Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/14/2005

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle herzlich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktionen ha- ben vereinbart, heute um 16 Uhr, im Anschluss an die Fragestunde, eine Debatte zu Berichten über angebliche Gefangenentransporte sowie die Verbringung deutscher und anderer Staatsangehöriger durch US-Stellen und das Verhalten von Bundesdienststellen in diesem Zusam- menhang durchzuführen. Für diese Beratung sind an- derthalb Stunden vorgesehen. Sind Sie mit dieser Erwei- terung der Tagesordnung einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich weise schon jetzt auf die Implikationen dieser Vereinbarung für die Durchführung der Fragestunde hin. Darauf kommen wir nachher zurück. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 22 a bis 22 c auf: a) Beratung des Antrags der Bundesregierung Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Überwachungsmission AMIS der Afrikanischen Union ({0}) in Darfur/Sudan auf Grundlage der Resolutionen 1556 ({1}) und 1564 ({2}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 30. Juli 2004 und 18. September - Drucksache 16/100 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({3}) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Drucksachen 16/162, 16/220 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales ({4}) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes ({5}) - Drucksache 16/219 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales ({6}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Hier handelt es sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Zum Gesetzentwurf auf Drucksache 16/162 zum Tagesordnungspunkt 22 b liegt zwischenzeitlich die Gegenäußerung der Bundesregierung auf Drucksache 16/220 vor, die wie der Gesetzentwurf überwiesen werden soll. Die Vorlage zu Tagesordnungspunkt 22 c auf Drucksache 16/219 soll zusätzlich an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen werden. Sind Sie auch damit einverstanden? - Das scheint so. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 a bis 1 c, Wahlen zu Gremien. Es geht um die Einsetzung von drei Gremien sowie um die Wahlen der Mitglieder dieser Gremien. Die Wahlen führen wir mit Stimmkarten und Wahlausweisen in getrennten Wahlgängen durch. Dabei handelt es sich um die Wahlen der Mitglieder zu folgenden Gremien: Parlamentarisches Kontrollgremium, Gremium gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes, das Vertrauensgremium gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung. Redetext Präsident Dr. Norbert Lammert Ich bitte Sie um Ihre Aufmerksamkeit für einige notwendige Hinweise zu den Wahlen: Die Stimmkarten in den Farben Blau, Gelb und Weiß werden unmittelbar vor der jeweils durchzuführenden Wahl im Saal verteilt bzw. sie sind offenkundig zu einem großen Teil bereits verteilt. Sie benötigen außerdem Ihre Wahlausweise in den Farben Blau, Gelb und Weiß, die Sie bitte, soweit noch nicht geschehen, in bewährter Weise Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby entnehmen. Bitte achten Sie darauf, dass die Wahlausweise tatsächlich Ihren Namen tragen. Bevor Sie die entsprechende Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte Ihren dazugehörenden Wahlausweis einem der Schriftführer an den Wahlurnen. Der Nachweis der Teilnahme an der Wahl kann nur durch Abgabe des Wahlausweises erbracht werden. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, dass der Wahlausweis vor der Stimmabgabe tatsächlich übergeben wird. Die Wahlen finden offen statt. Sie können die Stimmkarten also an Ihrem Platz ankreuzen. Das Verfahren ist damit hoffentlich klar geworden. Wir kommen zunächst zu Tagesordnungspunkt 1 a: - Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Einsetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß § § 4 und 5 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes ({7}) - Drucksache 16/169 - Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß § § 4 und 5 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes ({8}) - Drucksachen 16/170, 16/171, 16/172, 16/173, 16/174 Wir kommen sofort zur Abstimmung über den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der Linken und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/169. Wer stimmt für diesen Antrag? - Möchte jemand dagegen stimmen? - Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag einstimmig angenommen. Damit ist das Parlamentarische Kontrollgremium eingesetzt und die Zahl seiner Mitglieder auf neun festgelegt. Bevor wir jetzt zur Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums kommen, bitte ich Sie noch für einen weiteren Hinweis um Ihre Aufmerksamkeit: Nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt, wer mindestens 308 Stimmen erhält. Die blauen Stimmkarten wurden im Saal verteilt. Sollten Sie noch keine Stimmkarte haben, besteht jetzt noch die Möglichkeit, eine solche von den Plenarassistenten zu erhalten. Auf der blauen Stimmkarte können Sie neun Namensvorschläge ankreuzen. Ungültig sind wie immer - ({9}) - Da es bei solchen Wahlgängen erstaunlicherweise immer wieder ungültige Stimmen gibt, sind die scheinbar selbstverständlichen Hinweise zur Gültigkeit von Stimmzetteln oder Stimmkarten nicht gänzlich unbeachtlich. ({10}) Deswegen gebe ich Ihnen den sensationellen Hinweis, dass auch in diesem Fall solche Stimmkarten ungültig sind, die andere Namen oder Zusätze enthalten. ({11}) Damit erledigt sich fast der zusätzliche Hinweis, dass derjenige, der sich der Stimme enthalten will, am besten keine Eintragung macht; denn dann hätte er sich der Stimme enthalten, ohne die Stimmkarte ungültig zu machen. Diese Wahl findet, wie auch die beiden folgenden Wahlen, offen statt. Sie können Ihre Stimmkarten also an Ihrem Platz ankreuzen, bevor Sie die blaue Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen. Denken Sie daran, Ihren Wahlausweis abzugeben, da nur er Ihre Teilnahme an der Wahl belegt. Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Wahlurnen besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Ich habe den Eindruck, dass alle anwesenden Mitglieder des Deutschen Bundestages von ihrem Wahlrecht haben Gebrauch machen können. Ich schließe damit die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Wahl geben wir später bekannt. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1 b: - Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Einsetzung des Gremiums gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes - Drucksache 16/175 - Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes - Drucksachen 16/176, 16/177, 16/178, 16/179, 16/180 Präsident Dr. Norbert Lammert Wir stimmen sofort über den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen auf Drucksache 16/175 ab. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Dann ist auch dieser Antrag einstimmig angenommen. Damit ist das Gremium gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes mit der Bezeichnung „Gremium zu Fragen der Kreditfinanzierung des Bundes“ eingesetzt und die Mitgliederzahl wiederum auf neun festgelegt. Für diesen Wahlgang gelten die gleichen Regelungen, die ich vorhin vorgetragen habe. Auch in diesem Fall ist also nur gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt, wer mindestens 308 Stimmen erhält. Die gelben Stimmkarten sind im Saal verteilt. Sollten Sie noch keine Stimmkarte haben, besteht die Möglichkeit, eine solche Karte von den Plenarassistenten zu erhalten. Auf der gelben Stimmkarte können Sie neun Namensvorschläge ankreuzen. Ich gebe noch einmal den Hinweis, dass Zusätze oder andere Namen die Stimmkarte ungültig machen. Wer sich der Stimme enthalten will, macht bitte keine Eintragung auf der Stimmkarte. Übergeben Sie bitte auch bei dieser Wahl Ihre Stimmausweise den Schriftführerinnen und Schriftführern an den Wahlurnen. Offenkundig sind alle Wahlurnen besetzt. Dann eröffne ich hiermit den zweiten Wahlgang, die Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 4 a Bundeswertpapierverwaltungsgesetz. Darf ich fragen, ob es Mitglieder des Hauses gibt, die ihre Stimmkarte noch nicht abgegeben haben? Ich hoffe, es hat sich in der Zwischenzeit herumgesprochen, dass das Präsidium zwar niemanden daran hindern kann, parallel zum Plenum private oder auch Ausschusstreffen durchzuführen, dass wir aber niemandem helfen können, der erst nach Schluss des Wahlgangs mit seiner Stimmkarte kommt. Ich sehe niemanden, der noch eine Stimmkarte in der Hand hält, und schließe damit auch diesen Wahlgang. Auch hier lassen wir die Stimmen auszählen und geben das Ergebnis später bekannt. Nachdem wir inzwischen neue Wahlurnen haben, können wir den nächsten Wahlgang einleiten. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 c auf: - Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Einsetzung des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung - Drucksache 16/181 - Wahl der Mitglieder des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung - Drucksachen 16/182, 16/183, 16/184, 16/185, 16/186 Wir stimmen zunächst über den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen auf Drucksache 16/181 ab. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist unter Berücksichtigung all derjenigen, die sich an der Abstimmung beteiligt haben, auch dieses Gremium einstimmig eingesetzt und die Mitgliederzahl auf neun festgelegt. Das Verfahren ist das gleiche wie bisher. Auch hier ist gewählt, wer mindestens 308 Stimmen auf sich vereint. Ungültig sind Stimmkarten, die andere Namen oder Zusätze enthalten. Werfen Sie bitte die weiße Stimmkarte in eine der Wahlurnen und geben Sie gleichzeitig Ihren weißen Wahlausweis bei den Schriftführern ab. Sind wieder alle Wahlurnen von Schriftführerinnen und Schriftführern besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die dritte Wahl, die zum Vertrauensgremium. Der Wahlgang ist eröffnet. Gibt es noch jemanden im Saal, der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall. Dann schließe ich auch diesen Wahlgang. Ich nutze aber noch einmal die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass Sie nicht nur dem Präsidium die Arbeit erleichtern, sondern auch sich selbst manche unnötigen Frustrationen ersparen, wenn Sie eher in zeitlicher Nähe zum Beginn solcher Abstimmungen als kurz nach deren Beendigung mit Ihren Wahlausweisen erscheinen. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung Ich bitte darum, dass die Kolleginnen und Kollegen, die wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht an der Befragung der Bundesregierung teilnehmen können oder wollen, den Plenarsaal zu verlassen, damit sie mit der notwendigen Konzentration auf die Sache erfolgen kann. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten. Das Wort für den einleitenden Kurzbericht hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, Alfred Hartenbach.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Präsident! Ich bedanke mich sehr herzlich, dass Sie mir das Wort erteilen, und hoffe, dass meine Stimme durchdringend genug ist, um allgemeines Interesse zu erwecken. Sie gestatten, dass ich - ergänzend zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten - noch etwas zu einem weiteren Thema sage, das heute von unserer Seite im Kabinett vorgetragen und beschlossen wurde, nämlich zur Einführung eines elektronischen Handels-, Genossenschafts- und Unternehmensregisters. Ich beginne mit dem Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten. Dieses Gesetz war überfällig. Zwar sahen bereits bisher die einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung die Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen auf aus Straftaten erlangtes Vermögen durch die Geschädigten vor. Der Staat konnte dann das Vermögen aber nicht abschöpfen, wenn sich kein Geschädigter fand. Aber es hat sich herausgestellt, dass es hier noch Regelungslücken gab, die in Folgendem bestanden: Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen Geschädigter lag nach der Verurteilung des Täters bei drei Monaten. Teilweise wussten die Geschädigten nichts von ihren Ansprüchen. Teilweise genügte dieser Zeitraum nicht - das war oft der Fall -, um einen Anspruch geltend zu machen. Darüber hinaus war es in der großen Zahl der Strafverfahren nur eine theoretische Möglichkeit, dass ein Anspruch bestand, sodass für den Staat eine Verfallserklärung nicht mehr möglich war. Das führte dann zu dem wenig erfreulichen Ergebnis, dass einem Straftäter der aus einer Straftat erlangte Vermögensvorteil wieder gewährt werden musste. Es gab also einerseits eine Gerechtigkeitslücke und andererseits eine Lücke zuungunsten der Geschädigten. Das neue Gesetz gibt mehr Spielraum. Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen auf beschlagnahmtes Vermögen wird auf drei Jahre ausgedehnt, sodass die Geschädigten ausreichend Zeit haben, ihre Ansprüche geltend zu machen und durchzusetzen. Des Weiteren kann nun der Staat immer dann, wenn ein Schadenersatzanspruch nicht geltend gemacht wird, ein aus rechtswidrigen Taten erlangtes Vermögen nach Ablauf von drei Jahren zugunsten der Staatskasse bzw. der Landesjustizkassen einziehen. Zum einen glauben wir, dass dies ein weiterer Baustein im Werk zur Stärkung der Rechte von Opfern von Straftaten ist. Die 1982 mit dem ersten Opferentschädigungsgesetz begonnene Stärkung der Opferrechte findet damit eine weitere, vorläufige Ergänzung. Zum anderen glauben wir, dass dies gegenüber der rechtstreuen Bevölkerung durchaus akzeptabel und richtig ist. Wir haben in Umsetzung einer EU-Richtlinie einen Beschluss zur Einführung eines elektronischen Handels-, Genossenschafts- und Unternehmensregisters gefasst. Das heißt, künftig, und zwar ab dem 1. Januar 2007 - so fordert es die EU-Richtlinie -, werden Anmeldungen und Ergänzungen, aber auch Eintragungen in das Handelsregister grundsätzlich nur noch auf elektronischem Wege erfolgen. Das Gleiche gilt für das Genossenschaftsregister. Um nun interessierten Anlegern und Geschäftsleuten, aber auch Privatleuten die Möglichkeit zu geben, eine umfassende Auskunft über alle in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaft zu erhalten, werden wir außerdem ein elektronisches Unternehmensregister einführen, welches zum gleichen Zeitpunkt in Kraft tritt. Man muss also nicht mehr mühsam suchen, wo es eine Firma gibt, wie diese heißt und was sie macht. Man kann vielmehr durch einen einzigen Abruf bei dem elektronischen Unternehmensregister feststellen, dass es eine bestimmte Firma in Deutschland gibt, wo sie registriert ist und welche Gesellschaftsverhältnisse herrschen. Das Handelsregister und das Genossenschaftsregister werden nach wie vor bei den Amtsgerichten geführt. Dabei bleibt es den Ländern überlassen, ob sie das hier konzentrieren, was teilweise heute schon gemacht wird. Das Unternehmensregister wird bei einem beliehenen Unternehmen geführt werden. Die elektronische Führung des Handelsregisters hat mehrere Vorteile: Erstens. Wir sind überzeugt, dass Eintragungen und Ergänzungen sehr zügig durchgeführt werden können. Wir gehen davon aus, dass die Eintragungen ins Handelsregister innerhalb von fünf Tagen - das ist unsere Marge - erfolgen können. Das ist vor allem für Unternehmensgründungen und für Unternehmensänderungen wichtig. Zweitens. Es wird eine erhebliche Kosteneinsparung insbesondere für die kleinen und mittelständischen Unternehmen geben. Bisher müssen alle Eintragungen im Bundesanzeiger und in mindestens einer örtlichen Tageszeitung veröffentlicht werden. Je nach Region kann das um die 200 Euro, aber auch bis zu 600 Euro kosten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ein Satz noch. - Dadurch, dass wir das alles elektronisch machen wollen, haben wir uns nicht unbedingt das Wohlwollen der deutschen Zeitungsunternehmer zugezogen. Deswegen kommen wir den Ländern entgegen und gestatten den Ländern, dass sie durch Ausnahmeverordnungen für einzelne Regionen ihres Landes anordnen können, dass bis Ende 2009 die Veröffentlichungen bindend auch noch in einer Tageszeitung in Papierform erfolgen müssen. Danke, dass Sie mir die eine Minute noch gegönnt haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

So sind wir. Wir bedanken uns für den Bericht. Gibt es Fragen zu dem vorgetragenen Sachverhalt? Bitte schön, Herr Kollege Montag.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage an Sie zu dem Gesetzentwurf zur Vermögensabschöpfung in Strafsachen. Sie haben in Ihren einführenden Worten wörtlich von den „theoretischen“ Fällen gesprochen, in denen Straftätern nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung ihre aus ihren Straftaten erzielten Gewinne nicht weggenommen werden könnten. Das wollten Sie jetzt ändern. Nachdem das geltende Recht selbstverständlich schon jetzt die Möglichkeit der Abschöpfung von Verbrechensgewinnen vorsieht und Sie von „theoretischen“ Fällen gesprochen haben, bitte ich Sie, dass Sie noch einmal darüber aufklären, welche konkreten Fälle Sie meinen, die jetzt noch durch das Raster fallen und daher eine Gesetzesänderung erfordern.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Montag, § 73 Abs. 1 Satz 2 Strafgesetzbuch sieht vor, dass ein Verfall und eine Einziehung nicht möglich sind, wenn es Schadenersatzansprüche Dritter gibt. Diese Schadenersatzansprüche Dritter gibt es in nahezu allen Fällen, in allen Betrugsfällen, in allen Raubfällen und in allen Fällen von Vermögensdelikten. Es gibt sie nicht - deswegen ist das Gesetz damals eingeführt worden - bei den Gewinnen aus Straftaten, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Da gibt es eigentlich keinen Geschädigten und da war es sehr einfach. Heute ist es so, dass immer dann, wenn ein solcher Schadenersatzanspruch besteht, der Staat das zu Unrecht erworbene Vermögen, also den Gewinn aus der Straftat, nicht für verfallen erklären kann. Das steht in der Vorschrift, die ich eben genannt habe. Es gibt aber Fälle, in denen ein Geschädigter aufgrund der kurzen Frist seinen Anspruch nicht geltend gemacht hat. Noch eklatanter sind die Fälle - dafür gibt es im Moment ein ganz aktuelles Beispiel -, in denen der Schaden für die Opfer - ich darf das einmal so sagen relativ gering, der Gewinn für den Täter aber sehr groß ist. Da kann es sein, dass überhaupt keine Ansprüche geltend gemacht werden, obwohl diese vorhanden sind. Ganz aktuell sind die Fälle mit dem vergammelten Fleisch. Dabei spiegeln die Täter den Menschen durch Umetikettierungen vor, dass das Fleisch, das verdorben ist und eigentlich nicht mehr verkauft werden dürfte, genießbar ist. Durch den Verkauf dieses Fleisches werden sehr hohe Gewinne erzielt. Der einzelne Geschädigte hat aber gar kein Interesse daran, ein Verfahren auf Rückzahlung des Kaufpreises, der sich häufig nur auf 1,50 Euro beläuft, anzustrengen. Das heißt, nach der bisherigen Gesetzeslage müsste der beschlagnahmte Gewinn aus der Straftat dem Täter zurückgegeben werden. Ein weiteres Beispiel sind die betrügerischen Machenschaften mit den 0190er-Nummern. Dabei wird ein Anruf in eine Warteschleife gelegt. Damit verdient der Täter sehr gut, während sich der Einzelne zwar über die Kosten ärgert, aber keine Schadenersatzansprüche geltend macht. Nach einer Sicherstellung muss das Geld eventuell an den Täter zurückgegeben werden. Außerdem gibt es Fälle, wo die Geschädigten gar nicht wussten, dass durch Straftaten - also unrechtmäßig - erworbenes Vermögen gesichert worden war - sie wussten noch nicht einmal, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig war. Drei Monate nach Verurteilung des Täters musste dieses Vermögen herausgegeben werden. Die Dreijahresfrist ermöglicht es - gesetzlich vorgeschrieben ist die Mitteilung im elektronischen Bundesanzeiger, dass Vermögen beschlagnahmt worden ist -, die Geschädigten über die Medien darauf hinzuweisen, dass sie einen Anspruch geltend machen können. Die Auszahlung kann natürlich erst erfolgen - es gibt bekanntermaßen einen Arrest -, wenn der Geschädigte sich einen zivilrechtlichen Titel beschafft hat. Wenn diese drei Jahre abgelaufen sind - diesen Fall habe ich eben geschildert -, kann der Staat unrechtmäßig erworbenes Vermögen überall dort, wo keine oder nur geringe Ansprüche geltend gemacht worden sind, aber noch ein Teil dieses Vermögens vorhanden ist, im Wege des Auffangrechtserwerbs zugunsten der Staatskasse vereinnahmen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ramelow.

Bodo Ramelow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003824, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben das elektronische Handelsregister an und verwiesen darauf, dass den Ländern durch Ermächtigung gestattet werden soll, noch bis 2009 die Veröffentlichung der Eintragungen in einer Tageszeitung zuzulassen. Wenn die Bundesregierung überzeugt ist, dass das elektronische Handelsregister der richtige Weg ist - ich glaube, es ist der richtige Weg; vergleichbar ist es bei Insolvenzanzeigen und ähnlichen Dingen; auch dort muss man endlich den Weg des Fortschritts gehen, wie er in der Wirtschaftswelt üblich ist -, wieso gestattet man den Ländern dann, eine solche Regelung für die mittelständischen Betriebe zu erlassen? Wie erklärt man den Wettbewerbsnachteil der Firmen, die ihren Sitz in einem solchen Gebiet haben, gegenüber den Firmen mit Sitz in Gebieten, wo der von Ihnen gerade erläuterte Weg per Bundesgesetz möglich gemacht worden ist?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Ramelow, wir sind natürlich überzeugt, dass es der bessere Weg ist, wenn alle Anmeldungen und auch die Veröffentlichungen über das elektronische Handelsregister vorgenommen werden; denn das geht schneller und ist kostengünstiger. Nun wissen wir aber, dass es in dieser Republik noch Unternehmungen gibt - die Gegenvorschläge, die teilweise in den Ländern gemacht worden sind, haben darin ihre Ursache -, die an die elektronischen Netze immer noch nicht angeschlossen sind, sodass wir nicht sicherstellen können, dass alle gleichermaßen informiert sind. Dies ist der Grund dafür, dass man den Bundesländern, in denen dies anscheinend noch nicht der Fall ist, die Gelegenheit einräumt, für das gesamte Land oder aber für einzelne Gebiete anzuordnen, dass für eine Übergangsfrist von längstens drei Jahren noch zusätzlich eine Veröffentlichung in einer Tageszeitung - wohlgemerkt: nicht mehr im Bundesanzeiger; die Veröffentlichung dort fällt weg - zu erfolgen hat. Zu Ihrer zweiten Frage. Dabei muss man abwägen. Ich habe gesagt: In manchen Regionen kostet die Veröffentlichung etwa 200 Euro. Das wird sich vermindern. Wenn die Kosten für die Veröffentlichung im Bundesanzeiger wegfallen, sind es vielleicht noch 100 Euro. Ich komme aus einem ländlichen Gebiet und weiß, dass dort eine Handelsregisterveröffentlichung in der Tageszeitung etwa 100 Euro kostet. Jetzt zurück zu Ihrer Frage zum Wettbewerbsnachteil. Man muss eben abwägen, ob die Information für alle ausreichend ist. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss man, denke ich, in Kauf nehmen, dass in einzelnen Regionen ein - finanziell sicherlich überschaubarer - Wettbewerbsnachteil - ich möchte das in Anführungsstriche setzen - besteht. Für eine bestimmte Übergangszeit ist der Informationsvorteil wichtiger als 100 oder 150 Euro Nachteil, die der Einzelne womöglich hat.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, Herr Kollege Grosse-Brömer.

