Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung
des Wirtschaftswachstums ({0})
- Drucksache 17/15 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1})
- Drucksachen 17/138, 17/147 Berichterstattung:
Abgeordnete Leo Dautzenberg
Lothar Binding ({2})
Dr. Barbara Höll
Dr. Thomas Gambke
- Bericht des Haushaltsausschusses ({3})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 17/142 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider ({4})
Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({5}) zu
dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Soziale Gerechtigkeit statt Klientelpolitik
- Drucksachen 17/16, 17/138 Berichterstattung:
Abgeordnete Leo Dautzenberg
Lothar Binding ({6})
Dr. Barbara Höll
Dr. Thomas Gambke
Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU
und der FDP liegen ein Änderungsantrag der Fraktion
der SPD, zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke
sowie drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen vor. Über den Gesetzentwurf und vier Änderungsanträge werden wir später in insgesamt fünf namentlichen Abstimmungen Beschluss fassen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dr. Hans Michelbach für die CDU/CSU-Fraktion.
({7})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
Krisenzeiten ist Optimismus Pflicht. In Krisenzeiten ist
vor allem Entschlossenheit Pflicht. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz und den schon beschlossenen
Maßnahmen entlasten wir die Bürgerinnen und Bürger
sowie die Betriebe zum 1. Januar 2010 um 22 Milliarden
Euro. Damit beweist die Koalition schnell und entschlossen Handlungsfähigkeit.
({0})
Wir setzen unsere Konzeption zur Krisenbewältigung durch Wachstum entschlossen um. Es ist eine ökonomische Grundwahrheit: ohne Wachstum keine Nachfragebelebung, ohne Wachstum keine Arbeitsplätze,
ohne Wachstum keine Kaufkraftmehrung, ohne Wachstum keine Investitionen und ohne Wachstum letzten
Endes natürlich auch keine Haushaltskonsolidierung.
Redetext
({1})
Diese Wachstumsziele steuern wir mit dem vorliegenden
Wachstumsbeschleunigungsgesetz konstruktiv an. Mit
dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz werden Bürgerinnen und Bürger und Betriebe um 8,5 Milliarden Euro
entlastet.
({2})
Das ist ein wesentlicher Schritt, um diese Wachstumsziele zu erreichen.
({3})
Natürlich müssen wir die einzelnen Entlastungen
auch einzeln bewerten.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir den Familien
helfen können. Zur steuerlichen Entlastung und Förderung der Familien mit Kindern unter besonderer Berücksichtigung der Aufwendungen der Familien für
Betreuung, Erziehung und Ausbildung werden die Kinderfreibeträge von 6 024 Euro auf 7 008 Euro ab dem
Veranlagungszeitraum 2010 angehoben. Um Familien in
unteren Einkommensbereichen zu fördern, wird zugleich
zum 1. Januar 2010 das Kindergeld für jedes zu berücksichtigende Kind um 20 Euro erhöht. Dabei ist die Entlastungswirkung von 4,6 Milliarden Euro sozial absolut
ausgewogen.
({4})
Die Hauptentlastung entfällt mit 4,2 Milliarden Euro auf
die Empfänger von Kindergeld und nur der Rest von
400 Millionen Euro auf den Freibetrag. Das ist die
Wahrheit, meine Damen und Herren.
({5})
Eine Neiddebatte ist hier völlig fehl am Platz.
({6})
Dieses Vorgehen entspricht nämlich dem Grundsatz des
Lohnabstandsgebots und unserem politischen Willen,
dass sich Leistung in dieser Nation, in Deutschland, wieder lohnen muss. Das ist die Botschaft und die Aufgabe,
die wir damit ausdrücken.
({7})
Dies ist auch verfassungsgemäß. Es gibt nämlich den
verfassungsgemäßen Anspruch der Steuerzahler auf einen Freibetrag in Höhe des Existenzminimums. Ich
freue mich, dass wir jetzt das Existenzminimum der
Kinder an das der Erwachsenen annähern. Das gewichtet
die Familienpolitik, das gewichtet auch die Kinder in unserer Gesellschaft, und das ist der richtige Weg, meine
Damen und Herren.
({8})
Es handelt sich auch nicht um eine staatliche Transferleistung, sondern es findet lediglich eine geringere Belastung des selbst erwirtschafteten Erwerbseinkommens
statt.
Die CDU/CSU betreibt damit keine Klientelpolitik,
und sie fördert auch keine soziale Kälte. Vielmehr ist
steuerliche Entlastung und Förderung von Familien nach
dem Leistungsprinzip der richtige Weg. Wir wollen
nämlich Leistung immer wieder belohnen.
({9})
Ein weiterer Punkt ist die Korrektur der krisenverschärfenden Unternehmensbesteuerung. Den Unternehmen helfen wir durch dringend notwendige Korrekturen im Bereich der Unternehmensbesteuerung und
auch im Bereich der Erbschaftsteuer, die so nicht voraussehbar gewesene dramatische Wirtschaftskrise besser zu
überwinden und zu meistern. Die von Steinbrück damals
vorgeschlagene Substanzbesteuerung wirkt eben für
viele Betriebe krisenverschärfend und gefährdet in dieser Zeit Arbeitsplätze.
({10})
Wir haben versprochen, im Falle einer Koalition mit der
FDP diesen steuerpolitischen Irrweg zu verändern. Dieses Versprechen lösen wir heute ein.
({11})
Die zeitliche Beschränkung bei der mit dem Bürgerentlastungsgesetz eingeführten körperschaftsteuerlichen
Sanierungsklausel wird aufgehoben, Verlustvorträge im
Sanierungsfall bleiben damit unbefristet erhalten. Dies
fördert die Bereitschaft, in Schwierigkeiten geratene Unternehmen zu sanieren, rettet Arbeitsplätze und setzt
neue Wachstumsimpulse frei.
Wir müssen gerade in dieser Zeit für die Bestandserhaltung unserer Betriebe werben. Dafür muss letztlich die Politik die Rahmenbedingungen setzen. Das ist
die Aufgabe, die wir heute haben. Zunächst einmal muss
gelten, Betriebe sanierungsfähig zu halten, bevor man
sie aus rein fiskalischen Gründen letztlich in die Insolvenz schickt. Das ist die Aufgabe, die wir haben.
({12})
Bei der Zinsschranke wird die höhere Freigrenze
von 3 Millionen Euro dauerhaft eingeführt. Damit unterliegen alle mittelständischen Betriebe, die international
tätig sind, nicht mehr dieser Zinsschranke. Das ist ebenfalls ein wichtiger Schritt, der Vertrauen für die Exportunternehmen schafft. Dieses Vertrauen ist gerade in diesen Zeiten ein richtiger und wichtiger Weg.
Ebenso wird die Anwendung der sogenannten
Escape-Klausel bei der Zinsschranke für deutsche Konzerne verbessert. Wir wollen auch den großen Betrieben
die Chancen in der Exportwirtschaft nicht verbauen.
Die alte Regelung zur Sofortabschreibung von Wirtschaftsgütern bis 410 Euro wird wieder eingeführt. Alternativ wird ein Wahlrecht zur Bildung eines Sammelpostens für alle Wirtschaftsgüter zwischen 150 und
1 000 Euro zugelassen. Unternehmen erhalten mehr Flexibilität, indem sie zwischen verschiedenen Abschreibungsmodalitäten wählen können. Dass es nun wieder
möglich ist, Sofortabschreibungen vorzunehmen, ist ein
großer mittelstandsfreundlicher Akt in der Steuerpolitik.
Das ist Mittelstandspolitik, wie wir sie uns vorstellen,
meine Damen und Herren.
({13})
Das Gleiche gilt für die Reduzierung der Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern von 65 auf
50 Prozent im Rahmen der Veranlagung bei der Gewerbesteuer. Diese Reduzierung ist absolut sinnvoll. Die
Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen zum Gewerbeertrag machte eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit insbesondere in den Innenstädten sehr schwer möglich und
gefährdete insbesondere den Bestand des Einzelhandels
in den Innenstadtlagen. Hier war eine Korrektur dringend erforderlich; denn wir wollen nicht Kosten, die den
Leuten in diesem Zusammenhang entstehen, besteuern.
Letzten Endes ist die Substanzbesteuerung, die Besteuerung von Kosten, der absolute Irrweg. Erträge müssen besteuert werden, aber nicht die Kosten. So muss die
Situation sein.
({14})
Wir lösen damit bei den Unternehmen, insbesondere
beim Mittelstand, wesentliche Wachstumsbremsen.
Wenn ein Unternehmen in der Krise in die Situation geraten ist, dass die Erträge sinken und Finanzierungsbelastungen wachsen, dann kann man dies nicht einfach
ignorieren. Die Zeit, in der die SPD die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft immer und immer wieder ausgetestet
hat, sollte in Deutschland endgültig vorbei sein.
({15})
Wir nehmen einen Richtungswechsel hin zu einer
marktwirtschaftlichen Politik auch in der Steuerpolitik
vor. Wir wollen eine Überforderung der Wirtschaft verhindern; denn wir wollen nicht, so wie Sie sich das oft
vorstellen, dass zu den großen Betrieben sofort der Bundesadler kommt und zu den kleinen und mittleren Betrieben sofort der Pleitegeier. Das ist nicht unser Ansatz in
der Wirtschafts- und Finanzpolitik.
({16})
Ich freue mich, dass wir bei der Erbschaftsteuer die
Verschonungsoptionen verbessern
({17})
und dass wir den Dienstleistungsbetrieben des Beherbergungsgewerbes durch wesentliche Hilfen einen Lichtblick eröffnen konnten, auch wenn vielleicht eine
Überprüfung der ermäßigten Umsatzsteuer im Gesamtkontext stattfinden muss.
Abschließend möchte ich als Fazit festhalten: Mit diesem Bündel an steuerlichen Erleichterungen und Verbesserungen werden an wichtigen Stellen schnelle Impulse
gesetzt,
({18})
die zu unternehmerischen Investitionen ermutigen und
die Konsumnachfrage stärken.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns den vorliegenden Gesetzentwurf heute auf den Weg bringen, damit
wir die Vertrauensbasis in unserer Bevölkerung und in
unseren Unternehmen stärken.
Herzlichen Dank.
({19})
Das Wort erhält nun die Kollegin Nicolette Kressl,
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Regierungsfraktionen wollen heute ihren allerersten Gesetzentwurf verabschieden. Was hätten die Menschen zu
Recht von diesem allerersten Gesetzentwurf erwarten
dürfen? Sie hätten Impulse für mehr Beschäftigung und
eine Stärkung der Investitionskraft der Kommunen, der
Länder und des Bundes erwarten dürfen. Sie hätten einen Gesetzentwurf erwarten dürfen, der zu sozialer Ausgewogenheit führt.
Was legen Sie aber vor? Nichts davon, was die Menschen hätten erwarten dürfen, findet sich in diesem Gesetzentwurf wieder. Das sagen nicht nur wir, sondern
alle Sachverständigen bei der Anhörung am Montag
- Sie hätten daran einmal teilnehmen sollen ({0})
haben deutlich gemacht: Er bewirkt so gut wie keine
Wachstumsimpulse und führt auch nicht zu sozialer Ausgewogenheit.
({1})
Was Sie stattdessen vorlegen, ist eine Ansammlung
von Regelungen, die a) zu mehr Bürokratie führen,
b) Einzelinteressen bedienen und außerdem sozial unausgewogen sind. Wegen der Steuerausfälle und der
Schuldenfinanzierung, die Sie auf den Weg bringen,
nehmen Sie den Kommunen und den Ländern noch dazu
Möglichkeiten, Zukunftsinvestitionen auf den Weg zu
bringen. Sie wollen ein Wachstumsverhinderungs- und
Zukunftsverhinderungsgesetz beschließen. Ich wundere
mich schon, dass die Regierung dazu keine Stellung
nimmt. Offensichtlich distanziert sie sich auf diesem
Wege ein bisschen von dem Gesetz.
({2})
Lassen Sie mich diese Bewertung an einigen Punkten
verdeutlichen.
Eine Entscheidung, die positiv hätte sein können, ist
die Kindergelderhöhung. Es wäre zwar besser gewesen, sie würde ohne Belastung der nächsten Generationen durchgeführt werden, also ohne Finanzierung über
Schulden. Nun gut. Aber was tun Sie in Wirklichkeit im
Bereich der Familienförderung? Sie erhöhen das Kindergeld und die Kinderfreibeträge nicht im Gleichklang. Sie
erhöhen stattdessen die Kinderfreibeträge so stark, dass
die Spitzenverdiener fast doppelt so viel Entlastung erhalten wie die, die vom Kindergeld profitieren. Ich halte
das, was Sie auf den Weg bringen, für ein Unding,
({3})
vor allem deswegen, weil die Bundesregierung uns
schriftlich bestätigt hat, dass dieser große Schritt bei den
Kinderfreibeträgen nicht verfassungsnotwendig ist. Sie
gehen bei den Kinderfreibeträgen weit über die Freistellung des Existenzminimums hinaus. Das bedeutet: Sie
entscheiden sich politisch dafür, den Spitzenverdienern
mehr Geld zu geben als der mittleren Einkommensschicht. Das ist falsch und sozial unausgewogen.
({4})
Ich verstehe das nicht. Nicht nur wir bewerten das so.
Ich verweise auf die Financial Times Deutschland vom
5. November. Unter der Überschrift „Goldene Zeiten für
reiche Eltern“ steht:
Höheres Kindergeld bringt 240 Euro mehr im Jahr,
Steuerfreibetrag bis zu 443 Euro.
Sie können es nicht einmal begründen, warum Sie es tun.
Sie machen nur Politik für die Bezieher von Spitzeneinkommen in der Gesellschaft. Das ist Klientelpolitik.
({5})
Dass es anders geht, haben wir, als wir in der Verantwortung waren, gezeigt. Man kann nämlich Kindergeld
und Kinderfreibetrag im Gleichklang erhöhen. Wir haben damals sogar gleichzeitig noch für Sozialhilfeempfänger zum Beispiel Schulstarterpakete auf den Weg gebracht. Das ist eine ausgewogene Familienpolitik,
({6})
aber nicht das, was Sie tun.
({7})
Es geht aber weiter so in diesem Gesetz. Sie eröffnen
den großen Konzernen über die Grenzen hinweg Gestaltungsmöglichkeiten, und zwar dauerhaft. Sie behaupten
zwar, diese Regelungen seien der Krise geschuldet. Aber
Sie können niemandem erklären, warum Sie diese Regelung dann nicht nur für drei oder vier Jahre in Kraft setzen. Sie eröffnen den Unternehmen diese Gestaltungsmöglichkeiten für immer. Die Wahrheit ist - Herr Thiele
hat es im Finanzausschuss genauso beschrieben -: Wir
drehen die Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform zurück.
({8})
Ich sage Ihnen: Das ist Klientelpolitik. Stehen Sie ehrlicherweise dazu und behaupten nicht, das sei der Krise
geschuldet. Dann können wir uns offen damit auseinandersetzen.
({9})
Genauso ist es auch bei der Gewerbesteuer, einer
wichtigen Quelle für die Finanzkraft der Kommunen,
auch wenn es hier „nur“ um 80 Millionen Euro geht. Sie
nehmen den Kommunen stabilisierende Elemente weg,
obwohl die Bundeskanzlerin noch im Frühjahr den
Kommunen versprochen hatte, dass die Gewerbesteuer
unangetastet - ich wiederhole: unangetastet - bleibt.
({10})
Ich finde, das, was Sie hier tun, ist eine merkwürdige
Form des Unangetastetbleibens.
({11})
In dieses Bild passt genau, dass Sie die Verpflichtung
der Unternehmen, über längere Zeit Arbeitsplätze zu erhalten, um eine Entlastung bei der Erbschaftsteuer zu
bekommen, sozusagen verringern, indem Sie die entsprechende Frist deutlich auf nur noch fünf Jahre verkürzen. Was bedeutet das? Was Sie hier tun, widerspricht
der Absicht der Bundesverfassungsrichter, die dem Parlament in ihrer Entscheidung ganz deutlich gesagt haben: Steuerbefreiung für Unternehmen im Bereich der
Erbschaftsteuer gibt es dann, wenn zum Beispiel der
dauerhafte Erhalt von Arbeitsplätzen dem Allgemeinwohl dient. - Was Sie tun, führt zum Gegenteil.
({12})
Dann gibt es noch ein besonders prägnantes Beispiel
zum Thema „Bedienen von Einzelinteressen“. Herr
Michelbach, eigentlich hätten Sie darüber mit mehr
Stolz reden sollen.
({13})
Aber dazu habe ich von Ihnen fast gar nichts gehört. Die
Regelung, die Umsatzsteuer für Hotelübernachtungen auf 7 Prozent zu senken, hat - das ist in der Anhörung ganz deutlich geworden - keinerlei Wachstumswirkung und keinerlei Beschäftigungswirkung.
({14})
Aber sie kostet 1 Milliarde Euro. Sie nehmen für diese
Gesichtswahrung - darum geht es Ihnen - jährlich
1 Milliarde Euro
({15})
- mindestens 1 Milliarde Euro - in die Hand.
({16})
Was ist denn die Wahrheit? CSU und FDP sind im
Wahlkampf durchs Land gezogen und haben der Gastronomie den halben Mehrwertsteuersatz versprochen.
({17})
Dann sind Sie bei den Koalitionsverhandlungen völlig
von der Realität überrascht worden, nämlich, dass das
Vorhaben 4,1 Milliarden Euro kostet.
({18})
Damit Sie das nicht alles zurücknehmen müssen, haben
Sie die sogenannte Billigvariante genommen, die, wie
wir wissen, zu einem unendlichen Bürokratieaufwand
führt. Ich sage Ihnen: Nur, damit Sie Ihr Gesicht wahren
können, Bund, Ländern und Kommunen 1 Milliarde
Euro zu entziehen, ist fast schon ein In-Geiselhaft-Nehmen von Ländern und Kommunen. Das ist unseriös bis
ins Mark.
({19})
Ganz ehrlich: Wenn ich mich an die betretenen Gesichter im Finanzausschuss erinnere, als die Finanzexperten der Koalitionsfraktionen dem zustimmen mussten,
({20})
dann weiß ich genau, was sie in Wirklichkeit von dieser
Regel halten.
({21})
Weil die Kommunen und die Länder entsprechend in
Haftung genommen werden, gibt es natürlich Widerstand. Nun wird darüber diskutiert, wie man sich die Zustimmung der Länder verschaffen könnte. Herr Kauder
- das habe ich heute Morgen gelesen - sagt: Es gibt
keine direkten Geldzahlungen für die Länder.
({22})
Vielleicht keine direkten Geldzahlungen, aber ich halte
das für die Bestätigung, dass Sie den Ländern etwas geben müssen, damit dieses Gesetz überhaupt eine Mehrheit bekommt.
({23})
Die SPD wird dieses Flickwerk ablehnen. Sie hätten
die Chance gehabt, mit diesem Ihrem ersten Gesetz
Wachstum und Beschäftigung zu fördern und etwas Gutes für Deutschland zu tun.
({24})
Sie haben diese Chance fahrlässig verspielt.
Vielen Dank.
({25})
Carl-Ludwig Thiele ist der nächste Redner für die
FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kressl, Sie
bemängelten eben als Erstes, dass die Regierung nicht
spricht.
({0})
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Gesetze nicht von
der Regierung, sondern vom Parlament beschlossen werden.
({1})
Wir haben sie beraten, sie werden hier diskutiert und
heute von der Koalition verabschiedet.
({2})
Ich möchte auf einen zweiten Punkt eingehen. Sie
sagten, alles, was von der Verfassung steuerlich nicht
vorgeschrieben sei, falle unter Klientelpolitik.
({3})
An der Stelle habe ich meine Probleme: Denn nicht der
Staat finanziert die Bürger, sondern die Bürger, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land,
die Selbstständigen, all diese Leistungsträger finanzieren
den Staat. Wir können in unserem Land doch nur Geld
verteilen und schwächeren Menschen helfen, weil das
Geld, das verteilt wird, vorher erwirtschaftet worden ist.
({4})
Das ist die Richtung, in die unsere Koalition gehen
muss.
({5})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in
der derzeitigen Diskussion dürfen wir eines nicht vergessen. Wir befinden uns nach wie vor in der schwersten
Wirtschafts- und Finanzkrise seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland.
({6})
Anfang des Jahres wurde ein Wachstumseinbruch von
6 Prozent erwartet. Allenthalben hören wir von den finanziellen Problemen der öffentlichen Haushalte.
({7})
Es ist leider richtig, dass bei einem Einbruch des Wachstums auch weniger Steuern gezahlt werden. Insofern
nehmen Bund, Länder und Gemeinden weniger Geld
ein, als erwartet.
({8})
Dieser Wachstumseinbruch trifft aber zunächst die
arbeitenden Bürger in unserem Land, die sich große Sorgen um ihre Arbeitsplätze und ihre Zukunft machen. Wer
redet denn von diesen Bürgern, die nicht wissen, ob ihre
Arbeitsplätze erhalten bleiben?
({9})
Wer redet denn von den jungen Menschen, die auf einen
Arbeitsplatz warten, um sich in ihrer Arbeit verwirklichen zu können?
({10})
Wer redet denn von der Mitte unserer Gesellschaft, die
mit ihrer Arbeitskraft überhaupt dafür sorgt, dass unser
Land das leisten kann, was es leisten will?
({11})
Ich stelle fest: Das ist der Bereich, auf den sich Politik
konzentrieren muss und für den die christlich-liberale
Koalition Politik machen will.
({12})
Wachstum ist im Interesse der Bürger.
({13})
Wachstum ist der Weg, die Einnahmen der öffentlichen
Haushalte zu stabilisieren.
({14})
Das ist der Grund dafür, dass wir heute, gerade einmal
zwei Monate nach einer Bundestagswahl, dieses Gesetz
hier in abschließender Lesung beraten und verabschieden wollen.
({15})
Wir wollen die Arbeitsplätze und das Wachstum sicherer
machen. Dann können Arbeitsplätze geschaffen und die
Einnahmen der öffentlichen Haushalte stabilisiert werden. Nur ein stabiler und dynamischer Aufschwung
führt wieder zu höheren Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte.
({16})
Wo Sie von der SPD schon dazwischenschreien, darf
ich Ihnen vielleicht einmal sagen,
({17})
was der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium Karl Diller, SPD, am 28. September, einen Tag
nach der Bundestagswahl, auf die Frage von mir, welche
Auswirkung 1 Prozent Wachstum hat, geantwortet hat.
({18})
- Herr Poß, nun hören Sie doch zumindest beim Zitat
von Herrn Diller zu!
Im Sinne einer „Faustformel“ lässt sich sagen, dass
ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 1 Prozent den gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo um
etwa einen halben Prozentpunkt verbessert.
({19})
Er führte weiter aus, dass bei einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 1 Prozent das Steueraufkommen um
5,5 Milliarden Euro und die Sozialversicherungseinnahmen um 3,5 Milliarden Euro steigen.
({20})
Wenn man hinzunimmt, dass der Staat dann auch auf der
Ausgabenseite weniger auszugeben hat, kommen wir auf
einen Finanzierungssaldo von 12 bis 13 Milliarden Euro.
({21})
- Frau Hendricks, das sollten Sie auch in der Opposition
inzwischen noch nicht vergessen haben. - Genau diesen
Weg wollen wir beschreiten, weil es der Schlüssel für
positive Veränderung in unserem Lande ist.
({22})
In diesem Jahr sind zu Zeiten der Großen Koalition
bereits steuerliche Maßnahmen mit einer Entlastungswirkung von 14 Milliarden Euro beschlossen worden.
Hier brach die Welt nicht zusammen. Die Bundesländer
haben diesen Entlastungen im Bundesrat anstandslos zugestimmt. Ich verstehe daher nicht, warum bei einer Verstärkung dieser Entlastung für mehr Wachstum um
8,5 Milliarden Euro die öffentlichen Haushalte zusammenbrechen sollen.
({23})
Es ist doch ein gutes Signal, dass sich jetzt die
Wachstumserwartungen für das nächste Jahr von 0,5
auf 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum verbessert haben.
Dieses Signal müssen wir stärken, weil das der Weg ist,
um aus der Krise herauszukommen.
({24})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der
finanziell bedeutsamste Teil des Gesetzes ist die Erhöhung des Kindergeldes und des Freibetrages. Diese
Erhöhungen sind dringend erforderlich; sie sollen die
Familien in unserem Lande besserstellen.
({25})
In der Anhörung wurde gesagt, dass die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen durch diese Maßnahme
besonders stark entlastet werden,
({26})
weil eben nicht nur der Steuerfreibetrag, sondern auch
die Erhöhung des Kindergelds wirkt. Gerade in diesem
Bereich wollen wir fördern. Wenn Sie sagen, das sei Klientelpolitik, dann kann ich Ihnen nur sagen: Die Familien sind unsere Klientel; wir werden uns weiter für sie
einsetzen und uns von Ihnen überhaupt nicht davon abhalten lassen.
({27})
Auch bei der Erbschaftsteuer tun wir etwas für die
Familien. Geschwister wurden bislang wie Fremde behandelt. Dies halten wir für falsch; es entspricht nicht
unserem Gesellschaftsbild. Deswegen wird es korrigiert.
({28})
Herr Kollege Thiele, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Haßelmann?
Ja, gern.
Vielen Dank, Herr Präsident, und auch Ihnen, Herr
Kollege Thiele, dass ich das Wort erhalte. - Herr Thiele,
wir haben zwar im Finanzausschuss und in den anderen
mitberatenden Ausschüssen schon über den Gesetzentwurf diskutiert, diskutieren es aber heute öffentlich; und
auch sehr viele Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgen die
Debatte. Nachdem Sie uns hier nun zu erklären versuchten, dass die Erhöhung der Kinderfreibeträge, die in der
Form nicht vom Verfassungsgericht vorgesehen ist - Sie
gehen 1 000 Euro über das geltende Existenzminimum
hinaus -, eine der größten und wichtigsten sozialpolitischen Maßnahmen sei, und zudem auch die Kindergelderhöhung erwähnten, möchte ich Sie fragen: Worin liegt
denn für Sie die Gerechtigkeit, von der Sie gerade
gesprochen haben, wenn Sie Spitzenverdienerinnen und
-verdienern wie uns beiden pro Kind und pro Monat
40 Euro mehr geben, den Menschen, die einen ganz normalen Beruf haben, pro Kind und pro Monat 20 Euro
mehr geben und den Eltern und Kindern, die von
Arbeitslosengeld II oder von anderen Sozialleistungen
leben, überhaupt keinen einzigen Euro geben? Finden
Ihre Partei und die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, dass das eine gerechte Kinderförderung ist? Ist das
etwa ein Zeichen dafür, dass uns jedes Kind in diesem
Land gleichviel wert ist?
({0})
Sehr geehrte Frau Haßelmann, wir haben einen linearprogressiven Tarif
({0})
- wird das bestritten? -, der die Bürger mit steigender
Leistungsfähigkeit zu höheren Steuerzahlungen verpflichtet. Das ist die Realität. So ist unser System. Wenn
es zu einer steuerlichen Entlastung kommt, dann wirkt
diese eben auch progressiv.
({1})
Meiner Ansicht nach ist der entscheidende Punkt,
dass es einen grundlegenden Unterschied gibt zwischen
den Familien, die keine Steuern zahlen, die Sozialleistungen beziehen, und denjenigen, die erwerbstätig sind.
Denen, die nicht erwerbstätig sind, wird das Existenzminimum für Kinder in bar vom Staat zur Verfügung gestellt.
Insbesondere Familien mit kleineren Einkommen und
mehreren Kindern profitieren davon, dass wir es geschafft haben, das Existenzminimum steuerfrei zu stellen. Das muss aber erarbeitet werden. Wir haben in diesem Bereich viele Familien, die möglicherweise besser
dastehen, wenn sie nicht arbeiten, als wenn sie erwerbstätig wären. Im Sinne des Lohnabstandsgebotes wollen
wir, dass diejenigen, die erwerbstätig sind, bescheidene
Einkommen beziehen und Kinder haben, etwas besser
dastehen als diejenigen, die nicht erwerbstätig sind. Das
entspricht dem Lohnabstandsgebot.
({2})
An dieses Lohnabstandsgebot heranzugehen und zu
sagen: „Es macht keinen Unterschied, ob du erwerbstätig bist oder nicht, der Staat wird schon für dich sorgen“,
entspricht nicht unserem Gesellschaftsbild, aus meiner
Sicht auch nicht der Wirklichkeit in unserem Lande.
({3})
Noch zur Beantwortung Ihrer Frage, Frau
Haßelmann. Ich habe diese Frage in der Anhörung ausdrücklich an den Familienbund der Katholiken und an
den Neuen Lohnsteuerhilfeverein gestellt. Sie haben uns
bestätigt, dass mit dieser Reform die Bezieher kleiner
Einkommen und Familien mit Kindern deutlich bessergestellt werden als alle anderen. Ich sage Ihnen: Dazu
stehen wir. Das wollen wir. Das bringen wir auf den
Weg. Das werden wir heute verabschieden.
({4})
Ich war beim Thema Erbschaftsteuer. In diesem Zusammenhang wollte ich sagen, dass wir auch bei der
Unternehmensnachfolge Korrekturen vornehmen; denn
auch in Zeiten der Krise sollen Familienunternehmen
vernünftig übergeben werden können.
({5})
Das Erbschaftsteuergesetz ist aus Sicht der FDP nach
wie vor Murks, aber an einer Stelle jetzt halt ein bisschen weniger.
Auch die Einführung einer Regelung zur verbesserten
Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter ist
direkt darauf gerichtet, Wachstum zu erzielen; denn wer
jetzt investiert, stützt die Wirtschaft. Abschreibungen
müssten noch viel stärker gefördert werden, damit wir
aus der Krise herauskommen.
({6})
Alle diese Punkte haben wir von der FDP in unserem
Wahlprogramm gefordert, im Koalitionsvertrag vereinbart, und diese Punkte setzen wir hier und heute im
Deutschen Bundestag um.
({7})
Mit der Umsatzsteuerermäßigung für Beherbergungsleistungen, die auch von den Oppositionsfraktionen gefordert wurde, gleichen wir das steuerliche Niveau der
steuerlichen Situation in den Nachbarländern an.
({8})
Ich möchte zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, dass dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz ein
deutlicher Beweis für die Entschlossenheit der Koalition
aus Union und FDP ist, die Probleme unseres Landes anzupacken und zu lösen. Trotz aller Diskussionen gehen
wir davon aus, dass auch die Bundesländer, sogar in ihrer Gesamtheit, sich ihrer Verantwortung bewusst sein
und diesem Gesetzentwurf am 18. Dezember zustimmen
werden.
({9})
Es ist schon erstaunlich: Die Steuererleichterungen
der Großen Koalition ließ die Mehrheit des Bundesrates
anstandslos passieren; die schienen vernünftig zu sein.
({10})
Nur weil sie jetzt von der christlich-liberalen Koalition
kommen, erhebt sich Widerspruch, den wir vorher nicht
wahrgenommen haben. Das verstehen wir nicht. Wir
wollen hier ein Beispiel setzen.
Herr Kollege.
Wir wollen mehr Wachstum schaffen und Familien
stärken. Insofern gehen wir davon aus, dass das Gesetz
ab dem 1. Januar 2010 gelten wird.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort erhält nun der Kollege Gregor Gysi für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Thiele, uns können Sie nicht gemeint haben. Wir
haben schon gegen die Steuergesetze der Großen Koalition protestiert; das ist bei uns nichts Neues. Wenigstens
das müssen Sie uns zubilligen.
({0})
Abgesehen davon sage ich zu diesem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, dass es eigentlich nur Wachstum
für Reiche bringt, diesbezüglich beschleunigt es auch,
aber von einem sozialen Ausgleich oder von einer Belebung der Wirtschaft kann überhaupt keine Rede sein.
({1})
Wir haben nachher noch einen Tagesordnungspunkt
zur Kreditklemme, aber eines, Frau Bundeskanzlerin,
will ich schon jetzt dazu sagen: Sie haben ja einen netten
Krisengipfel organisiert. Ich finde es auch richtig, dass
Sie Herrn Ackermann eingeladen haben. Völlig richtig
finde ich, dass er diesmal nicht bestimmen durfte, wen
Sie sonst noch einladen, sondern dass Sie das selbst entschieden haben.
({2})
Aber herausgekommen ist dabei nun wirklich gar nichts,
außer dass auf freiwilliger Basis etwas geschehen soll.
Wie Banken sich an etwas auf freiwilliger Basis halten,
haben wir in den letzten Jahren erfahren. Im Übrigen
sind die Banken zum Teil wieder reich. Welche Gehälter,
welche Boni die schon wieder ihren Managern zahlen!
Gleichzeitig vergeben sie so gut wie keine Kredite, aber
verlangen Zinsen für Überziehungskredite und anderes.
Das alles ist eine Unverschämtheit. Ich finde, dass Sie da
eingreifen müssen. Wenn wir diesbezüglich Bundeseigentum hätten, könnten wir die Verantwortung ganz
anders organisieren und vor allen Dingen die Kreditklemme auflösen.
({3})
Die Sachverständigen behaupten, dass es bis zu
40 000 Insolvenzen im nächsten Jahr geben kann. Das
wird für diese Bundesrepublik Deutschland teuer.
Bevor ich zu Ihrem Gesetzentwurf komme, noch zu
etwas anderem. Herr Brüderle ist ja leider bei der Abstimmung über einen für die Wirtschaft so wichtigen Gesetzentwurf nicht anwesend; so wichtig scheint der Gesetzentwurf dann doch nicht zu sein. So viel sage ich
Ihnen: Herr Brüderle hat die Aufnahme eines Mindestlohns in das Entsendegesetz in Höhe von 8,02 Euro für
die Abfall- und Entsorgungswirtschaft blockiert. Die
FDP sagt immer, das gehe nicht, Mindestlöhne würden
Schaden anrichten. Ich habe, ehrlich gesagt, nie verstanden, welchen Schaden, außer dass es mehr sozialen Ausgleich gibt.
Sie erklären immer, dass Sie im Koalitionsvertrag
vereinbart haben, dass Sie gegen sittenwidrige Löhne
sind. Das hätten Sie nicht zu vereinbaren brauchen, weil
das durch die Rechtsprechung längst feststand.
({4})
Jetzt will ich Ihnen ein Beispiel nennen, um es konkret
zu machen: In Sachsen gibt es einen Tariflohn für Friseusen, bei dem in der untersten Lohngruppe pro Stunde
3,06 Euro vorgesehen sind.
({5})
Jetzt sagen Sie, sittenwidrig sei für Sie, wenn weniger
als zwei Drittel davon gezahlt werden, das heißt weniger
als 2,14 Euro. Der Durchschnittslohn einer Friseuse in
Sachsen beträgt 5,16 Euro pro Stunde. Nach Ihrer Meinung wäre demnach ein Lohn unter 3,61 Euro sittenwidrig. Ich sage Ihnen: Das Einzige, was daran sittenwidrig
ist, ist die FDP mit ihren Auffassungen.
({6})
Das geht nämlich nicht.
Jetzt steht im Koalitionsvertrag - da wird mir schon
ganz schlecht -, dass Sie alle bisher vereinbarten Mindestlöhne 2011 überprüfen wollen. Früher hätte ich ja
gedacht: Die Union sagt dazu Nein, und so eine Überprüfung findet nicht statt. Aber da ich feststelle, dass
sich die FDP in der Koalition immer gegen die Union
durchsetzt, bin ich da sehr wankelmütig geworden und
befürchte, dass Sie die Mindestlöhne, die schon vereinbart sind, wieder aufheben. Aber das - das sage ich Ihnen - wirft die Gesellschaft auseinander. Ich warne Sie
vor diesem Schritt.
({7})
Jetzt wollen Sie eine Gesamtsteuerentlastung in Höhe
von 21 Milliarden Euro beschließen. 13 Milliarden Euro
davon gehen übrigens noch auf Union und die SPD zurück; damit hat die FDP gar nichts zu tun. Der Rest
kommt jetzt von Union und FDP. Es wird immer so getan, als ob die 13 Milliarden Euro ein riesiges Investitionsprogramm wären. In Wirklichkeit ist das zum größten Teil nichts anderes als die Umsetzung eines Urteils
des Bundesverfassungsgerichts.
({8})
Denn das Bundesverfassungsgericht hat entschieden,
dass die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung steuerabzugsfähig sein müssen. Das haben
Sie gemacht; das ist alles. Es ist keine gewaltige Leistung, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Dann haben Sie beschlossen, den Grundfreibetrag
zu erhöhen; das ist nicht ausreichend, aber vernünftig.
Was macht nun Schwarz-Gelb? Sie haben beschlossen, die Steuerfreibeträge für Kinder zu erhöhen.
Dazu ist hier schon einiges gesagt worden. Ich habe eine
Frage an Sie: Was machen Sie mit den 40 Prozent der
Haushalte, die so wenig verdienen, dass sie gar keine
Steuern zu zahlen brauchen oder sie nicht zahlen können? Mit anderen Worten: Haben sie von Ihren Steuerfreibeträgen etwas? Was bekommen die von dieser
Koalition?
({9})
Nicht einen halben Euro! Das ist die Wahrheit.
({10})
- Ja, ja.
Jetzt komme ich zum Kindergeld. Sie wollen beschließen, dass das Kindergeld um 20 Euro erhöht wird.
({11})
- Ich kriege das schon mit. - Was sagen Sie eigentlich
den Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfängern?
({12})
- Ja, da stöhnen Sie, weil die Sie nerven, nicht wahr? Es
gibt davon aber Millionen in unserer Gesellschaft. Die
haben auch Kinder. Denen sagen Sie, dass sie nicht einen
Cent mehr für ihre Kinder bekommen.
({13})
Bei ihnen wird der Betrag vollständig abgezogen. Ich
kann einer alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin
nicht erklären, weshalb Oskar Lafontaine und Gregor
Gysi für ihre jeweils zwei minderjährigen Kinder mehr
Geld bekommen, aber sie selbst, die alleinerziehende
Hartz-IV-Empfängerin, keinen Cent für ihr Kind bekommt. Ich kann das nicht erklären. Sie können es gerne
versuchen.
