Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur Fortsetzung unserer Beratungen zum Bundeshaushalt 2007.
({0})
Zunächst möchte ich einige Vorbemerkungen machen.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführten Überweisungen im vereinfachten Verfahren zu erweitern:
ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
({1})
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Monika Grütters, Eckart von Klaeden, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der
Abgeordneten Monika Griefahn, Petra Hinz ({2}), Lothar Mark, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD
Stärkung des Goethe-Instituts durch neues Konzept
- Drucksache 16/3502 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({3})
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Grietje Bettin,
Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Verbraucher beim Telemediengesetz nicht übergehen
- Drucksache 16/3499 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({4})
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck
({5}), Rainder Steenblock, Volker Beck ({6}),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Eine europäische Perspektive für das Kosovo
- Drucksache 16/3520 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({7})
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung
der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2003 bis 2006 ({8})
- Drucksache 16/1020 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss ({9})
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Außerdem mache ich auf nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 57. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({10}) zur Mitberatung überwiesen
werden.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder ({11})
- Drucksache 16/2950 überwiesen:
Innenausschuss ({12})
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Der in der 64. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Haushaltsausschuss ({13}) gemäß
§ 96 GO überwiesen werden.
Redetext
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD
zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und
des Finanzausgleichsgesetzes
- Drucksache 16/3269 überwiesen:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({14})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
Die in der 57. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesenen nachfolgenden Anträge sollen zusätzlich
dem Sportausschuss ({15}), dem Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie ({16}) sowie dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
({17}) zur Mitberatung überwiesen werden.
Antrag der Abgeordneten Christoph Waitz, Hans-Joachim
Otto ({18}), Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP
Für einen zukunftsfähigen europäischen Rechtsrahmen
audiovisueller Mediendienste - den Beratungsprozess der
EU-Fernsehrichtlinie aktiv begleiten
- Drucksache 16/2675 überwiesen:
Ausschuss für Kultur und Medien ({19})
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Antrag der Abgeordneten Grietje Bettin, Dr. Uschi Eid, Ekin
Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Für eine verbraucherfreundliche und Qualität sichernde
EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste
- Drucksache 16/2977 überwiesen:
Ausschuss für Kultur und Medien ({20})
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Der in der 63. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem
Sportausschuss ({21}) zur Mitberatung überwiesen werden.
Antrag der Abgeordneten Reinhard Grindel, Wolfgang Börnsen ({22}), Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Jörg Tauss,
Monika Griefahn, Martin Dörmann, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der SPD
Die Schaffung eines kohärenten europäischen Rechtsrahmens für audiovisuelle Dienste zu einem Schwerpunkt
deutscher Medien- und Kommunikationspolitik in Europa
machen
- Drucksache 16/3297 überwiesen:
Ausschuss für Kultur und Medien ({23})
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Wi-
derspruch. Dann können wir so verfahren.
Wir setzen nun die Haushaltsberatungen - Tagesord-
nungspunkt I - fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2007 ({24})
- Drucksachen 16/2300, 16/2302 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({25}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010
- Drucksachen 16/2301, 16/2302, 16/3126 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider ({26})
Dr. Gesine Lötzsch
Ich rufe Tagesordnungspunkt I.12 auf:
Einzelplan 11
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
- Drucksachen 16/3111, 16/3123 Berichterstattung:
Abgeordnete Waltraud Lehn
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Zu dem Einzelplan liegen zwei Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke vor, über die wir später namentlich
abstimmen werden. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor,
über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung
abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Dr. Claudia Winterstein das Wort.
({27})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Etat des Arbeitsministers ist der größte
Einzeletat und umfasst 124,4 Milliarden Euro. Das sind
5 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2006. Der Haushalt
des Arbeitsministers leistet also keinen Beitrag zur Konsolidierung, im Gegenteil.
Dieser Etat ist auch das größte Risiko für den Bundeshaushalt 2007.
({0})
Denn Sie, Herr Minister, wiederholen im Etat 2007 Fehler, die Sie schon im Jahr 2006 gemacht haben. Sie arbeiten mit geschönten Zahlen. Sie haben in den Haushaltsplanberatungen 2006 immer wieder behauptet,
24,4 Milliarden Euro für das Arbeitslosengeld II würden ausreichen. Wir haben Sie damals gewarnt, dass der
Haushaltsansatz bei weitem nicht reichen wird. Nun stellen wir fest: Wir hatten Recht, die Zahlen waren geschönt. Die Kosten werden nämlich bei mindestens
26,4 Milliarden Euro liegen, das sind 2 Milliarden Euro
mehr.
Jetzt, für 2007, behaupten Sie, 21,4 Milliarden Euro
würden für das Arbeitslosengeld II ausreichen. Wir warnen Sie: Es wird wieder nicht reichen. Diese Zahlen sind
ebenfalls geschönt. Es wird erheblich teurer.
({1})
Auch in anderen Bereichen haben die Zahlen 2006
nicht gestimmt und stimmen 2007 wieder nicht. Was
mussten wir uns für Beschimpfungen anhören, als wir
Ihnen in den Beratungen 2006 erklärten, dass der Titel
„Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ mit 6,5 Milliarden Euro zu hoch angesetzt ist! Auch Sie hätten
schon damals erkennen können, dass eine so hohe
Summe für Fördermaßnahmen bei den Langzeitarbeitslosen nicht sinnvoll ausgegeben werden kann.
Stattdessen haben Sie uns vorgeworfen, wir wollten gezielt zulasten der Arbeitslosen sparen.
({2})
Dass diese Vorwürfe nicht zutreffen, beweisen die
Zahlen. Bis zum 31. Oktober sind 3,3 Milliarden Euro
abgeflossen. Hochgerechnet auf das ganze Jahr werden
es also etwa 4 Milliarden Euro sein. Sie haben aber
6,5 Milliarden Euro angesetzt. Beim Haushalt 2007 spielen Sie dennoch das gleiche Spiel und setzen wieder
6,5 Milliarden Euro im Haushalt an.
({3})
Herr Minister, die Lösung der Probleme besteht nicht
darin, beim Eingliederungstitel möglichst viel Geld zu
verteilen; nötig sind vielmehr Reformen am Arbeitsmarkt und eine Straffung der Arbeitsmarktinstrumente.
({4})
Der Bundesrechnungshof hat erst gerade wieder aufgezeigt, wie viel hier im Argen liegt. Er hat sich den
Vollzug von Hartz IV angeschaut und beispielsweise
festgestellt, dass die Förderungsvoraussetzungen bei einem Viertel der 1-Euro-Jobs überhaupt nicht vorliegen
und bei weiteren 50 Prozent die Förderfähigkeit zweifelhaft ist. Sie haben zwar viele Expertenrunden tagen lassen, Konsequenzen daraus sind aber nicht bekannt. Bekannt ist hingegen, dass es erheblichen Streit in der
Koalition gibt: Die CDU spricht sich gegen Mindestlöhne und für Kombilöhne aus, die SPD macht es umgekehrt. Derzeit versucht wieder eine Arbeitsgruppe,
völlig unvereinbare Konzepte der beiden Koalitionspartner unter einen Hut zu bringen.
({5})
Was dabei herauskommt, kann man bei der so genannten
Gesundheitsreform sehen, nämlich nichts Gutes. Die
„Süddeutsche Zeitung“ hat das „die nächste Nicht-Reform“ genannt.
Herr Minister, im Zusammenhang mit Ihrem Haushalt
haben Sie stolz darauf verwiesen, der Beitrag zur
Arbeitslosenversicherung würde nun um insgesamt
2,3 Prozentpunkte sinken. Der Ordnung halber muss
man aber hinzufügen, dass 1,3 Prozentpunkte davon mit
Ihrem Etat überhaupt nichts zu tun haben. Diese Senkung wird allein aus den Mitteln der Beitragszahler finanziert, die zu viel gezahlt haben.
({6})
Im Übrigen bleibt es trotz dieser Senkung bei dem,
was die „FAZ“ am 8. November 2006 kurz und, wie ich
finde, sehr treffend formuliert hat:
Der Staat wird … den Bürgern nach dem Jahreswechsel
- also 2007 … mehr und nicht weniger Geld aus der Tasche ziehen, weil die Steuererhöhungen größer sind als die
aufgepeppte Beitragsentlastung.
Herr Minister, auch bei Ihrem Umgang mit den aktuellen Arbeitsmarktdaten kehren Sie unliebsame Zahlen
unter den Tisch. Es ist nämlich nur die halbe Wahrheit,
wenn Sie darauf verweisen, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. Zur
ganzen Wahrheit gehört, dass die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist; denn man muss all diejenigen hinzuzählen, die
einen 1-Euro-Job haben, die an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, die zum Beispiel wegen Kinderbetreuung dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen,
und diejenigen, die zusätzlich zu ihrem Lohn Arbeitslosengeld II erhalten. Insgesamt erhielten in Deutschland
im Oktober 2006 über 5 Millionen Menschen Arbeitslosengeld II. Das sind 187 000 Menschen mehr als im
Oktober des letzten Jahres. Das müssen Sie aus Ihrem
Etat bezahlen. Gesunkene statistische Arbeitslosenzahlen helfen Ihnen dabei überhaupt nicht weiter.
({7})
Herr Müntefering, es scheint Ihr Arbeitsstil zu sein,
unangenehme Zahlen erst in allerletzter Minute auf den
Tisch zu legen. Wir wussten doch schon lange, dass der
Aussteuerungsbetrag nicht in der im Entwurf veranschlagten Höhe fließen würde. Aber nicht einmal in dem
Berichterstattergespräch sind Sie von Ihrem unseriösen
Zahlenwerk abgewichen. Erst drei Tage vor der abschließenden Sitzung im Haushaltsausschuss haben Sie
die Zahlen korrigiert: von den illusorischen 5,1 Milliarden Euro auf 4 Milliarden Euro. Das ist wahrscheinlich
immer noch zu hoch; denn wir wissen jetzt, dass dieser
Betrag 2006 bei 3,3 Milliarden Euro liegt. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit kommen bei Ihnen erst
an sehr später Stelle.
({8})
Dieser Etat enthält unrealistische Ansätze und ist deshalb ein Risiko für die Finanzen des Bundes 2007 insgesamt. Das könnte anders aussehen. In dem liberalen
Sparbuch, das die FDP auch in diesem Jahr wieder vorgelegt hat, haben wir für den Etat des Arbeitsministers
ein Sparvolumen von insgesamt knapp 3,6 Milliarden
Euro ausgewiesen. Unsere Kürzungsvorschläge betreffen beispielsweise die Ressortforschung, die Initiative
„Neue Qualität der Arbeit“, die Verwaltungskosten für
die Umsetzung von Hartz IV und den Eingliederungstitel.
Einen Kürzungsvorschlag will ich hier gesondert erwähnen. Herr Müntefering, Sie planen 30 neue Stellen,
um die Optionskommunen und die Arbeitsgemeinschaften stärker kontrollieren zu können. Wir lehnen das ab.
Wir sind der Meinung, dass Neueinstellungen hier nicht
zu vertreten sind, wenn gleichzeitig etwa bei der Telekom Menschen teuer in die Frühpension geschickt werden.
Meine Damen und Herren von der Koalition, schon
bei den Beratungen für den Haushalt 2006 haben Sie unsere Sparvorschläge in Bausch und Bogen abgelehnt.
({9})
Aber wie sieht jetzt die Realität aus? Der Haushaltsvollzug hat uns und unsere Anträge bestätigt. Etliche Etats
werden nach dem aktuellen Stand unseren Kürzungsvorschlägen entsprechen oder sogar noch darunter liegen.
Herr Müntefering, in der ersten Lesung zu diesem Etat
haben Sie gesagt:
Wir wollen den Haushalt konsolidieren. Dazu muss
auch dieser Einzelplan seinen Teil beitragen.
Dieses Versprechen haben Sie nicht erfüllt.
({10})
Das Wort hat nun die Kollegin Waltraud Lehn für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Politik bestimmt sehr weitgehend den Alltag der
Menschen in unserem Land. Der Einzelplan, über den
wir heute reden, tut das in ganz besonderer Weise, weil
er sich mit der Rente beschäftigt, weil er sich mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt, weil er sich
mit der Kriegsopferfürsorge und dem ganzen sozialen
Feld, das die Lebenswirklichkeit von Menschen ausmacht, auseinander setzt und hier Rahmenbedingungen
setzt.
Frau Kollegin Winterstein, manchmal ist die Politik
sehr alltäglich. Ich sage zu Ihnen persönlich, aber auch
zur FDP im Allgemeinen: Sie erinnern mich an meine
Tante Käthe.
({0})
Tante Käthe kam zum ersten Geburtstag meines Sohnes.
Alle dort waren guter Stimmung; es ging auch allen ganz
ordentlich. Was macht Tante Käthe? Tante Käthe erzählt,
dass ihre Tochter im Alter von fünf Jahren bei einer Geburtstagsfeier beinahe ertrunken wäre.
({1})
Ein anderes Beispiel: Tante Käthe ist auf einer Familienfeier. Die Sonne scheint, allen ist warm und alle sind zufrieden. Was macht Tante Käthe? Tante Käthe erzählt,
wie schrecklich Gewitter sind.
({2})
Tante Käthe war der Schrecken der Familie, ein Stimmungskiller und ein Nährer von Angst, obwohl wir alle
dies nicht wollten. Im Übrigen hat sie überhaupt nichts
verändert, auch nichts zum Besseren.
Frau Kollegin Winterstein, ich will Sie nicht mit
Tante Käthe gleichsetzen; gleichwohl ist aufgrund Ihres
Verhaltens die Erinnerung an Tante Käthe ausgesprochen präsent.
({3})
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, wie man sich
auf Situationen einstellen kann. Ich könnte hier jetzt sagen: Sie haben völlig Recht, es geht abwärts.
({4})
Es geht wirklich abwärts. Es geht abwärts mit der Zahl
der Arbeitslosen.
({5})
Es geht abwärts mit den Beiträgen zur Sozialversicherung. Es geht abwärts mit der Neuverschuldung.
Erinnern wir uns einmal: Als ich vor wenigen Monaten
hier stand, konnte ich noch nicht verkünden, dass
500 000 Menschen mehr in Beschäftigung und weniger
arbeitslos sind. Die Arbeitslosenquote liegt erstmals seit
fünf Jahren wieder unter 10 Prozent.
Noch erfreulicher ist, dass dieser Rückgang vor allem
durch ein starkes Wachstum sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zustande kommt.
({6})
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Aufschwung bei den Langzeitarbeitslosen angekommen
ist. Es sind bald schon 100 000 ehemalige Langzeitarbeitslose, die endlich wieder eine Perspektive bekommen haben.
Wir können nach einem Jahr großer Koalition mit
Recht sagen: Wir haben den Arbeitsmarkt durch mutige Schritte vorangebracht.
({7})
Die Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt hat geringere Ausgaben und höhere Einnahmen zur Folge. Das
macht sich natürlich insbesondere bei der Bundesagentur für Arbeit bemerkbar. Sie wird in diesem Jahr einen
Überschuss von mehr als 10 Milliarden Euro erwirtschaften. Deswegen können wir es uns leisten, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung stärker als geplant zu
senken. Wir geben den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in diesem Land etwas von ihrem schwer verdienten Geld zurück. Ich finde, das gehört sich so.
({8})
- Da Sie sich noch immer nicht beruhigen können, sage
ich Ihnen: Wenn Sie darauf hinweisen, dass es abwärts
geht, haben Sie Recht. Es geht abwärts, beispielsweise
mit der Neuverschuldung.
({9})
Noch vor wenigen Monaten sind wir davon ausgegangen, dass wir in diesem Jahr eine Neuverschuldung in
Höhe von 36 Milliarden Euro benötigen werden, um die
Ausgaben schultern zu können. Nun wissen wir, dass wir
in diesem Jahr „nur“ 30 Milliarden Euro brauchen.
({10})
Im nächsten Jahr werden es dann weniger als 20 Milliarden Euro sein.
({11})
- Natürlich ist das immer noch zu viel. Auch ich würde
mir wünschen, dass keine Neuverschuldung notwendig
wäre oder wir sogar ein Plus zu verzeichnen hätten, das
wir zum Abbau der Schulden verwenden könnten. Aber
ich sage Ihnen: Machen wir doch bitte einen Schritt nach
dem anderen. Man muss den Erfolg, den man nachweislich hat,
({12})
zunächst einmal benennen und sich dann überlegen, wie
man diesen Erfolg ausbauen kann. Wer so schnell läuft,
wie er kann, der wird verdammt schnell müde und erreicht das Ziel nicht. Besser ist es, sich die Kraft auf die
gesamte Strecke einzuteilen. Dann kommt man dem Ziel
langsam immer näher.
({13})
Nun möchte ich etwas zur Rente sagen. Das Verhältnis von Beitragszahlern und Beitragsempfängern, also
das Verhältnis von Beschäftigten auf der einen Seite und
Rentnerinnen und Rentnern auf der anderen Seite, wird
uns in Zukunft vor große Herausforderungen stellen.
Wer will das schon bezweifeln? Daran ändert auch das
derzeitige Beschäftigungswachstum nichts Wesentliches.
({14})
Die große Koalition wird angesichts der bergigen
Landschaft, in der wir uns bewegen, darauf Acht geben,
dass wir immer genug Schwung haben, um all die Berge,
die auf unserem Weg liegen, überwinden zu können.
Deswegen haben wir auch im Hinblick auf die Rente
wichtige Änderungen vorgenommen.
Natürlich hätten wir einen Anstieg des Beitrags zur
Rentenversicherung auf nur 19,7 Prozent beschließen
können. Für uns ist aber langfristiges Handeln im Sinne
von Verlässlichkeit und Stabilität über dieses Jahrzehnt hinaus wichtig.
Durch die beschlossene Erhöhung des Beitrags zur
Rentenversicherung auf 19,9 Prozent gewährleisten wir
diese Stabilität. Dadurch sichern wir die Liquidität der
Rentenversicherung. Wir sorgen dafür, dass die gesetzliche Schwankungsreserve stabil bleibt, und verhindern,
dass laufende Rentenzahlungen etwa durch Darlehen des
Bundes gestützt werden müssen. Das schafft für die
20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in diesem Land
Verlässlichkeit.
Nun möchte ich noch etwas zum schwierigen Thema
Rente mit 67 sagen. Kein Mensch hat Spaß daran, wenn
die Lebensarbeitszeit erhöht wird. Kein Mensch findet
es toll, dass die Menschen zukünftig länger arbeiten
müssen. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die
Zahl derjenigen, die dem Arbeitsmarkt in Zukunft zur
Verfügung stehen, immer geringer wird. Die Zahl der
Menschen, die in das Erwerbsleben eintreten, geht immer weiter zurück, während sich die Zahl derjenigen, die
aus dem Erwerbsleben ausscheiden und die Gott sei
Dank eine immer höhere Lebenserwartung haben - sie
steigt stetig -, erhöht.
Auch das Leben im Alter muss finanziert werden. Unser System ist nicht darauf angelegt, dass man 30 oder
40 Jahre lang arbeitet und anschließend 30 Jahre lang
Rente bezieht. Das kann nicht funktionieren. Wer soll
das denn bezahlen? Von daher glaube ich, dass es gut
und richtig ist, diese Last gerecht zu verteilen. Deswegen
müssen wir eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit
ins Auge fassen.
Nun bin ich außerordentlich froh, dass nach dem Entwurf, der zur Beratung vorliegt, derjenige, der 45 Jahre
gearbeitet hat, weiter mit 65 Jahren ohne Abschlag in
Rente gehen kann.
({15})
- Ich finde, dass auch Frauen ausreichend und gut berücksichtigt sind, weil Kindererziehungszeiten angerechnet werden. Frauen sind in ihrer Erwerbsbiografie ja
nicht per se in einer schlechteren Situation, sondern
dann, wenn sie Kinder bekommen und erzogen haben.
({16})
Das wird im Entwurf berücksichtigt und ich finde es
auch gut, dass das so ist.
Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bleibt allerdings theoretisch, wenn die Menschen nicht tatsächlich
länger beschäftigt sind. Im Augenblick stehen weniger
als 45 Prozent der Menschen im Alter von 55 plus überhaupt noch im Erwerbsleben. Unser Ziel ist es, dass in
absehbarer Zeit, nämlich bis 2010, zumindest 50 Prozent
der Menschen im Alter von 55 plus einen Job haben.
Eine ganz wichtige Etappe auf diesem Weg ist die Initiative „50 plus“, mit der wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Beschäftigung Älterer zu fördern. Mit speziellen Lohnzuschüssen wollen
wir zum Beispiel erreichen, dass ältere Empfänger von
Arbeitslosengeld I auch eine Beschäftigung annehmen
können, die geringer vergütet wird als ihre letzte.
({17})
Das heißt nicht, dass sie für einen Appel und ein Ei arbeiten sollen oder dass wir hier einen Ausbeutungsbereich für Arbeitgeber schaffen wollten. Deswegen darf
man in diesem Zusammenhang die Diskussion über
Mindestlöhne auf keinen Fall aus den Augen verlieren.
Ein Alter über 50 ist derzeit ein deutliches Vermittlungshemmnis. Dass dies so ist, das müssen wir erkennen.
({18})
Dass dies so bleibt, werden wir jedoch nicht tatenlos hinnehmen.
Auch die Entwicklung bei den unter 25-Jährigen ist
oft ein Problem gewesen. Wir investieren weiter in diesen Bereich, wir investieren erfolgreich in diesen Bereich, und die Zahl der Betroffenen geht deutlich zurück.
Wir stellen über 100 Millionen Euro für die Einstiegsqualifizierung von Jugendlichen zur Verfügung. Wir
investieren 200 Millionen Euro in den Beschäftigungspakt für arbeitslose Ältere. Wir stellen den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen insgesamt 10 Milliarden Euro zur Verfügung.
Ich sage eins zum Schluss: Nun ist es an den Städten
und Gemeinden, an den Argen genauso wie an den Optionskommunen, dieses Geld sinnvoll einzusetzen. Ich
finde, es ist ein Hohn für die heute Arbeitslosen, zu wissen, dass auch in diesem Jahr relativ hohe Summen nicht
verausgabt werden. Das ist im Land insgesamt sicherlich
unterschiedlich. Aber ich finde, es kann nicht sein, dass
die Bereitschaft vor Ort darüber entscheidet, ob jemand
eine Chance bekommt.
({19})
Ich glaube, wir sind als Gesetzgeber aufgerufen, dafür zu
sorgen, dass die Mittel wirtschaftlich und effizient tatsächlich eingesetzt werden.
Vielen Dank.
({20})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kornelia Möller für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kommen wir jetzt nach Tante Käthes Märchenstunde wieder
zu unserem Thema.
({0})
- Nein, Herr Brandner, das überlasse ich gerne Ihnen;
das können Sie besser als ich.
Circa 2,9 Millionen Menschen sind langzeitarbeitslos
in diesem Land. Statt ihnen eine Perspektive zu geben,
lobte Frau Merkel in ihrer gestrigen Rede ausdrücklich
die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung.
({1})
Mein Fraktionskollege Gregor Gysi erklärte ihr und Ihnen gestern, dass die Sozialversicherungsbeiträge in
Deutschland schon jetzt um 5 Prozent unter dem EUDurchschnitt liegen.
({2})
- Nein, auch das können Sie besser, Herr Kollege: Sie
erzählen uns ständig, die Erde sei eine Scheibe.
({3})
Frau Merkel, ich sage Ihnen: Bei der derzeitigen Situation ist es geradezu verantwortungslos, die Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung weiter zu senken;
({4})
denn das geht gerade zulasten langzeitarbeitsloser Menschen. Da Sie die Langzeitarbeitslosigkeit augenscheinlich ausgeblendet haben, wundert es nicht, dass in
Ihrem Haushaltsentwurf ein Konzept zur Bekämpfung
der Massenarbeitslosigkeit und vor allem der Langzeitarbeitslosigkeit fehlt. Meine Damen und Herren von der
Koalition, Sie kommentieren lediglich die Entwicklung,
dass trotz Ihrer schlechten Arbeitsmarktpolitik in diesem
Jahr allein aus konjunkturellen Gründen und auch nur
zeitweilig mehr Arbeitsplätze entstanden sind.
In den ostdeutschen Ländern beträgt die Arbeitslosigkeit durchschnittlich 15,7 Prozent. In den westdeutschen Ländern beträgt die Arbeitslosigkeit durchschnittlich 8,2 Prozent. Trotzdem ist die Koalition nicht in der
Lage, auf die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern gesondert einzugehen. Statt guter Konzepte finde ich in Ihrem Gesetzentwurf, dass Sie die Eingliederungsleistungen mit einem einseitigen Deckungsvermerk versehen
haben. Das bedeutet, dass die Finanzierung der Erwerbslosigkeit auch im nächsten Jahr Vorrang vor einer aktiven Arbeitsmarktpolitik und vor der Finanzierung von
Arbeit erhalten soll. So sieht schwarz-rote Politik aus.
Sie sind ignorant und beratungsresistent.
({5})
Reicht es Ihnen nicht, dass die Argen, die eine aktive Arbeitsmarktpolitik umsetzen wollten, durch die Haushaltssperre in diesem Jahr bis in die Handlungsunfähigkeit getrieben wurden? Brauchen Sie wirklich eine
Neuauflage im nächsten Jahr?
Kommen wir jetzt zur christlich-sozialen Rosstäuscherei der Herren Rüttgers, Stoiber, Söder und Co. Wir,
die Linke, haben Ihnen in unserem Rahmenantrag zur
Überwindung von Hartz IV bereits Anfang dieses Jahres
ein Konzept vorgelegt, mit dem vorgesehen ist, die
Bezugsdauer des ALG I zu verlängern, ohne andere arbeitslose Menschen dafür die Zeche zahlen zu lassen,
wie das die christlich-sozialen Linksblinker vorschlagen.
Nach Schätzung des BMAS kostet unser Vorschlag
2,5 Milliarden Euro. Er soll durch eine entsprechende
Verringerung des Aussteuerungsbeitrages gegenfinanziert werden. Einen gesonderten Antrag werden wir Ihnen vorlegen.
Nun zur SPD. Die CDU/CSU schickt sich an, Sie
links zu überholen, und Kurt Beck sagt: Basta, mit uns
gibt es keine Verlängerung der Bezugsdauer des ALG I!
Er begründet das damit - welche Überraschung -, dass
angeblich kein Geld da ist. Wenn Geld dafür ausgegeben
wird, die Arbeitsplatzvernichtung von Großunternehmen, zum Beispiel von Siemens, zu subventionieren,
dann fehlt das Geld natürlich an anderer Stelle, wie hier,
bei arbeitslosen Menschen und beim Kampf gegen die
Armut.
({6})
Die BA freut sich über mehr als 10 Milliarden Euro
Überschüsse. Die SPD will das Geld aber nicht dafür
einsetzen, die Situation langzeitarbeitsloser Menschen
zu verbessern. Das ist weder sozial noch gerecht. Meine
Damen und Herren Sozialdemokraten, seien Sie also
konsequent und streichen Sie endlich das „S“ aus Ihrem
Parteikürzel.
({7})
Wer es wie wir ernst mit den Menschen meint
({8})
- ganz genau, Sie können es nicht leiden, dass wir das
immer wieder sagen, weil Sie die Menschen längst aufgegeben haben, für die Sie eigentlich in den Bundestag
gewählt wurden -,
({9})
muss einen Teil der Überschüsse der BA für folgende
Programme einsetzen:
Erstens. Wir schließen uns der Forderung des DGB an
und fordern ein Sofortprogramm, mit dem 650 Millionen Euro als Anschubfinanzierung bereitgestellt werden,
({10})
um für circa 50 000 Jugendliche Ausbildungsplätze zu
schaffen.
({11})
Zugegeben: Angesichts der aktuellen Situation - ungefähr 140 000 Ausbildungsplätze fehlen - ist das ein Notprogramm. Meine Damen und Herren der Koalition, es
ist aber ein Notprogramm, das nötig ist, weil Sie nach
wie vor auf einen erfolglosen Ausbildungspakt setzen.
Auch hier zeigt sich Schwarz-Rot beratungsresistent.
Wir sagen Ja zur Umlagefinanzierung - ohne Wenn
und Aber. Trotzdem darf man junge Menschen nicht im
Regen stehen lassen. 50 000 Ausbildungsplätze bedeuten eine Perspektive für 50 000 junge Menschen. Wir legen einen entsprechenden Antrag vor.
Zweitens fordern wir, einen Teil der BA-Überschüsse
für eine Anschubfinanzierung zu verwenden, um unseren Antrag auf eine Ausweitung und eine neue Qualität
öffentlich finanzierter Beschäftigung umzusetzen.
({12})
500 000 Menschen bekämen so wieder sozialversicherungspflichtige Arbeit - und zwar mindestens zu einem
Mindestlohn von 8 Euro - und damit eine Zukunft, eine
Zukunft, die sie mit Hartz IV und den 1-Euro-Jobs nicht
haben. Unser Land braucht öffentlich geförderte Beschäftigung. Darin sind sich auch die großen Sozialverbände und der DGB einig, wie aus deren gemeinsamen
Erklärung vom 16. November 2006 hervorgeht.
Die Ignoranz der Bundesregierung kann man nur so
werten, dass Schwarz-Rot offenbar einen festen Sockel
an langzeitarbeitslosen Menschen will, um auch künftig
die Löhne und Gehälter zu drücken.
({13})
Den Beginn haben Sie schon gemacht. Sie haben ein
Heer von 1-Euro-Jobbern geschaffen, mit denen Sie
auch noch die Statistik verfälschen.
Die Zeit reicht leider nicht, um noch auf die Praxis
einzugehen. Deshalb komme ich zum Schluss und gebe
Herrn Straubinger das zu hören, worauf er immer wartet
- gell, Herr Straubinger, darin sind wir beide uns mittlerweile einig -: Hartz IV ist ein schlechtes Gesetz.
Hartz IV muss weg.
({14})
Das Wort hat nun der Kollege Hans-Joachim Fuchtel
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kollegen! Auch wenn es die Opposition nicht wahrhaben möchte: In Deutschland geht es bergauf.
({0})
Das ist nicht allein das Verdienst der Regierung, sondern
auch der deutschen Wirtschaft, die sich mehr und mehr
als fähig erweist, sich auf die Herausforderungen der
Globalisierung einzustellen, und der Tarifpartner, die
den Ernst der Stunde erkannt haben. Dafür möchte ich
mich bei dieser Gelegenheit bedanken.
Ein Verdienst der Bundesregierung ist es allerdings,
dass wieder mehr Vertrauen in die Politik entstanden ist.
({1})
- Woran ich das ablese? Wenn 500 000 Menschen weniger arbeitslos sind, dann ist das ein erfreuliches Zeichen.
Das entspricht der Zahl der Menschen, die in Stuttgart
oder Dresden leben. Das ist doch weitaus mehr, als man
dieser Regierung im ersten Jahr zugetraut hätte.
({2})
Das ist ein positives Zeichen, das gerade Sie anerkennen
sollten.
({3})
Dass fast 100 000 Menschen wieder den Weg vom
zweiten in den ersten Arbeitsmarkt gefunden haben, ist
ein deutliches Zeichen dafür, dass sich etwas zum Guten
bewegt. Wir wollen schließlich den ersten Arbeitsmarkt stärken. Das gelingt zunehmend. Auch das ist ein
positives Zeichen, das Sie anerkennen sollten, statt alles
mies zu machen. Sie helfen niemand, wenn Sie immer
alles negativ darstellen.
({4})
Wir entlasten die Arbeitnehmer und Arbeitgeber stärker, als versprochen wurde. Mit 17 Milliarden Euro ist
die Entlastung höher als das Volumen des Landeshaushalts von Sachsen. Dass den Arbeitnehmern und Arbeitgebern wieder mehr zur Verfügung steht, wird sich ebenfalls auf den Konsum und die Konjunktur auswirken.
Dabei hat der Einzelne die Möglichkeit, selber zu entscheiden, wie er mit seinen Konsumwünschen und seinem Konsumverhalten disponiert.
Für uns als Union ist klar, dass Überschüsse im Bereich der Bundesanstalt zu Beitragsreduzierungen führen
müssen. Das ist ein wichtiger Hinweis. Das haben wir
eingehalten und das wollen wir fortführen.
({5})
Wichtig ist auch, die Beteiligung von jungen und älteren Menschen am Erwerbsleben näher zu beleuchten.
Die Erwerbsquote der über 55-Jährigen lag im Jahr
2000 bei 37 Prozent. Im zweiten Halbjahr 2006 liegt sie
bei 48,3 Prozent. Das Ziel muss sein, sie im nächsten
Jahr auf 50 Prozent zu bringen; das wäre hervorragend.
Das zeigt - genauso wie unsere Haushaltsansätze -, dass
wir uns um die Gruppen bemühen, die in besonderem
Maße der Unterstützung bedürfen. Wir lassen sie nicht
im Stich; dazu stehen wir. Dafür haben wir entsprechende Programme aufgelegt und stellen wir Steuergelder in ausreichendem Maße zur Verfügung, sodass der
Minister die notwendigen Umsetzungen vornehmen
kann.
({6})
Wir wollen weiterhin den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erleichtern. Deswegen muss der Kombilohn kommen, damit der Übergang in diesen Arbeitsmarkt gelingt.
Er darf aber nicht mehr kosten, als wir momentan für die
Arbeitslosigkeit ausgeben. Das ist eine wichtige Bedingung. Angesichts der Art und Weise, wie wir das angehen, bin ich optimistisch, dass wir es schaffen werden.
Wir wollen vielen Menschen den Sprung in den ersten
Arbeitsmarkt ermöglichen und ihn so weiter beleben;
darauf setzen wir. Das ist besser, als am zweiten Arbeitsmarkt herumzudoktern.
({7})
Ein Wort zur Bundesagentur für Arbeit. Ich möchte
ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Spitze der Bundesagentur für Arbeit hervorragende Arbeit geleistet hat,
und mich bei Herrn Weise bedanken, der den Mut hatte,
auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.
({8})
Wir werden die Bundesagentur für Arbeit unterstützen,
wenn es darum geht, die Organisationsreform voranzutreiben.
({9})
Wir sollten aber darauf achten, dass die künftige Ausgestaltung dieses Verwaltungskörpers nicht zu einer Konzentration in den großen Städten führt. Der ländliche
Raum ist genauso geeignet wie die großen Städte. Das
sage ich ganz deutlich in Richtung Nürnberg. Daran
sollte sich die Organisationsreform orientieren.
Wir wollen das Dickicht der Förderinstrumente lichten. Weniger wird mehr sein.
({10})
Auch hier kann man entbürokratisieren.
({11})
Das große Risiko für den Haushalt des Bundesarbeitsministers stellt das ALG II dar. Hier handelt es sich um
einen Schätzansatz. Die Haushaltspolitiker wissen, dass
Schätzansätze schwieriger zu erfassen sind als Investitionsansätze. Wir werden daher nie eine punktgenaue
Landung schaffen. Aber wir sind fest entschlossen,
durch einen harten Kurs darauf hinzuwirken, dass die in
den Haushalt eingestellten Mittel ausreichen.
({12})
Herr Minister, Sie haben uns erklärt, dass Sie mehr
Stellen brauchen, um mehr Kontrolle auszuüben. Sie haben mir persönlich erklärt, dass Sie keine Stellen frei haben, um diese Aufgabe wahrzunehmen. Wenn dem so ist
- es geht hier um 21,4 Milliarden Euro -, dann bekommen Sie als Vizekanzler und Arbeitsminister der großen
Koalition aus den Reihen der Haushälter die Zusage von
30 Stellen; das ist ganz klar. Aber Sie tragen dann auch
die Verantwortung,
({13})
mit diesen Stellen darauf hinzuwirken, dass die festgestellten Auswüchse beseitigt werden, dass mit dem Geld
sparsam umgegangen wird und dass alles getan wird, die
Haushaltsansätze zu erreichen. Wir statten Sie mit den
Instrumenten aus, die notwendig sind, um diese große
Aufgabe zu bewältigen. Ich denke, wir sind auf dem
Weg, dies in den Griff zu bekommen.
({14})
Zur Rente. Wir stehen voll zu einer maßvollen Rentenerhöhung, wenn es gleichzeitig gelingt, eine Schwankungsreserve aufzubauen.
({15})
Wir müssen darauf hinwirken, dass die Erhöhung der
Beiträge dazu führt, dass eine Schwankungsreserve entsteht. Damit schaffen wir mehr Sicherheit in dem System und bringen die Rente endlich aus der Diskussion.
Das muss unbedingt erfolgen.
({16})
Wir stehen dazu, dass man dann, wenn man 45 Jahre im
Erwerbsleben gestanden hat, eine volle Rente erhalten
soll. Das gebietet der Respekt vor einer langen Erwerbsbiografie.
({17})
Ich möchte noch etwas zu einem Thema sagen, zu
dem sonst nichts gesagt wird, zum Bundessozialgericht.
Wir haben darauf hingewirkt, dass das Bundessozialgericht endlich erneuert wird. Auch wenn es sparsam zugehen muss, darf die Rechtspflege nicht zu kurz kommen.
({18})
Wir sind dafür, dass dort ein weiterer Senat eingerichtet
wird. Es kann nicht sein, dass der Bürger grundsätzlich
ein Jahr auf sein Recht warten muss. Es darf auch kürzer
sein. Der Bürger gibt genügend Geld für diesen Staat
aus. Deshalb muss er wenigstens in absehbarer Zeit zu
seinem Recht kommen. Das wird in diesem Haushalt
endlich geregelt.
({19})
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es
unter Haushältern eine Mehrheit dafür gibt, dass mehr
Personal nach Berlin zieht. Der Bundesarbeitsminister
hat derzeit 989 Stellen, davon zwei Drittel in Bonn und
ein Drittel in Berlin. Es wird an den Haushältern nicht
scheitern, wenn man sich hier auf einen neuen Weg begibt. Vielleicht gibt es noch eine Föderalismusreform 1a,
in deren Rahmen man so etwas beschließen könnte.
({20})
Ich möchte noch ein Letztes ansprechen. Ein neuer
Gedanke ist der Investivlohn. Ich möchte die Bundeskanzlerin ausdrücklich auffordern, diesen Gedanken
weiter zu entwickeln. Es ist an der Zeit, dass man die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland stärker am Produktivkapital beteiligt. Wir sollten uns auf
den Weg machen und gemeinsam nach Lösungen suchen.
({21})
Das wird ein wichtiger Beitrag sein, um die soziale
Marktwirtschaft weiterzuführen. Wenn dies gelingt,
dann haben wir mehr erreicht, als in der Koalitionsvereinbarung zu diesem Thema steht. Auch die Gewerkschaften haben bereits erklärt, dass sie zu Gesprächen
bereit sind. Bitte legen Sie Konzepte vor! Wir werden
gerne in die Gespräche gehen.
In dem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({22})
Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Anja Hajduk
für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
({0})
Das hat nur etwas mit Kombinieren zu tun, Kollege
Binding. - Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem Etat
des Arbeits- und Sozialministeriums von Minister
Müntefering beraten wir den größten Etat, der gut
124 Milliarden Euro umfasst. Er ist während der Haushaltsberatungen etwas angewachsen, weil Risiken abge6630
deckt werden mussten, zum Beispiel die Kosten für die
Unterkunft. Es gab ein ziemliches politisches Tauziehen
zwischen Bund, Ländern und Kommunen wegen der
Frage, wer denn wie viel zu bezahlen habe. Ich will an
dieser Stelle für Bündnis 90/Die Grünen sagen: Wir sind
bereit, diesen Kompromiss mitzutragen, weil auch wir
die finanziellen Nöte der Kommunen kennen. Ich sage
Ihnen aber auch: Da ist wieder ein typisch kompliziertes
Machwerk entstanden. Das politische Tauziehen prägt
das Ergebnis; es ist keine rationale und transparente Lösung. Ich glaube, das ist keine Dauerlösung. Spätestens
wenn wir die Hartz-IV-Gesetzgebung evaluiert haben,
wird man das noch einmal untersuchen müssen.
({0})
Das ist aber keine Kritik an der Höhe des Ansatzes. Ich
wollte das nur zur Sache bemerkt haben.
Eine Differenz zwischen uns betrifft die Aufwendungen
für das Arbeitslosengeld II. Sie haben dafür 21,4 Milliarden Euro vorgesehen. Die Kollegin Winterstein hat
schon sehr plausibel gemacht, dass das weniger als in
diesem Jahr ist. Das könnte man noch akzeptieren. Aber
dass es so viel weniger ist, ist unplausibel. Ich habe Sie,
Herr Müntefering, und die großen Fraktionen so verstanden, dass Sie davon ausgehen, dass für das Arbeitslosengeld II 21,4 Milliarden Euro nicht ausreichen und
Sie deshalb 1 Milliarde Euro von den Geldern für die
Eingliederungsleistungen dafür zur Verfügung stellen
wollen.
Da haben wir eine grundsätzliche Differenz. Denn wir
glauben, wenn man letztendlich die Kosten für das
Arbeitslosengeld II senken will, dann muss die Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur ausgebaut und gestärkt
werden. Es ist kein Erfolg, wenn bei den Eingliederungsleistungen weniger ausgegeben wird. Das zu glauben, ist
ein grundsätzlicher Irrtum.
({1})
Ich finde, es ist auch eine Täuschung, nur diesen Deckungsvermerk stehen zu lassen. Sie hätten stattdessen
ehrlich sagen sollen, auf 5,5 Milliarden Euro abzusenken
bei der Hilfe zur Eingliederung und 1 Milliarde Euro
- wahrscheinlich braucht man sogar 1,5 Milliarden Euro beim Arbeitslosengeld II draufzulegen. Dies findet allerdings ausdrücklich nicht unsere Unterstützung. Das
möchte ich ganz deutlich sagen.
({2})
Unsere Botschaft heißt: Fördern muss endlich in der
gebotenen Intensität und Qualität kommen. Wir sind bereit, von den Menschen etwas zu fordern; daher muss die
Politik für das Fördern mehr tun. Da setzen Sie leider einen Kontrapunkt.
({3})
Ich möchte auch eine zweite Differenz benennen. Wir
sind nicht damit einverstanden, dass Sie einen großen
Sparbeitrag für den Haushalt erbringen, indem Sie die
Rentenversicherung mit 2 Milliarden Euro belasten, weil
Sie die Rentenversicherungsbeiträge für die Arbeitslosengeld-II-Bezieher von 78 auf 45 Euro senken. Man
kann jetzt sagen: Das ist doch schon alt. - Ja, das stimmt.
Wir kennen diese Absicht aus der Koalitionsvereinbarung. Im nächsten Haushalt wird sie als Sparposten
wirksam, aber das ist ein Verschiebebahnhof zulasten
der Rentenversicherung. Es ist offenkundig: Dass der
Rentenbeitragssatz im nächsten Jahr auf 19,9 Prozent
steigen muss, hat ursächlich mit genau dieser Entscheidung zu tun. Auch da haben wir eine grundsätzliche Differenz zu Ihrem Politikansatz in diesem Haushalt.
({4})
Ich komme jetzt auf das heiß diskutierte Thema
Arbeitslosengeld und dessen Bezugsdauer. Ich muss
ganz deutlich sagen: Die Politik, die Herr Rüttgers hier
betreibt, ist unfair und ungerecht, weil sie Menschen, die
eine lange Beschäftigung hatten, gegen Jüngere ausspielt, die mit gebrochenen Erwerbsbiografien kämpfen
müssen und in ihrem jüngeren Lebensalter gegebenenfalls auch viel Sicherheit brauchen, weil sie beispielsweise kleine Kinder haben. Diese Staffelung - wer lange
eingezahlt hat, soll auch länger Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben - spielt Gruppen gegeneinander aus.
Das ist kein gerechter Vorschlag. Ich finde ihn nicht sozial ausgewogen.
({5})
Viel schlimmer daran ist aber, mit welcher Bewusstheit Herr Rüttgers perfide argumentiert. Ich erinnere, er
hat auch schon einmal „Kinder statt Inder“ gesagt, das
war genauso perfide. Perfide ist, dass er mit den Ängsten
von Leuten vor dem sozialen Abstieg spielt und das dann
mit einer Gerechtigkeitsphilosophie ummäntelt. Damit
richtet er etwas an, von dem ich sage: Er fordert etwas,
was nicht der Sozialstaat der Zukunft sein wird. Vielmehr ist das das Sozialstaatsverständnis der Vergangenheit.
({6})
Dazu sage ich Ihnen eines, Frau Merkel - vielleicht
überraschen Sie uns auch; ich lasse mich gern von Ihnen
positiv überraschen -: Sie können an dieser Stelle nicht
augenzwinkernd hinnehmen, dass am nächsten Wochenende auf Ihrem Parteitag dieser Antrag beschlossen
wird. Die deutsche Bevölkerung kann erwarten, dass
eine Kanzlerin Führung zeigt und nicht sagt: In meiner
Partei, in der ich Vorsitzende bin, wird etwas beschlossen, was ich dann als Kanzlerin nicht umsetzen werde.
- Sie müssten dann auch den Mumm haben, zu sagen:
Das, was Rot-Grün unter der Führung von Gerhard Schröder entschieden hat, den Bezug von Arbeitslosengeld auf
zwölf bzw. 18 Monate zu begrenzen - 18 Monate sind ja
immerhin schon eine Entlastung für die 55-Jährigen und
Älteren -, finde ich grundfalsch. - Wenn Sie das nicht
akzeptieren, dann stellen Sie sich hier hin und sagen das.
Wenn Sie aber im Grunde damit einverstanden sind,
dann müssen Sie auf dem Parteitag Führung zeigen und
in der CDU dafür werben, dass diese Rüttgers-Perfidie
nicht weiter gespielt wird. Denn sie weist nicht in den
Sozialstaat der Zukunft, sondern gaukelt den Leuten vermeintliche Sicherheiten vor.
Wir brauchen Aktivierung auch im Alter; wir brauchen keine Frühverrentungsmodelle, wie wir sie früher
zugelassen haben.
({7})
- Ich freue mich auch über den Beifall aus den Reihen
der SPD.
({8})
Ich will ganz deutlich sagen: Diese Rüttgers-Politik,
dieses Werben um ältere Wähler, seine Art von Gerechtigkeitsphilosophie, die zulasten der Jüngeren geht, passt
nicht zu Ihrer Argumentation für die Rente mit 67; sie
steht im krassen Widerspruch dazu. Diesen Widerspruch
müssen Sie auflösen. Durch das Rüttgers-Gerechtigkeitsmodell werden Anreize zur Schaffung von Vorruhestandsregelungen geschaffen. Von solchen Regelungen
müssen wir aber wegkommen, wenn wir Vertrauen dafür
schaffen wollen, dass auch Ältere aktiv am Arbeitsleben
teilnehmen sollen.
({9})
Nur wenn das geschieht, wird die Rente mit 67 kein
Rentenkürzungsprogramm, sondern ein Programm,
durch das der Lebensstandard in Zukunft stabilisiert
wird.
({10})
Letzter Punkt. Herr Müntefering, Sie waren hinsichtlich der Rente mit 67 immer sehr taff. Folglich haben Sie
keine Kritik von uns erhalten. Als es darum ging, den
Post- und Telekommunikationsnachfolgeunternehmen
ein Frühverrentungsmodell zu gönnen, haben Sie in diesem Herbst beschlossen: Bis 2010 können die Postnachfolgeunternehmen 15 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vorzeitigen Ruhestand schicken. Das ist
allerdings ein jüngstes Armutszeugnis und ein Widerspruch in Ihrer Politik.
({11})
Für die Bundesregierung hat nun Herr Bundesminister Franz Müntefering das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Haushalt ist kein Selbstzweck. Durch den Haushalt soll das unterstützt werden,
was die Politik sich für das nächste Jahr vornimmt. Vor
allen Dingen darüber will ich sprechen. Was nehmen wir
uns für das Jahr 2007 vor? Werden die angestrebten
Ziele durch den von uns vorgelegten Haushalt unterstützt?
Wir wollen weiter dafür kämpfen, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland sinkt, dass die Menschen Arbeit haben, dass mehr Menschen in Arbeit sind. Das ist
das Ziel Nummer eins im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik.
({0})
Wir sind da in diesem Jahr ein ganzes Stück vorangekommen und wir wollen diesen Weg weitergehen. Auch
wenn es bereits viele Male gesagt worden ist: Das
25-Milliarden-Euro-Programm, das diese Bundesregierung aufgelegt hat, hilft und es wird im nächsten Jahr
fortgeführt. Es ist kein Zufall, dass das Handwerk, die
kleinen und mittleren Unternehmen gut ausgelastet sind.
Die Zunahme an Beschäftigung im Verlauf des letzten
Jahres erklärt sich in etwa so: Bei den ganz großen Firmen sind - leider - etwa 100 000 Arbeitsplätze verloren
gegangen; das war mit manchen Komplikationen verbunden. Bei den kleinen Unternehmen sind 550 000 bis
580 000 neue Arbeitsplätze entstanden. So wird es auch
im kommenden Jahr sein. Wir müssen diesen Weg weitergehen. Wir müssen etwas dafür tun, dass die Wettbewerbsfähigkeit und die Investitionsfähigkeit des Handwerks, der kleinen und mittleren Unternehmen in
Deutschland gestützt werden. Auf diese Art und Weise
kann die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland erhöht
werden. Das heißt, Menschen, die auf der Straße sind,
kommen in Arbeit. Ich wiederhole: Diesen Weg gehen
wir auch im nächsten Jahr weiter.
({1})
Es gibt 471 000 Arbeitslose weniger als vor einem
Jahr. Übrigens sind 101 000 junge Menschen unter 25 weniger arbeitslos. Die Fortsetzung des Ausbildungspakts
bleibt ein ganz wichtiger Punkt. Wir werden im Frühjahr
ausführlich darüber zu sprechen haben, wie wir dafür
sorgen können, dass die Bugwelle bei den jungen Leuten
weiter reduziert werden kann. Diese Koalition will in
dieser Legislaturperiode erreichen - das ist eine Herausforderung für das Land und für die Politik -, dass diese
Bugwelle deutlich kleiner wird. Wir wollen 2009 so weit
sein, dass kein junger Mann und keine junge Frau von
der Schulbank in die Arbeitslosigkeit geht. Auch dieses
Ziel verbinden wir mit diesem Haushalt.
({2})
Beim Arbeitslosengeld I hat es in diesem Jahr eine
gute Entwicklung gegeben. Anfang des Jahres lautete
die Einschätzung, es werde Überschüsse in Höhe von
1,8 Milliarden Euro geben. Jetzt zeigt sich, es werden
voraussichtlich 9,5 bis 9,8 Milliarden Euro sein. Wir haben uns über die Entwicklung in den nächsten Jahren
sehr genau informiert. Die Bundesanstalt für Arbeit hat
seit 1988 in jedem Jahr Zuschüsse des Bundes bekommen; in diesem Jahr hat sie zum ersten Mal keine erhalten. All diejenigen, die sagen: „Man muss das Geld
zurückgeben“, frage ich: Was ist mit den 40 Milliarden
Euro, die wir dieser Einrichtung in den letzten Jahren
aus dem Haushalt haben zukommen lassen?
Nun wissen wir verbindlich: Die Bundesagentur wird
bis zum Jahr 2010 keinen Zuschuss des Bundes und auch
kein Darlehen mehr brauchen. Die Bundesagentur hat
den Posten für Eingliederung, also für die aktive Arbeitsmarktpolitik, erhöht. Ich wiederhole: Wir wissen,
dass ihr bis 2010 hinreichend Geld für die von ihr zu erfüllenden Aufgaben zur Verfügung stehen wird. Sie wird
kein zusätzliches Geld des Bundes brauchen.
Vor diesem Hintergrund haben wir entschieden: Wir
senken den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung
auf 4,2 Prozent. Das ist verantwortliche Politik. Den
Weg werden wir in das nächste Jahr hinein auch so weitergehen und der BA sagen: Macht die Arbeit weiter!
Die BA - das ist eben schon angesprochen worden,
ich glaube, von Herrn Fuchtel, von anderen auch - hat
sich in den letzten zwei Jahren gut entwickelt. Es war
eine ganz komplizierte Sache, eine so große Organisation mit solch einer Tradition, mit hunderttausend Leuten stärker auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts einzustellen. Ich sage: Respekt denen, die da die Arbeit zu
verantworten haben. Das heißt nicht, dass man mit allem
einverstanden ist. Ich bin dafür, dass wir immer hart
messen und kontrollieren: Was läuft da? Das alles kann
auch noch besser werden. Aber ich sage deutlich: Die
BA ist in einer guten Verfasstheit. Wir wollen weiter gut
zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass wir den Weg
weitergehen können.
Bei den Lohnnebenkosten - das will ich doch noch
sagen, weil darüber viel gesprochen wird - erreichen wir
im nächsten Jahr, im Jahr 2007, dass der Arbeitgeberanteil unter 20 Prozent sinkt. Wir als Koalition haben immer versprochen: Wir nehmen die 40 Prozent ins
Visier. - Wenn man sich den Teil anschaut, der paritätisch finanziert ist, stellt man fest: Man ist unter
20 Prozent für die Arbeitgeber. Das war immer mit dem
Ziel „40 Prozent“ verbunden. Das erreichen wir. Das ist
sicherlich ein Pluspunkt. Das muss jetzt aber auch dazu
führen, dass das von den Arbeitgebern gewürdigt wird,
dass Reaktionen kommen und zusätzliche Arbeitsplätze
entstehen.
({3})
Zum Bereich Arbeitslosengeld II/Langzeitarbeitslosigkeit. Das ist sicherlich der komplizierteste Bereich
für die Arbeit des kommenden Jahres. Es ist wahr, dass
mehr Menschen Arbeitslosengeld II erhalten. Es ist aber
nicht richtig, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften
steigt.
({4})
Frau Kollegin Winterstein, Sie haben im Ausschuss eine
Information dazu erbeten. Die haben Sie auch bekommen; die haben natürlich alle bekommen. Die hätte man
einfach einmal vorlesen sollen. Danach ist es nämlich so,
dass von Mai bis Oktober des vergangenen Jahres die
Zahl der Bedarfsgemeinschaften um 200 000 gestiegen
ist, dass sie von Mai bis Oktober dieses Jahres aber um
300 000 gesunken ist.
Wenn wir beim Arbeitslosengeld II im Augenblick
mehr auszahlen, hängt das damit zusammen, dass eine
immer größere Zahl von Menschen, die vollzeitbeschäftigt oder teilzeitbeschäftigt sind, ergänzend Arbeitslosengeld II bekommt; inzwischen übrigens auch rund
50 000 Selbstständige. Das ist ein Punkt, den ich hier
nicht vertiefen will, über den wir im Augenblick aber
sprechen: Kann das eigentlich so sein? Was kann man dagegen tun, dass Menschen, die vollzeitbeschäftigt sind, in
die Arbeitsagentur, in die Arge kommen und sagen:
„Jetzt brauchen wir ergänzend Arbeitslosengeld II“? Da
stimmt doch offensichtlich mit der Höhe der Löhne, mit
der Höhe der Bezahlung etwas nicht.
({5})
Deshalb müssen wir an der Stelle in der Koalition für
ein Stückchen mehr Klarheit sorgen. Wir sind mitten in
der Debatte. Da spielen der Mindestlohn, der tarifliche
oder der gesetzliche, und der Kombilohn eine Rolle. Wir
müssen uns damit auseinander setzen. Es kann nicht normal sein, dass in einem Land mit einem Wohlstandsniveau, wie wir es haben, eine immer größere Zahl von
Menschen von der Arbeit nicht leben kann.
({6})
Wer seine Arbeit macht, wer seine Pflicht tut, wer jeden
Tag jobben geht, auch wenn er es manchmal vielleicht
nicht gern tut, der muss dafür auch so viel Geld bekommen, dass er in der Regel sich und seine Familie davon
ernähren kann. Das muss das Ziel in einer mitteleuropäischen Wohlstandsregion wie Deutschland sein; überhaupt keine Frage. Darüber werden wir zu sprechen haben.
({7})
Wie viel Geld geben wir aus? Für den Bereich Arbeitsmarkt sind es etwa 42 Milliarden Euro. Es sind
21,4 Milliarden Euro für das eigentliche Arbeitslosengeld II, 10 Milliarden Euro für die Eingliederung,
4,3 Milliarden Euro für den Bereich KdU, 6,5 Milliarden
Euro aus der Mehrwertsteuer. Das ist alles Geld, das aus
der Bundeskasse dahin fließt.
Nun gebe ich gern zu: Man kann sich lange darüber
unterhalten, ob bei den 21,4 Milliarden Euro oder an anderer Stelle etwas erhöht und dafür an anderer Stelle etwas gesenkt werden müsste. Ich verspreche hier nur: Wir
werden mit diesem Geld im Jahr 2007 auskommen. Es
wird darauf ankommen, im Laufe des Jahres die Instrumente so einzusetzen, dass dies erreicht wird. Es gibt
dazu einige Diskussionen, die wir zu Ergebnissen führen
werden.
Im Übrigen ist es auch in diesem Jahr schon so gelaufen. Wir haben einen Teil des Eingliederungstitels genommen und für die Zahlung von Arbeitslosengeld II
eingesetzt. Das ist von Ihnen, Frau Hajduk, kritisiert
worden. Aber ich sage Ihnen: Auch in diesem Jahr werden die Argen und die zkTs wieder unter dem Betrag
bleiben, sodass etwas übrig bleiben wird.
({8})
Man muss realistisch sein: Im vergangenen Jahr standen
6,5 Milliarden Euro zur Verfügung; davon wurden
3,5 Milliarden Euro ausgegeben. - In diesem Jahr stehen
etwa 5,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich sage Ihnen
voraus: Davon wird etwas übrig bleiben, und zwar in erheblichem Ausmaß.
({9})
Sie können mich natürlich kritisieren; das hat Frau Winterstein ja auch getan. Im Verlauf des Jahres werden wir
dann sehen, wo wir die Ausgaben zu hoch und wo wir
sie zu niedrig angesetzt haben. Jedenfalls werden wir das
Geld, das uns in diesem Haushalt dafür zur Verfügung
steht, vernünftig einsetzen. Zugleich werden wir die Ansätze einhalten und an der Stelle nicht mehr ausgeben.
({10})
Lassen Sie mich ein paar Worte zum Bereich der Alterssicherung sagen: In den nächsten Tagen und Wochen
werden wir darüber noch ausführlicher zu diskutieren
haben. Wir machen hier drei Maßnahmen parallel:
Der Gesetzentwurf zur Rente mit 67 wird jetzt in das
Gesetzgebungsverfahren eingebracht. In den nächsten
Wochen und Monaten wird in diesem Hohen Haus über
all die Konsequenzen, die damit verbunden sind, zu
sprechen sein. Im Jahre 2029 - so weit planen wir - wird
das Zeitfenster für den Renteneintritt zwischen 63 und
67 Jahren liegen; jetzt liegt es zwischen 60 und 65 Jahren. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in unserer
Gesellschaft, nachdem im Jahre 1960 noch durchschnittlich zehn Jahre lang Rente gezahlt wurde, nun mittlerweile 17 Jahre lang Rente gezahlt wird und es im Jahre
2030 durchschnittlich 20 Jahre sein würden, kann man,
wie ich glaube, eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters verantworten. Wir begleiten dies aber
durch zwei weitere Maßnahmen.
Eine dieser Maßnahmen ist die Initiative „50 plus“.
Mittlerweile haben wir 80 000 ältere Arbeitslose weniger als noch vor einem Jahr. Das ist kein schlechtes
Resultat. Wir werden mithilfe von Kombilöhnen, Eingliederungszuschüssen und Weiterbildungsangeboten
versuchen, dafür zu sorgen, dass sich die Situation für ältere Arbeitslose weiterhin so positiv entwickelt. Die
Menschen sollen nicht mehr mit 50, 55 oder 58 Jahren
aus dem Arbeitsleben verdrängt werden, sondern sie sollen eine echte Chance auf Arbeit haben. So beantworten
wir die Frage der Konsequenzen eines höheren Renteneintrittsalters für ältere Menschen. Wir wollen, dass
diese ihre Arbeit behalten oder wieder Arbeit finden.
({11})
Dafür investieren wir das Geld. Das ist ein vernünftiger
Weg für die Zukunft.
Ergänzend stoßen wir eine Debatte über die Altersvorsorge an. Die gesetzliche Rente bleibt zwar das Kernstück der Alterssicherung, aber sie muss ergänzt werden
um eine private Vorsorge in Form von betrieblicher
Altersvorsorge, Riesterrente oder Rüruprente. Etwa
20 Millionen Menschen nehmen schon in unterschiedlichster Weise diese Systeme wahr, aber diese Art der
Vorsorge muss zu einer Selbstverständlichkeit in
Deutschland werden. Die ganze Debatte über die Beteiligung der Arbeitnehmer an Gewinn und Kapital muss auf
die Forderung konzentriert werden: Organisiert eine vernünftige Altersvorsorge und fangt damit rechtzeitig an!
Wir haben dafür gesorgt, dass Insolvenzsicherheit gegeben ist. Keiner, der in das System einer Betriebsrente
einzahlt, muss Angst haben, dass seine Ansprüche verloren gehen, sollte der Betrieb Pleite gehen. Auch die Portabilität ist gegeben; das heißt, die Ansprüche können
mitgenommen werden.
Es muss zu einer Selbstverständlichkeit für die junge
Generation in Deutschland werden, dass jemand, sobald
er eine Beschäftigung aufnimmt, neben der gesetzlichen
Rente in ein Altersvorsorgesystem einzahlt. Wir unterstützen staatlicherseits die Menschen in dem Maße, in
dem es uns möglich ist, diesen Weg zu gehen, und machen da eine ganze Menge. So wollen wir Familien mit
heranwachsenden Kindern durch Verbesserungen bei der
Riesterrente noch stärker unterstützen. Es ist eine gute
Idee für die Altersvorsorge, den Kinderzuschlag für diejenigen, die in die Riesterrente einzahlen und heranwachsende Kinder haben, noch zu erhöhen. Das ist eine
familienpolitisch vernünftige Maßnahme, die zugleich
auch der Altersvorsorge dient. Außerdem wollen wir die
Riesterrente um eine Wohneigentums- bzw. Wohnrechtskomponente ergänzen. Das heißt, ein Teil des Geldes,
das man ansparen will, soll dafür eingesetzt werden können, dass man eine Wohnung kauft oder Wohnrecht erwirbt, um im Alter günstige Wohnbedingungen zu haben.
Wer also neben der gesetzlichen Rente auf betriebliche Altersvorsorge, Riester- oder Rüruprente setzt, der
kann davon ausgehen, dass er gute Voraussetzungen
schafft, um auch im Alter finanziell gut ausgestattet zu
sein. Gerade die junge Generation erwartet, dass dafür
gesorgt wird.
Zwei letzte Punkte zu Europa. Wir werden 2007 die
EU-Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr und die G-8Präsidentschaft für das ganze Jahr haben. Die Erwartungen an Deutschland sind groß. Deshalb dürfen unsere
Anforderungen an uns selbst nicht zu schmal bleiben.
Wir werden auch die Idee des Sozialmodells Europa
forcieren. Das beinhaltet vor allen Dingen die Idee der
guten Arbeit. Wir wollen in unserem Land, aber auch in
Europa und darüber hinaus für alles werben, was mit Arbeitsschutz, altersgerechter Arbeit, Arbeitsrecht, der
Möglichkeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sich
als Vertreter ihrer Interessen vernünftig zu treffen und
gemeinsam gute Politik zu machen, wie wir das von der
Tarifpolitik in Deutschland kennen, sowie mit existenzsichernden Löhnen zusammenhängt. Das wollen wir
zum Gegenstand der Debatte machen. Das ist in Europa
und auch für uns ein wichtiges Thema. Wir sind weit
hinter dem zurück, was in anderen Ländern Beschlusslage zu tariflichen und gesetzlichen Mindestlöhnen ist.