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Staatssekretär, auch meine Fragen beziehen sich auf das elektronische Handelsregister. Erstens. Ist es geplant, bei der Einführung zumindest bundesweit, gegebenenfalls sogar europaweit ein einheitliches Portal zu gestalten? Nur dann würde eine Richtlinie wahrscheinlich Sinn machen. Die zweite Frage. Halten Sie, auf die Bundesrepublik Deutschland bezogen, die Führung eines solchen elektronischen Handelsregisters zwangsläufig für eine hoheitliche Aufgabe oder könnten Sie sich vorstellen - das ist eine Diskussion, die wir ansatzweise schon einmal geführt haben -, dass beispielsweise die Industrie- und Handelskammern, die ohnehin in vielfältiger Hinsicht mit Unternehmensgründungen, Fortbildungen usw. befasst sind, in der Lage sein könnten, diese Aufgabe zu übernehmen, und dadurch vielleicht auch zur Entbürokratisierung, die wir ja immer vollmundig fordern, beitragen könnten? ({0})

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Wir haben ein einheitliches Portal, Herr Kollege Grosse-Brömer, und zwar ist dies das Unternehmensregister. Über das Unternehmensregister finden Sie das einheitliche Portal für die elektronischen Handelsregister und Genossenschaftsregister in den jeweiligen Ländern. Das ist der richtige und auch vernünftige Weg, auf den wir uns mit den Ländern geeinigt haben. Wenn wir von Entbürokratisierung reden, müssen wir uns darauf verständigen, was das überhaupt ist. Ich verstehe unter Entbürokratisierung in erster Linie eine Vereinfachung und in zweiter Linie eine Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private. Wenn man eine Aufgabe wie die Führung des Handelsregisters auf die Industrieund Handelskammern überträgt, überträgt man das wieder auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit von einer staatlichen Regie in eine andere. Zudem sind wir der Ansicht, dass gerade die Publizität des Handelsregisters, also die Glaubwürdigkeit und die Verlässlichkeit des Handelsregisters in Bezug auf das, was darin steht, das Amtsgericht, das Handelsregistergericht als die richtige Stelle ausweist. Dazu kommt noch, dass später bei diesen Gerichten gegebenenfalls auch Rechtsmittel gegen Eintragungen verhandelt werden müssen. Es ist schon richtig und sinnvoll, wenn das in einer Einheit bleibt, also dort die Eintragung und auch die Überprüfung erfolgen. Ich halte das nach wie vor für die bessere Lösung. Zum anderen verfügen die meisten Bundesländer bereits jetzt über das elektronische Handelsregister - es gibt, glaube ich, nur noch ein Bundesland oder zwei Bundesländer, die diesen Weg noch nicht gegangen sind -; dort muss nur noch die Vernetzung mit dem Unternehmensregister erfolgen und sie wird auch erfolgen. Diese Bundesländer haben bereits hervorragende Erfahrungen damit gemacht, auch hinsichtlich der Beschleunigung der Verfahren. Mir ist bekannt, dass die Eintragung in einem Gerichtsbezirk - ich weiß allerdings nicht mehr, welches Gericht mir das mitgeteilt hat - mittlerweile innerhalb von fünf Tagen nach der Anmeldung erfolgt. Das ist ein hervorragendes Ergebnis, das von den Industrie- und Handelskammern nicht getoppt werden kann. Zudem müsste eine große Verschiebung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Amtsgerichte, die das gelernt haben, an die Industrie- und Handelskammern erfolgen. Ich weiß nicht, ob das im Sinne des Erfinders wäre. Außerdem können die Gerichte in diesem Fall - was mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, dass Gebühren an den Gerichten nur kostendeckend sein und nicht zu Gewinnen führen dürfen, eine Rolle spielt endlich einmal kostendeckend arbeiten. Das sollte man nicht unbedingt zerschlagen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Dyckmans.

Mechthild Dyckmans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003752, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, meine Frage bezieht sich auf den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten. Ich möchte erstens gerne wissen, ob die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf vor dem Hintergrund, dass bei den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten ein erhöhter Vollzugsaufwand zu erwarten ist, mit den Bundesländern abgestimmt hat. Als Zweites möchte ich gerne wissen, wie die Bundesregierung zu Überlegungen steht, auf einen alleinigen Auffangrechtserwerb des Staates zu verzichten und zusätzlich Opferschutzorganisationen an dem sichergestellten Vermögen zu beteiligen.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Zu Frage eins. Natürlich ist der Gesetzentwurf, wie es sich gehört, mit den Ländern abgesprochen und vereinbart. Wir haben hier auch eine große Einigkeit mit den Ländern erzielt, Frau Dyckmans. Der Vollzugsaufwand wird sicherlich größer sein, als er heute ist. Aber die Möglichkeit der Länderjustizkassen, sichergestelltes, aus Straftaten erlangtes Vermögen einzuziehen, ist sehr viel größer. Die Länder haben kein bisschen gezuckt, als wir ihnen das angeboten haben. Dagegen gewehrt haben sich die Strafverteidigervereinigungen, die BRAK und der DAV. Ich denke, das mussten sie im Interesse derer, die sie verteidigen, tun. Zweitens. Es mag den Ländern obliegen, zu entscheiden, ob sie das sichergestellte und eingezogene Vermögen in diesem Falle an Opferorganisationen weitergeben. Wir, die wir hier sitzen und dieses Geschäft schon etwas länger machen, haben - nicht wahr, Herr Montag - mit einem Gesetzentwurf, der noch nicht einmal bis in die Endberatung gekommen ist, den verzweifelten Versuch unternommen, 5 Prozent der Einnahmen durch Geldstrafen für Opferverbände abzuzweigen, und sind dabei an dem einheitlichen Widerstand aller Bundesländer gescheitert. Vielleicht gelingt es uns ja in der großen Koalition mit Unterstützung der FDP, hier gemeinsam einen Weg zu finden. Ich persönlich würde einen solchen Weg durchaus mitgehen können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen zu diesem Themenbereich sind nicht angemeldet. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Herr Kollege Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eine Frage an die Bundesregierung. Ursprünglich war auf der Tagesordnung der Kabinettssitzung der Gesetzentwurf zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vorgesehen. In diesem Gesetzentwurf scheint vorgesehen zu sein, dass zur besseren Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf erwerbsbedingte Betreuungskosten ab dem ersten Euro bis zu einem Betrag von 1 000 Euro je Kind wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden können. Das ist der positive Teil. Der negative Teil ist, dass die bisherige Regelung, dass entsprechende Gelder in der Größenordnung bis 1 548 Euro abgesetzt werden können, gestrichen wird. Meine Frage: Wie entwickelt sich das weiter und wie kann ein Gesetzentwurf Familien fördern, wenn er vorsieht, die derzeitige Förderung zu reduzieren?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Staatsministerin Müller.

Not found (Gast)

Herr Thiele, das Thema war nicht formal auf der Tagesordnung. Es handelte sich um eine Nachmeldung. In dieser Angelegenheit gibt es noch Abstimmungsbedarf zwischen den Häusern. Dieses Thema wird schnellstmöglich auf einer der nächsten Kabinettssitzungen aufgerufen werden.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kurze Nachfrage. Ist es denn richtig, dass mit diesem Entwurf eine Schlechterstellung beabsichtigt werden soll?

Not found (Gast)

Da es sich um einen nicht abgestimmten Entwurf handelt, bitte ich um Verständnis, dass ich dazu keine weitere Stellungnahme abgeben kann. Das Thema ist, wie gesagt, im Kabinett formal noch nicht behandelt worden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gibt es jetzt noch weitere Fragen an die Bundesregierung? ({0}) - Das scheint im Allgemeinen ausgeprägter als im Konkreten zu sein. Damit beende ich die Befragung der Bundesregierung. Ich schlage vor, dass wir die Sitzung kurz unterbrechen, nachdem wir das erste Wahlergebnis, das dank der schnellen Auszählung durch die Schriftführerinnen und Schriftführer jetzt vorliegt, bekannt gegeben haben. Denn es sind noch nicht alle Fragesteller anwesend. Einige haben möglicherweise mit einem etwas größeren zeitlichen Verzug durch den vorhergehenden Tagesordnungspunkt gerechnet. Ich gebe Ihnen also zunächst das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums bekannt. Abgegebene Stimmkarten 564, davon gültig 564. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Dr. Norbert Röttgen 524 Stimmen, auf Bernd Schmidbauer 505 Stimmen, auf Dr. Hans-Peter Uhl 497 Stimmen, auf Olaf Scholz 521 Stimmen, auf Joachim Stünker 516 Stimmen, auf Fritz Rudolf Körper 521 Stimmen, auf Dr. Max Stadler 531 Stimmen, auf Wolfgang Neskovic 415 Stimmen ({1}) und auf Hans-Christian Ströbele 435 Stimmen.1) ({2}) Diese neun Abgeordneten haben die nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes erforderliche Mehrheit von 308 Stimmen erreicht. Sie sind damit als Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums gewählt. Die Abstimmungsergebnisse der beiden übrigen Wahlen geben wir dann später bekannt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schlage vor, dass wir nun die Sitzung für zehn Minuten unterbrechen. Das gibt den Parlamentarischen Geschäftsführern die Möglichkeit, sich zu vergewissern, wer von den eigenen Kollegen eine Frage gestellt hat, aber noch nicht anwesend ist. Wir beginnen mit der Fragestunde um 14.15 Uhr. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, gebe ich das Ergebnis der zweiten Wahl bekannt. Dabei handelt es sich um die Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes. Abgege- bene Stimmkarten 571, davon gültig 571, Enthaltungen 1. 1) Anlage 2 Präsident Dr. Norbert Lammert Von den gültigen Stimmen entfielen auf Jochen-Konrad Fromme 534 Stimmen, auf Bartholomäus Kalb ebenfalls 534 Stimmen, auf Steffen Kampeter 529 Stimmen, auf Bernhard Brinkmann 538 Stimmen, auf Klaas Hübner 536 Stimmen, auf Carsten Schneider 540 Stimmen, auf Otto Fricke 541 Stimmen, auf Dr. Gesine Lötzsch 512 Stimmen und auf Anja Hajduk 530 Stimmen. Diese neun Abgeordneten haben die erforderliche Mehrheit von 308 Stimmen erreicht. Sie sind damit als Mitglieder des Gre- miums gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwaltungs- gesetzes gewählt.1) Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksache 16/157 - Die Geschäftsbereiche werden in der schriftlich vor- liegenden Reihenfolge aufgerufen. Wir kommen zu- nächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Für die Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Hendricks zur Verfügung. Die Frage 1 der Kollegin Dr. Uschi Eid wird schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 2 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf: Trifft es zu, dass zwischen den Jahren 1995 und 2004 ein starker Rückgang der kommunalen Investitionsquote von 18,9 auf 13,2 Prozent, insbesondere bei den kommunalen Sachin- vestitionen, und davon ausgehend „mittel- bis längerfristig eine erhebliche Gefährdung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ festzustellen ist - siehe KfW-Bankengruppe, „Wirtschafts-Observer online“, „Öffentliche Infrastruktur und kommunale Finanzen in Deutschland“, Nr. 5, November 2005 -, und was will die Bundesregierung tun, um die kommunalen In- vestitionen wieder auf das für die Entwicklung von Wirtschaft und kommunaler Infrastruktur nötige Maß zu erhöhen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Enkelmann, Ziel der Politik der Bun- desregierung sind starke und handlungsfähige Kommu- nen. Die Entwicklung der kommunalen Investitionen war in den vergangenen Jahren nicht zufriedenstellend. Es kam, wie in Ihrer Frage dargestellt, zu einem Rück- gang der Sachinvestitionsausgaben von 18,9 Prozent im Jahr 1995 auf 13,2 Prozent im Jahr 2004, bezogen auf die kommunalen Haushalte. Eine Gefährdung für den Wirtschaftsstandort Deutschland ergibt sich nicht, auch nicht für die Zukunft. Die Bundesregierung hat bereits in der 15. Legislatur- periode durch die erfolgreiche Reform der Gewerbe- steuer und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nachhaltige Beiträge zur Stärkung der Kom- munalfinanzen geleistet. So erhöhten sich im Jahr 2004 die Gewerbesteuereinnahmen gegenüber 2003 netto um über 30 Prozent. Zusätzlich wird die kommunale Ebene nach den jüngsten Entscheidungen auf der Ausgaben- seite aufgrund der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe um mehr als die zugesagten 2,5 Milliar- den Euro entlastet. 1) Anlage 3 Aufgrund der Maßnahmen des Bundes hat die kommunale Ebene Handlungsspielräume auch im investiven Bereich zurückgewonnen. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sichert die strukturelle Handlungsfähigkeit der Kommunen. Die Neugestaltung der föderalen Rahmenbedingungen, Maßnahmen zur Stärkung des wirtschaftlichen Wachstums und einer zielgerichteten Konsolidierung der öffentlichen Haushalte verbessern auch die finanzielle Situation der Kommunen. Die Koalitionsvereinbarung greift zahlreiche kommunale Anliegen auf, damit die Kommunalfinanzen auch zukünftig auf einer soliden Basis stehen. Dies wird von den kommunalen Spitzenverbänden anerkannt. So verlautbarte zum Beispiel der Deutsche Städte- und Gemeindebund: Die Konsolidierung des Bundeshaushaltes und das Bekenntnis, dass es keine Spielräume für weitere Steuersenkungen bzw. zusätzliche staatliche Leistungen gibt, liegen auch im Interesse der Kommunen. Weiter heißt es: Deshalb wäre es falsch, … eine ablehnende Generalkritik an dem Koalitionsvertrag zu üben. Auch in den Jahren 2005 und 2006 werden sich die kommunalen Steuereinnahmen nach den Ergebnissen der Steuerschätzung vom November 2005 deutlich besser entwickeln als die Steuereinnahmen von Bund und Ländern. Die Gewerbesteuereinnahmen netto werden sich nach der Steuerschätzung, ausgehend vom bisherigen Allzeithoch des Jahres 2004, um etwa 9,4 Prozent in diesem Jahr erhöhen. Für 2006 wird eine weitere Steigerung in Höhe von 5,3 Prozent angenommen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ihre Zusatzfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe zwei Zusatzfragen, Herr Präsident. Meine erste Zusatzfrage, Frau Staatssekretärin. Ausgehend davon, dass in dem Bericht für die KfW-Bankengruppe, auf den ich mich beziehe, unter anderem die Aussage enthalten ist - mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich gerne zitieren -, dass von diesem starken Rückgang der kommunalen Sachinvestitionen „mittel- bis längerfristig eine erhebliche Gefährdung für den Wirtschaftstandort Deutschland“ ausgeht, frage ich Sie, Frau Staatssekretärin: Halten Sie mit Blick auf die Entwicklung der regionalen Wirtschaft eine Investitionsquote in den Kommunen von 13 Prozent tatsächlich für gesund?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Frau Kollegin Enkelmann. In der Tat wäre es mit Blick auf die Entwicklung der regionalen Wirtschaft erstrebenswert, wenn die kommunale Investitionsquote wieder ansteigen würde. Ich hatte Ihnen zu Beginn der Beantwortung der Frage ja auch gesagt, dass diese Entwicklung nicht zufriedenstellend war. Aber die Bundesregierung ist natürlich nur in der Lage, die Einnahmesituation der Kommunen zu verbessern, was sie - das habe ich Ihnen gerade umfänglich dargestellt - schon seit geraumer Zeit mit Erfolg tut und natürlich erfolgreich fortsetzen wird. Damit wird den Kommunen die Möglichkeit an die Hand gegeben, im investiven Bereich den Nachholbedarf, der objektiv in vielen Kommunen - wenn auch nicht in allen - entstanden ist, auszugleichen. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir auf der Ausgabenseite eine Entlastung von über 2,5 Milliarden Euro herbeiführen, dass wir in 2004 die höchsten Gewerbesteuereinnahmen überhaupt hatten, dass diese in diesem Jahr um mehr als 9 Prozent steigen werden und für das nächste Jahr eine weitere Steigerung von über 5 Prozent angenommen wird. Insgesamt werden sich damit die Steuereinnahmen der Kommunen deutlich positiver entwickeln als die des Bundes und der Länder. Damit werden die Kommunen in die Lage versetzt, den in vielen Kommunen tatsächlich aufgelaufenen Nachholbedarf abzubauen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatssekretär, ich komme jetzt auf die Einnahmesituation der Kommunen zu sprechen. Unabhängig davon, dass die Gewerbesteuern tatsächlich partiell gestiegen sind, gibt es nach wie vor ein erhebliches Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben der Kommunen, das in diesem Jahr bei über 5 Milliarden Euro liegen wird. Daher frage ich: Was will die Bundesregierung tatsächlich tun, um die Finanzausstattung der Kommunen auf stabile Füße zu setzen? Was ist zum Beispiel mit der Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Enkelmann, die Kommunen sind schon an der Umsatzsteuer beteiligt, und zwar mit einer Quote von 2,2 Prozent am gesamten Umsatzsteueraufkommen. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, diesen kommunalen Anteil zu erhöhen. Denn dies würde selbstverständlich zulasten der anderen Anteilseigner - sprich: des Bundes oder der Länder - gehen. Da die Steuereinnahmeentwicklung der Kommunen aber, wie ich Ihnen gerade dargestellt habe, bei weitem positiver ist als die des Bundes oder der Länder, gibt es für die Gebietskörperschaften, die tendenziell schlechter dastehen als die Gesamtheit der Kommunen, keinerlei Veranlassung, einen weiteren Verzicht zugunsten der Kommunen zu üben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen zu diesem Komplex liegen nicht vor. Dann kommen wir nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Hier steht zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller zur Verfügung. Ich rufe Frage 3 des Kollegen Hellmut Königshaus auf: Weshalb war die Umbenennung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft in Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz notwendig, und welche Kosten sind damit verbunden?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Herr Kollege Königshaus, Umbenennungen von Bundesministerien werden im Rahmen von Aufgabenverlagerungen oder Aufgabenneubestimmungen nach politischen Zielsetzungen im Rahmen der Regierungsbildung vorgenommen. Sie machen die fachlichen Zuständigkeiten und die politisch-strategischen Zielstellungen der Bundesministerien für die Bürgerinnen und Bürger transparent. Durch die Anordnung der Politikfelder in unserem Haus in alphabetischer Reihenfolge wird nunmehr die gleichrangige Bedeutung aller Politikfelder ausgedrückt. Im Rahmen der Umbenennung sind bisher Kosten in Höhe von circa 7 500 Euro angefallen. Abrechnungen über weitere beauftragte Maßnahmen stehen noch aus. Insgesamt können die Gesamtkosten voraussichtlich circa 15 000 Euro betragen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, bedeutet das, dass die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen wäre, die Gleichwertigkeit dieser Bereiche deutlich zu machen, ohne eine solch kostspielige Umbenennung vorzunehmen?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Ich habe eine Begründung gegeben. Wir sehen die Gleichwertigkeit dieser drei Bereiche nebeneinander. Die Umbenennung ist sinnvoll und wurde - wir Schwaben sind besonders bekannt dafür - äußerst sparsam umgesetzt. Allein dadurch, dass wir auf das weitere Herausgeben einer Broschüre verzichten, wurden diese Kosten bereits im laufenden Etat eingespart.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dass Sie, Herr Staatssekretär, eine offenbar überflüssige Broschüre nicht länger herausgeben, begrüßen wir als Opposition natürlich. Allerdings hätten wir es noch mehr begrüßt, wenn Sie die überflüssigen Ausgaben für die Umbenennung des Ministeriums ebenfalls vermieden hätten. Sehen Sie das nicht genauso?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Hier muss man weiter in die Vergangenheit zurückgehen. Die Umbenennung des Hauses hat die Vorgängerregierung zu verantworten. Wir haben diesen Beschluss sinnvollerweise korrigiert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kasparick zur Verfügung. Zunächst zu Frage 4 des Kollegen Königshaus: Sind der neuen Bundesregierung die Probleme im Zusammenhang mit dem Schall- und Erschütterungsschutz an der Anhalter Bahn bekannt und ist sie im Gegensatz zur vorangegangenen Bundesregierung bereit - vergleiche zum Beispiel die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Angelika Mertens, auf meine Frage 58 in der Fragestunde am 15. Dezember 2005, Plenarprotokoll 15/147, Seite 13753 D -, den betroffenen Anwohnern den ihnen zustehenden Schutz auch ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu gewähren?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Kollege Königshaus, Sie stellen zu Beginn dieser Legislaturperiode die Frage, ob der neuen Bundesregierung die Probleme im Zusammenhang mit dem Schall- und Erschütterungsschutz an der Anhalter Bahn bekannt sind. Ich darf Ihnen versichern: Wir stehen in großer Kontinuität zur Vorgängerregierung und sind mit diesen Problemen vertraut. Auch darf ich Ihnen versichern, dass die Antworten auf Ihre Anfragen zu diesem Thema, die ja eine lange Geschichte haben, nach wie vor gültig sind. Ich darf Sie aufmerksam machen auf die Antworten von Frau Kollegin Angelika Mertens vom 15. Juni 2005 und von Kollegin Iris Gleicke vom 19. Januar 2005. Darüber hinaus haben Sie am 15. Dezember 2004 eine Antwort von der Kollegin Angelika Mertens bekommen, am 1. Dezember 2004 von der Kollegin Iris Gleicke sowie am 10. November 2004 vom Kollegen Achim Großmann. Beim Aktenstudium habe ich, wenn es denn erfolgreich war, die Erkenntnis gewonnen, dass die Antworten auf Ihre Fragen eine sehr große Kontinuität aufweisen. An diesem Sachstand hat sich nichts geändert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, bedeutet dies, dass die in der Koalitionsvereinbarung getroffene Aussage, wonach es in diesem Bereich zu einer Trendwende kommen soll und die Lärmminderungsprogramme insbesondere an bestehenden Schienenwegen weiterentwickelt werden sollen, nicht in die Tat umgesetzt wird? Denn Sie wollen ja in Kontinuität zur bisherigen, der Koalitionsvereinbarung zufolge offenkundig unzureichenden Situation verharren.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Kollege Königshaus, Sie können davon ausgehen, dass wir alles daransetzen, die Koalitionsvereinbarung auch umzusetzen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte zunächst einmal darum bitten, dass meine Frage beantwortet wird: Kann ich mich darauf verlassen, dass die Koalitionsvereinbarung umgesetzt wird? Denn Sie, Herr Kollege, haben gerade erklärt, dass sie in diesem Bereich offenkundig nicht umgesetzt werden soll, da man in der bisherigen Situation verharren will. Werden die Lärmminderungsprogramme nun weiterentwickelt oder nicht? Das ist die Frage, die zu beantworten ich Sie bitte.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Meine Antwort auf Ihre Frage lautet: Sie können davon ausgehen, dass diese Regierung die Koalitionsvereinbarung umsetzen wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bei großzügiger Interpretation haben Sie jetzt noch eine weitere Zusatzfrage.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bedanke mich für Ihre Großzügigkeit, Herr Präsi- dent. - Ich nehme zur Kenntnis, was die Bundesregie- rung offenkundig von ihrer eigenen Koalitionsaussage hält. Nun könnten Sie aber noch etwas zu der doch eher dynamischen Betrachtungsweise der früheren Staatsse- kretärin Mertens sagen, die mit Blick auf das Verwal- tungsverfahrensgesetz eine Feststellung getroffen hat, auf die meine Frage - wenn Sie sie genau gelesen hätten, hätten Sie das bemerkt - eigentlich abzielt: Müssen die betroffenen Bürger zunächst ein Gerichtsverfahren in Gang setzen - die Staatssekretärin selbst ging offenbar davon aus, dass sie es auch gewinnen würden - oder ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Koali- tionsvereinbarung geneigt, im Interesse der Bürger da- rauf zu verzichten und sofort von sich aus tätig zu wer- den?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Königshaus, wir beide sind mit dem Sachver- halt, um den es hier geht, vertraut. Sie versuchen, eine Einzelfallentscheidung auf die Ebene des Deutschen Bundestages zu stellen. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit: Die Antworten der Bundes- regierung auf Ihre Anfragen haben von ihrer Gültigkeit nichts verloren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Frage 5 des Kollegen Alexander Ulrich wird schriftlich beantwortet. Das gibt mir Anlass, darauf hin- zuweisen, dass eine ganze Reihe von Fragen, die zur heutigen Fragestunde eingereicht wurden, aufgrund un- serer Richtlinien deshalb schriftlich beantwortet werden, weil es zu unseren Vereinbarungen gehört, dass Fragen, die einen Tagesordnungspunkt der laufenden Sitzungs- woche betreffen, schriftlich beantwortet werden. Das ist durch die vorhin einvernehmlich erfolgte Vereinbarung der Aufsetzung des nächsten Debattenpunktes insoweit ebenfalls einvernehmlich erfolgt. Bevor ich den nächsten Geschäftsbereich aufrufe, kann ich Ihnen das Ergebnis des dritten Wahlganges be- kannt geben; hier handelt es sich um die Wahl der Mit- glieder des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung. Abgegebene Stimmkarten 571; alle gültig. Von diesen Stimmen entfielen auf Herbert Frankenhauser 535, auf Steffen Kampeter 526, auf Dr. Michael Luther 536, auf Bettina Hagedorn 543, auf Dr. Petra Merkel 541, auf Carsten Schneider eben- falls 541, auf Jürgen Koppelin 532, auf Dr. Gesine Lötzsch 522 und auf Alexander Bonde 528 Stimmen.1) Damit sind diese neun Abgeordneten nach § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kon- trolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes mit der erforderlichen Mehrheit von 308 Stimmen - oder mehr, versteht sich - gewählt. Ich gratuliere allen in die vorhin genannten Gremien Gewählten und kehre zurück zur Fragestunde. Aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes gibt es keine mündlich zu beantwortenden Fragen mehr. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- ums für Arbeit und Soziales auf. Der Kollege Parlamen- tarischer Staatssekretär Andres steht zur Beantwortung zur Verfügung. Der Kollege Kolb ist nicht da, hat aber beantragt, dass seine Fragen 10 und 11 schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf: Trifft es zu, dass bisher nicht einmal jedem zehnten Emp- fänger von Arbeitslosengeld II, ALG II, Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten wurden und dass die Bearbeitungsfristen für Anträge regelmäßig über vier Wochen liegen - siehe repräsentative Umfrage in „Finanztest“ 11/2005 -, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den in der Untersuchung aufgezeigten Mängeln beim ALG II?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Abgeordnete Enkelmann, es trifft nicht zu, dass weniger als 10 Prozent der Empfänger von Arbeitslosen- geld II eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme angeboten 1) Anlage 4 wurde. Von rund 4,93 Millionen Empfängern von Arbeitslosengeld II kommen nur 2,79 Millionen für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in Betracht. Die übrigen sind aus unterschiedlichen Gründen derzeit nicht aktivierbar. Im November 2005 gab es 432 000 Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Richtig ist, dass die Anträge auf Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende in der Anlaufphase nicht so schnell wie gewünscht abgearbeitet werden konnten. Daten zur Dauer der Antragsbearbeitung werden noch nicht erhoben, sodass verlässliche Aussagen nicht möglich sind. Die Stiftung Warentest hat in diesem Zusammenhang eingeräumt, dass ihre Erhebung, die bei 4 400 von bundesweit 4,88 Millionen Empfängern von ALG II erfolgt ist, nicht repräsentativ ist. Die Arbeitsgemeinschaften sollen zukünftig mehr Verantwortung bekommen, im Gegenzug müssen sie sich bereit erklären, an der Controlling-Berichterstattung und einem Benchmarking teilzunehmen sowie bestimmte Mindeststandards zu erfüllen. Dazu gehört auch die Überwachung und gegebenenfalls Korrektur der Bearbeitungszeiten. Zudem wird der Personalstock in den Arbeitsgemeinschaften im Jahre 2006 nochmals um 2 500 Stellen angehoben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich beziehe mich nicht nur auf die Umfrage, die in der Zeitschrift „Finanztest“ im November 2005 veröffentlicht worden ist, sondern auch auf Gespräche mit der örtlichen Arbeitsagentur. Danach ist bekannt, dass auch ein großer Teil von jugendlichen ALG-II-Empfängern unter 25 Jahren bisher kein Angebot bekommen haben. Wie will die Bundesregierung die entsprechenden Regelungen, dass jugendliche Leistungsbezieher unter 25 Jahren ein Angebot der Arbeitsagentur bekommen, tatsächlich durchsetzen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Kollegin, nach meinem Kenntnisstand haben jugendliche Leistungsbezieher unter 25 Jahren einen Rechtsanspruch darauf, eine Maßnahme angeboten zu bekommen. ({0}) - Ich bin Ihrer Meinung. Wenn es einen Rechtsanspruch gibt, kann man ihn auch durchsetzen. Das, was Sie hier so allgemein behaupten, dass es viele Jugendliche gäbe, die keine Angebote bekämen, kann ich zunächst nur so zur Kenntnis nehmen. Ob das tatsächlich der Fall ist, weiß ich nicht. ({1}) - Ich bedanke mich für den Hinweis, Frau Kollegin.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, wie ernst nimmt die Bundesregierung den Hinweis aus der bereits zitierten Untersuchung, dass viele Betroffene ihren Fallmanager bislang nicht kennen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Sehr ernst.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir kommen zur Frage der Kollegin Brigitte Pothmer - ({0}) - Wo waren die angemeldet? ({1}) - Das nehme ich gerne und mit Respekt zur Kenntnis. Es wäre aber schön, wenn kenntlich würde, dass Sie Fragen haben. Ich kann nur diejenigen aufrufen, deren Meldung ich auch gesehen habe. Bitte schön.

