Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/29/2011

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist er- öffnet. Die Fraktion der FDP hat mitgeteilt, dass die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus als Schriftführerin aus- scheidet. Als Nachfolgerin wird die Kollegin Claudia Bögel vorgeschlagen. Seitens der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen werden drei neue Schriftführerinnen und Schriftführer benannt. Die Kollegin Daniela Wagner so- wie die Kollegen Uwe Kekeritz und Sven-Christian Kindler haben ihr Amt aufgegeben. Ihnen sollen die Kollegin Viola von Cramon-Taubadel sowie die Kolle- gen Harald Ebner und Tobias Lindner nachfolgen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Wider- spruch. Dann sind die genannten Kolleginnen und Kolle- gen hiermit Schriftführerinnen und Schriftführer in unse- rem Parlament. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a bis h auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes - Drucksache 17/6246 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien - Drucksache 17/6247 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften - Drucksache 17/6248 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({2}) Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze - Drucksache 17/6249 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({3}) Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden - Drucksache 17/6251 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({4}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Redetext Vizepräsident Eduard Oswald f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ ({5}) - Drucksache 17/6252 ({6}) Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({7}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden - Drucksache 17/6253 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({8}) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit h) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften - Drucksache 17/6254 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({9}) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Verteidigungsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Eine Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zu den Überweisungen. Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe, die ich jetzt nicht eigens vorlese, auf den Drucksachen 17/6246, 17/6247, 17/6248, 17/6249, 17/6251, 17/6252 ({10}), 17/6253 und 17/6254 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Ergebnisse der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Dr. Guido Westerwelle. - Bitte schön.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben am 27. und am 28. Juni dieses Jahres die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen durchgeführt. Dass wir uns mit China auf Kabinettsebene treffen, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein ganz außergewöhnlicher und auch bemerkenswerter Vorgang, der ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Deutschland und China öffnet. Deswegen ist dies natürlich am heutigen Tag Thema im Kabinett gewesen. Ich freue mich darüber, dass es auch Ihr Interesse hier im Deutschen Bundestag, im Hohen Hause, findet. Die Entscheidung wurde getroffen, da sich unsere Beziehungen in vielen Bereichen nicht unproblematisch, aber doch so dicht gestaltet haben, dass es sinnvoll ist, sich regelmäßig in einem breiten Rahmen abzustimmen. Für China waren dies die ersten Regierungskonsultationen überhaupt, die durchgeführt worden sind. Gleich bei diesen ersten Regierungskonsultationen hat uns Premierminister Wen Jiabao mit elf Ministern und drei Vizeministern in den letzten beiden Tagen besucht. Das ist von chinesischer Seite ein Ausdruck der besonderen Wertschätzung der deutsch-chinesischen Beziehungen. China sieht in Deutschland auch einen wichtigen Partner für seine Beziehungen zur Europäischen Union und erwartet von uns, dass wir unsererseits die EU-China-Beziehungen gemeinsam mit anderen wichtigen Partnern voranbringen und mitgestalten. Das wollen wir natürlich auch tun. Wir haben viele globale Fragen, aber auch viele bilaterale Fragen miteinander besprechen können. Ich bin jetzt nicht in der Lage, in wenigen Minuten alles vorzutragen, was an zwei Tagen in zahlreichen Begegnungen ausführlich besprochen worden ist, und verweise deswegen auf die veröffentlichte gemeinsame Presseerklärung der Bundesregierung und der chinesischen Regierung. Wir haben unsererseits die EU-Positionen zu China im Zusammenhang mit wichtigen Fragen erläutert. Ich nenne zum Beispiel das Thema Marktwirtschaftsstatus. Interesse hat China vor allen Dingen daran gezeigt, wie die innereuropäische Situation sowie die Stabilität des Euros und die Finanzsituation in der Europäischen Union von uns beurteilt werden. Sie alle haben den Berichten entnehmen können, dass es nicht nur ein Investmentinteresse gegenseitiger Natur gibt, sondern dass es ganz augenscheinlich auch ein massives Interesse Chinas - das hat der Premierminister gestern noch einmal öffentlich unterstrichen - an einem starken Euro und an einer entsprechend positiven Entwicklung dieser gemeinsamen Währung gibt. Ich kann nicht verhehlen, dass diese Regierungskonsultationen im Vorfeld belastet gewesen sind, unter anderem durch die Verhaftungen von bekannten Persönlichkeiten. Wenn wir über so berühmte Persönlichkeiten sprechen wie beispielsweise über den Künstler Ai Weiwei - für den ich mich selbst, wie Sie wissen, sehr verwandt und eingesetzt habe -, bitte ich allerdings darum, dass wir nicht die anderen vergessen, die bei uns im Westen keine derartige Prominenz besitzen. Auch sie sind Teil unseres Menschenrechtsengagements. Das heißt: Wir wollen nicht nur auf die schauen, die derzeit im Westen einen großen Namen haben, für die es Ausstellungen, Sympathie- und Solidaritätsbekundungen gibt und bei denen sich Abgeordnete - oftmals aufgrund eigener persönlicher Beziehungen - einbringen. Daher haben wir selbstverständlich auch diesmal wieder eine Liste übergeben - wie es frühere Bundesregierungen bereits getan haben -, um ganz konkret Menschen in ihrer Not zu helfen und ihr Schicksal nicht zu vergessen. Wir haben uns ausdrücklich nicht nur über die Frage der wirtschaftlichen Beziehungen ausgetauscht, sondern auch über die ganze Palette der anderen Fragen zum Thema Menschenrechte und zum Rechtsstaatsdialog. Wir haben auch ein intensives Gespräch über die TibetFrage und die Haltung zum Dalai-Lama geführt. Ich habe für die Bundesregierung - ebenso wie die Bundeskanzlerin - die Erwartung deutlich gemacht, dass die anhaltend schwierige Menschenrechtslage unsere bilateralen Beziehungen nicht belasten darf, sondern dass das in einem Zusammenhang gesehen wird. Allerdings möchte ich hinzufügen: Ich bin unverändert der Überzeugung, dass das Prinzip „Wandel auch durch Handel“ ausdrückt, worauf es wirklich ankommt. Wer nur die wirtschaftlichen Beziehungen sieht und meint, das habe mit der Gesellschaft nichts zu tun, wer nur die ökonomische Seite betrachtet und dabei die Seite der Werte und der Bürgerrechte gewissermaßen auf eine ganz andere Ebene stellt, der wird meiner Einschätzung nach der Komplexität der Entwicklung nicht gerecht. Es geht darum, dass wir auch durch wirtschaftlichen Austausch gesellschaftlichen Fortschritt bewegen wollen. Wir haben in unserer eigenen Geschichte selbst die Erfahrung gemacht, dass dieses Prinzip positiv wirken kann. Wir haben insgesamt 19 konkrete Vereinbarungen getroffen, die ich wiederum - Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis - hier nicht alle einzeln aufführen möchte, es sei denn, sie würden von Ihnen einzeln nachgefragt. Dabei ging es nicht nur um Themen wie E-Mobilität oder um Wirtschaftsentwicklungen, sondern es ging zum Beispiel auch um die Entscheidung, in Shenyang ein weiteres Generalkonsulat zu eröffnen. Das sind ganz handfeste Fragen. Diejenigen, die als Experten in diesem Bereich tätig sind, wissen: Bis hin zum Visa-Dialog stehen eine Menge Fragen nicht nur hinsichtlich unserer Wissenschafts-, sondern auch unserer Wirtschaftsbeziehungen auf der Tagesordnung. Herausstreichen möchte ich die Vereinbarungen zur Hochschulzusammenarbeit und zur Kooperation bei der Berufsausbildung. Das tue ich nicht deswegen, weil Herr Kollege Burgbacher neben mir sitzt, sondern weil wir auf unseren Reisen - zum Beispiel nach China oder in andere Länder - merken, welch hohe Wertschätzung das Prinzip unserer beruflichen Bildung genießt. Das ist ausdrücklich auch bei unseren chinesischen Partnern der Fall. Es gibt auf beiden Seiten ein reges Interesse daran, sich auszutauschen. Wir haben uns vorgenommen, das Volumen des bilateralen Handels bis zum Jahre 2015 auf über 200 Milliarden Euro zu steigern. Zum Vergleich: 2010 wurde ein Handelsvolumen von 130 Milliarden Euro erreicht; schon das war ein Zuwachs gegenüber 2009 um etwa 35 Prozent. Das allein zeigt schon, in welch rasantem Tempo sich hier die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen entwickeln. Dies liegt im gegenseitigen Interesse. Die Regierungskonsultationen hatten eine sehr ausgeprägte globale, außenpolitische Komponente. Wir haben uns zum Beispiel ausführlich über die Umbrüche und die Lage in der Region südlich des Mittelmeers - im Norden Afrikas, aber auch in der arabischen Welt insgesamt unterhalten. Ich möchte hier jetzt nicht alles wiedergeben, es sei denn, es wird von Ihnen speziell nachgefragt. Natürlich haben wir auch über das Thema Libyen gesprochen, über die Frage der Einhaltung des Rahmens der UN-Resolution 1973, die, wie Sie wissen, insbesondere von den BRIC-Staaten, also auch von China, immer wieder angesprochen wird und auch hier in unseren Gesprächen angesprochen wurde. Wir haben uns auch über die Frage unterhalten, wie wir in New York eine gemeinsame Sprache zum Thema Syrien finden. Sie wissen, dass die europäischen Partner, also Frankreich, Großbritannien, Portugal und Deutschland, eine Initiative gestartet haben, um eine klare, gemeinsame internationale Sprache bei den Vereinten Nationen zu finden. Sie wissen, dass wir hier noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen; das betrifft übrigens ausdrücklich nicht nur China, aber auch China. Auch dies ist Thema unserer Beratungen gewesen. Das Ergebnis der Konsultationen bestätigt, dass es eine richtige Entscheidung war, die deutsch-chinesischen Beziehungen auf eine neue Ebene zu führen. Die Außenminister haben bereits einen strategischen Dialog vereinbart. Wir haben verabredet, dass die Regierungskonsultationen im nächsten Jahr fortgesetzt werden. Dann werden wir in China zu Gast sein. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Westerwelle. - Bevor ich die erste Frage aufrufe, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Bei den beiden letzten Regierungsbefragungen hat der Präsident die Zustimmung des Plenums für seinen Vorschlag erhalten, dass sowohl die Fragen als auch die Antworten jeweils nur eine Minute dauern sollten. So können mehr Fragesteller zu Wort kommen. Die Regierungsbefragung wird durch diese Konzentration insgesamt lebendiger. Auch im Ältestenrat hat dies allgemeine Zustimmung gefunden. Nach Ablauf einer Minute wird also ein akustisches Signal ertönen, das daran erinnert, zum Schluss zu kommen. Ich weise darauf hin, dass man selbstverständlich immer auch unter einer Minute bleiben darf. Sie sind damit ganz sicher einverstanden. - Das ist der Fall. Dann verfahren wir so. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich, den Herr Bundesminister Dr. Westerwelle dargestellt Vizepräsident Eduard Oswald hat, zu stellen. Erste Fragestellerin ist Frau Kollegin von Cramon-Taubadel. Bitte schön, Frau Kollegin.

Viola Cramon-Taubadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004025, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Minister. - Sie haben die globale Bedeutung Chinas in der Welt betont. Sie haben auch betont, mit welcher Delegation die Chinesen hier angereist sind. Sie haben die Bedeutung der Beziehungen mit einem Kommuniqué unterstrichen. Ich denke, das findet unsere volle Zustimmung. Wir wissen, dass die Chinesen im Vorfeld dieses Besuches unter anderem ein Weißbuch für die bilaterale Zusammenarbeit mit Deutschland verfasst haben, das relativ detailliert auf die Zusammenarbeit eingeht. Wir dagegen haben mit Amtseinführung von Minister Niebel den genau gegensätzlichen Effekt erlebt: Seine erste Ankündigung war, die Mittel für die bilaterale Zusammenarbeit zusammenzustreichen, unter anderem die Mittel für den von Ihnen erwähnten Rechtsstaatsdialog mit den Chinesen, der seit über zehn Jahren läuft und, wie wir wissen, sehr erfolgreich abgehalten wird. All das soll jetzt eingestellt werden. Was ist dazu in den Gesprächen mit den Chinesen verabredet worden? Sie haben unter anderem gesagt und geschrieben, dass es eine neue Koordinationsstelle geben soll. Wo soll sie eingerichtet werden? Wie soll sie personell ausgestattet werden? Vielleicht können Sie das etwas genauer ausführen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Frau Kollegin, ich bitte zunächst einmal um Verständnis dafür, dass ich einzelne Fragen zum Finanzrahmen, zum Beispiel die Frage, wie einzelne Stellen, die sich mit der Zusammenarbeit befassen, ausgestattet worden sind, als Bundesminister jetzt hier nur schwer beantworten kann. Ich bin natürlich bereit, Ihnen jede Zahl, die wir in der Haushaltsplanung schon kennen, zu übermitteln; aber Sie wissen, dass die Haushaltsplanungen derzeit stattfinden. Deswegen ist es für mich als Minister derzeit nicht möglich, zu sagen, wie die Situation konkret aussieht. Wir sind gerade dabei, den Haushalt aufzustellen. Wenn Sie den Haushalt im Hohen Hause beschlossen haben, dann sind wir in der Lage, Ihnen zu sagen, wie die von Ihnen uns zur Verfügung gestellten Mittel konkret eingesetzt werden; umgekehrt geht es nicht. Ansonsten müsste ich darauf verweisen, was im Antrag der Bundesregierung vorgeschlagen wird. Sie wissen, dass wir uns derzeit in den Beratungen befinden. Das zu der Frage nach den konkreten Zahlen. Frau Kollegin, ich teile Ihre Auffassung nicht, dass beispielsweise der Rechtsstaatsdialog eingeschränkt worden ist. ({0}) - Ist das dieses Geräusch, Herr Präsident?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ja, das ist es, und daran sieht man auch, wie schnell eine Minute vergeht. ({0})

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Aber was ist schon eine Minute in Anbetracht der globalen Herausforderungen, Herr Präsident. Ich will kurz anmerken: Dies scheint eine neue Sitte zu sein. Ich bin schon eineinhalb Jahrzehnte Mitglied des Deutschen Bundestages, aber solch neumodische Sitten im Deutschen Bundestag wie Gong und Ähnliches habe ich bis jetzt noch nicht mitbekommen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Das ist das lebendige Parlament, Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Ich bitte Sie deswegen beim ersten Mal um Nachsicht. Beim zweiten Mal werde ich mich genau an die 60 Sekunden halten. Wir werden den Rechtsstaatsdialog mit großer Kraft unverändert fortsetzen. Mein Kollege Niebel hat keineswegs die Zusammenarbeit mit China beendet, sondern er hat das getan, was das gemeinsame Ziel der Bundesregierung ist. Wir sind der Überzeugung: Ein Land wie China, das weltweit sehr viel Entwicklungshilfe leistet, ist nicht darauf angewiesen, klassische Entwicklungshilfe von uns zu bekommen. Deswegen ist die Politik gegenüber China zu Recht verändert worden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Manfred Grund.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Vorab möchte ich feststellen: Nicht jede Frage bzw. nicht jede Antwort lässt sich auf eine Minute verkürzen. In Anlage 7 unserer Geschäftsordnung, „Befragung der Bundesregierung“, steht, dass mit einer einleitenden Bemerkung zu einer Frage hingeführt werden kann. Ich bitte deshalb um etwas mehr Großzügigkeit. Die bisherige Praxis war gar nicht schlecht. Herr Minister, die Konsultationen mit China fügen sich ein in Regierungskonsultationen, die wir mit Indien hatten, und Konsultationen, die wir mit Russland führen werden. Trotzdem sind die Konsultationen mit China etwas Besonderes, weil es kaum eine Volkswirtschaft gibt, die sich so dynamisch entwickelt hat und die so eng mit unserer verwachsen ist wie die chinesische Volkswirtschaft. Unsere Volkswirtschaft hätte ohne die starke Nachfrage aus der Volksrepublik die weltweite Finanzkrise bei weitem nicht so gut überstanden. Zu den Risiken wird sich gelegentlich - in den Zeitungen kann man das nachlesen - geäußert. Könnten Sie bitte etwas zu den großen Chancen, die sich gerade aus der Dynamik der Beziehung ergeben, im Vergleich zu möglichen Risiken sagen?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Ich werde versuchen, meine Antwort auf eine Minute zu beschränken. - Zunächst einmal möchte ich Ihnen ausdrücklich recht geben, dass die Diskussion, die wir in den letzten drei Tagen in Deutschland erlebt haben - das starke chinesische Wachstum und das internationale Engagement Chinas wurden auf nationaler Ebene erst einmal als Risiko betrachtet -, meines Erachtens in die falsche Richtung geht. Die Zusammenarbeit mit China ist eine enorme Chance, nicht nur in Bezug auf globale Herausforderungen, sondern auch für unsere wirtschaftlichen Beziehungen. Wir erleben, dass in China ein Mittelstand mit mehreren Hundert Millionen Menschen entsteht. Es besteht ein großes Interesse an deutschen Qualitätsprodukten. Die wollen wir veräußern. Im Übrigen: Mit wachsender Mittelschicht wachsen auch die Übersicht und die Intensität von Bildung, und damit wiederum wächst das bürgerrechtliche Engagement. Beides gehört zusammen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. Sie haben gesehen, es hat keinen Ton gegeben. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Dr. Rolf Mützenich.

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Mich erinnert das akustische Signal an einen chinesischen Gong, aber ich bezweifle, dass das möglicherweise mit der heutigen Befragung zusammenhängt. ({0}) Auch wir sehen in den Regierungskonsultationen ein bedeutendes Ereignis. Herr Bundesaußenminister, ich würdige ausdrücklich, dass die Philosophie „Wandel durch Annäherung“, die von Ihnen nicht neu erfunden worden ist, durchaus Sinn macht. Ich erinnere aber auch an die Fragen, die Sie damals in der Opposition gestellt hatten. Auch wir hatten längere Diskussionen mit Vorgängerregierungen, wenn es um andere Länder gegangen ist. Meine konkrete Frage lautet: Ihr Kollege hat nicht nur das Thema Marktzugang in einer Erklärung erörtert, sondern insbesondere auch die Frage aufgeworfen, ob Deutschland helfen könnte, das Waffenembargo abzuschwächen. Haben Sie diese Fragen aufgenommen? Haben Sie im Rahmen der Regierungskonsultationen dazu eine neue Position entwickelt? Ich bitte Sie, dies dem Parlament mitzuteilen. Sie sprachen in diesem Zusammenhang Syrien an. Das finde ich sehr wichtig. Mich würde aber auch interessieren, ob der Iran in den Gesprächen eine Rolle gespielt hat, insbesondere angesichts der jüngsten Entwicklungen dort im Rüstungsbereich.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Herr Kollege Mützenich, das Prinzip „Wandel durch Annäherung“ bzw. „Wandel durch Handel“ ist weder von mir noch von Ihnen erfunden worden, sondern es wurde zu einem Zeitpunkt entwickelt, als wir beide uns eher für unsere Schultüte, aber bestimmt nicht für Politik interessiert haben, nämlich Mitte/Ende der 60er-Jahre. Dieses Prinzip ist Teil und Grundlage der neuen Ostpolitik gewesen und wurde, wie wir wissen, von der Regierung Brandt/Scheel vorgebracht. Die Frage zum Waffenembargo ist einfach zu beantworten. Wir haben immer gesagt, dass das alles mit der Entwicklung auch im Bereich der Menschenrechte zusammenhängt, also auch mit der Entwicklung der Zivilgesellschaft. Die Position dieser Bundesregierung dazu ist unverändert. Altbundeskanzler Gerhard Schröder hatte seinerzeit, wie Sie wissen, einen anderen Vorschlag dazu unterbreitet. Die Haltung dieser Bundesregierung ist, wie gesagt, unverändert. Sie ist hier bereits mehrfach erläutert worden. Ja, der Iran ist ein wichtiges Thema gewesen. Es ist richtig, dass es diesbezüglich unterschiedliche Betrachtungen gibt. Wir haben für die Bundesregierung noch einmal darauf hingewiesen, dass aus unserer Sicht nicht nur die Menschenrechtslage im Iran ein Thema sein sollte - dieses Thema wird in Anbetracht des Nuklearprogramms oft vergessen -, sondern auch die nukleare Bewaffnung des Iran, die wir in keiner Weise akzeptieren können.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Stefan Liebich.

Stefan Liebich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004093, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Außenminister, ich möchte Ihnen gerne eine weitere Minute schenken, um auf ein kleines Detail eingehen zu können. Mich würde interessieren, ob zu den außenpolitischen Themen auch die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel gehörten. China hat ja einen besonderen Zugang zur nordkoreanischen Regierung. Mich würde interessieren, ob Sie über die Situation dort sowie über die Sechs-Parteien-Gespräche und deren weiteren Verlauf geredet haben.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Ich kann Ihnen berichten, dass dieses Thema und die sehr konstruktive Haltung Chinas, was die in den letzten Monaten zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Nord- und Südkorea angeht, Teil meiner Gespräche und meiner Konsultationen in China selbst waren. Ich habe Mitte bzw. Ende März - ich müsste das Datum nachsehen - in Peking mit Außenminister Yang gesprochen. Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass ich die sehr verantwortungsvolle Haltung Chinas, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass China auf Deeskalation setzt und niemanden ermutigt, bei unterschiedlichen Positionen zu gewalttätigen Aktionen zu greifen, unterstütze. Die Sechs-Parteien-Gespräche sind für uns entscheidend. China wiederum ist innerhalb der Gespräche - das ist jedem hier klar - aufgrund seiner besonderen Nähe zu Nordkorea - ich meine nicht nur die geografische Nähe von allergrößter Bedeutung. Ich will nicht sagen, dass wir alles gutheißen, was zwischen China und Nordkorea stattfindet, aber ich möchte schon sagen: In den letzten Monaten hat sich China als ein konstruktiver und auch als ein sehr mäßigend wirkender Partner im Hinblick auf diese Situation eingebracht. Ich habe das öffentlich und nicht nur in den Gesprächen gewürdigt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Frau Kathrin Vogler.