({14})
Sie haben die Umsatzsteuer für das Hotelgewerbe
ermäßigt. Wie ich gehört habe, hat das gar nichts mit
Klientelpolitik zu tun, sondern nur mit dem Ausland - na
gut. Ich sage Ihnen dazu Folgendes: Das haben auch wir
in unserem Wahlprogramm gefordert; das werden Sie
wahrscheinlich nicht wissen.
({15})
- Sie wissen das?
({16})
- Umso besser. Wie Sie sehen, weiß ich es auch. - Unsere Forderung steht aber in einem ganz anderen Zusammenhang.
({17})
- Ja. Hören Sie zu. - Wir haben gesagt: Wir brauchen
den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent für
Hotels, aber auch für Gaststätten, für rezeptpflichtige
Arzneien, für das personalintensive Handwerk und für
Produkte und Dienstleistungen für Kinder. Warum ermäßigen Sie den Mehrwertsteuersatz nicht für Produkte und
Dienstleistungen für Kinder? Das wäre ein wichtiger
Schritt.
({18})
Das Gleiche gilt für das Handwerk. Warum gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz nicht für das Handwerk?
Sie ermäßigen den Mehrwertsteuersatz nur für das Hotelgewerbe.
Jetzt schildere ich Ihnen diese Regelung einmal aus
der Sicht des Inhabers eines kleinen Hotels. Der muss
jetzt verschiedene Umsatzsteuern berechnen. Für eine
Übernachtung muss er 7 Prozent, für ein Frühstück und
für Wellness muss er 19 Prozent berechnen. Er muss dafür einen Buchhalter einstellen. Das ist alles, was dabei
herauskommt.
({19})
Sie haben wieder einmal Steuererleichterungen für
Unternehmen beschlossen, in einer Größenordnung von
2,4 Milliarden Euro. Das kommt natürlich insbesondere
den größeren Unternehmen zugute. Ich kann dazu nur eines sagen: Noch nie ist hier in den letzten Jahren ein
Steuergesetz verabschiedet worden, durch das nicht die
Deutsche Bank etwas geschenkt bekommen hat. Kann
das nicht einmal aufhören? Die Deutsche Bank stürzt
uns von einer Katastrophe in die nächste, bekommt von
diesem Bundestag aber nur Geschenke. Vielleicht sollten
wir diesbezüglich einmal eine andere Politik machen.
({20})
Sie haben sich entschieden, Erbinnen und Erben zu
entlasten. Das ist doch nicht zu fassen. Sie reden immer
von Leistung. Was ist denn bei einer Erbschaft die Leistung? Dass jemand stirbt, mit dem ich verwandt oder
nicht verwandt war, ist alles, was geschieht.
({21})
Was soll daran eine Leistung sein?
Abgesehen davon werden gerade die Erben, die
50 Millionen Euro oder mehr bekommen, von Ihnen
steuerlich entlastet. Das ist wirklich wahnsinnig sozial,
was Sie da machen. Sie begünstigen ausschließlich
Reichtum.
({22})
Es kommt noch etwas hinzu: Die Professoren
Wieland und Jarass und Herr Borgdorf haben in der
Sachverständigenanhörung eindeutig erklärt, dass sie
diese Regelung für grundgesetzwidrig halten, und zwar
deshalb, weil Sie die Erbschaft von Unternehmen im
Vergleich zum Vermögen begünstigen. Dazu gibt es
schon ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Im Hinblick auf die Vermögensteuer wurde entschieden, dass
das so nicht geht, dass Grundstücke anders bewertet
werden als Schmuck usw.
({23})
Die Sachverständigen haben gesagt: Das werden die
aussetzen. - Ich sage Ihnen: Das ist auch Ihr Ziel.
({24})
Sie wollen gerne, dass diese Regelung für verfassungswidrig erklärt wird. Dann wird eine Frist gesetzt, und es
wird gesagt: Bis zu diesem Zeitpunkt muss das Ganze
korrigiert werden. - Dann lassen Sie die Frist verstreichen,
({25})
wie Sie es auch bei der Vermögensteuer getan haben,
und dann gibt es keine Erbschaftsteuer mehr. Das ist das,
was die FDP will, und die Union lässt sich auch noch
darauf ein.
({26})
Das ist die Wahrheit, mit der wir es zu tun haben.
({27})
Ich sage Ihnen: In Deutschland stammen 0,9 Prozent
der Gesamteinnahmen des Staates aus Einnahmen aus
der Vermögen- und Erbschaftsteuer. Der OECD-Durchschnitt - hier sind Länder wie Mexiko mit dabei - liegt
bei 2,3 Prozent. Wir sind diesbezüglich Schlusslicht auf
dem Erdball. Sie tun aber immer so, als ob wir den Betroffenen sonst was abverlangen würden.
({28})
Das hat mit der Realität nichts zu tun.
Immer wieder vertreten Sie, Sie ja auch, Herr Thiele,
die These bzw. die neoliberale Irrlehre, dass diese Art
von Entlastung zu mehr Wachstum, Beschäftigung und
Investitionen führt.
({29})
Ich glaube nicht mehr, dass Sie das auch wirklich glauben; denn die Geschichte beweist das Gegenteil.
({30})
Ich denke, Ihnen geht es nur um die Unterstützung bestimmter Bevölkerungsschichten.
Außerdem erhöhen Sie die Schulden des Bundes, der
Länder und der Kommunen. Keiner weiß, wer sie bezahlen soll. Unsere Kinder? Unsere Enkelkinder? Wie?
Keine Antworten!
Ich sage Ihnen: Ihre Antworten kommen, aber leider
erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Wir
werden nicht müde werden, den Leuten in NordrheinWestfalen zu erklären, dass nach dieser Wahl Ihre Antworten kommen. Es wird leider wieder so sein, dass Sie
die Gleichen begünstigen und die Gleichen benachteiligen.
Es gibt Widerstand aus den unionsgeführten Bundesländern; denn die können sich ja nicht einfach in die
Pleite schicken lassen. Herr Kauder sagt - ich habe das
doch verstanden? -: Nein, wir kaufen die nicht direkt,
sondern indirekt.
({31})
Ich kann Ihnen nur sagen: Ich habe nichts dagegen, dass
man diese Wege geht. Das hat Schröder genauso gemacht, das haben alle so gemacht. Ich war auch mal für
Berlin dabei, da haben wir auch etwas bekommen. Ich
kenne das also. Verstehen Sie: Das ist alles nicht mein
Problem. Ich sage Ihnen nur: Mit offener Politik hat das
nichts zu tun.
Ich sage Ihnen voraus: Die Länder werden ihren Widerstand vergrößern; denn Sie schicken sie, gerade wenn
ich an die Schuldenbremse denke, in die Pleite; das ist
überhaupt nicht hinnehmbar. Spätestens nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen werden die Länder das
zu spüren bekommen. Sagen Sie doch einmal offen, was
Sie den Ländern schenken wollen, eiern Sie doch nicht
herum, spannen Sie uns doch nicht so lange auf die Folter! Sagen Sie doch einmal, was Sie diesbezüglich organisieren werden.
Die Steuerausfälle werden in die Haushalte der Länder und Kommunen tiefe Löcher schlagen. Das alles hat
Folgen: weniger Investitionen, weniger Kultur, weniger
Bildung, weniger Sport, weniger sozialen Ausgleich.
Das ist nicht hinnehmbar. Ihr Gesetz geht in die völlig
falsche Richtung.
Was wir wirklich brauchten, ist Steuergerechtigkeit.
Ich habe Ihnen vorhin aufgezeigt, in welchen Bereichen
man den Mehrwertsteuersatz von 19 auf 7 Prozent senken sollte. Sie können mich zu Recht fragen: Und wie
bezahlen? Das könnte ich Ihnen ja nicht vorwerfen,
wenn wir nicht selbst Vorschläge machten. Wir machen
also Vorschläge, und zwar weil wir wirklich Steuergerechtigkeit wollen.
Ich sage Ihnen, was ein Problem in unserer Gesellschaft ist: Den Armen können Sie nichts mehr nehmen;
sonst müssten sie verhungern. An die Reichen und Vermögenden wollen Sie nicht ran, und das machen Sie
auch nicht. Sie organisieren, dass die Mitte der Gesellschaft - das sind die Facharbeiterinnen und Facharbeiter, das sind die Meisterinnen und Meister, das sind die
Kleinunternehmerinnen und -unternehmer - das alles bezahlt.
({32})
- Nein, passen Sie auf! - Deshalb beschreibt die Kurve
unseres Einkommensteuersatzes diesen Steuerbauch:
Den bezahlen nur diejenigen, die ein durchschnittliches
Einkommen haben. Gegen diesen Steuerbauch tun Sie
nichts. Das wäre aber nötig. Um das tun zu können,
brauchen wir einen neuen Spitzensteuersatz, eine neue
Börsenumsatzsteuer, eine Erhöhung der Körperschaftsteuer und endlich eine Vermögensteuer als Millionärsteuer.
({33})
Sie alle - ob nun SPD und Grüne oder Union und
SPD oder Union und FDP die Regierung stellen - gehen
immer den gleichen Weg: Umverteilung von unten nach
oben.
({34})
Ich bin froh, dass es eine Fraktion im Bundestag gibt, die
seit Jahren fordert und auch künftig fordern wird: Endlich eine Umkehr, und zwar eine Umverteilung von oben
nach unten.
({35})
Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wenn Sie reden, Herr Gysi, habe ich immer
ein bisschen Angst, dass es im Bereich des Rednerpults
zu Sauerstoffmangel kommt.
({0})
Aber im Ernst: Dieses Gesetz ist kein Wachstumsbeschleunigungsgesetz, sondern ein Schuldenbeschleunigungsgesetz mit starken Elementen von Willkür, Bürokratie und sozialer Ungerechtigkeit.
({1})
Ich will Ihnen das im Einzelnen begründen.
Wir haben in der Anhörung und in den Ausschüssen
genau geprüft, ob von diesem Gesetz wirklich Wachstumsimpulse ausgehen. Ich bestreite, dass das der Fall
ist. Konjunkturpolitik ist es ja nicht, was Sie machen;
denn Sie beschließen Maßnahmen, die dauernd gelten
sollen, sowohl im Bereich der Leistungen für Kinder als
auch bei der Mehrwertsteuer. Konjunkturpolitik hieße,
dass Sie, wenn die Konjunktur im Tal ist und zu wachsen
beginnt, das durch Maßnahmen unterstützen, die später
aber wieder wegfallen. So ist Konjunkturpolitik allgemein definiert.
Ich will bei den Leistungen für Kinder anfangen.
Bestverdienende bekommen über 400 Euro pro Jahr,
Normalverdiener etwa 200 Euro. Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, kriegen für ihre Kinder überhaupt
nichts. 1,8 Millionen Kinder in Deutschland sind Ihnen
also egal.
({2})
Ich will speziell Sie, Frau Merkel, und auch Sie,
Herrn Schäuble, weil Sie Mitglied einer christlichen Partei sind - schließlich steht das Wort „christlich“ im Parteinamen -, fragen: Können Sie sich nicht mehr vorstellen, wie es bei solchen Familien ankommt, wenn sie
hören, dass diejenigen, die viel verdienen, etwa
400 Euro mehr bekommen, obwohl sie es gar nicht brauchen, und die 1,8 Millionen Kinder aus armen Familien
leer ausgehen? Wer für dieses Problem kein Verständnis
hat und auf dieses Argument nicht eingeht, der hat für
mich die Legitimation, für einen sozialen Ausgleich
auch im christlichen Sinne zu sorgen, verloren. Ihnen ist
das einfach egal.
({3})
Übrigens, Herr Thiele, wenn Sie mir mit dem Lohnabstandsgebot kommen, dann kann ich nur sagen: Ihre
Argumentation kann man nur dann vertreten, wenn Sie
gegen Niedriglöhne in Deutschland überhaupt nichts tun
wollen. Nur dann sticht Ihre Argumentation. Wenn Sie
aber der Meinung sind, wir brauchen Mindestlöhne, wir
brauchen bei Niedriglöhnen mehr Lohngerechtigkeit, es
müsse sich auch für Geringverdiener lohnen, zu arbeiten,
wenn Sie wie meine Partei dieser Überzeugung sind,
dann sticht Ihre Argumentation mit dem Lohnabstandsgebot überhaupt nicht.
({4})
Dass die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen irrationales Zeug ist, ist doch klar. Im
Ausschuss haben dem auch die Kollegen von FDP und
CDU nichts abgewinnen können. Das ist Willkür. Es
steigert die Bürokratie. Ich will noch einmal daran erinnern: Die FDP hat im Wahlkampf versprochen, die Steuern zu vereinfachen, das System transparent und klar zu
gestalten. Was aber machen Sie wenige Wochen, nachdem Sie gewählt sind? Sie schaffen neue Bürokratie, Sie
schaffen Intransparenz, Sie machen es kompliziert, und
zwar alles zulasten künftiger Generationen. Schließlich
ist alles auf Pump finanziert, Sie haben das Ganze nicht
gegenfinanziert.
({5})
Ich kann an die Adresse der FDP nur sagen - das ist
ein Wirkmechanismus, der in dieser Koalition eine große
Rolle spielt -, dass die großen Wahlversprechen - das
Gleiche gilt auch für Herrn Seehofer - einfach in Nichts
zusammengefallen sind. Was haben Sie uns alles erzählt!
Da war zum einen der Drei-Stufen-Tarif, der 35 Milliarden Euro kosten sollte. In den Koalitionsverhandlungen
haben Sie gemerkt, dass er 70 Milliarden Euro kostet.
Da war zum anderen das Liberale Sparbuch, eine Finanzierung sei kein Problem: Wir kürzen hie und da ein bisschen, wir machen Wachstum, wir reduzieren die
Schwarzarbeit. - All das ist Murks gewesen. Sie haben
das nicht berechnet. Sie sind mit einer Betrugsgeschichte
in den Wahlkampf gegangen. Was ist denn aus dem berühmten Solms-Tarif geworden?
({6})
Wo ist denn der Herr Solms jetzt, der große Finanzpolitiker, der die FDP mit seinen Vorschlägen schwindlig geredet hat?
Sie sind so sehr gescheitert, wie man nur scheitern
kann. Eigentlich kann sich die FDP doch gar nicht mehr
nach Hause trauen. Vielleicht ist das der tiefere Sinn der
Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen, dass Sie nämlich an der Stelle ein Problem haben. Das könnte ja auch sein, wenn man es etwas humorvoll sehen will.
({7})
Aber der entscheidende Punkt ist: Weil Sie mit Ihrem
Konzept von A bis Z gescheitert sind, muss jetzt so eine
mickrige Kompromissbildung gemacht werden, damit
Sie Ihr Gesicht wahren können. Aber mit dieser Gesichtswahrung können Sie weder seriöse Haushalts- und
Finanzpolitik machen, noch können Sie die Konjunktur
anstoßen, weil das auf diese Art und Weise nicht geht.
Jetzt will ich Ihnen sagen, warum wir das vorliegende
Gesetz nicht für ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz
halten. Es ist auf Pump finanziert. Die schwäbische
Hausfrau Merkel gibt Geld aus, das sie nicht hat, in der
Erwartung, dass sie später noch weniger Geld hat, das
sie nicht ausgeben kann. Genau so machen Sie es. Sie
machen jetzt 8 Milliarden Euro Schulden - Sie brauchen
gar nicht den Kopf zu schütteln, das bringt nämlich
nichts -,
({8})
weil Sie wissen, dass es im nächsten und übernächsten
Jahr noch schlimmer kommt. Der Bundeshaushalt 2010
enthält zusammen mit den Nebenhaushalten 100 Milliarden Euro neue Schulden. Sie, die schwäbische Hausfrau
Merkel aus Rügen, tun so, als wäre das egal: Weil es
nächstes Jahr noch schlimmer kommt, machen wir noch
mehr Schulden. - Das ist doch keine verlässliche Stabilitätspolitik, die bei den Menschen für Vertrauen und Sicherheit sorgt. Das bedeutet nur: Nach uns die Sintflut;
beschließen wir noch einige Maßnahmen, damit die FDP
und der Seehofer zufrieden sind und ich meine Koalition
vor Weihnachten zusammenhalten kann.
({9})
Das ist der entscheidende Punkt: Die Menschen im
Land erwarten eine klare Ansage, wie die Lage ist. Die
Lage ist schlecht. Daher erwarten die Menschen von Ihnen, dass Sie endlich sagen, wo Sie die Schwerpunkte
setzen wollen. Stattdessen sollen mit diesem Gesetz
noch einmal Wohltaten nach dem Gießkannenprinzip
verteilt werden, weil es nächstes Jahr nur Kürzungen geben wird.
Eine Wirkung auf die Konjunktur wird das nicht haben, weil die Einnahmeausfälle bei den Ländern und
Gemeinden dazu führen, dass an der Stelle, an der bei
einer möglicherweise wieder ansteigenden Konjunktur
investiert werden muss, zum Beispiel bei den Gemeinden, gekürzt werden muss. Wenn die eigentlichen Investoren, die Kommunen, nicht mehr investieren können,
weil Sie deren Schulden vergrößert haben, dann wird es
keinen positiven Konjunkturverlauf geben. Sie müssten
jetzt etwas tun, damit die Gemeinden nicht weniger, sondern mehr Mittel zur Verfügung haben; denn sie investieren am besten, am schnellsten und am direktesten. Das
können Sie in jedem Lehrbuch der Konjunkturpolitik
nachlesen. Sie müssen die Gemeinden in einer solchen
Phase stark machen und dürfen sie nicht zusätzlich
schwächen, wie Sie das mit dem Gesetzentwurf tun.
({10})
Ich komme zu einem entscheidenden Punkt, den wir
kritisch sehen. Sie haben eine ganz abstrakte Wachstumshoffnung - Herr Michelbach hat das heute wieder
vorgetragen -: Ohne Wachstum ist alles nichts, ohne
Wachstum kein Schuldenabbau.
({11})
- Da klatschen Sie. - Man muss doch einmal fragen,
wieso Schulden bei den vielen hohen Wachstumsraten in
der Bundesrepublik Deutschland nicht ab-, sondern aufgebaut worden sind. So stimmt die Gleichung doch gar
nicht. Sie wollen sich an einem Strohhalm festhalten,
aber das funktioniert nicht.
({12})
Frau Merkel und Herr Schäuble, Sie sagen den Leuten
nicht - dadurch würde die Konjunktur stabilisiert werden -, was Sie eigentlich wollen. Sagen Sie doch einmal,
dass Sie in Bereiche investieren wollen, die unsere Zukunft ausmachen, zum Beispiel in die Bildung, in den
Klimaschutz und in die soziale Gerechtigkeit.
({13})
Wer dort jetzt energisch und nur dort investieren würde,
der könnte sagen: Ich habe eine Richtung für Deutschland; das soll wachsen, und woanders muss gespart werden. Das alles sind aber Töne und Einschätzungen, die
man von Ihnen nicht gewohnt ist, weil Sie sich nicht entscheiden wollen und können, wohin die Reise der Bundesrepublik Deutschland geht. Wir von den Grünen sagen klar: Wer jetzt etwas für die Konjunktur tun und
Stabilität erreichen will, der muss den Leuten sagen, wo
es weniger wird, wo es schwieriger wird und welche Bereiche wir wachsen lassen wollen, weil sie unsere Zukunft ausmachen.
Ich will noch einmal die Bildung ansprechen. Wir
alle wissen, dass Deutschland bei der Bildung mit
30 Milliarden Euro jährlich unterfinanziert ist. Wir können kein Innovationsland werden, das Arbeitsplätze sichert und Neues entdeckt und entwickelt, wenn wir diese
Finanzlücke bei der Bildung nicht schließen; das geht
nicht. Wenn Sie uns heute mit 8,5 Milliarden Euro neu
verschulden, dann werden Sie eines auf jeden Fall tun:
Sie geben wieder nichts für die Bildung, obwohl darin
unsere Zukunft besteht.
({14})
Frau Merkel, das müssen Sie sich jetzt einmal sagen
lassen - Bildungsgipfel hin oder her -: Wir wollen von
dieser Regierung wissen - denn sie ist verantwortlich dafür -, wie sie die Bildungslücke und auch die Infrastrukturlücke im sozialen Bereich, etwa bei der Kinderbetreuung, schließen will und ob sie das vorhat oder nicht.
Dort mal 20 Euro und hier mal 20 Euro - das ist keine
zukunftsfähige Politik für Deutschland, nicht im Bereich
der Bildung und nicht im Bereich der sozialen Gerechtigkeit.
Wo ist der investive Schwerpunkt für die Klimapolitik? Sie schicken jetzt den Umweltminister nach Kopenhagen und fahren selber hin; von einer Offensive, mit
der Sie den Leuten sagen: „Wir schaffen neue Arbeitsplätze im Bereich des Klimaschutzes, dass es kracht, damit wir die Klimaschutzziele erreichen können“, ist aber
nichts zu hören. Das enthält Ihr Gesetzentwurf nicht.
({15})
Ich kann nur sagen: Man kann mit grünen Ideen
schwarze Zahlen schreiben. Das müssten Sie endlich
einmal anpacken, anstatt sich immer zu verdrücken.
Vielen Dank.
({16})
Ich erteile dem Kollegen Olav Gutting, CDU/CSUFraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine werten Damen und Herren
Kolleginnen und Kollegen! Wachstumsorientierung und
Konsolidierung - das sind die Leitlinien unserer Finanzund Steuerpolitik.
({0})
Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz wollen
wir einerseits Schwachstellen aus vorangegangenen Reformprojekten beseitigen und
({1})
und andererseits gezielt Impulse für Entlastungen bei Familien und Unternehmen setzen. In dem Gesetzentwurf
sind Korrekturen beim Unternehmensteuerrecht vorgesehen, mit denen wir die Unternehmen gerade jetzt in
der Krise krisenfester machen wollen. Das gilt sowohl
für die international orientierten Konzerne als auch für
unsere heimischen Mittelständler.
An dieser Stelle möchte ich beispielhaft nur die Neuregelung der Sofortabschreibung von geringwertigen
Wirtschaftsgütern erwähnen. Die Möglichkeit der Sofortabschreibung von Wirtschaftsgütern im Wert von bis
zu 410 Euro war überfällig. Ich glaube, es war von Anfang an ein Fehler, dass wir bei der Grenze für die
GWGs heruntergegangen sind.
({2})
Mit der jetzigen Korrektur schaffen wir für die Unternehmen die gerade in der Krise notwendige Liquidität.
Die alternativ mögliche Beibehaltung der Sammelpostenabschreibung für Wirtschaftsgüter im Bereich zwischen 150 Euro und 1 000 Euro, die wir parallel beibehalten, bedeutet für die Unternehmen gleichzeitig ein
Mehr an Flexibilität.
Der wesentliche Teil unseres Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ist die Familienförderung. Mit der Erhöhung des Kinderfreibetrages auf 7 008 Euro und des
Kindergeldes um je 20 Euro schaffen wir eine spürbare
Entlastung für Familien mit Kindern. Damit stärken wir
die Leistungsfähigkeit dieser Keimzelle unserer Gesellschaft.
({3})
Von den 8,5 Milliarden Euro Gesamtentlastungsvolumen, das in diesem Gesetzespaket enthalten ist, entfallen
allein 4,6 Milliarden Euro auf die Familienförderung,
von diesen 4,6 Milliarden Euro wiederum 4,2 Milliarden
Euro auf die Erhöhung des Kindergeldes. Lediglich weniger als ein Zehntel davon, nämlich 400 Millionen
Euro, entfallen auf die Erhöhung des Kinderfreibetrages.
({4})
Mit den heute zu beschließenden Maßnahmen im Zusammenspiel mit dem Bürgerentlastungsgesetz wird im
Jahr 2010 eine Familie mit zwei Kindern und einem Alleinverdiener mit einem Bruttojahreseinkommen von
50 000 Euro um fast 1 000 Euro jährlich entlastet.
({5})
Für die Union zählen Familien mit Kindern zu den
wichtigen Leistungsträgern unserer Gesellschaft. Vor der
Wahl haben wir versprochen, diejenigen zu entlasten, die
seit Jahren in diesem Land den Karren ziehen. Wir haben
versprochen, diejenigen zu entlasten, die morgens aufstehen, zur Arbeit gehen und ihre Kinder erziehen.
({6})
Mit diesem Gesetz werden wir dieses Versprechen erfüllen.
({7})
Dies gilt im Übrigen auch für Alleinerziehende. Das
Gesetz beinhaltet auch eine Anhebung des Freibetrages
für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf.
Diese Anhebung wirkt sich insbesondere bei Eltern aus,
die getrennt voneinander lebend das Kind erziehen.
Diese Anhebung führt dazu, dass bereits ab einem
Jahreseinkommen von 15 660 Euro ein Steuervorteil
entsteht. Von der Anhebung der Freibeträge profitieren
also auch Eltern mit geringerem Einkommen.
Statt Familien mit höherem Einkommen gegen Familien mit niedrigerem Einkommen gegeneinander auszuspielen, wollen wir in die Zukunft unserer Gesellschaft
investieren.
({8}):
Wer’s glaubt!)
Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung, die Anhebung des Freibetrages sei sozial ungerecht, schlicht
falsch.
({9})
Ich weiß, es passt schön in das beschränkte Weltbild,
wenn man vorrechnen kann, dass besserverdienende Eltern doppelt so hoch entlastet werden wie Familien mit
geringem Einkommen.
({10})
Ich nehme an, selbst Sie in der Opposition wollen nicht
bestreiten, dass wir in Deutschland am Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit festhalten.
({11})
Starke Schultern sind steuerlich belastbarer als schwache
Schultern.
({12})
Deshalb ist die Einkommensteuer progressiv ausgestaltet. Diese Progression kann keine Einbahnstraße sein.
({13})
Ich will noch etwas klarstellen: Der Kinderfreibetrag
ist kein Zuschuss vom Staat, sondern er dient dazu, dass
zu viel gezahlte Steuern zurückerstattet werden.
({14})
Die Familien erhalten mit dem Kinderfreibetrag genau
den Betrag zurückerstattet, den sie vorher zu viel an
Steuern gezahlt haben.
({15})
Das bedeutet auch, dass Familien mit unterschiedlichem
Einkommen und deswegen unterschiedlicher Steuerlast
natürlich unterschiedliche Beträge erstattet bekommen.
Das ist die logische Folge der Steuerprogression.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir mit dem
Kinderfreibetrag über das Existenzminimum, das vom
Bundesverfassungsgericht vorgegeben ist, hinausgehen,
können Sie uns doch nicht zum Vorwurf machen. Dieser
Vorwurf ist bizarr. Wir müssen uns doch nicht immer
vom Bundesverfassungsgericht treiben lassen. Wir können doch politisch entscheiden, dass wir die Zeichen setzen, die wichtig sind für die Wertschätzung der Familie.
({16})
Auch die Kritik an der Anrechnung des Kindergeldes
auf das Arbeitslosengeld II geht in die falsche Richtung. Wir wollen die Teilhabechancen der Kinder verbessern. Wir wollen die materielle Kinderarmut reduzieren, und wir haben hierzu im Koalitionsvertrag
festgelegt, dass wir den Kinderzuschlag weiterentwickeln wollen. Ziel muss es sein, den Berechtigtenkreis
auszuweiten. Wir wollen erreichen, dass Kinder von Eltern mit geringerem Einkommen im Arbeitslosengeld-IIBezug zukünftig ohne Bezug von ALG II für ihre Kinder
sorgen können.
Wir müssen bei dieser Diskussion auch das Lohnabstandsgebot beachten. Im Verhältnis zwischen dem Bedarf im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt, also
Hartz IV, und den unteren Arbeitnehmereinkommen
muss ein hinreichender Abstand gewahrt bleiben, um
Beziehern von Arbeitslosengeld II einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu geben.
({17})
Einfacher ausgedrückt ist unsere Maxime: Wer arbeitet,
muss mehr in der Tasche haben als derjenige, der nichts
tut.
({18})
Mit Ihren Forderungen helfen Sie nicht den Kindern in
benachteiligten Familien, sondern verhindern Anreize
für deren Eltern zur Arbeitsaufnahme.
({19})
Ich will abschließend festhalten: Steuerliche Wachstumspolitik steht nicht im Widerspruch zu nachhaltiger
und konsequenter Konsolidierungspolitik. Auf Dauer
kann nur erfolgreich konsolidiert werden, wenn gleichzeitig die Bedingungen für ein robustes Wachstum geschaffen werden.
({20})
Wir sind davon überzeugt, dass wir die richtigen Weichenstellungen vorgenommen haben, um Deutschland,
um unser Vaterland gestärkt aus dieser Krise herauszuführen.
({21})
Man hätte sich an der einen oder anderen Stelle
durchaus mehr wünschen können,
({22})
aber im Hinblick auf die eng begrenzten finanziellen
Spielräume der öffentlichen Haushalte ist der Entwurf
eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, den wir
heute beschließen werden, zumindest ein vielversprechender Anfang.
Herzlichen Dank.
({23})
Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege
Lothar Binding.
({0})
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Es
gab eine Phase, in der die SPD-Arbeitsgruppe Finanzen
noch darüber nachgedacht hat, ob es sich um ein Schuldenaufbaugesetz, ein Einnahmeverzichtgesetz oder ein
Investitionsverhinderungsgesetz handelt. Wir waren uns
nicht ganz einig und haben das gemacht, was wir üblicherweise machen: Wir haben uns beim Finanzminister
Rat geholt.
({0})
Der Kollege Carsten Sieling hatte zu den Themen
Wettbewerbsnachteile, den Preisen der Hotellerie im
europäischen Vergleich und der Auslastung sehr differenziert gefragt, und es lohnt sich, die Antworten, die er
bekommen hat, im Protokoll festzuhalten, weil auch Studenten daraus lernen können. Ich zitiere:
Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft hängt
von verschiedenen Faktoren ab.
Das könnte die Einleitung sein. Es ist ja auch richtig.
Aber jetzt wird es präziser:
Ein wesentliches Element dabei ist das Kostenniveau, das wiederum durch sehr unterschiedliche
Faktoren bestimmt ist.
({1})
Bei dem Vorhaben der Regierung geht es ja um
Wachstum. Jetzt kommt es zur Anmutung einer Erklärung für Wachstum:
Der ermäßigte Steuersatz verbessert die finanzielle
Situation der nationalen Beherbergungsunternehmen und stärkt deren Wettbewerbssituation im europäischen Vergleich.
({2})
- Das könnte richtig sein; es kann aber auch falsch sein. Wenn zum Beispiel ein Unternehmer ein Hotelzimmer
bucht, wird er denselben Preis wie bisher zahlen müssen
- wir haben gelernt, dass der DEHOGA nicht von einer
Preissenkung der einzelnen Betriebe ausgeht -, aber
durch den verminderten Vorsteuerabzug wird er netto
insgesamt einen höheren Hotelpreis zahlen müssen als
zuvor. Das ist insofern ein Denkfehler.
Aber kommen wir auf das Stichwort „Hotellerie“ zurück. Zur Beherbergungsstatistik wird weiter ausgeführt:
Entsprechend detaillierte Angaben zur deutschen
Hotellerie im europäischen Vergleich liegen nicht
vor.
Das finde ich eine sehr erhellende Erläuterung seitens
des Finanzministers. Wenn dies das Denkmuster ist, auf
dem dieses Gesetz fußt, dann zeigt das, warum dieses
Gesetz an dieser Stelle nicht wirken kann und warum
uns niemand erklären kann, welche Einzelmaßnahme
mit welcher Elastizität zu einer Wachstumskomponente
führt.
({3})
Sie sprechen im Zusammenhang mit diesem Gesetz
immer von Krise. Ich erinnere daran, dass wir tatsächlich
aufgrund weltweiten privaten Versagens in den Industrienationen eine Liquiditätskrise, einen Investitionseinbruch, einen noch nie da gewesenen Auftragseinbruch
und ein Exportdesaster sowie einen Schrumpfungsprozess von mehr als 5 Prozent zu verkraften hatten. In dieser Situation haben Notmaßnahmen gegriffen - ich
möchte in diesem Zusammenhang an Herrn Steinbrück
erinnern -, die positiv wirken. Wir sehen, dass es funktioniert. Eine extrem kurzfristige Abwrackprämie, ein
Konjunkturprogramm für Handwerker, ein Rettungsplan
für Ersparnisse und Kredite bzw. für Sparer und Kreditnehmer - das wurde „Bankenrettung“ genannt -, das alles funktioniert, führt aber auch zu einer exorbitanten
Neuverschuldung; das stimmt. Aber es handelte sich um
eine Notsituation.
Heute befinden wir uns nicht mehr in einer Notsituation. Trotzdem erhöhen Sie die Neuverschuldung um
über 8 Milliarden Euro für zusätzliche Entlastungen. Damit geben Sie den Grundkonsens auf, der meines Erachtens in diesem Haus immer gegeben war, dass wir normalerweise keine Steigerung der Nettokreditaufnahme
in Kauf nehmen wollen. Sie tun das aber ohne Not mit
8,4 Milliarden Euro.
({4})
Da das niemand merken soll, vermischen Sie quasi diese
8,4 Milliarden Euro - die damit finanzierten Maßnahmen werden nicht wirken; das alles lässt sich im Protokoll des Finanzausschusses leicht nachlesen - mit den
über 14 Milliarden Euro aus den Konjunkturprogrammen der Vergangenheit. Sie wollen sozusagen die geschickte Politik von Herrn Steinbrück mit der dummen
Politik, die Sie mit diesem Gesetz betreiben, verknüpfen,
damit Sie in Zukunft besser dastehen. Sie stützen sich
aber auf eine Politik, die wir allein Herrn Steinbrück zu
verdanken haben.
({5})
Wie steht es aber um den Mittelstand? Wem hilft dieses Gesetz tatsächlich? Ich möchte auf ein paar Komponenten eingehen, die die Unternehmensteuerreform
- teilweise auf extrem gefährliche Weise - konterkarieLothar Binding ({6})
ren. Die Unternehmensteuerreform der Großen Koalition beinhaltet zwei Komponenten. Die Steuersätze in
Deutschland sollen auf ein europäisches Vergleichsniveau gesenkt werden, damit niemand mit seinem Gewinn Deutschland verlässt, weil die Steuersätze bei uns
zu hoch sind. Das Niveau haben wir mit 15 Prozent tatsächlich erreicht; das zeigt der europäische Vergleich.
Gleichzeitig haben wir Instrumente geschaffen, die verhindern, dass die Gewinne nicht so leicht ins Ausland
oder möglicherweise in Steueroasen transferiert werden
können. Es handelt sich um drei Instrumente: die Zinsschranke, Hinzurechnungsregelungen und bestimmte
Regelungen betreffend den Mantelkauf.
Was versteht man unter „Mantelkauf“? Mantelkauf
bedeutet, dass man ein Unternehmen, das weder im
Dienstleistungsbereich noch im Produktionsbereich einen Geschäftszweck verfolgt, ausschließlich deshalb behält, um dort Verluste zu sammeln. Sie stärken nun die
Möglichkeit, Verlustsammelstellen zu schaffen, die
dann, wenn es der Konjunktur wieder besser geht und
die Wirtschaft wieder Gewinne macht, dazu genutzt werden, Gewinne durch Verschmelzung oder Kauf von solchen Verlustsammelstellen quasi zu vernichten. Damit
wird das Steuersubstrat in Deutschland kaputtgemacht.
Das ist ein riesengroßes Problem. Das wird keine
Krisenreaktionskraft entfalten, sondern die Neuverschuldung bzw. die Gesamtverschuldung perpetuieren.
Nicolette Kressl hat bereits erklärt, dass Sie, wenn Sie
solche Maßnahmen mit Hinweis auf eine Krise dauerhaft
ergreifen, die Krise auf die nächsten 100 Jahre projektieren.
({7})
Denn Sie haben die Einführung unbegrenzter Instrumente mit einer kurzfristigen Krisensituation begründet
und diesen Widerspruch nicht aufgelöst.
Bei der Zinsschranke ist es noch schlimmer. Sie sagen, die Zinsschranke sei schlecht, und die Unternehmensteuerreform behindere die Unternehmen.
({8})
Aber warum schaffen Sie dann die Zinsschranke nicht
ab? Sie drehen lediglich an zwei kleinen Rädchen. Sie
behalten die Zinsschranke bei und sorgen gleichzeitig
für Erleichterungen, die nicht dem Mittelstand, sondern
den großen Konzernen helfen. Kennen Sie einen Mittelständler, der in einer Größenordnung von 3 Millionen bis
10 Millionen Euro Zinsen hat bzw. kauft oder verkauft?
Welcher Mittelständler oder Handwerker hat Zinslasten
in Höhe von 3 Millionen bis 10 Millionen Euro zu tragen? Einen solchen Mittelständler gibt es nicht. Sie behaupten, Politik für 1 200 Unternehmen zu machen.
Aber welcher Mittelständler zu diesen Unternehmen gehört, das möchte ich gerne wissen.
({9})
Das Schlimme ist: Sie verursachen damit, dass Unternehmen über den Zinstrick ihren Gewinn ins Ausland
verlagern, und zerstören erneut Steuersubstrat in
Deutschland. Das wird sozialpolitisch tiefe Einschnitte
bedeuten.
Das Allerschlimmste ist, dass Sie die Hinzurechnungsregelungen verändern. Die Zurechnungen belasten die Unternehmen minimal, aber sie haben in den
Ländern und in den Kommunen einen Kahlschlag zur
Folge, weil die Volatilität der Gewerbesteuer verstärkt,
die Einnahmen aus der Gewerbesteuer gesenkt und die
Kommunen ruiniert werden. Die Kommunen werden in
den nächsten Monaten und Jahren weniger Möglichkeiten haben, zu investieren, die Handwerker werden weniger Aufträge haben, und die Gebühren in den Kommunen werden steigen. Das alles ist die Folge dieser relativ
marginalen und unwichtigen Änderung im Unternehmensteuerbereich. Sie bezahlen die Entlastung der Unternehmer damit, dass der Unternehmer morgen weniger
Aufträge hat. Welche Wachstumsimpulse das setzen
kann, müssen Sie mir erklären.
({10})
Aber es passt zu dem eingangs zitierten Brief, wonach
die Wirtschaftspolitik von verschiedenen Faktoren abhängt.
Vielen Dank.
({11})
Volker Wissing ist der nächste Redner für die FDPFraktion.
