeinde- und Stadträten vor
Ort, den Mitarbeitern der kommunalen Planungsdezernate, den Vereinen und Initiativen Danke zu sagen, weil
sie das gemeinsam entwickeln. Wir können hier nur finanzielle Rahmendaten festlegen. Aufgrund der gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen gibt es
in diesem Bereich sehr große Herausforderungen. Wir
alle sollten uns hier wirklich ernsthaft und konstruktiv
Ansätze überlegen, wie wir der Situation Herr werden
können. Dazu gehört für uns maßgeblich die Bereitstellung des finanziellen Rahmens. Ich lade Sie ein, weiterhin konstruktiv daran mitzuarbeiten.
Vielen Dank.
({2})
Roland Claus hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben einen guten Antrag vorgelegt. Die Landesbauminister haben einen guten Beschluss gefasst, und zwar einstimmig. Deshalb haben wir Linke diesen Beschluss hier als Antrag
eingebracht. Ich finde, so viel Gutes verdient auch eine
Mehrheit im Deutschen Bundestag.
({0})
Ich war gespannt, welche Argumente Koalition und
Regierung dagegen vorbringen könnten, und ich war
schon erstaunt, als uns Minister Ramsauer in die Geheimnisse seiner höheren Mathematik eingeführt hat. Er
hat, so hörten wir, die Halbierung halbiert, und bei ihm
kommt dann immer noch Dreiviertel raus. Ich sage einmal ganz offen: Als Dreiviertelminister sind Sie mir im
Kabinett einfach ein Stück zu wenig, Herr Minister.
({1})
Wenn Sie diese Mathematik so weiter treiben, dann
müssten wir diesen Maßstab vielleicht auch einmal bei
den Haushaltsberatungen anlegen, wenn es um den
Haushaltsposten Ministergehalt geht.
({2})
40 Jahre Städtebauförderung, zu diesem Thema kann
man einen großen historischen Bogen schlagen. Ich will
das einmal aus ostdeutscher Sicht beleuchten. Der Stadtumbau Ost nach der deutschen Einheit findet - das ist
parteiübergreifend unbestritten - in allen Wählerinnenund Wählerschichten große Anerkennung; Franz
Müntefering hat das schon gesagt. Inzwischen gibt es einen ostdeutschen Erfahrungsvorsprung bei diesem Stadtumbau, bei diesen demografischen und sozialen Prozessen. Es gibt jetzt auch einen Stadtumbau West. Man
könnte denken, man finge an, den ostdeutschen Erfahrungsvorsprung beispielsweise bei schrumpfenden Städten anzuerkennen, aufzugreifen und zu nutzen. Das ist
aber leider nicht der Fall.
Ich will Sie auch daran erinnern, dass es lange vor der
deutschen Einheit Städtepartnerschaften zwischen Ost
und West gab. Westdeutsche Städte mit ostdeutschen
Partnerstädten waren immer darum bemüht, dass ihre
ostdeutsche Partnerstadt ein bisschen besser aussah als
andere Städte im Osten. Das war damals Teil eines Programms nach dem Prinzip „Wandel durch Annäherung“.
Der Westen war damals aber auch in der Lage - das können Sie sich von renommierten Architekten und Städteplanern erklären lassen -, vom Osten zu lernen. Manche
städtebauliche Sünde fand in der DDR nämlich nicht
statt, weil das Geld dazu fehlte. Ich will sagen: Wir hätten schon, konnten aber nicht.
({3})
Zurück zur Gegenwart und zur Zukunft. Städtebauförderung und energetische Gebäudesanierung gehören nun wirklich unbestritten zu den erfolgreichsten Förderinstrumenten des Bundes. Deshalb kann ich eine
Bundesregierung und eine Koalition, die sich selbst ihrer
besten Förderinstrumente berauben, nach wie vor überhaupt nicht verstehen - und heute schon gar nicht. Das
ist doch einfach absurd, was Sie hier betreiben.
({4})
Sie können noch tausendmal argumentieren, die energetische Gebäudesanierung werde jetzt aus einem anderen
Topf finanziert und das komme den Kommunen zugute.
Das mag alles richtig sein. Aber erstens stammen die
Mittel hierfür aus dem Energie- und Klimafonds, und
über die Einnahmeseite dieses Fonds sind wir uns überhaupt noch nicht sicher.
({5})
Einen Anspruch der potenziellen Anwender dieses Programms gibt es deshalb noch nicht. Eines wollen wir
aber nicht: eine energetische Gebäudesanierung nach
Kassenlage.
({6})
Zweitens wollen Sie offensichtlich nicht begreifen,
dass es wesentlich ist, ob über bereitgestellte Mittel von
einem Ministerium verfügt werden kann, sie also in den
Instrumentenkasten einer ganzheitlichen Städtebau- und
Förderpolitik eingebaut werden können. Das ist jetzt
nicht mehr der Fall; das beklagen auch Ihre Ministerkollegen in den Ländern.
({7})
Ich will die Kollegen der SPD, die ich schon sehr gelobt habe,
({8})
auf den ersten Punkt ihres Antrags verweisen, in dem gefordert wird, die kommunale Kaufkraft zu stärken. Das
ist zwar richtig, aber auch ziemlich frech.
Herr Kollege!
({0})
Im Moment leiden die Kommunen unter der Unternehmensteuerreform von Rot-Grün, die ihnen die Luft
zum Atmen nimmt. Tun Sie Buße, indem Sie weiter gute
Anträge machen! Meine Fraktion ist es leid, Bußetun als
unser Alleinstellungsmerkmal anzusehen.
({0})
Wenn ich gewusst hätte, dass Sie noch von Buße sprechen, hätte ich Sie mitnichten auf die überschrittene Redezeit aufmerksam gemacht.
Patrick Schnieder hat das Wort für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich darf zunächst einmal unserem Minister sehr herzlich
gratulieren,
({0})
nicht nur dazu, dass es ihm gelungen ist, die Städtebauförderung nach 40 Jahren Erfolgsgeschichte auch in
der Gegenwart auszugestalten und für die Zukunft fit zu
machen,
({1})
sondern auch dazu - das habe ich jedenfalls der Äußerung von Herrn Kollegen Müntefering entnommen -,
dass Sie, Herr Minister Ramsauer, ein Superministerium
führen.
({2})
Die Baupolitik scheint in den Augen der Opposition fähig zu sein, alle Probleme dieser Welt außer denen in der
Außen- und Sicherheitspolitik zu lösen.
({3})
Ich halte das für einen sehr interessanten Ansatz. Das
gilt ebenso für Ihre Aufzählung, Herr Kollege
Müntefering, der erfolgreichen Bauminister. Wir freuen
uns sehr darüber, dass Sie Minister Schneider gelobt haben; ich lobe unseren aktuellen Minister. Ihr Name hat
aber bezeichnenderweise gefehlt.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns darin
einig - das hat die Debatte bisher gezeigt -, dass die
Städtebauförderung eine Erfolgsgeschichte ist. Sie bleibt
es auch in Zukunft.
({5})
Wir dürfen allerdings nicht verkennen - darum haben
sich viele Beiträge gerankt, ohne aber auch nur einen
Ansatz für eine Lösung aufzuzeigen -, dass wir uns auch
um andere Dinge in diesem Lande zu kümmern haben
und dass die Probleme nicht allein mit der Städtebauförderung zu lösen sind.
Ich nenne als ersten Punkt die Verpflichtung, die
Schuldenbremse einzuhalten und den Haushalt zu sanieren.
({6})
- Der Zwischenruf kommt wie gerufen. - Wir befinden
uns im Jahre 2011 und reden über die Ausgestaltung der
Städtebauförderung im Jahre 2012. Wir denken selbstverständlich darüber nach, wie wir in den Jahren 2013
fortfolgende sozial gerechte Maßnahmen ergreifen können, um Beziehern von unteren und mittleren Einkommen die Möglichkeit zu geben, auf die Segnungen der
kommunalen Städtebauförderung zuzugreifen. Das ist
doch eigentlich die Politik der SPD.
({7})
Ich weiß gar nicht, was daran zu kritisieren ist.
({8})
Wenn man die Konsolidierung unseres Haushalts und
die Anforderungen der Schuldenbremse ernst nimmt,
dann kann man
({9})
nicht so tun, als könne man gleichzeitig in keinem einzigen Bereich die Ausgaben zurückfahren.
({10})
Sie haben in der Diskussion zum Etat des Verkehrs- und
Bauministeriums schon ausgeführt: Wir bleiben bei den
Verkehrsinvestitionen unterhalb der Erfordernisse.
Heute führen Sie aus: Wir bleiben in der Städtebauförderung unter den Erfordernissen. - Sie müssen mir bitte
einmal verraten, wie Sie die Anforderungen der Schuldenbremse im Zusammenhang mit der Konsolidierung
des Haushaltes erfüllen wollen.
({11})
Sie haben über die kommunale Finanznot geredet.
Die haben wir in der Tat zu beobachten.
({12})
Es ist allerdings ein Irrglaube, diese Finanznot allein mit
den Mitteln der Städtebauförderung beseitigen zu können. Das folgt schon aus der Tatsache, dass bei der Inanspruchnahme von Städtebauförderprogrammen immerhin ein Anteil von einem Drittel zu übernehmen ist.
Wie können Sie auf kommunaler Ebene Geld einsparen,
wenn Sie erst einmal Geld auf den Tisch legen müssen?
Ein weiterer Aspekt: Schauen wir uns einmal die erfolgreiche Bau- und Kommunalpolitik des Landes
Rheinland-Pfalz an. Dort gibt es eine sozialdemokratisch
geführte Regierung, die das Wort „sparen“ buchstabieren
kann; in die Praxis umsetzen konnte sie das in den letzten 20 Jahren aber nicht. Dort wurden die zur Verfügung
stehenden Mittel in den vergangenen Jahren nicht einmal
vollständig abgerufen.
({13})
Nehmen wir nur einmal das 2008 von Ihnen so präferierte Programm „Soziale Stadt“. Das Land RheinlandPfalz hat 600 000 Euro nicht abgerufen, und vor dem
Hintergrund, dass am Nürburgring eine halbe Milliarde
Euro in den Sand gesetzt worden ist, bekommen die Begriffe „sozialdemokratische Baupolitik“ bzw. „soziale
Baupolitik“ eine ganz neue Bedeutung.
({14})
Die christlich-liberale Koalition hat im Bereich der
kommunalen Finanzen das ausgebügelt, was Sie im Bereich der Grundsicherung den Kommunen eingebrockt
haben. Sie können uns nicht vorhalten, dass wir bei der
Baupolitik, die wir betreiben, die Kommunen im Regen
stehen lassen.
({15})
Sie haben doch das Chaos bei den kommunalen Finanzen verursacht. Wir haben es beseitigt, indem wir die
Leistung der Grundsicherung dauerhaft auf den Bund
überführt haben. So haben wir die größte Entlastung der
Kommunen in den letzten Jahren und Jahrzehnten herbeigeführt.
({16})
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Programm „Soziale Stadt“ sagen. In der Tat ist es schmerzlich, dass wir
dort den Ansatz für das laufende Jahr auf 28 Millionen
Euro zurückfahren mussten. Ich habe mir verschiedene
Projekte in Rheinland-Pfalz angeschaut, in Worms und
in Trier. Man kann nur sagen: Dort wird hervorragende
Arbeit geleistet. Wir brauchen dieses Programm.
({17})
Deshalb bin ich froh, dass wir zumindest für das Jahr
2012 mit einem Aufwuchs auf 40 Millionen Euro rechnen können.
({18})
- Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion,
Sie haben heute viel über die Vergangenheit geredet,
aber noch nicht ein Wort zu den Herausforderungen von
Gegenwart und Zukunft gesagt.
({19})
Im Übrigen müssen auch die Mittel aus dem ESFProgramm BIWAQ im Bereich sozialraumorientierte
Arbeitsmarktprojekte beim Programm „Soziale Stadt“
berücksichtigt werden.
({20})
Wir haben immer den Wunsch, mehr Mittel auszugeben;
aber wir gestalten eine realistische Politik. Dann ist nicht
alles machbar, was man sich wünscht.
Eine letzte Bemerkung zu den hier aufgeführten mathematischen Fähigkeiten. Die Fantasie muss bei Ihnen
in der Opposition noch etwas größer werden. Man muss
nicht mit gleichen Mitteln und der gleichen Ausgestaltung von Programmen nur mit einer einfachen Zuschusspolitik sämtliche Ziele, die man sich vornimmt,
verfolgen. Wir haben 410 Millionen Euro für die Städtebauförderung für 2012 vorgesehen. Es kommen 92 Millionen Euro für die energetische Stadtsanierung hinzu.
({21})
Das gibt nach Adam Riese mehr als 500 Millionen Euro.
Das ist ein deutlicher Aufwuchs. Sie können es nennen,
wie Sie wollen. Es ist eine zukunftsgerichtete Städtebaupolitik, die unter den gegebenen Umständen realistisch
und machbar ist.
({22})
Ich darf abschließend sagen: Diese Koalition steht für
eine realistische und gute Städtebauförderung auch in
Zukunft. Es ist ein zentrales Instrument der nachhaltigen
Entwicklung unserer Städte und Gemeinden. Wir werden mit aller Macht daran festhalten.
({23})
Ulrike Gottschalck hat jetzt das Wort für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine Politik, die nicht für die Menschen da ist, sondern für sich selbst, kann uns gestohlen bleiben.
Dieses Zitat von Willy Brandt ist das Leitbild nicht nur
meiner persönlichen Überzeugung, sondern auch meines
politischen Handelns. Es dient, denke ich, heute auch
durchaus der Diskussion über die positiven Auswirkungen der Städtebauförderung.
Willy Brandt hat aber nicht nur klug zitiert; er hat
auch klug und nachhaltig gehandelt, zum Beispiel indem
er 1971 die Städtebauförderung ins Leben gerufen hat.
Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass
die Städtebauförderung eine mittlerweile über vier Jahrzehnte andauernde und immer weiter fortgeschriebene
Erfolgsgeschichte ist.
Kern des Erfolgs der Städtebauförderung sind die
sichtbaren und erlebbaren Erfolge. Es ist die Zufriedenheit der Menschen, die sich mit ihren Wohnorten und
Quartieren identifizieren und ihr Lebensumfeld lebensund liebenswert gestalten. Was können wir uns mehr
wünschen, als dass die Menschen in den Städten und Gemeinden gerne in ihren Quartieren leben, dort Familien
gründen und ihr Umfeld gestalten?
({0})
Die Politik ist deshalb dazu verpflichtet, Herr Körber,
Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden kann. Das ist eigentlich logisch.
({1})
Ich will nicht weiter auf die Zahlen eingehen. Das haben schon meine Vorredner gemacht. Ich will aber eines
deutlich sagen: Auch wenn Sie noch so viel hin- und
herrechnen, Sie streichen erneut 45 Millionen Euro. Alles andere, was Sie uns vormachen, ist eine Milchmädchenrechnung.
({2})
Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fricke zulassen?
Ja, bitte.
Frau Kollegin Gottschalck, ich bin einer von den in
solchen Debatten immer wieder beklagten Haushältern.
Deswegen orientiere ich mich immer gerne an Zahlen.
Wenn die Opposition kritisiert, dass zu wenig Geld ausgegeben wird, was ihr gutes Recht ist und auch vielleicht
etwas Wahres enthält, dann würde ich von Ihnen gerne
wissen, wie viele Millionen Euro zu wenig wir seitens
des Bundes im Bereich Städtebauförderung zur Verfügung stellen. Oder sind es gar Milliarden?
({0})
Ich antworte Ihnen sehr gerne, Herr Kollege.
Wir haben einen Antrag vorgelegt, in dem wir alles
genau aufführen. Des Weiteren hat das Verkehrsministerium unter Herrn Ramsauer eine eigene Studie in Auftrag gegeben, die von 700 Millionen Euro ausgeht. Diese
Mittel brauchen wir, um unsere Städte und Gemeinden
in Ordnung zu bringen.
({0})
Da vermutlich eine entsprechende Nachfrage kommt,
kann ich Ihnen auch gleich die Gegenrechnung aufmachen. Hören Sie auf, von Steuersenkungen zu fabulieren!
({1})
Nehmen Sie zum Beispiel Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz zurück! Auch dadurch können wir viel bewegen.
({2})
- Das können wir herausrechnen. Es bleibt trotzdem genug übrig. Sie rechnen, wie gesagt, nur die 45 Millionen
Euro hin und her.
Herr Körber, mein im Ausschuss sehr geschätzter
Kollege, Sie haben es sich heute ein bisschen mit mir
verdorben. Ich fand Ihre Rede ziemlich arrogant.
({3})
Sie sollten vielleicht in der Lebenswirklichkeit ankommen. Im Gegensatz zu Ihnen hat Franz Müntefering sehr
praxisnah das Lebensumfeld der Menschen vor Ort beschrieben, statt rein theoretisch herumzufabulieren, etwas schönzureden und von Findungsphasen zu sprechen.
In Findungsphasen stecken Sie noch.
({4})
Sie werden getrieben - das habe ich schon gesagt -,
durchaus auch von der FDP, denke ich, über Steuersenkungen zu fabulieren. Da spreche ich jetzt Herrn Götz
an. Ich verstehe es nicht. Mit der CDU konnte man in
Fragen der Städtebaupolitik sonst gut zusammenarbeiten. Lassen Sie sich nicht treiben! Wir können doch nicht
auf der einen Seite über Steuersenkungen fabulieren und
auf der anderen Seite die Daseinsvorsorge vor Ort ratzfatz, ohne mit der Wimper zu zucken, zusammenstreichen.
({5})
Die Menschen in den Kommunen erfahren tagtäglich,
wie schwierig es ist, wenn in ihrer Heimatgemeinde die
Kohle fehlt, um die Infrastruktur zu erhalten oder auszubauen, wenn soziale Spaltung droht oder ganze Quartiere abgeschrieben werden müssen. Das können doch
auch Sie von der CDU/CSU und der FDP nicht wollen.
Wollen Sie wirklich riskieren, dass Identifikation verloren geht, Stadtkerne verkommen,
({6})
Denkmäler nicht mehr gepflegt werden, Quartiere verwahrlosen und ehrenamtliches Engagement vor Ort zurückgeht?
Ich mache bereits seit 1980 Kommunalpolitik. Ich bin
vor Ort Fraktionsvorsitzende.
({7})
Ich weiß sehr wohl, wie schlecht es den Kommunen
geht. Auch im Namen der Kommunen bitte ich Sie sehr
herzlich: Nehmen Sie die erneuten Kürzungen der Städtebauförderung zurück! Vielen Kommunen steht finanziell das Wasser bis zum Hals. Manche sehen schon
keine Perspektive mehr. Wir müssen den Kommunen
aber Handlungsspielräume geben; denn wir brauchen die
Kommunen in Zukunft noch viel mehr.
Ich spreche zum Beispiel die Energiewende an. Ich
finde es vollkommen in Ordnung, dass Programme aufgelegt werden, um die Energiewende voranzutreiben und
die Gemeinden da zu unterstützen. Einen kleinen
Schlenker kann ich Ihnen aber nicht ersparen: Auch bei
dem Problem der Energiewende sind Sie leider wieder
zu spät gewesen. Wir müssen jetzt sehen, wie wir das,
was Sie kaputtgemacht haben, wieder einfangen.
({8})
Frau Kollegin, Herr Schirmbeck würde Ihnen gern
eine Zwischenfrage stellen.
Ja, bitte.
Verehrte Frau Kollegin, Sie haben davon gesprochen,
dass es eine kommunale Verelendung in Deutschland
gibt. Wir haben das in Niedersachsen einmal untersucht.
Die zehn Gebietskörperschaften mit den geringsten
Schulden in Niedersachsen waren von einer Partei regiert. Die zehn Gebietskörperschaften mit den höchsten
Schulden waren auch von einer Partei regiert. Können
Sie vielleicht die Frage beantworten, welche Partei welche Kommunen regiert? - Man kann auch mit wenig
Geld eine ordentliche Politik machen.
({0})
Werter Kollege, man kann auch Äpfel mit Birnen vergleichen.
({0})
Ich sage Ihnen aus meiner ganz praktischen Erfahrung
im Landkreis Kassel: Wir haben auch ordentlich Schulden,
({1})
aber wir setzen dort Prioritäten. Bei uns werden zum
Beispiel die Reinigungskräfte komplett ordentlich bezahlt. Die Leistung wird nicht outgesourct. Das ist die
Denke von Sozialdemokraten.
({2})
Sie weisen immer darauf hin, dass Sie so großen
finanziellen und wirtschaftlichen Sachverstand haben.
Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie bei der
Städtebauförderung kürzen wollen; denn die rechnet sich
doch.
({3})
Wir brauchen die Kommunen für die Energiewende.
Wir brauchen die Kommunen aber auch im Hinblick auf
die demografische Entwicklung; denn ohne die Kommunen werden wir die demografische Entwicklung nicht erfolgreich gestalten können. Dafür benötigen die Kommunen Rüstzeug. Die Streichung des KfW-Programms
„Altersgerecht Umbauen“ ist einfach vollkommen kontraproduktiv in einer Zeit, wo wir auf die demografische
Entwicklung eingehen müssen.
({4})
Ich mache es jetzt kürzer: Wir brauchen die Programme „Städtebaulicher Denkmalschutz“, „Stadtumbau Ost“, „Stadtumbau West“ und „Soziale Stadt“. Alle
Landesbauminister, egal welcher Couleur, fordern einstimmig mehr Verlässlichkeit vom Bund.
Die Kürzungen sind, wie eben schon gesagt, auch
noch volkswirtschaftlich unsinnig; denn 1 Euro Städtebauförderung - wir haben es jetzt mehrfach gehört stößt Investitionen von mindestens 7 bis 8 Euro an.
Diese Förderung rechnet sich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sind alle
gewählt, um zum Wohle des deutschen Volkes tätig zu
sein. Eine Politik, die nicht für die Menschen da ist, sondern nur für sich selbst, kann uns gestohlen bleiben. Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Geben Sie unseren Kommunen Zukunft, und setzen Sie die
Erfolgsgeschichte der Städtebauförderung fort!
Danke schön.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/6444 und 17/6447 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Ich sehe, damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so
beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 sowie Zusatzpunkt 9 auf:
8 - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur ({1}) auf Grundlage
der Resolution 1769 ({2}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007
und Folgeresolutionen
- Drucksachen 17/6322, 17/6509 Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Jan van Aken
Kerstin Müller ({3})
- Bericht des Haushaltsausschusses ({4})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 17/6510 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Klaus Brandner
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler
ZP 9 - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({5}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an der von den Vereinten Nationen geführten
Friedensmission im Südsudan
- Drucksachen 17/6449, 17/6511 Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller ({6})
- Bericht des Haushaltsausschusses ({7})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 17/6512 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Klaus Brandner
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler
Über beide Beschlussempfehlungen wird später namentlich abgestimmt werden.
Für die Aussprache ist eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist es
so beschlossen.
Ich gebe zunächst der Kollegin Marina Schuster das
Wort für die FDP-Fraktion.
({8})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Sudan hat einen jahrzehntelangen blutigen Bürgerkrieg hinter sich. Morgen wird eine neue Seite in den
Geschichtsbüchern aufgeschlagen. Morgen gründet sich
der jüngste Staat Afrikas, der Südsudan. Schon zu Beginn des Jahres wurde ein großer Meilenstein geschafft,
nämlich das Referendum über die Unabhängigkeit. Es
ging viel friedlicher vonstatten, als wir das alle hier erwartet hatten. Ein großer Teil ist also schon geschafft.
Aber die großen Aufgaben stehen noch bevor.
Wenn wir uns die Gewaltausbrüche in den vergangenen Wochen anschauen - heftige Zusammenstöße zwischen Nord und Süd in Abyei und Süd-Kurdufan, weiter
andauernde Kämpfe zwischen dem Norden und Milizen
in Darfur, aber auch Gewaltausbrüche innerhalb des
Südsudans -, dann erkennen wir, dass grundlegende Probleme weiterhin noch nicht gelöst sind. Deswegen ist es
wichtig, dass wir heute die beiden Mandate beschließen;
denn die internationale Gemeinschaft darf in ihrem Engagement nicht nachlassen, sondern muss auch weiterhin ihren Beitrag für die langfristige Befriedung der Region leisten. Auch Deutschland ist hier in der Pflicht.
Die neue Mission UNMISS hat drei Aufgaben. Die
erste Aufgabe umfasst den Schutz der Zivilbevölkerung;
dies ist ein robustes Mandat. Die zweite Aufgabe bezieht
sich auf die Unterstützung beim Aufbau von Armee und
Polizei. Die dritte Aufgabe ist eine ganz entscheidende,
nämlich die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von ehemaligen Kämpfern.
Ich sage an die Adresse des Südsudans ganz klar:
Auch der Süden muss seine Hausaufgaben machen und
seine Verpflichtungen erfüllen. Es darf nicht zu einem
ethnischen Klientelismus kommen; er muss Korruption
und Menschenrechtsverletzungen klar bekämpfen.
({0})
Die große Aufgabe, die es nach wie vor zu meistern gilt,
ist der Aufbau eines funktionierenden Staatswesens.
Dazu gehört der Zugang zu Bildung, zu Gesundheit und
zu Infrastruktur.
Auch der Norden ist weiterhin gefordert. Wir hoffen
- darauf drängen wir -, dass sich der Norden bereit
erklärt, dass UNMISS die Grenzüberwachung vom Norden her durchführen kann. Ich halte dies für dringend geboten. Die dramatische Situation, die wir in der NubaRegion und in Süd-Kurdufan erleben, sowie die Schwere
der Menschenrechtsverletzungen zeigen, dass gehandelt
werden muss. Für Abyei hat man Gott sei Dank mit dem
Mandat UNISFA einen Weg zur entmilitarisierten Zone
gefunden, der Zeit schafft, um die notwendigen Fragen
zu klären. Wir hoffen alle, dass die Gewalt nicht wieder
eskaliert.
({1})
Noch einige Worte zur Mandatierung selbst. Wir haben bei der ersten Lesung dieses Verfahren ganz offen
angesprochen. Natürlich sind wir, was die Mandatierung
des UMNISS-Mandats betrifft, in einer ungewöhnlichen
Situation. Denn der formale Beschluss des VN-Sicherheitsrats liegt gleich, wenn wir abstimmen werden, noch
nicht vor. Dennoch ist ganz klar: Das Mandat ist hinreichend konkretisiert; es basiert auf dem Resolutionstext,
über den heute in New York abgestimmt wird. Die Bundesregierung hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, und es ist ausdrücklich auch kein Vorratsbeschluss.
Wir sind uns im Hohen Haus - ich glaube, bis auf die
Linken - einig, dass wir für diesen speziellen Fall einer
neuen Staatsgründung auch eine praktikable Lösung finden müssen; denn wir müssen natürlich eines verhindern: dass quasi als erste Amtshandlung die deutschen
Soldaten abgezogen werden müssen, weil kein Mandat
vorliegt. Das würde auch gar nicht zu unserem langjährigen Engagement passen. Ich glaube, es ist wichtig, dass
wir dieses Engagement lückenlos fortsetzen.
({2})
Unser Engagement beinhaltet ja nicht nur die beiden
Mandate, sondern es geht viel weiter. Es sind die Entwicklungszusammenarbeit, die humanitäre Hilfe, die
Unterstützung, die wir im Rahmen der Polizeimission
leisten, aber es ist auch das, was wir im Vorfeld an Unterstützung bei der Verfassungsreform geleistet haben,
wobei sich auch Professor Wolfrum sehr stark engagiert
hat.
Unser Engagement fügt sich auch in das neue ressortübergreifende Afrika-Konzept der Bundesregierung ein,
das eben von den klassischen Geber-Nehmer-Strukturen
weggeht, sondern diese Partnerschaft auf Augenhöhe
will, und das gerade auch den Bereich „Peace and Security“
als einen Pfeiler sieht. Insofern ist es sehr kohärent,
wenn wir mit unserem Engagement dort fortfahren.
Ich möchte noch auf den letzten Punkt eingehen, auf
die Situation in Darfur. Natürlich hat die Staatsgründung
viel mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, aber wir
dürfen nicht außer Acht lassen, was in Darfur geschieht.
Seit acht Jahren gibt es dort diesen Konflikt, und auch
wenn es bei den Friedensverhandlungen in Doha einige
Fortschritte gab, haben wir immer noch kein endgültig
abgeschlossenes Friedensabkommen, und auch wesentliche Parteien waren nicht in den Prozess einbezogen.
Insofern bleibt viel zu tun für die Verhandlungen unter Thabo Mbeki. Es ist uns allen klar, dass hier letztlich
nur ein tragfähiger politischer Konsens dauerhaften Frieden bringen kann.
Bis dahin wird die Hybridmission weiterhin notwendig sein; sie tut ihr Möglichstes, um die Flüchtlingslager
zu schützen und die humanitäre Situation zu lindern.
Aber es ist natürlich so: Die Mandate sind kein Politikersatz. Der Schlüssel kann nur von den Verhandlungen
kommen. Nur da kann sich eine tragfähige, dauerhafte
Lösung ergeben.
({3})
Unsere Soldaten werden im Rahmen von UNAMID
im Bereich der Einsatzführung und der Logistik weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Ich bitte auch deshalb
um breite Zustimmung zu diesem Mandat.
Lassen Sie mich zum Schluss meiner Rede unseren
Soldaten im Einsatz ganz herzlich danken, aber auch den
Polizisten, den zivilen Helfern, die seit Jahren im Sudan
engagiert sind, für ihre ausdrücklich großen Leistungen,
die sie dort in einer sehr schwierigen Situation vollbringen.