({12})
Wir werden in Europa auch - das ist der letzte Punkt über Chancengleichheit zu sprechen haben, vor allem
deshalb, weil Deutschland, was die Chancen der jungen
Frauengeneration angeht, weit hinter dem zurückliegt,
was in anderen Ländern in Europa üblich ist. Wir brauchen die Kreativität und Fähigkeiten dieser Frauengeneration - auch aus volkswirtschaftlichen Gründen. Aber
vor allem wollen wir im Interesse des Rechts jedes einzelnen Menschen, am Arbeitsmarkt und im Beruf erfolgreich zu sein, handeln. Deshalb bleibt die Idee der Chancengleichheit im nächsten Jahr in Europa auch unter dem
Gesichtspunkt von Arbeit und Sozialpolitik ganz wichtig.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({13})
Nächster Redner ist nun der Herr Kollege Heinrich
Kolb für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister Müntefering hat den Vorschlag gemacht,
dass wir uns auf das konzentrieren, was, auch durch den
Haushalt unterstützt, im nächsten Jahr geschehen soll.
Ich bin gern bereit, Ihrem Vorschlag zu folgen, will den
Blick aber gleichwohl noch einmal auf die Entwicklung
in diesem Jahr lenken; denn, Herr Minister Müntefering,
auch wenn sich die Stimmung am Arbeitsmarkt etwas
aufgehellt hat, warne ich davor, in Euphorie zu verfallen.
Das haben Sie hier nicht getan, aber einige Kollegen von
der Koalition neigen dazu. Dazu besteht jedoch wirklich
kein Anlass.
Ich will das konkret belegen und beziehe mich dabei
auf die jahresdurchschnittlichen Zahlen des Sachverständigenrates in seinem aktuellen Gutachten. Die besonders Interessierten können das gerne auf Seite 358
nachvollziehen.
Nach den Zahlen des Sachverständigenrates ist die
Zahl der registrierten Arbeitslosen in 2006 um
329 000 zurückgegangen. Das ist uneingeschränkt erfreulich; Frau Kollegin Lehn, da stimme ich Ihnen zu.
({0})
Nun könnte man denken, der Abbau von Arbeitslosigkeit und der Aufbau von Beschäftigung seien kommunizierende Röhren, wenn die Arbeitslosigkeit zurückgehe,
müsse sich auch bei der Erwerbstätigkeit, bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung eine entsprechende Bewegung ergeben. Aber weit gefehlt; dem ist
keineswegs so. Darüber, Herr Minister Müntefering,
sollten Sie zumindest einmal nachdenken. Auch ist es
lohnend, nach den Ursachen zu forschen.
Zwar steigt die Zahl der Erwerbstätigen bei einem
Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um 329 000 immerhin noch um 220 000 an; darin ist jedoch die Zunahme
der Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten in
der Größenordnung von circa 90 000 enthalten. Viel beunruhigender finde ich aber, Herr Minister, dass der Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, also der Basis der Finanzierung unserer sozialen
Sicherungssysteme, in 2006 jahresdurchschnittlich gerade einmal 90 000 beträgt. Ein Zuwachs um 90 000,
nachdem wir in den Jahren 2003, 2004 und 2005 in der
Summe 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verloren haben! Herr Minister,
das ist - bei aller Freude über die Trendumkehr - eine
immer noch ausgesprochen magere arbeitsmarktpolitische Bilanz eines Jahres,
({1})
in dem wir rund 2,3 bis 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum hatten, also eine unerwartet günstige Entwicklung.
Deswegen gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit
und auch keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen.
({2})
Dies gilt umso mehr, als abzusehen ist, dass wir das
Wirtschaftswachstum des Jahres 2006 im kommenden
Jahr nicht erreichen werden. Der Sachverständige Professor Gustav Horn - er gehörte bis vor kurzem dem
DIW an; er ist dort nicht mehr, weil er anscheinend mit
unliebsamen Kommentaren aufgefallen ist - hat in einer
Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu
Beginn dieser Woche als Einzelsachverständiger der
Koalition darauf hingewiesen, dass der negative Impuls,
der sich aus der saldierten Wirkung von Mehrwertsteuererhöhung und Veränderung der Beitragssätze in der Sozialversicherung ergibt, zu einem Wachstumsverlust von
über 1 Prozent des Inlandsproduktes führt. Das Wachstum, das er bei einer ungestörten konjunkturellen Entwicklung auch im nächsten Jahr bei 2,5 Prozent plus x
gesehen hätte, landet aber im nächsten Jahr bei 1,5 Prozent minus x.
Professor Horn sagte weiter: Wenn wir im kommenden Jahr eine Wachstumsentwicklung von 1,5 Prozent
minus x haben, heißt das, dass wir unter die Beschäftigungsschwelle sinken werden. Er weist weiter darauf
hin, dass sich die positive Beschäftigungsentwicklung
insbesondere bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen im Verlauf des nächsten Jahres wieder umkehren wird und dass als Folge neue Belastungen der Sozialversicherungen entstehen würden.
Das, Herr Minister Müntefering, müssen Sie sich für das
nächste Jahr ins Stammbuch schreiben lassen.
({3})
- Eine Zwischenfrage des Kollegen Weiß lasse ich gerne
zu, Frau Präsidentin.
Dann Herr Kollege Weiß, bitte sehr.
Herr Kollege Kolb, bei Ihren Ausführungen, die Sie
soeben gemacht haben, habe ich mich gefragt, ob die
von Frau Kollegin Lehn erwähnte Tante Käthe vielleicht
in Ihrer Person gerade am Rednerpult steht.
({0})
Zahlenspiele hin oder her: Das bemerkenswerte Faktum am deutschen Arbeitsmarkt ist doch, dass in
Deutschland seit dem Jahr 2001 bis in dieses Jahr hinein
Jahr für Jahr und Monat für Monat ein Verlust an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu beobachten
war. Aber in diesem Jahr gibt es zum ersten Mal eine
Trendumkehr. Es ist richtig, dass dieser Prozess langsam
verläuft. Aber es geht mit der Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen stetig aufwärts; mehr
Menschen zahlen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Ich finde, diese bemerkenswerte Trendumkehr ist
eine gute Botschaft. Das sollte auch einmal die FDP anerkennen.
({1})
Herr Kollege Weiß, ich bedanke mich ausdrücklich
für die Frage nach Tante Käthe. Ich weiß allerdings
nicht, ob ihr Bruder Heinrich hieß. Vielleicht ist Tante
Käthe in ihren jungen Jahren - das sollte man vielleicht
einmal in Erwägung ziehen, Frau Kollegin Lehn - Seglerin gewesen. Jeder Segler ist gut beraten, den Himmel
auch dann nach heranziehenden Gewitterfronten zu beobachten, wenn eitel Sonnenschein herrscht.
({0})
Herr Weiß, ich möchte von folgendem Vorkommnis
berichten: Bei einem Sommerfest des HDE vor zwei
oder drei Jahren, das in Berlin in der Straße Am Weidendamm stattfand, herrschte drückende Hitze bei strahlend
blauem Himmel. Aber von fern zog ein schwarzer Streifen am Horizont heran. Zunächst passierte nichts; es fiel
erst einmal kein Regentropfen. Die Mehrzahl der Gäste
blieb gelassen. Aber die Segler unter den Gästen ahnten
schon, was da kommen würde. Die Front zog über den
Ort des Sommerfestes und dann brach es schlagartig herein. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Spanferkel durch die Luft fliegen sehen. - Sie müssen sich also
schon den Ratschlag gefallen lassen, dass es, wenn man
Naturgewalten ausgesetzt ist, notwendig ist, Blicke immer wieder gen Himmel zu richten.
Nun zum zweiten Teil Ihrer Frage. Es ist eine Trendumkehr, die allerdings erst im zweiten Quartal eingesetzt
hat. Es ist saisonal durchaus nicht unüblich, dass es in
den Sommer- und Herbstmonaten eine erfreuliche Entwicklung gibt. Deswegen habe ich bewusst die durchschnittlichen Jahreszahlen genannt. Aber angesichts der
Tatsache, dass in den letzten drei Jahren, also in den Jahren 2003, 2004 und 2005, 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gingen, kann ein
Zuwachs von 90 000 wahrlich kein Anlass sein, Entwarnung zu geben.
({1})
Es beunruhigt uns schon, dass Sie jetzt dazu neigen, die
Hände in den Schoß zu legen,
({2})
nach dem Motto, es gebe keinen Handlungsbedarf mehr,
alles sei auf einem guten Wege. Ich sehe diese Gefahr;
das will ich gleich anhand von Beispielen erläutern. Die Frage ist damit, denke ich, beantwortet.
Zunächst will ich aber auf ein Faktum hinweisen, das
wir auch nicht vernachlässigen dürfen: Ein genauerer
Blick auf die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zeigt, Herr Kollege Weiß,
dass es einen - leider intakten - Trend zum Rückgang
der Vollzeitbeschäftigung bei einem gleichzeitigen Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung gibt. Darin sind die Minijobs nicht eingeschlossen.
Man kann es auch deutlicher formulieren: Ein nicht
unwesentlicher Teil des Anstiegs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung resultiert daraus, dass
Vollzeitbeschäftigung durch Teilzeitbeschäftigung ersetzt wird. Das Arbeitsvolumen bleibt aber laut Sachverständigenrat, Herr Minister Müntefering, trotz Wirtschaftsaufschwungs in 2006 nahezu unverändert bei
knapp 57 Millionen Arbeitsstunden. Das ist ein entscheidender Punkt, den wir im Auge behalten müssen.
Warum sage ich das hier? Weil diese Entwicklung
dazu führt, dass trotz eines vergleichsweise kräftigen
Wachstums in diesem Jahr die Entwicklung der Einnahmen der Sozialversicherung, bereinigt um die Wirkung
des Vorziehens der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge, sehr bescheiden bleibt. Ich will das am Beispiel
der Rentenversicherung erläutern. Dort sind die Beiträge, wenn man die Mehreinnahmen aus dem
13. Monatsbeitrag in Höhe von 10,5 Milliarden Euro herausrechnet, bei einem Gesamtvolumen von 154 Milliarden Euro gerade einmal um 770 Millionen Euro gestiegen. Das ist ein Plus von 0,5 Prozent bei einem
Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent. Das ist nicht gerade berauschend, wie Sie mir sicherlich zustimmen
werden. In den anderen Zweigen der Sozialversicherung
sieht es ähnlich aus.
Anders ausgedrückt: Die Entspannung in den Kassen
der Sozialversicherung, die Sie glauben feststellen zu
können, ist fast gänzlich auf den Effekt des 13. Monatsbeitrags zurückzuführen. Ihr Plan war, den mittelständischen Unternehmen in unserem Lande 20 Milliarden
Euro aus den Taschen zu ziehen. Am Ende sind es
22 Milliarden Euro geworden, 10 Prozent mehr. Das ist
ein Geldsegen, der Sie zwar erfreuen mag, der aber die
Wirtschaft in unserem Lande belastet. Das dürfen Sie
bitte schön den Menschen in unserem Lande nicht ernsthaft als einen Erfolg Ihrer Arbeit verkaufen.
({3})
Der Sachverständigenrat hat Recht, wenn er ausdrücklich ermahnt, die erfreuliche Belebung auf dem
Arbeitsmarkt dürfe nicht zu einem Erlahmen der
Reformanstrengungen führen. Aber genau das zeichnet
sich ab. Änderungen beim Kündigungsschutz bekommen Sie nicht zustande. Dabei muss es Sie, Herr Minister Müntefering, doch nachdenklich stimmen, dass die
größte Bewegung auf dem Arbeitsmarkt bei den Minijobs - ich habe es schon gesagt, es ist in 2006 ein Plus
von 90 000 festzustellen - und der Zeitarbeit - hier ist in
2005 ein Plus von 60 000 und in 2006 ein wohl noch höheres festzustellen - stattfindet.
Der Mittelstand, den Sie nicht müde werden als Jobmotor zu loben, würde gerne mehr Beschäftigte dauerhaft in den eigenen Unternehmen einstellen. Aber Sie
verhindern das, weil Sie sich hinter ideologischen Kopfbrettern verstecken. Insbesondere für die Beschäftigung
von Langzeitarbeitslosen ist es wichtig, dass es zu Veränderungen beim Kündigungsschutz kommt. Wann kapieren Sie endlich, dass das, was Arbeitsplatzbesitzern
nützt, denjenigen schadet, die gerne auf den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren würden?
({4})
Ich finde es unsäglich, wenn jetzt der Wirtschaftsminister nach dem Muster eines türkischen Basars antritt: Ich stimme beim Mindestlohn zu, wenn ihr beim
Kündigungsschutzgesetz etwas tut. - Wo leben wir eigentlich? Wenn der Kündigungsschutz ein Problem ist
- ich bin davon überzeugt -, dann muss diese Regierung
ohne Kompensationsgeschäfte handeln. Das ist ein Auftrag, den die große Koalition zu erledigen hat.
({5})
Zum Schluss möchte ich feststellen, dass Sie, Herr
Minister, dabei sind, einen Paradigmenwechsel bei den
Lohnnebenkosten zu vollziehen. Im Koalitionsvertrag
las sich das noch recht klar:
CDU, CSU und SPD stellen sicher, dass die Lohnzusatzkosten ({6}) dauerhaft unter 40 % gesenkt werden.
({7})
Sie werden am Ende dieses Jahres aber immer noch bei
42 Prozent und in 2007 bei 40,6 Prozent liegen, weil Sie
bestehende Spielräume zur Absenkung der Gesamtbelastung nicht genutzt haben. Jetzt deuten Sie das Ganze um,
indem Sie sagen, das beziehe sich auf den Arbeitgeberanteil von 20 Prozent. Davon war im Koalitionsvertrag
keine Rede. Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen,
dass Sie hier ähnlich handeln wie bei der Gesundheitsreform, bei der Sie argumentieren: Es wird erstmals nicht
zu einer Belastung der Kranken kommen. - Es mag ja
sein, dass Sie die Zuzahlungen nicht erhöhen und die
Leistungen nicht kürzen. Aber am Ende erhöhen Sie die
Beiträge massiv. Das, was Sie hier betreiben, ist eine
Form der Volksverdummung. Die Menschen in unserem
Lande haben dies längst durchschaut. Dies ist eine Ursache dafür, dass Sie in den Umfragewerten deutlich zurückfallen.
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie die rhetorischen Tricks, machen Sie sich lieber an die Arbeit! Es
gibt viel zu tun: beim Kündigungsschutz, beim Tarifvertragsgesetz und bei der Generalrevision des SGB II. Fangen Sie endlich an! Der schöne Sommer und der schöne
Herbst 2006 sind vorbei. Es könnte sein - denken Sie an
Tante Käthe -, dass Sie sich dann sehr warm anziehen
müssen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Nun hat das Wort die Kollegin Ilse Falk für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute ist schon viel zu den Schwerpunkten des Einzelplans für Arbeit und Soziales gesagt worden. Zu den
richtigen Ansätzen lässt sich sehr viel sagen; zu den vermeintlich falschen Ansätzen wird versucht, vieles zu sagen. Die FDP wird gar nicht müde, immer wieder alle
ihre Bedenken vorzutragen. Ich kann mich aber nicht des
Eindrucks erwehren, dass die FDP, wenn sie an der Koalition beteiligt wäre, ganz anders reden würde.
({0})
Ich erinnere mich nämlich, dass sie kleine Erfolge gut
anerkennen und verkaufen konnte.
Ich will die Geschichte, die sich heute offensichtlich
durch die Debatte zieht - angefangen bei Tante Käthe;
jetzt sind wir bei den Seglern -, gerne erweitern. Herr
Kolb, Sie haben Pech gehabt. Es gibt nämlich noch weitere Aspekte beim Segeln. Ich weiß das, da ich selber
segle. Es ist nicht nur so, dass wir den Himmel aufmerksam danach beobachten, ob Unwetter aufziehen, um
rechtzeitig die Segel einzuziehen und das Unwetter abzuwettern. Darüber hinaus beobachten wir auch sehr genau, wann Wind aufkommt. Dann setzen wir die Segel,
nehmen volle Fahrt auf und nutzen den Wind und jede
Gutwetterlage, um voranzukommen und Strecke zu machen. Genau das tun auch die Regierung und die Koalition. Auf diesem Kurs wollen wir mit voller Fahrt weitersegeln.
({1})
Zurück zum Haushalt des Arbeits- und Sozialministeriums. Es handelt sich hierbei um den größten Einzeletat
des Bundeshaushalts. Wir geben gewaltige Milliardenbeträge für die Sozialpolitik aus. Wir wissen, dass die
Beitrags- und Steuerzahler diese Beträge finanzieren;
wir stehen diesen Menschen gegenüber deshalb in besonderer Verantwortung.
Es ist erfreulich, dass wir nach einem Jahr großer Koalition unseren Mitbürgern erste sichtbare Erfolge vermelden können. Die Konjunktur läuft gut; das kann
man gar nicht oft genug sagen. Es gibt berechtigte Hoffnungen, dass dieser Trend auch 2007 anhalten wird. Die
gute Konjunktur im Zusammenspiel mit den von der
großen Koalition in Angriff genommenen Maßnahmen
hat sich positiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Ich
verstehe, dass Sie das immer wieder kleinreden wollen,
aber die Fakten sprechen nun einmal eine eindeutige
Sprache.
Die Koalition ist die schwierigen Aufgaben im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik beherzt angegangen
und hat bereits eine ganze Reihe von in der Koalitionsvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen umgesetzt. Wir
sind gut im Plan, werden uns aber natürlich nicht auf den
ersten Erfolgen ausruhen, sondern auf dem eingeschlagenen Weg weiter voranschreiten.
Obwohl die Zahl der Arbeitslosen erfreulicherweise
abnimmt und die Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten und die der offenen Stellen - das ist
ebenso erfreulich - zunimmt, erleben wir im direkten
Gespräch in unseren Wahlkreisen, dass ein Großteil der
Menschen von Zukunftsängsten geplagt wird. Statt Zuversicht und Optimismus, zu denen die guten Daten Anlass gäben, wachsen Ängste vor Arbeitslosigkeit und in
Arbeitslosigkeit. Angst vor Armut, Ausgrenzung,
Krankheit und schlechter gesundheitlicher Versorgung
werden einerseits in unverantwortlicher Weise geschürt,
andererseits aber auch real empfunden. Die Angst, als
Versager abgestempelt zu werden - auch von der eigenen Familie - und die gesellschaftliche Anerkennung zu
verlieren, lähmen eigene Kräfte.
Berichte über diejenigen, die sich jeder Verantwortung entziehen, die keine Bemühungen erkennen lassen,
Arbeitsangebote anzunehmen und einzig Aktivitäten
entwickeln, wenn es darum geht, den Sozialstaat abzuzocken, verstärken die Ängste, weil wir den Druck auf
diese erhöhen müssen und das auch tun werden.
Trotz gewaltiger finanzieller Anstrengungen wird unsere Politik von denen, die sie betrifft, immer häufiger
als unsozial empfunden, während die anderen, die diese
Leistungen mit ihren Steuern und Abgaben erst ermöglichen, unter der immer größeren Last stöhnen. Sprüche
wie „Die Armen werden immer ärmer, die Reichen
immer reicher“ oder „Kalter Neokapitalismus gegen soziale Hängematte“ verschärfen die gesellschaftlichen
Konflikte und befördern soziale Abgrenzungen und Ausgrenzungen.
Ich habe die Sorge, dass uns Verallgemeinerungen
und Vorurteile die Menschen, für die wir Politik machen,
immer mehr aus dem Blick geraten lassen. In dem Bemühen, Entscheidungen nachweisbar zielgenau und damit gerecht zu gestalten, stellen wir immer mehr Vorschriften und Regelungen auf, die uns den Wald vor
lauter Bäumen bzw. die Menschen vor lauter Bürokratie
nicht mehr sehen lassen. Deswegen will ich diese Debatte nutzen, um den Blick deutlicher auf diejenigen zu
richten, die von Arbeitslosigkeit und damit von Arbeitsmarktpolitik betroffen sind.
Bis heute ist es uns nicht wirklich gelungen, allen die
Sinnhaftigkeit der Zusammenlegung von Sozial- und
Arbeitslosenhilfe, die Idee des Förderns und Forderns,
als Chance zu vermitteln. An den geschaffenen Strukturen kann es eigentlich nicht liegen. Sie ermöglichen Sicherheit und materielles Auskommen, nicht üppig, wenn
ich an den allein stehenden ALG-II-Empfänger denke,
aber gut auskömmlich, zum Beispiel für Familien. Eine
Familie mit drei Kindern erhält zum Beispiel 1 660 Euro
netto plus Krankenversicherung, ohne Zuschlag und Erziehungs- bzw. Elterngeld. Das will mit einem Vollzeitjob erst einmal verdient werden.
({2})
Meine Sorge gilt daher weniger einer möglichen Unterversorgung. Ich frage mich vielmehr, wie wir die
Menschen zu mehr Eigeninitiative ermutigen und sie aus
freiwilliger oder unfreiwilliger Isolation herausbringen
können. Menschen wollen arbeiten. Deshalb kann es
nicht darum gehen, Arbeitslose immer besser zu verwalten. Wir sind viel zu lange davon ausgegangen, dass
mehr Geld, das heißt eine bessere Versorgung, die beste
Antwort ist; damit haben wir den Begriff des Sozialen
verknüpft. Das verkauft sich natürlich leichter. Ist den
Menschen aber wirklich geholfen, wenn wir die Versorgung über das Eigentliche, über die Vermittlung in Arbeit, stellen? Jeder hat doch den Wunsch, nützlich zu
sein - jedenfalls fast jeder.
Das vorrangige Ziel muss also weiterhin sein, Menschen Arbeit zu geben. Wer Arbeit hat, steht mitten in
der Gesellschaft, gehört dazu. Politik kann keine
Arbeitsplätze schaffen; das ist eine Binsenweisheit. Mit
guten Rahmenbedingungen und einer wachstumsorientierten Politik kann sie aber sehr wohl die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich Unternehmen erfolgreich
am Markt behaupten und Arbeitskräfte einstellen. Wir
müssen sicherlich noch eine ganze Menge verbessern,
damit das geschieht und damit Unternehmen und Arbeitsuchende noch besser zueinander finden. Wir sind dabei.
In der Arbeitsmarktpolitik müssen wir aber auch dafür sorgen, dass diejenigen, die es schwerer haben als andere, eine Chance bekommen. Das gilt zum Beispiel für
ältere Menschen, die nach wie vor viel zu früh aus dem
Erwerbsleben verdrängt werden, sowie für junge Menschen oder für Menschen mit Handicaps, die häufig gar
keine Chance haben, in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. Mit der Initiative „50 plus“ oder mit Kombilohnmodellen für unter 25-Jährige können wir diejenigen
unterstützen, die bereit sind, sich fortzubilden, neue Aufgaben zu übernehmen, gegebenenfalls auch zu schlechteren Konditionen zu arbeiten.
Wir müssen darauf achten, dass das in der Bevölkerung tief verankerte Prinzip, dass sich Leistung lohnen
muss, im Handeln der Politik seinen Ausdruck findet.
Anreize müssen so gesetzt sein, dass die Arbeit vor der
Transferleistung steht.
({3})
Dieses Prinzip liegt unzweifelhaft dem Leitgedanken
von Hartz IV, dem Fördern und Fordern, zugrunde. Bereits Ludwig Erhard hat vor dem Wahn des Überversorgungsstaates gewarnt. Auf Hartz IV übertragen, bedeutet
das, dass der Staat zwar die Aufgabe hat, das Existenzminimum zu sichern, seine Transferleistungen aber so
ausgestalten muss, dass sie nicht kontraproduktiv wirken.
({4})
Unzweifelhaft wirkt Hartz IV individuell sehr verschieden. Es gibt Menschen, die nach langen Jahren der
Berufstätigkeit unverschuldet arbeitslos werden und vor
der Situation stehen, ihr Vermögen einsetzen zu müssen,
bevor sie staatliche Transferleistungen erhalten.
Wenn wir dies zu Recht im Interesse derjenigen erwarten, die mit ihren Steuergeldern diese staatlichen
Leistungen finanzieren, dann müssen wir aber auch darauf achten, dass keine Situationen eintreten, in denen
der Verbleib in der Transferleistung aus Sicht des Betroffenen die ökonomisch sinnvollste Lösung ist, weil er auf
dem Arbeitsmarkt kein vergleichbares Einkommen erzielen kann.
({5})
Was ist aber nun mit denjenigen, die sich verzweifelt
um Arbeit bemühen und keine bekommen? Sind sie Versager? Werden sie tatsächlich ausgegrenzt und sind weniger wert? Ich finde, ihnen muss unsere besondere Aufmerksamkeit gelten. Ihretwegen müssen wir über die
unterschiedlichen Formen von Arbeit reden, um ihnen
- auch in anderen Arbeitsfeldern - Perspektiven zu geben.
An erster Stelle steht natürlich immer die Erwerbsarbeit, die mit Lohn oder Gehalt entgolten wird und deshalb
einen klar messbaren Gegenwert hat. Es gibt aber auch
wichtige Aufgaben in der Gesellschaft und für die Gemeinschaft, die ehrenamtlich erfüllt werden, deren Gegenwert - zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit - die Grundversorgung sein kann, auf jeden Fall aber Anerkennung
und menschliche Nähe. Außerdem denke ich - wie sollte
es anders sein - an die Familienarbeit, nicht nur in der
jungen Familie, sondern gerade auch in der Fürsorge für
diejenigen, die nicht mehr so gut für sich selber sorgen
können. Jede Art von Arbeit ist ein wichtiger Beitrag für
unsere Gemeinschaft. Jede Arbeit kann Menschen Lebensmut, ein besseres Selbstwertgefühl, Selbstbestätigung und damit Lebenssinn geben.
({6})
Ich denke, wir müssen viel mehr darüber reden, dass
Arbeit in allen Bereichen Freude macht und gegenseitige
Anerkennung verdient, ob bezahlte oder unbezahlte, ob
im so genannten 1-Euro-Job oder einem, der der Ergänzung durch Transferleistungen bedarf.
Vielleicht sollten wir auch einmal kritisch über unsere
Wortwahl nachdenken. Wenn wir zum Beispiel von zumutbarer Arbeit sprechen, vermittelt das den Eindruck,
Arbeit sei eine Zumutung.
Menschen erfahren Anerkennung in der Familie, in
der Nachbarschaft, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz genauso wie durch gemeinnützige Arbeit. Eines ist
allen gemeinsam: Sie erfahren Anerkennung durch Menschen. Damit das gelingen kann, bedarf es einiger Voraussetzungen. Ich freue mich deshalb, dass sich die Koalition und die Bundesregierung ihrer Verantwortung
bewusst sind und die Menschen in ihren Lebenszusammenhängen in den Blick nehmen.
({7})
Wir fordern den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Wir stärken die Familien und trauen Menschen etwas zu.
Wir haben Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Die Vermittlung von Lebenskompetenzen und die Eröffnung von
Bildungschancen für alle Altersgruppen sind uns ebenso
wichtig wie die Stärkung des Bewusstseins ethischer
Verantwortung von Führungseliten.
Unser Ziel muss es sein, die Leistung des Einzelnen
und die Erfahrung gemeinsamer Leistung als Freude zu
vermitteln. Es ist nicht einzusehen, warum wir die Begeisterung und Freude über die Fußballweltmeisterschaft
nicht in eine gemeinsame, fröhliche Kraftanstrengung
für unser Land verwandeln können. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten. Segeln wir los!
({8})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Kipping für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wo viel
Licht ist, da ist auch Schatten. Wer hier nur über eitel
Sonnenschein berichtet, der zeigt, dass leider immer
noch gilt, was Brecht einst schrieb:
Die im Dunkeln sieht man nicht.
Wie man mit 345 Euro über die Runden kommen
soll, können sicherlich nur die wenigsten von uns nachempfinden.
({0})
Stellen Sie sich vor, Sie müssen zum Zahnarzt und eine
neue Zahnfüllung ist notwendig. Die gibt es heute nicht
zum Nulltarif. Für uns wäre eine solche Behandlung sicherlich nicht angenehm, aber zumindest finanziell kein
Problem. Für Arbeitslosengeld-II-Bezieher hingegen ist
eine solche Zahnbehandlung ein enormes finanzielles
Problem. Versuchen Sie einmal, von monatlich 345 Euro
die entsprechende Summe beiseite zu legen. Die Erwerbslose Anja F. zum Beispiel konnte sich die notwendige Zahnbehandlung nur leisten, indem sie wochenlang
extrem beim Essen sparte und eigentlich nur von Brot
und Butter lebte.
Die Probleme, die mit einem Leben in Armut verbunden sind, sind vielfältig. Ich nenne ein weiteres Beispiel.
Vor mehreren Wochen berichtete mir die 23-jährige
Kati K. aus Chemnitz von folgendem Problem: Nach ihrer Ausbildung hat sie sich ein ums andere Mal beworben. Da sie aber keinen Führerschein hat, wollte sie
niemand einstellen. Nun befindet sie sich in einem Teufelskreis: ohne Führerschein keine Arbeit, ohne Arbeit
aber kein Geld und ohne Geld kein Führerschein. Sie
fragte mich: Wie soll ich aus diesem Teufelskreis herauskommen? Meine Damen und Herren, was antwortet man
einer jungen Frau, die in dieser Situation ist?
Solche und ähnliche Fälle kennt sicherlich jeder von
uns aus dem eigenen Wahlkreis. Ich glaube, der Umgang
damit fällt niemandem richtig leicht. Aber ich frage
mich: Wie kompliziert muss diese Situation insbesondere für Sie sein? Denn Sie müssen den Leuten erklären,
dass Ihrer Meinung nach 345 Euro im Monat ausreichend sind. Sie müssen den Leuten erklären, warum Sie
immer wieder gegen eine Erhöhung der Regelsätze
stimmen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Sie
sich dabei gut fühlen. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie die vielen Betroffenen, von denen Sie in Ihrem Wahlkreis erfahren, in dem Moment vergessen, in
dem Sie durch die Pforte des Bundestages gehen.
({1})
Deswegen appelliere ich an Sie: Stellen wir heute genug
Geld in den Haushalt ein, um eine Erhöhung der Regelsätze auf mindestens 420 Euro zu ermöglichen!
({2})
Wie Sie wissen, bin ich der Überzeugung: Das, was
wir eigentlich brauchen, ist eine soziale Grundsicherung, die jedem Menschen ein Leben jenseits von Armut ermöglicht. 420 Euro sind wirklich das Mindeste,
was ein Mensch im Monat braucht.
Einige von Ihnen werden einwenden, unsere Forderung sei erstens populistisch und zweitens nicht finanzierbar. Den Vorwurf des Populismus kennen wir; er ist
nicht besonders originell.
({3})
Interessanter hingegen ist die Frage der Finanzierbarkeit. Der Bundesrechnungshof hat erst vor kurzem kritisiert, dass nur 15 Prozent der Einkommensmillionäre
überhaupt überprüft werden, und das, obwohl jede Überprüfung für den Staat Mehreinnahmen in Höhe von mehr
als 100 000 Euro bringt. So großzügig und nachsichtig
sind wir, wenn es um die wirklich Reichen in diesem
Land geht.
({4})
Können Sie den Leuten angesichts solcher Meldungen
eigentlich noch in die Augen schauen, wenn Sie behaupten, dass eine Erhöhung des Regelsatzes beim Arbeitslosengeld II nicht finanzierbar ist?
Wenn wir als Linksfraktion mehr Geld für die Armen
fordern, dann sagen Sie immer, das sei nicht finanzierbar. Gleichzeitig arbeiten Sie jedoch an einer Unternehmensteuerreform, die unseren Staat in Zukunft jedes
Jahr 10 Milliarden Euro kosten wird.
({5})
Was heißt das? Das bedeutet, dass wir uns in Zukunft jedes Jahr Geschenke an die Unternehmen in einer Größenordnung von 10 Milliarden Euro leisten. An dieser
Stelle haben Sie allerdings noch nie die Frage gestellt:
Wie soll man die Unternehmensteuerreform finanzieren?
Ich schlage Ihnen vor: Verzichten wir auf die Unternehmensteuerreform - sie führt sowieso nicht zu mehr Arbeitsplätzen - und finanzieren wir mit dem dadurch frei
werdenden Geld die Aufstockung der Regelsätze beim
Arbeitslosengeld II.
({6})
Vielleicht werden einige von Ihnen gegen unsere Forderung einwenden, man könne die Regelsätze nicht anheben, weil sich die Leute dann in der Arbeitslosigkeit
einrichten.
({7})
Ich allerdings denke: Solange wir als Bundespolitiker
nicht in der Lage sind, die Rahmenbedingungen dafür zu
schaffen, dass jeder, der verzweifelt einen Arbeitsplatz
sucht, einen Arbeitsplatz bekommt, dürfen wir nicht mit
dem Finger auf Leute zeigen, die vielleicht resigniert haben, weil sie sich schon oft erfolglos beworben haben.
({8})
Da ich aber glaube, dass Sie tatsächlich der Überzeugung sind, die Leute würden es genießen, den ganzen
Tag Feierabend zu haben, möchte ich Sie mit der Aussage einer jungen Erwerbslosen konfrontieren. Sie sagte:
Das glaubt uns Arbeitslosen zwar niemand, aber keinen
Job zu haben, ist verdammt anstrengend. Man will raus
aus dieser Situation, kann es aber nicht. Man spürt, was
die anderen über einen denken, und das tut weh. Wer einen Job hat, hat wenigstens irgendwann Feierabend. Wer
aber verzweifelt einen Job sucht, der wird diesen Druck
nie los. In dieser Situation hat man faktisch niemals Feierabend.
({9})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass Sie
Anträgen der Linksfraktion eher selten zustimmen. Aber
ich finde, in diesem Fall sollten Sie einmal über Ihren
Schatten springen. Wenn Sie dem Änderungsantrag meiner Fraktion, mehr Geld für das Arbeitslosengeld II in
den Haushalt einzustellen, heute zustimmen, dann machen Sie das nicht, weil Sie uns einen Gefallen tun wollen. Wenn wir heute die Voraussetzungen für eine Anhebung der Regelsätze beim Arbeitslosengeld II schaffen,
dann tun wir das nur, um die Arbeitslosigkeit und Armut
für Menschen wie Anja F. und Kati K. etwas erträglicher
zu machen. Es geht nicht um Luxus. Es geht nur darum,
die Situation für die Betroffenen etwas erträglicher zu
gestalten. Dazu sollten wir alle gemeinsam Ja sagen.
Besten Dank.
({10})
Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Thea Dückert für
die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Frau Lehn, ich will Ihnen zum Anfang meiner Rede mitteilen: Meine Tante heißt nicht Käthe, sondern Gerda. Deswegen kann ich hier ganz neidlos feststellen: Ja, es ist richtig, dass die Situation in diesem
Jahr besser ist als vor einem Jahr,
({0})
dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse zugenommen hat und dass sich
die Situation bei der Bundesagentur für Arbeit, wie Herr
Müntefering zu Recht bemerkt hat, schon seit zwei Jahren zunehmend entspannt hat. Der Abbau der Arbeitslosigkeit ist gut für die Betroffenen. Die Entspannung bei
der Bundesagentur für Arbeit hat aber sicherlich auch etwas mit den schwierigen Reformen der letzten Jahre,
den Hartz-Reformen, zu tun.
({1})
Man sollte aber auch feststellen, dass Sie dazu neigen,
diesen Aufschwung als Alibi fürs Nichtstun zu benutzen. Mit der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung beschwören Sie die große Gefahr einer Delle in der Konjunkturkurve herauf, die Sie zu verantworten haben
werden. Zudem wird dann möglicherweise auch die Beschäftigungsschwelle wieder sinken, worauf Herr Kolb
zu Recht hingewiesen hat. Das ist eine vertane Chance
für Deutschland.
({2})
Ich weiß, dass Sie so etwas nicht gerne hören - das ist
ja klar -, weder die Kritik vom Sachverständigenrat
noch die Kritik aus der Opposition. Vielleicht sollten Sie
im Nebel des Eigenlobs und vielleicht auch des Hochmutes zumindest darauf hören, was die Wählerinnen und
Wähler sagen: Die große Koalition befindet sich im
Stimmungstief. Vor einem Jahr haben 60 Prozent der
Wählerinnen und Wähler gesagt: Eine große Koalition
ist gut. Heute sagen das gerade einmal 36 Prozent. Das
ist kein Zeugnis von der Zunahme von Vertrauen, sondern von dem Verspielen von Vertrauen in diesem Land.
({3})
Sie reden sich hier vieles schön; doch Sie setzen sich mit
den realen Problemen nicht auseinander. Deshalb verwundert die Enttäuschung der Wählerinnen und Wähler
nicht.
In der Arbeitsmarktpolitik haben wir einen weiteren
Geburtstag zu feiern: den Geburtstag einer Arbeitsgruppe, die sich seit einem Jahr mit der Arbeitsmarktpolitik beschäftigt. Vorgelegt hat sie noch nichts. Ich verstehe das auch. Denn diese Arbeitsgruppe hat genau das
zu bewältigen, was der Sachverständigenrat mit „widerstreitenden Interessen“ beschreibt. Was wird denn kommen? Sie, Herr Minister, sprachen vom Mindestlohn.
Ich kann Sie da nur unterstützen.
({4})
Was wird kommen? Der Mindestlohn von flächendeckend 7,50 Euro, den die Gewerkschaften fordern, oder
der branchenbezogene Mindestlohn, den wir vernünftig
finden, oder gar keiner, wie es Ihr Koalitionspartner
will? Was wird denn für die Geringqualifizierten mit
niedrigem Einkommen kommen? Ein Kombilohn, flächendeckend? Wissen Sie, Herr Müntefering, wovor ich
Angst habe? Dass Sie in diesem Konflikt der widerstreitenden Interessen, bei dem die Ansätze der Sozial- und
der Arbeitsmarktpolitik nicht zusammenpassen, über
diese Arbeitsgruppe letzten Endes so etwas wie ein Gesundheitsfondue vorbereiten.
Sie verschleiern die Gefährlichkeit der Problematik,
die man hier zu lösen hat. Mit den Konzepten, die Ihr Koalitionspartner präsentiert, laufen Sie Gefahr, ein Lohndumping zu finanzieren. Unser Problem in Deutschland
ist nicht die Lohnhöhe, sondern sind die Lohnnebenkosten.
({5})
Deswegen: Nehmen Sie das, was erwirtschaftet ist, zur
Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung!
Konzentrieren Sie es auf die Bezieher kleiner, niedriger
Einkommen! Setzen Sie das Progressivmodell um, das
wir Ihnen vorschlagen. Denn durch die Senkung der Beiträge für Bezieher kleiner Einkommen und damit der
Lohnnebenkosten erzielt man den größten Beschäftigungseffekt.
({6})
Im gesamten Bereich der Arbeitsmarktpolitik bleiben
Sie Antworten schuldig, obwohl Sie im Moment große
Reformchancen haben. Was machen Sie stattdessen?
Frau Hajduk hat darauf hingewiesen: Sie führen hier
eine unselige Debatte. Sie ist unselig vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland eine Fortführung der
Sozialreformen brauchen, bei denen der Generationenkonflikt und die demografische Entwicklung wirklich
berücksichtigt werden.
Sie lassen Robin Rüttgers durch die Lande reiten
({7})
und verbreiten hier ein Modell, das letzten Endes nicht
zur Verankerung von mehr Gerechtigkeit, sondern erstens zur Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme
- ich spreche hiermit die Arbeitslosenversicherung an,
die eine Risikoversicherung darstellt - und zweitens zu
Regelungen führen wird, die gegen die Jungen, die
Frauen und die Menschen aus den neuen Bundesländern
gerichtet sind.
({8})
Das ist das Gegenteil von Gerechtigkeit und einer klugen
Arbeitsmarktpolitik, mit der Konzepte gegen und nicht
für die Frühverrentung entwickelt werden müssen. Im
Übrigen empfehle ich Ihnen, die sehr interessante Rede
von Herrn Köhler zum Sozialstaat nachzulesen. Dann
werden Ihnen vielleicht einige Schuppen von den Augen
fallen.
({9})
Herr Müntefering, zum Abschluss möchte ich noch
zwei Dinge erwähnen, die mich aufgrund Ihrer sozialdemokratischen Brille sehr gewundert haben:
Erster Punkt. Herr Glos hat gesagt, die Glaubwürdigkeit der Regierung werde daran gemessen, ob die Sozialabgaben unter 40 Prozent sinken. Im nächsten Jahr werden sie wahrscheinlich bei 40,6 Prozent liegen. Diese
Hürde wird also deutlich gerissen. So viel zur Glaubwürdigkeit. Herr Müntefering, interessant ist aber, dass ein
sozialdemokratischer Arbeitsminister hier stolz darauf
verweist, dass die Arbeitnehmer den größeren Batzen
dieser 40,6 Prozent zu tragen haben werden und dass der
Anteil der Arbeitgeber bei unter 20 Prozent liegen wird.
Das verwundert mich sehr.
Zweiter Punkt. Sie haben offensichtlich vergessen,
wie die Überschrift einer guten Arbeitsmarktreform lauten muss. Es muss nämlich einen Gleichklang zwischen
Fördern und Fordern geben. Sie haben hier stolz darauf
verwiesen, dass im Eingliederungstitel veranschlagte
Mittel nicht nur gesperrt, sondern ganz eingespart werden, dass also das Fördern zu kurz kommt und diese Mittel für die Langzeitarbeitslosen nicht ausgegeben werden.
Ich möchte insbesondere Sie Sozialdemokraten an
eine Sache erinnern: Es war immer richtig, als Ziel zu
formulieren,
({10})
Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren zu wollen. Deswegen ist es grottenfalsch, dass Sie den Eingliederungstitel mit diesem Haushalt nicht zum Fördern nutzen, sondern für passive Leistungen nutzbar machen. Kehren Sie
an dieser Stelle um und unterstützen Sie unseren Antrag,
mit dem wir genau den anderen Weg gehen wollen, nämlich das Fördern von Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen.
({11})
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ich komme zum Schluss. - Wenn Sie dies beherzigen
und nicht auch noch die Zuverdienstmöglichkeiten streichen, dann werden Sie, Herr Müntefering, mehr Arbeit
schaffen und nicht zum König der Schwarzarbeit werden.
({0})
Das Wort hat nun der Kollege Max Straubinger für
die Fraktion der CDU/CSU.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, dass wir heute bei der Beratung des Haushalts des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
feststellen können, dass die soziale Sicherung der Menschen bei dieser Bundesregierung unter Angela Merkel
und Franz Müntefering in guten Händen liegt.
({0})
Der heute zu beratende Einzelplan hat den größten
Anteil am Gesamthaushalt. Ich glaube, bei dieser Gelegenheit sollte man durchaus auch vermerken, dass
Sozialpolitik in Deutschland nicht nur mit dem Haushalt
dieses Ministeriums, sondern auch mit dem Haushalt des
Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
und mit dem Haushalt des Ministeriums für Gesundheit
betrieben wird. Das bedeutet, dass der sozialen Sicherung der Menschen in Deutschland auf unterschiedlichste Art und Weise über 50 Prozent der 270 Milliarden Euro zugute kommen. Dies ist meines Erachtens
eine großartige und gute Nachricht, die vor allen Dingen
durch die gute gemeinsame Politik der CDU/CSU und
der SPD untermauert wird.
Wenn wir uns heute über viele gute Zahlen freuen
können - was die Oppositionsparteien als Schönreden
bezeichnen, weil sie sich über positive Zahlen offensichtlich nicht freuen können;
({1})
dabei kann nicht alles in einem Jahr erreicht werden, was
im Regierungsprogramm auf vier Jahre angelegt ist -, so
bedeutet dies für die Menschen in Deutschland auch,
dass sie mit Mut und Zuversicht in die Zukunft blicken
können, weil es mehr Arbeit geben wird. Die wirtschaftliche Lage und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich unter dieser Regierung verbessert
und werden sich noch weiter verbessern, wozu auch dieser Bundeshaushalt und insbesondere der Haushalt für
Arbeit und Soziales beitragen wird.
Deshalb ist es für mich durchaus bemerkenswert, dass
wir mit den Arbeitsmarktreformen, die wir im vergangenen Jahr eingeleitet haben - dazu zählen das SGB-IIFortentwicklungsgesetz, die Änderungen der Hartz-IVGesetze und dergleichen mehr -, positive Wegmarken
für mehr Arbeit und Beschäftigung und bessere Zukunftschancen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gesetzt haben.
({2})
Das heißt aber nicht - Bundesminister Franz Müntefering hat bereits darauf hingewiesen -, dass wir uns auf
den Erfolgen ausruhen sollten; wir müssen vielmehr
neue Aufgaben angehen. Besonders entscheidend bei
den Arbeitsmarktreformen ist, dass Menschen wieder in
Arbeit kommen. Einen Teil der von den beiden Koalitionsfraktionen getragenen Regelungen werden wir überprüfen und sicherlich ändern müssen, weil viele ALG-IIEmpfänger für sich entschieden haben, dass das ALG II
für ihr persönliches Auskommen ausreichend ist, wenn
sie noch ein bisschen hinzuverdienen. Es muss aber die
umgekehrte Reihenfolge gelten: Zuerst kommt die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger, selbst
für Arbeit und Brot zu sorgen. Erst dann kommt die soziale Unterstützung in unserem Land. Das bedeutet, dass
wir im Bereich der Hinzuverdienstregelungen neue
Wege beschreiten müssen.
({3})
Dieser Haushalt ist auch hinsichtlich der Unterstützung für die Kommunen - darüber freue ich mich besonders, weil ich auch Kommunalpolitiker bin - etwas
Besonderes. Dass der Bund die Kommunen mit 4,3 Milliarden Euro für Kosten der Unterkunft unterstützt, bedeutet letztlich, dass die Haushalte in unseren Kommunen wieder zukunftsfest gestaltet werden können
({4})
- das gilt jedenfalls für die bayerischen Kommunen, lieber Kollege Kampeter - und damit die kommunalen
Haushalte in die Lage versetzt werden, Zukunftsaufgaben wahrzunehmen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen, die mehr Arbeit und Beschäftigung für die Menschen in Deutschland bedeuten.
({5})
Unter diesem Gesichtspunkt schätze ich die Unterstützung des Bundes hoch ein. Ich glaube, das ist ein Erfolg für alle Kommunalpolitiker in unserem Lande und
vor allen Dingen auch für die Bundestagsabgeordneten,
die sich besonders der Kommunalpolitik annehmen und
ihr verpflichtet fühlen.
Gleichwohl gibt es in diesem Bereich auch eine zukünftige Verantwortung für den Bund und den Bundeshaushalt. Was die Entwicklung bei der Grundsicherung
angeht - seit 2003 hat die Zahl der Fälle um 43 Prozent
zugenommen; die Unterstützungsleistungen im Bereich
der Kosten der Unterkunft sind aber seitdem unverändert
geblieben -, ist es aufgrund der getroffenen Vereinbarungen durchaus auch die Aufgabe der Bundesregierung,
Herr Bundesminister, zusätzliche Unterstützung bei der
Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben zu leisten.
Ich bin überzeugt, dass wir zu verantwortungsvollen Lösungen kommen werden.
Ein Bereich, der sicherlich auch zukünftig große Bedeutung hat, ist die Rentenpolitik. Eines der großen und
wichtigen Ziele in der Rentenpolitik dieser großen Koalition ist die Verlässlichkeit, damit sich die Bürgerinnen
und Bürger auf die Rentenzahlungen und auch auf die
Höhe der Renten verlassen können. Wir sorgen dafür,
dass die Renten nicht gekürzt werden. Ich danke dem
Bundesminister, dass wir heuer das Gesetz verabschiedet
haben, das den Rentnern und Rentnerinnen Sicherheit
bietet. Darüber hinaus schaffen wir mit der geplanten
Anhebung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung
auf 19,9 Prozent Planungssicherheit bis 2010 insbesondere für die Betriebe.
({6})
Es ist entscheidend, das Projekt „Rente mit 67“ mit
Fortune anzugehen. Sicherlich sehen die Bürgerinnen
und Bürger darin eine Belastung. Aber wir müssen der
demografischen Entwicklung positiv gegenüberstehen.
Wenn die Lebenserwartung in Deutschland ständig steigt,
dann ist das positiv für die Menschen in unserem Land
und ein Zeichen für Leistungsfähigkeit. Das beste Beispiel dafür ist unser Bundesminister Franz Müntefering,
der nächstes Jahr, wenn er 67 wird, nicht in Rente gehen
wird, sondern die Bundesregierung weiterhin tatkräftig
unterstützen wird.
({7})
Wenn wir bis 2029 das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre anheben, betreiben wir eine verantwortungsbewusste Politik gegenüber den Bürgerinnen
und Bürgern. Sie können sich aufgrund dieses langen
Übergangszeitraums mit Zusatzversorgungen wie Riesterrente, betrieblicher Altersvorsorge und Rüruprente
darauf einstellen. Eine unserer Aufgaben ist aber auch,
bewusst zu machen, dass die Bürgerinnen und Bürger
mehr für die Absicherung von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufwenden müssen. Das müssen wir vielleicht
stärker in das Blickfeld rücken, wenn es darum geht, die
privaten Sicherungssysteme zu stärken.
Vielfach wurde insbesondere von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, zum Ausdruck gebracht, dass die sozialen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger angeblich zu gering seien. Sie
haben den Änderungsantrag gestellt, das Arbeitslosengeld II auf 420 Euro zu erhöhen, nach dem Motto „Wer
bietet mehr? Wer ist der Sozialste in unserem Land?“.
({8})
Das darf nicht so stehen bleiben. Wir betreiben - das ist
das Entscheidende - eine Sozialpolitik nach der Leistungsfähigkeit unserer Bürgerinnen und Bürger, die tagtäglich die Beiträge bzw. die Steuermittel zu erarbeiten
haben. Hier dürfen wir die Generationengerechtigkeit
nicht aus den Augen verlieren.
({9})
Es ist sicherlich einfach, mehr Leistungen zu versprechen und die Kosten den zukünftigen Generationen aufzubürden. Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, Ihre Politik würde letztendlich dazu führen, dass
die Belastungen in die Zukunft verschoben werden. Unsere Kinder sollen nach Ihren Vorstellungen für die Lasten zahlen, die wir ihnen heute auferlegen. Das ist keine
verantwortungsbewusste Politik im Sinne der Generationengerechtigkeit.
({10})
Sie fordern zudem eine Aussetzung der geplanten
Unternehmensteuerreform. Dies ist nichts anderes, als
ob man einem Bauern empfehlen würde, sein Saatgut zu
verbrauchen; denn die Unternehmensteuerreform, die
der Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland
dient, ist letztendlich die Saat dafür, dass wir mehr Arbeitsplätze in unserem Land haben und damit den Menschen mehr Zukunftschancen geben und - darauf aufbauend - soziale Sicherheit für die Menschen schaffen,
die sich selbst nicht helfen können. In diesem Sinne werden wir unsere Arbeit fortsetzen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({11})
Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Klaus Brandner für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! In der heutigen Debatte muss offenbar jeder den Namen seiner Tante mitteilen. Meine Tante
hieß Elli. Sie hätte sich sehr gefreut, wenn sie die Daten,
über die wir heute sprechen, zur Kenntnis genommen
hätte:
({0})
zurückgehende Arbeitslosigkeit, höhere Steuereinnahmen, ein gutes wirtschaftliches Wachstum, Zunahme der
Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Der
Bundesminister Müntefering und andere haben auf diese
guten Daten und Nachrichten hingewiesen.
({1})
- Herr Kolb, wir haben entsprechende Erfolge aufzuweisen. Das sollten Sie sich merken. Wir reden heute nichts
schön, sondern wir sagen ganz deutlich, wie die Verhältnisse sind und wo wir noch Bedarf sehen, etwas zu ändern.
Wir ruhen uns nicht aus. Wir freuen uns natürlich,
dass wir endlich einen Haushalt haben, der nicht auf
Kante genäht ist. Das ist gerade für die Sozialversicherung wichtig, die in unserem Haushalt den größten Ausgabeposten darstellt. Deshalb sage ich ganz deutlich mit
Richtung auf die FDP: Der Haushalt ist kein Haushalt
der Risiken, sondern ein Haushalt der Chancen. Die
Rentenversicherung hat Mehreinnahmen aufgrund höherer Einkommen. Sie könnten noch höher sein, Herr
Kolb, wenn Leute wie Sie nicht dauernd sagen würden,
die Löhne in diesem Land seien zu hoch. Die Rentenversicherung hat auch deshalb Mehreinnahmen, weil die
Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist.
({2})
Die Arbeitslosenversicherung verzeichnet ebenfalls höhere Einnahmen, weil die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist und die Löhne gestiegen sind. Wir haben deutlich
weniger Ausgaben, weil weniger für den Bezug von Arbeitslosengeld ausgegeben werden musste. Insgesamt
gesehen haben wir also eine überaus positive Situation,
die das Ergebnis einer verlässlichen Politik ist und die
deutlich macht, dass sich die Reformen, die mit Mut angegangen worden sind und die in die Zukunft gerichtet
sind, ausgezahlt haben.
({3})
Das kann uns freuen, weil sich damit Kontinuität auszahlt. Ich bin froh darüber, dass die Verunsicherung in
den sozialen Sicherungssystemen endlich beendet ist.
Stabilität und Vertrauen sind die Basis für mehr Sicherheit und das brauchen wir.
({4})
Die Sozialabgaben sind - Herr Kolb, da sollten Sie sich
an Ihre eigene Nase fassen - während der Zeit, als Sie
mitregiert haben, deutlich in die Höhe geschossen.
({5})
Sie haben allen Grund dazu, ganz still zu sein, sich hinzusetzen und zuzuhören.
({6})
- Nein, Herr Kolb, ich möchte den Sachverhalt vortragen.
({7})
- Gar nicht schade, Sie hatten Gelegenheit genug, zu
dem Thema zu sprechen. - Die Senkung der Sozialabgaben auf 40 Prozent, die wir in unserem Koalitionsvertrag angestrebt haben, ist erreicht. Im nächsten Jahr
wird der Rentenversicherungsbeitrag bei 19,9 Prozent
({8})
und der Arbeitslosenversicherungsbeitrag bei 4,2 Prozent
liegen. Selbst dann, wenn eine Erhöhung des Beitrags zur
gesetzlichen Krankenversicherung um 0,6 Prozentpunkte
einkalkuliert wird, bleiben wir unter 40 Prozent. Ich beispielsweise bin gesetzlich krankenversichert bei der
IKK, einer handwerklichen Krankenversicherung. Ich
werde einen Beitrag von 13,9 Prozent zahlen müssen
und zusätzlich 1,7 Prozent für die Pflegeversicherung. In
der Summe komme ich damit auf 39,7 Prozent. Das ist
weniger als 40 Prozent, was keiner in diesem Hause bestreiten kann. Insofern sind wir ein entscheidendes Stück
vorangekommen. Das ist ein wichtiges Signal und das
bedeutet auch, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land mehr Geld in ihren Taschen haben. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
({9})
Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass
auch bei einer Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 2,3 Prozentpunkte die Finanzierung
der Bundesagentur für Arbeit aus unserer Sicht längerfristig gesichert ist. Die Bundesagentur für Arbeit
verzeichnet einen Überschuss von über 10 Milliarden
Euro. Herr Kolb hat gerade gesagt - da sieht man, wie er
in der Debatte mit Daten umgeht -, dieser Überschuss
sei nur wegen des gravierenden Vorzieheffekts zustande
gekommen.
({10})
3,4 Milliarden Euro gründen sich auf den Vorzieheffekt,
da hat er Recht. Der Überschuss aber wird mehr als
10 Milliarden Euro betragen. Für jeden ist offensichtlich, was mehr Gewicht hat. Der Überschuss ist so bedeutend, dass auch Herr Kolb wissen sollte: Hier ist ein
guter Weg beschritten worden; die Arbeitslosenversicherung wird langfristig entlastet. Das ist eine Gewähr für
eine langfristige Beitragssatzsenkung. Das ist ein Erfolg
für die Bundesagentur für Arbeit.
An dieser Stelle möchte ich ganz deutlich sagen, dass
ich dabei nicht nur dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur danken möchte. Ich glaube, wir haben allen
Grund, für diesen erfolgreichen Umbau der Bundesagentur für Arbeit den Mitarbeitern, dem Vorstand, dem Personalrat - allen aus diesem Haus, die mitgeholfen haben,
eine fast totgesagte Mammutbehörde zu einer modernen
leistungsfähigen Dienstleistungseinrichtung umzubauen -,
einen großen Dank auszusprechen. Nur mit ihrer Mithilfe ist es gelungen, dass die Bundesagentur wieder in
einem guten Licht dasteht und auf einem guten Weg ist,
Dienstleistungen für diejenigen zeitnah und qualifiziert
zur Verfügung zu stellen, die dieser Dienstleistung bedürfen.
({11})
In dem Zusammenhang möchte ich einen kritischen
Hinweis anbringen: Die Bundesagentur hat ohne Frage
auch einen sozialpolitischen Auftrag. Dieser zeigt sich
insbesondere in der Qualifizierung der Langzeitarbeitslosen. Ja, wir sind für mehr Effizienz, aber über dem betriebswirtschaftlichen Denken darf nicht der sozialpolitische Auftrag der Bundesagentur vernachlässigt werden.
Beitragssatzsenkungen dürfen nicht zulasten der Weiterbildung gehen. Wir sind deshalb ganz deutlich der Meinung, dass hier noch ein Stück nachgesteuert werden
muss. Als Gesetzgeber können wir durch eine bessere
Systematisierung des Aussteuerungsbetrages unseren
Beitrag leisten. Denn die Forderung muss sein: Wir müssen mehr Anreize für mehr Weiterbildung setzen.
Wir jedenfalls wollen den Aussteuerungsbetrag qualitativ weiterentwickeln. Wir wollen, dass potenzielle
Langzeitarbeitslose - ich spreche hier ganz bewusst
nicht von Betreuungskunden, sondern von potenziellen
Langzeitarbeitslosen - frühzeitig längerfristige Maßnahmen erhalten können.
Meine Damen und Herren, dieser Vorschlag ist wichtig, weil er zu einer besseren Vernetzung von Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung zugunsten der
Arbeitsuchenden beiträgt. Ich meine konkret, der Bund
sollte bei den Teilnehmern von Umschulungen im Rahmen der Förderung beruflicher Weiterbildung auf die
Zahlung des Aussteuerungsbetrages immer dann verzichten, wenn es um eine komplett abgeschlossene Weiterbildungsmaßnahme geht. Ich finde, das wäre zeitgemäß und angebracht.
({12})
Die Chancen potenzieller Arbeitsloser auf dem Arbeitsmarkt sind natürlich umso besser, je früher sie in eine
gute Ausbildung oder eine gute Qualifizierung kommen.
In diesem Zusammenhang hat Kollegin Falk das
Stichwort „Arbeitsmarkt für Leistungsgeminderte“ gebracht; manche sprechen auch vom dritten Arbeitsmarkt. Ich möchte bewusst nicht vom dritten Arbeitsmarkt sprechen, weil das Bild des dritten Arbeitsmarktes
diese Personengruppe, die wir auch mit den besten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zurzeit nicht erreichen, nichts anderes als stigmatisieren würde. Ich sage
deshalb ganz offen: Wir brauchen eine Jobperspektive,
wir brauchen Arbeit für Langzeitarbeitslose ohne Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt. Das ist eine Angelegenheit, der wir uns jetzt annehmen, weil es ein Herzensanliegen von uns ist.
Ich habe dieses Thema systematisch angesprochen,
weil ich davon überzeugt bin, dass wir nicht hinnehmen
dürfen, dass der Personenkreis, der ohne eine gesonderte
Aktivität keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, einfach links liegen gelassen wird. Wir müssen für diesen
Personenkreis Chancen organisieren.
({13})
Wer damit begonnen hat - wir haben damit systematisch begonnen,
({14})
andere haben anschließend unsere Anträge abgeschrieben -,
({15})
ist mir völlig wurscht. Wir meinen, es sollte ein Rennen
um die bessere Perspektive stattfinden. Wichtig ist, dass
sich auf diesem Gebiet etwas tut. Der Bundesminister
hat das in der entsprechenden Arbeitsgruppe zum Thema
gemacht. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine angemessene Lösung finden werden.
Meine Damen und Herren, nun zu der Debatte über
die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes. Ich meine,
wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Ich
finde, Frau Falk hat dazu mit eindrucksvollen Worten die
Thematik noch einmal aus einer anderen Sicht beleuchtet. Sie hat davon gesprochen, welche Ängste und Sorgen um den Arbeitsplatz bei vielen Älteren einfach vorhanden sind. Sie hat auch Recht, dass wir hierfür
nachhaltige Konzepte brauchen, keine Vorschläge, die
diese Zukunftsängste der Menschen noch mehr schüren.
Was wir schon gar nicht brauchen, sind Vorschläge, die
die Gesellschaft spalten.
({16})
Ein Spalten in Jung und Alt, in gute und schlechte Arbeitslose, in Ost und West, in Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien und ohne gebrochene Erwerbsbiografien, das brauchen wir nicht. Was wir brauchen, ist
ein solidarisches Miteinander und kein Gegeneinander.
Deswegen lehnen wir die Vorschläge nach Aufspaltung
der Arbeitslosenversicherung in eine Ansparversicherung ab.
({17})
Wenn in diesem Zusammenhang von Verunsicherung
die Rede ist, will ich klar sagen: Diese Verunsicherung
ist durch die Globalisierung - ich verweise auf die gesamte bisherige Arbeitsmarktsituation - real vorhanden.
Ich glaube nicht, dass wir den Menschen die Angst vor
dieser Verunsicherung dadurch nehmen, dass wir für weniger Kündigungsschutz, weniger Betriebsräte, weniger
Mitbestimmung und mehr betriebliche Bündnisse sorgen. Wir nehmen den Menschen die Angst, wenn wir es
schaffen, ihnen eine berufliche Perspektive zu geben.
Das muss unser Ziel sein.
({18})
Man darf es wohl als einen ganz besonderen Vorgang
bezeichnen, wenn sich der Bundespräsident in eine so
aktuelle Angelegenheit einmischt. Da, wo er Recht hat,
hat er nun einmal Recht. Er hat festgestellt, das Arbeitslosengeld sei eine Risikoversicherung und damit „ein
Bollwerk gegen Notfälle“.
({19})
Der Bundespräsident sagte weiter:
Der Vorschlag, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nach Einzahlungszeit zu staffeln, schwächt
das Versicherungsprinzip und damit eine zentrale
zivilisatorische und soziale Errungenschaft zur
Schaffung von Sicherheit in modernen Gesellschaften.
Dies ist eine im Kern völlig korrekte Aussage, der wir
uns voll anschließen können.
({20})
Er fügt hinzu:
Wir müssen uns auf die eigentliche Hauptaufgabe
konzentrieren: Arbeit schaffen, das ist die wichtigste Form sozialer Gerechtigkeit.
Das kann man, so meine ich, nur unterstreichen.