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, ich möchte den Blick auf einen anderen Teil der Welt richten. China ist auch in Afrika ein großer Player. Sie selbst haben die Bedeutung Chinas für die Entwicklungszusammenarbeit angesprochen. Bei meinem Besuch im Sudan im letzten Jahr konnte ich sehen, welche Rolle China dort spielt. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie auch die aktuelle Entwicklung im Sudan besprochen haben. Die Unabhängigkeit des Südsudans steht ja unmittelbar bevor. Diesbezüglich gibt es aber immer noch offene und ungeklärte Fragen. Haben Sie darüber und über die Möglichkeit eines positiven Einwirkens auf die Konfliktparteien seitens der chinesischen und der deutschen Regierung gesprochen?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Ein Land, eine Minute. - Ich kann Ihnen berichten, dass wir über dieses Thema ausführlich gesprochen haben, auch vor dem Hintergrund, dass ich letzte Woche meine Reisen in den Nordsudan, Südsudan und nach Darfur beendet habe. Ich habe letzte Woche Khartoum, Darfur und Juba besucht. Ich habe mich mit meinem chinesischen Amtskollegen ausführlich über diese Frage ausgetauscht. Denn China spielt hier, was viele in Europa nicht wissen, eine ganz bedeutende Rolle; darauf haben Sie bereits hingewiesen. Ich bin der Überzeugung, dass wir alle unsere Konzentration und Kräfte dafür nutzen sollten, den Nordsudan davon zu überzeugen, dass die Präsenz der Vereinten Nationen richtig ist und auch nach dem 9. Juli akzeptiert werden sollte. Ob uns das gelingt, bleibt abzuwarten. Ich habe in meinen Gesprächen mit dem Vizepräsidenten in Khartoum und mit meinem nordsudanesischen Amtskollegen, dem Außenminister, noch einmal deutlich gemacht, dass wir hier Wege finden sollten. Am 9. Juli - Herr Präsident, ich erlaube mir, dies noch zu sagen - gelingt uns hoffentlich, wenn es auf den letzten Metern nicht noch Probleme gibt, der erfolgreiche Abschluss eines Referendums, dessen Durchführung und Akzeptanz viele von uns vor einem Dreivierteljahr nicht für möglich gehalten haben. Aber damit sind die Fragen der Stabilität zwischen Nord und Süd und der inneren Stabilität des dann neu ausgerufenen Staates Südsudan - es gibt dort viele ethnische Unterschiede; viele kleine Gruppen und Stämme stehen sich dort zum Teil gewaltbereit gegenüber - noch nicht ausreichend beantwortet. Ich selbst werde am 13. Juli im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Vorsitz führen, wenn der Südsudan in die internationale Völkergemeinschaft aufgenommen werden soll. Ich hoffe und setze darauf, dass die Entwicklung stabil bleibt. Durch den erfolgreichen Vermittlungsversuch von Präsident Mbeki ist die Entwicklung in der Region Abyei positiv beeinflusst worden. Allerdings wissen wir, dass Abyei nur eine der noch offenen Fragen ist. Es gibt weitere Fragen bezüglich Südkurdufan und - dieses Problem ist unverändert - Darfur. Es geht auch um die Altschulden und vieles mehr. Diese Haltung habe ich gegenüber dem chinesischen Amtskollegen deutlich gemacht, und wir werden sie auch weiterhin in der Sudanpolitik verfolgen. Wir werden im Auswärtigen Ausschuss hoffentlich bald nach dem 9. Juli die Gelegenheit haben, darüber zu reden, welche Konsequenzen das für unser Verhältnis zum Nordsudan hat.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin von Cramon-Taubadel.

Viola Cramon-Taubadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004025, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich möchte noch einmal auf die Zusammenarbeit im Finanzsektor zurückkommen. Am 30. März hat das BMF mit China einen Vertrag abgeschlossen, in dem man sich auf eine Modernisierung des chinesischen Finanzsektors verständigt hat. Man braucht China in der internationalen Zusammenarbeit bei der Regulierung der Finanzmärkte als maßgeblichen Unterstützer. Wie kann es dann sein, dass in dem Kommuniqué am Ende der Beratungen genau dieses wichtige Transformprojekt gar nicht mehr erwähnt wird? Ist es im Sinne der Bundesregierung, entsprechend Mittel einzustellen, um an dieser Stelle im nächsten Jahr enger mit China zusammenzuarbeiten?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Warum dieses Projekt, diese Zusammenarbeit in der Abschlusspresseerklärung nicht erwähnt worden ist, kann ich Ihnen als Außenminister nicht sagen. Ich müsste zunächst einmal die entsprechenden Kollegen in der Bundesregierung, sprich die Kollegen aus dem BMF, konsultieren, die dieses vorbereitet haben. Ich bitte, mir zu erlauben, Ihnen die Antwort auf diese Frage nachzuliefern. Ich weiß schlichtweg nicht, welchen Hintergrund das hat. Sie wissen, dass wir diese Kooperation wollen. Sie wissen auch, dass sie absolut notwendig ist. Ich habe in meinem Eingangsstatement auf die Notwendigkeit dieser Kooperation ausdrücklich hingewiesen. Warum das jetzt in dieser Abschlusspresseerklärung nicht erwähnt wird - sie umfasst, wenn ich es richtig im Kopf habe, neun Seiten -, kann ich Ihnen nicht beantworten. Da müsste ich erst bei den Kollegen im Finanzministerium nachfragen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen herzlichen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Kerstin Müller.

Kerstin Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002741, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich habe eine Nachfrage zum Thema Sudan. Parallel zu den Konsultationen hier hält sich Staatschef Umar al-Baschir in China auf. Er wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Haben Sie auch angesprochen, wie Deutschlands Position in dieser Frage ist?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Frau Kollegin, selbstverständlich ist dies von mir angesprochen worden. Es lag auch auf der Hand, dass es angesprochen wird. Sie wissen, dass es die Position der deutschen Bundesregierung ist, dass alles zu unterlassen ist, was die Autorität des internationalen Rechts und des Internationalen Strafgerichtshofs schmälern könnte. Diese Position ist auch zum Ausdruck gebracht worden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Marina Schuster.

Marina Schuster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003845, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - Herr Minister, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, war in China und hat vor Ort mit Bloggern gesprochen. Auch hat er Gespräche zum Thema „Abschaffung der Todesstrafe“ geführt. Des Weiteren hat er im Rahmen der jetzigen Konsultationen Gespräche geführt. Können Sie uns sagen, was Bestandteil der Gespräche des Menschenrechtsbeauftragten war?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Frau Kollegin Schuster, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hat - ausdrücklich und absichtlich - an einem bilateralen Gespräch, das ich gestern Morgen mit Außenminister Yang geführt habe, teilgenommen. Das allein ist, denke ich, eine Aussage, die von allen Experten hier verstanden wird; denn das ist nicht die normale, übliche Delegationszusammensetzung bei derartigen Gesprächen. Jedenfalls ist das nicht immer so in dieser Weise der Fall. Ich habe das absichtlich entschieden, weil ich der Überzeugung bin, dass es, wenn man mit China bzw. mit der chinesischen Regierung respektvoll umgeht, nicht als Lehrmeister auftritt, sondern auf gleicher Augenhöhe spricht, möglich ist, schwierige Fragen wie die Frage der Menschenrechte anzusprechen. Ich denke, dass die Beziehungen zwischen unseren Ländern mittlerweile so intensiv und so tragfähig sind, dass dies erlaubt, auch aus chinesischer Sicht sehr heikle Fragen ausdrücklich zu erwähnen. Ich will noch etwas hinzufügen: Die Tatsache, dass sowohl von mir als auch von der Bundeskanzlerin - übrigens auch öffentlich in der Pressekonferenz - das Schicksal zum Beispiel des Künstlers Ai Weiwei namentlich erwähnt worden ist, sagt etwas aus. Die Tatsache, dass wir uns beide auch öffentlich für bessere Arbeitsbedingungen der internationalen - sprich: auch der deutschen - Journalisten in China eingesetzt haben, ist aussagekräftig und belegt, denke ich, dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen: Interessengeleitete und wertegeleitete Außenpolitik sind zwei Seiten derselben Medaille. Umgekehrt muss ich sagen, dass das Thema Kunstfreiheit bzw. die Freiheit der Kunst in den letzten Monaten ohnehin eine große Rolle gespielt hat. Für mich ist das Teil der Menschenrechte; um auch das zu sagen. Für mich ist das wichtig. Ich möchte mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen hier im Deutschen Bundestag bedanken, die nicht dem leichten Reflex gefolgt sind und die Schließung der Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ gefordert haben, sondern genau wussten, dass ein solches Projekt eine enorme Chance für viele Hunderttausend Menschen ist, mit dem Gedankengut der Aufklärung ganz persönlich in Kontakt und in Berührung zu kommen. Genau das ist die Idee: Wandel durch Annäherung. Derzeit gehen etwa 1 500 Menschen täglich in diese Ausstellung. Am Wochenende sind es mehr als 4 000 Menschen. Es war eine richtige Entscheidung der Bundesregierung, diese Ausstellung zu eröffnen, und es war ebenso eine richtige Entscheidung der Bundesregierung, sie auch in schwieriger Zeit nicht zu schließen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist unser Kollege Dr. Frithjof Schmidt.

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Deutschland hat angekündigt, sich dafür einzusetzen, dass China von der Europäischen Union der sogenannte Marktwirtschaftsstatus eingeräumt wird. Wenn China dieser Status eingeräumt wird, bedeutet dies praktisch, dass Dumpingverfahren im Hinblick auf chinesische Produkte durch die Europäische Union massiv erschwert werden. Dumping ist in der Regel mit massiven Verletzungen sozialer und ökologischer Standards verbunden und führt zu unlauterem Wettbewerb. Die EU-Kommission berichtet seit vielen Jahren, dass in China auch die chinesischen Gesetze auf breiter Front nicht eingehalten werden. Sie vertritt deshalb die Auffassung, dass man solche Dumpingverfahren braucht; die letzten gab es in großem Umfang in der Schuhindustrie. Meine Frage in diesem Zusammenhang: Wieso vertritt Deutschland hier eine gegenteilige Position zu den Berichten der EU-Kommission? Wurden China in den Verhandlungen entsprechende Zusagen und Versprechen gegeben, dass sich Deutschland dafür in der Europäischen Union einsetzt?

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Ja, wir setzen uns dafür ein, dass China der Marktwirtschaftsstatus gewährt wird, aber erst dann, wenn die Kriterien erfüllt werden. So ist unsere Haltung. Deswegen kann ich hier keinen Gegensatz zwischen der deutschen Politik und der Haltung der Europäischen Kommission erkennen. Wir haben das immer klar konditioniert. Sie haben auch etwas anderes angesprochen, nämlich die Frage des Schutzes des geistigen Eigentums. Die Bundesregierung - nicht nur die Justizministerin, sondern auch ich selbst - hat immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass dieses Thema für uns essenziell ist; übrigens ist es auch Teil des Rechtsstaatsdialogs. Einen Gegensatz zwischen der Auffassung der EU und unserer Haltung kann ich in der Frage des Marktwirtschaftsstatus nicht erkennen. Aber es ist richtig: Wir wollen, dass China den Marktwirtschaftsstatus erhält, wenn die objektiven Kriterien dafür erfüllt sind. Dazu gehört auch der Komplex, den Sie beschrieben haben.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Marieluise Beck.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Sie sagten, dass Sie mit Ihrem Kollegen einen strategischen Dialog auf Außenministerebene vereinbart haben. Nun gibt es ja in China das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Es wird dort immer wieder sehr bemüht und tritt in Gegensatz zu einem strategischen Dialog und zu Gemeinsamkeiten, die auf Institutionen, denen man beigetreten ist und deren Werte zu teilen sind, gründen. Ich denke, ein Lackmustest wird ganz konkret sein, wie offensiv sich die deutsche Seite weiterhin im Hinblick auf die Freundschaft zu Tibet und seine Unterstützung verhält. Können Sie sich zum Beispiel vorstellen, dass der Dalai-Lama trotzdem offiziell in Deutschland empfangen wird, wie es die Kanzlerin vor einigen Jahren getan hat? Oder umgekehrt: Muss man fürchten, dass solche Begegnungen für diese strategischen Dialoge und Partnerschaften geopfert werden?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Frau Kollegin Beck, ich habe bereits in meinem einführenden Bericht zum Ausdruck gebracht, dass Tibet und der Umgang mit dem Dalai-Lama Themen unserer Gespräche und unseres Austausches gewesen sind. Es ist bekannt, dass China und Deutschland hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das ändert aber nichts daran, dass die deutschen Bundesregierungen seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen im Jahre 1972 der Überzeugung sind, dass die Ein-China-Politik nicht infrage gestellt werden darf. Ich kenne niemanden, jedenfalls keine Fraktion in diesem Hause, der anderer Auffassung ist. Die Ein-China-Politik bleibt Richtlinie unserer China-Politik. Sie ist für uns wichtig, damit die andere Seite das nötige Vertrauen für weitere Schritte hat. Der Dalai-Lama ist meines Wissens zum ersten Mal von Außenminister Klaus Kinkel persönlich empfangen worden; dies ist in den 90er-Jahren geschehen. Es hat weitere offizielle oder quasioffizielle Begegnungen gegeben. Ich kann Ihnen nicht berichten, ob es seitens der Bundesregierung oder einzelner Bundesminister zurzeit konkrete Planungen in dieser Richtung gibt; ich weiß es nicht und kann deswegen keine Stellungnahme dazu abgeben. Ich weiß, dass der Dalai-Lama als religiöser Führer bei einigen Persönlichkeiten der Landespolitik hohes Ansehen hat und dass zu einzelnen Bundesländern traditionell engere Beziehungen herrschen; auch dazu kann ich derzeit aber keine detaillierte Einschätzung abgeben. Es hat Begegnungen mit dem Dalai-Lama gegeben, und es wird sie, wenn es sich ergibt und wenn es richtig und angemessen ist, weiterhin geben. Hier sind keinerlei Zurückhaltung oder Zögerlichkeiten zu erkennen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Jetzt stellt noch unsere Kollegin von Cramon-Taubadel eine Frage.

Viola Cramon-Taubadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004025, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich wollte noch eine Frage bezüglich des AirbusDeals stellen. Es war ja geplant, zwei Airbus-Verträge mit den Chinesen abschließen zu lassen. Am Ende ist nur einer unterzeichnet worden. Womit genau hängt das zusammen? Ist die Bundesregierung bei dem einen unterzeichneten Vertrag den Chinesen in puncto Klimaschutz - Stichwort: Minderung des Engagements für den Klimaschutz - und in puncto Emissionshandel entgegenViola von Cramon-Taubadel gekommen? Vielleicht können Sie das noch ein bisschen erläutern.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Bundesminister.

Dr. Guido Westerwelle (Minister:in)

Politiker ID: 11002944

Es ist ein privatwirtschaftlicher Vertrag abgeschlossen worden. Mit Vertrag vom 28. Juni 2011 wurden 88 Airbus-Flugzeuge gekauft oder geleast. Natürlich wünscht sich der europäische Hersteller noch mehr; das hat der Vertreter des Unternehmens bei dem Mittagessen, das gestern mit Repräsentanten der Wirtschaft stattgefunden hat, in meiner Anwesenheit auch zum Ausdruck gebracht. Aber 88 Airbus-Flugzeuge: Das ist ja schon einmal etwas. Das ist ja wohl sehr bemerkenswert für das Unternehmen und auch für die europäische Wirtschaft. Das ist ein enormes Volumen. Dies ist uns auch durch die politische Unterstützung seitens der Bundesregierung gelungen. Dass wir deswegen von irgendwelchen anderen Punkten Abstand genommen haben, wie zum Beispiel unserem gemeinsamen Engagement für globalen Klimaschutz, kann ich nicht erkennen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage, ob es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt. - Da das nicht der Fall ist, beende ich nun die Fragen zu dem Themenbereich der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Regierungsbefragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksache 17/6273 Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Als Beantworter steht der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Frau Kollegin Britta Haßelmann auf: Wie hoch werden die Steuerausfälle aufgrund der geplanten Steuersenkungen für 2012, gegebenenfalls auch ab 2013, von bis zu 10 Milliarden Euro für die Kommunen sein, und wie beurteilt die Bundesregierung die zu erwartenden Steuerausfälle für die Kommunen vor dem Hintergrund ihrer Erklärung anlässlich der abschließenden Sitzung der Gemeindefinanzkommission am 15. Juli 2011, einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der kommunalen Finanzsituation leisten zu wollen?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Präsident! Frau Kollegin Haßelmann, auf Ihre Frage antworte ich Ihnen, dass die Bundesregierung bislang keine Entscheidung über Zeitpunkt, Art und Umfang möglicher Steuerentlastungen getroffen hat. Daher können auch keine Aussagen über Auswirkungen auf das kommunale Steueraufkommen gemacht werden. Die Lage und die Perspektiven der Kommunalfinanzen - das möchte ich deutlich machen - haben sich grundlegend verbessert. Hierzu trägt neben dem allgemeinen Wirtschaftsaufschwung auch das von der Bundesregierung jetzt auf den Weg gebrachte Paket zur Entlastung der Kommunen bei, das auch ein Ergebnis der Gemeindefinanzkommission ist und bis zum Jahr 2014 die vollständige Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter vorsieht. Das ist eine der größten Entlastungen, die es im letzten Jahrzehnt für die Kommunen auf der Ausgabenseite gegeben hat. Auch durch die jüngsten Steuerschätzungen, Frau Kollegin, wird deutlich, dass die Kommunen gesamtstaatlich bereits im Jahr 2012 wieder zu einem ausgeglichenen Ergebnis kommen und damit wieder das Niveau von vor der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise erreichen werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Britta Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, in der veröffentlichten Meinung - durch Einlassung sowohl der Bundesregierung als auch von Mitgliedern der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP - ist ja von Steuersenkungen in Höhe von 8 bis 10 Milliarden Euro als nächstem Schritt die Rede. Nach meinen Berechnungen würde sich das auf die Kommunen mit einem Minus von mindestens 1,5 Milliarden Euro auswirken. Von daher kann ich nicht verstehen, dass Sie mir nicht geantwortet haben. Auch der Vorschlag von Herrn Kirchhof, der in Ihren Reihen begrüßt wird, hat negative Auswirkungen auf die kommunale Finanzsituation. Meine Frage ist: Teilen Sie die Einschätzung des hessischen CDU-Finanzministers - ähnliche Auswirkungen weisen auch Berechnungen aus Baden-Württemberg aus dem Jahre 2003 aus -, dass wir dann, wenn wir diese Pläne realisieren würden, mit Steuermindereinnahmen in Höhe von 40 Milliarden Euro zu rechnen hätten?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Verehrte Frau Kollegin, ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Bundesregierung bisher keinerlei Entscheidung über Zeitpunkt, Art und Umfang möglicher Steuerentlastungen getroffen hat. Sie haben der öffentlichen Diskussion entnommen, dass das auch kurzfristig nicht der Fall sein wird. Deshalb verbieten sich aus Sicht der Bundesregierung öffentliche Diskussionen über damit auf allen staatlichen Ebenen einhergehende Steuermindereinnahmen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Die zweite Nachfrage von der Frau Kollegin Britta Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das heißt, ich kann Ihre Antwort so interpretieren, dass die Bundesregierung nicht mehr beabsichtigt, in dieser Legislaturperiode eine Steuersenkung vorzunehmen?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Nein, so können Sie meine Antwort nicht interpretieren. Sie wissen, dass wir uns in unserem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt haben, Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen im steuerlichen Bereich zu entlasten, wenn dies die Haushaltslage zulässt. Deshalb wird sicher im Hinblick auf steuerliche Maßnahmen der Bundesregierung zu prüfen sein, ob und wann haushalterisch, auch im Hinblick auf die in unserem Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, Spielräume vorhanden sind, die zum Beispiel eine Entlastung der Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen im steuerlichen Bereich zulassen würden. Aber ich wiederhole noch einmal: Die Bundesregierung hat über Zeitpunkt, Umfang und Art steuerlicher Maßnahmen keinerlei Entscheidung getroffen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Eine weitere Zusatzfrage unserer Frau Kollegin Nicolette Kressl.

Nicolette Kressl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002706, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. - Nachdem mehrere CDU-geführte Bundesländer mit Blick auf die Finanzlage ihrer Kommunen deutlich gemacht haben, dass sie eine Steuersenkungspolitik und damit verbundene Steuermindereinnahmen in dieser Legislaturperiode nicht mittragen würden: Gibt es, um für dieses Vorhaben überhaupt eine Mehrheit zu bekommen, in der Bundesregierung Überlegungen, dass der Bund die Kosten dafür wie beim Steuervereinfachungsgesetz alleine trägt?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Verehrte Frau Kollegin, alle Aspekte, auch die Frage von Auswirkungen auf andere staatliche Ebenen in Form von Steuermindereinnahmen, werden sicher Gegenstand der steuerlichen Überlegungen der Bundesregierung sein.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Eine weitere Zusatzfrage? - Frau Kollegin Lisa Paus.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Koschyk, ich frage die Bundesregierung: Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Frau Angela Merkel, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode zwar Steuererleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen beschließen wird, dies aber nicht vor dem 1. Januar 2012 in Kraft treten wird, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung von Horst Seehofer, der gesagt hat, Steuern sollten nur gesenkt werden, wenn dies nachhaltig und langfristig möglich sei - beides Zitate der vergangenen Woche -, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung von Volker Kauder - auch ein Zitat aus der vergangenen Woche -, dass stattdessen die Sozialabgaben gesenkt werden sollten, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, der gesagt hat, dass wir nicht im Geld schwimmen, sondern in Schulden ertrinken und dass eine Minisenkung politischer Unsinn ist, weil sie bei den Bürgern nur Enttäuschung hervorruft?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Verehrte Frau Kollegin, ich erlaube mir, zu sagen, dass Sie aus mehreren Aussagen sehr einseitig und sehr pointiert zitiert haben. ({0}) Alle genannten Äußerungen bedeuten, dass die Bundesregierung in ihre Entscheidungsfindung bezüglich der Frage, ob, wann und wie es unter Vorrang der Haushaltskonsolidierung und unter strikter Beachtung der Schuldenregelung möglich sein wird, Bezieher von unteren und mittleren Einkommen steuerlich zu entlasten - Sie haben in Ihrer Frage von „Unternehmen“ gesprochen, ich darf deutlich machen, dass im Koalitionsvertrag von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen die Rede ist -, eine Fülle von Sachverhalten wird einbeziehen müssen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nächster Fragesteller ist der Kollege Lothar Binding. Dann kommt der Kollege Volker Beck, der jetzt wieder anwesend ist. Er hatte wegen eines Parlamentsgesprächs kurz den Saal verlassen. Bitte schön, Kollege Lothar Binding.