Vielen Dank.
({4})
Für die SPD-Fraktion hat jetzt Christoph Strässer das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Der Südsudan wird morgen
offiziell seine Unabhängigkeit erklären. Grundlage hierfür war die Vereinbarung zum umfassenden Frieden im
Jahre 2005 - das sogenannte Comprehensive Peace
Agreement -, die neben vielem anderen Wahlen, eine
Volksabstimmung über einen Verbleib im Staatsgebiet
des Sudan oder eine Abspaltung des Südens und die
Gründung eines eigenen Staates, des 54. auf dem afrikanischen Kontinent, beinhaltete.
Beide Abstimmungen haben stattgefunden, beide hatten eindeutige Ergebnisse, beide sind unter Beobachtung
und mit Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft besser abgelaufen, als das gemeinhin befürchtet wurde. Dafür - das sage ich an dieser Stelle
auch ganz bewusst - hat unter anderem auch die Mission
der Vereinten Nationen, die alte UNMIS-Mission, einen
nicht unwesentlichen Beitrag geleistet. Viele, die den
Verhandlungsprozess über Jahrzehnte begleitet haben,
wissen auch, dass das CPA, dieses Abkommen, ohne
UNMIS als konstitutivem Bestandteil nicht möglich geworden wäre.
({0})
Der deutsche Repräsentant bei den Vereinten Nationen, Botschafter Peter Wittig, hat am Dienstag erklärt,
dass der Sudan gegenwärtig, insbesondere während der
deutschen Ratspräsidentschaft, im Fokus der Weltöffentlichkeit stehe; man werde vorschlagen, die neue Republik Südsudan schnellstmöglich in die UN-Vollversammlung aufzunehmen. Das unterstützen wir von der
SPD-Fraktion nachdrücklich.
Der sudanesische Präsident Omar al-Baschir, der per
Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gesucht
wird und trotz vielfältiger Auslandsbesuche noch immer
nicht verhaftet ist, hat auch vernünftige Momente. Er hat
erklärt, dass sein Staat die neue Republik Südsudan anerkennen und kooperieren werden. Wir alle hoffen sehr,
dass dies nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt; denn
erst vor kurzem rief al-Baschir seine Truppen zu weiteren Kämpfen in der umstrittenen Grenzregion SüdKurdufan auf, die so lange andauern sollen, bis „das Gebiet von Rebellen gesäubert“ sei. Nach Schätzungen der
UNO wurden durch die Kämpfe in der Grenzregion bereits mindestens 70 000 Menschen vertrieben. Die
Grenzstaaten gehören zwar zum Norden, stehen aber
auch unter dem Einfluss der südsudanesischen Befreiungsbewegung SPLM, die den Süden anführt und von
einer Bevölkerungsmehrheit geprägt ist, die sich eher
dem Süden zugehörig fühlt. Die Kollegin Schuster hat
schon darauf hingewiesen: Wenn wir über den Sudan reden, dann heißt das sehr deutlich, dass auch die SPLM
unter unserer Beobachtung steht. Die Angehörigen der
SPLM sind keine Kinder von Traurigkeit. Wir werden
genau hinsehen müssen, ob sie Menschenrechtsverletzungen begehen.
({1})
Wir haben kurz vor der Teilung des Sudans den Streit
um diese Grenzregion ansatzweise befriedet. Ob es sich
dabei um eine nachhaltige Regelung handelt, bleibt abzuwarten. Die Verständigungen geben allerdings Anlass
zu der Hoffnung, dass die Konfliktparteien in der Lage
sind, ergebnisorientierte Regelungen zu vereinbaren.
Wir werden sehen, ob die Truppe, die in Addis Abeba
verabredet wurde, in der Grenzregion für nachhaltigen
Frieden sorgen kann.
Aber das alles macht deutlich, wie explosiv und fragil
die Situation ist und vorerst auch bleiben wird. Neben
diesem Konfliktpunkt an der Grenze ist der Südsudan
von einer rückständigen Infrastruktur, einer hohen Analphabetenrate sowie inneren Widersprüchen geprägt.
Offen sind zudem die Fragen nach der Verteilung von
Gewinnen aus dem Ölgeschäft, der Aufteilung der
Schuldenlast und dem Grenzverlauf sowie der Grenzsicherung insbesondere im Bereich der Stadt Abyei. Der
Süden steht damit vor gewaltigen Herausforderungen,
die er bewältigen muss, um nach der Unabhängigkeitserklärung eine tatsächlich selbstständige Entwicklung
realisieren zu können.
In dieser Situation ist eine weitere Unterstützung
durch die internationale Gemeinschaft dringend geboten.
Die Regierung des Südsudan hat sich deshalb schon früh
für eine weitere UN-Präsens in ihrem Territorium ausgesprochen und dementsprechend um eine Folgemission
gebeten. Die SPD-Fraktion hält ein Folgemandat für die
alte UNMIS insofern für äußerst sinnvoll und richtig,
und zwar weil die Erfolgsaussichten dieses neuen Staates im Süden jenseits der elementaren Beziehungen zum
Nordsudan von wichtigen Elementen, wie der Entwicklung einer pluralistischen Demokratie mit gestärkten
zivilgesellschaftlichen Kräften und dem Aufbau eines
effektiven Staatsapparates, abhängen. Von ganz besonderer Bedeutung ist jedoch für jede weitere Entwicklung
die Stärkung des Sicherheitssektors. Anstrengungen, immer noch hoch bewaffnete Milizen zu entwaffnen, sie zu
demobilisieren und in eine zivilgesellschaftliche Entwicklung zu integrieren, stehen an erster Stelle. Dies
wird nach unserer festen Überzeugung ohne ein robustes
Mandat der Vereinten Nationen nicht möglich sein.
Wenn Sie mir das schon nicht glauben, dann lassen
wir doch einmal Leute sprechen, die nicht nur einmal im
Sudan gewesen sind und sich dort umgetan haben,
Leute, die seit Jahren für zivilgesellschaftliche Organisationen dort arbeiten. So fordert ein breites Bündnis afrikanischer NGOs unter dem Titel „Beyond the Pledge“
- das alles ist Ihnen zugegangen - die Garantiemächte
des CPA nachdrücklich auf, die Robustheit ihres Engagements zu verstärken. Der Regionalkoordinator der
Welthungerhilfe in Nairobi, Johan van der Kamp, kritisierte die alte UNMIS in einer Presseerklärung des
Evangelischen Pressedienstes vom gestrigen Tage:
„Wenn es tatsächlich Kämpfe gab, war die UNMIS oft
nicht da.“ Doch Kamp fordert aufgrund dieser Analyse
nicht das Ende der Mission, sondern - aus meiner Sicht
folgerichtig und konsequent -: „Die UN-Truppe braucht
ein robusteres Mandat.“
({2})
Vielleicht noch unverdächtiger ist die Leiterin des
Oxfam-Büros in New York, Kirsten Hagon, die sich seit
vielen Jahren mit diesem Thema befasst. Sie fordert in
derselben Pressemitteilung die VN dazu auf, nicht „bei
der Ausstattung dieser Mission zu geizen“. Sie sagt weiter, eine Deckelung der Truppenobergrenze bei der
neuen Mission wie bei der alten UNMIS von derzeit
9 000 Soldaten und gut 1 500 zivilen Mitarbeitern gehe
zulasten der Zivilbevölkerung. - So weit die Repräsentantin der weltweit bekannten und gut arbeitenden Organisation Oxfam.
Unter diesem Aspekt sollten wir uns vor diesem Mandat nicht drücken. Wir sollten dieses Mandat unterstützen und dafür sorgen, dass das, was in dem Mandat
steht, in den nächsten Jahren möglich wird.
In diesem Zusammenhang ein Appell an die Bundesregierung: Herr Staatsminister, die Bundesrepublik hat
in den nächsten sechs Monaten den Vorsitz des Weltsicherheitsrates. Wir rätseln in diesem Hause schon seit
längerem, was auf der Agenda stehen wird. Ich könnte
ein Beispiel nennen, was Sie jenseits der konkreten Tagesordnung tun könnten. Kümmern Sie sich darum, dass
das Mandat so ausgestaltet wird, dass die Rolle von
Frauen in Führungspositionen gestärkt wird. Das könnte
bei der Sensibilisierung des Konflikts eine große Rolle
spielen und würde der Bundesregierung international bei
der Umsetzung der Resolution 1325 sicher viel Renommee verschaffen.
({3})
Die Probleme, die bei der Verabschiedung des Mandats diskutiert worden sind, sind bereits angesprochen
worden. Es gibt, soviel ich weiß, seit zwei Stunden einen
konsolidierten Text des Weltsicherheitsrats, der nicht
mehr veränderbar ist. Nichtsdestotrotz - das meine ich
ganz ernst - kann und darf es nicht die Regel in diesem
Hohen Hause werden, dass der Parlamentsvorbehalt eingeschränkt wird. Wir müssen heute Abend genau hinschauen, wie der Text lautet. Wenn er nicht mit dem
übereinstimmt, was wir hier im Deutschen Bundestag als
Mandat beschrieben haben, dann müssen wir im
Sommer eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages
zu diesem Thema einberufen. Alles andere wird unserem
Anspruch als Parlamentarier nicht gerecht. Das ist mit
uns nicht zu machen. - Ich höre keinen Beifall. Das hat
etwas damit zu tun, dass das Ganze vielleicht nicht auf
ungeteilte Zustimmung stößt.
({4})
Ich will auch nicht dafür sorgen, dass das passiert.
Zum Schluss noch einige Bemerkungen zu dem von
uns begrüßten UNAMID-Mandat. Darfur ist ein Stück
weit aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit geraten,
insbesondere nach den Feierlichkeiten und den Umständen der Staatsgründung im Süden. Nichtsdestotrotz wäre
es ein fundamentaler Fehler, wenn wir die Situation in
Darfur außer Acht ließen. Wir haben darüber schon in
der ersten Lesung diskutiert.
Ich will dazu nur eine Anmerkung machen, die mir
wirklich wichtig ist: Viele Kolleginnen und Kollegen
waren in den letzten Jahren in Darfur. Ich persönlich war
siebenmal dort und habe Flüchtlingslager besucht, auch
noch im vorletzten Jahr. Wenn ich höre, dass ernsthaft
die Position vertreten wird - angesichts der aktuellen Situation und der Zuspitzung des Konflikts durch die Zersplitterung der Rebellengruppen, die mittlerweile eindeutig Teil des Problems sind und nicht mehr als Opfer
dieser ganzen Entwicklung anzusehen sind -, den Menschen in den Flüchtlingslagern sei dadurch geholfen,
dass man Mediation organisiert und verhandelt, dann
muss ich sagen, dass diese Position die reale Situation in
Darfur elementar verkennt. Es wird nicht anders gehen,
als diesen Menschen auch militärischen Schutz zu gewähren, damit sie in den Flüchtlingslagern überleben
können.
Ein großes Flüchtlingslager heißt Abu Schuq. Es
wurde 2004 mit deutschen Mitteln für damals
15 000 sich vorübergehend dort aufhaltende Flüchtlinge
errichtet. Mittlerweile leben dort über 50 000 Menschen.
Wir haben mit diesen Menschen gesprochen und sie gefragt, warum sie nicht in ihre Regionen zurückgehen. Sie
haben uns ganz klar geantwortet: weil wir Angst haben,
und zwar nicht vor den UNAMID-Truppen, sondern vor
den Rebellen und der Dschandschawid-Truppe des
Nordsudan, die uns nicht in Ruhe leben lassen, unsere
Kinder rauben, uns vergewaltigen und dort weiterhin ihr
Unwesen treiben. - Das ist die Realität, die ich wahrgenommen habe. Deshalb brauchen wir ein stärkeres Mandat für UNAMID, Herr Staatsminister, auch mit deutscher Beteiligung. Sonst werden wir keine Lösung
erreichen.
({5})
Wir werden morgen viele Feierlichkeiten erleben.
Eine Nachricht am Rande finde ich ganz wichtig. Es gibt
ein Verbot von Böllerschüssen bei den Unabhängigkeitsfeiern im Südsudan. Aber es wird morgen dort gefeiert
werden, und es wird für viele Menschen ein Tag der
Freude sein, ein Tag, den sie herbeigesehnt haben nach
Jahrzehnten des Krieges, der Unterdrückung und der
Not. Wir aus Deutschland sollten unseren Beitrag dazu
leisten, dass diese Feiern nicht mit einem großen Kater
enden. Nach 40 Jahren Bürgerkrieg, Tod, Unterdrückung
und Vergewaltigung haben die Menschen im Sudan unsere Solidarität verdient, und die sollten wir ihnen trotz
der schwierigen Umstände auch gewähren.
Schönen Dank.
({6})
Johannes Selle hat jetzt das Wort für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am Anfang unserer Legislaturperiode gehörte der
Sudan zu den größten Sorgenkindern. Der Zeitplan des
Referendums war in Verzug geraten und der Stand der
Vorbereitungen war besorgniserregend. Die Sorge eines
ausbrechenden Konflikts war allerorten zu vernehmen.
In einem fraktionsübergreifenden Antrag wurde die
Bundesregierung aufgefordert, diesem Prozess erhöhte
Aufmerksamkeit zu widmen und international alle Anstrengungen zu unternehmen, um den friedlichen Prozess weiterzuführen.
Trotz einiger Rückschläge, trotz gewisser Irritationen
und regionaler Konflikte: Das Comprehensive Peace
Agreement wurde in wichtigen Punkten eingehalten.
Das Referendum über die Eigenständigkeit des Südsudan wurde erfolgreich durchgeführt, und morgen wird
zum vorgesehenen Zeitpunkt die Unabhängigkeit des
Südsudan ausgerufen. Das ist ein großer Erfolg für alle
Sudanesen, die am Ende eines 20-jährigen Kampfes sicher und friedlich in ihrem Land leben wollen. Das ist
ein großer Erfolg der internationalen Gemeinschaft, die
sich dort engagiert hat.
Zur Überwachung des Comprehensive Peace Agreements wurde die Friedensmission UNMIS für den Sudan
eingerichtet, die wichtige Funktionen wahrnahm und
sich bewährt hat. Mit dem 9. Juli endet das UNMISMandat, das für den gesamten Sudan gegolten hat. An
dieser Stelle möchte ich ausdrücklich der Bundesregierung, Außenminister Westerwelle und Minister Niebel,
danken, die diesen Prozess sehr aktiv begleitet und mit
entsprechenden Ressourcen zeitnah ausgestattet haben.
({0})
Deutschland wird im Südsudan sehr positiv wahrgenommen. Da ist es ein glücklicher Umstand, dass in der
Zeit der deutschen Präsidentschaft im UN-Sicherheitsrat
der Antrag der Republik Südsudan, als 193. Mitglied in
die Vereinten Nationen aufgenommen zu werden, behandelt wird. Inzwischen sind massive Konflikte in der
Nähe hinzugekommen, insbesondere in Libyen, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.
Trotz der Tatsache, dass wichtige politische Veränderungsprozesse hinzugekommen sind, die uns teilweise
mit Sorge erfüllen, die aber auch Chancen für Demokratie und damit für Frieden und Stabilität darstellen und
denen wir uns zuwenden müssen, muss uns klar sein,
dass auch im Sudan noch viele Fragen zu lösen sind. Die
internationale Gemeinschaft darf nicht nachlassen, den
hoffnungsvollen Prozess vor Ort weiter zu unterstützen.
Der Prozess ist vielfach bedroht, zum Beispiel von
einer Hungerkatastrophe. Hunderttausende aus dem
Norden sitzen im südsudanesischen Bundesstaat Nord
Bahr el Ghazal fest; viele von ihnen werden verhungern.
Tausende wollen wieder zurück, dürfen das aber aus sogenannten Sicherheitsgründen nicht. Jetzt in der Regenzeit kann Nord Bahr el Ghazal nur vom Sudan aus versorgt werden. Es ist leider schon sicher: Viele werden
verhungern, weil sie nicht versorgt werden können.
Der Prozess ist bedroht, zum Beispiel von Rebellengruppen, die sich im Südsudan gebildet haben und die
gegen die Streitkräfte kämpfen. In den Bundesstaaten
Warrap, Jonglei und Upper Nile gab es bereits über
2 000 Tote. Nicht alle lokalen Kräfte sind in die Grenzziehung der beiden sudanesischen Staaten einbezogen
worden. Lokal können Konflikte entstehen, wenn es um
Ressourcen und gewohnte Rechte, historische Stammesgrenzen und Gepflogenheiten geht.
Obwohl generell stabil, gibt es immer wieder Zwischenfälle zwischen der sudanesischen und der südsudanesischen Armee, wie jüngst in Abyei. Die südsudanesische Armee muss massiv abrüsten. Die Waffen müssen
eingesammelt werden, und die freiwerdenden Kräfte
sind zu reintegrieren. Innerhalb des Südsudan sind aufgrund der Spannungen und Kämpfe 100 000 Menschen
auf der Flucht.
Nach der Ausrufung des Staates muss nun der Aufbau
des Staates mit allen Institutionen unter den genannten
sehr großen Schwierigkeiten erfolgen. Schon im Januar
wurde ich angesichts dieser Herausforderung von südsudanesischen Regierungsvertretern inständig gebeten,
für die Verlängerung der UNMIS-Mission einzutreten.
Die Verlängerung ist nicht möglich. Deshalb entscheiden
wir heute über die deutsche Beteiligung an einem neuen
Mandat: UNMISS nur für den Südsudan.
Die gewaltsamen Zwischenfälle erfordern ein Monitoring. Die Umsetzung der Vereinbarungen erfordert externe Unterstützung. Die Kräfte brauchen ein robustes
Mandat, um die Bevölkerung wirksam schützen zu können. Für die neue UNMISS-Mission sind circa
7 000 Soldaten vorgesehen. Deutschland wird sich mit
maximal 50 Kräften beteiligen. Unsere Soldaten werden
Beobachter- und koordinierende Funktion haben und logistische Hilfe leisten. Wir haben die Chance, nahtlos an
die erfolgreiche UNMIS-Mission anzuknüpfen. Die Soldaten können, wenn wir heute zustimmen, an Ort und
Stelle weitermachen.
Der Entwurf der UN-Resolution liegt vor. Das Mandat wird bis Ende September begrenzt. Die Bundesregierung hat alles unternommen, um dem Parlamentsvorbehalt gerecht zu werden, aber trotzdem die Bedeutung des
Prozesses anzuerkennen und ihre Sympathie für den
weiteren Weg deutlich zu machen.
Wir sollten die Bundesregierung, die wir aufgefordert
haben, aktiv zu werden, jetzt auch deutlich unterstützen.
Es ist für unser internationales Ansehen wichtig, dass
wir unter unserer Präsidentschaft die Republik Südsudan
in den Vereinten Nationen am 13. Juli willkommen heißen und dann auch sagen können, dass wir uns an der
UN-Mission zur weiteren Stabilisierung beteiligen.
({1})
Christine Buchholz hat das Wort für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Bundestagsabgeordneten sollen heute über einen robusten Bundeswehreinsatz nach Kap. VII der UN-Charta
entscheiden, für den noch kein Mandat des UNO-Sicherheitsrats vorliegt. Frau Schuster, Sie sagen, das sei kein
Vorratsbeschluss.
({0})
Das ist unglaublich. Wir werden der Regierung keinen
Blankoscheck geben.
({1})
Es ist auch bezeichnend, dass in dieser Debatte kein
Redner der Regierung spricht. Offensichtlich will keiner
von Ihnen den Kopf für diesen Blankoscheck, der verfassungsrechtlich höchst fragwürdig ist, hinhalten.
({2})
Wir werden keinen einzigen Soldaten in einen Einsatz
schicken, von dem nicht klar ist, wie er genau aussehen
wird und welche Gefahren die Soldaten erwarten. Sie
sollten das ebenfalls nicht tun.
({3})
Möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Schuster zulassen? - Bitte schön.
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass es parlamentarische Praxis ist, dass bei einer Mandatseinbringung, bei
der ersten Lesung, die Regierung spricht und es dann das
hohe Recht der Parlamentarier ist, bei der zweiten Lesung zu sprechen?
Ist Ihnen darüber hinaus bekannt, dass es einen Brief
der Bundesregierung an die Fraktionsvorsitzenden gibt
mit dem Angebot, hier eine Sondersitzung abzuhalten?
Denn das Problem des Zeitablaufs löst auch die Linke
nicht. Am 9. Juli, also morgen, werden wir einen neuen
Staat haben. Wenn Sie nicht wollen, dass da eine Lücke
entsteht, müssen wir entscheiden. Insofern meine Frage:
Ist Ihnen das bekannt, und ist Ihre Fraktion nicht in der
Lage, sich mit einem solchen Verfahren zu arrangieren?
({0})
Nein, wir sind nicht bereit, einen solchen Präzedenzfall zu schaffen. Ich finde es äußerst fragwürdig, dass
niemand von der Regierung spricht.
({0})
Denn das ist tatsächlich nicht Usus. Sie wissen beispielsweise bezüglich der Situation in den Grenzregionen
noch nicht, was der UN-Sicherheitsrat beschließen wird.
({1})
Das heißt, gerade da, wo es brenzlig ist, gibt es noch gar
keine Klarheit. Aber Sie schicken die Soldaten dahin.
({2})
- Sie sind schon da; aber Sie lassen sie dort, während Sie
im Sommerurlaub sind. Das halten wir für nicht akzeptabel.
({3})
Sie sagen, Sie wollen helfen, Zivilisten zu schützen.
Dabei verbreiten Sie Unwahrheiten.
In der Debatte am Mittwoch haben sowohl Herr
Mißfelder als auch Frau Müller so getan, als ginge es bei
dem Mandat um den Schutz von Zivilisten in Abyei in
der nordsudanesischen Provinz Süd-Kurdufan. Darum
geht es aber nicht - der UN-Sicherheitsrat hat jedenfalls
noch keinen Beschluss gefasst, und es liegt auch keine
Zustimmung des Nordsudan vor -; es handelt sich nämlich explizit um ein Mandat für den Südsudan. So, wie
sich die Nachrichtenlage darstellt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Nordsudan einem solchen Mandat
zustimmt, das auch das Staatsgebiet des Sudan betrifft.
Gegen wen soll das Militär eigentlich eingesetzt werden? Bei internen Konflikten im Südsudan sind in diesem Jahr mehr Menschen getötet worden als in Darfur.
Dabei handelt es sich um drei Arten von Konflikten:
Erstens: Konflikte zwischen Stämmen um Weideland
und Vieh. Soll die Bundeswehr etwa den Krieg gegen
Stammesmilizen führen und dabei ganze Bevölkerungsgruppen gegen sich aufbringen?
Zweitens: Kämpfe zwischen ehemaligen Bürgerkriegsmilizen. Soll die Bundeswehr hier etwa dazwischengehen?
Drittens handelt es sich um einen Einsatz an der Seite
der südsudanesischen Armee SPLA. Die SPLA ist bekanntermaßen an Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Gestern kam die Meldung, dass Soldaten der SPLA
Oppositionelle attackiert haben. Wie soll die Bundeswehr an ihrer Seite Zivilisten schützen und beim Aufbau
der Demokratie mithelfen? Können Sie mir das erklären?
({4})
Um die Beantwortung dieser Fragen drücken Sie sich
herum. Sie wollen das Mandat heute durchpeitschen, um
dann entspannt in den Sommerurlaub zu fahren. Dabei
machen wir nicht mit.
({5})
Wenn Sie den Menschen im Südsudan helfen wollen,
ist eine realistische Einschätzung der drängendsten Probleme wichtig. Die schwangerschaftsbedingte Sterblichkeit im Südsudan ist weltweit die höchste. Bei meinem
Besuch im Südsudan im letzten November erfuhr ich,
dass für ein 15-jähriges Mädchen die Wahrscheinlichkeit, bei der Geburt eines Kindes zu sterben, höher ist als
die Chance, die Schule abzuschließen. Momentan sind
Millionen Menschen durch die Dürre am Horn von
Afrika vom Hungertod bedroht.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Ströbele?
Nein, jetzt nicht mehr. - Bei der letzten Dürre dieser
Art im Juni 2009 mussten die Hilfsorganisationen mit einem massiven Kraftaufwand bis zu 4 Millionen Menschen - das sind etwa 40 Prozent der Bevölkerung - mit
Nahrungsmitteln versorgen, um eine Katastrophe zu verhindern. Der eklatante Mangel an sozialer Infrastruktur,
die Armut, die Subsistenzwirtschaft unter schwierigsten
Bedingungen, das sind die wesentlichen Ursachen für
bewaffnete Konflikte. Militär ist da keine Hilfe.
({0})
Es gibt aber Möglichkeiten, den Menschen im Südsudan zu helfen. Das Internationale Rote Kreuz zum Beispiel geht aufs Land und hilft in den Dörfern dabei,
Brunnen zu bauen, und zwar mit den Hilfsmitteln, die
dort zur Verfügung stehen.
({1})
Diese Hilfe ist nachhaltig, weil sie auch noch wirkt,
wenn die Helfer gegangen sind. Leider gibt es nur zwei
solcher Teams, weil nicht genug Geld zur Verfügung
steht.
Wir sagen: Die Menschen brauchen wirtschaftliche
und soziale Entwicklung. Nur so gibt es eine soziale Basis dafür, dass der Südsudan entmilitarisiert wird. Das
fordert der Antrag der Linken, den wir heute in diese Debatte einbringen. Stimmen Sie also für den Entschließungsantrag der Linken und sagen Sie Nein zu dem
Blankoscheck für UNMISS-Einsatz.
({2})
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält Christian
Ströbele.
Frau Kollegin, Sie haben leider eine Zwischenfrage
von mir nicht zugelassen; deshalb möchte ich auf diesem
Wege von Ihnen eine Antwort erhalten.
({0})
Sie haben auf die schwierige Situation im Sudan hingewiesen. Das sehe ich genauso. Das haben wir auch am
Mittwoch im Auswärtigen Ausschuss entsprechend diskutiert. Was mir aber fehlt: Wie lautet eigentlich Ihre
Antwort auf die Frage, was man jetzt dort machen soll?
({1})
Sie haben ja nicht gesagt, dass Sie überhaupt nicht
wollen, dass dort eingegriffen wird. Gerade haben Sie
zutreffend darauf hingewiesen, dass im ersten Halbjahr
dieses Jahres mehr Menschen im Sudan getötet wurden
als im gesamten letzten Jahr. Im Südsudan ist die Situation zurzeit dramatisch.
Entscheidend ist: Sie haben nicht gesagt, dass Sie
grundsätzlich dagegen sind. Sie haben gesagt: Wir wollen die Bundeswehr doch nicht in das Krisengebiet schicken, um in der Auseinandersetzung zwischen den Viehzüchtern und den Bauern zu schlichten oder dort
einzugreifen. Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis
- ich habe im Auswärtigen Ausschuss nachgefragt -,
dass die 50 Angehörigen der Bundeswehr, die vor Ort
sind,
({2})
überhaupt nicht im Felde sind; sie sind überhaupt nicht
unterwegs und werden weder hier noch da eingreifen.
Vielmehr wird dort die Afrikanische Union eingreifen.
Ich sage Ihnen: Ich bin gegenüber Militäreinsätzen
der Bundeswehr und anderer sehr skeptisch. Ich habe
immer gesagt: Was sollen unsere Soldaten auf den Kontinenten Afrika oder Asien? Das sollen die Menschen,
die dort leben, selber regeln. - Jetzt ist im Südsudan die
Afrikanische Union mit einer starken Truppe vertreten.
Deutschland tut eigentlich nichts anderes, als die Afrikanische Union organisatorisch, beratend und in den Stäben ein bisschen zu unterstützen; die Bundeswehr
kämpft dort nicht. Was ist daran falsch?
({3})
Nun kritisieren Sie, dass man nicht wisse, was der
UN-Sicherheitsrat beschließen werde. Auch da habe ich
im Auswärtigen Ausschuss nachgefragt. Es wurde mir
gesagt - so steht es tatsächlich im Mandat -: Das Mandat bezieht sich ganz klar auf den Vorschlag der UN-Resolution, der uns vorliegt. Mir wurde gesagt: Wenn die
UN-Resolution in irgendeinem Punkte davon abweicht,
dann bedarf es eines neuen Mandats; sonst müssen die
Bundeswehrsoldaten dort abziehen. Das ist doch klar.
Sie können nachlesen, was die Soldaten nach dem jetzigen Vorschlag der UNO dürfen. Wenn die UNO doch etwas an der Resolution ändert, dann muss ein neues Mandat her oder die Bundeswehr muss abziehen.
Es handelt sich hier um eine schwierige Situation.
Welche Antwort geben Sie als verantwortungsvolle Politikerin - so schätze ich Sie ein - angesichts dieser Situation?
({4})
Kollegin Buchholz, Sie haben Gelegenheit zur Erwiderung.
({0})
Kollege Ströbele, ein wichtiges Detail ist bei der
Mandatierung überhaupt nicht berücksichtigt: die Situation in der Grenzregion, auf die sich ein wesentlicher
Teil der Reden bezogen hat. Es ist völlig unklar, wie sich
dieser Bereich der Mission in den nächsten Wochen und
Monaten entwickeln wird. Gerade heute konnte man in
den Zeitungen lesen, dass die nordsudanesische Regierung nichts tun wird bzw. Zusagen, was die Mission in
Abyei angeht, zurücknimmt.
Herr Westerwelle hat selbst deutlich gesagt, dass es
im Rahmen dieses Mandates zu Kampfhandlungen kommen kann; die Soldatinnen und Soldaten, die im Südsudan in der Fläche stationiert sind, sind natürlich immer
dem Risiko ausgesetzt, in lokale Konflikte einbezogen
zu werden. Sie müssen mir bitte einmal erklären, wie jeder von Ihnen, der Soldaten dorthin schicken will, so etwas ausschließen möchte.