({21})
Mir tun diejenigen Leid, die in dieser Situation im
Geleitzug von einigen, die Sozialspaltung und Populismus betreiben, ihr Süppchen kochen wollen. Ich bin
noch nie vor der Verantwortung weggelaufen und sage
ganz deutlich: Wir haben eine Risikoversicherung, die
im Falle eines Arbeitsplatzverlustes eine umfassende
Leistung darstellt. Diese Leistung sollten wir den Jüngeren und denen, die größeren Risiken ausgesetzt sind,
nicht einfach nehmen oder kürzen. Da können wir nicht
mitmachen. Deshalb lehnen wir eine solche Regelung
eindeutig ab.
Wir bevorzugen eine nachhaltige und verlässliche
Politik anstelle eines einfachen Sozialpopulismus.
Herr Kollege Brandner, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Wir müssen erkennen, wie wir mit den Ängsten der
Menschen am besten umgehen. Das ist nicht durch einzelne Maßnahmen, zum Beispiel mit der Verlängerung
der Bezugsdauer um sechs Monate, getan. Was wir dringend brauchen, ist mehr Beschäftigung, insbesondere für
die Älteren.
({0})
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
Kollegen Kolb.
Herr Kollege Brandner, ich hatte mich zu einer Zwischenfrage gemeldet - Sie haben sie leider nicht zugelassen -, weil ich die Frage nach Ihrer Glaubwürdigkeit
stellen wollte. Was die Zukunft der Rentenversicherungsbeiträge anbelangt, sind Sie ganz eindeutig in der
Verantwortung. Auch heute haben Sie wieder gesagt:
Der Beitragssatz in der Rentenversicherung steigt auf
19,9 Prozent und das war’s; es werden mittelfristig keine
weiteren Erhöhungen erforderlich sein. Wer soll Ihnen
das glauben?
Sie haben bei der Verabschiedung des Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzes im Jahre 2004 gesagt:
Der Rentenversicherungsbeitrag wird bis zum Jahre
2010 bei 18,6 Prozent verharren. - Im Sommer 2005, als
es um die Einführung des 13. Monatsbeitrages ging, haben Sie gesagt: Es wird 2006/2007 bei einem Beitrag
von 19,5 Prozent bleiben können; danach werden es
19,6 Prozent sein.
Jetzt erhöhen Sie trotz guter Kassenlage der Rentenversicherung den Beitragssatz auf 19,9 Prozent. Wer soll
Ihnen glauben, dass es in absehbarer Zeit nicht zu weiteren Erhöhungen kommt, zumal im Rentenversicherungsbericht 2006 vier von neun beschriebenen Szenarien für
die Entwicklung bis 2010 von der Notwendigkeit einer
weiteren Beitragserhöhung ausgehen?
Der zweite Punkt, den ich Ihnen ins Stammbuch
schreiben muss: Sie bereiten hier einen Paradigmenwechsel vor. Sie wollen von der Politik der Senkung der
Lohnnebenkosten Abstand nehmen. Klartext: Das war’s.
Mit weniger als 20 Prozent für die Arbeitgeber soll es
sein Bewenden haben, weiterer Handlungsbedarf besteht
nicht.
Dazu muss man Ihnen sagen: Hier verstoßen Sie klar
gegen Ihren Koalitionsvertrag, in dem es heißt: dauerhafte Senkung der Lohnnebenkosten - in Klammern
steht da: Sozialversicherungsbeiträge - unter 40 Prozent!
Zu den Sozialversicherungsbeiträgen muss man alles
zählen; das ist nicht, wie Sie uns neulich im Ausschuss
erzählen wollten, unter Ausschluss des Pflegeversicherungsbeitrags und unter Vernachlässigung des Zusatzbeitrags, den die Arbeitnehmer zur Krankenversicherung
allein zu zahlen haben, zu verstehen. Das können Sie
doch einräumen. Geben Sie hier wenigstens offen zu,
dass Sie diesen Paradigmenwechsel betreiben, und reden
Sie nicht um den heißen Brei herum!
({0})
Herr Kollege Brandner, bitte.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Was Herr Kolb gerade gesagt hat, ist ein typisches
Beispiel von Tante Käthe. Im Grunde genommen ist es
so, dass das, was wir erreicht haben - aus unserer Sicht
ist das natürlich eine Freude; Sie macht das eher besorgt -,
Ihnen nicht vergönnt war.
Sie haben während Ihrer Mitregierungszeit die Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig ganz erheblich erhöht. Sie haben die Sozialkassen zur Finanzierung der
deutschen Einheit missbraucht, insbesondere was die
Rentenversicherung betrifft. Schließlich waren Sie bei
einer Quote von über 42 Prozent. Wir sind jetzt dabei,
genau das zurückzuentwickeln, und trotzdem nörgeln
Sie herum.
Über die Höhe des Sozialversicherungsbeitrags werden wir immer streiten können. Der erste Punkt für Sozialdemokraten ist: Welche Leistungen müssen wir zur
Verfügung stellen? Wir wollen die notwendigen Leistungen zur Verfügung stellen. Es kann durchaus sein, dass
es eine Zeit gibt, in der die Sozialversicherungsbeiträge
verändert werden müssen, weil Aufgabenstellungen auftreten, die am sinnvollsten darüber finanziert werden.
Den Beitragssatz haben wir nie zum Fetisch erklärt.
Aber wir sind jetzt in der Lage, etwas Gutes zu tun. Anstatt mitzuhelfen und das Erreichen dessen, was Sie sich
immer vorgenommen, aber nicht erreicht haben, zu begrüßen, nörgeln Sie herum. Das finden wir nicht in Ordnung und das sagen wir Ihnen auch so deutlich.
({0})
Nun zur Rentenversicherung. Die Situation ist momentan so günstig - auch Sie wissen das -, dass wir den
Beitragssatz zur Rentenversicherung gar nicht auf
19,9 Prozent erhöhen müssten. Sie haben im Ausschuss
seitens des Staatssekretärs aufgrund der Berechnungen
der Deutschen Rentenversicherung dazu klare Aussagen
erhalten.
Richtig ist aber auch, dass wir auf Sicherheit setzen,
dass wir, wie ich es gesagt habe, die Sozialversicherung
nicht auf Kante nähen wollen und dass wir Debatten, die
Sie sonst führen würden, nämlich mit dem Ziel, weitere
Sozialleistungen zurückzuschrauben, nicht zulassen
wollen. Deshalb haben wir auf Sicherheit gebaut. Das ist
mit der Festlegung dieses Beitragssatzes geschehen. Bei
dem, was mittelfristig zu übersehen ist, wird der Beitragssatz bei 19,9 Prozent bleiben.
({1})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Wolfgang Meckelburg, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als letzter Redner zum Einzelplan 11 - Arbeit und Soziales - und vor einer namentlichen Abstimmung ist es
nicht ganz so einfach, den Sack noch einmal zuzubinden.
Ich möchte zunächst den Verwandtensack zubinden,
nachdem Frau Kollegin Lehn die Tante Käthe und der
Kollege Brandner die Tante Elli erwähnt haben. Es gibt
einen Spruch, der da heißt: Eine Tante, die etwas mitbringt, ist immer besser als eine Tante, die nur Klavier
spielt. - Diese Bundesregierung spielt nicht Klavier.
Nach einem Jahr bringt sie etwas mit.
({0})
Der Einzelplan 11 - Arbeit und Soziales - hat eine
besondere Bedeutung, und zwar vom Volumen her - er
ist der größte des Gesamtetats mit fast 50 Prozent der
Ausgaben -, aber auch von den Themenfeldern her. Es
sind nämlich die Themen Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit
und Rente, die die Menschen in diesem Land bewegen.
Deswegen ist dies auch der Platz, wo sich vor allem die
Opposition tummelt.
Lassen Sie mich zum Schluss drei Schwerpunkte setzen. Ich möchte Ihnen zunächst einmal sagen, was die
Bundesregierung statt des Klavierspielens mitbringt, und
danach möchte ich noch zwei Bemerkungen zur Opposition machen.
Was wir in einem Jahr geschafft haben, ist viel mehr
als das, was die Menschen erwartet haben. Wir sind in
einem Jahr riesige Schritte vorangekommen.
Erstens. Erstmals seit November 2002, also seit langer Zeit, liegt die Arbeitslosenquote wieder unter
10 Prozent.
({1})
Zweitens. Bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verzeichnen wir erstmals seit
September 2000, also erstmals seit sechs Jahren, wieder
einen Aufwärtstrend. Statt Monat für Monat weniger
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt es nun
eine Trendwende: Es gibt nämlich ein Plus von
250 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
({2})
Drittens. Mit dem prognostizierten Wirtschaftswachstum erleben wir den stärksten Konjunkturaufschwung seit sechs Jahren und haben mit einer Neuverschuldung von 19,5 Milliarden Euro den niedrigsten
Stand seit der Wiedervereinigung erreicht.
Viertens senken wir den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,2 Prozent. Indem wir so die
Belastung des Faktors Arbeit senken, führen wir die Belastung auf ein Niveau zurück, das es zuletzt in den 80erJahren gab.
Das sind die riesigen Entwicklungen, die diese Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt vor einem Jahr angestoßen hat.
({3})
Wir machen aber auch weiter: Es gibt viele Themen,
die zurzeit intern intensiv beraten werden. Wir wollen
nämlich keine Schnellschüsse machen. Minister Müntefering hat heute Morgen die Themen genannt, an denen
wir arbeiten. Deswegen erspare ich mir hier eine Aufzählung. Stattdessen möchte ich ein paar kritische Bemerkungen zu dem eher populistischen und einfachen
Auftreten der Oppositionsfraktionen hier im Bundestag
machen.
Ich fange mit den Hauptmatadoren der PDS an, die
hier ständig auftreten, nämlich Gysi und Lafontaine.
Herr Gysi und Herr Lafontaine hatten politische Gestaltungsämter inne. Sie hätten also etwas bewegen können,
weil sie in ein politisches Amt gewählt waren. Aber als
sie die konkrete Möglichkeit dazu hatten, haben sie kalte
Füße bekommen und sind abgehauen.
({4})
Vor diesem Hintergrund stelle ich mir die Frage, warum
Sie hier Woche für Woche als sozialistisches Doppelpackkombinat auftreten und der Menschheit glorreich alles Mögliche versprechen. Sie hatten die Möglichkeit,
haben sie aber nicht genutzt. Nun wollen Sie uns zurückführen zu Zuständen, wie sie zum Teil in der DDR bestanden, die wir aber nicht wollen. Das sage ich mit aller
Deutlichkeit.
({5})
Das, was die Opposition hier immer wieder vorträgt,
ähnelt stark einer Populismusolympiade: möglichst noch
mehr ausgeben und so viel wie möglich von dem eingenommenen Geld den Bürgern zurückgeben - besser,
schneller, höher -, anstatt sich zu fragen, wie man die
Probleme der Menschen lösen kann!
({6})
Ich mache es Ihnen einmal an einigen Beispielen
deutlich, warum Sie das mit Ihren Vorschlägen auch gar
nicht schaffen können. Ihr Vorschlag, den Regelsatz für
das Arbeitslosengeld II von 345 auf 420 Euro zu erhöhen, hört sich zwar sehr schön an, aber mit einem solchen Vorhaben ziehen Sie Mauern um den Arbeitsmarkt
herum, weil nämlich dann viele, die einen so hohen Satz
bekommen, kein Interesse mehr haben, eine Arbeit aufzunehmen. Das ist eine Tatsache. Wenn Sie die bestreiten, leben Sie an der Realität vorbei.
({7})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Kipping?
Ja, gerne.
({0})
- Das muss sein.
Wie erklären Sie, wenn Sie tatsächlich der Überzeugung sind, dass jemand, der 420 Euro im Monat bekommt, nicht mehr bereit ist, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, den Umstand, dass es trotz des derzeit
niedrigen Arbeitslosengeld-II-Satzes schon 900 000 Aufstocker gibt, also Leute, die zum Teil sogar Vollzeit arbeiten, obwohl ihr Verdienst geringer ist als der Arbeitslosengeld-II-Satz?
Liebe Frau Kipping, mit Ihrer Frage setzen Sie das
kleine Welttheater der Katja Kipping fort, das Sie eben
schon in Ihrer Rede aufgeführt haben. Sie müssen nur
einmal ernsthaft über das hinausdenken, was Sie gerade
gesagt haben: Wenn der Satz tatsächlich auf 420 Euro
angehoben würde, dann würde das dazu führen, dass
auch die Zahl der Aufstocker noch einmal deutlich höher
würde. Mit jeder Erhöhung würde sich natürlich auch
die Zahl derjenigen vermehren, die Anspruch auf Sozialleistungen hätten.
({0})
Weil Sie das nicht vertreten wollen, machen Sie einen
zweiten Quatsch, indem Sie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8 Euro fordern.
({1})
Das ist die Antwort, die die Linken immer geben; völlig
klar. Sie belasten die Wirtschaft und sorgen so dafür,
dass durch diese Belastung keiner mehr Arbeitsplätze
schafft und dadurch die Arbeitslosigkeit steigt. Das ist
der völlig falsche Weg. Das können Sie noch so häufig
erzählen; es ist bewiesen, dass das nicht läuft.
Es geht nicht um mehr Sozialleistungen für die Menschen, sondern die Frage muss lauten: Wie können wir
Arbeitsplätze schaffen, die dazu führen, dass die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt hinein- und aus der
Grundsicherung herauskommen? Das ist die Kernfrage
und vor dieser drücken Sie sich.
({2})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zusatzfrage der Kollegin Kipping?
Wir führen dieses leninistisch-marxistische Seminar
vielleicht besser im Ausschuss weiter. Ich finde, die Kollegen haben einen Anspruch darauf, gleich zur Abstimmung zu kommen.
({0})
Lassen Sie mich zwei, drei kritische Sätze zur FDP
sagen. Auch das muss sein. Was die FDP hier in den
letzten Wochen vorgetragen hat, war
({1})
die Forderung nach einer möglichst spitzen Abrechnung
bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Sie wollen, dass
die Rentenversicherungsbeiträge im nächsten Jahr nicht
auf 19,9 Prozent erhöht werden, sondern, weil wir mehr
nicht brauchen, nur auf 19,7 Prozent. Sie nehmen in
Kauf, dass die Beiträge im darauf folgenden Jahr auf
20 und mehr Prozent steigen. Zu den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen haben Sie einen Antrag eingebracht,
in dem Sie - genau wie in Ihren Beiträgen an diesem
Pult - eine Senkung über die von uns vorgesehene hinaus, von 6,5 auf 4,2 Prozent, gefordert haben. Sie wollen also auch hier spitz abrechnen, selbst auf die Gefahr
hin, dass das zu gut berechnet ist und im darauf folgenden Jahr wieder zu einer Erhöhung führt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, das ist
eine Politik, die nichts mit Verlässlichkeit und Beständigkeit zu tun hat. Das ist eine liberale Achterbahnfahrt,
mal rauf, mal runter. Was wir brauchen, sind Verlässlichkeit und Beständigkeit. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ein Beitrag über einen längeren Zeitraum stabil bleibt. Eine solche Politik machen
wir.
({2})
Zur Mehrwertsteuer. Inzwischen glaubt kein Mensch
mehr, dass Sie ohne eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auskommen würden, wenn Sie all die Vorschläge,
die Sie machen, realisieren müssten.
({3})
Bei den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen - das ist in
der Anhörung am Montag bestätigt worden - kämen Sie
ohne die Zuführung des Geldes aus 1 Prozentpunkt
Mehrwertsteuererhöhung nicht einmal zu der Senkung,
die jetzt vorgesehen ist. Also, bleiben Sie ehrlich und
kehren Sie auf den Pfad der liberalen Tugenden zurück,
statt den Weg des Populismus zu gehen!
({4})
Ein letzter Satz zu den Grünen - zu Ihnen fällt mir
nicht so viel ein, auch wenn man natürlich auch über Sie
lange sprechen könnte -: Was mich wirklich stört, ist,
dass Ihre Debatten rückwärts gewandt sind. Sie sind die
Verteidiger von Rot-Grün. Ich weiß nicht, ob Sie nicht
gemerkt haben, dass die SPD längst mit einem neuen
Partner sehr zufrieden ist und neue und gute Politik
macht.
({5})
Weil das so ist, machen wir auf diesem Weg weiter.
Ich hoffe, dass das zweite Jahr ein ebenso erfolgreiches
wird wie das erste.
Herzlichen Dank.
({6})
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich zuerst
der Kollegin Kipping und anschließend dem Kollegen
Dr. Gregor Gysi. - Herr Kollege Meckelburg, ich denke,
Sie können dann auf beide antworten.
Bitte schön, Frau Kipping.
Ich möchte gerne einen Irrtum von Herrn Meckelburg
aufklären. Wenn ich ihn hier mit Zahlen aus der Realität
konfrontiere, dann hat das relativ wenig mit Marxismus
zu tun - abgesehen davon, dass es vielleicht auch Herrn
Meckelburg nicht schaden würde, dort nachzulesen. Es
stünde uns gut zu Gesicht, wenn wir nicht nur im Fachausschuss, sondern auch hier neben der betriebswirtschaftlichen Brille manchmal auch die volkswirtschaftliche Brille aufsetzten.
({0})
Zum Zweiten möchte ich mich bei Herrn Meckelburg
bedanken; denn je mehr Sie über Menschen berichten,
die, obwohl sie Vollzeit arbeiten, in extremer Armut leben, umso mehr reift in der Bevölkerung das Wissen darum, wie notwendig es ist, innerhalb des Lohngefüges
ein letztes Sicherheitsnetz zu schaffen. Ich danke Ihnen
deswegen für dieses vielleicht nicht ganz überzeugende,
aber immerhin einen Anfang darstellende Plädoyer für
einen gesetzlich garantierten Mindestlohn.
({1})
Herr Kollege Gysi, bitte.
Lieber Herr Kollege Oberstudienrat Meckelburg,
({0})
Sie haben mir vorgeworfen, dass ich erstens zurückgetreten bin und dass ich zweitens zusammen mit Oskar
Lafontaine jede Woche hier dasselbe erzähle, wobei Sie
nicht verstünden, warum. Gestatten Sie mir dazu drei
kurze Bemerkungen.
Erstens. Die Berliner CDU hat damals meinen Rücktritt gefordert. Ich entnehme Ihrer Äußerung, dass es
falsch ist, auf die CDU zu hören.
({1})
Zweitens. Dem Beifall der Unionsfraktion, den es bei
Ihrer Kritik an meinem Rücktritt gab, entnehme ich, dass
Sie sich wünschen, dass ich immer noch Bürgermeister
und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin
wäre. Das nehme ich interessiert zur Kenntnis.
({2})
Drittens. Ich kann Ihnen erklären, warum Oskar Lafontaine und ich hier jede Woche dasselbe sagen: Sie haben es nämlich immer noch nicht verstanden. Wir machen so lange weiter, bis das der Fall ist.
Danke.
({3})
Herr Kollege Meckelburg, bitte.
Ich erspare mir, auf den ersten Beitrag von Frau Katja
Kipping zu antworten. Denn auf das, was Tante Katja
mit ihrer rosaroten Brille gesagt hat, muss ich nicht noch
einmal eingehen.
({0})
Zu Ihren Ausführungen, Herr Rechtsanwalt und
Oberlehrer Gysi,
({1})
will ich Folgendes sagen. Ich weiß seit heute - Sie haben
es gerade gesagt -, dass Sie auf Ratschläge der CDU/
CSU hören. Das finde ich gut. Es schafft die Basis für
eine inhaltliche Auseinandersetzung. Vielleicht können
wir Sie an manchen Stellen davon überzeugen, dass Sie
sich stärker auf die politischen Sachfelder und weniger
auf die ideologischen Felder konzentrieren sollten.
Zu dem, was Sie ansonsten noch zur Begründung Ihres Verhaltens gesagt haben: Die Menschen haben schon
den Eindruck, dass Lafontaine und Gysi abgehauen sind,
als sie die Möglichkeit hatten, politisch zu gestalten.
Dieser Eindruck bleibt; den können Sie nicht wegkriegen.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 11, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir
zuerst namentlich abstimmen.
Wir kommen zum Änderungsantrag auf Drucksache 16/3467. Die Fraktion Die Linke verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat?
({0})
- Dann bitte schnell zu den Urnen. - Ich frage noch ein-
mal: Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der
Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen.
Wir kommen nun zum Änderungsantrag auf Druck-
sache 16/3468. Auch hier hat die Fraktion Die Linke na-
mentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, die Plätze einzunehmen.
Sind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne
ich die Abstimmung. - Die Urne vorne am Präsidenten-
pult ist defekt. Ich bitte die Kollegen, an die anderen Ur-
nen zu gehen.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme in der zweiten namentlichen Abstimmung noch
nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1)
Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen
Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung.
({1})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über den Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 16/3467 bekannt: Abgegebene
Stimmen 555. Mit Ja haben gestimmt 51, mit Nein ha-
ben gestimmt 504. Der Änderungsantrag ist damit abge-
lehnt.
1) Ergebnis Seite 6652 A
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 554;
davon
ja: 51
nein: 503
Ja
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Lothar Bisky
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dagdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Heike Hänsel
Hans-Kurt Hill
Inge Höger-Neuling
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Monika Knoche
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({0})
({1})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
fraktionslos
Gert Winkelmeier
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({2})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Carl-Eduard von Bismarck
Renate Blank
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({3})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({4})
Dirk Fischer ({5})
Dr. Maria Flachsbarth
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({6})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({7})
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({8})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({9})
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({10})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Stephan Mayer ({11})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({12})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Carsten Müller
({13})
Stefan Müller ({14})
Bernward Müller ({15})
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Bernd Neumann ({16})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({17})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({18})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({19})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Andreas Schmidt ({20})
Ingo Schmitt ({21})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Thomas Strobl ({22})
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({23})
Gerald Weiß ({24})
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Willy Wimmer ({25})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Matthias Wissmann
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({26})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({27})
Volker Blumentritt
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({28})
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Elke Ferner
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({29})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({30})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({31})
Iris Hoffmann ({32})
Frank Hofmann ({33})
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({34})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({35})
Dr. Karl Lauterbach
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({36})
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({37})
Michael Müller ({38})
Gesine Multhaupt
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({39})
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Karin Roth ({40})
Michael Roth ({41})
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
Ulla Schmidt ({42})
Silvia Schmidt ({43})
Renate Schmidt ({44})
Heinz Schmitt ({45})
Carsten Schneider ({46})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({47})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({48})
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
Uta Zapf
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({49})
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({50})
Dr. Wolfgang Gerhardt
Miriam Gruß
Joachim Günther ({51})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({52})
Markus Löning
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({53})
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Christoph Waitz
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({54})
Martin Zeil
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck ({55})
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({56})
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Renate Künast
Undine Kurth ({57})
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Reinhard Loske
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({58})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({59})
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({60})
Das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über
den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3468 lautet: Abgegebene Stimmen 543. Mit Ja
haben gestimmt 49, mit Nein haben gestimmt 494. Der
Änderungsantrag ist deshalb ebenfalls abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 543;
davon
ja: 49
nein: 494
Ja
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Lothar Bisky
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dagdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Heike Hänsel
Hans-Kurt Hill
Inge Höger-Neuling
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Monika Knoche
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({61})
({62})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
fraktionslos
Gert Winkelmeier
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({63})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Carl-Eduard von Bismarck
Renate Blank
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({64})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({65})
Dirk Fischer ({66})
Dr. Maria Flachsbarth
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({67})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({68})
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({69})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({70})
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({71})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Stephan Mayer ({72})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({73})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Carsten Müller
({74})
Stefan Müller ({75})
Bernward Müller ({76})
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Bernd Neumann ({77})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({78})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({79})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({80})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Andreas Schmidt ({81})
Ingo Schmitt ({82})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Gero Storjohann
Andreas Storm
Thomas Strobl ({83})
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({84})
Gerald Weiß ({85})
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Willy Wimmer ({86})
Matthias Wissmann
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({87})
Volker Blumentritt
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({88})
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Elke Ferner
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({89})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({90})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({91})
Iris Hoffmann ({92})
Frank Hofmann ({93})
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({94})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({95})
Dr. Karl Lauterbach
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({96})
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({97})
Michael Müller ({98})
Gesine Multhaupt
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({99})
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Karin Roth ({100})
Michael Roth ({101})
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
Ulla Schmidt ({102})
Silvia Schmidt ({103})
Renate Schmidt ({104})
Heinz Schmitt ({105})
Carsten Schneider ({106})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({107})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({108})
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
Uta Zapf
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({109})
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({110})
Dr. Wolfgang Gerhardt
Miriam Gruß
Joachim Günther ({111})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({112})
Markus Löning
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({113})
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({114})
Martin Zeil
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck ({115})
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({116})
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({117})
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Reinhard Loske
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({118})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({119})
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({120})
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 11
ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen
der Opposition angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.13 auf:
Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
- Drucksachen 16/3106, 16/3123 Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Hagedorn
Norbert Barthle
Roland Claus
Alexander Bonde
Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die
Linke vor. Außerdem liegt je ein Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP sowie der Fraktion Die Linke vor,
über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz, FDP-Fraktion.
({121})
Herr Körper, wenn ich Ihnen eine Freude machen
darf, immer gerne. - Sehr verehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der letzten
Beratungen des Einzelplans 06 möchte ich etwas Nettes
sagen. Ich möchte mich bei den Haushältern, beim Bundesinnenminister, aber auch bei Ihren Beamten und Ihrem Haus bedanken. Ich weiß, ich habe Sie oft mit meinen Fragen herausgefordert.
({0})
Sie haben sich immer alle Mühe gegeben, sie zu beantworten. Das geschah nicht immer zu meiner Zufriedenheit; das liegt aber wahrscheinlich in der Natur der
Sache. Trotzdem gilt mein herzlicher Dank allen Beteiligten. Sie werden es nicht anders vermuten: Das waren
mehr oder weniger die letzten netten Worte, die ich heute
finden kann.
({1})
Im Sommer habe ich mit der mir eigenen Nettigkeit
einer Oppositionspolitikerin die Politik im Innenbereich
der großen Koalition als Dreiklang bezeichnet: mehr Ankündigungen als Taten, Zerstrittenheit in den meisten
Themen und Fortsetzung des Abbaus der Bürgerrechte.
Das kann ich heute immer noch unterstreichen. Es hat
sich aus meiner Sicht nicht erledigt. Ich habe festgestellt,
dass ein neuer Dreiklang hinzugekommen ist, Herr Innenminister, der Folgendes beinhaltet: am Haushalt vorbei,
({2})
an den Betroffenen und am Parlament vorbei, allein gelassen und allein entscheiden.
({3})
Zuerst zum Punkt: alleine entscheiden und ein wenig
am Parlament vorbei. Das betrifft das Programm zur
Stärkung der inneren Sicherheit. Ich möchte das Verfahren formal rügen. Es ist sicher richtig, wenn Sie sich
darauf beziehen, dass dieses Thema formal in den Haushaltsausschuss gehört.
({4})
Aber Sie haben versucht, an den Kollegen im Innenausschuss vorbei zu entscheiden, und haben es erst auf
Druck der FDP im Haushaltsausschuss dann doch in den
Innenausschuss geschoben. Ich finde, so kann man mit
dem Parlament und seinen Fachpolitikern nicht umgehen.
({5})
Ich muss das kritisieren. Es ist schon bedenklich - ich
bin Innenpolitikerin und zufällig stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss und darf deshalb dort Fragen stellen -, dass die Fragen, die man zu diesem Thema
hat, erst im Haushaltsausschuss beantwortet werden,
aber nicht im zuständigen Innenausschuss. So ist es passiert. Das ist kein ordentlicher Umgang mit dem Parlament.
({6})
Mit den Maßnahmen, Herr Innenminister, die Sie in
der ersten Lesung angekündigt haben - Sprengstoffhunde und Wärmebildkameras für den Schutz von Bahnanlagen -, haben wir überhaupt kein Problem. Man
könnte höchstens fragen, warum es erst jetzt mehr Geld
dafür gibt. Aber dabei haben Sie unsere Unterstützung.
Genauso haben Sie unsere Unterstützung, wenn es darum geht, mehr Personal einzustellen, das sich mit Islamismus und islamistischer Bedrohung beschäftigt.
({7})
Wir brauchen Dolmetscher und Personal, das sich auskennt. Das ist überhaupt keine Frage.
Aber die weiteren Maßnahmen, die sich dahinter verbergen, sind aus unserer Sicht mehr als bedenklich.
({8})
Zum Beispiel soll es mehr Geld für die Entwicklung von
Programmen geben, die es ermöglichen, die Bilder von
Überwachungskameras mit biometrischen Daten abzugleichen. Das sind nicht nur Fahndungsdaten, sondern es
geht - Ihr Staatssekretär Hahlen hat es mir erläutert - um
Personen, die sich auf Bahnhöfen auffällig benehmen.
Ich möchte einmal sehen, wie Sie das genau definieren.
Aus unserer Sicht gibt es dafür keine Rechtsgrundlage.
Das ist ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies wurde ohne jede
Diskussion hier im Haus geplant.
Das nächste Beispiel: die geplante Kommunikationsinfrastruktur. Warum brauchen wir parallel zum
BOS-Digitalfunk, der teuer genug sein wird, eine neue
Kommunikationsinfrastruktur?
({9})
Herr Innenminister, Sie haben auf diese Frage geantwortet, dass es sicherer sein muss. Diese Prioritätensetzung
kann ich nicht verstehen. Entweder ist der BOS-Digitalfunk sicher oder er ist nicht sicher. In dem Fall müssten
wir die Ausschreibung verändern. Aber so, wie Sie das
hier machen, geht es sicher nicht.
({10})
Zu diesen Punkten haben wir einen Entschließungsantrag vorgelegt. Denn wir finden, das Parlament muss
sich mit diesen Fragen beschäftigen und nicht der Flurfunk des Bundesinnenministeriums.
({11})
Zum nächsten Punkt: alleine entscheiden und an den
Betroffenen vorbei. Dazu fallen mir zwei Sachen ein,
zum einen der geplante Umzug der Abteilung 6 des
Bundesamtes für Verfassungsschutz. Aus unserer
Sicht ist das weder aus fachlichen noch aus finanziellen
Gründen geboten. Es gibt in Berlin noch keinen Ersatzstandort für diese Abteilung. Die Kommunikation im
Haus wird dadurch sicher nicht verbessert. Es gibt aus
unserer Sicht nur eine logische Erklärung dafür: Sie bereiten damit den Gesamtumzug vor. Interessant ist hierbei übrigens, dass Herr Bosbach Sie kritisiert, während
Herr Wiefelspütz Sie lobt. Interessant ist auch, dass sich
CDU- und CSU-Abgeordnete, als sie noch in der Opposition waren, gegen eine weitere Zentralisierung ausgesprochen haben. Die entsprechende Pressemitteilung
wurde allerdings von der Homepage der Kollegen gelöscht. Ich weiß jetzt auch, warum. Man kann sicherlich
umstrukturieren, wenn man es für nötig hält. Aber ich
finde, die Mitarbeiter haben es verdient, von Ihren Plänen nicht erst aus der Zeitung zu erfahren.
({12})
Genauso geht es den Mitarbeitern der Bundespolizei.
Veränderungen, die diesen Bereich berühren - dies betrifft fast die Hälfte Ihres Etats -, sind sicherlich klug
und richtig. Aber wenn sie diejenigen, die für unsere Sicherheit sorgen und sie garantieren sollen, in so hohem
Maße verunsichern, dann ist das kontraproduktiv für die
Sicherheit in unserem Land.
({13})
Noch eine kurze Bemerkung zur Antiterrordatei.
Die Anhörung, die zu diesem Thema durchgeführt
wurde, hat die meisten Zweifel der Opposition voll bestätigt.
({14})
Es ist offensichtlich so, dass dann, wenn man versucht,
eine Entscheidung zu treffen und daran Bund und Länder, sozusagen eine ganz große Koalition, zu beteiligen,
letztlich nicht mehr viel Kluges übrig bleibt.
({15})
Wir stellen fest: Offensichtlich ist die große Koalition
sich selbst gut genug, weil sie Opposition und Regierung
in einem ist.
({16})
Anders können wir es uns nicht erklären, dass es nach
dieser Anhörung noch kein Berichterstattergespräch gegeben hat. Wenn wir Glück haben, findet ein solches Gespräch am kommenden Dienstag statt, also einen Tag bevor dieses Thema im Ausschuss behandelt wird. Ich
finde, so sollte man nicht mit der Opposition umgehen.
({17})
Nun komme ich noch einmal darauf zu sprechen, was
ich mit „allein gelassen“ meine. In der letzten Woche
konnten wir erleben, dass der Bundesinnenminister und
die innenpolitischen Sprecher der Koalition von den
CDU-Innenministern der Länder ganz en passant beschädigt worden sind. Es ging um die Frage, wie wir das
Bleiberecht regeln. Dazu haben Sie einen Vorschlag gemacht.
Aufgrund der Bedenken, die wir vorgetragen haben,
dass es doch nicht richtig sein kann, dass die Innenminister der Länder hierzu Regelungen im Rahmen der
IMK treffen und wir ihre Entscheidungen nur noch umsetzen dürfen, haben Sie sich Mühe gegeben, einmal andersherum vorzugehen. Doch was ist passiert? Sie liefen
bei ihren Länderkollegen voll auf. Das sollte für Sie ein
Alarmzeichen sein. Ich bin mir nicht sicher, wie Sie in
den kommenden Jahren noch ernsthaft Politik für die Sicherheit in diesem Lande machen wollen, wenn ihre
Kollegen aus den Ländern Sie immer wieder zurückpfeifen.
({18})
Sie wissen, dass wir den Beschluss zum Bleiberecht
begrüßt haben. Aber im Interesse der Beteiligten hoffen
wir, dass nun auch die Frage der Vorrangregelung aufgegriffen wird und die entsprechenden Rechtsgrundlagen
geschaffen werden, damit die Betroffenen hier bleiben
können. Ansonsten wäre das ein Muster ohne Wert, was
ich für noch viel schlimmer halten würde als die Tatsache, dass Ihre eigenen Leute Sie ziemlich stark beschädigt haben.
({19})
Dieser Kompromiss ist ohne weitere Änderungen nur
eine leere Hülle.
Wir Liberalen hoffen, dass aus dem Dreiklang „allein
gelassen, allein entscheiden und am Parlament und den
Betroffenen vorbei“ in den nächsten Jahren eine rechtsstaatliche Innenpolitik wird. Wenn das so ist, dann sind
wir an Ihrer Seite.
Herzlichen Dank.
({20})
Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Luther, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die große Koalition bringt unser Land voran.
({0})
Das wird auch daran deutlich, dass sie nun ein Jahr lang
erfolgreich im Bereich der Innenpolitik gearbeitet hat.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, unserem Innenminister Wolfgang Schäuble für dieses eine Jahr erfolgreicher Arbeit zu danken.
({1})
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei
meinen Mitberichterstattern, ganz besonders natürlich
bei meiner Koalitionskollegin Bettina Hagedorn, für die
gute Zusammenarbeit. Ich denke, wir sind im Interesse
einer qualifizierten Innenpolitik aus der Sicht der Haushälter im letzten Jahr ein gutes Team geworden.
Unsere Politik ist geprägt von Haushaltskonsolidierung und von Haushaltswahrheit und -klarheit. So haben
wir uns zum Beispiel vorgenommen, die globale Minderausgabe in zwei Schritten aufzulösen: Akt eins fand
in diesem Jahr statt, Akt zwei wird im Jahre 2008 stattfinden. Dabei verlieren wir allerdings nicht aus den Augen, dass das Bundesinnenministerium eine ganz besondere politische Verantwortung für dieses Land hat.
So kommt es im Jahre 2007 aufgrund der besonderen
Aufgaben und trotz aller Konsolidierungsbemühungen
zu einem leichten Aufwuchs des Haushaltsansatzes.
Zurückzuführen ist das unter anderem auf die Sonderkosten im Zusammenhang mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der G-8-Präsidentschaft. Auch die
Übernahme der Versorgungstitel in die Einzelpläne kosDr. Michael Luther
tet leider Geld. Eine wesentliche Zusatzausgabe verursacht jedoch die reale Gefährdungslage in Deutschland.
Zur Gewährleistung der inneren Sicherheit muss also
mehr getan werden.
Wie nötig das ist, zeigten die versuchten Kofferbombenanschläge auf Regionalzüge in Koblenz und Dortmund im Sommer dieses Jahres. Ich nenne auch den in
dieser Woche bekannt gewordenen und verhinderten
Sprengstoffanschlag, den fünf mutmaßliche Terroristen
aus dem Rhein-Main-Gebiet auf ein Flugzeug verüben
wollten. Er konnte durch Telefonüberwachung verhindert werden. Dieser Anschlagsversuch zeigt allerdings
auch den Ernst der Lage.
({2})
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch wir im Fadenkreuz des Terrorismus stehen. Ich zitiere: Und alle,
die bislang darauf spekulierten, das deutsche Nein zum
Irakfeldzug wäre eine Art Garantieschein für ein Leben
ohne terroristische Bedrohung, werden ihre Hoffnung
jetzt korrigieren müssen. So lautet ein Kommentar in der
„FAZ“ aus dieser Woche. - Wir müssen also vorbereitet
sein.
({3})
Um Brände zu verhindern bzw. deren Folgen einzudämmen, sind wir präventiv tätig: Wir bauen zum Beispiel Brandmeldeanlagen und Fluchttreppen in Gebäude
ein, wir schaffen moderne Feuerwehrautos und Ausrüstung für die Feuerwehrleute an. Wir hoffen natürlich,
dass das Material nicht gebraucht wird. Aber wir wissen,
dass es irgendwann einmal brennen kann. Deshalb halten wir die Vorsorge für absolut wichtig.
({4})
Genauso notwendig ist die Sicherheitsvorsorge durch
das Bundesinnenministerium. Wir müssen alles tun, um
die terroristischen Gefahren abzuwehren. Wir wissen
zwar, wir werden nicht alles verhindern können. Aber es
wäre fahrlässig, wenn wir nicht alles in unserer Macht
Stehende tun würden. Deshalb und wegen der neuen Erkenntnisse über die Sicherheitslage in Deutschland, die
erst nach der Aufstellung des Haushaltes durch die Bundesregierung gewonnen wurden, haben wir im Haushaltsausschuss das „Programm zur Stärkung der Inneren
Sicherheit“ aufgelegt.
({5})
- Frau Piltz, ich will zu dem, was Sie ausgeführt haben,
klar sagen: Wir haben unter den Berichterstattern im
Haushaltsausschuss sehr umfangreich - viele Stunden darüber debattiert.
({6})
Wir haben auch darum gebeten, dass der Fachausschuss
darüber diskutiert.
({7})
Es kam lediglich aus Geschäftsordnungsgründen zu keinem Beschluss im Innenausschuss. Aber die positive
Meinungsbildung des Innenausschusses hat der Haushaltsausschuss sehr wohl zur Kenntnis genommen.
({8})
Bei diesem Programm geht es beispielsweise um zusätzliche Sprengstoffspürhunde und um luftgestützte
Wärmebildkameras. Es geht aber auch um die Antiterrordatei, die voraussichtlich noch in diesem Jahr Gesetzeskraft erlangt und für die wir Vorsorge im Haushalt
treffen müssen. Insoweit sind die Formulierungen im
Entschließungsantrag der FDP falsch: Es geht um die
Onlinedurchsuchung entfernter PCs, nicht um die Onlineüberwachung, wie Sie in Ihrem Antrag geschrieben
haben, meine Damen und Herren von der FDP.
({9})
Im Übrigen hat das eine rechtliche Grundlage, was in
den Gesprächen auch deutlich geworden ist.
({10})
Es geht ferner um die Entwicklung biometrischer Identifizierungsmethoden, ebenfalls ein wichtiges sicherheitspolitisches Thema. Es handelt sich also um ein ganzes
Bündel von sicherheitspolitischen Maßnahmen, um der
terroristischen Gefahr wirksamer entgegentreten zu können.
Leider muss ich feststellen, dass die FDP mit ihrem
Entschließungsantrag zeigt, dass sie bei der Sicherheitspolitik für die Bürger in unserem Land auf der Bremse
steht.
({11})
An dieser Stelle möchte ich ganz besonders unseren
Sicherheitsbehörden, insbesondere dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Dank sagen für ihre
gute Arbeit.
({12})
Die Einführung des bundesweiten digitalen Sprechfunkdatennetzes für die Behörden und Organisationen
mit Sicherheitsaufgaben war auch in diesen Haushaltsberatungen ein wichtiges Thema.
({13})
Die Einführung des BOS-Digitalfunks ist überfällig. Wir
Haushälter haben die nötigen Weichen für den Haushalt 2007 und folgende gestellt. Positiv für dieses Jahr ist
zu vermerken, dass im Sommer der Bund-Länder-Vertrag über die Errichtung der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben unterzeichnet wurde.
({14})
Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim Digitalfunk ist damit für die Zukunft sichergestellt. Den Zuschlag für die Systemtechnik haben im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens EADS und Siemens bekommen.
Das Sorgenkind ist noch der Vertrag über den Aufbau
und Unterhalt der notwendigen Infrastruktur. Die Verhandlungen mit der DB Telematik laufen leider immer
noch,
({15})
auch wenn in den letzten Wochen endlich Bewegung in
die Verhandlungen gekommen ist. Dieser Zustand ist absolut unbefriedigend. Ich sage an dieser Stelle ganz klar:
Die Bahn muss wissen, dass sich der Bund nicht ewig
auf der Nase herumtanzen lassen kann.
({16})
Ich setze aber darauf, dass wir bis Ende dieses Jahres mit
der Bahn zu Potte kommen.
Meine Damen und Herren, ich will noch ein anderes
wichtiges Thema ansprechen, das die Öffentlichkeit bewegt hat und bei dem wir ebenfalls Haushaltsvorsorge
betrieben haben. Wir Berichterstatter des BMI beschäftigen uns zurzeit mit der zukünftigen Unterbringung des
Ministeriums. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: erstens
der Verbleib in Alt-Moabit, zweitens ein Neubau und
drittens die Nutzung anderer Standorte. Die Entscheidung soll 2007 fallen, und zwar - das will ich an dieser
Stelle klar betonen - für die kostengünstigste Variante.
({17})
Obwohl also noch keine Entscheidung gefallen ist, müssen wir im Haushalt Vorsorge für den Fall treffen, dass
es einen Neubau geben wird. Das verlangt einfach eine
seriöse Haushaltspolitik. Weil es noch keine Entscheidung gibt, haben wir diesen Ansatz aber gesperrt.
({18})
Zu einem weiteren Thema. Die erfolgreiche Eingliederung und Einbindung von Migranten in unserem
Land ist für die Zukunft äußerst wichtig. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration
ist das Erlernen der deutschen Sprache. Die Koalition
hat den Titel für entsprechende Integrations- und
Sprachkurse für den kommenden Haushalt deshalb bedarfsgerecht etatisiert.
({19})
Durch einen Haushaltsvermerk ist gegebenenfalls entstehender Mehrbedarf gesichert.
({20})
Die von der Linken mit ihrem Antrag geforderte Erhöhung des Baransatzes ist blanker Populismus, weil sie
letztendlich am momentanen Bedarf vorbeigehen würde.
({21})
Wir wissen, dass mehr getan werden muss. Deshalb gibt
es ja den Integrationsgipfel der Bundesregierung. Seriöserweise müssen wir dessen Ergebnis aber erst einmal
abwarten - Mitte nächsten Jahres ist es zu erwarten -,
bevor der neue Bedarf - insbesondere für den Bundeshaushalt 2008; es geht also um die neue Haushaltsaufstellung - festgestellt werden kann. Daneben müssen wir
auch über die Mehrbedarfe reden, die 2007 noch notwendig werden, und sie durch entsprechende Umschichtungen realisieren. Ich denke allerdings, es ist blanke
Spekulation, jetzt zu sagen, wie viel das ist.
({22})
Meine Damen und Herren, der Sporthaushalt, der
2006 noch im Zeichen der Fußball-WM stand, wird im
Jahre 2007 durch die Vorbereitung auf die Olympischen
und die Paralympischen Sommerspiele 2008 in Peking
geprägt sein. Deshalb wird die Förderung des deutschen
Spitzensports auch 2007 auf hohem Niveau fortgeführt.
({23})
Staat und Sport verstehen sich als Partner, die zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang ist die Fusion
des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees zum Deutschen Olympischen Sportbund
von uns ausdrücklich zu begrüßen.
Eine erfolgreiche Dopingbekämpfung ist nur durch
eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Sport und den
staatlichen Institutionen zu gewährleisten. Die Bemühungen der Bundesregierung zur Bekämpfung des Dopings im Sport werden deshalb fortgesetzt. Neben den
bekannten Maßnahmen zur Dopingbekämpfung begrüße
ich in diesem Zusammenhang die vorgesehene Kapitalaufstockung für die NADA durch den Bund in Höhe von
2 Millionen Euro aus Restmitteln der Kulturstiftung für
die Fußball-WM.
({24})
Für mich ist der Umgang mit den Spätaussiedlern in
Deutschland und mit den verbliebenen deutschen Minderheiten in den Staaten Osteuropas ein wichtiges
Thema. Auch wenn wir etwas weniger Geld als im letzDr. Michael Luther
ten Jahr dafür ausgeben, kann die Bundesregierung mit
diesen Mitteln die Rückführung, die Erstaufnahme und
die Eingliederung von Spätaussiedlern sowie die Förderung der verbliebenen deutschen Minderheiten in den
Staaten Osteuropas fortführen.
({25})
Einen Schwerpunkt dabei bildet die Förderung der
Begegnungsstätten und des außerschulischen deutschen
Sprachangebotes. Die Förderung der deutschen Sprache
erfolgt dabei unter zwei Gesichtspunkten: Die außerschulischen Deutschkurse dienen der Stärkung und Wiedergewinnung der kulturellen Identität, wodurch den
Bleibewilligen geholfen wird. Künftige Spätaussiedler
und ihre Familienangehörigen sind ebenfalls berechtigt,
an den Kursen teilzunehmen. Das Zuwanderungsgesetz
verlangt von nicht deutschen Ehegatten und Abkömmlingen eines Spätaussiedlers für die Einbeziehung in den
Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers Grundkenntnisse
der deutschen Sprache. Dadurch schaffen die Deutschkurse in Russland die Voraussetzung für die Integration
der Spätaussiedler und ihrer Familienangehörigen in
Deutschland.
Lassen Sie mich noch kurz auf das THW zu sprechen
kommen. Wir wissen, wie wichtig diese Organisation für
uns auch im Bereich des Katastrophenschutzes ist. Das
THW hat in den letzten Jahren mit seinen vielen ehrenamtlichen Mitgliedern in diesem Bereich hervorragende
Arbeit geleistet.
({26})
Der Haushaltsausschuss hat es geschafft - darüber freue
ich mich besonders -, dass wir das THW gerade im Bereich der Jugendarbeit stärken konnten.
({27})
Wie schon im letzten Jahr lag auch in diesem Jahr der
Schwerpunkt der Arbeit des Haushaltsausschusses auf
der Konsolidierung des Haushaltes. Gleichzeitig haben
wir im Haushalt weitere notwendige Schwerpunkte gesetzt. Wir haben harte Haushaltsverhandlungen geführt.
({28})
Die Bürger unseres Landes haben nämlich ein Recht darauf, dass wir hart an unserem Haushalt arbeiten. Wir haben dabei eine gute Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Ministeriums erlebt. Es war sicherlich nicht
immer einfach mit uns.
({29})
Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle für die gute
Zusammenarbeit recht herzlich bedanken.
Wir bringen diese Woche den Bundeshaushalt auf den
Weg.
Herr Kollege, schauen Sie bitte auf die Uhr. Sie reden
auf Kosten Ihrer Fraktion.
({0})
Auf diesem Bundeshaushalt lässt sich aufbauen.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort hat der Kollege Jan Korte, Fraktion Die
Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch ich fange mit etwas Gutem an: Ich freue mich,
dass Herr Bundesminister Schäuble diese Woche noch
keinen Bundeswehreinsatz im Inneren gefordert hat. Das
ist ein echter Fortschritt und das freut uns.
({0})
Zum Einzelplan 06 muss ich aber feststellen, dass das
„Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ ein
weiterer Schritt zum Demokratieabbau ist.
Dieser Haushalt ist durch drei Punkte gekennzeichnet.
Erstens schreitet die Privatisierung von Sicherheit und
Sicherheitsdienstleistungen voran. Zweitens wird das
Trennungsgebot aufgehoben, das Polizei und Geheimdienste aus guten Gründen voneinander trennt. Drittens
wird die Einschränkung von Grundrechten fortgesetzt.
Insgesamt sind in den letzten Jahren - das muss man
sich immer wieder vor Augen führen - weit über
160 Gesetze zur Erhöhung der Sicherheit bzw. des Sicherheitsgefühls verabschiedet worden. Immer wieder
wurden in den letzten Jahren wie auch in den letzten Tagen Bedrohungsszenarien an die Wand gemalt, die gar
nicht verifizierbar sind. Eine ganze Zeit lang war es die
organisierte Kriminalität, die als besonders bedrohlich
galt. Dann waren es kriminelle Ausländer und jetzt ist es
der internationale Terrorismus.
All das dient dazu, bei staatlichen Maßnahmen einseitig aufzurüsten, ohne zu diskutieren, zu evaluieren und
in sich zu gehen, ob diese Maßnahmen etwas taugen.
({1})
Denn bis dato waren die bisherigen Regelungen doch offensichtlich ausreichend, was die aktuellen Vorfälle auch
belegt haben.
Zur Antiterrordatei ist viel gesagt und geschrieben
worden. Hier wächst zusammen, was wahrlich nicht zusammengehört. Man kann es nicht oft genug wiederho6660
len: Es war eine Lehre aus dem NS-Faschismus in
Deutschland, dass es diese strikte Trennung geben muss
und sollte. Ich finde, man darf die Erfahrungen aus dieser Zeit nicht vergessen.
({2})
Das konkrete Problem bei der Antiterrordatei besteht
darin, dass es dabei um Gesinnungsschnüffelei geht. Dafür gibt es zwei deutliche Indizien: zum einen das Freitextfeld und zum anderen, dass auch die Religionszugehörigkeit gespeichert wird. Das bedeutet nichts anderes
als die Pauschalverurteilung einer bestimmten Gruppe.
Wir prophezeien, dass wie beim großen Lauschangriff, beim Luftsicherheitsgesetz und bei einer exzessiven Rasterfahndung das Bundesverfassungsgericht auch
der Antiterrordatei einen Riegel vorschieben wird. Ich
bin auch sehr froh darüber, dass das Bundesverfassungsgericht ein Auge darauf hat.
({3})
Der zweite Punkt, durch den der Haushalt gekennzeichnet ist, ist, dass die Dienste, insbesondere die
Geheimdienste, mehr Mittel bekommen sollen. Das
muss man sich einmal vorstellen: Ausgerechnet die
Dienste, die offensichtlich - der BND-Untersuchungsausschuss tagt gerade - völlig außer Rand und Band geraten und in keiner Weise mehr zu kontrollieren sind, erhalten als Belohnung mehr Mittel.
({4})
Ich erinnere nur an die Bespitzelung von Journalisten,
die Einzelschicksale el-Masri, Zammar und Kurnaz sowie - last, but not least - die ununterbrochene Bespitzelung von linken Bundestagsabgeordneten, wovon die
Dienste im Moment reichlich Gebrauch machen. Statt
diesen Diensten mehr Geld zu geben, sollte endlich dafür Sorge getragen werden, dass die Dienste wieder ins
Lot kommen und einer parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden.
({5})
Zurzeit führt jeder Euro mehr für die Dienste zu einer
Selbstentmündigung dieses Hauses; das muss man so
deutlich sagen.
Der dritte Punkt ist das so genannte „Programm zur
Stärkung der Inneren Sicherheit“. Das Verfahren ist
schon - zu Recht - kritisiert worden. Was steht dort eigentlich? Das Gute an dem Programm ist, dass dort endlich einmal Klartext geredet wird. Unter Verzicht auf
verschwommene Formulierungen wird dort deutlich gesagt, was man eigentlich vorhat. Drei Beispiele dafür:
Erstens. Dort steht zum weiteren Ausbau der Onlinedurchsuchung - ich zitiere -:
Ein wichtiger Baustein hierfür ist die technische Fähigkeit, entfernte PC auf verfahrensrelevante Inhalte hin durchsuchen zu können, ohne tatsächlich
am Standort des Gerätes zu sein.
Das bedeutet nichts anderes als staatlich sanktioniertes
Hacking in fremden Computern. Man greift also wieder
in die geschützte Privatsphäre der Menschen ein. Nichts
anderes steht in diesem Programm.
Zweitens. Sie sind wahre Sicherheitspopulisten, wenn
es darum geht, auf die Ängste der Bevölkerung zu reagieren. Sie kennen lediglich eine Antwort: eine weitere
technische Aufrüstung. Das steht auch in diesem Programm deutlich. Danach soll die Videoüberwachung inklusive Gesichts- und Mustererkennung drastisch ausgebaut werden. Das wird auf Dauer zu britischen
Verhältnissen führen. In britischen Großstädten wird jeder Mensch mittlerweile 300-mal am Tag gefilmt. Diesen Weg wollen wir nicht gehen.
({6})
Hinzu kommt, dass mit der neuen Technik Bewegungsmuster erstellt werden, sodass sich niemand mehr im öffentlichen Raum unbeobachtet bewegen kann. Wir fordern eine Diskussion darüber, ob das ein Weg sein kann,
um für mehr Sicherheit in der Bundesrepublik zu sorgen.
Wir glauben, dass dem nicht so ist.
({7})
Drittens. Die Zusammenarbeit und insbesondere der
Datenaustausch zwischen Bundesbehörden und privaten
Sicherheitsfirmen sollen mit dem Programm forciert
werden. Ich finde, es ist äußerst fragwürdig, die Privatisierung in solchen sensiblen Bereichen voranzutreiben.
Die Fehlerquoten am Frankfurter Flughafen haben doch
gezeigt - ich zitiere den GdP-Vorsitzenden -: „Von Sicherheit kann man nicht reden.“ Die Privatisierung von
öffentlicher Sicherheit ist - zu privatisieren ist bei Ihnen
ein beliebtes Vorgehen auf allen Politikfeldern - grundsätzlich falsch. Ein erster richtiger Schritt wäre, gut ausgebildetes und vor allem gut bezahltes Personal auf dem
Frankfurter Flughafen einzusetzen. Wer für 5 Euro
brutto einen solchen Job macht, von dem kann man nicht
erwarten - das wird jeder Arbeitssoziologe bestätigen -,
dass er sich besonders engagiert.
({8})
Für unsere Forderung nach einem Mindestlohn spricht
damit auch ein Sicherheitsargument. Das sei aber nur am
Rande bemerkt.
Was ist also zu tun? Wir sollten aufhören, die Sicherheit weiter zu privatisieren, und von flächendeckenden
Überwachungen Abstand nehmen. Wir sollten außerdem
keine unhaltbaren Sicherheitsversprechen machen; denn
wir müssen uns kritisch fragen, ob die Gesetze und Maßnahmen, die mehr Sicherheit versprechen, nicht das zerstören, was sie eigentlich schützen sollen, nämlich die
Freiheit und die Bürgerrechte. Hier ist eine ehrliche
Analyse notwendig, aus der hervorgeht, was uns weiterbringt.
Zum Schluss ist festzustellen: Dieser Haushalt ist ein
Dokument des Misstrauens gegen weite Teile der Bevölkerung. Er bedeutet einen weiteren Schritt in die totale
Sicherheit in unserem Land. Unsere Demokratie wird
dadurch jedes Jahr ein bisschen weiter geschwächt, aber
in der Gesamtsumme ist das ein wirklich nicht mehr hinzunehmender Grundrechte- und Demokratieabbau. Ich
frage Sie: Wann ist eigentlich Schluss? Wann haben wir
nach Ihrer Meinung die größtmögliche Sicherheit erreicht? Diese Frage müssen Sie irgendwann einmal
beantworten können. Das würde mich wirklich interessieren. Wann ist der Datenhunger der Dienste und der
Bundesregierung gesättigt? Ich hoffe, dass es dann nicht
zu spät ist. In diesem Sinne lehnen wir selbstverständlich
auch diesen Einzelplan ab.
Schönen Dank.
({9})
Das Wort hat die Kollegin Bettina Hagedorn, SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als zuständige Hauptberichterstatterin bin ich froh,
heute nach anstrengenden Beratungen den Einzelplan
des Bundesinnenministeriums vorstellen zu können. Zusätzlich zu den üblichen Haushaltsberatungen mit einem
Gesamtvolumen von 4,48 Milliarden Euro hatten wir
Berichterstatter es mit großen und weit über den Einzelplan hinaus relevanten Themengebieten von hoher finanzieller Brisanz und Aktualität zu tun, die uns Beratungsstoff für viele zusätzliche Berichterstattergespräche
bescherten. Kollegin Piltz, Sie haben vorhin angemahnt
- das galt für die Innenpolitiker -, sie wünschten sich
mehr Berichterstattergespräche. Ich nehme an, Ihr Kollege Koppelin kann das für den Haushalt nicht bestätigen.
({0})
Lassen Sie mich einige dieser heißen Eisen, die uns
beschäftigt haben, nennen. Ein Stichwort ist der Digitalfunk. Mein Kollege Herr Dr. Luther hat es schon genannt. Wir haben seit dem Sommer mit dem Vertragsabschluss mit EADS und DB Telematik zu tun. Wir hoffen,
dass die Verhandlungen im Dezember in die entscheidende Phase kommen. Die SPD steht uneingeschränkt
zur notwendigen Einführung des Digitalfunks in
Deutschland. Sicherheitskräfte in Bund, Ländern und
Kommunen warten darauf zur Optimierung ihrer Arbeit.
Insgesamt stehen 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung.
Man muss allerdings nicht prophetisch begabt sein, um
zu prognostizieren, dass das Geld leider nicht ausreichen
wird, um den Digitalfunk in Deutschland zu realisieren.
Noch vor Weihnachten, Frau Kollegin Piltz, werden wir
ein Berichterstattergespräch zu diesem Thema führen.
({1})
- Da sind Sie wahrscheinlich schon in Urlaub, Herr Kollege Koppelin.
Ein weiteres Stichwort ist der möglicherweise zu planende Neubau für das Bundesinnenministerium, ein
Thema, das auch vor dem Hintergrund sehr ernst zu nehmender Berichte des Bundesrechnungshofes über abenteuerliche Vertragsabschlüsse in den 90er-Jahren allein
in diesem Jahr Stoff für drei Berichterstattergespräche
bot. Die Mittel für einen möglichen Neubau sind gesperrt. Wir haben uns aber vorgenommen, im ersten
Quartal 2007 zu einer Entscheidung über eine dauerhafte
Unterbringung des Innenministeriums zu kommen.
Doch sind nicht nur Neubaupläne für das Bundesinnenministerium in der Diskussion; für insgesamt sechs Ministerien werden zurzeit Um- und Neubauten geplant
und erstellt, von nachgeordneten Behörden ganz zu
schweigen.
Das ist grundsätzlich gut so. Wir müssen in unserer
Hauptstadt auf Dauer optimale Arbeitsmöglichkeiten für
die hier anzusiedelnden Ministerien und Behörden
schaffen, damit effektiv gearbeitet werden kann. Richtig
ist es darum auch, dass gerade der Haushaltsausschuss
im Zusammenhang mit solcher Bautätigkeit Fragen nach
einer langfristig sinnvollen Arbeitsstruktur der Ressorts
stellt. Dabei geht es um Konzepte, um Aufgaben, Personalkörper, dazu passende Bauvorhaben und natürlich
auch um Standorte. Es geht um die langfristig effektive
Aufgabenerfüllung und den wirtschaftlich vernünftigen
Einsatz von Mitarbeitern. Dabei darf es kein Tabu geben,
auch nicht beim Berlin/Bonn-Gesetz.
Wie mein Kollege Jochen Fromme von der Union
schon vorgestern in seinem Redebeitrag darstellte, haben
wir gemeinsam auf unserer Haushaltsklausur angeregt,
das Berlin/Bonn-Gesetz auf den Prüfstand zu stellen.
Das Echo war, wie nicht anders anzunehmen, gespalten.
Doch zunehmend merkten wir gemeinsam, dass die Bereitschaft, parteiübergreifend vernünftig und offen über
Effizienzgewinne in der Bundesverwaltung zu sprechen,
steigt. Bei der Diskussion geht es letzten Endes um langfristige, zukunftsfähige Lösungen, die für den Regierungssitz Berlin ebenso zukunftsweisend wie für den
Bundeshaushalt tragbar sind und die gleichzeitig für den
Raum Bonn nicht den befürchteten Untergang des
Abendlandes bedeuten müssen.
Wir wollen dabei nichts übers Knie brechen. Wir sind
uns aber als Haushaltsausschussmitglieder in einer großen Koalition sehr wohl der Tatsache bewusst, dass es
vermeintliche Tabuthemen gibt, die anzupacken und
mehrheitsfähig zu machen wir nur in dieser Konstellation in der Lage sind. Und wir haben den Mut, diese
Chance zu nutzen.
({2})
Schön ist, dass unser Antrag parteiübergreifend getragen wurde. Falsch ist aber, dass die Opposition uns bei
diesem Thema zum Jagen tragen musste.
Das gilt auch für das nächste konfliktträchtige Thema,
nämlich die bisherige und künftig veränderte Anwendung des Dienstrechtlichen Begleitgesetzes für Mitarbeiter, die nach Berlin umziehen. Leistungen nach dem
Dienstrechtlichen Begleitgesetz und dem Umzugstarifvertrag gelten ausdrücklich nur für die vom Umzug betroffenen Beschäftigten in Bundesbehörden und -einrichtungen, die im Berlin/Bonn-Gesetz aufgeführt sind.
({3})
Am 9. November 2006 haben wir im Haushaltsausschuss erneut, und zwar auf Initiative der großen Koalition hin, einen unmissverständlichen Beschluss herbeigeführt, der jedwede anders lautende Auslegung künftig
ausschließen und eine offensichtlich gängige Staatspraxis ab sofort unterbinden soll, um dadurch enorme Summen an Steuergeldern zu sparen.
Die höchste Priorität bei den Themen, die uns in den
vergangenen Wochen außerhalb der eigentlichen Etatberatungen beschäftigt haben, hatte allerdings das 44 Millionen Euro schwere Sicherheitspaket, das nach den
Kofferbombenfunden in Regionalzügen im Sommer eine
sicherheitspolitische Debatte in Deutschland auslöste, in
der es auch an absurden medienwirksamen Vorschlägen
mancher Politiker nicht fehlte. Da wurden so genannte
Train Marshals, also Zugbegleiter, ähnlich wie in Flugzeugen gefordert, ein Vorschlag, der allein 5 000 zusätzliche Kräfte bei der Bundespolizei erforderlich gemacht
hätte.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema innere
Sicherheit verdient eine ernsthafte, nachdenkliche und
unaufgeregte Diskussion statt Aktionismus. Jeder Bürger
möchte Sicherheit im Inneren. Das ist ein Grundbedürfnis. Ein hohes Sicherheitsgefühl für den Einzelnen bedeutet Lebensqualität und ist ein Standortfaktor für Wirtschaft und Staat.
Aussagen und Kommentare - auch diese Debatte beschert uns das - zum letzte Woche veröffentlichten
Zweiten Sicherheitsbericht der Bundesregierung spiegeln die ganze Widersprüchlichkeit zu diesem Thema in
Deutschland wider.
Nun legt die Bundesregierung in dieser Situation ein
neues Sicherheitspaket vor, mit dem gezielt Maßnahmen
zur Stärkung der Sicherheitsorgane ergriffen werden sollen, und reflexartig prangern einige Kritiker dieses als
„Angstpolitik“ an.
