Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/9/2007

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, recht herzlich. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Annette Schavan. Bitte schön, Frau Ministerin.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes beschlossen. Die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes ist Ausdruck einer Politik für größere Selbstständigkeit, mehr Gestaltungsspielraum und mehr Freiheit an den Universitäten und an unseren Hochschulen insgesamt. Wir wissen, dass in den vergangenen Jahren in den Bundesländern in unterschiedlicher Weise Hochschulgesetze auf den Weg gebracht wurden, die mehr Freiheit und mehr Autonomie für die Hochschulen mit sich bringen. Dem soll die Aufhebung der Rahmengesetzgebung Rechnung tragen. Die Rahmengesetzgebung ist eine Idee des letzten Jahrhunderts. Anreize setzen, Wettbewerb ermöglichen und Gestaltungsspielraum vor Ort stärken - das ist die Philosophie zur Modernisierung des Wissenschaftssystems heute. Es geht nicht um Steuerung des Wissenschaftssystems über Detail und Verwaltung, sondern um Modernisierung des Wissenschaftssystems über Freiheit und Autonomie. Sämtliche Regelungsnotwendigkeiten des Hochschulrahmengesetzes sind bereits in den vergangenen Jahren auf die Landesgesetzgebung übertragen worden. Das entspricht im Übrigen auch der Intention des Föderalismus. Zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes gehört auch die Frage, wie sich dies auf arbeitsrechtliche Befristungsregelungen und arbeits- und besoldungsrechtliche Fragen auswirkt. Wir haben bereits in den vergangenen Monaten die arbeitsrechtlichen Regelungen für das wissenschaftliche Personal der Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz geregelt, das im April dieses Jahres in Kraft gesetzt worden ist. Das Zweite: Es wird keine hochschulrechtliche Regelungslücke entstehen, auch nicht in den Bereichen, in denen der Bund weiterhin über eine Gesetzgebungskompetenz verfügt. Das betrifft die Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse. Sie wissen, dass wir in diesen Bereichen längst über die nationale Ebene hinaus im Rahmen des Bolognaprozesses neue Regelungen der Akkreditierung haben. Darüber wird in der kommenden Woche in London eine Zwischenbilanz gezogen. Dies wird keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Hochschulen, die Hochschulmitarbeiter oder Studierenden haben. Bisherige rahmenrechtliche Vorgaben des HRG sind in den Hochschulgesetzen der Länder umgesetzt. Das unmittelbar geltende Hochschulrecht ergibt sich also nicht aus dem HRG, sondern aus den Landeshochschulgesetzen. Regelungen der Hochschulzulassung sind bereits im vergangenen Jahr von den 16 Ländern in einem Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vereinbart worden, sodass die Bundesregierung auch hier keinen weiteren Regelungsbedarf sieht. Des Weiteren gab es noch Fragen im Zusammenhang mit dem versorgungsrechtlichen Besitzstand für emeritierungsberechtigte Professorinnen und Professoren sowie deren Hinterbliebene zu klären, die in den §§ 76 und 76 a des jetzigen HRG geregelt sind. Diese Regelungen bleiben erhalten und werden in das Beamtenversorgungsgesetz verlagert. Das waren die Informationen zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes und zu den damit verbundenen Konsequenzen, die deutlich machen - davon bin ich überzeugt; das soll auch das Signal sein -, dass wir eine Redetext Modernisierung des Wissenschaftssystems gemeinsam mit den Ländern wünschen. Wir geben die Rahmengesetzgebung mit dem Ziel auf, mehr Wettbewerb, mehr Selbstständigkeit und Anreizsysteme wie die Exzellenzinitiative oder den Hochschulpakt zu ermöglichen. Vielen Dank.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Das Wort hat die Kollegin Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, besten Dank für Ihre Ausführungen. Allerdings muss ich ehrlich zugeben, dass mir die Logik, warum wir ausgerechnet jetzt zu einem solchen Gesetz zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes kommen müssen, nicht einleuchtet. Deshalb möchte ich erstens nachfragen, ob ich Sie richtig verstanden habe, dass sich durch die kürzlich beschlossene Föderalismusreform, die wir auch schon für einen falschen Schritt halten, kein unmittelbarer Aufhebungsbedarf für das Hochschulrahmengesetz ergibt. Zweitens. Ist es wirklich Ihr ganz klarer politischer Wille, das Hochschulrahmengesetz aufzuheben, obwohl Sie wissen, dass dadurch eine verstärkte Ungleichheit eintreten wird? Sie setzen auf Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Bundesländern - das haben Sie in Ihrem einleitenden Beitrag ganz klar gesagt -, was automatisch dazu führen wird, dass die Bundesländer unterschiedliche Regeln anwenden werden. Es gibt keine Notwendigkeit zu einer solchen Änderung. Was dabei am Ende herauskommt, wäre schlechter und weniger gut vergleichbar. Von daher lautet meine Frage: Warum also soll dieses Gesetz kommen?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Frau Kollegin, es ist in der Tat politischer Wille - keine Zwangsläufigkeit aus bisherigen Beschlüssen, gleichwohl die logische Konsequenz nicht nur aus einem föderalen System, sondern auch aus der dahinter steckenden Philosophie -, dass ein Wissenschaftssystem im 21. Jahrhundert nicht über Detailsteuerung und über die Vorstellung, dass eine Hochschule wie die andere ist, weiterentwickelt und modernisiert werden kann, sondern nur über Anreizsysteme und Wettbewerb, wie das auch international üblich ist. Schon die Exzellenzinitiative hat ja gezeigt, dass es sehr unterschiedliche Entwicklungen in den Hochschulen gibt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zur nächsten Frage hat der Kollege Gehring das Wort.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Frau Ministerin, angesichts der Tatsache, dass das Hochschulrahmengesetz abgeschafft werden soll - was wir für falsch halten -, stellt sich für mich die Frage, wie es die Bundesregierung beurteilt, dass einige Bundesländer - Nordrhein-Westfahlen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz - zahlreiche Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes bisher nicht in Landesrecht übernommen haben. Somit können durch die Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes in den nächsten Monaten teilweise Regelungslücken und ein rechtliches Vakuum entstehen. Diese Frage halte ich auch deshalb für berechtigt, weil sie nichts mit Detailversessenheit zu tun hat, sondern zum Beispiel auch mit der Fragestellung, wie wir die Mobilität von Studierenden in unserem Land sichern.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Es wird keine Regelungslücken und keine Zeiten der Rechtsunsicherheit geben, weil die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes zum 1. Oktober 2008 vorgesehen ist. Das ist das Ergebnis der Gespräche mit den Ländern. Damit haben sie genügend Zeit, die Übertragung wichtiger Regelungen zu leisten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt die Kollegin Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass wir beide eine moderne Wissenschaftslandschaft wollen. Halten Sie eine solche feudale Kleinstaaterei, wie Sie sie jetzt mit der Aufhebung der Hochschulrahmengesetzgebung festschreiben wollen, nicht für einen Widerspruch zu der modernen Struktur, die eigentlich erforderlich wäre?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ganz im Gegenteil, ich bin nicht der Überzeugung, dass der Föderalismus in Deutschland Kleinstaaterei ist. Ich bin der Überzeugung, dass Modernisierung des Wissenschaftssystems heute bedeutet, sich an internationalen Maßstäben auszurichten. Sie werden heute schwerlich eine wissenschaftsstarke Nation finden, die mit Rahmengesetzgebung diesen Modernisierungsprozess durchführt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Krummacher.

Johann Henrich Krummacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003793, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, am kommenden Wochenende wird in Stuttgart ein internationaler Kongress für den wissenschaftlichen Nachwuchs eröffnet, der von Ihrem Haus mit vorbereitet worden ist. Deswegen die Frage: Welche Bedeutung hat denn die Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes richtet sich an die Landesgesetzgeber. Vor Ort - das betrifft die Landesgesetzgebung, aber mehr noch die Hochschulen selbst - soll für die Förderung der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr Spielraum geschaffen werden. Sie wissen, dass die Bundesregierung hier etwa im Bereich der Begabtenförderung schon eine Menge getan hat. Letztlich wird wichtig sein, dass neben erfolgten Schritten wie der Einrichtung der Juniorprofessur in den nächsten Jahren verstärkt über den TenureTrack nachgedacht wird, also über wirkliche Perspektiven für wissenschaftliche Karrieren. Insgesamt gilt: Wir müssen unseren Universitäten, unseren Hochschulen die Freiräume geben, die in anderen Ländern vorhanden sind. Deshalb verbindet die Bundesregierung mit der Aufhebung der Hochschulrahmengesetzgebung die Erwartung, dass sich die Landesgesetzgeber gleichermaßen auf diese Philosophie der größeren Selbstständigkeit und Freiheit vor Ort einlassen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Schneider.

Volker Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003843, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, Sie haben eben ausgeführt, dass Sie die Auffassung vertreten, dass die Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes insoweit ganz passend sei, als dieser Prozess in den letzten Jahren durch den Übergang der Kompetenz auf die Länder, insbesondere durch die Schaffung rechtlicher Regelungen, bereits weitestgehend abgeschlossen sei. Das kann ich nur bedingt nachvollziehen. Ich möchte daher ausdrücklich fragen: Wie stehen Sie zu Ihrer eigenen Aussage in Bezug auf die Akkreditierungsverfahren? Eine Ergänzungsfrage in diesem Zusammenhang: Wie können Sie eine mögliche Zersiedelung der Akkreditierungslandschaft mit den grundsätzlichen Zielen des Bolognaprozesses - Vergleichbarkeit und Vereinbarkeit - vereinbaren?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

In Deutschland sind heute etwa 48 Prozent aller Studiengänge im Sinne des Bolognaprozesses umgestellt. Die Zahl der Studierenden, die davon betroffen sind, ist nicht so hoch, weil große Fachbereiche wie Medizin oder Jura noch nicht in der Umstellungsphase sind, hier noch Fragen zu klären sind. Akkreditierung heißt nach meiner Überzeugung: Transparenz und Vergleichbarkeit, aber nicht zu viel Bürokratie. Wir werden in der nächsten Woche in London in diesem Zusammenhang auch über die Erfahrungen anderer Länder sprechen. Danach wird sich die Frage stellen, ob es in Deutschland noch Bedarf für Feinjustierung und Weiterentwicklung gibt. Aber generell gibt es keine Zersiedelung. Das Ziel, das wir erreichen wollen, ist Mobilität in Europa, das heißt für alle Studiengänge Transparenz, was an Kompetenzen erworben und an Studien absolviert wird, übrigens - auch das ist ein Ziel des Bolognaprozesses - auch mit Blick auf künftige Berufsfelder.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage geht an die Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen von der CDU im Nebensatz die Juniorprofessuren erwähnt. Ich habe in Ihrer Einleitung das Wort „Juniorprofessuren“ vermisst. Ich würde Sie gern um eine Einschätzung bitten. Erstens. Sie haben viele Dinge aufgezählt, die jetzt geregelt seien. Wie ist aus Ihrer Sicht die Frage der Juniorprofessuren geregelt? Zweitens. Ich habe Ihrer Antwort entnehmen dürfen, dass Sie Juniorprofessuren für eine gute Angelegenheit halten. Wie wollen Sie die Einrichtung und Förderung von Juniorprofessuren weiter unterstützen? Wie wollen Sie mit den Bundesländern umgehen, in denen gegen die Juniorprofessuren geklagt wurde?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Erstens. Ich halte die Juniorprofessur für einen von verschiedenen möglichen Wegen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich weiter zu qualifizieren. Zweitens. Die Einrichtung Juniorprofessur hat auch in die Landesgesetzgebung Eingang gefunden. Drittens. Es ist nicht generell gegen die Juniorprofessur geklagt worden. Vielmehr ging es um die Frage des Zusammenspiels von Bund und Ländern im Prozess der Einführung. Die Auseinandersetzung darum war damals nicht friedlich; heute gibt es aber überhaupt keinen Grund, gegen jemanden vorzugehen. Die Juniorprofessur ist etabliert. Damit sie für die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ergiebig ist, muss gewährleistet sein, dass vonseiten der Länder Forschungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Auch hierzu gibt es in einzelnen Ländern erste Initiativen. Der Zug fährt also; ich glaube, er fährt in die richtige Richtung.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Kretschmer.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Bundesministerin, das HRG ist vonseiten des Bundesrates nicht zustimmungspflichtig. Dennoch würde ich gern wissen: Wie sind die Gespräche mit den Ländern zur Frage der HRG-Abschaffung verlaufen? Wie wird das von den Bundesländern gesehen? Wie möchte man die Spielräume ausnutzen, die sich durch die Abschaffung eröffnen? Die Forderung nach einer HRG-Abschaffung ist ja schon seit vielen Jahren im Raum; sie wurde immer wieder von den Ländern erhoben.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Die Gespräche mit den Ländern verliefen sehr positiv. Die Aufhebung der Rahmengesetzgebung wird begrüßt, weil sie über alle politischen Richtungen hinweg nicht mehr als aktuelle Philosophie verstanden wird. Der Wunsch der Länder war, für die Aufhebung den Zeitpunkt Oktober 2008 zu wählen, damit dort, wo sich auf der Ebene der Länder Handlungsbedarf ergibt, noch Regelungen getroffen werden können. Mit der Aufhebung der Rahmengesetzgebung wird die Gesetzgebung dem gerecht, was längst Praxis ist. Ich erinnere zum Beispiel daran, dass das entsprechende Gesetz in Nordrhein-Westfalen sogar Hochschulfreiheitsgesetz heißt. Auch viele andere Ländergesetze verfolgen den Grundgedanken, keine Detailsteuerung mehr vorzunehmen, sondern neue Instrumente einzuführen. Bei der Exzellenzinitiative haben wir gesehen, dass neue Instrumente der Steuerung eine enorme Dynamik in den Hochschulen auslösen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Barth.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Bevor ich meine Frage stelle, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass ich es sehr unglücklich finde, dass diese Befragung zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem der betreffende Ausschuss, nämlich der Bildungsausschuss, eine öffentliche Anhörung zum Thema Stammzellenforschung durchführt. ({0}) Dadurch müssen sich die Mitglieder entscheiden, ob sie hier an der Befragung der Bundesregierung oder an der Anhörung im Ausschuss teilnehmen. Zu meiner Frage. Sie haben die Zuständigkeiten des Bundes bereits mehrfach erwähnt. Ich möchte wissen, ob es bereits konkrete Überlegungen oder Planungen gibt, wie Sie mit den restlichen Zuständigkeiten des Bundes, insbesondere bezüglich der Hochschulabschlüsse - Sie selbst haben Bologna erwähnt -, in Zukunft umgehen werden.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ich sehe keinen zusätzlichen Regelungsbedarf, weil die Frage der Abschlüsse, die zunehmend zu einer europäischen Angelegenheit wird, im Rahmen des Bolognaprozesses zu regeln ist und die Frage der Hochschulzulassung in einem Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen geregelt ist. Nach meiner festen Überzeugung muss in den nächsten zehn Jahren der Anteil der Studienplätze, die die Hochschulen durch entsprechende Auswahlverfahren selbst vergeben, wachsen. Es muss ein Bestandteil der neuen Philosophie sein, dass einerseits Studierende ihre Hochschulen und andererseits die Hochschulen ihre Studierenden wählen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Rossmann.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, im Rahmen der Föderalismusreform ist die Rahmengesetzgebung abgeschafft worden. Ich darf daran erinnern, mit welchem Pathos dieses Faktum generell behandelt wird. Meine Frage bezieht sich auf die Äußerung des Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Herrn Zöllner, am 30. April 2007 in der „Süddeutschen Zeitung“, er sehe den dringenden Bedarf, dass die Hochschulzulassung und -abschlüsse bundeseinheitlich geregelt werden. Stimmen Sie dieser Einschätzung auf Landesebene zu, dass es in dem existentiellen Bereich der Zulassung und Abschlüsse zwingend einer bundeseinheitlichen Regelung bedarf? Ich habe noch eine weitere Frage. Wir streben ein effizientes Bewerbungsmanagement für alle Studierenden an, damit sie nicht von Hochschule zu Hochschule geschickt werden. Würden Sie so weit gehen, den Hochschulen die Freiheit zuzugestehen, sich von diesem offiziellen und einheitlichen Bewerbungsmanagement auszuschließen? Reicht die Freiheit so weit, oder bedarf es einer bundeseinheitlichen Verpflichtung, sich zum Beispiel an einem gemeinsamen Bewerbungsmanagement zu beteiligen?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Zu den Aussagen des Kollegen Zöllner kann ich angesichts der im Rahmen des Bolognaprozesses einerseits und des bereits erwähnten Staatsvertrages der 16 Länder andererseits existierenden Regelungen erst dann Stellung nehmen, wenn er konkretisiert, was seines Erachtens zu regeln ist. Ich bin gesprächsoffen, sehe aber zurzeit nicht, was über die bestehenden Regelungen - der Staatsvertrag einerseits, übrigens bei Weiterentwicklung der Rolle der ZVS als Servicestation, und der Bolognaprozess andererseits - hinaus notwendig wäre. Nach den bestehenden Regelungen beteiligen sich die Hochschulen an dem Bewerbungsmanagement. Meine persönliche Überzeugung ist, dass wir uns in Deutschland über einen längeren Zeitraum an Verhältnisse gewöhnen sollten, wie sie in der übrigen Welt bereits existieren. Insofern gehört zur Selbstständigkeit der Hochschule dazu, dass sie ihre Studierenden auswählt. ({0}) Inwieweit es dann noch für Gruppen von Hochschulen oder für die Hochschulen eines Landes Servicestationen gibt - auch was das Management von Auswahlverfahren angeht -, ist davon unberührt. Vermutlich wird sich auch die ZVS in diese Richtung entwickeln. Wer aber die Philosophie der Autonomie ernst nimmt, der muss sie nach meiner persönlichen Überzeugung auch dann ernst nehmen, wenn es um die Auswahl der Studierenden geht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, Sie haben bewusst die Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes des Bundes in Erwägung gezogen, weil Sie - wie auch wir als Liberale - auf mehr Autonomie, Wettbewerb und Mobilität in Europa setzen. Das begrüßen wir zwar, aber wenn der Bund diesen Schritt geht, dann muss er nach unserer Auffassung auch dafür sorgen, dass die Länder nicht über ihre Landesgesetze mehr Regulierung zulassen. Autonomie bedeutet in der Tat - Sie haben auf Nordrhein-Westfalen hingewiesen - mehr Freiheit für die Hochschulen. Leider haben nicht alle Länder ein so freiheitliches Hochschulgesetz. Insofern frage ich Sie: Was tun Sie als Bundesministerin im Zuge der Verhandlungen mit den Kultusministern der Länder, damit es nicht bei der Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes bleibt, sondern durch den Abbau entsprechender Überregulierungen auch in den Landesgesetzen insgesamt mehr Autonomie erreicht wird?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Der Bund hat in diesem wie in allen anderen Bereichen keinen unmittelbaren Einfluss auf die Landesgesetzgebung. Ich bin aber ebenso wie die Liberalen zutiefst davon überzeugt, dass die Frage, wie viel Autonomie es in einem Land gibt, zu einem Wettbewerbsfaktor im Wissenschaftssystem wird. Wo die meiste Autonomie ist, werden die Universitäten die besten Möglichkeiten zur Gestaltung haben, auch bei der Personalauswahl und in der Frage, ob ein Ministerium beteiligt wird oder nicht. Deshalb setze ich nicht auf Mischsysteme mit ein bisschen Regulierung, sondern konsequent auf Anreize und Selbstständigkeit vor Ort; das wird sich durchsetzen. Alles andere ist Philosophie von gestern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort zur nächsten Frage hat der Kollege Weinberg.

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zuerst eine Anmerkung zum Kollegen Barth: Ich bin erstaunt, dass die Opposition das Angebot der Bundesregierung kritisiert, im Rahmen der Regierungsbefragung ein aktuell wichtiges Thema zu besprechen. Ich finde es jedenfalls gut, dass wir uns mit diesem Thema hier befassen, genauso wie das Angebot der Bundesregierung an die Opposition, durch Nachfragen Themen zu vertiefen. Ich möchte noch einen Kommentar zu dem Vorwurf der Kleinstaaterei von der Linken abgeben. Ich bin sehr überrascht, dass man Nordrhein-Westfalen, BadenWürttemberg oder Bayern als Kleinstaaten bezeichnet, insbesondere wenn ich das im Vergleich zu Belgien und Finnland sehe. Daran schließt sich meine Frage an, Frau Ministerin: Wie bewerten Sie angesichts der weiteren Entwicklung der Hochschullandschaft insgesamt im internationalen Vergleich die Möglichkeiten der Bundesländer, mehr Verantwortung nach unten - also den Hochschulen - zu geben? Es gibt in einigen Bundesländern Bestrebungen, die darauf abzielen, die Autonomie der Hochschulen zu stärken. Einige Bundesländer sind schon sehr weit. Wie ist der Prozess, die Autonomie und die Verantwortung der Hochschulen zu stärken, mitteloder längerfristig im Hinblick auf die Rahmengesetzgebung auf europäischer Ebene und die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Hochschullandschaft zu bewerten?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ich bin davon überzeugt, dass mehr Transparenz, Wettbewerb und Autonomie eine Stärkung des deutschen Wissenschaftssystems bedeuten. Damit sind auch viele andere Veränderungen verbunden. Ich denke etwa an strategische Allianzen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Dort ist im Moment vieles im Fluss. Auf europäischer Ebene wird es keinen Rahmen geben. Der Bolognaprozess ist kein Prozess der Harmonisierung, sondern ein Prozess, bei dem Instrumente geschaffen wurden, die eine Übersetzung innerhalb einer vielfältigen Hochschullandschaft ermöglichen. Vielfalt stärkt und hilft den Universitäten und Hochschulen vor Ort bei der Profilierung. Im Sinne der Studierenden ist wichtig - das ist die politische Verantwortung -, dass die Übersetzung gelingt, dass Mobilität ermöglicht wird, dass der europäische Hochschulraum von den Studierenden besser genutzt werden kann als in der Vergangenheit. Bei der Wahrnehmung politischer Verantwortung muss man sich an der Situation der Studierenden, der erwarteten Mobilität und dem Qualitätsbewusstsein an den Hochschulen orientieren sowie daran, dass der europäische Hochschulraum mit seinen nationalen Einheiten international attraktiv wird und dass die Universitäten Entwicklungen machen können, die zu exzellenter Forschung und Lehre führen. Derzeit gibt es weltweit kein Beispiel dafür, dass Exzellenz wächst, wenn möglichst viel Detailsteuerung seitens der Politik praktiziert wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Hirsch hat noch eine Nachfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, Sie haben vorhin davon gesprochen, dass keine Regelungslücken entstünden. Hier möchte ich konkret nachfragen. Wie Sie wissen, ist in § 9 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes geregelt, dass die Bundesländer gemeinsam verpflichtet sind, die Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen und Prüfungsleistungen sicherzustellen. Auf der Grundlage dieser gemeinsamen Verpflichtung der Bundesländer gibt es seit 2002 ein Akkreditierungssys9758 tem, an dem sich bislang alle 16 Bundesländer beteiligen. Wenn wir davon ausgehen, dass Sie Ihr Gesetz zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes durchsetzen und das Hochschulrahmengesetz zum 1. Oktober 2008 aufgehoben wird: Wie können Sie unter dieser Prämisse sicherstellen, dass sich nicht einzelne Bundesländer entschließen, aus diesem bisher noch bestehenden gemeinsamen Akkreditierungssystem auszutreten?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Das schließe ich aus, weil alle Bundesländer - übrigens ebenso wie neben Deutschland noch 44 andere Nationen - am Bolognaprozess beteiligt sind. Jedes Land, das schon die Vergleichbarkeit innerhalb Deutschlands für nicht wichtig hält, katapultiert sich damit gleichsam automatisch aus dem Bolognaprozess heraus.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Rossmann.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, wir haben uns im Koalitionsvertrag auf eine Bundesinitiative verpflichtet, wonach der Zugang von Menschen mit einem berufsqualifizierenden Abschluss und beruflicher Qualifikation zu allen Hochschulen in Deutschland bundeseinheitlich zu befördern ist. Sehen Sie Chancen, dies ohne die Länder oder mit den Ländern zusammen über die nächste Hochschulreform hinaus zu befördern, und, wenn ja, in welcher Form?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ja, diese Chancen sehe ich, denn wir werden - ich glaube, sogar heute schon - eine Arbeitsgruppe einsetzen, die nach der Arbeit an dem europäischen Qualifikationsrahmen jetzt am nationalen Qualifikationsrahmen arbeiten wird, der keineswegs nur den Bereich der beruflichen Bildung betrifft, sondern auch die Durchlässigkeit des Systems in den tertiären Bereich. Es ist im Vorfeld besprochen worden, dass dieser Aspekt von mehr Durchlässigkeit in den tertiären Bereich, von mehr Möglichkeiten für diejenigen und einer deutlichen Erhöhung der Zahl derer, die nicht auf dem klassischen Weg des Abiturs zum Studium kommen, stärker beachtet werden soll.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Schneider.