({0})
Besten Dank, Herr Präsident! - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Zunächst einmal zu Ihnen, Herr Kollege
Kuhn. Sie haben hier große Worte gewählt und uns erklärt, wie alles geht.
({0})
Deswegen will ich einmal daran erinnern, wie es war, als
Rot-Grün regiert hat. Erste Frage: Haben Sie versucht,
durch steuerliche Entlastungen Wachstum zu generieren? Antwort: Ja. Sind in rot-grüner Zeit die Staatsschulden angestiegen? Antwort: Ja. Die Frage ist jetzt, was
der Unterschied zwischen Rot-Grün und der neuen Koalition ist. Auch das will ich Ihnen sagen: Im Gegensatz
zu Ihnen werden wir bei der Steuerstrukturreform nicht
auf halbem Wege stehen bleiben,
({1})
und im Gegensatz zu Ihnen werden wir, sobald wir die
Krise überwunden haben, Haushaltskonsolidierung betreiben.
({2})
- Da brauchen Sie nicht zu lachen, Herr Kuhn. - Ich will
Ihnen noch etwas sagen: Wir werden schon deshalb
Haushaltskonsolidierung betreiben, weil uns die Verfassung mit der neuen Schuldenregel, die die Grünen abgelehnt haben - auch das muss an dieser Stelle einmal
deutlich gesagt werden - dazu zwingt. Sie stehen nämlich nicht für Haushaltskonsolidierung.
({3})
Damals hatte Ihr Finanzminister Eichel gesagt: Wer
jetzt blockiert, schädigt das Land, die Wirtschaft und den
Aufschwung. - Das gilt auch heute: Wer jetzt blockiert,
wer jetzt Steuersenkungen verhindert, schädigt das
Land, die Wirtschaft und den Aufschwung. Sie, Herr
Kuhn, sagen, dass dieses Gesetz - ich will Sie zitieren ein Gesetz zur Beschleunigung von sozialer Ungerechtigkeit sei.
({4})
Welch ein Unsinn! Wir entlasten Familien, wir entlasten
die Leistungsträger in dieser Gesellschaft, und das ist für
uns soziale Gerechtigkeit. Wir tun alles in dieser
schwierigen Situation, um den Menschen die Angst vor
dem Verlust ihres Arbeitsplatzes zu nehmen, und das ist
soziale Gerechtigkeit. Diese Koalition möchte und wird
mit diesem Gesetz einen Beitrag für mehr Wachstum in
unserem Land leisten. Es ist ein wichtiges Signal für die
Unternehmen und die Menschen in Deutschland. Sie
werden endlich steuerlich entlastet. Leistung lohnt sich
wieder stärker. Das ist die Botschaft, die wir, die Regierungskoalition, heute an die Menschen senden wollen.
({5})
Die Krise ist nicht vorbei. Deshalb müssen wir alles tun,
um Zuversicht und Leistungsbereitschaft der Menschen
zu stärken, und wir müssen alles unterlassen, was Leistungsbereitschaft und Zuversicht der Menschen hemmt.
Gerade weil wir in dieser schwierigen Lage wissen
und uns immer vor Augen geführt wird, dass sich eine
schwache Eigenkapitalausstattung von Unternehmen
krisenverschärfend auswirkt, sind Steuersenkungen
kein Selbstzweck. Nein, sie dienen der Bekämpfung der
gegenwärtigen Krise, und sie dienen auch der Vermeidung künftiger Krisen. Deswegen ist dieses Gesetz ein
wichtiger, wenn auch nur ein erster Schritt.
({6})
Für die FDP steht fest: Dieses Gesetz ist ein Schritt in
die richtige Richtung. Die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger werden entlastet. Sie als Opposition
können dem im Grunde genommen nichts entgegensetzen.
Wir haben Ihre Änderungsanträge beraten. Im Grunde
genommen ist es doch wenig, was Sie an diesem Gesetzentwurf verändern wollen. Da sich Ihre Änderungsvorschläge nur auf 1 Prozent dieses Gesetzentwurfes beziehen, können die restlichen 99 Prozent doch gar nicht so
schlecht sein.
({7})
Lassen Sie uns doch über die im Gesetzentwurf verankerten Maßnahmen ganz sachlich reden, so wie wir im
Finanzausschuss sachlich über Ihre Änderungsanträge
diskutiert haben. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz leiten CDU/CSU und FDP den ersten Paradigmenwechsel ein. Wir fördern wieder Leistungsbereitschaft, und wir beseitigen auch Investitionshemmnisse.
({8})
Man kann doch auch einmal einen Fehler eingestehen. Warum stellen Sie sich nicht hin und geben zu, dass
Sie in der Vergangenheit rezessionsverschärfende Maßnahmen im Steuerrecht eingeführt haben, die jetzt Arbeitsplätze gefährden und die jetzt nicht mehr zu verantworten sind?
({9})
Sie hatten nicht die Kraft, das zu ändern; deswegen haben wir einen Regierungswechsel bekommen. Die neue
Koalition nimmt die Dinge jetzt in Angriff. Das ist doch
eine gute Botschaft für die Bürgerinnen und Bürger, und
darüber können wir gemeinsam froh sein.
({10})
Ich finde, es war offen und fair von Herrn Michelbach,
zu sagen: Ja, die Substanzbesteuerung war ein Irrweg.
Sie, Frau Kressl, wundern sich, weshalb wir diesen Irrweg nicht nur für drei Jahre, sondern dauerhaft nicht
mehr beschreiten. Wenn man auf einem Irrweg ist, dann
hat es keinen Sinn, nur kurz stehen zu bleiben. Dann
muss man umdrehen und in die richtige Richtung gehen.
Die Kraft dazu hat die neue Koalition, und diesen Weg
beschreiten wir mit diesem Gesetz.
Herr Kollege Wissing, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Haßelmann?
Ja, gerne. Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank auch Ihnen, Herr Kollege Wissing, dass Sie eine Zwischenfrage
gestatten. Sie haben gerade über Ihren Anspruch, das
Steuerrecht zu vereinfachen und wesentlich transparenter zu machen, gesprochen. Ich fände es gut, wenn Sie
noch Ausführungen zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz
machen würden. Was hat Ihr Vorhaben, gerade für die
Hotellerie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz einzuBritta Haßelmann
führen, mit einem vereinfachten und transparenteren
Steuerrecht zu tun?
({0})
Frau Kollegin, dieser Gesetzentwurf hat einen ganz
klaren Schwerpunkt: mehr Wachstum zu generieren, die
Fehler der Unternehmensteuerreform der vergangenen
Jahre zu beseitigen, die rezessionsverschärfenden Regelungen aufzuheben,
({0})
Familien zu entlasten, das Familienbild im Erbschaftsteuerrecht wieder geradezurücken.
({1})
- Ja, das weiß ich. Ich gehe auf die Frage jetzt noch weiter ein, Herr Kollege.
Sie haben nach dem Zusammenhang von ermäßigten
Mehrwertsteuersätzen und strukturellen Verbesserungen
gefragt. Ich verweise Sie hier auf den Koalitionsvertrag.
({2})
Darin hat diese Koalition festgestellt: Das kann so nicht
bleiben; wir werden uns damit in dieser Legislaturperiode auseinandersetzen.
({3})
Von Herrn Kollegen Thiele haben Sie bereits gehört,
dass es im Bereich der Hotellerie Wettbewerbsnachteile
gibt. Wenn ich mich richtig erinnere, war es ein sozialdemokratischer Finanzminister - er heißt Peer Steinbrück -,
der auf europäischer Ebene die Weichen dafür gestellt
hat, dass es zu diesen Wettbewerbsnachteilen gekommen
ist. Das war der Ausgangspunkt dafür, dass die Hotellerie in Deutschland gesagt hat: Wir können doch nicht
hinnehmen, dass der Mehrwertsteuersatz auf französischer Seite mit der Zustimmung des deutschen Finanzministers abgesenkt wird, während auf deutscher Seite
ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig ist.
({4})
Deswegen hat die Koalition zugesagt, die Beseitigung
der Fehler der Vergangenheit und der damit verbundenen
Wettbewerbsnachteile, die auf Peer Steinbrück zurückgehen, in Angriff zu nehmen.
({5})
Auch dazu finden Sie etwas in diesem Gesetzentwurf.
({6})
Ich will Ihnen noch etwas sagen, Frau Kollegin. Herr
Kollege Kuhn hat ja vorhin gefragt, wo die große Steuerreform ist.
({7})
Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an die Bundestagswahl
erinnern können; sie liegt noch gar nicht so lange zurück. Ich erinnere mich daran, dass einige gefragt haben:
Warum werden so schnell die ersten Gesetzentwürfe verabschiedet? Das musste sein, weil die Zeit drängt. Wir
sind in einer schwierigen Situation. Wir wissen, dass die
Erwartungen der Menschen draußen an diese Koalition
groß sind. Wir werden diese Erwartungen, insbesondere
in Bezug auf das Steuerrecht, sehr ernst nehmen und
werden sie erfüllen.
({8})
Sie haben aber offensichtlich die Vorstellung, dass wir
hier innerhalb weniger Tage eine Steuerreform auf den
Tisch legen. Nein, das, was jetzt vorliegt, sind Sofortmaßnahmen. Die Steuerreform kommt noch; da können
Sie ganz sicher sein.
Ich will auf Frau Kollegin Kressl zurückkommen, die
sagte: Sie nehmen den Kommunen stabilisierende Elemente weg.
({9})
- Nein, hören Sie mir mal zu, Frau Kollegin Kressl. Was wir wegnehmen, ist die Substanzbesteuerung von
Unternehmen in der Krise. Es stabilisiert Kommunen
nicht, wenn mittelständische Betriebe reihenweise in Insolvenz geraten und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren.
({10})
Deswegen ist das, was mir machen, auch eine Stabilisierung der Kommunen.
({11})
Nach elf Jahren mit sozialdemokratischen Finanzministern leitet Wolfgang Schäuble mit diesem Gesetz
einen längst überfälligen finanzpolitischen Paradigmenwechsel ein.
({12})
Deutschland hat schon viel zu lange unter Finanzministern gelitten, denen die Kraft zum Sparen und gleichzeitig der Mut für Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger gefehlt hat.
({13})
Herr Minister Schäuble, die Herausforderungen, die
vor Ihnen liegen, sind gewaltig, aber auch die Chancen
sind enorm, weil sich diese Koalition auf ein grundsolides finanzpolitisches Programm verständigt hat.
Herr Kollege Wissing!
Der Koalitionsvertrag gibt Ihnen den Auftrag, Steuersenkungsminister in der Geschichte dieses Landes zu
werden.
({0})
Gemeinsam können wir den Paradigmenwechsel einleiten. Sie haben hier die Freien Demokraten fest an Ihrer
Seite.
Herzlichen Dank.
({1})
Der Kollege Dieter Jasper erhält nun für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema meiner heutigen ersten Rede hier im Deutschen Bundestag
lautet: Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Das ist ein gutes Thema, ein dankbares Thema; denn ich bin überzeugt, dass dieses Gesetz einen bedeutsamen Beitrag
dazu leisten wird, die Folgen der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden.
({0})
Das Gesetz besteht aus einem Paket unterschiedlichster Maßnahmen. Der Fokus der Öffentlichkeit und auch
der Oppositionsparteien liegt auf der Absenkung des
Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungsleistungen.
({1})
Doch es ist sinnvoll und notwendig, auch die anderen
Einzelmaßnahmen zu betrachten und zu analysieren.
({2})
Ich will anhand von drei Beispielen zeigen, dass dieses
Gesetz sehr wohl Wachstumshemmnisse beseitigen und
durch krisenentschärfende Maßnahmen den Weg aus
dieser Krise ebnen wird.
({3})
- Das denke ich mir.
Erstens. Der Kinderfreibetrag soll ab 1. Januar 2010
von 6 024 Euro auf 7 008 Euro erhöht werden. Damit
auch Familien mit mittlerem und unterem Einkommen in
den Genuss dieser vorgesehenen Entlastung kommen,
steigt gleichzeitig das Kindergeld für jedes Kind um
20 Euro. Die Opposition beklagt diese Maßnahmen als
unsozial und als Klientelpolitik. Wenn aber die steuerliche Entlastung bei den Beziehern mittlerer und oberer
Einkommen höher ist als bei den Beziehern unterer Einkommen, dann ist das ein Resultat des linear-progressiven Steuertarifs.
({4})
Da hier auch die Abgabenlast überproportional steigt,
schlägt konsequenterweise auch eine Entlastung deutlich
stärker durch. Das ist in der Systematik der Steuergesetzgebung durchaus gewollt. Dennoch sei der Hinweis erlaubt, dass von den 4,6 Milliarden Euro geplanten Steuermitteln 4,2 Milliarden Euro und somit fast 90 Prozent
für die Erhöhung des Kindergeldes vorgesehen sind. Somit kann von einer sozialen Schieflage nicht die Rede
sein.
({5})
Wenn diese Maßnahmen dennoch als Klientelpolitik bezeichnet werden, dann kann ich nur sagen, dass ich Familien und Familien mit Kindern gern als meine Klientel
habe.
({6})
Beide Maßnahmen sind Ausdruck einer besonderen
Wertschätzung der Gesellschaft im Allgemeinen und der
Familie im Besonderen. Die Aufwendungen der Familien für Betreuung, Erziehung und Ausbildung der Kinder finden hier besondere Berücksichtigung. Gerade in
diesem Bereich halten wir es für richtig und wichtig, ein
klares Ziel und ein klares Signal für Familien und Kinder
zu setzen.
({7})
Zweiter Punkt. Gezielte Korrekturen im Unternehmensteuerrecht machen Unternehmen krisenfester.
Hier sind insbesondere die Abmilderung der ZinsDieter Jasper
schranke zu nennen und die Möglichkeit zur Sofortabschreibung von Wirtschaftsgütern mit einem Wert von
bis zu 410 Euro.
Die sogenannte Zinsschranke sollte verhindern, dass
Konzerne in Deutschland gemachte Gewinne ins Ausland verlagern. Demnach sind Zinsaufwendungen nur
noch dann steuerlich absetzbar, wenn diese die Summe
der Zinserträge nicht überschreiten. Die Zinsschranke
gilt nicht, wenn der negative Saldo aus Zinsaufwendungen und Zinserträgen eine Freigrenze von 1 Million
Euro nicht übersteigt. Diese Grenze wird jetzt dauerhaft
auf 3 Millionen Euro erhöht. Hierdurch wird sichergestellt, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht durch
die Zinsschranke belastet werden. Es sind in erster Linie
die großen Konzerne, die von dieser Regelung betroffen
sind.
Besonders erwähnenswert ist die im Gesetzentwurf
vorgesehene Einführung einer Regelung zur Sofortabschreibung von Wirtschaftsgütern in Höhe von bis zu
410 Euro. Das ist ein pragmatischer Ansatz, der den Unternehmen mehr Flexibilität und mehr Gestaltungsmöglichkeiten gibt.
({8})
Grundsätzlich ist dieser eingeschlagene Weg zu begrüßen.
Der dritte Punkt - dies ist für mich ein sehr wichtiger
Punkt -: Es werden gezielte Korrekturen im Erbschaftsteuerrecht vorgenommen. Die Steuersätze für erbende
Geschwister und Geschwisterkinder, die bislang je nach
Höhe der Erbschaft bis zu 50 Prozent betragen haben,
werden deutlich reduziert. Es sollen nunmehr Steuersätze von 15 bis 43 Prozent zur Anwendung kommen.
Somit werden die Rahmenbedingungen für eine geplante
Unternehmensnachfolge deutlich verbessert. Es wird
richtigerweise der Tatsache Rechnung getragen, dass
insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen
ohnehin genug Probleme haben, qualifizierte Nachfolgeregelungen zu finden. Vornehmliche Aufgabe des Staates sollte es sein, diesen Prozess nicht zu behindern, sondern Planungssicherheit und Mittelstandsfreundlichkeit
in den Vordergrund zu stellen.
({9})
Diese grundlegende Auffassung zeigt sich auch darin,
dass Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten nicht mehr der
Lohnsummenregelung im Rahmen der Erbschaftsteuer
unterliegen. Auch der sogenannte Behaltenszeitraum, in
dem ein Betrieb weitergeführt werden muss, um von der
Erbschaftsteuer befreit zu werden, wird von sieben auf
fünf Jahre herabgesetzt. Der hin und wieder geäußerte
Einwand, dass Unternehmensnachfolgen nur auf Basis
der aktuellen wirtschaftlichen Kennzahlen erfolgen, ist
schlichtweg falsch. Richtig ist, dass Perspektiven eine
entscheidende Rolle spielen. Es ist zu hinterfragen, welche steuerlichen Risiken neben dem ohnehin vorhandenen unternehmerischen Risiko bestehen. Deshalb gilt es,
Bemessungsgrenzen nicht zu eng zu setzen und Fristsetzungen überschaubar zu halten. Das gelingt an dieser
Stelle.
Fazit: Die angesprochenen Maßnahmen zeigen, dass
das Wachstumsbeschleunigungsgesetz durchaus geeignet ist, Rahmenbedingungen für einen raschen und nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung zu schaffen. Wir beweisen Handlungsfähigkeit und zeigen, dass wir auch in der
Krise schnell und konsequent handeln können. Wir setzen ein wichtiges Signal an Familien und Unternehmen,
dass steuerliche und wirtschaftliche Problemfelder erkannt und kurzfristig abgearbeitet werden. Es werden
Impulse für Investitionen gesetzt. Die Bürgerinnen und
Bürger und ihre Familien werden entlastet. Unternehmen
erhalten Unterstützung und Planungssicherheit.
Auch wenn es sicherlich einzelne Punkte im Gesetz
gibt, über die man diskutieren kann, so muss doch das
Gesamtpaket gesehen werden. Dieses Gesamtpaket hat
beste Chancen, den Menschen und der Wirtschaft aus
der Krise zu helfen.
Herzlichen Dank.
({10})
Herr Kollege Jasper, im Namen des ganzen Hauses
gratuliere ich Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen
Bundestag, verbunden mit allen guten Wünschen für die
weitere Arbeit.
({0})
Nun erhält der Kollege Hubertus Heil für die SPDFraktion das Wort.
({1})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Deutschland kommt besser durch die Wirtschaftskrise als andere Länder in Europa. Das stellt man fest,
wenn man die Arbeitsplatzentwicklung bei uns beispielsweise mit der Situation in Spanien vergleicht. Das
ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat etwas mit
der aktiven Wirtschafts- und Konjunkturpolitik der Großen Koalition zu tun. Das erste Konjunkturpaket, das
zweite Konjunkturpaket, das kommunale Investitionsprogramm, die Regeln zur Kurzarbeit - all das trägt dazu
bei, dass Deutschland bisher besser durch diese Wirtschaftskrise kommt. Auf diese Politik der Großen Koalition, die die sozialdemokratische Handschrift beschreibt,
sind wir nach wie vor stolz.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
sehr geehrter Herr Schäuble, was wäre denn in der jetzigen Phase, wo wir doch wissen, dass im kommenden
Jahr das dicke Ende auf dem Arbeitsmarkt noch auf uns
zukommt, notwendig, um die Wirtschaft zu stabilisieren
und Wachstumsimpulse zu setzen? Notwendig wäre eine
Politik, die wirklich das einlöst, was in Ihrem Koalitionsvertrag vollmundig angekündigt wird, nämlich da748
Hubertus Heil ({1})
für zu sorgen, dass Deutschland gestärkt aus dieser Krise
kommt.
Schauen wir uns das Wachstumsbeschleunigungsgesetz einmal genauer an. Es ist schon oft darauf hingewiesen worden - das hat auch mein Fraktionsvorsitzender
gesagt -, dass es eine Orwell’sche Sprachumkehrung in
Anlehnung an sein Werk 1984 ist. Im Titel dieses Gesetzes wird nämlich genau das Gegenteil von dem ausgedrückt, was die Folgen dieses Gesetzes sind. Wir haben
zwei andere Begriffe dafür: Dieses Gesetz ist ein Klientelinteressenbedienungsgesetz und vor allen Dingen ein
Investitionsverhinderungsgesetz. Wir können Ihnen das
nachweisen.
({2})
In diesem Gesetz gibt es nicht eine einzige Maßnahme, die mithilft, private und öffentliche Investitionen auszulösen. Aber in diesem Gesetz gibt es eine Fülle
von Maßnahmen, die dazu führen werden, dass öffentliche Investitionen zusammenbrechen. Wir, CDU/CSU
und SPD gemeinsam, haben ein kommunales Konjunkturprogramm gemacht. Wir haben viel Geld in die Hand
genommen, um die öffentliche Infrastruktur zu verbessern, die Sanierung öffentlicher Gebäude voranzubringen, den Bau von Ganztagsschulen voranzubringen und
den Krippenausbau zu befördern. Nachdem die damalige
Koalition das alles beschlossen hatte, reichen sich einige
Monate später CDU/CSU und FDP die Hand, um den
Kommunen die Investitionskraft für die Zukunft wegzuschlagen. Das ist kommunalfeindlich und wirtschaftlich
schädlich.
({3})
Heute Morgen habe ich ein Interview mit Herrn
Koppelin gehört, der sinngemäß sagte, dass er im Bundestag zustimmen werde, dass er als Landesvorsitzender
der FDP in Schleswig-Holstein aber Verständnis dafür
habe, dass Schleswig-Holstein erst einmal dagegen ist,
weil der Bund dem Land ja das Geld wegnehme. Recht
hat er in diesem Punkt. Aber die Konsequenz ist ein
Basarhandel: bei KdU oder - das ist noch schlimmer beim Erfordernis der Zusätzlichkeit der Investitionen im
Rahmen des Konjunkturprogrammes. Das ist nicht nur
grotesk, sondern nimmt vor allen Dingen den Konjunkturmaßnahmen die wirtschaftliche Kraft. Wenn Sie den
Kommunen als Ausgleich erlauben wollen, dass sie geplante Investitionen aus dem Konjunkturprogramm
finanzieren können, dann nehmen Sie unseren Konjunkturmaßnahmen die zusätzliche Wirkung. Auch das beschädigt das Wachstum in Deutschland.
({4})
Herr Kollege Wissing, was Sie zum Thema - wie sagen Sie doch so schön? - Beherbergungsgewerbe - ich
sage: Hotels - aufführen, ist auch vielen in der Koalition
recht peinlich. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man
mit einzelnen Kollegen redet und wenn man sich Äußerungen von Herrn Kolbe von der CDU/CSU-Fraktion
anhört, der nach der Sachverständigenanhörung gesagt
hat: Eigentlich können wir das nur noch wegnehmen. Recht hat dieser Mann. Da Sie in der Vergangenheit von
Holzweg und Irrweg sowie von Umkehr gesprochen haben, frage ich Sie, ob Sie sich jetzt, da Sie sich so verrannt haben, nicht an die eigene Nase fassen und diesen
Beurteilungsmaßstab auch an Ihre Politik anlegen sollten.
Herr Minister Schäuble, neben Ihnen sitzt der Erfinder dieses Unsinns, nämlich Herr Burgbacher.
({5})
Sie hatten tatsächlich eine Diskussion darüber, ob es vernünftig ist, auch für den Bereich der Gastronomie eine
entsprechende Regelung zu treffen. Man kann grundsätzlich darüber streiten, ob es eine gute Idee ist, einzelne Branchen mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu unterstützen. Herr Wissing, wenn Sie in dieser
Angelegenheit Kritik an Frankreich richten, dann sollten
Sie sich an Frau Merkel wenden. Sie hat das nämlich damals mit Herrn Sarkozy besprochen, wenn Sie sich recht
entsinnen.
({6})
Aber geschenkt! Das ist jetzt Ihre Partnerin.
Man kann über den Bereich der Gastronomie und
über die Verhältnisse in grenznahen Bereichen durchaus
diskutieren. Aber ausgerechnet bei den Hotels zu dieser
Regelung zu kommen, ist nicht zu verstehen. Wenn der
Normenkontrollrat, auf den Sie sonst immer so viel Wert
gelegt haben, Ihnen bescheinigt, was für ein Blödsinn
das ist und dass damit nicht nur 1 Milliarde Euro, sondern 1,3 Milliarden Euro an Steuerausfällen produziert
werden, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das ist ein Bürokratieaufbaugesetz, das ist ein Klientelinteressenbedienungsgesetz. Das nutzt den Menschen nicht. Sie
fördern damit auch keine Familien, indem Sie sie auffordern, in Hotels zu übernachten; denn die Preise werden
in diesem Bereich nicht sinken. Das ist blanker Unsinn
und Schwachsinn. Der Appell ist: Hören Sie damit auf!
({7})
Herr Wissing, mit welcher Begründung werden Sie
eine ähnliche Regelung anderen Gruppen zukünftig vorenthalten können, zum Beispiel der Gastronomie?
Am Ende des Tages wird dadurch das ausgelöst, was
wir nicht brauchen: Bund, Länder und Kommunen verlieren die Fähigkeit, in die Zukunft, vor allen Dingen in
die Bildung, zu investieren. Das ist ein Verbrechen an
der Zukunftsfähigkeit dieses Landes. Wenn man der öffentlichen Hand die Möglichkeiten nimmt, in Bildung
und Integration zu investieren, dann ist das nicht nur sozial ungerecht, sondern es wird auch wirtschaftlich zu einem Problem für dieses Land. Sie haben die Zeichen der
Zeit nicht erkannt. Nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das macht der Fehlstart dieser Koalition deutlich. Der Gesetzentwurf, den Sie hier vorlegen, ist die
Krönung dieses Fehlstarts.
Herr Kollege.
Sie werden auf diese Art und Weise scheitern. Die
Menschen spüren das.
Herzlichen Dank.
({0})
Der Kollege Leo Dautzenberg von der CDU/CSUFraktion ist der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz legen wir in der Umsetzung unseres
Koalitionsvertrages eine erste Maßnahme vor, um wichtige Impulse für die Generierung von Wachstum zu geben. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Wir können nur aus der Krise kommen, wenn wir weiterhin
Wachstum generieren und wenn über dieses Wachstum
die Haushaltskonsolidierung betrieben werden kann.
({0})
Von daher ist es kein Widerspruch, sowohl Haushaltskonsolidierung zu betreiben, als auch die gesetzlichen Grundlagen für die Entlastung von Bürgern und
Unternehmen zu schaffen. Wenn man die Volumina betrachtet, die in den einzelnen Bereichen Eingang finden
werden, dann stellt man fest, dass diese beiden Anliegen
in dem vorliegenden Gesetzentwurf in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und für soziales
Gleichgewicht sorgen. Deshalb kann nicht davon die
Rede sein, dass dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit
nicht Rechnung getragen wird.
({1})
Wenn Sie das, was gerade den Familien gegeben
wird, als Klientelpolitik bezeichnen,
({2})
dann stelle ich fest, dass wir gerne diese Klientelpolitik
machen.
({3})
Anscheinend interessiert es Sie nicht, dass diese Klientel
die Mehrheit unserer Bevölkerung ausmacht. Das sagt
wiederum etwas darüber aus, wie Sie bestimmte Dinge
differenzieren.
({4})
Lassen Sie uns noch einmal die einzelnen Elemente
durchgehen. Sie behaupten, dass wir 1,8 Millionen Kinder nicht berücksichtigen. Ihnen dürfte doch bekannt
sein, dass das Einkommen nach Hartz IV, also SGB II,
ein Ersatzeinkommen ist und damit ein Mindesteinkommen darstellt. Bei diesem Mindesteinkommen macht die
Kinderkomponente bei Familien einen prozentualen Anteil am Haushaltsvorstand aus.
Die Zahlen im Einzelnen: Kinder bis 13 Jahre erhalten 60 Prozent dieser Bezugsgröße, nämlich 211 Euro,
Kinder bis zu 5 Jahren 215 Euro, Kinder von 6 bis
13 Jahren 251 Euro und Kinder von 14 bis 17 Jahren
287 Euro. Der gesamte Bereich der Kinderkomponente
ist in diesem Ersatzeinkommen bereits enthalten. Und
das netto! Andere, im unteren Lohnbereich, müssten erst
einmal ein entsprechendes Bruttoeinkommen haben, um
ein solches Einkommen erreichen zu können.
({5})
Wenn wir das Abstandsgebot nicht einhalten, dann wird
es sich ein Betreffender, dessen Einkommen im unteren
Bereich liegt, überlegen, ob es sich noch lohnt, arbeiten
zu gehen.
Frau Kollegin Kressl, es wurde mehrfach angesprochen: Zu den Änderungen, die wir jetzt beim Kindergeld
einleiten, sind wir verfassungsrechtlich nicht verpflichtet,
({6})
sondern wir gehen sogar über die Vorgaben hinaus. Es ist
unser politischer Wille, darüber hinauszugehen und nicht
immer durchs Verfassungsgericht getrieben zu werden,
({7})
wenn wir der Entwicklung, was das Existenzminimum
anbelangt, hinterherhinken. Wir tun genau das, was wir
als politische Zielvorstellung haben.
({8})
- Ich möchte meine Darlegungen weiterhin im Gesamtzusammenhang machen. Frau Kollegin Kressl, was Sie
fragen werden, wird wahrscheinlich nicht zur Sachverhaltsaufklärung beitragen. Ich möchte im Zusammenhang weiterreden, Herr Präsident.
({9})
Schauen wir uns die Gewichtung an - von mehreren
Rednern ist darauf hingewiesen worden -: Dieses Paket
sieht eine Entlastung mit einem Volumen von
8,5 Milliarden Euro vor. Schon in der alten Koalition haben wir das Bürgerentlastungsgesetz umgesetzt, das mit
Wirkung zum 1. Januar 2010 Entlastungen mit einem
Volumen von rund 12 Milliarden Euro vorsieht. Liebe
Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es kann doch
nicht sein, dass Sie auf der einen Seite diese Entlastungen, die auch angepasste Freibeträge beinhalten, gemeinsam mit uns auf den Weg gebracht haben, Sie aber
auf der anderen Seite die Entlastungen, die wir in einer
anderen Konstellation verabschieden, nicht für richtig
halten. Mir muss einmal jemand klarmachen, was daran
falsch ist, wenn gerade die Familien gezielt entlastet
werden sollen.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, wie beispielsweise ein Kinderfreibetrag wirkt: Bei einem progressiven Tarif muss er für die höchste Einkommensstufe entsprechend entlastend wirken. Sie müssen sich
für eines entscheiden: Wenn Sie für den linear-progressiven Tarif sind, dann müssen Sie die Wirkung dieser
Maßnahme akzeptieren.
({10})
Sonst müssten Sie konsequenterweise keinen Kinderfreibetrag, sondern einen Kindergrundfreibetrag fordern.
({11})
Einen solchen Antrag von Ihnen habe ich aber bisher
nicht gesehen. Wenn Sie konsequentes Handeln fordern,
dann müssen Sie einen Antrag einbringen, der eine Änderung der Systematik vorsieht.
({12})
Das zu den Themen Familie und Kinderfreibetrag.
Bei den anderen Elementen handelt es sich um Maßnahmen, um krisenverschärfende Wirkungen der Unternehmensteuerreform abzumildern und zu beseitigen.
({13})
Herr Kollege Binding, das, was Sie ausgeführt haben,
ist nicht zutreffend: Wir beseitigen nicht die Zinsschranke, sondern beseitigen bei der Zinsschranke die
Elemente, die krisenverschärfend sind. Dies konnten wir
leider damals nicht gemeinsam mit Ihnen umsetzen.
({14})
Die schon damals gewonnenen Erkenntnisse, die der fiskalischen Zielsetzung zum Opfer fielen, setzen wir im
Grunde jetzt in die Tat um. Schon damals war bei uns die
Erkenntnis vorhanden, dass die Regelung zum Teil
falsch war. Das korrigieren wir jetzt zusammen mit dem
Koalitionspartner, mit dem wir die Mehrheit für eine Änderung erhalten.
({15})
Die Zinsschranke wirkt nach wie vor: Grundsätzlich
gilt noch immer eine Grenze von nur 30 Prozent des
EBITDA. Das entspricht im Grunde dem Aufwand. Da
können Sie doch nicht sagen, die Zinsschranke insgesamt sei gefallen. Wir haben nämlich nur einzelne Elemente beseitigt.
Genauso haben wir krisenverschärfende Wirkungen
bei den sogenannten Verlustübernahmen beseitigt und
damit wiederum Möglichkeiten der betrieblichen Gestaltung geschaffen, die Wachstum generieren.
Bei den Änderungen im Bereich der Erbschaft- und
Schenkungsteuer wird immer gefragt: Welcher Wachstumsimpuls geht von den Maßnahmen zugunsten von
Geschwistern und Geschwisterkindern aus? Da haben
wir nie behauptet, dass es einen Wachstumsimpuls gibt.
Vielmehr wollten wir hier die Ungerechtigkeit beseitigen
- wir konnten das mit Ihnen von der SPD nicht durchsetzen -, dass Geschwister gegenüber anderen nahen Verwandten benachteiligt werden.
({16})
Die Änderung steht in einer Relation, die für das Gesamte zuträglich ist.
({17})
Ich bitte Sie, einige Begrifflichkeiten auf uns wirken
zu lassen, damit einmal deutlich wird, wo sich unsere
Grundauffassungen und unser Bild von der Gesellschaft
unterscheiden.
({18})
Sie reden von „Steuergeschenken“. Das sind aber keine
Steuergeschenke. Mit den Steuern nimmt der Staat den
Bürgern etwas von dem, was sie mit der geleisteten Arbeit verdient haben. Wenn man den einzelnen Bürgern
und den Unternehmen gerade in der Krisenphase mehr
verfügbares Einkommen überlässt, mit dem sie das
Wachstum gestalten können, dann gibt man ihnen Geld
zurück. Wir verwalten das Geld nur für die Bürger; dies
ist kein totaler Anspruch des Staates.
({19})
An dem, was Sie immer wieder behaupten, wird deutlich, dass Sie ein anderes Verständnis von Gesellschaftspolitik haben.
({20})
Wenn ich zusammenfassen darf: Mit diesem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen unternehmen wir einen
gewaltigen Schritt in Richtung Krisenbekämpfung, in
Richtung Wachstumsgenerierung.
({21})
Herr Kollege Gysi, ich kann Sie beruhigen: Wir werden - das hat der Minister ja schon angekündigt - 2011
weitere Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung des unteren und mittleren Einkommensbereichs, den Sie angesprochen haben, auf den Weg bringen. Das ist das Dringendste, was wir machen müssen. Es wird interessant
sein, zu sehen, welche Einlassungen Sie zu diesem Gesetzentwurf machen werden.
Heute bringen wir dieses Gesetz auf den Weg. Ich
bitte um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank.
({22})
Ich schließe die Aussprache.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen zwei
Wünsche nach Kurzinterventionen vor, die ich mit Blick
auf die vereinbarte, vom Plenum bestätigte und inzwischen deutlich überschrittene Redezeit nicht zulassen
will.
({0})
Wir kommen damit zur Abstimmung über den von
den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums.
({1})
- Wenn es Beschwerden gibt, Frau Kollegin, empfehle
ich, sie direkt bei mir zu platzieren.
({2})
- Bitte? Das schaue ich mir im Protokoll noch einmal an.
Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/138, den
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der
FDP auf Drucksache 17/15 in der Ausschussfassung an-
zunehmen.
Hierzu liegen sechs Änderungsanträge vor, über die
wir zuerst abstimmen. Darf ich vielleicht die Kollegin-
nen und Kollegen, die irrtümlich glauben, es sei kein
Platz mehr vorhanden, bitten, einen der hinreichend vor-
handenen Sitzplätze einzunehmen?
Wir beginnen mit den beiden Änderungsanträgen, zu
denen keine namentliche Abstimmung verlangt ist. Zu-
nächst stimmen wir über den Änderungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf der Drucksache 17/154 ab. Wer
stimmt dagegen? - Wer stimmt für diesen Änderungsan-
trag? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist dieser
Änderungsantrag abgelehnt.
Wir kommen nun zum Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 17/149. Wer
will diesem Änderungsantrag zustimmen? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Änderungs-
antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nun zu den vier Änderungsanträgen, zu
denen namentliche Abstimmung verlangt ist. Ich bitte
Sie, darauf zu achten, dass die Stimmkarten, die Sie ver-
wenden, Ihren Namen tragen.
Wir kommen zur ersten namentlichen Abstimmung
über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf
Drucksache 17/148. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Die Abstimmung ist eröffnet.
Gibt es noch jemanden, der zur ersten namentlichen
Abstimmung seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? -
Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann schließe ich die
erste Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir ge-
ben das Ergebnis dieser Abstimmung später bekannt.1)
Wir werden jetzt ohne Unterbrechung der Sitzung
über die weiteren Änderungsanträge abstimmen und da-
nach die Sitzung bis zum Vorliegen der Ergebnisse der
namentlichen Abstimmungen unterbrechen.
Wir kommen jetzt zur zweiten namentlichen Abstim-
mung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
auf der Drucksache 17/155. Auch hier bitte ich die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze an den
Abstimmungsurnen einzunehmen. Ich eröffne die Ab-
stimmung.
Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme
abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.2)
Wir kommen nun zum Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/158 und da-
mit zur dritten namentlichen Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Haben die Schrift-
führerinnen und Schriftführer an allen Abstimmungsur-
nen ihre Plätze eingenommen? - Das ist offensichtlich
der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Haben alle Abgeordneten ihre Stimme zur dritten na-
mentlichen Abstimmung abgegeben? - Nein, dort rechts
noch nicht.
Ich frage noch einmal: Darf ich die Abstimmung
schließen? - Das ist offensichtlich der Fall. Damit ist
diese Abstimmung geschlossen. Ich bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Auch das Ergebnis dieser Abstimmung wird später
bekannt gegeben.3)
Schließlich kommen wir zu dem Änderungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/159;
das ist die vierte namentliche Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, wiederum die vor-
gesehenen Plätze einzunehmen.
Haben alle Schriftführerinnen und Schriftführer ihre
Plätze neben den Urnen eingenommen? - Das ist offen-
1) Ergebnis Seite 752 C
2) Ergebnis Seite 754 B
3) Ergebnis Seite 757 A
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
sichtlich der Fall. Dann eröffne ich die namentliche Ab-
stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme
abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall.
Das war die vierte namentliche Abstimmung. Ich
schließe diese Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1)
Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen
Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung.