Kornelia Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003811, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich hatte mich vorhin gemeldet und bitte das zu entschuldigen. Auch ich bin hier neu. Herr Staatssekretär Andres, stimmen Sie mir darin zu, dass für die Durchführung von Hausdurchsuchungen bei Menschen, die ALG II bekommen, konkrete Gründe im Einzelfall gegeben sein müssen, und stimmen Sie mir ebenfalls darin zu, dass es sich bei Hausdurchsuchungen um hoheitliche Aufgaben handelt, die nicht an private Unternehmen übertragen werden können? Ganz konkret: Mir ist zur Kenntnis gebracht worden, dass private Unternehmen zusammen mit dem Zoll Hausdurchsuchungen bei Menschen durchführen, die ALG II bekommen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, ich stimme Ihnen nicht zu.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bevor wir zu der Frage von Frau Zimmermann kommen, möchte ich noch Folgendes sagen, weil es offenkundig leichte Irritationen gegeben hat. Fragen in der Fragestunde müssen natürlich nicht wie Wortmeldungen vorne beim Präsidium angemeldet werden. Es reicht völlig, wenn man sich in einer für den amtierenden Präsidenten nachvollziehbaren Weise zu Wort gemeldet hat. Wenn wir einmal etwas übersehen - auch das kann vorkommen -, wird das, wenn es vor Sitzungsende passiert, in der Regel korrigiert. Ich denke aber, dass sich das alles einspielen wird.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Präsident, darf ich vielleicht noch darauf hinweisen und Ihrem wohlgefälligen Ohr mitteilen, dass Zusatzfragen, die gestellt werden, etwas mit der ursprünglich gestellten Frage zu tun haben sollten und nicht mit einem Thema, das einem gerade einfällt. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Staatssekretär, ich empfehle Ihnen, da nicht in eine Diskussion mit dem Präsidenten einzutreten, ({0}) weil ich sonst der Vollständigkeit halber darauf hinweisen müsste, dass auch die Antworten der Bundesregierung sich in der Nähe der Fragen bewegen sollten. ({1}) Bitte schön, Frau Kollegin Zimmermann.

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident, wir alle üben noch und werden uns bemühen. Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich nehme Bezug auf die Frage von Frau Enkelmann: Stimmen Sie zu, dass es in den Arbeitsgemeinschaften nicht nur ein strukturelles Problem gibt, sondern dass darüber hinaus beim Personal Qualifikationsprobleme erkennbar sind? Die Arbeitsgemeinschaften setzen sich zum einen aus Personal der Agenturen und zum anderen aus Personal der Kommunen zusammen, das teilweise aus artfremden Bereichen kommt. Die Bundesagentur hat für eine Qualifikation von Fallmanagern gesorgt, schließlich legt sie großes Augenmerk auf eine gute Vermittlung. Ich frage Sie: Wie wollen Sie hinsichtlich der Fallmanager das Problem bei den kommunalen Beschäftigten lösen und diese Qualifizierungslücke schließen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Im ersten Teil stimme ich Ihnen zu. Im zweiten Teil verweise ich darauf, dass sich die Bundesagentur und die Arbeitsgemeinschaften kräftig darum bemühen, Qualifizierungen für das beschäftigte Personal anzubieten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es ist immer nur eine Zusatzfrage möglich, wenn man die Frage nicht selber eingereicht hat. Frau Kollegin Golze, bitte schön.

Diana Golze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003759, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Auch ich nehme Bezug auf die Frage von Frau Enkelmann. Selbst wenn die Umfrage von „Finanztest“ nicht repräsentativ ist, so ist es doch so, dass zahlreiche Bescheide nach wie vor fehlerhaft sind. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll, die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen wieder einzuführen, um soziale Härten zu verhindern?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein.

Diana Golze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003759, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Warum?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Entschuldigen Sie, Sie haben mich gefragt, ob es sinnvoll ist. Das kann ich mit Ja oder Nein beantworten. Ich bin der Meinung, dass die Frage damit ausreichend beantwortet ist. Ich beziehe mich hierbei übrigens auf das, was der Präsident vorhin gesagt hat. Wenn Sie mich so fragen, bekommen Sie eine solche Antwort.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Da die zweite Zusatzfrage nicht mehr zulässig war, hätte sie auch gar nicht beantwortet werden müssen. ({0}) Insofern erübrigt sich die Aufregung auf beiden Seiten. Weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen habe ich nicht gesehen. Habe ich jemanden übersehen? - Das ist offenkundig nicht der Fall. Die Fragen 13 und 14 der Kollegin Pothmer und die Fragen 15 und 16 des Kollegen Kurth sollen schriftlich beantwortet werden. ({1}) - Dann gilt das, was ich gerade gesagt habe: So etwas korrigieren wir gerne in Echtzeit. Wir hatten die entsprechende Bitte hier aber so protokolliert. Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Pothmer auf: Wann rechnet die Bundesregierung damit, dass die Agenturen für Arbeit die nach dem Entwurf zum SGB-II-Änderungsgesetz geänderte Regelleistung in den neuen Ländern in der neuen Höhe von 345 Euro an die Anspruchsberechtigten ausbezahlen können, und wie kompensiert die Bundesregierung die Differenz zwischen tatsächlich ausbezahlter Leistung und neuer Regelleistung für die Anspruchsberechtigten, wenn In-Kraft-Treten des Gesetzes und Auszahlung der Regelleistung in neuer Höhe zeitlich auseinander fallen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Abgeordnete, nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit wird die angeglichene Regelleistung in den neuen Bundesländern ab dem Zeitraum zwischen dem 1. Mai und dem 1. Juli 2006 IT-technisch unterstützt ausgezahlt werden können. Daher soll die Neuregelung nach Auffassung der Bundesregierung zwar so schnell wie möglich, aber voraussichtlich nicht vor dem 1. Mai 2006 und keinesfalls nach dem 1. Juli 2006 in Kraft treten. Auf diese Weise soll ein Auseinanderfallen von InKraft-Treten und Umsetzung vermieden werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn Sie diese Entscheidung getroffen haben, wie kann ich dann die Tatsache verstehen, dass das Kabinett noch am 29. November ein In-Kraft-Treten zum 1. Januar 2006 beschlossen hat?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich muss Ihnen sagen, von einem solchen Beschluss ist mir nichts bekannt.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Von einem solchen Beschluss ist Ihnen nichts bekannt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ihnen ist also nicht bekannt, dass das Kabinett am 29. November 2005 ein In-Kraft-Treten zum 1. Januar 2006 beschlossen hat?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gut. - Dann schlage ich vor, dass wir beide bezüglich dieser Frage noch einmal recherchieren und uns die Ergebnisse gegenseitig mitteilen werden.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ja.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Fragestunde wird noch zum Ort gemeinsamer spontaner Vereinbarungen. Das schließt unsere Geschäftsordnung nicht ausdrücklich aus. Insofern stehe ich dem nicht im Wege. Präsident Dr. Norbert Lammert Ich rufe Frage 14 auf: Wie hoch beziffert die Bundesregierung den Schaden, der dem Bund aus den Funktionsmängeln der von der Firma T-Systems gelieferten Software A2LL zur Bearbeitung der Leistungsansprüche im SGB II bisher entstanden ist, und wie wird sichergestellt, dass die Bundesagentur für Arbeit möglichst bald und ohne zusätzliche finanzielle Belastungen der Steuerund Beitragszahler eine funktionstüchtige Software für den Bereich SGB II zur Verfügung hat?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Die Bundesagentur für Arbeit beziffert den im Zusammenhang mit der Software A2LL zur Umsetzung des SGB II entstandenen Mehraufwand auf insgesamt circa 28 Millionen Euro. Daher wurden an T-Systems bisher nur erste Beträge für Konzept, Lizenz, den Betrieb und den Test der Software gezahlt. Im Übrigen werden die Schadensersatzforderungen so weit wie möglich aufgerechnet. Die Sicherstellung einer funktionstüchtigen Software zur Umsetzung des SGB II hat oberste Priorität. Dies wurde auch in einem Workshop zur A2LL mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit am 12. Oktober 2005 bekräftigt. Nach Angaben des Auftragnehmers, T-Systems, wird A2LL im Jahre 2006 weitgehend fertig gestellt sein. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Bundesagentur für Arbeit aufgefordert, einen Bericht mit den weiteren Schritten zur Fertigstellung zu erstellen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Rechnen Sie denn damit, dass dieses System überhaupt irgendwann einmal wunschgemäß funktionsfähig sein wird?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ja.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ist die Information richtig, dass es gleichwohl Verhandlungen mit T-Systems darüber gibt, dieses System grundsätzlich auszutauschen, und wenn diese Information also richtig ist, wie viel Mehrkosten werden damit voraussichtlich verbunden sein?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Über den Austausch oder den Ersatz des Systems wird gegenwärtig diskutiert. Entscheidungen darüber sind überhaupt noch nicht getroffen worden, sodass ich erstens nicht sagen kann, ob ausgetauscht wird; das ist das erste Problem. Da das nicht entschieden ist, kann ich zweitens auch überhaupt nichts über Kosten sagen; denn das würde ja voraussetzen, dass man ersetzt.

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mehr Fragen habe ich leider nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Mehr dürften Sie jetzt auch gar nicht stellen. Ich rufe Frage 15 des Kollegen Kurth auf: Welche Informationen liegen der Bundesregierung darüber vor, wie viele Umzugsaufforderungen durch die kommunalen Kostenträger aufgrund nicht angemessener Unterbringungskosten seit Ende Juni 2005 ausgesprochen wurden?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Kollege Kurth, im Rahmen der zweigeteilten Trägerschaft in der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind die kommunalen Träger für die Leistungen für Unterkunft und Heizung zuständig. Die gesamten Leistungen nach § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch werden in originärer Trägerschaft von den kreisfreien Städten und Kreisen erbracht. Im Rahmen dieser Trägerschaft unterliegen die kommunalen Träger keiner Weisung oder Aufsichtsrechten des Bundes. Die Aufsicht über den Vollzug von § 22 SGB II durch die kommunalen Träger obliegt ausschließlich den Ländern. Der Bundesregierung liegen daher keine Daten zur Anzahl der seit Ende Juni 2005 ausgesprochenen Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten vor. Wenn Sie gestatten, möchte ich die Frage 16 gleich mit beantworten, weil sie zu diesem Thema gehört.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte gerne zu dieser Frage direkt meine Zusatzfragen stellen, Herr Andres.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Gut, kein Problem.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Hält es die Bundesregierung politisch für sinnvoll, sich einen umfassenden Überblick über die Umzugsaufforderungen der Kommunen zu verschaffen und über das Instrument der Rechtsverordnung, das der Bundesregierung in diesem Zusammenhang durchaus zur Verfügung steht, steuernd einzugreifen, falls sich herausstellen sollte, dass die Zahl der Umzugsaufforderungen einen gewissen Umfang übersteigt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Der Bund hat bisher davon abgesehen, von der Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen, weil wir glauben, dass das komplizierte Geflecht zwischen Kommunen auf der einen Seite und Arbeitsagenturen auf der anderen Seite nicht durch unmittelbare Steuerung oder Eingriffe in kommunales Leistungsrecht zusätzlich belastet werden soll. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen sollten, dass es, so wie Sie es unterstellen, massenhaft zu Umzugsaufforderungen gekommen ist, muss man die Frage erneut diskutieren. Aber das sehen wir gegenwärtig nicht.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich unterstelle gar nicht, dass es massenhaft zu Umzugsaufforderungen gekommen ist. Ich frage noch einmal abschließend: Die Bundesregierung beabsichtigt also nicht, zu diesem Punkt eine zentrale Datenerhebung durchzuführen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Noch einmal: Sie haben nach zwei unterschiedlichen Dingen gefragt. Ihre erste Frage zielt darauf ab, ob wir von der Verordnungsermächtigung Gebrauch machen. Das ist etwas anderes. Ihre zweite Frage nach der Datenerhebung, um sich einen Überblick zu verschaffen, beinhaltet etwas, was im Interesse der Bundesregierung liegt. Aber wir haben nicht unmittelbar den Zugang oder die Möglichkeit, die kommunalen Träger in diesem Zusammenhang zu Auskünften zu „zwingen“. Es finden eine ganze Reihe von Gesprächen auch mit den kommunalen Spitzenverbänden statt, um einen umfassenden Überblick zu bekommen. Daran arbeiten wir selbstverständlich.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufen wir nun die Frage 16 auf: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Praktiken einzelner Kommunen vor, zur Reduzierung ihrer Unterkunftskosten Umzugsaufforderungen ohne Übergangsregelung auszusprechen oder ALG-II-Empfängerinnen und -Empfänger dazu zu veranlassen, überhöhte Wohnkosten aus ihrem Regelsatz zu begleichen, und welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung gegen Kommunen vor, die in Angelegenheiten der Wohnkosten nicht nach den Vorschriften des SGB II verfahren?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass die kommunalen Träger Aufforderungen zur Senkung der unangemessenen Unterkunftskosten ohne die Einräumung eines angemessenen Übergangszeitraums aussprechen. Es liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, ob die zuständigen Leistungsträger die Betroffenen darauf verweisen, unangemessene Unterkunftskosten aus der Regelleistung zu bestreiten. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der kommunale Träger sowohl bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten als auch bei der Festsetzung eines Zeitraums der Übernahme von unangemessenen Unterkunftskosten das örtliche Mietniveau und die Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes zu beachten hat. Die in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II genannte sechsmonatige Übergangsfrist stellt daher für den kommunalen Träger eine Regelhöchstfrist dar, die bei entsprechender Lage auf dem örtlichen Wohnungsmarkt verkürzt werden kann. Wie in der Antwort zu Frage 15 bereits ausgeführt, unterliegen die kommunalen Träger bei der Gewährung der Leistung für Unterkunft und Heizung keinen Weisungen und Aufsichtsrechten des Bundes.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Eine Zusatzfrage. Halten Sie es dann für rechtmäßig, wenn eine Kommune eine festgestellte Überschreitung der angemessenen Wohnkosten um den Betrag von - sagen wir einmal - 20 Euro mit der Regelleistung einfach verrechnet und sich dies von den Hilfebedürftigen auch noch abzeichnen lässt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Das kann ich Ihnen so nicht beantworten. Ich müsste im Einzelnen prüfen, ob das rechtmäßig ist oder nicht; das war ja Ihre Frage. Bevor ich etwas Falsches sage, möchte ich das gerne prüfen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Frage?

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Keine weiteren Zusatzfragen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung. Die Fragen 17 bis 22 werden wegen der vorhin dargestellten Regelung schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Dr. Rainer Stinner auf: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung seit wann darüber - vergleiche „Spiegel Online“ vom 9. Dezember 2005 -, dass im Militärcamp Bondsteel im Kosovo Personen über längere Zeiträume ohne Anklage und Prozess festgehalten wurden?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Stinner, von Beginn an war die militärische Sicherheitskräftepräsenz im Kosovo durch die Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ermächtigt, in Erfüllung ihres Auftrages auch Personen in Gewahrsam zu nehmen. Die entsprechenden Haftrichtlinien wurden durch den KFOR-Kommandanten erlassen. Nach der derzeit gültigen Richtlinie, der Detention Directive vom 12. Juli 2004, dürfen Personen nur dann verhaftet werden, wenn sie eine Gefahr für KFOR oder für ein sicheres Umfeld im Kosovo darstellen und zivile Stellen nicht in der Lage oder unwillig sind, die Verantwortung bei diesen Sicherheitsproblemen zu übernehmen. Diese Regelung trägt auch der Tatsache Rechnung, dass UNMIK mittlerweile eine provisorische zivile Strafjustiz im Kosovo eingeführt hat. Die generelle Linie ist, Personen so schnell wie möglich wieder freizulassen. Die bereits erwähnte Detention Directive vom 12. Juli letzten Jahres sieht bei Festnahmen grundsätzlich nur eine Haftzeit von 72 Stunden vor. Nur der KFOR-Kommandant selbst kann eine darüber hinausgehende Haftzeit von bis zu 30 Tagen anordnen und diese, wenn ihm das notwendig erscheint, um jeweils weitere 30 Tage verlängern. Eine unbegrenzte Inhaftierung ist nicht vorzusehen. Vielleicht interessiert es Sie auch, dass zurzeit - also mit Stand vom 13. Dezember dieses Jahres - im Rahmen der Nutzung des Camps Bondsteel als Sitz einer KFOR-Hafteinrichtung keine Personen inhaftiert sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ihre Zusatzfragen.

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie die Aussage des Europaratskommissars Alvaro Gil-Robles, dass es im Camp Bondsteel wie in Guantánamo aussehe und dass dort widerrechtlich Gefangene festgehalten würden? Ich komme auch noch einmal auf meine Frage zurück: Wusste die Bundesregierung von der Existenz des Camps Bondsteel?

Not found (Gast)

Ich habe eben ausgeführt, dass die Existenz des Camps Bondsteel bekannt ist, weil es auch von KFOR, zu der auch ein deutsches Kontingent gehört, als Hafteinrichtung genutzt wird. Ihre Zusatzfrage wird gleich ausführlich beantwortet. Ich kann aber schon jetzt feststellen, dass wir den Bericht von Herrn Gil-Robles aus dem Jahr 2002 kennen, dass er die Situation in diesem Camp aber auch durchaus anders beurteilt. Vor kurzem hat er noch einmal deutlich gemacht, dass seine damaligen Vorschläge umgesetzt worden sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wie beurteilen Sie eine Meldung des Magazins „Report“, dass sich wiederholt auch deutsche Soldaten im Camp Bondsteel aufgehalten haben, und was haben sie - wenn dies zutrifft - dort gemacht? Haben sie an Verhören teilgenommen?

Not found (Gast)

Es ist völlig klar, dass auch das deutsche KFOR-Kontingent in die Nutzung von Camp Bondsteel als Hafteinrichtung einbezogen ist. Das gehört mit zu den Aufgaben des deutschen Kontingents der KFOR.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Dr. Rainer Stinner auf: Handelt es sich bei Bondsteel offiziell um ein militärisches Gefängnis der KFOR, der Kosovo Force?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Stinner, gemäß der Resolution des UN-Sicherheitsrats 1244 Nr. 9 d hat KFOR unter anderem die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, bis UNMIK diese Verantwortung vollständig übernehmen kann. Mit Beginn der militärischen Sicherheitspräsenz im Kosovo im Juni 1999 wurde in Camp Bondsteel eine Hafteinrichtung - eine entsprechende Detention Facility - für die US-geführte multinationale Brigade Ost eingerichtet. Seit Mitte 2001 wird diese Einrichtung auch als KFOR-Hafteinrichtung genutzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ihre Zusatzfragen.

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie die Aussage des bekannten Juraprofessors Nolte, der auch Mitglied der zuständigen Kommission des Europarates ist, es gebe im KFOR-Gefängnis Bondsteel keine unabhängige richterliche Überprüfung von Inhaftierungen?

Not found (Gast)

Die Regelungen sind anders, als Herr Nolte es dargestellt hat. Es gibt umfangreiche Rechte der dort Inhaftierten auf Widerspruch und auf Einholung eines Rechtsbeistands. Das gehört zu ihren verbrieften Rechten.