Volker Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003843, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Zunächst noch eine kurze Anmerkung zu dem, was Kollege Weinberg gesagt hat: Es ist nicht so, dass wir uns nicht freuten, dass die Frau Ministerin hier ist. ({0}) Wir wünschen uns viele weitere Gelegenheiten zu Befragungen. Wir haben nur bedauert - insoweit kann ich mich dem Kollegen Barth anschließen -, dass die Regierungsbefragung und die Anhörung gleichzeitig stattfinden. Vielleicht bedauert auch die Frau Ministerin, dass sie als Forschungsministerin wegen dieser Überschneidung an einer der im Bereich der Forschung wichtigsten Anhörungen nicht teilnehmen kann. ({1}) Noch eine kurze Anmerkung zur Antwort auf die Frage meiner Kollegin Hirsch: Frau Ministerin, in Bayern wird sehr wohl darüber diskutiert, aus dem Akkreditierungssystem auszusteigen, aber das ist bei Ihnen vielleicht noch nicht angekommen. Aber jetzt zu meiner eigentlichen Frage: Wenn ich Sie bei Ihren bisherigen Ausführungen richtig verstanden habe, sind alle Vorbereitungen zur Aufhebung des Gesetzes bislang mit den Ländern abgesprochen worden. Ich habe allerdings eine Absprache mit den Hochschulen vermisst. Habe ich das nur überhört? Falls ich es nicht überhört haben sollte, frage ich weiter: Ist im Zuge des weiteren Verfahrens geplant, die Hochschulen in dieser doch nicht unwichtigen Frage noch einzubeziehen?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Da Sie jetzt gleich drei Themen angesprochen haben, erlaube ich mir, auch auf alle drei einzugehen. - Erstens. Ich nehme nicht deswegen an der Anhörung nicht teil, weil ich hier stehe, sondern weil das Parlament Wert darauf gelegt hat, dass die Forschungsministerin möglichst keinen Einfluss auf das Parlament nimmt und sich zurückhält. Daran halte ich mich. ({0}) - Ihr müsst schon wissen, was ihr wollt. Zweitens, zur Akkreditierung. Selbstverständlich kommt auch bei mir an - darüber gibt es viele Debatten und Stellungnahmen -, dass man aufgrund der bisherigen Erfahrung mit der Akkreditierung überlegt, ob es noch andere Varianten gibt. Dazu gibt es Stellungnahmen von Hochschulen, die äußern, sie seien so groß, dass sie dies selbst leisten könnten. Außerdem wird nach der Systemakkreditierung gefragt. Das alles wird in London besprochen werden, und deshalb habe ich eben gesagt: Man sollte beim weiteren Voranschreiten die Wege wählen, die mit möglichst wenig Bürokratie verbunden sind. Aber das Ziel der Akkreditierung ist doch völlig klar - da steigt auch Bayern nicht aus -: Transparenz, Vergleichbarkeit und im europäischen Kontext gelingende Übersetzung. Im Vorfeld der Vorbereitung der Bolognakonferenz ist übrigens deutlich geworden, dass Deutschland mit seinen Wegen der Akkreditierung sehr anerkannt ist. Drittens. Adressat der Aufhebung der Rahmengesetzgebung sind die Länder, weil Regelungsbedarf im Zweifelsfall auf der Ebene der Länder besteht. Mir ist nicht bekannt, dass es an den Hochschulen die Philosophie gäbe, dass wir eine Rahmengesetzgebung brauchen. Es war für die Hochschulen und auch für einige Berufsverbände wichtig, dass versorgungsrechtliche Regelungen für emeritierte Professoren getroffen werden. Was im Interesse von Hochschulangehörigen zu regeln war, ist geregelt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Gehring.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, die Mobilität innerhalb Europas erfordert auch Mobilität innerhalb Deutschlands, nicht aber Kleinstaaterei und einen Flickenteppich. Ich will Sie ganz klar fragen: Will die Bundesregierung die ihr infolge der Föderalismusreform I bei Hochschulzulassung und -abschlüssen zugebilligten Kompetenzen wahrnehmen und künftig bundesweit einheitliche Mindeststandards, zum Beispiel im Rahmen eines Staatsvertrags, mit den Ländern vereinbaren, oder soll das alles entfallen? Es ist im Übrigen sowohl für die deutschen Studierenden als auch für ausländische Studierende, die zu uns kommen, sehr wichtig, zu wissen, auf welche Regelungen bei Zugängen und Abschlüssen man sich künftig verlassen kann.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ich wiederhole, dass es einen Staatsvertrag zwischen 16 Ländern gibt, der die Hochschulzulassung regelt. Er tut dies, weil in dieser Frage Transparenz wichtig ist. Hinsichtlich der Mindeststandards verweise ich auf meine Antwort auf die Frage, die mir Kollege Rossmann eben gestellt hat. Wir wollen vor allem mehr Durchlässigkeit in den tertiären Bereich. Die Frage, welche Standards erfüllt sein müssen, damit jemand erfolgreich diesen oder jenen Studiengang belegen kann, wird nach meiner festen Überzeugung am ehesten die Hochschule selbst entscheiden können. So weit sind wir aber noch lange nicht, weil es einen Staatsvertrag, eine ZVS und alles, was damit verbunden ist, gibt und das mit Mindeststandards zu tun hat. Was die Abschlüsse betrifft, so befinden wir uns in dem Prozess der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge. Wir haben Einrichtungen, Akkreditierungsagenturen, die damit verbundene Standards überprüfen. Studiengänge werden nur anerkannt und damit zugelassen, wenn Standards, die international wettbewerbsfähig sind, erfüllt sind. Insofern sage ich: Ich bin offen für das Gespräch darüber, sehe aber nicht, dass über diese Instrumente hinaus, die geschaffen worden sind, weitere Instrumente notwendig wären. Ich weiß auch nicht, wo sonst in der Welt darüber hinausgehende Regelungen getroffen sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Mir liegen noch eine Frage zu dem Themenbereich und eine Frage zu weiteren Themen der heutigen Kabinettssitzung vor. Ich möchte beide noch zulassen. Das geht auf Kosten der nachfolgenden Fragestunde. Das Wort hat die Kollegin Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, ich wollte zur Ehrenrettung der Kolleginnen und Kollegen aus dem Bildungs- und Forschungsausschuss und für die deutsche Öffentlichkeit, die sich immer wundert, warum der Plenarsaal nicht voller ist, sagen, dass wir zeitgleich zu dieser Befragung der Bundesministerin für Forschung die Anhörung zum Stammzellgesetz haben. ({0}) Sie sind, wie auch ich, gegen das Klonen, und wir können uns nicht gleichzeitig hier und dort aufhalten. Ich bitte, das zu respektieren, was mein Kollege hier dazu gesagt hat. Wegen der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands halte ich es für wichtig, dass wir eine stärkere Autonomie der Hochschulen, aber auch Mobilität in unserem Land und in Europa für die jungen Leute durchsetzen. Wir wollen europäische Standards bei den Hochschulabschlüssen und natürlich auch ein dementsprechendes Niveau bei den Hochschulzulassungen. Während das anderenorts in Europa realisiert wird, ist es für einen jungen Deutschen, der in Baden-Württemberg die Fachhochschulreife erworben hat, immer noch unmöglich, zum Studium an einer Fachhochschule in Berlin zugelassen zu werden. Halten Sie das für gerechtfertigt? In Deutschland ist die volle Mobilität von Lehrern noch immer nicht gewährleistet, weil jedes Bundesland eine andere Lehrerausbildung vorhält. Das widerspricht aus meiner Sicht dem europäischen Gedanken des Bolognaprozesses und auch dem Gedanken der freien Mobilität, die nicht nur in den anderen europäischen Ländern, sondern vor allen Dingen auch in Deutschland notwendig sind. Hier müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Ist es Ihr politisches Anliegen, die Hausaufgabe in dieser Frage, die der Bund und die Länder nicht gemacht haben, zu erledigen, um dem europäischen Wettbewerb standhalten zu können?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ich gehe auf beide Teile der Frage ein. Was die Anerkennung von Hochschulabschlüssen angeht: Das wird über den Bolognaprozess zu regeln sein. Aber dann muss eben auch klar sein - da stimme ich Ihnen zu -, dass die Länder das, was damit einhergeht, zum Beispiel Transparenz, akzeptieren. Das Thema Lehrerausbildung drängt; denn wir wollen Mobilität in Deutschland. Übrigens wird sich auch in diesem Bereich - vor allen Dingen in Grenzregionen die Frage stellen, inwieweit wir die Mobilität auf europäischer Ebene im Sinne des europäischen Bildungsraumes stärken wollen. Insofern appelliere ich an die Länder, dieses Thema bald abschließend zu behandeln. Damit sollte die Frage nach der Art der Umstellung beantwortet werden, sodass wir auch hier international vergleichbare und anerkannte Abschlüsse haben. Ich wie9760 derhole: Dieses Thema drängt, und es muss in den nächsten Monaten abschließend behandelt werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Ministerin. - Ich lasse, wie angekündigt, noch eine Frage zu anderen Themenbereichen der heutigen Kabinettssitzung zu. Bitte, Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Leider ist das Innenministerium hier nicht vertreten. Nach der heutigen Kabinettssitzung vermelden die Agenturen, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble angekündigt hat, die Sicherheitsvorkehrungen für das Treffen der G 8 Anfang Juni im Ostseebad Heiligendamm nochmals zu verschärfen: Für die Zeit dieser Konferenz sollen die Grenzkontrollen an den Schengenbinnengrenzen wieder eingeführt werden. Ich möchte von der Bundesregierung gerne wissen, wann und in welcher Form der Bundesinnenminister das Kabinett darüber informiert hat, wie die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen für das G-8-Treffen Einschränkungen hinnehmen müssen. Welche Flughäfen werden betroffen sein? Werden nur die Landgrenzen und die Seegrenzen betroffen sein? In welcher Form muss man mit zusätzlichen Kontrollen gegenüber dem heutigen Zustand rechnen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wer kann für die Bundesregierung antworten? - Herr Dr. Beus, bitte.

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Beck, dieses Thema war nicht Gegenstand der heutigen Kabinettssitzung. Insofern kann ich die detaillierten Fragen, die Sie hier gestellt haben, jetzt nicht beantworten. Aber ich werde mich selbstverständlich bemühen, Ihnen eine entsprechende Auskunft zukommen zu lassen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank, Herr Dr. Beus. - Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 16/5213, 16/5236 Zu Beginn der Fragestunde behandeln wir gemäß Nr. 10 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 16/5236. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 4 des Kollegen Volker Beck ({0}) auf: Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, der am 6. Mai 2007 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ damit zitiert wird, er sehe in Bezug auf Usbekistan Lichtblicke, die es erlauben könnten, dass die Europäische Union in der nächsten Woche zu der Entscheidung gelangt, die Sanktionen gegen Usbekistan auslaufen zu lassen, und wird die Bundesregierung die Aufhebung oder Lockerung der Sanktionen gegen Usbekistan vorantreiben?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege Volker Beck, auf Ihre Frage antworte ich wie folgt: Die im November 2005 auch auf Initiative der Bundesregierung verhängten Sanktionen der EU gegenüber Usbekistan wurden im November 2006 modifiziert. Der Visabann wurde um sechs Monate, das Waffenembargo um zwölf Monate verlängert. Die Aussetzung technischer Gremiensitzungen im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens ist im November 2006 nicht weiter verlängert worden. Die nächste Überprüfung des Visabanns als Teil der EU-Sanktionen gegenüber Usbekistan steht nun am 14 Mai 2007 an. Dabei geht es ausschließlich um die Reisebeschränkungen. Das Waffenembargo läuft bis November 2007 weiter. Der Gemeinsame Standpunkt und die Ratsschlussfolgerungen zu Usbekistan sollen auf dem Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen am 14. Mai 2007 verabschiedet werden. Die Bewertung der bisherigen Entwicklungen in Usbekistan durch die EU mit Blick auf die Überprüfung der Sanktionen ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung als EU-Präsidentschaft hat zur Kenntnis genommen, dass das Meinungsbild in der EU zur Frage der Sanktionen nicht einheitlich ist. Die Diskussionen in den entsprechenden Gremien laufen noch und werden wohl spätestens auf dem Rat finalisiert werden. Bislang ist von keinem Mitgliedstaat die Aufhebung der Sanktionen gefordert worden. Die Bundesregierung sieht in einigen Bereichen durchaus Bewegung auf usbekischer Seite. So gab es im Dezember 2006 und im April 2007 zwei Runden der Andijan-Expertengespräche. Am 8. und 9. Mai 2007, also gerade in diesen Tagen, findet in Taschkent die erste Runde eines institutionalisierten Menschenrechtsdialogs statt. Vor wenigen Tagen hat Usbekistan außerdem schriftlich zugesagt, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz die Wiederaufnahme von Gefangenenbesuchen nach den vereinbarten Prinzipien zu gestatten. Das unverhältnismäßige Urteil gegen Frau Nijazowa, die am 1. Mai zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, wurde gestern von einem Taschkenter Gericht in drei Jahre auf Bewährung umgewandelt, und Frau Nijazowa wurde umgehend freigelassen. Die Bundesregierung bedauert jedoch gleichzeitig die anhaltenden Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger und Oppositionelle in Usbekistan. Die Bundesregierung hat als EU-Präsidentschaft ihre Haltung hierzu in der Erklärung vom 4. Mai 2007 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Sie hat diese Haltung der usbekischen Regierung auch mehrfach auf hoher politischer Ebene deutlich gemacht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, es ist nicht so richtig deutlich geworden, was nun die Haltung der Bundesregierung zu einer Lockerung der Sanktionen ist. Sie haben beschrieben, dass die anderen Staaten kein einheitliches Meinungsbild hätten. Die Frage war aber eigentlich, was die Haltung der Bundesregierung ist. Halten Sie es für angemessen, dass man in Europa und auch in der zentralasiatischen Region - wir hatten gestern Besuch von Menschenrechtlern aus allen zentralasiatischen Staaten, ohne Turkmenistan, wo so etwas nicht möglich ist - der Meinung ist, dass die Haltung der Bundesregierung zur Lockerung der Sanktionen gegenüber Usbekistan alle Menschenrechtler in Zentralasien in ihrem Kampf um Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in ihren Ländern schwächt? Die EU verlangt im Zusammenhang mit den Sanktionen gegenüber Usbekistan eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle von Andijan - da ist die Expertenkommission kein Ersatz, zumal die Berichte alle geheim sind -, den Zugang des Internationalen Roten Kreuzes - nicht nur ein Versprechen des Zugangs - und natürlich, dass der Menschenrechtsdialog auf einer festgelegten Agenda stattfinden muss. Keine dieser Forderungen wurde bis jetzt erfüllt. Würden Sie nicht auch meinen, dass es vor dem Hintergrund, dass noch 14 Menschenrechtsverteidiger in Haft sind und es noch 8 000 politische Gefangene gibt, völlig unangemessen wäre, dem usbekischen Regime durchgehen zu lassen, dass man die Sanktionen gegen warme Worte aufhebt? In warmen Worten - das werden Sie bei dem Dialog dort erleben - sind die sehr geübt.

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, ich werde heute auch noch ein Gespräch mit dieser Delegation führen. Ich werde dort genauso wie hier zum Ausdruck bringen, dass wir natürlich noch längst nicht an dem Punkt angekommen sind - ich habe das auch eben in der Antwort deutlich gemacht -, wo alle berechtigten Forderungen der Weltgemeinschaft in Richtung Usbekistan erfüllt sind. Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass anderthalb Jahre - Andijan war im Mai 2005 - überhaupt nichts an Bewegung festzustellen war, sondern es einen völligen Stillstand gab - nur Prozesse gegen angeblich Verantwortliche und hohe Strafen -, während es danach doch zu dem, was ich hier durchaus als Bewegung bewertet habe, gekommen ist. Dass dieses natürlich besser ist als gar keine Bewegung, ist unbestreitbar. Wir beide sind uns doch darüber einig, dass entscheidend ist, ob für bestimmte Personen etwas erreicht werden kann oder nicht; das hängt davon ab, ob der Kanal, um etwas zu erreichen, offen bleibt oder nicht. Das wird auch bei der Entscheidung über das Auslaufenlassen der Sanktionen eine entscheidende Rolle spielen. Sie, der Sie sich ja lange auch hier im Bundestag kompetent mit Rechtspolitik beschäftigt haben, werden mir nicht widersprechen, wenn ich feststelle, dass es berechtigt ist, von Bewegung auch im Sinne der Betroffenen zu sprechen, wenn die Strafe von Frau Nijazowa, die am 1. Mai zu sieben Jahren Haft verurteilt worden ist, am 8. Mai auf drei Jahre Haft auf Bewährung reduziert und sie sofort freigelassen wird, nachdem am 3. Mai der deutsche Botschaft demarchiert und am 4. Mai Deutschland eine EU-Ratserklärung dazu abgegeben hatte. Ich könnte jetzt andere Fälle anführen: So haben wir uns zum Beispiel erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Büroleiterin des Büros von Human Rights Watch in Taschkent jetzt doch eine Akkreditierung in Aussicht gestellt worden ist, nachdem sie ihr vorher schon versagt worden war. Das heißt ganz konkret, dass sie ihre Arbeit fortsetzen kann. Wir sind zwar mit den Beratungen innerhalb der EUStaaten zur Vorbereitung der Sitzung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen noch nicht fertig, für uns ist aber entscheidend, ob es weiterhin möglich ist, durch Umgang mit der Regierung in Taschkent etwas für die betroffenen Menschen zu tun.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will die Veränderungen in diesem Einzelfall gar nicht in Abrede stellen. Das Entscheidende ist aber doch, dass es keine generelle Lösung gibt, sondern die Strategie der usbekischen Regierung offenbar darin besteht, mit einer solchen Einzelfalllösung Beweglichkeit zu signalisieren, während die große Zahl der politischen Gefangenen und Menschenrechtsverteidiger von dieser Lockerung nichts spürt. Welchen Zusammenhang gibt es einerseits zwischen der etwas auffälligen Strategie ausgerechnet der Bundesregierung, für eine Lockerung des Sanktionsregimes einzutreten, und andererseits dem ehrgeizigen Vorhaben von Herrn Steinmeier und dem Leiter der Politischen Abteilung, Herrn Schaefer, auf Biegen und Brechen eine Zentralasienstrategie der EU-Ratspräsidentschaft auf den Weg zu bringen? Das frage ich vor dem Hintergrund, dass sowohl die Menschenrechtsverteidiger, die Sie nachher sehen werden, als auch Vertreter von Human Rights Watch, mit denen ich heute Vormittag gesprochen habe, sagen, die jetzige Handlungsweise der usbekischen Regierung trage keine Lockerung des Sanktionsregimes. Vielmehr sei eine Lockerung des Sanktionsregimes gerade das falsche Signal und werde bei Karimow eher den Eindruck erwecken, dass man sich nur lange genug zäh verhalten muss und im Wesentlichen auf die Forderungen nicht eingehen muss, sondern sich nur ein wenig bewegen muss, um die Europäische Union letztendlich doch in die Knie zu zwingen.

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, was die Reaktionen der Menschenrechtsorganisationen angeht, wird Sie vielleicht ein Zitat aus einem Schreiben der Direktorin des Deutschlandbüros von Human Rights Watch, Frau Marianne Heuwagen, an Minister Steinmeier interessieren. Sie schrieb in ihrem Brief vom 20. April 2007: Zunächst einmal möchte ich Ihnen versichern, dass wir das Engagement der Bundesregierung für unsere Büroleiterin in Taschkent, Frau Dr. Andrea Berg, ... zu schätzen wissen und dem Auswärtigen Amt dafür äußerst dankbar sind, zumal, da die Bundesregierung sich als einzige für unser Verbleiben in Usbekistan einsetzt. Ich glaube, das ist ein Beleg dafür, dass durchaus gewürdigt wird, was wir hier in Einzelfällen nicht nur versuchen, sondern auch erreichen. Auf Ihre Frage möchte ich Ihnen weiterhin sagen: Für uns ist die Frage von Sanktionen keine Frage sui generis, sondern es geht bei dieser Frage darum, was man mit Sanktionen, insbesondere auch im Sinne der einzelnen Betroffenen, erreicht. Nachdem Sie auch die Zentralasienstrategie angesprochen haben, möchte ich Sie darüber informieren, dass es sich dabei ausdrücklich nicht um irgendein Privatvergnügen von Bundesminister Steinmeier und des Politischen Direktors handelt, sondern wir bei der Vorbereitung der Zentralasienstrategie im Rahmen eines Mandates, das uns von den 27 EU-Staaten einstimmig gegeben worden ist, handeln. Diese Zentralasienstrategie schlägt unter anderem den Rechtsstaatsdialog, den Menschenrechtsdialog mit allen fünf zentralasiatischen Staaten vor; dieser wurde gestern und heute mit Taschkent sogar schon begonnen. Insofern ist das, was Sie eben angesprochen haben, eine offizielle Strategie der EU. Im Übrigen bin ich sehr optimistisch, dass wir hier am 21./22. Juni zu einem guten Ergebnis kommen. Wir werden ganz im Sinne des Mandates eine Zentralasienstrategie vorlegen und auf dem die deutsche Ratspräsidentschaft abschließenden EU-Gipfel beschließen. Darin ist zu einem großen Teil genau das, was Sie sich wünschen, enthalten, und zwar in Form eines gemeinsamen Strebens nach einer Verbesserung von Rule of Law, Good Governance und Menschenrechten in den zentralasiatischen Republiken. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatsminister. - An den Kollegen Beck der Hinweis für den Fall, dass er heute noch weitere Fragen zum Tagesordnungspunkt „Fragestunde“ stellen möchte: Mein Vorrat an Geduld, zumindest was die Länge und Ausführlichkeit Ihrer Fragen betrifft, ist für heute aufgebraucht. Ich bitte also um kurze Fragen. Wir kommen zu den dringlichen Fragen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Wie begründet die Bundesregierung, dass der Einsatz von sechs deutschen Soldaten in Südafghanistan entsprechend einer Information des Bundesministers der Verteidigung an die Obleute des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses vom 4. Mai 2007, insbesondere „ein Team mit drei deutschen Soldaten mit einem geschützten Fahrzeug als Lautsprecherträger ({0}) sowie einem US-Verbindungsoffizier im Raum RC Süd einzusetzen“, durch das Mandat des Deutschen Bundestages gedeckt sei? Bitte, Herr Staatssekretär.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Präsidentin, auf die dringliche Frage 1 des Kollegen Gehrcke antworte ich wie folgt: Gemäß Mandat des Deutschen Bundestages ist ein zeitlich und im Umfang begrenzter Einsatz deutscher Kräfte als Unterstützungsmaßnahme in ganz Afghanistan zulässig, sofern dies zur Erfüllung des Gesamtauftrags der ISAF - International Security Assistance Force - unabweisbar ist. Das Team mit drei deutschen Soldaten und einem geschützten Fahrzeug als Lautsprecherträger sowie einem US-Verbindungsoffizier gehört zum Aufgabenbereich „operative Information“. Operative Information ist das Mittel der Kommunikation des örtlichen militärischen Führers mit der Bevölkerung im Einsatzgebiet. Nur durch eine hinreichende Information über Absicht und Maßnahmen der eingesetzten ISAF-Kräfte sowie über Maßnahmen des Wiederaufbaus und der Entwicklung lassen sich Falschinformation und Gerüchtebildung durch oppositionelle Kräfte entgegenwirken, Verständnis für die eigene Operationsführung bei der betroffenen Bevölkerung erreichen und eine Einbettung der Operation in die Unterstützung durch die Bevölkerung fördern. Verständnis und Akzeptanz der Bevölkerung tragen - da waren wir uns hier im Hause bei allen Debatten einig maßgeblich zum Schutz der eingesetzten ISAF-Soldaten und zum Erreichen der Operationsziele bei. Da das ISAF-Regionalkommando Süd derzeit über keine geeigneten Kräfte der operativen Information verfügt, ist der zeitlich begrenzte Einsatz der deutschen Soldaten durch ISAF beantragt worden. Für die geplante Schwerpunktoperation von ISAF, welche der Stabilisierung wie auch der Vorbereitung von Wiederaufbaumaßnahmen dient, ist die zeitnahe, gezielte und wirksame Information der Bevölkerung von entscheidender Bedeutung. Ohne den Einsatz der deutschen Soldaten des Aufgabenbereichs „operative Information“ könnte dies so nicht erfolgen. Deswegen ist im Hinblick auf den ISAF-Gesamtauftrag der Einsatz der deutschen Soldaten unabweisbar und damit im Rahmen des Mandats, Herr Kollege.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Gehrcke hat das Wort zur ersten Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, fänden Sie es nicht besser oder zumindest klüger vonseiten der Bundesregierung, solche Fragen wie den Einsatz sechs deutscher Soldaten im Süden Afghanistans - die FDP-Kollegin hat geschrieben, an der Grenze des Mandates; ich bin der Auffassung, außerhalb des Mandates - vorher mit den Abgeordneten zu besprechen und zu diskutieren, damit man nicht immer den Informationen hinterherlaufen muss?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Gehrcke, Sie wissen, dass die Bundesregierung und das Bundesministerium der Verteidigung intensiv Sorge dafür tragen, dass die Information der Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages, insbesondere der Obleute beider Ausschüsse, des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses - Sie sind ja Obmann im federführenden Ausschuss -, erfolgt. Für diese konkrete Maßnahme - den Begriff „Operation“ zu verwenden, ist zwar technisch, aber von der Dimension her eher nicht angezeigt - hat es eine entsprechende Unterrichtung durch den Staatssekretär Dr. Wichert im Auftrag des Bundesministers der Verteidigung gegeben. Wir werden auch in Zukunft über die Einsätze und die weiteren Entwicklungen zeitnah und sobald verlässliche Informationen möglich sind, informieren und unserer Pflicht nachkommen. Ich darf darauf hinweisen, dass heute im Verteidigungsausschuss eine entsprechende vertiefende Information durch den Bundesminister der Verteidigung erfolgt ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich habe eigentlich etwas anderes gefragt, und ich wiederhole die Frage in einer anderen Form. Die schriftliche Unterrichtung, die Sie zu Recht erwähnen, ist am vergangenen Freitag um 16 Uhr in den Büros der Obleute eingegangen. Zu der Zeit war die Entscheidung der Bundesregierung bereits gefallen. Es ist also eine Information nach der Entscheidung. Ich frage: Ist es nicht besser, zumindest mit den zuständigen Abgeordneten zu sprechen, bevor eine solche Entscheidung fällt, damit man die eigenen Bedenken mit den Argumenten der Bundesregierung abgleichen und einbringen kann?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, ich denke, dass ich die erste Zusatzfrage, die Sie gestellt hatten, durchaus richtig verstanden habe. Ich darf Ihnen bestätigen und noch einmal versichern, dass es uns ein Anliegen ist, mit der Information des Parlaments den Abgeordneten auch die Möglichkeit zu geben, Abwägungen vorzunehmen. Allerdings kann und wird immer wieder der Fall eintreten, dass über Anforderungen im Rahmen des genehmigten Mandats und des ihm zugrunde liegenden Operationsplanes entschieden werden muss, zumal sie auch nicht im engeren Sinne eine Entscheidungsmaterie des Bundestages darstellen, sondern Teil der Gesamtmandatierung sind. So werden wir das von Fall zu Fall auch weiterhin halten. Wir wissen, dass das Parlament einen Informationsanspruch hat, den wir erfüllen wollen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bevor wir zur dringlichen Frage 2 kommen, hat der Kollege Koppelin für eine Nachfrage das Wort.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da Sie den Informationsanspruch des Parlaments eben zu Recht angesprochen haben, darf ich Sie fragen, aus welchen Gründen das Verteidigungsministerium das Parlament nicht darüber informiert hat, dass der Treibstoff für unsere Tornados in Afghanistan über circa 2 500 Kilometer transportiert wird, nämlich von Pakistan über zwei schwierige Pässe bis hin zu den Flugzeugen. Halten Sie das für effektiv?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, ich denke, dass wir alle immer an der effizienten Ausnutzung der Möglichkeiten des Mandats arbeiten sollten. Allerdings kann ich mich nicht entsinnen, dass im Mandat eine Kilometerbegrenzung beim Transport von Treibstoff vorgesehen worden war. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur dringlichen Frage 2 des Kollegen Gehrcke. Wieso ist „dieser Einsatz für den Erfolg der ISAF-Gesamtoperation von hoher Bedeutung“ und insofern „unabweisbar“? Bitte, Herr Staatssekretär.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Die dringliche Frage 2 des Kollegen Gehrcke, in der es um die Unabweisbarkeit und die hohe Bedeutung dieses Einsatzes geht, den Sie, Herr Kollege, mit der ersten Frage angesprochen haben, beantworte ich wie folgt: Da das ISAF Regional Command South, also das südliche Regionalkommando, derzeit über keine geeigneten Kräfte der operativen Information aus eigenen Fähigkeiten verfügt, ist der zeitlich begrenzte Einsatz der deutschen Soldaten durch ISAF beantragt worden. Für die geplante Schwerpunktoperation von ISAF, auf die ich bereits Bezug genommen habe, ist das von entscheidender Bedeutung, und ohne den Einsatz der deutschen Soldaten des Aufgabenbereichs „Operative Informationen“ könnte diese Information nicht erfolgen. Deswegen ist im Hinblick auf den ISAF-Gesamtauftrag dieser Einsatz deutscher Soldaten unabweisbar.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, bitte erklären Sie einem militärischen Laien, wie ich es einer bin - ich habe Ihren Antrag mehrfach gelesen, konnte es mir aber nicht zusammenreimen -, einmal in verständlichen Worten Folgendes: Aus der Tatsache, dass ein Dingo als Lautsprecherträger eingesetzt werden soll, schließe ich, dass es sich um eine Propagandakompanie handelt, die den Bürgern oder anderen etwas mitteilen soll. Ich weiß nicht, ob diese Schlussfolgerung richtig ist. Sind Sie wirklich der Auffassung, dass ein solcher Propagandaeinsatz „unabweisbar“ und „von hoher Bedeutung“ für den Gewinn des Krieges ist? ({0})