({5})
Herr Korte hat uns gerade ein erneutes Beispiel geliefert.
Andere wiederum, wie der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, versuchen, den Sicherheitsbericht als „Wohlfühlbericht“ zu disqualifizieren und werfen denselben Politikern vor, die Situation zu
verharmlosen und zu wenig zu tun. - Ja was denn nun?
Wie wir zu einem Mehr an innerer Sicherheit kommen, daran scheiden sich offensichtlich die Geister. Das
Sicherheitspaket dient den Kritikern als vermeintliche
Preisgabe liberaler Bürgerrechte; manchen geht es zu
weit und anderen wiederum nicht weit genug. Die einen
sehen den Datenschutz in Gefahr, die anderen kriminelle
Strukturen angesichts bürokratischer Hemmnisse des
Staates im Vorteil. Da wird das Schreckgespenst des
Überwachungsstaates an die Wand gemalt - Herr Korte
hat eben von Gesinnungsschnüffelei gesprochen - und
gleichzeitig wird festgestellt - Sie hören jetzt besser zu -,
({6})
dass die oftmals überlegene technische Aufrüstung der
Täter, egal ob aus organisierter Kriminalität oder terroristischer Szene, dann auch eine Nachrüstung der staatlichen Organe notwendig macht, wenn wir wollen, dass
diese ihre Arbeit im Sinne der Menschen ordentlich und
erfolgreich erfüllen können. Wir wollen das!
({7})
Maßnahmen für mehr innere Sicherheit sind immer eine
Gratwanderung in dem eben skizzierten Sinn.
Wir diskutieren hier das „Programm zur Stärkung der
Inneren Sicherheit“, das ein Maßnahmenbündel zur logistischen und personellen Verstärkung aller Sicherheitsorgane des Bundes enthält und für das die Bundesregierung von 2007 bis 2009 132 Millionen Euro bereitstellt,
das sind 44 Millionen Euro im Jahr. Der Hauptschwerpunkt der Maßnahmen liegt mit über 64 Millionen Euro,
bezogen auf diesen Dreijahreszeitraum, beim Bundesamt für Verfassungsschutz.
Herr Korte, Sie haben den Verfassungsschutz soeben
in besonderer Art und Weise diffamiert. Sie müssten
schon deutlich machen, was Sie eigentlich wollen. Das,
was Sie hier dargestellt haben, entbehrt jeder Grundlage.
Sie haben gesagt: Wir brauchen wieder eine parlamentarische Kontrolle. Ich verweise auf das Vertrauensgremium. Dort sind neben mir zwei weitere Abgeordnete
meiner Fraktion Mitglied; Sie nicht, aber eine Kollegin
von Ihnen. Sie haben hier alles - Bundesamt für Verfassungsschutz, BND - in einen großen Topf geworfen, das
Ganze mit dem Untersuchungsausschuss vermengt, einmal kräftig umgerührt, um letzten Endes die Arbeit der
Kollegen zu diffamieren.
({8})
Herr Korte, das müssen wir wirklich ablehnen. Sie stellen letzten Endes die Arbeit des Verfassungsschutzes infrage. Da machen wir nicht mit.
({9})
Wir, die SPD, sind angesichts der Analyse der Gefährdungslage der Auffassung, dass es genau richtig ist, den
Schwerpunkt auf den Verfassungsschutz zu setzen.
Alle weiteren neuen Stellen sind beim Bundeskriminalamt angesiedelt. Das ist der zweite Investitionsschwerpunkt. Der Etat des BKA für 2007 wird zu
diesem Zweck zielgerichtet um insgesamt 11,24 Millionen Euro aufgestockt. Mein Kollege hat zu diesem Bereich schon viel gesagt, weswegen ich darauf weniger
ausführlich eingehen kann. Der Aufbau der Antiterrordatei, auf den sich die Innenministerkonferenz im September nach jahrelangem Hickhack und unter dem Eindruck der neuen Bedrohungslage endlich verständigt hat,
und der beschlossene Ausbau der Erfassung sowie die
Analyse von Massendaten erfordern erhebliche Mittel.
Die Bundespolizei erhält kein zusätzliches Personal
- das braucht sie auch nicht -, weil sie durch die
Antiterrorpakete I und II personell erheblich aufgestockt
worden ist; erst in diesem Jahr sind knapp 1 200 Anwärter eingestellt worden. Dennoch erhält die Bundespolizei
Spezialausrüstungen, die sie dringend braucht, zum Beispiel Wärmebildkameras zur Überwachung der Bahngleise, Videokameras zur Überwachung von Bahnhöfen
oder des Flughafens Frankfurt am Main. Außerdem sollen weitere Spürhunde angeschafft werden. Das ist schon
erwähnt worden.
Ich bin zuversichtlich, dass mit diesem Maßnahmebündel zielgenaue und vernünftige Vorschläge zur Verbesserung der inneren Sicherheit in Deutschland umgesetzt werden.
Ich will aber darauf hinweisen, dass die Medaille „innere Sicherheit“ zwei Seiten hat. Wir sollten die zweite
Seite nicht aus dem Blick verlieren: die Prävention.
Auch sie spielt in diesem Haushalt eine erhebliche Rolle.
Die Prävention wird deutlich durch ein Mehr an politischer Bildung, durch Projekte gegen Rechtsextremismus
und durch die Stärkung gesellschaftlicher Initiativen für
mehr Toleranz und Demokratie. Prävention heißt, Personengruppen verschiedenster Religionen und Kulturen ins
öffentliche Leben unserer Gesellschaft einzubinden, sie
zu beteiligen, statt sie auszugrenzen, gerade den Kindern
und Jugendlichen eine faire Chance auf Bildung und
Ausbildung zu geben.
({10})
Prävention meint Integrations- und Sprachkurse, eine
Bleiberechtsregelung mit humanem und christlichem
Antlitz und eine Stadtentwicklung, die der Gettoisierung
vorbeugt.
({11})
In diesem Bundeshaushalt gibt es viele Ansätze, die
für die Prävention in Deutschland eine wichtige Rolle
spielen. Ich freue mich ganz besonders, dass die Programme gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Einzelplan 17, durch die seit 2001
4 000 Projekte in ganz Deutschland mit mehr als
163 Millionen Euro gefördert worden sind, fortgesetzt
werden. Die Mittel dafür werden sogar um 5 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt.
Auch im Haushalt des Innenministeriums haben wir
ein deutliches Signal gesetzt, indem wir die Mittel für das
Bündnis für Demokratie und Toleranz um 300 000 Euro
aufgestockt haben. Das ist ein Plus von 40 Prozent gegenüber 2006. Unter dem Dach dieses Bündnisses arbeiten 1 300 Gruppen und Initiativen in ganz Deutschland.
Die Arbeit dieser Gruppen und Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus wird
überwiegend ehrenamtlich geleistet. Das Motto lautet:
Hinschauen, handeln, helfen.
({12})
Das Bündnis für Demokratie und Toleranz lobt jedes
Jahr einen Preis aus, der mit 1 000 bis 5 000 Euro - nicht
üppig - dotiert ist. Dieser Preis wird ausnahmslos Initiativen in der ganzen Bundesrepublik verliehen, die sich
diesen Zielen ohne staatliche Unterstützung verschrieben haben. Auch wenn die Preisgelder nicht hoch sind,
helfen sie insbesondere dabei, das gesellschaftliche Engagement zu stärken.
Ich nutze diese Gelegenheit - aus zeitlichen Gründen
kann ich das nur ganz kurz tun -, auf den VictorKlemperer-Jugendwettbewerb hinzuweisen, den ebenfalls dieses Bündnis zusammen mit dem ZDF und der
Dresdner Bank ausrichtet. Junge Menschen ab 14 Jahren
sind aufgerufen, sich bis zum 31. März 2007 mit kreativen Beiträgen zu beteiligen. Über 82 000 Teilnehmer aus
dem In- und Ausland haben sich in den letzten Jahren
daran beteiligt.
Dass das wichtig ist und zur Stärkung der politischen
Bildung junger Menschen beiträgt, konnten wir gerade
jüngst vor anderthalb Wochen in Brandenburg wieder erleben, als Menschenketten und sogar ein Staffellauf von
200 Grundschülern unter dem Motto „Bunt statt Braun“
mit selbst gemalten Plakaten klare Zeichen gegen die
Aufmärsche der NPD setzten. Solche Aktionen machen
Mut und verdienen unsere Unterstützung und unseren
Beifall.
({13})
Eine gelungene Integrationspolitik ist wirksame
Prävention. Sie hängt auch davon ab, ob die Integrations- und Sprachkurse erfolgreich und flächendeckend
angeboten werden können und ob dafür genug Geld zur
Verfügung steht. Ich will jetzt nicht noch einmal, wie in
meiner Rede im Sommer, vertieft darauf eingehen,
({14})
aber schon sagen, dass die Mittel nach der Kürzung um
67 Millionen Euro, die im Haushalt 2006 erfolgt ist
- auch jetzt ist der Titel nur mit 140 Millionen Euro dotiert -, grundsätzlich zu knapp sind, und zwar nicht nur
wegen des Integrationsgipfels und zusätzlicher qualitativer Anstrengungen, die wir parteiübergeifend wollen
und die ab Sommer 2007 nach der Evaluierung umgesetzt werden sollen, sondern auch deswegen, weil die
Zahl der Angebote für die schon jetzt Berechtigten nicht
ausreicht. Speziell für Frauen mit Bedarf an Kinderbetreuung und für Analphabeten bleibt das Angebot weit
hinter dem Bedarf zurück. Ich vertraue darauf, da es im
Haushalt des BMI einen Deckungsvermerk gibt, der sicherstellen soll - mein Kollege Michael Luther hat darauf hingewiesen -, dass alle Kursangebote im bisherigen Leistungskatalog zielgruppengerecht und in vollem
Umfang fortgeführt werden können und dass kein Integrationswilliger abgewiesen werden muss.
({15})
- Das ist wahr. Qualifizierte Verbesserungen werden sicherlich nach der Evaluierung beschlossen und dafür
werden gewiss zusätzliche Mittel benötigt werden.
Unter Prävention im weiteren Sinne ist auch der
Sport zu sehen. Im Haushalt des Bundesinnenministeriums stehen dafür wieder 108,5 Millionen Euro zur Verfügung.
Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland war
nicht nur ein voller Erfolg auf dem Spielfeld, nicht nur
ein riesiges Sportfest für die junge Generation mit der
Chance auf internationale Freundschaftsbeziehungen
und Völkerverständigung, und bei ihr hat die Welt nicht
nur erlebt, dass man in Deutschland fast fünf Wochen
schönes Wetter haben kann - das wird die Tourismusbranche gefreut haben -, sondern die Fußballweltmeisterschaft war auch ein finanzieller Erfolg. Bei der DFBKulturstiftung sind 5 Millionen Euro nicht ausgegeben
worden. Wir Haushälter und Sportpolitiker der großen
Koalition haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass
diese 5 Millionen Euro für spezielle Projekte beim Sport
verbleiben sollen.
({16})
- Ja, das ist einen Applaus wert.
Mich hat leicht irritiert - das will ich an dieser Stelle
doch sagen -, dass man sich auf der Homepage des
DOSB mit fremden Federn schmückt. Es ist nicht richtig, dass es auf Initiative des DOSB zu dieser Mittelverwendung kommt. Es waren die Parlamentarier aus dem
Sportbereich und aus dem Haushaltsausschuss, die das
gemeinsam bewegt haben. Ich würde mir schon wünschen, dass sich der DOSB möglichst um die Teile der
Dopingproblematik intensiv kümmert, die auf seinem eigenen Spielfeld sind.
({17})
Damit meine ich explizit die Dopingopfer aus der Zeit
der ehemaligen DDR. Ich würde mir wünschen, dass er
da deutliche Schritte nach vorn geht.
({18})
Dass wir das mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt unterfüttern, haben wir schon gesagt.
({19})
- So ist es und so habe ich es auch gesagt.
Ich komme zum Schluss. Meinen Mitberichterstattern
danke ich für einen fairen und konstruktiven Beratungsmarathon sowie dem Minister mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die umfangreiche Zuarbeit und
Information, ganz besonders aber dafür, dass er unsere
parlamentarischen Beschlüsse vom letzten Sommer in
den Beratungen zum Haushalt 2006 sowohl zu den Sparanstrengungen wie auch zu unserer Schwerpunktsetzung
für die Bundeszentrale für politische Bildung und für das
THW ohne Wenn und Aber eins zu eins fortgeschrieben
hat.
Die hier im Schnelldurchlauf diskutierten Themen
Frau Kollegin, Sie wollten zum Schluss kommen.
- in großer Bandbreite lieferten uns Parlamentariern
in den letzten zwei Monaten Anlass für über 100 Berichtsanforderungen und intensive Beratungen mit letztlich guten Beschlüssen. Ich freue mich auf die künftige
Zusammenarbeit und ich hoffe sehr, dass Sie sich mit
mir darauf freuen.
Vielen Dank.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Wieland,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Luther, Frau Kollegin Hagedorn, das war ja
zweifelsohne sehr interessant, was Sie hier vorgetragen
haben.
({0})
Eines hat mir aber gefehlt. Darüber bin ich ein wenig
enttäuscht.
({1})
- Ich habe ausreichend Redezeit. So nett ist meine Fraktion zu mir; alles überhaupt kein Problem.
In den vergangenen Tagen waren jeweils die Höhepunkte der Beiträge von Koalitionspolitikern die politischen Liebeserklärungen nach dem Motto: Wenn uns die
Bevölkerung schon so wenig mag, dann mögen wir uns
wenigstens selber. Bei der Beratung des Justizetats war
es ganz beeindruckend, wie der Kollege Gehb Herrn
Stünker um den Hals fiel. Letzterer wusste gar nicht, wie
ihm geschah; gestern das Gleiche zwischen Volker Kauder und Peter Struck.
({2})
Nun war ich darauf eingestellt, dass Herr Uhl oder wenigstens Herr Grindel Herrn Wiefelspütz umarmt und
von der ganz großen politischen Liebe spricht. Nichts
dergleichen ist geschehen.
({3})
Da ich ja immer positiv denke, überwinde ich meine
Enttäuschung und interpretiere das so, dass die SPD einen gewissen Widerstand gegenüber dem Hunger nach
Sicherheitsgesetzen und Daten - Herr Kollege Korte, Sie
haben es geschildert - leistet, der die konservative Seite
immer wieder befällt. Wie das Krümelmonster nach
Keksen ruft, rufen die Konservativen nach weiteren Gesetzen oder nach Verschärfungen von Gesetzen. Eine
Sättigungsgrenze - das müssen Sie noch lernen - gibt es
leider nie.
({4})
- Sie machen Zurufe. Ich interpretiere das so, dass die
SPD weiterhin nicht bereit ist, alles mitzumachen. Das
sollte auch so bleiben.
({5})
- Herr Koppelin, wenn ich sicher wäre, hätte ich mir
nicht so viel Mühe gegeben. Damit haben Sie völlig
Recht.
({6})
Der fehlenden Empathie zwischen den beiden Koalitionspartnern in der Innenpolitik entsprechen natürlich
auch die mageren Ergebnisse, die in der Innenpolitik erzielt wurden. Das muss man ganz klar sagen. - Der Herr
Bundesinnenminister lacht; er weiß also, wovon ich
rede.
Reden wir doch einmal über das Bleiberecht. Ich habe
die Rede des Bundesinnenministers dazu beim BKA in
Wiesbaden gehört. Er war richtig gelöst, denn die Kuh
war vom Eis. Er sprach von einer gesetzlichen Regelung,
nach der nach zwei Jahren Aufenthalt Arbeit gesucht
werden könne. Er bekam viel Beifall und es herrschte allgemeine Zufriedenheit. Ehrlicherweise muss ich sagen,
dass der Bundesinnenminister einschränkte, er müsse
diese Regelung noch in Nürnberg - er müsse ja dauernd
nach Nürnberg - auf der Tagung der Landesinnenminister beraten. Es tagten also die Landesinnenminister und
traten dann ganz happy vor die Fernsehkameras. Herr
Bouffier und Herr Körting sagten, dass nun eine gute Regelung gefunden worden sei, die darin bestehe, dass jemand, der Arbeit gefunden habe, ein Aufenthaltsrecht
bekomme, während die anderen, die schon seit Jahr und
Tag nur geduldet seien - und für die wir schon unter RotGrün eine Regelung hätten finden müssen -, weiterhin
geduldet würden. Die Landesinnenminister spielten aber
weiter Hauptmann von Köpenick und legten fest: ohne
Arbeit keine Aufenthaltsgenehmigung. Für diesen Personenkreis gilt umgekehrt aber auch die Maßgabe: ohne
Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit.
Damit nicht genug. Am Montag konnte man in der einen überregionalen Frankfurter Zeitung lesen, es handele sich um einen Quantensprung. So Herr Wiefelspütz,
({7})
der sich insbesondere bei Herrn Uhl bedankte. In der anderen überregionalen Frankfurter Zeitung konnte man
die Aussage von Herrn Bosbach lesen: Ich denke, wir
haben uns gar nicht geeinigt - ein wirklich gehaltvoller
Satz. Bis heute steht infrage, ob es nun eine Einigung
gibt oder nicht.
({8})
- Sie kommen aufs Stichwort, Herr Bosbach. - Das ist ja
das Merkwürdige an der Union: Diejenigen, die wir früher als Fundamentalisten in der Frage der Zuwanderung
erlebten, zum Beispiel Herrn Uhl und Herrn Grindel,
sind unter dem Druck der Regierungsverantwortung zu
so etwas wie Integrationsrealos geworden.
({9})
Auf der anderen Seite muss sich Herr Bosbach in der
„FAZ“ von Herrn Wiefelspütz sagen lassen, er solle
nicht immer mit Medienvertretern, sondern mit ihm reden, er sei der Zuständige.
({10})
Herr Steinbrück sagte vor zwei Tagen: Bitte etwas fairer mit der großen Koalition sein, was die Managementqualitäten angeht; wir sollten sie mit Großkonzernen in
der Bundesrepublik vergleichen.
({11})
Selbst wenn ich an die Herren Piëch, Pischetsrieder,
Ackermann und wie sie alle heißen denke: Mit Ihren
Bleiberechtschaostagen haben Sie die getoppt, meine
Damen und Herren.
({12})
Herr Korte hat den Wunsch nach einer Woche geäußert, in der der Bundesinnenminister einmal nicht den
Einsatz der Bundeswehr fordert. Die Forderung, eine Woche darüber nicht zu reden, ist bescheiden. Wir haben von
Frau Merkel gehört, dass die Fußballweltmeisterschaft
ein Erfolg dieser großen Koalition war. Das Sicherheitskonzept ist sicherlich erfolgreich gewesen, insbesondere
wenn man die Ängste zum Beispiel im Zusammenhang
mit Public Viewing, die es vorher gab, berücksichtigt. Es
hat funktioniert. Aber der Beitrag des Bundesinnenministers war - das ist doch nicht vergessen - eine sinnlose
Debatte über den Bundeswehreinsatz im Inneren als
Hilfspolizei fast bis zum Anpfiff dieser Fußballweltmeisterschaft.
({13})
Deswegen sind wir unbescheidener und sagen zur
SPD: Erreichen Sie doch wenigstens eine Schweigeverpflichtung für den Bundesinnenminister in dieser Legislaturperiode, was das Thema Bundeswehreinsatz im Inneren angeht. Das würde unsere Nerven schonen und das
würde vor allem die Demokratie in der Bundesrepublik
schonen.
({14})
Auch für uns Grüne steht der internationale Terrorismus natürlich im Zentrum unserer Überlegungen. Es
ist nur ein Zufall, dass heute nicht Köln in einer Reihe
mit Madrid und London genannt wird. Wenn es all das,
was hier beschlossen werden soll - das Programm „Innere Sicherheit“, verbesserte Videotechnik, Antiterrordatei -, damals schon gegeben hätte, hätte das nicht verhindert, dass die beiden Attentäter in die Züge
einsteigen. Das ist eine bittere Wahrheit, die wehtut, aber
dazu führen muss, dass wir erkennen, dass die Flucht in
die Technik, die hier angetreten wird, und Massenüberwachung statt gezielter polizeilicher Arbeit der falsche
Weg sind. Für uns gilt auch im Bereich der Gefahrenab6666
wehr das Motto „Klasse statt Masse“. Das ist anzustreben; darauf kommt es an.
({15})
Deswegen bedauern wir auch, dass wir seinerzeit mit
der Forderung nach einer Strukturreformkommission
für innere Sicherheit, Polizei und Geheimdienste gescheitert sind. Denn uns stellt sich die Frage, ob tatsächlich die Länderämter für Verfassungsschutz in der Lage
sind, das zu leisten, was sie leisten müssen. Wir wollen
nun wirklich kein Bundessicherheitsamt. Das dürfen Sie
uns glauben; das wäre die falsche Antwort auf unser ausbalanciertes föderales System. Aber dass die Alternative
nun gleich 38 staatliche Organisationen für den Bereich
Sicherheit sein sollen, das kann uns niemand weismachen. Notwendig sind grundsätzliche Überlegungen und
insoweit auch eine Evaluierung, um dazu zu kommen,
dass wirklich alles getan wird, um dieser Bedrohung zu
begegnen.
({16})
- Nein, im föderalen System. Das Antiterrorzentrum in
Berlin-Treptow ist ein gutes Beispiel und wir haben es
immer verteidigt. Dennoch muss die Frage erlaubt sein,
Kollege Wiefelspütz: Hätte man nicht in Schleswig-Holstein auf diesen einen jungen Mann aufmerksam werden
müssen und hätte hier nicht präventiv gehandelt werden
können? Wenn Sie immer sagen, die Geheimdienste
seien gut kontrolliert und beaufsichtigt, dann muss ich
Ihnen leider entgegnen: Das stimmt nicht. An effektiver
parlamentarischer Kontrolle fehlt es nach wie vor.
({17})
- Sie nennen den Abgeordneten Ströbele. Aber er darf
mir noch nicht einmal seine Erkenntnisse mitteilen.
({18})
Niemand von uns ist in der Lage, selber ein Bild des gesamten Bereiches der inneren Sicherheit zusammenzusetzen.
({19})
Hier besteht dringender Änderungsbedarf. Die FDP und
wir haben Vorschläge vorgelegt, wie man zu einer Kontrolle kommen kann, die diesen Namen verdient.
Sie haben sie bisher verworfen.
({20})
Uns kann ebenfalls nicht glücklich machen, dass das
Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz - das ist nicht
nur ein Wortungeheuer, sondern auch ansonsten ein
Monstrum - und das Anti-Terror-Datei-Gesetz als LastMinute-Gesetze offenbar im Schweinsgalopp durchgepeitscht werden sollen. Wir waren zu einem Berichterstattergespräch eingeladen. Aber als wir es gestern
führen wollten, wurde es kurzfristig abgesagt.
Wir waren die Ersten, die aufgrund der Anhörung Änderungsanträge eingereicht haben, und erwarten eigentlich, dass darüber geredet wird. Nachdem so lange über
die Antiterrordatei diskutiert wurde, ist doch klar: Wer
darin landet, gilt als Terrorist. Wenn der Präsident des
Bundesamtes für Verfassungsschutz beschwichtigend
sagt, wir werden, was die Anzahl der Einträge angeht,
unterhalb des fünfstelligen Bereichs bleiben, dann muss
man feststellen: Auch 9 999 Personen sind sehr viel.
Wir fordern Sensibilität und bürgerrechtliches Bewusstsein ein. Es sollte noch einmal geprüft werden, wer
in diese Datei aufgenommen werden soll. Es darf keinen
Automatismus geben. Außerdem muss es eine klare Definition geben, wer Kontaktperson ist. Wir wollen erreichen, dass diese Datei den geringstmöglichen bürgerrechtlichen Schaden anrichtet. Es ist vor allen Dingen
unser Bestreben gewesen, dass diese Datei eine Indexdatei bleibt. Wir wollen diese Diskussion in einem geordneten Verfahren bis zum Ende führen.
({21})
Noch eine Bemerkung - sie ist notwendig - zur
rechtsextremistischen Gefahr. Wir wissen, dass die
Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ansteigt. Die
Täter werden immer frecher. Daher ist es richtig, dass
5 Millionen Euro mehr an Haushaltsmitteln für diesen
Bereich eingestellt werden. Es ist aber falsch, dass diese
Mittel nicht mehr auf Antrag, wie das bisher der Fall
war, direkt an die Projekte fließen. Um nicht missverstanden zu werden: Es sollte ruhig evaluiert werden.
Aber dass man die Kommunen verbindlich dazwischenschaltet und dass man damit riskiert, dass gut arbeitende
Initiativen vor Ort ihre Arbeit einstellen, ist bedenklich.
Teilweise sind die Mitarbeiter schon zu den Arbeitsagenturen gegangen. Es wurde beklagt, dass Kommunen,
weil sie entsprechende Vorkommnisse verdrängen bzw.
schönreden, nicht die notwendigen Anträge stellen.
Diese Gefahr ist erkannt. Wir fordern daher, dass es hier
Korrekturen, die längst überfällig sind, gibt.
({22})
Natürlich muss auch in der Verbotsfrage Klarheit
herrschen. Meine Fraktion ist mit großer Mehrheit gegen
einen erneuten Verbotsantrag.
({23})
- Auch ich nicht. Aber darauf kommt es, Kollegin Stokar, tatsächlich nicht an.
({24})
Ärgerlich ist, dass wir, nachdem der immerhin von
drei Verfassungsorganen eingebrachte Verbotsantrag in
Karlsruhe gescheitert ist, nun die nächste Katastrophe
erleben. Denn so bald irgendetwas passiert - dazu zählt
auch, dass die in Rede stehende Partei in den Landtag
gewählt wird -, wird sofort über ein neues VerbotsverWolfgang Wieland
fahren diskutiert, ohne dass sich die dafür primär zuständigen Innenminister eine Strategie überlegen und zu einer gemeinsamen Willensbildung - wir machen es oder
wir machen es nicht - kommen, die dann auch verbindlich sein muss. Diese braunen Gesellen sind viel zu gefährlich, als dass sich die Demokraten an dieser Stelle
auseinander dividieren lassen sollten.
({25})
Abschließend will ich sagen: Terrorismusbekämpfung
ist nicht allein eine Frage der Sicherheitsbehörden, sondern auch eine politische Frage. Nach 30 Jahren fehlender oder falscher Einwanderungspolitik gibt es bei uns
eklatante Mängel. Diese Fehler schlagen auch durch auf
den Bereich Jugendgewalt und auf das, was in dem Sicherheitsbericht - darin sind auch Punkte enthalten, die
nicht in Ordnung sind - aufgeführt ist. Dort heißt es
zwar, dass wir insgesamt eines der sichersten Länder der
Welt sind. Das ist objektiv richtig, aber diese Erkenntnis
wird kein Opfer einer Gewalttat trösten. Gemäß dem
Satz „Obwohl der See im Durchschnitt einen Meter tief
ist, ist die Kuh ertrunken“ gibt es Bereiche, die alles in
allem gesehen nicht in Ordnung sind. Der Bereich „Jugendliche mit Integrationshintergrund“ ist ein solcher,
wo es brennt.
Herr Kollege, Sie haben von der Fraktion ausreichend
Redezeit bekommen. Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ich will hier niemandem die Redezeit nehmen.
({0})
Herr Kollege, Sie nehmen niemandem mehr die Redezeit, außer dem Parlament.
Frau Präsidentin, ein Schlusssatz sei gestattet: Die
Demokratie muss sich zumuten, das Recht gegen ihre
Feinde zu verteidigen, zugleich aber auch die Rechte
dieser Feinde zu schützen. Das ist sehr wichtig. Entziehen wir uns dieser Aufgabe, die schwierig ist und immer
populistischen Anfeindungen unterliegt
Herr Kollege, das waren jetzt drei Schlusssätze. Ihre
Redezeit ist wirklich deutlich überschritten.
- danke -, dann laufen wir Gefahr, selber so zu werden wie die Feinde der Demokratie. Das sollten wir nicht
tun.
({0})
Das Wort hat der Bundesinnenminister Dr. Wolfgang
Schäuble.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir leben in einer angespannten Sicherheitslage. Die jüngsten
Fahndungsergebnisse, sowohl die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft als auch die Fahndungserfolge britischer Kollegen zeigen, dass der Flugverkehr nach wie
vor eines der Hauptangriffsziele von Terroristen sein
kann. In Deutschland gab es einen Anschlag mit den
glücklicherweise nicht zur Explosion gekommenen Kofferbomben und Vorbereitungen zu einem weiteren Anschlag, die die Bundesanwaltschaft zu ihren Ermittlungen veranlasst haben. Deswegen müssen wir alle
Anstrengungen unternehmen, um das Menschenmögliche an Prävention und Sicherheit zu leisten. Das ist die
Hauptaufgabe auf dem Felde der inneren Sicherheit.
Ich bin froh, dass wir einen funktionierenden und leistungsfähigen Sicherheitsverbund zwischen Bund und
Ländern haben. Bei manchen Debattenbeiträgen hatte
ich gelegentlich das Gefühl, dass ich daran erinnern
muss, dass sich die föderale Grundstruktur unseres Landes bewährt hat. Sie ist erfolgreich.
({0})
Sie hat sich entgegen manchen Sorgen nicht zuletzt bei
der Fußballweltmeisterschaft in hervorragender Weise
bewährt. Es steht dem Bund aus Anlass einer Haushaltsdebatte zur inneren Sicherheit zu, sich bei den Verantwortlichen in den Bundesländern, bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Länderpolizeien genauso
wie bei denen der Sicherheitsorgane des Bundes für
diese großartige Arbeit zu bedanken.
({1})
Wir brauchen die gesetzlichen Grundlagen für eine
entsprechende Zusammenarbeit und den Austausch und
die Sammlung von Informationen. Wir wollen die Antiterrordatei einführen, um die Informationen, die die
einzelnen Institutionen sammeln, zu vernetzen. Das ist
kein Schnüffelwahn, sondern die richtige Antwort, um
die bewährte Arbeitsteilung und Zusammenarbeit im Föderalismus zu optimieren.
({2})
Herr Kollege Wieland, wir haben beim Terrorabwehrzentrum und der Antiterrordatei in der Tat 38 Stellen zusammenzuführen. Das ist schnell aufgezählt: Wir haben
16 Bundesländer, also 16 Länderpolizeien und 16 Landesämter für Verfassungsschutz. Dann haben wir das
Bundesamt für Verfassungsschutz, den Zoll, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst. Schon
sind wir bei 38. Die müssen zusammengeführt und ent6668
sprechende Informationen müssen vernetzt werden. Deswegen bitte ich darum, dass das Gesetz zur Errichtung
der notwendigen Antiterrordatei zügig im Bundestag
verabschiedet wird. Das dient der inneren Sicherheit unseres Landes.
({3})
Ich will gleich eine Bemerkung anschließen. Sie haben gesagt, all das, was wir vorhaben, hätte nichts genützt, um die Kofferbombenanschläge zu verhindern.
Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit.
Aber die Konsequenzen, die wir im Hinblick auf das
Aufenthaltsrecht aus unseren Erkenntnissen ziehen wollen, hätten, wenn sie schon gesetzliche Grundlage gewesen wären, dazu geführt, dass wir den Tatverdächtigen
erkannt hätten, bevor er die Kofferbombe in den Zug gebracht hätte. Deshalb dürfen wir nicht den Verfassungsschutz beschimpfen, vielmehr müssen wir ein Gesetz
entsprechend gestalten. Daran arbeiten wir vertrauensvoll und intensiv in der Koalition. Ein solches Gesetz
werden wir auf den Weg bringen; und zwar in dem
Sinne, dass man aus Erfahrungen Lehren zieht. Denn
hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Die notwendigen Konsequenzen sind auf dem richtigen Weg.
Genauso ist es mit dem Sicherheitsprogramm. Frau
Kollegin Piltz, wir haben bereits in der ersten Lesung
des Haushaltsplans über das Sicherheitsprogramm gesprochen. Damals lag noch nicht die Auswertung aller
Erkenntnisse vor, dennoch habe ich schon verschiedene
Maßnahmen angekündigt. Ich bin sehr dankbar, dass das
Parlament zu einem guten - dem hier einzig möglichen Verfahren gefunden hat. In den Beratungen des von der
Bundesregierung bereits eingebrachten Haushaltsgesetzentwurfs hat der federführende Haushaltsausschuss
durch entsprechende Beschlüsse die notwendigen Konsequenzen gezogen. Demgemäß ist sowohl im Fachausschuss als auch im Haushaltsausschuss beraten worden.
Ich bedanke mich dafür und bin ganz sicher, dass es im
Rahmen einer sehr effizienten Verwendung begrenzter
Mittel der richtige Weg ist.
Wir werden die Kompetenzen des Verfassungsschutzes verbessern und das Internet besser beobachten lassen; denn dort werden Verabredungen getroffen, Hetzparolen verbreitet und Taten vorbereitet. Es ist notwendig,
die Bahnstrecken besser zu sichern. Die entsprechenden
Mittel dafür sind eingestellt. Das heißt, wir ziehen auch
hier die Konsequenzen aus den gemachten Erfahrungen
auf der Grundlage einer konsolidierenden Haushaltsführung. Ich bedanke mich dafür, dass wir das in der richtigen Weise und im richtigen Maß und im Rahmen einer
guten Zusammenarbeit tun. Dies entspricht allen Formen
der parlamentarischen Beratungen; anderes zu behaupten, ist nicht richtig.
Dazu gehört angesichts veränderter Aufgabenstellungen auch, dass wir die gute Bundespolizei, die hervorragende Arbeit im Sicherheitsverbund von Bund und
Ländern leistet, auf veränderte Aufgabenstellungen vorbereiten und entsprechend ausrüsten. Ich kann Ihnen
nicht sagen, wann der Schengenraum erweitert wird.
Dass dies jedoch in den nächsten Jahren der Fall sein
wird, ist klar. Die Voraussetzungen dafür müssen innerhalb der Europäischen Union geschaffen werden.
({4})
Die organisatorischen Veränderungen innerhalb der
Bundespolizei muss ich auch mit den Ländern besprechen. Dazu haben wir in Nürnberg den ersten Schritt getan, zeitgleich haben wir die Bundespolizei über die
Grundlinien der Umorganisation unterrichtet. Wir wollen bei gegebenen personellen und sachlichen Mitteln
die Effizienz der Bundespolizei weiter stärken und tun
dies im Sicherheitsverbund mit den Ländern und im
Bewusstsein dessen, dass wir durch ein verändertes
Grenzkontrollsystem im Schengenraum natürlich
keine Sicherheitsverluste eingehen dürfen, sondern dass
wir mit einer veränderten Organisation mindestens genauso viel, besser noch mehr Sicherheit für die Zukunft
gewährleisten. Das ist das Ziel der Organisationsreform. Es wird jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt und
über alle Einzelheiten wird intensiv beraten. Danach
wird entschieden. So ist der Sachstand.
({5})
Frau Piltz, Sie haben gefragt: Brauchen wir denn noch
Mittel zur Sicherung der Kommunikationsinfrastruktur zur Früherkennung terroristischer Straftaten?
Ich sage Ihnen: Dort brauchen wir ein ganz anderes Maß
an Sicherheit in der Kommunikation als bei der Einführung des Digitalfunks bei den Behörden, die Ordnungsund Sicherheitsaufgaben wahrnehmen. Beim BOS sind
etwa 500 000 Polizisten der Länder und des Bundes,
Feuerwehrleute, Mitarbeiter und Helfer des Technischen
Hilfswerks zugangsberechtigt. Dort werden nicht die
sensiblen Informationen eingestellt werden, dort geht es
um die Bewältigung der Aufgaben im Alltag. Deswegen
ersetzt das nicht die Mittel, die wir für den Schutz der
Kommunikation in ganz besonders sensiblen Bereichen
der Früherkennung terroristischer Straftaten brauchen.
Die entsprechenden Forschungsmittel müssen wir dafür
einsetzen. Deswegen geht Ihr Entschließungsantrag von
einer falschen Erkenntnis des Sachverhalts aus.
Herr Kollege Schäuble, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Bitte sehr.
Bitte schön, Herr Koppelin.
Herr Bundesminister, Sie haben eben das angesprochen, was meine Kollegin Piltz zuvor schon angesprochen hatte, nämlich das, was zurzeit bei der Bundespolizei diskutiert wird. Dort, wo ich wohne, gibt es ein
Präsidium der Bundespolizei. Finden Sie es in Ordnung,
dass die Angehörigen der Bundespolizei den Medien
entnehmen müssen - in einem Schreiben des Innenministeriums wird das nur angedeutet -, dass irgendetwas
auf sie zukommt, sie aber nicht wissen, was? Finden Sie
es in Ordnung, dass anscheinend nur bestimmte Abgeordnete der Koalition informiert worden sind? Ich habe
gestern mit Ihrem Haus telefoniert. Mir hat man gesagt,
dass es nicht beabsichtigt sei, die Opposition zu informieren. Diese Auskunft habe ich von Ihrem Haus erhalten.
Das glaube ich nicht, Herr Kollege Koppelin.
({0})
- Sie haben ja nicht mit mir gesprochen. Ich war bei einer Konferenz der Afrikanischen Union und der Europäischen Union in Tripolis; daher haben wir nicht miteinander gesprochen. Deswegen sage ich Ihnen: Kein
Mitarbeiter meines Hauses gibt solche Auskünfte.
Das Folgende ist die Wahrheit: Wir haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundespolizei zeitgleich
über das unterrichtet, was entschieden ist, nämlich das
Verfahren, das ich gerade beschrieben habe, einzuleiten.
({1})
Darüber sind Sie nicht besser oder schlechter informiert
als jeder andere auch. Und ein Mitarbeiter meines Hauses hätte Ihnen wahrscheinlich richtigerweise gesagt:
Über mehr können wir Sie nicht unterrichten, weil mehr
noch nicht entschieden ist. Es tut mir Leid, das ist so. Es
ist überhaupt nicht beabsichtigt, irgendjemanden bei der
Informationserteilung hintanzustellen.
Sie erwarten wahrscheinlich Aussagen zu Standorten
von mir. Es gibt aber überhaupt noch keine Überlegungen zu Standorten. Wir haben diese Grundlinien zur Umorganisation der Bundespolizei und das von mir beschriebene Verfahren jetzt auf den Weg gebracht, nicht
mehr und nicht weniger. Ich hoffe, dass die Missverständnisse damit ausgeräumt sind. Mir liegt nämlich sehr
an einer vertrauensvollen und offenen Zusammenarbeit.
({2})
- Das stimmt nicht. Frau Kollegin Hagedorn hat genau
die Informationen, die ich Ihnen hier nenne. Da bisher
nicht über mehr entschieden ist, kann sie nicht mehr Informationen haben.
({3})
Das Verfahren, in dem Entscheidungen herbeigeführt
werden können, beginnt ja gerade erst.
In der gebotenen Kürze möchte ich gerne noch ein
paar Sätze zu einem weiteren Thema sagen. Neben der
Gewährleistung von Sicherheit im Verbund von Bund
und Ländern, neben der Präventionsarbeit und der Bekämpfung der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus ist natürlich das andere große Schwerpunktthema der Innenpolitik dieser Regierung der
großen Koalition die Verbesserung der Integration der
Menschen, die mit uns zusammenleben. Auf diesem Gebiet sind wir in diesem Jahr zwar gut vorangekommen,
wir sind aber noch lange nicht am Ziel.
({4})
Das ist ein wichtiger Punkt. Wir arbeiten intensiv daran,
mit all den vielen Facetten, die dazugehören.
Herr Kollege Wieland, Sie haben am Ende Ihrer Rede
ohne jede kritische Einschränkung die terroristische
Bedrohung in einen sachlichen Zusammenhang mit der
Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten gestellt. Wenn
Sie das bestreiten wollen, lesen Sie es im Protokoll nach.
Solche Äußerungen können wir überhaupt nicht gebrauchen. Wenn wir die Zugewanderten unter einen Generalverdacht stellen, machen wir das genaue Gegenteil von
dem, was sinnvoll ist. Wir brauchen die Mitarbeit und
die Solidarität der großen Mehrheit unserer Mitbürger
mit Migrationshintergrund bei der Bekämpfung des Terrorismus und keinen billigen Generalverdacht.
({5})
- Sie brauchen sich gar nicht zu erregen.
Im Ausländer- und Aufenthaltsrecht gibt es die
Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Bund
und Ländern. Es gibt die Notwendigkeit, im Rahmen
der gesetzlichen Bestimmungen Gesetze zu vollziehen;
das ist Sache der Länder. Und es gibt die Notwendigkeit,
Gesetze zu ändern, zu ergänzen, weiterzuentwickeln; das
ist Sache der Gesetzgebungsorgane des Bundes, des
Bundestages und des Bundesrates. Deswegen müssen sie
zusammenwirken. Wir stehen vor einer komplexen, vor
einer komplizierten und umfassenden Novellierungsarbeit. Wir müssen elf EU-Richtlinien und eine Reihe anderer Punkte umsetzen, so auch aus den geplanten Kofferbombenanschlägen Konsequenzen ziehen.
Daran arbeiten wir. In der Koalition herrscht ein großes Einvernehmen darüber, dass das, was wir in der vergangenen Woche verabredet haben, gilt. Nur haben die
Innenminister gesagt: Wir warten mit einer Bleiberechtsregelung, auf die viele schon so lange warten,
nicht, bis ein Gesetz in Kraft ist - das würde nämlich
mindestens bis zur Mitte des nächsten Jahres dauern -;
vielmehr wollen wir sofort eine Regelung in Kraft setzen. Sie gilt schon seit dem vergangenen Montag. Das ist
doch eine richtige Ergänzung und nicht das Gegenteil.
({6})
Die Konsequenzen, die Sie daraus abgeleitet haben, sind
allenfalls unsinnig, um nicht Unfreundlicheres zu sagen.
({7})
Wir arbeiten zusammen und kommen gut voran. Ich
verteidige den Sicherheitsverbund von Bund und Ländern, weil ich ein überzeugter Anhänger des Föderalismus bin, genauso wie ich den Vorrang ehrenamtlichen
Engagements verteidige. Denn unsere freiheitliche Gesellschaft lebt davon und ist darauf angewiesen, dass wir
nicht glauben, der Staat könne alles regulieren und organisieren. Wichtiger ist das freiwillige Engagement der
Bürgerinnen und Bürger, Freiheit und Verantwortung
in einer richtigen Weise zu leben und dafür einen Rahmen zu geben.
Das ist das Prinzip unserer Sportförderung, die wir
auf hohem Niveau weiterfahren. Auf diesem Sektor gibt
es ein schwieriges Thema: Wir, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen im Sportausschuss, werden in den
nächsten Wochen darüber zu reden haben, wie wir bei
der Dopingbekämpfung das Zusammenwirken der
Selbstverantwortung des Sports und der Verantwortung
des Gesetzgebers optimieren können. Ich bleibe bei meiner Grundthese - auch wenn ich nicht in jedem Punkt
jede Meinung teile -, dass wir das Problem nur gut lösen
können, wenn Gesetzgeber, Strafverfolgungsorgane und
Sport optimal zusammenarbeiten. Wenn der Gesetzgeber
anstelle der Selbstverantwortung des Sports Doping bekämpfen wollte, würden wir Steine statt Brot bekommen. Deswegen versuchen wir, ein Zusammenwirken zu
organisieren.
({8})
In diesem Zusammenhang mache ich die Bemerkung,
dass wir auch bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit, neonazistischen Bestrebungen, aber auch von Linksextremismus nicht die alleinige Verantwortung des Staates erwarten können. So
können wir das Problem nicht lösen.
({9})
Wenn die Wahlbeteiligung zurückgeht und radikale Parteien dadurch relativ bessere Ergebnisse bekommen,
muss man den Bürgerinnen und Bürgern sagen: Geht
wählen! Denn eine Demokratie leidet am ehesten dann
Gefahr, wenn es einen Mangel an Demokraten gibt.
({10})
Deswegen sind unsere Programme zur Bekämpfung
von Extremismus darauf angelegt, die Menschen zum
Mitmachen zu gewinnen. Wir überlegen zusammen mit
den Ländern, wie wir bessere Angebote machen können,
beispielsweise im Bereich Sport, aber auch zusammen
mit anderen Organisationen, zum Beispiel dem Technischen Hilfswerk oder Jugendfeuerwehren. All das gehört
in ein Gesamtkonzept.
Unsere Bemühungen finden in einer Zeit statt, in der
der Einfluss neuer Informationstechnologien - vom
Fernsehen über das Internet bis hin zu Computerspielen nicht nur bei Kindern mit Migrationshintergrund furchtbar problematische Wirkungen hat, wie wir in den letzten Tagen gesehen haben.
Herr Kollege Schäuble, erlauben Sie eine weitere
Zwischenfrage des Kollegen Winkler?
Ja, aber erst nach Ende dieses Gedankens, Herr Präsident.
Hiermit ist die Notwendigkeit verbunden, dass wir
das Engagement und die Verantwortung der Bürgerinnen
und Bürger durch unsere politischen Entscheidungen
und die Art, wie wir diskutieren, einfordern, dass wir
also nicht einfach sagen: Wir machen das für euch, ihr
braucht euch um nichts zu kümmern. Das wäre der falsche Weg.
Bitte sehr, Herr Kollege Winkler.
Bitte schön.
Herr Minister Schäuble, ich war eben so sprachlos,
dass ich mich erst einen Satz später zur Zwischenfrage
gemeldet habe. Dieser Satz war dann sehr lang. Deswegen wundern Sie sich bitte nicht, wenn ich mich jetzt auf
das vorherige Thema beziehe, nämlich die Bleiberechtsregelung.
Meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie gesagt haben, dass es keine Widersprüche zwischen dem, was die
Innenministerkonferenz verabredet hat, und dem, was
Sie in der Koalition vereinbart haben, gibt. Das nehme
ich Ihnen gerne ab.
Für mich als Oppositionspolitiker gibt es manchmal
nur die Zeitung als Informationsquelle. Das kann schon
einmal vorkommen. Der Presse konnte ich entnehmen,
dass Kollege Bosbach behauptet hat, es gebe gar keine
Einigung oder er sich nicht mehr daran erinnern könne.
Ich konnte in der Zeitung auch lesen, dass es Krisentreffen der Innenpolitiker gab, bei denen noch einmal besprochen wurde, was überhaupt bei dieser Einigung herausgekommen ist. Hier hätte ich gern etwas mehr
Klarheit. Denn so, wie es im Moment aussieht, machen
wir bezüglich der Bleiberechtsregelung eher zwei
Schritte vor und drei Schritte zurück.
Nein, Herr Kollege Winkler, so ist es nicht.
Erstens. Zwischen dem, was die Innenminister beschlossen haben, und dem, worüber wir hier reden, besteht in der Tat kein Widerspruch, sondern ein Verhältnis
der Komplementarität.
({0})
Generall kann man das Problem der Altfallregelung gesetzlich oder durch einen Beschluss der Innenministerkonferenz nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes, der des
Einvernehmens des Bundesinnenministers bedarf - das
habe ich erklärt -, lösen. Wenn Sie den Beschluss der Innenminister sehen, erkennen Sie, dass diese sagen, dass
sie begrüßen, dass sich der Gesetzgeber darum bemüht.
Aber die Innenminister haben jetzt eine Regelung beschlossen, die seit Montag dieser Woche, das war der
20. dieses Monats, gilt. Wenn eine gesetzliche Regelung
in Kraft tritt - diese muss der Bundestag beschließen,
dazu muss sie erst einmal eingebracht werden, dann wird
sie beraten und dann muss der Bundesrat zustimmen -,
tritt sie ergänzend oder ersetzend hinzu. Insofern ist das
kein Widerspruch. Es muss Ihnen also nicht die Sprache
verschlagen.
Zweitens. Sie haben den Kollegen Bosbach falsch
bzw. verkürzt zitiert. Der Sachverhalt ist ganz einfach:
Wir sind noch nicht fertig. Wir beraten intensiv. Wir
kommen Schritt für Schritt voran. Wir haben das, was
wir vergangene Woche beraten haben, mit den Innenministern der Länder erörtert. Dabei herrschte von vornherein nicht nur Jubelstimmung; das ist wahr. Dann haben wir zwei Tage lang beraten. Danach waren alle der
Meinung, dass wir gemeinsam ein gutes Ergebnis erzielt
haben. Jetzt arbeiten wir weiter. Heute Mittag treffen wir
uns erneut. All das ist nicht geheim. Ich bin zuversichtlich, dass wir gute Ergebnisse erzielen werden.
Warum bin ich zuversichtlich?
Erstens, weil uns in der Koalition trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte unsere gemeinsame Verantwortung bewusst ist und wir im Wissen um unsere gemeinsame Verantwortung einen partnerschaftlichen Umgang
miteinander pflegen. Dafür bedanke ich mich. Das wollen wir fortsetzen.
Zweitens, weil diese Verantwortung über die Grenzen
der Koalitionsfraktionen hinausgeht. Alle Abgeordneten
haben diese Verantwortung. Den Herrn Kollegen Korte
möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen: Wir würden den Rechtsextremismus, insbesondere rechtextremistische Gewalttaten, vielleicht noch erfolgreicher bekämpfen können, wenn sich Linksextremisten nicht
immer mit Rechtsextremisten zu gemeinsamen Gewalttaten verabreden würden. Das wäre hilfreich.
({1})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie ich bereits
sagte, habe ich gestern an einer Konferenz teilgenommen, auf der es um das Verhältnis zwischen der EU und
der Afrikanischen Union ging. In einem solchen Zusammenhang nimmt man die Probleme in ganz anderen
Dimensionen wahr, gerade die Probleme der Globalisierung. Das Zeitalter, in dem wir leben, ist durch beschleunigten Wandel gekennzeichnet. In einer solchen
Zeit ist die Bewahrung und Sicherung einer freiheitlichen Ordnung mit Sicherheit - man möchte nicht zu
viele Kontrollen, aber ein hinreichendes Maß an Sicherheit - eine Riesenaufgabe. Es ist eine große Herausforderung, dafür zu sorgen, dass sich die Menschen in dieser Ordnung nicht verloren fühlen, sondern genug Raum
für Eigenverantwortung und Engagement haben.
Dieses Bemühen ist keineswegs nur am Haushalt des
Geschäftsbereichs des Bundesinnenministeriums zu erkennen, aber es spiegelt sich in besonderer Weise in vielen Einzelpositionen dieses Haushalts wider. Deshalb
bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit und bitte
um Ihre Zustimmung zum Einzelplan 06.
Herzlichen Dank.
({2})
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Jan Korte.
Verehrter Herr Bundesminister Schäuble, das Thema
Bundeswehr lassen Sie mittlerweile ruhen. Das neue
Lieblingsthema, insbesondere der Union, scheint nun darin zu bestehen, Linksextremismus und Rechtsextremismus gleichzusetzen;
({0})
denn das tun Sie seit mehreren Wochen immer wieder.
Diese Gleichsetzung weise ich entschieden zurück. Sie
ist eine Bagatellisierung dessen, was in diesem Land geschieht. Denn seit 1990 sind bereits mehr als 130 Menschen von Rechtsextremen ermordet worden.
({1})
Ich fordere Sie auf, die Gleichsetzung von Links- und
Rechtsextremismus zu unterlassen.
({2})
Herr Schäuble, möchten Sie erwidern?
Nein.
Dann erteile ich als nächstem Redner dem Kollegen
Ernst Burgbacher von der FDP-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Werter Herr Innenminister Schäuble, es ist die Pflicht
des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger und für die
Sicherheit des Landes zu sorgen. Da Sie der Bundesinnenminister sind, ist das natürlich vor allem Ihre
Pflicht. Die FDP haben Sie dabei an Ihrer Seite. Wenn es
um Freiheit und Sicherheit geht, dann gilt - das ist völlig klar -: Ohne Sicherheit ist Freiheit nicht möglich.
Auch deshalb verfolgen wir alle gemeinsam das Interesse, die Sicherheit unserer Bürger zu gewährleisten.
Auf diesem Gebiet haben Sie unsere Unterstützung.
({0})
Zwischen Freiheit und Sicherheit existiert aber zweifellos auch ein Konfliktfeld. Daher müssen wir uns bei
allen Maßnahmen, die wir treffen, fragen: Inwiefern führen sie zu einer Einschränkung der persönlichen Freiheit? Inwiefern greifen wir dadurch in die Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger ein? Wenn wir
diese Fragen beantworten, müssen wir sehr wachsam
sein. Wenn jedesmal nach einem Vorfall Aktionismus
einsetzt und schnell neue Gesetze auf den Weg gebracht
werden sollen, dann können Sie sich allerdings genauso
sicher sein, dass wir kritische Fragen stellen werden.
({1})
Ich möchte das in der Kürze der mir zur Verfügung
stehenden Zeit an wenigen Beispielen deutlich machen.
Ihr Vorgänger, Herr Minister, hat damals das Luftsicherheitsgesetz auf den Weg gebracht, als Antwort auf den
11. September, aber vor allem auf den Vorgang von
Frankfurt. Eine Regelung, die damit eingeführt und zunächst kaum beachtet wurde, war die Zuverlässigkeitsüberprüfung von Piloten - eine völlig überzogene
Maßnahme, jetzt noch im jährlichen oder zweijährlichen
Turnus abzulegen. In einer Empfehlung der Ausschüsse
des Bundesrates kann man lesen - wörtlich, ich zitiere -:
Nach einhelliger Expertenmeinung gehen die größten Gefahren von den Privatfliegern aus.
Das ist ein Affront gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe und ist durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt.
({2})
Genauso könnten Sie alle PKW-Fahrer nehmen! Das
wissen wir doch alle.
({3})
Deshalb sage ich deutlich: Lassen wir diesen Unsinn
endlich bleiben! Ich weiß, Herr Minister, Sie unterstützen mich dabei, wenigstens zu einem fünfjährigen Turnus überzugehen. Ich bitte Sie wirklich: Überprüfen wir
das Ganze noch einmal! Denn das Verrückte daran ist ja:
Alle, die im Ausland ihren Flugschein machen, können
fliegen, wie sie wollen, und brauchen überhaupt keine
Überprüfung. Da stimmt doch etwas nicht bei dem Ganzen!
({4})
Zweites Beispiel: Wir erlauben den Amerikanern, relativ wahllos auf die Daten der Flugpassagiere zuzugreifen; das hat Rot-Grün damals eingeführt. Wir haben
jetzt ein Interimsabkommen, das in keiner Weise den
deutschen Datenschutzvorschriften und den entsprechenden Ansprüchen gerecht wird. Lieber Herr Innenminister, wir stehen vor der deutschen Ratspräsidentschaft. Ich bitte Sie: Nutzen Sie jetzt die deutsche
Ratspräsidentschaft für ein Abkommen, das unseren Datenschutzansprüchen entspricht! Dann unterstützen wir
Sie. Wenn Sie das wie bisher nicht tun, sondern eigentlich ohne jeden Widerstand das akzeptieren, was irgendjemand bei der EU mit den Amerikanern aushandelt,
treffen Sie auf unseren Widerstand.
({5})
Diese Daten werden übrigens nicht nur zur Terrorismusbekämpfung benutzt, sondern auch zur knallharten
Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Sie können
Internetseiten finden, auf denen amerikanische Firmen
einem anbieten, über seine Konkurrenten Informationen
zu liefern, darüber, wohin die überall liefern. Basis dafür
sind die Daten aus der Terrorismusbekämpfung. Dadurch bekommt das Ganze noch eine ganz andere Dimension. Ich bin gespannt, welche Antwort wir auf unsere entsprechende Anfrage bekommen. Es kann nicht
sein, dass die Terrorismusbekämpfung dazu missbraucht
wird, unseren Firmen Nachteile zu bescheren. Dagegen
wehren wir uns.
({6})
Wenn wir schon den Terrorismus bekämpfen wollen,
dann sollten wir das dort tun, wo es sinnvoll ist. Es kann
nicht sein, dass wir fast das einzige Land sind, wo noch
analog gefunkt wird, dass wir es bis heute nicht geschafft haben, den Digitalfunk einzuführen. Das wären
Maßnahmen, die helfen, die unsere Sicherheit verbessern. Das sollte man angehen und da ist die Regierung in
der Pflicht.
Aristoteles sagte einmal:
Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht
ein Sklave.
Ich nehme das sehr ernst. Ich sage: Hüten wir uns davor,
auf dem Altar vermeintlicher Sicherheit immer mehr
Freiheitsrechte zu opfern! Dort, wo es sinnvoll ist, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen - ja, aber unter
Wahrung der Rechte des Einzelnen und unter Wahrung
des Datenschutzes! Dafür wird die FDP auch künftig
Garant sein.
({7})
Herzlichen Dank.
({8})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gabriele Fograscher
von der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt, so
das Fazit des Sicherheitsberichts, den die Bundesregierung vor kurzem vorgestellt hat. Dafür haben vorangegangene Regierungen und Abgeordnete gearbeitet und
dafür arbeitet auch diese Koalition. In einer sich verändernden Welt, Herr Korte, Herr Wieland, wäre es geradezu fahrlässig und verantwortungslos, in der Sicherheitspolitik statisch zu bleiben.
({0})
Natürlich müssen wir auf veränderte Sicherheitslagen reagieren und unsere Instrumente immer wieder überprüfen und anpassen.
({1})
Dass es keine konkreten Bedrohungsszenarien gibt, ist
Ihr Wunschdenken; denn in den letzten Jahren gab es sowohl international als auch in Deutschland die Gefahr
terroristischer Anschläge.
({2})
Darauf muss man reagieren. Das tun wir auch. Frau
Piltz, wir peitschen aber keine Gesetze durch, sondern
beraten verantwortungsvoll und kommen dabei zu guten
Ergebnissen.
({3})
Das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger wird aber auch durch die Alltagskriminalität geprägt, nämlich durch Diebstahl, Betrug und Gewaltverbrechen. Besonders besorgt zeigen sich die Menschen
laut Sicherheitsbericht über die Gewalt an Kindern.
Auch hier müssen wir nicht nur wegen der aktuellen
Fälle wirksame und vor allen Dingen präventive Maßnahmen ergreifen.
Dass Deutschland ein sicheres Land ist, hat auch die
fantastische Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland
gezeigt. Das nationale Sicherheitskonzept hat sich bewährt. Die gute Zusammenarbeit auch mit den Sicherheitsbehörden anderer Länder hat dabei eine wichtige
Rolle gespielt. Deutschland hat international gezeigt,
dass wir ein guter Gastgeber sind. Auch die Bundeswehr
hat auf der Grundlage der geltenden Gesetze ihren Beitrag geleistet. Vor allen Dingen aber haben die Länderpolizeien und die Bundespolizei in beeindruckender
Weise bewiesen, dass sie auch mit solch komplexen Sicherheitssituationen in Deutschland fertig werden können.
Auch das Technische Hilfswerk hat während der
Fußball-WM eine gute Arbeit geleistet. Bei zahlreichen
Unglücks- und Katastrophenfällen im In- und Ausland
leistet das THW anerkannte und kompetente Hilfe. Deshalb ist besonders hervorzuheben, dass es trotz der angespannten Haushaltslage gelungen ist, die Mittel für das
THW im Haushalt um über 300 000 Euro aufzustocken.
Es ist natürlich auch den Berichterstattern im Haushaltsausschuss zu verdanken, dass insbesondere die Jugendarbeit und die ehrenamtliche Arbeit, die im THW geleistet werden, verstärkt werden können.
({4})
Unser Einsatz für die innere Sicherheit spiegelt sich
im Einzelplan 06 wider. Rund 3 Milliarden Euro bzw.
67 Prozent des gesamten Einzelplans werden für den
Sicherheitsbereich ausgegeben. Damit hat die innere
Sicherheit richtigerweise eine herausragende Bedeutung
im Haushalt des BMI.
Von der Bedrohung durch den internationalen Terror ist Deutschland nicht verschont geblieben. Wir haben das heute schon mehrfach angesprochen. Herr
Korte, es war in der Tat nicht nur irgendein Bedrohungsszenario, sondern es war großes Glück, dass die Bomben, mit denen Kofferbombenattentate verübt werden
sollten, nicht explodiert sind. Es ist richtig, dass das BMI
das zusätzliche Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit aufgelegt hat und dass der Haushaltsausschuss
die Mittel hierfür freigibt. Mit diesem Programm werden
das operative und das einsatz- und ermittlungsunterstützende Instrumentarium des Bundeskriminalamtes, der
Bundespolizei, des Bundesverfassungsschutzes und des
Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik ausgebaut.
Frau Piltz, wenn auch Sie das für richtig und notwendig halten, dann kann ich Ihre Kritik nur als kleinlich bezeichnen.
({5})
Herr Wieland, Klasse statt Masse gilt nicht nur für die
Menschen, die in den Sicherheitsbehörden arbeiten, sondern das muss auch für die Ausrüstung und die technischen Möglichkeiten gelten, die wir diesen Menschen
zur Verfügung stellen.
({6})
Immer bedeutender für die innere Sicherheit ist es und
wird es auch in Zukunft sein, die Sicherheit in der Informations- und Kommunikationstechnik zu gewährleisten. Im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung investiert das BMI jährlich circa 20 Millionen Euro
zur Entwicklung von Präventionstechnologien für die
Abwehr neuartiger Angriffe im Internet und für die Sicherung des Datenaustausches. Von diesen Mitteln werden auch die Länder und vor allen Dingen die Wirtschaft
profitieren. Deshalb müssen sie die vom Bund eingesetzten Mittel durch eigene Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen ergänzen.
Die Sicherheit in unserem Land wird nicht nur von
außen durch Terrorismus bedroht, sondern ist auch eine
Sache des Inneren. Damit meine ich jegliche Form von
Extremismus. Frau Merkel hat in ihrer Haushaltsrede
von null Toleranz für Intolerante gesprochen. Das ist sicherlich zu unterstützen, aber der Rechtsextremismus
bleibt die größte Herausforderung, der sich alle Demokratinnen und Demokraten stellen müssen. Wir dürfen
nicht den Fehler begehen, den Rechtsextremismus mit
dem Linksextremismus oder anderen Formen von Extremismus gleichzusetzen. Was die Qualität und Quantität
angeht, ist der Rechtsextremismus die größte Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.
({7})
Zum einen geht es um repressive Maßnahmen, die wir
schon in der vergangenen Legislaturperiode ergriffen haben, wie das Verbotsverfahren gegen verfassungsfeindliche Organisationen, die Verschärfung des Versamm6674
lungsrechts oder die Veränderungen im Strafrecht. Auch
hierbei dürfen wir uns nicht auf dem Status quo ausruhen.
Wir müssen immer wieder überprüfen, ob die gesetzlichen Möglichkeiten gegen rechtsextremistisch motivierte
Straftäter konsequent genug sind und auch konsequent
angewendet werden.
Zum anderen müssen wir vor allem die präventiven
Maßnahmen verstärken. Auch wenn es nicht zum
Haushalt des BMI gehört, ist es zu begrüßen, dass die
Mittel für das Programm „Jugend für Vielfalt, Toleranz
und Demokratie“ um 5 Millionen Euro aufgestockt worden sind, sodass die mobilen Beratungsteams und die
Opferberatung ihre Arbeit fortsetzen können.
Auch im Haushalt des BMI gibt es Möglichkeiten, die
Prävention gegen Extremismus weiter zu verstärken. In
diesem Zusammenhang ist vor allem das Bündnis für
Demokratie und Toleranz zu nennen, das sich gegen Extremismus und Gewalt engagiert und dem sich seit seiner
Gründung 2001 circa 1 300 Gruppen und Initiativen angeschlossen haben.