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Koschyk, können Sie definieren, was untere und mittlere Einkommen sind? Denn wir haben einen Steuerfreibetrag, der dann in einen zunächst relativ niedrigen Grenzsteuersatz übergeht. In diesem Zusammenhang frage ich Sie, was unter niedrigen und mittleren Einkommen zu verstehen ist.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Wir werden im Laufe der Fragestunde noch auf Sachverhalte zurückkommen, die die Wirkung der sogenannten kalten Progression betreffen. Ich erinnere mich, Herr Kollege Binding, dass es in der letzten Legislaturperiode ein gemeinsames Papier des damaligen Finanzministers Steinbrück und des damaligen SPD-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Beck über steuerpolitische Vorstellungen gegeben hat. Darin war auch davon die Rede, dass die kalte Progression zwar kein dringendes, aber nicht zu vernachlässigendes Problem in der Steuerpolitik ist. Deshalb könnte man zum Beispiel, wie es auch im Koalitionsvertrag angelegt ist, kleine und mittlere Einkommen, die von der sogenannten kalten Progression besonders betroffen sind, ein Stück weit entlasten, wenn entsprechende Haushaltsspielräume vorhanden sind und dies mit der Schuldenregel in Einklang steht. Wie das im Einzelnen konkret zu gestalten wäre, muss den Überlegungen und der Entscheidungsfindung der Bundesregierung vorbehalten bleiben.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Die nächste Frage stellt unser Kollege Volker Beck. ({0}) - Nein, das ist nicht vorgesehen. ({1}) - Es melden sich noch viele weitere Kollegen zu Wort, die dies sicher aufgreifen werden. - Schon ist der Kollege Volker Beck am Zug. ({2})

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Binding, melden Sie sich einfach bei der nächsten Frage der Kollegin Haßelmann noch einmal. Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, die Bundesregierung habe zu den Steuersenkungsplänen noch keine konkreten Vorstellungen, auch wenn der Blätterwald voll mit Berichten zu diesem Thema ist. Wenn Sie die kleinen und mittleren Einkommen adressieren wollen, was nicht ohne Rückwirkungen auf die höheren Einkommen möglich ist - so ist das im Steuerrecht nun einmal -, dann verstehe ich nicht, warum Sie nicht die für die kleinen und mittleren Einkommen wesentlich schwerere Last der Sozialabgaben angehen, wenn Sie schon meinen, Sie hätten zu viel Geld in der Kasse. Denn damit erzielen Sie eine deutliche Entlastung, die tatsächlich nur die Beschäftigten in normalen Arbeitsverhältnissen betrifft. By the way, Sie hätten dann auch kein Problem mit dem Bundesrat, weil Sie dann nichts von den Kommunal- und Länderfinanzen klauen müssten.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Ich bin sicher, Herr Kollege Beck, dass auch derartige Überlegungen, die Sie gerade geäußert haben, in Überlegungen der Bundesregierung bzw. in ein von ihr zu gestaltendes Maßnahmenpaket entsprechend einbezogen werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Brigitte Pothmer.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, es war zu lesen, dass zur Finanzierung nicht der Steuersenkung, sondern zur Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, wie Sie sagen, auch die arbeitsmarktpolitischen Instrumente noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden und dass an dieser Stelle noch weiter eingespart werden soll. Wie stellen Sie sich das vor dem Hintergrund des bereits eingeplanten Einsparvolumens von 8 Milliarden Euro bis 2015 vor?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Frau Kollegin, derartige Überlegungen, die Sie gerade erwähnt haben, sind mir im Zusammenhang mit den noch nicht abgeschlossenen steuerlichen Überlegungen der Bundesregierung nicht bekannt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre Nachfrage, Kollege Carsten Sieling.

Dr. Carsten Sieling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, meine Freude über das Lob für das Papier von Herrn Beck und Herrn Steinbrück ist kaum einzufangen. Trotzdem würde ich gerne, wenn Sie schon nichts zu den kleinen und mittleren Einkommen und ihrer Entlastung sagen, wissen, welche Vorstellungen und Pläne Sie haben, um diejenigen zu entlasten, die gar keine Steuern zahlen, obwohl sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Alle am Steuer- und Sozialgeschehen in unserem Land Beteiligten werden bei den von der Bundesregierung zu treffenden Maßnahmen entsprechend in den Blick genommen werden. Ich sage noch einmal: Im Moment gibt es keine konkreten Entscheidungen der Bundesregierung über Art, Umfang und Zeitpunkt von steuerlichen Maßnahmen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Wir kommen zu Frage 2 der Kollegin Britta Haßelmann: Wie reduziert sich die Kostenentlastung der Kommunen aus der Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund in der Zeit von 2012 bis 2015, wenn die neuen Belastungen der Kommunen durch die zu erwartenden Steuermindereinnahmen durch eine mögliche Steuersenkung und die im Bildungspaket vereinbarte Übernahme der Kosten für die Neueinstellung von 3 000 Sozialarbeitern und die Mittagsverpflegung ab 2014 in Abzug gebracht werden? Bitte, Herr Staatssekretär.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Frau Kollegin Haßelmann, es bleibt in jedem Fall bei der zugesagten Kostenentlastung der Kommunen infolge der schrittweisen Erhöhung der Erstattung der Nettoausgaben des Vorvorjahres für die Grundsicherung im Alter und die Erwerbsminderung durch den Bund. Ich sage noch einmal: Die Bundesregierung hat bisher keine Entscheidung über Zeitpunkt, Art und Umfang möglicher Steuerentlastungen getroffen. Aussagen über die finanziellen Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen auf die Haushalte der Kommunen können daher nicht gemacht werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Erste Nachfrage, Kollegin Britta Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsekretär, Sie stimmen aber sicherlich mit mir darin überein, dass jede Veränderung bei der Einkommensteuer durch Ihr Steuerkonzept, das Sie zum dritten Mal angekündigt und mit konkreten Zahlen unterlegt haben - zumindest in der Presse, wenn auch nicht hier im Parlament -, auch negative Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte hat, da ein bestimmter Prozentsatz der Einkommensteuereinnahmen den Kommunen zufließt, nämlich 15 Prozent. Wenn wir von 8 Milliarden bis 10 Milliarden Euro ausgehen - diese Zahlen kann man der Presse entnehmen -, können wir ausrechnen, zu welchen Defiziten das allein auf kommunaler Ebene führt.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Verehrte Frau Kollegin, Sie werden keine Aussage eines Mitglieds der Bundesregierung über eventuelle Volumina von steuerlichen Veränderungen finden. Dass es hierzu Aussagen von Vertretern der Koalitionsfraktionen gibt, ist in einem öffentlichen Diskurs über ein so wichtiges Thema verständlich. Ich kann nur wiederholen, dass die Bundesregierung keine Entscheidung über Art, Umfang und Zeitpunkt steuerlicher Veränderungen getroffen hat. Selbstverständlich ist es richtig, dass Veränderungen im Bereich der Einkommensteuer zu Auswirkungen auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen führen würden und dass dies bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müsste.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Ihre jetzige Antwort verunklart die Situation erneut. Vorhin haben Sie gesagt, dass Sie in dieser Legislaturperiode eine Steuersenkung vornehmen werden. Also wird es doch zu Mindereinnahmen bei den Kommunen und den Ländern sowie beim Bund kommen. Meine Frage lautet: Werden Sie in Ihrem Steuerentlastungskonzept die Pläne von Herrn Kirchhof - diese will ich hier im Einzelnen nicht erläutern - berücksichtigen?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Frau Kollegin, Sie wissen, dass, wenn man über steuerliche Veränderungen nachdenkt, nicht nur Überlegungen aus dem entsprechenden Fachministerium, dem Bundesministerium der Finanzen, sondern auch die fachpolitische Ebene in den Koalitionsfraktionen und all das, was aus dem Wissenschaftsbereich zu diesem Sachverhalt gesagt wird, einbezogen werden. Insofern kann man niemals ausschließen, dass man auch Anregungen aus der Wissenschaft in steuerpolitische Entscheidungsfindungen einbezieht. Da Sie mir unterstellt haben, dass ich bestätigt hätte, dass das Koalitionsvertragsziel, untere und mittlere Einkommen zu entlasten, nur durch Maßnahmen im Einkommensteuerbereich zu erreichen sei, möchte ich richtigstellen: Der Kollege Beck hat darauf hingewiesen, dass man sich theoretisch durchaus auch vorstellen kann, untere und mittlere Einkommen im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge zu entlasten. Die Entlastung unterer und mittlerer Einkommen als Ziel des Koalitionsvertrages ist also auf vielfältige Weise möglich. Die Bundesregierung wird Entscheidungen treffen, entsprechende Vorschläge machen und diese dann einem geordneten parlamentarischen Verfahren zuführen. Bislang ist über Zeitpunkt, Umfang und Art von steuerlichen Veränderungen in der Bundesregierung noch in keiner Weise entschieden. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Jetzt gibt es eine Wortmeldung unseres Kollegen Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich melde mich zur Geschäftsordnung. Nachdem die Kanzlerin großspurig angekündigt hat, dass es jetzt Steuersenkungen gebe, und es dann den Aufstand im Bundesrat - auch aus den Reihen der Ministerpräsidenten der Union - gab, scheint sich das Finanzministerium in ein „Nichts Genaues weiß man nicht“ zu flüchten. Ich denke, dass es vor diesem Hintergrund wichtig ist, dass die Öffentlichkeit erfährt, wie die Koalition genau denkt. Deshalb beantragen wir im Zusammenhang mit den Steuersenkungsplänen der Bundesregierung eine Aktuelle Stunde zu den Steuerausfällen für Bund, Länder und Kommunen und zu den Auswirkungen auf die Schuldenbremse.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Volker Beck. - Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eben zu der Antwort der Bundesregierung auf eine mündliche Anfrage - Drucksache 17/6273 - eine Aktuelle Stunde verlangt. Dies entspricht der Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Somit findet im Anschluss an die Fragestunde diese Aktuelle Stunde statt. Die ursprünglich vorgesehene Aktuelle Stunde wird auf morgen verschoben. Es gibt noch weitere Nachfragen an den Herrn Staatssekretär. Zunächst hat Frau Kollegin Paus das Wort. ({0})

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will zum Thema Schuldenbremse nachfragen. Teilt die Bundesregierung im Hinblick auf die Debatte über die Schuldenbremse noch die grundsätzliche Ansicht, dass in Phasen der Hochkonjunktur Überschüsse gebildet werden sollten, um in Phasen einer niedrigen Konjunktur eine Unterdeckung des Haushalts ausgleichen zu können? Wie passt das mit den anhaltenden Diskussionen darüber zusammen, dass es in der aktuellen Phase der Hochkonjunktur zwar steigende Steuereinnahmen gibt, jedoch noch keine Überschüsse und nach wie vor eine Lücke im zweistelligen Milliardenbereich klafft?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Die Bundesregierung wird genau dies bei der Entscheidungsfindung über mögliche steuerliche Maßnahmen berücksichtigen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Es gibt zwei weitere Fragen. Zunächst Kollege Lothar Binding.

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Koschyk, zunächst vielen Dank für die Antwort auf eine von mir überhaupt nicht gestellte Frage. Die kalte Progression wäre auf meine Frage die falsche Antwort gewesen; denn die kalte Progression betrifft alle Einkommen. Deshalb eine ganz einfache Frage: Sie benutzen den Begriff „untere und mittlere Einkommen“. Ich frage: Was ist das? Wie definieren Sie ein unteres, wie ein mittleres Einkommen? Das findet sich auch in der Koalitionsvereinbarung. Es muss irgendwo eine Definition dieses Begriffs geben. Ansonsten würden Sie auf unscharfer Basis Gesetze machen, und das kann ich mir einfach nicht vorstellen.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Sie werden die Antwort dann finden, Herr Kollege Binding, wenn wir unsere Überlegungen darüber abgeschlossen haben, welche Einkommensschichten wir durch entsprechende Maßnahmen - welche auch immer entlasten werden. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Nicolette Kressl.

Nicolette Kressl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002706, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, ich möchte auf die Steuermindereinnahmen, die auch die Kommunen belasten würden, eingehen. Es gäbe einen Weg, die Kommunen nicht zu belasten. Auch in den Zeitungen wurde diese Diskussion geführt; es geht um den Solidaritätszuschlag. Sind Sie im Hinblick auf eine Steuerentlastung in diesem Bereich der Ansicht, dass damit untere und mittlere Einkommen entlastet werden?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Frau Kollegin, Überlegungen auch im Bereich des Solidaritätszuschlags sind in der öffentlichen Diskussion; sie werden sicher auch bei der weiter gehenden Diskussion eine Rolle spielen. Aber ich darf noch einmal sagen: Es wird der Entscheidung der Bundesregierung vorbehalten bleiben, wie sie das genannte Ziel aus dem Koalitionsvertrag umsetzt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Es gibt zu der Frage keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick auf: Inwiefern sind die Ankündigungen der Bundesregierung, kleine und mittlere Einkommen durch eine Steuersenkung zu entlasten, aus Sicht der Bundesregierung vereinbar mit einer Senkung der Einkommensteuer, bei der eine Tarifsenkung im unteren Einkommensbereich stets eine höhere Entlastung im oberen Einkommensbereich bewirkt - vergleiche beispielsweise „Wer von Steuersenkungen profitieren würde“, Spiegel Online vom 23. Juni 2011 - und erwägt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund, die Entlastungswirkung für obere Einkommen über eine Erhöhung der Grenzsteuersätze im oberen Einkommensbereich auszugleichen?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Kollege Schick, ich wiederhole, dass es keine Entscheidung über Umfang, Zeitpunkt und konkrete Ausgestaltung von Steueränderungen gibt. Eine aussagefähige Beurteilung von Tarifsenkungen allein auf Grundlage von absoluten Entlastungsbeiträgen ist nicht möglich. Zu berücksichtigen wären sicher auch bisherige und die nach einer möglichen Steueränderung verbleibenden Belastungen. Es sind bei einer theoretischen Diskussion dieser Art keine sachlichen Gründe erkennbar, bestimmte Gruppen von Steuerzahlern von möglichen Steueränderungen auszuschließen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Wie ich sehe, haben Sie, Kollege Dr. Schick, keine Nachfrage. Auch keine andere Kollegin und kein anderer Kollege möchte eine Zusatzfrage stellen. Wir kommen zur Frage 4 des Kollegen Dr. Gerhard Schick: Wie hat sich im Zeitraum seit 1990 die sogenannte kalte Progression tatsächlich auf die Steuerzahlung von Bürgerinnen und Bürgern mit kleinen und mittleren Einkommen ausgewirkt, und wie stark wurde dies von den Einkommensteuersenkungen in diesem Zeitraum kompensiert?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Die Wirkung der kalten Progression besteht darin, dass infolge der Progression des Einkommensteuertarifs die tarifliche Durchschnittsbelastung auch dann steigt, wenn das zu versteuernde Einkommen lediglich im Umfang der Preiserhöhung zugenommen hat. Die kalte Progression trifft grundsätzlich alle Steuerzahler. Sie wirkt sich bei Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen allerdings besonders stark aus. Die Bundesregierung hat keine Berechnung zur Auswirkung der sogenannten kalten Progression seit 1990 durchgeführt. Derartige Bezifferungen über einen so langen Zeitraum stoßen auf erhebliche methodische und datenmäßige Probleme und erlauben daher keine belastbaren Schussfolgerungen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nachfrage des Kollegen Dr. Schick.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Hat die Bundesregierung angesichts der Beschäftigung mit diesem Thema, bei dem die kalte Progression eine große Rolle spielt, vor, quantitative Erhebungen durchzuführen? Oder lösen Sie sozusagen ein Problem, das Sie überhaupt nicht kennen, und werden Sie dann auf der Grundlage von Nichtkenntnis Vorschläge machen?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Selbstverständlich werden bei allen angestellten Überlegungen und daraus zu ziehenden Konsequenzen für die Entscheidungsfindung Erhebungen und Untersuchungen - je nachdem, für welchen Lösungsweg man sich entscheidet - notwendig sein.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Herr Dr. Schick, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Werden Sie diese Untersuchungen dann auch dem Parlament für die Beratungen zur Verfügung stellen?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Kollege Schick, wenn die Bundesregierung eine Entscheidung getroffen hat und ein entsprechender Gesetzgebungsvorgang eingeleitet wird, dann stellt sie, wie Sie wissen, dem Parlament für die Ausschussberatungen immer ergänzende Unterlagen zur Verfügung. Das ist die gute Praxis eines offenen, transparenten Umgangs zwischen Regierung und Parlament.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Das Wort zu einer weiteren Nachfrage hat Frau Kollegin Nicolette Kressl.

Nicolette Kressl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002706, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben gerade ausgeführt, dass es für den langen Zeitraum seit 1990 keine Analysen zur Auswirkung der kalten Progression gibt. Da vonseiten der Koalitionsfraktionen und von Regierungsmitgliedern immer wieder auf die kalte Progression verwiesen wird, möchte ich gerne fragen: In welchem der letzten fünf Jahre hat die kalte Progression in welchem Umfang bei Arbeitnehmern tatsächlich eine Auswirkung gehabt?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Frau Kollegin, diese Frage kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten. Aber ich würde Ihnen die Beantwortung dieser Frage gerne nachreichen. Sollten keine Aufzeichnungen oder Untersuchungen dazu da sein, würden wir versuchen, diese Frage zu klären. Aus dem Stand heraus kann ich sie Ihnen nicht beantworten.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Lothar Binding.

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine kurze Bemerkung zu Ihrer Bemerkung zur Durchschnittssteuerbelastung. Die Durchschnittssteuerbelastung steigt bei zunehmendem Einkommen immer; eine Ausnahme ist der Bereich des Existenzminimums. Insofern war Ihre Antwort wohl nicht ganz exakt. Ich habe eine Frage zur kalten Progression. Was Sie vorhaben, bedeutet eine komplette Rechtsverschiebung der Grenzsteuersatzkurve. Wenn Sie Ihre Pläne bezogen auf die kalte Progression vollständig umsetzen, dann wollen Sie damit einen Inflationsausgleich schaffen; das ist verständlich. Wie wollen Sie aber einen Treibsatz für die Inflation in zukünftigen Jahren vermeiden?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Kollege Binding, eine stabilitätsorientierte Wachstumspolitik ist die beste Prävention gegen inflationäre Tendenzen. Dieser Politik fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet. Das, was Sie jetzt als mögliche Lösung des Problems andiskutiert haben, dürfte Ihnen als jemandem, der schon in der Großen Koalition in der Finanzpolitik eine Rolle gespielt hat, nicht unbekannt sein; denn eine erste Maßnahme zur Verschiebung der Kurve nach rechts und damit zur Abmilderung der kalten Progression hat es bereits in einem der Konjunkturpakete der Großen Koalition gegeben. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Wir kommen zur nächsten Frage. Die Frage 5 stellt unser Kollege Lothar Binding: Wie begründet die Bundesregierung - mit Blick auf ihre Verpflichtung zur Einhaltung der Schuldenbremse, die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise stark gestiegene Nettoneuverschuldung und die Lücke zwischen Steuereinnahmen und nicht nur kriseninduzierten Haushaltsbelastungen - ihre erneute Ankündigung einer Steuersenkung, die Menschen mit hohen Einkommen begünstigt und Menschen mit niedrigem

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Selbstverständlich, Herr Kollege Binding, müssten mögliche Steueränderungen im Rahmen eines tragfähigen stabilitäts- und finanzpolitischen Gesamtkonzepts umgesetzt werden. Von daher ist es selbstverständlich, dass die Bundesregierung bei steuerlichen Überlegungen und Entscheidungen die Einhaltung der Schuldenbremse strikt beachten muss.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Erste Nachfrage, Kollege Lothar Binding.