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, herzlichen Dank für diese Nachfrage. Ich muss allerdings gestehen, dass auch ich ein militärischer Laie bin; denn ich trage ebenfalls keine Uniform. Ich darf Ihnen unterstellen, dass Sie bei Ihrer Frage auf die eigene Erfahrung zurückgreifen. Die Auffassung, dass man mit solchen Fahrzeugen Propaganda unters Volk streuen kann, mag der eine oder andere insbesondere auf der linken Seite des Hauses aufgrund jahrelanger Erfahrungen haben. Ich kann Ihnen aber versichern, dass dieses Modell, das Ihnen aus eigener Erfahrung mit der PDS oder mit der Vorgängerpartei vorschwebt, in Afghanistan nicht zum Zuge kommt. Es handelt sich zwar um Fahrzeuge mit der Möglichkeit zur Kommunikation. Aber der Ansatz ist, die Bevölkerung über die geplanten Maßnahmen im Rahmen von ISAF zu informieren. Zudem geht es um Kommunikation vor Ort. Die Truppe soll in Erfahrung bringen, welche Befindlichkeiten sich in der Bevölkerung entwickeln.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, es wäre natürlich eine reine Freude, hier mit Ihnen über die Bedeutung des gesprochenen Wortes und die Möglichkeiten zu seiner Verbreitung zu streiten.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Wenn es erlaubt ist, Sie zu unterbrechen: In dieser Form streite ich gerne mit Ihnen über diese Frage.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das können Sie gern tun, allerdings zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort. Jetzt sind wir in der Fragestunde, und ich bitte um die Formulierung der Frage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich stelle meine Frage. Die zweite Gruppe von drei Soldaten, die im Rahmen einer Ausbildungskompanie eine afghanische Armeeeinheit begleiten, hat einen Dienstreiseauftrag erhalten. Diese Formulierung habe ich dem entsprechenden Schreiben entnommen. Glauben Sie im Ernst, dass ein Einsatz im Süden Afghanistans über einen Dienstreiseauftrag dauerhaft geregelt werden kann? Könnte sich dadurch bei mir der Eindruck ergeben, dass das Mandat für Afghanistan scheibchenweise ausgeweitet werden soll?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, es handelt sich zum einen um drei Soldaten, die in der angesprochenen Funktion tätig sind, und zum anderen um drei Soldaten des deutschen Operational Mentor Liaison Teams - das sind die Ausbilder für afghanische Einheiten -, die zur Begleitung der Angehörigen des Stabs des 209. Korps der afghanischen Nationalarmee aus Masar-i-Scharif zur Verbindungsaufnahme mit dem 205. Korps gereist sind. Das ist eine zeitlich und im Umfang begrenzte Maßnahme. Sie ist gemäß Mandat zulässig. Diese einige Tage dauernde Dienstreise ist zwischenzeitlich beendet. Mit ihr wurde nur der Zweck verfolgt, Informationen darüber zu gewinnen, mit welchem Ausbildungs- und Ausrüstungsstand ein afghanisches Bataillon welchen Einsatz in Südafghanistan durchführen kann. Auch wenn die zeitlich begrenzte Teilnahme der drei deutschen Soldaten an der Verbindungsaufnahme aufgrund der Sicherheitslage in Südafghanistan ein erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutete, so haben wir dies doch für eine notwendige Maßnahme gehalten, um die Einbindung der Afghan National Army in die Operation der ISAF zu organisieren. Wir wollen nun gerade die afghanische Komponente stärken. Das ist ein Teil davon. Deswegen ist für uns diese zeitlich, örtlich und zahlenmäßig begrenzte Verbindungsaufnahme unabweisbar gewesen.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. - Es ist schade, dass uns die Frau Präsidentin nicht über die andere Frage hat weiter streiten lassen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das klären wir dann an anderer Stelle. Das Wort zu einer Nachfrage hat der Kollege Bonde.

Alexander Bonde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003509, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, die Aufgabe der Op-Info-Soldaten ist ja, Vertrauen durch Kommunikation mit und genaue Information der örtlichen Bevölkerung zu schaffen. Bedeutet diese Aufgabenübertragung, dass die Bundesregierung und die Bundeswehr über eine aktuelle detailgenaue Information über die laufenden Operationen und weitere Planungen der ISAF im Süden Afghanistans verfügen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Aufgabe dieser Op-Info-Kräfte ist die Informationsmitteilung und die Verständnisschaffung. Aufgabe ist es natürlich nicht, per Lautsprecher die kompletten Operationsplanungen weiterzugeben. Ihre Frage, ob diese bekannt sind, würde sich eher darauf beziehen, inwieweit die ISAF-Führung die nationalen Armeen und die Truppenstellerstaaten informiert. Dies ist gewährleistet. Sie wissen ja, dass der Chef des Stabes des ISAF-Kommandos ein deutscher General ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zur dringlichen Frage zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller beantwortet nun die dringliche Frage 3 der Kollegin Dr. Barbara Höll: Wie wird die Bundesregierung die am Wochenende - noch vor der offiziellen Steuerschätzung - durch den Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, verlautbarten voraussichtlichen Steuermehreinnahmen in Höhe von 80 bis 100 Milliarden Euro bis zum Jahr 2011 verwenden?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin Dr. Höll, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat sich dieser Tage zum Schätzvorschlag, den das Ministerium in den zurzeit tagenden Schätzerkreis einbringen wird, geäußert. Wie das endgültige Ergebnis aussehen wird, werden wir am 11. Mai, also noch in dieser Woche, erfahren. Das müssen wir abwarten. Wir werden dieses Ergebnis, wie es traditionell üblich ist, in der darauffolgenden Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages - das wird wegen der sitzungsfreien Woche leider Gottes erst am 23. Mai sein - vorstellen und es dann erläutern. Nun gibt es vielfältige Diskussionen über die Verwendung dieser Steuermehreinnahmen. Ich möchte das zum Anlass nehmen, auch Ihnen gegenüber darzustellen - Minister Peer Steinbrück hat das schon vor kurzem in einer Sitzung des Haushaltsausschusses deutlich gemacht -, wie die finanzpolitische Ausgangslage des Bundes ist. Sie ist nicht so, dass wir schon zur Schuldentilgung übergehen könnten. Das setzt einen Haushaltsausgleich voraus. Sie ist vielmehr noch immer zusätzlich von der Notwendigkeit geprägt, zum einen Einmalerlöse einzusetzen und zum anderen eine Nettoneuverschuldung einzugehen. Wenn man die mittelfristige Finanzplanung als Ausgang der Betrachtung heranzieht - die gültige erstreckt sich ja bis zum Jahre 2010 - und sie in das Jahr 2011 fortschreibt, so kommt man zu dem Ergebnis, dass eine finanzielle Unterdeckung von gut 80 Milliarden Euro - in der Planung durch eine Neuverschuldung gedeckt und von über 20 Milliarden Euro - durch Einmalerlöse gedeckt - besteht. Das heißt, die Differenz zwischen den laufenden Einnahmen und den laufenden Ausgaben beträgt mehr als 100 Milliarden Euro, sodass die sich möglicherweise einstellenden Steuermehreinnahmen von 90 Milliarden Euro bei weitem nicht ausreichen, diese Summe zu decken.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Minister Steinbrück hat in einem Interview im „Tagesspiegel“ die Debatte, die jetzt über die Steuermehreinnahmen geführt wird, als irrational bezeichnet und gleichfalls betont, dass er sich von Begehrlichkeiten umzingelt sieht. Mich würde interessieren, worin seiner Meinung nach die Irrationalität dieser Debatte besteht und welche Begehrlichkeiten konkret angesprochen sind.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, zunächst einmal spiegelt sich die Irrationalität der Debatte darin wider, dass sie ausblendet, was ich Ihnen gerade geschildert habe, nämlich dass die gültige mittelfristige Finanzplanung bis 2010 und deren Fortschreibung bis 2011 zunächst einmal eine finanzielle Unterdeckung aufweisen. Dabei sind die Dinge noch nicht berücksichtigt, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat, beispielsweise die Beteiligung an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die 2,5 Milliarden Euro für nächstes Jahr, die 4 Milliarden Euro für übernächstes Jahr, die 5,5 Milliarden Euro für 2010 und die 7 Milliarden für 2011 sind nicht in der Finanzplanung abgebildet. Das sind 19 Milliarden Euro, die „on top“ kommen und ein weiteres Problem darstellen. Außerdem haben wir ein Problem, das aus einer ganz erfreulichen Entwicklung entstanden ist: Die Bundesagentur für Arbeit ist in der Lage, sehr viele Menschen, die arbeitslos werden, direkt wieder in Arbeit zu vermitteln. Deswegen stimmen unsere in der mittelfristigen Finanzplanung enthaltenen Annahmen über einen Aussteuerungsbetrag in einer Größenordnung von 5 Milliarden Euro nicht mehr. Wir müssen ihn um 3 Milliarden Euro pro Jahr vermindern. Sie, also der Deutsche Bundestag, haben beschlossen, dass der Bund sich im Bereich Hartz IV an den Kosten der Unterkunft in diesem Jahr mit 4,3 Milliarden Euro beteiligt. Dies sind gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung, die 2 Milliarden Euro als völlig ausreichend angesehen hat, circa 2 Milliarden Euro mehr in der Fortschreibung. All das und vieles mehr muss noch berücksichtigt werden. Es gibt auch noch interessante Ressortanmeldungen. Die Probleme sind also nicht so, dass man sagen kann, das alles sei eine Quantité négligeable. Wir müssen uns in der Tat sehr sorgfältig überlegen, welche Prioritäten wir setzen. Dazu sage ich Ihnen ganz deutlich: Erste Priorität muss sein, das, was schon beschlossen oder als Mehrbelastung erkennbar ist, aus diesen Mehreinnahmen zu finanzieren. Die zweite Priorität ist, die Nettoneuverschuldung deutlich zu senken. Dann gilt es noch abzuwägen, welche der angemeldeten Wünsche so hoch prioritär sind, dass man sie vielleicht - in welchem Umfang auch immer - noch berücksichtigt. Aber darüber muss die Regierung erst noch intern beraten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zweite Nachfrage, bitte.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, die Regierung hat ja unter anderem schon darüber nachgedacht, wie sie die Unternehmen in Deutschland weiter entlasten will, obwohl das nicht notwendig ist. Sie selbst planen Steuermindereinnahmen in Höhe von 5 Milliarden Euro ein. Sie handeln also entgegen dem Prinzip, das Sie eben dargelegt haben, dass man die Mindereinnahmen begrenzen muss. Inzwischen fanden drei Anhörungen im Finanzausschuss statt, bei denen offensichtlich wurde, dass die von Ihnen angegebene steuerliche Mehrbelastung des Bundes, der Länder und der Kommunen mit 5 Milliarden Euro bei weitem zu niedrig angesetzt ist. Inwieweit sehen Sie sich veranlasst, Ihre Schätzungen im Sinne einer realistischen mittelfristigen Finanzplanung anzupassen? Wie hoch schätzen Sie die Ausfälle bei der Unternehmensteuerreform nun real ein?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Meine erste Bemerkung: Wir bleiben bei unseren Schätzungen. Meine zweite Bemerkung: Ich bitte, auf einen feinen Unterschied zu achten. In der mittelfristigen Finanzplanung ist die Unternehmensteuerreform mit ihren anfänglichen Mindereinnahmen schon abgebildet, während das, was die Steuerschätzer in dieser Woche als Ergebnis verkünden werden, dies noch nicht abbildet, weil es noch keine Rechtskraft hat und die Steuerschätzer nur das berücksichtigen, was bereits Rechtskraft erlangt hat. Die anfänglichen Mindereinnahmen im Bereich der Unternehmensteuerreform sind in der mittelfristigen Finanzplanung bereits enthalten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es gibt weitere Nachfragen. Das Wort hat die Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie haben schon angesprochen, dass die Ministerien bestimmte Wünsche haben - Sie sind dabei nicht ins Detail gegangen, wofür wir ein gewisses Verständnis haben, aber kein großes. Ich möchte gern wissen, mit welchen Bundesministerien das Bundesfinanzministerium beim Haushaltsentwurf 2008 im Großen und Ganzen bereits einig ist und bei welchen Ministerien es gravierende Abweichungen im Vergleich zu den Vorstellungen Ihres Hauses gibt.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Dr. Lötzsch, zunächst einmal bedanke ich mich für Ihr Verständnis. - Es ist in der Tat Staatspraxis - egal, wer die Regierung stellt -, nicht über regierungsinterne Anmeldungen gegenüber dem Parlament zu berichten, weil das eine Momentaufnahme darstellt, die am nächsten Tag schon wieder korrigiert werden kann. Wir führen unsere Beratungen jetzt auf der Ebene der Referatsleiter, aber noch nicht auf der Ebene der Abteilungsleiter, erst recht nicht auf der Ebene der Staatssekretäre und schon gar nicht auf der Ebene der Minister. Deswegen gilt es abzuwarten, was die sogenannte Arbeitsebene schon alles abräumen kann. Dort wird das eine oder andere zusätzlich gewünscht; anderes wird dagegen zurückgezogen. Das ist ein Kommen und Gehen, ein Geben und Nehmen. Zuerst einmal muss man diese Gespräche auf der Arbeitsebene abwarten und anschließend die Ergebnisse der Beratungen auf der Ebene der Abteilungsleiter. Ich weise darauf hin, dass in der Vergangenheit, bei den Beratungen für die Haushalte 2006 und 2007, keine umfangreichen Ministergespräche mehr notwendig waren.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Enkelmann hat die nächste Nachfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, so intern ist das alles gar nicht; denn der eine oder andere kann ja offensichtlich nicht das Wasser halten. Meine Frage lautet: Welche Einnahmen aus der Lohnsteuer waren zu Beginn des Jahres geplant? Und wie hoch sind die Lohnsteuereinnahmen tatsächlich ausgefallen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Wir verzeichnen auch bei den Lohnsteuereinnahmen erfreuliche Zuwächse. Da Ihre Frage in dieser Form nicht angemeldet war, bin ich jetzt allerdings überfragt und kann Ihnen die präzisen Zahlen nicht nennen. Ich gebe Ihnen aber gerne folgenden Hinweis: Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht allmonatlich einen Band, ({0}) in dem ausführlich dargelegt wird, in welcher Weise sich welche Steuereinnahme entwickelt hat und was geplant war. Daher bitte ich Sie, einfach die letzte Ausgabe zur Hand zu nehmen. Dort finden Sie alles. ({1}) - Vielen Dank für diesen Hinweis. In der Tat können Sie das auch im Internet nachlesen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nach diesem Werbeblock hat der Kollege Koppelin das Wort zur nächsten Nachfrage. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie uns erklären, warum der Bundesfinanzminister am Wochenende Zahlen seiner anscheinend persönlichen Steuerschätzung oder der Steuerschätzung Ihres Hauses genannt hat, ({0}) obwohl die Steuerschätzung doch erst am kommenden Freitag bekannt gegeben wird? Was hat den Bundesfinanzminister zu dieser Mitteilsamkeit veranlasst, wodurch die Begehrlichkeiten der Ministerien ja noch gefördert wurden? Und teilen Sie die Auffassung des Kollegen Kampeter, der diese Mitteilsamkeit als Geschwätzigkeit bezeichnet hat? ({1})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, es steht mir nicht zu, Äußerungen eines Mitglieds des Deutschen Bundestages, die ich nicht selbst gehört habe, hier zu kommentieren. ({0}) Deswegen sollten wir das vielleicht später im Haushaltsausschuss debattieren. Wir haben ja beide noch Gelegenheit, mehrere Stunden im Haushaltsausschuss zu verbringen. Dann ist auch der Kollege Kampeter anwesend. Minister Steinbrück hat gegenüber der Öffentlichkeit die Schätzung des Finanzministeriums des Bundes erläutert. Jeder der Steuerschätzer wird mit seiner Schätzung in die Gespräche gehen. Bis Freitag werden sie sich darüber unterhalten, wie die Schätzungen zu gewichten sind. Natürlich wird sich dort auch herausstellen, dass bestimmte Erfahrungen aus dem einen Bundesland bestimmten Erfahrungen aus einem anderen Bundesland ein wenig widersprechen. Das alles muss miteinander abgewogen werden. Die Sachverständigenrunde ist ja sehr groß. Dort gehen aus vielen Quellen Erfahrungen ein. Von daher ist das, was von Minister Steinbrück am Wochenanfang vorgestellt wurde, die Einschätzung des Ministeriums des Bundes.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zur nächsten Nachfrage hat der Kollege Dreibus das Wort.

Werner Dreibus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003749, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich will einen Moment bei den Begehrlichkeiten bleiben, von denen der Minister öfters, nicht nur in einer Zeitung, gesprochen hat. Eine aktuelle Begehrlichkeit dieses Frühjahrs, der ja ein Frühsommer war, lautete: praktische Erkenntnis, wissenschaftliche Erkenntnis zum Klimawandel. Welche Aktivitäten und Ausgaben in diesem Bereich sind in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen? Und welche zusätzlichen Anforderungen erwarten Sie vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen für den Haushalt 2008?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, Sie dürfen den Begriff nicht ausschließlich auf die Anmeldungen der Ressorts beziehen. Es gab daneben im parlamentarischen Bereich, beispielsweise durch Ihre Fraktion, entsprechende Vorstöße. ({0}) Frau Kollegin Dr. Lötzsch hat im Haushaltsausschuss zwar zugestimmt, dass man viel Geld aufwenden soll, um die Neuverschuldung zu minimieren. Aber sie hat gleichzeitig darauf hingewiesen, es gebe eine große Investitionslücke. Ihre Kollegin Frau Dr. Höll wird die Diskussion der Fragen hier wahrscheinlich zum Anlass nehmen, eine Aktuelle Stunde zu beantragen, in der sie die Forderung erheben wird, nun massiv irgendwelche Steuern zu senken. Dazu sage ich nur Folgendes: Sie müssen wissen, wir haben es hier mit Schätzungen zu tun. Diese Schätzungen sind relativ genau für das nächste Jahr, aber auch da nur relativ genau. Kollege Koppelin weiß als erfahrener Haushälter: Grundlage des Regierungsentwurfs für das nächste Jahr ist die Mai-Schätzung. Im Herbst berät dann das Parlament. Im November tritt der Steuerschätzerkreis noch einmal zusammen und berät, ob die MaiSteuerschätzung für das nächste Jahr korrekt war oder ob es Abweichungen gibt. Die dort vorgeschlagenen Abweichungen nehmen wir im Haushaltsausschuss wiederum als Grundlage für die Aufstellung des Haushalts. Die Prognose vom letzten November wich - halten Sie sich fest! - von der vom Mai um 9 Milliarden Euro ab. Das heißt, selbst bei der Betrachtung eines relativ kurzen Zeitraums muss man sich immer fragen, wie lange die Prognose trägt. Deswegen kann man eine Steuersenkung - die sofort kassenwirksam würde und dauerhaft kassenwirksam wäre - nur mit ganz großer Vorsicht ins Auge fassen; die jetzige Situation erlaubt so etwas jedenfalls nicht. Deswegen, Frau Dr. Höll, sehen wir, so leid mir das tut, für weitere Steuersenkungen keinen Raum. Was den Klimawandel angeht, so betrifft das eine Ressortanmeldung. Minister Gabriel hat in der letzten Sitzungswoche bei der Vorstellung seiner Regierungserklärung ausdrücklich gesagt, er führte im Moment im Plenum keine Haushaltsverhandlungen mit dem Minister. Natürlich gibt es Bedarfsanmeldungen. Wir werden abwägen, welche Prioritäten wir innerhalb der Anmeldungen setzen, die wir dann auch erfüllen können; das wird Gegenstand der regierungsinternen Beratungen sein. Wir präsentieren Ihnen das Ergebnis noch vor der Sommerpause - wenn das Kabinett endgültig beschlossen hat.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke. - Die Kollegin Enkelmann hat sich zu einem Geschäftsordnungsantrag zur Wort gemeldet. Bitte.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was die Bundesregierung hier in Beantwortung der dringlichen Frage und der Zusatzfragen geboten hat, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten: Viel geredet, nichts gesagt. Dabei sind die Steuermehreinnahmen in der Öffentlichkeit ein Thema. ({0}) Sie haben vorhin über Irritationen und Begehrlichkeiten gesprochen. Diese Begehrlichkeiten und Irritationen sind ja vor allen Dingen durch die Bundesregierung entstanden. Nun bieten Sie an, im Haushaltsausschuss zu informieren. Das reicht uns nicht. Wir sind der Auffassung, dieses Thema gehört hier ins Plenum. Deswegen, Frau Präsidentin, beantrage ich nach Anlage 5 Nr. 1 der Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde genau zu diesem Thema. ({1}) Wir wollen uns hier darüber verständigen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Fraktion Die Linke hat zur Antwort der Bundesregierung auf die dringliche Frage der Kollegin Dr. Barbara Höll eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Damit findet die Aussprache im Anschluss an die Fragestunde statt. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Ich stelle fest, dass Sie im Gegensatz zu mir prophetische Fähigkeiten hatten, weil Sie diese Aktuelle Stunde vorhin schon vorausgesagt haben. ({0}) Als Hinweis an die Kolleginnen und Kollegen: Die Aktuelle Stunde wird, unabhängig vom Verlauf der Fragestunde, um 15.35 Uhr beginnen. Nach dieser dringlichen Frage kommen wir jetzt zu den Fragen 9 und 10 aus demselben Geschäftsbereich, nämlich dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, da diese nach Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen ebenfalls vorgezogen werden. Es antwortet wiederum der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Koppelin auf: Wie hoch sind die zusätzlichen Ausgabenforderungen der einzelnen Bundesministerien für den Haushaltsentwurf 2008?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, im Prinzip habe ich Ihre Frage schon bei der Antwort auf die Frage von Frau Dr. Höll mitbeantwortet. Ich bitte um Verständnis dafür, dass die Bundesregierung aufgrund langjähriger Staatspraxis solche Einzelanmeldungen nicht bekannt gibt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Sie haben das Wort.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, dass ich die Anforderungen der Ministerien zukünftig auch weiterhin den Medien entnehmen muss?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, in den Medien kursieren manche Zahlen, die ich weder bestätigen noch dementieren will.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte schön.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da erst am Freitag die offiziellen Zahlen der Steuerschätzung bekannt gegeben werden, möchte ich Sie fragen, aus welchem Grund morgen im Kanzleramt - das habe ich zumindest einer Agenturmeldung von AFP entnommen - ein sogenannter Minifinanzgipfel stattfinden wird, an dem die Kanzlerin, der Vizekanzler Müntefering, der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und der Kanzleramtsminister de Maizière teilnehmen. In der Agenturmeldung heißt es, dass in dieser Runde die Ausgabenschwerpunkte diskutiert werden sollen. Darf ich Sie fragen, wieso man zu einer solchen Runde zusammenkommt und Ausgabenschwerpunkte festlegt, nachdem Sie uns vorhin dargestellt haben, welche Haushaltsrisiken existieren?

Karl Diller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000391, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, auch diese Pressemeldung werde ich weder dementieren noch bestätigen. Ich weise lediglich darauf hin, dass die Haushaltsaufstellung ein fortwährender interner Abstimmungsprozess innerhalb der Regierung ist, an dem sich unterschiedliche Persönlichkeiten beteiligen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen zur Frage 10 des Kollegen Koppelin: Beabsichtigt die Bundesregierung, die konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen vollständig zum Abbau der Verschuldung zu verwenden?