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, kann ich Ihren Antworten entnehmen, dass die Bundesregierung das Verfahren bzw. die Situation in Bondsteel für völlig in Ordnung hält und auch in Zukunft genauso verfahren würde?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung stellt erst einmal fest, dass irgendein Zusammenhang zwischen dieser Einrichtung in Camp Bondsteel und den Berichten über illegale Hafteinrichtungen nicht besteht. Die Bundesregierung ist außerdem sehr zufrieden darüber, dass Herr Gil-Robles bestätigt hat, dass es einen solchen Zusammenhang nicht gibt. Die Bundesregierung ist aber selbstverständlich sehr bemüht, Hinweisen auf irgendwelche Unregelmäßigkeiten bei der Arbeit von KFOR nachzugehen; denn wir wissen, dass die Art und Weise, wie hier mit Inhaftierten umgegangen wird, für die Atmosphäre und damit auch für die Erfüllung der Aufgaben der internationalen Gemeinschaft im Kosovo außerordentlich wichtig ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Paul Schäfer auf: Welche Maßnahmen unternahm die Bundesregierung im Hinblick auf die Zustände im US-KFOR-Militärcamp Bondsteel im Kosovo - Serbien und Montenegro -, die der Menschenrechtsbeauftragte des Europarates, Alvaro GilRobles, im Jahr 2002 in seinem offiziellen Bericht an den Europarat als menschenrechtsverletzend charakterisierte?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schäfer, in seinem Bericht an die Parlamentarische Versammlung und das Ministerkomitee des Europarats zur Menschenrechtssituation im Kosovo und zu dem Schicksal von dort heimatvertriebenen Menschen vom 16. Oktober 2002 - dieser Bericht ist schon angesprochen worden - erklärte der Menschenrechtskommissar Alvaro Gil-Robles, dass die Behandlung festgehaltener Personen in KFOR-Gewahrsam internationalen Menschenrechtsstandards genügen müsse. In diesem Zusammenhang bezeichnete er die von ihm persönlich besuchten Hafteinrichtungen in Cap Bondsteel ausdrücklich als „ziemlich zufriedenstellend“, auf Englisch „quite satisfactory“. Sein Bericht an den Europarat wurde als Aufforderung an die Vereinten Nationen verstanden, im Kosovo insgesamt dringend rechtsstaatliche Standards einzuführen bzw. zu gewährleisten. Dies wurde von der Bundesregierung durchgehend unterstützt sowie von UNMIK und den provisorischen Institutionen der Selbstregierung in die Tat umgesetzt. Gil-Robles hat eine wesentliche Verbesserung in einem Spiegel-OnlineInterview vom 5. Dezember dieses Jahres zugestanden. Wörtlich hat er dort ausgeführt: Man muss hier demokratische, rechtsstaatliche Standards einführen. Und das ist inzwischen ja auch passiert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Schäfer.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, ich habe ebenfalls zur Kenntnis genommen, dass Gil-Robles angemerkt hat, dass nun die Zustände dort eher zufriedenstellend seien. Aber er hat Klage geführt, dass darüber im September 2002 im Plenum des Europarates nicht diskutiert worden ist. Ich frage deshalb: Hat sich die Bundesregierung bemüht, dass im Plenum des Europarates über den Robles-Bericht diskutiert wird, und, wenn nein, warum nicht?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schäfer, mir ist nicht bekannt, ob es solche Bemühungen der Bundesregierung gegeben hat. Aber offensichtlich hat es - das haben Sie selber eben zugestanden - eine Verbesserung der dortigen Situation gegeben. Insofern ist das Notwendige veranlasst worden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Aber offensichtlich erst nach gehörigem Zeitverzug. Da die Bundesrepublik Truppensteller bei KFOR war, ist die Frage zu stellen: Wurden die von Gil-Robles monierten Zustände im Rahmen der NATO zum Thema gemacht, und, wenn ja, wann?

Not found (Gast)

Mir ist nicht bekannt, ob der Bericht von 2002 auch Thema bei irgendwelchen NATO-Institutionen gewesen ist. Aber ich weise noch einmal darauf hin, dass dieser Bericht offensichtlich eine Wirkung hatte. Sonst wäre eine Verbesserung der Situation, die Gil-Robles selber bestätigt, nicht möglich gewesen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Paul Schäfer auf: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob die in dem Robles-Bericht erwähnten „Nordafrikaner“ in der serbischen Provinz Kosovo - Mudschahedin - oder außerhalb des Landes gefangen genommen wurden, um anschließend in die Bundesrepublik Jugoslawien - Kosovo - transportiert zu werden?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schäfer, in dem in Rede stehenden Bericht von Herrn Gil-Robles an den Europarat vom 16. Oktober 2002, aus dem hier schon mehrfach zitiert worden ist, werden die von Ihnen angesprochenen Nordafrikaner an keiner Stelle erwähnt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ihre Zusatzfragen, Herr Schäfer.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, heißt das, Ihnen liegen keinerlei Hinweise darauf vor, wo und in welchem Zusammenhang die vom Europaratsbeauftragten Gil-Robles erwähnten Gefangenen aufgegriffen wurden?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schäfer, ich bin bereit, Ihnen behilflich zu sein. Ich hatte schon festgestellt, dass in dem Bericht vom Oktober 2002 ein Hinweis auf Nordafrikaner nicht enthalten ist. Aber tatsächlich hat Gil-Robles in einem Spiegel-Online-Interview am 5. Dezember dieses Jahres solche Gefangenen erwähnt. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu solchen Gefangenen vor. Ich weise aber auch darauf hin, dass Gil-Robles in einem Interview mit der Tageszeitung „Le Monde“ am 25. November ausdrücklich erklärt hat, was ich eben schon erwähnt habe, dass keine Querverbindungen zwischen dieser Black-Sites-Diskussion und der Situation in Bondsteel zu ziehen sind. ({0}) Er hat in einem Interview mit „Spiegel online“, was die Nordafrikaner betrifft, ausdrücklich erklärt, dass es keine Geheimnisse in dieser Einrichtung von KFOR in Bondsteel gibt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege. ({0}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Dann rufe ich die Frage 27 des Kollegen Dr. Hakki Keskin auf. Die Frage wird aufgrund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Dann rufe ich die Frage 28 des Abgeordneten Jerzy Montag auf. Die Frage wird ebenfalls aufgrund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 29 und 30 des Kollegen Dr. Diether Dehm. Die Frage 31 des Kollegen Josef Philip Winkler wird nach denselben Kriterien ebenfalls schriftlich beantwortet, ebenso wie die Frage 32 der Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk und die Frage 33 des Kollegen Jerzy Montag. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amtes. Herr Staatsminister, ich bedanke mich sehr herzlich für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Frage 34 der Kollegin Monika Knoche wird aufgrund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 35 und 36 des Kollegen Jan Korte. Das gilt auch für die Frage 37 des Abgeordneten Josef Philip Winkler. Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Petra Pau werden ebenfalls so beantwortet, ebenso die Fragen 40 und 41 der Kollegin HüseyinKenan Aydin. Die Frage 42 des Kollegen Wolfgang Wieland und die Fragen 43 und 44 der Kollegin Ulla Jelpke werden ebenfalls aufgrund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Frage 45 der Kollegin Monika Knoche, die Frage 46 des Kollegen Michael Leutert, die Fragen 47 und 48 der Kollegin Heike Hänsel und die Frage 49 der Kollegin Silke Stokar von Neuforn werden ebenfalls nach denselben Kriterien schriftlich beantwortet. Das gilt auch für die Fragen 50 und 51 des Kollegen Volker Beck ({1}) und die Frage 52 der Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt bereit. Die Fragen 53 und 54 des Kollegen Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 55 des Kollegen Dr. Norman Paech auf: Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um sicherzustellen, dass Personen, die im Rahmen des Mandats für die deutsche Beteiligung an der Operation Enduring Freedom, OEF, das den Auftrag einschließt, „Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzuhalten“ - Bundestagsdrucksache 14/7296 -, unter direkter oder indirekter Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte festgesetzt wurden oder werden, nicht von der CIA oder anderen US-Regierungsstellen gefoltert oder in Staaten gebracht wurden oder werden, wo die Folter praktiziert wird?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege Paech, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die bei der Operation Enduring Freedom eingesetzten deutschen Kräfte leisten ihre Beiträge zur Auftragserfüllung auf der rechtlichen Grundlage des Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen - Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung -, des Art. 5 des NATO-Vertrags - Beistandspflicht im Rahmen eines erklärten Bündnisfalls - sowie der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 1368 ({0}) und 1373 ({1}). Die Resolution 1373 ({2}) legt für alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Verpflichtung fest, „die erforderlichen Maßnahmen ({3}) ergreifen …, um die Begehung terroristischer Handlungen zu verhüten“, und „sicher({4})stellen …, dass alle Personen, die an der Finanzierung, Planung, Vorbereitung oder Begehung terroristischer Handlungen oder an deren Umsetzung mitwirken, vor Gericht gestellt werden …“. Die Bundeswehr beachtet selbstverständlich die völkerrechtlichen Verpflichtungen einschließlich des humanitären Völkerrechts und der menschenrechtlichen Mindeststandards sowie die Wertentscheidungen des Grundgesetzes. Das gilt auch für den Einsatz der Spezialkräfte im Rahmen der Operation Enduring Freedom in Afghanistan. Zur Schaffung von Handlungssicherheit im Zusammenhang mit dem Festhalten oder Festsetzen von Personen wurde eine Handlungsanweisung erlassen. Sie sah keine Überstellung an die US-Seite vor. Hierüber würde das Parlament in den entsprechenden Gremien zeitnah unterrichtet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Mir sind die rechtlichen Grundlagen durchaus bekannt. Wenn es so ist, dass die Bundeswehr Gefangene den USA nicht überstellt hat, damit sie irgendwohin gebracht werden, so ist dennoch bekannt geworden, dass ein Türke, der in Bremen geboren ist, Murat Kurnaz, in Guantanamo illegal festgehalten wurde und dass er von zumindest einem deutschen Beamten vernommen wurde. Hat die Bundesregierung den Zugang zu Guantanamo durch einen deutschen Beamten benutzt, um auf die menschenrechtsunwürdige Behandlung hinzuweisen und zu versuchen, ihn aus diesem Gefängnis wieder herauszuholen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, der von Ihnen geschilderte Sachverhalt ist mir nicht bekannt. Deswegen kann ich auf Ihre Frage keine Antwort geben. Die Bundesregierung wird aber immer auf die Einhaltung der völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Standards, zu denen wir uns verpflichtet haben, hinwirken.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich darf Sie dann darauf hinweisen, dass dies bereits in der vergangenen Woche in der „Zeit“ umfangreich dargelegt worden ist und dass darauf heute auch von der dpa Bezug genommen wird. Der Rechtsanwalt dieses Gefangenen, Bernhard Docke aus Bremen, hat das Auswärtige Amt und die Bundesregierung wiederholt aufgefordert, ihm bei der Verteidigung und dem Zugang zu dem Gefangenen behilflich zu sein. Die Bundesregierung hat immer gesagt, sie habe dazu gar keine Möglichkeit. Ist Ihnen das bekannt?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Präsidentin, wenn ich den Rahmen dieser Frage richtig interpretiere, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass das eine Angelegenheit ist, die die Nachrichtendienste mit betrifft. Diese Frage ist daher im Parlamentarischen Kontrollgremium zu verhandeln und zu beantworten. Ich würde anregen, diese Frage in das entsprechende Gremium zu verlagern. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ja, Sie dürfen keine dritte Zusatzfrage stellen. Aber Ihr Kollege Schäfer hat nun das Wort zu einer Zusatzfrage.

Paul Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003833, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, die Bundeswehr habe die Anweisung, keine Überstellungen an US-Streitkräfte vorzunehmen. Gilt das auch für die Überstellung von Gefangenen an die afghanische Regierung?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Diese Handlungsanweisung betrifft Überstellungen an die US-Streitkräfte. Über weiter gehende Anweisungen sind die entsprechenden Gremien des Deutschen Bundestages in Vertraulichkeit unterrichtet worden. Das ist meine Antwort auf diese Frage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich die Frage 56 des Kollegen Dr. Norman Paech auf: Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um sicherzustellen, dass Bundeswehrangehörige, die nach Angaben des US-Zentralkommandos, CENTCOM, zur Koordination der OEF im CENTCOM-Hauptquartier in Tampa, Florida, vertreten sind, nicht direkt oder indirekt an der Planung völkerrechtswidriger Maßnahmen wie der Entführung, Verschleppung oder Verbringung von Gefangenen in Staaten mit Folterpraxis beteiligt sind?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Paech, auf Ihre Frage antworte ich wie folgt: Die Angehörigen des deutschen Verbindungskommandos sind nicht in den Stab von CENTCOM integriert und daher nicht an US-Planungen beteiligt. Sie vertreten innerhalb der Koalition der an der Operation Enduring Freedom beteiligten Nationen die nationalen Interessen Deutschlands, so wie sie im Bundestagsmandat, das wir in diesem Hause zuletzt am 8. November 2005 verlängert haben, beschrieben sind. Das umreißt auch ihre Zuständigkeit und ihre Aufgabe.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Seitens der USA, aber auch seitens anderer - das haben wir heute im Auswärtigen Ausschuss gehört - gibt es Pläne, die Operation Enduring Freedom und ISAF, also den Einsatz in Afghanistan, zu verbinden. Was halten Sie von der Vermischung zweier sehr unterschiedlicher Aktivitäten? Können Sie dafür garantieren, dass die Aufgabe der ISAF, nämlich die Stabilisierung des Landes - in diesem Rahmen sind die deutschen Truppen eingesetzt -, nicht mit dem Kampf gegen den Terror verbunden wird?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Paech, diese Zusatzfrage, die weit über die von Ihnen gestellte Frage hinausgreift, stellt in der Perspektive zur Diskussion, inwieweit man zwei im gleichen Land stattfindende Operationen militärischer Art mit unterschiedlichen Zielsetzungen in einen synergetischen Einklang bringen kann. Es gibt hierzu verschiedene Vorschläge. Zuletzt haben sich die NATO-Verteidigungsminister bei ihrem informellen Treffen mit dieser Frage beschäftigt. Sie haben hierüber aber keine Entscheidung getroffen. Es gibt graduell unterschiedliche Positionen, die sich aber alle in dem Willen treffen, eine möglichst hohe Synergie im Hinblick auf die Sicherheit der eingesetzten Kräfte und im Hinblick auf die Erreichung der Ziele jeder Operation in ihrem Bereich zu bewirken.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Der Staatsminister und auch der Dienst habende General haben heute im Auswärtigen Ausschuss gesagt, dass derzeit keine KSK-Kräfte in Afghanistan eingesetzt werden. Meine Frage: Sind Planungen im Gange, in der nächsten Zukunft wieder KSK-Kräfte in Afghanistan einzusetzen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, wir haben für solche Fragen ein Gremium, das im Parlamentsbeteiligungsgesetz verankert ist. Dort ist eine klassifizierte Unterrichtung der Obleute des Verteidigungs- und des Auswärtigen Ausschusses geregelt, die im Hinblick auf den hohen Grad des Sicherheitsbedürfnisses für die eingesetzten Soldaten auch strikt eingehalten werden muss. Ich darf Sie auf diese Informationsstränge verweisen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung. ({0}) - Ihre Wortmeldung habe ich leider übersehen oder sie kam zu spät. Herr Kollege, noch eine weitere Zusatzfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gehen wir einmal davon aus, dass die Wortmeldung zu spät kam, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, könnten Sie uns erläutern, wie der von Ihnen benutzte Begriff „Synergieeffekte“ zu verstehen ist? Handelt es sich um Synergieeffekte in der Planung gemeinsamer Operationen, in der Ausrüstung, in der Versorgung? In welchem Sinne benutzen Sie den Begriff „Synergieeffekte“?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Gehrcke, wir hatten lange die Möglichkeit, uns im Auswärtigen Ausschuss über solche Fragen auszutauschen; wenn ich mich recht entsinne, haben wir in dieser Zeit auch bereits darüber diskutiert. „Synergie“ ist zu verstehen nicht im pekuniären Sinne, sondern im Sinne der Sicherheit der eingesetzten Soldaten. Wir müssen der Verantwortung gegenüber den Soldaten, die wir in solche Einsätze schicken, im Rahmen unserer Fürsorgepflicht auch dadurch Rechnung tragen, dass wir - leider nie auszuschließende und immer wieder stattfindende - Angriffe auf diese Kräfte in höchstmöglichem Maße verhindern. Dazu gehört auch die gegenseitige Information über das, was man tut und wo man etwas tut. Darüber hinaus gibt es verschiedene Varianten der Zusammenarbeit, die sich dann am Einzelfall auszurichten haben. „Synergie“ ist in diesem Fall positiv und mit „Sicherheit“ zu übersetzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Jetzt gibt es wirklich keine Wortmeldung zu Zusatzfragen mehr. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Fragen 57 bis 64 der Kolleginnen Bärbel Höhn, Birgitt Bender, Sylvia Kotting-Uhl und des Kollegen Gerhard Schick werden aufgrund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde. Die vereinbarte Debatte wird nach einer interfraktionellen Verabredung auf 16 Uhr angesetzt. Ich unterbreche deshalb die Sitzung des Deutschen Bundestages bis 16 Uhr. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Vereinbarte Debatte Berichte über angebliche Gefangenentransporte sowie die Verbringung deutscher und anderer Staatsangehöriger durch US-Stellen und das Verhalten von Bundesdienststellen in diesem Zusammenhang Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier.

Dr. Frank Walter Steinmeier (Minister:in)