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie verträgt sich Ihre Antwort mit Ihrer Aussage, dass Sie zuerst an die Haushaltskonsolidierung gehen wollen? Zur Erinnerung: Wir hatten 1 700 Milliarden Euro Schulden, nach der Krise haben wir 2 000 Milliarden Euro Schulden, wir haben eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro erwartet, sind aber jetzt froh, dass es nur 40 Milliarden Euro sind. Meinen Sie, in dieser Phase könne man unter Einhaltung des Gedankens der Konsolidierung des Haushalts Steuern senken? Diese Rechnung - das ist ein einfacher Dreisatz - leuchtet mir nicht ein.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Ich lege noch einmal Wert auf die Feststellung, Herr Kollege Binding - das habe ich in jeder der Antworten gesagt, die ich in dieser Fragestunde bislang gegeben habe -, dass steuerliche Maßnahmen nur unter dem absoluten Vorrang der Verträglichkeit mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung und unter strikter Beachtung der Schuldenregel möglich sind. Dies wird der Vorbehalt bei allen steuerlichen Überlegungen der Bundesregierung sein. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Gut. - Dann gibt es dazu keine weiteren Nachfragen. So kommen wir zur Frage 6, die ebenfalls vom Kollegen Lothar Binding gestellt wird: Wann plant die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Verhinderung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abgrenzung zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen in der Erbschaft- und Schenkungsteuer vorzulegen ({0})?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Kollege Binding, die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die die Regierung der Großen Koalition im Erbschaftsteuerreformgesetz beschlossen hat, soll einerseits missbräuchliche Gestaltung durch Verlagerung von Privatvermögen in Betriebsvermögen verhindern und andererseits die Betriebe in ihrer Finanzierungsfähigkeit und Anlageflexibilität nicht übermäßig beschränken, um das Ziel einer gesicherten Unternehmensfortführung nicht zu gefährden. Dieses Ziel wurde mit dem seinerzeit beschlossenen Gesetz - ich glaube, auch Sie haben zugestimmt - erreicht. Die Bundesregierung plant in dieser Frage keinen Gesetzentwurf. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Keine weitere Nachfrage. So kommen wir jetzt zur Frage 7 der Frau Kollegin Lisa Paus: Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine Senkung oder Streichung des Solidaritätszuschlags die oberen Einkommen überproportional gegenüber den unteren und mittleren Einkommen entlasten würde, und hält die Bundesregierung vor diesem Hintergrund an ihren Überlegungen zur Senkung oder Abschaffung des Solidaritätszuschlags fest?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Frau Kollegin Paus, weil Sie in Ihrer Frage davon ausgehen, dass es innerhalb der Bundesregierung bereits Entscheidungen über eine Senkung oder Streichung des Solidaritätszuschlags gibt, darf ich wiederholen, dass es vonseiten der Bundesregierung keinerlei Entscheidungen über Art, Umfang und Zeitpunkt von steuerlichen Maßnahmen gibt. Zum Solidaritätszuschlag noch einmal eine deutliche Anmerkung der Bundesregierung: Der Solidaritätszuschlag wurde als Zuschlag zur progressiven Einkommensteuer festgesetzt und belastet daher Bezieher höherer Einkommen überproportional. Er ist sozial ausgewogen, weil alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit belastet und niedrigere Einkommen verschont werden. Für die Bundesregierung ist und bleibt der Solidaritätszuschlag ein wichtiges Element, um den Finanztransfer zugunsten der ostdeutschen Bundesländer zu gewährleisten.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Koschyk, könnten Sie, auch wenn Sie der Auffassung sind, dass der Soli, so wie er existiert, sozial ausgewogen ist, den ersten Teil meiner Frage beantworten, nämlich ob Sie die Ansicht teilen, dass eine Abschaffung des Soli vor allen Dingen den oberen Einkommen zugutekäme? Würden Sie also bestätigen, dass seine Abschaffung vor allen Dingen den oberen Einkommen zugutekäme? Würden Sie ebenfalls bestätigen, dass seine Abschaffung den unteren und mittleren Einkommen nicht zugutekäme?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Ich darf noch einmal sagen, dass die Bundesregierung in keiner Weise Überlegungen anstellt, die auf eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags hinauslaufen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das freut mich. Ich würde trotzdem gerne eine Antwort auf die Frage bekommen: Teilen Sie meine Einschätzung, dass eine Abschaffung des Soli vor allen Dingen den oberen Einkommen zugutekäme und deswegen ungeeignet wäre, mittlere und untere Einkommen zu entlasten?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Ich glaube, das ist eine eher theoretische Betrachtung. Ich werde auch von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen gefragt, ob der Solidaritätszuschlag weiterhin und wie lange er noch erhoben wird. Ich glaube, jeder empfindet den Solidaritätszuschlag als steuerliche Belastung und sähe ihn lieber heute als morgen abgeschafft. Aber auch im Hinblick auf die gesamtstaatlichen Finanzierungsverpflichtungen muss man den Menschen immer wieder erklären, dass dies nicht möglich ist.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Wir kommen nun zur Frage 8, ebenfalls von unserer Kollegin Lisa Paus: Mit jährlichen Einnahmeausfällen in welcher Höhe rechnet die Bundesregierung, wenn eine an der jährlichen Inflationsrate orientierte Indexierung des Einkommensteuertarifs stattfände?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Frau Kollegin Paus, die Bundesregierung beabsichtigt keine Indexierung des Einkommensteuertarifs. Dies schließt nicht aus, dass zukünftig bei einer möglichen Weiterentwicklung des Einkommensteuertarifs die Veränderung verschiedener wirtschaftlicher Größen wie zum Beispiel der Inflationsrate berücksichtigt wird.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Welche Schätzung liegt denn der Haushaltsplanung der Bundesregierung in Bezug auf die Inflationsrate aktuell zugrunde, und welche Wirkung hätte die Indexierung der Einkommensteuer entsprechend der Inflationsrate?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Ich kann Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten, welche Wirkung das hätte.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Würden Sie das schriftlich nachreichen?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Das kann ich Ihnen gerne schriftlich nachreichen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Eine Nachfrage des Kollegen Dr. Gerhard Schick.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Würden Sie denn sagen, Herr Staatssekretär, dass dieses Thema der Indexierung, bei dem es auch um die kalte Progression geht, angesichts der derzeitigen Inflationsrate besonders gravierend ist? Halten Sie die Inflationsrate in diesem Zusammenhang für hoch und deswegen durch die kalte Progression für eine hohe Belastung für die Bürger, oder wie ist Ihre Einschätzung?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Ich möchte dazu keine subjektive Einschätzung abgeben. Die Bundesregierung wird diese Frage im Zusammenhang mit allen steuerlichen Maßnahmen im Bereich des Einkommensteuertarifs insgesamt fundiert beantworten müssen. Ich bitte um Verständnis, dass ich einer entsprechenden Entscheidungsfindung der Bundesregierung mit einer subjektiven Einschätzung in keiner Weise vorgreifen möchte.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Die Fragen 9 und 10 der Kollegin Hilde Mattheis, die Frage 11 der Kollegin Bärbel Höhn und die Fragen 12 und 13 der Kollegin Dr. Barbara Höll werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zur Frage 14 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele: Warum setzt sich die Bundesregierung für weitere einschneidende Sparmaßgaben Griechenlands als Voraussetzung für die Gewährung weiterer Garantien und anderer Hilfen ein und nicht für die Streichung eines Großteils der Schulden Griechenlands bei privaten Gläubigern, um dem Land eine realistische Chance zu verschaffen, durch Investitions- und Konjunkturprogramme der Bevölkerung Arbeit und Einkommen zu geben und aus der Krise zu kommen?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Lieber Herr Kollege Ströbele, nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern alle, die zurzeit bemüht sind, durch internationale Solidarität im Rahmen des IWF und der Europäischen Union Griechenland zu unterstützen, erwarten, dass im Hinblick auf weitere Hilfsmaßnahmen in Griechenland entsprechende Einsparungen vorgenommen werden. Das ist auch die Erwartung der griechischen Regierung selbst. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die Süddeutsche Zeitung von gestern zitieren. Dort wird berichtet, dass Vizepremierminister Pangalos in einer leidenschaftlichen Rede die griechische Öffentlichkeit daran erinnert hat, dass alle miteinander für den Bankrott des alten Systems verantwortlich seien. Der Vizepremierminister sagte wörtlich: „Der größte Teil des Defizits geht auf Ausgaben für Beamtengehälter und Renten zurück“ … Jahrelang hätten die Wähler den Parteien „ihre Stimme verkauft“, im Tausch gegen einen Job im Staatsdienst. Sie sehen also, Herr Kollege Ströbele, dass die griechische Regierung selbst im Hinblick auf die Verschuldungssituation Griechenlands Handlungsbedarf sieht. Sie wissen, Herr Kollege Ströbele, dass die Bundesregierung die Beteiligung privater Gläubiger im Falle eines neuen Hilfsprogramms für Griechenland als Voraussetzung für einen deutschen Beitrag genannt hat. Mit dieser Position war die Bundesregierung anfangs innerhalb der Europäischen Union, der Euro-Gruppe, aber auch der entsprechenden internationalen Institutionen sehr isoliert. Inzwischen haben wir erreicht, dass eine private Gläubigerbeteiligung zur Voraussetzung für ein neues Programm für Griechenland geworden ist. Unser Haus und auch Bundesfinanzminister Schäuble persönlich stehen mit den Spitzen der deutschen Finanzwirtschaft in Kontakt, um diesbezüglich einen entsprechenden Beitrag der deutschen Finanzwirtschaft zu erreichen. Sie fragten, warum die Bundesregierung nichts unternimmt, um den Griechen mittels Investitions- und Konjunkturprogrammen aus der Krise herauszuhelfen. Ich darf darauf hinweisen, dass gerade Bundesminister Schäuble gegenüber der Europäischen Kommission, der Euro-Gruppe und der Europäischen Union sehr darauf drängt, dass Griechenland durch entsprechende Wirtschaftsfördermaßnahmen - zum Beispiel soll durch die Erzeugung von Solarstrom und durch Solartechnik Wertschöpfung erfolgen - Wachstumsperspektiven gegeben werden. Diese Position der Bundesregierung hat dazu geführt, dass der Präsident der Europäischen Kommission Barroso inzwischen angekündigt hat, dass eine Beschleunigung der Auszahlung und eine Bündelung von Maßnahmen zur Förderung der griechischen Volkswirtschaft auf den Weg gebracht werden sollen. Auf diese Weise sollen die Wachstumsperspektiven verbessert werden.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich weiß nicht, wie es der Bundesregierung geht, aber wenn ich sehe, was in Griechenland jetzt passiert und was dort beschlossen werden soll, dann bin ich nicht nur erschrocken, sondern ich will auch solidarisch sein. Nachdem bereits insbesondere im Gesundheits- und Sozialbereich ganz erhebliche Sparmaßnahmen beschlossen wurden, werden den Griechen nun noch zusätzliche erhebliche Einsparungen aufgedrückt. Man kann fast sagen, dass sie damit erpresst werden. Nach den letzten Nachrichten aus Griechenland von dieser Stunde ist das Volk in großer Unruhe. In Athen herrscht fast Ausnahmezustand. Es fahren keine Bahnen. Es ist zu einem Generalstreik gekommen. Es kommt vor dem Parlament zu schweren Tumulten. Ich kann das angesichts dessen, was der Bevölkerung dort zugemutet wird, verstehen. Wenn ich solche Nachrichten sehe, frage ich mich schon, ob die Europäische Gemeinschaft - also auch Deutschland und die Bundesregierung nicht eine erhebliche Verantwortung dafür trägt, was sich derzeit im Urland unserer Demokratie abspielt. Ich frage mich, ob man allein mit zusätzlichen einschneidenden Sparmaßnahmen in Griechenland etwas erreichen kann. Ich frage mich auch, ob wir den Griechen nicht falsche Hoffnungen machen. Wir sollten uns an diejenigen halten, die nach wie vor Gewinne machen. Dabei handelt es sich um die großen Gläubiger und die Reichen in Griechenland. Nach allem, was ich aus Griechenland gehört habe, werden ebendiese nicht zur Steuer herangezogen bzw. nicht in dem Maße, wie das in anderen europäischen Ländern der Fall ist. Ich frage mich daher, ob die Bundesregierung nicht eher eine andere Linie fahren und sagen sollte: Wir versuchen, euch wieder auf die Beine zu helfen. Dann kann man über vieles andere reden.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Kollege Ströbele, niemanden lassen die Bilder aus Griechenland unberührt. Ich sage aber noch einmal: Es geht um eine Kombination von Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung, die unerlässlich sind. Das ist nicht nur die Einschätzung der Bundesregierung, sondern auch die Einschätzung der Troika aus IWF, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank. Sie sollten in diesen Tagen einmal das Gespräch mit Menschen aus anderen Ländern und Regionen der Welt führen, die in den letzten Jahren von starken Veränderungen ihrer Wirtschaft und von einem starken Reformdruck geprägt wurden, gerade auch im Hinblick auf Hilfsmaßnahmen. In Gesprächen mit Vertretern asiatischer oder lateinamerikanischer Staaten werden Sie hören, dass auch diese einem harten Anpassungsprozess ausgesetzt waren, um Hilfen des IWF zu bekommen. Am Schluss hat sich gezeigt, dass diese Maßnahmen erfolgreich waren. Wenn man sich verschiedene Staaten Asiens und Lateinamerikas anschaut, die in den letzten Jahren von ähnlichen Anpassungsprogrammen des IWF betroffen waren und die sich heute durch Prosperität, gesundes Wachstum und soziale Stabilität auszeichnen, dann wird man, glaube ich, sagen können, dass dieses Bündel von Maßnahmen - jetzt den Griechen durch ein angepasstes Programm mehr Zeit zu geben, die privaten Gläubiger zu beteiligen, aber auch wachstumsfördernde Maßnahmen mit Unterstützung der Europäischen Union auf den Weg zu bringen - richtig ist, um Griechenland neue Perspektiven zu geben.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre zweite Zusatzfrage, Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich will mich jetzt nicht mit Ihnen auf eine Diskussion einlassen - das darf ich laut Geschäftsordnung gar nicht - über das, was in Afrika oder Lateinamerika tatsächlich angerichtet worden ist. Wir befinden uns in Europa; auch Griechenland gehört zu Europa und zur Europäischen Union. Wir haben immer großen Wert darauf gelegt, dass wir zu einer weitgehenden Anpassung der Lebensverhältnisse in Europa kommen - so habe ich das immer verstanden - und dass wir auf längere Frist gesehen immer enger zusammenwachsen wollen. Ich weiß nicht, ob es dann richtig ist, ein ganzes Volk in dieser Weise in Haftung zu nehmen und unter Druck zu setzen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Vorgehensweise die Sympathien und die Begeisterung für Europa in Griechenland erheblich dämpft, um das einmal milde auszudrücken.

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Kollege Ströbele, es ist die griechische Regierung selbst, die jetzt in einer sehr mutigen, bewundernswerten Art und Weise Versäumnisse früherer griechischer Regierungen - gleich welcher politischen Zuordnung - aufarbeiten muss. Es sind auch eindrucksvolle Persönlichkeiten griechischer Herkunft wie mehrere Nobelpreisträger, die international als Wissenschaftler anerkannt sind, die der griechischen Gesellschaft sagen, dass dieser harte Weg, die Krise zu überwinden - nämlich durch Konsolidierung, verbunden mit Wachstumsperspektiven -, unerlässlich ist. Dass es an deutscher oder gesamteuropäischer Solidarität fehlt, Herr Kollege Ströbele, das kann man, glaube ich, nicht ernsthaft behaupten angesichts des Garantierahmens im Milliardenbereich, den Deutschland und die Europäische Union zur Absicherung der griechischen Finanzprobleme bereits auf den Weg gebracht haben.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Eine Nachfrage unseres Kollegen Dr. Gerhard Schick.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich will hinsichtlich der Gläubigerbeteiligung nachhaken. Wir hatten im Ausschuss bereits kurz darüber gesprochen. Bei den Gläubigern gibt es drei Gruppen: Die eine Gruppe sind die neu hinzugekommenen Gläubiger wie KfW oder Staaten, die in der derzeitigen Situation Hilfskredite bereitstellen. Dann gibt es die rein privaten Gläubiger. Es gibt noch eine dritte Gruppe von Gläubigern privatrechtlicher Natur, hinter denen aber de facto der Staat steht, zum Beispiel Landesbanken oder die Bad Bank der HRE. Bei den rein Privaten kann es sich wiederum um Banken, Versicherungen oder Fonds handeln. Zum einen würde mich interessieren: Wer sitzt wirklich am Tisch, vor allem, wenn es um die Bad Bank der HRE geht, aber auch bei Versicherungen und Fonds? Zum anderen würde mich interessieren: Was meint die Bundesregierung, wenn sie von der Beteiligung privater Gläubiger redet, in Bezug auf diese einzelnen Gruppen? Wie gestaltet sich der Wille der Bundesregierung hinsichtlich einer Beteiligung?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Kollege Schick, ich hatte Ihnen heute im Ausschuss bereits ausführlich erklärt, dass für uns die Grundlage das sogenannte französische Modell ist, das von der französischen Finanzwirtschaft entwickelt und der französischen Politik unterstützt worden ist. Wir überlegen zurzeit gemeinsam mit allen genannten Beteiligten der Finanzwirtschaft, welchen Beitrag die Finanzwirtschaft in Deutschland hierzu leisten kann. Wir werden Parlament und Öffentlichkeit unverzüglich über das Ergebnis unterrichten, sobald diese Gespräche abgeschlossen sind.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Es gibt eine weitere Nachfrage des Kollegen Carsten Sieling.

Dr. Carsten Sieling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Genau an dem Punkt möchte ich nachsetzen. Darf ich Ihre Antwort so verstehen, dass dann auf der Seite der privaten Gläubiger beispielsweise auch die Bad Bank der HRE sitzt? Führen Sie Verhandlungen darüber, inwieweit sie sich beteiligen kann?

Hartmut Koschyk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001186

Herr Kollege Sieling, ich habe es heute schon im Ausschuss gesagt: Wenn klar ist, dass es trotz der vereinbarten Vertraulichkeit möglich ist, Beteiligte dieser Gespräche zu nennen, werde ich dies entsprechend tun.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Die Frage 15 der Kollegin Daniela Wagner wird schriftlich beantwortet. Wir kommen somit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Alle Fragen zu diesem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, die Frage 18 des Abgeordneten Klaus Ernst, die Fragen 19 und 20 der Abgeordneten Anette Kramme, die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Werner Dreibus, die Fragen 23 und 24 der Abgeordneten Sabine Zimmermann sowie die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Markus Kurth. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Gustav Herzog werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Ostendorff auf: Hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, BfDI, nach Kenntnis der Bundesregierung bereits geprüft, ob das Gutachten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV, zur Bewertung der Ehrwürdigkeit ehemaliger Mitarbeiter des Bundesministeriums bzw. der VorgängerbundesVizepräsident Eduard Oswald ministerien im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus aus Datenschutzgründen veröffentlicht werden kann, und, wenn ja, zu welchem Ergebnis kommt der BfDI? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Herr Kollege Ostendorff, die Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit liegt dem BMELV seit dem 7. Juni 2011 vor. Der Bundesdatenschutzbeauftragte kommt darin zu dem Ergebnis, dass ein Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz hinsichtlich der im Gutachten enthaltenen personenbezogenen Daten von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des damaligen BML und des BMVEL wegen des Personalaktengeheimnisses, von einem Einzelfall abgesehen, nicht besteht.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Schönen Dank, Herr Staatssekretär Bleser. Nach unseren Informationen hat der Datenschutzbeauftragte sehr wohl gesagt - meine Frage ist, ob Sie diesen Vorschlag kennen -, dass man ein Splitting zwischen den Mitarbeitern, die in öffentlicher Funktion tätig waren, und - ich sage es jetzt einmal stark vereinfacht, weil wir nicht zu tief in die Materie einsteigen wollen - dem Hausmeister vornehmen sollte. Wenn Sie bestätigen können, dass Sie den Vorschlag kennen: Wie bewerten Sie grundsätzlich den Vorschlag, eine Aufteilung zwischen den uns interessierenden Personen der Zeitgeschichte und den Mitarbeitern des Hauses in unteren Funktionen vorzunehmen?

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Wir sind diesem Vorschlag gefolgt. Das betrifft den genannten Einzelfall. Hier handelt es sich um den beamteten Staatssekretär Dr. Walther Florian, der 1984 im Amt war und inzwischen verstorben ist.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Eine weitere Frage, Herr Kollege.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wurde dem Staatssekretär, Herrn Dr. Florian, die Ehrwürdigkeit aberkannt, wie es bei ähnlichen zeitgeschichtlichen Prüfungen bei anderen Ministerien geschehen ist? Wie gedenken Sie dort vorzugehen?

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich werde Ihnen aber eine schriftliche Antwort auf Ihre Frage zukommen lassen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Nun rufe ich die Frage 30 ebenfalls unseres Kollegen Friedrich Ostendorff auf: Welche Konsequenzen haben die deutschen Behörden aus den Hinweisen seitens des russischen Chefveterinärs Sergej Dankwert gezogen, der mit Hinweis auf eine angebliche Ehec-Belastung deutscher Fleisch- und Milchprodukte ab 27. Juni 2011 für bestimmte deutsche Lieferanten ein Importverbot erlassen hat? Bitte schön.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Kollege Ostendorff, der Föderale Dienst für veterinärrechtliche und phytosanitäre Überwachung der Russischen Föderation, Rosselchosnadsor, hat mit Wirkung vom 27. Juni temporäre Beschränkungen für die Lieferung tierischer Erzeugnisse in die Russische Föderation von zehn Milch- und drei Fleischverarbeitungsbetrieben angeordnet. Der Leiter des russischen Veterinärdienstes, Dr. Nikolai Wlassow, hat gegenüber dem ELV-Referenten der Botschaft in Moskau bestätigt, dass die Sperre nicht im Zusammenhang mit dem in Deutschland seit Mai 2011 beobachteten Ehec-Ausbruchsgeschehen beim Menschen steht. Sie ist vielmehr Ergebnis einer von Ehec unabhängigen Inspektion durch Vertreter von Rosselchosnadsor in der Zeit vom 10. bis zum 22. April dieses Jahres. Dabei wurde die Einhaltung der veterinärrechtlichen Anforderungen und Normen der Zollunion und der Russischen Föderation überprüft.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön, Herr Kollege.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte meine Frage gerne erweitern. Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass es hier um einen Wirtschaftsbereich geht, der sehr stark von dritten Märkten abhängig ist. Die nachgelagerte Wirtschaft, die deutsche Fleisch-, Gemüse- und Milchwirtschaft, ist heftig betroffen. Das zur Erklärung. Zur Debatte über Ehec. Uns liegt eine Expertise von amerikanischen Wissenschaftlern vor, die schon 1998 darauf hingewiesen haben, dass bei sehr starkem Kraftfuttereinsatz bei Milchkühen das Aufkommen von Ehec sehr viel häufiger zu verzeichnen ist, als bei Kühen, die weniger mit Kraftfutter, dafür mehr mit Heu gefüttert werden. Kennt die Bundesregierung diese wissenschaftlichen Ergebnisse? Wenn Ja, was schließen Sie daraus?

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Diese Frage steht nicht im Zusammenhang mit der Ursprungsfrage. Insofern konnte ich keine Antwort vorbereiten. Ich werde Ihnen dazu eine schriftliche Antwort zukommen lassen. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. Die weiteren Fragen zu diesem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet. Das betrifft die Fragen 31 und 32 der Kollegin Cornelia Behm sowie die Fragen 33 und 34 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen 35 und 36 des Kollegen Omid Nouripour werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Nach meinen Unterlagen ist zwischenzeitlich die schriftliche Beantwortung aller Fragen zu diesem Geschäftsbereich erbeten worden. Das betrifft die Frage 37 der Kollegin Heidrun Dittrich sowie die Fragen 38 und 39 der Kollegin Caren Marks. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 40 der Kollegin Dr. Marlies Volkmer wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Fragen 41 und 42 des Kollegen Uwe Beckmeyer sowie die Fragen 43 und 44 des Kollegen Hans-Joachim Hacker werden schriftlich beantwortet. Das gilt ebenfalls für die Fragen 45 und 46 des Kollegin Dr. Anton Hofreiter. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Fragen 47 und 48 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl und die Frage 49 der Kollegin Dorothee Menzner werden schriftlich beantwortet. Ist der Kollege Dr. Hermann Ott zur Beantwortung der Fragen 50 und 51 anwesend? - Das ist nicht der Fall. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 52 und 53 des Kollegen Hans-Josef Fell werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Fragen 54 und 55 des Kollegen Michael Gerdes, die Fragen 56 und 57 der Kollegin Marianne Schieder sowie die Fragen 58 und 59 der Kollegin Ulla Burchardt werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Frage 60 der Kollegin Sabine Stüber wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fragen 61 und 62 der Kollegin Ingrid Nestle, die Fragen 63 und 64 des Kollegen Oliver Krischer, die Frage 65 der Kollegin Dorothee Menzner sowie die Frage 66 der Kollegin Bärbel Höhn werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe die Frage 67 unserer Kollegin Dr. Susanne Kastner auf: Welche Kriterien und Maßstäbe werden vom Auswärtigen Amt bei der jährlichen Ressourcenplanung angesetzt hinsichtlich der Entscheidung über die Schließung bzw. den Erhalt von konsularischen Vertretungen in Rumänien, und wie erfolgen deren Evaluation und Gewichtung? Bitte schön, Frau Staatsministerin Cornelia Pieper.