Karl Diller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000391, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Koppelin, auch diese Frage habe ich im Prinzip schon beantwortet. Ich will noch einmal betonen: Erste Priorität hat die Finanzierung der bereits feststehenden, weil beschlossenen, oder sich gegenüber der Finanzplanung von Mai 2006 ergebenden Veränderungen. Zweite Priorität hat die Verminderung der Nettokreditaufnahme. Dann gilt es noch abzuwägen, ob der eine oder andere Wunsch politisch vielleicht so prioritär ist, dass er praktisch unabweisbar ist. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, bei Ihren Darstellungen fehlt mir, dass Sie auch einmal auf die Ausgabenseite schauen und prüfen, ob nicht die eine oder andere Ausgabe reduziert werden könnte. Stattdessen sprechen Sie immer von Mehrausgaben. Wäre es nicht notwendig, unsere Steuerzahler hinsichtlich der von ihnen zu leistenden Steuern und Abgaben zu entlasten, damit die Konjunktur stabilisiert wird?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, ich habe der Presse von heute entnommen, dass Sie sich dahin gehend geäußert haben, dass Sie glauben, man könne die Nettokreditaufnahme schon im nächsten Jahr auf null reduzieren. ({0}) - Nein, der Bundesbankpräsident hat den Gesamtstaat gemeint. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir sind jetzt wieder an dem Punkt, an dem ich daran erinnern muss, dass wir uns in der Fragestunde befinden. Ich bitte darum, nicht in einen Dialog einzusteigen, sondern, wenn das noch nicht geschehen sein sollte, die Frage zu Ende zu formulieren und dem Staatssekretär dann die Chance zu geben, zu antworten. ({0}) - Gut.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Die Frage des Kollegen Koppelin, welche Kürzungen auf der Ausgabenseite möglich sind, ist in der Beratung des Haushaltes 2007 im Herbst 2006 in intensiven Debatten hinlänglich erörtert worden. Ihrer Fraktion ist zur Ausgabenkürzung die Streichung der Kohlesubventionen eingefallen, die aber nicht möglich ist; denn es bestehen Rechtsansprüche, die übrigens auf der Ministerentscheidung eines Wirtschaftsministers Ihrer Partei aus den 90erJahren fußen. Nach dem alten Spruch „Pacta sunt servanda“ gilt es, diese Verträge zu bedienen. Deswegen ist der Vorschlag, die Kohlesubventionen von heute auf morgen um 1,5 Milliarden Euro zu kürzen oder gar zu streichen, nicht umsetzbar. Ich bin sehr gespannt, ob Ihnen bei den Beratungen des nächsten Haushaltes ein solider und umsetzbarer Streichungsvorschlag einfällt. Wenn Sie sich auf das dicke Buch beziehen, das Sie im Plenum vorgezeigt haben, dann möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Buch nur deswegen so dick ist, weil unglaublich viel Papier mit Streichungsvorschlägen in einer Größenordnung von 1 000 oder 2 000 Euro bedruckt wurde. Nur auf diese Weise kommt ein solch dickes Buch zustande. ({0}) Ihre Vorschläge waren nicht solide durchgerechnet. Deswegen sind Sie nach wie vor in der Pflicht, konkrete Vorschläge zu erarbeiten. Im Übrigen ist es eine allgemeine Erkenntnis der Haushälter, dass auf der Ausgabenseite fast alle Messen gelesen sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich merke, dass ich Ihnen das Streichungsbuch der FDP noch einmal vorlegen sollte. Sie haben es anscheinend nicht gelesen. Ist Ihnen bekannt - um diesen Punkt aufzugreifen -, dass in diesen Vorschlägen unter anderem vorgesehen war, die Entwicklungshilfe für China zu streichen, weil China gleichzeitig selber Entwicklungshilfe gewährt? Oder was halten Sie von dem Programm der Ministerin Wieczorek-Zeul zur Haltung von Legehennen durch alleinstehende Frauen in Afghanistan? Ich könnte auch die Wagner-Festspiele in Bayreuth und viele andere Ausgaben anführen. Es gibt einiges zu streichen. Herr Staatssekretär, ich frage Sie: Sind Sie bereit, auf der Ausgabenseite Streichungen vorzunehmen? Sind sie des Weiteren bereit, die Bürger in unserem Land zu entlasten, die jetzt sogar noch einen höheren Mehrwertsteuersatz zahlen müssen? Man kann nicht immer wieder bei den Bürgern abkassieren, das Geld munter ausgeben und gleichzeitig von Haushaltskonsolidierung sprechen.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, die von Ihnen aus dem Stegreif genannten Beispiele belegen auch für Laien nachdrücklich, wie unseriös Ihre Vorschläge sind. ({0}) Die Entwicklungshilfe für China, die wir noch leisten, liegt im unteren zweistelligen Millionenbereich. ({1}) Insofern können Sie nicht das Ziel erreichen, die Ausgaben in einer Größenordnung von mehreren Milliarden Euro zu kürzen. Wenn Sie Kürzungen in Milliardenhöhe vorschlagen, dann sollten Sie auch nachweisen, dass diese Vorschläge umsetzbar sind. Die von Ihnen vorgeschlagenen Kürzungen waren rechtswidrig. ({2}) Diesbezügliche Anträge entsprachen nicht dem Haushaltsrecht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es gibt noch eine Nachfrage. Bitte.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, dass die Äußerungen des Kollegen Koppelin zur Entwicklungszusammenarbeit insbesondere für die Kollegen aus der FDP desavouierend sind, die ernsthafte Bestrebungen an den Tag legen, in diesem Bereich Schwerpunkte zu setzen? ({0})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, es steht mir nicht zu, die einzelnen Kollegen zu bewerten, ({0}) aber ich schätze wie Sie Kollegen, die sich ernsthaft bemühen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Nachdem die dringlichen Fragen und die Fragen zum selben Fragenkreis aufgerufen und beantwortet worden sind, rufe ich nun die übrigen Fragen auf Drucksache 16/5213 auf. Wir verfahren in der üblichen Reihenfolge und kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Hirsch auf: Welche Gründe führen aus Sicht der Bundesregierung zu dem hohen Anteil - 60 Prozent - von Studierenden in den ersten vier Semestern unter den Studienkreditnehmerinnen und -nehmern der KfW-Bankengruppe, und welche Konsequenzen für ihre Politik zieht sie daraus, damit das Studium nicht für immer mehr Studierende zur Schuldenfalle wird?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Präsidentin, die Frage der Abgeordneten Hirsch nach einer Zwischenbilanz des Studienkredits der Kreditanstalt für Wiederaufbau beantworte ich wie folgt: Der KfW-Studienkredit ist erst seit einem Jahr für Studierende im Erststudium zugänglich. Schlussfolgerungen aus dem Inanspruchnahmeverhalten der Studierenden in den unterschiedlichen Stadien des Studiums sind vor diesem Hintergrund nur sehr bedingt möglich und sollten nicht spekulativ getroffen werden. Das Programm wurde bewusst flexibel konzipiert, um den Studierenden je nach Studienphase und im Anschluss daran, beim Start in das Berufsleben, den nötigen Spielraum zu bieten. So kann in der Auszahlungsphase des Darlehens jedes Semester der monatliche Darlehensbetrag neu festgelegt werden. In der Rückzahlungsphase können halbjährlich die Annuitäten angepasst werden. Die Rückzahlungsphase ist auf maximal 25 Jahre dehnbar. Die KfW-Förderbank informiert in ihrem Internetauftritt zum Studienkredit umfassend und weist auf die günstigeren Finanzierungsmöglichkeiten durch das BAföG und den Bildungskredit hin. Ferner steht online ein Tilgungsrechner zur Verfügung, mit dem Darlehensverläufe simuliert werden können und die Belastung hinreichend verdeutlicht wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu zwei Nachfragen. Ihre erste Nachfrage, bitte.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - In meiner ersten Nachfrage möchte ich die ursprünglich gestellte Frage etwas deutlicher formulieren. 60 Prozent der Studierenden in den ersten vier Semestern nehmen einen Studienkredit in Anspruch. Wenn man sich die Zahlen vollständig anschaut, stellt man fest, dass jeder dritte Student bzw. jede dritte Studentin, der bzw. die im Wintersemester letzten Jahres ein Studium begonnen hat, einen KfW-Studienkredit in Anspruch nimmt. Meine Nachfrage an Sie lautet daher: Inwiefern ist es Spekulation, zu sagen, dass die Möglichkeiten der öffentlichen Studienfinanzierung, die die Bundesregierung durch das BAföG bietet, ausreichend sind, wenn wir vor der Tatsache stehen, dass jeder dritte Student bzw. jede dritte Studentin, der bzw. die ein Studium aufnimmt, offensichtlich keine andere Möglichkeit hat, als einen KfW-Studienkredit in Anspruch zu nehmen? Würden Sie mir recht geben, dass Anpassungen beim BAföG vorgenommen werden müssen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, es ist natürlich Spekulation. Wie Ihnen bekannt ist, wird bei der Kreditgewährung weder nach parallel gestellten BAföG-Anträgen noch nach den eigenen Einkommensverhältnissen oder den Einkommensverhältnissen der Eltern gefragt. Insofern ist das alles Spekulation. Im Übrigen darf ich darauf verweisen, dass nach der Zwischenbilanz im April 23 000 Studierende von dem Instrument des Studienkredits, das vor einem Jahr eingeführt wurde, Gebrauch machen. Die Verteilung macht deutlich, dass der Anteil mit etwa 20 Prozent im ersten Semester am höchsten ist und dass die Prozentsätze bis einschließlich des fünften Semesters zweistellig bleiben, dass dann aber eine langsame Abnahme erfolgt. Daher sind eine Spekulation über die verstärkte Inanspruchnahme in den ersten Semestern und die Gründe dafür im Moment sicherlich noch wenig zielführend.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Offensichtlich ist die Bundesregierung insgesamt doch zum Schluss gekommen - das finden wir sehr erfreulich -, dass eine BAföG-Anpassung nun vorgenommen werden sollte. Zu diesem Themenbereich stelle ich meine zweite Nachfrage: In der Presse war zu lesen, dass ein neuer Spielraum im Bundeshaushalt in Höhe von 290 Millionen bis 300 Millionen Euro für eine Erhöhung der BAföG-Sätze und der Freibeträge geschaffen werden solle. Inwieweit sind Sie der Auffassung, dass mit einem solchen Betrag wirklich der Forderung des BAföG-Beirats entsprochen werden könnte, die Freibeträge und die Bedarfssätze um 10 Prozent zu erhöhen? Wie will die Bundesministerin vorgehen: Versucht sie einfach, ein paar Euro mehr zu bekommen, oder sagt sie ganz klar: „Es ist notwendig, um 10 Prozent zu erhöhen“?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Bundesländern während der Beratungen im Bundesrat festgestellt, dass im Lichte der Ergebnisse der Steuerschätzung, der Einschätzung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung und der daraus resultierenden Festlegung der Haushaltsplanung für das kommende Jahr sowie der mittelfristigen Finanzplanung eine Neubewertung im Bereich des BAföG erfolgen soll und dass dabei eine Anpassung der Leistungssätze beim BAföG geregelt werden soll. Zunächst einmal müssen wir aber die von mir genannten Termine - die Steuerschätzung in dieser Woche und die Festlegung der Haushaltsplanung der Bundesregierung bis zum Juni - abwarten. Bis dahin ist eine Aussage über eine mögliche BAföG-Erhöhung und deren Größenordnung nicht möglich.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Barth hat das Wort zu einer weiteren Nachfrage.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, haben Sie schon Erkenntnisse darüber, wie viele der Studienanfänger, die bislang diesen Kredit in Anspruch genommen haben, sich ohne die Möglichkeit dieses Kredits eventuell nicht zu einem Studium entschlossen hätten bzw. hätten entschließen können, oder planen Sie, falls Sie dies noch nicht getan haben, diese Frage bei eventuellen statistischen Erhebungen zu stellen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Herr Abgeordneter, hierüber hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse. Das ist insbesondere der Tatsache geschuldet, dass die Kreditgewährung an sehr wenige formale Voraussetzungen gekoppelt ist. Daher wäre eine Antwort auf die Frage, welche Motive die Kreditnehmer geleitet haben, ein Stück weit spekulativ.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben nach unserer Geschäftsordnung leider nur die Möglichkeit zu einer Nachfrage. Es gibt eine weitere Nachfrage der Kollegin Dr. Höll. Bitte.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, mir erschließt sich die Logik nicht ganz, dass Sie einerseits sagen, Sie müssten hinsichtlich des BAföG noch auf weitere Zahlen warten, um den Handlungsspielraum ermessen zu können. Grundlage für die BAföG-Höhe sollte das Existenzminimum für Studierende sein. Meines Erachtens hängt dies nicht von der konjunkturellen Entwicklung ab; vielmehr stellt sich die Frage, wie die Einzelnen in die Lage versetzt werden, studieren zu können. Andererseits rechnet die Bundesregierung bei der Unternehmensteuerreform mit Mindereinnahmen in Höhe von 5 Milliarden Euro, obwohl viele Experten sagen, das seien Luftnummern, real müsse man von 8 bis 13 Milliarden Euro an Mindereinnahmen ausgehen. Da warten Sie nicht auf neue Zahlen.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete, ich weise Sie darauf hin, dass die Bundesregierung bei der Vorlage des BAföG-Berichtes zu Beginn dieses Jahres deutlich gemacht hat, dass im Haushalt für das Jahr 2007 zunächst kein Spielraum für eine generelle Anpassung der BAföG-Sätze gesehen wird, weil vor dem Hintergrund der finanziellen und der gesamtwirtschaftlichen Lage eine allgemeine BAföGAnpassung nicht gewährleistet werden könne. Die Bundesregierung wird diese Betrachtung aber im Hinblick auf die weitere Entwicklung der öffentlichen Finanzen und der gesamtwirtschaftlichen Lage regelmäßig überprüfen. Ich habe vorhin, in meiner vorletzten Antwort, deutlich gemacht, dass eine solche Überprüfung im Lichte der Steuerschätzung dieser Woche und der dann festzulegenden Haushaltsplanung für den Haushalt 2008 in den Folgewochen erfolgen wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage zu dieser Frage stellt der Kollege Hoyer.

Dr. Werner Hoyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000967, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich beziehe mich noch einmal auf die Überprüfung. Herr Staatssekretär, stellen Sie nicht die Sinnhaftigkeit der Operation infrage, wenn Sie hinterher nicht messen, welchen Erfolg Sie erzielt haben, gegebenenfalls auch durch Befragung der Studierenden?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass sich Ihre Frage nicht auf den Bereich BAföG, sondern auf den ursprünglichen Themenkomplex des Studienkredites der KfW bezieht. ({0}) Dieser Studienkredit ist als neues Finanzierungsinstrument vor einem Jahr eingeführt worden und wird unabhängig davon vergeben, ob über BAföG oder andere Finanzierungsquellen hinaus ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf der Studierenden gesehen wird. Wir verfolgen aufmerksam sowohl das Inanspruchnahmeverhalten der Studierenden im Hinblick auf diesen Studienkredit als auch mögliche Verteilungswirkungen. Es ist aber zu diesem Zeitpunkt, 13 Monate nach Einführung eines solchen Studienkredites, noch zu früh - es liegt auch keine ausreichende Datenbasis vor -, um weitergehende Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fragen beantwortet die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Kortmann. Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Ute Koczy auf: Hält die Bundesregierung angesichts der Vielzahl von Rücktrittsforderungen an den Weltbankpräsidenten Paul Wolfowitz - für die stellvertretend der offene Brief hochrangiger ehemaliger Weltbankmitarbeiter vom 22. April 2007, die Aufforderung ehemaliger lateinamerikanischer Weltbankgouverneure ({0}) sowie der Vertretung der Weltbankmitarbeiter, die Rücktrittsforderung von Nichtregierungsorganisationen ({1}) sowie die Aufforderung zum Rücktritt durch das Europäische Parlament stehen - dessen Verbleib an der Spitze der Weltbank für vertretbar, und wird sie im Lichte der Untersuchungsergebnisse über seine Missachtung von Verhaltensrichtlinien bei der umstrittenen Beförderung seiner Freundin den deutschen Vertreter im Exekutivdirektorium der Weltbank anweisen, formal den Weltbankpräsidenten zum Rücktritt aufzufordern?

Karin Kortmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003161

Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat als deutsche Gouverneurin der Weltbank bereits auf der Frühjahrstagung der Weltbank gegenüber Paul Wolfowitz ihre tiefe Besorgnis über die zukünftige Glaubwürdigkeit und die Handlungsfähigkeit der Bank zum Ausdruck gebracht und ihm gegenüber deutlich gemacht, dass ein freiwilliger Rücktritt seinerseits für die Bank und für die von ihr verfolgten Ziele die beste Lösung ist. Die Bundesregierung verfolgt die Arbeit des bei der Weltbank eingerichteten Untersuchungsausschusses intensiv. Der Entwurf des abschließenden Untersuchungsberichts wurde Paul Wolfowitz am 7. Mai dieses Jahres zugestellt. Zusammen mit einer Stellungnahme von Paul Wolfowitz und den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses wird der Bericht voraussichtlich noch in dieser Woche dem Exekutivdirektorium vorgelegt. Auf Grundlage des Berichts wird das Direktorium das weitere Vorgehen bestimmen. Ziel ist es, zeitnah und im Konsens zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke für diese Antwort. - Jetzt hat sich Frankreich gemeldet und eine Verwaltungsratssitzung zum Verbleib von Wolfowitz gefordert. Wie steht die Bundesregierung dazu? Welchen Zeitfaktor gibt es?

Karin Kortmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003161

Die Bundesregierung erwartet zunächst einmal aufgrund des Berichts und der Stellungnahme von Paul Wolfowitz, dass sich das Exekutivdirektorium mit diesem Sachverhalt beschäftigt. Dieses wird weitere Entscheidungen darüber treffen, welche Gangart man im weiteren Verfahren für sinnvoll und angemessen hält.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte meine Frage zuspitzen: Wird die Bundesregierung an der Seite Frankreichs die Forderung aufstellen, eine Sondersitzung des Verwaltungsrates einzuberufen?

Karin Kortmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003161

Die Frage kann ich Ihnen nicht mit Ja oder Nein beantworten. Uns ist daran gelegen, gerade im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft dafür zu sorgen, dass sich die europäischen Mitgliedstaaten einvernehmlich dazu verhalten. Wir haben ein großes Interesse daran, dass die zuständigen Gremien der Weltbank zunächst einmal die Möglichkeit haben, sich entsprechend den Vorgaben zu beraten und entsprechende Handlungen zu vollziehen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Koczy: Vizepräsidentin Petra Pau Welche Initiativen wird die Bundesregierung anregen, um angemessene Auswahlkriterien und -prozesse einzuführen, die sich auf die Besetzung hochrangiger Positionen in der Weltbank - einschließlich der des Weltbankpräsidenten - beziehen und die sicherstellen, dass nach Qualifikation besetzt wird und grundsätzlich Bewerbungen aus allen Mitgliedstaaten der Weltbank erfolgen können? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Karin Kortmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003161

Die Bundesregierung antwortet wie folgt: Bei der Auswahl von Führungspersonal müssen nach Ansicht der deutschen Bundesregierung die Qualifikation und die Eignung im Vordergrund stehen. Dies gilt auch für die Stelle des Weltbankpräsidenten bzw. der Weltbankpräsidentin. Besonders wichtig ist, dass die Auswahl und die Ernennung transparent gestaltet werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage. Bitte.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nun wissen wir, dass bei der Auswahl des Weltbankpräsidenten die USA den Vorrang haben und die von ihnen gewünschte Person einsetzen können. Wie stellt sich die Bundesregierung eine solche Initiative angesichts dessen vor, dass George Bush an der Person festhält und nicht bereit ist, weiter über die Qualifizierungsfrage nachzudenken?

Karin Kortmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003161

Frau Kollegin Koczy, es geht der Bundesregierung und ihren europäischen Partnern in dieser Sache nicht um eine Konfrontation mit den USA. Eine Lösung gegen die USA wird nur schwer durchsetzbar sein. Das Interesse der USA an der Benennung des Weltbankpräsidenten wird daher zu diesem Zeitpunkt von der Bundesregierung nicht infrage gestellt. Vielmehr sollte den USA Spielraum gewährt werden, auf die gegenwärtige Führungskrise in der Bank zu reagieren. Was die Auswahlkriterien für das Führungspersonal angeht, so habe ich Ihnen in der Beantwortung der vorangegangenen Frage schon gesagt, dass wir auf Qualität und Transparenz setzen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wird sich die Bundesregierung auf der nächsten Sitzung des Verwaltungsrates zu diesem Punkt verhalten und sich dafür aussprechen, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen?

Karin Kortmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003161

Wenn der Punkt auf der Tagesordnung steht, wird die Bundesregierung selbstverständlich Stellung dazu beziehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Staatssekretärin. Damit schließe ich diesen Geschäftsbereich. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Hans-Joachim Otto ({0}) werden schriftlich beantwortet. Wir gehen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern über. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfügung. Die Frage 6 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Hans-Christian Ströbele auf: Wann beginnend haben Bundesbehörden jeweils heimlich fremde Datenverarbeitungsanlagen inhaltlich überprüft - sogenannte Onlinedurchsuchung -, und waren davon Berufsgeheimnisträger gemäß § 53 der Strafprozessordnung, StPO, betroffen, insbesondere Journalisten? Bitte, Herr Altmaier.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Präsidentin! Herr Kollege Ströbele, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Was das Bundesamt für Verfassungsschutz angeht, so ist die Ergänzung der Dienstvorschrift „Nachrichtendienstliche Mittel des Bundesamtes“ auf Grundlage von § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern vom 21. Juni 2005 in Kraft getreten. Die Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums erfolgte mit Schreiben vom 27. Juli 2005. Vor diesem Zeitpunkt, also vor der Unterrichtung des PKGr, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz keine der in Rede stehenden Maßnahmen durchgeführt. Was das Bundeskriminalamt betrifft, gilt, dass es bislang überhaupt keine derartigen Durchsuchungen durchgeführt hat. Ich kann Ihnen versichern, dass Berufsgeheimnisträger im Sinne von § 53 StPO von den vorgenommenen Maßnahmen nicht betroffen waren. Im Übrigen waren davon auch keine Journalisten, die, wie Sie wahrscheinlich wissen, keine Berufsgeheimnisträger im Sinne dieser Vorschrift sind, betroffen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung. Gleichwohl frage ich nach. Ich habe nicht nur gefragt, wann solche Maßnahmen vor Juli 2005 durchgeführt worden sind. Vielmehr wollte ich wissen, wann sie überhaupt ergriffen worden sind. Es ist nämlich durchaus von Interesse, zu erfahren, ob solche Maßnahmen nach dem Juli 2005, etwa im August, September, Oktober 2005 oder erst im Jahr 2006 ergriffen worden sind. Sie wissen, dass dieses Thema in der Presse sehr intensiv behandelt wird und dass der Zeitpunkt, wann das gemacht worden ist, nicht geheimhaltungsbedürftig ist.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Kollege Ströbele, ich denke, dass das aus meiner Antwort eigentlich klar hervorgegangen ist: Aus dem Umstand, dass sie nicht vor dem 21. Juni 2005 durchgeführt worden sind, ergibt sich, dass sie nur nach dem 21. Juni 2005 durchgeführt worden sind. Das PKGr ist darüber informiert worden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch mir ist schon aufgefallen, dass es nach dem 21. Juni 2005 gewesen sein muss, wenn es vorher nicht der Fall war. Mich interessiert konkret, wann genau danach es gewesen ist, in welchem Monat. ({0})

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Ich bitte herzlich um Verständnis dafür, dass diese Detailfragen in dem dafür vorgesehenen Kontrollgremium, im PKGr, beantwortet werden. Das ist nach meiner Kenntnis auch geschehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Ströbele, Sie haben schon zwei Nachfragen gestellt. Wir kommen zu Frage 8 des Kollegen Ströbele: Auf welche Weise genau sind die betreffenden Bundesbehörden jeweils in fremde Datenverarbeitungsanlagen eingedrungen, und wie räumt die Bundesregierung die Befürchtung von Herstellern oder Vertreibern von IT-Produkten glaubwürdig aus, Bundesbehörden könnten deren Produkte heimlich etwa mit „trojanischen Pferden“ zwecks Weiterverbreitung versehen, oder muss die potenzielle Kundschaft derlei jedenfalls nun befürchten?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht - das betrifft die technische Vorgehensweise und die nachrichtendienstliche Methodik -: Es wird Sie nicht überraschen, dass sich die Bundesregierung zu diesem Punkt aus nachvollziehbaren Geheimhaltungsgründen nur im zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium äußert. Wie Sie ebenfalls wissen, hat sie das auch am 25. April 2007 ausführlich getan. Zum zweiten Teil der Frage kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung die Befürchtungen von Herstellern oder Vertreibern von IT-Produkten ernst nimmt. Allerdings sind diese Befürchtungen in der Sache unbegründet. Die Bundesbehörden werden keine sogenannten Bundestrojaner auf dem freien Markt verbreiten. Die Bundesbehörden haben ein starkes Eigeninteresse daran, dass die von ihnen verwendete Software nicht von Dritten analysiert und die Ergebnisse veröffentlicht werden können. Ferner beabsichtigt die Bundesregierung nicht, derartige Operationen in Kooperation mit privaten Herstellern durchzuführen. Es liegt im Übrigen gerade nicht im Interesse der Bundesregierung, das Vertrauen der Kunden in die leistungsfähigen deutschen Wirtschaftsunternehmen zu beschädigen. Es ist vielmehr das ausdrückliche Ziel dieser Bundesregierung, die breite Verwendung von IT-Sicherheitssoftware zu fördern. Die Erreichung dieses Ziels würde durch eine solche Kooperation möglicherweise gefährdet.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, eine Nachfrage, Herr Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, verstehen Sie die Besorgnis in der Bevölkerung, dass auf diese Art und Weise - durch den Einsatz von Trojanern und durch Onlinedurchsuchungen auch in die ganz private, geheime Gedankenwelt der Nutzer von PCs eingedrungen wird? Kann die Bundesregierung sagen, ob ein Schutz vor diesem Eindringen möglich ist, indem man eine bestimmte Technik, wie zum Beispiel Firewalls, benutzt?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Kollege Ströbele, zu der Frage hinsichtlich der benutzten Technik habe ich Sie darauf hingewiesen, dass wir derartige Fragen im PKGr beantworten, aber aus Geheimhaltungsgründen nicht vor dem Forum des Deutschen Bundestages. Zu der Frage bezüglich der Befürchtungen: Ich glaube, dass die von Ihnen angesprochenen Befürchtungen der Produzenten und Vertreiber auch durch die Antwort der Bundesregierung auf Ihre Frage nun in weitestmöglichem Umfange ausgeräumt sein dürften. Im Übrigen ist es so, dass die Bundesregierung bei all diesen Maßnahmen Wert auf ein hohes Maß an rechtsstaatlichen Verfahren und Garantien legt, was dazu angetan ist, auch den Sorgen und Befürchtungen von Bürgern entgegenzukommen und sie auszuräumen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Nachfrage? - Bitte schön.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, verstehen Sie die Besorgnis - nicht der Hersteller; von den Herstellern reden wir jetzt einmal nicht - der ganz normalen Bürgerinnen und Bürger, dass die Bundesregierung in die jeweiligen persönlichen Computer eindringt, obwohl ganz offensichtlich eine gesetzliche Grundlage für dieses Eindringen - das haben Sie auch eingestanden - bis heute nicht besteht?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Die Bundesregierung, Herr Kollege Ströbele, bemüht sich in ihrer Arbeit, Besorgnisse und Befürchtungen, die bestehen, ernst zu nehmen und sie auszuräumen. Dies ist, denke ich, in den letzten Tagen auch im Hinblick auf das weitere Vorgehen bei Onlinedurchsuchungen deutlich geworden. Sie werden festgestellt haben, dass derartige Durchsuchungen im Augenblick nicht stattfinden, bis die Frage der Rechtsgrundlage zweifelsfrei geklärt ist. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Altmaier. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung. Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Uwe Barth auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass infolge der Einführung der Besteuerung von Biodiesel in Reinkraftstoff dessen Absatz stark abgenommen hat, weshalb sich die wirtschaftliche Situation der Landwirte und Biodieselproduzenten derart dramatisch verschlechtert hat, dass bereits in Kürze mit ersten Insolvenzen zu rechnen ist, und was plant die Bundesregierung hiergegen zu unternehmen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Barth, der Bundesregierung liegen keine belastbaren Informationen vor, dass es zu Insolvenzen in der Biodieselbranche aufgrund der Einführung der Besteuerung kommen wird. Tatsache ist, dass angesichts der derzeitigen Preise für Biodiesel einerseits und fossilen Diesel andererseits positive Margen in der Branche erwirtschaftet werden können. Im Übrigen sind die Produktionskapazitäten für Biodiesel in Deutschland weiterhin im Auf- und Ausbau begriffen. Eine Aufgabe von Investitionsvorhaben ist nicht zu beobachten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage, Kollege Barth?