Mit dem bereits erwähnten Wettbewerb „Aktiv für
Demokratie und Toleranz“ werden diese vorbildlichen
Projekte gesammelt, ausgezeichnet und - auch das ist
sehr wichtig - zur Nachahmung empfohlen. Darunter
gibt es sehr ermutigende Beiträge. Am VictorKlemperer-Jugendwettbewerb zum Beispiel beteiligen
sich viele Schulen. Das gilt es zu unterstützen.
Dieses gesellschaftliche und ehrenamtliche Engagement verdient unsere besondere Wertschätzung und deshalb ist es gut, dass die Mittel für das Bündnis für Demokratie und Toleranz auf 1 Million Euro aufgestockt
werden.
({8})
Als Mitglied des Beirates dieses Bündnisses bitte ich,
eine bessere personelle Ausstattung der Geschäftsstelle
in Erwägung zu ziehen, damit das Bündnis seine Aufgabe noch besser erfüllen kann und in der Öffentlichkeit
künftig deutlicher wahrgenommen wird.
({9})
Öffentliche Sicherheit wird von Menschen gewährleistet, auch unter Gefährdung des eigenen Lebens. Deshalb möchte ich an dieser Stelle sowohl der Bundespolizei als auch den Länderpolizeien und den anderen
Sicherheitsbehörden für ihren Einsatz danken.
({10})
Für die Polizei spielen Einsätze im Ausland eine immer größere Rolle. In Krisenregionen wie Afghanistan
oder auf dem Balkan unterstützen deutsche Polizeibeamte die Kräfte vor Ort und bilden diese aus. Neben der
militärischen Befriedung in den Krisengebieten ist der
Aufbau einer funktionierenden Sicherheitsstruktur für
eine langfristige Stabilität in diesen Regionen unverzichtbar. Deshalb halte ich es für angezeigt, dass analog
der Unterrichtung des Parlaments durch die Bundesregierung über die Auslandseinsätze der Bundeswehr das
Parlament und damit die Öffentlichkeit auch regelmäßig
über die Auslandseinsätze der Polizeikräfte unterrichtet
werden.
({11})
Ich komme zum Schluss. Der Haushalt des Bundesinnenministeriums setzt richtigerweise den Schwerpunkt
auf die innere Sicherheit. Er wird den veränderten Herausforderungen gerecht. Trotz aller Bemühungen kann
es nie hundertprozentige Sicherheit geben. Wir bemühen
uns aber darum, mit den im Haushalt gesetzten Schwerpunkten dem Spannungsfeld zwischen den bürgerlichen
Freiheitsrechten und den Sicherheitsbedürfnissen gerecht
zu werden.
Herzlichen Dank.
({12})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau von der
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
beginne mit dem Rechtsextremismus. Er nimmt zu, und
zwar nicht nur in seiner organisierten Form, etwa der
NPD. Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus gibt es vielmehr alltäglich inmitten der Gesellschaft, und das in Ost und West. Deshalb war es geradezu absurd, den Versuch zu unternehmen, die Mittel für
die Initiativen zu kürzen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Toleranz engagieren.
Zum Glück wurde das verhindert. Nun wurden für 2007
sogar 5 Millionen Euro mehr eingeplant als 2006. Das
hat die Linke immer gefordert. Aber das wäre ohne das
Engagement der SPD nicht möglich gewesen. Das
möchte ich hier ausdrücklich würdigen.
({0})
Allerdings ist das kein Grund, Entwarnung zu geben;
denn noch immer gibt es bewährte und unverzichtbare
Initiativen der Zivilgesellschaft, die nicht gesichert sind
und die um ihre Zukunft bangen. Es ist unsere Zukunft
und unsere Demokratie. Deshalb werden wir diese Debatte fortführen müssen.
Stark angestiegen ist die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straf- und Gewalttaten. Verglichen mit 2004
gibt es inzwischen 50 Prozent mehr erfasste Fälle. Anders gesagt: Im statistischen Bundesschnitt werden
stündlich zweieinhalb Straftaten und jeden Tag zweieinhalb rechtsextrem motivierte Gewalttaten registriert. Die
realen Zahlen sind weit höher. Dementsprechend ist
auch die Zahl der Opfer rechtsextremistischer Gewalt
höher. Das heißt, Rechtsextremismus ist hierzulande
längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben. Darüber
kann auch eine bunte Fußballweltmeisterschaft nicht
hinwegtäuschen. In aller Ernsthaftigkeit, Herr BundesPetra Pau
innenminister - bitte hören Sie zu! -: Dieses Problem
haben wir gemeinsam. Diese Entwicklung bedroht unsere Demokratie sowie Leib und Leben von Menschen in
unserem Land. Aber Sie schaffen dieses Problem nicht
mit abstrusen Gleichsetzungen oder der Behauptung,
dass diese Entwicklung aus einer Verabredung verfeindeter Gruppen resultiere, aus der Welt.
({1})
Die Linke hat den Vorschlag in die Debatte eingebracht, eine unabhängige Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nach EUVorbild einzurichten. Wir haben dazu konkrete Finanzierungsvorschläge unterbreitet. Allerdings haben SPD und
Union das abgelehnt. Sie haben stattdessen das Geld den
deutschen Geheimdiensten zugeschlagen. Die Linke hält
das für falsch und obendrein für sehr kurzsichtig.
({2})
Das meine ich auch mit Blick auf eine aktuelle Debatte. Die SPD bzw. Teile der SPD wollen das Verbotsverfahren gegen die NPD neu auflegen und dafür eigens die rechtlichen Hürden senken. Vor einer solchen
Lex NPD kann ich nur warnen. Man vergreift sich nicht
ungestraft an rechtlichen Fundamenten. Die Linke wird
etwas anderes beantragen, nämlich dass die V-Leute der
Polizei und des Verfassungsschutzes zurückgezogen
werden; denn das erste NPD-Verbotsverfahren ist nicht
am Bundesverfassungsgericht gescheitert, sondern an
der V-Leute-Praxis der Innenminister.
({3})
Um nachzuweisen, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist, braucht man wahrlich keine V-Leute. Sie
stören mehr, als sie jemals in einem solchen Verfahren
nutzen könnten. Auch deshalb sage ich: Das Geld wäre
bei einer zivilen, unabhängigen Beobachtungsstelle besser aufgehoben als bei den Geheimdiensten.
Nun ein Wort zur Föderalismusreform. Die große
Koalition feiert sie als die Reform des Jahrhunderts. Die
parteipolitische Blockade zwischen Bundesrat und Bundestag sei aufgelöst. Die Bürgerinnen und Bürger könnten wieder durchblicken, wer was verantwortet. So weit,
vielleicht so gut. Tatsächlich ist etwas anderes passiert.
Das Solidarprinzip wurde aufgekündigt. Das Bundesverfassungsgericht hat das in seinem Urteil zur Berliner
Haushaltsnotlage noch bekräftigt. Es besagt im Kern:
Was interessiert uns fremdes Elend; jeder ist sich selbst
der Nächste. - Das ist schlimm. Diese gefeierte Föderalismusreform ist ein Rückfall in die Kleinstaaterei im
Bildungswesen, im Strafvollzug und im Beamtenrecht.
Auch die erhoffte Transparenz wird wohl nicht fruchten.
Die Armen in den armen Bundesländern werden noch
ärmer werden. Und nicht nur die Armen: Selbst die Beamtinnen und Beamten werden zum Spielball landespolitischer Kassenlagen und parteipolitischer Gelüste. Ich
gebe zu, ich hätte mir nie vorgestellt, dass ausgerechnet
ich hier zur Anwältin des Beamtentums werde, aber die
unsoziale große Koalition zwingt mich dazu. Die Zeit
verbietet es mir, über die aktuellen Gesetzesvorhaben zu
reden. Auch hier haben wir einen ganz großen Debattenbedarf.
({4})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl
von der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Auch Deutschland ist im Visier des internationalen Terrorismus. In Dortmund und in Koblenz
sind Kofferbombenattentate fehlgeschlagen. Was in
Frankfurt am Flughafen geplant war, werden die weiteren Ermittlungen zeigen. Die Frage ist also nicht mehr,
ob sich Attentate auch in Deutschland ereignen werden,
sondern, wann und wo in Deutschland ein solches Attentat passieren wird. Die Angriffe der Terroristen richten
sich nicht gegen militärische Ziele; sie richten sich gegen die wirtschaftlichen Strukturen und gegen die Psyche der Menschen in unseren westlichen Gesellschaften.
Sie wollen Angst und Schrecken einjagen. Sie benutzen
das Internet, um die Effekte ihrer Anschläge und ihrer
politischen Botschaften zu verstärken. Das heißt, die
westlichen Gesellschaften stehen vor der großen Herausforderung, wie sie mit dieser asymmetrischen Bedrohungslage umgehen, und müssen neue Strukturen im
Kampf gegen den internationalen Terrorismus entwickeln. Das wird die Aufgabe der nächsten Jahre und
Jahrzehnte sein.
Das heißt, wir müssen eine neue Sicherheitsarchitektur entwickeln. Davon ist keine Sicherheitsbehörde
ausgenommen. Auf die Bundespolizei ist der Minister
schon eingegangen. Der Wegfall der östlichen Schengengrenze zu Polen und zu Tschechien steht bevor. An
die Stelle der Kontrollen an diesen Grenzen werden
Kontrollen an weiter östlich gelegenen Grenzen treten.
Es handelt sich um die Grenze zu Weißrussland und der
Ukraine, die 2 400 Kilometer lang ist. Das ist zunächst
einmal kein Sicherheitsgewinn, sondern möglicherweise ein Sicherheitsverlust. Das heißt, die Bundespolizei muss ihre verdachtsunabhängigen Kontrollen im Inland verstärken, sie muss sich neu organisieren und sie
muss dorthin gehen, wo die Menschen sind, wo die Verkehrsknotenpunkte sind und wo die Drehscheiben des
internationalen Warenverkehrs sind. Kontrolle muss auf
den Autobahnen, an den Flughäfen und den Bahnhöfen
stattfinden.
Natürlich ist es verständlich, dass die Beamten der
Bundespolizei und ihre Familien in diesen Veränderungen eine gewisse Bedrohung ihrer privaten Lebenssphäre sehen. Wir müssen versuchen, darauf Rücksicht
zu nehmen, soweit man darauf Rücksicht nehmen kann.
Letztlich handelt es sich aber um Bundesbeamte, die
versetzungsbereit sein müssen.
Die Sicherheitsbehörden, aber auch die Nachrichtendienste müssen in die Lage versetzt werden, durch optimale Vernetzung aller verfügbaren Informationen bereits
im Vorfeld Anschläge zu erkennen und vor ihnen zu
warnen. Die Antiterrordatei - das ist bereits gesagt
worden - dient diesem Zweck. Wir haben eine Anhörung gehabt. In dieser Anhörung wurde auch das berühmte Trennungsgebot behandelt. Professor Badura
hatte Recht, als er sagte, dass das Verfassungsrecht kein
Trennungsgebot enthält. Es gibt ein verfassungsrechtliches Trennungsgebot weder für die Organisation der
Zentralstellen noch für den Informationsbestand bei den
Nachrichtendiensten einerseits und bei den Sicherheitsbehörden andererseits.
({0})
- Herr Wieland, das Antiterrordateigesetz wird noch in
diesem Jahr vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet. Es wäre unverantwortlich, noch längere Zeit
verstreichen zu lassen.
({1})
Wir brauchen funktionierende Nachrichtendienste,
auch wenn es der PDS nicht gefällt. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 haben wir ein Terrorismusbekämpfungsgesetz auf den Weg gebracht. Dieses wurde
evaluiert. Es hat sich als maßvoll und richtig erwiesen.
Kleinere Verbesserungen und Ergänzungen sind erfolgt.
({2})
Das heißt, wir werden mithilfe dieser Verbesserungen in
der Lage sein, alle Formen verfassungsfeindlicher und
extremistischer Strömungen zu überwachen. Wir müssen
alles tun, um den islamistischen Hasspredigern das
Handwerk zu legen.
({3})
Auch wenn Rechtsextremisten zu Gewalt gegen Ausländer, gegen Juden, gegen Homosexuelle oder gar gegen Behinderte aufrufen, muss der Verfassungsschutz in
der Lage sein, uns hiervor frühzeitig zu warnen, damit
wir die Strukturen dieser Rechtsextremisten erkennen
können.
Zum Umbau unserer Sicherheitsarchitektur gehört
aber auch die Antwort auf die Frage, welchen Beitrag
die Bundeswehr in Zukunft im Inneren zu leisten hat.
({4})
Wir werden um eine Änderung des Grundgesetzes nicht
herumkommen und wir werden sehen, dass dieses Problem mit erweiterter Amtshilfe nicht zu lösen sein wird.
({5})
Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Programm zur
Stärkung der inneren Sicherheit. 132 Millionen Euro
werden im Haushalt des Bundesministeriums des Innern
für die nächsten drei Jahre bereitgestellt. Das ist eine gewaltige Leistung. Eine Vielzahl von kleinen Maßnahmen
werden damit finanziert, bis hin zur Internetrecherche
und Überwachung von Bahnanlagen.
Ein wesentliches Ziel muss es sein, bestehende Strukturen lokaler terroristischer Netzwerke auszutrocknen,
das heißt, wir müssen bei Radikalisierungstendenzen
junger Deutscher und Ausländer frühzeitig einschreiten
können. Der Integrationsgipfel und die Islamkonferenz
waren hoffnungsvolle Schritte in die richtige Richtung.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sind
jetzt parteiübergreifend sehr viel weiter als noch vor wenigen Jahren. Wir sind alle zusammen der Auffassung,
dass Integration natürlich zur Voraussetzung hat, die
deutsche Sprache in Deutschland zu lernen. Wer zu uns
kommt, muss zuvor die deutsche Sprache erlernt haben,
weil nur so Integration gelingen kann.
Deshalb ist es sehr irritierend, wenn uns die Nachricht
erreicht, dass gerade unlängst, vor wenigen Tagen, der
Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland,
Kenan Kolat, sich in „Hürriyet“ zu einer ganz unsäglichen Aktion versteigt. Er hat - reagierend auf die Zusage
Erdogans an die Bundeskanzlerin, dass uns die Türkei
dabei helfen will, dass Türken, die zu uns kommen, vorher in der Türkei Deutsch lernen; die türkische Regierung wollte dieses sogar bezahlen - an Herrn Erdogan
einen Brief geschrieben, in dem er ihn dringend darum
bittet, dies ja nicht zu tun. Dieses sei eine der größten
Bosheiten gegenüber unseren hier lebenden türkischen
Menschen, sagt er.
Das ist eine völlig unverständliche Haltung. Dieses
integrationsfeindliche Verhalten von Herrn Kolat - ich
hoffe, dass er nicht für die türkische Bevölkerung in ihrer Mehrheit spricht - müssen wir in aller Entschiedenheit zurückweisen.
({6})
Wir haben die Einlader- und Warndatei jetzt auf den
Weg zu bringen. Wir wollten seit Jahren, dass die Europäische Union das tut. Das war auch geplant, es ist jedoch an dem derzeitigen Europäischen Parlament gescheitert. Wir müssen also national eine Einlader- und
Warndatei zügig auf den Weg bringen.
Ein Wort noch zum Visa-Untersuchungsausschuss.
Man kann die Meinung vertreten, dass Untersuchungsausschüsse nie etwas gebracht haben. Bei diesem Ausschuss ist das anders.
Herr Kollege Uhl, erlauben Sie eine Zwischenfrage
von der Kollegin Dagdelen von der Fraktion Die Linke?
Bitte nicht.
Sie wollen nicht.
Danke nein, ich möchte zum Ende kommen.
Der Visa-Untersuchungsausschuss hat schon Veränderungen in den „Problembotschaften“ gebracht und es
wird noch weitere Verbesserungen geben. Wir werden
das Thema demnächst in den Ausschüssen behandeln.
Es zeigt sich, dass bei der Visavergabe - sie ist ein sehr
schwieriges Geschäft - eine Verbesserung eingetreten
ist. Es war gut, dass der Visa-Untersuchungsausschuss
die Dinge im Detail beleuchtet hat.
Es wird bei uns ab 2007 neue Pässe mit biometrischen Daten geben. Damit werden wir ein Höchstmaß
an Fälschungssicherheit erreichen. Das heißt, Pässe können nicht mehr so leicht gefälscht werden und es kann
dank der biometrischen Daten viel besser überprüft werden, ob ein Passinhaber mit der im Passdokument beschriebenen Person identisch ist.
Mit unserer modernen Technik werden wir Vorreiter
sein; Deutschland wird die modernsten und die sichersten Pässe haben. Biometrische Daten werden wir nicht
nur bei den Reisepässen verwenden; vielmehr werden
wir auch Personalausweise, Visa und Aufenthaltstitel für
in Deutschland lebende Menschen mit biometrischen
Merkmalen versehen. Damit sind wir an der Spitze des
Fortschritts. Es ist auch für den Industriestandort
Deutschland sehr wertvoll; denn die weltweite Entwicklung geht in diese Richtung. Wir zeigen uns als ein innovatives Land.
Die Innenminister der Länder haben folgendes Problem - das ist schon zweimal angesprochen worden -:
Es gibt rund 200 000 Menschen in Deutschland, die
zwar ausreisepflichtig sind, aber nicht ausgewiesen werden konnten. Es ist zum Teil mit Häme kommentiert
worden, dass wir diese schwierige Situation noch nicht
haben bewältigen können. Herr Wieland, Sie haben
selbst gesagt, dass man in den sieben Jahren rot-grüner
Regierung versucht habe, dieses Problem zu lösen.
({0})
Das sei aber nicht gelungen. Ich bin überzeugt: Wir werden eine vernünftige Lösung für dieses Problem finden.
Das ganze Thema ist ungeheuer schwierig. Wir wollen den Grundsatz aufgeben, dass sich der Aufenthaltsstatus von Menschen, die das Land eigentlich verlassen
müssen, durch Arbeit nicht verfestigt. Unsere Botschaft
ist, dass Menschen, die seit vielen Jahren hier sind, die
abgeschoben werden müssten, aber nicht abgeschoben
werden können, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen
müssen. Diese Menschen sollen hier nicht jahrelang von
Sozialhilfe leben.
({1})
Es gilt, einen Zielkonflikt zu lösen. Die Ausgangslage
ist schwierig: Schädliche Wirkungen nach innen - es
gibt fast 5 Millionen Arbeitslose - und nach außen im
Sinne eines Pull-Effektes müssen vermieden werden.
Wir werden das Ergebnis unserer Arbeit hoffentlich bald
vorzeigen können.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss.
Anlässlich von Haushaltsberatungen ist es ein guter
Brauch, zu danken. Ich danke den Mitarbeitern des Bundesministeriums des Innern mit allen nachgeordneten
Behörden. Sie arbeiten außergewöhnlich gut und sehr
engagiert. Ich danke aber auch demjenigen, der dieses
Ministerium führt, Herrn Minister Schäuble.
Danke schön.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Detlef Parr von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen
Sie mich gegen Ende der Debatte zwei Appelle an unseren Sportminister richten. Herr Dr. Schäuble, die FDPFraktion begrüßt den deutlichen Schulterschluss von
Sport und Staat bei der Dopingbekämpfung. Die Vorschläge der Rechtskommission, der Aktionsplan des
DOSB, andere Gutachten und die Anhörungen im Bundestag sollten jetzt endlich zu einem Gesetzentwurf führen. Wir haben genug diskutiert. Jetzt muss politisch entschieden werden.
({0})
Es muss auch Schluss sein mit dem missionarischen Eifer, mit dem diese Fragen teilweise diskutiert werden.
Das schadet nur der Sache.
In der Zielrichtung sind wir uns fraktionsübergreifend
weitgehend einig. Aber, sehr geehrter Herr Minister,
bitte, bleiben Sie bei Ihrem Grundsatz: Kein Gesetz gegen die Autonomie des Sports, keine Einschränkung der
Sportgerichtsbarkeit! Lassen Sie das Strafrecht und die
Besitzstrafbarkeit bei Athleten außen vor! Die Aufstockung der Mittel für die Dopinganalytik und die Stärkung der Arbeit der NADA mit verschärften Kontrollen
ist, wie im Haushalt nachlesbar, der bessere Weg.
({1})
Das schärfste Schwert setzt man nur als Ultima Ratio ein
und an diesem Punkt sind wir noch lange nicht.
Meine zweite Bitte: Herr Minister, machen Sie all Ihren Einfluss auf die Ministerpräsidenten geltend! Diese
sind gerade dabei, durch ein voreiliges Festhalten am
staatlichen Monopol der Sportwetten die finanzielle
Förderung von Gemeinwohlbelangen, insbesondere des
Sports, zu gefährden. Was ich hier zeige, ist nach einer
Ifo-Studie die Umsatzentwicklung von Oddset der letzten sechs Jahre. Die Tendenz ist dramatisch sinkend.
Diesen Trend werden wir auch nach den Auflagen des
Bundesverfassungsgerichts wohl kaum stoppen können.
Wir brauchen einen neuen Staatsvertrag, der staatlichen und privaten Anbietern gleiche Chancen einräumt,
aber auch gleiche Pflichten abverlangt, auch was die
Werbung und die Suchtbekämpfung angeht. Entsprechende Steuer- und Konzessionsmodelle liegen mittlerweile auf dem Tisch.
Ich möchte Sie bitten, Herr Minister: Nutzen Sie die
EU-Ratspräsidentschaft, um Vorreiter für eine europakonforme Neuordnung des Sportwettenmarkts zu sein!
Es gibt Vertragsverletzungsverfahren der Kommission
gegen immerhin zehn europäische Länder. Setzen Sie
das Thema zum Beispiel auf die Tagesordnung des
Sportdirektorentreffens im Februar in Deutschland und
der informellen Sportministerkonferenz im März 2007!
Denken Sie gemeinsam mit uns über eine Abkopplung
der Sportwetten vom Glücksspielmarkt nach, wie wir sie
aus Großbritannien und aus Österreich kennen!
Wir müssen die Sportförderung mindestens im heutigen Ausmaß sichern. Dazu bedarf es eines mutigen
Schrittes nach vorn.
Herzlichen Dank.
({2})
Als letztem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich
das Wort dem Kollegen Martin Gerster von der SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich mit einer Vorbemerkung zum Wortbeitrag vom Kollegen Detlef Parr beginnen. Ich kann für
die SPD-Fraktion hier klar sagen, dass wir nicht dabei
mitmachen werden, wenn es darum geht, unter dem Feigenblatt „Autonomie des Sports“ dopende Sportler zu
schützen.
({0})
Es kann nicht sein, dass Sportlerinnen und Sportler sowie Trainerinnen und Trainer diejenigen betrügen, die
letztlich fair im Sport aktiv sind, sowie die Zuschauer
betrügen, die Medien betrügen und auch die Wettbewerber betrügen. Deswegen sage ich ein klares Nein zu dem,
was Sie an dieser Stelle ausgeführt haben, werter Detlef
Parr.
({1})
Hier wurde die Bitte an den Herrn Bundesminister
des Innern geäußert, sich für eine völlige Liberalisierung
des Sportwettenmarktes stark zu machen.
({2})
Auch dazu kann man klar sagen, werter Detlef Parr: Die
FDP hätte ja die Möglichkeit, über die Länder, dort also,
wo sie mit in der Regierungsverantwortung ist, entsprechende Initiativen zu starten. Bei der letzten Debatte hier
wurde uns versprochen: Sie werden noch sehen, dass die
FDP über die Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder auch Niedersachsen entsprechend Druck machen wird. - Nichts ist passiert. Insofern kann ich eine Bitte an Detlef Parr zurückgeben:
Zeigen Sie uns doch einmal die Initiativen der FDP über
die Länderregierungen dazu, dass wir nicht weiter am
Staatsmonopol für Sportwetten festhalten sollen! - Leider ist da nichts vorhanden.
({3})
Wenn wir heute über den Etat des Bundesinnenministeriums reden, dann kann ich nur sagen: Prima, sehr gut,
dass wir nicht nur über den sehr wichtigen Themenbereich der inneren Sicherheit sprechen, sondern auch
- das wurde in vielen Wortbeiträgen deutlich - über das
wichtige Thema der Integration. Das hat für unsere Gesellschaft und die Zukunft unseres Landes eine große
Tragweite. Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen dies. Jeder fünfte Einwohner bzw. jede fünfte
Einwohnerin in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Bei den unter 25-Jährigen verfügt sogar jeder
vierte oder jede vierte über einen Migrationshintergrund.
Aus meiner Sicht muss man attestieren, dass Integration bei uns teilweise sehr gut gelingt, dass es aber auch
erhebliche Defizite gibt. Defizite kann man feststellen,
wenn man sich beispielsweise anschaut, wie die Situation in den Schulen ist. Gerade in unserem gegliederten
Schulsystem stellen wir fest, dass Schülerinnen und
Schüler mit Migrationshintergrund zu einem Drittel in
der Hauptschule oder in der Förderschule zu finden sind,
während es bei den Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund gerade einmal 16 Prozent sind. Wir
stellen insbesondere fest, dass von Jahr zu Jahr immer
weniger junge Leute mit Migrationshintergrund Ausbildungsplätze bekommen. Wir stellen auch fest, dass sich
Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer tun. - Das sind einige Fakten,
die belegen, dass gerade im Bereich der Integration noch
sehr viel zu tun ist.
Vorhin wurde vom Kollegen Wieland gesagt, Herr
Grindel und Herr Uhl hätten sich in den letzten Jahren so
stark gewandelt,
({4})
positiv gewandelt. Es hatte sich bei Ihnen ein wenig
rechthaberisch angehört.
({5})
Seien wir doch froh, dass richtige Entwicklungen erkannt werden und auch das Umsteuern einer großen
Volkspartei bei wichtigen Fragen möglich ist.
({6})
Überlegen wir uns einmal, welche Entwicklung die
Union von der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und dem anfänglichen Nein zum wichtigen Zuwanderungsgesetz durchgemacht hat. Nun hören wir
vom Bundesinnenminister Schäuble Äußerungen wie
beispielsweise folgende, die in der Tageszeitung „Die
Welt“ am 30. Oktober dieses Jahres zu lesen war:
Wir haben eben lange nicht gesehen, dass der Islam
ein Teil von uns ist. Das bedeutet auch, dass die
Muslime hier heimisch werden müssen, und das
nicht nur als Lippenbekenntnis.
Ich glaube, das ist eine wichtige Einsicht, Herr Minister
Schäuble. Ich hoffe nur, dass alle diejenigen, die bei unserem Koalitionspartner in den Ländern oder auch in den
Kommunen Verantwortung tragen, dies so sehen, wie
Sie es in dem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“
dargestellt haben.
({7})
Das Ziel jeder Integrationspolitik muss, wie ich
glaube, die volle gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund sein. Es muss faire
Chancen für alle in unserem Land geben: in den Wohnquartieren, in den Stadtteilen, auf dem Arbeitsmarkt und
beim Zugang zu Ausbildungsplätzen, aber auch in den
Kindergärten, Schulen, Seniorenheimen, Vereinen - das
THW wurde vorhin schon angesprochen - und bei den
Feuerwehren. Ich war kürzlich in Baden-Württemberg
bei einer Veranstaltung der Feuerwehren. Da wurde klar
bemängelt, dass viel zu wenig Jugendliche mit Migrationshintergrund zu den Hilfsdiensten kommen und sich
daran beteiligen. Ich glaube, hier müssen wir mehr Beteiligung einfordern; zugleich müssen wir sie aber auch
mehr fördern.
({8})
An der Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft kann
man, wie ich glaube, ablesen, wie stark sie letztendlich
ist. Der Schlüssel für Integration ist die Sprache. Die Beherrschung der Sprache ist Grundlage für das Gelingen
von Integration. Ein wesentlicher Baustein, um das zu
erreichen, sind die Integrationskurse. Ich habe mich
sehr gewundert, dass von der Fraktion Die Linke kein
einziges Wort zu diesem Thema gesagt wurde, obwohl
sie doch wochen- und monatelang permanent, fast schon
notorisch und gebetsmühlenartig, den Finger in die offene Wunde, die durch die Kürzung der Mittel entstanden ist, gelegt hat.
({9})
Ich plädiere dafür, die Ergebnisse der gerade laufenden
Evaluation abzuwarten, die Anfang 2007 vorgelegt werden. Dann sollten wir konkret diskutieren, wie wir im
Bereich der Integrationskurse Verbesserungen erzielen
können.
Anfang dieser Woche habe ich in der „Stuttgarter Zeitung“ einen Artikel gelesen mit der Überschrift „Viele
Plätze in Deutschkursen bleiben leer“. Das Problem ist
also nicht, dass der Bund zu wenig Geld bereitstellen
würde. Das Problem ist vielmehr, dass die Behörden zu
wenig darauf achten, dass die Leute diese Integrationskurse auch wahrnehmen bzw. sie zu wenig animieren.
Wir sollten also vorrangig darüber sprechen, dass vorhandene Möglichkeiten nicht genutzt werden, und nicht
einfach populistisch den Antrag stellen, mehr Mittel bereitzustellen.
Als Grundlage für die Diskussion im Innenausschuss
zu Beginn des Jahres 2007 sollten die Vorschläge der Integrationsbeauftragten Frau Böhmer dienen. Dabei sollte
über eine Erhöhung der Unterrichtseinheiten von 600 auf
900 gesprochen werden. - Es freut mich, Herr Grindel,
dass Sie schon zustimmend nicken.
Es geht auch um eine Erhöhung der Vergütung der
Honorarkräfte und um eine stärkere Differenzierung bei
den Kursteilnehmern. Außerdem geht es - so meine ich,
nach Besuchen vor Ort feststellen zu können - um eine
bessere Abstimmung der Träger untereinander, damit
nicht der eine Träger gegen den anderen ausgespielt
wird, nach dem Motto: Wir haben das beste Discountangebot; bei uns gibt es denselben Kurs ein bisschen günstiger. - Ich denke, wir sind da auf dem richtigen Weg.
Wir sollten uns für das erste Halbjahr 2007 vornehmen,
das anzupacken und deutliche Verbesserungen zugunsten aller zu erreichen.
({10})
Gerade bei diesem Thema erhoffe ich mir auch deutliche Signale und gute Vorschläge vom Integrationsgipfel
und aus dem Bereich Sport. Die Bundesregierung unternimmt einiges, um Integration durch Sport zu ermöglichen. Wir haben beispielsweise im Etat des Bundesinnenministeriums 5 Millionen Euro für ein Projekt des
DOSB eingestellt. Ich denke, da sind wir auf dem richtigen Weg. Irgendwann könnte das vielleicht noch mehr
sein; denn aus meiner Sicht hat der Sport die Kraft, Integration zu leisten. Angesichts der vielen Menschen, die
im Sport engagiert sind, glaube ich, dass hier noch erhebliches Potenzial vorhanden ist, das es abzurufen gilt.
Die Sportvereine bitten regelrecht darum, dass man sie
bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützt.
({11})
Als letzter Redner der Debatte darf ich mich an dieser
Stelle ganz herzlich für die faire Debatte und bei den
Vertretern des Ministeriums für die gute Zusammenarbeit in der letzten Zeit in Haushaltsfragen, aber auch anderen Fachfragen bedanken. Ebenso darf ich mich bei
den Haushälterinnen und Haushältern bedanken, die in
den letzten Tagen und Wochen stark gefordert waren. In6680
sofern ganz herzlichen Dank! Ich bitte zum Abschluss
der Debatte um einen Beifall für die Damen und Herren
des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden für
ihre wichtige Arbeit.
Danke schön.
({12})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der
Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsan-
träge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zunächst
abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
16/3469? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Än-
derungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei
Zustimmung der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
16/3470? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Än-
derungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der Frak-
tion Die Linke und Enthaltung von Bündnis 90/Die
Grünen abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den
Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der Aus-
schussfassung. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? -
Enthaltungen? - Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Opposi-
tionsfraktionen angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte III a bis h sowie
die Zusatzpunkte 1 a bis 1 d auf:
III a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 2007
({0})
- Drucksache 16/3437 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der
Wissenschaft
- Drucksache 16/3438 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung ({2})
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald
Leibrecht, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für eine zügige Umstellung auf Budgetierung
beim Goethe-Institut
- Drucksache 16/2090 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({3})
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Werner Hoyer, Jürgen Koppelin, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Den Auswärtigen Dienst für die Aufgaben der
Diplomatie des 21. Jahrhunderts stärken
- Drucksache 16/3018 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({4})
Innenausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich ({5}), Jan Mücke, Patrick Döring,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Beleuchtete Dachwerbeträger auf Taxen zulas-
sen
- Drucksache 16/3050 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Anna
Lührmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Erhaltungsrückstand bei Bundesfernstraßen
beenden
- Drucksache 16/3141 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({6})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
g) Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation „ALTHEA“ zur weiteren Stabilisierung
des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung der
Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung sowie an dem NATO-Hauptquartier
Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage
der Resolutionen des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen 1575 ({7}) vom
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
22. November 2004, 1639 ({8}) vom 21. November 2005 und 1722 ({9}) vom 21. November 2006
- Drucksache 16/3521 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({10})
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
h) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD
UN-Resolution 1325 - Frauen, Frieden und Sicherheit - konsequent umsetzen
- Drucksache 16/3501 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({11})
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
ZP 1 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter
Gauweiler, Monika Grütters, Eckart von Klaeden,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Monika
Griefahn, Petra Hinz ({12}), Lothar Mark, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Stärkung des Goethe-Instituts durch neues
Konzept
- Drucksache 16/3502 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({13})
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Grietje
Bettin, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN
Verbraucher beim Telemediengesetz nicht
übergehen
- Drucksache 16/3499 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({14})
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck ({15}), Rainder Steenblock, Volker
Beck ({16}), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Eine europäische Perspektive für das Kosovo
- Drucksache 16/3520 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({17})
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der
Steuervergünstigungen für die Jahre 2003 bis
2006 ({18})
- Drucksache 16/1020 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss ({19})
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 16/3501 zu
Tagesordnungspunkt III h mit dem nun lautenden Titel
„UN-Resolution 1325 - Frauen, Frieden und Sicherheit konsequent umsetzen“ soll zur Federführung an den
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss,
den Innenausschuss, den Verteidigungsausschuss, den
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung überwiesen werden. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte IV a bis IV k auf.
Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen,
zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt IV a:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Übereinkommen
Nr. 170 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1990 über Sicherheit bei der
Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit
- Drucksache 16/2227 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({20})
- Drucksache 16/3347 Berichterstattung:
Abgeordneter Wolfgang Grotthaus
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt auf
Drucksache 16/3347, den Gesetzentwurf anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt IV b:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Partnerschafts- und
Kooperationsabkommen vom 11. Oktober
2004 zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und
ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Tadschikistan andererseits
- Drucksache 16/1621 Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({21})
- Drucksache 16/3352 Berichterstattung:
Abgeordnete Karl-Georg Wellmann
Johannes Jung ({22})
Harald Leibrecht
Dr. Norman Paech
Marieluise Beck ({23})
Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt auf Drucksache
16/3352, den Gesetzentwurf anzunehmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit
den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Wir kommen nun zu den Beschlussempfehlungen des
Petitionsausschusses.
Tagesordnungspunkt IV c:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({24})
Sammelübersicht 126 zu Petitionen
- Drucksache 16/3331 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 126 ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt IV d:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({25})
Sammelübersicht 127 zu Petitionen
- Drucksache 16/3332 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 127 ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt IV e:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({26})
Sammelübersicht 128 zu Petitionen
- Drucksache 16/3333 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 128 ist mit den Stimmen aller
Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke
angenommen.
Tagesordnungspunkt IV f:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({27})
Sammelübersicht 129 zu Petitionen
- Drucksache 16/3334 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 129 ist wiederum einstimmig
angenommen.
Tagesordnungspunkt IV g:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({28})
Sammelübersicht 130 zu Petitionen
- Drucksache 16/3335 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 130 ist mit den Stimmen aller
Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke
angenommen.
Tagesordnungspunkt IV h:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({29})
Sammelübersicht 131 zu Petitionen
- Drucksache 16/3336 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 131 ist mit den Stimmen aller
Fraktionen bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion angenommen.
Tagesordnungspunkt IV i:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({30})
Sammelübersicht 132 zu Petitionen
- Drucksache 16/3337 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 132 ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die
Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt IV j:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({31})
Sammelübersicht 133 zu Petitionen
- Drucksache 16/3338 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 133 ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Tagesordnungspunkt IV k:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({32})
Sammelübersicht 134 zu Petitionen
- Drucksache 16/3339 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 134 ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.14 auf:
Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung
- Drucksachen 16/3112, 16/3123 Berichterstattung:
Abgeordnete Roland Claus
Norbert Königshofen
Dr. Claudia Winterstein
Zu dem Einzelplan liegen drei Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der
SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Die Linke sowie der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor,
über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Zeit von zwei Stunden vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Dr. Claudia Winterstein von
der FDP-Fraktion.
({33})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Minister, ich kann Ihre Zufriedenheit über
den Verkehrshaushalt überhaupt nicht teilen.
({0})
Er bleibt hinter allen Erwartungen zurück, insbesondere
bei den Investitionen. Die Investitionen liegen niedriger
als im Haushalt 2005 und auch niedriger als im Haushalt
2006.
Sie behaupten, Sie würden zusätzliche Investitionen
in die Verkehrsinfrastruktur vornehmen. Das stimmt
nicht.
({1})
Ihre Unverfrorenheit, Herr Minister, liegt darin, dass Sie
uns und auch die Öffentlichkeit mit Zahlenspielereien in
die Irre führen wollen.
({2})
Richtig ist vielmehr: Für die drei Verkehrsträger Straße,
Schiene und Wasserstraße sah der erste schwarz-rote
Haushalt für 2006 schon viel zu geringe 9 Milliarden
Euro vor. Im Haushalt 2007 sind es letztlich nur noch
blamable 8,9 Milliarden Euro.
({3})
Zur Begründung Ihrer Behauptung, zusätzliche Investitionen vorzunehmen, führen Sie Vergleiche mit der
völlig veralteten mittelfristigen Finanzplanung von 2005
an, die von Rot-Grün nicht einmal mehr beschlossen
worden ist.
({4})
Würden Sie als Vergleich die Finanzplanung von 2006,
für die Sie verantwortlich sind, heranziehen, dann könnten Sie nicht mehr von zusätzlichen Investitionen sprechen. Ihre Argumentation, Herr Tiefensee, ist bewusst irreführend.
({5})
Im Jahr 2007 wird vor allem bei den Bundesfernstraßen weniger investiert. Waren es in 2005 noch
5,3 Milliarden Euro, so sind es im Haushalt 2006 nur
4,9 Milliarden Euro. In dem vorliegenden Haushaltsentwurf werden die Investitionen sogar auf 4,7 Milliarden
Euro gesenkt.
An diesen Zahlen wird deutlich: 2007 wiederholt sich
der Skandal um die Maut. Schwarz-Rot setzt den Mautbetrug von Rot-Grün nahtlos und ungebremst fort.
({6})
Hier wiederholt sich das, was wir aus den vergangenen
Jahren kennen; denn es war ja, wie Sie wissen, vereinbart, die Mittel aus der Maut zusätzlich in den Verkehr
fließen zu lassen.
({7})
Das hätte im Jahr 2007 ein Mehr von 3,1 Milliarden
Euro bedeutet. Das hätten wir weiß Gott gut gebrauchen
können. So aber werden diese Mittel letztendlich im
Haushalt verfrühstückt.
Hinzu kommt: Obwohl die Mauteinnahmen im Jahr
2007 um rund 360 Millionen Euro höher ausfallen als im
Jahr 2006, senken Sie die Investitionen in die Straße
weiter um 251 Millionen Euro. Ihr Mautbetrug ist ein
unglaublicher Skandal; das kann man nicht oft genug
wiederholen.
({8})
In der mittelfristigen Finanzplanung zeigt die Investitionskurve für die Bundesfernstraßen weiter nach unten.
2007 sind es 4,6 Milliarden Euro, 2010 nur 4,47 Milliarden Euro. Die einzige Beständigkeit in Ihrer Politik ist:
Die Investitionen werden weniger.
({9})
Dieser schwarz-rote Haushalt geht vollends am Bedarf vorbei. Sie liegen mit Ihren Investitionen nicht nur
weit unter den Forderungen der Pällmann-Kommission.
Auch mit der Mittelausstattung für 2006 lassen sich die
laufenden Maßnahmen nur mühsam bedienen.
Sehr geehrter Herr Minister, in Ihrer Antrittsrede als
Verkehrsminister haben Sie uns die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Investitionen versprochen. Stattdessen kürzen Sie nun die Investitionen immer weiter. Wie
wollen Sie damit eigentlich Arbeitsplätze schaffen? Sie
stehen vielmehr der Schaffung von Arbeitsplätzen im
Wege.
({10})
Die FDP setzt sich dafür ein, dass die Investitionsmittel in vertretbarer Weise angehoben und zugleich Kürzungen durch mehr Effizienz im Verwaltungsbereich ermöglicht werden. Wir haben Ihnen in diesem Jahr
wieder ein liberales Sparbuch vorgelegt, das Sparvorschläge auch für den Verkehrs- und Baubereich beinhaltet. Sparen ließe sich beispielsweise bei verschiedenen
Programmen, mit denen sich der Verkehrsminister
schmückt. Das hat schon fast Tradition: Was für Herrn
Stolpe die Mobilitätsoffensive war, das sind für Herrn
Tiefensee Programme wie „Innovative Mobilitätskonzepte“ und „Initiative Metaplattform für Verkehrsinformationen“ sowie der Masterplan „Güterverkehr und Logistik“. Am Ende bleibt nur eines: Es wird viel Geld für
externe Gutachten ausgegeben, welche meist wirkungslos in der Schublade verschwinden.
({11})
Seinen Zweck hat das Projekt für den Minister allerdings
erfüllt: die PR, der Minister handele besonders zukunftsorientiert und visionär. In Wirklichkeit geschieht gar
nichts: Außer Spesen nichts gewesen.
({12})
Die Mitarbeiter der Verwaltung sind weitgehend damit
beschäftigt, Sachverständigengutachten zu lesen, anstatt
die bestehenden Probleme selbst zu lösen.
Nun zum Thema Schiene. Die unzureichenden Investitionen ziehen schon heute gravierende Probleme nach
sich. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat
unlängst erklärt: Wenn die Entwicklung der insgesamt
sinkenden Investitionen anhält, dann laufen wir auf einen Stau auf der Schiene zu. - Die Auslastung der
Schiene in Deutschland hat sich seit 1995 um 68 Prozent
erhöht. Allein um die Qualität des Bahnverkehrs zu erhalten, wären jährliche Investitionen in die Schiene in
Höhe von 5 Milliarden Euro notwendig. Tatsächlich investieren Sie lediglich 3,5 Milliarden Euro.
In einem Entschließungsantrag haben wir Ihnen einen
Weg für die Finanzierung der Schienenwege aufgezeigt.
Durch die Umstellung der Finanzierung der Schienenwege im Bestandsnetz von verlorenen Baukostenzuschüssen auf zinslose Darlehen könnten nach Berechnungen
des Bundesrechnungshofs jährlich 750 Millionen Euro
an zusätzlichen Investitionsmitteln zur Verfügung stehen.
({13})
Mit Blick auf die Privatisierung der Deutschen Bahn AG
haben Darlehen anstelle von Baukostenzuschüssen den
Vorteil, dass die Mittel nicht anteilig auch das Vermögen
der privaten Investoren erhöhen, sondern die Vermögenssubstanz dieser Investitionshilfen allein beim Staat
verbleibt. Folgen Sie also den Anregungen des Bundesrechnungshofs und stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu, meine Damen und Herren von der Koalition!
Zum Thema „Privatisierung der Bahn“. Bei der
Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn gibt es an sich
nichts Neues. Es gibt insofern nichts Neues, als Sie,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Union,
mal wieder vor der SPD eingeknickt sind. Was Sie hier
als Kompromiss präsentieren, ist nichts weiter als
ein etwas verbrämtes Eigentumssicherungsmodell à la
Tiefensee, welches die CDU immer abgelehnt hat. Sie
versuchen, ähnlich wie bei der Gesundheitsreform, zwei
Dinge zu vereinen, die derart gegensätzlich sind, dass Ihr
Vorhaben nur misslingen kann. Das mag vielleicht den
Koalitionsfrieden retten; für das Gemeinwohl ist es aber
der denkbar schlechteste Weg.
({14})
Wir haben uns klar für eine ehrliche Privatisierung
ohne die Schiene ausgesprochen. Dadurch entsteht mehr
Wettbewerb und wir verschleudern nicht das über Jahrzehnte aufgebaute Gleisnetz für einen symbolischen Betrag.
Als Resümee zu diesem Haushaltsentwurf kann man
nur feststellen: Sie haben nichts dazugelernt; Sie marschieren weiterhin in die falsche Richtung. Schlagen Sie
endlich den richtigen Weg ein, um die Standortbedingungen für Deutschland zu verbessern!
Vielen Dank.
({15})
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaas Hübner von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich den beteiligten Mitberichterstattern im Haushaltsausschuss zu diesem Einzelplan
ganz herzlich für die sehr sachlichen und konstruktiven
Beratungen danken, die wir seit der Sommerpause
geführt haben. Mein Dank gilt ebenso dem Ministerium,
Ihnen, Herr Minister, vor allen Dingen aber Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns in unserer Arbeit
tatkräftig unterstützt haben.
({0})
Sie wissen, dass Peer Steinbrück diesen Haushalt in
einen Dreiklang stellt: Konsolidieren, Reformieren und
Investieren. Bei diesem Einzelplan spielt der letzte
Punkt eine herausragende Rolle; denn es ist der größte
Investitionshaushalt des Bundeshaushalts. Wir haben
die Mittel sogar weiter erhöht. Im Rahmen der Beratungen im Haushaltsausschuss haben wir in diesem Etat für
Investitionen 200 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt.
({1})
Das zeigt, dass diese Regierung nicht nur fiskalisch handelt und blind spart, sondern einen Ausgleich sucht. Wir
brauchen auf der einen Seite die Konsolidierung; die Absenkung der Neuverschuldung ist notwendig.
({2})
Auf der anderen Seite stützen wir im nächsten Jahr die
Konjunktur mit entsprechenden Investitionen - nicht mit
Konsumtionen -, und zwar überall dort, wo das möglich
und sinnvoll ist. Insofern sind wir, was diesen Einzelplan
betrifft, auf einem sehr guten Weg.
({3})
Ich komme zu einem anderen Sachverhalt, über den
wir stark diskutiert haben. Der Finanzminister hat gemeinsam mit der großen Koalition eine Blaupause vorgelegt, was die Unternehmensteuerreform anbelangt.
Zwischen der Unternehmensteuerreform und diesem
Etat besteht ein Zusammenhang; vielleicht ist er gar
nicht auffällig. Wir haben geplant, mit der Unternehmensteuerreform den durchschnittlichen Steuersatz für Kapitalgesellschaften auf knapp unter 30 Prozent zu senken.
Momentan sind wir mit knapp 39 Prozent Schlusslicht;
mit knapp unter 30 Prozent lägen wir im Mittelfeld. Die
Tatsache, dass wir die Steuern nicht noch weiter absenken müssen, dass wir uns nicht auf einen Wettbewerb
um die niedrigsten Steuern einlassen müssen, hat vor allen Dingen damit zu tun, dass wir in Deutschland über
eine hervorragende Infrastruktur verfügen. Dieser Etat
ist Ausdruck dessen, dass wir diese Infrastruktur erhalten wollen. Mit der Senkung der Steuersätze für Kapitalgesellschaften auf knapp unter 30 Prozent gelingt es
uns, ins europäische Mittelfeld aufzurücken; im Wettbewerb um den attraktivsten Wirtschaftsstandort erlangt
Deutschland aber einen Spitzenplatz.
({4})
Wie Sie wissen, haben wir die Verkehrsinvestitionen
für die Jahre 2006 bis 2009 bereits um 4,3 Milliarden
Euro verstärkt. Wir haben das Investitionsvolumen diesmal noch einmal angehoben. Für die Jahre 2007 bis 2009
stehen für die drei Verkehrsträger Schiene, Straße und
Wasserstraße insgesamt fast 9 Milliarden Euro dauerhaft
sicher zur Verfügung.
Wir haben uns überlegt, ein Lückenschlussprogramm
zu initiieren, weil wir mit den zusätzlichen Investitionen
einen Impuls geben wollen. Wir wollen die Sicherheit
haben, dass das Geld auch im kommenden Jahr volkswirtschaftlich nachfragewirksam eingesetzt werden
kann, und gleichzeitig sicherstellen, damit konkrete Probleme der Menschen vor Ort zu lösen. Wir haben daher
ein Lückenschluss- und Staubeseitigungsprogramm
mit einem Gesamtvolumen von 420 Millionen Euro aufgelegt, von denen 165 Millionen Euro für 2007 veranschlagt sind.
({5})
Ich nenne Ihnen zwei Beispiele. Bei der A 1 Gerolstein-Anschlussstelle Kelberg werden wir einen Lückenschluss vornehmen. Dieses Teilstück ist Bestandteil
des Neubaus der A 1 zwischen Blankenheim und dem
Autobahndreieck der Vulkaneifel. Der Lückenschluss
der A 1 dient der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur der Eifel und bindet die Region an den
Ballungsraum Rhein-Ruhr an. Außerdem werden die
A 61 zwischen Köln und Koblenz sowie die Bundesstraße 51 zwischen Blankenheim und Trier deutlich entlastet. Durch das Lückenschlussprogramm sind der Weiterbau der Strecke von Gerolstein bis zur Anschlussstelle
Kelberg und damit die Gesamtstrecke gesichert.
Ein Beispiel für die Staubeseitigung ist die A 3 im
Raum Würzburg. Wer öfter auf der A 3 im Raum Würzburg unterwegs ist, kennt das Problem wahrscheinlich
zur Genüge. Zwischen dem Autobahndreieck WürzburgWest und der Anschlussstelle Heidingsfeld sind Staus an
der Tagesordnung.
({6})
Um dieses Problems Herr zu werden, hat der sechsstreifige Ausbau des rund 8 Kilometer langen Abschnitts absoluten Vorrang. Der Haushaltsausschuss hat daher die
dafür notwendigen Mittel bereitgestellt und damit Priorität auf die Staubeseitigung gelegt. - Bei der Auswahl
haben wir solche Projekte bevorzugt, bei denen die baurechtliche Genehmigung vorliegt oder in Kürze zu erwarten ist, um sicherzustellen, dass wir diese Investitionen auch wirklich in 2007 tätigen können.
Frau Winterstein, Sie haben gerade die Höhe der Investitionen beklagt. Wir haben im Haushaltsausschuss
vorgeschlagen, die Investitionen im Einzelplan 12 um
insgesamt 200 Millionen Euro zu erhöhen, und das mit
der Mehrheit der Koalition durchgesetzt.
({7})
Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie der Erhöhung
von Investitionen im Haushaltsausschuss nicht zugestimmt haben, hier aber sagen, wir sollten mehr tun. Das
ist das Gegenteil von einer konsequenten Haushaltspolitik, meine Damen und Herren von der FDP.
({8})
Sie haben auch die LKW-Maut angesprochen. Das
Mautsystem - das sei an dieser Stelle noch einmal gesagt arbeitet seit seinem Start im vergangenen Jahr ohne Probleme. Alle drei Systeme zur Bezahlung - On Board Units,
Internet und Mautterminals - stellen ihre Funktions- und
Leistungsfähigkeit tagtäglich unter Beweis. Die Beanstandungsquote von weniger als 2 Prozent bestätigt die
Effektivität der Kontrolle. Außerdem sind in diesem Jahr
die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen worden, auch Ausweichstrecken im Bundesstraßennetz
bemauten zu können. Hiermit ist - ich wiederhole das - ein
zentrales Reformprojekt der Verkehrspolitik erfolgreich
umgesetzt worden.
({9})
- Kollege Fischer, Sie sagen zu Recht, dass es unter
Schmerzen geboren wurde.
Bei dieser Gelegenheit spreche ich rückblickend ein
ausdrückliches Lob an die damals Verantwortlichen aus.
Wie einfach wäre es gewesen, einen kurzfristigen politischen Profit daraus zu schlagen, als die Probleme auftraten - sie wurden übrigens von der Industrie verursacht
und nicht von der Politik -,
({10})
populistischen Forderungen zu folgen und das Projekt
sterben zu lassen? Das hat die Regierung damals nicht
getan. Sie ist beharrlich geblieben. Sie hat Beständigkeit
bewiesen. Sie hat das langfristige Projekt trotz der
Schwierigkeiten nicht aufgegeben. Darum haben wir
heute ein sehr erfolgreich arbeitendes System.
An die Adresse nicht nur, aber vor allen Dingen der
Manager, die damals am Desaster zu Beginn dieses Projekts beteiligt waren, sage ich: Es ist manchmal ganz gut,
mit seiner Politik nicht nur auf kurzfristige Erfolge abzuzielen, nicht nur Quartalsberichte im Auge zu haben,
sondern auch das langfristige Wohl einer Maßnahme
oder einer Unternehmung eines Staates zu berücksichtigen. Hier kann Politik durchaus auch als Vorbild für die
Managementetagen in diesem Land dienen.
({11})
Nach erfolgreicher Einführung der LKW-Maut liegt
unser Augenmerk nun auf der Umsetzung von Harmonisierungsmaßnahmen zur Entlastung des deutschen Güterkraftverkehrgewerbes.
({12})
Im Hinblick auf die Wettbewerbsbedingungen im europäischen Güterkraftverkehr hatte der Bund dem Speditionsgewerbe im Mai 2003 ein Harmonisierungsvolumen in Höhe von 600 Millionen Euro zugesagt. Zurzeit
wird dieses Harmonisierungsvolumen allein durch die
Absenkung des durchschnittlichen Mautsatzes von 15
auf 12,4 Cent pro Kilometer erreicht. Diese Absenkung
kommt wohlgemerkt allen LKWs auf unseren Straßen
zugute, egal ob sie in Deutschland angemeldet sind oder
aus dem Ausland kommen.
({13})
Die Bundesregierung hat daher vor kurzem zwei
Maßnahmen zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen bei der EU-Kommission zur Notifizierung
angemeldet.
({14})
Ein Baustein ist die Senkung der Kfz-Steuer für schwere
Nutzfahrzeuge in einem Gesamtvolumen von rund
150 Millionen Euro. Der zweite Baustein ist ein Innovationsförderprogramm für umweltfreundliche LKW mit
einem Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro. Das haben wir so in den Bundeshaushalt eingebracht. Die Finanzierung dieser rund 250 Millionen Euro für die Harmonisierung soll durch eine entsprechende sukzessive
Anhebung der Mauteinnahmen erfolgen. Uns, der großen Koalition, ist wichtig - das sage ich auch in Richtung Regierung -, dass wir die Erhöhung der Mautsätze
nur vornehmen, wenn es für das deutsche Speditionsgewerbe eine EU-rechtlich gesicherte Entlastung in entsprechender Höhe gibt. Das erwarten wir so von der
Bundesregierung.
({15})
Zum Thema Forschung und Entwicklung. Das Innovationsförderprogramm für umweltfreundliche LKW
ist ein Beispiel von vielen. Aus dem 6-Milliarden-EuroSonderprogramm der Bundesregierung für Forschung
und Entwicklung erhält das Verkehrsministerium in den
Jahren 2006 bis 2010 jährlich je 50 Millionen Euro.
Unter anderem wird daraus das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie finanziert. Unsere Industrie, unsere Mobilität und unsere Wohnungen brauchen zunehmend eine
saubere und sichere - das bedeutet im Übrigen auch eine
unabhängige - Energieversorgung. Wir müssen die Abhängigkeit vom Öl reduzieren. Wasserstoff als Energieträger ist ein Energielieferant der Zukunft. Es ist richtig,
dass wir die Forschungsmittel hierfür in diesem Etat,
Herr Minister, verstärkt haben.
({16})
Noch ein Wort zur Bahn. Wir haben uns in der großen
Koalition darauf geeinigt, ein Eckpunktepapier zu beschließen und dem Deutschen Bundestag vorzulegen, in
dem das Bundesministerium aufgefordert wird, ein entsprechendes Privatisierungsgesetz vorzulegen. Wir haben darin festgelegt, dass die Privatisierung noch in
dieser Legislaturperiode erfolgen soll. Es gibt ein klares
Bekenntnis der großen Koalition zur Teilprivatisierung
der Deutschen Bahn. Das, was wir im Koalitionsvertrag
vereinbart haben, findet hier noch einmal ausdrücklich
seinen Niederschlag.
Die Infrastrukturverantwortung des Bundes muss
umfassend gesichert werden. Private Investoren werden
nicht an den Infrastrukturunternehmen beteiligt. Das ist
ein Punkt, der uns sehr wichtig ist. Darüber hinaus soll
die DB AG die Möglichkeit erhalten, die entsprechenden
Infrastrukturen bei sich zu bilanzieren. Denn bei der Suche nach einem privaten Investor ist eine gewisse Kontinuität beim Trackrecord wichtig.
({17})
Allein dadurch, dass wir eine Endschaftsregelung
treffen, machen wir klar, dass die Infrastrukturunternehmen am Ende der Laufzeit an den Bund fallen und somit
Eigentum des Bundes sind. Ich denke, dass wir ein gutes
Papier vorgelegt haben. Zentraler Punkt dieses Papiers
ist die so genannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. In der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung verpflichtet sich der Bund langfristig zur ausreichenden Finanzierung und die Bahn verpflichtet sich zur
umfassenden Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur.
({18})
Um Vereinbarungen über die zukünftige Qualität des
Netzes treffen zu können, muss man den Status quo genauestens kennen.
({19})
Deswegen hat der Haushaltsausschuss in eigener Regie
einen Leertitel eingerichtet, damit der Bund die Erstellung eines Netzzustandsberichts in Auftrag geben
kann. Der bislang vorliegende Netzzustandsbericht ist
lediglich eine inventarmäßige Darstellung des Netzzustandes, die allein auf den Angaben der Deutschen Bahn
AG beruht.
({20})
Aussagekräftige Informationen über den aktuellen Netzzustand und eine Prognose der Entwicklung sind daher,
zumindest für den Eigentümer, nur eingeschränkt möglich.
({21})
Mit der Ausbringung eines neuen Titels im Einzelplan 12 soll ein Datenbank- und Auswertungssystem
beschafft werden, das auf der Grundlage regelmäßiger
Messfahrten über das Streckennetz seine aktuelle Qualität und die Entwicklung seiner Qualität erfasst und auswertet.
({22})
Dieses Datenbank- und Auswertungssystem wird momentan schon von der Niederländischen Eisenbahn erfolgreich eingesetzt. Unser Ziel ist, dafür zu sorgen,
nicht darauf angewiesen zu sein, wie unser Auftragnehmer - derjenige, der das Netz bewirtschaftet - die Frage
beantwortet, ob das Geld sinnvoll eingesetzt wird oder
nicht. Wir wollen selbst ein Instrument in die Hand bekommen - das muss auch in Ihrem Sinne sein -, um jedes Jahr prüfen zu können, ob die Bahn die Gelder entsprechend der Vorgaben eingesetzt hat oder nicht. Dafür
haben wir im Rahmen dieser Haushaltsberatungen gesorgt. Das ist ein sehr positiver Aspekt.
Dass wir einen unabhängigen Netzzustandsbericht im
Hinblick auf die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung brauchen, habe ich schon gesagt. Darüber hinaus
haben wir aber nicht nur Verbesserungen auf der Strecke
vorgenommen, sondern wir haben auch neben der Strecke etwas getan.
Herr Kollege Hübner, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Menzner von der Fraktion Die Linke?
Sehr gerne.
Bitte schön.
Herr Kollege Hübner, Sie haben zu Recht auf den
erstmalig gefassten Beschluss hingewiesen, dass die
Bahn kapitalprivatisiert werden soll. Stimmen Sie mit
mir darin überein - dazu haben Sie sich nämlich nicht
geäußert -, dass im Entschließungsantrag festgelegt ist,
in welcher Höhe staatliche Mittel auf lange Sicht an die
Bahn fließen sollen? Diese Zahl müsste doch auch hier
zur Diskussion gestellt werden. 2,5 Milliarden Euro
jährlich für eine Dauer von 10 Jahren sind schließlich
ein sehr beachtlicher Betrag. Wie bewerten Sie als Mitglied des Haushaltsausschusses diese Regelung?
Sehr geehrte Frau Kollegin, das wird nicht im Privatisierungsgesetz geregelt, sondern in der Leistungs- und
Finanzierungsvereinbarung. Dort soll dieser Betrag festgeschrieben werden. Die Verhandlungen zwischen den
Vertretern des Ministeriums und denen der Bahn laufen
noch. Es gibt Bestrebungen, diesen Betrag möglicherweise degressiv anzusetzen.
({0})
Aber durch diese 2,5 Milliarden Euro wird auf der einen
Seite im Hinblick auf unseren Haushalt für Planungssicherheit gesorgt, dass wir darüber hinaus nicht weiter in
Anspruch genommen werden. Auf der anderen Seite bekommt dadurch auch die Bahn die Planungssicherheit,
dieses Geld entsprechend verwenden zu können. Ich
denke, dass dadurch für beide Seiten Planungssicherheit
und Kontinuität gewährleistet werden. Darum bewerte
ich diese Vereinbarung als sehr positiv, Frau Kollegin.
({1})
Ich komme auf die Verbesserungen zurück, die wir
neben der Strecke durchgeführt haben. Zunächst zur
Lärmsanierung. Sie wissen, dass viele von uns in ihren
Wahlkreisen immer wieder sehr viel mit dem Thema
Lärm zu tun haben. Das ist schon allein deshalb der Fall,
weil es in der Tat, was wir ja wollen, zu einem Zuwachs
des Verkehrs auf der Schiene gekommen ist, vor allem
im Gütertransportbereich. Das ist zum Teil mit Lärmbelästigungen für die Anlieger verbunden.
Deswegen haben wir die Mittel für diesen Bereich bereits im Haushalt für das Jahr 2006 um 50 Prozent, von
50 Millionen Euro auf 75 Millionen Euro, erhöht. Diesen Weg wollen wir nun weitergehen. Im Rahmen der
Haushaltsberatungen haben wir diesen Titel auf 100 Millionen Euro erhöht. Das ist ein deutliches Signal an die
Bürgerinnen und Bürger, dass wir ihre Ängste sehr ernst
nehmen. Wir haben die für den Titel zur Lärmsanierung
zur Verfügung gestellten Mittel binnen zwei Jahren verdoppelt. Ich denke, das zeigt, dass die Koalition die Bedürfnisse und Wünsche der Bürger kennt und etwas
Richtiges und Wichtiges tut.