({0})
1) Ergebnis Seite 759 A
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich bitte Sie sehr herzlich, sich zur Bekanntgabe der
Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen und für die
folgende einfache Abstimmung über den Gesetzentwurf
in der zweiten Beratung zu Ihren Plätzen zu begeben.
Wir kommen zunächst zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten
Entwurf eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes: abgegebene Stimmen 571. Mit Ja haben gestimmt 186, mit
Nein haben gestimmt 385. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 571;
davon
ja: 186
nein: 385
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({0})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({1})
Michael Groß
Michael Groschek
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({2})
Hubertus Heil ({3})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({4})
Frank Hofmann ({5})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({6})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({7})
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({8})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({9})
Michael Roth ({10})
Marlene Rupprecht
({11})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({12})
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
({13})
Werner Schieder ({14})
Ulla Schmidt ({15})
Carsten Schneider ({16})
Olaf Scholz
Swen Schulz ({17})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({18})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({19})
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({20})
Manfred Behrens ({21})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({22})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({23})
Dirk Fischer ({24})
Axel E. Fischer ({25})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({26})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Andreas Jung ({27})
Dr. Franz Josef Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({28})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({29})
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({30})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({31})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Stefan Müller ({32})
Nadine Müller ({33})
Dr. Gerd Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({34})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({35})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({36})
Anita Schäfer ({37})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({38})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Armin Schuster ({39})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Vogel ({40})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({41})
Peter Weiß ({42})
Sabine Weiss ({43})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({44})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({45})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth ({46})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({47})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({48})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({49})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({50})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({51})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({52})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz ({53})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({54})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({55})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({56})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Höll, Golze, Troost,
Koch, Pitterle und der Fraktion Die Linke zur zweiten
Beratung über den von den Fraktionen der CDU/CSU
und der FDP eingebrachten Entwurf eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes: abgegebene Stimmen 565. Mit
Ja haben gestimmt 124, mit Nein haben gestimmt 441,
Enthaltungen keine. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 565;
davon
ja: 124
nein: 441
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({57})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({58})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz ({59})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({60})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({61})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Elisabeth Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({62})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({63})
Manfred Behrens ({64})
Veronika Bellmann
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({65})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({66})
Dirk Fischer ({67})
Axel E. Fischer ({68})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({69})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Andreas Jung ({70})
Dr. Franz Josef Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({71})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({72})
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({73})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({74})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Stefan Müller ({75})
Nadine Müller ({76})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({77})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({78})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({79})
Anita Schäfer ({80})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({81})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Uwe Schummer
Armin Schuster ({82})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Vogel ({83})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({84})
Peter Weiß ({85})
Sabine Weiss ({86})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({87})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({88})
Michael Groß
Michael Groschek
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({89})
Hubertus Heil ({90})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({91})
Frank Hofmann ({92})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({93})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({94})
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({95})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({96})
Michael Roth ({97})
Marlene Rupprecht
({98})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({99})
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
({100})
Werner Schieder ({101})
Ulla Schmidt ({102})
Carsten Schneider ({103})
Olaf Scholz
Swen Schulz ({104})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({105})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({106})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({107})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth ({108})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Christian Lindner
Michael Link ({109})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Petra Müller ({110})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({111})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({112})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Stefan Ruppert
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({113})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({114})
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur
zweiten Beratung über den Entwurf eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes: abgegebene Stimmen 570. Mit
Ja haben gestimmt 188, mit Nein haben gestimmt 322,
Enthaltungen 60. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 568;
davon
ja: 189
nein: 319
enthalten: 60
Ja
CDU/CSU
Manfred Kolbe
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({115})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Gabriele Fograscher
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({116})
Michael Groß
Michael Groschek
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({117})
Hubertus Heil ({118})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({119})
Frank Hofmann ({120})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({121})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({122})
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({123})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({124})
Michael Roth ({125})
Marlene Rupprecht
({126})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({127})
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Werner Schieder ({128})
Ulla Schmidt ({129})
Carsten Schneider ({130})
Olaf Scholz
Swen Schulz ({131})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({132})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({133})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz ({134})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({135})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({136})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({137})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({138})
Manfred Behrens ({139})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({140})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Helmut Brandt
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({141})
Dirk Fischer ({142})
Axel E. Fischer ({143})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({144})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Andreas Jung ({145})
Dr. Franz Josef Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({146})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({147})
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({148})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({149})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Stefan Müller ({150})
Nadine Müller ({151})
Dr. Gerd Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({152})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({153})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({154})
Anita Schäfer ({155})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({156})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Armin Schuster ({157})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Vogel ({158})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({159})
Peter Weiß ({160})
Sabine Weiss ({161})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Marianne Schieder
({162})
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({163})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({164})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth ({165})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Lars Lindemann
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Christian Lindner
Michael Link ({166})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({167})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({168})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({169})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({170})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({171})
Enthalten
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({172})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur
zweiten Beratung über den Entwurf eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes: abgegebene Stimmen 571, mit Ja
haben gestimmt 123, mit Nein haben gestimmt 448, Enthaltungen keine. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 569;
davon
ja: 122
nein: 447
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({173})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({174})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({175})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({176})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Elisabeth Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({177})
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({178})
Manfred Behrens ({179})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({180})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({181})
Dirk Fischer ({182})
Axel E. Fischer ({183})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({184})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Andreas Jung ({185})
Dr. Franz Josef Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({186})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({187})
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({188})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({189})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Stefan Müller ({190})
Nadine Müller ({191})
Dr. Gerd Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({192})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({193})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({194})
Anita Schäfer ({195})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({196})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Armin Schuster ({197})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Vogel ({198})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({199})
Peter Weiß ({200})
Sabine Weiss ({201})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({202})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({203})
Michael Groß
Michael Groschek
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({204})
Hubertus Heil ({205})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({206})
Frank Hofmann ({207})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({208})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({209})
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({210})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({211})
Michael Roth ({212})
Marlene Rupprecht
({213})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({214})
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
({215})
Werner Schieder ({216})
Ulla Schmidt ({217})
Carsten Schneider ({218})
Olaf Scholz
Swen Schulz ({219})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({220})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({221})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({222})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth ({223})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Lars Lindemann
Christian Lindner
Michael Link ({224})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabi Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({225})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({226})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({227})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({228})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({229})
Ich bitte nun diejenigen, die dem von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Ent-
wurf des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschafts-
wachstums in der Ausschussfassung zustimmen wollen,
um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthal-
tungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera-
tung mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP ange-
nommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Wir stimmen nun über den Ge-
setzentwurf auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU
und der FDP namentlich ab.
Ich weise vorsorglich darauf hin, dass wir im An-
schluss an diese namentliche Abstimmung über eine
weitere Vorlage mittels Handzeichen abstimmen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Haben alle
Schriftführer und Schriftführerinnen ihre Plätze einge-
nommen? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Ab-
stimmung.
Bevor ich die Abstimmung schließe, will ich noch
mitteilen, dass mir eine ganze Reihe von Erklärungen
zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung
vorliegen.1)
Es haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme
abgegeben. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Aus-
zählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.2)
Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen zur
Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel
„Soziale Gerechtigkeit statt Klientelpolitik“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/138, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/16 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der
FDP gegen die Stimmen der Grünen bei Stimmenthaltung der SPD und der Linken angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim
Dağdelen, Nicole Gohlke, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Kreditklemme überwinden - Privatbankensektor in öffentliche Hand überführen
- Drucksache 17/118 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({230})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Michael Schlecht, Fraktion Die Linke, das Wort.
({231})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor
über einem Jahr begann die stümperhafte Bankenret-
tung. Mit dieser Bankenrettung sollte eigentlich die
Realwirtschaft gerettet werden. Heute droht eine Ver-
schärfung der Kreditklemme, die ohnehin schon festzu-
stellen ist, denn im ersten halben Jahr dieses Jahres sind
40 Prozent der Betriebe, die in Insolvenz gegangen sind,
nur deshalb in Insolvenz gegangen, weil die Banken den
Geldhahn zugedreht haben. Vor dem Hintergrund dieses
Desasters fragt man sich schon: Ist das falsche Politik,
1) Anlagen 2 bis 5
2) Ergebnis Seite 763 D
einfach fehlerhaft, oder welche Interessen spielen da hinein? Vor diesem Hintergrund fragt man sich auch: Wer
regiert eigentlich im Kanzleramt, die Finanzwirtschaft
oder die vom Volk gewählten Vertreter?
({0})
Die illustre Geburtstagsparty eines Herrn Ackermann
macht deutlich, dass ganz andere Kräfte mit im Spiel
sind, wenn es um das Regieren in diesem Lande geht.
In der Exportregion Baden-Württemberg, aus der
ich komme, droht die Vernichtung von Tausenden industriellen Arbeitsplätzen, vor allen Dingen durch die zunehmende Kreditklemme. Es droht die Zerstörung der
industriellen Basis. Man kann doch nicht einfach so hinnehmen, dass das Herzstück der industriellen Basis
Deutschlands vernichtet wird.
({1})
Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus einem wichtigen Betrieb in meiner Heimatregion: Die Firma Index, Weltmarktführer auf dem Gebiet der Drehmaschinen, ist ein
altehrwürdiges Hightechunternehmen mit über 2 000 Beschäftigten in Esslingen. Die Eigenkapitalquote dort beträgt satte 60 Prozent. Trotzdem werden von den Banken
die notwendigen Kreditlinien, um dem Betrieb über den
durch die Krise bedingten Auftragseinbruch hinwegzuhelfen, verweigert. Nach wie vor ist offen, wie es mit
diesem Unternehmen weitergeht.
Die Regierung, die Kanzlerin warnen vor einer Kreditklemme, und sie appellieren an die Banken, wieder
mehr und günstigere Kredite zu vergeben. Bilden Sie
sich wirklich ein, dass sich ausgebuffte Bankmanager
davon beeindrucken lassen? Sie lachen sich über dieses
Moralisieren doch nur scheckig.
({2})
Diese Politik des Moralisierens, geradezu des Jammerns,
das ist eigentlich ihre politische Bankrotterklärung.
({3})
Beim Konjunkturgipfel vorgestern Abend kam wieder
nichts Handfestes heraus. Von freiwilliger Selbstverpflichtung war die Rede. Aber man kann nicht darauf
vertrauen, dass die privaten Banken, die seit einem Jahr
die Kreditklemme befördert haben, jetzt freiwillig etwas
tun. Diese Politik ist eine Verhöhnung der Beschäftigten,
die um ihre Arbeitsplätze fürchten. Das ist ungefähr so,
als wenn man halbmafiösen Glücksspielern Geld
schenkt und dann darauf hofft, dass sie einem aus Dankbarkeit die Wohnung renovieren. Was für eine Verrücktheit!
({4})
Die privaten Banken sind längst wieder im Kasino aktiv; man hat Renditeerwartungen von 25 Prozent und
mehr. Die Regierung scheut davor zurück - das ist das
Kardinalproblem -, wirklichen Einfluss auf die Geschäftspolitik der Banken zu nehmen. Genau das wollen
wir ändern. Das zentrale Instrument ist, den privaten
Bankensektor in öffentliches Eigentum zu überführen
und eine strenge Regulierung durchzusetzen.
({5})
Vor wenigen Tagen zitierte das Handelsblatt den
ideellen Gesamtkapitalisten Hans-Olaf Henkel folgendermaßen:
Da der Bund die Banken ständig stützen müsse,
könne man sie ruhig verstaatlichen.
({6})
Ich sage: Wo er recht hat, hat er recht. Nur mit einer
Verstaatlichung kann gewährleistet werden, dass die
Banken wieder Kredite an die Wirtschaft und an die
Konsumenten zu fairen Bedingungen vergeben. Nur so
kann die Macht der Großbanken gebrochen werden, mit
der sie bisher jegliche Regulierung hintertrieben haben.
Es muss damit Schluss sein, dass ein Ackermann mehr
Einfluss als die gewählte Regierung auf die Politik hat.
({7})
Es geht in diesem Zusammenhang auch um die Wiederherstellung der Demokratie in unserem Lande.
Man hört immer wieder, der Staat sei doch nicht der
bessere Unternehmer. Das Beispiel der Sparkassen beweist das Gegenteil: Ohne sie wären schon viele Unternehmen in Konkurs gegangen und wären noch viel mehr
Arbeitsplätze vernichtet worden. Ich kenne einen Maschinenbauer aus Ostwürttemberg, der eine Eigenkapitalquote von über 66 Prozent erzielt. Er konnte die verschärften Kreditbedingungen der Deutschen Bank nicht
mehr stemmen, ging daraufhin zu seiner Kreissparkasse,
bekam dort Hilfe und ist Gott sei Dank über den Berg.
({8})
Es gibt natürlich Versagen. Gerade bei den Landesbanken wurde in Risikopapiere investiert, die niemand
durchblickte. Aber man muss einmal fragen: Wer ist dafür verantwortlich? Gerade in deren Aufsichtsgremien
saßen häufig Politikerinnen und Politiker der Union.
({9})
Das heißt: Nicht die Verstaatlichung, sondern diese Politiker sind für dieses Versagen verantwortlich.
({10})
In deren Pupillen blinkten quasi die Eurozeichen: Warum nicht auch 25 Prozent Rendite? Warum nicht die
Landeshaushalte mit der Zockerei finanzieren? Auch damit muss natürlich Schluss sein. Es muss durchgesetzt
werden, dass öffentliche Unternehmen eine gemeinwohlorientierte Politik betreiben. Das wollen wir. Wir
wollen Regulierung. Wir wollen die Vergesellschaftung
der Banken. Dies wollen wir vor allen Dingen, damit unser Land nicht noch weiter in den Abgrund rutscht. Insofern ist unser Antrag absolut notwendig.
Ich danke Ihnen.
({11})
Herr Kollege Schlecht, das war Ihre erste Rede. Herzliche Gratulation und alles Gute für die weitere Zusammenarbeit in diesem Hause!
({0})
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich Ihnen
das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den
Entwurf eines Gesetzes der Fraktionen der CDU/CSU
und der FDP zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums, kurz: Wachstumsbeschleunigungsgesetz, mitteilen: abgegebene Stimmen 568. Mit Ja haben gestimmt
322, mit Nein haben gestimmt 246, Enthaltungen keine.
Der Gesetzentwurf ist mit der erforderlichen Mehrheit
angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 568;
davon
ja: 322
nein: 246
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({1})
Manfred Behrens ({2})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({3})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({4})
Dirk Fischer ({5})
Axel E. Fischer ({6})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({7})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Andreas Jung ({8})
Dr. Franz Josef Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({9})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({10})
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({11})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({12})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Stefan Müller ({13})
Nadine Müller ({14})
Dr. Gerd Müller
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({15})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({16})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({17})
Anita Schäfer ({18})
Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({19})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Armin Schuster ({20})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Vogel ({21})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({22})
Peter Weiß ({23})
Sabine Weiss ({24})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({25})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({26})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth ({27})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Lars Lindemann
Christian Lindner
Michael Link ({28})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({29})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({30})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({31})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({32})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({33})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Friedrich Ostendorff
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Nein
CDU/CSU
Josef Göppel
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({34})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Gabriele Fograscher
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({35})
Michael Groß
Michael Groschek
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({36})
Hubertus Heil ({37})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({38})
Frank Hofmann ({39})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({40})
Fritz Rudolf Körper
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({41})
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({42})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({43})
Michael Roth ({44})
Marlene Rupprecht
({45})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({46})
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
({47})
Werner Schieder ({48})
Ulla Schmidt ({49})
Carsten Schneider ({50})
Olaf Scholz
Swen Schulz ({51})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({52})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({53})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({54})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz ({55})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({56})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({57})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({58})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
({59})
Herr Kollege Leo Dautzenberg, jetzt haben Sie für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({60})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion Die
Linke malt, wenn man auch die Aussagen des Kollegen
gehört hat, ein Horrorgemälde an die Wand, das der Realität entbehrt. Auf einzelne Punkte werde ich noch zu
sprechen kommen.
Wie man Positionen und Ämter auch bei öffentlichen
Banken wahrnimmt, können Sie ja bei Ihrem Vorsitzenden, Herrn Lafontaine, sehen, der sich bei der KfW permanent der Verantwortung entzogen hat, indem er an
den Sitzungen nie teilgenommen hat. Damit kann man
natürlich auch Fehlentscheidungen verhindern: einfach
nicht teilnehmen. Von daher ist es also nicht damit getan,
hier einfach nur den Bereich der Öffentlichkeit zu erwähnen.
Sehen Sie sich an, wo öffentliche Unternehmen in die
Krise geführt werden, teilweise auch durch unternehmerische Fehlentscheidungen, durch Ertragsgenerierung in
risikoreichen Bereichen; das betrifft ja auch einige unserer Landesbanken, die öffentliche und damit staatliche
Unternehmen sind. Von daher ist es die falsche Antwort,
alles, gerade auch das private Bankgewerbe, in öffentliche Verantwortung zu führen.
Wir können nicht stolz, aber zumindest hoffnungsfroh
in die Zukunft sehen, dass sich unsere Struktur des Bankenwesens national bewährt hat, wenn wir unsere drei
Säulen sehen. Dass es innerhalb der Säulen eine Effizienzsteigerung geben muss, ist uns auch klar, und dass
sich der öffentliche Bereich der Landesbanken weiter
konsolidieren und dann neu strukturieren muss, ist auch
klar. Von daher geht die Pauschalkritik „die Banken“ an
der Wirklichkeit vorbei, wenn wir hier die Thematik der
drohenden oder der bevorstehenden Kreditklemme diskutieren.
({0})
- Nein, nicht vorhandene. - Wenn Sie sehen, wie sich
die Kreditgewährung auch in diesem Jahr gestaltet hat,
so haben wir aufgrund der Untersuchungen der Bundesbank für Oktober festzustellen, dass wir einen Rückgang
hatten. Aber innerhalb der jeweiligen Bankenstruktur
haben sich die Dinge so verschoben, dass gerade die
Genossenschaftsbanken und auch die Sparkassen in
der Fläche jetzt in der Krise mehr Verantwortung übernommen haben und im Grunde mehr Kredite an die
Wirtschaft herausgeben.
Jetzt pauschal zu urteilen, das sei alles negativ, und
das sei nicht erfolgt, geht fehl. Deshalb sollte man das
hier differenziert betrachten und auch denen Rechnung
tragen, die ihrer Aufgabenstellung nachgekommen sind.
Wir von der CDU/CSU-Fraktion postulieren, dass die
Finanzwirtschaft, die Finanzmärkte auch in Zukunft eine
dienende Funktion für unsere Wirtschaft und für unsere
Bürger haben.
Was national gilt, muss auch international gelten.
Deshalb ist es auch kritikwürdig, wenn man sieht, dass
im angelsächsischen Bereich, gerade in den USA, wieder verschiedene Verbriefungsformen gehandhabt werden, sodass man den Eindruck haben muss, die haben
aus dem Chaos, das sie angerichtet haben, nichts gelernt.
Dem gilt es entgegenzuwirken.
({1})
Dafür brauchen wir aber eine Regulierung der
Märkte, eine zusätzliche Regulierung der Märkte, und
auch eine Regulierung von Produkten. Es steht schon in
unserem Koalitionsvertrag
({2})
- hören Sie gut zu, Herr Kuhn -, dass es keine regulierungsfreien Bereiche für Finanzprodukte geben soll. Das
müssen wir über die europäische Ebene international
umsetzen. Sie können dazu beitragen, dass unser Finanzminister Bündnispartner auf europäischer Ebene findet,
um diese Punkte vom europäischen Bereich aus in den
angelsächsischen Bereich einzubringen. Das Zeitfenster
für diese Regulierungsformen ist relativ eng. Es ist vielleicht noch für ein bzw. anderthalb Jahre offen. Ansonsten wird es in Teilbereichen so negativ weitergehen, wie
es bisher der Fall war. Dann wird es leider bei einigen
Absichtserklärungen der G 20 bleiben, und nichts wird
in konkrete Form umgesetzt. Es müsste uns doch alle
umtreiben, das richtig auf den Weg zu bringen.
Wir sind auch der Überzeugung, dass es kritisch gesehen werden muss, wenn jetzt Maßnahmen im Hinblick
auf die Entlastung von Banken über den Deutschlandfonds gewährleistet werden sollen. Wir müssen sehen,
dass damit auch Neugeschäft generiert wird und nicht
nur das Risiko aus dem Altgeschäft übernommen wird;
ich stimme Ihnen darin zu. Wir richten unser Augenmerk
darauf.
Uns war dies auch nicht im Hinblick auf die Situation
in Teilen des Verbriefungsmarktes klar. Wir müssen hin
zu einem Verbriefungsgesetz. Wir haben in Deutschland eine große Expertise und eine hohe Qualität an Verbriefungen: Betrachten wir nur den Bereich des Pfandbriefes. Das müssen wir auf andere Bereiche übertragen.
Kredite an die mittelständische Wirtschaft - das ist
die nächste Form der Verbriefungen - müssen über die
Kreditwirtschaft so gewährleistet werden, dass das Produkt an sich eine solche Qualität hat, dass der Markt Vertrauen darin hat und Kredite nicht wieder mit staatlichen
Garantien aktiviert und auf den Weg gebracht werden
müssen.
({3})
Die Standards müssen so sein, dass der Markt Vertrauen
darin hat.
Das Thema der Kreditklemme kann man nicht pauschal beurteilen. Die Unternehmen, die finanzmarktfähig
sind, müssen sich die Mittel im Grunde auf dem Finanzmarkt besorgen. Sie benötigen keine staatliche Unterstützung dafür, etwas zu garantieren. Wir müssen sehen,
dass im mittelständischen Bereich Verknappungen entstehen können. Hier brauchen wir eine Regulierung, was
die Qualität des Eigenkapitals von Banken betrifft. Wir
müssen Tendenzen, die sich vom angelsächsischen Bereich bis hin zu den Basel-Abkommen ausgebreitet haben, Einhalt gebieten, sodass unsere Definition von
Kernkapital erhalten bleibt, nämlich dass auch Mezzanine-Kapital durch stille Beteiligungen Bestandteil des
Kernkapitals ist. Wenn uns diese Basis für die Banken in
Deutschland wegbricht und die Grundlage für zukünftiges Geschäfts- und damit Kreditpotenzial nicht gegeben
ist, dann brauchen wir uns über das Neugeschäft von
Banken in diesem Bereich nicht zu unterhalten. Wir
müssen also auf verschiedenen Ebenen arbeiten, um die
drohende oder vielleicht demnächst eintretende Kreditklemme zu verhindern.
Diese Bundesregierung hat bereits gehandelt, indem
sie über die KfW weitere Programme gerade für die mittelständische Wirtschaft aufgelegt hat, in denen die Hilfen im Rahmen der Kreditversorgung weiter Platz greifen sollen. Es ist also nicht so, als würde nichts
geschehen.
Mit dem Finanzmarkt-Fortentwicklungsgesetz haben
wir für Neustrukturierungen auch im öffentlichen Sektor
Grundlagen gelegt. Man kann nur appellieren, dass diejenigen Institutionen, die es eigentlich notwendig hätten,
diesen Weg auch beschreiten und das Angebot des Bundes annehmen.
({4})
Es macht ja keinen Sinn, wenn wir für die Landesbanken, die ein Teil der Säule des öffentlichen Banksektors
sind, bisher sehr stark im Mittelstandsgeschäft vertreten
waren, jetzt aber teilweise Probleme haben und aufgrund
der Konsolidierung unter Umständen nicht mehr tätig
werden können, keinen Ersatz schaffen. Sie müssen sich
dann wiederum neu strukturieren, damit sie als öffentliche Institutionen diesen Markt zukünftig abdecken können.
Daher war die Zusammenkunft im Kanzleramt wichtig. Dort sind weitere Impulse gesetzt worden, wie wir
einer möglicherweise drohenden Kreditklemme vorbeugen können. Wir haben angeboten, dass wir auch im Finanzausschuss dieses Thema weiterhin begleiten. Dabei
müssen wir die Zielsetzungen im Auge behalten, was
Regulierung und Aufsicht anbelangt. Auch das kann
diesen Bereich negativ tangieren, wenn es um Eigenkapitalunterlegung für bestimmte Geschäfte geht.
Wir haben hier ein sehr breites Spektrum. Wir sollten
uns nicht nur auf wenige Bereiche konzentrieren und
pauschal einen Vorwurf an die Banken richten, sondern
wir sollten diese Thematik sehr differenziert angehen.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat nun Carsten Schneider für die SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Diese Woche hat eine Debatte im Plenum des Bundestages über die Kreditvergabesituation in Deutschland und
einen Gipfel im Kanzleramt zur Kreditklemme hervorgebracht. Wir haben zu Beginn der neuen Legislaturperiode Gelegenheit, die Maßnahmen, die wir vor einem
Jahr zur Stabilisierung des Finanzmarktes mit großer
Mehrheit im Bundestag beschlossen haben, zu überprüfen.
Die Maßnahmen haben insoweit gewirkt, als sie zu
einer Beruhigung der extrem aufgeladenen und für die
Weltwirtschaft noch viel kritischeren Situation beigetragen haben. Sie haben dahin gehend gewirkt, dass keine
Bank zusammengebrochen ist und dass die Sparerinnen
und Sparer die Banken nicht gestürmt haben, um ihr
Geld abzuheben.
An einem Punkt haben sie aber nicht gewirkt. An dieser Stelle müssen wir unsere Position zu den bisherigen
Maßnahmen, die es, wie gesagt, seit einem Jahr gibt,
überdenken. Es geht um die Eigenkapitalausstattung
der Banken und um das Prinzip der Freiwilligkeit bei
der Annahme der Leistungen im Rahmen des Bankenrettungspakets. Wir wollen es nicht so machen wie die
Linke in ihrem Antrag. Dieser Antrag wird der Thematik
nicht gerecht und greift in der Analyse zu kurz. Es wird
darin quasi eine Zwangsverstaatlichung gefordert. Ein
Staatsbankensektor ist aber für eine soziale Marktwirtschaft unangemessen. Wir wollen vielmehr, dass die vielen öffentlichen Mittel, die wir in Form von Garantien
als Schutzschirm für die Banken bereitgestellt haben,
dazu führen, dass die Banken ihrer Kernaufgabe gerecht
werden, nämlich den deutschen Mittelstand und die privaten Haushalte mit Krediten zu versorgen.
({0})
An dieser Stelle ist die entscheidende Frage, wie viel
Eigenkapital zur Verfügung steht. Eine Bank kann nur so
viel Geld in Form von Krediten verleihen, wie sie als Eigenkapital zur Verfügung hat. Das Eigenkapital schmilzt
aber derzeit wie das Eis in der Sonne. Auf der einen
Seite haben wir den neuesten Bundesbankbericht, der
besagt, dass im nächsten Jahr Wertberichtigungen in
Höhe von 75 Milliarden Euro im normalen Unternehmenskreditgeschäft auf die Banken zukommen werden.
Auf der anderen Seite haben wir eine IWF-Studie, die
besagt, dass erst 50 Prozent der toxischen Wertpapiere,
die sich im Portfolio der Banken befinden, wertberichtigt sind. Die gesamte Eigenkapitalausstattung der deutschen Banken beträgt 300 Milliarden Euro. Davon drohen knapp 120 Milliarden Euro im nächsten Jahr
verloren zu gehen.
Carsten Schneider ({1})
Durch die Rating-Migration gibt es schlechtere Kreditbewertungen von Unternehmen, was dazu führt, dass
es größere Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung für die Vergabe von Krediten geben wird. Zusätzlich wirken die Basel-II-Regelungen, die auch noch verschärft werden. Das heißt: Im Kern sind die deutschen
Banken unterkapitalisiert. Die Frage ist daher: Wie löst
man das Problem?
Ich habe den Eindruck, dass das in vielen Geschäftshäusern durchaus bekannt ist, man aber die Mittel und
Möglichkeiten, die wir zuletzt mit dem Bad-Bank-Gesetz zur Verfügung gestellt haben, nicht in Anspruch
nimmt, insbesondere vor dem Hintergrund der Fragen:
Wer springt als Erster? Wer gibt zu, dass er nicht mehr
kann? Auch unsere Auflagen hinsichtlich der Gehaltsobergrenzen scheinen dazu zu führen, dass von diesem
Modell nicht Gebrauch gemacht wird.
Das alles ist für die deutsche Wirtschaft aber dramatisch. Jeder Kredit, der nicht vergeben bzw. nicht prolongiert wird, führt dazu, dass ein Unternehmen in die Insolvenz geht und Arbeitsplätze verloren gehen. Der
volkswirtschaftliche Schaden für den Staat, aber auch
für die Bevölkerung ist enorm. Er ist in der Summe vielleicht sogar noch viel höher als das, was wir an Rettungspaketen für den Bankenbereich bisher zur Verfügung gestellt haben. Von daher glaube ich - lesen Sie
sich die Kommentare der Wirtschaftspresse, Handelsblatt, Financial Times und auch andere Zeitungen, von
dieser Woche durch -, dass wir vom Prinzip der Freiwilligkeit der Maßnahmen abkehren müssen.
Zum einen brauchen wir Stresstests, mit denen, so
wie in den USA geschehen, geprüft und öffentlich sichtbar gemacht wird, wie die Situation bei den einzelnen
Banken ist und wie sich die Eigenkapitalsituation darstellt. Zum anderen brauchen wir eine Zuführung von
neuem Kapital. Das kann, das bevorzuge ich, durch die
Eigentümer sein, das kann aber auch in einem letzten
Schritt - das Gesetz bietet diese Möglichkeit bereits; wir
haben das bei der Commerzbank auch gemacht - durch
eine Zuführung seitens des Bundes geschehen, die zeitlich befristet wird.
({2})
Wenn wir dies nicht machen, glaube ich, dass 2010 all
die Maßnahmen, die wir im Konjunkturprogramm beschlossen haben und auch wirken, im Nachhinein konterkariert werden und das Potenzialwachstum in
Deutschland langfristig sinkt. Daher ist es meines Erachtens notwendig, die bisherigen Maßnahmen ohne ideologische Scheuklappen zu überprüfen und sie im Sinne des
deutschen Steuerzahlers, der deutschen Wirtschaft und
der deutschen Bevölkerung anzupassen.
Die Banken haben durch das Bad-Bank-Gesetz bereits die Möglichkeit, ihre Bilanzen durch die Auslagerung von verschiedenen Wertpapieren oder auch nicht
strategischen Geschäftsbereichen zu bereinigen. Ich
warne nur davor, dass man im Fall einer Beteiligung einen eunuchenhaften Habitus annimmt, indem man im
Zweifel sagt: Wir beteiligen uns zwar, aber wir haben
nichts zu sagen. Das ist ein Fehler. Wer Geld in ein Unternehmen investiert, muss letztendlich auch die Geschäftspolitik mitbestimmen und kontrollieren können.
Deshalb müssen wir die bisherige Strategie korrigieren.
({3})
Die Bundesregierung plant - Herr Kollege
Dautzenberg hat das angesprochen -, den Verbriefungsmarkt wieder anzukurbeln und die Verbriefungen auch
noch staatlich zu garantieren,
({4})
obwohl man nicht weiß, was in den Papieren steckt.
({5})
In der Diskussion geht es darum - ich will es für die
SPD klar sagen -: Wir als Staat haften für Kredite, die
dann an Investoren verkauft werden, und die Banken haben null Risiko. Diesen Weg halten wir für einen großen
Fehler. Ich würde es deshalb begrüßen, wenn die Union,
ebenso wie die FDP-Fraktion, dies ablehnt und den
Überlegungen, die es in der KfW und im Bundesfinanzministerium gibt, eine Absage erteilt.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat nun Kollegin Birgit Reinemund für die
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen von der Linksfraktion, das Positive zu
Beginn. Den ersten Teil Ihres Antrags, die „Kreditklemme überwinden“, unterstütze ich gern.
({0})
Auch Ihre Situationsanalyse teile ich in einigen Punkten,
komme allerdings zu komplett anderen Schlussfolgerungen, was Sie wahrscheinlich verwundert.
Die Kreditversorgung von Unternehmen ist eine der
Kernaufgaben der Banken. Das gilt umso mehr in der
schwersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik. Noch
gibt es keine flächendeckende Kreditklemme; so die
Auskunft der Regierung im Finanzausschuss dieser Woche. „Noch keine“ heißt: Die Bundesregierung ist sich
durchaus bewusst, dass sich die Situation 2010 verschärfen kann, wenn die Bankbilanzen für 2009 aufgrund der
Verlustabschreibung weniger Eigenkapital ausweisen
werden.
Hinzu kommt, dass die Wirtschaft in einem beginnenden Aufschwung erfahrungsgemäß einerseits mehr
Fremdkapital benötigt, andererseits das Eigenkapital der
Unternehmen abgeschmolzen ist und zur Besicherung
nicht mehr ausreichend zur Verfügung steht.
({1})
„Noch nicht flächendeckend“ bedeutet: In einzelnen
Branchen, zum Beispiel im Handwerk und im Maschinenbau, und bei einzelnen Betriebsgrößen, hier vor allen
Dingen im Mittelstand, haben Unternehmen unbestritten
bereits heute Probleme, Kredite zu erhalten. Es besteht
durchaus Handlungsbedarf; blinder Aktionismus ist unangebracht.
({2})
Es ist sehr kritisch zu sehen, dass viele Kreditinstitute ihrer Verantwortung nicht gerecht wurden und
werden. Ich sage deutlich: Jetzt sind in erster Linie die
Banken am Zug, nicht der Staat, sprich: die Steuerzahler.
({3})
Ich begrüße ausdrücklich die Ankündigungen der Commerzbank und des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, das Volumen der Kredite für den Mittelstand zu
erhöhen, ebenso den Vorschlag der Deutschen Bank, seitens der Privatbanken einen Mittelstandsfonds aufzulegen. Ich erwarte allerdings auch, dass diese Ankündigungen zügig umgesetzt werden.
({4})
Die in den letzten Monaten verschärften Kreditvergaberichtlinien erschweren den wirtschaftlichen Aufschwung. Trotzdem ist es natürlich richtig und sinnvoll,
dass die Banken vor der Kreditvergabe sorgfältig die
Risiken prüfen. Dies ist in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen; wir alle haben die Folgen noch im
Gedächtnis.
Was die Fraktion Die Linke mit dem vorliegenden
Antrag vorschlägt - die Aussetzung des Hausbankprinzips der Förderbanken und die Verstaatlichung der Privatbanken -, taugt gewiss nicht zur Problemlösung.
({5})
Dieser Antrag ist Ausdruck einer staatsgläubigen Ideologie, die im Wesentlichen auf dem Glauben an die Allmacht des Staates basiert.
({6})
Ich erinnere daran, dass die Staatsbanken KfW und
IKB sowie die Landesbanken die Ersten waren, die in
der Finanzkrise in massive Schwierigkeiten geraten sind,
aber auch die Ersten, die wieder Boni ausgezahlt haben.
Ich kann hier keinen Hinweis darauf erkennen, dass der
Staat der bessere Banker ist oder auch nur in moralischer
Hinsicht besser agiert.
({7})
Dieser Antrag der Linken ist nichts anderes als eine
populistische Nebelkerze. Mein Fazit: Die Bundesregierung ergreift in der Krise die richtigen Maßnahmen. Ich
nenne zum Beispiel den erfolgreichen Konjunkturgipfel im Kanzleramt und die Einrichtung der Stelle eines Kreditmediators. Wir setzen anders als die Linken
in erster Linie auf den Dialog mit den Akteuren, auf Verpflichtung, besser noch auf Selbstverpflichtung, statt
Verstaatlichung.
Ziel muss es sein, die Eigenkapitalquote der Unternehmen zu erhöhen. Im Mittelstand liegt die Quote derzeit im Schnitt bei 3,9 Prozent; optimal wäre eine Quote
von 12 bis 14 Prozent. Deshalb haben wir mit dem
Wachstumsbeschleunigungsgesetz als Sofortmaßnahme
erste Schritte zur Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen umgesetzt.
({8})
Meine Damen und Herren von der Linken, es mutet
seltsam an, wenn Sie 20 Jahre nach dem Mauerfall den
Einstieg in die Staatswirtschaft als Lösung aller Probleme vorschlagen. Ja, wir haben die Lehren aus der
Krise gezogen. Wann ziehen Sie Ihre Lehren aus der Geschichte?
({9})
Vielen Dank.
({10})
Frau Kollegin Reinemund, dies war Ihre erste Rede
im Deutschen Bundestag. Unsere herzliche Gratulation
und alle guten Wünsche für die weitere Arbeit in diesem
Hause!
({0})
Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Gerhard
Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es hätte mich gefreut, wenn wir als Parlament nach einem so groß inszenierten Gipfel im Kanzleramt einen
Bericht darüber bekommen hätten, worüber diskutiert
worden ist. Was ist das für ein Anstand?
({0})
Herr Koschyk, vielleicht können Sie mir einmal kurz zuhören. Vielleicht wäre es angemessen gewesen, dass Minister Schäuble oder Sie uns berichtet hätten, worüber
man diskutiert hat. Gab es Zusagen der Bundesregie770
rung? Was haben die Vertreter der Banken eigentlich
konkret gesagt? Ich finde, dass wir hier über die wichtige Frage der Kreditklemme nicht auf der Grundlage
von ein paar Tickermeldungen und Presseberichten diskutieren sollten.
({1})
Wie ist die Lage? Wir müssen innerhalb der Kreditwirtschaft differenzieren. Es ist noch nicht klar, ob wir
eine allgemeine Kreditklemme haben. Viele bezeichnen
das zu Recht als eine akademische Diskussion. Ich
glaube, wir sollten konkret sagen: Es gibt Unternehmen,
die massive Schwierigkeiten bei der Refinanzierung, bei
der Finanzierung über die Banken haben, und es gibt andere Unternehmen, die solche Probleme nicht haben.
Das hängt von der Branche und der Eigenkapitalsituation ab.
Die viel wichtigere Frage ist jetzt: Was passiert in der
nächsten Zeit? Wie sieht die Entwicklung aus? Die
KfW sagt uns, dass die Neuzusagen im dritten Quartal
um 8,5 Prozent gesunken sind. Ein weiterer Rückgang
wird erwartet. Creditreform schätzt, dass die Zahl der
Unternehmensinsolvenzen im nächsten Jahr noch einmal
massiv steigen wird, nachdem sie schon in diesem Jahr
um 16 Prozent gestiegen ist.