Ihre Frage war, welche Lösung der dortigen Probleme
wir vorschlagen. Unsere Auffassung ist, dass der gesamte Ansatz, den die Vereinten Nationen, aber auch die
Bundesregierung, die sie tragenden Fraktionen und die
Opposition abseits der Linken vertreten, nämlich den
Ansatz der vernetzten Sicherheit, ein völliges Ungleichgewicht nach sich zieht, hin zu einem militärischen und
polizeilichen Schwerpunkt, weg von der Demobilisierung, der Entmilitarisierung und dem Wiederaufbau.
Wir haben hier deswegen einen Entschließungsantrag
eingebracht; er liegt aus. Schauen Sie sich ihn genau an!
Dort haben wir eine Reihe von Forderungen zur Entmilitarisierung des Südsudans und zur Entwicklungspolitik
aufgeführt. Das sind unsere Schwerpunkte, unsere Perspektiven für den Sudan. Ich denke, damit fahren wir
deutlich besser als mit dem Mandat, das heute beschlossen werden soll, aber die Probleme nicht lösen wird.
Dieses Mandat beinhaltet viele Fragezeichen und schafft
Unsicherheit für die Menschen im Südsudan und die
Bundeswehrsoldaten.
({0})
Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention erteile
ich Christoph Strässer.
Weil wir nicht vorzeitig aus der Sommerpause zurückkehren wollen - das habe ich eben bemerkt -, mache ich zwei Anmerkungen - leider bin ich vorhin nicht
dazu gekommen -:
Erstens. Der Beitrag für den zivilen Wiederaufbau des
Sudans liegt bis 2011 bei über 600 Millionen Euro. Das
ist ungefähr das Zehnfache dessen, was die Bundesregierung für den militärischen Einsatz ausgibt.
Zweitens. Wenn wir linke Anträge lesen sollen, halte
ich es für zumutbar, dass Sie von der Linken die konsolidierten Texte des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
lesen;
({0})
das wäre die Voraussetzung für eine gelungene Diskussion.
Diese Resolution ist konsolidiert. Sie ist nicht mehr
veränderbar. Über sie wird abgestimmt. Sie trägt, wie
man hier sehen kann, auch nicht mehr die Überschrift
„Draft“. Alle Fragen, über die wir hier heute reden, sind
eindeutig geklärt. Es bleibt keine Unsicherheit. Ich
finde, man sollte auf Basis einer vernünftigen und sachlichen Grundlage diskutieren und nicht über Schnee von
gestern.
({1})
Möchten Sie noch einmal erwidern, Kollegin
Buchholz? - Bitte.
Dies ist keine abschließende Fassung. Wir werden
hier keinen Präzedenzfall schaffen. Wir werden diesem
Mandat nicht zustimmen, bevor der UN-Sicherheitsrat
einen Beschluss gefasst hat. Das werden wir heute und
auch in Zukunft nicht machen.
({0})
Ich begrüße jeden Euro und jeden Dollar, den die
Bundesregierung dem Sudan im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und für humanitäre Hilfe gibt.
Meine Gespräche mit mehreren Akteurinnen und Akteuren im Südsudan haben deutlich gemacht, dass der
Handlungsbedarf riesig ist. Deswegen sagen wir: Die
Gewichte müssen verschoben werden. Dort muss viel
mehr getan werden. Deshalb bitte ich Sie, dem Entschließungsantrag der Linken zuzustimmen. Das wäre
etwas anderes als die Unterzeichnung eines Blankoschecks für diesen UN-Einsatz. Das wäre ein deutliches
Signal dafür, dass die Gewichte in der Sudan-Politik anders gesetzt werden.
({1})
Das Wort hat nun Kerstin Müller für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Buchholz, Ihr letzter Beitrag hat Folgendes deutlich
gemacht: Sie wollen nicht verstehen, weil Sie nicht zustimmen wollen.
({0})
Das ist der eigentliche Punkt. Der Kollege Strässer hat es
Ihnen noch einmal erklärt.
({1})
- Hören Sie doch einmal zu! Wenn Sie sich den Entwurf
der UN-Resolution, den ich hier habe, anschauen, sehen
Sie, dass da steht: „Under silence procedure“ - die
Schweigepflicht ist inzwischen abgelaufen; so sagt man
das bei der UN - ist in Blau gesetzt. Das kann nicht mehr
verändert werden. Das wird ab 16 Uhr so beschlossen
werden. Also: Die Rechtslage ist hinreichend konkretisiert, kein Vorratsbeschluss. Suchen Sie hier nicht nach
Ausreden, sondern beziehen Sie sich konkret auf die
Lage im Sudan.
({2})
Ja, das ist eine Zeit des Aufbruchs für den Südsudan.
Das ist zugleich aber auch eine sehr kritische Zeit für
den Norden und den Süden. Das zeigen die weiterhin
vorhandenen Konflikte im Norden, in den Grenzregionen Abyei und Süd-Kurdufan, aber auch in Darfur. In
Darfur muss es endlich um eine umfassende politische
Lösung gehen, in die alle Rebellengruppen, auch die
JEM, eingebunden sind.
Auch die zwischen Nord und Süd noch ungelösten
Fragen müssen angegangen werden. Diese Fragen sind
wirklich sehr problematisch. Was das Öl betrifft, hoffe
ich, dass beide Seiten erkennen werden, dass sie ein gemeinsames Interesse an der Kooperation haben; denn der
Norden hat die Pipelines und der Süden die Ölquellen.
Allein deshalb müssen sie eigentlich kooperieren.
Es brennt aber auch in vielen Regionen des Südens.
Eine der größten Herausforderungen wird die Herstellung von Sicherheit sein. Die Menschen im Süden sind
vom Krieg stark traumatisiert. Das ist eine militarisierte
Gesellschaft. Überall sind Kleinwaffen im Umlauf. Ein
Anheizen dieser fragilen Situation ist jederzeit möglich.
Deshalb ist absolut zentral - damit wende ich mich noch
einmal an Sie, meine Damen und Herren von der Linken,
weil das eigentlich immer Ihr Hauptpunkt ist -, dass sowohl die neue Mission im Süden Sudans, UNMISS, als
auch die Mission für Darfur, UNAMID, den robusten
Auftrag nach Kap. VII der UN-Charta erhalten, die Zivilbevölkerung in dieser fragilen Lage tatsächlich zu
schützen. Ich habe das in der letzten Debatte schon gesagt: Ein Beobachterauftrag, den Sie in Ihrem Antrag
fordern - Sie wollen niemanden dort haben -, wäre angesichts der prekären Lage im Süden und in der Grenzregion unverantwortlich.
({3})
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schäfer?
Ja. Das ist eigentlich viel zu viel der Ehre, aber gut.
Danke, Herr Präsident. - Frau Kollegin Müller, haben
Sie konkrete, genaue Erkenntnisse darüber, wie die
UNO respektive die truppenstellenden Nationen den
Auftrag des UN-Mandats, die Zivilbevölkerung zu
schützen, umzusetzen gedenken? Gilt das absolut? Gilt
das in bestimmten Fällen? Haben Sie Erkenntnisse darüber, dass es konkrete Vereinbarungen zwischen dem
Generalsekretär der Vereinten Nationen und der südsudanesischen Regierung gibt, wie man das umsetzen will?
Der Hintergrund meiner Frage liegt auf der Hand: Wir
hatten bereits zwei Mandate, UNAMID und UNMIS.
Darin waren der Schutzauftrag und die Aufforderung an
die jeweiligen Regierungen enthalten, dafür Bewegungsfreiheit zu sichern. Wir wissen, wie das umgesetzt bzw.
nicht umgesetzt worden ist. Deshalb frage ich: Wie soll
dieser Auftrag umgesetzt werden?
Herr Schäfer, mir sind diese Probleme bekannt. Mich
erstaunt nur, dass diese Frage von Ihnen kommt.
({0})
Kerstin Müller ({1})
Bei der UNO wird zurzeit zum Beispiel darüber diskutiert, ob die Mission mit 7 000 oder vielleicht nur
6 000 Einsatzkräften, wie sie hier angesetzt ist, ein Stück
weit unterfinanziert ist bzw. zu wenig Personal vorsieht.
Kollege Strässer hat eben die sehr kompetenten, für Sie
sonst als Referenzrahmen dienenden Äußerungen von
Oxfam, von den Kirchen und von den NGOs, die vor Ort
sind, zitiert. Die Lage ist sehr prekär. Die Einschätzung
ist: Wäre die UNO nicht vor Ort gewesen, hätte es wahrscheinlich noch mehr Tote gegeben. Das Problem bisher
war eher, dass das Mandat nicht robust genug war. Ich
frage Sie: Fordern Sie jetzt als Linke, dass das Mandat
robuster wird? Jedenfalls zeigt das, dass wir einen Einsatz nach Kapitel VII der UN-Charta auf jeden Fall brauchen. Wir brauchen eher mehr und nicht weniger Schutz
für die Zivilbevölkerung.
({2})
Ich will auch auf den zivilen Teil eingehen. Die neue
Missionsleiterin, Hilde Johnson, die wir auf unserer
Reise getroffen haben, will der Gefahr der Eskalation
durch Teams zur Konfliktprävention auf lokaler Ebene
vorbeugen. Dafür braucht sie mehr ziviles Personal. Warum, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, engagieren wir uns da nicht stärker? Der Gesamtanteil des zivilen Personals an UN-geführten Missionen
beträgt 1,2 Prozent. Das ist kein Ruhmesblatt. Ich würde
mir im Hinblick auf die Mandatsverlängerung im September 2011 ein stärkeres Engagement Deutschlands im
zivilen Bereich wünschen. Das würden vielleicht alle
hier mittragen.
({3})
Die Entwaffnung und Demobilisierung ist ganz wichtig; das wurde bereits erwähnt. Auch Sie haben das als
Aufgabe formuliert. Ich frage mich, wie das ohne Truppen vonstatten gehen soll. Der südsudanesische Staat beginnt quasi bei null. Für den Aufbau staatlicher Institutionen, eines Rechtsstaats und eines Gesundheitssystem
braucht der Süden unsere Unterstützung. Letztlich werden viele Erwartungen der Südsudanesen nicht nur dann
erfüllt, wenn es um Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung geht, sondern auch, wenn demokratische Strukturen aufgebaut werden.
Ich möchte einen heiklen Punkt bezüglich der SPLM
im Süden ansprechen. Zu demokratischen Strukturen gehören eine pluralistische Gesellschaft, die Zulassung anderer Parteien, freie Meinungsäußerung und Medien.
Das alles ist, gerade wegen der ethnischen Vielfalt des
Südens, wichtig. Ich muss sagen, dass die SPLM davon
noch meilenweit entfernt ist. Wir müssen uns heute Sorgen darüber machen, wie sie sich darstellt. Sie hat eine
Art Alleinvertretungsanspruch: „Der Staat bin ich.“ Dabei begeht sie sehr schwere Menschenrechtsverletzungen.
Ich sage Ihnen: Auch wenn wir mit dem Süden solidarisch sind und ihn unterstützen, werden wir das nicht
akzeptieren. Die SPLM muss auf Dauer demokratische
Strukturen und freie Meinungsäußerung akzeptieren.
Journalisten dürfen im Süden nicht in den Gefängnissen
landen. Das ist nicht das, was uns vorschwebt, wenn wir
an den Aufbau dieses neuen Staates denken.
({4})
Die Aufnahme des Südsudans durch die Staatengemeinschaft in die UN am 13. Juli 2011 wird für die Sudanesen ein großer Tag. Das allein macht noch keinen
neuen Staat; bauen müssen ihn die Südsudanesen selber.
Wir können sie dabei nur nach Kräften unterstützen. Wir
meinen: Die deutsche Beteiligung an UNAMID und
UNMISS ist ein erster wichtiger Schritt. Deshalb wird
meine Fraktion beiden Mandaten einstimmig zustimmen.
Danke schön.
({5})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat Paul Schäfer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht zum ersten
Mal werden bei einer Beratung über Bundeswehrauslandseinsätze Emotionen bemüht. Wer wird sich dem
Schutz unzähliger Zivilisten entziehen wollen? Niemand!
({0})
Dass man es dabei aber nicht immer so genau nimmt, haben wir gesehen. Herr Mißfelder, Sie haben am Mittwoch das Bild einer Familie in den Nuba Mountains heraufbeschworen. Wir entscheiden hier über ein Mandat
bezüglich des Südsudan. Die Nuba Mountains gehören
zum Nordsudan. Hier wird mit falschen Karten gespielt,
und zwar buchstäblich.
({1})
Wenn man den Schutz der Zivilbevölkerung ins Zentrum des Mandats stellt, dann muss man eine Frage beantworten: Schutz vor wem? In Jonglei, einer Provinz im
Südsudan, sind in den letzten Wochen über 1 000 Menschen von SPLA-Soldaten umgebracht worden. In der
Juba Post vom 20. Mai dieses Jahres - ich war zu diesem Zeitpunkt in Juba - hat ein General der SPLA gesagt: Nach dem Unabhängigkeitstag werden wir mit den
abtrünnigen Milizen aufräumen. - Das ist das, was im
Raum steht. Angesichts all dessen frage ich: Schutz vor
wem?
Wir hatten eine ähnliche Situation in Darfur. Damals
hat die SPLA-Regierung der UNO gesagt: Haltet euch
gefälligst heraus! - Man hat dieser Aufforderung bislang
Folge geleistet. Was will man denn auch anderes machen? Ich will damit sagen: Es ist ein unauflösbarer Wi14300
Paul Schäfer ({2})
derspruch, zu sagen: Wir verteidigen die SPLA-Regierung und die Zivilbevölkerung.
({3})
Wenn man sich eine unlösbare Aufgabe stellt, dann
endet das in aller Regel mit einer Blamage bzw. damit,
dass man in Misskredit gerät.
({4})
Ich will nicht, dass die UNO in Misskredit gerät. Ich
will, dass die UNO gestärkt wird.
({5})
Man kann natürlich auch sagen: Aha, ihr wollt also
mehr Soldaten und eine noch robustere Durchsetzung.
Das wäre in diesem Falle aber nicht die Lösung, weil
man dann andere gravierende Probleme bekommen
würde.
({6})
Ich nenne nur das Stichwort „Verhältnismäßigkeit der
Mittel“. Außerdem müsste man dem Sudan dann eine
Fremdherrschaft auferlegen. Das kann nicht die Lösung
sein.
Ich gehöre bekanntlich zu denjenigen, die UN-Peacekeeping-Einsätze nicht a priori und kategorisch ablehnen.
({7})
- Ja, hören Sie doch einmal zu. - Aber diesem vor allem
auf Kap. VII der UN-Charta gestützten Mandat, das auch
einen Kampfauftrag beinhaltet, kann man nicht zustimmen. Dieses Mandat muss man ablehnen.
({8})
Es wäre vernünftig gewesen, eine Beobachtungs- und
Streitschlichtungsmission zu beschließen, die ein genaues Monitoring der Konflikte - Präsenz allein verändert schon das Verhalten der Akteure - und rechtzeitige
diplomatische Vermittlungen für den Fall, dass die Spannungen wieder zunehmen, vorsieht, um deeskalierend zu
wirken.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Die
drei Minuten sind vorüber.
({0})
Das kann man tun. Das wurde bisher im Rahmen von
UNMIS gemacht, nicht mehr und nicht weniger. Das
wäre vernünftig gewesen. Einen Kampfauftrag zu beschließen, dessen Inhalt man ohnehin nicht in die Tat
umsetzt, mit dem man falsche Erwartungen weckt und
mit dem man nur Enttäuschungen hervorruft, ist nicht
der richtige Weg.
Danke.
({0})
Kollegin Müller, Sie haben Gelegenheit zur Erwiderung.
Schade, Herr Kollege Schäfer. Ich weiß, dass Sie dem
Mandat zu einem anderen Zeitpunkt schon einmal zugestimmt haben. Ich glaube, Ihre Ablehnung hat vielleicht
eher damit zu tun, dass die Linke derzeit sozusagen den
Rückwärtsgang eingelegt hat und man jetzt nach geeigneten Gründen für eine Ablehnung sucht.
Ich will konkret auf Ihren Vorwurf eingehen, in dem
Mandat stehe nicht, dass die SPLA, also die Kämpfer der
südsudanesischen Truppen, Teil des Problems sind. Ich
lese Ihnen die entsprechende Passage aus dem Entwurf,
der gleich von der UNO beschlossen wird, vor. Unter
Nr. 3 b steht sehr deutlich, dass der Auftrag lautet:
„… protecting civilians under imminent threat of
physical violence …“ Der Auftrag ist also, die Zivilbevölkerung zu schützen, wenn sie bedroht wird, insbesondere „when the government of the Republic of South
Sudan is not providing such security“. Das Problem wird
also sehr offen angesprochen.
Unter Nr. 13 heißt es dann ganz deutlich: Wir sagen
ganz klar und fordern die Republic of South Sudan auf,
die Straflosigkeit zu bekämpfen. Eingreifen wird man
insbesondere dann, wenn illegale bewaffnete Gruppen
oder Elemente der südsudanesischen Armee - „of the
Republic of South Sudan security forces“ - Menschenrechtsverletzungen begehen.
({0})
Das heißt, die Resolution ist an dieser Stelle eindeutig.
({1})
Ich frage Sie noch einmal: Was ist denn die Konsequenz? Ich kenne die Empfehlungen von Crisis Action.
Die Äußerungen von Oxfam haben Sie gehört. Ich erinnere auch an die Äußerungen der Kirchen. Alle sind
sich einig: Bisher hat UNMIS die Zivilbevölkerung nicht
ausreichend schützen können. Deshalb fordern sie: Wir
brauchen eigentlich mehr Truppen.
Wissen Sie, was sie noch sagen? Ich war gerade in
New York bei Le Roy, dem DPKO-Chef. Er sagt: Wir als
Europäer dürfen den Auftrag, Kap. VII der Charta der
Vereinten Nationen umzusetzen, nicht den Entwicklungs- und Schwellenländern überlassen. - Bangladesch,
Indien und Pakistan sind die Haupttruppenstellerländer.
Diese Länder fordern: Europa muss sich stärker beteiligen. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Kerstin Müller ({2})
({3})
Das Wort hat nun Reinhard Brandl für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Welt und wir blicken in diesen Stunden erwartungsvoll in den Sudan, in ein Land, das seit Jahrzehnten wie
kaum ein anderes Land unter Gewalt, Krieg, Vertreibung
und wirtschaftlicher Not leidet: der Norden gegen den
Süden, die Auseinandersetzungen in Darfur im Westen
und zeitweise auch ein Konflikt im Osten.
Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb, weil diese
Auseinandersetzungen, diese Konflikte schon so lange
andauern - ist die Situation im Sudan in der deutschen
Öffentlichkeit kaum präsent. Vielen ist zudem nicht bewusst, dass wir, Deutschland, helfen: mit sehr vielen zivilen Mitteln, aber auch mit Soldaten der Bundeswehr,
mit Polizisten und mit zivilen Helfern, die dort ihren
Beitrag für Frieden und Stabilität leisten. Auch wenn das
zahlenmäßig nur ein kleiner Beitrag ist, leisten sie dort
Großes, und das unter schwierigsten Bedingungen.
Ich möchte all denen, die für uns dort unten sind, von
dieser Stelle aus herzlich danken.
({0})
Sie sind ein sichtbares Zeichen dafür, dass Deutschland
den Sudan nicht vergessen hat und bereit ist, dort im
Rahmen der Vereinten Nationen Verantwortung zu übernehmen.
Wir befinden uns jetzt an einem wichtigen Meilenstein der Entwicklung dieses Landes. In wenigen Stunden wird der Südsudan offiziell seine Unabhängigkeit
erklären. Damit endet die sechsjährige Übergangsphase
gemäß dem Friedensabkommen nach dem Bürgerkrieg.
Damit endet auch das UNMIS-Mandat, mit dem die Vereinten Nationen diesen Prozess unter Beteiligung
Deutschlands begleitet haben.
Die Menschen im Südsudan haben sich Anfang Januar in einem Referendum zu diesem Schritt entschieden. Dass dieses Referendum letztendlich friedlich
durchgeführt werden konnte und der Norden die Trennung im Grunde akzeptiert, ist bereits ein Erfolg und
auch auf den Einsatz der Vereinten Nationen zurückzuführen.
Das Ziel von Frieden und Stabilität im Sudan ist aber
noch lange nicht erreicht. Das wurde uns durch die gewaltsamen Auseinandersetzungen in den letzen Wochen,
vor allem an der Grenze, vor Augen geführt. Der Verlauf
der Grenze ist noch ungeklärt. Insbesondere die Zuordnung von Abyei und Süd-Kurdufan ist noch nicht klar.
Die Aufteilung der Ölressourcen - dies war bisher die
Haupteinnahmequelle des Landes - ist noch nicht geklärt. Die meisten Ölfelder befinden sich im Süden; alle
Pipelines verlaufen aber durch den Norden.
Hinzu kommt, dass der Südsudan bisher kaum über
staatliche Strukturen verfügt. Verwaltung, Polizei, Justiz,
Bildungseinrichtungen usw., all das muss erst noch aufgebaut werden. Die Regierung des Südsudan hat darum
gebeten, dass die Vereinten Nationen auch nach der Unabhängigkeit des Landes vor Ort präsent sind und dass
die Mission verlängert wird, durch die das Land auf seinem schwierigen Weg zu Stabilität und Frieden begleitet
wird. Darüber stimmen wir heute ab.
Auch der Nordsudan steht vor schwierigen Situationen. Er muss die Loslösung des Südens erst einmal wirtschaftlich und politisch verkraften, und vor allem muss
der Nordsudan den Friedensprozess in Darfur weiter voranbringen. Die Lage dort ist angespannt. Wir Deutsche
unterstützen im Rahmen von UNAMID die Verhandlungen über eine Friedensvereinbarung. Auch an dieser
Stelle sollten wir unser Engagement fortführen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt gleich
stehen beide Mandate zur Abstimmung: UNMISS und
UNAMID. Die Menschen im ganzen Sudan brauchen
unsere Hilfe und die Hilfe der internationalen Gemeinschaft. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({1})
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kollegen Hartwig Fischer für die CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
bin sehr dankbar, dass wir seit Jahren interfraktionell
klare Anträge zum Thema Sudan in dieses Parlament
eingebracht und beraten haben.
Es zeigt sich heute in den Beiträgen der Linken wieder, dass deren Argumentation zu UN-Mandaten unerträglich ist. Sie versuchen auch heute wieder, in perfider
Form zu unterstellen, dass es sich bei dem Mandat der
Bundeswehr, mit dem wir einen dortigen Prozess begleiten wollen, um einen Kampfeinsatz handele, Frau
Buchholz.
Sie schreiben und fragen: Gegen wen soll das Mandat
eingerichtet werden? Wir richten kein Mandat gegen jemanden ein, sondern wir richten das Mandat für die Bevölkerung im Südsudan und für die Vertriebenen und
Flüchtlinge in Darfur ein.
({0})
Sie fragen: Wollen wir zwischen den Bürgerkriegsarmeen kämpfen? Nein, im Rahmen dieses Mandats soll
versucht werden - das steht ausdrücklich in dem Antrag -,
Hartwig Fischer ({1})
alle Parteien zu entwaffnen und sich zwischen die Armeen zu stellen.
Sie sagen: Die Wahrscheinlichkeit einer Frau, bei der
Geburt ihres Kindes zu sterben; ist unglaublich hoch.
Das wissen wir. Die Sterblichkeit von Kindern in den
Lagern in Darfur ist ebenfalls unglaublich hoch. Das
hängt damit zusammen, dass es für diese Menschen keinen geregelten Zugang zu einer Gesundheitsversorgung
gibt. Das hängt auch damit zusammen, dass Hilfsorganisationen keinen Zugang zu den Menschen haben, wenn
nicht die Militärs diesen Zugang sichern.
({2})
Sie sagen: Militär ist keine Lösung. Unter dem Deckmantel des Pazifismus gehen dann das Sterben und die
Vergewaltigungen weiter, und Sie sehen zu.
({3})
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ohne den Einsatz von UNAMID und
UNMISS ist humanitäre Hilfe nicht möglich.
Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dağdelen?
Nein, ich möchte zuerst meine Ausführungen beenden.
({0})
Wir sollten uns die Situation bei UNAMID noch einmal
vor Augen führen. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Linken, die mit uns dort gewesen sind,
daran zu denken, dass die Zahl der Flüchtlinge zum Beispiel in dem Lager in Nyala von 20 000 über 50 000 auf
120 000 angewachsen ist. Dort sterben täglich zwischen
fünf und zehn Kinder; und in der Regenzeit vervielfacht
sich diese Zahl sogar. Dabei ist das schon ein abgesicherter Bereich.
In den Dörfern befinden sich rund 4,2 Millionen Vertriebene, die keinen regelmäßigen Zugang zu Lebensmitteln und sauberem Wasser haben. Weiter gibt es
2,7 Millionen Flüchtlinge, von denen 1,9 Millionen in
den Flüchtlingslagern sind. Dort werden sie zwischen
Angriffen der Dschandschawid-Milizen am Boden und
Angriffen aus der Luft durch Flugzeuge der Baschir-Regierung, die - das war in der Vergangenheit jedenfalls
teilweise so - weiß angestrichen wurden, um sie wie
UN-Flugzeuge aussehen zu lassen, zerrieben.
Die Leistungen der Bundesregierung, gerade von
2009 bis 2011 - Herr Strässer hat das noch einmal deutlich gemacht -, sind vor allen Dingen humanitärer Natur.
Die UNAMID-Mission ist inzwischen auf 23 000 Soldaten und Polizisten angewachsen. Deutschland hat entscheidend dazu beigetragen, dass ausgebildet worden ist,
zum einen im Bereich der Polizei, zum anderen im Bereich der Armeestäbe. Wir bilden derzeit zielgerichtet
afrikanische Polizisten, zum Beispiel im Rahmen von
US-AFRICOM in Entebbe, aus, damit sie Frauen vor
Vergewaltigungen schützen können.
Meine Damen und Herren von der Linken, als besonders infam und perfide empfinde ich es, wenn Sie unterstellen, dass Abgeordnete dieses Parlaments nicht bereit
seien, in der Sommerpause zu einer Sondersitzung zusammenzukommen. Sie wissen ganz genau, dass die
Bundeswehr mit der Unabhängigkeit des Südsudan morgen sofort abziehen müsste, wenn wir diesen Beschluss
nicht jetzt fassen und damit das umsetzen würden, was
die UN uns als Mandat bereits heute übertragen hat. Eine
ganze Reihe von Abgeordneten werden sogar in der
Sommerpause, also zu einer Zeit, in der nach Ihrer Aussage Abgeordnete nicht zu parlamentarischer Arbeit bereit wären, unter Gefährdung der eigenen Gesundheit in
Krisengebiete wie Darfur, Südsudan, Kongo oder andere
Gebiete reisen.
Ich kann Ihnen angesichts Ihrer Argumentation nur
sagen: Ich möchte gerne wissen, was die Menschen, deren Leben in Gefahr ist, sagen würden, wenn sie Ihre Reden hören würden.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-
Hybrid-Operation in Darfur, UNAMID.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/6509, den Antrag der Bundesre-
gierung auf Drucksache 17/6322 anzunehmen. Wir stim-
men über diese Beschlussempfehlung namentlich ab.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Anschluss,
also gleich danach, noch über einen weiteren Bundes-
wehreinsatz namentlich abstimmen werden. Außerdem
werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt, abwei-
chend von der Ankündigung, über alle drei Anträge zu
Panzer- bzw. Rüstungsexporten namentlich abstimmen.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den
Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-
stimmung.
Die obligate Frage: Haben alle anwesenden Abgeord-
neten ihre Stimme abgegeben? - Das ist offensichtlich
der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Aus-
zählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.1)
1) Ergebnis Seite 14310 D
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission
im Südsudan, UNMISS.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/6511, den Antrag der Bundesre-
gierung auf Drucksache 17/6449 anzunehmen. Wir stim-
men über diese Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich
bitte also die Schriftführerinnen und Schriftführer, wie-
der ihre Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die Abstim-
mung.
Nun die obligate Frage: Haben alle anwesenden Ab-
geordneten ihre Stimmkarte abgegeben? - Das ist offen-
sichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung
und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Auch das Ergebnis dieser
Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie herz-
lich, Platz zu nehmen.
Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort und kommen
zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/6514. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -
Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke mit den Stimmen der übrigen Frak-
tionen des Hauses abgelehnt.
Ich rufe die Zusatzpunkte 10 bis 12 auf:
ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan van
Aken, Dr. Gregor Gysi, Wolfgang Gehrcke, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Keine Panzer an Saudi-Arabien verkaufen
- Drucksache 17/6528 -
ZP 11 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Keine Rüstungsgüter in Spannungsgebiete -
Für die Einhaltung einer restriktiven Rüs-
tungsexportpolitik
- Drucksache 17/6540 -
ZP 12 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
Keine Genehmigung zur Lieferung von
Kriegswaffen an Saudi-Arabien
- Drucksache 17/652 -
Über alle drei Anträge werden wir später namentlich
abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeord-
neten Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke das Wort.
1) Ergebnis Seite 14313 A
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie noch
einmal herzlich, Platz zu nehmen, damit in Ruhe debattiert werden kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum
haben wir diesen Antrag, der heute beraten wird, gestellt? Es liegt ja bereits ein Antrag von uns vor, in dem
wir fordern, Waffen- und Rüstungsexporte in die gesamte Region, auch nach Saudi-Arabien, zu verbieten.