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Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Kastner, im Rahmen der jährlichen Ressourcenplanung hat das Auswärtige Amt entschieden, in Rumänien neben der Deutschen Botschaft in Bukarest weiterhin an zwei Standorten, in Temeswar und in Hermannstadt, konsularisch vertreten zu sein. Das Berufskonsulat Temeswar wird allerdings in ein Honorarkonsulat umgewandelt. Diese Entscheidung war Teil eines Pakets von Veränderungen im Netz der Auslandsvertretungen, die erforderlich wurden, um das Netz unserer Auslandsvertretungen an neue außenpolitische Rahmenbedingungen anzupassen. Für die Veränderungen in Rumänien, insbesondere in Temeswar, sprechen folgende Gründe: Erstens. Der Beitritt Rumäniens zur EU und zur NATO hat neue Rahmenbedingungen geschaffen. Beziehungen können nun mit schlankeren organisatorischen Strukturen gepflegt werden. Zweitens. Der Bedarf an rechtskonsularischen Dienstleistungen ist rückläufig. Drittens. Unser Netz in Rumänien ist angesichts der andernorts bereits erfolgten Verschlankung unserer Konsularpräsenz im EU-Raum immer noch vergleichsweise dicht. Viertens. Mit der Vertretung in Temeswar haben wir die im Vergleich mit Hermannstadt kleinere Vertretung zur Umwandlung in ein Honorarkonsulat vorgesehen. Auch ist das Aufkommen an Konsularfällen in Temeswar geringer als in Hermannstadt.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001069, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Pieper, geben Sie mir recht, wenn ich sage, dass ein Honorarkonsulat längst nicht die Ausstattung hat, die ein Generalkonsulat hat, und dass ein Honorarkonsul nicht die gleichen Interessen verfolgt wie ein hauptamtlicher Konsul?

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Ich muss Ihnen widersprechen, weil ich in meinem Amt weltweit die Erfahrung gemacht habe, dass Honorarkonsulate sehr gut arbeiten können, wenn sie vom Auswärtigen Amt eine entsprechende Unterstützung erhalten. Diese Unterstützung werden wir natürlich weiterhin gewähren. In Temeswar geht es nicht um eine Umwandlung von heute auf morgen, sondern es geht um einen geordneten und unter Partnern von Anfang an transparent kommunizierten Übergang, bei dem gewährleistet ist, dass die Betreuungsfunktion des Konsulats in die neue Organisationsform überführt werden kann. Der Termin wird maßgeblich davon abhängen, wann ein geeigneter Honorarkonsul zur Verfügung steht. Auch diesbezüglich ist noch keine Entscheidung gefallen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001069, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, Temeswar ist von drei Hauptstädten umgeben. In Temeswar lebt im Vergleich zu Hermannstadt die größere deutsche Minderheit. In Hermannstadt leben ausweislich der Volkszählung nicht so viele Angehörige von Minderheiten. Sie machen das Ganze ja aus Einspargründen. Warum haben Sie vor diesem Hintergrund nicht überlegt, einen halbwegs normalen Ausgleich zu schaffen, sprich, das Generalkonsulat in Hermannstadt als normales Konsulat beizubehalten, um unter dieser Prämisse das Konsulat in Temeswar weiter als normales Konsulat betreiben zu können? Warum haben Sie über so eine Möglichkeit nicht nachgedacht?

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Wir haben über diese Möglichkeit nachgedacht, Frau Abgeordnete. Wir sind nach der Überprüfung aber zu der Erkenntnis gelangt, dass es - das sagte ich schon - in Hermannstadt das größere Konsularaufkommen gibt und eben nicht in Temeswar. Wir gehen aber davon aus und legen auch großen Wert darauf, dass wir weiterhin mit der deutschen Minderheit in Temeswar auf gleichem Niveau zusammenarbeiten werden. Das Auswärtige Amt beabsichtigt nicht, das Ausmaß der Zusammenarbeit und der Unterstützung für die deutsche Minderheit zu minimieren oder herabzusetzen. Wenn Sie erlauben, gebe ich Ihnen noch die Information, dass kein anderes Land außer Rumänien - Ungarn ausgenommen - neben einer Botschaft über zwei berufskonsularische Vertretungen verfügt. Im Vergleich mit der konsularischen Präsenz anderer Staaten in Rumänien bleiben wir selbst nach den geplanten Änderungen in Temeswar an vorderer Stelle. Das gilt auch für die Präsenz von Auslandsvertretungen des Auswärtigen Amtes. Ich kann Ihnen das gerne in Zahlen darstellen: Die Gesamtkosten des Auswärtigen Amtes für die Vertretungen - Botschaften und Konsulate - in Rumänien betragen 7 Millionen Euro. Im Vergleich dazu betragen sie in Bulgarien 4,3 Millionen Euro, in Tschechien 3,5 Millionen Euro und in Ungarn 4,7 Millionen Euro. Daran sieht man, dass wir eine sehr starke Präsenz in Rumänien haben. Diese wollen wir natürlich behalten. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Wir können das mit der Frage 68 verbinden. Sie können Ihre Frage dann einbauen. Ich rufe die Frage 68 der Kollegin Dr. Kastner auf: Aus welchen Gründen strebt das Auswärtige Amt bei den Einsparungen in der Globalplanung keine paritätische Lastenverteilung bei den Auslandsvertretungen in Rumänien an, und wie sollen die Präsenz in der Fläche sowie die Betreuung der deutschen Minderheiten künftig gewährleistet werden? Bitte schön, Frau Staatsministerin.

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Frau Abgeordnete, eine paritätische Lastenverteilung, also eine gleichmäßige Personalreduzierung, in den drei Vertretungen in Rumänien ist unter dem Gesichtspunkt der Ressourceneinsparung keine Alternative zur Umwandlung des Berufskonsulats Temeswar in eine honorarkonsularische Präsenz. Denn Sachkosten wie zum Beispiel Mieten, Kosten für Dienstwagen und Personalkosten für Ortskräfte würden in unveränderter Höhe anfallen. In Rumänien erfolgt kein Rückzug auf der Fläche. Ich sage es noch einmal: Die Präsenz in der Fläche wird durch Einsetzung eines Honorarkonsuls in Temeswar gewährleistet bleiben. Der Standort Temeswar wird nicht aufgegeben. Nach wie vor werden wir an drei Dienstorten in Rumänien präsent sein: mit der Botschaft in Bukarest, mit dem Generalkonsulat in Hermannstadt und - zukünftig - mit dem Honorarkonsulat in Temeswar.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001069, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, ich hätte dann gerne eine Übersicht über die Aufgliederung der Kosten für Botschaft, Generalkonsulat und Konsulat in Rumänien. Ich glaube, dass ein Rückzug auf der Fläche durchaus gegeben ist; denn der Westen des Landes wird durch die Auflösung des Konsulats in Temeswar völlig entvölkert. Ich stelle gleich meine zweite Nachfrage. Ich möchte gerne wissen, welche Ausstattung ein Honorarkonsul hat. Ich glaube, es ist eindeutig Augenwischerei, wenn Sie sagen, dass ein Honorarkonsul dasselbe leisten kann wie ein Konsulat.

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Ich möchte ergänzen, dass das geplante Honorarkonsulat, also der Honorarkonsul, weiterhin bestimmte konsularische Dienstleistungen anbieten wird, auch für die deutsche Minderheit, und in Zusammenarbeit mit der Botschaft natürlich unsere Interessen in der Region um Temeswar wahren wird. Es wird Konsularsprechtage geben. Vieles - das sagte ich schon - soll beibehalten werden. Selbstverständlich bekommen Sie einen Einblick in die Details. Ich werde Ihnen eine Darstellung der Haushaltsmittel und deren Aufteilung für die Botschaft und die Konsulate und auch eine Darstellung der Kosten der zukünftigen Ausstattung des Honorarkonsulats - da sind wir noch in der Planung - gerne zusenden. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. - Die Fragen 69 und 70 des Abgeordneten Tom Koenigs, die Fragen 71 und 72 des Abgeordneten Andrej Hunko und die Frage 73 des Abgeordneten Volker Beck werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 74 des Kollegen Hans-Christian Ströbele auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über bereits getroffene Vereinbarungen von nichtmilitärischen Organisationen im Norden Afghanistans seit 2009 mit Taliban und anderen Aufständischen über Aufbauprojekte wie die Anlegung und den Betrieb von neuen Brunnen, Straßen und Brücken sowie Schulen insbesondere für Mädchen und über die Einhaltung solcher Zusagen, und welche Bemühungen hat die Bundesregierung veranlasst, um in ihrem Verantwortungsbereich in Afghanistan Angriffe mit dem Ziel „capture or kill“ auf gelistete Zielpersonen durch Spezialeinheiten und Drohnen zu beenden, durch die immer neuer Hass geschürt und die Bevölkerung aufgebracht wird, und um Gespräche sowie konkrete Verhandlungen mit den Aufständischen zu fördern mit dem Ziel, das Töten zu beenden, Waffenstillstand zu erreichen und den Abzug der ausländischen Truppen einzuleiten?

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Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Ströbele, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über Vereinbarungen von nichtmilitärischen Organisationen mit regierungsfeindlichen Kräften über zivile Aufbauprojekte im Norden Afghanistans vor. Die Fortsetzung der bisherigen Operationsführung auf der Grundlage des Operationsplanes und der Einsatzregeln der NATO, die im Rahmen der Vorgaben des humanitären Völkerrechts erstellt wurden, hängt von der Entwicklung der Sicherheitslage ab. Die Bundesregierung ist der Auffassung - das ist Ihnen sicherlich bekannt -, dass der Konflikt in Afghanistan nicht allein mit militärischen Mitteln zu lösen ist. Wir unterstützen daher den Versöhnungsprozess der afghanischen Regierung mit dem Ziel, das Land zu befrieden und den Abzug ausländischer Truppen zu ermöglichen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke. - Frau Staatsministerin, ich bedauere außerordentlich, dass Sie den ersten Teil meiner Frage mit Nichtwissen beantwortet haben. Mir liegt eine ganze Reihe von Beispielen vor - vielleicht lasse ich Ihnen diese einmal zukommen -, die zeigen, dass deutsche, aber auch anderen NGOs, die in Afghanistan beispielsweise Schulen, Mädchenschulen aufbauen, Brunnen bauen - einen hat mein Büro mitfinanziert - oder Krankenhäuser aufbauen, zwar in der Regel nicht direkt mit Aufständischen verhandeln, aber über Dorfälteste und ähnliche Wege Kontakt aufnehmen, um Vereinbarungen zu treffen, dass ihre guten Werke Bestand haben und nicht beschädigt werden und die Menschen, die dort arbeiten oder zur Schule gehen, nicht angegriffen werden. Da gibt es viele Beispiele. Das konnten Sie auch im Fernsehen sehen. Herr Willemsen zum Beispiel ist jemand, der mit solchen Projekten zu tun hat und uns das auch schon im Fernsehen erklärt hat. Ich bitte das Auswärtige Amt, sich da vielleicht einmal kundig zu machen. Ich komme jetzt zum zweiten Teil meiner Frage, die Sie allgemein mit dem Bezug auf humanitäre Verantwortung, welche die Bundesregierung sicher auch hat, beantwortet haben. Darauf kann ich nur immer wieder zurückkommen: Nach meinen Informationen sind im Norden Afghanistans - in dem Bereich, in dem die Bundeswehr bzw. Deutschland die Verantwortung hat - über 1 400 solcher „capture or kill“-Aktionen - meist nachts durchgeführt worden, die dann jeweils zu Opfern in erheblicher Zahl geführt haben. Das geschah teils mittels Drohnen, teils durch Spezialkommandos. Ist die Bundesregierung nicht mit mir der Meinung, dass damit jeglicher Versöhnungs- und Verhandlungsprozess konterkariert wird und dass man viel mehr auf flächendeckende - meinetwegen auch kleinteilige - Verhandlungen als auf solche „capture or kill“-Aktionen setzen sollte?

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Ich gebe Ihnen zumindest unter dem Gesichtspunkt recht, Herr Abgeordneter, dass die Situation in Afghanistan weitaus komplizierter ist, als man sie hier in der Kürze der Zeit wiedergeben kann. Sie haben dort selbst beim zivilen Aufbau bzw. bei der humanitären Hilfe sehr viele Erfahrungen gesammelt. Ich bin durchaus auch an Ihren Beiträgen und Vorschlägen sowie an den Dingen interessiert, die Sie dort erlebt haben. Ich bitte um Informationen. Wir werden sie gerne prüfen und sehen, ob sich das bestätigen lässt oder nicht. Darüber hinaus kann ich Ihnen, was „capture or kill“ anbelangt, nur antworten, dass alle in Afghanistan tätig werdenden Staaten den einschlägigen Regeln des Völkerrechts - einschließlich des humanitären Völkerrechts unterliegen. In einem nicht internationalen, bewaffneten Konflikt dürfen die Regierungstruppen und die sie unterstützenden Truppen feindliche Kämpfer gegebenenfalls auch außerhalb der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts gezielt bekämpfen, was auch den Einsatz tödlich wirkender Gewalt einschließen kann. Das ist aus meiner Sicht - dies ist aber schon öfter hier im Parlament diskutiert worden - sicher immer eine Gratwanderung. Weil Sie das Thema „capture or kill“ auch in Bezug auf die Amerikaner kritisch aufgegriffen haben, will ich in diesem Zusammenhang noch Folgendes sagen: Im Rahmen der NATO-Gremien wird unter Beteiligung der Bundesregierung das militärische Vorgehen bei ISAF ständig im Lichte der allgemeinen Entwicklung der Operationen und auch im Hinblick auf mögliche Folgewirkungen für den politischen Gesamtprozess in Afghanistan überprüft.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Ihre weitere Nachfrage, Herr Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, darf ich daraus schließen, dass die Zurückhaltung der Bundesregierung in diesem Bereich, die jedenfalls immer wieder erklärt wird, gilt? Ist es so, dass sich die Bundeswehr und andere Sicherheitsorgane Deutschlands in Afghanistan nicht an gezielten Tötungsaktionen beteiligen und in keiner Weise unterstützend tätig sind? Das wurde mir von der Bundesregierung schon mehrfach versichert. Ich hoffe, es stimmt. Ich weiß es nicht. Und darf ich daraus schließen, dass sich die Bundeswehr an solch gezielten Tötungsmaßnahmen - ich meine nicht den Einsatz tödlicher Waffen oder so, sondern gezielte Tötungsmaßnahmen in dem Sinne, dass man eine Person mittels Drohnen bzw. von Drohnen abgeschossener Raketen gezielt tötet - nicht beteiligt? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich weiß, dass Sie sehr an diesem Thema interessiert sind; denn Sie haben schon mehrmals Fragen dazu gestellt. Ich will Ihnen noch einmal ganz klar sagen, dass sich die Bundesregierung natürlich an die Regeln des Völkerrechts und insbesondere des humanitären Völkerrechts hält. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank. Die Frage 75 der Abgeordneten Sevim Dağdelen und die Fragen 76 und 77 des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Die Abgeordnete Heike Hänsel hat die Fragen 78 und 79 gestellt. Sie ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 80 und 81 des Kollegen Memet Kilic und die Frage 82 der Kollegin Sevim Dağdelen werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 83 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz und die Frage 84 des Kollegen Volker Beck werden schriftlich beantwortet. Mir liegen keine weiteren Fragen vor. Es ist vereinbart, dass wir die Sitzung nun unterbrechen und sie um 15.35 Uhr mit der Aktuellen Stunde, beantragt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, fortsetzen. Die Sitzung ist bis 15.35 Uhr unterbrochen. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zu den Antworten der Bundesregierung auf die mündlichen Fragen 1 und 2 auf Drucksache 17/6273 eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht den Richtlinien für die Aktuelle Stunde - Anlage 5 1 b - in unserer Geschäftsordnung. Damit kommen wir zu Zusatzpunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b GO-BT zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 1 und 2 auf Drucksache 17/6273 Ich rufe als Erstes den Kollegen Fritz Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen auf. ({0})