In dieser Situation gibt es ein Dilemma - dazu habe
ich vonseiten der Koalition nichts gehört -: Auf der einen Seite wissen wir, dass wir nicht noch einmal so eine
Finanzkrise haben wollen.
({2})
Deswegen sind dringend neue Regeln notwendig. Deswegen muss dringend dafür gesorgt werden, dass keine
neue Blase entsteht. Wir dürfen die Banken nicht mit
Appellen oder anderen Dingen da hineintreiben. Wir
dürfen sie nicht dazu drängen, Kredite zu geben, die wieder Abschreibungsbedarf verursachen.
({3})
Auf der anderen Seite besteht die Notwendigkeit, die
leichte Stabilisierung, die sich in der deutschen Wirtschaft zeigt, nicht zu bremsen. Ich würde nicht von einem beginnenden Aufschwung reden, Frau Reinemund.
Die aktuellen Prognosen entstanden nämlich unter dem
Eindruck einer massiven Medikamentierung durch die
Zentralbank und den Staat. Das als gesunde Entwicklung
zu bezeichnen, halte ich für stark übertrieben. Wir wollen dafür sorgen, dass die Finanzierungssituation nicht
zur Bremse der wirtschaftlichen Entwicklung wird.
Angesichts dieses Dilemmas stellt sich die Frage:
Was tut die Regierung eigentlich? Gibt es irgendeine
Antwort auf die Frage, wie Sie vorgehen wollen? Wir
bekommen mit, dass Sie hier laut über Regulierung reden, die deutsche Bundesregierung in Brüssel aber der
zentrale Bremser hinsichtlich einer funktionsfähigen europäischen Bankenaufsicht ist.
({4})
Das ist die Wahrheit. Dazu müssen Sie hier einmal Stellung beziehen und sagen, wie das zusammenpassen soll.
({5})
Lesen wir in Ihrem Koalitionsvertrag, der zum
Thema Steuerpolitik viele Spiegelstriche enthält, also
stark ins Detail geht, einmal nach, was dort zur Kreditklemme steht:
In Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs muss
eine Kreditklemme verhindert werden;
({6})
die Kreditwirtschaft muss sich ihrer Verantwortung
als Finanzierungsgeber der deutschen Wirtschaft
bewusst sein.
({7})
Ein Appell an das Bewusstsein der deutschen Kreditwirtschaft! Ich bitte um Erklärung: Was ist eigentlich Ihr
Plan? Was haben Sie angesichts dieses Dilemmas, vor
dem wir stehen, außer leeren Appellen vor?
({8})
Was haben Sie vor dem Hintergrund dessen vor, dass
viele Maßnahmen, die im letzten Jahr auf den Weg gebracht worden sind, nicht greifen?
({9})
- Herr Dautzenberg, Sie hatten vorhin die Gelegenheit,
mehrere Minuten lang zu sagen, was Sie bezogen auf die
Kreditklemme vorhaben.
({10})
- Ich habe sehr genau zugehört. Ich konnte nicht erkennen, dass Sie einen klaren Plan haben, wie Sie angesichts
dieses Dilemmas vorgehen wollen. Entschuldigung, ich
habe es nicht gehört.
({11})
Die Maßnahmen, die Sie in der Großen Koalition, der
ersten Regierung Merkel, mitgetragen haben, wirken offensichtlich nicht so, wie Sie sich das damals versprochen haben: Das sogenannte Bad-Bank-Gesetz ist bisher
von nur einer Bank in Anspruch genommen worden; die
Mittel des Deutschlandfonds sind nur zu kleinen Teilen
abgerufen worden; die Abwrackprämie, die als Brücke
gedacht war, hat die Automobilindustrie in eine Situation gebracht, die dazu führen wird, dass der Absturz im
nächsten Jahr noch größer sein wird;
({12})
wir haben eine zusätzliche Konzentration im Bankenmarkt. Entschuldigung, wo ist bitte die Antwort darauf,
dass wir ein Jahr nach Beginn der Finanzmarktstabilisierungsmaßnahmen durch die Große Koalition sagen müssen, dass das alles eigentlich nicht funktioniert hat? Die
Antwort, die Sie bisher gegeben haben, ist einfach nicht
ausreichend. Sie haben einfach Vertreter der Kreditwirtschaft und ein paar andere Personen im Kanzleramt zusammengerufen und hinterher nicht gesagt, was dort
wirklich vereinbart worden ist.
Ich habe sehr wohl wahrgenommen, Herr Schneider,
dass Sie gesagt haben: Wir wollen kritisch analysieren,
was gewirkt hat, und wir müssen überprüfen, wie das
weiterentwickelt werden kann. Ich glaube aber, dass
man an der Stelle um einen Punkt nicht herumkommt:
einen grundlegenden Strategiewechsel bei der Bankenrettung. Denn das, um das es hier geht, bedeutet für den
Steuerzahler nur noch eine weitere Schippe drauf. Der
Steuerzahler soll angesichts des Dilemmas, vor dem Sie
stehen, weitere Risiken übernehmen. So nehme ich die
Zusage vonseiten der Bundesregierung auf diesem Gipfel wahr; wie gesagt, wir haben keine genauen Informationen darüber. Sie haben nicht den Mut, die zentralen
Fehler im Rahmen der Bankenrettung zu korrigieren.
Bisher haben wir im ganzen Bereich der Finanzmarktpolitik nur ein Weiter-so wahrgenommen. Angesichts
der Situation, die der deutschen Wirtschaft im nächsten
Jahr droht, ist dieses Weiter-so eindeutig zu wenig.
({13})
Man kann jetzt wie die Linkspartei fordern, alle Banken zu verstaatlichen. Das mag ideologisch irgendwie
passend sein, aber welche Probleme würde das denn lösen? In dem Moment, in dem die Landesbanken und
Staatsbanken massive Probleme haben, einfach zu sagen, der Staat solle jetzt alles übernehmen, ist, glaube
ich, keine Lösung. Da greifen Sie zu kurz. Richtig ist
aber, zu sagen: Dort, wo die notwendige Rekapitalisierung über den Markt nicht erreicht werden kann, soll der
Staat einspringen. Das führt dann zu einer teilweisen Kapitalisierung. Wir müssen auch klare Regeln setzen, wie
hoch der Kapitalbedarf sein muss.
({14})
- Das könnten Sie ja einmal festlegen. Das ist doch die
Aufgabe der Regierung.
Vor einem Stresstest muss geschaut werden, was auf
die Banken zukommt. Wenn Sie ernst nehmen, was die
Bundesbank sagt, dass noch Abschreibungen in Höhe
von 90 Milliarden Euro drohen, dann ist von dem Eigenkapital wieder ziemlich viel weg. Das wird dann massiv
zu einer Reduzierung der Kreditvergabe an die Wirtschaft sorgen. An diesen Ursachen müssen Sie ansetzen,
statt leere moralische Appelle an die Banken zu richten.
({15})
Ich fordere Sie auf: Legen Sie uns einen klaren Plan
vor. Füllen Sie die dürren Phrasen aus dem Koalitionsvertrag mit konkreten Programmen. Wir hier sind zu einer sachlichen Diskussion bereit. Ich hoffe, dass wir bei
der nächsten Sitzung des Finanzausschusses von Ihnen
mehr Antworten auf die Fragen hören: Was ist besprochen worden? Wie sieht Ihr Weg aus der Kreditklemme
aus? Das, was wir bisher gehört haben, reicht nicht aus.
Wir brauchen einen Strategiewechsel weg vom Prinzip der Freiwilligkeit, das wir von Anfang an kritisiert
haben, hin zu einem wirklichen In-die-Pflicht-Nehmen
der Banken. Sie sollten denen sagen, wo es langgeht.
Diese leichte Kritik, zu sagen, dass die jetzt eine große
Lippe riskieren, reicht nicht. Wir brauchen konkrete
Maßnahmen. Wir fordern Sie auf, endlich einmal etwas
vorzulegen.
({16})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans Michelbach,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir sind uns, glaube ich, in dieser Debatte
alle darüber einig, dass die Finanzierungsengpässe den
Aufholprozess der deutschen Wirtschaft schwächen und
den Aufschwung in Deutschland akut gefährden können.
Es ist eine Tatsache: Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Unternehmensfinanzierung sind in
Deutschland deutlich zu spüren. Die Finanzierung kann
zur Gretchenfrage des Aufschwungs werden. In Zeiten
eines wirtschaftlichen Aufschwungs muss eine Kreditklemme verhindert werden.
Die Wirtschaft benötigt gerade jetzt Liquidität für
neue Produkte, für neue Dienstleistungen, für neue Investitionen und Arbeitsplätze. Allerdings muss der
Schluss, den die Linken daraus ziehen, dass der private
Bankensektor grundsätzlich in öffentliches Eigentum zu
überführen ist, zurückgewiesen werden. Dieser Ansatz
kann nicht zielführend sein. Das passt nicht zu unserer
sozialen Marktwirtschaft, das passt nicht zur Ordnungspolitik, und der Staat kann dies auch gar nicht leisten.
({0})
Das ist unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten ein
Fehlansatz, der nicht zur Regel werden darf, weil wir damit unser gesamtes gesellschaftspolitisches System infrage stellen würden.
Eine Verstaatlichung des Bankensektors schafft
auch in der Sache keine Abhilfe, ist somit keine Lösung.
Der Staat ist nun einmal nie der bessere und effizientere
Unternehmer.
({1})
Gerade in der Krise darf die Ordnungspolitik nicht verloren gehen.
Wir lehnen auch andere Maßnahmen, die in Ihrem
Antrag stehen, grundsätzlich ab, zum Beispiel die staatliche Verpflichtung der Bundesbank, Kredite direkt an
Unternehmen zu vergeben. Eine solche Idee widerspricht dem Gedanken der Unabhängigkeit der Zentralbanken und den Aufsichtsfunktionen der Bundesbank.
Dieser Schritt wäre eine markante Umwälzung. Die Vergabe von Krediten an Unternehmen muss das Hauptgeschäftsfeld der Banken bleiben. Wir wollen eine freie,
marktwirtschaftlich ausgerichtete und eigenverantwortliche Kreditwirtschaft in Deutschland.
({2})
Wir gehen diese Herausforderung mit einer klaren
Konzeption an,
({3})
und zwar im Rahmen der verschiedenen Finanzmarktstabilisierungsgesetze, die natürlich immer wieder
überwacht, überprüft und auch korrigiert werden müssen. Herr Dr. Schick, an dieser Stelle bin ich ganz Ihrer
Meinung, dass wir hier eine Fortentwicklung brauchen.
Wir müssen zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, dass die
Bad-Bank-Lösung im Moment nicht zu den Ergebnissen
führt, die man sich von ihr erhofft hat.
({4})
Wir müssen auch deutlich machen, dass es in erster
Linie um die Verantwortung der Kreditwirtschaft
geht;
({5})
dies ist das Hauptthema. Die Banken benötigen untereinander wieder mehr Vertrauen, um die Finanzierungsklemme zu verhindern. Die Vermeidung einer flächendeckenden Kreditklemme ist zuallererst Sache der Banken.
Ich bin dankbar, dass die Bundeskanzlerin im Kanzleramt eine Art Kreditgipfel veranstaltet hat. Dabei
wurde deutlich, dass sich die Banken und die Manager
durchaus angesprochen fühlen. Sie haben nämlich den
Vorschlag in die Debatte eingebracht, einen Fonds einzurichten. Meiner Ansicht nach ist dies ein Schritt in die
richtige Richtung, auch wenn dieser Fonds mit einem
Volumen von 300 Millionen Euro nur sehr mäßig ausgestattet ist.
Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht letzten
Endes einem Imagegag zum Opfer fallen.
({6})
Wir müssen überprüfen, was genau geplant ist, und sicherstellen, dass es im Rahmen des Fonds nicht nur um
Kredite geht, die ohnehin ausgereicht worden wären.
Wir müssen diese Fragen sehr kritisch prüfen, um sicher
sein zu können, dass es sich nicht um ein Placebo oder
eine Mogelpackung handelt. Wir wollen, dass dabei
nach marktwirtschaftlichen Prinzipien vorgegangen
wird.
Eine pauschale Beschimpfung der Banken lehne ich
ab. Ich bin seit 31 Jahren Unternehmer und habe mit
Banken immer ein Auf und Ab erlebt, wenn es um
Finanzierungen ging. In Banken arbeiten sehr verantwortungsbewusste Menschen, die der Wirtschaft immer
geholfen haben.
({7})
Dennoch sind mit Blick auf die Banken einige Herausforderungen zu bewältigen. Die toxischen Wertpapiere sind nur zu 50 Prozent wertberichtigt. Sicherlich
stehen aufgrund von Firmeninsolvenzen auch im
Jahre 2010 hohe Wertberichtigungen an. Dies dürfte eine
steigende Arbeitslosigkeit zur Folge haben.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Troost?
Gerne, Herr Troost.
Herr Michelbach, ich habe nur die Frage, ob es Ihrer
Vorstellung von Marktwirtschaft entspricht, dass die
Bundeskanzlerin jeweils einzelne Branchen einlädt und
mit ihnen bespricht, wie sie zukünftig ihre Geschäfte
machen. Zeigt nicht die Tatsache, dass solche Gipfel notwendig sind, dass ein großes Missverhältnis zwischen
dem, was vom Bankensektor marktwirtschaftlich geleistet werden müsste, und dem, was er leisten kann, existiert und dass deswegen weitergehende Schritte als nur
solche Gipfel unternommen werden müssen?
Herr Kollege Dr. Troost, Sie haben im Hinblick auf
das, was im Kanzleramt stattfindet, anscheinend ihr eigenes Bewusstsein. Ich beurteile es als sehr positiv, dass
man die Banken im Rahmen solcher Gespräche an ihre
Eigenverantwortung erinnert. Letzten Endes geht es darum, auch den Bankmanagern deutlich zu machen, dass
wir nicht bereit sind, zu akzeptieren, wenn es unter Hinweis darauf, dass man keine neue Kreditblase und
Finanzblase erleben wolle, zu einer Kreditklemme
kommt. Die Leute, die uns in diese Finanz- und Wirtschaftskrise geführt haben, müssen durch die höchste
politische Persönlichkeit darauf hingewiesen werden,
dass sie für die Arbeitsplätze, für die Wirtschaft eine
besondere Verantwortung tragen. Es gehört zur Ordnungspolitik der sozialen Marktwirtschaft, dass EigenDr. h. c. Hans Michelbach
verantwortung immer wieder angemahnt und zu Eigenverantwortung angereizt wird.
({0})
Ich möchte auf den Vorwurf eingehen, den Herr
Dr. Schick in den Raum gestellt hat: Wir, die Koalition,
hätten keine Konzeption, um uns der Finanzmarktstabilisierung zu widmen. Wir haben - das müssen wir immer
wieder deutlich machen - eine Konzeption: Wir schlagen ein Bündel von gezielten Maßnahmen vor. Neu ist
der sogenannte Kreditmediator. Die Bürgschaften für
Kreditversicherer sollen erhöht werden; es geht um
7,5 Milliarden Euro. Auch beim KfW-Sonderprogramm
gibt es Verbesserungen: Erstmals werden für Betriebsmittelkredite Bürgschaften von 50 Prozent übernommen,
bei Investitionen sogar von 90 Prozent. Wir haben ein
Globaldarlehen an die Banken, bei dem wir mit
1 Milliarde Euro die Vergabe von neuen Krediten im
Umfang von 10 Milliarden Euro anreizen können. Die
Bad-Bank-Lösung kann besser genutzt werden.
Wir haben darüber hinaus das vom Kollegen
Dautzenberg vorgeschlagene Verbriefungsgesetz. Sie
müssen den Kollegen Dautzenberg völlig falsch verstanden haben: Es geht insbesondere darum, dass wir als Gesetzgeber Regeln verfassen, die gewährleisten, dass es in
Zukunft nicht zu Fehlentwicklungen kommt. Das ist ein
wesentlicher Punkt, um den es bei diesem Maßnahmenbündel geht. Mit diesen sechs Punkten werden wir uns
der Überwindung der Kreditklemme und damit letzten
Endes der Finanzmarktstabilisierung aktiv und zielgerecht widmen.
({1})
Schauen wir uns die Dinge im Einzelnen an: Die
staatliche Kreditversicherung, das KfW-Sonderprogramm, muss wieder stärker genutzt werden. Das Volumen des Mittelstandsfonds muss über die 300 Millionen
Euro, die im Kanzleramt angekündigt worden sind, hinausgehen. Es ist wichtig, dass wir deutlich machen: Der
Mittelstand in Deutschland hat traditionell eine Eigenkapitalschwäche; das gilt gerade angesichts des internationalen Wettbewerbs.
Immer mehr mittelständische Unternehmen müssen
jetzt, wo es darauf ankommt, die Erfahrung machen,
dass sich ihre langjährige Hausbank nicht als verlässlicher Geschäftspartner erweist. Deswegen appelliere ich
an die Banken - das kann man nur in dieser Form, von
diesem Hohen Haus aus tun -, die Bedeutung der traditionellen Verbindung zwischen Bank und Unternehmen
zu sehen. Das Hausbankprinzip setzt voraus, dass Banken und Unternehmen eine gemeinsame Vertrauensbasis
haben. Dieses Vertrauensverhältnis darf nicht gestört
werden, wenn der Wirtschaftsstandort Deutschland auch
in der Zukunft Erfolg haben soll.
({2})
Wir müssen die Finanzierungsfrage bald in den Griff
bekommen. Diese Frage entscheidet letzten Endes darüber, wie es mit dem wirtschaftlichen Aufschwung weitergeht. Ich hoffe, dass die Insolvenzwelle abebbt und
dass die Banken im Zusammenhang mit den Eingriffen
der Politik zu vernünftigen Lösungen kommen. Dies ist
unsere Aufgabe. Diese sollten wir in hoher fachlicher
Kompetenz gemeinsam wahrnehmen.
Meinen herzlichen Dank.
({3})
Das Wort hat nun Kollege Carsten Sieling für die
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Über die Existenz oder die drohende Gefahr einer Kreditklemme besteht hier - das hat die Debatte gezeigt - große Übereinstimmung. Wie stark diese ausfällt,
wird unterschiedlich eingeschätzt. Die großen Institute,
darunter die KfW, weisen uns auf das hin, was uns bevorsteht.
Das zentrale Problem ist doch nicht, dass in diesem
Land ein riesenhafter Aufschwung bevorsteht. Das
glaubt hier auch niemand. Vielmehr geht es darum, dass
Unternehmen aufgrund der Kreditklemme nicht planen
und dadurch nicht wirtschaften können. Betroffen sind
insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen;
denn gerade sie haben nicht genügend Geld, ihre Investitionen zu tätigen, aber auch bei den Betriebsmitteln
kommt es teilweise zu Engpässen. Darum muss dort etwas getan werden. Ich sage gerade als Sozialdemokrat
sehr bewusst: Die Handwerker, die Mittelständler und
die Familienbetriebe sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Diese müssen wir unterstützen. Da muss gehandelt werden. Da muss mehr getan werden, als Sie in dieser Regierung tun.
({0})
Sorgenvolle Mienen sehe ich allenthalben. Es wird
beklagt, wie schwierig die Lage ist. Es gibt in der Tat
den mehrfach angesprochenen Gipfel, über den wir als
Bundestag - auch das wurde bereits erwähnt - nur aus
den Medien erfahren. Ich finde es erschreckend, wie leer
die Regierungsbank bei diesem zentralen Thema ist.
({1})
Ich dachte, diese Regierung mit ihren Ministerinnen und
Ministern kümmert sich um dieses Thema. Ich frage
mich, wo der Bundesfinanzminister ist. Auch andere
könnten an dieser Debatte durchaus teilnehmen, insbesondere angesichts der Dimension dieses Problems.
({2})
- Herr Kollege, dieser Antrag hat es auf die Tagesordnung geschafft. Uns sollte doch gemeinsam die Sorge
umtreiben, wie es weitergeht. Darum sollte man es ernst
nehmen, wenn dieses Thema hier beraten wird. Darauf
lege jedenfalls ich Wert, insbesondere vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieses Gipfelchens, wie ich sagen
darf; denn diese sind nun wirklich nicht hinreichend.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass der Beitrag der Sparkassen, die zusammen mit den Genossenschaftsbanken hier schon gelobt worden sind und einiges
an Mitteln bereitgestellt haben, ordentlich und anständig
ist. Damit kann man sicherlich zufrieden sein.
Aber dann gibt es noch eine völlig andere Sache. Man
kann schon sehr froh darüber sein, dass es Herr
Ackermann unterlassen hat, seine Forderung nach staatlichen Hilfen zur Sozialisierung möglicher Verluste vor
der Kanzlerin zu wiederholen. Daher war man auch sehr
froh, von seinem Angebot von 100 Millionen Euro zu
hören.
({3})
100 Millionen Euro! Heute lese ich in einer Agenturmeldung von 300 Millionen Euro. Meines Erachtens macht
auch diese Summe die Sache nicht besser. Das macht es
deshalb nicht viel besser, weil wir wissen, um wie viel es
hier geht. Es ist hier auch darauf hingewiesen worden,
dass vergiftete Papiere im Wert von 100 Milliarden Euro
existieren. Im Vergleich dazu sind 100 oder auch
300 Millionen Euro ein Ansatz im Promillebereich.
({4})
- Nein, Herr Kollege. Auch im Zusammenhang mit den
notwendigen Krediten - die Summe ist niedriger - ist
das ein zu geringes Volumen, um damit wirklich Effekte
zu erzielen. Das, was dort vorgelegt worden ist, ist, um
in der Bankersprache zu bleiben, nicht mehr als Peanuts.
({5})
Vielleicht sind wir damit auch bei dem Grund, warum
die Regierung diesen vermeintlichen Erfolg - sie versucht zumindest, das Ganze als Erfolg darzustellen nicht selber vorstellt. Das alles läuft nach dem Prinzip
Glaube, Liebe, Hoffnung. Das reicht nicht für eine gute
Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wir als SPD-Fraktion erwarten an dieser Stelle deutlich mehr.
Hier in der Debatte ist noch ein anderes Thema angesprochen worden. Damit sind wir bei der schwierigen
Frage, wie wir nach den Erfahrungen, die wir nach etwas
mehr als einem Jahr Finanzmarktstabilisierungsgesetz
gemacht haben, vorgehen. Wir müssen feststellen, dass
die Banken ihre Aufgaben nicht erfüllt haben. Viele
Möglichkeiten wurden nicht genutzt, etwa die zur Rekapitalisierung und zur Einrichtung von Bad Banks. Stattdessen wurden auch von den Banken immer wieder neue
Instrumente gefordert. Ich halte das für nicht richtig. Das
geht auch deshalb nicht, weil man schon wieder über
Boni und Renditen von 25 Prozent redet. Entweder muss
das, was angeboten wird, genutzt werden, oder wir müssen darüber reden, was geändert werden kann.
({6})
Da wir gerade über Änderungen reden. Es liegt in der
Tat ein Antrag der Linken vor, der bei wesentlichen
Punkten die Überschrift „Verstaatlichung“ trägt. Ich
habe das Argument des Kollegen Schlecht nicht völlig
verstanden, weil ich der Auffassung bin: Ein Eigentümerwechsel würde nur wenig bringen.
Kollege Schlecht hat hier selber das Beispiel der Landesbanken angeführt und damit deutlich gemacht, dass
das noch nicht reicht, wenn schlechte Politik gemacht
wird. Herr Dautzenberg, sein Argument war, dass es
ganz häufig und überwiegend christdemokratische Ministerpräsidenten waren, die diese Landesbanken unter ({7})
- Es gab Vorgängerregierungen, aber die Nachfolger haben es eher verschlimmbessert, Herr Kollege
Dautzenberg. Da kommen Sie nicht heraus. Das Problem
mit den Landesbanken ist ein Problem christdemokratischer und FDP-Politik. Das muss man hier im Deutschen
Bundestag deutlich sagen.
({8})
Kollege Sieling, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Heil?
Aber sehr gerne.
({0})
Herr Kollege Sieling, weil es hier so lebhafte Reaktionen seitens der CDU/CSU-Fraktion hinsichtlich des
wunden Punktes der Verantwortung von Ministerpräsidenten der Union für die Fehlentwicklung der Landesbanken gab, frage ich:
({0})
Können Sie bestätigen, dass die Probleme vor allen Dingen im Jahre 2005 aufgetreten sind, als die Gewährträgerhaftung und die Anstaltslast weggefallen sind und
sich die Ministerpräsidenten der Union geweigert haben,
neue Geschäftsmodelle für die Landesbanken zu entwickeln? Damit haben sie sie quasi in diese windigen
Geschäfte hineingetrieben. Die Verantwortlichen sind
die CSU-Ministerpräsidenten - da gab es ja ein paar NaHubertus Heil ({1})
men -, Herr Rüttgers - das ist ein anderer Name -, und
ein dritter Name ist Herr Carstensen.
({2})
Können Sie das bestätigen?
({3})
Das kann ich nicht nur bestätigen.
({0})
- Sie können sich aufregen, wie Sie wollen. Das kann
man leider unterlegen. Man könnte die Liste der Ministerpräsidenten noch weiter verlängern.
({1})
Es gibt nur ganz wenige Landesbanken, die darauf reagiert haben. Ich darf einmal sagen: Ich komme aus dem
Bundesland, das die kleinste Landesbank hat, aber es ist
auch die feinste Landesbank. Die Bremer Landesbank
gilt als eine, die sich auf ein neues Geschäftsmodell und
die neuen Herausforderungen eingestellt hat. Ich weiß,
dass dadurch nicht die Welt bewegt wird, weil Bremen
leider zu klein ist.
({2})
Wenn das aber alle getan hätten und wenn das in den
CDU-regierten Ländern aufgenommen worden wäre,
dann wären wir heute weiter. Darum liegt der Fehler
dort. Ich bedanke mich für diese Frage, Kollege Heil.
({3})
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen: Kollege Schlecht, durch Ihre Überlegung, schlicht
den Eigentümer zu wechseln und die Verstaatlichungen
voranzutreiben, werden die Probleme nicht gelöst. Wir
brauchen eine richtige Politik, und es muss zu einer richtigen Regulierung kommen. Dort liegt der Kern. Darum
ist es auch richtig, den Antrag der Linken abzulehnen.
Im Übrigen ist das auch deshalb richtig - das will ich
noch einmal sagen, weil das hier keiner angesprochen
hat -: Sie sprechen sich in Ihrem Antrag gegen das bewährte Dreisäulenmodell aus. Ich bin der Auffassung:
Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Privatbanken Deutschland ist gut aufgestellt. Wir Sozialdemokraten
sehen das so.
({4})
Wenn mir noch etwas Zeit verbleibt, dann möchte ich
hinsichtlich der aktuellen Lösungsansätze noch darauf
hinweisen, dass die Verbriefung und die Möglichkeit,
verbriefte Kredite wieder flottzumachen, jetzt plötzlich
wieder Konjunktur haben.
({5})
Es wird darüber geredet, ob die KfW dort Hilfen bietet.
Kaum steht das Gipfelchen im Kanzleramt bevor, erhalten wir Abgeordnete - ich vermute, dass ich nicht der
Einzige war - ein Briefchen vom Bundesverband deutscher Banken, in dem dafür geworben wird, Verbriefungen wieder attraktiv zu machen.
({6})
- Nein. - Ich finde, wir müssen in erster Linie darauf
hinweisen, dass diese Verbriefungspraktiken - insbesondere natürlich die in den USA; das ist gar keine Frage zu der Krise geführt haben.
({7})
Kollege Dautzenberg, ich will das gerne aufnehmen.
Sie haben uns hier in Aussicht gestellt, den Entwurf eines Verbriefungsgesetzes vorzulegen. Leider haben weder Sie noch Kollege Michelbach ein konkretes Wort
dazu gesagt. Mich würde das sehr interessieren. Ich befürchte allerdings: Sie legen ein Placebo und weiße
Salbe vor, und am Ende wird das Instrument nicht so stabil, wie es sein müsste, damit die Finanzierung der deutschen Wirtschaft gesichert ist. - Ich bin an dieser Stelle
ausgesprochen skeptisch und will das hier auch sehr
deutlich sagen.
Zum Schluss darf ich auch noch einmal sagen - mein
Kollege Carsten Schneider und auch der Kollege Schick
haben das hier bereits angesprochen -: Nach einem Jahr
Finanzmarktstabilisierungsgesetz müssen wir Bilanz ziehen.
Wir müssen - vielleicht auch ein bisschen desillusioniert - feststellen, dass die freiwilligen Maßnahmen bzw.
die freiwilligen Angebote nicht wie geplant gegriffen haben. Dann muss man den politischen Mut haben, darüber
zu reden. Man wird darüber reden müssen, inwieweit es
sinnvoll ist, über weitere gesetzgeberische Regeln so
nachzuhelfen, dass die Banken verpflichtet werden,
diese Dinge anzugehen.
Das ist keine Position der Opposition gegen die Regierung. Vielmehr habe ich mit Interesse gelesen, was
der uns Sozialdemokraten eigentlich nicht nahestehende
Professor Sinn vom Ifo-Institut in München gesagt hat.
Herr Kollege, das dürfen Sie nicht mehr zitieren. Das
ist zwar Ihre erste Rede, aber Sie müssen trotzdem zum
Ende kommen.
Was Herr Professor Sinn gesagt hat, war kein Unsinn,
sondern zeigt die Wirklichkeit und Wahrheit.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank.
({0})
Herr Kollege Sieling, das war Ihre erste Rede. Herzliche Gratulation und alle guten Wünsche für die weitere
Arbeit im deutschen Parlament.
({0})
Das Wort hat nun Herr Kollege Klaus Breil für die
FDP-Fraktion.
({1})
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen wird oft darüber gestritten, ob es
die viel beschworene Kreditklemme gibt oder ob es sie
nicht gibt. Während von Bankenseite immer noch gesagt
wird, von einer Kreditklemme könne keine Rede sein, so
höre ich dies von Unternehmensseite leider oft ganz anders. Auffallend häufig führen kleine und mittelständische Unternehmen Klage.
Wichtig ist daher, dass Banken das Problem nicht
kleinreden, sondern ernst nehmen. Es ist erfreulich,
wenn die Banken und Sparkassen auf dem Bankengipfel
bei der Bundeskanzlerin eine bessere Versorgung der
Wirtschaft mit Krediten versprechen. Erste Zusagen laufen heute bereits über die Ticker.
Ich bin optimistisch, dass ordentliche Volumina zusammenkommen werden. Doch leise Zweifel sind immer noch berechtigt. In letzter Zeit haben sich die Banken schon oft selbst gelobt, dass es nicht an ihnen liege,
wenn es auf Unternehmerseite zu Finanzproblemen
komme.
Deshalb setze ich berechtigte Hoffnungen auf den neu
einzusetzenden Kreditmediator. Das ist eine wichtige
Maßnahme von Bundeswirtschaftsminister Rainer
Brüderle;
({0})
denn das gegenseitige Verständnis zwischen Banken und
Unternehmensseite spielt in nächster Zeit eine noch
wichtigere Rolle.
Meine Damen und Herren, zu dem vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke. Darin wird das Problem der
zurückhaltenden Kreditvergabe durchaus erkannt. Die
Schlussfolgerung geht aber in die völlig falsche Richtung.
({1})
Der Grund ist klar: Im linken Spektrum dieses Hauses
liegt stets der Reflex nahe, nach dem Staat als Retter in
der Not zu rufen. In absoluten Ausnahmefällen wie im
Herbst 2008 muss der Staat durchaus helfen. Als Banker
hat er sich aber insbesondere im Vorfeld der Krise disqualifiziert.
({2})
Es ist müßig, ausführlich auf die Landesbanken einzugehen. Allein der Blick auf die dort leichtfertig auf
Kosten der haftenden Bürger eingegangenen Risiken
sollte die Forderung nach Bankenverstaatlichung verstummen lassen.
({3})
Insofern ist Ihre Forderung zurückzuweisen. Im Übrigen
ist klar, wer den Aufsichtsrat dominiert hat, als in Düsseldorf die toxischen Wertpapiere gekauft wurden.
({4})
Dass die Banken derzeit noch nicht willens genug
oder in der Lage sind, die Kreditnachfrage zu zumutbaren Konditionen zu befriedigen, ist besonders für kleine
und mittelständische Unternehmen bitter; denn diese haben so gut wie keinen Zugang zum Kapitalmarkt. Sie
sind daher auf klassische Finanzierungsmöglichkeiten
angewiesen.
Wir verkennen nicht, dass es grundsätzlich richtig ist,
dass die Banken die gesteigerten Anforderungen an das
Eigenkapital verstärkt beachten. Das ist auch sinnvoll,
da die Finanzkrise auch durch unterbesicherte Kreditausreichungen verstärkt wurde.
Damit sich die Situation des Mittelstands nicht noch
weiter verschärft und die Gefahr einer Kreditklemme abgewendet wird, fordere ich an dieser Stelle die Banken
noch einmal auf, die durchaus zur Verfügung stehenden
Finanzierungsmittel der Förderbanken voll einzubeziehen. Bislang lassen viele Banken in dieser Frage eine
viel zu große Zurückhaltung walten, wovon nicht ausgeschöpfte Fördertöpfe ein beredtes Zeugnis ablegen. Für
den Fall, dass sich dieser Zustand nicht bald ändert, hat
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle bereits in
Aussicht gestellt, für einen befristeten Zeitraum vom
Hausbankprinzip abzugehen.
({5})
Die FDP-Bundestagsfraktion hat in den letzten Jahren
stets gefordert, die mittelständischen Unternehmen auf
der Kapitalseite fit zu machen. In der Regierungsverantwortung werden der Bundeswirtschaftsminister und wir,
die FDP-Fraktion, jetzt alles dafür tun, dass diese soeben
ausgesprochene richtige Forderung auch umgesetzt
wird.
Heute rächt es sich, sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, dass Sie in Ihrer Regierungszeit
nichts für den Mittelstand getan haben.
({6})
Wer sich vor Augen führt, dass der Mittelstand hierzulande fast die Hälfte aller Unternehmensumsätze erwirtschaftet und über zwei Drittel aller Arbeitsplätze sowie
fast 80 Prozent aller Ausbildungsplätze stellt, der kann
unser Anliegen nur voll unterstützen.
({7})
Was den vorliegenden Antrag betrifft, sage ich Ihnen:
Verstaatlichung war noch nie eine Alternative zu guter
Wirtschaftspolitik. Ich sehe leider bei Teilen dieses Hauses noch Lernbedarf.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Herr Kollege Breil, das war auch Ihre erste Rede im
Deutschen Bundestag. Herzliche Gratulation und alles
Gute für Ihre weitere Arbeit.
({0})
Das Wort hat nun der Kollege Axel Troost für die
Fraktion Die Linke.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Alle Fraktionen im Haus sehen mit Sorge die schleppende Kreditversorgung und befürchten ernsthafte Engpässe. Wir ziehen daraus aber anscheinend alle völlig
unterschiedliche Schlussfolgerungen.
Die Vorgängerregierung und die neue Bundesregierung üben das Wehklagen und die hohe Kunst des Appellierens: Die Banken sollten bitte, bitte mehr Kredite
vergeben. Es könne doch nicht sein, dass Banken im Kapitalismus nur noch an sich selbst denken. Schließlich
hätten sie eine gesellschaftliche Verantwortung.
Meine Damen und Herren mit wirtschaftspolitischem
Sachverstand, nehmen Sie sich eigentlich mit solchen
Überlegungen noch ernst?
({0})
Wollen Sie dann zum Beispiel in der nächsten Werftenkrise auch an die Stahlindustrie appellieren, den Werften
besseren und günstigeren Stahl zu liefern? Denken Sie
plötzlich an faule und missgünstige Banker, denen man
ins Gewissen reden muss, weil sie kein Interesse mehr
an einem profitträchtigen Geschäft haben?
Die einzige parlamentarische Kraft, die seit vielen
Monaten eine Alternative fordert, ist die Linke, die fordert, dass wir endlich die ideologischen Scheuklappen
ablegen und etwas Wirksames unternehmen.
({1})
Das heißt praktisch: Wir müssen eine realistische Bewertung der Papiere in den Bankbilanzen vornehmen
und dann die Schrottpapiere zwangsweise aus den Bilanzen ausgliedern.
({2})
Die dabei realisierten Verluste müssen die Eigentümer
der Banken tragen, so wie sie vorher jahrzehntelang die
gigantischen Gewinne des Kasinokapitalismus eingestrichen haben.
({3})
Ein solcher Schritt würde das Eigenkapital vieler
Banken ganz oder teilweise aufzehren. Deswegen muss
und soll in einem zweiten Schritt neues Eigenkapital
vom Bund in die Banken eingebracht werden. Das führt
selbstverständlich zu einem Eigentümerwechsel, weil
dieses Kapital auch mit Stimmrechten versehen werden
muss. Aber das ist eben dann auch neues Kapital.
({4})
- Es gibt aber keine Alternative dazu.
({5})
- Wir sehen ja derzeit, was Marktwirtschaft mit zu wenig Eigenkapital in diesem Sektor bewirkt. Es ist logisch, dass das für Sparkassen und Kreditgenossenschaften nicht zutrifft, weil sie keine faulen Papiere und
insofern auch keinen Rekapitalisierungsbedarf haben.
({6})
Sie setzen dagegen auf moralische Appelle und auf
die Übernahme weiterer Risiken zulasten der öffentlichen Hand. Das ist aus unserer Sicht die Strategie eines
perspektivlosen Mittelweges. Hier gilt leider die Volksweisheit: „In Gefahr und höchster Not ist der Mittelweg
der Tod.“ Das stimmt, weil man in der Tat nichts erreicht, dafür aber den öffentlichen Haushalten zunehmend Risiken aufbürdet.
({7})
Die Große Koalition hat im Sommer ein halbherziges
Bad-Bank-Gesetz verabschiedet, das nichts anderes als
ein Mittelweg ist. Es ist genau das passiert, was alle Kritiker schon damals befürchtet haben: Es wirkt überhaupt
nicht und wird nicht angenommen. Keine einzige Bank
hat bisher dieses Instrument auf freiwilliger Basis genutzt. Hier muss in der Tat ein Wechsel vorgenommen
werden. Es kann nicht sein, dass das nur auf freiwilliger
Basis geschieht; denn dann ist in der Tat die Bank, die
das als Erste macht, die Verliererin. Vielmehr muss es
zur Pflicht werden. Damit wird wieder Klarheit in der
Bilanzpolitik der Banken geschaffen.