Aber über die Anträge zu diesem Thema wird erst im
Herbst entschieden.
Jetzt haben wir alle erfahren, dass angeblich entschieden worden ist oder in Kürze entschieden werden soll,
200 Panzer an Saudi-Arabien zu liefern. Ich halte das für
einen einzigartigen Skandal
({0})
und meine, dass das Parlament hier ein klares Stoppzeichen setzen muss. Jetzt ist das Parlament gefragt, und
jetzt muss es auch handeln.
Die Panzerlieferung macht übrigens die gesamte
deutsche Außenpolitik, auch die Sicherheits- und
Kriegspolitik, völlig unglaubwürdig. Ich will das begründen.
Diese Regierung hat uns gerade erklärt, dass sie den
arabischen und nordafrikanischen Frühling in jeder Hinsicht unterstützt. Deshalb - diese Begründung findet sich
tatsächlich - müssten jetzt Waffen an die NATO geliefert
werden, damit man Libyen bzw. Tripolis besser bombardieren könne, weil dies, zumindest angeblich, den Aufständischen und Demonstranten helfen werde. Wenn Sie
gleichzeitig entscheiden, auch Waffen an ein Land zu
liefern, das im Nachbarstaat einmarschiert ist, um die
Demokratie- und Freiheitsbewegung zusammenzuschießen, machen Sie sich restlos unglaubwürdig.
({1})
Die Bundesregierung wird absolut unglaubwürdig, wenn
sie einmal Waffen mit der Begründung liefert, sie sollen
den Freiheitskämpfern dienen, und zum anderen Waffen
an ein Land liefert, das die Freiheitsbewegung im Nachbarland zusammenschießt. Wie wollen Sie dies Ihren
Kindern und Enkelkindern erklären?
({2})
Wenn man Waffen liefert, weiß man nie, wann sie
eingesetzt werden. Stellen Sie sich doch einmal Folgendes vor: Es entsteht eine Demokratie- und Freiheitsbewegung in Saudi-Arabien, und auf die wird mit deutschen Panzern geschossen. Ich frage Sie wieder: Was
erklären Sie dann Ihren Kindern und Ihren Enkelkindern?
({3})
Sie begründen den Krieg in Afghanistan mit dem
Kampf gegen Terror. Die übelste und gefährlichste Terrororganisation ist al-Qaida. Al-Qaida wird ausschließlich von den reichen Familien Saudi-Arabiens bezahlt.
Auch hier wird die Politik restlos unglaubwürdig. Sie
schicken Soldaten nach Afghanistan. Die verursachen
dort Tote, übrigens auch in den eigenen Reihen. Nach Ihrer Erklärung dient das Ganze dem Kampf gegen alQaida. Gleichzeitig liefern Sie 200 Panzer an das Land,
aus dem al-Qaida bezahlt wird. Wie erklären Sie denn
das Ihren Kindern und Enkelkindern?
({4})
Die Panzer dienen nicht dem Gleichgewicht. Sie sind
ausdrücklich für den Einsatz gegen Aufständische und
Demonstranten geeignet; denn sie sind mit Räumschild,
Wasserwerfern, Tränengas etc. ausgerüstet.
Krauss-Maffei Wegmann, das Unternehmen, das die
Panzer liefert, hat an die Koalitionsparteien 2009
55 000 Euro gespendet. Das hat sich sehr gelohnt; denn
zwei Jahre später bekommt es einen Milliardenauftrag.
({5})
Saudi-Arabien gibt mehr Geld für Militär aus als jedes andere Land in der Region, sogar mehr als der Iran,
Israel, Irak und Ägypten zusammen, allein im Jahr 2010
43 Milliarden Dollar.
Was ist Saudi-Arabien für ein Land? In Saudi-Arabien gibt es nicht einmal im Ansatz eine Gleichstellung
von Frauen und Männern. Frauen ist das Fahren von
Pkw untersagt. Frauen unterliegen einer gesetzlichen
männlichen Vormundschaft, bis zur Ehe in der Regel der
des Vaters, danach der des Ehemanns. Ohne Genehmigung des Vormunds, also in der Regel des Ehemanns,
darf eine Frau nicht einmal ins Ausland reisen.
Ich glaube, es ist erstmalig in meiner Geschichte, dass
ich im Bundestag eine bestimmte Zeitung zitiere. Ich zitiere heute die Bild-Zeitung. Sie hat in der Ausgabe von
gestern Folgendes wörtlich erklärt:
Saudi-Arabien ist eine der schärfsten Diktaturen der
Welt.
({6})
Politische Opposition gegen die königliche Herrscherfamilie wird unterdrückt, auf Demonstrationen
stehen drastische Gefängnisstrafen. Saudi-Arabien
vollstreckt die Todesstrafe …
- auch bei Homosexualität; ich bitte Sie: auch bei Homosexualität die Todesstrafe! durch Enthauptung mit dem Schwert. Saudische
Truppen halfen dabei, die Demokratiebewegung im
Nachbarstaat Bahrain blutig niederzuschlagen.
All das steht in der Bild-Zeitung! Wenn Sie mir schon
nicht glauben, dann werden Sie doch wenigstens der
Bild-Zeitung glauben.
({7})
Die Zahl der Hinrichtungen von 1993 bis 2009 betrug
1 912. Wie wollen Sie Ihren Kindern und Enkelkindern
erklären, dass Sie an ein solches Land Panzer liefern?
({8})
Ich komme zum Schluss. - Ich spreche nicht über frühere Genehmigungen und Fehler. Ich spreche auch nicht
darüber, dass die Rüstungsexportrichtlinien entgegen der
Annahme der SPD leider nicht restriktiv sind. Ich sage
nur eines: Wenn Deutschland in seiner Außenpolitik, in
seiner Menschenrechts- und Demokratiepolitik nicht
jede Glaubwürdigkeit verlieren will, wenn Sie Ihren
Kindern und Ihren Enkelkindern je die Welt nach bestimmten moralischen Maßstäben erklären wollen, dann
müssen Sie heute den Export von 200 Panzern nach
Saudi-Arabien stoppen.
({9})
Das Wort hat nun Roderich Kiesewetter für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht schön,
am letzten Tag einer Sitzungswoche sich gegenseitig
Heuchelei oder Zitate oder irgendwelche Besonderheiten
aus der Vergangenheit vorzuwerfen. Viel entscheidender
ist, dass wir uns als Parlamentarier einmal fragen: Was
haben wir hier für eine Diskussion?
({0})
Diese Diskussion, die wir in dieser Woche zum zweiten
Mal führen, fußt eindeutig auf mangelnder Transparenz.
({1})
Es gibt in diesem Hause selten den Fall, dass wir keinen
Einblick haben; ich glaube, darin sind wir uns einig.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen nicht
den Fehler machen, Spekulationen Raum zu geben.
({2})
Ich möchte deswegen einige Punkte besonders ansprechen. Sie machen es sich nämlich zu einfach, indem Sie
populistische Forderungen stellen.
({3})
Ich möchte Ihnen einige außenpolitische Punkte von
grundsätzlicher Bedeutung darstellen. Darum müssen
wir vielleicht ringen.
Es ist für uns ganz entscheidend, dass wir die Sicherheit Israels gewährleisten. Ich richte an Sie die Frage:
Was sagen Sie dazu, dass Israel diese Panzerlieferungen
nicht nur wünscht, sondern ausdrücklich unterstützt?
({4})
Was sagen Sie dazu, dass Israel und die Palästinenser davon profitieren, dass Saudi-Arabien einen Accord mit
Fatah und Hamas ausgehandelt hat, der dazu beiträgt,
dass die Palästinenser auf eine relativ beruhigte Art und
Weise zu einer Einigung kommen? Es ist ein Verdienst
Saudi-Arabiens, dass Hamas und Fatah hier zusammenarbeiten.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Vogler?
Nein, ich möchte meine Punkte im Zusammenhang
vortragen.
({0})
Wir sehen aber Saudi-Arabien nicht durch die rosarote Brille. Wir wissen, dass die Christen dort in ihrer
Religionsausübung behindert sind. Wir wissen, dass von
dort Salafiten und Wahhabiten auch in Europa unterstützt werden. Wir Parlamentarier haben mit Sorge den
Einmarsch nach Bahrain beobachtet.
Ich komme nun zur eigentlichen Frage. Wir wissen
nichts über eine Entscheidung; das ist die mangelnde
Transparenz.
({1})
Sie spekulieren darüber. Ich möchte jetzt den Spannungsbogen darstellen, den unsere Außenpolitik auszuhalten und zu vertreten hat. Es ist sehr einfach, in der
Opposition Forderungen zu stellen. In der Regierung ist
es aber nicht immer einfach, Verantwortung zu tragen.
({2})
Die Koalitionsfraktionen - das ist mein Appell an uns
alle in der Koalition - müssen unsere Regierung hier unterstützen.
({3})
Wir haben die werteorientierte und interessengeleitete
Außenpolitik.
({4})
Es ist Aufgabe der Regierung, diesen Spannungsbogen
zwischen Werten und Interessen auszuhalten.
({5})
Wir gehen normalerweise davon aus, dass Werte und Interessen ein und dasselbe sind. Aber Politik hat nichts
mit „Wünsch dir was“ zu tun.
({6})
- Politik ist ein hartes Geschäft, Herr Kollege Trittin.
Es geht jetzt darum, dass wir einmal in die Region
schauen. Wir stehen nicht nur vor dem arabischen Frühling, wir stehen vor einem Paradigmenwechsel, was die
Lage im Mittleren und Nahen Osten angeht. Wenn Israel
in großer Sorge um das, was um das Land herum geschieht, mit Saudi-Arabien zu Vereinbarungen kommt,
dann können wir das nur unterstützen. Ich weiß auch,
dass in dem Spannungsbogen der Verantwortung die
Bundesregierung mit aller Kraft auf Saudi-Arabien einwirken wird. Wir als Parlamentarier möchten - das ist
unser Aufruf -, dass die Regierung hier ihre Verantwortung wahrnimmt.
Worum geht es? Seit über 40 Jahren haben wir die
Rüstungsexportrichtlinien. An die Adresse der Sozialdemokraten sage ich: Diese Richtlinien - sie wurden von
Ihnen entwickelt und von Lothar Rühl weiter gefasst, damit eine Regierung genug Flexibilität bekommt; das
wurde noch letzte Woche gesagt - sind verbindliche
Handlungsanweisungen für die Regierungen über all die
Jahre gewesen.
({7})
Unser Land ist das einzige Land in Europa, das seine
Rüstungsexporte in klarer Weise offenlegt.
({8})
Wir werden in einem Jahr alles genau wissen. Es wäre
aber für unser Land schädlich, wenn Dinge offengelegt
würden, die noch in der Vorabstimmung sind, die also
noch nicht endgültig abgestimmt sind. Für mich ist daher
eindeutig, dass wir die politischen Grundsätze, die die
Grünen im Jahr 2001 mitgetragen haben, genauso in Betracht ziehen
({9})
wie die Richtlinien.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal
sagen: Wir könnten es uns als Regierungskoalition sehr
einfach machen und darauf hinweisen, dass im Jahr
1998, im letzten Jahr der Kohl-Regierung, die Rüstungsexporte einen Umfang von rund 1,3 Milliarden D-Mark
hatten. Im Jahr 2000 hat sich dieser unter Rot-Grün auf
5,9 Milliarden D-Mark verfünffacht.
({10})
Wir wollen uns aber nicht gegenseitig Zahlen vorwerfen.
Für uns ist entscheidend, dass wir im Parlament über unsere nationalen Sicherheitsinteressen diskutieren, und
wir werden das heute Nachmittag noch tun.
Entscheidend ist auch, dass unsere Regierung den
Spannungsbogen zwischen Werten und Interessen erkennt und aushält.
({11})
Wir von der Koalition sollten diese Politik nicht nur unterstützen, sondern wir sollten den Blick auf den Nahen
Osten deutlich schärfer fassen, als wir es in der Vergangenheit getan haben. Wir stehen in der Region, die unsere Unterstützung braucht,
({12})
vor einem Paradigmenwechsel. Diese Unterstützung ist
sowohl hinsichtlich der zivilen Krisenprävention als
auch hinsichtlich der Nachbarschaftspolitik und der Lieferung von Rüstungsgütern ganz entscheidend.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren,
zum Abschluss ein Appell: Um diese Diskussion auch
künftig sauber, wahrhaftig und wahr halten zu können,
({13})
sollten wir ressortübergreifend an einer föderalen Sicherheitsstrategie arbeiten, um die Ziele und Interessen
wieder besser zusammenzubringen. In diesem Zusammenhang unterstützen wir nicht die Anträge der Opposition, sondern wir unterstützen
({14})
unsere Regierung, hier im Zusammenhang mit SaudiArabien zu einem klaren Verhältnis zu kommen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({15})
Das Wort hat nun Sigmar Gabriel für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Kiesewetter, wir würden gern über die Grundlagen der
Außenpolitik und ihre Konsequenzen beim Rüstungsexport oder auch bei der Verhinderung von Rüstungsexport
diskutieren. Sie haben ja völlig zu Recht darauf hingewiesen: Eine Regierung muss zwischen Interessen und
Werten abwägen. Aber es wäre nicht schlecht, wenn die,
die das machen würden, die Gründe für ihre Abwägung
mal dem deutschen Parlament und der Öffentlichkeit zur
Kenntnis geben würden, Herr Kollege Kiesewetter.
({0})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Haßelmann?
Aber gern.
Herr Gabriel, eine Frage - vielleicht wird daraus ein
Geschäftsordnungsantrag -: Finden Sie es mit mir gemeinsam nicht unerträglich, dass bei solch einer Diskussion
({0})
das Kanzleramt nicht anwesend ist?
({1})
Ich finde es unerträglich, dass das Kanzleramt hier nicht
anwesend ist.
({2})
Frau Kollegin, Sie haben natürlich völlig recht. Ich
finde es allerdings ebenso unerträglich, dass der zuständige Außenminister nicht hier ist
({0})
und sich durch die Staatssekretärin für Auswärtige Kulturpolitik hier vertreten lässt.
({1})
- Staatsministerin.
({2})
- Die Abwertung Ihrer Kollegin Staatsministerin - diese
Bemerkung erlaube ich mir - nehmen Sie selber vor,
nicht wir.
Ihnen, Herr Kiesewetter, sage ich: Es kann doch nicht
sein, dass Sie einfordern, dass wir über diese Güterabwägung diskutieren, und dass die dafür verantwortlichen
Mitglieder Ihrer Regierung sich hier drücken. Die Kanzlerin hat die Richtlinienkompetenz im Bundessicherheitsrat. Wir wollen ja gar nicht, dass sie hier vorstellt,
was im Bundessicherheitsrat beraten oder entschieden
worden ist. Aber sie wird doch dazu in der Lage sein, die
Grundlagen ihrer Außenpolitik zu erörtern, und zwar
insbesondere dann, wenn das, was hier gerade mit der
Lieferung von 200 Panzern an Saudi-Arabien stattfindet,
ganz im Gegensatz zu dem steht, was sie und ihr Außenminister mit großem Pathos dem Deutschen Bundestag
und der Öffentlichkeit hinsichtlich der Unterstützung der
Demokratiebewegung in Nordafrika vorher erklärt haben. Angesichts dessen wird man doch einmal fordern
dürfen, dass sie kommen und sich erklären.
({3})
Wissen Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie verwechseln hier etwas. Sie glauben, wir wollten über den Bundessicherheitsrat diskutieren. Das kann man auch machen. Das ist nämlich ein
Instrument, das im Kalten Krieg entstanden ist und über
dessen Entscheidungsfindungsmechanismen die Zeit
hinweggegangen ist. Aber darüber wollen wir heute gar
nicht reden. Wir wollen über die Grundlagen Ihrer
Außenpolitik sprechen, und dazu gibt es übrigens kein
Geheimnisgebot. Ich wüsste jedenfalls nicht, dass bei
dieser Frage ein Geheimnisgebot für das Parlament oder
die Öffentlichkeit gilt. Sie verwechseln also das Thema,
über das wir reden wollen. Wir wollen wissen, was Sie
in Ihrer Außenpolitik in diesem Fall dazu bringt, die Unterstützung der Demokratiebewegung im Nahen Osten
und am Golf geringer zu schätzen als das Interesse an einem stabilen, feudalen Herrscherhaus in Saudi-Arabien,
das, wie von Ihnen eben aufgeführt, für Sicherheit bürge.
Wir wollen genau diesen Unterschied zwischen Interessen und Werten von Ihnen erläutert bekommen. Es wäre
übrigens ein Beitrag zur politischen Kultur, über diese
außenpolitischen Fragen ganz offen zu diskutieren.
({4})
Wir wollen wissen, warum die scheinbare Stabilität
eines Herrscherhauses für Sie wichtiger ist als die Demokratiebewegung und wie Sie die Widersprüche zwischen Ihren Reden und Ihrem Handeln auflösen. Dass
das bei Ihnen in der Koalition Kolleginnen und Kollegen
genauso sehen, zeigt doch die aktuelle Meldung - ich zitiere -:
FDP-Außenexperte: Merkel soll sich zu Panzergeschäft äußern
Stinner hält Stillschweigen für schädlich
({5})
Der Außenexperte der FDP hat recht, meine Damen und
Herren. Er hat recht.
({6})
Ich habe mit Interesse das Interview der Bundeskanzlerin in der Mittelbayerischen Zeitung gelesen. Die
Überschrift lautet - Zitat Merkel -: „Ich kenne die Regeln, im Fußball wie in der Politik.“ Das darf man getrost bezweifeln.
({7})
Ich habe Herrn Mißfelder zu seiner Rede gratuliert,
nicht zu dem Inhalt seiner Rede, wohl aber zu dem Versuch, eine politische Begründung zu geben. Er hat in der
ersten Debatte gesagt: Sie müssen doch verstehen, dass
die Drohung aus dem Iran dazu führt, dass wir mit Blick
auf Israel verhindern müssen, dass Saudi-Arabien unter
die Kontrolle von schiitischen Militärs oder des Iran gerät. - Ich finde, dass man die Debatte darüber offensiv
führen kann.
Ich möchte Ihnen in der Sache etwas entgegenhalten.
Eigentlich möchte ich die Debatte darüber nicht mit Ihnen, sondern mit Ihrer Regierung führen, die das entschieden hat. Da Sie aber schon die Stellvertretung der
Regierung wahrnehmen - ist von der Regierung inzwischen jemand da, der dazu etwas sagen kann? -,
({8})
lese ich Ihnen vor, was die Experten, die im Auftrag des
Kanzleramtes arbeiten, dazu sagen. In der heutigen Ausgabe des Tagesspiegels steht:
Braucht Saudi-Arabien deutsche Panzer, um
schlagkräftige Argumente gegen den Iran zu haben? Diese Sichtweise weist Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik ({9}),
- diese wird vom Kanzleramt finanziert und arbeitet dem
Parlament, aber insbesondere dem Kanzleramt zu -,
als „abwegig“ zurück.
({10})
Ich zitiere weiter:
„Wenn sich Saudi-Arabien auf eine Auseinandersetzung mit dem Iran vorbereiten würde, dann sicherlich nicht mit Panzern“, sagte der Nahostexperte dem Tagesspiegel.
Dafür gibt er eine relativ einfache Erklärung: Es gibt
keine Landverbindung zwischen Saudi-Arabien und dem
Iran. Dazwischen liegt der Irak. Deswegen ist die Kritik
berechtigt. Sie müssen im Zweifel damit rechnen, dass
die infrage stehenden Panzer nicht zur Verteidigung der
Sicherheit Israels eingesetzt werden, sondern innenpolitisch oder bei den Nachbarn zur Unterdrückung der Demokratiebewegung. Genau das findet dort statt.
({11})
Die Waffen, die Sie liefern wollen, bedrohen nicht
den Iran, sondern die Demokratiebewegung. Sie schützen nicht Israel, sondern ein feudales Herrscherhaus. Sie
gefährden im Zweifel - das will ich deutlich sagen - irgendwann auch uns; denn wir im Westen wissen aus der
Vergangenheit - die amerikanische Außenpolitik wurde
nach dem Motto „Der Teufel, den wir kennen, ist besser
als der, den wir nicht kennen“ betrieben -, dass so etwas
schnell schiefgehen kann. Zuerst Waffen und dann Bundeswehrsoldaten in Friedens- oder Kriegseinsätze zu
schicken, die unter anderem dazu dienen, den Betreffenden die Waffen wieder abzunehmen, das ist keine besonders kluge Außenpolitik. Sie ist gefährlich für unsere
Soldatinnen und Soldaten.
({12})
Sie machen das, entweder weil Sie vor der Rüstungslobby eingeknickt sind oder weil Sie vor den Vereinigten
Staaten eingeknickt sind, weil Sie sich nach Ihrem Desaster in der Libyen-Debatte im UN-Sicherheitsrat zurückkaufen wollten. Beides wären keine Gründe für eine
souveräne Entscheidung einer Bundesregierung. Es hat
das deutsche Parlament zu interessieren, ob unsere Re14308
gierung souverän entscheiden kann oder ob sie dem
Druck - von wem auch immer - weicht und solchen Anfragen stattgibt.
({13})
Herr Kollege Gabriel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Uhl?
Selbstverständlich.
Herr Kollege Gabriel, Sie fordern eine Parlamentsdebatte über einen Rüstungsexport im Vorfeld von Vertragsverhandlungen
({0})
bzw. von Vorvertragsverhandlungen.
({1})
Können Sie sich erinnern, ob es in der siebenjährigen
Amtszeit von Gerhard Schröder auch nur einen einzigen
Fall gegeben hat, in dem dieses Parlament vor Beginn
von Vertragsverhandlungen über irgendeinen Rüstungsexport in irgendein Land eine solche Debatte geführt
hat? Wenn Sie das bejahen, nennen Sie mir bitte den
Ausgang der betreffenden Vertragsverhandlungen. Oder
geben Sie zu, dass das betreffende Geschäft hätte scheitern müssen?
Herr Kollege Uhl, wenn ich das richtig weiß - ({0})
- Herr Dr. Uhl! Vielen Dank, dass der Vorsitzende der
CDU/CSU-Fraktion darauf hinweist, dass es sich diesmal um Herrn Dr. Uhl handelt.
({1})
- Da müssen Sie sich bei Ihrem Kollegen bedanken.
Herr Dr. Uhl, die Antwort auf die Frage ist ganz einfach: Ihre Regierung verstößt gerade gegen die eigenen
Richtlinien für den Rüstungsexport.
({2})
Deshalb muss man darüber diskutieren.
({3})
Wenn eine Regierung das nicht tut, dann braucht das
Parlament auch nicht darüber zu diskutieren. Das ist
doch das Problem.
({4})
- Die Frage war, warum so etwas in der Vergangenheit
nicht öffentlich im Parlament diskutiert worden ist. Die
Antwort darauf ist: Weil sich die Regierung an die Richtlinien gehalten hat. Sie tun das nicht.
({5})
Die von Herrn Kiesewetter zitierten Richtlinien für
den Rüstungsexport sind doch unter Rot-Grün geändert
und verschärft worden. Es wurde die Einhaltung der
Menschenrechte als zentraler Parameter dafür eingeführt, ob man Rüstungsgüter exportieren darf oder nicht.
Wir müssen darüber reden, wenn Sie das heute anders
sehen.
Übrigens ist es doch ein Treppenwitz, wenn jetzt so
getan wird, als gäbe es keine Entscheidung und deshalb
dürfe das Parlament nicht darüber reden. Ganz Deutschland redet darüber. Wenn wir nicht darüber reden, dann
verstärken Sie noch den Eindruck, den es draußen sowieso schon gibt, nämlich dass wir uns hier mit allem
Möglichen, nur nicht mit dem beschäftigen, was die
Leute interessiert.
({6})
Wir können Sie nur eindringlich auffordern, die Genehmigung zur Ausfuhr entweder zurückzuziehen oder,
wenn sie noch nicht endgültig gefallen ist, nicht zu erteilen. Kommen Sie zum außenpolitischen Konsens, der
lange Zeit in Deutschland galt, zurück und beenden Sie
die Irrfahrt, mit der Sie unserem Land in Europa und auf
internationaler Ebene die Zusammenarbeit erschweren.
({7})
Wenn Sie der Lieferung von 200 Kampfpanzern nach
Saudi-Arabien zustimmen, dann überschreiten Sie eindeutig den Rubikon und verlassen den Pfad einer wertegebundenen Außenpolitik. Sie versagen in einer historischen Situation, in der Deutschland und Europa die
Demokratiebewegungen unterstützen müssen, aber nicht
feudale Herrscherhäuser, die bereit sind, diese zu unterdrücken.
({8})
Deswegen werden Sie dazu unsere Zustimmung nicht
bekommen und auch nicht die, so glaube ich, der Öffentlichkeit. Stoppen Sie diese Irrfahrt, die Sie begonnen haben! Sie tun sich, dem Land und Nordafrika einen Gefallen.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Stinner.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Gabriel, ich bin
Ihnen sehr dankbar, dass Sie den Kollegen Hans-Peter
Uhl hier identifiziert haben, damit nicht die Gefahr besteht, dass er mit Ihrem ehemaligen Bundestagskollegen
Hans-Jürgen Uhl, der VW-Betriebsrat war und wegen
Lustreisen aus der IG Metall und der SPD ausgetreten
ist, verwechselt wird.
({0})
Wir legen Wert darauf, dass keine Verwechslung geschieht.
({1})
- Ich habe mit der „Uhlerei“ nicht angefangen.
({2})
Da Sie, Herr Gabriel, mich als Kronzeugen für Ihre
Politik herangezogen haben, möchte ich Ihnen sehr deutlich sagen, was ich hierzu ausgeführt habe. Ich habe Ihnen erstens vorgeworfen, dass ich es als unerträglich
empfinde, in welcher Weise sich Ihre Partei von langjährigem Regierungsverhalten verabschiedet hat, und dass
das in starkem Widerspruch zu dem steht, was Sie selbst
jahrelang gemacht haben.
({3})
Ich habe Ihnen zweitens vorgeworfen, dass Sie es als
Regierungspartei abgelehnt haben, die Geheimhaltungspflicht des BSR aufzuheben.
Ich habe Ihnen drittens vorgeworfen, dass Sie in Ihrer
Amtszeit in erheblichem Umfang Kriegswaffen - es waren keine Spielzeuge, Frau Keul - nach Saudi-Arabien
geliefert haben. Sie haben im Jahr 2008, als Herr
Steinmeier und Frau Wieczorek-Zeul im Bundessicherheitsrat waren, die Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien mehr als verdreifacht.
({4})
Es ist völlig unredlich, diese Bundesregierung zu einem
Exportmonster zu stilisieren.
Ich bin viertens in keiner Weise auf den Inhalt der
eventuell vorhandenen Entscheidung eingegangen. Ich
habe nur gesagt, dass ich davon ausgehe, dass diese Bundesregierung, falls es eine solche Entscheidung gegeben
haben sollte, mit großer Sicherheit das Pro und Kontra in
großer Verantwortung abgewogen hat. Ich kann Ihnen,
Herr Gabriel, sagen: Ich habe diesbezüglich in diese
Bundesregierung ein viel größeres Vertrauen, als ich es
in frühere Bundesregierungen gehabt habe.
({5})
Ich habe dann allerdings gesagt, Herr Gabriel: Da dieses Thema in der Öffentlichkeit breit diskutiert wird,
wäre es sinnvoll, wenn die Bundesregierung in einer für
sie geeigneten Form politisch auf diese Dinge eingeht.
Es kann nicht sein, dass Sie von den drei Oppositionsfraktionen in Anträgen hier und heute fordern, dass wir
im Deutschen Bundestag einzelne Rüstungsgeschäfte
verabschieden. Das kann doch nicht wahr sein.
({6})
Herr Gabriel, jeder, der in diesem Hause irgendwann
einmal Regierungsverantwortung anstrebt - das tun Sie
offensichtlich -, kann einen solchen Antrag nicht stellen,
weil durch ihn die Handlungsfähigkeit einer jeden Bundesregierung beeinträchtigt wäre.
({7})
Kollege Gabriel, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.
({0})
Herr Präsident! Herr Kollege, erstens neige ich in der
Tat nicht dazu, Menschen zu verwechseln. Trotzdem
danke ich für die qualifizierte Einführung in die Namenskunde.
({0})
Zweitens. Ich wiederhole ausdrücklich: Der Unterschied zwischen dem Handeln der von Ihnen getragenen
Regierung und dem früherer Regierungen von SPD und
Grünen ist, dass wir uns an die Exportrichtlinien gehalten haben
({1})
und dass wir - wie übrigens Herr Dr. Kohl und andere
Regierungschefs - 30 Jahre lang, wenn Saudi-Arabien
Panzer wollte, immer Nein gesagt haben.
({2})
- Nach meinem Kenntnisstand hat sich damals Herr
Möllemann noch darüber beklagt, dass es zu keiner Lieferung gekommen ist.
({3})
- Herr Kollege Fricke, ich kann nichts dafür, dass ich
jetzt die Chance habe, zu antworten. Das ist in der Geschäftsordnung so vorgesehen. Deshalb müssen Sie das
jetzt ertragen.
Wir - auch Sie - haben uns 30 Jahre lang daran gehalten, keine Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, weil
das durchaus einen qualitativen Unterschied macht. Das
haben wir auf allen Straßen und Plätzen, wo es Demokratiebewegungen gegeben hat, gesehen.
Drittens. Ich hoffe, dass Sie hier nicht Ihr eigenes Interview dementieren; denn dort heißt es - ich zitiere -:
Die Kanzlerin und die beteiligten Minister können
sich dann nicht mehr schablonenhaft hinter das
Schild „geheim“ stellen.