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, eine ähnliche Antwort hatten Sie ja bereits vor einigen Monaten auf unsere Kleine Anfrage gegeben. Sie können zunächst einmal, wie ich denke, unterstellen, dass die Frage ernst gemeint ist und auch auf Informationen beruht, die aus der entsprechenden Branche kommen, und ich sie mir nicht einfach so ausgedacht habe, um Sie zu ärgern. Deswegen wäre es aus meiner Sicht eine angemessene Reaktion, wenn sich die Bundesregierung, sobald sie mehrfach von einer Entwicklung Kenntnis bekommt, sei es auch von einer Oppositionsfraktion, um die Erlangung belastbarer Daten bemühte. Deswegen zunächst die Frage: Beabsichtigt die Bundesregierung, die Hinweise, die der Opposition vorliegen - ich stelle Ihnen die mir dazu vorliegenden Schreiben gerne zur Verfügung -, aufzugreifen und sich um belastbares Datenmaterial zu kümmern? Wann könnte man dann mit dem Vorliegen eines solchen Materials rechnen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, wenn die Informationen des Verbandes tatsächlich zuträfen, wäre ja davon auszugehen, dass Investoren, die noch vorhaben, eine neue Investition zu tätigen, diese Investition zurückstellen. Wie ich Ihnen gerade ausführte, ist dies nicht zu beobachten. Gegenwärtig ist der Preisunterschied zwischen Biodiesel und normalem Diesel so, dass Margen erzielt werden können. Wir können also die Befürchtungen in Bezug auf Insolvenzen nicht teilen. Gewiss wird es so sein, dass sich mit dem Greifen der nächsten laut Gesetz vorgesehenen Stufe die Marge wieder ein Stück weit verschlechtern wird - das hängt natürlich von der Preisentwicklung an den Tankstellen ab -, aber ab 2009 greift dann der Beimischungszwang, der wiederum neue Absatzmöglichkeiten eröffnet.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage? - Keine Nachfrage mehr. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Hier sollen die Fragen 12, 13, 14 und 15 schriftlich beantwortet werden. Das Gleiche gilt für die Fragen 16, 17 und 18 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Deswegen kommen wir gleich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung. Zunächst die Frage 19 der Kollegin Daniela Raab: Liegen der Bundesregierung die bereits für das Jahr 2006 angekündigten Verkehrsprognosen aus Deutschland, Österreich und von der Europäischen Kommission über die Auswirkungen des Baus des Brennerbasistunnels vor, und, wenn ja, wie sehen diese aus?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin Raab, Sie haben gefragt, ob es schon einen neuen Stand bezogen auf die Prognosen über die Auswirkungen des Baus des Brennerbasistunnels gibt. Ich muss Ihnen leider sagen: Nein, diese Prognosen liegen der Bundesregierung bisher nicht vor. Seit längerem will Österreich zur Abstimmung von aktualisierten Verkehrsprognosen einladen. Diese Einladung steht noch aus. Sie wird für Mitte dieses Jahres erwartet.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage? - Bitte schön.

Daniela Raab (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Staatssekretärin, vielen Dank. - Bemüht sich denn die Bundesregierung um den zügigen Erhalt dieser Prognosen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Liebe Kollegin, wir sind sehr daran interessiert, dass das Ganze möglichst schnell geschieht; denn wir sind ja auf die entsprechenden Fragen vorbereitet. Insofern können Sie davon ausgehen, dass wir mit großem Engagement bei der Sache sind. Aber jetzt warten wir auf Österreich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Nachfrage?

Daniela Raab (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine kurze hätte ich noch. - Darf ich, wenn Sie sagen, Sie seien vorbereitet, davon ausgehen, dass Sie in groben Zügen auch schon an der Regierungsvereinbarung zwischen Deutschland und Österreich arbeiten, die ja für die Planung der Zulaufstrecken notwendig ist?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Liebe Kollegin, wir werden natürlich zunächst einmal die Ergebnisse der Verkehrsprognosen abwarten müssen. Wir sind aber im Rahmen unserer Vorbereitungen natürlich in der Lage, ein Abkommen zu vereinbaren. Wichtig ist, dass dies auf der Grundlage der Prognosen geschieht. Deshalb ist es so entscheidend, dass wir diese möglichst bald bekommen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit kommen wir zur Frage 20 der Kollegin Raab: Wird die Bundesregierung mit konkreten Planungen zum Nordzulauf des Brenners auf bayerischer Seite umgehend beginnen, wenn die Finanzierung des Brennerbasistunnels auf österreichischer/italienischer Seite geklärt und damit der Baubeginn absehbar ist?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Hier kann ich an meine vorige Antwort anschließen: Die Bundesregierung wird auf der Basis abgestimmter aktualisierter Verkehrsprognosen eine Studie über Ausbaubedarf und Ausbauvarianten des Nordzulaufs vergeben. Das ist genau der Punkt, zu dem Sie gerade nachgefragt haben. Die Ergebnisse dieser Studie werden Basis für eine Ressortvereinbarung zwischen Deutschland und Österreich über den weiteren Ausbau des nördlichen Zulaufes sein. Entsprechend einer sich abzeichnenden Fertigstellung des Brennerbasistunnels erfolgt dann eine schrittweise Kapazitätserweiterung im nördlichen Zulauf. Von unserer Seite wird der Gleichklang der Planungen zwischen Deutschland und Österreich somit gewahrt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfragen? - Bitte schön.

Daniela Raab (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine Nachfrage hätte ich noch. Frau Staatssekretärin, wir wissen, dass in Bezug auf die Anteile am Brennerbasistunnel die Finanzierungsverhandlungen zwischen Österreich und Italien laufen. Ist Ihnen bekannt, wie diese Verhandlungen derzeit verlaufen und inwieweit sich die Europäische Union an der Finanzierung beteiligen wird?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Wir sind, liebe Kollegin Raab, in die Verhandlungen natürlich nicht mit einbezogen. Wir sind sehr gespannt, in welcher Weise die Europäische Union dieses Projekt im Rahmen der TEN-Mittel unterstützt. Natürlich gibt es Konkurrenzen, was die Strecken angeht, nicht nur bei uns, sondern auch zwischen Österreich und Italien. Insofern sind wir darauf gespannt, zu welchem Ergebnis die Verhandlungen zwischen Italien und Österreich führen werden. Wir wissen, dass, wenn alles gut geht - Baubeginn 2007, Verhandlungen usw. -, der Brennerbasistunnel erst 2022 fertig sein wird. Wir haben also noch ein bisschen Zeit, um die Planung voranzubringen. Aber Sie können davon ausgehen, dass wir darauf achten, welche Beiträge die EU leistet und dass nicht alles zu unseren Lasten geht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Wir kommen jetzt zur Frage 21 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter - er ist gerade eingetroffen; deswegen kann diese Frage auch beantwortet werden -: Warum hält die Bundesregierung an der Neu- und Ausbaustrecke Nürnberg-Erfurt fest, obwohl andernorts, beispielsweise bei den Hafenhinterlandverkehren, größere Kapazitätsengpässe und größerer Handlungsbedarf bestehen, und welches Wachstum müssen die Hafenhinterlandverkehre erreichen, damit die Bundesregierung ihre Prioritätensetzung im Bereich des Schieneninfrastrukturausbaus überprüft?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Lieber Kollege Hofreiter, ich habe schon gedacht, heute würden Sie mir keine Frage stellen; aber Sie stellen immer Fragen, und das ist auch gut so. Das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ 8.1, die Strecke Nürnberg-Erfurt, ist Bestandteil des transeuropäischen Netzes für Verkehr. ({0}) Der Ausbau und Neubau der Strecke Nürnberg-Ebensfeld-Erfurt ist darüber hinaus ein vorrangiges Vorhaben gemäß Anhang 3 der gemeinschaftlichen Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes. Sie müssen das Ganze im Zusammenhang mit Projekt 1, Eisenbahnachse Berlin-Verona/Mailand-Bologna-Neapel-Messina-Palermo, sehen. Die Bundesregierung hat daher ein besonderes Interesse an einer zügigen Fortführung und Fertigstellung des VDE-Projektes 8.1. Die ebenfalls im Bedarfsplan Schiene als vordringlicher Bedarf enthaltenen Vorhaben zur Verbesserung der Hafenhinterlandanbindung werden derzeit geplant. Ihre Frage war ja, ob diese Vorhaben in Konkurrenz zueinander stehen oder nicht. Wir planen beides und realisieren das auch. Nach Vorlage des Baurechts wird unter Beachtung der Prioritätensetzung mit deren Bau begonnen. Das derzeitige Wachstum der Hinterlandverkehre bestätigt die Notwendigkeit des zügigen Ausbaus der hierfür relevanten Schienenprojekte. Es freut mich, dass auch Sie das so sehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage, Herr Kollege Hofreiter?

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Kann auch die zweite Frage gleich beantwortet werden?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Wenn Sie das gerne möchten, kann ich auch die zweite Frage beantworten - mit Ihrem Einverständnis, Herr Präsident.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich auch die Frage 22 auf: Wann untersucht die Bundesregierung - wie vom Bundesrechnungshof gefordert - systematisch, welche Investitionen für eine Inbetriebnahme der Neu- und Ausbaustrecke Nürnberg-Erfurt noch erforderlich sind, wie diese finanziert werden und wann mit einer Fertigstellung gerechnet wird, und wann stellt die Bundesregierung die Untersuchungsergebnisse den politischen Entscheidungsträgern vor? Bitte schön.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Die für eine Inbetriebnahme des Vorhabens noch erforderlichen Investitionen sind hinlänglich bekannt und werden vorrangig durch den Bundeshaushalt finanziert. In Abstimmung mit dem Vorstand der Deutschen Bahn AG werden die Investitionen in dem VDE 8.1 verstärkt, um zumindest die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt bis 2016 fertigzustellen. Zur Beschleunigung der Fertigstellung werden unter anderem im Programmzeitrahmen 2007 bis 2013 EFRE-Mittel eingesetzt. Die Bundesregierung hat diese Vorgehensweise bei der Realisierung des VDE-Projekts 8.1 in der Vergangenheit bereits öffentlich dargestellt und mehrmals darüber berichtet. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt kommen wir zu den Nachfragen. Herr Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich nehme an, dass auch dem Verkehrsministerium bekannt ist, dass ein Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Wenn Sie einen Großteil der Gelder für die eine Strecke ausgeben, dann haben Sie kein Geld mehr, um den kapazitätsgestützten Ausbau der Hafenhinterlandverkehre zu betreiben. Sie haben auf eine Anfrage selbst geantwortet, dass auf der Strecke nur mit eineinhalb Zügen pro Stunde zu rechnen ist, das heißt mit fast gar nichts. Wie können Sie angesichts dieser Tatsache den Ausbau wirklich rechtfertigen, auch vor dem Hintergrund, dass Sie wahrscheinlich keinen einzigen Bahnmanager finden, der Ihnen im Gespräch unter vier Augen erklären wird, dass er dieses Projekt für wirtschaftlich vertretbar hält?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Kollege Dr. Hofreiter, ich habe sehr deutlich gemacht, dass das Projekt 8.1 ein VDE-Projekt ist. Es ist im Rahmen der transeuropäischen Netze zu sehen und wird natürlich in Zukunft auch Güterverkehre in Richtung Nord-Süd und Süd-Nord abnehmen. Deshalb ist es vernünftig, dass wir das Projekt 8.1, das wir im Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ verankert haben, möglichst schnell realisieren. Mit der Realisierung des Projektes 8.1 unterstützen wir auch die Entwicklung in den neuen Bundesländern, und auch das gehört zur deutschen Einheit. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Nachfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie wollen Sie den Güterverkehr auf der Strecke abwickeln, wenn Sie beide Gleise in einen Tunnel verlegen? Denn laut EU-Richtlinie ist es nicht gestattet, Güterverkehr und Personenverkehr gleichzeitig abzuwickeln.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Das ist bekannt, und deshalb wird es auch nicht passieren.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Doch. Nach Ihren Planungen sollen die Gleise in einen Tunnel verlegt werden, um Kosten zu sparen.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Aber es gibt im Rahmen des Verkehrsmanagements die Möglichkeit, den Verkehr begegnungsfrei durchzuführen. Ich glaube, in diesem Sinne haben wir Ihnen schon einmal eine entsprechende Frage beantwortet.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Güterverkehr ist dann nur über Nacht möglich, und damit liegen Sie bei den zu erwartenden Kostensteigerungen weit unter dem Nutzen/Kosten-Faktor von 1 und haben, wie in vielen Fällen, das Geld zum Fenster hinausgeworfen.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Auf die Frage, ob wir Geld zum Fenster hinauswerfen, sollten wir in der Zukunft noch einmal zurückkommen. Im Übrigen möchte ich bei diesem Hin und Her, Herr Dr. Hofreiter, bemerken, dass Sie inzwischen schon die zweite oder die dritte Frage gestellt haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Er kann vier Fragen stellen.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Sie dürfen vier Fragen stellen. - Auf Ihre letzte Bemerkung will ich Ihnen sagen: Bei diesen Verkehrsprojekten haben wir natürlich ein Auge darauf, dass sie wirtschaftlich sind, und wir wissen auch, dass im Bereich des VDE-Projekts 8.1 noch Zukunftsperspektiven vorhanden sind. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass auch ein Teil der Hinterlandanbindungen über diese Straße gehen wird, über diese Trasse gehen wird. ({0}) - Ein Teil wird über diese Trasse gehen, Herr Kollege Dr. Hofreiter, und insofern sollten wir die Potenziale nutzen und nicht vorn vornherein unterstellen, das Geld werde von der Bundesregierung zum Fenster hinausgeworfen. Da widerspreche ich Ihnen vehement.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wollen Sie noch eine Frage stellen?

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Man könnte noch sehr viele Fragen stellen. Ich stelle noch eine: Wie schaut denn die Nutzen/Kosten-Bewertung aus, wenn man die üblichen Preissteigerungen bei DB-Projekten berücksichtigt? Bei DB-Projekten, bei Neubaustrecken in schwierigem Terrain, rechnen wir ja in der Regel mit dem Faktor 2. Ich nenne als Beispiel die Strecke München-Ingolstadt-Nürnberg, die ursprünglich für 1,5 Milliarden Euro projektiert war, dann für 2 Milliarden Euro exakt geplant und schließlich für 3,5 bis 3,6 Milliarden Euro gebaut wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ausbaumaßnahmen für 300 Millionen Euro nicht durchgeführt wurden, die ursprünglich in dem Nutzen/Kosten-Faktor enthalten waren. Wie schaut der Nutzen/Kosten-Faktor für dieses Projekt aus, wenn man die durchschnittliche Preissteigerung bei DBNeubauprojekten zugrunde legt? - Wir wollen gar nicht vom Hauptbahnhof Berlin ausgehen; denn da sprechen wir von einem ganz anderen Faktor.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Wir gehen davon aus, dass der Kostenrahmen von 5,1 Milliarden Euro für das Gesamtprojekt eingehalten wird. ({0}) Im Übrigen bin ich auch nicht dazu da, mit Ihnen Spekulationen in die Zukunft zu machen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Wir haben noch eine Frage der Kollegin Iris Gleicke.

Iris Gleicke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000687, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die klaren Worte für die Bundesregierung, wonach das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ 8.1 zügig weitergebaut und auch verstärkt wird. Halten Sie es, Frau Staatssekretärin, wie ich auch für eine Unzumutbarkeit, nachdem schon enorme Investitionsmittel in dieses Verkehrsprojekt geflossen sind, das ja nicht nur ein Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ ist, sondern auch im Rahmen der transeuropäischen Netze zu sehen ist, wenn man dort - das ist offensichtlich die Ansicht der Opposition - Investitionsruinen in Größenordnungen schaffen würde, weil man das Projekt nicht zügig zu Ende baut und dem Verkehr zur Verfügung stellt?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Vielen Dank für die Frage. - Ich kann Ihnen da nur beipflichten. Wir haben im Bereich dieser Strecke bereits mehrere Tunnels und Brücken gebaut. Wenn ich mich recht erinnere, dann war es so, dass diese Maßnahmen schon zur Zeit der vorherigen Regierung durchgeführt wurden. Man sollte Planungen, die man abgesegnet hat, nicht vergessen, wenn man in der Opposition ist. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsiVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms cherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Astrid Klug zur Verfügung. Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Dr. Edmund Geisen auf: Welchen Anteil am Ausstoß der Treibhausgase N2O - Lachgas - und CH4 - Methan - rechnet die Bundesregierung in Deutschland der Landwirtschaft zu?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Dr. Geisen, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Gemäß den nach internationalen Vorgaben zur Treibhausgasberichterstattung erstellten Emissionsinventaren haben die Methan- und Distickstoffoxidemissionen der Landwirtschaft in 2005 63,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente betragen. Das waren 6,3 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland. Die Emissionen sind bis 2005 gegenüber 1995, also dem Kioto-Basisjahr für Methan- und Distickstoffoxidemissionen, um 5 Prozent gesunken.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfragen?

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, ich habe zwei Nachfragen. Erstens. Ist der Bundesregierung bekannt, welchen Anteil am Ausstoß der genannten Gase die Landwirtschaft in Europa und weltweit hat? Zweitens. Ist der Bundesregierung ferner bekannt, wie sich der Ausstoß der genannten klimarelevanten Gase durch die Landwirtschaft in den letzten 50 Jahren in Deutschland, in Europa und weltweit entwickelt hat? Danke schön.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das waren zwei Nachfragen auf einmal.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Ich kann dazu nur sagen, dass es keine weltweiten Berichtspflichten zu den Treibhausgasemissionen gibt. Es gibt zwar statistische Erhebungen in den Staaten, die sich der Klimarahmenkonvention unterworfen haben. Aber da noch die Entwicklungs- und Schwellenländer hinzukommen, in denen die Daten nicht so exakt wie bei uns erhoben werden, lässt sich eine verlässliche Datenbasis für die gesamte Welt nicht erstellen. Ich kann auf detailliertere Angaben aus verschiedenen Studien verweisen. Eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen wird in den nächsten Tagen fertiggestellt. Darin sind die Daten, nach denen Sie jetzt fragen, enthalten. Allerdings gibt es Datenunsicherheiten, die durch die statistischen Erhebungen, die nicht überall so zuverlässig sind wie bei uns, gegeben sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 24 des Kollegen Dr. Edmund Geisen: Welche Maßnahmen, bezogen auf die Landwirtschaft, plant die Bundesregierung bzw. hat sie schon ergriffen, um - wie im Achtpunkteplan zur Senkung der Treibhausgasemissionen vom 26. April 2007 erwähnt - Minderungen um 40 Millionen Jahrestonnen bei den oben genannten Treibhausgasen zu erreichen?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Minderung um 40 Millionen Jahrestonnen, von denen in der von Ihnen angesprochenen Regierungserklärung die Rede war, bezieht sich auf den gesamten Bereich nicht energiebedingter Emissionen. Für den Sektor Landwirtschaft strebt die Bundesregierung grundsätzlich eine Reduktion der Treibhausgasemissionen an, sie hat aber keine quantitativen Reduktionsziele festgelegt. Zahlreiche Maßnahmen der aktuellen Agrarpolitik haben auch eine treibhausgasemissionsmindernde Wirkung. Im nationalen Klimaschutzprogramm 2005 hat die Bundesregierung die Klimaschutzmaßnahmen im Bereich Landwirtschaft dargestellt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfragen?

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten zwei Nachfragen anschließen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte.

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Erstens. Teilt die Bundesregierung die Aussage einer Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im „Handelsblatt“ vom 23. Februar 2007, wonach weniger Fleisch gegessen werden sollte, um das Klima zu schützen? Zweitens. Liegen der Bundesregierung Informationen über die Klimaeffizienz der ökologischen Landwirtschaft im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft in Deutschland vor? Wenn ja, welche?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Die Bundesregierung gibt keine Empfehlung bezüglich der Ernährung mit Fleisch. Aber es ist völlig klar, dass es einen Zusammenhang zwischen der Tierhaltung und dem Klimaschutz gibt, dass die Landwirtschaft also Auswirkungen auf das Klima hat. Es gibt auch einen Unterschied zwischen dem konventionellen Anbau und dem Ökolandbau. Aus den Zahlen im damaligen Bericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages geht hervor, dass die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft im Ökolandbau bei etwa 39 Prozent im Vergleich zum konventionellen Anbau liegen. Ich gebe zwar zu, dass die Datenlage hierzu durchaus unterschiedlich ist und es verschiedene Angaben über Einsparungen gibt. Aber diese Größenordnung wurde damals in den Bericht der Enquete-Kommission aufgenommen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Frage 25 des Kollegen Uwe Barth soll schriftlich beantwortet werden. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen zum letzten Geschäftsbereich in dieser Fragestunde, zu dem des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung. Zunächst rufe ich die Frage 26 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aufforderung des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, der anlässlich der Vorstellung des monatlichen Arbeitsmarktberichts am 2. Mai 2007 von der Politik Lösungen für Langzeitarbeitslose verlangt und sich vom Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, Aussagen dazu erhofft hat, was zur Besserung der Situation dieser Gruppe geschehen muss?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich gebe Ihnen auf Ihre Frage folgende Antwort: Wer den Ausführungen des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit am 2. Mai genaue Aufmerksamkeit geschenkt hat, konnte leicht feststellen, dass Herr Weise weder Anforderungen an die Politik gerichtet noch Lösungen verlangt hat. Stattdessen hat er richtigerweise darauf hingewiesen, dass derzeit in beiden Fraktionen der Regierungskoalition noch die Debatte darüber geführt wird, was für die weitere Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt getan werden muss. Diese Aussage, so wie er sie getroffen hat, kann ich bestätigen. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe „Arbeitsmarkt“, die in den vergangenen Monaten getagt hat, wurden heute im Kabinett behandelt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage?

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, vielen Dank. - Herr Staatssekretär, zumindest hat Kollege Weise darauf aufmerksam gemacht, dass es ganz offenkundig ist, dass der derzeitige Aufschwung an den Langzeitarbeitslosen vorbeigeht. Insofern fordert er Konsequenzen der Bundesregierung. In diesem Zusammenhang möchte ich eine erste Frage stellen: Nach wie vor sind erhebliche Mittel des Eingliederungstitels gesperrt. Das sind Mittel, die eigentlich vor allen Dingen für Langzeitarbeitslose vorgesehen sind. Wäre es nicht an der Zeit, endlich zu einer Entsperrung zu kommen, um Langzeitarbeitslosen mit diesen Mitteln zu helfen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wir haben im Bundeshaushalt im Bereich des SGB II Leistungen zur Eingliederung in Arbeit in Höhe von 5,5 Milliarden Euro für das Jahr 2007 zur Verfügung. Es ist in den einzelnen Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen - jedenfalls bislang - nicht zu einem derartigen Ausgabeverhalten gekommen, dass keine weiteren Mittel zur Eingliederung der betroffenen Menschen zur Verfügung stehen würden. Im Übrigen will ich auf Folgendes hinweisen - damit das Bild ein bisschen klarer wird; denn Sie implizieren in Ihren Ausführungen, dass der Aufschwung an den Langzeitarbeitslosen vorbeigeht -: Wir sollten uns zunächst darüber freuen, dass im Februar 2007 im Vergleich zum Februar 2006 650 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden sind und wir gut 824 000 Arbeitslose weniger haben. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist um 14,6 Prozent gesunken: diejenige der Älteren ab 50 Jahre um 14 Prozent, diejenige der im Bereich des SGB II Betroffenen um 12 Prozent und diejenige der Jugendlichen unter 20 Jahre - das freut besonders - um 27,6 Prozent. Ich will damit sagen - dies ist eigentlich allen klar -: Wir freuen uns über den Aufschwung, die konjunkturelle Entwicklung. Diese trägt auf dem Arbeitsmarkt natürlich zuerst dazu bei, dass die leicht vermittelbaren Arbeitslosen in Beschäftigung kommen. Je länger aber der Aufschwung andauert - wir freuen uns sehr, dass die Prognosen jetzt zeigen, dass er von Dauer ist -, umso stärker wird sich die Chance auf die Integration derjenigen Menschen erhöhen, die schon lange Jahre arbeitslos sind. Im SGB II ist das notwendige Instrumentarium vorhanden, um hier eine Verbesserung herbeizuführen. Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass die Mittel dafür ausreichen dürften.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ihre zweite Nachfrage, Frau Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Über die Tatsachen, die hinter der Statistik stehen, werden wir garantiert morgen noch reden. Aber ich hätte eine zweite Frage: Der Landtag Brandenburg hat beschlossen, die Landesregierung aufzufordern, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass eine eindeutige Rechtsgrundlage dafür geschaffen wird, dass passive Arbeitsmarktmittel mit aktiver Arbeitsmarktförderung verbunden werden können, um unter anderem für Projekte wie das Bürgergeld und die öffentlich geförderte Beschäftigung eine Grundlage zu schaffen. Wie stehen Sie zu dieser Forderung, die von allen demokratischen Parteien des Landtages Brandenburg getragen wird?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Mittel der aktiven und passiven Unterstützung der Menschen, die arbeitslos sind, müssen weiterhin fein und klar getrennt behandelt werden. Würden wir die pasParl. Staatssekretär Franz Thönnes siven Mittel zum Ersatz für die aktiven machen, würden Sie als Abgeordnete hier im Deutschen Bundestag nicht mehr die Entscheidungshoheit darüber haben, wie und für wen die Mittel verteilt werden. Ich glaube nicht, dass man dieses Entscheidungsrecht aus den Händen geben kann. Dann könnte allein vor Ort entschieden werden. Ich glaube, das geht nicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt hat der Kollege Dreibus noch eine Frage. - Bitte.