Ich nehme interessiert zur Kenntnis, dass nun Positionswechsel stattfinden, die letztlich dazu führen, dass
gar nichts passiert. Die Große Koalition gibt es nicht
mehr. Die SPD sagt inzwischen - ich fand die Rede von
Herrn Schneider sehr gut -: Das Prinzip der Freiwilligkeit muss in der Tat überdacht werden. Wir müssen also
etwas anderes machen. - Kollege Toncar von der FDP
hatte in der Debatte über die Errichtung einer Bad Bank
in diesem Hohen Haus gesagt, dass die Bewertungsprobleme mit dem Gesetz nicht gelöst sind und dass Alternativen erforderlich sind. Nun, da die FDP in der Regierung ist, sagen Sie: Wir brauchen keine Veränderungen.
Wir müssen dringend den Weg beschreiten, der seit
langem von Wirtschaftswissenschaftlern wie Professor Huffschmid aus Bremen, vom Nobelpreisträger
Krugman und vom Institut für Wirtschaftsforschung, das
praktikable Vorschläge gemacht hat, gefordert wird. Wir
haben diese Vorschläge in unseren Antrag aufgenom778
men. Wir glauben, dass wir in der Diskussion einen ganzen Schritt weiterkommen müssen.
Danke schön.
({8})
Das Wort hat nun Kollege Ralph Brinkhaus für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann
nur staunen - staunen darüber, dass die Wiedergänger
der Planwirtschaft noch immer unter uns sind.
({0})
Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Linken, dann frage ich mich, wie
es möglich ist, dass Sie mit den gleichen Rezepten, die
bereits einen deutschen Staat gründlich ruiniert haben,
die Folgen der aktuellen Finanzkrise bewältigen wollen.
({1})
Nur zur Erinnerung: Mit den rund 1,3 Billionen Euro,
die wir bis heute in die Sanierung Ihrer Hinterlassenschaften gesteckt haben, könnten wir jede Kreditklemme
beseitigen.
Ich tue mich aber mit der Einschätzung, ob wir uns
tatsächlich in einer aktuellen Kreditklemme befinden,
genauso schwer wie viele Experten; denn in vielen Fällen haben Banken auch gute Gründe dafür, Kredite abzulehnen. Fakt ist aber, dass wir uns in einer riskanten Situation befinden: auf der einen Seite Unternehmen mit
schlechten Ratingdaten, auf der anderen Seite Banken,
deren Eigenkapital durch die Finanzkrise erheblich geschrumpft ist. Deswegen ist es gut, dass wir uns mit
dieser Frage beschäftigen. Die Bundeskanzlerin hat dies
bereits am Mittwoch getan und die Kreditrisiken zum
Schwerpunktthema des Konjunkturgipfels gemacht.
Die neue Bundesregierung setzt damit die vernünftige
und erfolgreiche Politik der Vorgängerregierung zur Bewältigung der Finanzkrise fort. Im Oktober 2008 wurde
in einem bislang einmaligen Vorgang das Finanzsystem
durch massive Staatsgarantien stabilisiert. Wir haben mit
zwei Maßnahmenpaketen die Konjunktur gestützt. Herr
Schick, auf europäischer Ebene wurde die Neuordnung
der Finanzaufsicht nicht zuletzt durch die Initiative von
Angela Merkel eingeleitet.
All diesen Maßnahmen ist eines gemeinsam. Der
Staat hat grundsätzlich nicht in die operativen Entscheidungen einzelner Finanzinstitute eingegriffen, sondern
sich darauf beschränkt, durch Regeln und Anreize Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich habe den Eindruck:
Das haben bis heute viele nicht begriffen. Wir haben
nicht einzelne Banken gerettet, sondern ein System stabilisiert. Insofern sind Debatten darüber, dass wir Geschenke an Banken verteilt haben, nicht zielführend.
({2})
Das ist ordnungspolitisch entscheidend; denn wenn der
Staat beginnt, nicht mehr Systeme, sondern einzelne Unternehmen zu stabilisieren, dann begeben wir uns auf
eine schiefe Ebene. Wenn wir meinen, als Staat grundsätzlich bessere Entscheidungen zu treffen als die Akteure in der Wirtschaft, dann verabschieden wir uns von
der sozialen Marktwirtschaft und steigen wieder in die
Staatswirtschaft ein.
Nicht nur am Beispiel des real existierenden Sozialismus, sondern auch am Beispiel der leider sehr real existierenden Landesbanken haben wir gesehen, dass dies zu
verheerenden Ergebnissen führt.
Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den Linken, ist kein ernst zu nehmender Beitrag in dieser sehr
schwierigen Debatte. Das ist schade. Sie setzen auf Enteignung und Staatswirtschaft, auf Mittel, die die Wirklichkeit längst als untauglich widerlegt hat.
({3})
Sie wollen, dass die KfW und damit der Staat und nicht
mehr die Hausbanken Kreditentscheidungen organisiert.
Sie wollen die privaten Banken verstaatlichen und ihnen
dann vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben.
Sie, Herr Kollege Troost, wollen die Banken auf das Gemeinwohl verpflichten.
({4})
Wer definiert denn eigentlich das Gemeinwohl? Die jeweilige politische Tageslaune oder vielleicht wieder Parteitage von kommunistischen Parteien? Nach welchen
Kriterien in Ihrem Modell Kredite vergeben werden,
kann ich mir lebhaft vorstellen. Wohl kaum nach objektiven wirtschaftlichen Kriterien, sondern wohl eher nach
dem politischen Wohlverhalten. Insbesondere habe ich
meine Zweifel, ob es Ihnen tatsächlich darum geht, eine
Kreditklemme abzuwenden, oder nicht vielmehr um den
Wiedereinstieg in den Sozialismus. Ich habe hier stehen
„durch die Hintertür“, aber Sie haben den Einstieg durch
die Vordertür gefordert.
Ich kann in diesem Zusammenhang nur diejenigen
aus der Wirtschaft warnen, die jetzt nach unternehmerischem Handeln des Staates in der Kreditwirtschaft rufen.
Sie öffnen damit die Büchse der Pandora. Sie leiten damit die schleichende Entmündigung der deutschen Wirtschaft ein. Heute sind es die Banken, morgen ist es die
Energiewirtschaft, übermorgen der Mittelstand. Der
Staat darf daher nicht unternehmerische Entscheidungen
erzwingen, sondern muss sich darauf konzentrieren,
Markt zu ermöglichen, und das ist Aufgabe genug. Ein
funktionierender Markt braucht Regeln, Transparenz
und Stabilität. An diesen Kriterien müssen sich die
Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise messen
lassen.
Ich möchte dies an einigen Beispielen erläutern. Es ist
falsch, die KfW zu einer Geschäftsbank zu machen. Das
hat nicht nur damit zu tun, dass die KfW damit überfordert ist. Schlimmer ist, dass wir damit staatlicherseits in
individuelle betriebswirtschaftliche Entscheidungen des
Kapitalmarkts eingreifen, dass wir uns also anmaßen,
schlauer zu sein als die Firmenkundenbetreuer der
Volksbanken, Sparkassen und Geschäftsbanken vor Ort.
({5})
Es ist dagegen richtig, wenn die KfW Systemstörungen durch Globaldarlehen und andere Maßnahmen auffängt. Wir sollten bei Gelegenheit allerdings einmal darüber diskutieren, ob die Fülle der Maßnahmenpakete
der KfW nicht mittlerweile zu unübersichtlich geworden
ist. Es ist auch richtig, wenn durch KfW-Mittel nur die
Unternehmen gefördert werden, die in der Substanz gesund sind; denn es kann nicht sein, dass der Staat, das
heißt der Steuerzahler, in die Haftung für unternehmerische Fehlentscheidungen genommen wird. Das gilt im
Übrigen auch an anderer Stelle.
Es ist falsch, wenn der Staat im Rahmen von Verbriefungsgarantien schlechte Risiken übernimmt. Bei aller
Notwendigkeit der Ankurbelung des Verbriefungsmarktes: Ein schlechtes Risiko bleibt ein schlechtes Risiko,
auch wenn ich es noch so oft verbriefe. Das gilt genauso
für die Immobilienrisiken in den USA wie für Firmenkredite in Deutschland.
({6})
Im Übrigen birgt gerade die Verbriefung die Gefahr,
dass wir erneut eine Entkoppelung von Kreditvergabe
und Haftung organisieren. So notwendig das Instrument
der Verbriefung auch ist, ich rate hier zur Vorsicht. Es ist
dagegen richtig, wenn im Verbriefungsmarkt auf gesetzlicher Basis einheitliche und transparente Standards gesetzt werden. Denn nur das ist die Aufgabe des Staates:
Rahmenbedingungen für funktionierende Märkte zu
schaffen.
({7})
Es ist falsch, wenn wir die Basel-II-Kriterien zur Eigenkapitalunterlegung lockern. Dies gilt auch für kurzfristige Maßnahmen im Wertpapierbereich; denn gerade
die Trennung von Eigenkapital und Risiko war eine der
entscheidenden Ursachen für die Finanzkrise.
({8})
Es ist dagegen richtig, die Eigenkapitalbasis von Banken
zu stärken, nicht durch Buchungstricks, sondern dadurch, dass Banken aus laufenden, fairen Geschäften
auskömmliche Erträge erwirtschaften. Es ist falsch, die
Probleme der Unternehmen der Realwirtschaft allein auf
die Kreditsituation zu reduzieren. Es ist dagegen richtig,
dass wir uns intensiv auch mit dem Thema Kreditversicherung und Exportabsicherung beschäftigen. Das bewegt viele Mittelständler zurzeit viel mehr als der Zugang zu neuen Krediten. Insofern bin ich sehr froh, dass
dies auf dem Konjunkturgipfel der Bundeskanzlerin angesprochen worden ist.
({9})
Es ist vollkommen falsch, darauf zu setzen, dass verstaatlichte Banken auch nur ein einziges Problem lösen.
Staatlich kontrollierte Banken waren im Gegenteil zu oft
nicht die Lösung, sondern wesentlicher Bestandteil des
Problems, ganz unabhängig davon, wer dort das Sagen
hatte.
({10})
Richtig ist dagegen, auch gegen den Widerstand der EU
und der Privatbanken an unserem dreigliedrigen Bankensystem weiterhin konsequent festzuhalten; denn nur
Vielfalt und Dezentralität garantieren funktionierende
Märkte. Ich mag mir nicht vorstellen, was passiert wäre,
wenn wir uns heute auf ein System von drei oder vier
Geschäftsbanken verlassen müssten.
Letztlich ist die beste Maßnahme gegen eine drohende Kreditkrise die Stärkung der Wirtschaft; denn
starke Unternehmen haben keine Kreditprobleme.
({11})
Es ist daher gut, dass die Koalition heute weitere wachstumsfördernde Maßnahmen beschlossen hat. Das reicht
allerdings nicht. Im Bereich Steuern und Bürokratie gibt
es noch viel zu tun und einiges zu korrigieren.
({12})
Meine Damen und Herren, die Linke versucht, mit
dem vorliegenden Antrag vordergründig Lösungen für
das Problem der Kreditklemme zu entwickeln. Ich habe
Ihnen erläutert, dass ich diesen Ansatz nicht nur für
falsch, sondern auch für gefährlich halte. Das im politisch definierten Ordnungsrahmen stattfindende freie
Spiel der Kräfte - wir nennen dies soziale Marktwirtschaft - ist jedem anderen Wirtschaftssystem überlegen.
Es ist effizienter und im Übrigen auch demokratischer
als alle anderen Versuche, die wir kennen. Ich kann nur
warnen: In jeder Beschneidung der Freiheit der Marktteilnehmer und damit der Menschen liegt der Keim von
totalitären Systemen.
({13})
Die Bevölkerung erwartet von uns Antworten und
keine Ideologie von gestern. Eine zweite Finanzkrise
werden wir nur schwer verkraften. Über neue Wege, um
derartige Krisen zu verhindern, müssen wir daher intensiv nachdenken - kreativ und auch unorthodox, Herr
Kollege Troost. Ich lade Sie ein, dies gemeinsam mit uns
zu tun. Ich lade Sie ein, gemeinsam mit uns und mit mir
darüber zu diskutieren, ob die Dinge, die ich als falsch
bezeichnet habe, falsch sind, und diejenigen Dinge, die
ich als richtig bezeichnet habe, richtig sind. Das muss
aber immer auf Grundlage der sozialen Marktwirtschaft
geschehen; denn sie ist für uns nicht verhandelbar.
({14})
Kollege Brinkhaus, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Dazu gratulieren wir Ihnen recht herzlich.
({0})
Vizepräsidentin Petra Pau
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Peter
Friedrich das Wort.
({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Brinkhaus, ich kann gut verstehen,
dass man sich bei seiner ersten Rede besonders ins Zeug
legen will. Aber nach dem, was Sie hier über den Keim
totalitärer Systeme berichtet haben, muss ich mich schon
fragen, ob Sie versucht haben, den amerikanischen Republikanern zur Ehre zu gereichen. Sind denn die Akteure in England und in den USA - dort ist man an die
Frage, wann der Staat eingreifen müsste oder helfen
könnte, ganz unideologisch herangegangen - alle totalitäre Träumer?
({0})
Ist auch im Handeln der Regierung Obama etwas Totalitäres angelegt?
({1})
Legen Sie einen etwas kleineren Maßstab an. Man kann
über diese Fragen innig und herzhaft streiten.
({2})
Bezüglich der Rahmenbedingungen, von denen Sie
gesprochen haben, stelle ich mir schon die Frage: Fällt
das Schultern von Risiken, die privatwirtschaftlich eingegangen wurden, durch den Staat unter „Schaffung von
Rahmenbedingungen“, oder ist es schon ein Staatseingriff?
({3})
Auch wenn Sie neu dabei sind: Zumindest in der letzten
Legislaturperiode waren wir der Meinung, dass es notwendig ist, dass der Staat da eingreift. Das haben wir
übrigens nicht gerne getan. Ich glaube, keiner hier im
Raum hat es gerne getan. Wir wären froh gewesen, wenn
dieser Kelch an uns vorbeigegangen wäre; aber gleichwohl ist es geschehen.
Wir erleben im Moment eine restriktivere Kreditvergabe. Man kann über das Problem einer Kreditklemme
diskutieren. Ehrlicherweise sollten wir allerdings sagen:
Wir haben von den Banken auch erwartet, dass sie mit
Risiken restriktiver umgehen.
({4})
Diese Erwartung ist vorhanden, und sie muss von den
Banken erfüllt werden.
Es geht aber nicht - das ist der Kern dieser Debatte -,
dass man auf der einen Seite, bei Betriebsmittelkrediten,
bei Investitionsdarlehen usw., besonders restriktiv ist,
während man auf der anderen Seite, im Eigengeschäft,
mit billigem Geld riesige Gewinne erzielt. Wir werden
im nächsten Jahr wahrscheinlich erleben, dass es eine
neue Boni-Orgie und gleichzeitig eine Kreditklemme
beim Mittelstand geben wird. Das ist etwas, was Politik
aus meiner Sicht angehen muss. Darüber sollten wir miteinander diskutieren.
({5})
Auch wenn ich diesen Antrag inhaltlich nicht teile,
bin ich froh, dass die Linke diesen Antrag vorgelegt hat
und dass wir die Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. Ich finde auch gut, dass die Staatssekretäre anwesend sind. Aber der Kollege Schick hat schon recht: Es
wäre doch interessant gewesen, zu erfahren, was auf diesem Gipfel besprochen und auf den Weg gebracht
wurde. Bisher sind wir auf Interpretationen angewiesen,
wobei einige von denen, die diese Interpretationen vorgenommen hatten, schon wieder zurückgerudert sind.
({6})
Ich möchte an die Performance des Bundeswirtschaftsministers diese Woche erinnern:
({7})
Der Bundeswirtschaftsminister hat am Mittwoch die erstaunte Öffentlichkeit wissen lassen, dass man jetzt notfalls regulatorisch eingreifen müsse und er deshalb an
regulatorische Maßnahmen denke. Daraus ist die Idee
entstanden, einen Kreditmediator einzusetzen, wie ich
eben gelernt habe. Jetzt kann man sich fragen, ob auch
das eine regulatorische Maßnahme ist. Ich glaube, nicht.
Wir werden sehen, ob es eine erfolgreiche Maßnahme
ist. Wir halten die Idee nicht für falsch. Ob alles so
glücklich gewählt ist - ich denke da an den Weg der Besetzung und der Dotierung -, darüber kann man streiten.
Aber mit diesem Ansatz, jetzt müsse man über regulatorische Maßnahmen reden, ist er dann in den Wirtschaftsausschuss gekommen, hat tief Luft geholt, die
Lippen gespitzt, die Backen aufgeblasen und uns dann
eine Stunde lang erklärt, welche Instrumente er alle nicht
will, hat aber nicht gesagt, über welche Instrumente wir
eigentlich reden müssten.
Mit dieser Handvoll Nichts ist er dann in den Gipfel
marschiert, wo offensichtlich Herr Ackermann etwas aus
dem Ärmel gezogen hat, um die Banken aus der Schusslinie zu bringen. Anschließend hat der Herr Brüderle
dann gejubelt: Ohne Staat geht es auch. - Was denn?
Was geht denn auch ohne den Staat? Wir wissen es ja
nicht; denn bei den Ergebnissen Ihrer Gipfel muss man
ja vorsichtig sein. Ich glaube, jeder Bürger, der ein ernst
zu nehmendes Problem hat, muss Sorge haben, dass sein
Problem irgendwann ein Gipfelthema wird. Nach dem
Bildungsgipfel, dem Schweinegrippegipfel und jetzt
dem Kreditgipfel hatte man jeweils den Eindruck, das
Ergebnis ist, dass man alles hemmungslos vertagt und ja
nicht sagt, was man zu tun gedenkt.
({8})
Zu den Beschlüssen des Kreditgipfels gibt es jetzt drei
unterschiedliche Interpretationsvarianten.
Die eine Variante lautet: Es soll einen Beteiligungsfonds oder etwas Ähnliches für den Mittelstand geben.
Ich sage ausdrücklich hinzu: Ich fände es eine gute Idee,
wenn wir es machen würden. Der Vorschlag der Mittelstandsanleihe ist diskutiert worden. Ich halte das für
eine gute Sache, wenn wir jetzt versuchen, gerade mittelständischen Unternehmen direkt bei ihrer Eigenkapitalausstattung zu helfen. Aber man muss auch einmal die
Dimensionen beleuchten. Es ist von einer Größenordnung von 300 Millionen Euro die Rede. Doch allein in
Baden-Württemberg besteht aufgrund des in der jetzigen
Krisensituation abschmelzenden Eigenkapitals ein Bedarf von rund 1 Milliarde Euro - und das nur für ein
Bundesland. Nicht mehr als ein „Nasenwässerle“ ist also
dieses Ergebnis eines Gipfels, mit dem man angeblich
den Mittelstand gegen die Kreditklemme fit machen
wollte. Das ist doch, mit Verlaub, lächerlich.
({9})
Bei der zweiten Variante, von der man gehört hat, soll
es darum gehen, schon vorhandene Kredite auszulagern
und mit einem neuen Risikoschirm abzusichern. Im
Tagesspiegel - ich weiß nicht, ob es stimmt - steht dazu:
Weitere Punkte, die Thema des Treffens im Kanzleramt waren, werden nun bis Februar in Arbeitsgruppen geprüft.
- Das ist eine bekannte Arbeitsmethode. Dazu gehört die Idee, dass die Staatsbank KfW für
Kredite einstehen soll, die Banken an Unternehmen
ausreichen.
Wenn das zu dem Effekt führt, dass die Banken erneut
sozusagen die schlechten Äpfel in einen weiteren Korb
tun und sich von Krediten, die sie eingegangen sind, freimachen dürfen, aber nicht gleichzeitig verpflichtet werden, neue Kredite bzw. neue Hilfen für den Mittelstand
zur Verfügung zu stellen,
({10})
dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das
nichts anderes, als mal wieder die Verluste zu sozialisieren und die Gewinne zu privatisieren.
({11})
Diese Idee bedeutet doch nichts anderes, als dass Sie den
Banken erlauben, ihre faulen Äpfel auszusortieren, während nichts neues Gutes geschaffen wird.
({12})
Das, was mich doch interessieren würde, ist die Auflösung des Gegensatzes, den ich eben auch hier wieder
vernommen habe: Von Herrn Breil wurde vorhin gesagt,
Herr Brüderle würde ausdrücklich vorschlagen, dass die
KfW sozusagen direkt ins Geschäft kommen soll. Auch
im Wirtschaftsausschuss hieß es, dass das das Mittel der
Wahl sei. Im Finanzausschuss hieß es dagegen, dass
solle auf gar keinen Fall geschehen. - Was ist denn nun
eigentlich Stand der Dinge?
({13})
Verantwortliches Regierungshandeln wäre es gewesen, in der derzeitigen Krisensituation, in der Mittelständler mit Banken über die sensible Frage diskutieren,
ob sie einen Kredit bekommen oder nicht, heute einmal
die Karten auf den Tisch des Hauses zu legen - sei es
auch auf Antrag der Linksfraktion - und zu sagen, wohin
die Reise eigentlich geht,
({14})
statt sich - am besten noch von Herrn Ackermann noch die Agenda für diese Krise schreiben zu lassen. Ich
glaube, den Fehler hat die Regierung lange genug gemacht. Dazu haben wir manchmal mit beigetragen, aber
spätestens jetzt wäre doch der Zeitpunkt, es zu korrigieren.
({15})
Das Wort hat der Kollege Björn Sänger für die FDPFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Es gibt in einem der sozialen Netzwerke im Internet eine Gruppe, die da heißt: „Ich leb in meiner eigenen Welt. Das ist OK, man kennt mich dort.“
({0})
In dieser Gruppe wäre der vorliegende Antrag ein angemessener Forenbeitrag.
({1})
Dabei kann ich den Analyseteil des Antrags zum
Teil noch nachvollziehen. Es ist ja so: Die Kreditvergabe
seitens der Banken ist restriktiver geworden. Ich nenne
einen Bereich: Das Handwerk, der größte Arbeitgeber
und größte Ausbilder des Landes, stellt einen Rückgang
des Gesamtkreditbestandes um gut 6 Prozent fest. Im
Bereich der kurzfristigen Finanzierungen sind es
8 Prozent. 30 Prozent der Handwerksunternehmen haben in einer Blitzumfrage der KfW zur Finanzierungssituation angegeben, dass die Liquiditätslinien in den
letzten drei Monaten reduziert wurden. Diese Signale
müssen uns nachdenklich stimmen, aber nicht zwingend
beunruhigen.
Wie ist die Ausgangslage? Wir befinden uns in einer
krisenhaften konjunkturellen Situation. Die Kreditwirtschaft ist überwiegend durch eigenes Verschulden
- das muss man dazusagen - kräftig durchgerüttelt worden, und das Vertrauen fehlt. Da ist es doch vollkommen
normal, wenn bei der Kreditvergabe genauer hingesehen
wird und das eine oder andere Risiko, das man vor der
Krise noch durchgewunken hätte, jetzt auch im monetären Sinne anders bewertet wird. Dieser Mechanismus ist
in einer marktwirtschaftlichen Ordnung vollkommen
normal.
({2})
Nicht normal ist es allerdings, wenn man Pferde zur
Tränke führt und diese dann nicht saufen. Denn man
kann nicht behaupten, dass der Kreditwirtschaft nicht
in ausreichendem Maße geholfen worden wäre, sodass
sie ein normales Kreditgeschäft nicht hätte wiederaufnehmen können.
Ich war unlängst bei einer Veranstaltung einer großen
deutschen Bank und war froh, dort zu erfahren, dass zum
Kerngeschäft einer Bank tatsächlich das Kreditgeschäft
gehört
({3})
und dass dieses Geschäft schlussendlich die Dienstleistung ist, die eine Bank in unserer sozialen Marktwirtschaft zu erbringen hat.
({4})
Angesichts der vorgenannten Zahlen hätte man auch annehmen können, dass dieses Wissen dort nicht mehr vorhanden ist.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von
den Linken, dieses Defizit betrifft eben nicht nur den privaten Sektor. Es betrifft auch Sparkassen und Volksbanken; denn das Handwerk ist ebenfalls sehr stark - ich
sagte es bereits - von zurückhaltender Kreditvergabe betroffen. Das Handwerk ist zum überwiegenden Teil
Kunde dieser Bankengruppe. Man muss schon sehr verquer denken, wenn man als Lösung des Problems jetzt
präsentiert, die privaten Banken in die öffentliche Hand
zu überführen. Ich habe zwar von Ihnen nichts anderes
erwartet; aber denken Sie einmal in Ruhe darüber nach:
HSH Nordbank, WestLB, LBBW, Bayern LB - das sind
doch nun wirklich keine Erfolgsstorys der jüngsten Vergangenheit.
({5})
Es ist doch ausgeprägte Misswirtschaft gewesen, was
diese staatlich gesteuerten Banken da getrieben haben.
Was erreichen Sie denn, wenn Ihrer Forderung stattgegeben würde? Sie würden damit doch nur erreichen,
dass die nächste Krise kommt. Wenn Kredite nämlich
nach politischen Gesichtspunkten vergeben werden ({6})
darauf läuft ja Ihre Forderung hinaus, politisch Tätige an
den Entscheidungsverfahren in irgendeiner Form zu beteiligen; dabei ist es aus meiner Sicht vollkommen egal,
ob die politisch Tätigen schwarz oder rot sind -, dann
entstehen Vetternwirtschaft, Amigo-Systeme oder - damit auch Sie das verstehen - Seilschaften.
({7})
Das führt zu keiner sachgerechten Kreditvergabe.
Wir müssen vielmehr den Kern des Problems angehen. Der Kern des Problems ist eine mangelhafte Eigenkapitalausstattung. Dafür brauchen wir Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass Eigenkapital entsteht.
({8})
Einige dieser Rahmenbedingungen haben wir mit unserem Sofortprogramm, dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, heute früh auf die Schiene gesetzt.
({9})
Weitere Maßnahmen werden folgen, zum Beispiel eine
verbesserte Mitarbeiterbeteiligung. Denn wir wollen
ein Volk von Eigentümern und kein Volkseigentum.
({10})
Ich fasse zusammen: Die Lage auf dem Kreditmarkt
muss nachdenklich machen. Wir sehen aber, dass die
Marktkräfte wirken. In diesem Zusammenhang müssen
diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen
sehen, wie sich das Angebot der Branche, mithilfe eines
Fonds nachrangiges Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, entwickelt.
Ihr Vorschlag, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linken, führt jedenfalls auf keinen Fall dazu,
eine Verbesserung im Sinne des großen Ganzen zu erreichen. Der vorliegende Antrag passt in die Welt der Linken, aber nicht in die Realität der Bundesrepublik
Deutschland.
Herzlichen Dank.
({11})
Kollege Sänger, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Wir wünschen Ihnen Erfolg in Ihrer
weiteren Arbeit.
({0})
Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Heider für die
Unionsfraktion.
({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe nach der bisherigen Debatte den Eindruck, dass
wir gemeinsam feststellen können, dass das Vertrauen in
die Märkte noch nicht zurückgekehrt ist. Auch wenn
sich die Wirtschaftsprognosen zunehmend verbessern,
sind wir noch ein gutes Stück von der Bewältigung dieser Wirtschaftskrise entfernt.
Einer der Sensoren für das Vertrauen im Markt ist die
Kreditvergabe. Von einer flächendeckenden Kreditklemme - ich denke, auch das ist unsere gemeinsame
Meinung - kann zum jetzigen Zeitpunkt keine Rede
sein; davon sind wir noch entfernt. Die Unternehmen
müssen sich jedoch 2010 mit Geschäftszahlen um Finanzierungsmittel bemühen, die durch diese Krise gekennzeichnet sind.
Die in diesen Tagen viel zitierte Umfrage des IfoInstituts, laut der 42,9 Prozent der Unternehmen angeben, die Kreditvergabe der Banken sei restriktiv, müssen
wir uns genau ansehen. Blickt man über den jetzt von Ifo
im Vergleich zum Vormonat festgestellten Anstieg weiter zurück auf die Zahlen der anderen Monate, erkennt
man, dass im Juli der bisherige Höhepunkt bei der Skepsis gegenüber der Kreditvergabe erreicht worden war.
Tendenziell befinden wir uns also auf einem Weg der
Besserung. Gleichzeitig stieg nach den Zahlen der Bundesbank im zweiten Quartal 2009 das Volumen der insgesamt an inländische Unternehmen vergebenen
Kredite auf den Allzeitspitzenwert von 985 Milliarden
Euro. Auch heute bewegen wir uns mit 967 Milliarden
Euro noch auf einem Niveau, das um mehr als ein Drittel
über dem Niveau von 2005, dem Jahr des Endes der rotgrünen Koalition, liegt.
({0})
Die Diskrepanz des tatsächlichen Volumens gegenüber
der gefühlten Bereitschaft zur Kreditvergabe fällt auf.
Weitere Umfragen wie etwa das jüngst erschienene
Deutsche Mittelstandsbarometer weisen empirisch für
Baugewerbe, Einzelhandel und Handwerk sogar eine
noch viel höhere Finanzierungsproblematik auf, als das
für das verarbeitende Gewerbe der Fall ist.
Das alles macht deutlich: Es wäre unzutreffend, die
gesamte deutsche Wirtschaft über einen Leisten zu
schlagen.
({1})
Richtig ist vielmehr, dass man abseits von Umfragen und
Statistiken die von vielen Unternehmen beanstandeten
Restriktionen konkret benennen kann. Es sind die gebotenen Konditionen, die verlangten Sicherheiten und die
den Unternehmen abverlangte Transparenz. Nach
Basel II hängt die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens
in erster Linie von harten Faktoren, vornehmlich dem
Eigenkapital, ab,
({2})
aber auch von weichen Faktoren wie Organisation, Risikomanagement etc. Gerade das Eigenkapital - wir haben
das schon mehrfach gehört - und die Liquidität sind bei
vielen Unternehmen in diesem Jahr stark angegriffen
worden. Insbesondere mittelständische Unternehmen haben deshalb Anlass, kritisch in das Jahr 2010 zu blicken.
Wie ernst die Probleme in den Regionen Deutschlands genommen werden, zeigt die große Resonanz auf
Informationsveranstaltungen unserer Industrie- und
Handelskammern zu Liquiditätsfragen und zu den Bürgschaftsprogrammen. Um es an dieser Stelle deutlich zu
sagen: Die Arbeit, die dort jetzt in der Krise geleistet
wird, ist vorbildlich.
({3})
Gleichermaßen ist das Engagement der Sparkassen
und Genossenschaftsbanken zu loben, die in der Unternehmensfinanzierung vor Ort für Unternehmen und
Handwerksbetriebe aller Größenordnungen tätig sind. Es
ist wichtig, dass sie das auch in der Krise weiterhin tun.
({4})
Für viele kleine Mittelständler hängt das unternehmerische Überleben von Bürgschaften und Krediten in
Höhe von 100 000 oder 150 000 Euro ab. Das Hausbankenprinzip abzuschaffen, wie es die Linke fordert, ist vor
diesem Hintergrund deshalb eher Steine als Brot für die
Praxis.
({5})
Im Gegenteil: Würde sich die KfW die Ergebnisse der
Vorprüfung der Hausbanken zu eigen machen, ließen
sich gegebenenfalls Doppelarbeiten sparen. Ich füge
hinzu: Eine stärkere Berücksichtigung der zukunftsgerichteten Planungszahlen und auch der sogenannten weichen Faktoren wäre bei der Bewertung der nachfragenden Unternehmen wichtig.
Auch die zum Teil durchschnittlich bei vier bis sechs
Wochen liegende Bearbeitungszeit wäre optimierbar.
Der Vorstandsvorsitzende der KfW, Dr. Schröder, hat in
dieser Woche dem Wirtschaftsausschuss dazu berichtet,
es sei möglich, diese auf zehn Tage zu reduzieren. Wir
werden daran erinnern.
({6})
Mehr Effizienz und Zeitersparnis für die Antragsteller
könnten das Ergebnis sein. Auch das hilft den Unternehmen. Wir brauchen deshalb eine bessere und schnellere
Zusammenarbeit der KfW mit den Hausbanken.
Als Ergebnis des Konjunkturgipfels vom vergangenen Mittwoch ist hervorzuheben, dass alle Bankinstitute
durch freiwillige Maßnahmen dem Mittelstand bei der
Kreditversorgung helfen werden. Das ist eine gute Entscheidung. Herr Kollege Breil hat vorhin einige Leistungsmerkmale des Mittelstandes genannt; ich füge
eines hinzu, dass 2008 mehr als 50 Prozent aller Unternehmensinvestitionen von mittelständischen Unternehmen getätigt worden sind. Auch an diesen Unternehmen
hängen viele Arbeitsplätze.
Ich darf stellvertretend für meinen Wahlkreis im Sauerland als eine Region in Deutschland, die mit ihrer Automobilzuliefererindustrie besonders dramatisch von
Kurzarbeit gezeichnet ist, festhalten: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien haben hohe
Erwartungen, dass unternehmerisches Handeln in den
nächsten Jahren trotz der Auswirkungen der Krise möglich bleibt.
({7})
Damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu Beginn des kommenden Aufschwungs sichergestellt werden kann, braucht es Liquidität und Kapital
für Investitionen, auch wenn das Geschäftsjahr 2009 bei
vielen Unternehmen eine Delle aufweist.
Ein Kreditmediator nach französischem Vorbild,
dessen Einsetzung geplant ist, kann dort helfen, wo mangelndes Vertrauen das Geschäft hemmt. Er muss dazu
das Vertrauen von Banken und Unternehmen genießen
und schnell, unbürokratisch und vor allem unentgeltlich
arbeiten. Ich betone das, weil Mediationsverfahren normalerweise sehr teuer sind. Das kann sich der Mittelstand nicht leisten.
Wir als CDU/CSU begrüßen es daher, dass die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung das Heft des Handelns in der Hand halten und zu diesem Zeitpunkt ein
deutliches Signal an die Akteure auf dem Kreditmarkt
senden. Das Signal lautet: sich im Kreditgeschäft stärker
zu engagieren und nicht den günstigen Basiszinssatz für
die Verbesserung der eigenen Geschäftsergebnisse zu
verfrühstücken.
({8})
Vertrauen ist und bleibt das einzige Kapital, das niemand von außen den Akteuren auf den Finanzmärkten
zuführen kann. Das gilt übrigens unabhängig für alle
Bankinstitute auf dieser Welt und unabhängig davon, ob
es sich um ein privates oder um ein staatliches Institut
handelt. Das Schicksal der Landesbanken ist uns ein
mahnendes Beispiel dafür, dass es nicht gut ist, staatliche Instanzen dauerhaft mit Bankdienstleistungen zu betrauen. Ausnahmen im Reparaturbetrieb mögen in dieser
Krise übergangsweise geboten sein. Von den globalen
Verwerfungen auf den Finanzmärkten sind alle überrascht. An den Kontrollinstrumenten ist deshalb zu arbeiten. Ich sage zum Schluss aber auch: Privates Eigentum von Banken und die Vertragsfreiheit, an die die
Linke heute die Axt anlegen will, stehen für die CDU/
CSU-Fraktion trotz Krisenzeiten in der sozialen Marktwirtschaft nicht zur Disposition.
Vielen Dank.
({9})
Kollege Heider, wir gratulieren auch Ihnen zu Ihrer
ersten Rede im Deutschen Bundestag und wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/118 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten
Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch
- Drucksache 17/41 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({1})
- Drucksache 17/137 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Carsten Linnemann
- Bericht des Haushaltsausschusses ({2})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 17/143 Berichterstattung:
Abgeordnete Axel E. Fischer ({3})
Bettina Hagedorn
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Gesine Lötzsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Bundesbeteiligung bei Kosten der Unterkunft
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhöhen
- Drucksachen 17/75, 17/137 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Carsten Linnemann
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe.
({5})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Gesetz, mit dem wir uns heute hier beschäftigen,
wird von manchen in den Fokus gerückt, obwohl es
schlicht das gesetzgeberische Nachvollziehen eines festgelegten Mechanismus ist - festgelegt nicht durch Willkür oder Anmaßung, sondern durch gesetzgeberisches
Handeln von Bundestag und Bundesrat. In diesem Sinne
setzen wir die errechnete Beteiligung des Bundes an den
kommunalen Leistungen für Unterkunft und Heizung für
das Jahr 2010 fest.
Jeder weiß, dass diese Festsetzung eine lange und oft
mit Streit versehene Vorgeschichte hat. Es ging immer
darum, dass den Kommunen seinerzeit im Zuge der Umstellung zugesagt worden ist, um 2,5 Milliarden Euro
entlastet zu werden. Es war immer strittig, was das konkret bedeutet. Der frühere Wirtschafts- und Arbeitsminister Clement war beispielsweise der Meinung, der
Bund müsse sich überhaupt nicht an den Kosten für Unterkunft und Heizung beteiligen, weil die Entlastung der
Kommunen um 2,5 Milliarden Euro schon ohne die
Bundesbeteiligung erreicht werde. Dem hat die CDU/
CSU immer widersprochen; sie hat in der Großen Koalition durchgesetzt, dass sich der Bund in angemessener
Weise an den Kosten beteiligt.
({0})
Allerdings war es in den kommenden Jahren nicht
möglich, zu einem streitfreien, objektivierbaren Maßstab
zu kommen. Das ist verständlich, wenn man berücksichtigt, dass man hierbei immer länger einen fiktiven Zustand fortschreiben müsste, den es aufgrund einer anderen
Rechtslage gar nicht mehr gibt. Das ist die Vorgeschichte
dazu, dass die Bundesländer selbst seinerzeit den Vorschlag gemacht haben, dass sich der Bund dann stärker
an den Kosten der Unterkunft beteiligen soll, wenn die
Zahl der Bedarfsgemeinschaften steigt, bzw. umgekehrt.