Politiker ID: 11004167

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Grundentscheidungen haben in den letzten Jahren aus meiner Sicht unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten geprägt: Wir haben nach dem 11. September 2001 uneingeschränkte Solidarität und Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus zugesagt und die deutsche Regierung - das war die zweite Entscheidung - hat sich 2003 nicht trotz, sondern wegen unseres gemeinsamen Kampfes gegen den internationalen Terrorismus gegen eine militärische Intervention im Irak ausgesprochen. Wenn heute von manchem versucht wird, einen Widerspruch zwischen diesen beiden Entscheidungen zu konstruieren oder die eine Entscheidung gegen die andere auszuspielen, dann muss ich dem mit Nachdruck und Entschiedenheit widersprechen. ({0}) Beide Entscheidungen folgen nämlich demselben Prinzip von Verantwortung, einer Verantwortung für die Sicherheit der Menschen in unserem Land und für die Sicherheit unserer Freunde und Partner. Beide Entscheidungen gründen in unserer Verantwortung für eine Weltordnung, die dem Völkerrecht verpflichtet bleibt. Und weil es in den letzten Tagen vielfach zu lesen war: Diese Entscheidungen reiften auch nicht in irgendwelchen anonymen Schattenreichen. Vielmehr waren und sind dies Entscheidungen und Abwägungen, die belastbaren Rat, Verantwortungsbereitschaft und persönlichen Mut brauchten. Nun werden Sie sagen, meine Damen und Herren, das gelte immer in der Politik; das sei Alltag. Gleichwohl sage ich Ihnen: Ja, es gibt sie, die weniger glitzernden Seiten der Macht jenseits von Medienevents und Talkshows. Ich habe, ganz offen gesagt, solche Situationen in den letzten sieben Jahren häufiger erlebt, als mir lieb war, Situationen, in denen das Telefongespräch, die Geschäftsordnung und der runde Tisch als ritualisierte Form der Konfliktlösung versagt haben. Meine Amtszeit als Chef des Bundeskanzleramtes begann mit dem Fall Hofer im Iran, meine Amtszeit als Außenminister bedauerlicherweise mit der Geiselnahme im Irak. Dazwischen lagen Geiselnahmen in Algerien und auf den Philippinen, ungewisse Sicherheitslagen nach dem 11. September 2001, die Anthrax-Hysterie, der vereitelte Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt und die folgenreiche Frage nach der Existenz von Massenvernichtungsmitteln im Irak. Keine dieser Situationen war durch noch so wortgewaltige Resolutionen zu lösen. Vielmehr waren verantwortliches und entschiedenes Verhalten, Augenmaß und Vernunft gefragt. Das Verhalten war immer gestützt auf Erfahrung und Professionalität von Krisenstäben, des BKA und - das sage ich ganz deutlich - auch der Dienste. Wir haben bisher alles in allem Glück gehabt. Katastrophen sind uns erspart geblieben; Schaden für Menschen konnten wir abwenden. Was ebenso wichtig war, meine Damen und Herren: Wo in solchen Situationen die Politik gefordert war, waren Entscheidungen zwar nie einfach, selten ohne Risiko und manchmal auch nur unter Ausschöpfung des rechtlich Möglichen zu treffen. Aber wir sollten dem Herrgott dafür dankbar sein, dass wir bei alldem nie in solche Grenzsituationen geraten sind, wie sie frühere Krisenstäbe etwa 1977 - ich erinnere an die Stichworte Schleyer und Mogadischu durchlebt und durchlitten haben. Ich hatte jedenfalls keine Entscheidung zu treffen, in der Leben gegen Leben stand oder der Schutz von Leben und Gesundheit deutscher Staatsbürger uns in die äußersten Grenzbereiche unserer Rechtsordnung oder gar darüber hinaus geführt hätte. Dies sage ich auch mit Blick auf all diejenigen verantwortungslosen Spekulationen und Verdächtigungen, die rund um den so genannten Fall el-Masri gegen mich oder andere Verantwortliche der früheren Bundesregierung erhoben werden. In aller Deutlichkeit: Die Bundesregierung, der BND, das BKA und das BfV haben keine Beihilfe zur Verschleppung des deutschen Staatsbürgers el-Masri geleistet. Ebenso deutlich sei wiederholt: Von der Tatsache der Verschleppung haben der frühere Innenminister und der frühere Außenminister ebenso wie ich erst nach der Freilassung des Betroffenen erfahren. Wenn es schon notwendig ist, das zu versichern, dann lassen Sie mich aber auch hinzufügen, dass mich manche Veröffentlichungen der letzten Tage - sehr vorsichtig gesagt - schon sehr befremdet haben. Es waren Veröffentlichungen, die mehr oder weniger offen suggerieren: Wenn wir, die Deutschen, verdächtige Islamisten schon nicht selbst foltern dürfen, dann geben wir den anderen die passenden Informationen mit dem Ziel, dass diese den Mann abgreifen und die erwünschte Wahrheit aus ihm herausprügeln. Ich frage Sie: Wie infam und wie maßlos muss man eigentlich sein, um solche Vorwürfe gegen diejenigen zu erheben, die dieses Land - ich finde - auch in schwierigen Zeiten auf einem Kurs von Zivilität und Rechtsstaatlichkeit gehalten haben? ({1}) Dieser Kurs heißt nicht und hieß nie weltabgewandte Beschaulichkeit, abseits von allen Bedrohungen und Heimsuchungen einer neuen Qualität des weltweiten Terrorismus. Auch uns hat sich mit und nach dem 11. September die brutale Erkenntnis aufgedrängt, dass blutige Attentate dieser Größenordnung nicht außerhalb unseres Kulturkreises geplant und vorbereitet werden, sondern dass die Täter, zumindest einige von ihnen, mitten unter uns leben. Es war unsere Aufgabe - ich meine, sogar mehr als das, unsere Pflicht und Verantwortung -, Wiederholungen auszuschließen und alle Anstrengungen zu unternehmen, um auch unsere deutschen Staatsbürger davor zu schützen, selbst zum Opfer solcher Attentate zu werden. Ebenso deutlich sei gesagt: Ohne vertiefte Kenntnisse über die islamistische Szene wäre diese Arbeit nicht zu leisten gewesen. Ich selbst habe - und ich stehe dazu - in unserer damals täglich, später wöchentlich tagenden Sicherheitslage forciert, dass wir nach dem 11. September die Struktur dieser Szene in Deutschland systematisch untersuchen. In diesem Projekt, von dem ich rede, arbeiteten die Sicherheitsbehörden des Bundes mit dem Ziel zusammen, ein Bild von den Hotspots der deutschen Islamistenszene zu gewinnen, die zentralen Figuren zu identifizieren, die Wanderungen zwischen den Zentren zu beobachten und die Unterstützernetzwerke ausfindig zu machen. Dieses Projekt liefert aus meiner Sicht bis heute die unverzichtbare Grundlage für die Arbeit der Sicherheitsbehörden; es wird deshalb fortgeschrieben und aktualisiert. Es liefert vor allem die Basiserkenntnis, dass wir von einer hohen Mobilität der Beobachteten - national wie international - ausgehen müssen. Dennoch meinen einige, dass wir Erkenntnisse der hier zitierten Art hätten für uns behalten müssen. Andere sagen, dass aus der Perspektive und mit dem Wissen von heute zumindest die Amerikaner keinen Anteil an unseren Erkenntnissen hätten haben dürfen und dass bereits der Austausch von Informationen täterschaftliche Beihilfe zu unrechtmäßigem Tun sei. Ich teile diese Sichtweise ausdrücklich nicht. Ich frage eher umgekehrt, ob es angesichts der Tätergruppen von New York, Washington, Madrid, Riad, Djerba, Bali oder London eigentlich verantwortbar gewesen wäre, vorhandenes Wissen mit den Partnern nicht auszutauschen. Wäre eine Verweigerung eigener Kenntnisse verantwortbar gewesen um den Preis, dass uns auch die anderen nicht in den Austausch über Bewegungen in der internationalen Terrorszene einbeziehen? Entscheidend aus meiner Sicht ist: Wie würden wir diese Diskussion wohl nach einem Anschlag in Deutschland führen, bei dem sich herausstellen würde, dass wir uns der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld verweigert haben? ({2}) Wer mich und andere - gleichgültig ob aus der Vorgängerregierung oder der aktuellen Regierung - wegen des Informationsaustausches mit Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, aber auch mit den USA kritisiert, muss sich diese Fragen stellen und sie beantworten. Klar ist - das sei ebenso deutlich gesagt -: Der Austausch von Informationen bedeutet niemals eine auch wie immer geartete Billigung oder gar Rechtfertigung der Verschleppung deutscher Staatsbürger. ({3}) Im Gegenteil, die Bundesregierung hat immer deutlich gemacht, dass eine Zusammenarbeit auf der Basis geltenden Rechts erfolgt und erfolgen muss. Das gilt auch und in besonderer Weise für den Fall el-Masri. Ob überhaupt und, wenn ja, in welchem Umfange Informationen und Erkenntnisse aus Deutschland von fremden Behörden benutzt worden sind, ist unklar. Aber ich sage: Wir haben nach allen zumutbaren Nachforschungen, die wir angestellt haben, keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Mitteilungen zur Person el-Masris durch Sicherheitsbehörden des Bundes weitergegeben worden sind. Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt wurden erstmals durch den Brief des Rechtsanwaltes von Herrn el-Masri vom 8. Juni 2004 informiert. In diesem Schreiben betont der Anwalt - einen Auszug daraus möchte ich zitieren -: Bevor die Medien eingeschaltet werden, sollte der Vortrag meines Mandanten geprüft und dessen Erkenntnisse und Wahrnehmungen so gesichert werden, dass sie verwertet werden können. Genau das hat die Bundesregierung getan. Sie hat zur Prüfung der Angaben von Herrn el-Masri und zur Sicherung gerichtsfester Erkenntnisse sofort und ohne Zögern die Ermittlungsbehörden eingeschaltet und diese in ihrer Arbeit unterstützt, ohne - auch das sei gesagt - ihre Arbeit ersetzen zu können. Denn Ermittlungen zu führen ist Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Bundesregierung hat aber unverzüglich, nachdem dieses Schreiben einging, über die Verbindungsbeamten in den Ministerien die Nachrichtendienste, die Polizeidienststellen auf Bundes- und Landesebene sowie die diplomatischen Vertretungen um ihren Beitrag zur Aufklärung des Geschehens gebeten. Der Sachverhalt wurde des Weiteren wegen der infrage stehenden Vorwürfe unverzüglich zum Gegenstand der Besprechung in der so genannten nachrichtendienstlichen Lage bei uns im Kanzleramt. Dank dieses Vorgehens hat das Bundeskriminalamt bereits am 10. Juni, also zwei Tage danach - nur damit Sie wissen, wie schnell das ging -, die örtlich zuständige Polizeidienststelle unterrichtet. Der Generalbundesanwalt wurde am 14. Juni informiert und es wurde umgehend ein Ermittlungsverfahren eröffnet, in dem Herr el-Masri bereits am 17. und 18. Juni als Zeuge ausgesagt hat. Seit Juli 2004 hat die Staatsanwaltschaft München dieses Verfahren übernommen und geleitet. Mitarbeiter von mir im Bundeskanzleramt haben am 30. Juni 2004 zunächst mündlich direkten Kontakt mit dem Anwalt aufgenommen, um ihm einen ersten schriftlichen Bescheid anzukündigen. Die Bundesregierung hat die Ermittlungsführer, das heißt die Staatsanwaltschaft und die Polizei, bei der weiteren Aufklärung des Sachverhaltes und besonders bei der Beschaffung von gerichtsfesten, belastbaren Informationen, wie ich finde, in vielfältiger Weise unterstützt. Das gilt auf der einen Seite für die Feststellung der Reiseroute von Herrn el-Masri, die aufgeklärt wurde, und das bezieht sich vor allen Dingen auch auf die Frage der Identität des so genannten Sam, dessen Name jetzt häufig in Zeitungsberichten auftauchte, wobei wir nicht feststellen können, dass er in irgendeinem Zusammenhang mit deutschen Sicherheitsbehörden steht. An diesen Nachfragen beteiligt waren die Dienste, das Bundeskriminalamt sowie die diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik. Wir haben die Aufklärung in allen den Sachverhalt berührenden Ländern betrieben: in Albanien, in Afghanistan, auch in den Vereinigten Staaten und natürlich in Mazedonien. Um Ihnen etwas holzschnittartig einen Überblick über die Bemühungen auf Bundesebene zu geben: Es gab in den ersten vier Monaten weit über 30 einzelne Bemühungen von einem halben Dutzend Bundesbehörden, um den ermittelnden Landesbehörden bei deren Aufgabe soweit wie möglich zu helfen. Diese Bemühungen - das sei hinzugefügt - haben in der Zwischenzeit nicht nachgelassen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Allein das Bundeskriminalamt hat von September 2004 bis Januar 2005 rund ein halbes Dutzend Mal bei den zuständigen Stellen in den USA nachgefragt, auf Antwort gedrängt und gemahnt. Das Thema war mehrfach Gegenstand in der ND-Lage und nach der Berichterstattung in den USA im Januar auch mehrfach Gegenstand im zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium. Die Bundesregierung hat Rechtshilfeersuchen gegenüber Mazedonien, Albanien und den USA gestellt, hat schriftlich und mündlich bei den Behörden der betroffenen Länder nachgefragt und sich auch diplomatisch bemüht. - Ich schildere dies in Auszügen, weil es ein Ausweis dessen ist, was ein Rechtsstaat leisten kann und - seien Sie dessen versichert - aus meiner Sicht auch leisten soll, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass einer seiner Bürger einer Straftat zum Opfer gefallen ist. Es ist nicht an mir, einen Zwischenstand der Ermittlungen zu geben; das ist Sache der Ermittlungsbehörden. Was ich Ihnen aber mitteilen kann, ist ein Zwischenstand der Bemühungen der Bundesregierung und der Bemühungen auf diplomatischer, nachrichtendienstlicher und bundespolizeilicher Ebene. Der Ermittlungsstand ist, dass alle von den infrage stehenden Vorgängen betroffenen Länder und Dienste wussten, dass wir, Deutschland, Aufklärung über die Vorgänge wollten und wollen und dass wir die Schilderungen von el-Masri ernst genommen haben. Der ehemalige Bundesinnenminister Schily hat die amerikanische Seite mehrfach aufgefordert, den deutBundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier schen Ermittlungsbehörden gegenüber klar Auskunft zu geben. Auf die Nachfragen der Bundesregierung hin wurde ihr erstmals im November 2005 signalisiert, der Vorgang sei in den Händen der zuständigen Behörden. Das ist nur die Einleitung zu dem nächsten Satz in Bezug auf die jüngste Entwicklung. Neu ist nämlich, dass, nachdem Herrn el-Masri noch in der vorvergangenen Woche die Einreise in die USA verweigert worden ist, Frau Rice letzte Woche zugesichert hat, dass ihm die Einreise ermöglicht wird und dass er mit seinem Anwalt vom amerikanischen Boden aus Rechtsschutzmöglichkeiten suchen kann. ({4}) Das Thema „CIA-Flüge und vermeintliche Geheimgefängnisse“ hat in den letzten Wochen - das kann ich Ihnen aufgrund meiner Erfahrung auf der NATOAußenministerratstagung sagen - überall in Europa und, wie Sie lesen können, selbstverständlich auch in den Vereinigten Staaten zu heftigen Kontroversen geführt. Wir haben es heute Morgen auch im Auswärtigen Ausschuss erlebt: Es sind in der Tat noch viele Fragen offen. Sie kennen die Bemühung des Europarates, an der wir uns aktiv beteiligen, weil wir das Aufklärungsinteresse teilen. Bei meinen Gesprächen, die ich mit der amerikanischen Außenministerin und dem NSC geführt habe, haben diese Themen breiten Raum eingenommen. Ich habe nach dieser Reihe von Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass auch die amerikanische Regierung zunehmend erkennt, dass sie die Besorgnisse ihrer europäischen Partner nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Nun bin ich der Letzte, der nicht Verständnis dafür hätte, dass nicht jede Operation der Sicherheitsbehörden öffentlich behandelt und bewertet werden kann. Umso wichtiger ist es aber, dass die gemeinsame Vertrauensbasis erhalten bleibt. Mit anderen Worten: Wir müssen uns fest darauf verlassen können, dass unsere amerikanischen Partner bilaterale Verträge ebenso achten wie die Regeln des Völkerrechts und die Menschenrechte. ({5}) Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass die amerikanische Außenministerin dies jüngst noch einmal bekräftigt hat. Erst recht begrüße ich die Klarstellung, dass die Anti-Folter-Konvention uneingeschränkt für alle Gefangenen gilt. Dennoch sehe ich natürlich - auch das ist heute Morgen im Ausschuss behandelt worden nicht ohne Sorge, dass aus der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus in Europa und in den USA durchaus unterschiedliche Schlussfolgerungen für die gesetzliche Basis gezogen werden. Die jüngste inneramerikanische Debatte über die Auslegung des Folterverbots ist dafür ein Beispiel. Ich hoffe sehr, dass am Ende dieser Debatte eine Entscheidung stehen wird, die Europa und die Vereinigten Staaten in dieser fundamentalen Frage unserer Rechtsordnung nicht auseinander driften lässt. Ich hoffe ebenfalls sehr, dass die normative Gemeinsamkeit rechtsstaatlicher Prinzipien Europa und die Vereinigten Staaten weiter verbindet. ({6}) Wir wissen: Eines der wichtigsten Ziele der Terroristen ist es, die Rechtsstaatlichkeit und die Zivilität der offenen Gesellschaft zu zerstören. Dies darf ihnen nicht gelingen! ({7}) Die Achtung von Recht und Gesetz ist der Kitt, der unsere Gesellschaften zusammenhält, und sie ist die Grundlage für unsere Überlegenheit über alle Feinde der Freiheit. Das gilt ausdrücklich auch für den Bereich der Sicherheitsbehörden. Diese Achtung von Recht und Gesetz war der Maßstab meines Handelns in den letzten Jahren. Meine Damen und Herren, man kann bei der einen oder anderen Abwägungsfrage zu anderen Wertungen kommen, als ich es getan habe. Das mag sein. Ich stehe jedoch zu den Entscheidungen, die ich in meinem Verantwortungsbereich als Chef des Bundeskanzleramtes und auch als Beauftragter für die Nachrichtendienste zu treffen hatte. Ich stehe zu den Entscheidungen, getroffen aus der Achtung von Recht und Gesetz und für die Sicherheit der Menschen in unserem Land. Vielen Dank. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Darstellung von Minister Steinmeier zu den vielfältigen Aktivitäten - sie wurden im Detail geschildert - gehört hat, die ergriffen wurden, nachdem sich der Anwalt von Herrn el-Masri an die Bundesregierung gewandt hatte, stellt man sich umso mehr die Frage, warum die Bundesregierung uns so lange Zeit darauf vertrösten wollte, dass derlei ausschließlich in einem geheim tagenden Gremium des Deutschen Bundestags zu erörtern sei. Das ist schlichtweg unverständlich. ({0}) Diese Debatte ist aber in Wahrheit keine Auseinandersetzung zwischen Opposition und Regierung im herkömmlichen Sinne; diese Debatte ist ein gemeinsames Bemühen des gesamten Parlaments um den Rechtsstaat. Denn das ist der Kern der Themen, die uns bewegen: Wie bewältigen wir die Abwehr terroristischer Bedrohungen, ohne den bewährten Rechtsstaat des Grundgesetzes preiszugeben? Um diese Frage geht es. ({1}) Wenn wir das Thema so angehen, dann verfolgen wir dasselbe Ziel wie diejenigen in der amerikanischen Gesellschaft und im Kongress, die ebenfalls anstreben, ausschließlich mit rechtsstaatlichen Methoden in der Terrorismusabwehr zu arbeiten. Dies zeigt die begrüßenswerte Initiative von Senator McCain. ({2}) Diese Bestrebungen in den USA sind deshalb für uns so wichtig, weil wir selbstverständlich die weitere Zusammenarbeit mit den amerikanischen Behörden gerade auch in diesem Bereich brauchen, weil wir sie wollen und weil wir den Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten zur Abwehr terroristischer Gefahren benötigen. ({3}) Aber wir sagen auch klipp und klar, was dabei nicht geht: Verschleppung und Folter sind als Methoden der Gefahrenabwehr absolut nicht hinnehmbar. ({4}) Deshalb, Herr Minister Steinmeier, war es mir zu wenig, als ich neulich die Äußerung von Ihnen gelesen habe, die Bundesregierung habe bei den ganzen Vorgängen gegen keinerlei Vorschrift verstoßen. Das reicht manchmal nicht aus; manchmal muss man im privaten Leben, aber auch in der Politik mehr tun, als nur nicht gegen Vorschriften zu verstoßen. ({5}) Ob die alte Bundesregierung in diesem Sinne im konkreten Fall el-Masri genug getan hat, können wir auch nach der heutigen Information nicht abschließend bewerten. Die Darlegungen in den Ausschüssen waren von Zeitnot geprägt; dort konnten nicht alle Fragen angesprochen werden. Sie haben jetzt im Plenum Ausführungen gemacht, die aber in einem gewissen Widerspruch zu den Klagen stehen, die man aus der Münchener Staatsanwaltschaft hört, wo es noch gestern hieß, dass man von den Bundesbehörden immer nur höre, sie wüssten auch nichts. Es gibt noch viele offene Detailfragen. Wenn man genau hinhört, erkennt man, dass immer vom Verhalten der Bundesbehörden die Rede ist, die keine Informationen nach außen gegeben hätten. Was war denn mit den Landesbehörden? Neu-Ulm liegt bekanntlich in einem Bundesland, ({6}) einem sehr schönen noch dazu. Da muss man nachfragen. Wieso stellt die angesehene „Washington Post“ den Zeitablauf anders dar, als es der ehemalige Minister Schily getan hat? Manches ist einem nach wie vor rätselhaft. Wieso soll es fünf Monate gedauert haben, bis eine angebliche Personenverwechslung aufgedeckt und aufgeklärt worden ist? Gab es in diesen fünf Monaten Rückfragen bei den deutschen Behörden, wer denn el-Masri sei? Warum wurde jemand, der monatelang verschwunden ist, von niemandem als vermisst gemeldet? ({7}) Das sind ganz einfache Fragen, die man stellen muss. ({8}) Das sind Detailfragen, die uns aber nicht vom Kern des Problems ablenken. Denn vom damaligen Bundesinnenminister Schily selber wird berichtet, dass er im Februar 2005 erfolglos bei amerikanischen Behörden interveniert habe; erfolglos in dem Sinne, dass er keine Zusicherung erhalten hat, dass sich eine solche Verschleppung nicht wiederholen wird. ({9}) Da stellt sich natürlich die Frage: Wie ist denn eine solche Reise eines Bundesministers zu einem so brisanten Thema in der alten Bundesregierung vorbereitet worden? Was war die Linie des Auswärtigen Amtes und des damaligen Bundesaußenministers, der in der heutigen Debatte leider nicht anwesend ist? Wie ist über die erfolglose Mission berichtet worden und welche Folgerungen hat man daraus gezogen, was man zu tun hat, damit sich solche Rechtsverletzungen nicht wiederholen? ({10}) Wir müssen uns noch einmal klar machen: Es ging hier um massive Rechtsverstöße. Jeder, der verhaftet wird, hat gewisse Rechte. Er darf einen Anwalt wählen. Er darf Kontakt zu seiner Familie aufnehmen, wenigstens brieflich. Wenn er im Ausland inhaftiert wird, kann er konsularischen Schutz durch die Bundesregierung beanspruchen. Im konkreten Fall el-Masri war es so, dass ein deutscher Staatsangehöriger über Monate rechtlos gestellt worden ist. Jetzt komme ich zu meinem Ausgangsgedanken zurück. Es reicht eben nicht, nicht gegen Rechtsvorschriften zu verstoßen. ({11}) Man muss eine öffentliche Debatte beginnen, die einem solchen Vorgang ganz klar widerspricht. ({12}) Denn jede stillschweigende Hinnahme von Verschleppung und Folter würde dazu beitragen, dass unser Grundkonsens in Gefahr geriete, den wir alle in diesem Parlament haben, nämlich dass wir uns bei der Bekämpfung terroristischer Gefahren strikt an das Grundgesetz und an die Grundrechte halten. ({13}) Ich sage Ihnen Folgendes: Bei unseren Auseinandersetzungen um Schily I und Schily II, die wir hier im Plenum ausgetragen haben, ging es um Abwägungsfragen. Aber wir als FDP haben immer entschieden widersprochen, wenn beim Thema Folter in öffentlicher Debatte plötzlich keine Prinzipienfestigkeit mehr zu spüren war; übrigens gibt es Staatsrechtler, die Folter wieder für zulässig halten. Wir haben - auch im Parlament - entschieden widersprochen, ({14}) wenn Vorschläge wie die Einführung einer verfassungswidrigen Sicherungshaft gemacht wurden. Wir haben ganz klar widersprochen, wenn die These vom Feindstrafrecht aufgetischt wurde, nach der man in einer solchen Situation die normalen Rechtsregeln außer Kraft setzen müsse, um der jeweiligen Gefahr zu begegnen. Das Entscheidende ist: Wir müssen die Debatten über Einzelfälle wie Guantanamo und die dortigen Vernehmungen sowie über den Fall el-Masri dazu nutzen, den Grundkonsens zu bekräftigen, dass in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland, auch wenn es um die Abwehr von Gefahren geht, in jedem Fall die Grundrechte eingehalten werden. ({15}) Darin sind wir uns einig. ({16}) Daran dürfen wir keinen Zweifel aufkommen lassen, ({17})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- indem wir zum Beispiel bei Vorgängen, die nicht erträglich sind, schweigen. Das Entscheidende an dieser Debatte ist also, dass wir diesen Grundkonsens bekräftigen. ({0}) Für die Beantwortung der Einzelfragen brauchen wir noch weitere Informationen. Daher tagen die Ausschüsse auf unseren Wunsch und auf den Wunsch anderer morgen weiter. Wir als FDP behalten uns alle parlamentarischen Schritte vor, die notwendig sind, um diese Fragen zu klären. Vielen Dank. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Eduard Lintner, CDU/CSUFraktion.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Stadler, wir sind uns einig, wenn Sie sagen, dass Regierung und Parlament diesen Vorgang in einer gemeinsamen Anstrengung aufklären müssen. Deshalb finde ich es sehr sachgerecht und begrüßenswert, dass sich alle Fraktionen dieses Hohen Hauses darauf verständigt haben, sich mit diesem sensiblen und brisanten Thema im Rahmen einer vereinbarten Debatte, nicht aber in einer hektischen Aktuellen Stunde zu befassen. Wir sind uns auch darin einig, dass dadurch am ehesten die von uns angestrebte und unterstützte notwendige, angemessene und umfassende Aufklärung gewährleistet werden kann. Dadurch haben wir die Möglichkeit geschaffen, der erschreckten Öffentlichkeit das beruhigende Signal zu geben, dass Regierung und Parlament den Vorgang im Griff haben. Das ist für diejenigen, die sich für diesen Fall interessieren, wichtig. Wir werden uns also gemeinsam um die bestmögliche Aufklärung kümmern. Das tun wir in aller Öffentlichkeit, wenn es zum Beispiel um den Schutz unserer Bürger geht. Über die vertraulichen Aspekte, die mit diesem Fall verbunden sind - der Außenminister hat darauf hingewiesen -, werden wir im nicht öffentlichen Kontrollgremium des Parlaments unterrichtet, in dem die Wahrung geheimdienstlicher Verschwiegenheit aufgrund unserer eigenen Sicherheitsinteressen oder der Sicherheitsinteressen unserer Partnerländer unverzichtbar ist. Dafür müssen wir uns - auch hier gebe ich Ihnen Recht - die notwendige Zeit nehmen. Deshalb werden sich auch die Fachausschüsse noch lange Zeit mit dieser Angelegenheit zu befassen haben. Ich glaube, dass gerade die detaillierten und sehr sachgerechten Ausführungen des neuen Außenministers ein guter Auftakt und ein sehr beruhigendes Beispiel dafür sind, wie man mit einem solchen Vorgang richtig umgeht und wie solche Sachverhalte künftig in aller Ruhe, in aller Offenheit und in ihrem gesamten Umfang aufgeklärt werden sollten. Die Aufklärung des Falls el-Masri „liegt in der Hand der Regierung“ - so wurde Reinhard Bütikofer von den Grünen in den letzten Tagen in einer Zeitung zitiert. Natürlich ist das nicht falsch. Aber wenn man die stattliche Liste von Fragen, die die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen zur Beantwortung eingereicht haben, sieht, dann könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass dieses Geschehen an den Grünen völlig vorübergegangen ist. ({0}) Sie tun so, als hätte es nie eine maßgebliche Beteiligung an der Regierung und damit eine Verantwortung grüner Spitzenpolitiker just zu der Zeit, als sich all das ereignet hat, gegeben. Etwas verwundert liest man in den beiden Kleinen Anfragen der Grünen zu diesem Thema Fragen wie zum Beispiel: Inwieweit ist der Bundesregierung ferner bekannt bzw. kann sie Medienberichte bestätigen, dass … K. el-M. laut einem dem Auswärtigen Amt schon seit Juni 2004 vorliegenden Bericht ({1}) an Bord einer CIA-Maschine misshandelt worden ist …? Weiter heißt es: Was hat die Bundesregierung - man könnte auch hinzufügen: der Bundesaußenminister seither unternommen, um … diese Sachverhalte aufzuklären …? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Grünen-Fraktion, für den Fall, dass Sie es verdrängt haben: Der Außenminister hieß damals Joschka Fischer. Er war zudem Vizekanzler und Ihr höchster Mann hier in Berlin. Warum fragen Sie ihn also der Einfachheit halber nicht selbst? ({2}) Teilen Sie uns dann mit, was er gesagt hat! Wir wissen es nämlich auch nicht und es wäre interessant, das einmal zu hören. Natürlich verlangen auch wir eine umfassende und plausible Aufklärung des Falles el-Masri und wollen Vergleichbares für die Zukunft ausgeschlossen wissen. Aber im Gegensatz zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Grünen-Fraktion, die Sie damals mit an den Schalthebeln der Regierung waren, trifft uns eben keine Verantwortung für diese Vorgänge. Deshalb rate ich Ihnen, alle Polemik und Selbstgefälligkeit in diesem Fall abzulegen und ehrlich bereit zu sein, daran mitzuarbeiten, das Geschehen rückhaltlos aufzuklären. ({3}) Dazu hätte einer von Ihnen sehr viel beitragen können, wenn er heute da gewesen wäre, nämlich Ihr früherer Außenminister Joschka Fischer. ({4}) Meine Damen und Herren, es ist wichtig - nicht nur für uns, sondern auch für die ganze Welt -, dass es ein paar allgemein anerkannte und befolgte Regeln für den Umgang von Staaten mit Menschen gibt. Zwar haben wir, wie wir alle wissen und bedauern, diesen Idealzustand noch längst nicht erreicht, aber zumindest diejenigen, die dieses hohe Ziel einfordern, müssen sich selbst ohne Wenn und Aber daran halten; sonst ist der Kampf dafür unglaubwürdig und wir können ihn gleich aufgeben. Dass so menschenverachtende und grausame Exzesse wie gnadenloser Terrorismus dazu führen, dass Diskussionen entstehen, zum Beispiel darüber, ob das Folterverbot allzeit gültig sein muss - worum es ja in den USA zurzeit geht -, ist verständlich. Aber unsere Aufgabe als Politiker demokratischer Staaten muss es sein, abzuwägen und besonnen zu bleiben. Doch nicht nur aus eigener - moralisch, religiös oder rein humanistisch begründeter - Überzeugung müssen wir dafür sein, dass Menschenrechte, elementare Prinzipien des Rechtsstaats und der Demokratie, immer und überall gelten. Es gibt auch hochrangige, feierlich in völkerrechtlich verbindlicher Form eingegangene Verpflichtungen, sich so zu verhalten. ({5}) Ich will nur drei davon nennen: die Menschenrechts- und die Anti-Folter-Konvention der UNO, die Europäische Menschenrechtskonvention und auch den Grundrechtekatalog in unserem Grundgesetz oder in Verfassungen anderer Staaten. Wenn man auf Dauer friedlich und gedeihlich auskommen will, dann muss sich jeder darauf verlassen können, dass diese elementaren Grundregeln stets gelten, dass Verstöße dagegen nicht geduldet, sondern verfolgt und dass mögliche Fehler in Zukunft abgestellt werden. ({6}) Das hat, soweit es nach amerikanischem Recht offenbar vertretbar ist, die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice bei ihrem Besuch hier in Deutschland ja auch zugesagt und deutlich gemacht. Ich finde, das war ein guter und in diesem Zusammenhang sehr wichtiger Auftakterfolg der neuen Regierung bei der Bewältigung dieser nicht einfachen Probleme. ({7}) Mit unserer klaren und kalkulierbaren Position helfen wir ihr und anderen in den USA dabei, diese Grundsätze gegenüber der heimischen Öffentlichkeit in den USA zu vertreten und schließlich auch durchzusetzen. Damit hat diese Debatte bereits ein respektables Ergebnis gezeigt. Wenn wir im gleichen guten Stil weitermachen, werden wir überzeugen und in der Zukunft Gutes für die Geltung und Durchsetzung der Menschenrechte in der ganzen Welt bewirken können. Vielen Dank. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi, Fraktion Die Linke.