Werner Dreibus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003749, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, zum Problem Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit: Wir hatten am Montag im Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Anhörung zu den Anträgen der Linken und der Grünen für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Können Sie meinen Eindruck bestätigen, dass alle Sachverständigen bis auf einen einzigen und auch die Fraktionsvertreterinnen und -vertreter der Regierungskoalition darin übereinstimmten, dass drängender Handlungsbedarf besteht, neue Konzepte zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit systematisch zu entwickeln? Wenn Sie diesen Eindruck bestätigen können, können Sie mir sagen, wann die Bundesregierung ihre seit eineinhalb Jahren überfälligen Konzepte endlich vorstellen wird?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Kollege Dreibus, in der heutigen Kabinettssitzung hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, einen Bericht über die Arbeitsgruppe „Arbeitsmarkt“, die zwischen den Koalitionsfraktionen in den letzten Wochen getagt hat, gegeben. Man hat sich in einem sehr wesentlichen Bereich, der bei den Beratungen eine Rolle gespielt hat, darauf verständigt, dass man für die Menschen, die langzeitarbeitslos sind und bei denen man davon ausgehen kann, dass sie in den nächsten 24 Monaten wahrscheinlich keine Chance haben, auf dem regulären Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu finden, einen neuen Programmbereich auflegt, der diese Gruppe in eine Beschäftigung einbeziehen soll, und zwar in der Form, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes, sozialen Betrieben oder Integrationsunternehmen organisiert werden soll. Es muss sich dabei um Personen handeln, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, bei denen die bisherigen arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente erfolglos gewesen sind und die besondere Vermittlungshemmnisse haben. Die Unternehmen, die derartige Arbeitsplätze schaffen, also soziale Betriebe, Integrationsunternehmen oder Unternehmen im ersten Arbeitsmarkt, erhalten eine angemessene Förderung in Abhängigkeit von der Höhe des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts, um die Produktivitätsnachteile auszugleichen. Gleichzeitig wird dadurch ein Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen geleistet. Der Umfang der Beschäftigung soll einer Vollzeittätigkeit entsprechen. Sie muss jedoch bei mindestens 50 Prozent der regulären Arbeitszeit liegen. Das Kabinett hat das BMAS damit beauftragt, jetzt die entsprechenden Gesetzesvorbereitungen zu treffen, sodass wir über dieses Vorhaben hier in diesem Haus und im Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Sicherheit sprechen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Die Frage 27 der Kollegin Hirsch soll schriftlich beantwortet werden. Jetzt haben wir noch die zwei Fragen des Kollegen Dreibus. Eigentlich ist die Zeit für die Fragestunde nahezu abgelaufen. Doch wenn wir sie schnell beantworten, können wir auch das noch leisten. Ich rufe die Fragen 28 und 29 des Kollegen Dreibus auf: Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung - mit Blick auf die in der Vergangenheit wiederholt von Regierungsvertretern geäußerte Notwendigkeit existenzsichernder Löhne aus der Weigerung der Arbeitgeber der Fleischindustrie, sowohl einen Mindestlohn als auch flächendeckende Tarifverträge, die eine Ausweitung des Entsendegesetzes auf die Branche mit dann verbindlichen Löhnen ermöglichen würden, zu vereinbaren? Stimmt die Bundesregierung der Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Gerd Andres vom 3. Mai 2007 zu, dass eine Weigerung von Arbeitgeberverbänden, an der Vereinbarung von allgemein verbindlichen Branchenmindestlöhnen mitzuwirken, die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne nach sich ziehen muss?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Präsident, ich lese jetzt nicht die Fragen vor. In Anbetracht der Zeit gebe ich nur die Antwort. Herr Kollege Dreibus, die in dem Gespräch bei Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Andres vertretenen Verbände der Fleischindustrie haben nach ihren Satzungen keine Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen. Deshalb sollen die Chancen für den Abschluss entsprechender Tarifverträge zunächst in einem weiteren Gespräch mit den führenden Großunternehmen der Branche ausgelotet werden. Die Bundesregierung strebt auf jeden Fall eine Einigung in der Frage des Mindestlohns an. Das ist die Antwort auf beide Fragen, 28 und 29.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfragen? - Bitte schön, Herr Dreibus.

Werner Dreibus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003749, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein, dass für die Fleischindustrie dann, wenn sie sich auf Dauer weigern würde, tarifvertragliche Regelungen zustande zu bringen, alle anderen Optionen, für die beispielsweise auch der Minister Ihres Hauses eintritt, zur Schaffung von branchenbezogenen oder tariflichen Mindestlöhnen ausscheiden und es in diesem Fall unabweisbar ist, für diese Branche einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Dreibus, meines Erachtens sollten wir nicht so pessimistisch darangehen. Ich habe Ihnen dargestellt, wie diese Branche zurzeit strukturiert ist und dass wir die Absicht haben, mit den dortigen Verbänden zu sprechen. Ich denke auch, dass die Branche auf Dauer kein Interesse an den Negativschlagzeilen haben wird, wie wir sie in manchen Zeitungsartikeln zur Kenntnis nehmen mussten. Bei denjenigen Unternehmen dieser Branche, die angemessene Einkommen bezahlen, dürfte auch kein Interesse daran vorhanden sein, dass sie von Dumpinganbietern vom Markt gedrängt werden. Wir setzen also auf die Gespräche, die stattfinden sollen. Die andere Diskussion über die Frage eines Mindestlohns oder der Verhinderung von sittenwidrigen Löhnen ist Ihnen bekannt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Nachfragen?

Werner Dreibus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003749, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wer mich kennt, weiß, dass Pessimismus mir sehr fremd ist. Ich bin ein sehr optimistischer Mensch. Vor allen Dingen bin ich aber auch jemand, der an die Menschen in dieser Branche denkt. Herr Staatssekretär, wie lange, glauben Sie, halten die Menschen in dieser Branche diese skandalösen Zustände aus? Und wie lange halten die Unternehmen das aus? Wann handelt die Bundesregierung?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Wir handeln mit Nachdruck. Sie wissen, dass dieses Thema in der nächsten Woche im Koalitionsausschuss auf der Tagesordnung steht. Uns geht es auch darum, mit den Vertretern der Branche zügig zu einem Ergebnis zu kommen. Die dort vorhandenen Zustände wollen wir nicht dauerhaft akzeptieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Haben Sie noch eine Nachfrage, Herr Dreibus?

Werner Dreibus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003749, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine zweite Frage bezog sich auf eine konkrete Aussage Ihres Staatssekretärskollegen Andres. Ich schätze Sie aus unserer Vergangenheit sehr, Herr Staatssekretär. Vielleicht wäre es im Sinne einer guten Kommunikation aber sinnvoll, dass der betreffende Staatssekretär eine solche Frage dann auch selbst beantworten kann. Wie beurteilen Sie die Aussage Ihres Staatssekretärskollegen Andres, der bezogen auf die Fleischindustrie gesagt hat - so schrieb jedenfalls dpa am 3. Mai um 15.06 Uhr -: „Wer das nicht macht, bekommt irgendwann einen gesetzlichen Mindestlohn“?.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Im Rahmen unserer Arbeitsorganisation haben wir festgelegt, dass wir uns in den Sitzungswochen abwechseln. Sie wissen auch aus dem Ausschuss, wer Plenumsdienst hat. Das werden wir auch in Zukunft so praktizieren. Die von Herrn Andres getroffene Aussage deckt sich im Kern mit dem, was ich gerade gesagt habe: dass wir das auf Dauer nicht akzeptieren werden. Unsere Position ist, dass wir in diesen Bereichen zu Mindestlöhnen kommen müssen. Wir versuchen, mit den Tarifvertragsparteien Wege zu finden, um in dieser Branche zu einer Regelung zu kommen. Die anderen Fragen sind im Koalitionsausschuss diesbezüglich zu klären.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Damit ist die Fragestunde beendet. Ich rufe nun Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringliche Frage 3 auf Drucksache 16/5236 Das war die Frage der Kollegin Dr. Barbara Höll zu Steuermehreinnahmen. Zur Begründung und Einführung hat als erste Rednerin die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch das Wort. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Fragestunde war die Bundesregierung nicht gewillt, uns Auskunft über die Verwendung der Steuermehreinnahmen zu geben. Insgesamt werden 200 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen für Bund und Länder prognostiziert. Davon sollen ungefähr 90 Milliarden Euro auf den Bund entfallen. Bei dieser Summe hätten wir schon erwartet, dass die Bundesregierung weiß, ob sie - was dringend notwendig wäre - mehr Geld für Bildung, für Krippenplätze oder für öffentliche Investitionen aufwendet. ({0}) - Den Zwischenruf „Fragen Sie doch erst einmal die Steuerschätzer!“ nehme ich gerne auf. Ich rege an, dass Sie innerhalb der Koalition eine Diskussion darüber führen. Denn Herr Steinbrück wird seine private Steuerschätzung nicht ohne Grund vor der der Steuerschätzer verkündet haben. Aber das ist Ihre Sache, meine Damen und Herren. ({1}) Nun wollen von diesem Kuchen der Steuermehreinnahmen alle etwas abbekommen. Sinnvolle VerwendunDr. Gesine Lötzsch gen habe ich gerade benannt: Krippenplätze, Bildung, öffentliche Investitionen. Einige werden etwas abbekommen - dieses Beispiel ist fast dramatisch -: Die Empfänger von Arbeitslosengeld II bekommen vom 1. Juli an 2 Euro mehr - nicht pro Tag, sondern pro Monat. Umgerechnet auf den Tag sind das weniger als 7 Cent. Was kann man mit 7 Cent pro Tag so alles anfangen? Ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger bekommt am Tag 3,33 Euro für Lebensmittel. Ab Juli kann er dann schon 3,40 Euro für Frühstück, Mittag und Abendbrot ausgeben, also 1,13 Euro pro Mahlzeit. Aber man muss die 7 Cent nicht verprassen, man kann sie auch anlegen, zum Beispiel für die Altersvorsorge. Ich will damit sagen, dass die Steuermehreinnahmen in diesem Land insbesondere zur Stärkung der Menschen, denen es sozial schlecht geht, verwendet werden sollten und nicht in eine sinnlose Unternehmensteuerreform investiert werden dürfen. ({2}) Um bei den Zahlen zu bleiben: In Anbetracht dieser sozialen Wohltaten kann man sich über die schlechten Umfragewerte der SPD nur wundern. Doch offensichtlich sind immer mehr Menschen der Meinung, dass diese Politik nicht sozial, sondern zynisch ist. Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren von SPD und CDU, nur empfehlen, in Bremen mit diesen 7 Cent pro Tag für Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu werben. Die Bremerinnen und Bremer werden dann verstehen, dass der Aufschwung an ihnen nicht vorbeigeht. Insgesamt kostet die Erhöhung des Arbeitslosengeldes II um 2 Euro rund 150 Millionen Euro. Das ist - um das ins Verhältnis zu setzen - weit weniger als die 175 Millionen Euro, die der geplante, überdimensionierte Prestigebau des Bundesinnenministeriums kosten soll. Die Bundesregierung setzt also, wenn es um die Geldverteilung geht, eindeutige Prioritäten. Diese Prioritäten halten wir für falsch und unsozial. ({3}) Noch ein letztes Wort zum Arbeitslosengeld II. Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden würden wir eine Erhöhung auf mindestens 420 Euro im Monat als einen ersten Schritt betrachten. Damit wird niemand reich; aber immerhin wäre ein etwas würdevolleres Leben möglich. Diese 420 Euro pro Monat würden für den Bund Mehrausgaben von rund 5,8 Milliarden Euro bedeuten. Doch der Bundesfinanzminister hat für 6 Milliarden Euro eine ganz andere Idee: Diese Summe will er im Zuge der Unternehmensteuerreform den Unternehmen schenken, die will er ihnen hinterherwerfen. Dabei kann wirklich keiner erklären, warum wir in Deutschland die Unternehmensteuern schon wieder senken müssen, wo doch die Wirtschaft brummt wie schon lange nicht mehr. Das Problem ist doch, dass nicht mehr die alte Regel gilt: Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut. Wir erleben einen geteilten Aufschwung: Sagenhafte Gewinne der DAX-Unternehmen und absurde Gehälter für deren Manager auf der einen Seite, eine zunehmende Verarmung von Menschen, die durch die Politik der Bundesregierung von jeder Entwicklung abgekoppelt werden, auf der anderen Seite. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. ({4}) Die Diskussion über die Finanzierung der notwendigen Krippenplätze zeigt, dass der Finanzminister eine Umverteilung von oben nach unten mit allen Mitteln verhindern will. Die zusätzlichen Mittel für Krippenplätze sollen nicht aus Steuermehreinnahmen finanziert werden, nein, der sozialdemokratische Finanzminister will lieber innerhalb des Systems umverteilen und dafür das Kindergeld nicht erhöhen. Ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen, dass sich der Finanzminister nicht zu schade ist, in dieser Diskussion mit falschen Zahlen zu hantieren. Was wird da alles zu den Leistungen für Familien gerechnet! Dabei hat zum Beispiel das Ehegattensplitting mit Leistungen für Familien mit Kindern nichts zu tun. ({5}) Abschließend möchte ich darauf verweisen, dass der Abbau der Neuverschuldung eine wichtige Aufgabe ist, aber kein Selbstzweck. Ein ausgeglichener Haushalt ist kein Zweck an sich. Es wäre wichtig, dass in einem der reichsten Länder der Welt, in Deutschland, keine Armut mehr möglich ist. Vielen Dank. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Barthle von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die offiziellen Zahlen der Steuerschätzung liegen noch nicht einmal auf dem Tisch, da beantragen die Linken bereits eine Debatte darüber, wie sie diese Mehreinnahmen verwenden wollen. ({0}) Ich glaube, das spricht schon für sich und zeigt, dass an dem in der Öffentlichkeit immer wieder vorhandenen Vorurteil, die Linken könnten nicht mit Geld umgehen, ganz offensichtlich doch etwas dran ist. ({1}) Sie tun alles dafür, dieses Vorurteil zu unterfüttern. Ich danke dennoch, dass es diese Aktuelle Stunde gibt; denn so haben wir Gelegenheit, einige Sachverhalte vielleicht doch einmal zu klären. ({2}) Kurz nachdem aus dem Finanzministerium kundgeworden ist, wie die Zahlen in etwa aussehen könnten, gab es Einlassungen des Bundesfinanzministers, die da lauteten - so Peer Steinbrück im Deutschlandfunk -, man dürfe jetzt nicht besoffen werden und die Bodenhaftung verlieren. ({3}) - Wen er damit gemeint hat, weiß ich nicht genau, ({4}) aber bezogen auf die heutige Debatte könnte es sein, dass es ein bestimmter Teil dieses Hauses war. ({5}) Nun will ich den Linken nicht vorwerfen, dass sie die Bodenhaftung verloren haben. Wenn man dies nämlich behauptet, dann würde das voraussetzen, dass sie überhaupt welche hatten. Diesen Vorwurf will ich Ihnen also nicht machen. Ich will auch keine weiteren Schlussfolgerungen aus diesem Zitat ziehen. Das verbietet der Anstand. Ich kann nur vermuten, dass die Tatsache, dass Sie heute über dieses Thema diskutieren wollen, ein stückweit Ihrem Mantra geschuldet ist, das Sie immer vor sich hertragen. Dieses Mantra lautet: Nehmt den Reichen und gebt den Armen. ({6}) So flach und so platt darf man nicht an jedes politische Sachthema herangehen. Das ist grundverkehrt. Gerade bei diesem Thema ist das grottenfalsch, weil kontraproduktiv. ({7}) Warum? Das will ich Ihnen mit einem Zitat des ehemaligen Finanzministers, Herrn Eichel, belegen, der zwar noch unter uns weilt, aber nicht mehr im Amt ist. Wenn ein Unionspolitiker einen SPD-Finanzminister zitiert, dann hat das auch eine Bedeutung. Da heißt es: Nur ein finanziell gesunder Staat kann ein handlungsfähiger Staat sein. Diesen handlungsfähigen, aktivierenden Staat benötigen gerade die Bedürftigen in dieser Gesellschaft. Haushaltssanierung ist also ein Gebot der Gerechtigkeit. ({8}) Nur Reiche können sich einen hoch verschuldeten und damit handlungsschwachen Staat leisten. ({9}) Ein eng begrenzter Ausgabenkurs, niedrige öffentliche Defizite und eine erfolgreiche Rückführung der Zinszahlungsverpflichtungen sind die notwendige Voraussetzung für eine dauerhafte Rückführung der Steuer- und Abgabenlast und mehr Generationengerechtigkeit. Schulden von heute sind Steuern und Abgaben von morgen. Ich könnte noch weiter zitieren. Diese lesenswerte Rede wurde im Jahre 2000 hier in Berlin an der Humboldt-Universität gehalten. Diese Sätze kann man nur unterstreichen. Ich empfehle jedem Finanzminister, sich diese Rede unter das Kopfkissen zu legen und immer wieder nachzulesen. Was lernen wir daraus? Erstens lernen wir daraus, dass es nichts nutzt, wenn man sich nur die richtigen Zielsetzungen gibt. Man muss auch richtig handeln. Es ist also wichtig, sich die richtigen Ziele vorzunehmen und die richtigen Sätze zu formulieren. Die daraus resultierenden Handlungen müssen aber genauso richtig sein. Deshalb sind wir jetzt aufgerufen, entsprechend vorsichtig mit eventuellen Steuermehreinnahmen umzugehen. Zweitens lernen wir daraus: Diese Rede ist ein typisches Beispiel dafür, wie sehr man geneigt ist, in Zeiten des Aufschwungs Fehleinschätzungen auf den Leim zu gehen. Wer die Situation nämlich verkennt und in guten Zeiten das neue, frisch hereinkommende Geld sofort verjubelt, der steht in schlechten Zeiten mit leeren Taschen da. Das rächt sich bitterlich. Allein der Bund hat immer noch 950 Milliarden Euro Schulden. Gemäß der mittelfristigen Finanzplanung nehmen wir Jahr für Jahr neue Schulden auf. Für diese Schulden der Vergangenheit bezahlen wir bereits jetzt jedes Jahr 40 Milliarden Euro an Zinsen. Bis zum Ende dieser Legislaturperiode wird das ein Betrag von 44 Milliarden Euro sein. 4 Milliarden Euro mehr an Zinsen und nicht für die Tilgung zahlen wir allein in dieser Periode. Bei einem normalen privaten Haushalt, durch den ein Haus abbezahlt wird, addieren sich Zins- und Tilgungszahlungen. Hier sind es nur Zinsen ohne Tilgung. Das heißt, wir bezahlen pro Monat 3,5 Milliarden Euro nur für Zinsen der Vergangenheit. Das entspricht in etwa dem Betrag, den die Familienministerin gerne hätte - nicht pro Monat, sondern insgesamt -, um die Kinderbetreuung zu verbessern. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Insofern verbieten sich vorschnelle Ausgabefantasien per se. Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zur Vergangenheit. Der Saldo der Vergangenheit zeigt, dass wir in den vergangenen Jahren mehr Geld für Zinszahlungen ausgegeben als neue Schulden aufgenommen haben. ({10}) Man erhält also durch neue Schulden auch keine neuen Spielräume für Politik; vielmehr muss man weiter Schulden machen, um die alten und neuen Zinsen zu bezahlen. Das ist eine widersinnige Politik, die mit der Union bzw. der Koalition nicht zu machen ist. Wir stehen für Konsolidierung; das ist vernünftig. Danke. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Jürgen Koppelin von der FDP-Fraktion. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war zunächst etwas in Sorge, als die Linken eine Aktuelle Stunde zum Thema „Steuerliche Mehreinnahmen zur Entlastung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen und kleinen und mittleren Betrieben“ beantragt haben. Ich habe schon befürchtet, die Linken wollten jetzt im Programm der FDP wildern und bei uns abschreiben. Gott sei Dank habe ich bei den Ausführungen der Kollegin Lötzsch schnell gemerkt, dass von dem, was Sie beantragt haben, nicht mehr die Rede war; Sie wollen vielmehr neue Wohltaten verteilen. Dafür ist allerdings kein Geld da. Wir sollten uns insgesamt freuen, dass die Konjunktur läuft und Steuermehreinnahmen erzielt werden. Wir haben als FDP bzw. als Opposition allerdings auch festzustellen, dass die Bundesregierung zu der jetzigen Konjunkturlage nicht einen einzigen Beitrag geleistet hat. ({0}) Im Gegenteil: Sie haben die Konjunktur mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer noch gebremst; Sie haben bei den Bürgern noch weiter abkassiert. Die Steuereinnahmen sprudeln jetzt. Trotzdem haben Sie kein Problem damit, weiter bei den Bürgern abzukassieren. Für uns ist entscheidend - das sollte die Lehre aus der gut laufenden Konjunktur sein -, dass die Regierung alles unternimmt, um die Konjunktur zu stützen und weiter zu verbessern. Doch auch an dieser Stelle sind keine Maßnahmen der Bundesregierung zu verzeichnen. Wir haben aber in den Haushaltsberatungen immer wieder festgestellt: Je besser die Konjunktur läuft - dafür muss man allerdings etwas tun -, desto höher sind die Steuereinnahmen; dann muss der Bundesfinanzminister nicht mehr beim Bürger abkassieren. ({1}) Nun ist festzustellen, dass das Koalitionsprogramm zur Haushaltssanierung längst im Papierkorb gelandet ist; denn von Schuldenabbau ist nicht mehr die Rede. Das hat auch der Beitrag eben gezeigt. Es gibt nur noch Begehrlichkeiten. Wenn der Bundesfinanzminister vorab mit großem Hurra verkündet, welche Steuereinnahmen zu erwarten sind, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Kanzlerin wie bei der Gesundheitsreform plötzlich munter Gelder verteilt, die sie noch gar nicht hat. Wer so Ausgabenpolitik und Haushaltspolitik betreibt, der muss sich nicht über Begehrlichkeiten der Bundesministerien wundern und diese kritisieren. Die Haushaltsrisiken dauern aber nach wie vor an. Allein für den nächsten Bundeshaushalt belaufen sie sich auf weit über zehn Milliarden Euro. Ich darf bei dieser Gelegenheit noch einmal darauf hinweisen, dass die Koalition eine Gesundheitsreform verabschiedet hat, die zu einer Belastung von 14 Milliarden Euro im Jahr führt, von denen sie noch nicht weiß, wie sie sie finanzieren soll. ({2}) Von Haushaltssanierung kann insofern bei Ihnen keine Rede sein. Ich will noch eines deutlich machen. Nach Angaben des Bundesfinanzministers sind für den Bund bis 2011 Mehreinnahmen in Höhe von 100 Milliarden Euro zu erwarten. Ich weise aber darauf hin, dass wir bis 2011 auch 200 Milliarden Euro Zinsen zahlen müssen. Insofern muss man doch alles unternehmen, um die Schulden des Bundes abzubauen, die wir alle zu verantworten haben ({3}) und die wir nicht den kommenden Generationen übergeben können. ({4}) Die Koalition streitet zurzeit darüber, wer in welchem Ministerium das meiste ausgeben kann, und macht sich gegenseitig Vorwürfe. In diesem Zusammenhang würde ich gerne etwas mehr zu einem Zitat erfahren, das ich heute mit großem Genuss gelesen habe. Herr Kauder erklärt: Während wir uns bemühen, den Haushalt zu konsolidieren, - er meint die Union wird nebenan mit vollen Händen Geld ausgegeben. Kauder sagte nach Teilnehmerangaben in der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion, die SPD solle nicht wieder in alte rot-grüne Verhaltensmuster zurückfallen. Vielleicht kann der Kollege Carsten Schneider, Obmann der SPD im Haushaltsausschuss, der nach mir sprechen wird, etwas zu diesen Äußerungen sagen. Aus der Sicht der freien Demokraten gibt es in einigen Punkten dringenden Handlungsbedarf. Erstens müssen Maßnahmen für den Arbeitsmarkt ergriffen werden, damit endlich mehr Menschen - auch Langzeitarbeitslose - in Arbeit kommen. Das wäre auch positiv für den Bundesfinanzminister und würde die öffentlichen Kassen entlasten. ({5}) Zweitens müssen mit den Steuermehreinnahmen die Schulden des Bundes abgebaut werden. Da gibt es kein Vertun. Ich habe bereits darauf hingewiesen, wie hoch die Zinslast ist: 40 Milliarden Euro. Davon müssen wir herunterkommen. Das sind Verpflichtungen, die wir zu verantworten haben. Das dürfen wir nicht auf kommende Generationen schieben. Drittens müssen endlich diejenigen entlastet werden, die Steuern zahlen. Es sind diejenigen im Mittelstandsbereich, die am meisten durch die hohen Steuern und Abgaben belastet sind. Ich finde, sie haben es endlich verdient, entlastet zu werden. Im Übrigen stützte es den Aufschwung ab, wenn es hier eine Entlastung gäbe. ({6}) Was die Koalition völlig vergisst, ist die Ausgabenseite des Haushalts. Ich wäre sehr dankbar, wenn sich die Koalition bei den kommenden Haushaltsberatungen einmal die Ausgabenseite anschaute. Es gehört sich, zu sehen, dass manches Zierpflänzchen auf der Ausgabenseite ausgerissen werden muss, weil wir es uns nicht mehr leisten können, dafür Steuergelder auszugeben. Die Steuerzahler sind so sehr belastet, dass wir auf der Ausgabenseite etwas tun müssen, um sie zu entlasten. Dazu war die Koalition bislang nicht in der Lage. Der Haushalt 2007 sieht im Vergleich zum Haushalt 2006 sogar Mehrausgaben in Höhe von 9 Milliarden Euro vor. Ich sehe, dass Sie auch für den kommenden Haushalt weitere Ausgaben planen. Ziel muss aber sein - das ist machbar -, bereits im kommenden Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Der Bundesbankpräsident hat darauf hingewiesen. Auch er sagt, das sei möglich. Wir wollen keine Schulden mehr aufnehmen - das ist das Entscheidende - und dann Schulden abbauen, um die Bürger zu entlasten. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Carsten Schneider von der SPD-Fraktion. ({0})