Genau das wurde 2006 einvernehmlich vereinbart, im
Übrigen einschließlich der besonderen Quoten für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
({1})
Es gibt auch einen guten Grund, zu sagen: Der Bund
soll in dem Maße haften, in dem sich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften verändert, weil er mit seiner Gesetzgebung in der Tat Einfluss darauf hat. Ich erinnere an
das, was Rot-Grün seinerzeit gemacht hat: Es wurde
festgelegt, dass jeder, der zu Hause ausziehen will, dies
tun kann und den 100-prozentigen Regelsatz erhält; die
Gemeinschaft der Steuerzahler hatte selbstverständlich
die Kosten für die Warmmiete der neuen Wohnungen zu
tragen. Das war rot-grüne Politik. Das führte zu einem
explosionsartigen Anstieg der Zahl der Bedarfsgemeinschaften.
Die Große Koalition hat dafür gesorgt, dass dieser
Unsinn aufhört. So ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften nicht mehr so explosionsartig gestiegen. Man mag
dazu stehen, wie man will; aber es macht deutlich, dass
der Bund tatsächlich in der Lage ist, durch gesetzgeberisches Handeln auf die Zahl der Bedarfsgemeinschaften
Einfluss zu nehmen. Die Große Koalition hat noch stärker darauf Einfluss genommen, indem sie durch eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik die Zahl der Arbeitslosen
und damit auch die Zahl der Bedarfsgemeinschaften reduziert hat. Dadurch sank gemäß der Formel, die einvernehmlich mit den Ländern vereinbart worden ist, eben
auch die Höhe der Bundesbeteiligung. Das, nichts anderes, ist die Grundlage des Gesetzes, das wir heute auf
den Weg bringen.
Ich will daran erinnern, dass die Frage der Kostenbeteiligung im letzten Jahr erneut das Thema der Debatten
zwischen Bund und Ländern war. In der Folge wurde erneut eine Kompromisslösung vereinbart, die auch das
Thema der Beteiligung des Bundes an den Kosten der
Grundsicherung im Alter umfasste. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Beteiligung des Bundes an den Kosten für
die Grundsicherung im Alter auf etwa 409 Millionen
Euro begrenzt; das ist der Betrag von 800 Millionen
D-Mark - umgerechnet in Euro -, der im Jahr 2003 bei
der Einführung der Grundsicherung im Alter festgelegt
worden ist. Es handelte sich bisher um einen absoluten
Betrag. Im vergangenen Jahr hat der Bund nun erhebliche Zugeständnisse gemacht: Er hat sich verpflichtet,
sich prozentual an den Kosten zu beteiligen und diesen
Anteil zu steigern, und zwar bis auf 16 Prozent im Jahr
2012, was erheblich mehr ist als das, was vorher vereinbart war.
Im Gegenzug ist mit den Ländern vereinbart worden
- das wurde von den Ländern ausdrücklich zugestanden -, dass wir die Formel für die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung unbefristet anwenden. Das ist die Vereinbarung, die wir vor gut
einem Jahr getroffen haben. Ich finde, die Halbwertszeit
solcher Vereinbarungen sollte so lang sein, dass man im
Folgejahr daran festhält und entsprechend kalkulieren
kann. Nichts anderes sieht der Gesetzentwurf vor, den
wir heute vorlegen.
Es geht hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, also
nicht um Prinzipienreiterei nach dem Motto: Das ist einmal vereinbart worden und muss für immer so bleiben.
Vielmehr ist das, was wir vereinbart haben, sachgerecht.
Deswegen werben wir hier um Ihre Zustimmung.
({2})
Ich möchte deutlich darauf hinweisen, dass dies nach
Überzeugung der Bundesregierung ein sachgerechter
Weg ist, wenngleich uns die finanziellen Sorgen der
Kommunen bekannt sind. Deswegen will ich noch einmal deutlich machen, dass es bei all den Änderungen,
die es in den letzten Jahren gegeben hat, immer wieder
auch Zugeständnisse an die kommunale Seite gegeben
hat. Die Bundesregierung ist auf all diesen Gebieten, bei
denen es auch um ein Miteinander von Bund und Kommunen geht, sehr an einem partnerschaftlichen Miteinander interessiert. Die Wählerinnen und Wähler haben
eine Bundesregierung gewählt, die stärker, als das in der
Vergangenheit der Fall war, das Miteinander mit den
Kommunen und einen partnerschaftlichen Umgang
sucht.
({3})
Auch dafür steht diese Bundesregierung.
({4})
Lassen Sie mich abschließend ein Wort zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPD sagen: Wir haben uns
nicht die Illusion gemacht, dass Sie sich nicht sehr
schnell von dem verabschieden, was gemeinsame Politik
gewesen ist. Das werden Sie in der Rentenpolitik machen. Das machen Sie in der Arbeitsmarktpolitik und in
der Sozialpolitik.
({5})
Ich will Ihnen keinen Rat geben. Ich weiß, dass Sie sich
in einem Höhenflug befinden; laut Forsa sind Ihre Umfragewerte von 19 auf 20 Prozent gestiegen. Ihnen in einer solchen Phase Ratschläge zu geben, wird wahrscheinlich nicht viel bringen. Aber ich finde, indem Sie
sich nicht dazu durchringen können, hier einen Gesetzentwurf mitzutragen, den Olaf Scholz eingebracht hat,
fangen Sie ein bisschen früh damit an, sich von gemeinsamer Politik zu verabschieden. Vielleicht denken Sie
darüber noch einmal nach. Ich bitte um Zustimmung zu
diesem guten Gesetzentwurf der Bundesregierung.
({6})
Das Wort hat die Kollegin Angelika Krüger-Leißner
für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich Folgendes vor: Das Berliner
Olympiastadion ist bis auf den letzten Platz gefüllt,
74 000 Zuschauer erwarten das Finale im Hindernislauf,
({0})
der Startschuss fällt, und Deutschland läuft in die verkehrte Richtung. Ich gebe zu, das ist ein eher ungewöhnliches Bild, doch das passiert, wenn man den Startblock
falsch herum aufstellt.
({1})
Nichts anderes hat Schwarz-Gelb mit dem Koalitionsvertrag gemacht. Das ging los mit dem geplanten
60 Milliarden Euro teuren Schattenhaushalt, setzte sich
heute mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz fort
und mündet in einer katastrophalen Arbeitsmarktpolitik.
({2})
Das heute von Ihnen wider besseres Wissen beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die Grundlage für die Geschäfte mit den Kommunen entscheidend
verändert.
({3})
Dieses Gesetz wird die Länder und Kommunen laut
Bundesregierung in 2010 rund 3,8 Milliarden Euro kosten. Die neueste Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung geht von Mindereinnahmen der Kommunen in
Höhe von 1,1 Milliarden Euro aus. Sie haben damit den
Bund, die Länder und die Kommunen um Kopf und Kragen gerechnet, und dies nur, um zweifelhafte Präsente
unter die Leute zu bringen.
({4})
Sie haben Klientelpolitik mit Wirtschaftspolitik verwechselt
({5})
und unserem Land in ohnehin schwierigen Zeiten eine
Hypothek aufgeladen, die wahrscheinlich auch unsere
Kinder und Enkelkinder nicht tilgen können. Tun Sie mir
deswegen bitte den Gefallen und reden Sie nicht mehr
von einem Wachstumsbeschleunigungsgesetz; denn das
ist es überhaupt nicht, eher ein Schuldenaufbau- und Investitionsverhinderungsgesetz.
({6})
- Warten Sie es ab.
Ihr Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein hat erkannt, dass das in genau diese Richtung geht. Er redet
von Stellenabbau im öffentlichen Dienst und von Kürzungen im sozialen Bereich. Ihr Gesetz wird die Situation in den Ländern und Kommunen noch einmal deutlich verschärfen. Das ist Fakt.
({7})
Das ist erst der Anfang einer schwarz-gelben Politik der
sozialen Kälte. Viele Ihrer Kollegen haben das sehr wohl
erkannt.
Im Schatten dieser verheerenden Entscheidung von
heute Morgen, die insbesondere die Kommunen betrifft,
steht der zu beratende Gesetzentwurf. Formal hat der
Staatssekretär recht: Dieser Gesetzentwurf ist nichts
Neues. Es geht um die jährliche Anpassung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft.
({8})
- Von da kam viel Gutes.
({9})
Aber das, was Sie hinzugetan haben, hat das verändert.
Jetzt passen Sie weiter auf!
({10})
Wenn sich die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften
verändert, verändern sich auch die Berechnungsgrundlagen. Auf dieses Verfahren hatten wir uns mit den LänAngelika Krüger-Leißner
dern gemeinsam verständigt. Wir haben 2008 zum ersten
Mal diese Formel angewandt.
({11})
Viele werden sich noch daran erinnern, dass das vorher
äußerst schwierig war. Bei den Verhandlungen mit den
Ländern gab es jedes Jahr ein Gefeilsche um die Bundesbeteiligung; es war wie auf einem Basar. Mit dieser Berechnungsformel hatten wir endlich eine nachvollziehbare und transparente Grundlage.
({12})
Grundsätzlich hätten wir diesem Kompromiss zugestimmt. Wir hätten ihn mittragen können. Aber die damalige Verständigung zwischen Bund und Ländern erfolgte auf einer Geschäftsgrundlage, die es künftig nicht
mehr geben wird. Mit Ihrem desaströsen kommunalfeindlichen Gesetz, das Sie heute verabschiedet haben,
haben Sie den Boden, den wir bereitet haben, verlassen
und treiben die Kommunen in den finanziellen Ruin.
({13})
Auf die Bemerkung des Staatssekretärs möchte ich
mit Bedauern sagen: In der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus
der Union, mit unserem Ausscheiden aus der Regierungsverantwortung anscheinend den Kompass verloren.
({14})
Für das, was Sie, insbesondere im Bereich der Grundsicherung, vorhaben, bekommen Sie keine Rückendeckung. Der heute zur Debatte stehende Gesetzentwurf zu
den Kosten der Unterkunft macht das im Zusammenhang mit weiteren arbeitsmarkt- und sozialpolitischen
Vorhaben Ihrer Koalition ganz deutlich.
Sie alle wissen, dass die Kosten der Unterkunft von
drei wesentlichen Faktoren bestimmt werden: Mieten,
Energiekosten und Anzahl der Bedarfsgemeinschaften.
Wir haben in der Anhörung bestätigt bekommen, dass
sich - auch wenn von Ihnen das Gegenteil behauptet
wird ({15})
die Mieten und die Energiekosten größtenteils dem kommunalen Einfluss entziehen. Zum einen gibt es den
regionalen Mietspiegel, an dem sich die Mieten orientieren, zum anderen gibt es die Entscheidungen der Sozialgerichte über die Angemessenheit der Miete. Insofern ist
die kommunale Steuerungsmöglichkeit äußerst gering.
Kollegin Krüger-Leißner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schiewerling?
Vielleicht am Ende. - Was auf dem Energiemarkt los
ist, brauche ich Ihnen, glaube ich, nicht zu erklären. Es
bleibt also nur die Steuerung über die Bedarfsgemeinschaften. Dafür haben wir die Instrumente der aktiven
Arbeitsmarktpolitik. Aber wenn es nach Ihrem Willen
geht, sollen nach den gerade erst erfolgten Arbeitsmarktreformen weitere Reformen durchgeführt werden,
durch die die Zahl der Instrumente deutlich reduziert
werden soll. Ich frage Sie: Wie wollen Sie den besonderen Bedarfen der Bezieher von Arbeitslosengeld I und II
gerecht werden, wenn Sie die Zahl der Instrumente weiter reduzieren? Das läuft auf eine Gleichmacherei auf
dem Rücken der Hilfebedürftigen hinaus.
Dem allen setzen Sie noch eine Krone auf, indem Sie
Ihre Vorstellungen von der getrennten Aufgabenträgerschaft für die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitlosen umsetzen wollen. Das gleicht einem politischen Blindflug; damit manövrieren Sie sich endgültig
ins Abseits. Zwei Verwaltungen, die für ein Leistungsgesetz zuständig sind - das darf nicht die Organisationsform sein, mit der sich Millionen von Bürgern künftig
auseinandersetzen müssen. Ganz nebenbei bemerkt, Sie
hebeln damit auch Ihr eigenes Argument aus, dass die
Kommunen über die aktive Arbeitsmarktpolitik in der
Trägerversammlung mitentscheiden und damit Einfluss
auf die Kosten der Unterkunft nehmen können. Das
macht nach Ihren Plänen künftig die Bundesagentur für
Arbeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und
der FDP, ich glaube, Ihnen sind die Auswirkungen nicht
bewusst. Insgesamt ist deutlich geworden, dass aufgrund
der kommunalfeindlichen Politik, die Sie anstreben und
durchsetzen, unsere Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf nicht mehr möglich ist.
({0})
Zudem hat die Anhörung gezeigt, dass eine derart vergangenheitsbezogene Betrachtung der Entwicklung der
Bedarfsgemeinschaften nicht mehr ausreichend ist; das
müssen wir eingestehen. Es ist darum an der Zeit,
schnellstmöglich eine modifizierte, nachvollziehbarere
und differenziertere Berechnungsgrundlage zu finden.
Aktuellere Daten, regionale Unterschiede und die Größe
der Bedarfsgemeinschaften müssen sich wiederfinden,
damit wir den Bedarf insgesamt besser berücksichtigen
können.
Meine letzten Worte
({1})
möchte ich an die Landräte und Bürgermeister im Lande
richten,
({2})
die voller Sorge sind - aber die sind Ihnen ja egal -: Sie
können sich darauf verlassen, dass wir im kommenden
Jahr einen vernünftigen Vorschlag machen werden, in
dem die Situation der Kommunen gerechter berücksichtigt wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Pascal
Kober.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als FDP-Fraktion stimmen wir dem Entwurf eines
Sechsten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch zu, mit dem die Höhe der Beteiligung
des Bundes an den kommunalen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 46 SGB II für das Jahr 2010
festgelegt wird. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung ist, dass die Kommunen nun für das kommende
Jahr schnell Planungssicherheit bekommen
({0})
und schließlich auch das Geld rasch erhalten. Das ist
echte Solidarität und zeigt Verständnis für die Situation
der Kommunen, Frau Krüger-Leißner.
({1})
- Nein, ich lächle Sie an, weil Sie mir sympathisch sind.
({2})
Wir als FDP haben in der Vergangenheit tatsächlich
immer wieder Bedenken angemeldet und die Bedenken
der Kommunen im Hinblick auf die Berechnungsformel
immer ernst genommen.
({3})
Wir haben immer wieder gefordert, dass überprüft wird,
ob nicht doch eine Berechnung auf der Grundlage der
tatsächlichen Kosten möglich ist. Wir sind dabei dem bewährten pragmatischen Ansatz gefolgt: Das Bessere mag
immer der Feind des Guten sein.
({4})
An dieser Haltung, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ändert sich durch unsere heutige Zustimmung zu diesem
Gesetzentwurf nichts, der, Frau Krüger-Leißner, im
Übrigen noch von der alten Regierung bzw. von Arbeitsminister Olaf Scholz auf den Weg gebracht worden ist.
Wir sagen aber auch: Wir werden in Zukunft kritisch
prüfen, ob es nicht eine neue, sachgerechtere und für alle
Seiten befriedigendere andere Lösung dieses Problems
gibt. Wir sind da offen.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir nehmen die
Sorgen der Kommunen, wie gesagt, ernst. Gleichwohl
stehen wir als Bundespolitiker zunächst in der Verantwortung für die Bundespolitik und damit auch für den
Bundeshaushalt. Wir vergessen nicht, dass die Länder
der Entfristung dieser Formel erst vor Kurzem zugestimmt haben, sie vor knapp zwei Jahren also noch als
dauerhaft sachgerecht und handhabbar eingeschätzt haben.
Verantwortung für den Bundeshaushalt zu übernehmen, bedeutet, im Grundsatz und auf lange Sicht mit der
Politik der Vergangenheit, die darin bestand, die finanziellen Interessenkonflikte zwischen Bund, Ländern und
Gemeinden und die Interessenkonflikte der Gegenwart
dauerhaft mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft
und einer ständig steigenden Staatsverschuldung auf
Kosten künftiger Generationen zu lösen, aufzuhören.
({6})
Mit dieser Politik der Vergangenheit nach dem Motto
„Sie wünschen, wir spielen - dauerhaft -, und das auf
geliehenen Instrumenten“, die auch im Antrag der Linken zum Ausdruck kommt - aus diesem Grunde lehnen
wir ihn ab -, muss endlich Schluss sein.
Die Anhörung am vergangenen Montag hat leider gezeigt, dass die Beteiligten noch nicht in ausreichendem
Maße umgedacht haben.
({7})
Neue Konzepte waren von den Experten nicht zu vernehmen.
({8})
Das Denken scheint noch immer in den schlichten Kategorien Mehr und Weniger verhaftet zu sein. Es muss daher unsere ureigene Aufgabe als Parlamentarier sein,
solche neuen Konzepte zu entwickeln. Wir als FDPFraktion werden in den kommenden Jahren daran arbeiten und sind auf Ihren Vorschlag, den Sie im kommenden Jahr machen wollen, gespannt, Frau Krüger-Leißner.
({9})
Umdenken für die Zukunft tut not. Wir als Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiker der Regierungskoalition werden uns in der Zukunft nicht damit begnügen, unsere
Aufgabe darin zu sehen, einfach Forderungen gegenüber
den Haushältern und dem Finanzministerium zu formulieren oder Einsparvorschläge von dort abzuwehren.
({10})
Gefordert sind neue Ideen und neue Konzepte im Interesse der betroffenen Menschen und im Interesse eines
- das ist für uns Liberale besonders wichtig - so weit
wie möglich selbstbestimmten Lebens der Betroffenen.
Die Sozialpolitik der Zukunft wird - das wurde schon in
der vergangenen Debatte gesagt - eine Querschnittsaufgabe sein aus bildungs-, wirtschafts-, arbeitsmarkt-,
steuer-, migrations- und integrationspolitischen Elementen und Instrumenten.
Frau Krüger-Leißner, gerade mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das wir heute Morgen verabschiedet haben, haben wir einen ersten Anfang gemacht, die
wirtschaftliche Entwicklung zu stärken, gerade auch im
Interesse der Kommunen, die damit - davon gehen wir
aus guten Gründen aus - kurz-, mittel- und langfristig
geringere Kosten im Sozialbereich erwarten können, als
wenn dieses Gesetz nicht verabschiedet worden wäre.
({11})
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({12})
Das Wort hat die Kollegin Katrin Kunert für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Kollege Kober, Sie sind neu im Bundestag. Deswegen sage ich Ihnen: Zur Höflichkeit gehört, dass man der Debatte im Ganzen folgt.
Ich wünschte mir, dass Leute, die in den Bundestag
kommen, zuvor mindestens ein kommunales Mandat
hatten, damit sie den Blick für die Situation der Kommunen haben.
({0})
- Man merkt es aber nicht.
({1})
Wir entscheiden heute darüber, ob der Bund die Kommunen bei den Kosten der Unterkunft weiterhin im Regen stehen lässt. Die Linke will das nicht.
({2})
In dem vorliegenden Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass
der Anteil des Bundes bei den Kosten der Unterkunft
wieder abgesenkt wird. Dafür ist eine Formel im Gesetz
vorgesehen, die im Übrigen kein starres Gebilde ist, die
durchaus anpassungsfähig ist. Wir können sie auch ganz
abschaffen. Diese Formel besagt: Je weniger Bedarfsgemeinschaften es in der Bundesrepublik gibt, desto weniger soll sich der Bund an den Kosten beteiligen. Dabei
wird unterstellt, dass mit einer Abnahme der Zahl der
Bedarfsgemeinschaften die Kosten sinken.
Herr Kollege Schiewerling, Sie haben bei der ersten
Lesung gesagt, dass Politik mit dem Betrachten der
Wirklichkeit beginnt. Beginnen wir also mit dem Betrachten der Wirklichkeit:
Erstes Beispiel. Im Land Sachsen-Anhalt sind die
Kosten der Unterkunft im September 2009 im Vergleich
zum Vorjahresmonat um 478 000 Euro gestiegen. Im
Oktober dieses Jahres betrug die Steigerung schon
783 000 Euro. Für das Jahr 2010 müssen die Kommunen
in Sachsen-Anhalt, wenn man von gleich hohen Aufwendungen wie 2009 ausgeht, wegen der beabsichtigten
Absenkung des Bundesanteils um 2,4 Prozentpunkte mit
einer Mehrbelastung von 13,8 Millionen Euro rechnen.
Zweites Beispiel. Die Stadt Würzburg rechnet für
2010 mit einer Steigerung der Kosten um 600 000 Euro.
Durch die beabsichtigte Senkung des Bundesanteils
würde eine Mindereinnahme von 270 000 Euro hinzukommen.
Drittes Beispiel. In der Stadt Bochum hat sich die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften von 2007 bis 2008 um
1615 verringert. Die durchschnittlichen Kosten je Bedarfsgemeinschaft haben sich jedoch von 314 auf
335 Euro erhöht.
Damit ist die Annahme, die der Formel in Ihrem Gesetzentwurf zugrunde liegt, widerlegt. So weit zur Wirklichkeit.
Ihr Argument, die Höhe der Bundesbeteiligung müsse
genau so beschlossen werden, damit wir die Kommunen
um 2,5 Milliarden Euro entlasten können, zieht nicht. Es
geht in erster Linie um die Sicherstellung der Aufgabe,
den Wohnraum für die Betroffenen vor Ort zu finanzieren.
({3})
Die Linke ist der Auffassung: Auch Menschen ohne Arbeit, auch Menschen, die Grundsicherung beziehen, haben einen Anspruch auf menschenwürdiges Wohnen.
({4})
Die Linke will, dass die Kommunen bei der Erfüllung
dieser Aufgabe vom Bund finanziell entsprechend ausgestattet werden. Das bedeutet, dass der Bundesanteil
auf der Basis der tatsächlichen Kosten für Unterkunft
und Heizung berechnet werden muss. Deshalb muss Ihre
Anpassungsformel weg, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({5})
Dies ist der Gegenstand unseres Antrages. Mit Blick auf
das Votum der vielen Sachverständigen im Ausschuss
sagen wir, dass unser Antrag in der Gesellschaft mehrheitsfähig ist. Das, was dort niedergelegt ist, muss man
berücksichtigen, wenn man den Kommunen tatsächlich
helfen möchte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Koalition
spricht viel von klugen Arbeitsmarktinstrumenten.
({6})
Ich nehme Ihnen ab, dass Sie Menschen aus dem SGB-IISystem herausholen wollen. Die Frage ist nur, mit welchen Methoden Sie das tun. Wissen Sie, wie wir
1,35 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
aus dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II herausholen können? Indem wir einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland einführen.
({7})
Wir müssen dafür sorgen, dass gerade die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Wachschutz, im Blumenfachhandel, im Friseurhandwerk oder in der Abfallwirtschaft endlich von ihrer Arbeit leben können und nicht
mehr zum Amt gehen müssen.
Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den Einsparungen sagen, die Sie immer versprechen. Im Zeitraum von
2008 bis 2009 sind zehn Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit Steuerentlastungen verabschiedet worden.
Diese werden bis 2013 zu einem Minus von 19 Milliarden Euro bei den Kommunen führen. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz drohen weitere Ausfälle in
Höhe von 8,7 Milliarden Euro. Da frage ich Sie: Wo ist
denn da die Anpassungsformel für die Kommunen, liebe
Koalition?
({8})
In dieser für die Kommunen angespannten Situation
wollen Sie wiederum die Daumenschrauben anziehen
und sich bei den Kosten der Unterkunft weiter aus der
Verantwortung stehlen. Die Linke sagt dazu Nein. Wir
bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank.
({9})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der
Kollege Markus Kurth das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir werden heute
Zeugen eines bemerkenswerten Doppelschlages gegen
die kommunalen Finanzen und gegen die kommunale
Selbstverwaltung.
({0})
Heute Vormittag haben Sie mit Ihrem Klientelbegünstigungsgesetz die Einnahmeseite der Kommunen ruiniert. Jetzt, am frühen Nachmittag, packen Sie bei der
Ausgabenseite noch eine zusätzliche Belastung drauf.
Das NRW-Innenministerium hat heute bekannt gegeben:
400 Millionen Euro kostet das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Meine Heimatstadt Dortmund
hat 12 Millionen Euro Mindereinnahmen.
({1})
Auf der anderen Seite haben wir bundesweit 1,6 Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten der Unterkunft, die die
Kommunen jetzt tragen müssen.
Wer zahlt dafür die Zeche? Nicht die reichen Familien, die Sie begünstigen, nicht die Erben, die Sie noch
zusätzlich unterstützen. Die Zeche zahlen diejenigen, die
auf Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge angewiesen sind.
({2})
Diejenigen, die Büchereien brauchen, um sich Bücher
auszuleihen, diejenigen, die Schwimmbäder brauchen,
zahlen die Zeche.
({3})
Die Zeche zahlen auch die Arbeitslosengeld-II-Beziehenden, die jetzt noch zusätzlich unter Druck kommen.
({4})
- Frau Fischbach, hören Sie doch erst einmal zu. Der
liebe Gott hat Ihnen zwei Ohren und einen Mund gegeben: einmal reden, zweimal zuhören.
({5})
Es ist so, dass auch die Arbeitslosengeld-II-Beziehenden
die Zeche zahlen. Sie werden mit völlig unrealistischen
Mietobergrenzen konfrontiert. Bereits jetzt ist die Situation so, dass die bewilligten Heizkostenpauschalen die
tatsächlichen Heizkosten gar nicht mehr abdecken.
({6})
Das Bundessozialgericht hat festgestellt, dass diese Praxis rechtswidrig ist. Sie aber wollen sie verallgemeinern.
({7})
Das heißt, der finanzielle Druck wird über die Kommunen an die Betroffenen weitergegeben.
An dieser Stelle muss ich schon sagen: Der Verweis
auf die Bundesländer ist doch mehr als kläglich. Die Sache wird nicht dadurch besser, dass Sie sich geeinigt haben. Das zeigt doch nur, dass die Berechnungsformel,
die sich an der Zahl der Bedarfsgemeinschaften orientiert, schon längst Gegenstand eines unglaubwürdigen
und, wie ich finde, unwürdigen Kuhhandels der Länder
geworden ist, die die Verantwortung für die Kommunen
an dieser Stelle nicht wahrnehmen wollen.
({8})
Die Anhörung hat eindeutig ergeben, dass die Kosten
der Unterkunft nicht mehr mit der Zahl der Bedarfsgemeinschaften korrespondieren. Ich will gerne konzedieren, dass wir am Anfang gedacht haben: Das könnte eine
Formel sein, mit der man die Kostenrelation halbwegs
ausgleichen kann. Aber die Mietnebenkosten steigen
dauerhaft an, die Zahl der größeren und teureren Bedarfsgemeinschaften wächst, und auch die Zahl der Aufstocker nimmt zu, weil wir keine Mindestlöhne haben.
Zuerst werden eigene Einkünfte mit den Bundesleistungen der Agentur für Arbeit verrechnet. Erst wenn das
Einkommen hoch genug ist, kommt die Kommune zum
Zuge. Diese Entwicklungen machen die Formel, die wir
bis jetzt hatten, untauglich. Warum machen wir es nicht
einfach und sagen: „Wir nehmen einen bestimmten prozentualen Anteil“? Das gibt den Kommunen Planungssicherheit, weil sie dann mit einem festen Anteil an den
tatsächlichen Kosten der Unterkunft rechnen können.
Dann können wir uns auch diesen jährlich wiederkehrenden Streit sparen, schaffen, wie gesagt, Planungssicherheit und können uns hoffentlich einer vernünftigen Arbeitsmarktpolitik für die Betroffenen zuwenden.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Linnemann für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte
keine Eulen nach Athen tragen, nein. Das Thema ist
ernst, aber wir sollten es nicht emotionalisieren, weil es
ernst ist.
Wenn wir heute über die Kosten der Unterkunft reden, dann reden wir de facto über finanzielle Belastungen. Wer nun diese finanziellen Belastungen trägt, spielt
für uns natürlich eine zentrale Rolle. Für die Menschen
in unserem Lande spielt dies insofern eine Rolle, weil
durch diese finanziellen Belastungen Geld an anderer
Stelle fehlt. Vor diesem Hintergrund sollten wir die Debatte nicht emotional, sondern mit sachlichen Argumenten führen. Ich habe Ihnen zwei mitgebracht.
({0})
Das erste Argument ist die Anpassungsformel. Bund,
Länder und Kommunen haben diese Anpassungsformel
im Jahre 2006 auf den Weg gebracht, weil die damalige
Be- und Entlastungsrechnung nicht zweckgemäß war.
Man hat sich dabei an den Bedarfsgemeinschaften orientiert. Man ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen
und hat diese Formel im Jahre 2008 entfristet, und das
Jahr 2008 liegt noch gar nicht so lange zurück.
({1})
Wenn wir über Verlässlichkeit in der Politik sprechen
und in Sonntagsreden der Verlässlichkeit das Wort reden,
dann sollten wir diese Verlässlichkeit auch in der Praxis
an den Tag legen, und das werden wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes heute tun.
({2})
Ich möchte ja gar nicht abstreiten, dass es bei dieser
Formel auch Risiken gibt. Alle Beteiligten mussten sich
dessen aber bewusst sein, als man sich auf diese Formel
geeinigt hat.
({3})
Formeln haben nun einmal Komponenten in sich, die
sich sowohl etwas in die eine als auch etwas in die andere Richtung bewegen können. Es saßen alle am Tisch,
und man hat sich einvernehmlich darauf geeinigt. Dass
sich diese Komponenten in diese und jene Richtung bewegen können, liegt in der Natur der Sache. Um das zu
wissen, braucht man kein Mathematikstudium. Dafür
reicht der gesunde Menschenverstand.
Ich sage Ihnen aber auch ganz offen: Das ist für uns,
die Union, auch nicht einfach - auch parteipolitisch
nicht -, weil wir aus unseren Wahlkreisen wissen, dass
die Kommunen unter Druck sind. Wir tun alles für die
Kommunen.
({4})
Nur, an diesem Punkt müssen wir an die Vereinbarung
erinnern, die wir im letzten Jahr getroffen haben. Deshalb werden wir heute auch für diesen Gesetzentwurf
stimmen.
({5})
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen, damit das zuvor Geäußerte nicht falsch rüberkommt:
({6})
Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass wir uns mitten
in der größten strukturellen Finanzmarktkrise und der
größten strukturellen Wirtschaftskrise befinden. In dieser Zeit sinkt die Zahl der Bedarfsgemeinschaften; auch
ich kenne die Prognosen. Über die Arbeitsmarktpolitik
hat der Bund Einfluss auf diese Bedarfsgemeinschaften.
Das ist doch erst einmal der Rede wert, und das sollten
wir auch positiv nach außen darstellen, damit die Stimmung in Deutschland gefördert wird.
({7})
Um es kurz zu machen:
({8})
Wir schaffen in diesen Tagen, wenn wir diesem Gesetzentwurf folgen - die Union wird dies tun -, Planungsund Rechtssicherheit für den Bund, für die Länder und
für die Kommunen. Diese Rechtssicherheit ist ein hohes
Gut, und dieses Gut sollten wir nicht aufs Spiel setzen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Kollege Linnemann, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Wir gratulieren Ihnen dazu recht herzlich.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Mir liegen zum Tagesordnungspunkt 15 zwei Erklä-
rungen gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung zur Ab-
stimmung vor1). Das betrifft die Kollegen Liebing und
Kolbe aus der Unionsfraktion. Wir nehmen diese Erklä-
rungen entsprechend unserer Geschäftsordnung zu Pro-
tokoll.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt un-
ter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 17/137, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 17/41 unverändert anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Unionsfraktion und der
FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Ent-
haltung der SPD-Fraktion angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzent-
wurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der
FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Ent-
haltung der SPD-Fraktion angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 17/150. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 15 b. Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Antrag der
Fraktion Die Linke mit dem Titel „Bundesbeteiligung
1) Anlage 6
bei Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch So-
zialgesetzbuch erhöhen“. Der Ausschuss empfiehlt unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 17/137, den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/75 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer ent-
hält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Menschenrechte als entwicklungspolitische
Querschnittsaufgabe fortführen
- Drucksache 17/107 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({1})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute
Koczy, Volker Beck ({2}), Thomas Koenigs,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Menschenrechte in Sri Lanka stärken
- Drucksache 17/124 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({3})
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen.
Ich werde die Aussprache erst eröffnen, wenn alle
Kolleginnen und Kollegen, die daran teilhaben wollen,
einen Sitzplatz gefunden haben und die anderen, die offensichtlich andere Vorhaben haben, diese bitte außerhalb des Plenarsaals umsetzen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Christoph Strässer für die SPD-Fraktion.
({4})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, Ihr Aufruf, dass Plätze gefunden werden
müssen, stellt das geringste Problem dar. Ich freue mich
trotzdem, dass noch einige Kolleginnen und Kollegen
hiergeblieben sind, um an der Debatte über dieses sehr
wichtige Thema teilzunehmen.
Vor etwa einem Jahr haben wir in diesem Hohen
Hause und an vielen anderen Stellen im Land und in der
Welt den 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte begangen. Wir wollten uns alle vornehmen, dass dieses Thema keine Eintagsfliege bleibt. Wir
wollten das Thema weiter behandeln und den Finger auf
die Wunde legen, wenn dies erforderlich ist.
Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass wir
die Debatte erweitern in einen Bereich hinein, der vielleicht nicht im Fokus gestanden hat, auch nicht bei den
Beratungen im Deutschen Bundestag, nämlich in den
Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Diskussion über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
vor 60 Jahren insbesondere im westlichen Kulturkreis
sehr intensiv geführt worden ist und aus meiner Sicht unglücklicherweise in vielen Punkten gleichgesetzt worden
ist mit der Konvention über bürgerliche und politische
Rechte. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
wurden in der Regel als Absichtserklärung ohne verpflichtenden Charakter verstanden. Dies gilt auch für unseren Kulturkreis. Dies spiegelte sich lange Zeit auch in
den formellen Grundlagen wider, nämlich in der Tatsache, dass es seit mehr als 30 Jahren ein Zusatzprotokoll
zum Individualrechtspakt gibt. Es ist ein Individualbeschwerdeverfahren eingeführt worden, und das ist auch
gut so. Jedoch muss man feststellen - darin stimmen wir
überein -, dass Menschenrechte unteilbar sind, dass es
innerhalb der Menschenrechte keine Qualifizierung gibt.
Deshalb ist es gut - ich finde, das war ein bemerkenswerter Erfolg der Großen Koalition und ihrer Regierung;
das gilt insbesondere für das federführende Ressort des
früheren Bundesministers Olaf Scholz -, dass die Vereinten Nationen endlich ein Zusatzprotokoll zum WSKPakt beschlossen haben. Ich glaube, das war ein Quantensprung in dieser Auseinandersetzung.
Ich appelliere an Sie, Herr Staatssekretär Brauksiepe,
und Ihre Ministerin, dafür Sorge zu tragen, dass die von
der Großen Koalition begonnene Ratifizierung des Protokolls in dieser Legislaturperiode durchgesetzt wird.
Unsere Unterstützung haben Sie an dieser Stelle. Wenn
in Ihrem Hause noch nicht bekannt ist, dass es dieses
Protokoll gibt, dann sind wir gerne behilflich, es an Sie
weiterzuvermitteln.
({0})
Mit den Themen Menschenrechte und Entwicklungspolitik ist es etwas schwierig. Sie wurden nicht immer
als zusammengehörig betrachtet. Vor einigen Jahrzehnten wurde die Entwicklungszusammenarbeit noch als
Entwicklungshilfe bezeichnet. Ich glaube, dass sich in
den letzten Jahren in diesem Punkt einiges dramatisch
zum Positiven geändert hat. Im Zuge dieser Entwicklung
haben sich Menschenrechtsdebatten und entwicklungspolitische Debatten einander angenähert. Beide Politikfelder - das ist auch der Kern unseres Antrags - können
sich gegenseitig verstärken. Es gibt weiterhin positive
Ansatzpunkte in der internationalen Politik, um dies zu
befördern. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die
UN-Menschenrechtskonferenz von 1993 und insbesondere den Millenniumsgipfel der Vereinten Nation aus
dem Jahr 2000.
Aus unserer Sicht ist aber auch wichtig - deshalb betone ich es ausdrücklich -, dass sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in den letzten elf Jahren sowohl unter Rot-Grün als
auch in der Großen Koalition nicht nur in bestimmten
Punkten, sondern konzeptionell intensiv mit dem Zusammenhang zwischen Entwicklungspolitik und Menschenrechten befasst hat. Der Entwicklungspolitische
Aktionsplan für Menschenrechte aus dem BMZ für die
Jahre 2004 bis 2007 und 2008 bis 2010 ist aus unserer
Sicht ein dramatischer Quantensprung. An diese Stelle
gehört aus unserer Sicht und vielleicht auch aus Sicht
unserer früheren Koalitionspartner ein herzlicher Dank
an die Verantwortlichen im BMZ, im Auswärtigen Amt
und in den anderen Ministerien, die jetzt die Früchte ernten können.
({1})
Wir haben einen Paradigmenwechsel eingeleitet, um
das emanzipatorische Potenzial des Menschenrechtsansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit zu befördern. Wir wollen erstens erreichen, dass durch den
Menschenrechtsansatz benachteiligte Menschen von Bittstellern zu Rechtsträgern werden. Wir wollen zweitens erreichen, dass aus staatlichen Partnern Pflichtenträger werden. Drittens soll die Orientierung an internationalen
Menschenrechtskonventionen zu einer Verrechtlichung
der Entwicklungszusammenarbeit und damit auch zu unmittelbar wirkenden Ansprüchen führen. Damit ist auch
die neue Zielsetzung verbunden, Menschen in den Partnerländern als Akteure und Rechtsträger anzusprechen,
sie über ihre Rechte zu informieren und aufzuklären sowie regionale Menschenrechtseinrichtungen und zivilgesellschaftliche Organisationen zu stärken.
Die Durchsetzung von Menschenrechten berührt die
gesellschaftlichen Machtverhältnisse in den verschiedensten Ländern und Gesellschaften und erfordert strukturelle Reformprozesse. Der Menschenrechtsfokus in
der Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, dass verstärkt Themen angesprochen werden, die früher als sensibel oder als Eingriff in die inneren Angelegenheiten
der Partnerländer galten. Aber nur so, glaube ich, können wir nachhaltig etwas verändern.