Ich finde, Sie haben recht, Herr Kollege; das tun die Damen und Herren der Regierung aber weiterhin.
({4})
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir diskutieren
hier nicht darüber, ob es Rüstungsexporte gibt oder
nicht. Das könnten wir tun. Es gibt gute und weniger
gute Gründe dafür, darüber zu reden bzw. es zu verbieten. Vielmehr reden wir über einen ganz konkreten Fall
und über die daraus entstehenden Konsequenzen für die
Demokratiebewegung im Nahen Osten und am Golf.
({5})
Wir diskutieren auch nicht darüber, ob der Deutsche
Bundestag Rüstungsexporte im Einzelfall genehmigen
soll oder nicht.
({6})
Das steht auch nicht in unserem Antrag, sondern dort
steht, dass, wenn eine positive Entscheidung gefallen ist,
wir dies wissen wollen.
Übrigens halte ich es im Zeitalter des Internets für relativ schwierig, zu glauben, dass man irgendwohin Panzer liefern kann und keiner, wenn dann die Leos durch
Saudi-Arabien fahren, fragt, woher die kommen. Wenn
Sie solche Geschäfte machen, dann können Sie davon
ausgehen, dass man das zurückverfolgen kann. Wenn
eine Regierung sagt: „Ja, wir stehen dazu, wir haben in
einer Güterabwägung entschieden, diesem Export zuzustimmen“, warum soll man das in diesem positiven Fall
nicht von vornherein der deutschen Öffentlichkeit und
dem Parlament zur Kenntnis geben? Erklären Sie mir
das einmal!
Wenn Ihr Argument ist: „Warum habt ihr das früher
nicht selber gemacht?“, dann würde ich sagen: Sie haben
recht, das hätten wir machen sollen. - Dann machen wir
es doch bitte jetzt gemeinsam, da wir merken, dass das
notwendig ist.
({7})
Das ist doch ganz einfach.
({8})
Eines ist doch klar: Wenn man uns oder Sie fragt, ob
wir immer alles richtig gemacht haben, dann sagen wir
oft: Natürlich haben wir immer alles richtig gemacht.
Gleichzeitig tun wir so, als hätten alle anderen immer alles falsch gemacht. Das glauben wir noch nicht einmal
im Parlament. Warum sollen die Menschen draußen das
glauben?
({9})
Von daher finde ich die Situation relativ einfach. Sie
führen hier eine Debatte über eine werte- und interessengeleitete Außenpolitik. Darüber wollen wir reden. Wir
wollen die Begründung dafür hören, warum Sie sich in
diesem Fall für Ihre anscheinend vorhandenen Interessen
entschieden haben und gegen die von Ihnen mit großem
Pathos an diesem Rednerpult vertretenen Werte.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Darauf hat die deutsche Öffentlichkeit einen Anspruch, und nur darüber wollen wir diskutieren und entscheiden. Ihre Regierung drückt sich vor dieser Debatte.
Das erleben wir heute zum zweiten Mal.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwei Zwischenbemerkungen: Erstens. Auf Kurzinterventionen kann man
nicht mit einer weiteren Kurzintervention reagieren.
Sonst würden wir in eine eigentümliche, unübersichtliche Debatte geraten.
Zweitens zu dem Namensstreit, da ich ein ganz klein
wenig beteiligt war. Das gibt es ja, dass einem im Moment ein Name nicht einfällt. Deswegen habe ich dem
Kollegen Gabriel vorgesagt: Uhl. - Daraufhin hat der
Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU gerufen: Dr. Uhl! Darauf hat Kollege Gabriel reagiert. Das geschah nicht
in einer beleidigenden Absicht.
({0})
Er hat damit lediglich auf den Zwischenruf „Dr. Uhl!“
reagiert. Ich sage das nur, damit wir bei aller Polemik
nicht an der falschen Stelle eine Schärfe vermuten.
Jetzt erlaube ich mir, zur Beruhigung der Emotionen
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der beiden namentlichen Abstimmungen mitzuteilen.
Zunächst zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der UNAMID-Mission auf
Grundlage der Resolution 1769 ({1}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und Folgeresolutionen: Abgegebene Stimmen 554. Mit Ja haben
gestimmt 490, mit Nein haben gestimmt 63, Enthaltungen 1. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 554;
davon
ja: 490
nein: 63
enthalten: 1
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({2})
Manfred Behrens ({3})
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
({4})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({5})
Dirk Fischer ({6})
Axel E. Fischer ({7})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({8})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({9})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({10})
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({11})
Dr. Michael Meister
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({12})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({13})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({14})
Anita Schäfer ({15})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Christian Schmidt ({16})
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön ({17})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Armin Schuster ({18})
Detlef Seif
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({19})
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({20})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({21})
Peter Weiß ({22})
Sabine Weiss ({23})
Ingo Wellenreuther
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Lothar Binding ({24})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Bernhard Brinkmann
({25})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Angelika Graf ({26})
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({27})
Hubertus Heil ({28})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Frank Hofmann ({29})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({30})
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Christian Lange ({31})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({32})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({33})
Marlene Rupprecht
({34})
Axel Schäfer ({35})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
({36})
Werner Schieder ({37})
Ulla Schmidt ({38})
Silvia Schmidt ({39})
Carsten Schneider ({40})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({41})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({42})
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({43})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth ({44})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({45})
Michael Link ({46})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Petra Müller ({47})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({48})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({49})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({50})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({51})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({52})
Volker Beck ({53})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({54})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({55})
Monika Lazar
Tobias Lindner
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({56})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({57})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Till Seiler
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Nein
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({58})
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
Enthalten
SPD
Petra Hinz ({59})
Nun zum Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung mit dem
Titel „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an
der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission im Südsudan“: abgegebene Stimmen 550. Mit Ja
haben gestimmt 487, mit Nein haben gestimmt 62, Enthaltungen 1. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 550;
davon
ja: 487
nein: 62
enthalten: 1
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({60})
Manfred Behrens ({61})
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
({62})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({63})
Dirk Fischer ({64})
Axel E. Fischer ({65})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({66})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({67})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({68})
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({69})
Dr. Michael Meister
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({70})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({71})
Lothar Riebsamen
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({72})
Anita Schäfer ({73})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Christian Schmidt ({74})
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön ({75})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Armin Schuster ({76})
Detlef Seif
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({77})
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({78})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({79})
Peter Weiß ({80})
Sabine Weiss ({81})
Ingo Wellenreuther
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Lothar Binding ({82})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Bernhard Brinkmann
({83})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({84})
Hubertus Heil ({85})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Frank Hofmann ({86})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({87})
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Christian Lange ({88})
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({89})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({90})
Marlene Rupprecht
({91})
Axel Schäfer ({92})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
({93})
Werner Schieder ({94})
Ulla Schmidt ({95})
Silvia Schmidt ({96})
Carsten Schneider ({97})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({98})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({99})
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({100})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth ({101})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({102})
Michael Link ({103})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Petra Müller ({104})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({105})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({106})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({107})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({108})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({109})
Volker Beck ({110})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({111})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({112})
Monika Lazar
Tobias Lindner
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({113})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({114})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Till Seiler
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Nein
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({115})
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
Enthalten
SPD
Petra Hinz ({116})
Nun setzen wir die Debatte fort. Das Wort hat Martin
Lindner für die FDP-Fraktion.
({117})
Herzlichen Dank - Herr Präsident! Verehrte Damen!
Meine Herren! Kollege Gabriel, wenn Sie mit uns Debatten über interessengeleitete Außenpolitik führen wollen, dann müssen Sie entsprechende Anträge stellen.
Stattdessen haben Sie ganz billig versucht, Dinge, die
schon seit 1955 im Bereich der Exekutive angesiedelt
sind, uns heute hier mithilfe von Verfahrenstricks vorzulegen.
Seit 1955, in ununterbrochener Tradition - SchwarzGelb, Rot-Gelb, Rot-Grün, egal wie die Regierung hieß -,
wurden solche Fragen immer im Bundessicherheitsrat
entschieden, und da gehören sie auch hin. Das ist streng
exekutives Handeln.
({0})
Das müssten auch Sie bei einer ernsthaften Betrachtung
dieses komplexen, schwierigen Gegenstandes konzedieren.
Bei der Beurteilung, was den deutschen sicherheitsund außenpolitischen Interessen dient, ist - Sie können
sich das vorstellen; Sie waren ja erst vor kurzem in Regierungsverantwortung - eine Reihe von Fragen zu berücksichtigen. Wir haben hier vor zwei Tagen darüber
diskutiert. Saudi-Arabien ist ein Partnerland im Kampf
gegen den Terrorismus. Wir können uns nun einmal
nicht aussuchen, wie wir es in dieser Region - ein Kollege sagte: wo alles nur grau ist, wo es kein Schwarz und
kein Weiß gibt - gerne hätten. Sie, der Sie hier jahrelang
in der außen- und sicherheitspolitischen Verantwortung
standen, wissen ganz genau, dass man in diesem Zusammenhang bestimmte Dinge erfährt und dass man nachrichtendienstliche Entwicklungen auszuwerten hat. Das
geht nicht im Deutschen Bundestag. Das, Frau Kollegin
Roth, ist typischerweise exekutives Handeln, und das
muss es auch in Zukunft bleiben.
({1})
Dr. Martin Lindner ({2})
Sie haben das unter der rot-grünen Regierung sogar
noch verstärkt. Vor diesem Hintergrund handeln Sie mit
Ihren Anträgen - im Zivilrecht würde man sagen: venire
contra factum proprium - gegen Ihre eigenen Vorstellungen und gegen Ihr eigenes damaliges Regierungshandeln. Das erlaubt natürlich schon die Frage, ob das nicht
ein Stück weit Heuchelei ist, was Sie heute hier aufgeführt haben.
({3})
Wenn man ein bisschen Exegese der Ereignisse der
letzten 10, 15 Jahre betreibt - weiter muss man gar nicht
zurückgehen -, dann kommt man zu einem Artikel von
RP Online vom 4. Juli 2000.
({4})
Da wird berichtet - ich zitiere -:
Der Bundessicherheitsrat hat nach Informationen
des Hamburger Magazins „Stern“ der Lieferung
von 1.200 Panzerfäusten an Saudi-Arabien zugestimmt.
Als ob das Waffen wären, Kollege Gabriel, die weniger
geeignet wären, im Kampf gegen Aufständische eingesetzt zu werden,
({5})
als ein 4 mal 7 Meter großer Panzer! Da ist die Heuchelei schon erkennbar.
Weiter heißt es:
Gegen den Rüstungsexport hätten Bundesaußenminister Joschka Fischer von den Grünen und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie WieczorekZeul von der SPD gestimmt.
Nicht bekannt wurde, dass die beiden anschließend aus
der Regierung ausgeschieden wären; vielmehr sind sie
selbstverständlich, wie es bei Ihnen Tradition war, an ihren Sesseln kleben geblieben. Sie haben so geredet, aber
so gehandelt.
Dann heißt es weiter:
Das Bundespresseamt wollte zu dem Bericht
ebenso wie Auswärtiges Amt und Bundeskanzleramt keinerlei Kommentar abgeben. Eine Sprecherin
des Bundespresseamts verwies nur darauf, dass die
Sitzungen des Bundessicherheitsrats strikter Geheimhaltung unterliegen.
Sie haben damals genauso gehandelt, wie Sie es uns
heute mit großem Pathos und im Brustton der Empörung
vorhalten. Das ist Heuchelei und nichts anderes.
({6})
Sie entlarven sich selber.
Etwas weiter hinten heißt es:
Im Herbst vorigen Jahres
- das war 1999 waren trotz der Geheimhaltungsvorschriften Einzelheiten der Entscheidung des Bundessicherheitsrats
- unter Rot-Grün über die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an
die Türkei an die Öffentlichkeit gelangt.
({7})
Und das, obwohl Sie, Frau Kollegin Roth, auf jedem
Parteitag immer wieder betont haben, dass Kampfpanzer
- wegen der schwierigen Lage der Kurden - nicht in die
Türkei geliefert werden dürften.
({8})
Sie haben schon immer geheuchelt und setzen das heute
hier fort.
({9})
Was den Leopard 2 angeht: Im Jahr 1981 gab es diesbezügliche Anfragen an Helmut Schmidt. Da heißt es
1981 im Spiegel:
Der König aus dem Morgenland zeigte Verständnis
für den deutschen Kanzler. Als der saudiarabische
Herrscher Chalid Ibn Abd el-Asis im vergangenen
Juni in Bonn einen Staatsbesuch abstattete, bat
Helmut Schmidt in einem Gespräch unter vier Augen den Gast, er möge sich mit seinem Wunsch
nach deutschen Waffen noch ein wenig gedulden bis nach dem 5. Oktober, dem Tag der Bundestagswahl.
Erzählen Sie uns doch nicht, dass das nicht auch
Thema war. Ihre Bundesregierung hat das damals genauso abgelehnt wie entsprechende Anfragen an die Regierung Kohl in der Zeit zwischen 1990 und 1992, und
zwar wegen der Intervention Israels und wegen nichts
anderem. Dieser Grund ist jetzt weggefallen. Deswegen
kann man nunmehr zu einer anderen Lagebeurteilung
kommen. Als ernsthafte Oppositionsfraktion müssen Sie
doch konzedieren, dass man bei solch schwierigen Entscheidungen nicht einfach nur schwarz-weiß malen und
so tun kann, als sei alles wahninnig einfach. Sie haben in
ähnlichen Situationen doch auch gerungen, und Sie kamen auch zu Ergebnissen, die nicht auf den Marktplätzen der Republik ausgetragen wurden. Das muss man
doch realistisch betrachten.
({10})
Das Ganze geht noch weiter: Es kam zu den Panzerlieferungen an Katar; da saßen Sie, Kollege Steinmeier,
im Bundessicherheitsrat. Es wurden zumindest Voranfragen gestellt, die - den vorliegenden Presseinformationen
zufolge - nur im Hinblick auf Israel möglicherweise anders beschieden wurden.
Ich sage Ihnen in aller Ernsthaftigkeit: Man kann in
dieser Frage - bei Vorliegen aller Fakten; aber diese Fakten liegen ja nur neun Mitgliedern des Hauses vor - im
Dr. Martin Lindner ({11})
Ergebnis möglicherweise zu einer anderen Betrachtungsweise kommen. Man kann sicherlich aber auch zu
dem Ergebnis kommen, dass es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland war oder ist, solche Waffen in
diese Region, an dieses Land zu liefern.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich warne Sie ganz klar: Sie sind im Moment in der
Opposition.
({0})
Wenn Sie in diesem Land irgendwann einmal wieder
Verantwortung übernehmen wollen,
({1})
werden Sie in diesen Fragen höchstwahrscheinlich eine
sehr harte und unangenehme Bekanntschaft mit der Realität machen.
Herzlichen Dank.
({2})
Das Wort zu zwei Kurzinterventionen erteile ich zunächst Gregor Gysi und dann Claudia Roth.
Herr Präsident! Herr Lindner, ich habe Ihnen genau
zugehört. Wissen Sie, was mich unheimlich stört? Sie
diskutieren über die Frage der Geheimhaltung, darüber,
wie das früher war, und haben im Übrigen gar nicht begriffen, dass es den Kalten Krieg gar nicht mehr gibt und
dass eine neue Zeit angebrochen ist. Abgesehen davon
erklären Sie sich nicht mit einem Satz dazu, ob es nun
richtig oder falsch ist, 200 Panzer an das Herrschaftshaus Saudi-Arabien zu liefern, in ein Land, in dem die
reichen Familien al-Qaida bezahlen und das die Demokratiebewegung im Nachbarland zusammenschießt.
Kein einziger Satz dazu! Sagen Sie doch einmal, ob Sie
dafür oder dagegen sind, damit hier im Parlament mal
Klarheit herrscht!
({0})
Meine zweite Bitte. Frau Bundeskanzlerin - jetzt sind
Sie da -, nichts gegen Herrn Nüßlein, aber ich finde, Sie
könnten dessen Redezeit von sechs Minuten übernehmen und sagen, welche Ziele Sie in der Außenpolitik eigentlich verfolgen.
Danke.
({1})
Bitte schön, Kollegin Roth.
Ich habe mich zu einer Kurzintervention gemeldet,
weil Herr Dr. Lindner mit flotter Zunge von „Heuchelei“
geredet hat. Ich würde Sie, wenn Sie anderen Heuchelei
vorwerfen, darum bitten, sich an die Wahrheit zu halten.
Wahr ist: Es gab einen Konflikt in der rot-grünen Koalition über geplante Panzerlieferungen an die Türkei.
Wahr ist aber auch, dass es aufgrund genau dieser Auseinandersetzung zu einer Neuverhandlung der Rüstungsexportrichtlinien gekommen ist, dass der Kollege Gernot
Erler für die SPD-Fraktion und die Kollegin - ich - für
die grüne Fraktion mit der Bundesregierung verhandelt
haben.
In diesen Verhandlungen wurden die Rüstungsexportrichtlinien verändert und restriktiver gefasst. Unter anderem wurde ein Menschenrechtskriterium in den Rüstungsexportrichtlinien verankert, das es nachgerade
unmöglich macht, dass Panzer an Saudi-Arabien geliefert werden. Es wurde ein Kriterium verankert, das es
nachgerade unmöglich macht, Waffen bzw. Rüstungsexportgüter in Spannungsregionen wie Saudi-Arabien zu
liefern.
In der Folge wurden keine Panzer in die Türkei geliefert. Anders als in der schwarz-gelben Regierungszeit
hat Rot-Grün in die Rüstungsexportrichtlinien aufgenommen, dass bei einer angespannten Menschenrechtslage keine Waffen geliefert werden dürfen, auch wenn
die Waffen nicht unmittelbar zur Menschenrechtsverletzung eingesetzt werden können.
Behaupten Sie also keine Unwahrheiten, wenn Sie
nicht wissen, worüber Sie reden.
({0})
Kollege Lindner, bitte.
Herr Gysi, Sie sagen, die Geheimhaltung habe möglicherweise im Kalten Krieg noch gegolten. Der Kalte
Krieg endete 1989 und nicht 2009, als die SPD aus der
Bundesregierung ausgeschieden ist; das als kleine Gedächtnisstütze.
({0})
Sie haben mich aufgefordert, in der Sache Stellung zu
nehmen.
({1})
Ich hatte Ihnen - wenn Sie zugehört hätten, wüssten Sie
das - vorhin deutlich gemacht, dass eine abschließende
Beurteilung, ob besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland - so
steht es in den Richtlinien - dafür sprechen, Kampfpanzer nach Saudi-Arabien zu liefern, ausschließlich von
Dr. Martin Lindner ({2})
neun Personen vorgenommen werden kann. Ich gehöre
nicht zu diesen neun Personen. Nur den Mitgliedern des
Bundessicherheitsrats liegen die Fakten vollständig vor,
auf deren Grundlage eine solche Frage seriös beantwortet werden kann.
({3})
Ich habe Ihnen gesagt: Wenn man in einer so schwierigen Situation wie im Nahen und Mittleren Osten im
Kampf gegen den Terrorismus steht, muss man natürlich
Kooperationen eingehen und über Dinge verhandeln, die
nicht immer schön sind und die - anders als es eine
populistische Partei gerne hätte - nicht immer einem
Schwarz-Weiß-Schema entsprechen. Sie müssen aber
schon konzedieren, dass nach unserer Verfassung die
Menschen, die dafür gewählt sind und ihren Amtseid geschworen haben, solches exekutives Handeln vollziehen
und darüber berichten und das Parlament anschließend
über die Berichte diskutiert. So ist das in den meisten demokratischen Ländern üblich; so werden wir es weiterhin handhaben.
({4})
Frau Kollegin Roth, es ist sehr spannend, was Sie mir
vorhalten. Sie haben gar nicht abgestritten, dass die Panzer doch in die Türkei gerollt sind.
({5})
Sie sagen nur, Sie hätten anschließend die Rüstungsexportrichtlinien geändert und dann quasi waffenfrei weiterregiert. Frau Kollegin Roth, im Jahr 2002 - da haben
Sie regiert; das war nach der Änderung der Richtlinien lag das Volumen der Kriegswaffenexporte bei knapp
300 Millionen Euro. Im Jahr 2003 haben Sie das Volumen auf 1,3 Milliarden Euro gebracht.
({6})
Das ist zugegebenermaßen eine gewisse Steigerung,
oder? Frau Roth, Ihre neuen Richtlinien haben dann also
wirklich gewirkt.
({7})
Im Jahr 2005 hat Ihre Regierung dann den Gipfel erreicht: über 1,6 Milliarden Euro.
({8})
Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, Ihr wievieltes Jubiläum
der Mitgliedschaft im Bundessicherheitsrat haben Sie zu
diesem Zeitpunkt gefeiert? Ihr siebtes, und dann waren
Sie noch zwei weitere Jahre drin.
({9})
Wenn das alles so schrecklich und unmöglich war, warum sind Sie dann nicht ausgeschieden? Sie klebten alle
an Ihren Sesseln. Heute werfen Sie uns vor, was Sie damals selbst gemacht haben.
({10})
Frau Roth, abschließend lese ich Ihnen vor, was 2001,
in Ihrer Regierungszeit, nach Saudi-Arabien geliefert
wurde - jetzt tut es richtig weh -: Schießanlagen,
Schießsimulatoren, Revolver, Pistolen, Karabiner, Maschinengewehre, Panzerfäuste, Teile für Patrouillenboote, Munition für Haubitzen, Maschinenpistolen etc.
({11})
Jetzt sagen Sie mir, dass man all die Waffen nicht gegen
Demonstranten und Aufständische einsetzen kann. Das
ist doch völliger Blödsinn!
({12})
Beherrschen Sie sich und halten Sie in dieser Frage Maß,
wie es einem Mitglied einer Exregierungspartei zusteht.
({13})
Das Wort hat nun Katja Keul für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Ich freue
mich, dass die Mitglieder des Bundessicherheitsrates
jetzt weitgehend anwesend sind und der Debatte folgen.
Am Mittwoch haben wir eine denkwürdige Fragestunde erlebt. Staatssekretär Otto versuchte verzweifelt,
eine Entscheidung seiner Regierung zu rechtfertigen,
ohne zuzugestehen, dass es überhaupt eine Entscheidung
gegeben hat. In der nachfolgenden Aktuellen Stunde
durften die Redner der Koalition darüber spekulieren,
welche Kriterien und Argumente möglicherweise von
der Regierung erwogen wurden oder auch nicht. Warum
aber sollten Parlamentarier eine Entscheidung der Exekutive verteidigen, über deren Existenz sie nicht einmal
informiert werden? Das ist eines Parlamentes unwürdig.
({0})
Dem Kollegen Stinner von der FDP war das Leiden
dann auch deutlich anzusehen. Er hat völlig recht, wenn
er ausführt, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hätten das Recht und auch die Pflicht, sich mit dem
Vorgang zu beschäftigen. Es ist richtig, dass er die Bundesregierung auffordert, eine öffentliche Debatte zu führen und den Deutschen Bundestag über die Entscheidungsgrundlage zu informieren.
Geheimnisschutz ist kein Selbstzweck. Geheimnisschutz setzt immer ein schutzwürdiges Interesse voraus.
Jetzt fragen wir uns doch einmal konkret, was hier geschützt werden soll. Betriebsgeheimnisse der Firma
Krauss-Maffei Wegmann? Die Phase des Bangens vor
der Konkurrenz ist mit der Genehmigung doch abgeschlossen. Jetzt kann geliefert werden. Eine solche Lieferung kann ohnehin nicht geheim gehalten werden.
Auch die Saudis freuen sich über die Genehmigung und
haben kein erkennbares Geheimhaltungsinteresse mehr.
Unfreundliche Nachbarn sollen ja gerade von den
Kampfpanzern erfahren, um beeindruckt zu werden, und
die eigene Bevölkerung darf ohnehin keine kritischen
Fragen stellen. Also bleibt nur, dass die Bundesregierung selbst ein Geheimhaltungsinteresse hat, weil sie
ihre Entscheidung nicht öffentlich begründen will.
({1})
Das ist sogar nachvollziehbar, weil die Entscheidung gar
nicht begründbar ist.
Deutschland ist aber nicht Saudi-Arabien. Wie der
Außenminister dezent angedeutet hat, gibt es einen
gewissen Unterschied zwischen Saudi-Arabien und
Deutschland. Bei uns muss sich die Regierung vor dem
Parlament verantworten. Es ist nicht zielführend, wenn
wir uns immer wieder gegenseitig vorhalten, welche Regierung am meisten geliefert hat. Zielführend wäre es,
wenn wir Parlamentarier uns auf unsere wichtigste Aufgabe besännen und gemeinsam mehr Transparenz bei
der Genehmigung von Rüstungsexporten einfordern
würden, damit auch in diesem wichtigen Bereich endlich
parlamentarische Kontrolle möglich wird.
({2})
Herr Kiesewetter, ich habe Ihnen gut zugehört. Wenn Sie
das mit der Transparenz ernst meinen, müssten Sie unserem Antrag zustimmen.
({3})
In Gesetzen und Richtlinien haben wir Kriterien festgelegt, an die sich angeblich alle halten wollen. Wie
sieht es mit diesen Kriterien konkret aus? Ein besonderes
sicherheitspolitisches Interesse der Bundesrepublik vermag ich hier beim besten Willen nicht zu erkennen. Die
atomare Bedrohung durch den Iran kann nicht ernsthaft
als Grund für die Lieferung von Panzern herhalten.
({4})
Im Gegenteil: Die Aufrüstung von Saudi-Arabien ist für
den Iran eine willkommene Rechtfertigung für die Fortsetzung des Nuklearprogramms.
Nun habe ich mich am Mittwoch belehren lassen
müssen, dass der Satz „Beschäftigungspolitische Gründe
dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen“, in Wirklichkeit bedeutet, dass sie doch eine Rolle spielen dürfen, nur keine ausschlaggebende.
({5})
Die Sorge der Industrie ist ja verständlich, da jetzt alle
europäischen Länder ihre Militärhaushalte reduzieren.
Auch unser Verteidigungsminister de Maizière hat in seinen Verteidigungspolitischen Richtlinien klargestellt,
dass der Wehrindustrie eine dienende Funktion zukommt. Damit steht die Bundeswehr nicht mehr als
Spielwiese für die Industrie zur Verfügung. Man will
jetzt zur Abwechslung einmal das anschaffen, was die
Truppe braucht.
({6})
EADS-Chef Stefan Zoller ist ganz offen, wenn er
sagt: „Wir müssen jetzt dahin, wo die Militärausgaben
zweistellig steigen, wie etwa in Indien, Brasilien oder
dem Mittleren Osten“. Die industriepolitischen Interessen sind die einzig plausiblen Gründe für eine solche
Entscheidung. Damit haben sie aber nicht nur eine Rolle,
sondern die ausschlaggebende Rolle gespielt. Genau das
dürfen sie nicht.
({7})
Darüber hinaus stehen der Genehmigung die Gefahr
innerer Repression und die systematischen Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien entgegen. Nähere
Ausführungen zu den Abscheulichkeiten wie Auspeitschen, Handabhacken und öffentliche Hinrichtungen
wollen wir uns an dieser Stelle ersparen. Die Fakten sind
hinlänglich bekannt.
Die Genehmigung der Panzerlieferung ist nicht zu
halten. Ich appelliere an Sie als Parlamentarier: Lassen
Sie nicht zu, dass die Regierung uns an dieser Stelle völlig entrechtet! Fordern Sie mit uns den Widerruf dieser
Genehmigung und transparente Verfahren für die Zukunft!
Vielen Dank.
({8})
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich Georg Nüßlein von der Fraktion der CDU/
CSU das Wort.
({0})
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gysi, ich
muss Sie enttäuschen, in dieser Parlamentsdebatte hat
nicht die Regierung das letzte Wort.
({0})
Der Bundessicherheitsrat tagt geheim, und das ist
richtig und gut so. Deshalb wundert mich jetzt, dass etliche Kollegen hier in dieser Debatte so tun, als sei das
schon entschieden und als ob sie wüssten, was warum
wie entschieden worden ist. Das ist doch offensichtlich
nicht der Fall.
({1})
- Ich rekurriere auf alles, was hier vorgetragen wurde,
und etliche Kollegen tun so, als sei das eine ganz klare
Sache.
Der Bundessicherheitsrat tagt geheim, aber offenbar
kommt es bei der Beantwortung der Frage, ob es richtig
ist, dass er geheim tagt, auf dessen Besetzung an. Wenn
er von der einen Seite des Hauses besetzt ist, ist es in
Ordnung, dass er geheim tagt, wenn er von der anderen
Seite des Hauses besetzt ist, ist es falsch. Das kann ich
nicht nachvollziehen. Ich habe in die jetzige Besetzung
jedenfalls mehr Vertrauen als in die alte.
({2})
Im Übrigen liegt auch mir die Liste, die Kollege
Lindner gerade vorgetragen hat, vor. Dies ist eine spannende Liste. Sie ist ellenlang und enthält Handfeuerwaffen, Munition, auch schwere Munition, also alles Mögliche, was man im Inland sehr gut, wenn nicht sogar
besser als nach außen einsetzen kann.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Ströbele?
Nein, die gestatte ich nicht. Herr Präsident, hier sitzt
eine Reihe von Kollegen, die abstimmen wollen. Dafür
habe ich viel Verständnis.
({0})
Wir diskutieren jetzt zum zweiten Mal über dieses
Thema, und die Argumente sind irgendwann ausgetauscht.