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die anberaumte Aktuelle Stunde steht unter dem Eindruck der Steuerschätzung, die diese Woche stattfindet. Der Bundesfinanzminister hat bereits darauf hingewiesen, dass sich die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen sehr gut entwickeln. Wir haben zudem sowohl 2006 als auch 2007 ein Wachstum von deutlich über 2 Prozent zu verzeichnen. Das soll sich auch in den Folgejahren fortsetzen. Herr Kollege Koppelin, Sie haben gesagt, das sei kein Verdienst dieser Regierung. Ich meine hingegen, dass dies auch ein Verdienst dieser Regierung ist, aber auch der Vorgängerregierung. Ich weiß nicht, ob Sie gemeint haben, dass es das Verdienst der Vorgängerregierung gewesen sei. Aber klar ist, dass die finanzpolitischen Rahmenbedingungen, die wir unter anderem mit dem 25-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm gesetzt haben, Vertrauen geschaffen und zu einer sehr guten, nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik geführt haben. Der Bundesregierung ein Verdienst daran gänzlich abzusprechen, fände ich ein wenig keck. Aber ich bin mir sicher, dass Sie das noch einsehen werden. ({0}) Sie wollen die Schulden reduzieren. Hier bin ich auf Ihrer Seite. Der Bund ist aber noch lange nicht in der Lage - das hat der Kollege Barthle eindrucksvoll beschrieben -, die Schulden zu reduzieren. Im Gegenteil: Eine Tilgung ist bisher nicht vorgesehen. ({1}) Seit 1969 macht der Bund Schulden. Derzeit geht er auf 1 Billion Euro Schulden zu. Die Einschränkungen, die sich aus 40 Milliarden Euro Zinsen jährlich - bei steigenden Zinssätzen - ergeben, sind eindrucksvoll. Daher kann unser Ziel nur sein, die Mittel, die wir nun konjunkturell bedingt zusätzlich einnehmen - jede gute konjunkturelle Phase geht auch einmal zu Ende; hoffen wir, dass diese sehr lange dauert -, zu nutzen, die Nettokreditaufnahme, die in diesem Jahr noch bei 19 Milliarden Euro liegt, zu reduzieren. ({2}) Nun kann man darüber streiten, wie schnell man die Nettokreditaufnahme herunterfahren soll, wie schnell man die Null erreichen soll. Sehen Sie es mir als Haushälter nach, dass ich sie gerne sehr schnell hätte. Es gibt hier sicherlich konkurrierende Interessen. Aber es ist möglich, im nächsten Finanzplanungszeitraum - wenn wir uns sehr anstrengen, sogar bis 2009 - unter bestimmten Bedingungen die Milliarden, die wir der gesetzlichen Krankenversicherung zuführen, im Haushaltsentwurf 2008 gegenzufinanzieren. Herr Koppelin, Sie haben Herrn Kauder zitiert. Sehen Sie mir nach, dass ich nicht auch noch die Sitzungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion besuchen kann. ({3}) Klar ist, dass jeder Minister im Rahmen der Ressortanmeldung für die kommenden Jahre sehr viel machen will. Im Endeffekt muss man alles miteinander abstimmen. Dabei hat der Abbau der Neuverschuldung ganz klar die höchste Priorität. Für diese Große Koalition, die, wie viele sagen, keine Liebesheirat war ({4}) - wir haben uns doch schon recht lieb gewonnen, aber es gibt natürlich immer noch unterschiedliche Auffassungen -, wäre es auch im Sinne einer nachträglichen Legitimation und für eine spätere Sichtweise in Bezug auf die Qualität der Staatsausgaben in den nächsten Jahrzehnten ein sehr großer Erfolg, wenn es uns gelänge, hier den Turnaround zu schaffen. Wir werden bereits 2008, so vermute ich - zumindest sagt das der Bundesbankpräsident; ich denke, damit geht er nicht ganz fehl -, für den Gesamtstaat, also für Bund, Länder und Gemeinden, eine Neuverschuldung von nahezu null haben. Das heißt, aufgrund der sehr guten Entwicklung der Steuereinnahmen werden auch die Länder und vor allen Dingen die Kommunen, die jetzt schon - auch durch die Politik dieser Bundesregierung - Überschüsse haben, in der Lage sein, ihre Kreditaufnahme zu reduzieren und auf null zu bringen. Meines Erachtens ist das kein Selbstzweck, so wie Staat an sich kein Selbstzweck ist. Frau Lötzsch, ich glaube, Sie wollten neben den hier von Ihnen genannten Ausgaben auch eine Steuersenkung haben. Beides gleichzeitig mit der Reduzierung der Schulden - aber das wollten Sie ja auch nicht - geht nun gar nicht. Carsten Schneider ({5}) ({6}) Da würde mich interessieren, wie Sie das machen wollen. Ganz klar ist allerdings Folgendes - und das sage ich Ihnen gerade als Sozialdemokrat -: Derjenige, der einen Staat haben will, der auch für die Schwachen da ist - die Zitate, die Herr Barthle aus der Rede von Hans Eichel gebracht hat, sind vollkommen richtig und nur zu unterstreichen -, muss dafür sorgen, dass die Einnahmen und die Ausgaben in Einklang gebracht werden. ({7}) Da haben Sie eine Glaubwürdigkeitslücke. Ich bin mir sicher, dass der Bundesfinanzminister gemeinsam mit der Kanzlerin einen sehr guten Entwurf für das Jahr 2008 vorlegen wird. Vielen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk von Bündnis 90/Die Grünen.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich kann heute nur feststellen: Der Finanzminister muss endlich seine Strategie ändern, und das ist gut. Er hat immer gesagt, er werde einen Teufel tun und nicht sagen, wann der Bundeshaushalt ausgeglichen sein werde. Angesichts der Steuerschätzung, deren Ergebnis er nun schon selber ein bisschen vorweggenommen hat, wird er damit nicht mehr zurechtkommen. Meines Erachtens kann der Bundeshaushalt am Ende dieser Legislaturperiode, also 2009, ausgeglichen sein; alles andere wäre wirklich eine schwache Leistung. Diese Auffassung will ich Ihnen auch begründen. Ich hoffe, dass sich insbesondere die Große Koalition, die hier die Mehrheit hat, dem dann auch stellt. ({0}) Aber bevor ich von dem ausgeglichenen Haushalt rede, möchte ich noch einmal deutlich machen, warum das nicht nur so dahergeplaudert ist. Ich gönne auch als Oppositionsabgeordnete insofern der Regierung die guten Daten, als dies der Gesellschaft zugutekommt. Aber wenn wir einmal beurteilen, was ein ausgeglichener Haushalt und das Hinsteuern darauf bedeuten, dann müssen wir heute zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in ziemlich guten Jahren befinden - das gilt für 2006 und 2007; für 2008 und 2009 wird Gutes vorausgesagt -, aber schon ein Dutzend europäischer Nachbarländer bereits Überschüsse erwirtschaften. ({1}) Wir hingegen brauchen vier fette Jahre, wenn wir alles richtig machen, damit wir überhaupt auf die Nulllinie kommen. ({2}) Deswegen sage ich Ihnen: Wenn Sie den Haushalt für 2008 vorlegen, dann brauchen Sie, wenn man damit zufrieden sein soll, die Perspektive, dass im Jahre 2008 nur noch eine geringe einstellige Milliardennettokreditaufnahme erfolgt und dass der Haushalt 2009 ausgeglichen sein muss. Ich sage das vor folgendem Hintergrund. Wenn ich Carsten Schneider richtig verstanden habe, geht es jetzt darum, mit dem Finanzminister auszuhandeln, ob 15 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme im nächsten Jahr ein ausreichendes Ziel ist oder nicht. Bei Steuermehreinnahmen von 90 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren wäre dies lächerlich und ein Armutszeugnis; Sie wissen das. 15 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme im nächsten Jahr trotz eventueller Privatisierungseinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich bedeuteten immer noch eine strukturelle Lücke von 25 Milliarden Euro. Sie sind noch nicht auf dem richtigen Weg. Sie haben sehr günstige Bedingungen, aber Sie sind bisher nicht zielstrebig genug, zumindest Herr Steinbrück nicht. ({3}) Ich will das einmal transparent machen. Wir Grünen haben immer gesagt, dass es Quatsch ist, in diesem Jahr 19,5 Milliarden Euro Schulden zu machen, und dass man mehr als 13 Milliarden Euro Schulden gar nicht aufzunehmen braucht. Das war vor der Steuerschätzung. Sie wissen selber, dass Sie mit den aktuellen steuerlichen Mehreinnahmen in diesem Jahr locker an die 10-Milliarden-Grenze herankommen können. Freundlicherweise rechne ich schon einige Mehrbelastungen durch den Arbeitsmarkt ein. Das heißt, dieses Jahr wird die Nettokreditaufnahme tatsächlich bei 10 bis 12 Milliarden Euro liegen. Man könnte die Summe bei einiger Anstrengung schon in diesem Jahr auf einen einstelligen Milliardenbetrag drücken. Das wissen Sie. Was muss denn dann 2008 passieren? Dann muss die Zielsetzung für 2008 besser als das Ergebnis von 2007 sein. Sonst sind Sie in den berühmten fetten Jahren auf einem falschen Kurs. Wir werden die Große Koalition ab Juni daran messen, ob sie diese gar nicht ehrgeizigen, sondern selbstverständlichen Konsolidierungsziele stringent verfolgt oder nicht. ({4}) Ich möchte noch ergänzen, dass man sich natürlich auch fragen muss, warum wir eine so wilde Diskussion über die Verteilung dieser Steuermehreinnahmen haben, anstatt sie zur Konsolidierung zu verwenden. Das haben sich in der Großen Koalition namentlich Herr Steinbrück und Frau Merkel an den Hut zu stecken. Sie haben nie den Konsolidierungsbedarf für die nächsten Jahre formuliert. Sie haben in der Finanzplanung einfach 60 bis 80 Milliarden Euro - 80 Milliarden Euro hat der Finanzminister genannt - als Nettokreditaufnahme, also neue Schulden hineingeschrieben. Sie haben sich letztes Jahr geweigert, einen Schuldenabbaupfad zu beschreiben. ({5}) Wenn man das macht, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass die anderen Fachminister bei Steuermehreinnahmen denken, ihr Job sei es, diese oder jene Steuermilliarde zu verlangen. Die Strategie, keine langfristige Konsolidierungslinie beschrieben zu haben, hat erst zu diesem Wirrwarr geführt. Ich will Ihnen eines zum Abschluss sagen: Auch wir Grünen wollen inhaltliche Prioritäten setzen. Wir ruhen uns nicht darauf aus, nur Konsolidierung zu betreiben. Für uns steht es außer Frage, dass es Kinderbetreuungsplätze in dem Ausmaß geben muss, wie es Frau von der Leyen mittlerweile auch erkannt hat. Wir können die Kinderbetreuung durch eine Veränderung des Ehegattensplittings gegenfinanzieren, wir können sie verfassungsfest machen, und wir können dafür sorgen, dass nicht nur die Gebäude für Kindergärten gebaut, sondern auch die Betriebskosten finanziert werden können. ({6}) Dafür brauchen wir Grüne nicht diesen steuerlichen Segen. Wir halten auch nichts von der aktuellen Streitrunde, die es gerade zwischen Herrn Steinbrück und Frau von der Leyen gibt. Wir haben ein gegenfinanziertes Konzept, und wir können deshalb die Steuermehreinnahmen in die Konsolidierung stecken, also dahin, wohin sie gehören. Das ist das Mindeste, was auch Sie leisten müssten. Ich danke Ihnen. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus-Peter Willsch von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich bei diesen Diskussionen immer wieder zwicken, wenn wir wirtschaftspolitische Ratschläge von denen bekommen, die für das DDR-Regime - hinter uns verlief die Mauer ({0}) Verantwortung trugen bzw. die die direkten Nachfolger sind und gezeigt haben, wie man eine Volkswirtschaft erfolgreich zugrunde richtet. ({1}) Sie kommen jetzt mit Ratschlägen. ({2}) Das ist ein bemerkenswerter Vorgang. Ich will aber durchaus auf das, was Sie, Frau Lötzsch, gesagt haben, eingehen. Frau Lötzsch, Sie beantragen, dass wir das Einkommen von Arbeitslosen erhöhen. Das halten wir für den falschen Weg. Wir sorgen mit unserer Politik dafür, dass Menschen in Arbeit kommen und dadurch ihr Brot verdienen. Das ist der Weg, den wir einschlagen, und dafür stellen wir die Rahmenbedingungen. ({3}) Wir sind nicht für das Modell, dass wir möglichst viele Menschen zu Kostgängern des Staates machen, sondern wir wollen, dass freie und selbstbestimmte Menschen am Arbeitsmarkt ihr Einkommen erzielen und davon leben und ihre Familien ernähren können. ({4}) Um hierfür die Weichen zu stellen, werden wir uns daranmachen, die Unternehmensteuerreform durch dieses Parlament und damit in trockene Tücher zu bringen; denn es ist wichtig für den Standort Deutschland, dass hier investiert wird. Wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass am Standort Deutschland Arbeit geschaffen und diese nicht verlagert wird. Dafür ist es erforderlich, dass wir die nominalen Sätze der Unternehmensteuer senken und eine gewisse Entlastung bringen. Man kann darauf verweisen, dass nicht alle Mitglieder der Fraktion Die Linke in der SED waren; vielmehr seien auch neue hinzugekommen. Wenn man sich umschaut, stellt man fest, dass einer dabei ist - man muss das immer wieder erwähnen, weil es sonst in Vergessenheit gerät -, der selbst Finanzminister war. ({5}) Nach langen Jahren in der Opposition hatte er endlich eine machtvolle Position inne. Ich meine Ihren Kopiloten Lafontaine. Kaum war er im Amt, hat er „ordentlich einen draufgemacht“ und ein paar Milliarden Euro ausgegeben. Nach fünf Monaten ist er dann von Bord gegangen; er war kläglich gescheitert. Die neuen Partner, die Sie sich ausgesucht haben, sind schon kluge Ratgeber. ({6}) Ich will den Blick in die Vergangenheit richten und auf eine Zeit zu sprechen kommen, an die ich angesichts der Diskussionen in diesem Hause und in der Öffentlichkeit immer wieder denken muss. In der „taz“ - das ist nicht mein bevorzugtes Medium - vom 10. November 2000 steht - ich zitiere -: Kommenden Mittwoch wird die neue offizielle Steuerschätzung Mehreinnahmen in Milliardenhöhe verkünden. Einige Politiker in der Koalition sind nicht davon überzeugt, dass weiter im bisherigen Tempo gespart werden muss. Eichel gilt so manchem bloß noch als Sparer aus Prinzip. Auch Eichel selbst wird zitiert: „Die nächste Sparrunde wird schon schwieriger.“ Das Ziel wird außerdem folgendermaßen beschrieben: „Ab 2007 soll ein Überschuss in Höhe von 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet werden, um damit die Schulden abzubauen.“ ({7}) - Das war in diesem Jahrhundert. Frau Hajduk, Sie wissen, dass diesen Appellen nicht gefolgt worden ist. Dadurch sind wir dahin gekommen, wohin wir gekommen sind: Wir Finanzpolitiker haben eine desaströse Situation vorgefunden. Im Staatshaushalt gab es keine Überschüsse; vielmehr mussten wir uns mit Defizitquoten herumschlagen. Dieses Defizit war von 3,5 Prozent über 3,7 Prozent auf 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen. ({8}) Jetzt - ich muss sagen: schneller, als ich erhofft und erwartet habe - kommen wir dank der Unterstützung durch eine gute Konjunktur in eine Phase, die es uns ermöglicht, entschieden daranzugehen, die Schulden abzubauen und diese unerträgliche Last, die wir unseren Kindern aufgebürdet haben, perspektivisch zu verringern. Frau Lötzsch, Sie haben gesagt, ein ausgeglichener Haushalt sei kein Selbstzweck. Sie müssen das einfach einmal auf die häuslichen Verhältnisse kleiner Leute herunterbrechen: Wenn man nicht in guten Zeiten etwas beiseitelegt, sondern sich am obersten Limit bewegt, dann fällt man in der erstbesten schwierigen finanziellen Lage um. Die jetzige konjunkturelle Situation ist nicht gottgegeben und hält auch nicht ewig an; vielmehr gibt es immer wieder konjunkturelle Berge und Täler. Das macht deutlich, dass wir jetzt die Aufgabe bewältigen müssen, die Staatsausgaben entschieden zurückzufahren, die Neuverschuldung auf null zu reduzieren und darüber hinaus die in 30 Jahren aufgetürmten Schulden abzutragen. ({9}) Diesen Weg gehen wir weiter. Wir werden Ihren Schalmeienklängen nicht folgen. Wir halten es für falsch, Politik nach dem Motto „Freibier für alle“ zu machen. Wir wollen die Menschen ertüchtigen. Wir wollen den Arbeitsmarkt dahin gehend unterstützen, dass mehr Menschen in Arbeit kommen. 860 000 Menschen, die vor einem Jahr arbeitslos waren, haben Arbeit gefunden. Das ist ein gutes Zeichen. Diesen Trend wollen wir fortsetzen. Wir wollen weiter daran arbeiten, dass unser Land zukunftsfähig und fit für eventuell wieder auf uns zukommende Krisen wird. Wenn wir jetzt, in diesen konjunkturell guten Zeiten, nicht sparen, dann wird es uns nie gelingen und dann haben wir unser Ziel verfehlt. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Barbara Höll von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion, die wir bisher erleben durften, ist schon eigentümlich. Es wird hier mit Milliarden jongliert. Man betreibt ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger Konsolidierung. Meine Kollegin Gesine Lötzsch war die Einzige, die wirklich darüber geredet hat, worum es geht: um die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Es ist Fakt: Wir werden einen unwahrscheinlichen Steuerzuwachs haben; Mehreinnahmen von bis zu 200 Milliarden Euro bis 2010 werden vorausgesagt. ({0}) Aber fragen Sie doch einmal: Woher kommt denn dieses Geld? Es kommt aus den Taschen der Bürgerinnen und Bürger - 3 Prozentpunkte Mehrwertsteuererhöhung. ({1}) Tun Sie doch nicht so, als ob das irgendwelche Geschenke wären! Die zweite große Quelle der Steuermehreinnahmen ist die Lohnsteuer. ({2}) Die dritte Quelle sind die konjunkturellen Belebungen. Obwohl ich ein gewisses Verständnis für Herrn Minister Steinbrück habe, finde ich es schon etwas eigentümlich, wenn er jetzt vor Begehrlichkeiten warnt. Ich habe wirklich Verständnis; denn er hat sich selber ein riesengroßes Überraschungsei gelegt: eine vermurkste, verkorkste Unternehmensteuerreform. Eines wird diese Reform aber auf alle Fälle bewirken: eine große Entlastung für große Unternehmen, für die Vermögenden in diesem Lande. ({3}) Sie sprechen heute davon, dass es durch die Unternehmensteuerreform zu Steuereinbußen von wahrscheinlich 6 Milliarden Euro kommen wird. Die Anhörungen im Finanzausschuss haben aber eindeutig gezeigt, dass das Wunschdenken ist: Wir müssen mit 10 bis 13 Milliarden Euro Steuerverlust rechnen. Für diese Steuersenkung haben Sie das Geld, und das in der Situation, dass Deutschland Exportweltmeister ist. ({4}) Wir hatten im vergangenen Jahr eine Steigerung der Exportquoten um 11 Prozent; für dieses Jahr werden mindestens 6 Prozent vorausgesagt. Aber unsere Wettbewerbsfähigkeit ist ja bedroht, und deshalb müssen wir wieder den großen Unternehmen Steuergeschenke hinterherschmeißen. Ich sage Ihnen: Die Linksfraktion ist für eine gute wirtschaftliche Entwicklung, ({5}) und wir sind für Steuersenkungen. Wir waren nicht nur für die Beibehaltung des Mehrwertsteuersatzes von 16 Prozent, also gegen Ihre Steuererhöhung, ({6}) wir sind auch für Steuersenkungen, um eine gute wirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten; ({7}) denn für eine gute wirtschaftliche Entwicklung muss sich die Bundesrepublik mit ihrer Wirtschaft aus der absoluten Exportabhängigkeit befreien. Sie wissen um die Risiken, die die Entwicklung in den USA beinhaltet. Wir brauchen auf alle Fälle eine Stärkung der Binnennachfrage. ({8}) Deshalb begrüßen wir als Linksfraktion ausdrücklich den Tarifabschluss der IG Metall, ({9}) der aber auch nicht vom Himmel gefallen ist, sondern der nur durch das entschlossene Handeln der in der Metallindustrie beschäftigten Frauen und Männer erreicht wurde. Wir fordern deshalb zur Stärkung der Binnennachfrage - und weil man eben von Arbeit leben können muss - die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Herr Minister Steinbrück hat am Wochenende im Deutschlandradio ausgeführt - ich zitiere -: Steuereinnahmen eröffnen Gestaltungsspielräume. Wir müssen gestalten, sonst verlieren wir Zuspruch und Vertrauen. Da kann ich ihm nur zustimmen. Sie haben jetzt die Chance, sofort die Kürzung der Entfernungspauschale zurückzunehmen und damit vielleicht auch noch ganz knapp einer Riesenklatsche durch das Bundesverfassungsgericht zu entgehen. ({10}) Sie haben jetzt auch die Chance, an den Einkommensteuertarif zu gehen. Wir werden Ihnen einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Der Mittelstandsbauch muss weg. Wir brauchen einen linear-progressiv gestalteten Einkommensteuertarif, der nach unseren Vorstellungen dann auch eine Anhebung des Spitzensteuersatzes beinhaltet. Wir wollen nicht so ein bisschen Reichensteuer, wie die SPD es durchgesetzt hat, sondern die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 50 Prozent. Damit hätten wir eine reale Steuersenkung, aber nicht für die großen Unternehmen, sondern für die abhängig beschäftigten Frauen und Männer in diesem Land. ({11}) Wir hätten dann auch eine Steuersenkung für die vielen kleinen Unternehmer und Unternehmerinnen, die als Personenunternehmen in diesem Lande viele Arbeitsplätze schaffen und noch sehr gut dastehen, was die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen betrifft. Wir fordern auch - das sage ich Ihnen in aller Klarheit -, dass man endlich an die Berechnung des soziokulturellen Existenzminimums realitätsnah herangeht, so wie es sein muss. Wir hatten vorhin in der Fragestunde des Bundestages die Möglichkeit, den Parlamentarischen Staatssekretär Storm dazu zu hören. Ich finde es nicht nur abenteuerlich, grotesk, eigentlich zynisch, wenn er begründet, dass man aufgrund der konjunkturellen Entwicklung im Rahmen der Haushaltsberatungen für 2008 über eine BAföG-Erhöhung reden kann. Was ist denn BAföG? Das ist doch kein Spielball, den wir hier benutzen können, so wie Geld in der Kasse ist. Das ist das Existenzminimum, das sicherstellen soll, dass junge Menschen, deren Eltern sich die finanzielle Unterstützung nicht leisten können, überhaupt studieren können. Brot, Butter und die Miete kosten etwas; das hängt doch nicht davon ab, ob die Weltkonjunktur läuft oder nicht. Ihr Bericht zum Existenzminimum - den wir zum Glück immer bekommen - ist wirklich schöngerechnet bis zum Gehtnichtmehr. Es ist notwendig - das sagen Ihnen alle Verbände sowie viele ernsthafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler -, das Existenzminimum neu und realitätsnah zu ermitteln. Das betrifft auch das Kindergeld. Es ist doch einfach nur widersinnig, wenn Herr Steinbrück immer wieder die Überlegung in die Öffentlichkeit trägt, eine Verbesserung der Kinderbetreuungsinfrastruktur durch eine Nichterhöhung des Kindergeldes vorzunehmen. Kindergeld ist vom Ansatz her das steuerfrei zu stellende Existenzminimum von Kindern. Da kann man doch nicht einfach sagen, wir lassen das mit der Erhöhung um 10 Euro und bauen stattdessen mehr Kinderkrippen. Nein, dieser Betrag steht den Eltern zu; er darf nicht zum Spielball des Finanzministers werden. ({12}) Wir schlagen Ihnen folgendes Vorgehen vor: Machen Sie da Steuersenkungen, wo es notwendig ist! Beseitigen wir gemeinsam den Mittelstandsbauch! Dafür haben wir jetzt auch kurzfristig die Möglichkeiten. Wir können dadurch die Binnennachfrage stärken. Dann sollten Sie sich daranmachen - das ist aus unserer Sicht wirklich notwendig -, die Schieflage in der Steuererhebung zu beseitigen, damit endlich auch wieder Vermögende und Besitzende in diesem Land entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zum Steuerzahlen herangezogen werden. Sprich: Wir brauchen eine wirkliche Reform der Erbschaftsbesteuerung und die Wiedereinführung der VerDr. Barbara Höll mögensteuer. Bei der Tarifgestaltung mit einem Spitzensatz von 50 Prozent wird natürlich nicht - dafür stehen wir - die Verkäuferin oder der Facharbeiter betroffen sein. Diese wollen wir entlasten. Mehr belasten wollen wir die Manager, ({13}) die ja selbst laut „Handelsblatt“ keinen richtigen Anteil an dem konjunkturellen Aufschwung haben, da sie für sehr viel Geld sehr schlecht arbeiten. Danke schön. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Ortwin Runde von der SPD-Fraktion. ({0})

Ortwin Runde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die finanzpolitischen Debatten der letzten zwei Jahre Revue passieren lässt, kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ich denke da zum Beispiel an die FDP. Wer von Ihnen hätte erwartet, dass ein solcher Aufschwung der deutschen Wirtschaft und ein solcher Wachstumsschub zustande kommen, ohne dass ein einziger Vorschlag der FDP bedacht worden ist? ({0}) Wer hätte das wirklich für möglich gehalten? Das sollte einen doch nachdenklich stimmen: ein Aufschwung ohne einen einzigen Impuls vonseiten der FDP, ({1}) ohne Kündigungsschutzabbau, ohne zusätzliche Deregulierung des Arbeitsmarktes, ohne ein riesiges Unternehmensteuersenkungsprogramm in einer Größenordnung von 20 bis 30 Milliarden Euro. ({2}) Das ist doch ganz erstaunlich: Der Aufschwung ist da der stärkste Wachstumsschub seit der deutschen Einheit und damit einhergehend sprudelnde Steuermehreinnahmen. Wer von denen, die in der PDS-Nachfolge stehen, hätte erwartet, dass man mit wachstumsorientierter Haushaltspolitik und mit solider Finanzpolitik eine Politik machen kann, die ohne zusätzliche steuerliche Anschübe im Portemonnaie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ankommt? Die Verbesserung der Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Sie hier zum Thema gemacht haben, wird doch durch Tarifabschlüsse realisiert. Der im Baubereich ist zwar noch umstritten, weil sich die Arbeitgeber streiten und noch zögern, aber der im Metallbereich mit 4,1 Prozent ist doch sehr erfreulich. Das ist die richtige Form der Teilhabe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an unserem Wirtschaftssystem. ({3}) Es handelt sich schon um eine merkwürdige Staatsfixierung, die hier bei Ihnen durchschlägt. ({4}) Es ist wahrscheinlich auch nicht ohne Grund so, dass weder Oskar Lafontaine noch Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitiker hier reden, sondern Ihre Verteilungspolitiker. Das unterscheidet diesen Zyklus von früheren, wo wir noch ganz andere Reden gehört haben. Die Lehre von Keynes muss man also in beide Richtungen anwenden. Das heißt, in Krisen- bzw. Rezessionszeiten bedarf es gewisser Wachstumsimpulse; aber dann, wenn man entsprechendes Wachstum hat, bedarf es auch entsprechender Konsolidierung. ({5}) Dies vergessen Sie. Davor büxen Sie aus. Dabei muss ich aber fairerweise sagen: Die rot-rote Koalition in Mecklenburg-Vorpommern hat schon im Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Auf die Jungs und Mädchen hatten Sie offenbar nicht den richtigen Einfluss, wie es scheint. ({6}) Da hat sich Sigrid Keler durchgesetzt. Dort ist vernünftige Finanzpolitik im System des solidarischen Föderalismus gemacht worden. Das ist wirklich eine erstaunliche Leistung. Dazu herzliche Gratulation! Die nachfolgende rot-schwarze Koalition hat das für 2007 nachgemacht, unter etwas leichteren Bedingungen. Insofern sind wir da in einem Boot. Wenn man zurückdenkt: Wer hätte in der Union, speziell 2005, erwartet, dass man mit einer kalkulierten Gratwanderung in Bezug auf die Maastrichtkriterien - Sie werden sich an unsere Maastrichtdiskussionen erinnern und auf Art. 115 Grundgesetz erfolgreiche Wachstumspolitik machen kann? Auch da muss man bei der Selbstbetrachtung ins Schmunzeln geraten. Ganz nebenbei mit einem gewissen Augenzwinkern: Wer unter den Koalitionskollegen hätte ernsthaft erwartet, dass der CSU-Bundeswirtschaftsminister mit der PDS-Nachfolge kuschelt, was die Auswahl des Themas der Aktuellen Stunde angeht? Damit aber zu dem, was wir im Auge behalten müssen, wenn wir weiterhin erfolgreiche Finanzpolitik machen wollen. Dazu gehört natürlich auch der Umgang mit der erfreulichen Steuerentwicklung. Haushaltskonsolidierung ist nie allein durch Sparen möglich gewesen, sondern sehr viel mehr durch Wachstumsimpulse und die daraus folgenden sprudelnden Steuereinnahmen. Das muss uns allen sehr deutlich sein. Es darf zukünftig keine Politik der ungedeckten Schecks geben. In dem Zusammenhang ist an die Gesundheitsreform zu erinnern; was da nicht abgedeckt ist, gilt es abzudecken. ({7}) Das nächste Stichwort: Kitaplatzausbau und Krippenplatzausbau. Angesichts der Finanzsituation auch der Länder sind diese durchaus in der Lage, ihren Anteil beim Krippenausbau zu leisten. Das müssen sie auch tun. In dem Zusammenhang verweise ich auf die Erbschaftsteuer. Das ist aus Gründen der Generationengerechtigkeit eine solide Finanzierungsquelle, die eine weitere Neuverschuldung verhindert, wodurch die solide Haushaltspolitik gewahrt bleibt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Runde, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ortwin Runde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir müssen in die Zukunft investieren. Das gilt für den Bereich Bildung und für die Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, damit wir unsere Nachfrage nach Arbeitskräften aus dem einheimischen Reservoir der Arbeitslosen decken können. Das gilt natürlich auch für solche Themen wie Umweltkatastrophen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Runde, bitte!