({2})
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen besonderen Bereich eingehen, der, wie es scheint, zunächst
einmal gar nichts mit diesem Einzelplan zu tun hat. Im
Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir die Mittel
für den Titel GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ um 50 Millionen Euro erhöht. Dieser
Titel ist beim Wirtschaftsminister etatisiert. Warum ist es
trotzdem interessant, das hier zu erwähnen? Sechs Siebtel dieses Etats sind festgeschrieben für die neuen Bundesländer. Da Minister Tiefensee nicht nur der Minister
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist, sondern vor
allem für den Aufbau Ost,
({3})
ist es wichtig, das hier zu erwähnen. Mit diesem Titel ist
es möglich, Investitionen gerade von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu fördern. Es ist der zielgenaueste Wirtschaftsfördertitel für die neuen Bundesländer. Dass wir hier eine Aufstockung vorgenommen
haben, zeigt sehr deutlich, wie wichtig wir es nehmen,
dass die neuen Bundesländer in ihrem Aufholprozess
fortschreiten. Wir haben an dieser Stelle unsere Hausaufgaben gemacht. Ich glaube, dieser Etat ist ein guter Baustein zur Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland und
({4})
zur Bekräftigung der momentanen positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Daher werden wir diesem Etat zustimmen. Ich kann Ihnen das Gleiche nur anempfehlen.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus von der
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Bundesminister, lassen Sie mich nach der
alten Rednerweisheit verfahren: lobend beginnen, kritisch ausführen, optimistisch enden. Der Etat enthält
zweifelsohne den Ansatz eines echten Infrastrukturministeriums. Wenngleich wir inhaltlich vieles anders sehen, ist er strukturell gut sortiert. Ihr Problem, Herr Minister, ist: Man lässt Sie in Ihrem Kabinett nicht
Infrastrukturminister sein. Ich will auch nicht verhehlen,
dass wir eine ganze Reihe der Positionen in diesem Etat
unterstützen. Wir haben die Ableitung des Programms
„Stadtumbau West“ aus den Erfahrungen des Programms „Stadtumbau Ost“ und das Gebäudesanierungsprogramm mit eigenen Anträgen zum vergangenen und
zu diesem Haushalt auch etwas forciert. Dennoch trägt
er die Handschrift der falschen Logik, die da heißt: Vor
den Aufschwung haben die Götter den Beton gesetzt.
({0})
Ich will nun einige kritische Anmerkungen machen,
beginnend mit dem Thema, das mein Vorredner als letztes behandelt hat: So wenig Osten, Herr Bundesminister,
war noch nie.
({1})
Wir haben gestern eine Bundeskanzlerin gehört, die es in
einer ausführlichen Erklärung geschafft hat, nicht ein
einziges Mal auf die Belange der neuen Bundesländer
einzugehen. Auch bei Ihnen, Herr Minister Tiefensee,
erkennt man, wenn man etwas genauer hinschaut, wo die
Probleme liegen.
({2})
In Ihrer Rede zum Stand der deutschen Einheit haben Sie
sehr wohl und differenziert eine ganze Reihe von Problemen angesprochen. Doch wenn ich das mit dem vergleiche, was Sie hier vor nicht allzu langer Zeit zur Einbringung des Haushaltes gesagt haben, muss ich sagen:
Fehlanzeige, wenn es um Geld für die neuen Bundesländer geht. Die Probleme, Herr Minister, lassen sich halt
nicht weglächeln.
Mein Vorredner hat hier erklärt, bei der Gemeinschaftsaufgabe sei ein Stückchen nachgebessert worden.
Zur Wahrheit gehört jedoch, zu sagen, dass die GA-Mittel vorher in einer Größenordnung von 15 Prozent stark
abgesenkt worden sind. Das trifft die neuen Bundesländer in erheblichem Maße.
({3})
- Die Relationen, wie sich die GA-Mittel verteilen, sind
Ihnen doch gerade mitgeteilt worden; da muss ich doch
keine Nachhilfestunde leisten.
({4})
Wir haben nach wie vor das Problem, dass nur 6 Prozent der Industrieforschung in den neuen Bundesländern registriert werden. Wenn die EU-Kommission jetzt
meint, die neuen Bundesländer hätten wirtschaftlich aufRoland Claus
geholt, protestieren nicht nur wir als Linke gegen eine
solche Fehleinschätzung. Allerdings müssen wir Sie da
einmal ein bisschen kritisieren: Sie dürfen die EU-Kommissare in den neuen Ländern nicht immer nur zu den
Leuchttürmen führen. Denn dann müssen sie an ihrem
Schreibtisch zu der Fehleinschätzung kommen, die Probleme hätten sich erledigt.
({5})
Ich will etwas zur Bahnreform sagen.
({6})
Herr Bundesminister, hier stehen Sie vor der Fehlentscheidung Ihrer Karriere. Nach dem, was wir mit Peter
Hartz hatten, wird die Bahnreform wohl keiner
„Mehdorn-Reform“ nennen wollen. Aber es geht auch
um Ihren Namen, Herr Minister. Wenn man sich den
Entschließungsantrag anschaut, den CDU/CSU und SPD
morgen zur Abstimmung bringen wollen, ist natürlich
eines völlig klar: Hierbei handelt es sich um einen faulen
Kompromiss. Sie versuchen eine Quadratur des Kreises;
denn Sie versuchen, völlig verschiedene Dinge irgendwie zusammenzubringen. Mit diesem Vorschlag werden
Sie kein zukunftsfähiges Bahnkonzept auf die Schiene
bringen.
({7})
Schauen Sie sich doch nur einmal die Umfragen an:
71 Prozent der Bevölkerung wollen eine Bahn in der
Hand des Staates. Nur 25 Prozent sind für eine Privatisierung. Der Anteil der ersten Gruppe steigt. Die Leute
haben nämlich begriffen, was es in Großbritannien gekostet hat, das privatisierte Netz gewissermaßen wieder
zurückzuholen.
({8})
Deshalb bieten wir Ihnen mit unserem Entschließungsantrag eine Bahnreform ohne Privatisierung als die Lösung für die Zukunft an.
({9})
- Früher sind die Leute Bahn gefahren, die sich kein
Auto leisten konnten. Heute fahren die Leute Auto, weil
sie sich die Bahn nicht mehr leisten können. Auch wir
wollen, dass die Bahn besser wird und es nicht so bleibt,
wie es ist.
({10})
- Wir werden uns an entsprechender Stelle auch über das
Thema Mathematik unterhalten können.
Herr Minister, Sie haben dennoch eine Chance. Alle
bisher denkbaren Fehler sind begangen worden. Lassen
Sie vom finalen Fehler ab. Wir brauchen eine Bürgerbahn ohne Kollateralschaden.
({11})
Jetzt will ich noch ein Wort zu den gestrigen Äußerungen des Bundesministers über die Bußgelder sagen.
Sie haben gestern ein sehr ernst zu nehmendes Thema
angesprochen und grobes Vergehen im Straßenverkehr
kritisiert. Das finden wir in Ordnung. Das Thema darf
auch mit Populismus besprochen werden. Für diesen Populismus muss es aber bitte eine beschränkte Haftung
geben. Das Problem ist doch: Diesen Verkehrssündern
sind nicht in erster Linie die Strafen zu gering, sondern
sie gehen davon aus, nicht erwischt zu werden. Deshalb
brauchen wir effektivere Kontrollen. Setzen Sie sich dafür ein, dass diese unsägliche 0,8-Promille-Regelung aus
der Welt geschaffen wird und schaffen Sie einen besseren ÖPNV! Um diese Lösungen geht es hier.
({12})
Ein letzter Punkt. Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
haben viel mit der Hauptstadt Berlin zu tun. Ich empfinde das Karlsruher Urteil zur Berliner Entschuldung
als einen grandiosen Justizirrtum.
({13})
Wer das Niveau der Kultur einer Hauptstadt auf das
Niveau in einem durchschnittlichen Landkreis heruntersparen will, der hat schlicht nichts von der Zukunftsfähigkeit dieser Aufgabe verstanden. Wir wollen auch
nicht vergessen, dass alle zu finanzierenden Einrichtungen in Berlin gewissermaßen doppelt existieren. Deshalb
erinnere ich Sie an dieser Stelle daran, dass wir Ihnen
vorgeschlagen haben, ein Berlin/Bonn-Beendigungsgesetz einzubringen. Auch das hat sehr viel mit Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung zu tun.
Ich hatte Ihnen versprochen, optimistisch zu enden.
Das will ich auch tun. Die Koalition hat im Haushaltsausschuss circa zwanzig Vorschläge unserer Fraktion
übernommen. Natürlich hat sie sie zuerst abgelehnt und
dann mit eigenen Anträgen wieder aufleben lassen. Setzen Sie diesen Weg fort! Das wünschen wir Ihnen. Bei
den Abstimmungen hier haben Sie eine ganze Reihe von
Gelegenheiten dazu. Dadurch haben Sie die Möglichkeit, Ihren Haushalt wenigstens noch ein bisschen nachzubessern. Bitter nötig hat er es allemal.
({14})
Das Wort hat jetzt der Kollege Bartholomäus Kalb
von der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! In der Koalitionsvereinbarung heißt es:
Wir erhöhen die Verkehrsinvestitionen. Der bedarfsgerechte Erhalt und Ausbau von Straßen,
Schienen und Wasserstraßen wird gewährleistet.
Weiter heißt es:
… werden wir im Zeitraum der 16. Legislaturperiode die Investitionslinie der Bundesverkehrswege deutlich erhöhen und verstetigen.
Mit dem jetzt zu verabschiedenden Verkehrsetat für
das Jahr 2007 haben wir dieses Ziel zwar noch nicht
ganz erreicht, wir sind auf diesem Weg aber ein ganz gewaltiges Stück vorangekommen.
({0})
So konnten wir im Beratungsverfahren die Ansätze für
Fernstraßeninvestitionen beachtlich erhöhen und mehr
Mittel für den Lärmschutz an Schienenwegen bereitstellen.
({1})
Kollege Hübner hat bereits darauf hingewiesen.
Das erstmals aufgelegte Ergänzungsprogramm
„Lückenschluss und Staubeseitigung“ ist, wie erwähnt, mit 165 Millionen Euro Barmitteln und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 255 Millionen
Euro ausgestattet. Damit wollen wir sicherstellen, dass
durch gezielte Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit bereits
erfolgter Investitionen deutlich verbessert und der volkswirtschaftliche Nutzen insgesamt verstärkt werden.
Diesem Programm kommt aber eine sehr viel weiter
reichende Bedeutung zu als die Frage, ob an der einen
oder anderen Stelle schneller gebaut werden kann. Es
gibt in Deutschland zurzeit etwa 45 Millionen erwerbsfähige Personen. Ab dem Jahr 2012 wird diese Zahl
dramatisch sinken und bis 2030 auf 37 Millionen zurückgehen. Diese Entwicklung wird unser Land und unsere Volkswirtschaft vor völlig neue Herausforderungen
stellen. Das gilt insbesondere für die Bereiche Schule,
Bildung und Ausbildung, aber in ganz besonderer Weise
auch für die Frage, wie wir uns unsere wirtschaftliche
Tätigkeit und unsere Arbeitswelt sinnvoll, effizient und
rationell organisieren.
Die Bedeutung von Verkehr und Kommunikation
wird dabei vermutlich noch dramatisch zunehmen. Dabei wird es notwendig sein, die verschiedenen Verkehrsträger mit ihrem jeweils spezifischen Nutzen voll zur
Geltung zu bringen und dem sicherlich weiter steigenden
Mobilitätsbedürfnis von Mensch und Wirtschaft in einer
immer stärker arbeitsteiligen Volkswirtschaft Rechnung
zu tragen.
Wir werden es uns nicht mehr leisten können, fleißige, tüchtige und leistungswillige Menschen unproduktiv in Staus stehen zu lassen und dabei auch noch erhebliche Umweltbelastungen zu verursachen. Unter diesem
Aspekt kommt dem in der Koalitionsvereinbarung formulierten Satz „Der bedarfsgerechte Erhalt und Ausbau
von Straßen, Schienen und Wasserstraßen wird gewährleistet“ eine besondere Bedeutung zu.
Mit dem Ergänzungsprogramm „Lückenschluss und
Staubeseitigung“ wollen wir zumindest auf dem Gebiet
der Verkehrspolitik einen ersten, aber nicht unwichtigen
Schritt tun, um Antworten auf künftige Herausforderungen geben zu können. In diesem Zusammenhang sei es
mir gestattet, auch den Staatssekretären Karl Diller und
Achim Großmann ganz herzlich für die konstruktive Begleitung unserer Beratungen und Bemühungen auf diesem Gebiet zu danken.
({2})
Wir müssen die nach wie vor nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel für Verkehrsinvestitionen gezielt und flexibel einsetzen. Bei den Mitteln aus den
Mauteinnahmen, die die VIFG verwaltet, steht uns ein
solches Instrument zur Verfügung. Erfreulicherweise
konnten im laufenden Haushaltsjahr bereits Mittel zugunsten der Fernstraßeninvestitionen umgeschichtet
werden.
({3})
- Von der Schiene. - Nach meiner Einschätzung müsste
es möglich sein, noch einmal einen beachtlichen Betrag
umzuschichten.
({4})
- Lieber Kollege Friedrich, es nützt nichts, wenn die
Haushaltsansätze nur im Haushaltsplan stehen. Das Geld
muss für Investitionen eingesetzt werden. Wenn das an
einer Stelle schneller möglich ist, dann ist es sinnvoll,
diese Mittel dorthin umzuschichten.
({5})
Die Möglichkeit der Umschichtung sollte unbedingt
ergriffen werden, um die Mittelknappheit beim Fernstraßenbau so weit wie möglich zu mindern. Leider müssen
immer wieder Baumaßnahmen künstlich verlangsamt
werden, weil die Mittelbereitstellung mit dem Baufortschritt nicht mithalten kann.
Wir sollten - wie es in der Koalition vereinbart ist das Instrument, das uns die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft bietet, weiterentwickeln und
die VIFG mit weiteren Kompetenzen ausstatten und zu
einer voll leistungsfähigen Infrastrukturgesellschaft ausbauen.
({6})
Wir sollten einen Weg gehen, den andere Länder bereits
erfolgreich beschritten haben. Ich denke, wir können auf
diesem Gebiet von unserem Nachbarland Österreich
durchaus etwas lernen.
({7})
Lassen Sie mich ein paar Takte zum Thema Transrapid sagen. Der Flughafen München verzeichnet ein außerordentliches Wachstum. Für 2015 werden 46,9 Millionen und für 2020 über 55 Millionen Passagiere
prognostiziert. Mit annähernd 30 Millionen Passagieren
und über 27 000 Arbeitsplätzen ist er schon heute der
siebtgrößte Airport in Europa. Die fehlende FernbahnanBartholomäus Kalb
bindung ist ein entscheidender Mangel, der sich nicht
auf herkömmliche Weise beheben lässt. Mit dem Transrapid ist es möglich, die fehlende Fernbahnanbindung
praktisch weitgehend zu substituieren. München braucht
auf jeden Fall eine Non-Stop-Verbindung vom Hauptbahnhof zum Flughafen.
({8})
Die Magnetbahntechnologie ist in diesem spezifischen
Anwendungsfall das beste Verkehrssystem, das zurzeit
zur Verfügung steht.
({9})
Zugleich steht damit eine sinnvolle Anwendungsstrecke
in Deutschland zur Verfügung. Eine solche Strecke ist
unabdingbar notwendig, um der Transrapidtechnologie
als deutscher Technologie zum Durchbruch zu verhelfen.
({10})
Wegen der besonderen industrie- und technologiepolitischen Bedeutung - und nur deswegen - sind der Bund
und wohl auch der Freistaat Bayern bereit und in der
Lage, eine Sonderfinanzierung sicherzustellen. Eine
Sonderfinanzierung für ein herkömmliches RadSchiene-System, ob S-Bahn, Express-S-Bahn oder
MAEX genannt, könnte jedenfalls allein mit Mitteln des
Bundes - Herr Minister, ich interpretiere das hoffentlich
richtig - nicht sichergestellt werden. Das wurde schon
hinlänglich geprüft. Jedes andere System müsste also
aus der dem Freistaat Bayern zustehenden Quote nach
dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und den Regionalisierungsmitteln finanziert werden.
Weil es in München zum Teil anders kommuniziert
wird, sage ich ausdrücklich: Der Transrapid verdrängt
keine anderen Nahverkehrsprojekte, wie irreführenderweise von bestimmter Seite behauptet wird. Im
Gegenteil: Er schafft Spielraum für die Verbesserung des
S-Bahn-Systems in München und für andere Projekte in
ganz Bayern. Der Transrapid in München ist sinnvoll
und notwendig. Das Projekt in München ist verkehrspolitisch, industriepolitisch und technologiepolitisch wichtig. Wir können damit unter Beweis stellen, dass wir
nicht nur Ideen haben und auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung hervorragend sind, sondern
dass wir auch die Ergebnisse im eigenen Land zur Anwendung bringen können und in der Lage sind, daraus
marktfähige und marktgängige Produkte zu machen.
({11})
Mit dem Transrapid steht und fällt zumindest teilweise
auch unser Anspruch, auch dann, wenn es darauf ankommt, ein innovationsfreudiges Land zu sein, und ob
wir zu Recht den Anspruch erheben, ein Hightechland
zu sein.
Zum Börsengang der Bahn werden andere etwas sagen.
Mit Blick auf die Uhr möchte ich abschließend bemerken: Mit dem Haushalt 2006 haben wir eine Trendumkehr eingeleitet. Mit dem nun zu beschließenden Etat
für 2007 gehen wir den Weg der Verstetigung der Investitionen im Verkehrsbereich konsequent weiter. Der
Einzelplan 12 ist nun einmal der Investitionshaushalt des
Bundes schlechthin. Wir konnten die investiven Ausgabenansätze im Beratungsverfahren noch erhöhen.
Gleichzeitig gelingt es, die Nettokreditaufnahme zurückzuführen. Das ist außerordentlich erfreulich. Die Zeit der
Desinvestition und des Substanzverzehrs ist vorbei. Ausgaben für sinnvolle Investitionen dienen der Zukunftssicherung. Der nun zur Verabschiedung anstehende Etat
bietet in den Bereichen Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine gute Grundlage und darüber hinaus viele Anreize für privates Engagement.
Ich darf mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen
Berichterstatter für die gute Zusammenarbeit ebenso
herzlich bedanken wie für die gute Begleitung aus Ihrem
Haus, Herr Minister.
({12})
Das Wort hat jetzt der Kollege Winfried Hermann von
der Fraktion der Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir haben jetzt vier Reden gehört, die sehr stark
aus der Sicht der Haushälter gehalten wurden und in denen sehr stark wirtschaftspolitisch argumentiert wurde.
({0})
- Das ist völlig vernünftig, aber nur ein Teil der Wahrheit.
({1})
Ich möchte gerne eine weitere Dimension in die Betrachtung einbringen und mit einem Zitat beginnen:
Die zweite große Herausforderung …
- als die erste wird in diesem Text die Energieversorgung der Welt beschrieben ist die Veränderung unseres Klimas. Ich glaube,
viele haben die Dimension dieser Herausforderung
noch nicht in vollem Umfang verstanden.
Sie können klatschen. Das war Bundeskanzlerin Merkel
erst gestern hier im Hause. Ich möchte also über die Dimensionen Klimaschutz und Treibhauseffekt in der
Verkehrs- und Baupolitik sprechen.
In der Tat ist die Klimaveränderung zweifellos die
große Herausforderung, vor der wir stehen. Ich glaube,
dass gerade dieser Einzelplan und dieses Ministerium
zur Lösung dieses Problems in entscheidendem Maße
beitragen können, und zwar entweder dadurch, dass etwas geschieht, oder dadurch, dass zu wenig geschieht.
({2})
Ein anderes Mitglied der Regierung, Umweltminister
Gabriel, wird etwas konkreter. Er sagt, wir müssten es
zumindest bis 2020 schaffen, die Treibhausgasemissio6692
nen in Deutschland um 40 Prozent zu reduzieren. Das ist
ein anspruchsvolles Ziel, das wir unterstützen. Wir vermissen aber sowohl in diesem Einzelplan als auch insgesamt bei den Haushaltsberatungen, dass diese Koalition
ein Konzept bzw. eine Strategie vorlegt, wie man die
wirklich dringend notwendige Klimaschutzpolitik in den
Sektoren Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr voranbringt. Die Frage ist also nicht, ob wir etwas
tun - natürlich wird etwas getan, es gibt einzelne Projekte; das will ich überhaupt nicht bestreiten -, die Frage
ist, ob genügend getan wird und ob das mit dem strategisch richtigen Ansatz geschieht.
Ich möchte zunächst den Sektor Bauen und Wohnen
in Angriff nehmen. Ein Drittel der in Deutschland insgesamt verbrauchten Energie - und damit der Treibhausgasemissionen - geht auf den Bereich Wohnen/Heizen/
Kühlen zurück. Also ist klar: Wenn man Treibhausgasemissionen reduzieren will, muss man bei diesem Bereich anfangen.
({3})
Ich möchte der Koalition einen Glückwunsch aussprechen, dass sie dieses Programm fortgesetzt hat. Glückwunsch an die CDU, dass sie bei der SPD das geschafft
hat, was wir nie geschafft haben, nämlich den Ansatz für
das CO2-Gebäudesanierungsprogramm deutlich zu erhöhen! Offenbar waren Sie kräftiger als die kleinen Grünen. Das erkennen wir wirklich an, auch wenn oftmals
etwas anderes gesagt wird.
({4})
Aber selbst bei diesem erfolgreichen Programm gibt
es Probleme. Inzwischen ist die Nachfrage so groß, dass
die Kreditbedingungen erschwert werden müssen. Der
Minister hat erst unlängst gesagt, im Rahmen dieses Programms seien insgesamt - wohlgemerkt - fast eine halbe
Million Wohnungen saniert worden. Das ist ein Erfolg.
Aber angesichts der Tatsache, dass in Deutschland rund
30 Millionen Wohnungen energetisch sanierungsbedürftig sind, braucht man 60 Jahre, wenn man in dieser Geschwindigkeit weitermacht. Bei dieser Herausforderung
ist das einfach viel zu langsam! Also muss man neben
dem Altbausanierungsprogramm noch andere Instrumente entwickeln: Zum Beispiel sollten Sie endlich einen Energiepass auf den Weg bringen, mit dem vernünftige Anstöße zur energetischen Sanierung gegeben
werden. Sie haben lange gebraucht. 2008 kommt endlich
etwas, aber eher etwas Diffuses, das, so glaube ich, nicht
wirklich weiterhilft.
Sie hätten die Möglichkeit, noch mehr zu tun. Die
Energieeinsparverordnung hat bei Neubauten deutlich
bessere Standards gesetzt und den Ansatz des Energiesparens bei Neubauten nach vorne gebracht. Wir als rotgrüne Koalition haben es damals versäumt - die große
Koalition könnte das jetzt aufgreifen -, anspruchsvolle
Zielwerte für die Altbauten zu entwickeln, damit wir in
den nächsten zehn bis 20 Jahren von dem hohen Verbrauch von 20 bis 30 Litern Öl pro Quadratmeter und
Jahr herunterkommen, da wir doch wissen, dass es technisch und praktisch möglich ist, ein Haus mit fünf bis
sechs Litern Öl pro Quadratmeter zu heizen. Hier ist
dringender Handlungsbedarf angesagt.
({5})
Ein anderes Feld: Verkehr. Im Verkehr werden
20 Prozent der Treibhausgase ausgestoßen, EU-weit sind
es sogar 25 Prozent. Zu Recht sagen die Automobilindustrie und Teile der Koalition: Aber wir haben in den
letzten Jahren doch auch Erfolge erzielt! - Ja, das haben
wir, auch durch Rot-Grün übrigens. Zwischen 1999 und
2005 sind die Treibhausemissionen im Verkehr zurückgegangen. Aber das ist immer eine Frage des Maßstabes.
Schaffen wir es, gemessen an den Emissionen von 1990
- das ist die Kiotoherausforderung -, ein Minus bei den
Treibhausgasemissionen von 21 Prozent zu erreichen?
Gemessen daran sind wir im Verkehrssektor weit weg
von den Zielen. Hier besteht wirklich Handlungsbedarf,
hier brauchen wir Vorschläge.
({6})
Wir Grünen schlagen vor, dass wir europaweit Verbrauchsobergrenzen für PKWs einführen. Es kann
doch nicht wahr sein, dass wir für jeden einzelnen
Schadstoff europaweit klare, verbindliche Obergrenzen
haben, aber dort, wo es um Klimaschutz geht, alles offen
lassen. Im Prinzip kann jeder mit seinem Auto beliebig
viel Sprit verbrauchen. Es kann doch nicht wahr sein,
dass wir das alles der Freiwilligkeit überlassen. Wenn
man wirklich ambitionierten Klimaschutz im Verkehrsbereich will, muss man endlich europaweite Verbrauchsobergrenzen einführen.
({7})
Die EU-Ratspräsidentschaft der Bundesrepublik
Deutschland böte eine gute Chance, dieses Thema in
Europa nach vorn zu bringen. Denn eines ist natürlich
klar: Das kann man nicht in Deutschland allein machen.
Was man aber in Deutschland machen kann, ist das,
was Sie auch laut Koalitionsvertrag einlösen wollen:
Dort haben Sie festgehalten - ein Blick genügt -, dass
Sie die Kfz-Steuer reformieren wollen. Sie wollen endlich das machen, was alle als umweltfreundlich preisen,
nämlich die Bemessungsgrundlage von Kubikzentimetern Hubraum auf eine CO2-orientierte Basis umstellen.
Nichts ist geschehen. Das wäre doch etwas, das Sie endlich angehen und im Sinne von Klimaschutz vorantreiben könnten. Hierzu warten wir auf Ihre Vorschläge.
An der Stelle möchte ich etwas zum Dieselrußfilter
sagen. Ich frage mich wirklich, welchen Daimler die
CDU geritten hat, als sie dieses Projekt - das wirklich
nicht sehr ambitioniert war - nach vielen Jahren des Drehens und Wendens beim Aushandeln von Fördermitteln
noch einmal aufgehalten und ins nächste Jahr verschoben hat. Sie sind damit quasi zum Schutzpatron des Diesels ohne Filter geworden. Das kann doch nicht im Ernst
im Jahr 2006 Ihr Politikkonzept in Sachen Umweltschutz beim Auto sein.
({8})
Ich möchte noch etwas zum Thema Infrastruktur sagen, weil die Kollegen das vielfach auch angesprochen
haben. Natürlich ist Infrastrukturpolitik unter Klimaschutzgesichtspunkten interessant. Aber auch heute
wurde noch manche alte Rede gehalten, bei der es nur
darum ging, wie viele Milliarden Euro investiert und wie
viele Projekte gebaut wurden, ohne danach zu fragen, ob
die richtigen Projekte realisiert, die richtigen Schwerpunkte gesetzt wurden.
({9})
Wenn Sie einmal den Investitionsrahmenplan studieren, stellen Sie fest: Alle Wahlkreise der Direktkandidaten der großen Koalition sind bedient. Aber was ist das
für ein Kriterium? Eigentlich müsste man doch ganz
andere Schwerpunkte setzen: Wenn wir mit dem Schienenverkehr weiterkommen wollen, müssen wir die
Hauptachsen - beispielsweise die Rheintrasse - mit allem Nachdruck ausbauen. Wenn ich feststelle, dass immer mehr Transportgüter über die Häfen kommen, muss
der Anschluss an die Seehäfen Priorität haben.
({10})
Wenn der Ost-West-Verkehr ständig zunimmt, muss eine
entsprechende Maßnahme im Schienenverkehr Priorität
bekommen. Von nichts davon ist die Rede, stattdessen:
viel Geld für die U-Bahn durch den Thüringer Wald!
Wenn die wichtigen Achsen verpasst werden - ich halte
das für gravierend falsch -, dann ist das ungeschickt und
auch unter Klimaschutzgesichtspunkten wirklich nicht
zukunftsweisend.
({11})
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Der Einzelplan 12 könnte eine Chance für mehr Klimaschutz, für mehr zukunftsfähige Investitionen sein. So ist
er das nicht geworden. Letztendlich ist er die Fortschreibung des Bauens nach alten Maßstäben, obwohl bisweilen, in den besonderen Reden, gesagt wird: Ja, wir müssen im Sinne der Zukunftsfähigkeit umsteuern. Aber das
ist wirklich nicht in genügendem Maße geschehen.
Ich möchte noch einmal aus der Rede einer berühmten Naturwissenschaftlerin zitieren:
Nun können Sie sagen: Ob die Eiche in der Uckermark eine Zukunft hat, ist nicht so wichtig. - In
Portugal und Spanien aber stellt sich das Ganze
schon anders dar.
Dort vertrocknen die Wälder, anderswo wachsen die
Wüsten und schmelzen die Eisberge. Das ist schon wichtig im Sinne von Klimaschutz.
({12})
Auch das hat Angela Merkel gesagt. Ich halte Ihnen von
der Koalition schon Ihre eigenen wohlfeilen Sonntagsreden vor. Daran müssen Sie sich messen lassen. Wir erwarten, dass Sie Ihre Politik im Alltag umstellen.
Vielen Dank.
({13})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Wolfgang Tiefensee.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich möchte wie meine Vorredner all denen ganz
herzlich Dank sagen - so viel Zeit muss sein -, die die
Haushaltsberatungen bis hierher begleitet haben. Wir haben sehr konstruktiv, zum Teil kontrovers diskutiert. Ich
bedanke mich für eine sehr inhaltsreiche, tief gehende
Debatte mit Ihnen.
Worüber haben wir gestritten? Wir haben darüber gestritten, wie wir mit dem Einzelplan 12, einem der größten Pläne im Bundeshaushalt, der Anforderung gerecht
werden können, für mehr Wirtschaftskraft, mehr Arbeitsplätze, mehr Innovationen, mehr Technologieförderung zu sorgen: Wie kann es uns gelingen, etwas für den
regionalen und sozialen Zusammenhalt zu tun? Ich behaupte, dass der Einzelplan 12 einen sehr guten Beitrag
zur Erreichung dieser Ziele im Jahr 2007 leistet. Dass
das so ist, kann man nachweisen.
({0})
Wenn wir die Entwicklung in Deutschland insgesamt
betrachten, so ist eines klar: Im Bereich Verkehr, Bauen
und Stadtentwicklung hat mein Ministerium in den letzten Jahren wesentliche Impulse gegeben, auch auf dem
Felde des Aufbaus Ost. So haben wir unseren Beitrag
dazu geleistet, dass es aufwärts gegangen ist. Wenn ich
das sage, vernachlässige ich nicht, festzustellen, dass es
natürlich auch die Wirtschaft und die Bürger in unserem
Land gewesen sind, die diesen Aufschwung ermöglicht
haben. Professor Rürup hat gestern auf einer Tagung gesagt, dass die Bauindustrie zum Teil schon in Kapazitätsengpässe gerät, wenn alle flüssigen Mittel investiert werden sollen. Das ist ein Indiz dafür, dass es tatsächlich
einen deutlichen Aufschwung gibt.
Aus den Reihen der Opposition habe ich mit Erstaunen vernommen: Ein Masterplan „Güterverkehr und Logistik“ ist eine Spinnerei des Ministers. Was soll das?
Damit kann man sich nur in Sonntagsreden positionieren. - Auf der anderen Seite sagte der Herr Abgeordnete
Hermann - das kann ich nur voll unterstützen -, dass es
einer Strategie bedarf,
({1})
mit der wir die Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik in den nächsten Jahren vorantreiben.
Frau Winterstein, ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Wir brauchen diese strategische Ausrichtung und
nicht nur eine Diskussion darüber, wo 1 Million Euro
fehlt. Ich plädiere nachhaltig dafür, dass wir uns - auch
im Hinblick auf das, was Sie zum Klimaschutz und zum
Umweltschutz gesagt haben - in den Haushaltsdebatten
und in den Verkehrsgremien darüber unterhalten, wo wir
die Akzente setzen.
Es geht mir darum, dass wir uns in den europäischen
Kontext einbinden. Wir stehen kurz vor der Übernahme
der EU-Ratspräsidentschaft. Ab 1. Januar 2007 nehmen
wir Verantwortung für ganz Europa wahr. In einem ersten Schritt werden wir zum Beispiel etwas dafür tun
müssen, dass die Schieneninfrastruktur in Europa, also
auch in Deutschland, verbessert wird und dass wir zu einer Harmonisierung in diesem Bereich kommen:
({2})
Lokführerschein, Fahrgastrechte, Liberalisierung des internationalen Personenverkehrs.
Dazu brauchen wir in unserem Haushalt zweierlei:
Erstens. Wir brauchen eine Verstetigung der Gelder
für die Schiene. Frau Winterstein, Sie werden mir zustimmen: Die Gelder für die Schiene werden - zwar
marginal, aber immerhin - aufgestockt.
Zweitens. Wir brauchen eine starke Deutsche Bahn
AG. Aus diesem Grund appelliere ich an das Hohe Haus
und bitte die Damen und Herren Abgeordneten, dass wir
im nächsten Jahr, also 2007, zügig zu einer Entscheidung kommen, durch die die Bahn als ein Wettbewerber
im nationalen und im europäischen Maßstab so aufgestellt wird, dass sie diesen Wettbewerb gewinnen kann.
({3})
Wir brauchen ein gutes Dienstleistungsunternehmen für
die Privatkunden und auch für die Unternehmen.
({4})
- Bei der Straße ist es das Gleiche, Frau Winterstein. Der
Einzelplan 12 steigt, wenn ich das richtig im Kopf habe,
von 23,7 auf 24,6 Milliarden Euro. Können wir das zunächst einmal festhalten? Die Investitionen im Einzelplan 12 steigen von 12,4 auf 12,7 Milliarden Euro. Können wir das festhalten?
({5})
Das ist doch ein Anstieg.
Jetzt geht es darum, innerhalb dieses Volumens von
12,7 Milliarden Euro eine Akzentsetzung vorzunehmen.
Wir haben beispielsweise beim Verkehrsträger Schiene
zugelegt. Ich habe hier darum geworben, dass wir auch
bei der Binnenwasserstraße, die in der Vergangenheit
vernachlässigt worden ist, zulegen. So wollen wir von
2006 bis 2010 durchschnittlich 150 Millionen Euro mehr
dafür ausgeben, weil wir davon überzeugt sind, dass das
gut angelegtes Geld ist.
({6})
Wir beschäftigen uns mit neuen Technologien. Auch
das gehört zur Strategie in Deutschland und in Europa.
Wir müssen die Technologieführerschaft beibehalten.
Herr Claus, wenn Sie diese Investitionen als „Beton“
abtun und meinen, das sei nicht nötig, dann kann ich Ihnen in einer Hinsicht zustimmen: Wir brauchen nicht nur
Beton, aber auch. Gerade wir, die wir in besonderer
Weise mit den neuen Bundesländern verbunden sind,
wissen, wie wichtig einerseits die Infrastruktur ist, also
die neuen Straßen, auch die Schienenwege, wie wichtig
andererseits auch Investitionen in neue Technologien
sind. Galileo zum Beispiel kommt den neuen Bundesländern genauso zugute wie den alten, momentan sogar
noch in stärkerem Maße; ich denke da etwa an Warnemünde oder an den Brandenburger Raum.
Wir investieren für den Osten. Ich nenne nur die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit 8.1/8.2, die Aufstockung
beim Stadtumbau Ost und dergleichen mehr. Um das
auch an dieser Stelle noch einmal klar und deutlich zu
sagen: Der Osten hat eine hohe Priorität im Einzelplan 12 und im Übrigen auch in den Haushalten meiner
Kolleginnen und Kollegen am Kabinettstisch.
({7})
Wir investieren nicht nur in Galileo, wir investieren
auch in das Wasserstoff- und Brennstoffzellenprogramm. Das ist Strategie. Herr Hermann, ich denke, dass
wir uns doch darüber einig sind: Nur dann, wenn wir mit
neuen Antriebssystemen, mit neuen Kraftstoffen sozusagen die Landschaft verändern, können wir die Herausforderungen in Europa bewältigen und die ehrgeizigen
Ziele einhalten, die wir uns gesteckt haben, zum Beispiel
das Ziel, den CO2-Ausstoß im Bereich des Wohnens pro
Jahr um rund 1 Million Tonnen zu senken und das in
noch höherer Dimension auch im Verkehrsbereich zu
schaffen. Nur dann, wenn wir neue Technologien einsetzen, wenn wir intelligent mit den Verkehren umgehen,
werden wir diese Ziele erreichen.
Es geht also um Investitionen in neue Technologien.
Hier kann Deutschland Punkte sammeln.
Wir beschäftigen uns in den nächsten sechs Monaten
unserer Ratspräsidentschaft auch mit der Stadtentwicklungspolitik. Dazu haben wir im Einzelplan 12 ebenfalls
deutliche Akzente gesetzt. Ich bin ein Stück stolz darauf,
dass wir darauf einen Schwerpunkt gelegt haben. Frau
Winterstein, das können Sie im Haushalt auch ablesen.
Dem Mittelstand kommt nicht nur zugute, wenn wir in
die Straße oder in die Schiene investieren; dem Mittelstand kommt gleichermaßen zugute, wenn wir die Bauindustrie voranbringen. Auch in dem Bereich setzen wir
mit dem Einzelplan 12 eine hervorragende Entwicklung
der letzten Jahre fort.
Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen. Das
eine Beispiel ist das schon angesprochene CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Natürlich wünschte sich ein
Bundesbauminister noch mehr Geld, aber wir müssen
auch die Balance halten zwischen dem, was im Haushalt
möglich ist, also dem, was wir in den Investitionshaushalt stecken können, und dem, was erforderlich ist.
({8})
Ich könnte mir vorstellen, dass wir dann, wenn es uns im
Laufe der nächsten fünf oder zehn Jahre noch besser gehen sollte, in diesen Bereich besonders investieren.
Wir haben das CO2-Gebäudesanierungsprogramm im
Jahr 2006 aufgestockt und erreichen damit, dass der Mittelstand eine Finanzspritze bekommt, die zu neuen Arbeitsplätzen führt. Wir senken die Emissionen. Wir erhöhen die Energieeffizienz und tun so auch etwas dafür,
hoffe ich, dass beim Mieter etwas davon ankommt, nämlich in Form einer Ersparnis bei den Nebenkosten. Das
ist ein gutes Programm, das wir fortsetzen wollen.
({9})
Frau Winterstein, wir haben auch wieder zugelegt bei
solchen Programmen wie „Stadtumbau Ost“, „Stadtumbau West“, „Soziale Stadt“ und beim städetebaulichen
Denkmalschutz, den wir, wie Sie wissen, in den nächsten
Jahren auch auf Westdeutschland übertragen wollen.
Das alles sind Impulse, die sowohl etwas für die Lebensqualität in den Städten bringen, als auch ihre Wirkungen auf den Mittelstand, insbesondere für die Bauindustrie, entfalten werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme
zurück zum Verkehrsbereich. Die Investitionen in die
transeuropäischen Netze bringen große Herausforderungen für uns mit sich. Nach meinem Dafürhalten gibt es
in diesem Bereich insofern ein Defizit, als die Europäische Union ein ungenügendes Finanzvolumen für die zusätzlichen Verkehrsverbindungen, die jetzt zwischen Ost
und West aufgrund der Erweiterung der Europäischen
Union zusätzlich gebraucht werden, vorgesehen hat. Wir
leisten sowohl mit dem Bundeshaushalt als auch mit den
Länderhaushalten unseren Beitrag für den Ausbau der
Verkehrskorridore. Ich nenne als Beispiel das TENProjekt 17 Paris-Bratislava und das TEN-Projekt 1, den
Korridor zwischen Berlin und Palermo. Zugleich werden
wir aber darum kämpfen müssen, dass wir einen möglichst großen Anteil der von der Europäischen Union für
die transeuropäischen Netze vorgesehenen Mittel für
Deutschland akquirieren, weil Deutschland zunehmend
zur Drehscheibe bzw. zum Durchgangsbahnhof und zur
Durchgangsstraße für Europa wird. Aus diesem Grund
fahren wir die Strategie, unsere Investitionen auf die Flaschenhälse der langen Strecken zwischen Ost und West,
aber auch zwischen Nord und Süd zu konzentrieren. Ich
hoffe, dass wir die dafür vorgesehenen Mittel in Zukunft
weiter verstetigen können.
({10})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich anempfehle Ihnen den Einzelplan 12. Natürlich kann man sich
immer noch mehr Geld wünschen. So hoffe ich, dass
sich die Steuereinnahmen so günstig entwickeln, dass es
auch in den nächsten Jahren möglich sein wird, Herr
Hübner, noch etwas draufzulegen. Damit würden wir ja
auch den Forderungen von Frau Winterstein noch mehr
entgegenkommen.
({11})
Auch wenn wir jetzt also erst einmal nur hoffen können,
dass sich steigende Steuereinnahmen in Form eines Aufwuchses des Verkehrshaushaltes niederschlagen, meine
ich doch, dass wir auch schon mit dem Haushalt, wie er
jetzt vorliegt, sehr gut auskommen können.
Ich bedanke mich noch einmal für die konstruktive
und gute Zusammenarbeit.
Vielen Dank.
({12})
Für die FDP-Fraktion hat Horst Friedrich das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrter Herr Minister Tiefensee, trotz all der
Freude, die in der großen Koalition seit gestern ausgebrochen ist - Blumensträuße im Plenarsaal und Getränke
am Abend -, möchte ich doch am heutigen Tag die Gelegenheit ergreifen, aus verkehrspolitischer Sicht eine Bilanz von einem Jahr Minister Tiefensee zu ziehen. Ich
habe Ihnen, Herr Minister, bei meiner ersten Rede zugesagt, dass ich Sie an Ihren Taten und nicht an Ihren Worten messen will. So komme ich zu dem Eindruck, der
sich immer mehr verfestigt, dass Sie in der Verkehrspolitik nach dem Motto „Bleiben Sie mir mit Ihren Ratschlägen vom Hals, ich habe meine Entscheidung bereits getroffen“ handeln.
({0})
Ich kann Ihnen das auch im Detail erklären, liebe Kollegen von der SPD und von der Union. Das wird Sie
dann sicherlich in gewisser Weise treffen.
Lassen Sie mich exemplarisch mit einer Meldung aus
dem Hause Tiefensee von gestern beginnen. Die Überschrift lautete: „Bußgelder für Verkehrsrowdys werden
erhöht“.
({1})
Der Minister geht in dieser Meldung sogar auf Einzelheiten ein. In einer Meldung von der derzeit stattfindenden Verkehrsministerkonferenz heißt es dagegen:
Einzelne Länder empörten sich nach der Sitzung
über Tiefensee, weil er den neuen Bußgeldrahmen
öffentlich aus der Tasche gezogen habe. „Über Zahlen ist in der Konferenz überhaupt nicht gesprochen
worden“ …
Zitiert wird dort nicht ein Vertreter der Opposition, sondern der Verkehrsminister von NRW, Herr Wittke. Diese
Haltung wurde auch heute in der Abschlusskonferenz
von Frau Junge-Reyer und Herrn Wittke noch einmal bestätigt.
({2})
Ihre Verkehrspolitik krankt genau an dem Problem,
dass Sie alleine entscheiden. So haben Sie auch beim
Horst Friedrich ({3})
Thema Bahn tagelange Anhörungen zugelassen, hinterher aber ein Resümee gezogen, das den Verlauf der Anhörungen gar nicht abbildet und die Aussagen von
90 Prozent der Fachleute, die sich in der Anhörung zu
Wort gemeldet haben, gar nicht berücksichtigt. Das
scheint Sie im Zweifel gar nicht zu interessieren. Sie ziehen ein Modell aus der Tasche, das der Herr Kollege
Hübner „Eigentumssicherungsmodell“ nennt. Allerdings
habe ich noch niemanden in Deutschland getroffen, der
das so hätte erklären können, dass es tatsächlich funktioniert.
Ich will aber noch zu einigen anderen Zahlen kommen. Herr Minister, Sie sagen dauernd, die Verkehrswegeinvestitionen seien verstetigt worden. Ich habe hier
die Istzahlen von Rot-Grün und die Sollzahlen von
Schwarz-Gelb vorliegen.
({4})
- Rot-Schwarz; Entschuldigung, Herr Generalsekretär.
({5})
- Ja, das wäre besser; dann hätten wir weniger Probleme.
({6})
Sie sind 2007 bei den Mitteln für den Straßenbau selbst
hinter Ihrem eigenen Haushaltsansatz von 2006 um fast
300 Millionen Euro zurückgeblieben. Selbst wenn Sie
die 165 Millionen Euro, die Sie mühsam erarbeitet haben, hinzurechnen, bleiben Sie unter Ihren Ansätzen von
2006. Außerdem, Herr Minister, müssen Sie dazusagen,
dass das Bauen ab nächstem Jahr teurer wird - um
3 Prozentpunkte Mehrwertsteuer. Jede Bauleistung, die
Sie ausschreiben, kostet mehr Geld. Ich sage Ihnen voraus: Diese 165 Millionen Euro reichen vielleicht gerade
dazu aus, die Mehrwertsteuererhöhung auszugleichen;
aber Sie können nicht einen Meter Verkehrswege zusätzlich bauen. Das ist, leider Gottes, die Realität.
({7})
Nun zum Thema Maut. Der Herr Kollege Hübner
war begeistert, wie das System funktioniert.
({8})
Die Frage, die sich stellt, ist doch: Warum, Herr Kollege
Fornahl, hat die Bundesregierung dann trotzdem noch
nicht die endgültige Betriebserlaubnis erteilt? Woran
hängt das? Das System ist nach wie vor nicht mit der
Zertifizierung „endgültige Betriebserlaubnis erteilt“ ausgestattet. Irgendetwas muss doch an dem System nicht
stimmen, ganz zu schweigen davon, dass es zwar eine
Cashcow ist - jeden Monat wird erneut eine Mehreinnahme aus der Maut bejubelt -, aber das Geld im Verkehrsbereich offensichtlich nicht ankommt.
({9})
Der § 11 Mautgesetz, Herr Kollege Brunnhuber, den die
Union bis zur letzten Bundestagswahl hier immer wieder
zitiert hat, wird offensichtlich nicht umgesetzt. Kein einziger zusätzlicher Euro aus den Einnahmen kommt bei
den Verkehrswegen an.
Jetzt sagt der Herr Minister, wir müssten prüfen, ob
die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft kreditfähig sei. Davon hört man nichts mehr. Das Problem
ist: Sie kann nur kreditfähig und maastrichtkonform
sein, wenn Sie für diese Gesellschaft die Möglichkeit eigener Einnahmen schaffen. Das wird aber wahrscheinlich nicht funktionieren. Deswegen ist da Schweigen im
Walde.
Das ist das eigentliche Prinzip Ihrer Politik: Sie kündigen an, nehmen etwas zurück und hinterlassen das
große Chaos. Bei Rot-Grün war man wenigstens gewohnt, dass sie einen Gesetzentwurf vorgelegt haben,
der nicht gestimmt hat, woraufhin sie nach dem Prinzip
Nachbesserung verfahren sind. Zumindest war ein Gesetzentwurf vorhanden.
({10})
Sie kündigen Gesetze nur an und im Endeffekt weiß niemand mehr, wohin es gehen soll.
Die Flugsicherung ist dafür ein weiteres beredtes
Beispiel. Sie schaffen es noch nicht einmal, einen verfassungskonformen Gesetzentwurf vorzulegen, der das beinhaltet, was Sie nach Europarecht umsetzen müssen.
Das ignorieren Sie. Wir müssten ein Bundesamt für
Flugsicherung schaffen. Dafür werden Beamte benötigt.
15 Mitarbeiter sind bereits eingestellt. Ich frage Sie,
Herr Minister: auf welcher Gesetzesgrundlage? Es gibt
ja kein Gesetz, denn der Bundespräsident hat es angehalten. Auf welcher Grundlage zahlen Sie eigentlich das
Gehalt für diese 15 Mitarbeiter? Es wird doch wohl noch
erlaubt sein, dass die Opposition die Regierung bittet,
sich auf der Gesetzesgrundlage zu bewegen.
({11})
Das nächste Problem, das auf Sie zuzukommen droht,
ist, dass die Länder am Freitag im Bundesrat Ihr famoses
Planungsvereinfachungsgesetz anhalten, nicht wegen
der Planungsbestandteile, sondern wegen des enthaltenen Energierechts. Wenn das passiert, Herr Minister, bekommen Sie zum Jahresende ein Problem. Bis dahin
müssten Sie das Gesetz nämlich noch ins Gesetzblatt
bringen, damit das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz ersetzt werden kann. Auch das ist eine Petitesse, die Sie vielleicht nicht interessiert, die aber zumindest in der Bilanz des ersten Jahres bemerkenswert ist.
({12})
Nun kommen wir zu meinem Lieblingsthema, der
Deutschen Bahn.
({13})
Es ist schon famos: Da tagen Tag und Nacht jede Menge
Koalitionskreise auf Fachebene und auf Ministerebene;
es wird zusammengebunden und es gibt dieses und jenes
Ergebnis. Aber man kann sich nicht einigen. Das, worüber man sich nicht einigen kann, schreibt man dann
auf, nennt das Ganze „Eckpunkte“ und fordert den Minister krampfhaft auf, daraus ein Gesetz zu machen. Das
kann nur Murks werden. Denn wenn man sich nicht auf
Horst Friedrich ({14})
das, was man will, einigt, dann kann auch der Minister
nichts machen, es sei denn, er macht das, was er schon
immer wollte,
({15})
nämlich einen Börsengang à la Mehdorn. Dieses Ding
nennt er dann Eigentumssicherungsmodell.
Wenn Sie schon der Opposition und den Experten in
den Anhörungen des Bundestages nicht glauben, Herr
Minister, sind Sie vielleicht wenigstens geneigt, dem
Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung zuzuhören,
der ja nicht unbedingt in dem Geruch steht, der FDP
nahe zu stehen. Ich darf einmal vorlesen, was dieser
Managerkreis zur Zukunft der Bahn veröffentlicht hat:
Der Managerkreis schlägt vor, die Transportgesellschaften der Deutschen Bahn AG schnell, sozialverträglich und vollständig in privates Eigentum zu
überführen, den Verkaufserlös einem Sondervermögen zuzuführen und aus dessen Zinsen für das Schienennetz den verbleibenden Investitionsbedarf … zu
decken.
Da kann ich nur sagen: Diesem Vorschlag kann sich die
FDP nahtlos anschließen. Ich bin einmal gespannt, wie
Sie darauf reagieren und ob Sie auch diesen Vorschlag
ignorieren.
Ein weiterer Punkt:
Nicht rechtfertigen kann sie ihre Ansprüche an den
Staat, wenn sie die Verzinsung des eingesetzten Kapitals im wesentlichen aus noch wirksamen Renditen
des Regionalverkehrs und schienenfremden Beteiligungen wie Schenker und Bax Global erwirtschaftet.
Was ist der neue Weg der Bahn? Herr Mehdorn hat
sehr deutlich gemacht, dass er mit frischem Geld zukaufen möchte: die Hamburger Hafengesellschaft, den Nahverkehr in Prag und
({16})
die Schienen in Riga. Er möchte die Bahn zum weltweit
größten Luft- und Seetransportunternehmen machen.
Das kann er alles tun. Die Frage, die sich aber stellt, ist:
Muss der deutsche Steuerzahler dafür haften?
({17})
Das ist aber genau das, was Sie uns vorschlagen. Sie
können um Himmels willen doch nicht erwarten, dass
wir tatenlos zusehen und diesen Weg mitgehen.
({18})
Außerdem, Herr Minister, haben die Länder heute
aufgezeigt, dass sie mit der Grundstückszuordnung bei
der Deutschen Bahn offensichtlich nicht einverstanden
sind. Wenn Sie aber die Länder nicht auf Ihrer Seite haben, dann bekommen Sie überhaupt nichts mehr durch.
Herr Minister, zum Schluss kurz und knapp: Sie haben das Schiff Verkehrspolitik ohne Lotsen leider in extrem flaches Wasser geführt. In diesen Gefilden haben
Schiffe oft das Problem, auf Grund zu laufen. Wenn das
passiert, verlässt der Kapitän normalerweise als Letzter
das Schiff. In Ihrem Falle wäre es angebracht umzudrehen. Das wäre für die deutsche Verkehrspolitik wahrscheinlich kein Schaden.
Danke sehr.
({19})
Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat Norbert Königshofen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem nun unser Hauptsprecher Kalb in seiner hervorragenden Rede die Grundzüge unserer Politik dargelegt
hat, möchte ich auf zwei Einzelaspekte eingehen, die sowohl verkehrspolitisch als auch haushaltspolitisch von
großer Bedeutung sind. Zum einen ist das die Teilkapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung. Da geht
es immerhin um Einnahmen des Bundes von über
1 Milliarde Euro. Zum anderen ist das die weitere Entwicklung der Deutschen Bahn AG, die der Kollege
Friedrich auch schon angesprochen hat.
Nun haben wir am 23. Oktober die Mitteilung des
Bundespräsidenten erhalten, dass er das mit breiter
Mehrheit beschlossene Gesetz zur Neuregelung der
Flugsicherung nicht unterschreibt. Er begründet das damit, dass das Gesetz mit Art. 87 d Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar ist.
Die Entscheidung des Bundespräsidenten verdient
unseren Respekt.
({0})
Aber wir können auch feststellen, dass damit die Teilkapitalprivatisierung nur angehalten, aber nicht grundsätzlich verhindert worden ist. Denn das Votum des
Bundespräsidenten richtet sich nicht gegen die Kapitalprivatisierung an sich. Er spricht vielmehr davon, dass
das geltende Grundgesetz eine solche Privatisierung
nicht erlaube.
({1})
Der Bundespräsident zeigt in der Begründung seiner Ablehnung die gangbaren Wege auf. Wir können also seine
Begründung als Richtschnur und seine Einwände als
Leitlinie für unser weiteres Vorgehen nehmen.
Es geht einerseits darum, die verfassungsrechtlichen
Argumente des Bundespräsidenten sorgsam zu prüfen
und Folgerungen daraus zu ziehen, und andererseits darum, wie wir das gesteckte Ziel doch noch erreichen. Die
Gründe waren ja für die überwältigende Mehrheit des
Hauses stichhaltig und sie bleiben es. Ich darf sie ganz
kurz zusammenfassen: Es geht um die Stärkung der
Leistungsfähigkeit und der Effizienz der Flugsicherung.
Es geht um die Befähigung der DFS, die Flugsicherung
über den nationalen Rahmen hinaus zu optimieren, und
um die Stärkung des Luftverkehrstandortes Deutschland,
indem die DFS am erwarteten Konsolidierungsprozess
in Europa teilnehmen kann. Es geht um die Erweiterung
der Finanzierungsmöglichkeiten der DFS, ohne den
Bundeshaushalt zu belasten, und um die Befreiung der
DFS von Beschränkungen der Bundeshaushaltsordnung, um im zukünftigen internationalen Wettbewerb
und in der internationalen Zusammenarbeit handlungsfähig zu sein.
Herr Kollege Königshofen, würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Menzner zulassen?
Aber immer.
({0})
Bitte schön.
Herr Kollege Königshofen, verstehe ich Sie richtig,
dass Sie sagen wollten, dass die große Koalition, da die
Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung in
der vorgesehenen Form nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, die Überlegung hegt, einfach das Grundgesetz
zu ändern?
Frau Menzner, das würde ich so nie sagen. Wir wollen
vielmehr sehr sorgfältig prüfen, welche Wege möglich
sind. Es gibt ja vielleicht auch Möglichkeiten, das Ziel
der Privatisierung ohne eine Grundgesetzänderung zu erreichen, indem man sich die Aufgaben genau anschaut
und sie eventuell aufteilt. Das muss geprüft werden, vielleicht auch mithilfe eines Gutachtens. Ich würde nie vorschnell, aus der Hüfte schießend, das Grundgesetz ändern wollen. Das ist immer die Ultima Ratio.
({0})
Meine Damen und Herren, es gibt darüber hinaus europarechtliche Vorgaben, die wir beachten müssen. Da
gibt es die European-Single-Sky-Verordnung und das
Open-Sky-Urteil des Europäischen Gerichtshofes.
Alles in allem ist dies Grund genug, auf diese Herausforderungen zu reagieren und die Teilkapitalprivatisierung weiterhin auf die Tagesordnung zu setzen.
Das zweite Thema ist von seinen Ausmaßen her noch
bedeutender; da geht es in der Tat um viele Milliarden.
Ich meine die Teilkapitalprivatisierung der Deutschen
Bahn AG. Es gibt dazu einen Entschließungsantrag der
großen Koalition, der wohl morgen zur Abstimmung
vorliegt.
({1})
Dies ist ein Kompromiss mit drei wesentlichen Eckpunkten: Die Infrastruktur soll zukünftig im alleinigen
Eigentum des Bundes bleiben.
({2})
Die DB AG soll die Infrastruktur auf eine begrenzte Zeit
bewirtschaften und die Möglichkeit erhalten, die Infrastruktur zu bilanzieren.
({3})
- Ob das Unsinn ist, Herr Friedrich, ist eine andere
Frage.
({4})
Richtig ist aber: Der Teufel steckt im Detail. Es gibt in
der Tat viele Juristen, die sagen, das sei die Quadratur
des Kreises.
({5})
Wie auch immer, ich will für die Union festhalten, dass
das Eigentum Vorrang hat.
({6})
Das heißt, wir wollen über das Eigentum verfügen können. Wir wollen, dass weiterhin keine Streckenstilllegung ohne Zustimmung des Bundes erfolgt; denn eine
solche Frage landet immer wieder bei den Politikern.
Wir wollen keinen Verkauf von Grundstücken ohne Zustimmung des Bundes. Wenn Erlöse anfallen, wollen
wir, dass diese wieder als Mittel des Bundes in das Netz
fließen. Wir wollen keine Schuldenaufnahme in Bezug
auf das Netz ohne Zustimmung des Bundes. Wir wollen
weiterhin eine Mitsprache des Bundes bei der Verwendung der Mittel, die der Bund jährlich zahlen soll. Es
geht also nicht darum, der Bahn global irgendwelche
Milliardenbeträge zu geben; 2,5 Milliarden Euro stehen
ja zur Diskussion. Wir wollen vielmehr, dass sehr wohl
darauf geachtet wird, wo das Geld bleibt, wie das bisher
der Fall war.
Wir wollen - um es deutlich zu sagen - keine wie
auch immer geartete und auf welchen Umwegen auch
immer erfolgende Bedienung der Rendite der Privataktionäre, wie das in manchen Zeitungen befürchtet
wird.
({7})
Dafür wollen wir keine Bundesmittel bereitstellen.
({8})
Bei einer möglichen Nichtverlängerung des Bewirtschaftungsvertrages, Herr Friedrich, wollen wir, dass wir
allenfalls diejenigen Mittel der Bahn ersetzen, die sie für
die Infrastruktur aufgewendet hat. Richtig ist, dass wir
einen kurzen, überschaubaren Zeitraum der Bewirtschaftung wollen. Es kann nicht sein, dass wir einerseits
eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung von
zehn Jahren und andererseits einen Bewirtschaftungsvertrag von vielleicht 20 Jahren beschließen. Das muss
schon zusammenpassen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch etwas Grundsätzliches sagen. Die Bahn AG plant in „Europa und
anderswo“ - so das wörtliche Zitat - Investitionen in
Milliardenhöhe. Die „Welt“ meldet am 15. November:
„Bahn plant milliardenschwere Expansion“. Die „Süddeutsche Zeitung“ vom 8. November berichtet, Mehdorn
plane Zukäufe in Europa: „Investitionen bis zu
12,5 Milliarden Euro sollen die internationale Expansion
vorantreiben“. Dann die „Westfälische Rundschau“,
10. November: „Unser Zukunftsmarkt sind die vereinigten Staaten von Europa und die Landbrücke Richtung
Osten.“ Die „FAZ“ von heute berichtet über Pläne der
Bahn: „Von Köln nach Schanghai oder von Berlin nach
Peking“. Dann noch eine ganz aktuelle kleine Meldung:
Der ICE-Halt am Bahnhof Düsseldorf-Flughafen wird
gestrichen.
Meine Damen und Herren, so stellen wir uns natürlich
die Bahnpolitik der Zukunft nicht vor,
({9})
dass wir in Europa und anderswo Milliarden ausgeben,
dass aber beispielsweise wegen fünf Minuten Aufenthalts und Abbremsen - der Bahnhof wurde eigentlich
genau dafür gebaut, dass der Flughafen angebunden
wird - das Halten am Bahnhof Düsseldorf-Flughafen
ausgeschlossen wird. Immerhin sind im letzten Jahr
220 000 Fluggäste mit der Bahn nach Düsseldorf gekommen. Das ist ein Fünftel aller Fluggäste, die Düsseldorf hatte. Wenn also die „Westfälische Rundschau“ am
10. November schreibt, „Bahn baut in Asien und bremst
zu Hause“, dann kann das nicht unsere Politik sein. Das
will ich einmal deutlich sagen.
({10})
Wir haben ja eine große Einkaufsliste: Übernahme
osteuropäischer Staatsbahnen, Übernahme von Stadtverkehren in Prag, Stockholm und Lyon, größter Coup: gemeinsam mit russischer Bahn eine Transsibirien-Landbrücke zwischen Asien und Europa - so nachzulesen.
Wäre die DB AG ein privates Unternehmen, dann würde
ich sagen: Bravo, nur zu! Sie könnte auch 30 Milliarden
Euro oder meinetwegen auch das Dreifache verbauen.
Nur, die DB AG ist immer noch ein bundeseigenes Unternehmen, manche sagen: ein Staatskonzern. Sie ist ein
Staatskonzern, den wir seit 1994 immerhin mit
34 Milliarden Euro entschuldet haben, der seitdem - laut
„Welt“ vom 8. November - 213 Milliarden Euro Subventionen erhalten hat, der heute schon wieder
21,2 Milliarden Euro Schulden hat, und das bei einem
Eigenkapital von 7,5 Milliarden Euro. Hier wäre also zunächst einmal eine Entschuldung angesagt. Jedenfalls
muss eines klar sein: Für die Expansion in den Osten
gibt es keinen Cent aus Steuermitteln.
({11})
Es muss weiterhin geklärt werden, wer das Risiko des
internationalen Engagements trägt. Ein Engagieren in
der Welt, auf dem Weltmarkt birgt Chancen, aber auch
Risiken. Wir wollen nicht, dass der Bundeshaushalt
diese Risiken trägt.
({12})
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende. - Sowohl unseren Verkehrsminister als auch unseren Finanzminister - beide Häuser
haben das Unternehmen Bahn AG bisher immer freudig
unterstützt - möchte ich deswegen zu erhöhter Wachsamkeit auffordern. Größte Sorgfalt wird geboten sein
bei dem Privatisierungsgesetz, damit wir hinterher nicht
mit Zitronen gehandelt haben.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss und sage: Die Bahn soll
groß, stark und mächtig werden, natürlich. Sie soll sich
behaupten. Aber, meine Damen und Herren, wir haben
dafür zu sorgen, dass das Geld des Steuerzahlers vernünftig ausgegeben wird und vor allen Dingen einem
dient, nämlich der Mobilität der Bürger hier in Deutschland.
({0})
Die Kollegin Heidrun Bluhm, Die Linke, hat das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister, ich erinnere mich gern an Ihre gestrige
Rede auf der Jahrestagung der Wohnungswirtschaft in
Berlin, in der Sie den ganzheitlichen städtebaulichen
Ansatz Frankreichs gelobt haben, ein Ministerium für
Bau und sozialen Zusammenhalt geschaffen zu haben.
Frankreich hat nach den brennenden Vorstädten in Paris
unmittelbar, konsequent und richtig reagiert, auch mit einer Reform der Ministerien. Ich habe Ihre bewundernden und leuchtenden Augen gesehen, als Sie darüber
sprachen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle die volle
Unterstützung der Fraktion Die Linke zusichern, wenn
Sie in der Bundesrepublik Deutschland eine solche oder
ähnliche Reform der Ministerien anstreben.
({0})
Bereits in meiner letzten Rede zum Haushalt habe ich
Ihnen Vorschläge der Fraktion Die Linke unterbreitet,
die in diese Richtung zielen. Unsere Vorschläge können
Sie im Protokoll nachlesen. Ich möchte zukünftig lieber
Ihre strahlenden Augen genießen als brennende Straßen
in Berlin sehen.