Fritz Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003577, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir gehört haben, dass die FDP jetzt wieder Steuersenkungen will, haben wir nur gedacht: Der Wahnsinn geht systematisch weiter. ({0}) Nachdem Sie mehrmals an die Wand gelaufen sind, probieren Sie es erneut. Ich will Ihnen sagen, dass wir davon überzeugt sind, dass das, was Sie hier vorhaben, nicht geht, und zwar aus folgenden Gründen nicht: Erstens. Für 2012 haben wir noch ein Defizit von 30 Milliarden Euro im Haushalt zu erwarten. Zweitens. Die Steuereinnahmen liegen noch um 60 Milliarden Euro unter den bei der Steuerschätzung vor der Finanzkrise prognostizierten Einnahmen. Das heißt, wir befinden uns noch nicht einmal auf dem alten geplanten Niveau von vor der Banken- und Finanzkrise. Drittens. Es gibt gigantische Haushaltsrisiken: Einige in der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigten Maßnahmen wie die Finanzmarkttransaktionsteuer und viele andere sind nicht umgesetzt. Der ESM, der neue europäische Schutzschirm, wird uns in den nächsten Jahren 22 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Wir beschließen gerade - morgen werden wir das erneut tun - hohe Investitionen zur Umsetzung der Energiewende, die der Staat mit unterstützen muss, und letztlich haben wir auch ein Bildungsdefizit. Im Klartext heißt das: Es gibt enorm viele Notwendigkeiten für staatliches Handeln, und Sie greifen in die Kasse des Staates. ({1}) Herr Brüderle, wir finden es spannend und bemerkenswert, dass Sie die Schuldenbremse nicht kapiert haben. Sie haben nicht verstanden, was zur Schuldenbremse jetzt in unserer Finanzverfassung steht. Ich darf einmal Art. 115 Abs. 2 des Grundgesetzes zitieren. Dort heißt es: Zusätzlich sind bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Das heißt, durch die Schuldenbremse werden wir dazu verpflichtet, Schulden zu tilgen, Geld zurückzulegen und vorsichtig zu sein, wenn konjunkturell bedingt mehr Geld in der Staatskasse ist, um in der Krise investieren oder Steuern senken zu können. Wir haben also eine antizyklisch zu verstehende Schuldenbremse im Grundgesetz. Was macht die FDP? ({2}) Sie sagt: „Nein, da gehen wir lieber prozyklisch dran, wir senken jetzt die Steuern“, obwohl Sie Geld zurücklegen und die Schulden senken müssten. ({3}) Ich werfe Ihnen vor, dass Sie gar nicht verstanden haben, was dieses Haus in die Verfassung geschrieben hat. ({4}) Verstanden hat das der Ministerpräsident von Sachsen, der ja nicht an uns, sondern an die CDU und die FDP adressiert gesagt hat - ich zitiere Herrn Tillich -: „In guten Zeiten werden die Haushalte versaut.“ Im Klartext heißt das: Was Sie hier vorschlagen und diskutieren ({5}) - guten Tag, Herr Kampeter, schön, dass Sie eingetroffen sind -, funktioniert nicht, sondern damit zerstören Sie die Möglichkeit, die Schuldenbremse tatsächlich umzusetzen. ({6}) Denn das Geld, das Sie jetzt aufgrund der Konjunktur glauben als Steuersenkung verausgaben zu können, wird in den Krisenzeiten fehlen. Das führt zu einem strukturellen Defizit, aufgrund dessen in der Krise Mittel für staatliches Handeln fehlen werden. Herr Brüderle, eines kommt hinzu - das sage ich auch an Herrn Rösler gerichtet; er ist ja jetzt der Vorsitzende, wenn ich das richtig sehe -: ({7}) Können tut ihr es immer noch nicht. Ihr seid mit eurer Steuersenkungsdiskussion jetzt fünfmal - ganz vornehm formuliert - auf die Fresse geflogen. Und was macht ihr? Ihr ruft wieder aus - dabei könnt ihr euch kaum bremsen -: Hurra, wir machen eine Steuersenkung! - Ihr habt noch nicht kapiert, wie das geht, aber sagt der staunenden Bevölkerung schon, dass das geht. Da hilft, Herr Brüderle, eine alte Weisheit aus dem Turnsport. Sie heißt: Schwung ersetzt die Technik nicht. ({8}) Was euch fehlt, ist einfache und schlichte Regierungstechnik: Wenn ich etwas machen will, dann erkundige ich mich vorher, wie das geht. In der FDP müsste man eigentlich wissen - da könnte man Herrn Solms fragen -, dass man bei einer Senkung der Einkommensteuer die Länder fragen muss. Sie sind mit 42,5 Prozent und die Kommunen mit 15 Prozent an den Einnahmen aus dieser Steuer beteiligt. Das heißt, ehe so etwas verkündet wird, muss man schauen, was die Ministerpräsidenten der Länder dazu sagen. Interessant ist: Mit Ausnahme Bayerns haben auch die unionsregierten Länder, auch die wenigen, in denen die FDP noch mitregiert, erklärt, dass Steuersenkungen nicht möglich sind. Auch die Bundesländer haben eine Schuldenbremse. Sie ist sogar noch rigider als die des Bundes. Ich komme zum Schluss. Manche haben gesagt, das sei ein Rettungsschirm für die FDP. Es gibt die schöne Frage: Was ist der Unterschied zwischen Griechenland und der FDP? Die Antwort ist ganz einfach: Griechenland ist mit Sicherheit - das gilt für den Euro sowieso die 180 Milliarden Euro wert, die die beiden Rettungsschirme kosten. Aber ich habe noch keinen getroffen, der gesagt hat, die FDP sei jährlich 7 Milliarden Euro wert. Ich glaube, Sie finden niemanden, der diese Aussage bejahen würde. Denken Sie noch einmal über Ihre Idee nach. Vielleicht kommen Sie auf eine bessere Lösung. Vielen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kuhn, Sie haben heute Geburtstag. Es ist natürlich eine würdige Form, ihn mit einer Rede in der Aktuellen Stunde zu begehen. Wir wünschen einen schwungvollen Geburtstag, das kann man sicher sagen. ({0}) Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle für die CDU/CSU-Fraktion. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt ({1})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Kuhn, ich will zum Anfang meiner Rede klarstellen: Erstens. Steuersenkungen sind kein Griff in die Kasse des Staates. Steuererhöhungen sind ein Griff in die Taschen der Bürger. So herum wird ein Schuh daraus. ({0}) Das sollten Sie immer richtig sehen, Ihre Sichtweise ist da etwas verquer. Zweitens. Meiner Ansicht nach war es keine glückliche Entscheidung der Grünen, diese Aktuelle Stunde zu beantragen; denn die Absicht ist doch klar. Sie wollen zwei Dinge erreichen: Erstens. Sie wollen die Glaubwürdigkeit dieser Koalition hinsichtlich der Einhaltung der Schuldenregel infrage stellen. Zweitens. Sie wollen auf diese Weise einen Keil zwischen CDU/CSU und FDP treiben. Beides wird Ihnen mit dieser Aktuellen Stunde nicht gelingen. ({1}) Ich will Ihnen auch ganz genau sagen, warum. Erstens. Wir sind uns vollkommen darin einig - darüber habe ich noch gestern Abend mit Herrn Brüderle geredet -, dass wir beide, CDU/CSU und FDP, an die kalte Progression herangehen wollen. Diese kalte Progression in unserem Steuersystem bedeutet - das sage ich für die Bürger außerhalb dieses Saales - im Gegensatz zum linear-progressiv ansteigenden Tarif einen Tarif mit einem Buckel, dem sogenannten Mittelstandsbauch. Der Tarif steigt in den unteren und mittleren Einkommensgruppierungen, bis etwa über 50 000 Euro Jahreseinkommen, schneller an als in den anderen Einkommensgruppierungen. Das führt dazu, dass der normale Arbeitnehmer, die normale Arbeitnehmerin, bedingt durch Inflationsrate und Lohnerhöhungen, netto nicht mehr in der Tasche haben, sondern dass dieser Lohnzuwachs durch die kalte Progression wegbesteuert wird. Dieses Stück Ungerechtigkeit wollen wir gemeinsam bereinigen. Darin sind wir uns vollkommen einig, da gibt es keinen Dissens. Zweitens. Beim Einhalten der Schuldenregel gibt es erst recht keinen Dissens. Im Gegenteil: Wenn eine Koalition in diesem Hohen Hause in der Lage ist, den Haushalt zu konsolidieren, dann ist es diese bürgerliche Koalition und niemand anderes. ({2}) - Das Gelächter auf der einen Seite dieses Hauses ist hier wirklich demaskierend. Ich erlaube mir einen kleinen Blick in die Geschichte. Herr Kuhn, Sie hatten während der rot-grünen Regierungszeit in Ihrer Fraktion eine entscheidende Position inne. 2005 hat die Regierung Schröder vorzeitig das Handtuch geworfen, und zwar unter anderem deshalb, weil eine Verschuldung von 50 Milliarden Euro - damals eine gigantische Summe gedroht hat. 2005 sind CDU und CSU in die Regierung eingetreten. Wir haben dann sehr schnell die exorbitante Nettokreditaufnahme auf damals 38 Milliarden Euro reduziert und sie dann sukzessive zurückgeführt. ({3}) - Okay, ihr ward dabei. Aber jetzt habe ich gerade mit Herrn Kuhn geredet. - Wir waren bei Ausbruch der Finanz- und Schuldenkrise nahe an ausgeglichenen Haushalten. Wir hätten ausgeglichene Haushalte erreicht. Das wissen Sie genau. Dann kam die Schuldenkrise. 2009 hat diese Koalition die Regierung übernommen. Wir mussten zunächst die von Peer Steinbrück übernommene Nettokreditaufnahme von 86 Milliarden Euro abbauen. 86 Milliarden Euro waren im Entwurf von Peer Steinbrück - in Klammern: SPD - vorgesehen. Im kommenden Jahr wird die Neuverschuldung voraussichtlich unter 30 Milliarden Euro sinken. Attestieren Sie uns doch, dass wir diejenigen sind, die sukzessive konsequent die Neuverschuldung zurückführen, den Bundeshaushalt konsolidieren und ihn wieder auf eine solide Basis stellen. Dazu zwingt uns auch die Schuldenregel. Eine der großen Leistungen der Großen Koalition - aus meiner Sicht eine historische Leistung - war die Einführung dieser Schuldenregel im Grundgesetz. Wenn Sie auf die bisher zwei Jahre unserer jetzigen Regierung zurückblicken, dann werden Sie feststellen, dass wir die Vorgaben der Schuldenregel sogar unterschreiten. Wir machen weniger neue Schulden, als wir dürfen. Das zeigt, dass wir nicht nur wild entschlossen sind, die Schuldenregel einzuhalten, sondern sie sogar unterbieten. Das ist unser fester Wille. Denn oberste Priorität - so steht es im Koalitionsvertrag - hat die Konsolidierung des Haushalts. Das steht über allen politischen Zielsetzungen. Dabei bleibt es auch nach dieser Aktuellen Stunde. Herzlichen Dank. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Joachim Poß hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Barthle, ich weiß nicht, in welcher Welt Sie sich befinden, ({0}) oder ob Sie sozusagen automatisch die Realität ausschalten, wenn Sie an das Rednerpult treten. Das hörte sich so an und war offenkundig Ausdruck Ihrer Verlegenheit. ({1}) Sie wissen es doch besser. Sie wissen auch, dass wir im Jahr 2008 für den gesamtstaatlichen Ausgleich gesorgt hatten, der erstrebenswert ist, um auf Bundesebene ohne Neuverschuldung auszukommen. Sie wissen, was angesagt ist. Jeder in Deutschland, auch die Mitglieder Ihrer Parteien, sind sehr unglücklich über den Klamauk in dem Laden, der sich Koalition nennt. Das ist doch jeden Tag spürbar. ({2}) Ich bin etwas unglücklich über die öffentliche Debatte, die den Eindruck erweckt, wir hätten große Spielräume für Steuersenkungen. Die haben wir nicht … So Wolfgang Schäuble. ({3}) Es hat zwar eine Woche gedauert, bis der Bundesfinanzminister auf die schuldenfinanzierten FDP-Steuersenkungsforderungen reagiert hat, dann aber hat er sich unmissverständlich geäußert. Schäuble weiter: Grundsätzlich kann ich aber nur feststellen: Die Steuerbelastung in Deutschland liegt unter dem Durchschnitt der anderen Industriestaaten, und die Herausforderungen, die auf uns und die Haushalte warten, sind groß. Damit hat Minister Schäuble höflich, aber eindeutig seinen jungen Koalitionskollegen gesagt, was Sache ist: Trotz guter Wirtschaftslage und Steuerschätzung ist kein Geld für Steuersenkungen da. Erst muss konsolidiert werden, und erst gilt es, die anstehenden Aufgaben wie die Energiewende und die Bundeswehrreform zu finanzieren. Auch seien, so Schäuble weiter, die Steuerlasten in Deutschland längst nicht so hoch, wie es uns die Röslers, Lindners und gelegentlich auch CSU-Politiker weismachen wollen. ({4}) Wo der Bundesfinanzminister recht hat, muss ihm auch die Opposition recht geben. Diese klare Aussage Schäubles entlarvt das, was hier seit zwei Wochen gespielt wird, als reine Polittaktik. Es geht um nichts anderes als um die Rettung der FDP, allerdings mit untauglichen Mitteln. ({5}) Hier gibt uns diese Koalition erneut eine ganz erbärmliche Vorstellung: eine von vielen. Auch fast zwei Jahre nach der Übernahme der Regierungsverantwortung kann es nur ein Urteil über diese Regierung geben: Die können es nicht. ({6}) Offenbar ist die Verzweiflung und Ratlosigkeit bei der FDP so groß, dass als alleiniges vermeintliches politisches Erfolgsrezept erneut eine irrationale Steuersenkungsdebatte angestimmt wird. Statt Neuanfang ein jugendlicher Rösler als jüngere Kopie von Westerwelle! Zukunft und Erfolg, Herr Kollege Brüderle, sind hier allerdings nicht zu sehen. Ihre Fixierung auf Steuersenkungen hat Sie doch in die Niederungen geführt, in denen Sie sich jetzt schon seit langem befinden. Es ist nicht mehr überraschend, dass auch die Bundeskanzlerin aus reinem Machtkalkül offenkundig bereit war, hier mitzuspielen und dafür wieder einmal eine 180-Grad-Drehung in der Sache zu machen. So kennen wir sie, die Kanzlerin: eine Kanzlerin ohne klare Orientierung, ohne Leidenschaft in der Sache, bestimmt ausschließlich vom Machterhalt. Das ist die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. ({7}) - Ja, sicher, und die Kanzlerin hat hervorragend von den Arbeitsergebnissen der SPD gelebt. Das ist ja das Traurige daran. ({8}) Ein Jahr lang standen Haushaltskonsolidierung und Sparsamkeit über allem. Jetzt auf einmal soll das nicht mehr gelten. Auf einmal spielen die verschiedenen Haushaltsrisiken und die Schuldenbremse keine Rolle mehr und werden von der Koalitionsspitze einfach ignoriert. Das wird Herr Schäuble nicht mitmachen können. Mal sehen, was sein Parlamentarischer Staatssekretär dazu sagt! Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Merkel und Schäuble zum Beispiel in der Europapolitik haben uns schon genug geschadet. ({9}) Die Fortsetzung in der Innenpolitik ist höchst überflüssig. Im Übrigen finde ich es bemerkenswert, Herr Brüderle, ({10}) dass Sie alle im krampfhaften Bemühen um Steuersenkungen auf einmal zu Keynesianern mutiert sind. Jetzt auf einmal seien Steuerentlastungen zwingend, um im kommenden konjunkturellen Abschwung positive finanzielle Impulse zu setzen. Da wird an keiner Stelle fachlich sauber argumentiert. Deshalb fordere ich Herrn Schäuble oder Herrn Kampeter auf: Legen Sie uns belastbare Zahlen darüber vor, wie hoch die kalte Progression gegenwärtig und voraussichtlich in nächster Zeit sein wird! ({11}) Der Umstand, dass Begriffe wie „kalte Progression“ und „Mittelstandsbauch“ flugs durcheinandergeworfen werden, zeigt: Sie haben meistens von den Sachen, über die Sie reden, keine Ahnung. Das muss man wirklich konstatieren. ({12}) Ich wüsste auch gerne einmal,

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Poß.

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- was Herr Rösler oder Herr Lindner unter kleinen und mittleren Einkommen verstehen. Das alles erinnert an eine Gespensterdebatte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Poß.

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mit solchen Debatten kennen Sie sich allerdings schon seit zwei Jahren gut aus. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Dr. Volker Wissing hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst ein Satz zu Ihnen, Herr Kuhn. Ich finde, es ist schon fast scheinheilig, ({0}) dass Sie sich in jeder Debatte hierhin stellen und das Hohelied auf die Schuldenbremse anstimmen. Es gibt zwei Fraktionen in diesem Haus, die die Schuldenbremse nicht wollten: Die eine ist die Linke, und die andere sind Sie. Da Sie der Schuldenbremse nicht zugestimmt haben, sollten Sie in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck erwecken, als wären Sie eine der Fraktionen, die sich um einen soliden Haushalt bemühen. Das ist scheinheilig. ({1}) Sie wollten die Schuldenbremse nicht und haben ihr nicht zugestimmt. Deswegen sind Sie nicht eine Fraktion der Haushaltskonsolidierung, sondern das glatte Gegenteil. Sie sollten uns daher keine Vorwürfe machen. Sie sollten besser in den Spiegel schauen. Wir kämpfen für eine gerechtere Besteuerung der Beschäftigten. Und was ist vom linken Parteienspektrum zu hören? - Ich darf zitieren: Das sei dreist; das sei finanzpolitisches Abenteurertum - ich glaube, das ist der Quatsch der Grünen -, und das sei finanzpolitischer Suizid. Man kann mit einer solchen Verachtung über die Leistung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sprechen. Sie mögen das tun. Aber das wird bei den Menschen, die den Aufschwung erarbeitet und Leistungen erbracht haben, nicht ungehört bleiben. Dafür werden wir sorgen. ({2}) Was insbesondere die Sozialdemokraten und die Grünen hier veranstalten, spottet jeder Beschreibung. In Rheinland-Pfalz versenken die Sozialdemokraten unter Kurt Beck Hunderte Millionen in einen Vergnügungspark. Aber Sie erklären uns, man könne die Bürgerinnen und Bürger nicht entlasten. Rot-Grün bedient sich in Mainz und Stuttgart an der Staatskasse, um zusätzliche Ministerpöstchen zu schaffen. ({3}) Das machen Sie in Stuttgart mit der SPD, Sie machen das in Rheinland-Pfalz, und Sie erklären der Öffentlichkeit, man könne die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit unteren und mittleren Einkommen nicht entlasten. Meine Damen und Herren, wenn Sie von finanzpolitischem Suizid sprechen, dann ist das eine Dreistigkeit sondergleichen. ({4}) Wir haben die Haushaltskonsolidierung erfolgreich vorangetrieben. Wir haben mit dem Sparpaket die Weichen für die Einhaltung der Schuldenbremse gestellt, die wir erkämpft haben. Wir haben mit unserer Wirtschaftspolitik dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen ist und die Sozialkassen entlastet worden sind. Jetzt zeitigt unsere Wachstums- und Konsolidierungspolitik Erfolge, jetzt wollen wir an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken. Die Menschen sollen von ihrer Leistung stärker profitieren. Das mögen Sie unverantwortlich nennen, für uns ist und bleibt das aber eine Frage der Gerechtigkeit. Deswegen kämpfen wir leidenschaftlich und auch mit Stolz für die Menschen, die diese Leistungen erbracht haben. ({5}) Ich sage Ihnen: Unverantwortlich ist etwas ganz anderes, nämlich die Art und Weise, wie Sie den Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe am Aufschwung verweigern wollen. ({6}) Unverantwortlich ist es auch, dass Sie von Einsparungen reden und dann, wenn Sie Verantwortung tragen - wie in Nordrhein-Westfalen - verfassungswidrige Schuldenhaushalte vorlegen. Sie kann doch nur ein Verfassungsgericht vom Schuldenmachen abhalten. ({7}) Deswegen sollten Sie nicht davon reden, dass man die Menschen nicht entlasten kann. Man muss die Menschen vor Ihrer Ausgabenpolitik schützen ({8}) und diejenigen am Wohlstand dieses Landes teilhaben lassen, die ihn erarbeiten wollen. ({9}) Parteien wie die Sozialdemokraten und die Grünen, die mithilfe der Justiz nur mit Müh’ und Not vom Schuldenetat ferngehalten werden können, sind nun wirklich keine objektive und glaubwürdige Instanz, um über Steuerentlastungen zu urteilen. Die Bürgerinnen und Bürger werden das Geld niemals so schnell erarbeiten können, wie Sie von Rot-Grün es ausgeben. Deswegen ist Ihre Kritik unseriös. Sie wissen das am besten. Sie wissen schon, dass jede Form der steuerlichen Entlastung von Menschen mit unteren und mittleren Einkommen strikt abzulehnen ist, ohne dass Sie die konkreten Vorschläge dieser Koalition kennen. ({10}) Wer so vorgeht, der handelt aus Prinzip. Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger nicht entlasten, weil Sie glauben, deren Geld gehöre dem Staat; Herr Kuhn hat das ja sehr entlarvend heute hier ausgeführt. ({11}) Franz Müntefering hat ganz deutlich gesagt, wie sich die SPD die Verteilung der Einkommen vorstellt - ich darf ihn zitieren -: Weniger für den privaten Konsum und dem Staat das Geld geben, damit Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir auch. Deswegen haben wir die kommunale Ebene entlastet. Wir haben die Weichen für eine kommunale Finanzreform gestellt; wir werden den Kommunen helfen. Aber etwas für die staatliche Seite zu tun und die Menschen völlig zu vergessen, die mit ihrer Hände Arbeit all das erwirtschaften, was verteilt werden kann, ist keine seriöse Politik. ({12}) Deswegen müssen wir uns nicht rechtfertigen, wenn wir nach erfolgreicher Haushaltskonsolidierung die Bürgerinnen und Bürger am Aufschwung beteiligen wollen. Sie müssen sich rechtfertigen, wenn Sie den Menschen die Früchte ihrer Arbeit vorenthalten. ({13}) Ein Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen, der heute einen Euro mehr erarbeitet, wird vom Staat mit 54 Cent abkassiert. SPD, Grüne und Linke wollen, dass das so bleibt. Union und FDP, meine Damen und Herren in der Öffentlichkeit, wollen, dass sich das ändert, weil das kein gerechtes Steuersystem mehr ist. Das unterscheidet die Opposition von der Koalition. ({14}) Sie mögen Ihre Verweigerungshaltung noch aufrechterhalten. Wir arbeiten an einer Lösung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir wollen ein gerechteres Steuersystem in Deutschland haben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie kommen bitte zum Ende.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- Ja, ich komme zum Ende. - Ihre Vorstellungen sind weder modern, noch sind sie besonders geistreich. Wir werden unser Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht aufgeben. Wir werden einen Vorschlag für mehr Steuergerechtigkeit vorlegen, und dann können Sie noch einmal darüber nachdenken, ob Ihnen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich gleichgültig sind.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich lade Sie ein, an einer Lösung des Problems mitzuarbeiten. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Kollege Dr. Dietmar Bartsch hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Barthle, Sie haben Ihre Rede damit begonnen, zu behaupten, dass die Grünen versuchen, einen Keil in die Koalition zu treiben. Das ist wirklich nicht mehr möglich, weil in dieser Frage der Abstand bereits so groß ist, dass alle Keile dort durchfallen würden. ({0}) Ich bedauere Sie da wirklich ein bisschen; schließlich müssen Sie sich so vorkommen, als wenn Sie hier permanent irgendwie mit der Schüler-Union agierten. Etwa so ist nämlich das Niveau der Auseinandersetzung auf finanzpolitischem Gebiet. ({1}) Ich will noch einmal festhalten: Diese Koalition will in dieser Legislatur - das ist ihr Eckwertebeschluss Dr. Dietmar Bartsch 117 Milliarden Euro neue Schulden machen - 117 Milliarden Euro! Keine einzige Koalition der Bundesrepublik Deutschland hat in einer Legislatur jemals einen solchen Schuldenberg angehäuft. Das ist die Realität. Das ist Ihre Politik. ({2}) Der Haushalt birgt diverse Risiken, was wir alle miteinander wissen. Wir haben es mit dem Thema Griechenland zu tun, mit der EU insgesamt - Portugal, Irland -, das alles wissen Sie. Wir haben es mit der Tatsache zu tun, dass die Finanztransaktionsteuer im Moment, auch dank Ihrer Inaktivität, vermutlich nicht kommen wird. Wir haben es mit dem Thema „Ausfall der Brennelementesteuer“ zu tun. Außerdem haben wir es mit einer Energiewende zu tun, die selbstverständlich Geld kosten wird. Das alles sind einfach Wahrheiten. Ich sage noch einmal: Die 117 Milliarden Euro sind Ihre Zahl. Dennoch reden Sie in dieser Situation über Steuersenkungen. Ich will klar und eindeutig sagen: Niemand hier im Hause, so hoffe ich, hätte etwas dagegen, bei kleinen und mittleren Einkommen Entlastungen vorzunehmen. Das ist selbstverständlich möglich. Es ist doch Fakt, dass die Normalverdiener in den letzten zehn Jahren Einkommensverluste mit all den Folgen für die Altersvorsorge und für die Konjunktur gehabt haben. Das ist die Realität. ({3}) Niemand hat grundsätzlich etwas gegen Steuersenkungen. Ich will noch auf die Themen „Mittelstandsbauch“ und „kalte Progression“ eingehen. Natürlich können wir sie gemeinsam angehen. Legen Sie die Zahlen auf den Tisch, präsentieren Sie einen Gesetzentwurf! Und dann können wir handeln. Schon die damalige Partei PDS hat einen Vorschlag zur Abschaffung des Mittelstandsbauchs gemacht. ({4}) Legen Sie etwas vor! Dann können wir hier gern in der Sache diskutieren. ({5}) Jetzt kommt das Entscheidende: Wenn Sie das machen wollen, müssen Sie über Steuerpolitik als Einnahmepolitik nachdenken. Ihr Vorgehen muss doch dazu führen, dass die Einnahmen des Bundes, der Länder und der Kommunen erhöht werden. Warum ist es in dieser Situation nicht möglich, einmal darüber nachzudenken, bei den Vermögenden etwas abzuholen, um bei kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten? In dem schwierigen Jahr der Krise ist das Bruttoinlandsprodukt zwar um 4,7 Prozent zurückgegangen, allerdings ist die Zahl der Vermögensmillionäre um 6,4 Prozent gestiegen. Das ist die Wahrheit. Es gibt 861 700 Vermögensmillionäre. Warum haben Sie nicht den Mut, hier etwas abzuholen, ({6}) um gegebenenfalls bei denjenigen in dieser Gesellschaft, die wenig haben, etwas zu finanzieren? Warum ist das nicht so? Als die FDP an der Regierung war, lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent; Rot-Grün hat ihn gesenkt. Warum haben Sie nicht den Mut, in der Spitze etwas draufzulegen? Wenn man unten entlasten will, dann könnte man über diese Dinge doch wirklich reden. Aber das alles machen Sie nicht. Genauso ist es beim Thema Erbschaftsteuer. Wir brauchen für die öffentlichen Haushalte - Bund, Kommune, Land - eindeutig mehr Einnahmen, um gegebenenfalls entlasten zu können. Jeder andere Weg - der wirklich nur eine Hilfe für die FDP ist - wird letztlich scheitern müssen, und er wird auch bei den Menschen in diesem Land kaum anerkannt werden. ({7}) - Um uns, Herr Lindner, machen Sie sich keine Sorgen. Sie machen Ihre Politik doch vor allem mit Blick auf die Wahlen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern. Wir wollen einmal sehen, welche Partei in die dortigen Parlamente einzieht und welche nicht. ({8}) Wir wollen einmal ganz in Ruhe schauen, wer was schafft. ({9}) Es gibt sogar Menschen, die davon reden, dass diese Steuerentlastung von 10 Milliarden Euro nur Symbolcharakter hat, wie Herr Bräuninger, der Konjunkturexperte des HWWI. Er sagt: Diese Politik hat nur einen Symbolwert. Ich sage: Das ist nicht so. Es gibt nämlich viel zu viel, was durch den Bundeshaushalt derzeit nicht finanziert wird. Ich will nur ein Stichwort anführen - ich könnte viele nennen -: Städtebauförderung. Da haben Sie grandios gestrichen. Das war eine Fehlentscheidung; das sagen auch die Kommunalpolitiker von FDP und CDU. Dennoch wollen Sie entlasten und auch an dieser Stelle vielleicht noch mehr streichen. Das ist eine falsche Politik. Ich will Sie einmal daran erinnern, wie der FDP-Slogan vor der Wahl hieß: Steuersystem - einfach, niedrig und gerecht. Jetzt gilt: ({10}) Umfragewerte der FDP - einfach, niedrig und gerecht. Schönen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Steffen Kampeter hat jetzt das Wort für die Bundesregierung.