Ich weise noch einmal darauf hin: Unter Rot-Grün
gab es für 260 Millionen Euro Exporte an Saudi-Arabien. Auch da gilt, was ich vorhin gesagt habe: Offenbar
kommt es weniger darauf an, was exportiert wird, sondern von wem es exportiert wird.
({1})
Ich finde, das ist für Sie hochblamabel.
Die Frage, ob Saudi-Arabien ein Bollwerk gegenüber
dem Iran ist, kann ich als einfacher Wirtschaftspolitiker
schwer beurteilen.
({2})
Ich setze an dieser Stelle auf die Beurteilung der Israelis;
über diesen Punkt sollte man nicht so hinweggehen, wie
es einige Kollegen getan haben. Gestatten Sie mir beim
Thema Wirtschaftspolitik folgenden Hinweis: In der
Rüstungsindustrie gab es einmal 280 000 Beschäftigte.
Mittlerweile gibt es noch 80 000 Mitarbeiter in diesem
Bereich. Ich weiß, man begibt sich bei diesem Thema
auf gefährliches Terrain und ist, insbesondere vonseiten
der Grünen - Frau Roth schüttelt an dieser Stelle schon
den Kopf -, sofort Verleumdung ausgesetzt.
({3})
Es wird gesagt, es ginge hier nur um wirtschaftliche
Interessen. Weil ich den Eindruck verhindern möchte,
dass es nur uns um wirtschaftliche Interessen geht, gestatten Sie mir, dass ich Aussagen des Kollegen Arnold
von der SPD aus 2010 zitiere. Er sprach 2010 von „Verantwortung für die deutsche Rüstungsindustrie“. Dazu
kann ich nur Bravo sagen. Er sagte, dass wir „Hochtechnologie und hochqualifizierte Ingenieure in Deutschland
halten“ wollen. Bravo, Herr Kollege Arnold. Es gehe um
„Fähigkeiten, die wir haben und die wir nicht verlieren
dürfen“. Auch das ist ein Zitat von Ihnen. Er sagte außerdem, der „Erhalt nationaler Kernkompetenzen im Rüstungsbereich“ sei eine gesamtpolitische Aufgabe und im
Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik Deutschland.
Auch wirtschaftspolitische Interessen sind also bei den
Entscheidungen, die im Bundessicherheitsrat wohl abgewogen getroffen werden, zu berücksichtigen.
Wenn es um Menschenrechte und Frauenrechte geht,
kann man, wie ich glaube, besser mit einem Staat reden,
wenn man
({4})
ihn nicht komplett ablehnt, sondern ihm auf Augenhöhe
begegnet
({5})
und auch auf der Grundlage von Wirtschaftsbeziehungen
miteinander diskutieren kann.
Dass wir vielfältige Wirtschaftsbeziehungen zu
Saudi-Arabien haben, wissen Sie. Ich glaube, dass es bei
der Gesamtabwägung Sinn macht, dies bei der Entscheidung im Bundessicherheitsrat zu berücksichtigen. Der
Bundessicherheitsrat wird unter dieser Regierung die
richtigen Entscheidungen treffen. In diesem Sinne: Eine
schöne Sommerpause!
Vielen herzlichen Dank.
({6})
Zu zwei Kurzinterventionen erteile ich zunächst dem
Kollegen Ströbele und dann dem Kollegen Arnold das
Wort.
({0})
Herr Kollege Nüßlein hat darauf hingewiesen - das
haben auch andere Redner getan, und auch in der Öffentlichkeit wird das dauernd erwähnt -, dass die Sitzungen
des Bundessicherheitsrats geheim sind. Das stimmt; ich
habe die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates
hier.
({0})
Aber: Der Bundessicherheitsrat ist ein Ausschuss der
Bundesregierung. Der „Geheim“-Stempel, der an ihm
haftet, geht nicht auf einen göttlichen Befehl, sondern
auf einen Beschluss der Bundesregierung zurück. Selbstverständlich kann die Bundesregierung, allen voran die
Bundeskanzlerin, den Grad der Geheimhaltung herunterstufen und dem Deutschen Bundestag Auskunft erteilen.
Sie kann nicht nur, sie muss. Sie will nur nicht.
({1})
Der Kollege Gabriel hat vorhin darauf hingewiesen,
dass sich Saudi-Arabien immer wieder darum bemüht
hat, Panzerlieferungen aus Deutschland zu bekommen.
Er hat hinzugefügt, in 30 Jahren sei es nie zu solchen
Panzerlieferungen gekommen. Ich möchte den Kollegen
Nüßlein - er ist Mitglied der CSU, gehört also der Union
an - fragen, ob er bestätigen kann, dass im Jahr 1991,
also vor 20 Jahren, die damalige Bundesregierung
37 Fuchs-Panzer nach Saudi-Arabien geliefert hat, und
zwar zu einem Preis von 446 Millionen D-Mark, dass
220 Millionen D-Mark davon nützliche Aufwendungen
gewesen sind - nützliche Aufwendungen sind Schmiergelder - und dass ein Teil dieser Schmiergelder an die
Union geflossen ist,
({2})
nämlich als der damalige Waffenlobbyist Schreiber an
der Schweizer Grenze 1 Million D-Mark in einem Koffer an den damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler
Kiep übergeben hat? So sieht es aus!
({3})
Insofern ist es dringend erforderlich, dass wir die Wahrheit erfahren, Auskunft bekommen, kontrollieren und
der Frage nachgehen: Sind in diesem Fall wieder nützliche Aufwendungen gezahlt worden?
({4})
Ich habe im Untersuchungsausschuss 1999 gelernt,
dass Saudi-Arabien in der Regel auf die Zahlung solcher
Schmiergelder besteht. Wenn jetzt 200 Panzer der Marke
Leo an Saudi-Arabien geliefert werden, drängt sich mir
der Verdacht auf, dass wieder nützliche Aufwendungen
gezahlt worden sind. Das muss dringend aufgeklärt werden.
({5})
Kollege Arnold.
Herr Kollege Nüßlein, Sie haben mich zitiert. Ich
habe davon keinen Satz zurückzunehmen. Sozialdemokraten bekennen sich nämlich zu ihrer Verantwortung für
die Hochtechnologie, auch im Rüstungsbereich. Ich
glaube sogar, wir sind mit diesem Thema viel besser,
verantwortungsvoller und sensibler umgegangen als Sie.
Zu dieser Verantwortung gehört auch, dass man sich an
die Exportrichtlinien hält. Dies tun Sie nicht.
Eigentlich habe ich mich zu Wort gemeldet, weil ich
auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen wollte.
Ich finde, die Beiträge von Herrn Dr. Lindner und Herrn
Dr. Nüßlein waren entlarvend. Sie reden davon, dass
sich die Politik verändert hat, und meinen damit Israel.
Schauen Sie einmal genau, was sich wirklich verändert
hat und ob sich bei Israel etwas verändert hat.
Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, dass Israel
vor wenigen Wochen sogar der Auffassung war, dass das
Jordantal für sie strategisch wichtig ist, weil sie einen
Angriff mit Panzern genau aus dieser Richtung befürchten? Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, dass das
Risiko, das Israel zu Recht beschreibt, nämlich die Gefahr einer nuklearen Bedrohung aus dem Iran, eben nie
und nimmer durch Kampfpanzer einzudämmen ist?
Die Welt hat sich verändert; da haben Sie recht. Das
ist das Entlarvende: Zu dieser eigentlichen Veränderung
sagen Sie keinen Satz. Sie finden das, was sich in der
arabischen Welt mit den Hunderttausenden jungen Menschen wirklich verändert hat, die für ihre Freiheitsrechte
auf die Straße gehen und gegen die Despoten ihr Leben
riskieren, in keiner Zeile erwähnenswert.
({0})
In diesem Sinn bewegt sich diese Entscheidung der
Bundesregierung auf einer durchaus kontinuierlichen Linie, nämlich auf der Linie von der Fehlentscheidung,
sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu enthalten, bis hin zu Waffenlieferungen an einen Despoten, der
vor wenigen Wochen Waffen im Nachbarland eingesetzt
hat, um junge Menschen zu bedrohen und umzubringen.
Dies sind die Fakten. Wer diese Veränderungen nicht
sieht, der sendet die falschen Signale.
Dieses große Wirtschaftsland Deutschland hat eine
Kanzlerin, die bei einer solchen Debatte schweigend dasitzt, anstatt klar zu sagen: Wir brauchen das Signal an
die arabische Welt. Wir stützen die jungen Menschen,
die für Freiheit kämpfen, und wir stützen nicht die Despoten. Wenn dieses Signal fehlt, dann hat dieses Land
ein erhebliches außenpolitisches Problem.
({1})
Kollege Nüßlein.
Sehr geehrter Herr Kollege Arnold, erstens bewundere ich die hellseherischen Fähigkeiten, die hier etliche
Kolleginnen und Kollegen zu haben scheinen, sodass
sie, ohne zu wissen, wie die Entscheidung ausgeht, was
die Grundlage der Entscheidung ist und wie sie begründet ist, schon sagen können, wer verantwortungsvoller
handelt und wo die Wahrnehmung der Verantwortung
besser aufgehoben ist.
Zweitens. Was Sie zu dem Thema Israel gesagt haben,
deckt sich mit dem, was ich gesagt habe. Im Übrigen haben Sie ja hauptsächlich den Kollegen Lindner angesprochen.
Drittens. Kollege Ströbele, diese Verdächtigungen
sind abstrus, abscheulich und unglaublich.
({0})
Ich finde es absolut unangemessen, dass Sie hier einen
Eindruck erwecken wollen, der haltlos ist und mit dem
Sie im Übrigen nicht nur eine Fraktion treffen, sondern
am Schluss wieder die gesamte politische Klasse beschädigen werden. Ich bitte Sie, doch wenigstens das zu berücksichtigen.
Vielen Dank.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/6528 mit dem Ti-
tel „Keine Panzer an Saudi-Arabien verkaufen“. Wir
stimmen über den Antrag auf Verlangen der Fraktion Die
Linke nun namentlich ab.
An dieser Stelle will ich erwähnen, dass zu den drei
namentlichen Abstimmungen eine Reihe von schriftli-
chen Erklärungen gemäß § 31 der Geschäftsordnung
vorliegen.1) Auch über die beiden anderen Anträge wird,
wie schon bekannt gegeben, namentlich abgestimmt.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ist das erfolgt? - Das
ist der Fall. Dann eröffne ich die erste namentliche Ab-
stimmung.
Die obligate Frage: Haben alle anwesenden Mitglie-
der des Bundestages abgestimmt? - Das ist offensicht-
lich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen.2)
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion der SPD auf Drucksache 17/6540 mit dem Titel
1) Anlagen 2 bis 4
2) Ergebnis Seite 14326 A
„Keine Rüstungsgüter in Spannungsgebiete - Für die
Einhaltung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik“.
Auch von der Fraktion der SPD wurde namentliche Ab-
stimmung verlangt. Haben die Schriftführerinnen und
Schriftführer ihre Plätze wieder eingenommen? - Das ist
offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich die zweite na-
mentliche Abstimmung.
Haben alle Abgeordneten abgestimmt? - Das ist of-
fensichtlich der Fall. Dann schließe ich die zweite Ab-
stimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen.3)
Wir kommen zur dritten namentlichen Abstimmung
über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 17/6529 mit dem Titel „Keine Genehmi-
gung zur Lieferung von Kriegswaffen an Saudi-Ara-
bien“. Über diesen Antrag stimmen wir ebenfalls na-
mentlich ab. Haben die Schriftführerinnen und
Schriftführer ihre Plätze wieder eingenommen? - Das ist
offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich die dritte und
letzte namentliche Abstimmung.
Wenn ich es richtig sehe, haben alle Kolleginnen und
Kollegen abgestimmt. - Es gibt keinen Widerspruch.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen.4) Die Ergebnisse aller drei namentlichen Ab-
stimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie bitte
Platz, damit wir in den Beratungen fortfahren können.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 49 a und b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Maria Michalk, Ingrid Fischbach, Karl
Schiewerling, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Gabriele Molitor, Heinz Lanfermann, Dr.
Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Für eine umfassende Umsetzung der UN-Be-
hindertenrechtskonvention - Nationaler Ak-
tionsplan als Leitlinie
- Drucksachen 17/4862, 17/6155 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Gabriele Molitor
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({1})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja
Seifert, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Kostenvorbehalt in § 13 des Zwölften Bu-
ches Sozialgesetzbuch streichen - Selbstbe-
3) Ergebnis Seite 14328 A
4) Ergebnis Seite 14330 B
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
stimmtes Leben für Menschen mit Behinderungen gewährleisten
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja
Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W.
Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
zu der Mitteilung der Kommission an das
Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss
und den Ausschuss der Regionen
Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010 - 2020: Erneuertes Engagement für ein barrierefreies
Europa
KOM({2}) 636 endg.; Ratsdok. 16489/10
hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 2 des
Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes
über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union
Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010 - 2020 unterstützen
- Drucksachen 17/4911, 17/5043, 17/6154 Berichterstattung:
Abgeordneter Markus Kurth
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Maria
Michalk für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({3})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, dass seit dem 26. März 2009 die UNKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung auch in Deutschland völkerrechtlich verbindlich ist.
Zu ihrer konkreten Umsetzung hat die Bundesregierung
nach einem sehr, sehr langen, intensiven und breiten
Diskussionsprozess am 15. Juni dieses Jahres den Nationalen Aktionsplan erarbeitet und beschlossen.
Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben uns gemeinsam mit unserem Koalitionspartner frühzeitig in
diesen Prozess eingeschaltet und mit einem separaten
Antrag noch einmal auf besondere Schwerpunkte hingewiesen. Darum geht es heute.
Wir würdigen ausdrücklich, dass Deutschland unter
den ersten Unterzeichnerstaaten ist, und danken der
Bundesregierung ausdrücklich dafür. Das verdeutlicht
nämlich, dass wir in Deutschland die universellen Menschenrechte für die speziellen Bedürfnisse und Lebenslagen behinderter Menschen sehr ernst nehmen. Ich kann
die Kritik, zum Beispiel des Deutschen Behindertenrates
oder der Behindertenverbände, hinsichtlich der Einbeziehung in die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans
und des Ersten Staatenberichtes der Bundesregierung zur
UN-Behindertenrechtskonvention überhaupt nicht verstehen. Sie kritisieren, dass sie zu wenig eingebunden
waren und die Bundesregierung die Zusammenarbeit
nicht gepflegt hätte, wie wir in den letzten Tagen lesen
durften.
Das sehe ich ganz und gar nicht so. In den vielen Jahren meiner parlamentarischen Tätigkeit habe ich selten
in einem Arbeitsfeld einen so intensiven, umfangreichen, detaillierten und gründlichen Dialogprozess erlebt
wie im letzten Jahr zu diesem speziellen Thema.
({0})
Die großen wie auch die kleinen Verbände und besonders die betroffenen Menschen waren mit einbezogen.
Die Beschlussfassung obliegt am Ende der Bundesregierung. Das liegt in unserer Demokratie in der Natur
der Sache.
Verbandshandeln und Regierungshandeln ist nicht ein
und dasselbe. Es geht darum, das Notwendige und Wünschenswerte gemeinsam zu erarbeiten und dann das
Machbare zu beschließen und umzusetzen.
({1})
Das ist verantwortungsvolle Politik und letztlich unser
täglich Brot auch hier im Parlament. Das haben bisher
auch alle anderen Bundesregierungen so praktiziert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns unsere in jahrelanger gemeinsamer Arbeit geschaffenen
guten Grundlagen weder von Interessenverbänden noch
von einseitig gespeisten UN-Kommissionen zerreden
lassen. Wir müssen hier gemeinsam handeln.
Ich danke der Bundesregierung, konkret unserem
Bundesministerium für Arbeit und Soziales, und allen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die über viele Monate die Zusammenarbeit mit den vielen unterschiedlichen Verbänden und Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung gestaltet und gepflegt haben und
so gemeinsam dazu beigetragen haben, einen Perspektivwechsel in der Behindertenpolitik einzuleiten.
Der Perspektivwechsel, der durch den Begriff Inklusion gekennzeichnet ist, ist ein hohes Gut an sich. Behinderte brauchen nicht Mitleid, Überbetreuung und schon
gar nicht fürsorgliche Bevormundung. Notwendig ist für
sie partnerschaftliche Anerkennung als vollwertige Menschen, Motivation zur Selbstständigkeit und Hilfe dort,
wo es nicht anders geht. Wir wollen die Hilfen auf allen
gesellschaftlichen Ebenen eben nicht pauschal erbringen, sondern konkret und sehr individuell am Menschen
orientiert.
Dieser neue Ansatz muss mit Leben erfüllt werden
und bedeutet, dass so manches lieb gewordene Denken
in den Entscheidungsebenen über Bord geworfen werden muss. Wir werden diese Aufgabe nicht durch Streit
und Vorwürfe erfüllen, sondern durch eine konstruktive
Zusammenarbeit. Das muss uns gelingen; denn immerhin leben etwa 10 Prozent unserer Bevölkerung mit einer
Behinderung und müssen ihr tägliches Leben meistern.
Die Mehrzahl der Behinderungen wird erst im Laufe des
Lebens erworben. Niemand weiß, ob er morgen früh gesund aufwacht oder heute Abend gesund nach Hause
kommt.
Jeder kann jederzeit von einer Behinderung betroffen
sein. Deshalb ist es falsch zu meinen, dies sei ein Thema
allein der Betroffenen, ihrer Verbände und Selbsthilfegruppen oder der Politik. Nein, dieses Thema geht alle in
unserer Gesellschaft an.
Je freundschaftlicher und fairer wir gemeinsam in der
Öffentlichkeit daran arbeiten, desto mehr Menschen
werden wir für diese Aufgabe gewinnen. Wo man sich
streitet, geht niemand gern hin.
Inklusion ist kein Ergebnis, sondern ein Prozess.
({2})
Inklusion ist eine Leitlinie, an der wir uns konsequent
orientieren und an die wir uns kontinuierlich annähern.
Vielleicht schaffen wir das nie vollständig. Es ist ein
Prozess, und es gibt immer wieder Verbesserungen. Unser persönliches Tun oder unser politisches Handeln
wird durch solche einfachen Kategorien wie Geduld,
Respekt und Wahrhaftigkeit bestimmt. Es wird dadurch
viel einfacher gemacht.
Jeder von uns, aber auch Einrichtungen jeder Art, ob
Kommunen, Organisationen, Unternehmen, Kirchen
oder Verbände, sind jetzt mit dem Nationalen Aktionsplan angeregt, das eigene Handeln zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu gestalten und eigene Aktionspläne
zu schaffen. Dafür gibt es schon gute Beispiele.
In der Praxis ist es aber leider immer noch so - das
zeigen Gutachten -, dass viele in unserem Land mit der
UN-Behindertenkonvention nicht viel anfangen können.
Fragt man sie aber, ob sie sich für dieses Thema engagieren würden, sagen 80 Prozent der Bevölkerung Ja. Das
macht Mut, und das müssen wir nutzen.
In vielen Büros stehen dicke Aktenordner, gefüllt mit
Informationen darüber, welche Maßnahmen es gibt und
was wir an Gutem alles tun. In den zurückliegenden Jahren ist auf diesem Gebiet in der Tat sehr viel geschehen.
Wir haben hohe Standards erreicht. Aber manchmal
sieht die Wirklichkeit auch anders aus.
Im Bereich der Barrierefreiheit wird das am deutlichsten. Ich möchte, dass jeder einen Platz in der Gesellschaft haben kann und auf allen Gebieten, ob auf der
Straße, im Büro, in der Kultur, im Sport, das, was wir
mit „Barrierefreiheit“ bezeichnen, erreicht wird. Daran
sollten wir arbeiten.
({3})
Ich möchte eine letzte Anmerkung machen. In unserem Antrag ist festgeschrieben, dass wir das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ auch in Zukunft haben
wollen, damit Menschen so lange wie möglich in ihrem
vertrauten Wohnumfeld leben können. Deshalb ist es für
mich persönlich überraschend, dass für dieses Programm
im Haushaltsentwurf 2012 eine Null steht. Ich glaube,
dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Der Aktionsplan ist ein Maßnahmenpaket. Helfen wir
alle gemeinsam mit, ihn umzusetzen! Ich freue mich darauf, diese anspruchsvolle Aufgabe für die Zukunft zu
lösen.
Ich danke Ihnen.
({4})
Das Wort hat die Kollegin Silvia Schmidt für die
SPD-Fraktion.
({0})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Gestern war der Plenarsaal sehr voll. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen haben die UN-Behindertenrechtskonvention angesprochen und gehofft, dass an solchen Debatten mehr Kolleginnen und Kollegen
teilnehmen würden. Wir hoffen, dass sich das in der
nächsten Zeit bessert; denn das, was heute passiert, ist
ein Einstieg.
Im Grunde genommen bräuchten wir die Debatte
nicht, weil die Anträge schon zu alt sind. Wir haben einen Aktionsplan. Im Antrag steht noch, dass 10 Prozent
der Menschen hier behindert sind. Es sind aber 11,6 Prozent. Es gibt also eine deutliche Steigerung, vor allem
bei der Zahl von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Da beträgt der Anteil etwa 25 Prozent.
Wir haben damals das SGB IX entwickelt - Sie alle
waren dabei -; darauf ist das Haus stolz. Was die Herangehensweise an das SGB IX und die Kritik der Behindertenverbände an der Einbeziehung angeht, muss man
feststellen: Es war damals anders. Wir haben damals alle
mit einbezogen. Wir haben damals nicht nur zwei, drei
oder vier Runden gehabt, sondern es waren intensivste
Gespräche. Wir konnten sie schon gar nicht mehr zählen.
Jedes Mal, wenn ein neuer Referentenentwurf auf dem
Tisch lag, wurde kritisiert: Schon wieder etwas Neues! Wir haben uns intensivst damit auseinandergesetzt.
Nicht wir sind die Experten, sondern die Menschen mit
Behinderung sind die Experten vor Ort. Sie wissen, was
sie wollen; da können wir ihnen nichts vorgeben.
({0})
Wir haben damals in New York - dafür bin ich Franz
Thönnes noch dankbar - die UN-Konvention unterzeichnet. Sie ist Recht in Deutschland. Es gibt sogar ein Individualrecht - das sollte man nicht vergessen -, das Individualrecht auf inklusive Bildung. Das kommt in der
Debatte allerdings wenig vor.
Lassen Sie mich noch einiges bemerken. Frau
Michalk, Sie haben mit Recht gesagt: Das Programm
„Soziale Stadt“ findet nicht mehr statt.
({1})
Silvia Schmidt ({2})
Wir wollen einen inklusiven Sozialraum. Wir wollen
Barrieren abschaffen, damit die Menschen von einem
Ort zum anderen kommen. Damit erzielt man Kosteneinsparungen und ermöglicht eine Teilhabe am Leben, eine
Teilhabe an der Gesellschaft, ein selbstbestimmtes Leben. Menschen mit Behinderungen möchten so leben
wie alle anderen Menschen auch. Sie möchten nicht immer fragen: Kannst du mir mal helfen? Kannst du mir
mal einen Transport zur Verfügung stellen, damit ich von
A nach B komme?
Wir haben das in unserem Positionspapier deutlich
gemacht. Wir haben uns in diesem Papier daran orientiert, wie wir damals beim SGB IX vorgegangen sind.
Wir haben die Menschen mit Behinderungen eingeladen.
Wir haben mit ihnen gesprochen. Sie haben uns gesagt,
was sie wollen. Das waren keine Wunschträume. Das
waren auch keine Visionen. Helmut Schmidt hat damals
eine deutliche Bemerkung über Menschen mit Visionen
gemacht. Es ging vielmehr um notwendige Maßnahmen,
um die UN-Menschenrechtskonvention umzusetzen.
Das dürfen wir nicht vergessen.
Ich vermisse sowohl in Ihrem Antrag als auch in Ihrem Nationalen Aktionsplan - wir werden im Oktober
eine Anhörung dazu haben; dieser Aktionsplan soll sich
ja weiterentwickeln - mit Blick auf die Pflege folgenden
Punkt: Die Pflegeversicherung ist immer noch kein Rehaträger. Alle Menschen, die pflegebedürftig sind, sind im
Sinne des § 2 SGB IX Menschen mit Behinderung. Sie
haben deswegen entsprechende Ansprüche. Aber nicht
alle Menschen mit Behinderungen sind auch pflegebedürftig. Um Teilhabe zu garantieren, brauchen wir unbedingt eine Pflegeversicherung, die im SGB IX verankert
ist.
Wir wollen auch, dass die Reform der Eingliederungshilfe - das sagen wir in unserem Positionspapier
deutlich - zu einem Leistungsgesetz führt. So haben die
Betroffenen einen Anspruch auf Leistungen aus einer
Hand. Sicherlich wird das Ganze nicht preiswert werden; das würde auch niemand behaupten. Auf der anderen Seite stehen 44 Milliarden Euro - diese Zahl steht im
Aktionsplan - zur Verfügung.
Es ist klar, dass man die Strukturen verändern muss.
Aber wenn es aufgrund eines Leistungsgesetzes im Rahmen der Eingliederungshilfe Anspruch auf Teilhabe gibt,
dann muss man damit rechnen, dass das etwas kostet.
Wenn man aber, wie in Ihrem Antrag geschehen, im Vorfeld schon sagt, alles stehe unter einem Haushaltsvorbehalt, dann wird diese Tür wieder zugemacht. Es wird
also gar nicht darüber nachgedacht, was mit dem Geld,
das vorhanden ist, geschehen soll. Man könnte es zum
Beispiel für neue Strukturen verwenden. Nein, es wird
vielmehr gesagt: Es soll alles so bleiben, wie es ist, aber
es darf nicht mehr kosten. - Das ist für mich eine sehr
ernste Angelegenheit. Wir brauchen neue Strukturen und
neue Öffnungsmöglichkeiten im SGB IX. Wir müssen
Dienstleistungen zusammenfassen bzw. sie aus einer
Hand anbieten.
Der andere Bereich, der auch in Ihrem Antrag erwähnt wird, ist der Bereich Arbeit. Wir wissen, dass Arbeit vor allen Dingen für diejenigen Menschen mit Behinderung wichtig ist, die sich besonders engagieren und
einbringen wollen. Auch das ist bekannt. Auf der anderen Seite gibt es eine Diskussion über den Integrationsfachdienst. Es wurden hier schon Leistungen aufgeteilt,
und zwar in die Vermittlungsleistungen und in die Leistung für die Begleitung. Ich kann Ihnen nur sagen: Das
verstehe ich nicht unter „Leistung aus einer Hand“.
Das wollten der Gesetzgeber und wir damals auch
nicht, als wir mit Blick auf das SGB IX gesagt haben:
Lasst den betroffenen Menschen Hilfe und Unterstützung zuteil werden, damit sie auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz finden. Ich kann nicht auf der
einen Seite die Werkstätten verteufeln, und auf der anderen Seite wird die Tür zugemacht. Das geht nicht. Deswegen freue ich mich besonders darüber - wir haben in
der Ausschussrunde darüber gesprochen -, dass die Anträge erst einmal ausgesetzt werden. Wir stellen sie jetzt
nicht zur Abstimmung. In der Sommerpause reden wir
gemeinsam darüber. Nach der sehr intensiven Anhörung
zu den Integrationsfachdiensten werden wir darüber
noch einmal diskutieren. Danach werden wir sicherlich
einen Weg finden, diese Leistungen beim Integrationsfachdienst beizubehalten.
({3})
Ich komme zu einem anderen sehr wichtigen Bereich
- ich habe es vorhin kurz anklingen lassen -: Es gibt die
Reform der Eingliederungshilfe. Aber diese Reform betrifft wahrscheinlich nur die Länder; denn sie kommt in
Ihrem Antrag nicht vor. Auch in Ihrem Aktionsplan kann
ich dazu nichts finden. Das heißt, wir nehmen immer
noch in Kauf, dass Menschen mit Behinderungen automatisch zu Sozialhilfeempfängern werden. Das ist einfach eine Tatsache. Denn unabhängig von den benötigten Hilfsmitteln sind diese Menschen auf Sozialhilfe
angewiesen. Sie werden also sozusagen arm gemacht.
Das kann sogar einen Akademiker betreffen, der sich
vielleicht nur noch ein Straßenbahnticket leisten kann.
Allerdings muss die Bahn dann barrierefrei sein; das
wäre ein weiterer Punkt.
Die Reform der Eingliederungshilfe - das betrifft den
Antrag der Linken - sollte so ausgestaltet sein, dass die
Leistungen vermögensunabhängig sind. Wir dürfen die
Menschen, die heutzutage unsere Unterstützung brauchen, nicht im Regen stehen lassen. Wir können ihnen
nicht sagen: Da habt ihr Pech gehabt. Ihr steht jetzt auf
der Schattenseite der Gesellschaft. - Nein, das geht
nicht. Ich versichere Ihnen: Es gibt nicht viele Millionäre unter den Menschen mit Behinderungen. Das können Sie mir glauben. Unterstützen Sie uns bei unserer
Arbeit. Ich freue mich auf die weiteren Debatten in diesem Hohen Haus und wünsche Ihnen natürlich eine
schöne Sommerpause.
({4})
Bevor wir mit der Debatte fortfahren, kommen wir zu
den namentlichen Abstimmungen zurück. Ich gebe Ihnen die von den Schriftführerinnen und Schriftführern
Vizepräsidentin Petra Pau
ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt.