Nun aber zum Haushaltsplan des Jahres 2007. Die demografische und die wirtschaftliche Entwicklung werden künftig, bis zum Jahr 2030, insbesondere in den
neuen Bundesländern rasante Veränderungen bei der
Stadtentwicklung mit sich bringen. Deshalb ist die allgemeine Städtebauförderung - das gilt für viele Jahre,
auch über 2009 hinaus - in Ost und West unverzichtbar,
sie ist aber nicht überall gleich gut umsetzbar.
Im Westen werden die Förderung von Konversionsflächen und Industriebrachen sowie die Modernisierung einiger Großwohnsiedlungen erforderlich. Der Schrumpfungsprozess wird im Westen nur partiell und erst viel
später erfolgen als im Osten. Eine erfolgreiche Städtebauförderung im Osten kann aber trotzdem Vorbild sein.
Herr Minister, hier haben Sie in Ihrem Vortrag nicht
richtig argumentiert. Sie haben in diesem Haushalt eine
Absenkung der Ostförderung um 19 Millionen Euro zugunsten des Westens vorgenommen. Sonst hätten wir unseren Änderungsantrag auf Rücknahme dieser Absenkung nicht einreichen müssen. Wir sind der Auffassung,
dass der erhöhte Westansatz im Haushalt gerechtfertigt
ist. Wir schlagen aber vor, die ursprünglich vorgesehenen Ansätze für die Förderung im Osten beizubehalten.
Somit fordern wir, dass die 19 Millionen Euro Ostförderung wieder hinzukommen.
In Ihrem Haushaltsentwurf bleibt leider auch die Antwort auf die Frage nach der Entwicklung des ländlichen
Raumes auf der Strecke. Wir begrüßen aber die Aufstockung des Programms „Soziale Stadt“. Das entspricht
unserem Ziel.
Ebenfalls hoffnungsfroh stimmt uns Ihre Sichtweise
auf die Wohnungsbaupolitik der öffentlichen Hand,
Herr Minister. Ihre Aussagen, dass der Staat die Verantwortung für diejenigen Bürgerinnen und Bürger übernehmen muss, die aus finanziellen Gründen nicht in der
Lage sind, ihre Miete allein zu zahlen, und dass die
Wohnung für uns ein hohes Sozialgut ist und bleiben
muss - neben Bildung, Arbeit und Gesundheit -, begrüßen wir.
Offenbar ist es Ihnen vorerst gelungen - Sie betonten
„vorerst“ -, Ihren Ministerkollegen Steinbrück zu überzeugen. Nun heißt es, dranzubleiben und aufzupassen,
auch auf Ihren Kollegen Steinbrück, damit der Wohnungsmarkt nicht für REITs geöffnet wird. Die Fraktion
Die Linke und selbst große Teile der SPD werden Ihnen
dabei zur Seite stehen; denn wir wissen schon heute,
dass Rendite und Daseinsvorsorge in dieser Frage niemals zusammenpassen, es sei denn, es geht um die Erzielung einer „Stadtrendite“ im Sinne des Gemeinwohls.
Wir alle stellen gemeinsam fest, dass das CO2-Gebäudesanierungsprogamm eine Erfolgsstory ist, und
zwar sowohl auf die Bauindustrie als auch auf den Arbeitsmarkt, das Kiotoprotokoll, die Betriebskosten und
nicht zuletzt auf die Gebäude und ihre Eigentümer bezogen.
Positiv bewerten wir, dass ab 2007 die Priorität auf
der Förderung öffentlicher Bauten liegen soll. Allerdings
verstehen wir, Die Linke, die Förderung der öffentlichen
Bauten in erster Linie als Förderung der Wohnungsbestände der öffentlichen Hände und auch der öffentlichen
Bauten der Kommunen, der Kreise und der Städte und
nicht - wir vermuten allerdings, dass das so ist - als Eigenförderung der Bundesbauten.
({1})
2006 zeigt, dass der Bedarf weitaus größer ist als angenommen. Deshalb begrüßen wir die überplanmäßige
Ausgabe für dieses Jahr. Wir verstehen diese - Herr
Claus hat es bereits gesagt - als faktische Umsetzung unseres abgelehnten Antrages. Wenn das immer so funktioniert, dann wäre das sicher auch ein Weg. Erlauben Sie
mir die Bemerkung, dass Die Linke in ihrem Antrag
nicht ganz falsch gelegen haben kann. Deswegen fordern
wir wiederum eine Aufstockung der Mittel für das CO2Gebäudesanierungsprogramm um 200 Millionen Euro
auf insgesamt 480 Millionen Euro.
({2})
Nun zur Altschuldenhilfe. Im Jahresbericht der Bundesregierung 2006 zur Deutschen Einheit wird auf
325 Wohnungsunternehmen hingewiesen, die mehr als
15 Prozent Leerstand verwalten. Das ist bei 1 060 ostdeutschen Wohnungsunternehmen im GdW ein Drittel
der gesamten Mitgliedschaft. Wir waren für die konsequente und richtige Lösung, die vorsah, die Altschuldenbefreiung komplett durch die Übernahme der Verbindlichkeiten durch den Bund zu regeln. Auch der GdW
spricht wie wir offen über fiktive Schulden aus der
DDR, genauso wie es Altkanzler Kohl tat, und der wird
es schon wissen.
({3})
Wenn Sie schon die generelle Altschuldenentlastung
nicht finanzieren wollen oder können, dann hätten wir
erwartet, dass wenigstens unser Antrag zur Aufstockung
der Mittel akzeptiert würde. Nur so kommen aus unserer
Sicht der Abriss und der Stadtumbau nicht ins Stocken.
Allein in Mecklenburg-Vorpommern haben wir vor, bis
2009 30 000 Wohnungen zurückzubauen. Davon wurden
nach vier Jahren erst 10 600 Wohnungen zurückgebaut.
Eine der Ursachen dafür liegt darin, dass die Altschuldenhilfe nicht rechtzeitig kommt und dass sie für viele
Unternehmen gar nicht zur Verfügung steht. Letztlich
können die städtebaulichen Ziele nicht erreicht werden.
Unsere Forderungen kennen Sie. Wir haben sie mit
entsprechenden Anträgen untersetzt. Aus diesem Grunde
möchte ich Ihnen als Fazit zusammenfassen: Trotz positiver Ansätze im Einzelplan 12 haben Sie kein Optimum
erreicht und ihre Möglichkeiten nicht ausgenutzt, positive, nachhaltige, ökologische und soziale Investitionspolitik zu machen. Deshalb werden wir den Einzelplan 12 ablehnen.
Danke schön.
({4})
Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Uwe
Beckmeyer.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! In einer Haushaltsdebatte ist es üblich, dass sich
die Opposition in gewohnter Weise mit dem Haushalt
auseinander setzt. Dass es zwischen der ersten und der
zweiten und dritten Lesung gewaltige Änderungen im
Haushalt des Verkehrsministeriums gab, haben Sie in
keiner Weise erwähnt. Das ist bedauerlich, weil ein solcher Prozess dadurch geprägt ist, dass sich das Parlament einbringt und Akzente setzt. Die Akzente, die gesetzt worden sind, überhaupt nicht zu erwähnen, sondern
einfach auszublenden, ist unparlamentarisch. Das ist ein
starkes Stück.
Wir haben in der zweiten und dritten Lesung eine
Neuakzentuierung vorgenommen. Wir haben bei den
Mitteln für Straßenbauinvestitionen deutlich zugelegt.
Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Wir haben bei
den Mitteln für den aktiven und passiven Lärmschutz
deutlich zugelegt.
({0})
Wir haben bei der CO2-Reduzierung eine Stabilisierung
der Mittel erreicht, die wichtig ist. Ich denke, dass solche
Elemente von der Opposition zur Kenntnis genommen
werden müssen.
In Ihren Reden heißt es am Ende immer: Skandal, Betrug, fauler Kompromiss oder was auch immer. Das sind
aber keine Resümees für einen Haushalt, der im Grunde
als Scharnier zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der privaten Wirtschaft in Deutschland bei der Infrastrukturfinanzierung wirkt. Dieser Haushalt sucht seinesgleichen, erst einmal aufgrund seiner Größe, aber
auch aufgrund seiner Funktion. Diese Funktion - die Bedeutung für die Wirtschaftsförderung, für die Konjunktur und die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt bitte ich zu berücksichtigen.
Ich denke, vor diesem Hintergrund muss auch gegenüber der Öffentlichkeit klar gemacht werden, dass die
Weichenstellung des Verkehrshaushalts ganz entscheidend ist für wirtschaftliches Wachstum, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Fortsetzung des
konjunkturellen Aufschwungs in der Bundesrepublik,
die wir dringend benötigen.
Diesem Haushalt kommt auch an einer anderen
Schnittstelle große Bedeutung zu - das ist vorhin bereits
ansatzweise beleuchtet worden -: im Bereich der Umweltpolitik. Im Zusammenhang mit der CO2-Reduzierung müssen wir feststellen, dass die zwei größten
Emittenten, die es in der Bundesrepublik neben der Industrie gibt, die Sektoren Verkehr und Wohnen, zu diesem Politikbereich gehören. In diesem Haushalt wird
sehr viel auf die Beine gestellt, um bei der CO2-Reduzierung Akzente zu setzen. Das ist, wie ich glaube, nicht zu
verkennen.
({1})
Die Politik, die wir formuliert haben, spiegelt sich
auch im Haushalt wider. Wir wollen schadstoffarme Motoren fördern. Wir wollen das Kraftfahrzeuggewerbe
dazu anhalten, weiterhin solche Motoren zu produzieren.
Wir wollen den Güterkraftverkehr anhalten, solche Motoren und LKW-Züge, die die Euro-5-Norm erfüllen, zu
kaufen. Wir wollen im Bereich des Wohnungsbaus durch
unser CO2-Programm im großen Stil einen Beitrag zur
Reduzierung der Treibhausgase in Deutschland leisten.
Insofern haben wir einen wichtigen Punkt erreicht, der
deutlich werden lässt, dass der Verkehrshaushalt ein
Schlüsselhaushalt und damit ein Zukunftshaushalt ist.
Wir geben mit dem Verkehrshaushalt eine Mobilitätsgarantie. Wir leisten mit dem Verkehrshaushalt einen
wichtigen Infrastrukturbeitrag im Hinblick auf die Stadtentwicklung und einen wichtigen Beitrag zur Stärkung
des Standortfaktors Wirtschaft in der Bundesrepublik
Deutschland insgesamt.
Insofern sind die Mittel, die wir einsetzen, mit deutlichen Signalen besetzt. Durch den Einsatz dieser Mittel
erzielen wir inzwischen Wirkungen sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Hinblick auf die Konjunktur. Das
CO2-Programm zum Beispiel ist ein Konjunkturprogramm, dessen Wirkung nicht zu unterschätzen ist
({2})
und das sich in Deutschland inzwischen in der Fläche
derart entfaltet hat, dass man nur sagen kann: Chapeau,
das ist toll!
({3})
Der Aspekt der Nachhaltigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen.
Nun möchte ich noch etwas zur Infrastruktur insgesamt sagen. Jede Million Euro und jede Milliarde Euro
zählen. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass
der Verkehrshaushalt auch in den Haushalten der kommenden Jahre kräftig gefüllt sein wird. Deshalb sage ich:
Mit den Mitteln des Verkehrshaushalts unterhalten wir
ein Verkehrsnetz, das in Mitteleuropa seinesgleichen
sucht. Dieses Verkehrsnetz ruft danach, unterhalten zu
werden. Natürlich ist aber auch die eine oder andere Ergänzung notwendig. Aus Raumerschließungsgründen
müssen Verkehrsinvestitionen in Neubaustrecken in der
Bundesrepublik Deutschland notwendigerweise ermöglicht werden.
Im Hinblick auf die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen haben wir bereits etwas unternommen. Jetzt
wenden wir uns den Bundeswasserstraßen zu, ob es sich
um Schleusenanlagen handelt, die ergänzt oder ersetzt
werden müssen, oder um wichtige Ausbaumaßnahmen,
die in diesem Zusammenhang ebenfalls zu erwähnen
wären. Das Gesamtvolumen des Bruttoanlagevermögens, um das es geht, beträgt in der Bundesrepublik
Deutschland, aufgeteilt auf die verschiedensten Ver6702
kehrsträger, 1 Billion Euro. Das hat einen Wert an sich,
der unterhalten und gepflegt werden muss.
Insofern ist festzuhalten, dass das meiste Geld inzwischen gar nicht mehr in Neubauten gesteckt wird, sondern dass ein sehr großer Batzen unseres Haushalts in
die Unterhaltung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur
fließt. Aus diesem Grunde ist darauf hinzuweisen, dass
konjunkturelle Erwägungen auch hier eine wichtige
Rolle spielen. Von vielen wird ja befürchtet, dass wir in
der ersten Hälfte des kommenden Jahres einen konjunkturellen Abschwung haben werden. Davon abgesehen,
dass ich nicht glaube, dass das eintreten wird: Wir werden im nächsten Jahr in verstärktem Maße in Unterhaltungsmaßnahmen investieren, gerade im Hinblick auf
Straßen und Brücken. Das wird konjunkturell von Nutzen sein und helfen, negative Effekte auszugleichen. Wir
werden dazu einen entscheidenden Beitrag leisten.
({4})
Ein Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die
DB AG. Wir haben in diesem Zusammenhang morgen
einige Abstimmungen durchzuführen. Es gibt einen gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen, mit dem
die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf für eine Teilkapitalprivatisierung der Deutschen
Bahn AG vorzubereiten. Ich sage bewusst: Teilkapitalprivatisierung. Weshalb? Weil draußen in den Landen
ankommt, wir würden hier im Parlament über eine Privatisierung der Deutschen Bahn reden. Fakt Nummer
eins ist: Die Deutsche Bahn wird weiterhin im Besitz des
Bundes bleiben.
({5})
Wir werden mit 51 oder 50,1 Prozent weiter Mehrheitsaktionär der Deutschen Bahn AG bleiben. Fakt Nummer
zwei ist: Die Koalition ist sich darüber im Klaren, dass
die Gesellschaften, die die Infrastruktur - Netz, Bahnhöfe und Stationen, Energie - betreiben, 100-prozentiges
Eigentum der Bundesrepublik Deutschland bleiben sollen. Auch das muss man deutlich unterstreichen. Was
wir wollen, ist, dass der integrierte Verkehrskonzern Mobilitätskonzern DB AG auf diesen Infrastrukturnetzen
produzieren kann. Dass auf diesen Netzen auch Gewinne
erwirtschaftet werden können, ist selbstverständlich.
Dass für privates Kapital, das in die Holding gegeben
wird, von diesen Gewinnen eine entsprechende Rendite
gezogen werden kann, ist, denke ich, selbstverständlich.
Wir, der Deutsche Bundestag, haben nichts anders vor
- das sage ich all denen, die etwas anderes behaupten als eine Teilkapitalprivatisierung, mit dem klaren Prä,
dass wir die Bundesbeteiligung an den Infrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG wichtig nehmen.
Wir werden kein Volksvermögen verschleudern und wir
werden die Infrastruktur nicht dem Kapitalmarkt gewissermaßen zum Fraße vorwerfen; das muss man hier einmal ganz deutlich festhalten.
({6})
Deshalb sollte die Opposition die vorliegenden Anträge
noch einmal fachlich beurteilen. Ich glaube, wenn Sie
das täten, könnten Sie dem Ganzen zustimmen.
Ich möchte zum Schluss noch etwas ansprechen, was
uns umtreibt. Nach den letzten Nachrichten - der Kollege
Friedrich hat es angesprochen - wird das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz möglicherweise im
Bundesrat von einigen Bundesländern kritisiert werden.
Die nötige Mehrheit ist nicht unbedingt garantiert. Ich
möchte von dieser Stelle aus die Länder und die Verantwortlichen in den Landesregierungen ausdrücklich auffordern, sich dieser Frage noch einmal ausführlich zuzuwenden.
Eine solche Infrastrukturplanungsbeschleunigung ist
für die Bundesrepublik - im gesamten Land soll die Planungsbeschleunigung einheitlich geregelt werden - von
elementarer Wichtigkeit. Falls nun einige Bundesländer
meinten, aus der Finanzierung der Anschlüsse der Windenergieanlagen, insbesondere der Windenergiefelder im
Offshore-Bereich, ein Thema machen zu können, das
das ganze Gesetzgebungsverfahren anhält, wäre das eine
ganz schlimme Entwicklung.
({7})
Erstens -
Herr Kollege, ich fürchte, das Zweitens können Sie
schon nicht mehr vortragen.
Erstens ist die Sache an sich schlimm, zweitens wäre
dies ein völlig fatales Signal bezüglich der Modernisierung der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik
Deutschland. Es würde eine Gefährdung von Technologien bedeuten, die wir weltweit vermarkten können.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja. - Diese Ressource wird gerade auch in den norddeutschen Bundesländern von Schwarz, von Rot und
von Grün befürwortet.
Meine Herren Ministerpräsidenten, ich kann an Sie
wirklich nur appellieren: Tun Sie dies nicht, sondern
stimmen Sie diesem Gesetz im Bundesrat zu.
Herzlichen Dank.
({0})
Ich erteile Enak Ferlemann, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
({0})
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir leben in einer spannenden Zeit, die durch Europäisierung und Globalisierung gekennzeichnet ist, die die
wesentlichen wirtschaftlichen Entwicklungen vorantreiben.
Ein wesentlicher Sektor ist hierbei der Verkehrssektor. Dort wird eine der zentralen Fragen der Zukunft
beantwortet werden müssen: Wie wollen wir die Mobilität in Zukunft organisieren? Steigende Gütermengen und
steigende Anforderungen an Transport- und Logistikleistungen sind Ausdruck von zusammenwachsenden
Märkten. Hierauf muss das in Europa zentral gelegene
Land Deutschland reagieren. Es muss daher Ziel der
Politik sein, alle Chancen, die die Europäisierung und
die Globalisierung mit sich bringen, zu nutzen. Dabei
müssen wir die Lissabonstrategie, also die Wachstumsstrategie der Europäischen Union, und die Göteborgstrategie, also die so genannte Nachhaltigkeitsstrategie der
Europäischen Union, beachten.
Wir sind dafür verantwortlich, dass wir ausreichende
Kapazitäten an See- und Binnenhäfen bereitstellen, dass
die Wasserwege entsprechend ausgebaut werden, dass
die Kapazitäten der Flughäfen, die Autobahnen und vor
allem auch die Schienenwege ausreichend erweitert werden. Um die Chancen dafür optimal nutzen zu können,
müssen wir mit dem Haushalt die Grundlagen dafür
schaffen. Das tun wir auch.
Für diese weitere Entwicklung sind in dem Bundeshaushalt erhebliche Investitionen in das Bundesfernstraßennetz, in das Bundeswasserstraßennetz und vor allem
auch in die Schieneninfrastruktur vorgesehen. Es ist ergänzend zu erwähnen und sicherlich nicht unwichtig,
dass neben diesen Investitionsmitteln auch die erheblichen Regionalisierungsmittel und die Mittel aufgrund
des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes wieder zur
Verfügung gestellt werden.
({0})
Bezüglich des Schienenverkehrs gibt es im
Haushalt 2007 einen bestimmten Punkt, auf den man
hinweisen muss: Ab dem 1. Januar 2007 werden wir in
Europa endlich - meiner Meinung nach ist das viel zu
spät - einen vereinigten europäischen Markt für den
Schienengüterfernverkehr haben. Deutschland braucht
eine starke und moderne Bahn und ein erfolgreiches Unternehmen Deutsche Bahn AG, um in diesem erweiterten Markt seine Marktschancen erfolgreich nutzen zu
können.
Wir müssen in der Bundespolitik für unser Unternehmen - all diejenigen, die hier sitzen, sind Eigentümer;
denn die Bahn gehört den Deutschen und wir vertreten
die Deutschen - die Weichen stellen, damit die DB AG
ein europäischer oder sogar ein Global Player werden
kann. Ich persönlich hätte gar nichts dagegen, wenn man
eine Schienenverbindung über Land zwischen Europa
und Asien schaffen würde. Das wäre eine gewaltige
Kraftanstrengung auf dem Transportmarkt. Für das System Schiene und für die Globalisierung wäre es aber sicherlich sinnvoll, dies offensiv anzugehen.
1994 haben wir im Deutschen Bundestag gemeinsam
beschlossen, die Bahn zu reformieren: Erstens wollten
wir mehr Verkehr auf die Schiene bringen. Zweitens
wollten wir den Bundeshaushalt dadurch nachhaltig entlasten.
({1})
Als Instrument dafür wollten wir mehr Wettbewerb im
System Schiene.
({2})
Nach dem Grundgesetz trägt der Bund die Verantwortung für die Infrastruktur. Dies müssen wir auch weiterhin gewährleisten, indem wir Mittel für den Ausbau und
den Erhalt der Schienenverkehrsinfrastruktur bereitstellen. Bis zu 4 Milliarden Euro an Bundesmitteln stehen
auch in diesem Haushalt dafür wieder zur Verfügung.
In der Vorbereitung der Entscheidung über eine Privatisierungsvariante - mit oder ohne Netz - haben wir
uns sehr viele Gedanken gemacht. Das Thema ist in der
Tat sehr komplex. Von einigen Vorrednern ist das in Teilen auch schon angesprochen worden. Es geht nämlich
nicht nur um die Bahnpolitik, sondern hier spielen auch
finanz- und haushaltspolitische, volkswirtschaftliche,
europarechtliche, beschäftigungspolitische und ordnungspolitische Gesichtspunkte eine erhebliche Rolle.
Das ist auch die Antwort darauf, verehrte Kollegen von
der FDP, warum wir uns intern so viel Zeit genommen
haben: Wir müssen nämlich diese verschiedenen einzelnen Gesichtspunkte intensiv abwägen und im Zusammenhang zu einem vernünftigen Ergebnis führen. Dabei
halfen das PRIMON-Gutachten, die verschiedenen Gutachtergespräche, die Anhörungen, Analysen und Abwägungen zu vielen Einzelaspekten, die wir vorgenommen
haben.
({3})
Bei der Bahnreform sind aus unserer Sicht drei
Grundelemente notwendig. Erstens muss die steuerfinanzierte Eisenbahninfrastruktur zwingend weiter im
Eigentum des Bundes bleiben.
({4})
Zweitens. Einen integrierten Konzern, das heißt eine
Konzernprivatisierung inklusive Netz, lehnen wir vonseiten der Union strikt ab. Die Betriebsführung des Netzes sollte aber klugerweise integriert erfolgen, und zwar
durch die Deutsche Bahn AG.
Drittens muss ein diskriminierungsfreier Wettbewerb
im Netz gewährleistet werden. Ich denke, hierfür steht
mit der Bundesnetzagentur eine gute Regulierungsbehörde bereit.
({5})
Vor dem Hintergrund dieser wesentlichen Grundüberzeugungen haben wir einen Entschließungsantrag zur
Abstimmung gestellt, auf den ich mit einigen Sätzen eingehen will. Wir erwarten von der Bundesregierung - unser Verkehrsminister mit seinen klugen Juristen wird sicherlich dazu in der Lage sein -, uns bis etwa Ende März
nächsten Jahres einen Entwurf des Privatisierungsgesetzes vorzulegen,
({6})
sodass wir ihn dann ordnungsgemäß im Parlament beraten können. Wir haben für dieses Privatisierungsgesetz
Zielvorgaben erarbeitet und wollen erreichen, dass nach
Möglichkeit noch in dieser Legislaturperiode private Investoren zu mindestens 24,9 Prozent an der Deutschen
Bahn AG beteiligt werden, damit die DB AG das notwendige Kapital generieren kann, um im europäischen
Wettbewerb bestehen zu können.
Als weiteren Punkt haben wir, wie gesagt, vereinbart,
dass die Infrastrukturgesellschaften vor der Kapitalprivatisierung ins Eigentum des Bundes überführt werden
müssen. Wir haben einen vertraglich vereinbarten Zeitraum vorgesehen, in dem sich der Bund verpflichtet, den
Betrieb der Infrastruktur auf die DB AG zu übertragen;
er kann nach Ablauf dieser Zeit entscheiden, ob er diesen Vertrag verlängern will. Das ist mit dem Stichwort
„Reversibilität der Entscheidung“ gemeint.
Mit dem Privatisierungsgesetz wollen wir auch sicherstellen, dass wir keine zusätzlichen Schulden und
Risiken in den Bundeshaushalt übernehmen müssen; der
DB AG soll aber ermöglicht werden, Schienennetz und
Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und gegebenenfalls auch zu bilanzieren. Wir wollen,
dass mehr Verkehr auf die Schiene kommt. Deswegen
setzen wir die Verkehrsinfrastruktur einem erheblich
stärkeren Wettbewerb aus.
Zur Bundesnetzagentur, die diesen diskriminierungsfreien Wettbewerb ermöglichen und sicherstellen soll,
habe ich schon einiges ausgeführt. Die DB AG wird
auch weiterhin den konzerninternen Arbeitsmarkt fortführen können, was für die Mitarbeiter sicherlich eine
gute Nachricht ist. Letztlich muss die Bahnreform mit
dem EU-Recht kompatibel sein, was unseres Erachtens
durch unseren Antrag sichergestellt ist.
Ich denke, dass wir mit dem Entschließungsantrag gemeinsam mit den vielen neuen Freunden der SPD-Fraktion den richtigen Weg gegangen sind, um die Deutsche
Bahn AG gut für den europäischen Wettbewerb auszustatten und zu unterstützen.
Wir werden zusichern, dass der Bund etwa 2,5 Milliarden Euro jährlich für die Bestandsnetzpflege aufbringen wird. Dies werden wir aber durch eine strenge Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung kontrollieren.
Auch das wird sicherlich ein wichtiges Thema sein, auf
das wir uns im kommenden Frühjahr bei den weiteren
Diskussionen zur Bahnreform, die aufgrund des Privatisierungsgesetzes des Herrn Ministers auf uns zukommen
werden, einstellen müssen.
Wir haben mit dem Bundeshaushalt 2007 dafür Sorge
getragen, die notwendigen Investitionsmittel bereitzustellen, um insgesamt den Verkehrssektor in Deutschland weiter voranzubringen, ihn europafähig zu machen
und auch im Hinblick auf die Globalisierung nach vorne
zu bringen. Meine Fraktion wird voller Überzeugung sowohl dem Entschließungsantrag zur Bahnreform als
auch dem Einzelplan 12 zustimmen.
Danke schön.
({7})
Für das Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Anna Lührmann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich möchte etwas zu der Quadratur des Kreises sagen, wie der Kollege Königshofen das vorhin so
schön genannt hat, nämlich zu dem von der großen Koalition vorgelegten Entschließungsantrag zum Thema
Bahnbörsengang. Zu der zentralen Frage betreffend den
Bahnbörsengang enthält Ihr Entschließungsantrag in der
Tat eine widersprüchliche Aussage.
({0})
- Ich konzentriere mich auf die wesentlichste Frage. Ich will den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern
die entsprechenden Stellen einmal vorlesen. Unter
Punkt I.3 heißt es:
Die Infrastrukturgesellschaften werden vor der Kapitalprivatisierung ins Eigentum des Bundes überführt.
Ich übersetze das einmal für die Zuhörerinnen und Zuhörer: Das Netz bleibt im Eigentum des Staates.
({1})
Unter Punkt I.5 steht:
Die DB AG erhält die Möglichkeit, Schienenverkehr und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren.
Ich übersetze wieder: Das Netz gehört der DB AG.
({2})
Ich frage mich, wie das zusammengehen soll. Können
Sie mir die zentrale Frage verbindlich beantworten - bislang gibt es unterschiedliche Aussagen dazu -, wem das
Schienennetz in der Bundesrepublik Deutschland in Zukunft gehören soll? - Niemand traut sich. Die Frage
bleibt also offen.
({3})
Wir, die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, haben eine ganz klare Antwort auf diese Frage. Nach unserer Erfahrung wird es für den Steuerzahler dort teuer, wo
es kompliziert wird. Wenn man Heerscharen von Juristen braucht, um ein Modell zu verstehen und zu interpretieren, dann wird es für den Steuerzahler teuer. Wir brauchen stattdessen ein klares, einfaches Modell, nämlich
die Trennung von Netz und Betrieb, wobei das Netz im
Eigentum des Bundes bleibt.
({4})
Ich war im letzten halben Jahr zum großen Teil damit
beschäftigt, Licht ins Dunkel des Geflechts zwischen
Verkehrsministerium und Bahn zu bringen. Wir haben
drei sehr komplexe Kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt, um vor allen Dingen in der Immobilienfrage einige Antworten zu bekommen. Ein paar Antworten haben mich vor allen Dingen als Haushälterin
aufgeregt und schockiert. Wussten Sie, dass seit 2004
der DB AG die Bundesmittel für den Ausbau der Schieneninfrastruktur quasi geschenkt werden und dass sie
keinen Cent mehr zuzahlen muss? Ich jedenfalls wusste
das nicht. Das wurde im Haushaltsausschuss nie mitgeteilt. Erst auf mehrmaliges Nachfragen haben wir das erfahren.
Nur zur Erinnerung: 1999 musste die DB AG noch
1 Milliarde Euro pro Jahr zahlen. Im Jahr 2000 wurde
dieser Betrag auf rund 150 Millionen Euro jährlich gesenkt, weil die DB AG angeblich keine Eigenmittel
mehr hatte. Was sie mit ihren eigenen Mitteln in der
Zwischenzeit gemacht hat, hat der Kollege Königshofen
bereits ausgeführt. Seit 2004 tätigt die DB AG dort keine
Investitionen mehr in das Netz, wo das aus Sicht des
Bundes wünschenswert wäre. Das zeigt, wie wenig wert
der Bahn das Netz ist und warum es unbedingt notwendig ist, das Netz abzutrennen und in staatliche Verantwortung zu überführen. Für diese klare und sinnvolle
Lösung werbe ich um Ihre Zustimmung.
({5})
Die Frage ist aufgekommen, ob es stimmt, dass die
DB AG keine Eigenmittel für zuwendungsfähige Investitionen - so heißt es korrekt - hatte. Wenn man sich anschaut, was die DB AG aus den Immobilienverkäufen,
das heißt aus dem Heben stiller Reserven, eingenommen
hat, dann stellt man fest, dass Geld vorhanden war. Sie
hat - das wurde uns von der Bundesregierung mitgeteilt seit dem Jahr 2000 rund 760 Millionen Euro aus dem
Heben stiller Reserven eingenommen. Zur Erinnerung:
616 Millionen Euro wurden im gleichen Zeitraum in das
Netz investiert. Hinzu kommt der Erlös aus dem Verkauf
von Grundstücken an Aurelis, eine große Immobilienverwertungsgesellschaft. Das sind noch einmal über
1 Milliarde Euro. Insgesamt beträgt der Erlös aus Immobilienverkäufen, das heißt aus dem Heben stiller Reserven, rund 2 Milliarden Euro. Das ist sehr viel. Angesichts dessen kann man sagen, dass die DB AG einen
Teil ihres laufenden Geschäfts und ihres - teilweise vorhandenen und teilweise nicht vorhandenen - Gewinns
mithilfe des Hebens stiller Reserven bestritten hat.
Nun liegt ein Brief von Herrn Mehdorn auf dem
Tisch. Das heißt, er liegt nicht bei mir auf dem Tisch,
sondern auf dem von Herrn Tiefensee. Ich habe aus dem
„Spiegel“ davon Kenntnis genommen. Dort steht, dass
Herr Tiefensee - - Entschuldigung, dass Herr Mehdorn
- - Jetzt verwechsle ich die beiden schon; das war keine
Absicht.
({6})
In dem Artikel steht, dass Herr Mehdorn an Sie, Herr
Tiefensee, schreibt, dass die DB AG zu keiner Zeit ihren
Geschäftserfolg aus einer Unterbewertung von Immobilien oder aus dem Heben von stillen Reserven geschöpft
hat und dies auch nicht nach einem Börsengang plant. Sie lachen schon, Herr Kollege, und ich glaube, dass Sie
Recht haben, wenn Sie lachen. Denn erstens - das habe
ich vorhin deutlich gemacht - bestanden stille Reserven,
zweitens hat sie die DB AG in den letzten Jahren gehoben und drittens wird Mehdorn ganz sicher auch in Zukunft versuchen, diese stillen Reserven durch Immobilienverkäufe zu heben. Deshalb lassen Sie, meine Damen
und Herren von der großen Koalition, sich nicht weiter
von Mehdorn für dumm verkaufen!
({7})
Versuchen Sie nicht die Quadratur des Kreises, die Ihnen
Mehdorn aufschwatzen will, sondern votieren Sie für ein
klares und einfaches Modell der Trennung von Netz und
Betrieb! Dafür werden wir vom Bündnis 90/Die Grünen
auf jeden Fall weiter werben.
({8})
Für die CDU/CSU-Fraktion bekommt der Kollege
Dirk Fischer das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Das Bauhauptgewerbe rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzplus von 2 Prozent. Das gab es seit sechs
Jahren nicht. Die Umsätze im öffentlichen Bau werden
im Jahr 2006 um 1 Prozent steigen. Ein Plus gab es dort
seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Auch die Umsätze im Wohnungsbau steigen um 1 Prozent. Das ist eine
erstmalige Trendwende seit 1997. Die schönste Botschaft für die Politik aus der Bauwirtschaft ist: Die Zahl
der arbeitslosen Bauarbeiter ist allein im August 2006
gegenüber dem Vorjahresmonat um 30 Prozent gesunken.
({0})
Nachdem das Bauhauptgewerbe seit 1995 etwa eine
Halbierung der Zahl der Arbeitsplätze hinnehmen
musste, gibt es jetzt erstmals wieder einen Anstieg. Ich
denke, wir sind dabei, diesen richtigen Weg auch mit
dem Haushalt 2007 konsequent zu unterstützen. Gegenüber der letzten, sehr unbefriedigenden mittelfristigen
Dirk Fischer ({1})
Finanzplanung von Rot-Grün ist es der großen Koalition
gelungen, die Mittel nennenswert zu erhöhen.
({2})
Als der Erfolgsköder für mehr private Investitionen hat
sich, wie heute schon mehrfach erwähnt wurde, das CO2Gebäudesanierungsprogramm entwickelt. Aus dem
zarten Pflänzchen der Vorgängerregierung wurde eine der
tragenden Säulen des 25-Milliarden-Euro-Investitionsprogramms dieser Bundesregierung.
({3})
Allein bei dem mit diesen Mitteln finanzierten Programm der KfW wird das Kreditzusagevolumen 2006
gegenüber dem Vorjahr auf circa 3,5 Milliarden Euro
verdreifacht. Das ist eine Entwicklung, die auch an der
FDP-Fraktion nicht spurlos vorübergehen dürfte. Ich
danke im Übrigen dem Kollegen Hermann für die Komplimente, die er uns dafür gemacht hat.
({4})
Zusammen mit anderen KfW-Programmen, die mit
den Mitteln des CO2-Gebäudesanierungsprogramms des
Bundes finanziert werden, haben wir in diesem Jahr ein
Zusagevolumen von circa 9 Milliarden Euro und ein Investitionsvolumen von über 11 Milliarden Euro erreicht.
Ich erinnere daran: Die Planzahlen der Bundesregierung
am Jahresanfang lagen bei 5 Milliarden Euro Zusagevolumen und etwa 7 Milliarden Euro Investitionsvolumen.
Der Start des neuen Programmteils ab 2007, also der Investitionszuschuss für die Ein- und Zweifamilienhausbesitzer und die verbilligten Darlehen für Einrichtungen
der Kommunen, ist die konsequente Weiterentwicklung
dieses erfolgreichen Programms. Es wirkt in dreifacher
Hinsicht: Erstens ist es ein Beitrag zum Erreichen des
Klimaschutzziels, zweitens hilft es den Verbrauchern,
die Wohnnebenkosten zu senken, und drittens ist es ein
wichtiger Konjunkturimpuls, maßgeblich für die Baustoffindustrie und das Handwerk.
({5})
Die zweite wichtige Maßnahme der großen Koalition
zur Stärkung der Bauinvestitionen in Deutschland ist die
Ausweitung der Städtebauförderung. 75 Millionen Euro
mehr Bewilligungsvolumen, als von der Vorgängerregierung geplant, stehen 2007 zur Verfügung: mehr Mittel
für „Stadtumbau Ost“, für das Programm „Soziale
Stadt“, den „Stadtumbau West“ und hoffentlich, so sage
ich, bald auch für den Einstieg in den städtebaulichen
Denkmalschutz in den alten Bundesländern.
({6})
Die Ausrichtung unserer Städte und Gemeinden auf
die Herausforderungen von Demografie- und Strukturwandel stellt veränderte Ansprüche an die Stadtentwicklungspolitik. Wachstum und Umbau, Erhalt, Erweiterung, Abriss, Anpassung an eine alternde Bevölkerung,
aber auch eine neue Attraktivität der Innenstädte für Familien mit Kindern, das sind die antagonistisch anmutenden Schlagworte der aktuellen Ausrichtung unserer
Stadtentwicklungspolitik. Sie spiegeln jedoch nur den
tief greifenden Strukturwandel unserer Gesellschaft wider. Im Rahmen der Städtebauförderung schaffen wir
aber auch Anreize, diesen Strukturwandel für mehr Investitionen, vor allem für private Investitionen, zu nutzen.
Der dritte Investitionen stärkende Bereich im Einzelplan 12 ist die deutliche Anhebung und Verstetigung der
Mittel für die Verkehrsinvestitionen. Die Verkehrsnetze
sind die Lebensadern unseres Landes und unserer Volkswirtschaft. Da kann man auch die Brücke zu dem schlagen, was wir zum Thema Bahn debattiert haben. Die
Lebensadern unserer Volkswirtschaft müssen in öffentlicher Verantwortung, im öffentlichen Eigentum bleiben.
Wir kennen heute die Probleme bei den Energieverbundnetzen. Da tut uns heute manches, was nach unserer Auffassung nicht gut gelungen ist, eher Leid. Derartige Fehler werden wir bei der Schieneninfrastruktur besser nicht
wiederholen, damit wir in Zukunft nicht den Einfluss auf
Wettbewerb und andere Dinge in der Volkswirtschaft
verlieren.
({7})
Ich möchte aber sagen: Wie bereits 2006, so stehen
auch 2007 rund 1 Milliarde Euro mehr als im rot-grünen
Finanzplan vorgesehen für Verkehrsinvestitionen zur
Verfügung.
({8})
Damit wird Kontinuität für Planung und den Bau von
Projekten geschaffen. Gleichzeitig sind wir in der Lage,
den Substanzverzehr, der in den letzten Jahren eingesetzt
hat, aufzuhalten.
Darüber hinaus ist es erfreulicherweise - das hat der
Kollege Beckmeyer schon gut herausgearbeitet - in den
laufenden Beratungen gelungen, weitere Mittel bereitzustellen.
({9})
Hier ist das Ergänzungsprogramm „Lückenschluss
und Staubeseitigung“ zu erwähnen, ein Programm, das
insgesamt mit 420 Millionen Euro ausgestattet ist, wovon schon 2007 165 Millionen Euro bereitstehen. Neun
wichtige Bundesfernstraßenprojekte erhalten damit eine
bessere Perspektive.
Mit dem neuen Förderprogramm für umweltfreundliche Motoren bei Binnenschiffen wird die Modernisierung der deutschen Binnenschifffahrtsflotte mit emissionsärmeren Dieselmotoren unterstützt.
Für die Lärmsanierung an Schienenwegen haben wir
die Mittel erneut um 24 Millionen Euro auf jetzt 100 Millionen Euro aufgestockt. Damit setzen wir ein deutliches
Zeichen, dass wir mehr tun wollen, damit der Zuwachs
des Schienenverkehrs, den wir alle wollen, am Ende
nicht zulasten der lärmgeplagten Anwohner geht.
Ich denke, dass wir mit unseren strategischen Entscheidungen zur Teilprivatisierung der DB AG wichtige
Weichenstellungen vorgenommen haben. Vieles ist gesagt. Wir haben im Koalitionsarbeitskreis hart verhanDirk Fischer ({10})
delt. Ich denke, am Ende haben wir ein akzeptables Ergebnis gefunden, das wir dem Deutschen Bundestag im
Rahmen der Haushaltsberatung zur Beschlussfassung
vorlegen.
({11})
Modellentscheidungen haben wir am Ende nicht mehr
getroffen, sondern wir haben Festlegungen getroffen.
Und jetzt wird Bundesminister Tiefensee und sein Haus
einen Entwurf für ein Privatisierungsgesetz ausarbeiten.
Ich glaube, dass auch den Kollegen in der Opposition,
mit denen wir gemeinsame Grundüberzeugungen haben,
zu raten ist, jetzt abzuwarten, was auf den Tisch gelegt
werden wird. Wir wissen, dass wir die Grundüberzeugung, die wir miteinander teilen, in einem solchen Gesetz auch wiederfinden wollen. Frau Kollegin Lührmann, deshalb werden wir die Debatte auch in dieser
Richtung fortsetzen, wenn der Entwurf vorliegt.
({12})
Wir haben ein völliges Einvernehmen darüber, dass
das Eigentum an der Eisenbahninfrastruktur 100prozentig und vollständig sicher beim Bund verbleiben
muss. Auch wir wollen eine gesicherte Position zur Förderung des Wettbewerbs auf der Schiene und des diskriminierungsfreien Zugangs anderer Unternehmen zu dieser Infrastruktur jederzeit gewährleisten. Wir haben
vereinbart, dass sich private Investoren an Infrastrukturunternehmen nicht beteiligen dürfen.
Nach den schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit wollen wir aber auch, dass die Steuerung und Kontrolle des Bundes über die Ministerien, über den Aufsichtsrat verstärkt werden. In der Vergangenheit tanzte
die Bahn dem Bund viel zu häufig auf der Nase herum.
({13})
Wir wollen deswegen, dass es künftig eine in Bezug auf
Qualität und Quantität klar definierte Schieneninfrastruktur gibt. Die Bahn muss, was die Bewirtschaftung
angeht, diese klar definierten Zustände instand halten.
Dafür gibt es Geld. Die Qualitätskontrolle - Stichwort
„Einhaltung der Standards“ - obliegt dem Bund. Bei
Vertragsverletzungen soll der Bund das Recht haben, die
Bewirtschaftung der Infrastruktur sofort zu sich zurückzuholen.
Herr Kollege, ich möchte Sie bitten, zum Schluss zu
kommen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Es müssen Pflöcke eingeschlagen werden, an denen
sich die Arbeit orientieren muss. Ob ein Börsengang
dann überhaupt möglich ist, hängt von den wichtigen
Kennzahlen ab, die der Kapitalmarkt verlangt. Die Bundesregierung muss dem Deutschen Bundestag zu gegebener Zeit die Kapitalmarktreife darlegen. Wir wollen,
dass diese gegeben ist, damit der Bund am Ende einen
wirklich echten Gegenwert für die Gesellschaftsanteile
erhält, die er veräußern möchte.
Herr Kollege, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.
Das ist hier entscheidend. Wir schaffen die Voraussetzungen. Wenn das geschehen ist, dann muss die Kapitalmarktreife nachgewiesen werden.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, in der Ausschussfassung. Hierzu gibt es
drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke, über die
wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3472? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag bei Zustimmung der Linken und bei Ablehnung durch den Rest des Hauses abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3473? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dieser Änderungsantrag ist bei Zustimmung der Linken,
bei Gegenstimmen der Koalition und der FDP und bei
Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen ebenfalls abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3474? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Damit ist dieser Änderungsantrag mit dem gleichen
Stimmergebnis wie vorher ebenfalls abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 12 in der Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist
der Einzelplan bei Zustimmung durch die Koalition und
Ablehnung durch die Opposition angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt I.15 auf:
Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und Forschung
- Drucksachen 16/3120, 16/3123 Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus Hagemann
Ulrike Flach
Michael Leutert
Zu dem Einzelplan liegen vier Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke vor.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Zwischen den Fraktionen ist verabredet worden, eineinhalb Stunden zu debattieren. - Dazu höre ich keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort der Kollegin Flach für die FDPFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Dieser
schöne Satz wird Ihnen, Frau Schavan, bei den Haushaltsberatungen 2007 wahrscheinlich öfter in den Sinn
gekommen sein.
({0})
- Herrn Tauss ganz bestimmt nicht.
Jahrelang haben Forschungspolitiker aller Fraktionen
Etataufwüchse verlangt. Nun sind sie da. Was wird zum
Schlüsselbegriff der Debatten? Das schöne Wort Sperrvermerk. Sie haben viel Geld bekommen, Frau Schavan, zusätzliche Mittel, und nun sitzen sie im Flaschenhals der bundesrepublikanischen
Forschungsförderungspolitik fest.
({1})
Die Mittel für Ihr Flaggschiff, die Exzellenzinitiative,
werden um 40 Millionen Euro gesenkt. Die Mittel für
den Hochschulpakt und die Hightechstrategie sind
gesperrt - mit den Stimmen der FDP; selbstverständlich.
({2})
- Es geht dabei nicht um den Inhalt, sondern entscheidend ist, dass wir schon im laufenden Haushalt erkennen: Sie werden diese zusätzlichen Mittel nicht loswerden. Darüber haben wir schon oft genug diskutiert. Sie
mussten haushalterisch so handeln; selbstverständlich.
Aber natürlich ist das für die zuständige Fachministerin
ein Debakel sondergleichen.
({3})
Dies ist übrigens umso erstaunlicher, als die Frau
Kanzlerin in ihrer bemerkenswerten Rede zum einjährigen Bestehen dieser großen Koalition genau diese Programme schon als Beispiel dafür anführte, wie toll es in
diesem Land aufwärts geht und welches die Gründe für
den Aufschwung sind.
({4})
Das heißt, hier werden Programme benannt, die im Augenblick noch in keiner Weise umgesetzt werden. Das ist
reine Rhetorik, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich
hoffe, Sie machen es im nächsten Jahr besser.
({5})
Ich habe übrigens noch sehr gut im Ohr, wie Frau
Schavan uns im Ausschuss sagte, diese Mittel würden
im Jahr 2006 zu 95 Prozent abfließen. Inzwischen liegen
uns Gott sei dank die Zahlen für den Stand 31. Oktober
vor. Davon will ich nur einmal folgende anführen.
„Bauen und Wohnen“: Erst 55 Prozent der Mittel sind
abgeflossen. „Vernetzte Welt“: 65 Prozent der Mittel
sind abgeflossen. „System Erde“: 65 Prozent der Mittel
sind abgeflossen. „Investitionen in die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung“: 54 Prozent der Mittel sind abgeflossen. Von Ihrem Lieblingsprojekt, Frau
Schavan, den Sozial- und Geisteswissenschaften, will
ich an dieser Stelle überhaupt nicht reden. Die schlummern im Budget Ihres Ministeriums still vor sich hin.
Da die Haushälter dies auch für 2007 erwarten - da
stimme ich völlig mit Ihnen überein, Herr Hagemann -,
haben CDU/CSU und SPD bei mehreren Titeln die Deckungsfähigkeit erweitert, sodass die Gelder, die dort
nicht abfließen, anderswo geparkt werden können. Das
ist ein schöner haushalterischer Kniff. Nur, ein Schwung
für dieses Land entsteht daraus natürlich nicht.
({6})
- Dies alles sind offensichtlich Freundlichkeiten unter
den Koalitionären.
Wenn ich einen so mageren Mittelabfluss habe, muss
ich mir natürlich die Frage stellen: Habe ich eigentlich
die richtigen Programme? Sind sie richtig konzipiert? Ist
das Ganze nicht viel zu bürokratisch? Lohnt sich das
Ganze überhaupt?
({7})
Braucht man diese Programme?
({8})
Ich habe das schreckliche Gefühl, liebe Kolleginnen und
Kollegen, dass Sie genau diese Frage nicht gestellt haben.
({9})
Das finde ich gerade bei jemandem, der so lange im
Bundestag ist wie Sie, Herr Tauss, schon erbärmlich.
Dies hätten Sie längst tun müssen.
({10})
Wir bewegen uns in einer internationalen Forschungslandschaft und sind nicht auf einer einsamen Insel. Deshalb geht es auch darum, welche Signale von diesem
Haushalt ausgehen. Schauen Sie sich das Beispiel
Fusionsforschung an! Wir haben gerade in diesen Tagen gehört, wie begeistert Sie den Vertragsabschluss zu
ITER feiern. Das ist ein wichtiges Leuchtturmprojekt
der Grundlagenforschung. Völlig d’accord! Die FDP hat
das immer so gesehen. Gleichzeitig erleben wir in der
Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, dass die
Koalitionäre eine Sperre auf genau dieses wichtige Projekt legen - mit dem tollen Argument, es fehle ein entsprechendes Konzept. Und das, liebe Frau Schavan, bei
einem Projekt, das wir alle seit vielen Jahren unterstütUlrike Flach
zen. Ich weiß nicht, inwieweit Sie überhaupt auf die
Haushälter einwirken können.
({11})
- Ich bin gespannt, was Herr Hagemann mich jetzt fragt.
Das heißt, Sie möchten die Zwischenfrage des Kollege Hagemann zulassen?
Selbstverständlich.
Bitte schön.
({0})
Vielen Dank, liebe Kollegin Flach. - Ist Ihnen folgender Sachverhalt bekannt? Für die Fusionsforschung stehen im Haushalt 115 Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem hat das Ministerium beantragt, 11 Millionen
obendrauf zu packen. Von diesen 11 Millionen Euro sind
5,5 Millionen Euro qualifiziert gesperrt, bis das Ministerium einen entsprechenden Bericht vorlegt.
Ist Ihnen bekannt, dass nicht die Gesamtsumme
- 115 Millionen Euro plus 11 Millionen Euro - gesperrt
ist, sondern nur ganze 5,5 Millionen Euro gesperrt sind?
Wenn man das berücksichtigt, hört sich das doch schon
ganz anders an.
({0})
Lieber Kollege Hagemann, ich war genauso wie Sie
dabei. Selbstverständlich ist mir die Größenordnung der
gesperrten Mittel bekannt. Mein Vorwurf richtet sich gegen Sie, weil Sie, natürlich ideologisch begründet, ein
solches Signal in eine Community hineingeben, die seit
vielen Jahren tolle Konzepte vorlegt.
({0})
Ihnen muss man einfach unterstellen: Sie haben den
Unterschied zwischen Fusion und Vision nicht verstanden.
({1})
Alles, was ein bisschen mit Kernkraft zu tun hat, wird
von Ihnen sofort mit einer Sperre belegt. So ein Verhalten erwarte ich von den Grünen, selbstverständlich auch
von gewissen Teilen der SPD, aber eigentlich nicht von
der CDU/CSU.
({2})
Es ist schon erbärmlich, was dabei herauskommt, wenn
eine große Koalition regiert.
({3})
- Nein, das ist ganz einfach nur die Wahrheit.
({4})
- Ganz bestimmt. Da brauchen Sie keine Angst zu haben.
({5})
- Ich folge gerne dieser Aufforderung.
Ich möchte Sie, Frau Schavan, noch einmal mit der
Tatsache konfrontieren, dass es Ihnen im Prinzip nicht
anders geht als Ihrer Vorgängerin, Frau Bulmahn. Sie haben die gleichen Probleme mit den Ländern, Sie verhaken sich wie Frau Bulmahn im Gestrüpp der Technologieskepsis. Man braucht sich nur die Verzögerungen
beim Gentechnikgesetz, die Blockade beim Transrapid
({6})
und das Thema Stammzellforschung anzuschauen. Bei
all diesen Bereichen erkenne ich keine eindeutige Änderung der Gefechtslage, abgesehen davon, dass Sie bezüglich der Stammzellforschung einen Dissens in der
Bundesregierung herbeigeführt haben. Ich halte es schon
für bemerkenswert, dass Sie für die Bundesregierung erklären, es gebe im Kabinett Konsens darüber, dass das
Gesetz nicht verändert wird, gleichzeitig aber die Kanzlerin sagt, natürlich sehe sie die Möglichkeit einer Veränderung. Ich bin gespannt, wie in den nächsten Wochen
mit dieser Sache umgegangen wird.
Frau Schavan, über eines sollten Sie sich im Klaren
sein: Bei dem hochemotionalen Thema Stammzellforschung geht es nicht an, dass uns Parlamentariern die
Forschungsministerin von oben herab erklärt, was wir zu
denken haben. Über die entsprechenden Fragen wurde
bisher immer im Parlament, und nicht par ordre du mufti
entschieden.
({7})
So wird es auch bei der nächsten Debatte über dieses
Thema laufen. Dieser sehe ich übrigens als FDP-Abgeordnete mit großem Optimismus entgegen. Ich denke,
dabei wird es zu einer Änderung des Gesetzes kommen,
weil dies gut für unser Land ist.
Unterm Strich, Frau Schavan, kann man sagen: Sie
haben in diesem Jahr wenig Neues erreicht. Schavan ist
eigentlich immer noch gleich Bulmahn.
({8})
Wir haben deutlich mehr von Ihnen erwartet. Ich hoffe,
das zweite Regierungsjahr wird besser.
({9})
Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Willsch, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kollegen! Liebe Frau Flach, ich hatte
schon bei der ersten Lesung gesagt, dass man nicht
künstlich Dinge streitig stellen sollte. Ich erinnere nur an
Ihre Einleitungsbemerkung: Es bedurfte nur einer kurzen
Zwischenfrage des Kollegen Hagemann, da fiel Ihre Argumentation in sich zusammen.
({0})
Wir sind doch in vielen Bereichen des Einzelplans Bildung und Forschung einer Auffassung.
({1})
Wir müssen doch nicht ohne Not hier vor den Leuten ein
Theater aufführen, wo es in der Sache doch nur wenig
Dissens gibt.
({2})
Lassen Sie mich die Debatte nutzen, um noch einmal
kurz die Gesamtlage, in der sich unser Land derzeit
haushaltswirtschaftlich gesehen befindet, beleuchten.
Die Neuverschuldung wächst im nächsten Jahr um
19,6 Milliarden Euro. Das ist der geringste Wert seit der
Wiedervereinigung. Wer hätte 2005 gedacht, dass wir so
schnell ein solches Ergebnis erreichen? Abseits all der
Unwägbarkeiten in Politik und Wirtschaft ist die konsequent durchgehaltene Haushaltspolitik dieser Regierung
eine wichtige Voraussetzung dafür, dass plötzlich wieder
über ein Ziel geredet wird, über das sich viele schon gar
nicht mehr trauten, zu reden, nämlich über das Ziel, in
absehbarer Zeit einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Mich freut es, dass die Journalisten nicht mehr
nach dem Ob, sondern nach dem Wann fragen. Wir sind
haushaltswirtschaftlich also auf einem guten Weg.
({3})
Noch immer drücken aber die öffentlichen Haushalte
1,5 Billionen Euro Schulden. Das macht die Dimension
der Aufgabe, die nach wie vor vor uns liegt, deutlich.
Der Bund hat davon 900 Milliarden Euro zu tragen.
Finanzminister Steinbrück hat dazu in der „Welt am
Sonntag“ vom 19. November 2006 gesagt: „Wir sind
noch nicht über den Berg“. Man könnte es noch ein bisschen drastischer ausdrücken: Wir stehen gerade am Fuß
des Berges, der jetzt nur nicht mehr so schnell wächst
wie in früheren Zeiten. In dieser Lage befinden wir uns.
Deshalb ist eine Haushaltspolitik, die auf Konsolidierung bedacht ist, weiterhin notwendig.
Der Finanzminister hat auch gesagt, dass der Haushalt
stärker der Zukunfts- und weniger der Vergangenheitsfinanzierung dienen solle. Da sind wir genau beim
Thema. Wir haben deshalb wieder einen eindeutigen
Schwerpunkt im Einzelplan 30: die vom Ministerium für
Bildung und Forschung koordinierte, ressortübergreifende Hightechinitiative der Bundesregierung. Nach der
Bereinigungssitzung und den Einzelberatungen im
Haushaltsausschuss ist klar: Wir als Regierungsfraktionen halten Wort. Der Haushaltsansatz für Bildung und
Forschung steht. Wir setzen damit die Priorität für Bildung und Forschung konsequent weiter um.
({4})
In Zahlen: Der Einzelplan 30 steigt auf über 8,5 Milliarden Euro. Das sind rund 500 Millionen Euro oder
6,2 Prozent mehr als im laufenden Haushalt.
({5})
Die Projektförderung, entscheidende Kennzahl für die Zukunftsprojekte, steigt um satte 12,8 Prozent auf 2,59 Milliarden Euro.
({6})
Die Hightechstrategie ist ein Schlüssel für die Zukunft
unseres Landes und spielt im Haushalt 2007 eine entscheidende Rolle. In dem entsprechenden Titel im
Einzelplan 30 stellen wir 32,5 Millionen Euro zur Verfügung; in der Finanzplanung sind weitere deutliche Aufwüchse eingeplant. Das ist eine deutliche Stärkung des
Forschungsstandortes Deutschland mit einer klaren Leitlinie in die Zukunft.
Wir haben die Bereiche Lebenswissenschaften und
neue Technologien gestärkt. Wo alle anderen Einzelpläne unter dem Konsolidierungszwang schmerzliche
Einsparungen hinnehmen müssen, wiegt die Verantwortung beim Mittelaufwuchs doppelt. Deshalb, Frau Flach,
nehmen wir unsere Aufgabe als Haushälter im Haushaltsausschuss und unsere Aufgabe im Parlament ernst.
({7})
Aus diesem Grund haben wir bei der einen oder anderen
Position angemerkt, dass wir im Detail wissen wollen,
wie sich die Regierung deren Umsetzung vorstellt.
({8})
Das hat nichts mit Misstrauen oder Ähnlichem zu tun. Es
ist die Pflicht und die Aufgabe der Haushälter, dieses
Wächteramt für das Parlament wahrzunehmen, und das
wollen wir tun.
({9})
Insgesamt stellen wir als Parlament, wenn wir den
Beschlüssen des Haushaltsausschusses folgen, für die
Hightechstrategie im BMBF 1,334 Milliarden Euro im
engeren Sinne zur Verfügung. Darüber hinaus kann man
sicherlich auch Mittel, die in den Bereichen Hochschulpakt und Exzellenzinitiative fließen werden, der Hightechstrategie anteilig zurechnen.
Neben den Aufwüchsen für neue Technologien mit
dem deutlichen Plus für die Fachhochschulforschung
und dem neuen Programm „Sicherheitsforschung“
({10})
sowie für die Lebenswissenschaften werden die Geisteswissenschaften, die Nachwuchsförderung und die berufliche Bildung nachhaltig ausgebaut. Die Koalitionsfraktionen setzen auf die Stärke der deutschen Forschung.
Dass die Versprechen und Zusagen gehalten werden
können, ist eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in Deutschland. Wir
sprechen hier nicht von einzelnen Wissenschaftlern im
Elfenbeinturm, sondern die Bundesregierung rechnet in
einer Abschätzung, die sie vorgelegt hat, mit bis zu
1,5 Millionen Arbeitsplätzen, die dadurch generiert und
geschaffen werden können.
Unsere Ministerin Annette Schavan hat einmal spitz
formuliert: Wissenschaft und Wirtschaft leben in getrennten Welten. Wir zielen mit den eingeleiteten Maßnahmen auf eine enge Verzahnung von Wirtschaft und
Forschung, von Wirtschaft und Wissenschaft. Wir haben in Deutschland viele Innovationen, die aber zu selten in marktfähige Produkte umgewandelt werden, die
international erfolgreich wären. Der MP3-Player ist
wohl das aktuellste Beispiel, das viele kennen.
Unser Ziel ist und bleibt es, bis 2010 den Anteil von
Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt
auf 3 Prozent zu erhöhen. In 17 unterschiedlichen Hightechsektoren werden die Hebel dafür angesetzt.
({11})
Ich komme zum Hochschulpakt. Damit die Hightechstrategie ein Erfolg wird, ist ein Ausbildungs- und
Qualifikationsniveau erforderlich, das Weltstandards entspricht. Wie schon in der Aktuellen Stunde am 26. Oktober 2006 beraten, sichert der Hochschulpakt 2020 die Zukunft unserer jungen Abiturienten. In den Jahren 2007
bis 2010 werden 90 000 zusätzliche Studienanfänger erwartet. In der Prognose bis 2020 ist von einem weiteren
Anstieg auszugehen. Das ist ein Ansturm auf das Wissen,
das die Hochschulen anbieten, den wir begrüßen sollten
und auf den wir uns vorbereiten müssen. Denn das ist für
Deutschland eine Chance, den Kampf um die besten
Köpfe gleichsam im Heimspiel zu gewinnen. Wir werden
die zukünftig Studierenden deshalb nicht im Regen stehen lassen.
Unbestritten ist, dass nach der föderalen Aufgabenverteilung die Grundverantwortung für die Hochschulen
bei den Ländern liegt. Doch ist hier die gesamtstaatliche
Verantwortung angesichts einer besonderen nationalen
Herausforderung gefragt. Das ist eine nationale Aufgabe, die Bund und Länder gemeinsam schultern werden.
Die Bundesregierung stellt sich mit dem Hochschulpakt an die Seite der Länder und unterstützt diese subsidiär. Länder und Bundesregierung gemeinsam setzen so
mit dem Hochschulpakt ein Zeichen für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Nachdem am Montag dieser Woche das Land Berlin seine Bedenken aufgegeben
hat, können wir sagen: Der Hochschulpakt steht. In der
Säule „Lehre“ des Paktes verpflichten sich die Länder
bis zum Jahr 2010 zur Aufnahme von rund 90 000 zusätzlichen Studienanfängern.
Unsere Bundesministerin Schavan hat den Ländern
angeboten, dass sich der Bund mit 50 Prozent an den
Kosten für die zusätzlichen Studienanfänger beteiligt.
Bei einem Gesamtbedarf von 1,13 Milliarden Euro bedeutet das für den Bund einen Anteil von rund 565 Millionen Euro. Bei der Verwendung der Fördermittel, die
die Länder erhalten, wollen sie besondere Schwerpunkte
setzen: Erhöhung der Zahl der Studienplätze an Fachhochschulen, Ausbau des Frauenanteils bei Professuren
oder Schaffung von neuen Lehrerkategorien, den so genannten Lecturers.
Trotz dieses immensen Anstiegs der Studentenzahlen
müssen die deutschen Hochschulen internationalen Herausforderungen erfolgreich begegnen. Forschungsintensität und Exzellenz der Forschung müssen trotzdem und
auf der Basis des neuen Studentenreichtums gesteigert
werden. Dies geht nicht ohne zusätzliche Mittel. Diese
Herausforderung wird durch die zweite Säule des Hochschulpaktes im Rahmen der Einführung von Programmpauschalen, der so genannten Overhead-Finanzierung,
unterstützt.
Mit dieser zweiten Säule des Hochschulpaktes wollen
wir den schrittweisen Einstieg in die Vollfinanzierung
von Forschungsprojekten durch Programmkostenpauschalen erreichen. Die Pauschalen in Höhe von 20 Prozent werden ab 2007 sukzessive für neue und in einer
zweiten Stufe ab 2008 für sonstige von der DFG geförderte Forschungsvorhaben eingeführt. Damit befreien
wir die erfolgreichen Wissenschaftler, die Drittmittel
einwerben, aus der Falle, die darin besteht, dass sie in
den Gremien ihrer Universität zusätzliche Mittel für Personal, Verwaltung und Geräte akquirieren müssen. Denn
damit machen sie sich in ihrem Umfeld nicht gerade
Freunde.