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute eigentlich über den Haushalt. Das ist vom Ablauf zwischen Parlament und Regierung her etwas ungewöhnlich, weil der Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung erst in der Mitte der nächsten Woche vom Kabinett beschlossen und unmittelbar darauf in einer Haushaltsausschusssitzung bekannt gegeben und erstmals erörtert werden. Ich will und kann den Beschlüssen des Kabinetts nicht vorgreifen, aber eines ist schon jetzt erkennbar: Mit dem Beschluss zum Bundeshaushalt und zur mittelfristigen Finanzplanung wird die christlich-liberale Koalition ihre wachstumsfreundliche Konsolidierungspolitik fortsetzen. Dies ist ein großer Erfolg für unser Land; darauf können wir zufrieden und stolz schauen. ({0}) Die Nettokreditaufnahme ist das, was vielen Bürgerinnen und Bürgern Sorge macht. Vor wenigen Minuten hat das griechische Parlament eine der umfangreichsten Sparaktionen in der Geschichte dieses Landes, ({1}) wahrscheinlich die umfangreichste Sparaktion in der Geschichte dieses Landes, beschlossen. ({2}) Auch wir werden unsere Nettokreditaufnahme in den nächsten Jahren erfreulicherweise zurückfahren. ({3}) In der mittelfristigen Finanzplanung wird das abgebildet. Wir halten die Schuldenbremse ein. ({4}) Dabei - das scheint mir der Anlass dieser Debatte zu sein - sind wir erfolgreicher, als wir selbst geglaubt haben. ({5}) Ein Kern christlich-liberaler Regierungspolitik ist: Halte in der Haushalts- und Finanzpolitik lieber ein bisschen mehr, als du versprochen hast. - Wir stellen im Augenblick fest, dass auf der Einnahmeseite durch die Dynamik des wirtschaftlichen Wachstums, die die Menschen in unserem Land durch ihren Fleiß tragen und die zu einem guten Steuerfluss führt, aber auch auf der Ausgabenseite wahrscheinlich eine so positive Entwicklung eintritt, dass man die für dieses Jahr und vielleicht auch für das nächste Jahr ursprünglich geplante Nettokreditaufnahme nicht vollumfänglich in Anspruch nehmen will. Auch dies ist ein Erfolg der christlich-liberalen Koalition. Wir halten mehr, als wir zusagen. Das ist ein gutes Signal für die Haushaltspolitik. ({6}) In diesem Zusammenhang ist gelegentlich schon darauf hingewiesen worden, dass die Schuldenbremse eine große Rolle spielt. Manchmal zucke ich zusammen, wenn gesagt wird, die Schuldenbremse zwinge uns zu dieser oder jener Maßnahme. Für mich und für die Bundesregierung ist die Schuldenbremse kein Zwang, sondern ein gesetzlicher Auftrag, ein grundgesetzlicher Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass auch in der Haushaltspolitik in diesem Land nicht auf Dauer auf Kosten der nachfolgenden Generationen gelebt wird. Das ist eine Verpflichtung; das ist kein Zwang. Dass die Grünen, die sich Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit ({7}) auf ihre Fahnen geschrieben haben, dieser fiskalpolitischen Regelung, dieser grundgesetzlichen Ausgestaltung der Schuldenbremse, nicht zugestimmt haben, entlarvt, dass bei ihnen Tun und Reden nicht übereinstimmen. ({8}) Wir tun etwas für Nachhaltigkeit. Wir tun etwas für eine generationengerechte Finanzpolitik. Die Grünen reden nur, und dann, wenn es konkret wird, machen sie sich vom Acker. ({9}) Wir tun dies auch im Konzert mit unseren europäischen Partnern. Wenn Deutschland von anderen in Europa oder auch transatlantisch mehr Stabilität in den öffentlichen Finanzen verlangt, dann müssen wir für das Ausland auch vorbildlich sein. ({10}) Wir haben im Jahr 2011 in der Haushalts- und Finanzpolitik zum ersten Mal das Europäische Semester. Das heißt, wir haben bereits mit unseren europäischen Partnern diskutiert, wie wir unsere Politik koordinieren wollen - im Interesse von Wettbewerbsfähigkeit und fiskalpolitisch konservativer Nachhaltigkeit. Dieses Verständnis von Haushaltspolitik ist unser Beitrag zu mehr Stabilität in Europa. In diesem Zusammenhang ist ein Begriff, nämlich „Wachstumsorientierung“, ganz wichtig. Ein Teil des Erfolgs, den wir haben, ist lediglich konjunktureller und nicht struktureller Natur. Wir müssen uns um ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum kümmern. Wir müssen auch außerhalb der Haushalts- und Steuerpolitik unsere Reformen fortsetzen, damit das erfreuliche wirtschaftliche Wachstum und die Stabilität in den öffentlichen Finanzen nicht eine vorübergehende Entwicklung bleiben. Zur Steuerpolitik ist festzustellen, dass in der Vergangenheit viel zu oft konjunkturelle, sprich: vorübergehende, Aufhellungen dazu geführt haben, den Haushalt strukturell zu verschlechtern. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Debatte und auch die Beiträge aus der Koalition so, dass es eine Zweiteilung in diesem Hause gibt - die Bundesregierung nimmt das gerne zur Kenntnis -: Der eine Teil des Hauses denkt, wenn er den Begriff „Steuerpolitik“ hört, an die Belastung der Bürger und daran, wie man die Belastung möglicherweise erhöhen kann. Der andere Teil denkt zum einen an den Haushalt, aber er denkt auch an die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. ({11}) Eine Haushalts- und Finanzpolitik, die zuerst an die Belastung der Bürger denkt, ist nicht klug, nachhaltig oder vernünftig. Deswegen nehmen wir die Signale aus dem Parlament gerne zur Kenntnis. ({12}) Wenn, Herr Kollege, Schulden die Steuererhöhungen von morgen sind, wie Finanzpolitiker wissen, dann bedeutet die Fortsetzung der Konsolidierungspolitik die Chance auf steuerpolitische Freiräume in der Zukunft. Deswegen hat die Regierungskoalition festgelegt - das gilt auch für Wolfgang Schäuble -, dass wir uns zu gegebener Zeit darüber verständigen, was in dieser Legislaturperiode steuerpolitisch noch geht. ({13}) Mit der Entscheidung zum Haushalt und zur mittelfristigen Finanzplanung und mit der Festlegung innerhalb der Koalition wird deutlich, wer für dieses Land das richtige Konzept in der Haushalts- und Steuerpolitik hat, wer für mehr Freiheit, für mehr Nachhaltigkeit und für mehr Verlässlichkeit steht: ({14}) Es sind die christlich-liberale Koalition und die Bundesregierung, die von dieser Koalition getragen wird. Deshalb sollte die SPD jetzt nicht von dem ablenken, was ich vor ein paar Tagen gelesen habe, nämlich die SPD fordere zwar, dass diese oder jene steuerpolitische Entscheidung der Bundesregierung, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt gar nicht getroffen werde, erläutert werde, ({15}) mache sich aber gleichzeitig damit, dass sie ihre steuerpolitischen Festlegungen auf die zweite Jahreshälfte oder den Winter verschiebe, erst einmal aus dem Staub. Auch da zeigt sich ein Mangel an Seriosität in der derzeitigen Opposition. ({16}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fortsetzung der Konsolidierung schafft die Freiräume, die wir brauchen, um dauerhaft handlungsfähig und gestaltungsfähig zu sein. In diesem Sinne freuen wir uns über die Unterstützung durch eine breite Mehrheit in diesem Hause und appellieren an diejenigen, die bei der Schuldenbremse noch zögern und die bei Konsolidierung oder Steuerpolitik immer nur an die Belastung der Bürger denken, den Blick auch auf Freiheit und Leistungsbereitschaft zu richten, ohne die Konsolidierung und Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen dabei aus dem Auge zu verlieren. Herzlichen Dank. ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Johannes Kahrs hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle kennen und schätzen den Kollegen Steffen Kampeter. ({0}) Wenn man ihn heute hier gehört hat, dann hat man gemerkt, dass er erstens deutlich unter seinen Möglichkeiten geblieben ist, ({1}) dass er zweitens seine eigene Überzeugung tapfer unterdrückt hat ({2}) und dass er drittens alles getan hat, um in dieser Koalition etwas zu heilen, was in den letzten Tagen sichtlich in die Brüche gegangen ist. Wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt, kann man als Sozialdemokrat kaum das Grinsen aus dem Gesicht bekommen. Immer wenn man über Steuersenkungen redet, stellt man Pleiten, Pech und Pannen fest. Für die Bürger und Steuerzahler dieses Landes ist das allerdings eher peinlich. Beim Thema Steuersenkungen muss man sich, finde ich, von der FDP und der CDU/CSU nichts erzählen lassen. SPD und Grüne haben in diesem Bereich 2003/2004 relativ viel getan. Es gibt viele Bürger, viele Niedrigverdiener, die heute gar keine Steuern zahlen müssen. Das war damals die größte Steuersenkung, die wir je hatten. Daran sind Sie mit Ihren Konzepten nicht einmal im Ansatz herangekommen. ({3}) Jetzt unterhalten wir uns wieder über das Thema Steuersenkungen. Schauen wir einmal, was die geneigte Presse zu diesem Thema zu sagen hat. ({4}) Der SPD wurde gerade vorgeworfen, dass wir unser Konzept nicht sofort vorlegen - und das machen wir deshalb nicht, weil wir es sauber und vernünftig durchdeklinieren wollen, da wir nicht die Fehler machen wollen, die Sie machen. Das Hamburger Abendblatt titelt gerade: Entscheidung über Steuersenkungen auf Herbst vertagt Spitzentreffen der Koalition abgesagt. Schäuble beharrt auf Abbau der Neuverschuldung. ({5}) Wenn man findet, dass das Hamburger Abendblatt ein Linksaußen in der deutschen Presselandschaft ist, dann empfehle ich die Lektüre der Welt am Sonntag. Sie ist zwar für Sozialdemokraten normalerweise nicht gerade das Leib- und Magenblatt, aber manchmal kann man sich das ja antun. ({6}) Die Welt am Sonntag titelte am 12. Juni 2011: 10 Mal versprochen, 10 Mal gebrochen. Was wurde nicht alles verkündet im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag? Ein ernüchternder Blick auf zehn schwarz-gelbe Baustellen. Wenn man diesen Artikel liest, stellt man fest: So etwas bekommt selbst das Willy-Brandt-Haus nicht hin. Ich war schwer beeindruckt. Außerdem heißt es: Steuern: Einfacher? Niedriger? Gerechter? Von wegen! Der Artikel in der Welt am Sonntag dürfte Ihnen den Sonntag nicht gerade verschönert haben. Er zeigt aber, in welchem Zustand sich Ihr Laden befindet. Ich glaube, dieses Land hat deutlich Besseres verdient. ({7}) Wir haben eben sehr salbungsvolle Reden darüber gehört, dass man hart arbeitende Bürger entlasten muss. Wir haben das getan. Rot-Grün hat das getan, und zwar 2002, 2003 und 2004. ({8}) Wenn man sich die jetzige Situation anschaut, dann stellt man fest, dass wir keine Steuermehreinnahmen haben, die wir an das zahlende Volk zurückgeben können. Selbst wenn diese Regierung ihre optimistischsten Ziele erreicht, schafft sie es vielleicht gerade einmal, die Neuverschuldung auf unter 30 Milliarden Euro zu drücken. Dann sind es aber immer noch 30 Milliarden Euro neue Schulden. ({9}) Man will jetzt neue Schulden machen, um den Bürger zu entlasten. Das heißt, die Steuerschuld wird ständig größer. Das ist doch absurd. Worüber reden wir denn hier alles? Wir reden über Griechenland, über den Euro und über Atombelastung. Dann aber kommt die Regierung, die mit Solidität protzen will, um die Kurve und macht genau das Gegenteil. Das ist Entlastung auf Pump. Die zukünftigen Generationen werden dies zahlen müssen. Das ist weder seriös, noch ist es gerecht, noch ist es eine Entlastung. Denn der Bereich der Entlastung ist dürftig. Wir reden über gerade einmal 6 oder 7 Milliarden Euro. Rot-Grün hat deutlich mehr geliefert. Das, was Sie hier veranstalten, ist peinlich. Vor kurzem erklärte uns die FDP noch: Man muss die Steuern senken, um die Wirtschaft anzukurbeln. - Jetzt brummt die Wirtschaft. Man kann sich übrigens auch fragen, warum sie brummt. Weil es diese hervorragende Agenda 2010 gegeben hat, ({10}) weil es die Rente mit 67 gegeben hat und weil wir als Sozialdemokraten dieses Land anständig und sauber reformiert haben. Wir haben regiert. Wir hatten einen Plan. ({11}) Was ist das Problem dieser Regierung? Sie haben keinen Plan, Sie haben keinen Kompass, und Sie haben keine innere Richtung. Der Fisch stinkt immer vom Kopf zuerst. ({12}) Hier ist es auch so. Hier kann man das erleben. Das ist das Ergebnis. Die Bürger dieses Landes werden es ertragen müssen. Sie werden es so lange ertragen müssen, bis sie die Chance haben, darüber abzustimmen. Bei den Landtagswahlen können sie schon einmal üben. Ich glaube, dass das, was Sie hier veranstalten, weder seriös noch gerecht noch anständig ist. Ich bin froh, dass wir als Sozialdemokraten die Schuldenbremse durchgesetzt haben, damit das Elend mit Ihnen nicht noch schlimmer wird. Vielen Dank. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Dr. Hermann Otto Solms hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre ganz gut, jede Parteisprecherin und jeder Parteisprecher würde sich um die Belange der eigenen Partei kümmern. Dann wüssten Sie, wer bei Ihnen angefangen hat, am Kopf zu stinken, Herr Kahrs. Wir haben damit keine Probleme. ({0}) Es handelt sich hier um eine Debatte der Glaubwürdigkeit. Herr Clement, Ihr früherer Superminister, hat im Handelsblatt gesagt: Was wundert ihr euch eigentlich? Die FDP tut genau das, was sie im Wahlkampf angekündigt hat. - Genau das tun wir. ({1}) Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wir haben im Wahlkampf gesagt: Haushaltskonsolidierung und Steuerreform sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das muss Hand in Hand gehen. - Das ist genau das, was wir jetzt tun. Wir haben am Anfang der Legislaturperiode die Bürger und insbesondere die Familien um 24 Milliarden Euro entlastet ({2}) und die Konjunktur damit unterstützt. Das trägt nun auch seine Früchte. Wir haben inzwischen das Steuersystem zwar nur leicht vereinfacht, aber immerhin. Das ist ein wichtiger Schritt. Mehr haben die Bundesländer nicht zugelassen. Weitere Schritte werden aber folgen. Jetzt zeigt es sich, dass wir aufgrund der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt die besten Zahlen seit der deutschen Einheit verzeichnen können. Das führt zu sehr viel höheren Steuereinnahmen, sehr viel höheren Abgaben an die Sozialsysteme und dazu, dass wir Spielräume haben. Das sind keine Spielräume gegen die Konsolidierung, sondern das sind Spielräume und Konsolidierung. ({3}) - Nein. - Über die Beachtung der Schuldenbremse hinaus haben wir Spielräume, um bei den Steuern zu entlasten. Die Grundfrage in der Steuerpolitik lautet: Ist es das Geld des Staates oder das Geld der Bürger, von dem wir hier reden? ({4}) Sie tun immer so, als wäre es das Geld des Staates und die Bürger hätten nur zu liefern. ({5}) Es ist aber das Geld der braven, fleißigen Bürger, die es tagtäglich erarbeiten und die einen Anspruch darauf haben, dass sie nicht überproportional belastet werden. Unser Tarif ist ungerecht. Der Kollege Poß - wir kennen uns schon lange - weiß genau, dass der Tarif im unteren Bereich stärker ansteigt als im oberen Bereich. ({6}) Es geht darum, genau diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. ({7}) Wir tun das, was wir im Wahlkampf angekündigt haben - die CDU übrigens genauso. Sie hat in ihrem Wahlprogramm geschrieben: Leistung und Einsatzbereitschaft müssen sich wieder mehr lohnen. Durch eine Korrektur des Tarifverlaufs ({8}) sorgen wir dafür, dass Lohnerhöhungen auch wirklich bei denjenigen ankommen, die sie erarbeitet haben. Respekt. Das ist eine richtige Aussage. So handeln wir jetzt. ({9}) Was hat denn die SPD dazu gesagt? Das ist jetzt spannend. Die SPD hat geschrieben: Entlastung der Normalverdienenden … Wir wollen die Entlastungen daher auf die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen sowie die Familien konzentrieren. Wir wollen doch nichts anderes. Warum wehren Sie sich dagegen? ({10}) Sie müssen doch nur das tun, was Sie vor der Wahl angekündigt haben. ({11}) Dann sind wir schon im Konsens. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. ({12}) Um diese Glaubwürdigkeit geht es uns. Wir tun das, was wir vorher gesagt haben. ({13}) Wenn wir auf dem Weg dorthin etwas warten mussten, weil die Haushaltskonsolidierung noch nicht so weit war, dann ist das kein Fehler dieser Politik, sondern zeigt vielmehr ihre Vernunft. Jetzt befinden wir uns in der Situation, in der die nötigen Spielräume erarbeitet worden sind, in der wir die beste Arbeitsmarktlage und die höchste Beschäftigtenzahl seit den 90er-Jahren haben. Das verschafft uns auch im finanziellen Bereich die nötige Luft. Wenn wir jetzt nicht entsprechend handeln - das will ich Ihnen als letztes Argument auf den Weg geben -, dann wäre es so, dass die Lohnerhöhungen, die die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände mühsam ausgehandelt haben, zum Schluss alle beim Staat landen. Das war doch nicht die Absicht der Tarifvertragsparteien. Diese wollten ihren Arbeitnehmern etwas Gutes tun und dafür sorgen, dass auch sie an dem Aufschwung beteiligt werden. Es ist nun aber so, dass von diesen Lohnerhöhungen über 50 Prozent beim Staat und in den Sozialkassen landen und der Rest durch die Inflationsrate aufgezehrt wird. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die kleinen Handwerksbetriebe und die kleinen Selbstständigen haben davon überhaupt nichts. Das kann so nicht weitergehen. Es ist unsere Aufgabe, für eine gerechte Besteuerung zu sorgen, bei der im Ergebnis alle, die für den Aufschwung gearbeitet haben, ihren Anteil erhalten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Lisa Paus hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Solms, da Sie ja Leser des Handelsblattes sind, wird Ihnen nicht verborgen geblieben sein, was das Handelsblatt am Montag titelte. Das Handelsblatt ist nun wahrlich kein Kampfblatt von Bündnis 90/Die Grünen. ({0}) Dort fand man zur Steuersenkung die Überschrift: „Der große Selbstbetrug“. Dann schreibt Gabor Steingart weiter: Die FDP will die Milliarden, die sie an die Bürger verteilen möchte, bei den Banken leihen. Deshalb ist das Steuergeschenk von heute die Steuererhöhung von morgen. Wir sollten die Annahme dieses Geschenks verweigern. ({1}) Meine Damen und Herren, das Handelsblatt hat recht. Bei einer Schuldenstandsquote von aktuell über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - der Vertrag von Maastricht sieht eine Obergrenze von 60 Prozent vor -, bei einem Bundeshaushalt, der auch 2012 - Herr Kampeter hat es indirekt bestätigt - keine Überschüsse erwirtschaften, sondern weiterhin ein Minus ausweisen wird, und zwar von bis zu 30 Milliarden Euro - trotz guter Konjunktur -, wollen Sie Steuersenkungen auf Pump finanzieren. Das ist verantwortungslos. ({2}) Wenn Sie schon uns nicht glauben, dann hören Sie wenigstens auf die mahnenden Stimmen aus den eigenen Reihen, auf Ihren eigenen Bundesfinanzminister oder auf Herrn Tillich, Ministerpräsident von Sachsen, der warnte: In guten Zeiten werden die Haushalte versaut. Das ist das, was Sie gerade zu tun drohen. Frau Lieberknecht, Ministerpräsidentin von Thüringen, bezeichnete die ganze Debatte als „irgendwie irre“; ich muss ihr zustimmen. McAllister, Ministerpräsident von Niedersachsen, sagte: Das ist doch alles im Moment eine virtuelle Debatte! Hören Sie auf Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern! Denn sie haben schlichtweg recht. ({3}) Wenn Sie trotzdem weiter über Steuersenkungen diskutieren wollen, muss ich Ihnen sagen: Es gibt zwar die Hoffnung, damit die FDP zu retten; aber dieses Rettungspaket wird nicht wirken. Die Bürgerinnen und Bürger werden nämlich merken, dass Sie das Versprechen, das Sie geben, am Ende gar nicht einhalten werden, weil Sie es nicht einhalten können. ({4}) Ich wiederhole das Versprechen, das Sie wie ein Mantra formulieren: Wir entlasten vor allem die unteren und mittleren Einkommen. - In der Diskussion über Vorschläge dazu hört man - auch wenn das noch eher schwammig ist - das Stichwort „Mittelstandsbauch“. Es heißt: Der muss weg. - Diese Debatte ist grundsätzlich richtig. Es geht darum, dass das schnellere Ansteigen der Steuern im unteren Einkommensteuerbereich - die Grenzsteuersätze sind dort höher - abgemildert wird, sodass die Einkommen zwischen 8 004 und knapp 14 000 Euro entlastet werden. Wenn Sie aber beim Tarifverlauf im oberen Bereich nichts tun, dann wird die Schere zwischen Arm und Reich, wenn man die absoluten Entlastungen in den Blick nimmt, im Endeffekt nicht kleiner, sondern deutlich größer. ({5}) Überdies würde das 23 Milliarden Euro kosten. Das können Sie gar nicht finanzieren; der Betrag ist auch gar nicht im Gespräch. Wenn Sie den Mittelstandsbauch nur zur Hälfte aufheben wollen, dann braucht man dafür nach Schätzung der CSU ungefähr 12 Milliarden Euro. Um es den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären: Das heißt, man würde bei einem Einkommen von 12 000 Euro pro Jahr um ganze 50 Euro pro Jahr entlastet, bei einem Einkommen von 30 000 Euro aber schon um 550 Euro, bei einem Einkommen ab 52 000 Euro um 780 Euro. Das unterstreicht: Es geht hier nicht um eine Entlastung für die unteren und mittleren Einkommen; Sie geben wie immer denen, die schon haben. ({6}) - Die Grünen haben ihn gesenkt; das ist richtig. ({7}) - Wir haben auch in den unteren Einkommensbereichen die Steuern gesenkt; das war ausgewogen. Wenn Sie an die Einkommensteuern herangehen wollen, schlagen wir vor, gerecht vorzugehen. Die Vorschläge, die bisher auf dem Tisch liegen, leisten das jedenfalls nicht. ({8}) Weil Sie wissen, dass Sie für Ihre Pläne im Bundesrat keine Mehrheit bekommen, ist im Gespräch, stattdessen den Soli abzuschaffen. Da wird es natürlich völlig absurd; das passt natürlich überhaupt nicht zu dem Versprechen, vor allen Dingen die unteren und mittleren Einkommen zu entlasten. Dazu nenne ich entsprechende Zahlen: Für die unteren Einkommen bis 12 000 Euro würde das eine Entlastung von 0 Euro - ich wiederhole: 0 Euro - bedeuten; bei einem Einkommen von 30 000 Euro sind es 936 Euro, bei einem Einkommen von 53 000 Euro sind es 2 000 Euro - da lohnt es sich schon richtig -, bei den Spitzenverdienern sind es 5 300 Euro pro Jahr. Das nenne ich eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen à la Schwarz-Gelb. ({9}) Ich ziehe das Fazit. Dieser Rettungsschirm für die FDP wird einfach nicht aufgehen. Deswegen: Bitte, lassen Sie es! ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Andreas Mattfeldt hat das Wort für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich meine Besuchergruppe auf der Tribüne begrüße; das mache ich sonst selten. Ich freue mich, dass Sie da sind. Herr Kuhn, einen Gefallen haben Sie sich mit der heutigen Debatte nicht getan. Vielleicht haben Sie es noch nicht gemerkt, aber in Deutschland geht es uns so gut wie seit langem nicht mehr: ({0}) Die Wirtschaft boomt, die Steuereinnahmen stimmen mehr als optimistisch, und die Arbeitslosigkeit hat einen nicht für möglich gehaltenen Tiefpunkt erreicht. Ich sage deutlich: Die christlich-liberale Koalition arbeitet ihren Koalitionsvertrag Punkt für Punkt ab. ({1}) Vieles ist in den vergangenen zwei Jahren bereits erreicht worden, ({2}) einiges ist in der Umsetzung begriffen. In den kommenden zwei Jahren werden wir die verbleibenden Punkte angehen. Hierzu gehört auch eine Diskussion über anstehende Steuererleichterungen, wenn die Finanzlage es zulässt. Die aktuelle Situation ist an Erfolg, aber gleichzeitig an Normalität nicht zu überbieten. Meine lieben Kollegen von der Opposition, natürlich ist es immer bequemer, gegen alles zu sein, als konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, ({3}) um dafür zu sorgen, dass es den Menschen in unserem Lande besser geht. Von den Grünen, der Dagegen-Partei, sind wir nichts anderes gewohnt, aber von der Sozialdemokratie hätte ich heute mehr erwartet, Herr Poß. ({4}) Hier schreien Sie, aber in Ihrer eigenen Partei können Sie sich noch nicht einmal auf ein Steuerkonzept einigen, ({5}) und voller gespielter Empörung kritisieren Sie die Überlegungen der christlich-liberalen Koalition. So geht das nicht. ({6}) Sie sprechen derzeit parteiintern heimlich über Steuererhöhungen. Gleichzeitig kritisieren Sie uns, dass wir nur darüber diskutieren, ob wir die unteren und mittleren Einkommen entlasten können. ({7}) - Herr Poß, mit einer Neiddebatte gönnen Sie einem Familienvater, der morgens früh aufsteht, nicht die Butter auf dem Brot; denn Sie fordern gleichzeitig höhere Regelsätze für diejenigen, die nicht arbeiten, für Hartz-IVEmpfänger. Ich sage Ihnen deutlich: Wo Sie Gerechtigkeit draufkleben wollen, ist noch lange keine Gerechtigkeit drin. ({8}) Es ist doch völlig normal, dass innerhalb einer Koalition auch kontroverse Debatten über das eine oder andere Thema geführt werden. In einer Demokratie gehören Diskussionen innerhalb einer Regierungskoalition dazu. ({9}) Sie von Grün-Rot kennen das doch zur Genüge. Für uns ist es selbstverständlich, Johannes Kahrs, dass wir das, was wir im Koalitionsvertrag niedergeschrieben haben, auch umsetzen wollen. Das mag für Sie vielleicht neu sein, meine Damen und Herren von der Opposition; denn Sie halten die Versprechen, die Sie machen, mitnichten ein. Als Stichwort möchte ich nur Stuttgart 21 und den Umgang der Grünen mit diesem Thema vor und nach der Landtagswahl nennen. Wir als christlich-liberale Koalition haben uns im Koalitionsvertrag Steuervereinfachungen und Steuersenkungen zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommen zum Ziel gesetzt. ({10}) Steuervereinfachungen haben wir mit dem eben beschlossenen Steuervereinfachungsgesetz bereits umgesetzt. Wir prüfen jetzt, ob wir Spielräume für Steuersenkungen haben. ({11}) Dazu gönnen wir uns eine gewisse Ruhe. ({12}) Selbstverständlich gilt für uns weiterhin, dass die Konsolidierung des Haushaltes Vorrang haben muss. Ich sage ergebnisoffen: Beides schließt sich nicht aus. ({13}) Wir stehen am Beginn eines Prozesses. Es ist heute völlig offen, wie die Steuersenkungen aussehen werden und wie sie finanziert werden. ({14}) Erst nach dem Prozess kann man seriös sagen, welche Auswirkungen diese Pläne auf Bundes-, Länder- und vor allem Kommunalhaushalte haben werden. Die positivsten Auswirkungen des wirtschaftlichen Aufschwungs verzeichnen in diesen Tagen die Haushalte von Bund, Ländern und insbesondere Kommunen. ({15}) Diesen Aufschwung hätte es ohne intensive Diskussionen und die daraus folgenden klugen Entscheidungen nicht gegeben. Dazu gehört auch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das diese Koalition beschlossen hat. ({16}) Deutschland stünde ohne dieses Gesetz heute nicht so gut da. ({17}) Sie haben dieses Gesetz bekämpft. ({18}) Die positive wirtschaftliche Entwicklung lässt die Steuereinnahmen sprudeln. Möglicherweise entsteht dadurch Spielraum für Steuersenkungen. Diesen Spielraum gilt es nun in Ruhe und mit Besonnenheit auszuloten. ({19}) Bislang wurde jede Bundesregierung daran gemessen, ob sie das Problem in den Griff bekam, das die Menschen am meisten beschäftigte: die Arbeitslosenzahlen. Wir können mit Stolz sagen, dass wir in diesen Tagen in vielen Regionen Vollbeschäftigung haben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Gerhard Schröder in diesen Tagen noch Bundeskanzler wäre, ({0}) würde er - da bin ich mir sicher - jeden Tag ein Feuerwerk in Deutschland abfeuern und mit seinen guten Leistungen prahlen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, bevor das Feuerwerk gezündet wird, müssen Sie zum Ende Ihrer Rede kommen.