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In seiner Rede hat Kollege Stadler, und zwar zu Recht, die Rolle des Parlamentes und auch der Bundesregierung in diesem Zusammenhang aufgeworfen, wozu es vieler Erklärungen bedarf. Unsere Zeit ist geprägt durch verschiedene, auch tragische Ereignisse. Kriege und Terrorismus, das alles hat zugenommen. Ich weiß auch, dass eine gewisse Hilflosigkeit entstanden ist. Es gibt aber ein Mittel, um dagegen wirksam vorzugehen, und zwar die Einhaltung des Völkerrechts. ({0}) Das Völkerrecht ist aber immer stärker verletzt worden. Ich darf daran erinnern - das sage ich ohne jede Polemik -: Vor längerer Zeit stand ich in diesem Haus ziemlich alleine da, als ich darauf hinwies, dass der Jugoslawienkrieg völkerrechtswidrig ist, weil der Sicherheitsrat nicht einbezogen worden ist. ({1}) Es gab für ihn zwar Argumente moralischer und anderer Art, den Sicherheitsrat aber hat man nicht einbezogen. Das war übrigens ein Grund für die USA, beim Irakkrieg den Sicherheitsrat ebenso zu ignorieren; denn das war schließlich auch schon vorher geschehen. Wenn man Völkerrecht verletzt, muss man immer wissen, dass man es damit zerstört, dass es in der alten Form nicht wiederkommt. Das gilt erst recht für die Vorgänge, von denen wir jetzt erfahren. Sie, Herr Außenminister Steinmeier, haben sich gegen Vorwürfe verteidigt, die ich gar nicht gehört habe. In diesem Hause hat doch niemand der Bundesregierung vorgeworfen, Gefangene irgendwohin zu schicken, damit sie gefoltert werden. Nein, es geht um etwas ganz anderes: Die USA haben im Kampf gegen den Terrorismus bestimmte Normen weltweit außer Kraft gesetzt. ({2}) Verstehen Sie, die Regierung der USA will diesbezüglich ihr eigenes Recht nicht. Die USA scheuen die USA; das muss man sich einmal vorstellen. Sie bringen ihre Gefangenen nicht in die USA, lassen weder ihre Gerichte noch ihre Rechtsanwälte zu. Dafür nehmen sie den Teil Kubas, den sie innehaben und wo kein Recht herrscht. In Guantanamo sitzen Menschen seit vier Jahren ohne alle Rechte ein. Die USA sagen, sie sind keine Kriegsgefangenen, entsprechende Rechte haben sie nicht; sie sind keine Untersuchungshäftlinge, entsprechende Rechte haben sie nicht. Diese Menschen sind seit fast vier Jahren rechtlos. Das ist doch nicht hinnehmbar! Wir müssen auch im Interesse der Rechtsstaatlichkeit, im Interesse eines zivilisatorischen und kulturellen Fortschritts in Europa sagen: Nein, so etwas darf nicht gemacht werden, hier ziehen wir eine Grenze, auch und gerade bei einem Verbündeten. ({3}) Von den Vorgängen in diesem Teil Kubas wusste ich. Jetzt kommen Informationen über Geheimgefängnisse der USA in anderen Ländern, zum Beispiel in Osteuropa, zutage. Es wird Sie nicht wundern: Ich bin darüber wirklich entsetzt. Ich muss hören, dass es Gefangene in Syrien gibt. Ich bitte Sie, Syrien! Herr Bundesaußenminister, die USA erklären, das sei ein Schurkenstaat, dort gebe es Folter, sie drohen einen Militärschlag an, sagen aber gleichzeitig, man könne dort Gefangene gut vernehmen, deswegen schicke man sie dorthin. Das ist doch indiskutabel! Dazu müssen wir klar Nein sagen. So etwas darf man nicht machen. Gerade auch bei Freunden muss man Nein sagen. ({4}) Es gibt einzelne Punkte, die der Aufklärung bedürfen. Ich tue ja gar nicht so, als ob ich es weiß. Aber ich lese in der „Washington Post“ von einem anderen Zeitpunkt, zu dem Minister Schily informiert worden ist. Übrigens ist Herr Schily auch nicht hier. Wenn Sie schon kritisieren, dass Herr Fischer nicht anwesend ist, hätten Sie erwähnen müssen, dass Herr Schily auch nicht hier ist. Wenn schon, dann muss man das Bild vollständig zeichnen. ({5}) Ich lese, er habe vor der Freilassung davon erfahren. Von ihm hören wir, er habe diese Information zwei Tage danach bekommen. Die einfache Logik spricht natürlich dafür, dass er es vorher erfahren hat; denn die US-Regierung war doch daran interessiert, ihn dafür zu gewinnen, dass das möglichst nicht bekannt wird. Das macht natürlich nur dann Sinn, wenn man es ihm vorher gesagt hat. Genau weiß ich es aber nicht, schließlich war ich nicht dabei. Aber ich finde, diesbezüglich können wir Aufklärung verlangen. Es gibt einen Punkt, über den wir uns verständigen müssen. Herr Außenminister Steinmeier, Otto Schily hat ja gesagt, er habe die Staatsanwaltschaft nicht informiert, weil er kein Gehilfe der Staatsanwaltschaft sei. Das ist in einem von ihm autorisierten Interview nachzulesen. Ich bitte Sie! Er stützt sich dabei auch auf § 98 der StPO und sagt: Das ist zum Wohle der Bundesrepublik. Dürfen wir dann bitte einmal über das Wohl der Bundesrepublik diskutieren? Dass die Entführung zum Wohl der Bundesrepublik ist, wird niemand behaupten. Also stellt sich die Frage, ob die Geheimhaltung dessen zum Wohle der Bundesrepublik ist. Ich bestreite das ganz energisch und sage: Hier ist eine kulturelle Grenze überschritten worden, an der wir klar und öffentlich Nein sagen müssen, wenn wir das für die Zukunft ausschließen wollen. Verstehen Sie, wenn wir der US-Regierung sagen, dass wir immer die Klappe halten, wenn wir so etwas erfahren, dann tun wir das Gegenteil von dem, was wir brauchen und was auch international nötig ist. ({6}) Auch beim internationalen Recht gilt immer: Entweder es gilt für alle Staaten oder es gilt für keinen. Was wir von den USA nicht verlangen, können wir auch von Uganda nicht verlangen. Was hätte Herr Schily denn gesagt, wenn der ugandische Botschafter ihm so etwas mitgeteilt hätte? Sie glauben doch nicht im Ernst, dass er gesagt hätte, darüber zu schweigen. Er hätte völlig anders reagiert. Ich hätte mir gewünscht, dass er auch gegenüber dem amerikanischen Botschafter so reagiert hätte, wie er dort reagiert hätte, und dass er gesagt hätte: Das kann ich nicht. ({7}) Hat er den Bundeskanzler nun informiert oder nicht? Ich erfahre es nicht. Hat er den Bundesaußenminister informiert oder nicht? Das wäre doch ein Ding! Wenn der Kanzler einen Innenminister gehabt hätte, der informiert wurde, ihm als Kanzler aber nichts gesagt hätte, dann müsste er sich jetzt beschweren. Hat er den Außenminister informiert oder hat er es nicht getan? Ich will wissen: War das eine Sache der Regierung oder war das die Sache einer Einzelperson? Das wird man doch noch erfahren dürfen. Das hat übrigens auch gar nichts mit Geheimnissen der Geheimdienste zu tun. Es geht um die Aufklärung schwerer Straftaten. Der Mann ist entführt worden. Es gab keinen Haftbefehl. Die deutschen Behörden sind nicht informiert worden. Was ist das denn für eine Freundschaft zwischen den USA und Deutschland? Die USA haben Verdachtsmomente gegen einen Mann. Warum können sie nicht unsere Behörden informieren und sagen, das sind die Verdachtsmomente, vernehmt ihn, wir hätten gerne Informationen? Nein, sie entführen ihn nach Mazedonien. Fünf Monate später sollen sie dann einen Satz dazu gesagt haben. Was ist das denn für eine Freundschaft? Ich bin völlig weg. Ich kann das überhaupt nicht verstehen. ({8}) Ich finde, dagegen muss man sich wehren. Man muss auch den amerikanischen Freunden sagen, dass das nicht geht, und zwar unter anderem deshalb nicht - lassen Sie mich das sagen -, weil die Überwindung des Ost-WestKonflikts mit einem großen moralischen Anspruch gelungen ist. Man hat gesagt: Weg mit Diktatur, her mit Demokratie, her mit Rechtsstaatlichkeit! Ich sage Ihnen: Wir alle haben die schlimmen Ereignisse vom 11. September 2001 in Erinnerung. Das war eine Katastrophe. Man kann es gar nicht anders bezeichnen. Trotzdem und gerade deshalb sage ich: Wenn auch wir die Rechtstaatlichkeit aufgeben und die USA plötzlich Gefangene in irgendwelche Länder bringen - ich lese jetzt von Nordafrika -, welcher Staat entspricht dort dann noch unseren demokratischen und rechtsstaatlichen Vorstellungen? Man erfährt ja nichts Genaueres.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Gysi, Sie reden im Augenblick auf Kosten Ihrer Kollegen.

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin. Wenn auch wir die Rechtstaatlichkeit aufgeben und wenn auch wir sagen, keine Rechte für diese Leute, die Rechtsstaatlichkeit und die Rechte der betroffenen Personen interessieren uns nicht - ({0}) - Wenn die USA-Regierung das sagt, dann dürfen wir dazu nicht schweigen, sondern dann müssen wir im Interesse der Zivilisation, der europäischen Kultur und unserer eigenen Rechtstaatlichkeit dagegen auftreten. Darum geht es. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über was reden wir heute? Ich kann einigen Vorrednern nur beipflichten: Es geht natürlich um das große Problem des internationalen Terrorismus. Es geht um Vorfälle, die hier schon bezeichnet worden sind, nämlich um den 11. September, um die Anschläge in London und Madrid und um die Frage, wie wir mit der Art und Weise, wie die Länder an dieser Stelle versuchen, Aufklärung zu betreiben, umgehen. Was heißt das für uns selbst? Eines will ich ganz klar sagen: Wir wissen, dass wir es hier mit einer Existenzbedrohung zu tun haben und dass man auf dieser Ebene, auf der es um die Art und Weise geht, wie zum Beispiel al-Qaida arbeitet - auch grenzüberschreitend mit allen Finessen und Tricks -, auf eines nicht verzichten kann, nämlich auf Geheimdienste. Deutschland kann sich - unsere Aufgabe ist es, hier im Land für Sicherheit zu sorgen - aus dem Informationsaustausch nicht ausklinken; denn wenn andere international agieren, dann brauchen wir den Informationsaustausch, um die Menschen bei uns und in anderen Ländern zu schützen. Das ist der erste Punkt. ({0}) Eines ist ganz klar: Für uns gilt an dieser Stelle immer die Selbstbindung an das Recht. Darüber kann nichts stehen. Wer Terrorismus bekämpfen will, muss immer klar sagen: Wir halten uns an das Recht, und zwar an das nationale, das internationale und an das Völkerrecht. Über diese Debatte geht gar nichts. ({1}) Unser wirkliches Problem ist, dass wir von einer transatlantischen Wertegemeinschaft reden, aber an dieser Stelle feststellen, dass unsere Werte in Kernpunkten nicht übereinstimmen. Das ist der Kern des Problems. ({2}) Ich sage ganz klar: Die Todesstrafe ist für uns in Europa nicht akzeptabel. Folter ist für uns in Europa nicht akzeptabel. Menschen zu verschleppen oder fliegende Gefängnisse zu unterhalten ist für uns nicht akzeptabel. Darin unterscheiden wir uns von den USA. Genau darin liegt das Problem, über das wir reden müssen, und zwar gerade wegen unserer freundschaftlichen Beziehungen. Das gehört dazu. ({3}) Ich erinnere an das, was in den letzten Wochen passiert ist. Frank Steinmeier hat hier gerade über Condoleezza Rice und das Gespräch der Bundeskanzlerin mit Condoleezza Rice gesprochen, das meines Erachtens ein Fehlstart war. Sie haben gesagt, Frau Rice habe einen Fehler eingestanden. Frau Rice hat erklärt: Mitnichten habe ich einen Fehler zugegeben. Da geht das Problem schon los. Es reicht uns nicht, dass Frau Rice zusagt: Wir halten uns an das internationale Recht. Aber sich an das internationale Recht zu halten macht nur dann Sinn und ist nur dann greifbar, wenn das Gefängnis in Guantanamo geschlossen wird. Das muss die Antwort auf ihre Zusage sein. ({4}) Auch die USA müssen zusagen, keine Menschen mehr von einem Land in ein anderes zu verschleppen, weil ihnen das dortige Recht mehr Möglichkeiten gibt und sie sie so der US-Gerichtsbarkeit entziehen, die ihnen sonst in die Quere kommen könnte. All das gehört dazu, wenn wir von der Selbstbindung an das Recht sprechen. Genau an dieser Stelle werden wir die Diskussion mit den USA weiter führen müssen, weil wir nur dann glaubwürdig sind. Nur dann kann man sich legitim mit dem Terrorismus auseinander setzen. Nur dann kann man islamischen Ländern zu vermitteln versuchen, dass ein demokratisches, rechtsstaatliches System, das die Würde der Menschen akzeptiert, Sinn macht. Ansonsten führen wir uns selbst ad absurdum und gießen am Ende noch Öl ins Feuer des Terrorismus. ({5}) Trotz der guten Beziehungen, die wir zu den USA unterhalten, gibt es nie im Leben einen Grund, zum Thema Guantanamo oder el-Masri schlicht und einfach - ich sage es einmal salopp - die Schnauze zu halten. Weil es hier um eine öffentliche Diskussion geht - auch Herr Stadler hat es angesprochen -, will ich Folgendes sagen: Lieber Herr Stadler, diesen öffentlichen Diskurs hätten Sie mit uns schon vor Jahren führen können. Wir haben angefangen, diese Debatte zu führen, als wir uns mit dem Irakkrieg auseinander gesetzt haben. Dabei haben wir darauf hingewiesen, dass es für diesen Krieg keine Gründe gibt, dass die Argumente von George Bush nicht stimmen und, wie wir heute lesen konnten, auf angeblichen Fakten basieren, die durch Folter erpresst worden sind. Zu diesem Zeitpunkt hätten wir gerne mit der FDP und auch der CDU/CSU eine Debatte geführt. ({6}) An diesem Punkt hätten wir den öffentlichen Diskurs anfangen müssen. Wir hätten uns gewünscht, dass Sie uns in diesen rechtlichen Fragen zu einem frühen Zeitpunkt unterstützt hätten. Wenn man wie bei dem Fall elMasri etwas herausfinden will, kann man gerne darüber streiten - das sage ich auch zur PDS -, ob nach dem Brief des Anwalts - Herr Steinmeier hat hierzu einige Klarstellungen getroffen; auch in den Ausschüssen hat es dazu Informationen gegeben - die notwendigen Schritte unternommen worden sind. Das habe ich heute Morgen aus den Ausschüssen gehört. Natürlich kann man darüber streiten - das gebe ich zu -, ob man die Debatten dazu öffentlich oder nicht öffentlich führt, wo man mehr darüber erfährt und was strategisch klüger ist. Darüber können wir diskutieren. Aber ich versichere Ihnen - so viel Zeit muss sein -: Die hiesigen Behörden haben sich bemüht, herauszufinden, ob die Vorwürfe zutreffen, und sie haben auch versucht, die Staatsanwaltschaft zu unterstützen. ({7}) Wir haben in diesem Zusammenhang noch jede Menge Fragen. Ich freue mich, dass dies auch für die FDP gilt. Sie hätten aber schon im Januar dieses Jahres intensiv über diese Fragen diskutieren können. ({8}) - Mit Verlaub: Damals haben manche in diesem Hause bei jeder Kritik an den USA auf die transatlantische Freundschaft hingewiesen; sie meinten, das Verhältnis zu den USA müsse verbessert werden. Wegen der Auseinandersetzung mit Rot-Grün im Wahlkampf wollten Sie sich dieser Debatte nicht stellen. Das ist Ihr Menschenrechtsverständnis in diesem Zusammenhang, lieber Herr Westerwelle. ({9}) Andernfalls hätten Sie als Hansdampf in allen Gassen diese Debatte im Januar längst aufgenommen. ({10}) Es geht also nicht um eine Show; vielmehr müssen die USA deutlich aufgefordert werden, rechtswidrige Praktiken zu unterlassen. Es muss uns auch darum gehen, den Ablauf aufzuklären. ({11}) Heute wurde im Ausschuss einiges an Fakten dargelegt. Wir wollen und werden die Aufklärung fortsetzen. Wir wollen wissen, welche Kontakte und Auseinandersetzungen es bei den Sicherheitsbehörden und welche konsularischen Bemühungen um deutsche Staatsbürger es gab. Was den Auswärtigen Ausschuss angeht, haben wir deutlich gemacht, dass heute nicht alle Fragen hinreichend beantwortet wurden. Insofern muss - nicht nur im Parlamentarischen Kontrollgremium, sondern auch in den anderen Ausschüssen, zumindest im Auswärtigen Ausschuss - in dieser Angelegenheit weiter recherchiert werden. Ich glaube - das richte ich an alle, auch an die jetzige Bundesregierung -, derzeit ist die Verwirrung in der Öffentlichkeit so groß, dass wir alle gut beraten sind, gemeinsam eine möglichst transparente, öffentliche Debatte zu führen, weil wir nicht zulassen können, dass die Medien ein Durcheinander schaffen, in dem wir uns nicht vernünftig äußern können. Es muss uns daran gelegen sein, dass in der Debatte Transparenz herrscht und über die Wahrheit öffentlich diskutiert wird, wenn es um die Frage geht: Wer hat was wann gemacht? Lassen Sie mich noch eines anmerken, weil wir schließlich dem Prinzip der „Checks and Balances“ gerecht werden müssen: Wir haben die Aufgabe, hier und andernorts Sicherheit zu schaffen und Terrorismus zu bekämpfen. Wir haben die Aufgabe, klar zu machen, dass wir uns zu jedem Zeitpunkt an das Recht gebunden fühlen. Das ist unsere Verpflichtung, und zwar aus guten Gründen, und wir halten uns daran. Fazit unserer Bemühungen sollte nicht nur die nationale Aufklärung über Flüge, fliegende Gefängnisse und Folter sein. Wir sollten auch die internationale Ebene nutzen. Das gilt auch für das bevorstehende Treffen der Regierungschefs, Frau Merkel. Europa muss ein Zeichen setzen, dass so etwas in keinem der 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union passieren darf, weil unser europäisches Recht Folter verbietet. Wenn es dazu kommt, engagieren wir uns für alle unsere Staatsbürger. ({12})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Walter Kolbow, SPD-Fraktion.

Walter Kolbow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001175, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass nach den Auskünften in den heutigen Ausschusssitzungen und insbesondere nach den Darlegungen des Herrn Außenministers eben im Plenum deutlich geworden ist, dass sich die Bundesregierung sowohl im Fall el-Masri als auch im Zusammenhang mit den CIA-Flügen nicht nur rechtlich einwandfrei, sondern auch - das gilt insbesondere für Sie, Herr Außenminister, in Ihrer früheren Funktion als Chef des Bundeskanzleramts - politisch richtig verhalten hat. ({0}) Sie können sich auch an den Anwalt von Herrn elMasri wenden, der sich selbst öffentlich geäußert und deutlich gemacht hat, dass sich die Bundesregierung wie auch die beteiligten Dienststellen auf Bundesebene rasch und intensiv um den Fall gekümmert haben. Es geht nicht an, Herr Stadler und Herr Gysi, den handelnden Akteuren der damaligen Bundesregierung zu unterstellen, sie hätten stillschweigend Folter oder Verschleppung hinnehmen wollen. Ganz im Gegenteil: Die überzeugende Darlegung des Außenministers, was getan worden ist, relativiert dies nicht nur, sondern stellt das klar in Abrede. ({1}) Ich denke, es ist deutlich geworden, dass die Gewährleistung der Freiheit und der Unversehrtheit unserer Bürgerinnen und Bürger ein Grundanliegen nicht nur dieses Parlaments ist. Frau Kollegin Künast, ich füge hinzu: Jawohl, es bestand bereits seit Januar 2005 die Chance, dies auch im Parlament zu beraten, sich abzusprechen und sich dazu zu verhalten. Ich stelle das nur für mich selbstkritisch fest. Ich meine aber, dass hier alle angesprochen sind, ausgenommen - das räume ich ein - Sie von der Fraktion Die Linke. Vier wesentliche Punkte müssen herausgestellt werden: Erstens. Wir hatten und haben keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass sich diese Bundesregierung an Recht und Gesetz gehalten hat. Zweitens. Wir haben klare Auskunft bekommen, dass keine deutsche Stelle in irgendeiner Form an der Entführung eines deutschen Staatsbürgers beteiligt war. Drittens. Nach den bisherigen Informationen - wir fahren ja morgen fort, um die Fragen, die Ihrer Meinung nach offen geblieben sind, zu beantworten - schlussfolgere ich, dass die Forderung nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht berechtigt ist. ({2}) Die Bundesregierung hat nichts zu verbergen und hat offen und ausführlich - lesen Sie intensiv nach, was der Außenminister gesagt hat! - über die Fakten berichtet. ({3}) Viertens. Wir setzen darauf - ich hoffe, dass wir uns zumindest darin einig sind -, dass sich Europa und die USA in den Fragen betreffend das allgemeine Folterverbot und die universellen Menschenrechte wieder annähern. Das, was Jeffrey Gedmin in der heutigen Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“ schreibt - er ruft nach einer Anpassung des Rechtes, um ein „richtiges“ Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus zu ermöglichen -, fordert uns heraus. Wir wollen, ja müssen daWalter Kolbow rüber eine Debatte mit unseren amerikanischen Freunden führen. Eine solche Debatte ist in Amerika bereits im Gange. Die Initiativen von Senator McCain verdienen jedwede Unterstützung; denn er will - mit Chance auf eine große Mehrheit - nicht nur Folter, sondern auch die erniedrigende Behandlung von Gefangenen generell ausschließen. Das ist auch unser parlamentarischer Auftrag. Wir sollten daher die Bundesregierung in ihrem Anliegen unterstützen, dass in der Tat niemand Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bzw. Strafe ausgesetzt werden darf. ({4}) Dies gehört zur Rechtskultur der Europäer, also auch der Deutschen. Das ist nicht anpassbar. Deswegen beginnen wir, in diesem Parlament eine intensive Debatte in Richtung der Verantwortlichen jenseits des Atlantiks zu führen. Im Hinblick auf den Fall el-Masri sollte in dieser Debatte noch einmal unterstrichen werden, dass wir erwarten, dass sich unser amerikanischer Partner mit dem Betroffenen ins Benehmen setzt und mit ihm das Notwendige verantwortlich abklärt. Die Erlaubnis für Herrn el-Masri zur Einreise nach Amerika ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir gehen davon aus, dass sich die Bundesregierung im Sinne einer nachträglichen Fürsorge weiterhin intensiv um den Fall el-Masri kümmert und in den anderen Fällen, über die wir heute zwar nicht im Plenum, wohl aber in den Ausschüssen gesprochen haben, ähnlich initiativ wird. Es wäre richtig, wenn unser amerikanischer Partner das genauso handhabte. Da in der öffentlichen Debatte Zweifel an der Position zum Irakkrieg geäußert worden sind und weil hier Vermengungen stattgefunden haben, die meines Erachtens unzulässig sind, will ich für meine Fraktion sagen: Die klare Position, die Deutschland zum Irakkrieg eingenommen hat, gilt weiter, ebenso wie unsere konstruktive Haltung zum Wiederaufbau des Iraks, der für die Menschen in diesem Land und die Stabilisierung der Region wichtig ist, und zwar unabhängig von unterschiedlichen Einschätzungen in dieser Frage. Der Außenminister hat richtigerweise ausgeführt, dass das Aufklärungsinteresse der Bundesregierung auch das Aufklärungsinteresse des Parlaments ist, was die CIA-Flüge und die Unterstützung der Initiativen des Europarates angeht. Ich denke auch, dass die Initiative zu einer Untersuchung im Europäischen Parlament durchaus begleitet werden kann. Die grundsätzliche deutsche Position zur Terrorismusbekämpfung ist mit dieser Beschreibung und durch das, was der Kollege Lintner gesagt hat, aber auch durch das, was von anderen Rednern eingebracht worden ist, klar: Terrorismus ist mit demokratischen Mitteln, einem Höchstmaß an internationaler Zusammenarbeit und unter Bindung an unser Recht und an das Völkerrecht zu bekämpfen. Parlamentarisches Engagement ist notwendig, um hierbei Rechtssicherheit zu erzielen. Ich danke für das Zuhören. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Dr. Werner Hoyer, FDPFraktion.