Ich gebe Ihnen zuerst das Ergebnis zum Antrag der
Fraktion Die Linke „Keine Panzer an Saudi-Arabien verkaufen“ auf Drucksache 17/6528 bekannt: abgegebene
Stimmen 543. Mit Ja haben gestimmt 135 Kolleginnen
und Kollegen, mit Nein haben gestimmt 301 Kolleginnen und Kollegen. Es gab 107 Enthaltungen. Damit ist
dieser Antrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 543;
davon
ja: 135
nein: 301
enthalten: 107
Ja
SPD
Klaus Barthel
Marco Bülow
Daniela Kolbe ({0})
Steffen-Claudio Lemme
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({1})
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Rüdiger Veit
Heidemarie Wieczorek-Zeul
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({2})
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({3})
Volker Beck ({4})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({5})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Undine Kurth ({6})
Monika Lazar
Tobias Lindner
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({7})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({8})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Till Seiler
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({9})
Manfred Behrens ({10})
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({11})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({12})
Dirk Fischer ({13})
Axel E. Fischer ({14})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({15})
Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Vizepräsidentin Petra Pau
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({16})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({17})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({18})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({19})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({20})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({21})
Anita Schäfer ({22})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Christian Schmidt ({23})
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön ({24})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Armin Schuster ({25})
Detlef Seif
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({26})
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({27})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({28})
Peter Weiß ({29})
Sabine Weiss ({30})
Ingo Wellenreuther
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Bernhard Brinkmann
({31})
Michael Hartmann
({32})
Johannes Kahrs
Hans-Ulrich Klose
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({33})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth ({34})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({35})
Michael Link ({36})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Petra Müller ({37})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({38})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({39})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({40})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({41})
Enthalten
CDU/CSU
Frank Heinrich
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Hans-Peter Bartels
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Lothar Binding ({42})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Edelgard Bulmahn
Petra Crone
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Vizepräsidentin Petra Pau
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Hubertus Heil ({43})
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({44})
Frank Hofmann ({45})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Christian Lange ({46})
Dr. Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({47})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
René Röspel
Karin Roth ({48})
Marlene Rupprecht
({49})
Axel Schäfer ({50})
Bernd Scheelen
Werner Schieder ({51})
Ulla Schmidt ({52})
Silvia Schmidt ({53})
Carsten Schneider ({54})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({55})
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Wir kommen zum Antrag der Fraktion der SPD
„Keine Rüstungsgüter in Spannungsgebiete - Für die
Einhaltung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik“ auf
Drucksache 17/6540: abgegebene Stimmen 544. Mit Ja
haben gestimmt 246 Kolleginnen und Kollegen, mit
Nein haben gestimmt 298 Kolleginnen und Kollegen. Es
gab keine Enthaltung. Der Antrag ist ebenfalls abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 543;
davon
ja: 245
nein: 298
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Lothar Binding ({56})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Bernhard Brinkmann
({57})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({58})
Hubertus Heil ({59})
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({60})
Frank Hofmann ({61})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({62})
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Christian Lange ({63})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({64})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({65})
Marlene Rupprecht
({66})
Axel Schäfer ({67})
Bernd Scheelen
Werner Schieder ({68})
Ulla Schmidt ({69})
Silvia Schmidt ({70})
Carsten Schneider ({71})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({72})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Vizepräsidentin Petra Pau
Waltraud Wolff
({73})
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({74})
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({75})
Volker Beck ({76})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({77})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Undine Kurth ({78})
Monika Lazar
Tobias Lindner
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({79})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({80})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Till Seiler
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({81})
Manfred Behrens ({82})
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({83})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({84})
Dirk Fischer ({85})
Axel E. Fischer ({86})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({87})
Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({88})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({89})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({90})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Vizepräsidentin Petra Pau
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({91})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({92})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({93})
Anita Schäfer ({94})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Christian Schmidt ({95})
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön ({96})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Armin Schuster ({97})
Detlef Seif
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({98})
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({99})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({100})
Peter Weiß ({101})
Sabine Weiss ({102})
Ingo Wellenreuther
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({103})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth ({104})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({105})
Michael Link ({106})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Petra Müller ({107})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({108})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({109})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({110})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({111})
Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
„Keine Genehmigung zur Lieferung von Kriegswaffen
an Saudi-Arabien“ auf Drucksache 17/6529: abgegebene
Stimmen 542. Mit Ja haben gestimmt 243 Kolleginnen
und Kollegen, mit Nein 297 Kolleginnen und Kollegen.
Es gab zwei Enthaltungen. Auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 542;
davon
ja: 243
nein: 297
enthalten: 2
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Lothar Binding ({112})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Bernhard Brinkmann
({113})
Edelgard Bulmahn
Petra Crone
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Vizepräsidentin Petra Pau
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({114})
Hubertus Heil ({115})
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({116})
Frank Hofmann ({117})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({118})
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Christian Lange ({119})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({120})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({121})
Marlene Rupprecht
({122})
Axel Schäfer ({123})
Bernd Scheelen
Werner Schieder ({124})
Ulla Schmidt ({125})
Silvia Schmidt ({126})
Carsten Schneider ({127})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({128})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({129})
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({130})
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({131})
Volker Beck ({132})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({133})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Undine Kurth ({134})
Monika Lazar
Tobias Lindner
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({135})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({136})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Till Seiler
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({137})
Manfred Behrens ({138})
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({139})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({140})
Dirk Fischer ({141})
Axel E. Fischer ({142})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({143})
Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Vizepräsidentin Petra Pau
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({144})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({145})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({146})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({147})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({148})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({149})
Anita Schäfer ({150})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Christian Schmidt ({151})
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön ({152})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Armin Schuster ({153})
Detlef Seif
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({154})
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({155})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({156})
Peter Weiß ({157})
Sabine Weiss ({158})
Ingo Wellenreuther
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Johannes Kahrs
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({159})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth ({160})
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({161})
Michael Link ({162})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Petra Müller ({163})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({164})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({165})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({166})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({167})
Enthalten
CDU/CSU
Frank Heinrich
SPD
Marco Bülow
Vizepräsidentin Petra Pau
Wir fahren nun in der Debatte fort. Das Wort hat die
Kollegin Gabriele Molitor für die FDP-Fraktion.
({168})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Silvia Schmidt, ich finde es sehr bedauerlich, dass
Sie diese Debatte zu unserem Antrag dazu benutzen,
eine Vielzahl an Vorwürfen gegen uns zu schmettern, um
dann gleichzeitig zu sagen, das SGB IX sei ein gelungenes Gesetz, das jetzt seinen zehnten Geburtstag feiert.
Dieses Gesetz krankt daran, dass ganz viele Dinge nicht
umgesetzt werden. Es gibt viele Umsetzungsprobleme,
um die wir uns zu kümmern haben. Der gesetzliche Rahmen ist häufig sehr gut, aber die Durchführung ist das eigentliche Problem, wenn es darum geht, Teilhabe von
Menschen mit Behinderungen umzusetzen.
Die Grundlage dessen, was wir hier heute debattieren, ist die UN-Behindertenrechtskonvention, die ja im
Kern etwas völlig Selbstverständliches festhält, nämlich
dass Menschen mit Behinderungen Menschenrechte haben. Das ist keinesfalls überall in der Welt eine Selbstverständlichkeit.
Bei uns hat die UN-Behindertenrechtskonvention ein
Umdenken eingeleitet, für das der Begriff Inklusion steht.
Inklusion meint eben die umfassende und uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Grundlegend ist dabei die Auffassung, dass ein Mensch eben
nicht behindert ist, sondern dass er behindert wird, und
nicht der behinderte Mensch hat sich auf die Bedingungen der Gesellschaft einzustellen, sondern die Gesellschaft muss Strukturen schaffen, damit eine umfassende
Teilhabe ermöglicht werden kann.
({0})
Für mich als liberale Sozialpolitikerin geht es im
Kern darum, Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die Koalitionsfraktionen haben einen gemeinsamen Antrag gestellt, den ich
keinesfalls als überholt betrachte. Denn sonst müssten
wir ja konstatieren, alles sei schon wunderbar und wir
müssten keine politischen Ziele mehr für die Menschen
mit Behinderungen verwirklichen.
Die Bundesregierung hat einen Nationalen Aktionsplan vorgelegt, kurz NAP genannt, den wir als Gesamtstrategie verstehen, als Fahrplan für das, was wir künftig
angehen wollen.
Erlauben Sie mir, ein Thema besonders in das Zentrum der Debatte zu rücken, nämlich das Thema Bildung.
Wenn behinderte und nichtbehinderte Kinder miteinander lernen, begreifen sie sehr schnell, dass es normal ist, verschieden zu sein. Deshalb sprechen wir uns in
unserem gemeinsamen Antrag auch für den Ausbau der
inklusiven Bildung aus.
({1})
Gleichzeitig machen wir aber auch deutlich, dass das
Kindeswohl dabei immer die oberste Richtschnur sein
muss. In der augenblicklichen Inklusionsdebatte hat es
doch den Anschein, als ginge es nur darum, Kinder mit
Behinderungen so schnell wie möglich aus der Förderschule herauszunehmen und in die Regelschule zu geben. So einfach funktioniert das eben nicht, weil auch
die Ressourcenfrage diskutiert werden muss. Lehrer
müssen entsprechend ausgebildet sein. Schulgebäude
müssen barrierefrei sein. Es muss eine vernetzte Zusammenarbeit zwischen Heilpädagogen, Sonderpädagogen
und anderen Fachleuchten stattfinden.
Wir brauchen nicht über inklusive Bildung zu reden,
wenn wir nicht auch zu Bildungsinvestitionen bereit
sind. Es ist geradezu bezeichnend, dass hier in Berlin das
Inklusionskonzept „Inklusive Schule“ des SPD-Bildungssenators Zöllner von den eigenen Fachpolitikern
der rot-roten Regierungskoalition abgelehnt wurde.
Wenn Inklusion nichts kosten darf, wird auf dem Rücken
der Kinder gespart. In Berlin heißt das: Die Zahl der Förderstunden für behinderte Kinder werden gekürzt, Mittel
gedeckelt und Integrationshelferstunden nicht bewilligt.
Das entspricht weder formal noch fachlich den völkerrechtlichen Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention.
({2})
Besondere Bedeutung kommt - das ist schon angeklungen - der Teilhabe am Arbeitsleben zu. Durch Arbeit bestreiten wir unseren Lebensunterhalt. Arbeit gibt
das Gefühl, gebraucht zu werden. Wir müssen darüber
diskutieren, wie der Zugang von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt verbessert werden kann. Dabei haben die Werkstätten durchaus ihre Berechtigung.
Es muss aber auch darum gehen, neue Wege in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Hier kann das eine oder andere noch verbessert werden. Das sollte die Bundesregierung in Angriff nehmen.
Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass unsere Gesellschaft älter wird. Von Jahr zu Jahr sind mehr Menschen
auf Unterstützung angewiesen. Es muss darum gehen,
auch älteren Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben und den Verbleib in der gewohnten Umgebung zu ermöglichen sowie für sie Wohnmöglichkeiten bereitzuhalten, damit ein Älterwerden in Würde
möglich ist.
Die UN-Behindertenrechtskonvention ist kein Menschenrechtsvertrag ausschließlich für behinderte Menschen. Sie ist nur so gut, wie sie von der Gesellschaft
mitgetragen wird. Sie zielt nämlich auf Veränderungen
in der gesamten Gesellschaft ab. Die Vision der Konvention beschreibt eine Gesellschaft, in der wir alle unabhängig von unseren individuellen Merkmalen anerkannt
und akzeptiert sind. Sie bleibt aber nur ein Dokument,
wenn sie nicht auch Konsequenzen für unser aller Handeln hat. Der Gesetzgeber und die Politik können nur einen Rahmen geben. Die Menschen müssen das Bild malen.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat der Kollege Dr. Ilja Seifert für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass
die Kollegen bislang eine tolle Generaldebatte über die
Behindertenpolitik führen. Aber ich will zum Tagesordnungspunkt zurückkehren. Es liegen drei Anträge vor,
über die wir heute zu entscheiden haben. Die Koalition
verlangt in ihrem Antrag, einen Nationalen Aktionsplan
vorzulegen. Die Linke verlangt in ihren beiden Anträgen, einerseits den Kostenvorbehalt in § 13 des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch zu streichen
({0})
und andererseits die Europäische Strategie zugunsten
von Menschen mit Behinderungen zu unterstützen.
Ich will Ihnen die Begründung vortragen, warum die
Union die Anträge der Linken ablehnt. Ich zitiere aus der
Beschlussempfehlung des Ausschusses:
Die Fraktion der CDU/CSU lehnte die Anträge als
überholt ab.
Wahrscheinlich ist mir das entgangen, liebe Frau Kollegin Michalk; wenn diese aber überholt wären, dann wundere ich mich, dass noch immer Menschen gegen ihren
Willen in Heimen leben müssen.
({1})
Leider ist es mir auch entgangen, dass Sie in Brüssel wie
verrückt dafür kämpfen, dass endlich die Europäische
Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen
2010 bis 2020 umgesetzt bzw. erst einmal beschlossen
wird. Weiter heißt es in Ihrer Begründung der Ablehnung:
Die Streichung des Kostenvorbehalts in § 13 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch werde sich
eventuell durch andere Maßnahmen erledigen.
Das finde ich richtig spannend.
Wenn das wirklich so ist, dann ist es mir entgangen,
dass Sie heimlich daran arbeiten, den Kostenvorbehalt
zu streichen. Machen Sie bitte heimlich weiter, aber irgendwann muss es einmal werden. Sie haben es angekündigt, aber es hat noch niemand etwas davon gemerkt.
({2})
Es geht weiter:
Insgesamt müsse man
- damit lassen Sie die Katze aus dem Sack auch bei der Behindertenpolitik berücksichtigen,
dass Steuergelder nur begrenzt verfügbar seien.
Das ist eine Binsenweisheit.
Wichtig sei auch, keine unerfüllbaren Versprechungen zu geben.
Was soll denn das?
({3})
Gerade haben Sie eine Eloge auf die Menschenrechtsdimension der Behindertenrechtskonvention gesungen.
Gerade haben Sie erzählt, dass es um Menschenrechte
geht, die angeblich unteilbar sind und auf der ganzen
Welt gleichermaßen Geltung haben, selbstverständlich
für Menschen mit und für solche ohne Behinderungen.
Welches unerfüllbare Versprechen wecken Sie denn für
Menschen mit Behinderungen, wenn es darum geht, dass
sie voll am Leben teilhaben dürfen?
Dann heißt es weiter:
Man müsse realistisch bleiben.
Der Satz stimmt auch immer.
Daher würden die beiden Anträge abgelehnt.
Das haben Sie im Ausschuss zu Protokoll gegeben. Mit
solchen fadenscheinigen Begründungen lehnen Sie unsere guten Anträge ab.
Nun wollen wir zu Ihrem Antrag kommen. Er wurde
im März anstelle des von der Regierung angekündigten
Aktionsplans ins Parlament eingebracht. Das Positive
daran ist, dass wir wenigstens eine Debatte über Behindertenpolitik führen konnten. Die Regierung hat es nicht
einmal zustande gebracht, einen entsprechenden Antrag
einzubringen. Also: ein Lob dafür, aber nur dafür.
Das Ziel Ihres Antrags bestand darin, der Bundesregierung Hinweise zu geben, was im Aktionsplan eigentlich stehen müsste und was sie besonders berücksichtigen sollte. Wenn Sie das über das Parlament machen, ist
das Ihre Sache. Okay. Am 15. Juni wiederum hat die
Bundesregierung ihren Aktionsplan beschlossen. Dass
dieser auf einhellige Kritik aller in der Behindertenbewegung Aktiven stieß, ist hinlänglich bekannt. Sie haben
gerade versucht, das zurückzuweisen. Das ändert aber
nichts an der Tatsache, dass dem so ist. Warum erklärt
dann die Koalition, also Sie, ihren eigenen Antrag nicht
für erledigt? Denn die Regierung hat doch ihren Nationalen Aktionsplan vorgelegt, was Sie jetzt mit Ihrem
Antrag verlangen. Sie erklären ihn nicht für erledigt. Dafür gibt es nur eine mögliche Erklärung.
({4})
Es könnte sein, dass die Bundesregierung in dem Aktionsplan, den sie vorgelegt hat, nicht einmal ausreichend ihre eigenen Forderungen berücksichtigt hat.
Wenn dem so wäre, würde die Koalition weiter gehen als
die Regierung - komischerweise macht sie es nicht -,
und dann könnte man dem Antrag zustimmen. Da dem
aber nicht so ist und Ihr Antrag genauso schlecht wie der
Nationale Aktionsplan der Regierung ist, tut es mir leid,
dass wir Ihren Antrag ablehnen müssen.
({5})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der
Kollege Markus Kurth das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir hängt immer noch die gestrige Debatte zur Präimplantationsdiagnostik nach, und mir klingen noch gut die Beschwörungen der Befürworter einer Freigabe der PID im Ohr, die
oft gesagt haben, sie wollten Menschen mit Behinderungen nicht diskriminieren, und auf die Verhältnisse in
Skandinavien verwiesen haben, um zu zeigen, dass PID
und ein vernünftiger Standard von Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen möglich
sind. Eigentlich müssten alle diejenigen, die dies beteuert und mit dem Beispiel Skandinavien argumentiert haben, den Aktionsplan der Bundesregierung auf das
Schärfste kritisieren und eine ganz andere Richtung einschlagen.
({0})
Angesichts ihres Auftritts während der gestrigen PIDDebatte fordere ich die Ministerin Ursula von der Leyen,
die jetzt nicht hier ist, auf, den Aktionsplan zurückzuziehen und zu überarbeiten.
({1})
Ich will ein Zitat anführen, das mich schon - das muss
ich wirklich so sagen - mit Bitterkeit erfüllt hat. Sie
sagte über die PID:
Ein Totalverbot geht eher von einem unmündigen
Menschen aus. Wir
- also die PID-Befürworter gehen von einem mündigen Menschen aus.
Im Zusammenhang mit der Lebenswirklichkeit von
Menschen mit Behinderung und vor allen Dingen im Zusammenhang mit dem weitgehend ambitionslosen Aktionsplan ist das schockierend. Der mündige Bürger darf
entscheiden, was lebenswertes Leben und was nicht lebenswertes Leben ist. Dem Menschen mit Beeinträchtigungen, dem Menschen mit Behinderung bleibt in vielen
Lebensbereichen die Mündigkeit einfach versagt.
({2})
Der Mensch mit Behinderung muss im Heim oder sogar im Pflegeheim bleiben, wenn der Sozialhilfeträger
die Kosten einer eigenen Häuslichkeit für unangemessen
hält. Er muss sein Einkommen für die Teilhabe an gesellschaftlichem, sozialem und kulturellem Leben einsetzen. Allein die Tatsache, dass er behindert ist, macht
ihn sein Leben lang zum Sozialhilfeempfänger.
({3})
Ein Mensch mit Behinderung mit Assistenzbedarf
kann keinen Masterabschluss machen, wenn er kein eigenes Geld einsetzen kann, weil die Assistenz nur bis
zum ersten berufsbildenden Abschluss gewährt wird.
Ein psychisch behinderter Mensch kann gegen seinen
Willen in eine Klinik eingewiesen werden. Die Liste der
Beispiele von Bevormundungen und Menschenrechtsverstößen ließe sich fortsetzen.
({4})
Wenn die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen Menschen mit Behinderungen als
mündige Bürger mit vollen Menschenrechten wirklich
anerkennen und die Verwirklichung dieser Menschenrechte vorantreiben wollten, dann müssten sie den Nationalen Aktionsplan völlig neu entwerfen.
({5})
Sie müssten vor allen Dingen damit anfangen, die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft aus
dem Fürsorgerecht herauszulösen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Der Menschenrechtsansatz verbietet
es, dass Teilhabe und Selbstbestimmung vom Einsatz
von Einkommen abhängig gemacht werden.
Ich habe manchmal schon den Eindruck: Wir stehen
am Scheideweg. Wir müssen uns ernsthaft mit der Möglichkeit auseinandersetzen, dass eine Zeit der Rückschritte bei der Entwicklung von Selbstbestimmung und
Teilhabe für Menschen mit Behinderung anbrechen
könnte. Nicht nur die gestrige Entscheidung für die PID
ist aus meiner Sicht ein Indiz dafür. Auch der Bestand an
mühsam erkämpften sozialen Rechten ist ständig in Gefahr.
Ein bedrohliches Zeichen waren und sind die Vorschläge der AG „Standards“ der Gemeindefinanzkommission. Würden diese Vorschläge im Zuge der Reform
der Eingliederungshilfe umgesetzt werden, dann bedeutete dies ein beispielloses Rollback: die Einschränkung
des Wunsch- und Wahlrechts, eine verstärkte Anrechnung des Einkommens der Eltern, die Anrechnung des
Arbeitsförderungsgeldes bei Werkstattbeschäftigten, die
Anrechnung des Kindergeldes und vieles andere mehr
bei gleichzeitiger völliger Abwesenheit von wirksamen
Strukturveränderungen.
({6})
Die Bundesregierung treibt die Rechtsentwicklung an
dieser Stelle leider nicht voran. Man hat stellenweise den
Eindruck, als wüssten Sie überhaupt nicht, worum es
geht, beispielsweise wenn Sie davon sprechen, dass Sie
Problemen beim persönlichen Budget durch eine verbesserte Informations- und Kommunikationstechnologie begegnen wollen. Als ob das das Problem beim persönli14336
chen Budget wäre! Wenn es nicht so traurig wäre, dann
müsste man eigentlich darüber lachen.
Ich komme zum Schluss. Wir müssen - ich spreche
auch die wackeren Sozialpolitiker der Union an - vom
Parlament aus die Rechtsentwicklung vorantreiben. Von
der Regierung ist dies jedenfalls nicht zu erwarten.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Peter Weiß für die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich muss die Opposition in einer solchen Debatte Kritik üben.
({0})
Aber ich finde, dass bei aller kleinkarierten Argumentation der zentrale Aspekt untergeht: Mit der UN-Behindertenkonvention, die der Deutsche Bundestag ratifiziert
hat, wird ein grundlegender Wechsel in der Behindertenpolitik vorgenommen.
({1})
Die tragende Idee ist, dass Menschen mit Behinderungen
die gleichen Rechte und Chancen wie nicht behinderte
Bürgerinnen und Bürger haben. Die Idee der Inklusion
- das ist ein furchtbares Wort, aber es steht nun einmal in
der Behindertenkonvention - macht Schluss mit dem
teilweise paradoxen und aufreibenden Wechselspiel aus
Exklusion, also Ausgrenzen, und Integration, Wiederhereinholen.
Diesem zentralen Wechsel in der Behindertenpolitik,
die künftig besser nicht mehr Behindertenpolitik, sondern Inklusionspolitik genannt werden sollte, dient der
Nationale Aktionsplan.
({2})
Der Nationale Aktionsplan ist nicht - das ist vielleicht
das Missverständnis, das hier aufgetreten ist - ein abschließendes Dokument, das für ewige Zeiten im Raum
steht; vielmehr ist er der Auftakt für eine neue Inklusionspolitik
({3})
für Menschen mit Behinderungen in Deutschland.
({4})
Alle zwei Jahre wird es einen Fortschrittsbericht geben. Zum ersten Mal nehmen wir auf diesem wichtigen
Politikfeld für Menschen mit Behinderungen eine systematische Planung vor. Alle zwei Jahre wird überprüft:
Welche Schritte haben wir unternommen, um dem neuen
Ziel der Inklusion wirklich gerecht zu werden? Das halte
ich für einen großen Fortschritt, für ein großes Vorhaben,
auf das wir unsere gesamte Kraft konzentrieren sollten.
({5})
Natürlich wird das auch Folgen für die Gesetzgebung
haben. Da der Kollege Kurth und die Frau Kollegin
Schmidt hier die sogenannte Eingliederungshilfe ansprechen, möchte ich höflicherweise daran erinnern, dass
Ihre beiden Fraktionen damals - das will ich durchaus
als Verdienst anerkennen - das Sozialgesetzbuch IX geschaffen haben, in dem die Leistungen für Menschen mit
Behinderungen zusammengefasst sind. Doch dieses Gesetz konnten Sie nur auf den Weg bringen, weil Sie einen
entscheidenden Punkt ausgeklammert haben, nämlich
die Reform der Eingliederungshilfe. Anders hätten Sie in
der damaligen rot-grünen Koalition keine Mehrheit dafür bekommen. Deshalb sollten Sie das heute nicht lauthals beklagen.
({6})
Sie haben damals die Chance gehabt, doch Sie haben es
ausgeklammert, und deswegen ist es leider bis zum heutigen Tag eine unerledigte Aufgabe.
({7})
Nun gab es eine gemeinsame Arbeitsgruppe von
Bund und Ländern, die sich der Reform der Eingliederungshilfe gewidmet und Vorschläge erarbeitet hat. Ich
möchte hier noch einmal unterstreichen, dass ich wirklich wünsche, dass das politische Vorhaben weiter verfolgt und umgesetzt wird. Natürlich wird ein Knackpunkt die Finanzfrage sein: Wer bezahlt? Wer stellt die
Mittel zur Verfügung?
({8})
Nachdem der Bund beschlossen hat, Städte und Gemeinden in Deutschland mit der Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung finanziell
nachhaltig zu entlasten, erwarte ich jetzt von den Bundesländern und den Kommunen einen Vorschlag, wie sie
die Finanzierung einer Reform der Eingliederungshilfe
bewerkstelligen wollen. Es kann nicht immer nur nach
dem Bund gerufen werden. Nachdem wir in einem großen Sozialgesetzbuch die Entlastung vorgenommen haben, sollten uns jetzt bei der Finanzierung der Eingliederungshilfe die Länder und Gemeinden einen Vorschlag
machen, wie das künftig aussehen könnte. Auf diesen
Vorschlag warte ich - auch auf den von sozialdemokratischen und grünen Sozialministern und Sozialdezernenten in Deutschland.
({9})
Peter Weiß ({10})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube,
die entscheidenden Punkte der Zukunft werden sein: erstens Inklusion im Bildungswesen. Nur 20,1 Prozent der
Schülerinnen und Schüler, die Behinderungen und Förderbedarf haben, gehen in eine Regelschule. Da sind
Länder und Gemeinden gefordert. Das Zweite ist Inklusion auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben mit der Reform
2008 die notwendigen Regelungen für Außenarbeitsplätze und Außenarbeitsgruppen von Werkstätten für
Behinderte geschaffen. Das ist bereits angelaufen, wirkt
aber noch viel zu schwach. Ich bin der Auffassung: Wir
müssen die Trennung zwischen Werkstatt und sogenannter normaler Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen in den nächsten Jahren auflösen. Das muss eines der
großen Ziele der Inklusionsarbeit in Deutschland sein.
Ich fordere Sie auf - sowohl Regierung als auch Opposition -, diese großartige Aufgabe miteinander in Angriff
zu nehmen. Wir können uns über Details streiten, dürfen
aber das große Ziel der Inklusion nicht aus dem Auge
verlieren.
Vielen Dank.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu
dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP mit
dem Titel „Für eine umfassende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention - Nationaler Aktionsplan als
Leitlinie“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/6155, den Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/4862
anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die
Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen
der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die
Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke
bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf
Drucksache 17/6154. Der Ausschuss empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung
des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4911
mit dem Titel „Kostenvorbehalt in § 13 des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch streichen - Selbstbestimmtes
Leben für Menschen mit Behinderungen gewährleisten“.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und
der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion,
der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen angenommen.
Wir sind noch beim Tagesordnungspunkt 49 b. Unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der
Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 17/5043 mit dem Titel „Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020 unterstützen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 52 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
Frithjof Schmidt, Omid Nouripour, Marieluise
Beck ({0}), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ressortübergreifende Friedens- und Sicherheitsstrategie entwickeln
- Drucksache 17/6351 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({1})
Innenausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Omid Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den
letzten Tagen ist in Deutschland sehr viel über die Friedens- und Sicherheitspolitik diskutiert worden. Wir, die
wir auf diesem Gebiet arbeiten, haben viele Menschen
treffen dürfen, mit denen wir über dieses Thema diskutieren konnten. Dabei zeigten sich in den Gesprächen einige Grundkonstanten.
Überall ist die Frage nach einer klaren Strategie der
Bundesregierung zu hören. Immer wieder ist zu hören,
dass die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts nicht
funktioniert. Das hört man in Deutschland, das hört man
aber auch in Einsatzländern der Bundeswehr.
({0})
Auch international tätige Zivile können keine ressortübergreifende Arbeit erkennen - weil sie nicht stattfindet. Hier gibt es großen Handlungsbedarf. Gehandelt
wird allerdings nicht. Wir haben diesen Antrag gestellt,
weil wir anhand von wenigen Beispielen klar erkannt haben, woran es hapert:
Beispiel Bundeswehrreform. Es gibt Verteidigungspolitische Richtlinien. Diese Richtlinien werden aber
erst dann formuliert, wenn bereits viele Entscheidungen
- beispielsweise über die Gesamtgröße der Bundeswehr
oder über die Abschaffung der Wehrpflicht - gefallen
sind. Das macht so keinen Sinn.
({1})
Erst wird die Struktur geschaffen, und dann stellt man
die Warum-Frage. Alles wird auf den Kopf gestellt. Es
ist aber auch ein Auf-den-Kopf-Stellen, wenn der neue
Minister der Verteidigung für eine Bundeswehrreform,
die längst angeschoben ist, sicherheitspolitische Ableitungen nachliefern will. Dabei vollzieht er mit dem
Erlass der Verteidigungspolitischen Richtlinien lediglich
einen Verwaltungsakt. Um mehr als einen Verwaltungsakt handelt es sich nicht. Es hat jedenfalls keine ressortübergreifende Abstimmung darüber gegeben, was
Deutschland im Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik will. Vor allem steht die Vorgehensweise des Verteidigungsministeriums immer wieder in eklatantem Widerspruch zu dem, was andere Häuser sagen. Mit einer
Strategiefähigkeit in den Bereichen Friedens- und Sicherheitspolitik hat das überhaupt nichts zu tun.