Ortwin Runde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn wir eine solche solide Politik machen, dann werden wir mit Sicherheit auch bald einen ausgeglichenen Haushalt haben, ({0}) sofern sich die Konjunktur weiterhin so erfolgreich entwickelt. Schönen Dank. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Fuchs von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Verehrte Frau Höll, auf Bundesebene die Ratschläge einer Partei, die im Berliner Senat massive soziale Einschnitte mitgetragen hat, zu hören, fällt mir ein bisschen schwer. ({0}) Ich habe vor kurzem mitbekommen, dass der von Ihnen getragene Senat beschlossen hat, die Senatspost jetzt durch eine Privatfirma austragen zu lassen. Diese Firma zahlt Löhne in der Größenordnung von Hartz IV. ({1}) Deshalb wird noch eine Aufstockung in Anspruch genommen. Damit nutzen Sie obendrein auch noch den Bundeshaushalt aus. ({2}) Das hat Ihre Partei in Berlin zu verantworten. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, weswegen sich die WASG von Ihnen abgespalten und neu gebildet hat. Eine solche Politik konnte sie anscheinend nicht mittragen. Aber Ihre Ratschläge auf Bundesebene brauchen wir nicht. ({3}) Verehrte Frau Kollegin Lötzsch, geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut. Das ist völlig richtig. ({4}) Sie sehen es in diesem Jahr. Wenn es der Wirtschaft gut geht, schafft sie Arbeitsplätze. Wir haben innerhalb eines Jahres rund 800 000 neue Arbeitsplätze geschaffen, die meisten im sozialversicherungspflichtigen Bereich. Damit geht es den Menschen gut. Den Menschen Arbeitsplätze zu verschaffen, das ist die beste Politik, die man machen kann. ({5}) Geht es der Wirtschaft gut, dann zahlt sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch deutlich höhere Löhne. ({6}) Wir haben Lohnerhöhungen, wie wir sie seit Jahren nicht kannten: im Metallbereich 4,1 Prozent, im Chemiebereich rund 4 Prozent. Diese Lohnerhöhungen kommen nur zustande, weil es der Wirtschaft endlich wieder gut geht. Die Wirtschaft zahlt Steuern, wenn es ihr gut geht. ({7}) Ich will als Beispiel die Stadt Frankfurt nennen. Sie hatte für das letzte Jahr mit 900 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen geplant, hat aber mehr als 1,5 Milliarden Euro eingenommen. Wer zahlt denn diese Steuern? Diese Steuern zahlt ausschließlich die Wirtschaft. Frankfurt ist nur ein Beispiel, die gleiche Situation haben wir in ganz Deutschland. Viele Kommunen schwimmen auf einmal wieder im Geld. Das haben sie doch seit Jahren nicht mehr gekannt, und das liegt daran, dass es der Wirtschaft gut geht. Die gute wirtschaftliche Entwicklung trägt dazu bei, dass die Gesamtlage in Deutschland so gut ist wie schon seit langer Zeit nicht mehr. ({8}) - Das können Sie nicht hören. Ich kann verstehen, dass Sie den Saal verlassen müssen, weil Sie die Wahrheit nicht hören können. Sie machen den Leuten mit Ihrem gnadenlosen Populismus die ganze Zeit nur etwas vor und verlangen Dinge, von denen Sie genau wissen, dass sie nicht finanzierbar sind. ({9}) Wir wollen endlich wieder eine solide Haushaltspolitik. Wir wollen endlich wieder Haushalte ohne Neuverschuldungen und Nettokreditaufnahmen. Das ist notwendig, weil wir allein auf Bundesebene 950 Milliarden Euro Schulden haben. Was das bedeutet, hat der Kollege Barthle schon angesprochen. Dieser hohe Schuldenstand birgt gewaltige Zinsrisiken. Wenn als Folge der jetzt gut laufenden europäischen Konjunktur die Europäische Zentralbank gezwungen sein könnte - das steht zu befürchten -, den Eckzins weiter anzuheben, hätten wir gewaltige Mehrausgaben im Haushalt. Deshalb können wir uns zusätzliche Geschenke aus der Wunderkiste oder das Wunschkonzert der Linken nicht leisten, und wir werden entsprechende Forderungen auch nicht erfüllen. Wir wollen die bisherige Politik nach dem Motto „Kinder haften für ihre Eltern“ nicht mehr. ({10}) Neue Nettokreditaufnahmen bedeuten nichts anderes als eine Politik, bei der die Kinder für ihre Eltern haften müssen. Wir müssen doch alle einsehen, dass wir so nicht mehr agieren können. Ich weiß aber, wo wir etwas tun können. Ich weiß, wie wir sowohl den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch den Arbeitgebern Entlastung bringen können. Durch die gute Konjunktur läuft natürlich auch die Sozialversicherung deutlich besser. Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hat Einnahmen wie seit langer Zeit nicht mehr. Sie hat im letzten Jahr einen Überschuss von 11,3 Milliarden Euro erzielt. Wir haben die Beiträge von 6,5 auf 4,2 Prozent gesenkt und gingen davon aus, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Nürnberg deshalb in diesem Jahr 4,3 Milliarden Euro Verlust machen würde, dass also die 11,3 Milliarden Euro auf 7 Milliarden Euro abschmelzen würden. Was ist passiert? Die neuesten Zahlen zeigen, dass die Bundesagentur in diesem Jahr sogar einen weiteren Gewinn in der Größenordnung von annähernd 3 Milliarden Euro erzielen wird, was bedeutet, dass wir die Beiträge weiter senken können. ({11}) Wir sollten das Geld nicht in irgendwelche Programme stecken, sondern die Beiträge in Nürnberg deutlich weiter senken. Das kommt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ebenso wie den Arbeitgebern zugute, und das ist die beste Wirtschaftspolitik, die wir machen können. Wir sollten dieses Ziel gemeinsam anstreben. Ich weiß, dass wir solche vernünftigen Konzepte in der Großen Koalition auch fahren werden. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Andreas Steppuhn von der SPD-Fraktion.

Andreas Steppuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003850, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hört sich zugegebenermaßen gut an, wenn man den Menschen im Land suggeriert, man wolle Steuermehreinnahmen dazu verwenden, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie kleine und mittelständische Unternehmen zu entlasten. Das hat aber schon etwas mit Populismus zu tun. Ich glaube, diese Politik wäre nicht nur falsch, sondern sie würde, falls man sie umsetzt, den Menschen auf Dauer mehr schaden als nutzen. Meine Damen und Herren von der Linkspartei, anscheinend blenden Sie die Staatsverschuldung komplett aus. Ich finde das schade; denn die Folge Ihrer Forderung wäre - das ist schon gesagt worden -, dass die Staatsverschuldung weiter zunehmen und damit zukünftigen Generationen aufgebürdet würde. Es gäbe keine weiteren Spielräume für wichtige Zukunftsinvestitionen. ({0}) Besser ist es, dass wir klug investieren und die positive konjunkturelle Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sinnvoll flankieren, damit der Aufschwung, unser Aufschwung, weitergeht. Zum ersten Mal seit vier Jahren haben wir weniger als 4 Millionen arbeitslose Menschen in Deutschland. Hierauf sind wir stolz. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Das ist ein Erfolg sozialdemokratischer Politik. ({1}) - Sie können ja mitwirken. - Diese positiven Zahlen sind für uns gemeinsam Bestätigung und Ansporn zugleich. Es ist unser Ziel, dass dieser Aufschwung ein Aufschwung für alle wird. Die Menschen in Deutschland sollen und müssen an diesem Aufschwung teilhaben. Die beste Teilhabe ist es, dass es in diesem Jahr in möglichst vielen Branchen zu kräftigen Einkommenszuwächsen kommt. ({2}) Schließlich sind es die Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in den Fabrikhallen, in den Büros, in den Dienstleistungsunternehmen und in den Handwerksbetrieben tätig sind, die diesen Aufschwung maßgeblich mit erarbeitet haben. Es waren nicht die Unternehmer alleine. Wir Sozialdemokraten wollen in dieser Regierungskoalition dafür sorgen, dass die Menschen mit ihren Familien von ihrem Lohn eigenständig leben können. Deshalb brauchen wir in Deutschland dringend Mindestlöhne. Aber wir brauchen auch verbesserte tarifliche Einkommensbedingungen. ({3}) Das ist Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum. Beim Thema Mindestlöhne liegen die Fakten auf dem Tisch, meine Damen und Herren von der Union. Wir Sozialdemokraten sind für Mindestlöhne. Jetzt muss auch unser Koalitionspartner endlich klar sagen, was er will, und nicht ständig, was er nicht will. ({4}) Die Zeit, meine Damen und Herren von der Union, ist dafür reif. Wir als Sozialdemokraten wissen - hören Sie gut zu! -, dass die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland beim Ruf nach Mindestlöhnen hinter uns steht. Meine Damen und Herren von der Union, Sie sollten jetzt mit uns gemeinsam handeln. Es wäre schlimm für die Menschen in Deutschland, wenn es erst eines Wahlkampfes bedürfte, um Mindestlöhne in Deutschland politisch umzusetzen. ({5}) Trotz der erfreulichen Mehreinnahmen wächst unser Schuldenberg noch immer weiter an. Dies ist eine Tatsache, die wir nicht vergessen sollten. Wir sind noch weit davon entfernt, Schulden abzubauen. ({6}) Klar ist aber auch, dass wir noch weiter in Zukunftsbereiche investieren wollen und dies auch tun werden. Der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze - das ist schon genannt worden - und die Erhöhung der BAföG-Sätze sind nur zwei Politikbereiche, die für uns als Sozialdemokraten höchste Priorität haben. Allein für das BAföG - unser Fraktionsvorsitzender hat es gestern öffentlich schon deutlich gemacht - wollen wir im kommenden Jahr 290 Millionen Euro in die Hand nehmen, um die Studienförderung zu erhöhen. Das ist für uns Zukunftsinvestition. Wir investieren in die Bildung unserer Jugend und damit auch in die Zukunft unseres Landes. Aber auch das Programm zur energetischen Gebäudesanierung macht deutlich, wie man mit steuerlichen Erleichterungen Investitionen auslösen ({7}) und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen kann. ({8}) Auch denken wir beispielsweise zurzeit darüber nach - Laurenz Meyer nickt -, im Bereich der energetischen Gebäudesanierung die Möglichkeit zu eröffnen, mithilfe neuer Fördermechanismen öffentliche Gebäude wie Schulen und Rathäuser zu sanieren. ({9}) Das bisherige Programm wird jetzt um 500 Millionen Euro aufgestockt. Im Übrigen unterscheidet dies uns Sozialdemokraten vom Bundeswirtschaftsminister, der einen abenteuerlichen Osterausflug in die Steuerpolitik unternommen hat. ({10}) Damit wir uns hier nicht falsch verstehen. Ich stimme mit Herrn Glos in einem Punkt überein: Die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass das Geld bei den Bürgern in der Tasche bleibt; denn sie verdienen und erwirtschaften es. Ich stimme mit Herrn Glos aber nicht darin überein, dass dies durch Steuersenkungen mit der Gießkanne geschehen muss. Wer behauptet, es sei höchste Zeit dafür, den möchte ich daran erinnern, dass die letzte Lohn- und Einkommensteuersenkung noch unter der rot-grünen Regierung gemacht wurde, also noch gar nicht so lange her ist. Was Deutschland braucht, sind Investitionen in Forschung und Bildung, aber auch in Arbeitsplätze. Sichere Arbeitsplätze und gute Bezahlung sind das, was sich die Menschen in unserem Lande wünschen und was sie von uns und von der Politik insgesamt erwarten. Wir Sozialdemokraten werden hierzu - hoffentlich gemeinsam mit der Union - die Weichen stellen. Deshalb danke ich der vereinigten Linken herzlich dafür, dass sie uns die Gelegenheit gegeben hat, heute diese Diskussion zu führen und deutlich zu machen, wo wir politisch stehen. ({11}) Meine Damen und Herren, der Aufschwung ist da. Wir wollen, dass er ein Aufschwung für alle Menschen in Deutschland wird. Danke schön. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Stefan Müller von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Stefan Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu Ihnen, Frau Höll: Sie haben eindrucksvoll ausgeführt, dass es Steuermehreinnahmen gebe. Das ist unbestritten, auch wenn wir die genaue Schätzung noch nicht kennen. Sie haben richtigerweise auch gesagt, dass die Arbeitnehmer - ich ergänze: auch die Arbeitgeber, also die Unternehmen - für diese Steuermehreinnahmen verantwortlich sind. Dabei bleibt es aber auch schon, wozu ich Ihnen recht geben möchte. Stefan Müller ({0}) Ich will feststellen - denn es ist wichtig, zu sagen, warum es so ist, dass wir in diesem Jahr Steuermehreinnahmen haben -: ({1}) Dass wir in diesem Jahr Steuermehreinnahmen haben, liegt in erster Linie daran, dass 600 000 Menschen mehr als im letzten Jahr Arbeit haben. Dies liegt auch daran, dass die Unternehmen wieder in Deutschland investieren. ({2}) Ich finde, die Tatsache, dass wir 600 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr haben, ist ein Grund, sich zu freuen. Es stände Ihnen gut zu Gesicht, wenn Sie hier einmal sagen würden, dass Sie sich mit diesen 600 000 Menschen freuen, die endlich wieder von eigener Arbeit leben können. ({3}) Lieber Kollege Koppelin, ich muss mich über die FDP manchmal wundern. Auf der einen Seite sagen Sie, die Steuermehreinnahmen müssten den Menschen zurückgegeben werden, ({4}) man brauche Steuersenkungen. Auf der anderen Seite sagen Sie, natürlich müsse auch der Haushalt konsolidiert werden. ({5}) Gleichzeitig fragen FDP-Kollegen in den Ausschüssen, ob man nicht im Haushalt für dieses oder jenes, zum Beispiel für die Kindertagesbetreuung, Geld bereitstellen könne: der Bund solle nicht so kleinlich sein, er könne die Länder und Kommunen nicht im Regen stehen lassen. ({6}) Das geht so nicht. ({7}) Lieber Kollege Steppuhn, ich gebe zu, ich wäre geneigt, zu dem einen oder anderen Punkt Ihrer Ausführungen etwas zu sagen. Ich will dies aufgrund der großkoalitionären Klimapflege nicht tun, darf Ihnen aber versichern: Ich persönlich stimme nicht mit allem überein, was Sie hier vorgetragen haben. ({8}) Lieber Kollege Koppelin, ich möchte einräumen, dass auch ich mich über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde, wie die steuerlichen Mehreinnahmen zur Entlastung von Arbeitnehmern und kleinen und mittleren Betrieben genutzt werden sollen, gewundert habe. Es ist richtig, dass die Linke bisher nicht durch besonders große Initiativen zugunsten der deutschen Wirtschaft aufgefallen ist - mir jedenfalls nicht. Insofern wäre es unglaubwürdig gewesen, wenn man dazu dem Thema entsprechend etwas gesagt hätte. Daher war es natürlich völlig konsequent, dass Sie, Frau Kollegin Lötzsch, wieder Ihr Lieblingsthema vorgebracht haben, nämlich zu sagen: Wir brauchen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes II. ({9}) Jede Aktuelle Stunde wird von Ihnen dazu missbraucht - auch wenn das Thema ein ganz anderes ist -, dies aufzugreifen. Das zeigt Ihre Denkweise: Ihnen ist es wichtiger, dass die Menschen von staatlicher Fürsorge abhängig bleiben, als dafür zu sorgen, dass die Menschen wieder Arbeit haben und von ihrer eigenen Arbeit leben können. ({10}) Richtig ist: Wer Arbeitsplätze schaffen will, braucht dafür Arbeitgeber. Damit Arbeitgeber wieder Arbeitsplätze anbieten können, brauchen wir eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. ({11}) In diesem Zusammenhang hat die Große Koalition schon einiges in die Wege geleitet, und es wird noch einiges passieren. Ich will nicht all das aufführen, was wir gemacht haben: Das reicht von der Entbürokratisierung bis hin zur Senkung der Lohnzusatzkosten. Auch da haben wir im vergangenen Jahr entsprechende Weichen gestellt. ({12}) Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung ist von 6,5 Prozent im letzten Jahr auf 4,2 Prozent in diesem Jahr gesunken. ({13}) Es ist ja so: Wir haben aufgrund dessen, dass die gute Arbeitsmarktlage und die gute wirtschaftliche Entwicklung dafür sorgen, dass wir tatsächlich Steuermehreinnahmen haben werden, natürlich ein Luxusproblem. Es ist immer die Rede von 200 Milliarden Euro. Man sollte vielleicht einmal dazusagen, wie sich diese 200 Milliarden Euro zusammensetzen und welchen Zeitraum das betrifft: 200 Milliarden Euro kumuliert bis 2011. Es ist noch zu berücksichtigen, dass die Steuermehreinnahmen nicht für alle gleich hoch sind. Der Bund profitiert jedenfalls im Verhältnis zu den anderen Gebietskörperschaften gar nicht so viel davon. Am meisten profitieren die sozialen Sicherungssysteme. Ich möchte an das anschließen, was Kollege Fuchs schon angesprochen hat. Besonders die gute Arbeitsmarktentwicklung sorgt dafür, dass bei der Bundesagentur für Arbeit die Ausgaben weiter sinken und die Einnahmen weiter steigen. Ich kann mich dem nur Stefan Müller ({14}) anschließen: Die Bundesagentur für Arbeit ist keine Vermögensverwaltung. Wenn es auch in diesem Jahr und in den nächsten Jahren finanziellen Spielraum dafür gibt, die Beiträge zu senken, dann sollten wir das auch tun. ({15}) Das Geld gehört nicht irgendeiner Organisation wie der Bundesagentur, sondern den Beitragszahlern, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den Arbeitgebern. Denen ist es zurückzugeben. ({16}) In dieser Debatte ist eines klar geworden: Es gibt keine großen Wohltaten zu verteilen. Jeder Euro mehr Steuereinnahmen muss dazu verwendet werden, die Neuverschuldung des Bundeshaushaltes zu reduzieren. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner in dieser Aktuellen Stunde erteile ich das Wort dem Kollegen Garrelt Duin von der SPDFraktion.

Garrelt Duin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003751, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein bayerischer Philosoph ({0}) - Sie werden gleich wissen, wen ich meine - hat vor einigen Jahren die Frage gestellt: Ja, ist denn heute schon Weihnachten? Ich bin Peer Steinbrück sehr dankbar, dass er heute im „Tagesspiegel“ - es steht schon in der Überschrift des Artikels; Sie können es nachlesen, sofern Sie es noch nicht gelesen haben - deutlich gemacht hat: „Es ist nicht Weihnachten.“ ({1}) Man hat in dieser Diskussion manchmal den Eindruck, als ob es einen Wettbewerb gebe, wer die schöneren Geschenke aussucht. ({2}) Wenn jemand hoch verschuldet ist und zu ein bisschen Geld kommt, dann sollte er es zum Schuldenabbau verwenden und keine teuren Geschenke kaufen. ({3}) Das würde zwar die Beschenkten freuen, die Situation des Schenkenden aber leider überhaupt nicht verbessern. ({4}) Trotz des Aufschwungs hat sich die Lage, in der wir sind, nicht wirklich verändert. 1 500 Milliarden Euro Schulden bleiben. Wir können nur, sobald es geht, eine Senkung der Nettoneuverschuldung auf null erreichen. Wer jetzt Geschenke in Aussicht stellt, wird nicht nur diesem Ziel nicht gerecht, sondern erweckt auch Erwartungen, die er am Ende nicht erfüllen kann. ({5}) Damit produziert er unnötige Enttäuschungen. Wer diesen Aufschwung zu verantworten hat, ist eine vieldiskutierte Frage. Die einen sagen, dass es die Große Koalition ist. Wir finden, zu Recht darauf hinweisen zu dürfen, dass auch die Vorgängerregierung vieles auf den Weg gebracht hat. Aber vor allem - da stimme ich meinen Kollegen Ortwin Runde und Andreas Steppuhn zu waren es die Bürgerinnen und Bürger selbst, waren es die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land, die durch manche hier nach schwierigen Diskussionen getroffene Entscheidung, aber vor allen Dingen durch Lohnzurückhaltung dazu beigetragen haben. Dass sie jetzt im Rahmen von Tarifverhandlungen und entsprechenden Ergebnissen an diesem Aufschwung teilhaben, ist mehr als richtig. Wir als Sozialdemokraten wollen Aufschwung für alle und Geld ins Portemonnaie. ({6}) Da gibt es zwei Varianten, Herr Koppelin; das ist wahr. Die eine Variante ist die, die vorhin schon beschrieben wurde. Diese halten wir für die richtige. Im Rahmen von Tarifverhandlungen sollen ordentliche Löhne ausgehandelt werden. Dadurch haben die Menschen mehr Geld im Portemonnaie. ({7}) Die falsche Variante wäre, es über Steuersenkungen zu machen und damit die Handlungsfähigkeit des Staates nachhaltig zu beschädigen. ({8}) Ich darf Ihnen noch einmal sagen, was Bundesbankpräsident Weber dazu gesagt hat. Er hat gesagt - ich zitiere -: Das Gebot der Stunde ist: unbedingt auf Konsolidierungskurs bleiben und hierbei den Rückenwind der guten Konjunktur stärker nutzen. Der Weg zu nachhaltig soliden Staatsfinanzen sei noch weit, sagte Weber. Raum für finanzpolitische Wohltaten wie etwa Steuersenkungen gebe es nicht. Diesen Worten des Bundesbankpräsidenten kann man sich nur anschließen. Alles andere wäre unverantwortlich. ({9}) Ich bin zurzeit 39 Jahre alt. Vielleicht sehe ich heute ein bisschen älter aus; das liegt dann an der Spargelfahrt. Der Kollege Carsten Schneider ist ja noch viel jünger. Unsere Generation steht der Tatsache gegenüber, dass Generationen von Verantwortungsträgern in Deutschland uns bereits eine immense Menge an Schulden aufGarrelt Duin gebürdet haben. Wir, die wir jetzt in Verantwortung kommen, müssen damit umgehen. Wir dürfen diese Fehler, die in der Vergangenheit - völlig egal, von welcher Partei - gemacht worden sind, aber nicht wiederholen. Man kann es auch anders formulieren: Man darf den gleichen Mist nicht noch einmal bauen. ({10}) Man muss sich nur einmal vor Augen führen, dass wir jährlich rund 40 Milliarden Euro Zinsen zahlen. Das ist mehr Geld, als die Bundesministerien des Innern, für Wirtschaft und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, für Gesundheit, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie für Bildung und Forschung zusammen ausgeben. Dieses Ungleichgewicht dürfen wir nicht noch steigern. Hier müssen wir in der Tat der Konsolidierung unseres Haushaltes im Sinne der Handlungsfähigkeit des Staates Vorrang einräumen. Einen letzten Punkt möchte ich hier zum Abschluss noch einmal deutlich machen. Seit der Föderalismusreform haben wir klare Regeln, wer was machen darf, wer was machen soll und wer was machen muss. Die Länder wollten das so haben, wie es jetzt geregelt ist. ({11}) Vor diesem Hintergrund kann ich manche Klagen und Forderungen nicht nachvollziehen. Der Aufschwung findet ja nicht nur im Bund statt, sondern genauso in den Ländern und Kommunen. Deren Aufgaben können nicht immer wieder zulasten des Bundes bei uns abgeladen werden. Vielen Dank. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 10. Mai 2007, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.