Dr. Werner Hoyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000967, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, zunächst kurz auf die beiden Vorredner einzugehen. Kollege Kolbow, wenn Sie jetzt schon wissen, dass es kein weiteres Aufklärungsbedürfnis gibt, das einen Untersuchungsausschuss erforderlich macht, dann wissen Sie mehr, als uns heute mitgeteilt worden ist. Das sollten Sie uns dann auch sagen. ({0}) Ich halte diese Frage für völlig offen. Es besteht überhaupt keine Notwendigkeit, sie jetzt unter Druck zu entscheiden. Wir wollen Aufklärung. Wenn wir sie bekommen, dann ist es gut, und wenn wir sie nicht bekommen, müssen wir uns alle Optionen offen halten. ({1}) Zweiter Punkt. Sie haben lautstark einen Vorwurf zurückgewiesen, den niemand erhoben hat. Niemand, zumindest was unsere Seite des Hauses angeht, hat der früheren oder der jetzigen Regierung vorgeworfen, sie würde Gefangene irgendwohin schicken, damit sie dort gefoltert und umso besser befragt werden können. Diesen Vorwurf hat kein Mensch erhoben. Ihre Argumentation erinnerte mich an das lustvolle Erschlagen eines Pappkameraden. Mit der Realität hat das nichts zu tun. ({2})) Frau Kollegin Künast, ich weiß eigentlich gar nicht, wo Sie in den letzten Jahren Ihre Planstelle gehabt haben. Die meisten Fragen hätten Sie innerhalb der Bundesregierung und mit Ihren Kollegen von der Bundesregierung klären können. ({3}) Mir drängt sich der Verdacht auf, dass Frau Bundeskanzlerin Merkel und Herr Minister Steinmeier von der Vorgängerregierung eine ganz schön problematische Erblast übernommen haben, was das deutsch-amerikanische Verhältnis angeht. Die Problematik hatte auch die letzte Bundesregierung erkannt und sie hat sich zum Schluss bemüht, das Verhältnis wieder ins Lot zu bringen. Angesichts des Porzellans, das vorher zerdeppert worden war, war die alte Bundesregierung offenbar nicht mehr frei, das mit der notwendigen Klarheit und Konsequenz anzusprechen, was unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zwischen Freunden offen angesprochen werden muss. ({4}) Es geht hier um die Erwartung des Bürgers und den berechtigten Anspruch unserer Bürger, vom Staat geschützt zu werden, auch vor dem willkürlichen Zugriff fremder Sicherheitsorgane und erst recht vor der Gefahr, möglicherweise gefoltert oder in einem unerträglichen Maße schlecht behandelt zu werden. Es geht auch darum, was in einem ganz konkreten Fall geschehen ist oder unterlassen worden ist und wer was wann wusste. Zum anderen geht es in der heutigen Debatte - Herr Steinmeier, da haben Sie völlig Recht - schon um die Frage unserer Haltung zum Kampf gegen den weltweiten internationalen Terrorismus und die oftmals schwierige Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit. Die Amerikaner befinden sich seit dem 11. September 2001 im Kriegszustand. Wir als Europäer mögen das manchmal nicht recht nachvollziehen können, aber wir sollten uns schon klar machen, dass die Anschläge in Madrid und London und mancher verhinderter Anschlag - da haben Sie auch Recht, Herr Steinmeier - deutlich machen, dass wir alle potenzielle Opfer des internationalen Terrorismus sind. ({5}) Deswegen darf es bei der Frage des Kampfes gegen den Terrorismus auf europäischer und speziell auf deutscher Seite auch keine Realitätsverweigerung und erst recht keine Heuchelei geben. Meine persönliche Auffassung ist übrigens, dass man an der Grenze dieses Vorwurfs sein kann, wenn man sehr kritisch zu Guantánamo Bay Stellung nimmt - wir haben das im Deutschen Bundestag, wenn ich mich recht erinnere, einstimmig interfraktionell getan -, dann aber die Möglichkeiten nutzt, weil die Leute nun einmal so praktisch festgehalten werden, dort aufgrund von Vorgaben Befragungen vorzunehmen, die bei einer Polizeibehörde dann ja von der Staatsanwaltschaft oder der Regierung kommen müssen. Dieses Thema bietet sich übrigens nicht zur Behandlung in einem geheimen Gremium an; vielmehr haben wir den Anspruch, darüber im Innenausschuss oder in einem vergleichbaren Gremium offen informiert zu werden. ({6}) Verschiedene Kollegen - insbesondere Kollege Stadler hat einen eindrucksvollen Beitrag geleistet - haben diejenigen Fragen gestellt, die im Kern unbeantwortet sind. Ich hoffe, dass wir noch mehr Informationen bekommen. Eines ist völlig klar: Die Debatte, die in den Vereinigten Staaten über das Thema Folter stattfindet, steht der Debatte in Deutschland und in Europa weder intellektuell noch im Hinblick auf die notwendige Klarheit nach. Was da stattfindet, ist sehr eindrucksvoll. ({7}) Die Begründung Senator McCains für sein Amendment ist dieselbe, die auch unserer Argumentation zugrunde liegt: Erstens. Unter Folter gewonnene Ermittlungsergebnisse sind kaum von Wert. Zweitens. Wer selbst foltert, muss damit rechnen, dass auch eigene Soldaten eines Tages in Gefangenschaft gefoltert werden. Drittens - dieser Punkt ist der wichtigste, wie ich finde -: Im Kampf der Ideen dürfen wir die eigenen Überzeugungen nicht aufgeben; denn sonst hätten wir diesen Kampf schon verloren. ({8}) Amerika ist in einen sicherlich schmerzhaften und mühsamen Diskussionsprozess eingetreten. Als gute Freunde und Partner sollten wir uns daran durchaus beteiligen. Aber wir dürfen nicht infrage stellen, dass wir im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zusammenstehen, dass wir auf die Arbeit und die Zusammenarbeit unserer Dienste angewiesen sind und dass wir auf keinen Fall zulassen dürfen, dass ein Keil in die westliche Wertegemeinschaft getrieben wird; denn dann hätten die Terroristen eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht. Danke. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach Art. 20 unseres Grundgesetzes sind in der Bundesrepublik Deutschland die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Das gilt für alle Behörden. Damit haben auch alle Bürger das Recht auf den Schutz durch die deutschen Behörden. Lassen Sie mich deswegen gleich zu Beginn festhalten: Sollte dieses Rechtsstaatsgebot in irgendeiner Form verletzt worden sein, muss dies lückenlos aufgeklärt werden. Die zuständigen Gremien dieses Hohen Hauses - Ausschüsse und Plenum waren und sind damit heute befasst. Das ist gut so. Wir müssen diesen Fall so behandeln, wie unsere Spielregeln es vorschreiben. Das heißt, sämtliche zu prüfenden nachrichtendienstlichen Aktivitäten müssen im zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium behandelt werden. Alles andere kann in diesem Haus öffentlich besprochen werden. Wenn wir so vorgehen - wir sind dabei, das Ganze in aller Ausführlichkeit zu behandeln; morgen tagen sowohl der Auswärtige Ausschuss als auch der Innenausschuss noch einmal -, dann werden wir Licht ins Dunkel bringen. Ich kann mir nicht vorstellen, was dann ein Untersuchungsausschuss mit dieser Causa zur Wahrheitsfindung noch mehr soll beitragen können. ({0}) Was speziell die Grünen anbelangt: Was man über diese Sache von Exaußenminister Fischer bisher noch nicht erfahren konnte, wird man auch in einem Untersuchungsausschuss nicht erfahren können. ({1}) Ich spreche hier aus leidvoller persönlicher Erfahrung. ({2}) Denn dieser Herr kann sich, wenn es sein muss, 15 Stunden lang ununterbrochen an nichts erinnern. So viel zu diesem Herrn. ({3}) Nun zum Sachverhalt. Der Fall el-Masri ist von Herrn Minister Steinmeier hier eigentlich schon in aller Deutlichkeit dargestellt worden. Er wurde glücklicherweise und richtigerweise vom Verfassungsschutz fortlaufend beobachtet. Das Multikulturhaus in Neu-Ulm war ein Treffpunkt auch von radikalen Islamisten. Deswegen musste hier alles getan werden, um diese Szene zu durchleuchten. Die Nähe von el-Masri zu möglicherweise in terroristische Anschläge verwickelten anderen Islamisten ist bekannt. Dies war der Grund dafür, dass er unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand. Die Erklärung der deutschen Behörden, sie hätten ihn nicht an die CIA übermittelt, ist deshalb zwar nicht zwingend, aber zumindest schlüssig; denn er war eine Randfigur, aber keine zentrale Figur der Beobachtung. Einiges spricht sogar dafür, dass es sich um eine Verwechslung handelt. Letzteres kann aber nur im Parlamentarischen Kontrollgremium geklärt werden; denn nur dort werden nachrichtendienstliche Aktivitäten weiter behandelt. Seit Juni 2004 ermittelt die Staatsanwaltschaft München wegen Freiheitsberaubung gegen Unbekannt. Eine Fülle von Maßnahmen wurde auf Bundes- und Landesebene von allen Behörden vorgenommen. Dies alles aufzuzeigen würde den Rahmen hier sprengen. Ich weiß übrigens nichts, Herr Kollege Stadler, von Beschwerden der Staatsanwaltschaft in München über mangelnde Unterstützung durch Bundesbehörden ({4}) und habe ja jüngst noch einmal Kontakt aufgenommen. Im Gegenteil: Die Maschinerie der Ministerien hat funktioniert. Selbst das Außenministerium hat in dem Fall funktioniert; ({5}) ohne Zutun des Ministers möglicherweise, aber der Apparat hat funktioniert. Was nicht funktioniert hat - das muss man zugeben -, war die Unterrichtung des Parlaments. Weder im Auswärtigen Ausschuss noch im Innenausschuss, auch nicht im Parlamentarischen Kontrollgremium - das sickert immer mehr durch - wurde von der Regierung über diesen brisanten Fall zur richtigen Zeit in der richtigen Form Bericht erstattet. ({6}) - Das ist ein Sachverhalt, dem wir nachgehen, zum ersten Mal heute Abend, wenn, wie ich höre, das neue Parlamentarische Kontrollgremium tagen wird. Den Vorwurf, deutsche Behörden hätten sich an der Verschleppung el-Masris gar aktiv beteiligt, halte ich für abwegig; den würde ich nicht weiter erheben wollen. Bei allem, was es bei der Behandlung el-Masris durch die USA möglicherweise zu kritisieren gibt, dürfen wir eines nicht aus dem Auge verlieren: Die Nachrichtendienste müssen weltweit zusammenarbeiten können. Die Nachrichtendienste Deutschlands und Europas müssen mit denen der USA zusammenarbeiten. Bei allem, was wir hier an Aufklärungsbemühungen an den Tag legen: Diese Kreise so zu stören, dass eine konstruktive, fruchtbare Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus gestört wird, halte ich für unverantwortlich. ({7}) Wer diese Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden aus parteitaktischen Gründen oder aus welchen Gründen auch immer stört, der handelt unverantwortlich. Er schadet den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland. Das Verhältnis der Bundesrepublik zu Amerika ist in der jüngsten Zeit weiß Gott nicht gerade ungetrübt gewesen. Das heißt, es muss unser Interesse sein, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht noch mehr verschlechtert wird, sondern, im Gegenteil, sich verbessert. Deswegen war die Art und Weise des Umgangs mit diesem Thema durch die Bundeskanzlerin beim Besuch von Frau Condoleezza Rice die Sprache, die gesprochen werden musste. Selbstverständlich ist, dass unsere rechtsstaatlichen Grundsätze, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg - übrigens mit Unterstützung der USA - in Deutschland wieder zur Geltung bringen konnten, in der Bundesrepublik gewahrt werden. Selbstverständlich muss auch die Wahl der Mittel im Kampf gegen den Terrorismus demokratischen Prinzipien entsprechen. Selbstverständlich müssen diese auch unseren Verbündeten, wenn es denn sein muss, vorgehalten werden. Was ist nun zum Verhalten der Mitglieder der Bundesregierung zu sagen? Von Otto Schily in seiner damaligen Funktion als Bundesinnenminister wissen wir, dass er erstmals durch das Gespräch mit Daniel Coats am 31. Mai mit der Angelegenheit befasst wurde. Hierüber hat er Vertraulichkeit zugesagt. Vom seinerzeitigen Kanzleramtsminister Steinmeier wissen wir, dass alle Bundesbehörden in der richtigen Art und Weise aktiv wurden, nachdem der Brief des Rechtsanwalts am 8. Juni dort eingegangen war. Nach alledem ist eine vorwerfbare Untätigkeit der alten Bundesregierung nicht festzustellen. ({8}) Die etwas ungewöhnliche und apodiktische Äußerung von Herrn Schily, er sei nicht der Ermittlungsgehilfe der Staatsanwaltschaft, will ich nicht weiter kommentieren. Sie entspricht wohl mehr seinem sattsam bekannten Selbstverständnis als politischer Solitär, der sich in keine Maschinerie einspannen lassen will. Vielleicht sprach hier auch mehr der frühere RAF-Verteidiger als der spätere Verfassungsschutzminister Schily. ({9}) Wir wollen ihn nicht weiter quälen, zumal diese etwas elitäre Attitüde strafrechtlich ohne jede Relevanz und politisch von geringer Bedeutung ist. Die noch offenen Fragen aus geheimhaltungsbedürftigen Erkenntnissen müssen selbstverständlich in dem rechtlich hierfür vorgesehenen Parlamentarischen Kontrollgremium erörtert werden. Das werden wir heute Abend tun. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Rechte und Kontrollmöglichkeiten unzureichend sind, müssen wir diese Fähigkeiten stärken. Ich habe den Eindruck, dass das Parlamentarische Kontrollgremium in den letzten Monaten durch die rot-grüne Regierung nicht in gehöriger Form unterrichtet wurde. Zum Schluss möchte ich noch eine ganz andere Frage ansprechen. Der Fall el-Masri - el-Masri wurde 1995 eingebürgert - wirft einige Fragen auf. Nicht, dass wir der Einbürgerungsbehörde irgendwelche Vorwürfe zu machen hätten; aber der Fall zeigt, wie richtig es ist, bei einer Einbürgerung eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz zu stellen, ob gegen den Einzubürgernden irgendwelche Erkenntnisse zum Beispiel über islamistische Aktivitäten vorliegen. Das wird in Bayern schon seit 1975 praktiziert. Was war es für ein jahrelanger Kampf, bis wir das nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 endlich bundesweit durchsetzen konnten! Diese Regelanfrage muss sein, wenn wir einen Menschen einbürgern und ihm einen deutschen Pass geben wollen. Der Fall zeigt auch, dass es ganz wichtig ist, dass die Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten, um solche Anfragen wahrheitsgetreu und richtig beantworten zu können. Aus diesem Grunde ist es ein unverzichtbares hohes Gut in unserem Lande, dass die Sicherheitsorgane ihre Arbeit machen und vom Parlament begleitet und kontrolliert werden. So können sie dazu beitragen, dass die Sicherheit in unserem Lande aufrechterhalten werden kann. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Der Kollege Uhl und auch andere Redner haben die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums angesprochen, dem ich in den letzten Jahren anzugehören die Ehre hatte. Dieses Parlamentarische Kontrollgremium ist ja etwas in die öffentliche Diskussion gekommen. Ich will zur Wahrung der Interessen - fast möchte ich sagen: der Ehre - dieses Parlamentarischen Kontrollgremiums hier folgende Frage in den Raum stellen, weil ich mir bewusst bin, dass ich aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium in der Öffentlichkeit hier im Plenum leider nicht berichten darf. Ich will an die Frau Bundeskanzlerin und an den Minister Steinmeier die Frage richten: ({0}) Sind Sie mit mir der Auffassung, dass das Parlamentarische Kontrollgremium -