({2})
Ein weiteres Beispiel, auch im Hinblick auf die Verteidigungspolitischen Richtlinien, ist die gesamte Frage
der deutschen Rohstoff- und Energieinteressen. Was
wollen wir da? Was ist denn eigentlich das Interesse der
Bundesrepublik? Ist es tatsächlich so, wie es von Ihrer
Seite immer wieder behauptet wird, dass Interessen in
der Wirtschaftspolitik ausreichender Grund für ein militärisches Engagement sind? Oder muss man in diesem
Zusammenhang etwa über Stabilität reden? Natürlich
würde Stabilität - ich rede von wahrer Stabilität, nicht
von Friedensruhe oder Friedhofsruhe, wie wir sie derzeit
in Bahrain erleben - der deutschen Wirtschaft helfen.
Das durchzubuchstabieren, bedeutet aber, dass man
nicht nur im Verteidigungsministerium darüber diskutiert, sondern sich alle betroffenen Häuser der Bundesregierung daran beteiligen sollten; die Federführung
müsste dabei natürlich beim Auswärtigen Amt liegen.
({3})
Das Auswärtige Amt muss jetzt aber zuschauen, wie das
BMVg die Richtlinien einfach laufend fortschreibt.
Auch die Frage der nuklearen Teilhabe lässt man einfach weiterlaufen. Wir lesen immer wieder, dass die
nukleare Teilhabe integraler Bestandteil der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland, der Abschreckung, ist. Das hat mit dem, was der Außenminister erzählt, und dem, was im Koalitionsvertrag steht, sowie
mit dem Ziel, das die FDP im Wahlkampf immer proklamiert hat, nämlich dem Abzug der Atomraketen aus
Deutschland, überhaupt nichts mehr zu tun. Das Problem
ist: Hier weiß eine Hand nicht, was die andere tut.
({4})
Ich komme zum Beispiel der zivilen Krisenprävention; ich mache es kurz, weil nicht mehr viel Zeit bleibt.
Hier fehlt tatsächlich echtes Engagement; hier fehlt der
politische Wille.
Weil das so ist und weil andere Länder es besser machen, ist unsere Forderung, dass Diskussionen angestoßen
werden: natürlich eine ressortübergreifende Diskussion in
der Bundesregierung - selbst die findet nicht statt -, aber
auch eine öffentliche Debatte. Viele unserer Bündnispartner in der NATO und der EU zeigen, wie es geht: In
der Schweiz, Großbritannien und Frankreich gab und
gibt es immer wieder Foren, öffentliche Anhörungen
und eine systematische Einbindung der Zivilgesellschaft, damit solche Diskussionen stattfinden.
Das Notwendigste, was wir in der Friedens- und Sicherheitspolitik in diesem Land brauchen, sind Diskussionen und Transparenz. Man hat vorhin gesehen, dass
Sie mit Transparenz ein größeres Problem haben; das ist
extrem bedauerlich. Ihre Strategie des Schweigens ersetzt nicht die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts,
erst recht nicht eine öffentliche, breite Debatte darüber,
welche Entwicklung die Sicherheitspolitik dieses Landes
nehmen sollte, und die Entscheidung darüber, welche
Rolle die Bundesrepublik Deutschland in der Friedenspolitik der Welt spielen soll.
({5})
Das Wort hat der Kollege Jürgen Hardt für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Nouripour, selbstverständlich ist es
wichtig und richtig, immer wieder über die Ziele deutscher Friedens- und Sicherheitspolitik in der Welt zu diskutieren. Ich glaube aber im Gegensatz zu Ihnen, dass
wir das in Deutschland bereits intensiv tun, nicht nur
hier in diesem Hause.
Wir debattieren jeweils ausführlich über die Mandate
für die Auslandseinsätze der Bundeswehr, pro Auslandseinsatz zweimal innerhalb von zwölf Monaten. Ich finde,
wir diskutieren in dieser Legislaturperiode mehr als zuvor über die Ziele der Außen- und Sicherheitspolitik.
Was die öffentliche Diskussion über die Aufgaben, die
Rolle, die Ziele und die Erfolge der Bundeswehr in den
Auslandseinsätzen angeht, glaube ich, dass wir in den
letzten anderthalb Jahren ebenfalls einen mächtigen
Schritt nach vorne gemacht haben.
Ihr Vorwurf, es gebe in Deutschland keine ausreichende Diskussion, ist daher nicht zulässig. Es mag sein,
dass die Diskussionen nicht in allen Punkten Ihren Vorstellungen entsprechen. Die Grünen haben früher einmal
geglaubt, man könne den Weltfrieden dadurch herbeireden, dass man all das bei einem Gläschen Erdbeertee
ausdiskutiert;
({0})
heute macht man das vielleicht bei einem Gläschen Prosecco.
({1})
Es war immerhin ein grüner Außenminister, der den
Schritt, mit Soldaten nach Afghanistan zu gehen, eingeleitet hat. Sie sollten nicht hinter das zurückfallen, was
wir in der Vergangenheit schon erreicht haben.
Sie sollten auch nicht Ihre eigenen Beiträge zur Außen- und Sicherheitspolitik der letzten Jahre kleinreden;
ich glaube, es ist ein großes Verdienst, dass die demokratischen Kräfte in diesem Haus über die Fraktionsgrenzen
hinaus bei vielen Fragen einen Konsens oder zumindest
eine weitgehende Übereinstimmung haben.
Zur Strategie der deutschen Friedens- und Sicherheitspolitik. Die Strategie ist im Weißbuch von 2006 mit
dem Konzept der vernetzten Sicherheit festgelegt. Die
Verteidigungspolitischen Richtlinien bauen darauf auf.
Das Weißbuch von 2006 löste das Weißbuch von 1994
ab. Ich glaube, in der Verantwortung von Rot-Grün hat
es ein solches strategisches Konzept für die Außen- und
Sicherheitspolitik nicht gegeben. Das müssten Sie aber
selbst erklären. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat
die Sicherheitsstrategie für Deutschland in ihrem Beschluss von 2008 in einem zugegebenermaßen sehr langen, aber zutreffenden Satz beschrieben. Ich möchte aus
dem Beschluss der Fraktion zitieren:
Außerdem erfordert die Bewältigung dieser Herausforderungen eine Sicherheitsstrategie, die auf
einem umfassenden Ansatz beruht und die neben
den klassischen Feldern der Außen-, Europa-, Verteidigungs-, Menschenrechts- und Entwicklungspolitik auch die Innen-, Wirtschafts- und Energie-,
Umwelt-, Finanz-, Forschungs- und Bildungspolitik
erfasst und zu einem breiten Instrumentarium vernetzt, das im Zusammenwirken mit anderen Staaten, nichtstaatlichen Akteuren und Organisationen
wie den Vereinten Nationen, der NATO und Europäischen Union eingesetzt wird. Ziel ist es, präventiv Sicherheitsrisiken zu minimieren und dort
schnell und effektiv eingreifen zu können, wo sich
für unsere Sicherheit relevante Krisen konflikthaft
zuspitzen.
Ich finde, das ist eine schöne Beschreibung der deutschen Außen- und Sicherheitsstrategie, der man auch als
Grüner morgens, unter der Dusche, wenn keine Presse
dabei ist, zustimmen könnte.
({2})
Die Verteidigungspolitischen Richtlinien unter der
Überschrift „Nationale Interessen wahren - Internationale Verantwortung übernehmen - Sicherheit gemeinsam gestalten“ bauen auf dem Konzept der vernetzten
Sicherheit auf. In den großen Bündnissen wirken wir
global daran mit:
Das sind zum Ersten die Vereinten Nationen. Ich
finde es gut, dass wir uns im Deutschen Bundestag darüber einig sind, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr
grundsätzlich ein Mandat der Vereinten Nationen voraussetzen.
Zum Zweiten haben wir die NATO. Die NATO ist,
wie ich finde, das einzige wirkmächtige Verteidigungsbündnis der Welt. Ich glaube, dass wir als Deutsche in
Sachen NATO-Solidarität und NATO-Treue aufgrund
unserer Vergangenheit so etwas wie Staatsräson walten
lassen. Ich finde, die NATO ist ein schönes Beispiel dafür, dass nicht immer weniger Waffen Frieden schaffen,
sondern es durchaus auch umgekehrt sein kann. Diejenigen, die 1983 im Hofgarten in Bonn gegen die NATONachrüstung demonstriert haben - das hat meine Frau
im Übrigen auch getan -, haben nicht recht behalten.
Das hat eher zu einer Stabilisierung in Europa geführt.
({3})
Die deutsche Außenpolitik lässt sich weiterhin dadurch leiten, dass sie der Vermeidung von Konflikten
stets Vorrang vor der Anwendung völkerrechtlich legitimierter Gewalt einräumt. Natürlich ist es besser, Konflikte im Keim zu ersticken, anstatt hinterher Soldaten
schicken zu müssen. Dafür haben wir nationale Strukturen: den Bundestagsunterausschuss „Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit“, den Ressortkreis „Zivile Krisenprävention“ der Bundesregierung, den Beirat
„Zivile Krisenprävention“ und das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze. Doch dort, wo die Aggression
offen ausbricht, sei es in den Trainingslagern von alQaida in Afghanistan oder bei Überfällen auf friedliche
Handelsschiffe am Horn von Afrika, wird Deutschland
gemeinsam mit seinen Bündnispartnern konsequent handeln.
Es ist auch ein konstruierter Widerspruch zwischen
der Konsequenz, dort militärische Stärke zu zeigen, wo
immer das notwendig ist, und der Bereitschaft, diplomatische und zivile Methoden der Krisenbewältigung zu
nutzen. Beides kann Hand in Hand gehen. So ist das
auch bei dem deutschen Konzept der vernetzten Sicherheit. Wer zum Beispiel in Afghanistan eine Stromleitung
legt, einen Brunnen baut oder eine Mädchenschule einrichtet und unterhält, fährt gut damit, sich auf die Unterstützung notfalls auch bewaffneter deutscher Polizisten
und Soldaten im Einsatzgebiet zu verlassen. Wer diese
Zusammenarbeit mit Uniformierten prinzipiell verweigert, der muss sich fragen lassen, ob er seinem eigenen
Anliegen vielleicht aus falsch verstandenem Antimilitarismus heraus einen schlechten Dienst erweist.
({4})
Es ist leider das Wesen von Gewalt, dass sie in der
Lage ist, binnen Sekunden das zu zerstören, was friedliebende Hände in Monaten oder gar Jahren aufgebaut haben. Deswegen ist es richtig, dass wir bereit sind, notfalls Gewalt gegen diejenigen anzuwenden, die die
Werke des Friedens zerstören wollen.
({5})
Das, was wir gegenwärtig tun, müssen wir in Zukunft
möglicherweise verstärkt tun: global handeln im Interesse von Frieden und Menschenrechten. Die Ursache
dafür liegt in der potenziellen Zunahme der Zahl von
Konflikten in dieser Welt. Allein durch die Zunahme der
Weltbevölkerung entstehen Verteilungskämpfe. Die
Kämpfe um den Zugang zu sauberem Wasser, zu Lebensmitteln, zu Energie und Rohstoffen werden im
Zweifel zunehmen. Deswegen ist es notwendig, dass
Deutschland weiterhin einen energischen Beitrag leistet,
und zwar sowohl im zivilen Bereich als auch in der Bereitschaft, militärisch Stärke zu zeigen.
Evaluierung - ich habe schon darauf hingewiesen ist eine der Forderungen im Antrag der Grünen. Evaluierung findet meines Erachtens in erheblichem Umfang
statt. Ich habe darauf verwiesen, dass der Deutsche Bundestag sehr oft in Ausschüssen und hier im Plenum über
die Auslandseinsätze diskutiert. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Bundesregierung für das größte und
schwierigste Einsatzgebiet, Afghanistan, zum Ende des
letzten Jahres einen Fortschrittsbericht vorgelegt hat. Die
Verteidigungs- und Außenpolitiker hatten in diesen Tagen den Zwischenbericht zum Fortschrittsbericht mit
Datum 1. Juli 2011 im Postfach. Darin ist angekündigt,
dass es zum Jahresende einen weiteren Fortschrittsbericht geben wird. Wenn man die Presse im Zusammenhang mit der Diskussion über den Fortschrittsbericht
Ende letzten Jahres zur Kenntnis genommen hat, so kann
man sich dem Urteil anschließen, dass dies ein sehr ausgewogener, selbstkritischer und realistischer Fortschrittsbericht ist. Ich glaube, das ist die richtige Methode, mit diesem Einsatz umzugehen.
({6})
Lassen Sie uns gemeinsam auf diesem Weg fortfahren. Lassen Sie uns nicht Widersprüche konstruieren, wo
keine sind. Wir sind uns einig, dass zivile Krisenprävention und Konfliktbeilegung Vorrang haben vor militärischen Mitteln. Aber man muss - auch im Interesse der
Wirksamkeit ziviler Methoden - bereit sein, beides zu
tun. Ich glaube, dass wir mit dieser Debatte einen Beitrag leisten können.
Ich bedanke mich.
({7})
Das Wort hat der Kollege Fritz Rudolf Körper für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, dass wir in Deutschland zum Thema Friedens- und Sicherheitsstrategie nicht zu viele Debatten,
sondern eher zu wenige Debatten führen.
({0})
Ich glaube auch, dass man die Debatten über bestimmte
Mandate nicht mit Debatten über Grundsätze von Friedens- und Sicherheitsstrategien verwechseln darf. Unsere Debatten beziehen sich häufig fast ausschließlich
auf die verschiedenen Mandate. Wir müssen dabei feststellen, dass wir - jedenfalls ist das unsere bzw. meine
Auffassung - wesentliche Defizite bezüglich bestimmter
grundsätzlicher Ausrichtungen von Friedens- und Sicherheitsstrategien haben.
Ich sage unumwunden: Ich finde es gut und richtig,
dass vonseiten der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen mit diesem Antrag zumindest der Versuch unternommen wird, diese Grundsatzdebatte anzustoßen. Denn es ist wichtig, zu fragen: Wie sieht
Deutschland, wie sehen wir unsere Rolle im Bündnis der
NATO, in Europa und in der Welt? Diese Frage müssen
wir uns immer wieder stellen; denn man steigt nie in
denselben Fluss. Wird die Rolle, die wir in diesen Fragen einnehmen, den Herausforderungen der heutigen
Zeit gerecht? Ich darf sachlich feststellen, dass es in der
Tat bei der schwarz-gelb geführten Bundesregierung in
diesen sicherheits- und friedensstrategischen Debatten
eine gewisse Planlosigkeit gibt. Ich denke, das ist an einigen Punkten sehr deutlich nachweisbar.
Der Antrag zielt auf die Frage, inwieweit es vonseiten
der Bundesregierung eine ressortübergreifende Sicherheitsstrategie, eine Friedensstrategie gibt. Das ist ganz
wichtig. Es darf kein nur in einzelnen Ressorts denkendes Bewusstsein geben. Wir sehen an der einen oder anderen Stelle, dass die Kommunikation beispielsweise
hinsichtlich der Einbindung der Zivilgesellschaft zwischen den Ressorts nicht besonders ausgeprägt ist.
({1})
Das lässt sich am Beispiel des Einsatzes in Afghanistan
sehr gut nachweisen. Ich finde, auf diese Fragen sollte
man nicht polemisch antworten. Man sollte sich vielmehr fragen: Wo gibt es Defizite, und wie kann man sie
abbauen?
Ich finde, dass es im Hinblick auf die Abstimmung
auf europäischer Ebene ein ganz großes Defizit gibt, was
die Ausrichtung der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik anbelangt. Das kann man konkret an der Neuausrichtung der Bundeswehr deutlich machen. Der Ausgangspunkt war eigentlich eine Haushaltsnummer; es
sollten 8,3 Milliarden Euro eingespart werden. Nur, eine
Haushaltsnummer ist das falsche Motiv und der falsche
Ausgangspunkt für eine Neuausrichtung der Bundeswehr.
({2})
Wer das nicht so sieht, hat, wie ich denke, keine Kenntnis vom Ablauf der Dinge.
Es geht im Wesentlichen um die Frage: Welches Fähigkeitsprofil ist notwendig, um eine Gesamtstrategie
für eine zukunftsweisende Friedens- und Sicherheitspolitik, auch mit Blick auf die europäische Ebene, zu
entwickeln? Eine solche Neuausrichtung darf nicht ohne
unsere europäischen Nachbarn, sondern nur mit unseren
europäischen Nachbarn vorgenommen werden. Nur
dann wird es möglich sein, eine vernünftige und wirksame Gesamtstrategie zur Gewährleistung von Frieden
und Sicherheit zu erarbeiten. Ich denke, dieses BewusstFritz Rudolf Körper
sein ist notwendig, damit sich hier ein Erfolg einstellt.
Ich kann nur an Sie appellieren, solche Ansätze zu verfolgen. Man muss eine Konzeption - so formuliere ich
es einmal - verfolgen, die sich vom Kästchendenken der
verschiedenen Ressorts verabschiedet. Bei dieser Konzeption dürfen nicht mehr einzig und allein nationale
Kriterien eine Rolle spielen. Wir haben nur dann die
Chance, eine vernünftige Friedens- und Sicherheitsstrategie hinzubekommen, wenn wir unsere Partner und das
Bündnis insgesamt einbeziehen. Ich denke, es ist wichtig, dies in Erinnerung zu rufen.
Der Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ vom Mai 2004 ist
schon angesprochen worden. Eigentlich war dies ein
sehr vernünftiger und guter - damals sogar ein einmaliger - Schritt. Allerdings - das füge ich unumwunden
hinzu - hat die Wissenschaft diesen Aktionsplan sehr
stark kritisiert. Es hieß, dass die Chancen auf Umsetzung
bzw. auf Vollzug in naher Zukunft nicht gut stehen. Ich
sage auch an dieser Stelle unumwunden: Es war gut gemeint, aber, was die Wirkung angeht, nicht ganz einfach.
Ich finde, dass ein solcher Versuch, was die zivile
Krisenprävention anbelangt, sehr lohnenswert ist. Solche
Ansätze sollte man viel stärker in die Strategie einfließen
lassen und in der Debatte berücksichtigen. Wir dürfen
diese Diskussion nicht auf militärische Maßnahmen und
militärische Aktionen verengen; das wäre falsch. Letztendlich müssen wir versuchen, kriegerische und militärische Auseinandersetzungen durch Krisenprävention zu
vermeiden. Das ist die wichtigste Messlatte; das ist das
Ziel einer vernünftigen und guten Friedens- und Sicherheitsstrategie. Eines kommt hinzu: Es ist notwendig,
dass wir eine solche Debatte im Deutschen Bundestag
führen. Ich finde, hier gehört sie hin. Wir haben ja in den
zurückliegenden Tagen gesehen, dass wir diesbezüglich
eher einen Mangel haben. Wir sollten diesen Antrag als
Anregung nehmen, diese Debatte hier zielgerichtet zu
führen. Das würde unserem Land und auch dieser Bundesregierung ganz gut anstehen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({3})
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Joachim
Spatz das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich tut es immer gut, wenn man über friedens- und sicherheitspolitische Strategien spricht. Den Auftakt dafür
hat das Bundesverteidigungsministerium mit seinen
Eckpunkten für die Verteidigungspolitischen Richtlinien
gemacht. Der vorliegende Antrag ist dafür schlichtweg
untauglich.
In dem Antrag, der heute zur Debatte steht, wird gefordert, dass ressortübergreifend gedacht wird. Das ist
schon der Fall, und das wird weiter intensiviert.
({0})
Wer in einer Verwaltung tätig ist oder war, der weiß, dass
so etwas eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt.
Außerdem wird eine öffentliche Debatte gefordert. Es
sollen öffentliche Anhörungen organisiert werden. Es
soll eine Webplattform eingerichtet werden, um die Öffentlichkeit und die NGOs einzubeziehen. Wer auf diesem Gebiet arbeitet und gelegentlich an Podiumsdiskussionen bei NGOs und anderen Akteuren in diesem
Bereich teilnimmt, der kann eigentlich nicht feststellen,
dass es ein Zuwenig an Möglichkeiten gibt, darüber zu
debattieren. Vielleicht gibt es ein Zuwenig an Interesse;
schauen Sie sich um, dann werden Sie das auch hier bestätigt finden. Ein Zuwenig an Möglichkeiten ist aber
schlichtweg nicht festzustellen.
Der Antrag ist vor allem enttäuschend, wenn man die
Debatte in unserem Unterausschuss „Zivile Krisenprävention“ verfolgt hat. Sie erschöpfen sich in weiten Teilen in Polemik.
So heißt es erstens, die Bundeswehrreform sei gewissermaßen ohne Konzept vonstattengegangen, und wiederholt wird die falsche Behauptung angeführt, sie sei
ausschließlich unter finanziellen Gesichtspunkten erfolgt. Das ist verkehrt. Jeder weiß, dass wir uns beim
Umbau der Bundeswehr zuvorderst dem Umbau von einer Verteidigungsarmee mit einem früher geltenden Bedrohungsszenario hin zu einer Friedensarmee in Out-ofArea-Einsätzen widmen müssen. Das ist der Grund für
den Umbau, und es kann überhaupt nicht die Rede davon
sein, dass das gewissermaßen planlos vonstattengeht,
wie in diesem Antrag vorgeworfen wird. Das ist nicht
der Fall.
Der zweite Punkt ist die Kohärenz im Sinne der Zusammenarbeit der einzelnen Ressorts. Diese Diskussion
ist vor allem durch die Erfahrungen der Amerikaner geprägt. Ich habe im State Department darüber Gespräche
geführt. Dort sagt man: Das ist alles schön und gut; das
probieren auch wir. Aber viel wichtiger ist die Kohärenz
beim Einsatz vor Ort.
Wer die neue UNO-Resolution für Südsudan genau
gelesen hat, der weiß, dass sie vorsieht, dass der Special
Representative dort alle UN-Einheiten und alle anderen
Akteure, die vor Ort aktiv sind, zu koordinieren hat.
Auch unter Einflussnahme unserer deutschen Vertreter
im UN-Sicherheitsrat ist dieses Erfolgsmodell, das es in
Sierra Leone gibt und das eigentlich aus dem Peacebuilding und nicht aus dem Peacekeeping kommt, hier übernommen worden. Das ist ein wirklich konkreter Schritt
hin zu mehr Kohärenz. Ich führe auch gerne Debatten
über Prinzipien, aber das Leben ist eben furchtbar konkret. Deshalb geht es darum - vielleicht sogar vorrangig -,
in konkreten Einsätzen diese Kohärenz zu erzeugen. Ich
hoffe, Südsudan ist hierfür ein erfolgreiches Beispiel.
({1})
Ich komme zu einem weiteren Widerspruch. Es kann
doch nicht sein, dass wir auf der einen Seite betonen
- Kollege Körper, hier gebe ich Ihnen völlig recht -, wir
könnten nicht nur nationale Sicherheitsinteressen verfolgen, weil wir in die NATO eingebunden sind, während
gleichzeitig kritisiert wird, wie es mein Vorredner von
den Grünen getan hat, dass die Atomwaffen nicht abgezogen werden. Wir täten das gerne, aber gerade weil wir
in diese Partnerschaft eingebunden sind, können und
wollen wir das nicht alleine tun. Man muss sich schon
entscheiden, was man möchte. Wir sehen das genauso
wie Sie, Herr Kollege Körper: Wir sind in Sicherheitsarchitekturen eingebunden - in diesem Fall in die NATO
und auch in die Europäische Union - und bekennen uns
deshalb dazu, dass wir keine einseitigen Schritte unternehmen.
Als weiterer Punkt wurde angeführt, es gäbe keine
Evaluation. Dazu kann ich nur sagen: Wer so etwas
schreibt, muss den Fortschrittsbericht der Bundesregierung zu Afghanistan übersehen haben. Ich glaube nicht,
dass es in Ihrer Regierungszeit jemals einen so offenen
und ehrlichen Fortschrittsbericht zu unserem Haupteinsatzgebiet gegeben hat,
({2})
gerade auch unter dem Gesichtspunkt von Kohärenz
bzw. Zusammenarbeit.
Außer viel Polemik und einem sehr schwachen Forderungskatalog hat der Antrag nichts vorzuweisen. Er
bleibt leider hinter den Diskussionen, die wir im Unterausschuss „Zivile Krisenprävention“ führen, weit zurück; das ist enttäuschend. Deshalb ist er abzulehnen.
({3})
Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin
Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke das Wort.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem
vorliegenden Antrag der Grünen zum Thema Friedensund Sicherheitsstrategie gibt es auf den ersten Blick einige Punkte, denen ich gerne zustimmen würde. So
schreiben Sie zum Beispiel:
Konflikte können mit Gewalt nicht gelöst und in
eine stabile Friedenslösung überführt werden.
Sie schreiben auch völlig zu Recht, dass es auf viele der
heutigen Risiken und Bedrohungen wie internationaler
Terrorismus, organisierte Kriminalität oder die Sicherung von Rohstoffen und Vertriebswegen keine militärischen Antworten geben kann. Sie sprechen vom Primat
des Zivilen und davon, dass zivile Krisenprävention,
Konfiktmanagement und Friedenskonsolidierung Leitprinzipien einer umfassenden Friedens- und Sicherheitskonzeption sein sollen. Wer wollte denn dagegen sein?
Aber natürlich ist es ein Antrag der Grünen. Da muss
man leider genauer hinsehen.
({0})
Da heißt es zum Beispiel:
Dabei zeigen gerade die Versuche der militärischen
Krisenbewältigung der zurückliegenden Jahre, dass
deren Potenzial zur Bearbeitung von Konflikten
maßlos überschätzt ist.
Das ist zwar richtig. Aber wer war es denn, der die Potenziale von Kriegseinsätzen maßlos überschätzt hat?
Ich nenne als Beispiele die Kriegseinsätze der Bundeswehr in Jugoslawien 1999 und in Afghanistan 2001, die
die Grünen gemeinsam mit den Sozialdemokraten
durchgesetzt haben.
So gern ich Ihnen glauben würde, es gäbe hier vielleicht so etwas wie eine klammheimliche Positionsveränderung, so wenig trifft das leider zu. Wir alle haben
noch im Ohr, wie vor wenigen Monaten Abgeordnete
der Grünen in diesem Haus gefordert haben, Deutschland solle sich doch bitte am Krieg gegen Libyen beteiligen. Inzwischen sehen wir alle, wie durch die Luftangriffe der NATO nicht etwa Zivilistinnen und Zivilisten
geschützt werden, wie Sie es sich vorgestellt hatten, sondern die NATO selbst für Todesopfer unter der Zivilbevölkerung verantwortlich ist.
Nein - das tut mir leid -, in der Gesamtausrichtung
des Papiers gibt es keine Kurskorrektur. Zivile Konfliktbearbeitung ist für Sie eben nicht die Alternative zu militärischer Gewalt, sondern soll sie im Rahmen von
umfassenden, ressortübergreifenden, zivil-militärischen Konzepten nur ergänzen. Wenn Sie sich von dieser militärdominierten Logik nicht verabschieden, dann
wird diese Strategie auf eine Ausweitung der zivil-militärischen Zusammenarbeit hinauslaufen, die die Linke
ablehnt.
({1})
Dieses Konzept bedeutet nichts anders als die Unterordnung des Zivilen unter militärische Strukturen. Das haben wir an verschiedenen Stellen schon gemeinsam kritisiert.
Eines sage ich ganz klar: Die Bundeswehr ist für uns
kein außenpolitisches Instrument. In der Außenpolitik
hat die Bundeswehr überhaupt nichts zu suchen.
({2})
Eine schlüssige Gesamtstrategie würde für mich heißen,
dass wir zum Beispiel die Rüstungsexporte stoppen müssen. Sie haben doch gerade gemeinsam mit uns die Bundesregierung wegen der Panzerlieferungen an SaudiArabien kritisiert, und wir haben gemeinsam unseren jeweiligen Anträgen zugestimmt. Warum steht denn zu
den Rüstungsexporten nichts in Ihrem Konzept?
Wir müssen auch darüber reden, wie wir die deutsche
Außenwirtschaftspolitik so organisieren, dass sie nicht
Ungerechtigkeiten, Armut usw. hervorruft, durch die
Konflikte überhaupt erst gewaltförmig eskalieren.
({3})
Wir müssen dafür sorgen, dass die Bundesrepublik das
Völkerrecht bedingungslos einhält; denn wenn wir es
verletzen, wie beispielsweise im Jugoslawien-Krieg,
dann können wir andere Staaten doch nicht glaubwürdig
dazu auffordern, es einzuhalten.
({4})
Wir müssen auch über Abrüstung reden, auch über einseitige. Das hatten Sie doch auch einmal in Ihrem Programm.
({5})
- Sehr schön, aber das alles steht nicht in Ihrem Antrag.
Diese Fragen, die Sie leider nicht einmal stellen, müssten wir aus meiner Sicht dringend in der Gesellschaft
und hier im Parlament diskutieren.
({6})
An einer solchen Debatte würden wir uns gerne beteiligen, nicht nur auf irgendwelchen Webportalen, sondern
live und in Farbe, überall dort, wo es notwendig ist.
({7})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/6351 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 6. September 2011, 10 Uhr,
ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen
für die folgende sitzungsfreie Zeit alles Gute, manche
neue Erkenntnis und - soweit notwendig - auch Gesundung.
({0})
Die Sitzung ist geschlossen.