Ich erwähne an dieser Stelle das in den letzten Jahren
viel diskutierte Prinzip der „responsibility to protect“.
Ich spreche es bewusst in dieser Debatte an, weil dieses
Konzept aus meiner Sicht als Instrument der Intervention mit militärischen Mitteln völlig missinterpretiert
worden ist. Das ist nicht der Kern der „responsibility to
protect“. Dieses Prinzip siedelt sich vielmehr im Vorfeld
einer solchen Auseinandersetzung an und soll dazu dienen, militärische Konflikte in ihren Entstehungsgründen
zu analysieren und diese Konflikte zu verhindern. Ich
wünsche mir, dass die Diskussion über „responsibility to
protect“ im Parlament und auch in der internationalen
Gemeinschaft seitens der Bundesregierung deutlich forciert wird, damit wir solche Debatten, wie wir sie gestern
geführt haben, in Zukunft möglicherweise vermeiden
können. In dem, was ich angesprochen habe, sind die
Ursachen und die Konflikte begründet, die anders bekämpft werden müssen und auch anders bekämpft werden können als durch den Einsatz militärischer Gewalt.
({2})
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir an bestimmten
Stellen Erfolge erzielt haben, zum Beispiel in der Zusammenführung von Menschenrechten und Entwicklungspolitik. Ich nenne als Beispiel - darauf können wir
alle in diesem Hohen Hause vielleicht gemeinsam stolz
sein - für die Akzeptanz des Rechts auf Wasser und den
Respekt davor die Zurückziehung der Hermesbürgschaften für das unsinnige, unsoziale, unökologische und inhumane Ilisu-Projekt in der Türkei. Das ist ein ganz
wichtiger Quantensprung in der internationalen Diskussion und befördert die von uns diskutierten Ansätze.
({3})
Ich komme zum Schluss. Ich wünsche und hoffe, dass
wir die Diskussion so sachlich, wie wir es im Menschenrechtsausschuss gewohnt sind, fortsetzen werden und zu
guten Ergebnissen kommen. Ich signalisiere für meine
Fraktion, dass wir den Antrag der Grünen zur Situation
in Sri Lanka nicht nur wohlwollend prüfen werden, sondern ihm wahrscheinlich auch zustimmen werden. Ich
hoffe, dass wir das in den nächsten zwei Wochen hinbekommen und eine gute Menschenrechtsdebatte führen.
Herzlichen Dank.
({4})
Das Wort hat der Kollege Jürgen Klimke für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es stimmt: Menschenrechte und Entwicklungspolitik sind untrennbar verbunden. Ich freue mich, Herr Kollege Strässer, dass Sie bzw.
die SPD-Fraktion nach elf Jahren der Verantwortung in
der Entwicklungszusammenarbeit in Ihrem Antrag die
Wahrung der Menschenrechte als neue Querschnittsaufgabe oder sie vielleicht wieder entdeckt haben. Wir
jedenfalls gehen über Ihren Ansatz in unserem Koalitionsabkommen hinaus, in dem wir herausstellen, dass
die Achtung der Menschenrechte einer der substanziellen Bereiche guter Regierungsführung ist. Auf dieser
Grundlage wollen wir eine gute Entwicklungspolitik
nicht nur machen, sondern auch evaluieren und messen.
({0})
Zusätzlich muss die Einhaltung der Menschenrechte
endlich - das ist die Konsequenz daraus - ein effektives
Druckmittel bei der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sein. Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit gehören zusammen. Also können wir damit
auch Druck ausüben.
({1})
Menschenrechtsverletzungen sind noch in vielen unserer
Partnerländer an der Tagesordnung. Aus diesem Grund
hat die neue Koalition erstmalig im Rahmen ihrer
Schlüsselsektoren gute Regierungsführung und damit
die Menschenrechte neu und maßgeblich definiert.
Ich möchte zwei Partnerländer ansprechen, in denen
wir diese Akzentuierung gleich in die Tat umsetzen. Das
ist zum einen Sri Lanka - darauf bezieht sich auch der
Antrag der Grünen - und zum anderen Uganda. Man
steht fassungslos vor dem grausamen, kriegerischen Vorgehen der Regierung und der Armee Sri Lankas, bei dem
systematische Menschenrechtsverletzungen anscheinend
zum guten Ton gehören. Seit Mai 2009 hat die Armee in
Sri Lanka die letzten Gebiete der LTTE erobert. Doch
nicht eines der Probleme, die dem Konflikt zugrunde lagen, wurde gelöst. Ganz im Gegenteil: Es ist schlimmer
geworden. Weiterhin sind 130 000 Tamilen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern eingesperrt,
ohne geregelte Essensausgabe und ohne medizinische
Versorgung. Internationale Beobachter haben keinen
Zugang. Weder Entwicklungshelfer noch Journalisten
dürfen diese Lager betreten. Die politischen und strukturellen Probleme schiebt man weiter vor sich her. Es bestehen keine föderalistischen Strukturen, genauso wenig
wie die für die Tamilen notwendigen Minderheitenrechte.
Sri Lanka ist meiner Meinung nach beim Status eines
fragilen Staates angelangt. Die eben beschriebenen
Missstände müssen uns Politiker anhalten, die Friedensentwicklung auf Sri Lanka voranzutreiben. Das ist Ziel
unserer Entwicklungsprojekte. Wir haben deutliche Änderungen vorgenommen und haben in der Länderliste
darauf hingewiesen, dass der Sektor „Friedensentwicklung“ in Sri Lanka vorrangig ist. Danach richten wir unsere Entwicklungszusammenarbeit aus.
Wir nehmen damit Verantwortung wahr. Dies ist der
richtige Weg, um die Menschenrechte in Sri Lanka auch
langfristig zu verankern.
({2})
Der Antrag der Grünen zu diesem Thema ist aus unserer Sicht sinnvoll, jedoch überflüssig, weil wir schon
in der Umsetzung sind.
Zweites Beispiel: In gleichem Maße muss man entsetzt sein, dass das Parlament von Uganda ein Gesetz
verabschieden möchte, das die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen vorsieht. Das bisherige Strafmaß lag
bei lebenslänglich und ist schon absolut inakzeptabel.
Menschen jedoch wegen ihrer sexuellen Identität ermorden zu lassen, muss alle Politiker zu einem lautstarken
Protest aufrufen. Ich bin dankbar, dass Minister Niebel
schon jetzt Konsequenzen für die bilaterale Zusammenarbeit angekündigt hat und sie auch umsetzen wird. Die
CDU/CSU unterstützt ihn selbstverständlich in dieser
Frage außerordentlich.
({3})
Die hier angesprochenen Beispiele sind nur ein Auszug von Menschenrechtsverletzungen, die unseren
ethisch-moralischen Grundsätzen widersprechen. Aus
diesem Grund müssen wir das Bewusstsein für Menschenrechtsverletzungen in der Entwicklungszusammenarbeit schärfen und Menschenrechtsverletzungen auch
auf höchster Ebene immer wieder ansprechen. Eines
sollten wir jedoch nicht machen: uns aus den Partnerländern zurückziehen und die Mittel streichen. Wenn wir einen derartigen Schritt machen würden, dann würden wir
uns aus unserer Verantwortung lösen, die wir für die gesamte Bevölkerung unserer Partnerländer haben. Wir
müssen weiterhin einen Fuß in der Tür behalten - siehe
Sri Lanka, aber auch Uganda -, um Einfluss nehmen zu
können und damit den Weg für Veränderungen offenzuhalten.
Aus diesem Grund müssen wir bei der Umsetzung
von guter Regierungsführung eine abgestufte Vorgehensweise auf der Grundlage der internationalen Menschenrechtskonvention durchführen. Konkret heißt das,
über den SPD-Antrag hinaus: Der Entwicklungspolitische Aktionsplan des BMZ muss in Zukunft Teil aller
Strategien des BMZ werden. Alle Partnerländer müssen
eingebunden werden. Sollte es Menschenrechtsverletzungen in Partnerländern geben, mit denen wir Budgethilfe vereinbart haben, muss die Budgethilfe sofort um
einen bestimmten Prozentsatz gekürzt werden. Wir müssen auch über unsere Informations- und Bildungsspeerspitzen Deutsche Welle und Goethe-Institut Einfluss auf
die Länder nehmen.
Ich freue mich, dass wir jetzt mit der FDP zusammen
die Chance haben, diese Ansätze umzusetzen. Ich lade
Sie ein, dabei zu sein. Menschenrechtsansätze in der
Entwicklungszusammenarbeit, die schon immer von unserem Menschenrechtsbeauftragten Günter Nooke intensiv vertreten wurden, müssen ein noch nachhaltigeres
Gehör finden. Das ist ein richtiger und guter Ansatz.
Danke sehr.
({4})
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin
Annette Groth das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! 1 Milliarde Menschen leiden heute, im
Jahr 2009, an Hunger. Das ist jeder sechste Mensch auf
diesem Planeten. Damit wird das Menschenrecht auf
Nahrung milliardenfach verletzt. Besonders pervers ist,
dass ein Großteil der Hungernden Bäuerinnen und Bauern sind. Da werden billige europäische Agrarprodukte
auf afrikanische Märkte geschwemmt und machen so die
lokale Erzeugung kaputt. Das ist ganz unbestreitbar eine
der negativen Folgen der europäischen Freihandelspolitik.
({0})
Gestern haben uns kolumbianische Gewerkschafterinnen dringend gebeten, Einfluss auf die Bundesregierung zu nehmen, um das geplante EU-Freihandelsabkommen zu verhindern. Unter Staatspräsident Uribe hat
sich die Menschenrechtslage massiv verschlechtert. Insbesondere Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter
werden bedroht. 35 Gewerkschaftsführer sind in diesem
Jahr umgebracht worden.
Katastrophal ist die Menschenrechtslage auch in der
Demokratischen Republik Kongo, vor allem für Frauen.
Jeden Tag werden im Ostkongo mindestens 40 Frauen
Opfer von Gewalt. Die über 17 000 Blauhelme der größten UN-Friedensmission, MONUC, haben es in zehn
Jahren nicht geschafft, das Land zu befrieden. Im Gegenteil, sie sind Teil des Problems. Die Erfahrungen in
Afghanistan zeigen, dass militärische Mittel völlig ungeeignet sind, Demokratie und Menschenrechte durchzusetzen. Darüber haben wir gestern viel debattiert.
({1})
Im Koalitionsvertrag ist Menschenrechtspolitik - das
können Sie nachlesen - nur eine Randnotiz.
({2})
Als politische Ziele werden benannt: Abschaffung von
Todesstrafe und Folter, Verbot des Einsatzes von Kindersoldaten und die Bekämpfung von Zwangsprostitution,
Zwangsheirat und Genitalverstümmelung. So weit, so
gut. Um die Lage der Menschen aber effektiv zu verbessern, braucht es eine aktive Friedenspolitik und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung.
({3})
Nur so kann die tödliche Spirale von Armut, Gewalt und
Menschenrechtsverletzungen durchbrochen werden.
Völlig inakzeptabel ist, dass Folter im Kampf gegen
Terrorismus und als Mittel zur Informationsbeschaffung
eingesetzt wird. Hier wird deutlich, dass die Menschenrechte immer weiter ausgehöhlt werden. Dies können
und dürfen wir nicht länger hinnehmen. Das Folterverbot muss für alle gelten; denn „die Würde des Menschen
ist unantastbar“.
({4})
Dem höchst profitablen internationalen Menschenhandel ist nur durch eine konsequente internationale
Strafverfolgung beizukommen. Die Rekrutierung von
Kindersoldaten ist eine der schlimmsten Formen von
Menschenrechtsverletzungen, die ebenso konsequent
verfolgt und bestraft werden muss, auch wenn die Täter
internationale Bedienstete oder UN-Soldaten sein sollten.
({5})
Skandalös für die Europäische Union ist, dass sie
Flüchtlinge, die aus purer Not Schutz bei uns suchen, sehenden Auges im Mittelmeer umkommen lässt oder sie
in unsichere Drittstaaten abschiebt. Statt kostspieliger
Grenzkontroll-, Überwachungs- und Datenerfassungssysteme zur Abwehr sogenannter illegaler Migration fordert die Linke eine humanitäre Flüchtlingspolitik auf der
Grundlage verbriefter Menschenrechte sowie eine effektive Bekämpfung von Armut und Hunger als Ursachen
von Flucht.
({6})
Die Linke fordert von der deutschen Außen-, Wirtschafts- und Innenpolitik die uneingeschränkte Einhaltung der Menschenrechte, die nicht länger der neoliberalen Freihandelspolitik geopfert werden dürfen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Kollegin Groth, das war Ihre erste Rede im Deutschen
Bundestag. Ich gratuliere Ihnen dazu im Namen des gesamten Hauses.
({0})
Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Marina
Schuster das Wort.
({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir beraten heute zwei Anträge. Zum Antrag der SPD
möchte ich gleich vorwegschicken: Die FDP hat sich
schon in der letzten Wahlperiode deutlich dafür eingesetzt, Menschenrechtsstandards in der Entwicklungszusammenarbeit konsequent zu berücksichtigen. In unserem Koalitionsvertrag steht - ich zitiere -:
Die Glaubwürdigkeit Deutschlands steht in direktem Zusammenhang mit dem konsequenten Eintreten für die Menschenrechte in der Außen- und Entwicklungspolitik.
Sie haben die Wahrung der Menschenrechte als Querschnittsaufgabe angesprochen, und wir setzen uns dafür
ein, in den genannten Bereichen, aber auch darüber hinaus.
Da der Kollege Klimke die Vorgänge in Uganda angesprochen hat, möchte auch ich darauf zu sprechen kommen. Es ist wirklich bestürzend, zu erfahren, dass in das
Parlament in Uganda ein Gesetzentwurf eingebracht
wurde, der eine verschärfte Bestrafung von Homosexualität vorsieht, sogar in Form der Todesstrafe. Auch
homosexuellen HIV-Infizierten droht die Todesstrafe.
Diese Gesetzesinitiative ist menschenverachtend und
muss zurückgenommen werden.
({0})
Ich danke Minister Niebel und auch Staatssekretär
Beerfeltz, dass sie dazu schon klar Stellung genommen
haben. Gerade weil Uganda Partnerland in der deutschen
Entwicklungshilfe ist, fällt dieser Vorgang in unsere Verantwortung. Wir schauen eben nicht tatenlos zu, wenn
die Menschen in ihren grundlegenden Rechten verletzt
werden.
Auch für andere Länder gilt natürlich: Deutschland
muss positiv darauf hinwirken, dass sich die Menschenrechtsstandards und die Rechtslage dort verbessern.
Denn es gibt keine Rechtfertigung für eine mangelnde
Umsetzung von politischen und bürgerlichen Rechten im
jeweiligen Land. Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit, Folter oder auch Diskriminierung von
ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheiten - um
nur ein paar Punkte zu nennen - sind nicht hinnehmbar.
Diese Rechte hängen nämlich nicht davon ab, ob ein
Land reich oder arm ist; sie hängen allein vom politischen Willen der Regierenden ab.
({1})
Deswegen ist es in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unsere Aufgabe, für diese Standards einzutreten.
Herr Strässer, ich muss mich ein bisschen wundern:
Sie loben in Ihrem Antrag den Entwicklungspolitischen
Aktionsplan für Menschenrechte. Ich erinnere Sie deswegen an eine Anhörung des Ausschusses, dem Sie angehören, aus der letzten Wahlperiode. Da haben die
NGOs ganz klar kritisiert, der Plan sei zu allgemein, er
enthalte viele Allgemeinplätze, aber kaum Konkretes,
geschweige denn Kohärenz und Effizienz, wie Sie es in
Ihrem Antrag fordern.
({2})
Kohärenz ist uns besonders wichtig - das ist ein Anliegen der FDP -, sei es bei der Zusammenarbeit von
BMZ und AA, sei es bei den Durchführungsorganisationen. Ich freue mich, dass wir im Koalitionsvertrag ein
ressortübergreifendes Afrika-Konzept verankert haben,
und ich freue mich, dass wir das parlamentarisch begleiten können.
({3})
Jetzt zu einem weiteren Punkt in Ihrem Antrag. Ich
wundere mich etwas über Ihre Kritik zur Einbindung der
Privatwirtschaft. Ich verstehe nicht, warum wirtschaftliches Engagement gerade des Mittelstands falsch sein
soll.
({4})
Der Umfang des deutschen Außenhandels mit Subsahara-Afrika ist so groß wie der deutsche Außenhandel
mit Irland. Ich denke, das, was wir brauchen, ist eine
echte Teilhabe Afrikas. Das ist gut für uns und gut für
die Afrikaner. Da hätte ich von der SPD in den letzten elf
Jahren wirklich mehr erwartet.
({5})
Vor allem verstehe ich nicht, wie Sie immer zu der
Schlussfolgerung kommen, ein Engagement der Privatwirtschaft gefährde die Menschenrechte. Genau das Gegenteil ist der Fall; denn wirtschaftliche Entwicklung
schafft Wohlstand und Bildungschancen. Wirtschaftlicher Wohlstand ist es, der langfristig Armut und Hunger
bekämpfen kann. Er ist es auch, der die Menschen nach
und nach in die Lage versetzt, besser für ihre Rechte einzutreten. Uns geht es um die nachhaltige Entwicklung.
Deswegen können wir nicht gegen privatwirtschaftliches
Engagement sein.
({6})
Sie müssen endlich auch davon wegkommen, Globalisierung und wirtschaftliche Investitionen immer mit
Verletzung von Menschenrechten gleichzusetzen. Wir
werden nicht die Augen verschließen, wenn Unternehmen Menschenrechte verletzen; aber ich sehe Globalisierung auch als Chance: nämlich zu gestalten, dafür einzutreten, dass universelle Rechte in der ganzen Welt
gelten, und dafür zu sorgen, dass sich Menschen zur
Wehr setzen können, sowohl medial als auch juristisch.
({7})
Jetzt komme ich noch zu dem Antrag der Grünen.
Kollegin Schuster, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Strässer?
Nein, ich komme jetzt zu Sri Lanka. Ich möchte gern
noch etwas zu diesem Antrag sagen. Danke.
In der Tat ist die Lage in Sri Lanka erschreckend;
Herr Kollege Klimke ist darauf schon zu sprechen gekommen. Ich denke, Deutschland ist gut beraten, sich
mit der EU als Ganzes für eine Verbesserung der Situation einzusetzen, sei es, was die Situation in den Lagern
betrifft, sei es - das ist ein Punkt, der explizit angesprochen wurde -, einen umfassenden Versöhnungsprozess
zu unterstützen.
Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Ich
bin in der Tat davon überzeugt, dass das ein sehr wichtiges Thema ist. Es sind auch sehr wichtige Punkte angesprochen worden. Auch in diesem Fall geht es darum,
dass wir entscheiden, mit welchen Maßnahmen wir diese
Unterstützung wahrnehmen. Fest steht für uns als FDP:
Die Entwicklungszusammenarbeit ist ein Instrument unserer internationalen Politik, und dieses Instrument wird
menschenrechtliche Standards einfordern. Das ist nämlich das Aushängeschild unseres Landes.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat der Kollege Tom Koenigs für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich freue mich ganz besonders, dass die beiden
vorliegenden Anträge offensichtlich die breite Zustimmung des gesamten Hohen Hauses finden. Meines Erachtens sind beide Anträge mit drei Sätzen von Kofi
Annan verbunden, die auf viele der Debatten, die wir in
dieser Woche geführt haben, zutreffen, nämlich: Es gibt
keine Sicherheit ohne Entwicklung. Es gibt keine Entwicklung ohne Sicherheit. Es gibt beides nicht ohne
Menschenrechte.
({0})
Das Erste - es gibt keine Sicherheit ohne Entwicklung - zeigt sich an Staaten wie Somalia, aber auch im
Norden von Pakistan, wo ein steinzeitliches Regime und
Unterentwicklung der eigentliche Grund für die Konflikte sind.
Es gibt keine Entwicklung ohne Sicherheit - darüber
haben wir breit im Fall von Afghanistan diskutiert. Dies
gilt aber auch für Mexiko oder Bangladesch, das von der
Klimakatastrophe bedroht ist.
Es gibt beides nicht ohne Menschenrechte. Menschenrechte sind ganz konkrete Rechte, die jeder einzelne Mensch hat. Menschenrechtspolitik ist eine Politik, die sich auch immer staatskritisch äußert. Denn diese
Rechte hat jeder Einzelne gegenüber dem Staat. Deshalb
werden in Ländern, in denen die Menschenrechte verletzt werden, die Menschenrechtsverteidiger als Allererstes als Staatsfeinde tituliert und verfolgt, egal ob sie
Priester, Journalisten, Politiker oder Flüchtlinge sind.
Menschenrechte sind ganz spezifische Ansprüche. In
der Koalitionsvereinbarung sprechen Sie oft über globale Werte - das ist etwas für Sonntagsreden zum Tag
der Menschenrechte am 10. Dezember - und dann, oft
noch etwas spezifischer, über westliche Werte. Ich frage
mich immer, was ich meinen Kollegen in Afghanistan,
die für die Menschenrechte kämpfen, sagen soll, wenn
sie fragen, was westliche Werte sind. Sind das nicht deren Werte? Was soll ich den Kollegen in Japan sagen?
Das sind universelle Werte.
({1})
Dann höre ich zu meinem Erstaunen Kollegen der
CDU/CSU sagen: Ich will hier nicht zu Einzelfällen
Stellung nehmen. - Wir müssen aber zu Einzelfällen
Stellung nehmen; denn die Einzelfälle machen die Sache
erst konkret. Erst wenn man die Einzelfälle schildert,
kommt man zu konkreten Handlungen. Wir dürfen die
Augen nicht vor den Einzelfällen und den Opfern verschließen, ob das nun Flüchtlinge sind, die im Mittelmeer ertrinken, oder Flüchtlinge, die in Lagern auf Lesbos oder in Sri Lanka dahinvegetieren.
({2})
Wenn die - ich formuliere es neutral - Arbeit der Armee in Sri Lanka im Kampf gegen den Terrorismus zu so
etwas wie Best Practice wird, dann sind Menschenrechte
relativ. Dann werden Menschenrechte ausgesetzt. Dann
werden Menschen undiskriminiert getötet oder verletzt,
wie es dort passiert ist. Dann werden Sicherheitszonen
erst geschaffen und dann beschossen, wie es dort passiert ist; Kollege Klimke hat dies sehr deutlich geschildert.
Da müssen wir die Augen öffnen und die Einzelfälle
sehen. Wir müssen darauf achten, dass die Entwicklung,
die die Regierung jetzt verspricht, nicht nur eine Entwicklung in Richtung Sicherheit, sondern auch in Richtung Einhaltung der Menschenrechte ist. Unser Beitrag
ist, überall dort, wo Terror bekämpft wird und Terror
vielleicht bekämpft werden muss, darauf zu achten, dass
die Menschenrechte nicht unter die Räder kommen, egal
ob es nun um westliche oder sonstige Werte geht. Menschenrechte gelten auch im Kampf gegen den Terror.
Vielen Dank.
({3})
Kollege Koenigs, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Die Kolleginnen und Kollegen des gesamten Hauses gratulieren Ihnen dazu. Wir wünschen
Ihnen viel Erfolg für Ihre Arbeit.
({0})
Das Wort hat der Kollege Arnold Vaatz für die Unionsfraktion.
({1})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen zu Beginn dieser Legislaturperiode an einer wichtigen Wegmarke, weil wir die Frage neu beantworten
müssen - ich hoffe, wir beantworten sie so, wie wir sie
immer beantwortet haben -, ob wir das bewährte Kooperationsprinzip, das sich über alle Fraktionen, die die gleichen Werte teilen, erstreckt, auch in Zukunft insbesondere in einer so - auch für andere - wichtigen Frage wie
den Menschenrechtsschutz fortsetzen. Wir müssen auch
die Frage beantworten, ob wir uns bemühen wollen, zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu Ergebnissen zu
kommen. Ich glaube, dass die heutige Debatte hier ein
optimistisches Zeichen setzt.
({0})
Ich hoffe, dass es uns in der Tat gelingt, in dieser
Frage die gleiche Sprache zu sprechen. Das wird sich in
der Ausschussberatung über die Anträge zeigen. Voraussetzung ist allerdings, dass wir erstens unter den universellen Menschenrechten, was ihre konkrete Bedeutung
angeht, das Gleiche verstehen und dass wir uns zweitens
auf Wege verständigen können, wie wir sie durchsetzen
wollen. Die große Frage ist, ob uns das gelingt.
Herr Strässer, ich muss sagen, dass ich in Ihrem Antrag zwar sehr viel Beachtenswertes finde. Ich finde aber
keine explizite Formulierung zum Schutz der Freiheitsrechte. Das ist für mich eine ganz entscheidende Frage.
Ich bin nämlich der Meinung, dass kulturelle und wirtschaftliche Rechte sowie Rechte, auf die Sie in Ihrem
Antrag abheben, ohne Freiheitsrechte nur die Hälfte wert
sind.
({1})
Natürlich stellt sich ebenfalls die Frage, ob wir in diesem Bereich nicht auch mit den Linken zusammenarbeiten können.
({2})
Dazu sage ich Folgendes: Aus Ihrer Ecke hört man bisher kaum ein Wort der Kritik, dass beispielsweise im
Jahr 2002 in Kuba Menschen, die sich für politische
Rechte, die für uns ganz selbstverständlich sind, eingesetzt haben, zu 20-jährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Daran zeigt sich, dass wir nicht dieselbe Wertebasis
haben. Aus diesem Grunde lehne ich persönlich eine Zusammenarbeit mit Ihnen in dieser Sache so lange ab, solange Sie sich zu Ländern wie Nordkorea und Kuba
nicht eindeutig äußern.
({3})
Herr Kollege Vaatz, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Raabe von der SPD-Fraktion?
Nachher. Ich möchte diesen Punkt erst noch weiter
ausführen.
({0})
- Richtig.
Ich muss der Kollegin Groth etwas im Hinblick auf
Kolumbien sagen. Ich halte es in hohem Maße für unaufrichtig, dass Sie die gegenwärtige bedauerliche Situation
in Kolumbien darstellen - wir haben Herrn Uribe bei
seinem Besuch auf diese Situation persönlich angesprochen -, ohne zu erwähnen, dass es Präsident Uribe selbst
war, der das nahezu zu drei Vierteln von der FARC und
von der ELN beherrschte Kolumbien so übernommen
hat, dass er fast keinen Handlungsspielraum mehr hatte.
({1})
Er hat diese paramilitärischen Truppen so weit zurückgedrängt, dass man jetzt wenigstens von einem Weg der
Normalisierung sprechen kann. Dass Sie das nicht erwähnen, halte ich für unaufrichtig.
({2})
Die FARC hat sich in hohem Maße vieler Verbrechen
gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Ich glaube,
das muss erwähnt werden.
({3})
Gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage des Kollegen
Raabe?
Ja.
Sehr geehrter Herr Kollege Vaatz, Sie sprachen davon, dass Ihnen in unserem Antrag eine Aussage zum
Schutz der Freiheitsrechte und insbesondere zum Schutz
der wirtschaftlichen Freiheit fehlen würde. Wir fordern
die Bundesregierung unter Punkt 1 der Forderungen in
unserem Antrag auf, alle Konventionen zu achten; das
impliziert natürlich die Freiheitsrechte.
Die Kollegin Schuster hat argumentiert, dass wir in
unserem Antrag davon sprechen würden, dass die wirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmen die Menschenrechte gefährden würde. Das ist völliger Unsinn; ich
weise das zurück. In unserem Antrag ist eine solche
Aussage nicht enthalten. Für uns gehören Freiheit und
Verantwortung zusammen. Dazu gehört, dass, wie in unserem Grundgesetz festgelegt, Eigentum verpflichtet.
Wir sagen, dass die Freiheit von Unternehmen nicht zulasten der Menschenrechte gehen kann. Wir stellen in
unserem Antrag ganz konkret mehrere Forderungen auf,
nämlich dass die Unternehmen die Menschenrechte achten, die ILO-Kernarbeitsnorm achten und ihre soziale
Verantwortung übernehmen.
Würden Sie mir zustimmen - diese Position hat sogar
die Bundeskanzlerin Merkel auf unsere Anregung hin
übernommen -, dass die ILO-Kernarbeitsnorm beispielsweise von der WTO übernommen werden soll, damit auch private Unternehmen für sozialen Fortschritt
sorgen?
({0})
Nur dann, wenn das Hand in Hand geht, wenn unternehmerische Tätigkeit dazu führt, dass es auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besser geht, ist das
richtig.
Kollege Raabe, Fragen und Bemerkungen sind erlaubt, aber keine zusätzlichen Redebeiträge.
Stimmen Sie mir zu, dass ich recht habe?
({0})
Herr Kollege Raabe, erstens: Ich habe nicht den Vorwurf erhoben, dass Sie Freiheitsrechte nicht erwähnt haben. Vielmehr ich habe darauf aufmerksam gemacht,
dass Sie sie nicht explizit erwähnt haben. Explizit haben
Sie allerdings wirtschaftliche und kulturelle Rechte erwähnt. Das ist der Punkt. Ich bestehe auf einer gleichrangig expliziten Erwähnung der Freiheitsrechte.
Zweitens. Ich habe nicht den Vorwurf erhoben, dass
Sie die Wirtschaft permanenter Menschenrechtsverletzungen bezichtigen. Allerdings schließe ich mich der
Kollegin Schuster an, dass wir es ablehnen, dass Sie die
wirtschaftlich tätigen Unternehmen in den Ländern, die
einen Entwicklungsrückstand aufweisen, von vornherein
unter Generalverdacht stellen und sie damit abschrecken, Investitionen zu tätigen und damit den Ländern zu
helfen.
({0})
Es gibt keine andere Motivation, das so hineinzuschreiben, wie Sie es hineingeschrieben haben.
({1})
- Lieber Herr Strässer, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, unsere Wirtschaft möge die sozialen Standards und
die Menschenrechte achten, dann ist dieser Aufruf
selbstverständlich nicht falsch,
({2})
aber ein Motiv, das hineinzuschreiben, gibt es erst, wenn
Sie einen konkreten Anlass haben, also tatsächlich Einzelfälle haben.
({3})
Das werfe ich Ihnen vor. Wenn Sie Einzelfälle nennen
können,
({4})
dann nennen Sie doch bitte Ross und Reiter. Dann reden
wir konkret darüber. Allgemeines Palaver hilft uns, den
Unternehmen und auch den Ländern nicht weiter.
({5})
Wenn ich noch kurz zu dem Thema Sri Lanka etwas
sagen darf. Ich halte den Antrag im Kern für richtig. Allerdings nehme ich an - ich hoffe es auch -, dass er nicht
mehr dem aktuellen Stand entspricht. Denn wir haben
widersprüchliche Nachrichten aus Sri Lanka erhalten.
Ab dem 1. Dezember soll damit begonnen worden sein,
die Lager zu leeren, das heißt, die Menschen sollen die
Möglichkeit haben, bis zum 1. Januar wieder in ihre
Dörfer zurückzukehren. Wir konnten diese Nachrichten
noch nicht belastbar verifizieren. Meines Wissens gibt es
auch noch keine entsprechenden Stellungnahmen von
NGOs.
Außerdem ist es so, dass die Wahlen, die für das Jahr
2012 vorgesehen waren, auf das Jahr 2010 vorgezogen
worden sind. Anscheinend gibt es derzeit Bestrebungen,
sich auch der Stimmen aus dem Norden zu versichern.
Gerade die tamilische Bevölkerung scheint das Zünglein
an der Waage zu sein. Das heißt, es ist eine etwas komplizierte Gemengelage entstanden. Ich glaube, wir sollten das in der Ausschussberatung entsprechend würdigen und nach einer vernünftigen Beurteilung der
Gesamtlage einen gemeinsamen Antrag einbringen.
Vielen Dank.
({6})
Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Hänsel
das Wort.
Danke, Frau Präsidentin. - Ich habe mich von dem
Kollegen Vaatz angesprochen gefühlt. Erstens. Sie sagen, in Sachen Menschenrechte könnten Sie mit uns
nicht zusammenarbeiten. Es gab gar kein Angebot an die
CDU/CSU, bezüglich des Themas Menschenrechte zusammenzuarbeiten.
({0})
Zweitens. Sie haben Kuba erwähnt. Ich würde Ihnen
raten, dass Sie sich an Ihre Kollegen aus der CSU wenden, die mittlerweile sehr gut bewandert sind, was Geschäfte mit Kuba angeht. Dort können Sie sicher Auskunft erhalten.
Drittens. Ich kann es selbstverständlich nicht stehen
lassen, was Sie zu der Einschätzung der Menschenrechtssituation und der Rolle des Präsidenten Uribe in
Kolumbien gesagt haben. Erstens ist Uribe selbst angeklagt: Es gibt Untersuchungen bezüglich Verstrickungen
mit paramilitärischem Hintergrund. Zweitens versucht
Uribe jetzt zum dritten Mal, die Verfassung zu ändern
- wir haben über Honduras diskutiert -, um seine Wiederwahl zu organisieren. Drittens ist die kolumbianische
Armee in Bezug auf Menschenrechte ein riesiges Problem; es gibt systematische, extralegale Hinrichtungen
durch die Armee. Auch dafür ist Präsident Uribe verantwortlich.
Es gibt eine systematische Verschlechterung der Menschenrechtssituation. Da erwarte ich eine andere Position der CDU/CSU bei der Beurteilung des Präsidenten
Uribe.
({1})
Kollege Vaatz, Sie haben sofort das Wort zur Erwiderung. Ich mache nur darauf aufmerksam, dass danach
eine Kurzintervention des Kollegen Strässer folgen wird.
Bitte, Herr Kollege Vaatz.
Frau Kollegin Hänsel, erstens bin ich nicht darauf angewiesen, dass Sie ein explizites Angebot zur Zusammenarbeit machen; das erwarte ich gar nicht. Wenn Sie
aber Anträge in dieses Haus einbringen und uns über die
Präsidentin nach unserem Stimmverhalten fragen, dann
findet selbstverständlich eine Kommunikation statt: Wir
können den Antrag ablehnen oder ihm zustimmen. Ich
habe Ihnen lediglich gesagt, dass es aus meiner Sicht
zwischen uns bis heute für eine gemeinsame Sprache in
Bezug auf die Bewertung der Menschenrechte keine ausreichende Grundlage gibt.
({0})
Zweitens. Ich habe ausdrücklich davon gesprochen,
dass es in Kolumbien sehr bedauerliche Zustände gibt.
Ich habe sogar gesagt - wenn Sie sich daran erinnern -,
dass wir Herrn Uribe auf diese Situation persönlich angesprochen haben, als er hier war.
Ich habe lediglich beklagt, dass Sie mit keinem Wort
die Situation erwähnt haben, in der sich Kolumbien befand, bevor Präsident Uribe gewählt worden ist. Sie haben mit keinem Wort erwähnt, in welchem Ausmaß die
linksgerichteten FARC-Rebellen dort die Bevölkerung
terrorisiert, entführt, schikaniert, gefoltert und ermordet
haben. Das gehört zum Gesamtbild der Lage dazu.
({1})
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Strässer
das Wort.
Herr Vaatz, Sie haben auf die Rede von Frau Schuster
Bezug genommen und mich persönlich angesprochen.
Ich frage Sie einfach einmal nach Ihrer Meinung zu zwei
Sätzen aus unserem Antrag; vielleicht schaffen wir es so,
eine gemeinsame Basis herzustellen.
Halten Sie den folgenden Satz in Bezug auf die
Gleichwertigkeit von Freiheitsrechten und WSK-Rechten für angemessen?
Der Menschenrechtsansatz bezieht sich gleichwertig sowohl auf die politischen und bürgerlichen als
auch auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte.
Zudem möchte ich Sie fragen, ob Sie der Aufforderung an die Bundesregierung widersprechen,
… bei Auslandsaktivitäten privater Unternehmen
strikt auf die Einhaltung der Menschenrechte und der
ILO-Kernarbeitsnormen zu achten sowie auf Sozialstandards und Verhaltenskodizes zu drängen …
Ich frage Sie ganz einfach: Widersprechen Sie in irgendeiner Weise der Feststellung oder der Forderung?
Jetzt ist die Frage, wo man das nachlesen kann. Haben Sie originalgetreu zitiert?
({0})
- Ich muss noch einmal nachschauen.
({1})
Das sind jetzt ganz neue Formen der Kommunikation,
die hier zum Schluss der Sitzung einziehen.
({0})
Ich halte den ersten Satz zunächst einmal für richtig.
({0})
Ich halte aber das Thema der Freiheitsrechte in der darauffolgenden enumerativen Aufzählung von Forderungen für konkretisierungsbedürftig. Wenn uns eine solche
gemeinsame Konkretisierung gelingt, dann soll einer
Zusammenarbeit nichts im Wege stehen. Allerdings beschränkt sich das nicht - das muss ich Ihnen als Nächstes sagen - auf diese beiden Punkte.
({1})
Das Thema Menschenrechte bzw. die Aufgabe, Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen, ist meines
Erachtens wesentlich weitreichender, sodass die Redezeit es mir nicht gestattet, darauf Bezug zu nehmen.
Beispielsweise würde ich mir sehr wünschen, dass
wir über die Frage reden, ob nicht unser Budgethilfeansatz in der Entwicklungszusammenarbeit gelegentlich
dazu führen kann, dass ausgerechnet solche Verhältnisse
stabilisiert werden, die für die systematische Missachtung von Menschenrechten verantwortlich sind. Wenn so
etwas ausgeschlossen werden kann, dann kann man der
Budgethilfe nähertreten. Wenn aber nicht garantiert werden kann, dass administrative Eliten Vorteile daraus ziehen, die sich im Wesentlichen durch die systematische
Missachtung von Menschenrechten an der Macht halten,
ist ein solches Mittel aus unserer Sicht nicht legitim.
Zu all diesen Fragen nehmen Sie in Ihrem Antrag
meines Erachtens nicht genügend Stellung. Darüber
könnten wir noch einmal reden.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/107 und 17/124 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 16. Dezember 2009, 13 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
Ich wünsche Ihnen ein paar erholsame Stunden am
folgenden Wochenende.