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Ströbele, Sie machen eine Kurzintervention zu dem Debattenbeitrag vom Kollegen Uhl und haben jetzt nicht die Möglichkeit, eine Frage an die Bundeskanzlerin oder an den Außenminister zu stellen. ({0})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gut. Dann dürfen die Bundeskanzlerin und der Minister zuhören. - Wenn es zutrifft, dass das Parlamentarische Kontrollgremium in der Sache el-Masri unvollständig und wahrheitswidrig informiert worden ist, muss das Konsequenzen haben. Diese Konsequenzen mahne ich bei der Bundeskanzlerin und dem früher zuständigen Minister an. ({0}) Die Frage, ({1}) in welchem Punkt im Parlamentarischen Kontrollgremium - es gibt ja hier einige Kollegen, die dort auch anwesend waren - die Unwahrheit gesagt worden ist, werden wir im Anschluss an diese Sitzung heute Abend klären. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Uhl, Sie können antworten, wenn Sie wollen. - Nein. Dann erteile ich der Kollegin Petra Pau, Fraktion Die Linke, das Wort.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist leider ein Gemeinplatz, wenn ich sage: Die USA mit ihrem Krieg gegen den Terrorismus sind auch auf dem Kriegspfad gegen Bürgerrechte, gegen Menschenrechte, gegen das Völkerrecht und gegen die Zivilisation. ({0}) Sie berufen sich dabei auf eine höhere Moral. Präsident Bush folgt sogar einer göttlichen Eingebung. Ich halte das für Gotteslästerung und für unmoralisch. ({1}) Nun geht es heute nicht um die USA, jedenfalls nicht vordergründig. Es geht um die Fragen: War die deutsche Regierung Mitwisser? Waren deutsche Dienste Nutznießer? Was haben eigentlich deutsche Minister getan? In diesem Zusammenhang erinnere ich an ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs. Es hat festgestellt: Wer indirekt an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilnimmt, ist auch Teilhaber am Krieg und Teilhaber am Völkerrechtsbruch. Gemeint war der Krieg gegen den Irak und gemeint war die Bundesrepublik. Derselbe Maßstab gilt natürlich auch im aktuellen CIA-Fall. Es gibt mehr als einen Anfangsverdacht. Der Ermittler der EU hat erst gestern Abend bekräftigt, dass er viele Anhaltspunkte bestätigt sieht. Mit anderen Worten: Die CIA hat in der EU illegale Lager unterhalten; sie hat Menschen gekidnappt und über EU-Flughäfen verschleppt, auch über deutsche. Da stellt sich natürlich auch die Frage nach deutscher Mittäterschaft im Sinne dieses aktuellen Gerichtsurteils. ({2}) Nun habe ich am Sonntagabend ganz erstaunt gehört, wie der Kollege Wiefelspütz in einem Interview meinte: Die offenen Fragen werden schnell aufgeklärt werden, zumal die Bundesregierung - die alte wie die neue - daran ein großes Eigeninteresse habe. Kollege Wiefelspütz, ich muss sagen, ich teile Ihren Optimismus nicht. Ich darf Sie einmal daran erinnern: Die PDS im Bundestag - genauer: meine Kollegin Gesine Lötzsch hat bereits im Juni gefragt, was die Bundesregierung über CIA-Flüge wisse. Die Antwort war lapidar. Es gab vielleicht ein Eigeninteresse innerhalb der Bundesregierung, aber mit Aufklärung hat das bis zum heutigen Tag überhaupt nichts zu tun. Über den Fall el-Masri wurde heute schon viel gesprochen. Er ist deutscher Staatsbürger; er wurde von der CIA nach Afghanistan verschleppt und dort gefoltert. Wir wissen inzwischen, dass der damalige Bundesinnenminister vom Botschafter der USA danach ins Bild gesetzt wurde und dass Otto Schily trotz dieser Ungeheuerlichkeit Stillschweigen gelobte. Die Kollegen von der FDP wundern sich darüber. Ich muss zugeben, ich nicht mehr. Erinnern wir uns einmal: Unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA sprach Otto Schily bereits von einem „grauen Krieg“, der nun zu führen sei. Ich habe das damals schon als Aufkündigung der Verfassung verstanden. Genau darum geht es, wenn die Linksfraktion nun Aufklärung verlangt. ({3}) Nehmen wir ein zweites Beispiel. Syrien wurde von den USA zum Schurkenstaat erkoren, was die USA allerdings nicht daran hindert, die dort übliche Folterpraxis als Dienstleistung zu nutzen. Der deutsche Islamist Mohammed Zammar, so schreibt zumindest der „Spiegel“, ist einer der vielen dort vergessenen und massakrierten Gefangenen. Aber ganz so vergessen war er offenbar nicht. Denn das BKA, der BND und der Verfassungsschutz schickten offensichtlich eine hochrangige Abordnung in die syrische Folterkammer, um eigene Erkenntnisse über Zammar zu sammeln. Der damalige Präsident des BND ist übrigens nunmehr Staatssekretär im Innenministerium. Ich finde, auch das ruft nach Aufklärung. ({4}) Vorausgegangen war - ich zitiere wieder aus dem „Spiegel“ - ein Deal zwischen dem Kanzleramt und der Regierung Syriens. Demnach stellte die Bundesrepublik einen Prozess gegen einen angeklagten Syrer ein und Syrien versprach im Gegenzug, seine Geheimdienste in Deutschland zu mäßigen. Ich finde, dieser Fall hat noch mehr unappetitliche Facetten. Aber in jedem Fall führt er zu der nahe liegenden Frage: Soll Außenminister Joseph Fischer von all dem wirklich gar nichts gewusst haben und, wenn ja, warum schweigt er, anstatt jetzt zur Aufklärung beizutragen? ({5}) Ein letzter Punkt. Beim jüngsten Staatsbesuch der US-Außenministerin in Deutschland wurde spekuliert: Was hat Frau Rice nun wirklich gesagt? Hat sie einen Fehler der USA eingeräumt oder nicht? Ich halte das alles für diplomatisches Schattenboxen. Es geht darum, dass Bürgerrechte und Menschenrechte universell und unteilbar sind, dass jeder und jede einen Anspruch darauf hat und dass niemand aus Gutdünken, egal wo und durch wen, verschleppt und gefoltert werden darf. ({6}) Deshalb finde ich es richtig, wenn sich die EU und meinetwegen auch die UNO mit dieser Angelegenheit befassen. Eines geht allerdings nicht: dass ausgerechnet wir uns nicht tief greifend damit befassen. ({7})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst will ich eines klarstellen, Frau Kollegin Pau: Ich finde es nicht ganz in Ordnung - denn ich habe heute im Innenausschuss, soweit die Zeit gereicht hat, informiert -, dass Sie hier den Eindruck erwecken, als hätte mein Amtsvorgänger, der Kollege Schily, gewusst, was Sie ihm hier unterstellt haben, nämlich dass Herr el-Masri nach Afghanistan verbracht und dort gefoltert worden sei. Er hatte davon keinerlei Kenntnis. Ich habe Ihnen das heute ausführlich vorgetragen. Sie sollten das dann ein paar Stunden später in der Öffentlichkeit nicht völlig anders darstellen. ({0}) - Die Geheimhaltung, Herr Kollege Wieland, kann nicht dazu dienen, dass man in geheimer Sitzung richtig informiert und Sie dann öffentlich die Unwahrheit sagen. Das geht nun wirklich nicht. ({1}) - Frau Kollegin Künast, Sie sind gleich an der Reihe. Deswegen heben wir die Geheimhaltung in diesem Fall auf. Ich habe heute Morgen im Ausschuss um Geheimhaltung gebeten, weil der Kollege Schily mich gebeten hat, die von ihm zugesagte Vertraulichkeit einzuhalten. Wir haben über den Fall Zammar nicht sprechen können - übrigens, Frau Pau, nicht völlig im Einvernehmen - , weil ich dazu gesagt habe: Was ich dazu darzulegen habe, will ich nicht in dieser Sitzung sagen. Denn über die Arbeit der Nachrichtendienste des Bundes kann ich nicht im Innenausschuss, sondern nur im Parlamentarischen Kontrollgremium informieren. Im Innenausschuss habe ich um Geheimhaltung nur deswegen - und aus keinem anderen Grund - gebeten, um die Vertraulichkeit, die Herr Schily zugesagt hatte, einhalten zu können. Weil das nun so ist, will ich gleich hinzufügen: Ich habe Ihnen heute im Innenausschuss auch vorgetragen, dass die Information des amerikanischen Botschafters an Herrn Schily am Pfingstmontag des Jahres 2004 unter anderem nicht das Wort „Afghanistan“ und nicht den Zeitraum, in dem der Betreffende von der amerikanischen Seite festgehalten worden war, beinhaltet habe und dass im Übrigen gesagt worden sei, man habe sich bei dem Betreffenden entschuldigt, mit ihm Stillschweigen vereinbart und ihm einen Geldbetrag gezahlt. Das passt im Übrigen gut zu dem Satz, den Herr Kollege Steinmeier vorhin vorgetragen hat. Er hat aus dem Schreiben des Anwalts von Herrn el-Masri vom 8. Juni zitiert. Diesen Auszug will ich noch einmal - denn das Gedächtnis ist kurz - vorlesen - ich zitiere - : Bevor die Medien eingeschaltet werden, sollte der Vortrag meines Mandanten geprüft und dessen Erkenntnisse und Wahrnehmungen so gesichert werden, dass sie verwertet werden können. Das klingt doch wesentlich anders. Sie aber tun hier so, als habe der Herr Schily in Kenntnis von Folterungen, Verschleppungen und Ähnlichem nichts getan. Ich finde, es ist gerade angesichts des Ernstes der Lage angemessen, dass wir damit vernünftig, wahrheitsgemäß und verantwortlich umgehen. ({2}) Meine zweite Bemerkung ist - das sage ich mit dem ganzen Ernst, den man haben muss, wenn man die Ehre hat, Bundesminister des Innern zu sein -: Wir stehen angesichts des internationalen Terrorismus vor einer großen Herausforderung; das wissen wir alle. Es gibt zwar keine konkrete Gefahrenlage, aber eine abstrakt hohe. Es kann auch uns betreffen. Der Weltsicherheitsrat hat beschlossen - da hier gerade vom Völkerrecht die Rede war -, dass nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen am 11. September 2001 ein Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika stattgefunden hat, mit einer erheblichen Gefahr für den Weltfrieden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Maurer?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Ich würde diesen Satz gerne zu Ende führen. Haben Sie bitte ein klein wenig Geduld, Herr Kollege Maurer. Kurz darauf hat die NATO zum ersten Mal in ihrer Geschichte - bisher auch zum einzigen Mal - nach Art. 5 des NATO-Vertrages den Beistandsfall beschlossen. Wir sollten dies bei unseren Beratungen nicht außer Acht lassen. In genau dieser Lage befinden wir uns; es geht um den Kampf gegen den Terrorismus. Man kann nun unterschiedlicher Meinung darüber sein, wie man das machen soll, ob die Amerikaner alles richtig machen oder nicht. Bevor man sich aber mit anderen streitet, sollte man deren Argumentation zumindest einmal nachvollziehen. Außerdem hat Deutschland mitgewirkt, und zwar - das hat der Herr Bundeskanzler außer Diensten in diesem Hause vorgetragen - mit Zustimmung der damaligen Oppositionsfraktionen; auch ich habe gegen meine Gewohnheit heftig geklatscht. Bitte sehr.

Ulrich Maurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003805, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, wir müssen kurz zurückgehen. Wenn es so ist, dass sich der Kollege Schily Ihnen gegenüber dahin gehend eingelassen hat, dass er von den Umständen der Entführung des Herrn el-Masri nichts gewusst hat, wie erklären Sie sich dann die öffentliche Aussage von Herrn Schily, dass er kein Erfüllungsgehilfe der Staatsanwaltschaft sei?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Über die Eigenarten des Kollegen Schily können diejenigen, die mehr mit ihm zu tun haben, Auskunft geben. Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. ({0}) Frau Kollegin Künast, ich habe bei jedem meiner Besuche als Mitglied einer Oppositionsfraktion seit dem 11. September 2001 in Washington immer wieder gesagt, dass ich nicht erkennen kann, dass Guantanamo unserem Rechtsverständnis entspricht. Ich kann aber nicht glauben, dass Sie als ehemaliges Mitglied der Bundesregierung erst jetzt davon erfahren haben wollen. Ich vermute, dass die Menschen in Guantanamo nicht freiwillig, ob geschwommen oder mit Booten, dorthin gelangt sind. Sie sind irgendwie dorthin gebracht worden. Sie sagen jetzt mit Emphase, Guantanamo müsse geschlossen werden. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie und der damalige Außenminister, der auch Ihrer Partei angehört, dies schon früher gesagt hätten. Das habe ich aber nicht gehört. ({1}) Ich kritisiere das ja gar nicht. Ich möchte nur nicht, Herr Kollege Trittin, dass man uns jetzt das vorwirft, was Sie nicht getan haben. Das macht keinen rechten Sinn. Nicht mehr und nicht weniger! So gehen wir mit dieser Geschichte besser um. Machen Sie die Arbeit unserer Nachrichtendienste nicht unmöglich und schränken Sie die Fähigkeit unserer Nachrichtendienste zum Austausch von Informationen und zur Zusammenarbeit nicht vollends ein! Ich befürchte, wir würden dies sonst mit einer Verschärfung der Gefahrenlage und einer Verringerung unserer Chancen, Gefahren abzuwehren, bezahlen. Diesen Preis möchte ich nicht zahlen; wir alle dürfen ihn nicht zahlen. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, die Frau Kollegin Künast hätte gerne eine Zwischenfrage gestellt.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Bitte.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Schäuble, abgesehen davon, dass ich Sie persönlich deswegen gar nicht angesprochen habe Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Innern: Aber ich Sie!

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- genau, so ist es im Parlament - , möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich der ehemalige Außenminister Joschka Fischer sowohl in internen Gesprächen als auch öffentlich oft genug zum Thema Guantanamo geäußert hat, auch gegenüber Kollegen in den USA.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Wenn Sie das sagen, wird es auch so sein. Ich nehme das dann zur Kenntnis. Ich habe nur gesagt, dass Guantanamo noch nicht geschlossen ist. Ich möchte keine Polemik, sondern, dass wir alle unserer Verantwortung bewusst sind. Das bringt mich aber zum nächsten Punkt. Herr Kollege Hoyer hat gesagt, dass wir, wenn wir dagegen sind, die Früchte nicht nutzen dürften. Dazu will ich in aller Klarheit sagen: Wenn ich richtig informiert bin, ist in Guantanamo eine Person befragt worden, auch von deutschen Sicherheitsbehörden, nicht aber von Mitarbeitern des Bundeskriminalamts; darauf lege ich großen Wert. ({0}) - Wenn Sie wollen, können wir gleich darauf kommen. Heute hat uns im Innenausschuss die Zeit gefehlt; wir setzen die Sitzung aber morgen fort. ({1}) - Doch. Das habe ich mitgeteilt. - Das ist jedenfalls das Ergebnis meiner sorgfältigen Nachfragen. Ich glaube, wir sollten einen Unterschied machen - ich will mich in Zukunft dafür einsetzen, dass dies überall geschieht - zwischen der Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten, die wir brauchen und deren Informationen wir nutzen müssen, und den Tätigkeiten, bei denen wir uns im Bereich der Strafprozessordnung bewegen. Deshalb gibt es Unterschiede. Wenn wir uns darauf verständigen können, haben wir einen wichtigen Punkt erreicht. Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt - darüber sind wir uns, wenn ich es richtig sehe, alle in diesem Haus einig -: Auch wenn es im Zweifel ganz schwierige Entscheidungen gibt - es gab in Deutschland einen Fall, bei dem wir diese Diskussion geführt haben -, ist und bleibt meine persönliche Überzeugung, dass wir unter gar keinen Umständen gegen das Folterverbot verstoßen dürfen. ({2}) Ich möchte die Argumente von Senator McCain in der umgekehrten Reihenfolge nutzen. Ich finde, das Entscheidende ist: Wir verteidigen und schützen die Sicherheit der Menschen unseres Landes mit den Mitteln des Rechtsstaats. Wenn wir die fundamentalen Prinzipien unserer freiheitlichen Verfassungsordnung aufgäben, würde es keinen rechten Sinn machen, sie zu verteidigen. ({3}) Wenn man erst einmal anfängt, die rote Linie zu überschreiten, sind die letzten Dinge schlimmer als die ersten. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Bitte sehr. Ich wollte zwar gerade meinen letzten Satz sagen, aber so dauert meine Rede eben ein wenig länger.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Schäuble, auch ich habe gerade zu Ihrem Satz, dass Folter auf gar keinen Fall geduldet oder angewendet werden darf, geklatscht. Was sagen Sie aber zu dem Fall Zammar, von dem in der Presse berichtet wurde? Zammar soll gegen seinen Willen von Marokko nach Syrien verschleppt worden sein, wo ihn deutsche Beamte in einem Gefängnis - man kann davon ausgehen, dass er dort gefoltert worden ist - aufgesucht und vernommen haben. Anschließend sind die Vernehmungs- oder Befragungsprotokolle nach Deutschland gebracht worden und können hier möglicherweise Verwendung finden. Halten Sie den Vorwurf, dass man damit möglicherweise die Früchte der Folter erntet, ohne sich die Hände schmutzig zu machen, für berechtigt?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Nach meinem Erkenntnisstand halte ich den Vorwurf, um das Ende der Antwort vorwegzunehmen, nicht für berechtigt. Es ist zutreffend - wir werden darüber wahrscheinlich auch im Parlamentarischen Kontrollgremium und mit Sicherheit morgen im Innenausschuss reden, und zwar nicht in geheimer Sitzung; das war der Grund, warum wir heute entgegen anderen öffentlichen Äußerungen nach der Ausschusssitzung nicht dazu gekommen sind -, dass ihn Beamte des Bundeskriminalamtes vernommen haben. Ich bin nicht ganz sicher, ob er als Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren oder als Zeuge vernommen wurde. Auf jeden Fall ist er aber vernommen worden. Der Mann hatte übrigens, wenn ich es richtig weiß, die deutsche und die syrische Staatsangehörigkeit, sodass er der konsularischen Betreuung in Syrien nicht zugänglich war. ({0}) Wenn ich mich an die Aktenlage richtig erinnere, so hat er überhaupt nicht behauptet, dass er in Syrien gefoltert worden sei. Die Frage, wie er nach Syrien gekommen ist, war nicht Gegenstand der Befragung. Es gab in diesem Fall eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen Syrien und der Bundesrepublik Deutschland. Ich sage ganz leise und vorsichtig: Meine Bemerkung, dass ich in der Zukunft noch strenger auf die Trennung zwischen BKA und Nachrichtendiensten achten werde, hat ein wenig mit meinem Studium genau dieses Falles zu tun. Ich glaube, dass wir im Bereich der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit inzwischen besser sind. Das ist ausdrücklich keine Kritik. Mein Kenntnisstand ist, dass sich die Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes korrekt verhalten haben. Jetzt weiß ich nicht mehr, was mein letzter Satz werden sollte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, bevor Sie Ihren letzten Satz sagen: Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Bitte sehr, diese gestatte ich sowieso. Vielleicht fällt mir dann auch mein letzter Satz wieder ein.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

So macht die Opposition Sinn, Herr Minister.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Die macht überhaupt Sinn. Wir brauchen eine starke Opposition. Das ist mein Verständnis von Demokratie. ({0})

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Heute herrscht so viel Einigkeit im Haus. - Herr Minister Schäuble, mit Ernst noch einmal auf den Punkt gebracht: Sie haben hier in Ihrer Rede einige sehr präzise und für uns auch wichtige Informationen gegeben, jedenfalls für diejenigen, die heute in den Ausschüssen nicht dabei gewesen sind. Sie selber waren im fraglichen Zeitraum nicht Bundesminister des Innern. Sie sind es jetzt seit wenigen Wochen. Deswegen möchte ich Folgendes als Frage formulieren: Haben Sie schon Erkenntnisse oder sehen Sie sich in der Lage, sich jetzt in dieser Debatte zu dem einzulassen, was Herr Kollege Ströbele in seiner Kurzintervention gerade gesagt hat? Er hat erklärt, dass das Parlamentarische Kontrollgremium nicht richtig, nämlich nicht wahrheitsgemäß, und auch nicht vollständig informiert wurde. Da der Kollege Ströbele nach meinem Kenntnisstand in der letzten Legislaturperiode Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission, des jetzigen Parlamentarischen Kontrollgremiums, war, ist es natürlich von erheblicher Bedeutung, wenn er hier erklärt, dass diese parlamentarische Kontrolle durch Unwahrheiten nicht möglich war. Haben Sie darüber Kenntnis? Er hat ja sogar ausdrücklich die Bundeskanzlerin zu Konsequenzen aufgefordert. Können Sie sich schon dazu einlassen? Ansonsten ist es erforderlich, dass das in den Ausschüssen entsprechend beantwortet wird.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Ich habe keinerlei Kenntnis von dem Vorwurf, weder positive noch negative. Es ist auch nicht meine Sache, davon Kenntnisse zu haben. Wir haben nachher eine Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Die Bundesregierung wird diesem Vorwurf sicherlich nachgehen. Meine Antwort lautet: Ich habe - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - keine Kenntnisse. Ich werde versuchen, mir welche zu verschaffen. Meine Bitte ist, dass wir die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums auch in Zukunft so gestalten, dass die Leistungsfähigkeit unserer Dienste und auch die Fähigkeit unserer Dienste zu Informationsaustausch und Zusammenarbeit bei der Beschaffung von Informationen nicht beschädigt werden. Das heißt im Übrigen, dass im Parlamentarischen Kontrollgremium nur dann offen informiert werden kann, wenn die Vertraulichkeit gewahrt wird. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine letzten Sätze: Lassen Sie uns bitte die Verteidigung unseres Rechtsstaats und unserer grundlegenden Prinzipien sehr ernst nehmen. Lassen Sie uns gegenseitig nicht daran zweifeln; lassen Sie uns nicht so tun, als wollte der eine den anderen dabei übertreffen. ({0}) Aber lassen Sie uns auch ernst nehmen, dass wir miteinander die Voraussetzungen dafür schaffen und erhalten müssen, dass unsere für die Sicherheit verantwortlichen Dienste und Behörden in der Lage sind, dieses Land und seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe jetzt eine Kurzintervention der Kollegin Petra Pau auf. Bitte schön.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Bundesminister, Sie haben behauptet, ich hätte gesagt, dass der ehemalige Bundesinnenminister Schily vor Ablauf der Entführung und der Freilassung el-Masris Kenntnis von diesen Vorgängen gehabt habe. Das ist nicht richtig. Ich habe ausgeführt: Wir wissen inzwischen, dass der damalige Bundesinnenminister vom Botschafter der USA danach ins Bild gesetzt wurde und dass Otto Schily trotz dieser Ungeheuerlichkeit Stillschweigen gelobte. Mit „Ungeheuerlichkeit“ war die Entführung des Bundesbürgers el-Masri gemeint. Mit „Ungeheuerlichkeit“ war die fünfmonatige Dauer seines Aufenthaltes in Afghanistan mit allem, was damit zusammenhängt, gemeint. Allerdings gebe ich zu: Mit „Ungeheuerlichkeit“ war auch - aus meiner Sicht - das Versprechen der Verschwiegenheit gemeint. Denn ich persönlich halte es nach wie vor für nicht hinnehmbar, dass der Verfassungsminister ewiges Schweigen gelobt, wenn er Kenntnis von Straftaten erlangt. ({0}) Eine zweite Richtigstellung: Es ist richtig, dass im Ausschuss heute die Zeit fehlte, den Fall Zammar überhaupt zu würdigen. Diese Fragen bleiben bis morgen offen; hoffentlich nur bis morgen. Deshalb musste ich mich auf die Informationen, die jedem hier im Haus zugänglich waren, stützen und habe auf dieser Grundlage meine Rede gehalten. Ohne über den Inhalt der vertraulichen Sitzung des Innenausschusses reden zu müssen, kann ich feststellen, dass allein zwischen dem Ablauf der Vorgänge, wie sie im Innenausschuss dargestellt worden sind, und dem hier vom Außenminister geschilderten Ablauf der Vorgänge mindestens drei Widersprüche bestehen, die wir gemeinsam aufklären müssen. Das habe ich mit meiner Feststellung gemeint, dass wir heute keine Klarheit, die uns von der Forderung nach weiterer Aufklärung abhalten könnte, erlangt haben. Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung. Ich hatte die Möglichkeit, eine Stunde an der Debatte des Rechtsausschusses teilzunehmen. Dort gab es von Ihnen und vom Außenminister erneut widersprüchliche Äußerungen. ({1}) Ich denke, jetzt sollte man all die unterschiedlichen Darstellungen einmal übereinander legen und versuchen, ein Gesamtbild zu entwerfen. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pau, sind Sie mit Ihrer Kurzintervention fertig?

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen, Herr Benneter. Es ging mir nur um die zeitlichen Abläufe und um unterschiedliche Daten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Minister, Sie haben die Möglichkeit zu einer Antwort.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin Pau, zunächst einmal bestätige ich Ihnen: Sie haben in Ihrer Rede nicht ausdrücklich gesagt, dass Herr Schily Kenntnis von der angeblichen oder tatsächlichen Verschleppung - wie auch immer Sie das nennen wollen - und davon gehabt habe, dass Herr el-Masri gefoltert worden sei. Aber so, wie auch Sie selbst Ihre Ausführungen zitiert haben, musste natürlich genau dieser Eindruck entstehen; denn bevor Sie diese Aussage machten, sprachen Sie genau diese beiden Punkte an. Dann haben Sie gesagt, dass Herr Schily trotz dieser Ungeheuerlichkeit nichts unternommen habe. Dadurch haben Sie mich gezwungen, klarzustellen, dass Sie das nicht so gesagt haben. Nicht mehr und nicht weniger habe ich getan. ({0}) Das schien mir allerdings notwendig zu sein. Ich will Sie auf noch etwas hinweisen, was Sie öffentlich in Ordnung bringen sollten: Sie müssen sagen, in welchem Punkt die Darstellung des Herrn Bundesaußenministers, die er in der heutigen Debatte gegeben hat, im Widerspruch zu dem steht, was ich im Innenausschuss gesagt habe. ({1}) - Genau, in keinem Punkt; darauf lege ich schon großen Wert. Wir haben uns schließlich auch ein wenig mit den verschiedenen Ressorts abgestimmt. Angesichts der Kompliziertheit dieses Vorgangs und angesichts der beiden etwas gegenläufigen Gesichtspunkte, die beachtet werden müssen, ist meine Bitte an Sie: Wenn wir ein gemeinsames Interesse daran haben, dieses Thema seriös zu behandeln, dann seien Sie ein bisschen zurückhaltender, bevor Sie den Eindruck erwecken, irgendjemand habe sich nicht an Recht und Gesetz bzw. an die Wahrheit gehalten! ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will dem Bundesaußenminister ausdrücklich bescheinigen, dass er hier dargelegt hat, welche Mühen er und sein Amtsvorgänger sich gemacht haben, um das Schicksal von Herrn el-Masri, nachdem sich sein Anwalt gemeldet hatte, aufzuklären. Ich finde, es gehört zur Oppositionsarbeit dazu, das anzuerkennen. ({0}) Aber ich will auch auf Folgendes hinweisen - das sage ich durchaus auch aus eigener Betroffenheit -: Wie viel Arbeit hätten Sie sich, hätten sich die Geheimdienste und hätte sich das BKA sparen können, wenn nicht eingetreten wäre, was ich selbst nicht für möglich gehalten hätte: dass der Bundesinnenminister zumindest erfährt, wer es gewesen ist! Dann hätten die aufwendigen Ermittlungen, die Sie, der Bundesnachrichtendienst und das BKA haben durchführen lassen, mit diesem Wissen stattfinden können. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Auch als Mitglied dieser Regierung hätte ich mir nicht träumen lassen, dass der Innenminister, der zum damaligen Zeitpunkt ja mein Kollege war, den zuständigen Geheimdienstkoordinator des Bundeskanzleramtes nicht an seinem Wissen teilhaben lässt. Das ist etwas, was mich, ehrlich gesagt, zutiefst erschüttert. ({1}) Meine zweite Bemerkung. Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass es unabhängig von der Frage der „unlawful combatants“ unstrittig sei, dass auch für solche Gefangenen die Grundrechte der entsprechenden Konventionen zu gelten hätten. Lassen Sie uns hier gemeinsame Anstrengungen unternehmen! Eine der Erfahrungen aus dieser Affäre ist doch, dass man als Regierung selbst von Bündnispartnern ziemlich im Regen stehen gelassen werden kann - um das einmal so einfach zu sagen. Nun haben wir doch schon eine gemeinsame Basis: dass wir keine „unkonventionellen“ Vernehmungsmethoden tolerieren können, dass Schläge ins Gesicht oder in den Magen nicht mit den Grundrechten, nicht mit dem Folterverbot vereinbar sind. Wenn die Grundrechte demnach auch für diese Gefangenen gelten, dann ist doch die Frage: Wie erreichen wir als Deutscher Bundestag, zusammen mit dieser Regierung, dass diejenigen, die in diesen Lagern, zum Beispiel in Guantanamo, einsitzen, nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt werden und sie entweder vor Gericht gestellt werden, wo ihr Richter sie der Gerechtigkeit zuführt, oder am Ende freigelassen werden? Ich finde, das ist unser aller Anstrengungen wert. Vielleicht hat diese Affäre die Chance eröffnet, gemeinsam zu einer solchen nach vorne gerichteten Politik zu kommen. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. Dezember 2005, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.