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir sind sachlicher und arbeiten anständig mit. Wir fordern Sie auf, das ebenfalls zu tun. Danke schön. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Lothar Binding hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal sagen Reden auch etwas über die psychische Konstitution des Redners aus. ({0}) Ich habe mich gefragt, warum der erste Redner der FDP, Volker Wissing, den Ausdruck „finanzpolitischer Suizid“ in den Mund genommen hat. „Suizid“ heißt Selbstmord. Wieso fällt einem FDP-Politiker dieses Wort heute hier ein? Dieses Wort scheint gar nicht zu passen. ({1}) Ich habe vorhin den Parlamentarischen Staatssekretär Koschyk gefragt, wie er untere und mittlere Einkommen definiert. Er hat geantwortet, man wolle die kalte Progression abschaffen. Die kalte Progression hat mit der Beantwortung meiner Frage aber überhaupt nichts zu tun. Joachim Poß hat das erläutert und gesagt: Oft wird kalte Progression mit dem Mittelstandsbauch, dem steilen Anstieg der Grenzsteuerbelastung im unteren Bereich, verwechselt. Das ist leider auch Herrn Koschyk passiert. Deshalb hat er fälschlicherweise im Zusammenhang mit kalter Progression vom stark ansteigenden Durchschnittssteuersatz gesprochen. Die Antwort ist aber: Der steigt immer, mit Ausnahme unterhalb des Existenzminimums, und das bleibt auch so, wenn man die kalte Progression abschafft. ({2}) Ich glaube, wer auf diesem Niveau Politik macht, wird ein größeres Problem bekommen. Herr Solms hat gesagt, dass es um Glaubwürdigkeit geht. ({3}) Ich würde Sie gerne fragen, wie Sie es rechtfertigen, dass Sie die Finanzdienstleister trotz eines exorbitant gestiegenen Verschuldungsgrades der öffentlichen Haushalte nur auf freiwilliger Basis an den Kosten der Krise beteiligen wollen, ihnen aber gleichzeitig die Zinseinnahmen überlassen wollen, die im Zusammenhang mit den Krediten fließen, die der Staat aufnehmen muss, um Ihre Steuersenkung bezahlen zu können. Das heißt, Sie schenken den Finanzdienstleistern die Zinseinnahmen, beteiligen sie aber nicht an der Krise. ({4}) Diese Finanzierung auf Pump ist lebensgefährlich für unseren Staat. Außerdem basiert Ihr System auf einem Denkfehler: Wir haben 300 Milliarden Euro mehr Schulden als vor der Krise. Wir haben mit einer Neuverschuldung in Höhe von 80 Milliarden Euro gerechnet. Jetzt sind es nur 40 Milliarden Euro. Wir haben aber noch immer eine Neuverschuldung. Von diesen nicht erwarteten Mehreinnahmen, durch die die Neuverschuldung ein wenig gesenkt wird, wollen Sie Steuerentlastungen bezahlen? Wie wollen Sie das eigentlich machen? Durch Kreditaufnahme! Das ist die Logik, die diesen Staat an den Rand führt. ({5}) - In dieser Weise würden wir das nie machen. ({6}) Ihr seid Herrn Steinbrück heute noch dankbar dafür, dass er das so nicht gemacht hat, sondern vernünftig gehandelt hat. Mit der Phasentheorie lässt sich das erklären. Ich rufe in Erinnerung, was ich hier schon einmal gemacht habe. ({7}) - Das ist eine gute Idee. Ich habe auch ein Holzspielzeug dabei, um die Verschuldung darzustellen. Ich glaube aber, dieses Bild hat noch jeder im Kopf. Nein, ich meine die Art, wie die Koalition hier agiert. Vorhin sagte jemand, diese Aktuelle Stunde mache gar keinen Sinn. ({8}) Lothar Binding ({9}) Ich will Volker Wissing zitieren: Deswegen freuen wir uns. Beantragen Sie die nächste Aktuelle Stunde. Das ist eine gute Sache. Wir werden Ihnen immer wieder vorhalten, dass Sie Wahlbetrug begehen, wenn Sie unsere Politik nicht unterstützen; denn sie ist in Wahrheit sozial gerecht. Sie führt zu einem gerechten Ausgleich. Frage: Was sollen wir eigentlich unterstützen? ({10}) Es gibt kein Modell. Es gibt keine Idee. Zuletzt haben Sie mit der Gewerbesteuer ein Desaster erlebt. Da habe ich auch ein schönes Zitat. Sie haben gesagt, dass Sie die Gewerbesteuer mit einem konkreten Vorschlag unterfüttern und als Gesetz einbringen würden. Was ist passiert? Eine Kommission wurde eingerichtet. Zu welchem Ergebnis kam diese Kommission? Zu keinem. ({11}) Ich will erklären, warum eine gewisse Nervosität bei den Bürgern und natürlich auch bei der Opposition, die sich für diesen Staat verantwortlich fühlt, aufkommt. Diese Erklärung von mir kennen Sie schon; Sie erinnern sich. Phase eins: Gurkentruppe, spätrömische Dekadenz. ({12}) Phase zwei war die Phase der Ruhe. Europa wartete auf Deutschland. Dann kam Phase drei, der Herbst der Entscheidungen. Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke wurde beschlossen. In Phase vier kam es zur Energiewende. Da wurde alles rückgängig gemacht. Jetzt kommt Phase fünf, die Phase der Steuerentlastungen. Sollen wir das ernsthaft glauben? ({13}) Glauben Sie wirklich, dass wir das glauben? Nein, Sie wissen, dass wir das nicht glauben. Ich meine, man sollte ein bisschen in das Volk hineinhören. Umfragen zeigen, dass mehr als 40 Prozent der Menschen keine Steuersenkungen wollen, weil sie wissen, dass das nicht funktioniert. ({14}) Herr Schäuble - so weit ich weiß, zahlt er Steuern; er wird auch aus Steuern bezahlt, das ist die andere Seite sagt: Steuersenkungen gehen nicht. Die Bundesländer sagen: Steuersenkungen gehen nicht. Die Haushälter der Koalition sagen: Steuersenkungen gehen nicht. Aufgrund von Schuldenbremse und Maastricht-Kriterien sind Steuersenkungen nicht möglich. Aber die FDP meint, man bräuchte jetzt Steuersenkungen. Dies ist nicht zum Wohle dieses Staates, sondern zu seinem Schaden. Deshalb machen wir da nicht mit. Wir warnen Sie vor dieser Art der öffentlichen Debatte. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Alois Karl hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde über die Steuersenkungspläne der Koalition und mögliche Auswirkungen auf Bund, Länder und Gemeinden ist eine unkontrollierte Debatte, weil ihr die Grundlagen fehlen. Wir haben keine konkreten Zahlen, über die wir diskutieren könnten. ({0}) Herr Kuhn, eines aber ist gewiss: Wir werden die Bürgerinnen und Bürger noch in dieser Legislaturperiode entlasten. Darüber sollten Sie sich freuen und nicht ärgern. ({1}) Diese Aktuelle Stunde gibt uns zumindest Gelegenheit, die Kernpunkte der Finanz- und Steuerpolitik dieser Koalition darzustellen. Es ist schon verschiedentlich gesagt worden: Kernpunkt unserer Koalitionsvereinbarung ist - dies werden wir einhalten -, die Generationengerechtigkeit in der Haushalts- und Finanzpolitik in ganz besonderer Weise darzustellen. Mit der Finanzwirtschaft der letzten Jahrzehnte, die oft eher eine Finanzmisswirtschaft war - der Staat hat dauerhaft mehr Geld ausgegeben, als er eingenommen hat -, muss Schluss sein. ({2}) Wir leben auf Pump, wir leben auf Kosten der nächsten Generation, ({3}) und das ist unethisch, Herr Kahrs. ({4}) Dazu haben Sie in Ihrer Regierungszeit mit beigetragen. Mehr als 250 Milliarden Euro Schulden haben Sie allein in der Zeit der rot-grünen Regierung von 1998 an gemacht und hatten dabei noch die Erlöse aus den Versteigerungen der UMTS-Lizenzen, diesen Einmaleffekt, in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro. Sie haben dieses Geld allerdings nicht zur Reduzierung der Schulden eingesetzt, sondern Sie haben das Geld eingesetzt, um die Haushalte weiter aufzublähen, frei nach dem Motto: Wie gewonnen, so zerronnen. Nichts davon war nachhaltig und dauerhaft. ({5}) Aus diesem Grunde sollten Sie sich heute nicht zu sehr echauffieren. Wir sanieren die Haushalte ernsthaft und dauerhaft, damit diese entsprechend der Schuldenbremse bis zum Jahr 2016 neuverschuldungsfrei sind. Die Festsetzung der Schuldenbremse war eine große Leistung, die wir mit den Sozialdemokraten in der Großen Koalition erreicht haben. Wir werden diesen harten und steinigen Weg zusammen mit der FDP gehen. Minister Schäuble ist ein guter Garant, dass dieser Weg erfolgreich beschritten wird. Ich möchte ihm an dieser Stelle unseren Respekt ausdrücken. ({6}) - Das ist der Unterschied zu Ihnen, Herr Poß. Sie sind von niemandem gelobt worden, aber Schäuble wird selbstverständlich gelobt. ({7}) Unser finanzpolitisches Credo ist damit dargestellt. Wir möchten mit der konsequenten Verfolgung der Strategie der Entschuldung des Haushaltes bis 2016 Vertrauen schaffen. ({8}) Daran sollten Sie sich beteiligen. ({9}) Auch dort, wo sich Ihre Partei in der Regierungskoalition befindet, in Nordrhein-Westfalen, können Sie mit gutem Beispiel vorangehen. Bis dato sehe ich das nicht sehr optimistisch. Ein Haushalt, der gleich am Anfang vom Verfassungsgericht niedergebürstet wurde, ist kein gutes Renommee, Herr Kahrs. Auch da sollten Sie vielleicht Ihren Einfluss geltend machen. ({10}) Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen der Konsolidierung des Haushaltes und der Steuergesetzgebung. Wir müssen wieder das richtige Maß einkehren lassen. Das ist in unserem Steuerrecht - ganz unzweifelhaft - verloren gegangen. Wer heute das Doppelte von dem verdient, was der Nachbar bekommt, zahlt nicht das Doppelte, sondern das Dreifache an Steuern. Wer das Vierfache des Einkommens des Nachbarn verdient, zahlt nicht das Vierfache, sondern das Zehnfache an Steuern. Das ist es, was unkorrekt und unehrlich ist und was wir in der Tat - natürlich im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten, die wir haben - angehen müssen. Bedenken Sie, dass 1958, als dieses Steuersystem etabliert wurde, jemand das 20-fache des normalen bzw. mittleren Einkommens verdienen musste, um mit dem Spitzensteuersatzes besteuert zu werden. Das war eigentlich für die Direktoren, die Generaldirektoren und die Chefärzte bestimmt. Heute muss jemand nicht mehr das 20-fache, sondern nur noch das 1,7-fache des mittleren Einkommens verdienen, um den Spitzensteuersatz zu erreichen. Der Würgeengel des Spitzensteuersatzes ist in die Mitte der Steuergesellschaft eingedrungen. Wir müssen deshalb in der Tat - ich bin der FDP dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen hat - angreifen und dieses Gespenst wieder verscheuchen. ({11}) Es gibt einen weiteren Punkt, der uns schon hoffnungsfroh stimmt. Die Zahl der Arbeitslosen ist seit dem Regierungsantritt von Frau Merkel ({12}) von 4,8 Millionen auf etwa 2,8 Millionen heruntergegangen. Das bewirkt, dass wir 32 Milliarden Euro mehr an Einnahmen in den öffentlichen Kassen bzw. in den Sozialkassen haben. Wenn wir diesen Betrag heute für die hohe Zahl der Arbeitslosen ausgeben müssten - das muss doch auch Ihnen einleuchten -, könnten wir weder den Haushalt konsolidieren noch darangehen, Steuern in irgendeiner Art und Weise zu senken.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, würden Sie bitte zum Ende kommen?

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss und möchte Ihnen sagen, dass eines sicher ist: Wir werden uns daranmachen, die Belastungen der Bürger schon in dieser Legislaturperiode zu senken.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir werden den Haushalt konsolidieren, und wir haben damit unsere Aufgabe erfüllt. Vielen herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Eckhardt Rehberg hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe den Eindruck, Kollege Kahrs, dass hier einige unter einem hohen Maß an Gedächtnisverlust leiden. ({0}) Es ist relativ einfach, wie Sie das 1998/1999 gemacht haben. Sie haben 1997 die Steuerreform, das Petersber13338 ger Modell, im Bundesrat blockiert, es danach aber aufgenommen und - das ist löblich gewesen - den Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent gesenkt. ({1}) - Sie haben den Eingangssteuersatz von rund 24 Prozent auf 15 Prozent gesenkt. ({2}) Das ist sehr löblich gewesen. Herr Kuhn und Herr Poß, Sie haben aber mit der Reform der Körperschaftsteuer im Jahr 2000 Murks gemacht. Im Jahr 2000 hatten wir noch ein Körperschaftsteueraufkommen von 23,6 Milliarden Euro. Nach Ihrer Murks-Reform hatten wir im nächsten Jahr ein Defizit von 400 Millionen Euro. In Ihrer Regierungszeit sind knapp 80 Milliarden Euro an Körperschaftsteuer verloren gegangen, weil Sie es den großen Kapitalgesellschaften ermöglicht haben, Veräußerungen zu tätigen, die steuerfrei geblieben sind. Sie haben Bund, Länder und Gemeinden in dieser Zeit mit einer völlig vermurksten und unsoliden Steuerreform an den Rande des Ruins gebracht. ({3}) Wer sich hier hinstellt und behauptet, dass andere etwas Unsolides und Unseriöses machen, der muss erst einmal selbst solide Arbeit leisten. Wissen Sie, Herr Kollege Kahrs: Ich verstehe Ihre Partei überhaupt nicht mehr. Erstens. Beim Thema Hartz IV schlagen sich die meisten in die Büsche. ({4}) Zweitens. Steuerpolitik sollte kontinuierliche Politik sein. ({5}) Sie haben den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent gesenkt. ({6}) Heute fabulieren Sie darüber, den Spitzensteuersatz wieder anzuheben; die Effekte, die dies hätte, hat der Kollege Karl beschrieben. Das träfe doch nicht in erster Linie Chefärzte und Großverdiener. Davon wären insbesondere qualifizierte Facharbeiter und der Mittelstand betroffen. ({7}) Das heißt: Wer den Spitzensteuersatz erhöht, der belastet die Leistungsträger in Deutschland. Das ist die falsche Politik. ({8}) Laut Mai-Steuerschätzung kommt es zu einem deutlichen Zuwachs bei den Steuereinnahmen, insbesondere für Gemeinden und Länder. Wir werden, was das Volumen der Steuereinnahmen betrifft, aller Voraussicht nach schon Ende 2011/Anfang 2012 wieder das Niveau des Jahres 2008 erreichen. Außerdem - das ist ein Erfolg der Politik unter Bundeskanzlerin Merkel - hat sich die Zahl der Beschäftigten, die Sozialbeiträge und Steuern zahlen, zwischen 2006 und 2010 um 1,5 Millionen erhöht. ({9}) - Herr Kollege Kahrs, wissen Sie: Die Aufrufe, die Sie hier starten, sollten Sie in Ihrer Fraktionssitzung starten ({10}) und die SPD-Fraktion dazu bringen, dass sie zu der Politik, die Gerhard Schröder gemacht hat und die ich für richtig halte, steht. Uns brauchen Sie an dieser Stelle nicht katholisch zu machen. Wir sind katholisch genug. ({11}) Lassen Sie mich zum Schluss ein weiteres Thema ansprechen. ({12}) Herr Kollege Poß, ich meine die Aussage, wir hätten keine Ahnung, was die kalte Progression und den Mittelstandsbauch anbetrifft. ({13}) Herr Poß, auch Sie scheinen unter Gedächtnisschwund zu leiden. ({14}) In der Großen Koalition haben wir die Bürger um insgesamt fast 43 Milliarden Euro entlastet. ({15}) - Nein, das hat mit Peer Steinbrück nichts zu tun. Es waren die Finanzpolitiker der Union - daran kann ich mich noch sehr gut erinnern -, die darauf gedrungen haben, dass wir den Grundfreibetrag in zwei Stufen anheben und eine Rechtsverschiebung des Tarifes vornehmen. Das war, wie gesagt, eine Forderung der Finanzpolitiker der Union. Sie haben dabei zum Glück mitgemacht. ({16}) Das ist der richtige Weg, gegen Mittelstandsbauch und kalte Progression vorzugehen. ({17}) - Nein, Herr Kollege Binding, das ist nicht falsch. - Wer gegen die kalte Progression und den Mittelstandsbauch vorgeht, der tut etwas für die unteren und mittleren Einkommen. ({18}) Wir können es den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermitteln, meine Damen und Herren von der linken Seite des Hauses, dass die Hartz-IV-Regelsätze aufgrund gesetzlicher Vorgaben im nächsten Jahr um 2,7 Prozent steigen werden, dass bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Hartz IV mit ihren Steuern bezahlen, aber nichts ankommt. Herzlichen Dank. ({19})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Die nächste Sitzung berufe ich auf morgen, Donnerstag, den 30. Juni 2011, 9 Uhr, ein. Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Einsichten. Die Sitzung ist geschlossen.