({12})
Mit dieser zweiten Säule eine neue Schneise zu schlagen war den Aufwand wert. Insgesamt erfordert der Kapazitätsausbau, wie ich schon sagte, rund 565 Millionen Euro. Die universitäre Forschungsförderung bis
2010 macht seitens des Bundes eine Summe in Höhe
von 703 Millionen Euro erforderlich. Damit ergibt sich
die gewaltige Summe in Höhe von rund 1,27 Milliarden Euro. Was wir in diesem Bereich tun, kann sich also
sehen lassen.
({13})
Deutschland - so stand es vor 14 Tagen unter der
Überschrift „Mittelmäßig innovativ“ in der „Welt“ ({14})
erreicht im Vergleich der Innovationsfähigkeit unter
17 Industrienationen nur den siebten Platz. Das hat eine
Studie des DIW ergeben. Zwar - so hieß es weiter - habe
sich die Innovationsfähigkeit Deutschlands verbessert,
doch auch alle Mitkonkurrenten hätten zugelegt. An der
Spitze stehen USA, Finnland und Schweden, gefolgt von
Schweiz, Dänemark und Japan.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Deutschland ist bei forschungsintensiven Spitzentechnologien wie der Pharmazie oder der Medientechnik
nur noch ein Mitläufer im internationalen Wettbewerb.
Damit können wir nicht zufrieden sein. Es gibt in diesem
Bereich viel zu tun. Wir haben durch den Haushalt den
Rahmen gesetzt. Packen wir es gemeinsam an!
({0})
Das Wort für die Linke hat Volker Schneider.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Haushalt 2007 verzeichnet im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung gegenüber 2006 einen Zuwachs von 500 Millionen Euro. Das
ist ein in absoluten Zahlen vergleichsweise bescheidener
Betrag. Aber es ist immerhin eine Steigerung um
6,2 Prozent.
Ich will gerne dem Wunsch des Kollegen Willsch aus
der ersten Haushaltsrunde nachkommen - es wäre gut,
wenn er jetzt zuhören würde - und ihm bestätigen, dass
auch meine Fraktion mit der Regierungskoalition in der
Frage übereinstimmt, dass wir für Bildung und Forschung mehr tun müssen. Ich will noch hinzufügen, dass
dieser Haushalt in diesem Punkt einen Anfang macht. Das hat der Kollege Willsch jetzt leider nicht gehört.
({0})
Nun ist Quantität ein Aspekt, Qualität aber ein völlig
anderer. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir in diesem Punkt nicht mehr ganz so positiv über diesen Haushalt urteilen können.
({1})
- Das ist aber erstaunlich.
({2})
Bildung ist aus der Sicht der Linken nicht nur unter
dem Aspekt der ökonomischen Verwertbarkeit und damit der wirtschaftlichen Zukunft unseres Landes zu betrachten. Bildung ist für meine Fraktion ein individuelles Grundrecht, ableitbar aus dem Recht auf freie
Entfaltung der Persönlichkeit, also aus Art. 2 des Grundgesetzes. Bildung hat eine ganz wesentliche Funktion im
Hinblick auf das Sozialstaatsgebot in Art. 20 Grundgesetz, jedenfalls soweit das Bundesverfassungsgericht
den Staat in seinem Urteil vom 18. Juli 1967 verpflichtet, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen.
({3})
Statt soziale Gegensätze auszugleichen, ist das deutsche Bildungssystem in hohem Maße sozial selektiv.
Das benachteiligt gerade diejenigen am meisten, für die
das Sozialstaatsgebot eine Hoffnung sein könnte. Statt
eines Ausgleichs stehen Verlierer und Gewinner dieses
Systems in der Regel schon bei Eintritt in dieses System
fest.
Ich erspare Ihnen, anhand internationaler Vergleichsstatistiken aufzuzeigen, welchen Umfang soziale Selektivität in unserem Bildungswesen angenommen hat. Die
Fakten sollten Ihnen längst bekannt sein. Ich muss nicht
zusätzliches Salz in diese Wunde streuen.
Ich will Ihnen stattdessen etwas von einer jungen
Frau erzählen, die ich im Rahmen meiner Wahlkreisarbeit in Saarbrücken kennen gelernt habe. Keine Angst,
es ist keiner dieser Fälle, in denen alles Leid dieser Welt
auf einmal zusammenkommt. Es ist vielmehr ein ganz
typischer Fall einer jungen Frau. Gerade weil er so typisch ist, sagt er vielleicht etwas über die Situation im
Bildungswesen aus.
Diese junge Frau - ich will sie hier einmal Rita nennen - hat im Mai dieses Jahres ihr Abitur gemacht.
({4})
Dies ist nicht gerade typisch, kommt sie doch aus einfachen Verhältnissen. Sie gehört also dem Personenkreis
an, den Sozialwissenschaftler gern als bildungsferne
Schichten bezeichnen. Ihre fünf und sieben Jahre älteren
Brüder haben Gleiches nicht geschafft. Bei ihnen hat es
„nur“ zum Realschulabschluss gereicht.
Rita meint, sie habe im Vergleich zu ihren Brüdern
nur Glück gehabt; sie habe beispielsweise den Kindergarten besuchen können. Bei ihren Brüdern fehlte dafür
das Geld, weil die Eltern zu diesem Zeitpunkt ein kleines
Haus gekauft hatten. Ich denke, Rita schätzt die vorschulische Erziehung in Deutschland etwas zu hoch
ein. Kein Land in Europa - von Österreich einmal abgesehen - leistet sich auf einem ähnlich niedrigen Niveau
ausgebildete Betreuungspersonen. Bei vorschulischer
Bildung und kompensatorischen Angeboten wie Sprachförderung für die Kinder von Migranten besteht weitgehend Fehlanzeige. Für diese Jahre, in denen Startchancen verteilt werden, gibt dieses Land erschreckend
wenig aus. Das gilt nicht nur für Kindertageseinrichtungen, sondern leider genauso für Grundschulen.
Rita hat es dennoch geschafft. Obwohl ihr Elternhaus
sie praktisch nicht fördert und der Stolz ihrer Eltern ihr
bereits dann sicher ist, wenn sie Jahr für Jahr versetzt
wird, entwickelt sie mit 16 plötzlich einen besonderen
Ehrgeiz; denn sie will Tierärztin werden. Sie weiß, in der
Volker Schneider ({5})
Tiermedizin kommen auf einen Studienplatz fünf Bewerber. Das heißt, es gibt einen Numerus clausus von
1,0. Sie macht einen großen Sprung nach vorne und
schafft einen Notendurchschnitt von 1,6. Für sie ist dies
sehr viel; aber es ist zu wenig für die Aufnahme eines
solchen Studiums.
({6})
Das Bundesverfassungsgericht hat aus Art. 12 Grundgesetz in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip ein Recht aller Studienberechtigten auf Zulassung zum Hochschulstudium ihrer
Wahl abgeleitet. Auch wenn im Rahmen dieses Urteils
gleichzeitig die Wirksamkeit dieses Rechts eingeschränkt
wurde, hat das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber in das
Stammbuch geschrieben, dass Zulassungsbeschränkungen nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig sind.
Hat der Gesetzgeber wirklich alles Notwendige getan,
um Zulassungsbeschränkungen zu vermeiden? Reicht
der Hochschulpakt aus, um den in den nächsten Jahren
absehbaren zusätzlichen Bedarf zu decken? Unserem
dazu vorliegenden Änderungsantrag entnehmen Sie, warum die Linke diese Fragen verneint.
Rita will jetzt ihre Wartezeit sinnvoll überbrücken.
Sie hat eine Lehre als Tierpflegerin begonnen. Aus ihrer
Sicht ist das ganz sinnvoll; für den Ausbildungsmarkt ist
es verheerend. Rita und andere Abiturienten aus ihrem
Milieu wandern in die Ausbildung ab, nicht nur wegen
der Wartezeiten, sondern auch deswegen, weil sie glauben, sich ein Studium nicht mehr leisten zu können. Das
BAföG wurde zuletzt 2001 angepasst. Seitdem sinkt die
Zahl der Anspruchsberechtigten. 70 Prozent der Studierenden müssen neben ihrem Studium arbeiten. Nur noch
1 Prozent finanziert sich voll aus BAföG.
Studiengebühren tun ein Übriges. In NRW sank die
Zahl der Studienanfänger nach Einführung der Studiengebühren insgesamt um 5,3 Prozent - da rückt Ihr
40-Prozent-Ziel in weite Ferne -, obwohl an den Hochschulen, die auf eine Einführung der Gebühren verzichtet hatten - das ist ja in NRW möglich -, die Zahl der
Bewerbungen um bis zu 40 Prozent stieg.
Abiturienten drängen stattdessen auf den Lehrstellenmarkt - Anstieg 4 Prozent, bei Fachabiturienten sogar
satte 20 Prozent. Sie verdrängen andere Jugendliche
nicht nur aus den Lehrstellen; nein, selbst das Einstiegsqualifizierungsjahr wird leider auch von diesen Personen
in Anspruch genommen.
({7})
- Bekommen Sie gleich von mir.
Leider sehe ich an dem Blinken der Uhr, dass mir
keine Zeit mehr bleibt, auf die Weiterbildung einzugehen. Da befinde ich mich in guter Gesellschaft; denn in
der letzten Runde hat keiner aus der großen Koalition,
obwohl Sie deutlich mehr Redezeit haben, auch nur einen Satz zur Weiterbildung gesagt.
Herr Kollege, Sie müssen wirklich zum Ende kommen.
Ja. - Ihre Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen der
großen Koalition, konzentriert sich nur sehr wenig auf
die angerissenen Probleme. Sie haben Exzellenz und
Spitze im Auge, nicht die Breite. Insofern können wir Ihrem Haushaltsentwurf nicht zustimmen.
({0})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus Hagemann,
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Insbesondere
bei Bildung und Forschung kann die große Koalition
auch nach einem Jahr eine Erfolgsbilanz vorlesen - vorlegen.
({0})
- Vorlesen auch. - Frau Kollegin Flach, dadurch unterscheiden wir uns schon in unserer Grundaussage.
({1})
Unsere Aussage ist positiv; wir malen nicht nur schwarz.
Wir haben gemeinsam Konzepte für die Sicherung der
Zukunftsfähigkeit unseres Landes vorgelegt. Diese finden Niederschlag im Haushalt für das Jahr 2007 und in
der mittelfristigen Finanzplanung. Für Forschung und
Bildung stehen insgesamt 12 Milliarden Euro im nächsten Jahr - wie in diesem Jahr - zur Verfügung. Das sind
allein im Einzelplan 30 8,5 Milliarden Euro. Hinzu
kommen die Mittel für das Ganztagsschulprogramm und
das, was in den anderen Einzelhaushalten zu finden ist.
({2})
Wie bereits unter Rot-Grün konnten wir auch in diesem Jahr wieder eine oder sogar zwei Schippen obendrauf legen: Für das kommende Jahr stehen 5,6 Prozent
mehr Mittel zur Verfügung. Der Bund geht, sehr geehrte
Frau Flach, erneut in vielen Bereichen in Vorlage - ich
komme darauf noch im Einzelnen zu sprechen -, gibt
Anstöße und geht voran. Es ist sicherlich gut, dass wir
die Länder dabei stark unterstützen können, auch und
insbesondere im Bildungsbereich.
Ein süddeutscher Ministerpräsident hat kürzlich gesagt, es gehe den Bund nichts an, wie die Länder ihre
Haushalte finanzieren. Wenn wir die Debatte im Rahmen
der Föderalismusreform beobachten, dann können wir
sehen, dass in diesen Kreisen sogar über ein Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich nachgedacht wurde.
({3})
- Sie nicht.
({4})
Aber wie würde die Haushaltswirklichkeit aussehen,
wenn diese Forderung erfüllt würde? Gott sei Dank ist es
nicht so gekommen. Ansonsten könnte kein Ganztagsschulprogramm durchgeführt werden - 4 Milliarden
Euro bekommen die Länder -, wir könnten keinen
Hochschulpakt durchführen - rund 1,2 Milliarden Euro
erhalten die Länder -, wir könnten keine Exzellenzinitiative durchführen - hier finanziert der Bund 75 Prozent,
also 1,5 Milliarden Euro -, wir könnten - jetzt kommen
die kleineren Beträge - kein Fachhochschulprogramm
finanzieren - hier erhalten die Länder 28 Millionen Euro
für die nächsten Jahre, sogar mit steigender Tendenz ({5})
und wir könnten keine Unterstützung im Hightechbereich für die Universitäten organisieren. Dies würde alles wegfallen. Es ist ja anders gekommen, dafür ist zu
danken. Ich hoffe, dass die Ministerpräsidenten - auch
Sie, Frau Ministerin Schavan - wenigstens ab und zu im
stillen Kämmerlein ein Dankeschön an diejenigen richten, die durchgesetzt haben, dass es so nicht gekommen
ist.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der geplante Hochschulpakt macht deutlich, dass Bund und
Länder den anstehenden Herausforderungen nur gemeinsam begegnen und die Zahlen nur gemeinsam feststellen
können; denn in den nächsten Jahren werden mindestens
500 000 bis 700 000 Studenten mehr in die Universitäten und Hochschulen drängen. Insgesamt werden es
dann 2,5 bis 2,7 Millionen Studenten sein. Damit wären
die Länder überfordert.
Frau Ministerin Schavan, ich möchte Ihnen dafür danken,
({7})
dass Sie nach der Änderung des Grundgesetzes die Initiative ergriffen und sanften Druck auf die Länder ausgeübt haben. Bezüglich des Hochschulpakts zeichnet sich
jetzt eine Einigung ab. Es sieht so aus, als ob diese Herausforderung gemeistert werden könnte. Wir können
dann 565 Millionen Euro für die Lehre und, wenn auch
der zweite Teil der Einigung zustande kommt,
700 Millionen für den Forschungsbereich zur Verfügung
stellen.
({8})
Liebe Ilse Aigner, nebenbei bemerkt, hiervon werden
hauptsächlich die süddeutschen Länder profitieren. Von
den 700 Millionen Euro werden etwa 200 bis 250 Millionen Euro nach Bayern und Baden-Württemberg fließen. Auch darauf muss - Stichwort: stilles Kämmerlein hingewiesen werden.
Die Länder, zumindest die Wissenschaftsminister, haben sich geeinigt. Nachdem die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten den Vertrag unterschrieben haben und
der Bericht dem Haushaltsausschuss vorliegt, werden
wir die gesperrten Mittel sofort entsperren.
({9})
- Frau Flach, das kann kurzfristig geschehen, damit die
qualifizierten Studienplätze geschaffen werden können.
({10})
Die Schwarzmalerei der Opposition - ich denke an
die Aktuelle Stunde im Oktober - ist verflogen.
({11})
Wir sind auf dem richtigen Weg.
({12})
Es muss nüchtern festgestellt werden, dass es nicht
nur einen weltweiten Wettbewerb um Märkte, Produkte
und Rohstoffe gibt, sondern auch einen weltweiten
Wettbewerb um junge Talente, um hoch qualifizierte
Wissenschaftler und um ebenso hoch begabte Studierende. In diesem Wettbewerb müssen auch wir bestehen.
Eine Bemerkung, die sich auf den Bereich der Innenpolitik bezieht. Unsere Passgesetze, unsere Einreise- und
Aufenthaltsbedingungen sind gerade für junge Studierende und junge, hoch qualifizierte Wissenschaftler
mehr als schwierig. Das gilt auch für diejenigen, die
nach Deutschland kommen und hier bleiben wollen.
({13})
Ich kann Ihnen ein Beispiel aus meinem Büro erzählen:
Ein junger Amerikaner, der bei mir arbeiten möchte, hat
enorme Schwierigkeiten, ein Visum zu bekommen.
Die Koalition hat für den Deutschen Akademischen
Austauschdienst und die Alexander von Humboldt-Stiftung mehr Mittel zur Verfügung gestellt, damit gerade
die hoch qualifizierten Menschen für unser Land gewonnen und die bereits bestehenden Netzwerke ausgebaut
werden können.
({14})
Lassen Sie mich die Exzellenzinitiative ansprechen.
Diese Initiative, die in der vergangenen Legislaturperiode entwickelt wurde, setzen wir jetzt nach und nach
um. Mit Bundesmitteln, zum Teil auch mit Landesmitteln, sollen einige deutsche Universitäten an die Weltspitze gebracht werden. 1,9 Milliarden Euro sollen insbesondere vom Bund - die Länder bringen 25 Prozent auf zur Verfügung gestellt werden. Die erste Runde des
Wettbewerbs ist abgeschlossen. Die Entscheidungen
wurden getroffen. Festgestellt werden kann - das wird
einem berichtet, wenn man sich mit den Verantwortlichen unterhält -, dass der Wettbewerb an allen beteiligten Universitäten dafür gesorgt hat, dass Strukturen aufgebrochen wurden und das Interesse an Forschung in
den Universitäten gestärkt bzw. reaktiviert worden ist.
({15})
Das allein ist schon ein Erfolg. Einen großen Erfolg haben natürlich die Universitäten errungen, die den Wettbewerb gewonnen haben. Hier ist insbesondere die Universität in Karlsruhe zu nennen.
({16})
- Kollege Tauss, da kann man durchaus klatschen.
Das entscheidende Plus von Karlsruhe waren die Bereiche der Nanotechnologie und der Optoelektronik.
Diese Förderungen gehen auf Programme des Bundes
zurück. Sie wurden - ich sage das in Klammern - unter
Rot-Grün gefordert und gefördert. Ein Bundesprogramm
hat also mit zum Erfolg geführt.
({17})
Frau Schavan, ich habe der Presse entnommen, dass
Sie Aktivitäten unternommen haben, um eine engere Zusammenarbeit zwischen der Universität Karlsruhe und
Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft in Karlsruhe
herbeizuführen. Es ist sicherlich richtig, Spitzen zusammenzuführen. Aber wir sollten bedenken: Wir, der Bund,
haben nicht die Universität Karlsruhe zu finanzieren.
Das ist Sache des Landes Baden-Württemberg. Darauf
sollten wir mit Nachdruck hinweisen.
({18})
Frau Flach hat vorhin deutlich gemacht, dass wir aus
der Exzellenzinitiative den Mehrbedarf für das BAföG
finanziert haben, weil die Mittel nicht so abgeflossen
sind bzw. abfließen, wie wir uns das gedacht haben. Wir
haben 40 Millionen Euro für das BAföG umgeschichtet.
({19})
Das ist gut so. Das zeigt, dass mehr Studenten gefördert
werden können und dass für die Universitäten kein
Nachteil entsteht. Das sollte man erwähnen. Dazu gehört, dass dies in den Jahren 2009 und 2010 nachetatisiert wird.
({20})
Wenn die Rede von Hochqualifizierten und Talenten
ist, so gilt das nicht nur für die Erstausbildung, sondern
auch für das lebenslange Lernen, Herr Kollege Schneider, und für die Weiterbildung. Auch hier haben wir besondere Anstrengungen unternommen und im Haushalt
Mittel zur Verfügung gestellt. Hieran muss weiter gearbeitet werden. Bei diesem Thema liegen unsere Ansichten sicherlich nicht weit auseinander.
Natürlich sind auch die Tarifvertragsparteien gefordert. Sie sind außerdem bei der Facharbeiterausbildung gefordert. Denn wir werden in den nächsten Jahren
sicherlich einen Facharbeitermangel haben. Wer heute
nicht ausreichend ausbildet, hat morgen nicht genügend
Facharbeiter. Das sollten wir den Betrieben in Erinnerung rufen. Deswegen ist es gut, dass wir das Jobstarterprogramm und andere Programme zur Förderung des
Ausbildungsbereichs geschaffen und aufgestockt haben.
({21})
Lassen Sie mich zum Schluss noch ganz kurz die
Hightechinitiative ansprechen. Hier stehen 6 Milliarden
Euro zusätzlich zur Verfügung, um das Forschungsziel,
3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu investieren, zu
erreichen. Hier hat die Koalition eine große Duftmarke
gesetzt. Es gilt nun, dieses Ziel in den nächsten Jahren
zu erreichen. Es gilt aber auch für die Wirtschaft, die gewonnenen Erkenntnisse, die gefundenen Patente in die
Tat umzusetzen und neue Produkte zu entwickeln. Da
hat die deutsche Wirtschaft einen erheblichen Nachholbedarf. Wir waren in der vorigen Woche mit einer Delegation in der Schweiz. Dort haben wir gehört, dass die
Wirtschaft fast ganz allein die Forschungsausgaben bezahlt und nicht auf den Staat setzt. Das sollte man hier
einmal erwähnen.
({22})
Wir bitten Sie, Frau Ministerin, den Haushaltsausschuss und uns, das Parlament, weiterhin in diesen Prozess zu integrieren und uns über den Sachstand zu informieren, auch darüber, inwieweit die Wirtschaft ihren
Anteil von 2 Prozent und die Länder ihren Anteil von
0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erbringen. Wir
haben im Haushaltsausschuss einen entsprechenden Antrag - ich glaube einstimmig - beschlossen.
Lassen Sie mich zum Ende kommen; am Rednerpult
leuchtet bereits die rote Lampe. Die große Koalition
kann im Forschungsbereich, aber auch im Bildungsbereich - dort hat sie weniger Zuständigkeiten - selbstbewusst und mit Selbstvertrauen, aber nicht selbstzufrieden in die nächsten Jahre gehen und in die Zukunft
blicken. Deswegen müssen wir unsere Ansätze gemeinsam umsetzen.
Lassen sie mich als Hauptberichterstatter Ihnen, Frau
Ministerin, zum Schluss danken und auch Ihnen, Herr
Staatssekretär Storm, den Mitarbeitern Ihres Hauses
Bitte nicht zu viele Schlussworte! Ihre Redezeit ist
deutlich überschritten.
- und allen anderen Berichterstattern.
Vielen Dank.
({0})
Ich erteile das Wort Kollegin Krista Sager, Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses
Parlament ist in der Tat gut beraten gewesen, dafür zu
sorgen, dass der Bund Geld für die Schaffung von Studienplätzen ausgibt.
({0})
Jetzt ist eindeutig klar geworden: Ohne Bundesgeld
hätte es den Hochschulpakt gar nicht erst gegeben.
({1})
Wir wissen heute sogar noch mehr. Wir wissen, dass
es ohne Bundesgeld, ohne den viel geschmähten goldenen Zügel des Bundes, nicht nur keinen Ausbau von Studienplätzen, sondern in den allermeisten Bundesländern
sogar einen Abbau von Studienplätzen gegeben hätte.
Insofern muss man doch sagen, dass alle Erwartungen,
die Länder würden die 90 000 Studienplätze bis zum
Jahr 2010 in gegenseitigem Einvernehmen selbst schaffen, wirklich ein bisschen weltfremd waren.
({2})
Davon haben wir uns jetzt verabschiedet; das ist auch
gut so.
Der Hochschulpakt hat viel Mühe gekostet und er ist
nur mit Not zustande gekommen.
({3})
Dass jetzt alle Beteiligten die Stimmung verbreiten, dass
alles gut wird, finde ich menschlich verständlich. In der
Sache ist das aber leider nicht gerechtfertigt.
({4})
Man kann wirklich erhebliche Zweifel daran haben, ob das
Ziel, bis zum Jahre 2010 90 000 zusätzliche Studienplätze
zu schaffen, erreicht wird.
({5})
Das will ich Ihnen an einigen Punkten deutlich machen: Der Wissenschaftsrat und die Hochschulrektorenkonferenz haben mit Recht gesagt: Der Pakt ist im Haushalt unterfinanziert und es drohen Studienplätze zu
Dumpingpreisen.
({6})
Deswegen haben wir den Antrag gestellt, im Rahmen
des Hochschulpakts mehr Mittel für die Schaffung von
Studienplätzen zur Verfügung zu stellen. Es wäre richtig
gewesen, unserem Antrag zu folgen.
({7})
Da das Ganze erst im Wintersemester 2007/2008 beginnt, ist auch die Kritik richtig, dass das zu spät und zu
langsam ist. Hinzu kommt: Wenn man erst im Jahre
2009 feststellt, ob man das Ziel, bis zum Jahre 2010
90 000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen, überhaupt
erreicht, kann man nicht davon ausgehen, dass man im
Jahre 2011 voll durchstarten und pro Jahr 40 000 zusätzliche Studienplätze schaffen kann. Auch dafür ist es
dann zu spät.
({8})
Für die Spitzenjahre 2011 bis 2013 wurden überhaupt
keine Vereinbarung und keine Festlegung getroffen.
Deswegen ist das Label „Hochschulpakt 2020“ offensichtlich zu hoch gegriffen.
Wenn man sich den Hochschulpakt genau ansieht,
stellt man fest, dass die Situation wirklich kritisch ist.
Sie haben eine Vereinbarung getroffen, die bedeutet,
dass 22,5 Prozent der Bundesmittel nicht in die Schaffung von Studienplätzen, sondern in die Erhaltung bestehender Studienplätze fließen. Diese Vereinbarung, die
notwendig war, kritisiere ich nicht. Allerdings muss man
jetzt die Konsequenzen tragen, dass man keinen fairen
Ausgleichsmechanismus zwischen den Ländern, die viel
ausbilden, und denen, die zu wenig ausbilden, gefunden
hat.
({9})
Das hat Sie im Zusammenhang mit dem Hochschulpakt
bitter eingeholt.
Im Gegenteil, mit dem Königsteiner Schlüssel werden die alten Ungerechtigkeiten fortgeführt.
({10})
Wirtschaftsstarke Länder, die in der Vergangenheit ausbildungsfaul waren, werden dadurch ganz besonders belohnt.
({11})
Auf diese Fortschleppung alter Ungerechtigkeiten muss
man reagieren. Denn jetzt stellt man fest, dass
22,5 Prozent der Bundesmittel nicht für die Schaffung
zusätzlicher Studienplätze verwendet werden. Wenn es
aber beim Ziel der Schaffung von 90 000 zusätzlichen
Studienplätzen bleiben soll, bedeutet das, dass weniger
Länder mit weniger Bundesmitteln mehr Studienplätze
schaffen müssen.
({12})
- Ja, genau das heißt es.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass auch die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Fraktionen die
Grundrechenarten beherrschen
({13})
und sich darüber Gedanken machen.
({14}) Dr. Ernst Dieter Rossmann ({15}): Da hast du
Recht!)
Wenn es dabei bleiben soll, dass der Bund 50 Prozent
der Kosten jedes Studienplatzes übernimmt, dann hat
das zur Folge, dass das zur Verfügung stehende Geld für
die Schaffung von nur 70 000, nicht aber für die Schaffung von 90 000 zusätzlichen Studienplätzen ausreicht.
Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen - auch Sie machen sich schließlich
Gedanken -:
({16})
Was sind die Konsequenzen? Wenn Sie unserem Antrag, die Mittel aufzustocken, gefolgt wären oder einen
eigenen Antrag, der in die gleiche Richtung zielt, gestellt
hätten, dann wären Sie jetzt auf der sicheren Seite, da
diese Lücke dann geschlossen wäre.
Jetzt sehe ich eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten: Wenn sich die Fraktionen darauf verständigen, dass
es beim Ziel, 90 000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen, bleiben soll, müsste man von der zweiten Säule, der
Forschungsförderung, in die erste Säule umschichten;
das ist die erste Möglichkeit, die es gibt.
({17})
Dann aber hätte die Bundesministerin offensichtlich ein
Problem. Frau Flach hat völlig zu Recht darauf hingewiesen: Zuerst wurde ihr die Forschungsprämie gesperrt,
dann wurden ihr die Fusionsforschungsmittel gesperrt.
Sollen im Haushalt der Ministerin, die mit den Niederungen der Studienplätze in Deutschland eigentlich gar
nichts mehr zu tun haben wollte,
({18})
jetzt auch noch Mittel aus der zweiten Säule, der Forschungsförderung, für die Schaffung von Studienplätzen
umgeschichtet werden? Das ist keine schöne Vorstellung.
({19})
Da ich die Forschung nicht gegen die Lehre ausspielen möchte,
({20})
mache ich Sie auf die zweite Möglichkeit aufmerksam.
Da wir eine echte Ökopartei sind, schlage ich Ihnen vor:
Recyceln Sie unseren Antrag auf Erhöhung der Mittel
für die Schaffung von Studienplätzen! Dann sind Sie auf
der sicheren Seite.
({21})
Ein Wort noch zur Qualität der Lehre. Wir hätten in
diesem Haushalt ein deutliches Signal gebraucht für die
Qualität der Lehre. Ein solches Signal wäre gewesen,
auch hinsichtlich der Qualität der Lehre einen Wettbewerb zu eröffnen. Es ist ein ganz schlechtes Signal der
Exzellenzinitiative, dass man als Uni exzellent sein kann
ohne einen Nachweis, dass man auch in der Lehre wirklich gut ist. Es ist ein ganz schlechtes Signal, dass die
Länder, die zu wenig ausgebildet haben und das Geld
lieber in die Forschung gesteckt haben, mit der Exzellenzinitiative auch noch dafür belohnt werden, dass sie
ärmeren Ländern das Ausbilden zugemutet haben. Die
Ausbildung der jungen Menschen in dieser Republik ist
für uns alle viel zu wichtig, als dass wir uns das Signal
leisten könnten: Länder, die ausbilden, sind die Dummen; Universitäten, die Wert auf die Lehre legen, sind
die Dummen. Wir brauchen eine Umkehrung der Logik.
Das muss sich auch im Haushalt niederschlagen.
({22})
Ich erteile das Wort Bundesministerin Annette Schavan.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung werden international zunehmend als entscheidende Entwicklungsmotoren moderner Gesellschaften gesehen. Der Einzelplan 30 im
Haushalt 2007 wird diesem Stellenwert gerecht. Der Aufwuchs ist schon benannt: 500 Millionen Euro. Auch mit
den Schwerpunkten unserer Bildungs- und Forschungspolitik werden wir dieser Bedeutung gerecht.
Ich danke deshalb dem Parlament, den Mitgliedern
des Haushaltsausschusses, den Mitgliedern des Fachausschusses, allen, die beteiligt sind, für die Beratungen der
letzten Wochen und Monate. Ich finde, wir haben die
Weichen für das Jahr 2007 gemeinsam richtig gestellt, in
finanzieller Hinsicht, in konzeptioneller Hinsicht und im
Hinblick auf die richtigen Signale an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und an die Bildungsfachleute in Deutschland.
Ich will gerne aufgreifen, was einige Vorredner gesagt
haben: Es gehört doch ganz selbstverständlich zur Politik und zur politischen Verantwortung, dass wir auch an
Entwicklungen der letzten Jahre, ja Jahrzehnte anknüpfen. Niemand beginnt bei null; so ist das.
({0})
Doch wir setzen auch neue Akzente. Einige sind schon
genannt. Hightech ist ein völlig neuer Ansatz. Ob Ihnen
das jetzt passt oder nicht, ob Sie das wahrnehmen wollen
oder nicht, das interessiert die zuständige Öffentlichkeit
überhaupt nicht. Es ist uns gelungen, zu strategischen, zu
verbindlichen Partnerschaften zwischen Wirtschaft und
Wissenschaft zu kommen. Wir haben einen neuen Weg
gefunden, um mehr Investitionen für F und E in den Unternehmen in Deutschland zu generieren. Wir haben uns
auch in die europäischen Prozesse eingebracht, weil da
das Gleiche gilt.
({1})
Wir haben neue Anreize geschaffen für diese Partnerschaft. Wir haben - das hat es noch nie gegeben - eine
Forschungsunion, die Stück für Stück die Umsetzung der
Hightechstrategie befördert. Zum Stichwort „Anreize“.
Ich habe in dieser Woche in irgendeiner Zeitung - ich
weiß nicht mehr, in welcher - gelesen, wir hätten noch
kein Konzept für die Forschungsprämie. Ich kann nur
sagen - und das wissen Sie alle -: Das Konzept liegt auf
dem Tisch, ist fertig, ist mit den Regierungsfraktionen
besprochen.
({2})
Es muss aber in einem ganz entscheidenden Punkt - betreffend die neuen Bundesländer - mit der EU abgestimmt werden.
({3})
Das passiert in diesen Tagen. Die Forschungsprämie
wird natürlich am 1. Januar 2007 eingeführt und ich bin
sehr zuversichtlich, dass das, was heute gesperrt genannt
wird, ganz schnell entsperrt ist und die Forschungsprämie für KMU in Deutschland eingeführt wird.
({4})
Frau Flach, ich würde mich mit Ihnen gerne einmal
ernsthaft streiten und mit Ihnen ringen.
({5})
- In der Sache. - Aber das, was Sie heute an Vorlagen
liefern, reicht nicht, um mit der Opposition einmal richtig zu streiten.
({6})
Ich finde, wir sollten mit einer gewissen Ernsthaftigkeit
miteinander umgehen.
({7})
Sie haben hier behauptet, Geld würde nicht ausgegeben.
Sie sind länger hier im Bundestag als ich.
({8})
Deshalb wissen Sie auch, welche Bedeutung die Zahlen
am 31. Oktober eines Jahres haben. Von daher erhöhe
ich jetzt von 95 Prozent auf 99 Prozent.
({9})
Mit Blick auf den Steuerzahler ist aber auch klar:
Geld wird dann überwiesen und Programme werden
dann finanziert, wenn es soweit ist und wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Wir gehen gewissenhaft mit
den Steuergeldern um.
({10})
Ich glaube, Sie müssen sich überhaupt keine Sorgen machen. Das gilt sowohl für die besonderen Akzente als
auch mit Verlaub für die zahlreichen Programme.
({11})
Sie wissen auch besser als ich, dass es in diesem Haushalt eine Reihe von Programmen gibt, die von der Vorgängerregierung aufgelegt wurden und die - ursprünglich war nicht geplant, dass 2005 Bundestagswahlen
durchgeführt wurden - bis Ende 2006 auslaufen und damit beendet sein werden.
({12})
Meine Damen und Herren, die Hightechstrategie ist
ein Stichwort. Wir haben hier mehrfach darüber gesprochen. Es ist ein neuer Ansatz. Ich nenne Ihnen Beispiele,
bei denen sich schon jetzt abzeichnet, dass Partnerschaften zustande kommen: Ich nenne die OLED-Initiative,
für die 100 Millionen Euro an Forschungsgeldern und
500 Millionen Euro seitens der Unternehmen bereitgestellt werden.
({13})
Ich nenne die Nano-Initiative - Aktionsplan 2010, für
die allein im kommenden Jahr Investitionen in Höhe von
135 Millionen Euro aus unseren Fachprogrammen getätigt werden
({14})
und bei der sich ebenfalls schon heute andeutet, dass es
seitens der Unternehmen ein Mehrfaches an Investitionen geben wird. Ich erinnere an die weiße Biotechnologie, durch die Lösungswege für viele drängende Probleme unserer Zeit angeboten werden. Auch hier liegt
ein Förderschwerpunkt mit insgesamt 354 Millionen
Euro und auch in diesem Bereich ist der Branchendialog ausgezeichnet. Schließlich nenne ich das Sicherheitsforschungsprogramm, für das im Einzelplan 30
bis 2010 rund 123 Millionen Euro eingeplant sind.
({15})
Dies korrespondiert sehr stark mit dem, was im 7. Forschungsrahmenprogramm steht. Daneben gibt es viele
weitere Beispiele.
Ich habe mir gestern in meinem Hause noch einmal
einen Bericht darüber geben lassen. Die Branchendialoge laufen gut. Die Unternehmen wissen, dass ihre
Innovationsfähigkeit über ihre Erfolgsgeschichte und die
der Branche entscheidet. Hier kommen die Interessen
doch wunderbar zusammen.
({16})
Zur Exzellenzinitiative. Frau Sager, den Satz, dass
man in der Lehre schlecht sein und bei der Exzellenzinitiative dennoch spitzenmäßig herauskommen kann,
muss ich wirklich zurückweisen. Wer sich die Kriterien
und das, was die internationalen Kommissionen begutachtet haben, ansieht - eines der wichtigsten Kriterien
war die Nachwuchsförderung und eine der drei Säulen
war die Graduiertenschulung -, der muss sagen: Mit dieser Exzellenzinitiative wird ein ganz wichtiger Impuls
für die Lehre und für den von uns immer wieder betonten Zusammenhang zwischen Forschung und Lehre gesetzt. Deshalb ist das nicht nur ein Forschungsprogramm, sondern ein Programm, mit dem der Blick der
beteiligten Hochschulen für den wissenschaftlichen
Nachwuchs geschärft und mehr möglich gemacht wird,
als in der Vergangenheit möglich war.
({17})
Die Exzellenzinitiative - auch das haben Sie gesagt ist eines von vielen Beispielen für eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Das gilt auch für den
Hochschulpakt. Teilweise wird gesagt, dies sei ein mühsamer Prozess. Sie wissen, dass wir diesen Prozess vor
der Verabschiedung der Föderalismusreform eingeleitet
haben. Sie wissen auch - das gilt auch für viele, die mit
mir verhandelt haben; das waren übrigens SPD und
Union gleichermaßen -, dass ich schon damals gesagt
habe, dass wir einen Hochschulpakt schließen werden,
der ein klares Signal an die Studierenden setzt.
Jetzt ist das gelungen. Er wurde übrigens nicht nur bis
2010, sondern aufgrund unserer gemeinsamen Verantwortung bis 2020 konkretisiert. Das sehe ich als ein herausragendes Zeichen an die Hochschulen in Deutschland
an.
({18})
Er ist vor allen Dingen auch für die neuen Bundesländer
bedeutsam: Frau Sager, Sie sprachen von 90 000 zusätzlichen Studienplätzen in ganz Deutschland. Mit jedem
Studienplatz, der in einem neuen Bundesland abgebaut
würde, würde sich zeigen, dass das gar keine relevante
Zahl gewesen wäre. Was Ihre Kritik angeht, finde ich es
deshalb vonseiten des Bundes richtig, zu akzeptieren,
wie sich die Länder die Finanzierung vorstellen und ob
sie sich selbst zur Finanzierung verpflichten. Ich halte
das Konzept des Hochschulpaktes bis 2010 und darüber
hinaus für in hohem Maße tragfähig.
({19})
Wir haben im Bereich der beruflichen Bildung einen
deutlichen Zuwachs zu verzeichnen. Im Bereich Weiterbildung haben wir endlich ein sehr wichtiges und interessantes Programm zur Grundbildung von Erwachsenen
und zur Unterstützung der Alphabetisierungskampagne.
Das ist ein sehr wichtiger Baustein in diesem Bereich.
Das Konzept der lernenden Regionen ist vertieft worden.
Dabei ergeben sich aus Modellprojekten neue Entwicklungen.
Ich bin zudem davon überzeugt, dass wir vor einer der
größten strukturellen Veränderungen im Bereich der beruflichen Bildung stehen. Es geht nicht an, dass jedes
Jahr nach Abschluss der Einstellungen eines Jahrganges
mehr junge Leute ohne Stelle sind. Wie mein Kollege
Müntefering heute Morgen schon angedeutet hat, sind
wir auf einem sehr Erfolg versprechenden Weg, über
Maßnahmen sowohl des Arbeitsministeriums als auch
unseres Hauses diese Gruppe der Altbewerber in den
Blick zu nehmen. Dazu kommt noch der europäische
Qualifikationsrahmen, sodass ich sage: Wir stehen vor
einer der tiefstgreifenden Weiterentwicklungen der beruflichen Bildung in Deutschland.
({20})
Zu der Modernisierung der beruflichen Bildung zählt
für mich auch, dass wir einen großen Schritt in Richtung
einer größeren Durchlässigkeit im Bildungssystem - zwischen allgemein bildenden und beruflichen Schulen, zwischen dem schulischen Bereich und unseren Hochschulen
sowie zwischen Erstausbildung und Weiterbildung - gehen. Das werden die zentralen Kriterien für diese Modernisierung sein.
({21})
Liebe Frau Flach, Sie haben die Stammzellforschung
angesprochen. Ihre Ausführungen zu diesem Thema beweisen, dass Sie überhaupt nicht mehr zuhören. Ich habe
nach der Stellungnahme in dem Gutachten der DFG gesagt: Entscheidend ist für die Bundesregierung, dass die
Substanz des Willens des Gesetzgebers auch in Zukunft
gewahrt bleibt. Das ist der entscheidende Punkt: die
Substanz eines Gesetzes, das in diesem Parlament nach
ausführlichen und ernsthaften Debatten zustande gekommen ist. Das ist mein Maßstab.
In diesem Sinne werden die Gespräche mit dem Parlament geführt werden. Dabei geht es nicht um die
Frage, ob die Bundesregierung diesem oder jenem Gutachten folgt; es geht vielmehr darum, dass die Substanz
des Gesetzes dem Willen des Gesetzgebers entsprechend
auch in Zukunft erhalten wird. Darüber werden wir uns
verständigen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns in diesem
Parlament und im Dialog zwischen Bundesregierung
und Parlament gelingen wird, erneut eine ernsthafte Debatte in der Sache zu führen, die der Öffentlichkeit zeigt,
dass wir den Lebensschutz und die Substanz des Gesetzes ernst nehmen und uns ernsthaft mit dem auseinander
setzen, was uns die Forscherinnen und Forscher mitteilen.
({22})
Ich bin der festen Überzeugung, dass in diesem
Jahr 2006 wichtige Weichen gestellt worden sind. Mit
dem Haushalt 2007 ist die Grundlage für weitere Maßnahmen und Akzente in der Bildungspolitik wie auch bei
der Modernisierung des Wissenschaftssystems und für
eine anhaltende Aufbruchstimmung am Forschungsstandort Deutschland geschaffen worden.
Vielen Dank.
({23})
Ich erteile das Wort Kollegen Uwe Barth, FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dass man nach rund 14 Monaten als Abgeordneter des
Deutschen Bundestages noch gelegentlich etwas Neues
erlebt, ist nicht weiter verwunderlich. Was sich aber seit
Dienstag in dieser Debatte abspielt, ist für mich nicht nur
neu. Diese Debatte und die zeitgleich stattfindenden
Jubelfeierlichkeiten zum ersten Geburtstag dieser
Koalition offenbaren bei den Koalitionären ein Maß an
Realitätsverlust und finden in einer Selbstgefälligkeit
statt, wie ich es in diesem Hohen Hause nicht erwartet
hätte.
({0})
Seit fast drei Tagen loben und beglückwünschen Sie sich
gegenseitig. Der gruslige Auftritt Ihrer Fraktionsvorsitzenden gestern war kein Ausrutscher, sondern nur der
vorläufige Höhepunkt dieses Schauspiels. Sie klopfen
sich gegenseitig auf die Schultern, dass es nur so kracht,
und können in dem Staub, den Sie dabei aufwirbeln, die
klare Realität offenbar nicht mehr erkennen.
({1})
Sie berauschen sich an Erfolgen, die außer Ihnen niemand wahrnimmt, und halten sich Entwicklungen zugute, an denen Sie maßgeblich unschuldig sind.
Ich weiß, dass sich die Kollegen von der SPD unfair
behandelt fühlen, wenn man sie an den Wahlkampf des
letzten Jahres erinnert.
({2})
Aber zumindest bei den Kollegen von der Union müsste,
denke ich, ein Funke Erinnerung an den gemeinsamen
Wahlkampf da sein.
({3})
- Das ist wahr, auch wenn Sie davon nichts mehr wissen
wollen. - In diesem Wahlkampf haben wir gemeinsam
die Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze als wesentliche Voraussetzung für die Zukunft des Standorts
Deutschland erkannt. Hoch qualifizierte Arbeitsplätze
brauchen zwei Voraussetzungen: erstens leistungsfähige
Hochschulen, die entsprechend ausgebildete Absolventen hervorbringen, und zweitens eine starke und anwendungsorientierte F-und-E-Landschaft als Transmissionsriemen zur Wirtschaft.
({4})
In Zeiten knapper Kassen ist das natürlich nur durch eine
entsprechende Prioritätensetzung zu erreichen. Eine Prioritätensetzung ist weder im Gesamthaushalt noch im
Einzelplan 30 und auch nicht im täglichen Regierungshandeln zu erkennen.
({5})
Die Zersplitterung der Forschungslandschaft zu Beginn der Legislaturperiode war eine Niederlage für die
Forschungspolitik aus einem Guss. Das Ganze setzt sich
in der Tagespolitik dergestalt fort, dass sich die Ministerin in Placeboveranstaltungen flüchten muss, um überhaupt wahrgenommen zu werden und stattzufinden. Das
gilt insbesondere auch für den Osten. Frau Ministerin,
Innovationswochen, Memoranden und Dialoge, von
Heerscharen von Beamten in Bund und Ländern erarbeitet und mit großem Feuerwerk abgebrannt, helfen nicht,
wenn Sie nicht Prioritäten setzen. Diese Showveranstaltungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die
Hochschulen dramatisch unterfinanziert sind und es
trotz Hochschulpakt auch bleiben werden.
({6})
Heute Morgen wurde an dieser Stelle über den Haushalt des Bundesarbeitsministers mit einem Gesamtvolumen von 124,4 Milliarden Euro beraten. Das ist fast die
Hälfte des Gesamthaushaltes. Wir sprechen über einen
Etat mit einem Volumen von rund 8,5 Milliarden Euro.
Der Bundesarbeitsminister hat allein 5 Milliarden Euro
Aufwuchs in diesem Jahr zu verzeichnen, während wir
uns darüber streiten, ob der Aufwuchs im Etat für Bildung und Forschung 500 Millionen oder 230 Millionen
Euro beträgt. Das ist das, was aus meiner Sicht zum
Thema Prioritätensetzung in der globalen Politik zu sagen ist.
({7})
Die fehlende Prioritätensetzung wird beim Thema
Forschungsprämie exemplarisch deutlich. Im September dieses Jahres haben wir, die FDP-Fraktion, dem
Hohen Haus konkrete Vorschläge vorgelegt, die zur Verbesserung der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft eine Forschungsprämie vorsehen. Im Rahmen der
Haushaltsberatungen haben wir auch einen konkreten Finanzierungsvorschlag unterbreitet. Nun wird der Ansatz
für die Forschungsprämie vom Haushaltsausschuss
- darauf haben die Vorredner schon hingewiesen - zunächst gesperrt. Frau Ministerin, nach Ihren Worten bin
ich gespannt, was daraus wird.
({8})
Besonders deutlich zeigt sich das Problem der fehlenden Prioritätensetzung in Ostdeutschland. Machen wir
eine kurze Bestandsaufnahme. Auch nach 16 Jahren
weitgehend ineffektiven Geldverteilens haben die neuen
Bundesländer nach wie vor nicht die Wirtschaftskraft
des alten Bundesgebietes. Warum? Weil die Politik bis
heute nicht begriffen hat, dass der Schlüssel für mehr
Wachstum in mehr Innovation liegt.
({9})
Einen echten Wirtschaftsaufschwung Ost kann es nur
geben, wenn Sie eine starke, anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungslandschaft vor Ort schaffen.
({10})
Nur dies stärkt Unternehmen vor Ort. Nur dies bewegt
Unternehmen, sich im Osten Deutschlands anzusiedeln.
Nur dies schafft letztlich zukunftsfähige Arbeitsplätze.
Eine Bestandsaufnahme fördert auch zutage, dass in
den ostdeutschen Bundesländern die Exzellenzgrundlagen weitgehend fehlen.
Das muss man schonungslos so sagen. Das haben uns
die Ergebnisse der Exzellenzinitiative im Übrigen gezeigt. Auch hierfür ist die Hauptursache die chronische
Unterfinanzierung der Hochschulen. Wollten wir auch
nur den internationalen Durchschnitt erreichen, müssten
wir fast 9 Milliarden Euro mehr pro Jahr für die Hochschulen ausgeben. Der ganze Einzelplan umfasst gerade
einmal 8,5 Milliarden Euro. Die 280 Millionen Euro von
Bund und Ländern pro Jahr sind angesichts dieser Dimension doch eher als bescheiden einzuschätzen.
({11})
Deutschland braucht eine Zukunft als attraktiver Forschungs-, Dienstleistungs- und Industriestandort. Es gilt
dabei: Je billiger die anderen sind, umso besser müssen
wir sein. Das geht auf die Dauer aber nur mit exzellenten
und gut ausgestatteten Hochschulen und Arbeitsplätzen
in innovativen Industrien. Die jungen Menschen, die
sich bei uns bilden wollen, die etwas leisten wollen,
brauchen und verdienen ein klares Signal. Dieses Signal
muss lauten: Ihr seid uns willkommen, wir brauchen
euch und wir sind bereit, euch die Hochschulen zu bieten, die euch eure Leistungen möglich machen. Ein solches Signal müsste von der Politik der Bundesregierung
ausgehen.
({12})
Genau das geschieht aber mit diesem Haushalt nicht.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({13})
Ich erteile das Wort Kollegen Jörg Tauss, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Kollege Barth, eines fand ich sehr positiv an Ihren Ausführungen, nämlich das klare Bekenntnis der FDP dazu,
dass Bildung als staatliche Aufgabe zur Daseinsvorsorge
gehört. Das ist immerhin eine klare Aussage. Sie dürften
dann aber konsequenterweise nicht ständig Vorschläge
machen, die dazu führen, dass das staatliche Steuersystem erodiert. Die Vorschläge, die Sie machen, müssen
wir irgendwie finanzieren. Nur so passt das einigermaßen zusammen.
({0})
Die Bundesministerin hat wie auch die Haushälter zu
Recht mit Stolz auf den Etatentwurf hingewiesen. Eine
Plafonderhöhung um 6,2 Prozent ist ein wichtiges Signal
für den Forschungsstandort Deutschland. Daran lassen
wir, ehrlich gesagt, auch nicht herummäkeln, auch wenn
ich Verständnis dafür habe, dass die Opposition gelegentlich mäkeln will.
({1})
Auf die herausragenden Positionen, die wir schwerpunktmäßig fördern, ist verwiesen worden. Ich nenne
ebenfalls die Exzellenzinitiative, die Hightechinitiative,
den Hochschulpakt, die Anstrengungen zur beruflichen
Bildung, die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung und die Sozial- und Geisteswissenschaften, mit
denen wir uns gerade im Jahr der Geisteswissenschaften,
das ansteht, noch besonders beschäftigen wollen. Dazu
spricht nachher noch der Kollege Schulz. Die genannten
Projekte haben übrigens - das will ich an dieser Stelle
sagen - auch an das Haus große Anforderungen gestellt.
In der Hightechinitiative wurde herausgearbeitet, wo unsere Spitzenleistungen und wo unsere Stärken liegen,
aber auch wo unsere Schwächen liegen und wo es Nachholbedarf gibt. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Ich will mich deswegen bei den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des BMBF recht herzlich bedanken.
({2})
Sie wissen, ich neige nicht zu übertriebenem Beamtenlob, aber die gute, vertrauensvolle und sehr kompetente
Zusammenarbeit mit vielen Abteilungen des Hauses will
ich hier ausdrücklich hervorheben.
({3})
Nach diesem Lob für das Haus will ich mich Ihnen,
Frau Flach, zuwenden. Ich fand Ihre Rede wirklich nicht
sehr fair.
({4})
Sie ging in der Tat - da stimme ich der Ministerin zu über das hinaus, was man gemeinhin vortragen sollte,
wenn man - ich habe immer an Ihnen geschätzt, dass Sie
seriös waren ({5})
seriös bleiben will. So wie man in der Vergangenheit sicher an Rot-Grün herummäkeln konnte, so kann man natürlich auch an der großen Koalition das eine oder andere aussetzen. Wenn es allerdings Leistungen gibt, auf
die wir nach einem Jahr mit einem neuen Koalitionspartner selbstbewusst verweisen können, dann sind es gerade die Leistungen der neuen Bundesregierung auf den
Gebieten Bildung, Wissenschaft und Forschung. Das
sollte man an dieser Stelle festhalten.
({6})
Ich habe die Bundesministerin genannt und nenne
auch den Finanzminister, der trotz des Haushaltsrechts
des Parlaments natürlich ein wichtiger Verbündeter der
Haushälter ist. Frau Staatssekretärin Hendricks, ich bin
dankbar, dass diese Prioritätensetzung für Bildung, Wissenschaft und Forschung ein einigendes Band zwischen
unserem Teil des Parlaments und der Bundesregierung
darstellt. Wir wollen an dem Ziel festhalten, 3 Prozent
des Bruttoinlandsproduktes für die Bildung auszugeben.
({7})
- Kollege Barth, ich bin so laut, dass ich Sie gar nicht
hören kann. Ich verstehe Sie nicht. Aber stellen Sie ruhig
eine Zwischenfrage.
({8})
Ich bin angesichts der Haushaltszwänge dankbar, dass
diese weiteren Steigerungen in der mittelfristigen Finanzplanung festgeschrieben werden können, damit wir
das Ziel erreichen.
({9})
Wir haben uns eine große Forschungs- und Entwicklungsagenda gegeben. Es gibt ein 6-Milliarden-Programm „Hightechstrategie“. Dazu kommen neue Instrumente wie die Forschungsprämie. In der Tat ist es - Frau
Ministerin hat es gesagt - doch selbstverständlich: Das
Geld ist bereitgestellt. Das ist zunächst einmal das Wichtige.
({10})
Es ist auch selbstverständlich, dass wir jetzt darüber reden, wie wir das bereitgestellte Geld vernünftig, verantwortungsbewusst und mit möglichst hoher Wirkung für
diejenigen, die die Empfänger sein sollen, verwenden.
Der Empfänger soll im Grunde genommen ganz
Deutschland sein, indem wir den kleinen und mittleren
Betrieben ermöglichen, durch Zusammenarbeit mit den
Fachhochschulen ihre forschungsintensiven Arbeiten
voranzubringen. Das ist doch das Ziel.
({11})
Ich weiß gar nicht, warum man darüber diskutiert. Wir
reden über den sinnvollen Einsatz von Mitteln.
({12})
Frau Flach, an dieser Stelle möchte ich noch etwas zu
den Interessengruppen sagen
({13})
- zwischenzeitlich vermutete ich, dass Sie dahinter stecken -, die in Meldungen in der „FAZ“ und „Die Welt“
platzieren, dass Deutschland sich bei der Fusionsforschung blamiere und blockiere.
({14})
- Lieber Kollege Barth, nun hören Sie einmal aufmerksam zu! - Ich möchte eines deutlich sagen: Wir wenden
für die Fusionsforschung - es ist eigentlich schade, dass
ich dafür so viel Zeit verwenden muss,
({15})
aber das muss einmal klargestellt werden -, die übrigens
weit von jeder Markteinführung entfernt ist, Jahr für Jahr
für Jahr 115 bis 120 Millionen Euro auf - jedes Jahr und
ohne einen Nachweis.
({16})
Wir werden in Frankreich, in Cadarache, mit dem dortigen Fusionsreaktor das teuerste Experiment der Menschheitsgeschichte mit 10 Milliarden Euro mit finanzieren.
Wenn dann hier im Parlament eine Anforderung über
weitere 11 Millionen Euro dafür kommt, dass sich die
deutsche Industrie an diesem 10-Milliarden-Projekt beteiligen können soll, frage ich zunächst einmal, warum
wir eigentlich 11 Millionen Euro zusätzliche Steuermittel aufwenden müssen, damit die Industrie geruht, sich
an einem 10-Milliarden-Projekt zu beteiligen. Deshalb
fragen wir nach, was mit diesem Geld geschehen wird.
({17})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 120 Millionen Euro
sind mehr, als wir für die gesamte Begabtenförderung
ausgeben. Das ist etwas mehr, als wir für die gesamte naturwissenschaftliche Grundlagenforschung im Etat ausgewiesen haben; das ist mehr, als für die Förderung der
Regionen in den neuen Bundesländern bereitgestellt
wird. Wenn dieses Gemäkel kommt, kann ich nur sagen:
Die Herrschaften sollen anrufen, sie kennen unsere Telefonnummer. Ich bin wirklich bereit, darüber einmal ein
bisschen kräftiger zu diskutieren.
({18})
Wir haben mit Steuermitteln ordentlich umzugehen.
Der DAAD, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung vieles ist angesprochen worden. Die Hochschulrektorenkonferenz hat deutlich gemacht - das finde ich gut -,
dass sie im Bereich der Lehre etwas tun wollen. Man
kann nur sagen: Endlich! Das ist akzeptabel. Hier sind
wichtige Signale für eine bessere Lehre gegeben worden.
Arbeitsforschung, Friedensforschung und viele weitere Aspekte könnten erwähnt werden. Herr Präsident,
ich will mit Ihrer Genehmigung noch einen Punkt erwähnen.
Ganz kurz.
Ja, ganz kurz. Die Zeit war leider mit dem weg, was
Frau Flach erzählte. Das ist eigentlich schade.
({0})
Es kommt eine klare Aufgabe hinzu, die über unseren
Haushalt hinausgeht. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht,
aber mich bedrückt es - ich glaube, es sollte uns alle bedrücken -, dass 10 Prozent der Kinder und Jugendlichen
in unserem Land die Schule ohne Abschluss verlassen.
Das bedrückt mich im wahrsten Sinne des Wortes.
({1})
Aus diesem Grund halte ich es auch für richtig, dass
wir neben unserem Etat einen bei Herrn Müntefering angesiedelten Etat haben, mit dem man sich unter anderem
um diese Dinge kümmert, mit dem dafür gesorgt wird,
dass die Betreffenden eine neue Chance bekommen.
Herr Barth, wenn Sie hier schon so populistisch Bildung, Wissenschaft und Forschung gegen Sozialleistungen ausspielen, sollten Sie den Rentnerinnen und RentJörg Tauss
nern, den Jugendlichen oder wem auch immer in diesem
Land deutlich sagen, wem Sie etwas wegnehmen wollen.
Ich halte es in dieser Form für verantwortungslos, Sozialleistungen gegen Bildung, Wissenschaft und Forschung auszuspielen.
({2})
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({3})
Ich erteile der Kollegin Cornelia Hirsch, Fraktion Die
Linke, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Werte Frau Ministerin, Sie haben sich vorhin hier hingestellt und gesagt , dass Sie die Weichen für Bildung, Forschung und Wissenschaft in Ihrer bisherigen Regierungstätigkeit richtig gestellt haben. - Nun, die Linke ist
hier grundlegend anderer Auffassung.
({0})
Wir sagen: Sie haben die Weichen falsch gestellt. Ich
möchte Ihnen auch begründen, warum wir diese Auffassung haben.
Erstens. In der Bildungsfinanzierung sind Sie aus
unserer Sicht vollkommen auf dem Holzweg. In Ihrer
schriftlichen Bilanz, die Sie in der letzten Woche vorgelegt haben, loben Sie sich unter anderem dafür, dass es
seit April Studienkredite gibt, dass Sie die Begabtenförderung ausbauen und dass Sie neue Modelle zum Bildungssparen entwickeln. Diese Maßnahmen - so schreiben Sie weiter - seien sozial und gerecht. Mit Verlaub,
werte Frau Ministerin, diese Behauptung ist wirklich
grober Unfug.
({1})
Es ist eben nicht sozial und gerecht, dass diejenigen,
die von Haus aus wenig Geld haben, am Ende ihres Studiums vor einem großen Schuldenberg stehen und diejenigen, die reiche Eltern und Verwandte haben, vollkommen unbelastet in ihre Zukunft starten können. Wir
werden solchen Vorhaben deshalb nicht zustimmen. Anstelle dieser Studienkredite fordern wir mehr und besseres BAföG. Dazu liegt Ihnen heute ein Antrag der Fraktion Die Linke vor. Wir können nicht erkennen, dass das
BAföG in der großen Koalition die Priorität hat, die es
eigentlich verdient.
({2})
Die zweite vollkommen falsche Weichenstellung
- das hat hier heute Abend schon eine Rolle gespielt war die Föderalismusreform. Sie wurde vor der Sommerpause im Hauruckverfahren durch Bundestag und
Bundesrat gepeitscht. Ich möchte einige Worte an die
Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion richten, die sich heute und gestern für das Verhalten auf die
Schultern geklopft haben - Herr Kollege Hagemann hat
sich eben dazu geäußert -, das sie an den Tag gelegt haben.
Ich möchte Sie daran erinnern, wie die ganze Diskussion, die wir hier zur Föderalismusreform geführt haben,
aussah. Erst haben Sie über Monate hinweg gesagt, dass
Sie diese Reform bildungspolitisch für grundlegend verkehrt halten, dass sie abgelehnt werden muss und dass
Sie bei diesem Projekt nicht mitmachen. Dann hat die
Unionsfraktion ein vollkommen unzureichendes Kompromissangebot gemacht: Das war das Zugeständnis der
Aufweichung des Kooperationsverbotes für die Hochschulen - es handelt sich um einen winzigen Teil dieser
Reform
({3})
- Herr Tauss, jetzt hören Sie erst einmal zu -, und auch
das nur unter der Maßgabe, dass alle 16 Bundesländer
zustimmen. Als dieses Zugeständnis gemacht wurde,
sind Sie sofort eingeknickt und haben der Reform zugestimmt. Ich finde, dass so ein Einknicken eigentlich keinen Applaus verdient. So ein Einknicken ist verkehrt.
Wenn Sie damals nicht zugestimmt hätten, dann wäre
diese Reform uns allen erspart geblieben.
({4})
Die dritte falsche Weichenstellung - sie wurde nicht
von der großen Koalition vorgenommen, sondern bereits
von Rot-Grün - ist die Gestaltung der Steuerpolitik in
diesem Land. Schon mit der Steuerreform von 2001 haben Sie rund 100 Milliarden Euro an Vermögende und
Großkonzerne verschenkt; diese Entwicklung hält bis
heute an. Diese 100 Milliarden Euro fehlen uns für eine
bessere Bildung in diesem Land.
({5})
Herr Hagemann, mich interessiert, wie Sie solch eine
Politik unter anderem in Ihrem Wahlkreis begründen.
Auch zu Ihnen kommen doch sicher zahlreiche Menschen aus Ihrem Wahlkreis, die Ihnen erläutern, dass sie
die Busfahrt ihrer Kinder zur Schule kaum noch finanzieren können, dass es an Geld für die immer teureren
Schulbücher fehlt, dass es an öffentlichem Förderunterricht fehlt und dass die private Nachhilfe eben auch viel
zu teuer ist. Was erzählen Sie diesen Menschen?
({6})
Sagen Sie ihnen die Wahrheit, dass Sie nämlich gerade
dabei sind, die nächste Reform vorzubereiten, mit der
Sie die öffentlichen Kassen noch weiter schröpfen werden und mit der Sie noch weiter von unten nach oben
umverteilen werden?
Ich bin der festen Überzeugung: Wenn Sie den Menschen diese Wahrheit klar und offen ins Gesicht sagen
werden, dann wird die große Mehrheit der Menschen in
Ihrem Wahlkreis diesem Vorhaben nicht zustimmen.
({7})
Sie betreiben neoliberale Schönrednerei. Sie streuen den
Menschen Sand in die Augen und Sie machen eben nicht
deutlich, worum es sich hier eigentlich handelt.
Wir finden, dass Sie die Voten aus Ihren Wahlkreisen
ernst nehmen müssen, dass Sie grundlegend umsteuern
müssen und dass Sie gerade in der Steuerpolitik von einem Verfahren wegkommen müssen, das Bildungsarmut
produziert. Wenn Sie das täten, dann wären Sie auf dem
richtigen Weg: hin zu einem besseren Bildungssystem
und auch zu einer gerechteren Gesellschaft. Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei hätten Sie
sicherlich auch die Unterstützung meiner Fraktion, der
Linken.
Danke schön.
({8})
Ich erteile das Wort Kollegen Swen Schulz, SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Erst einmal vielleicht wieder ein bisschen sachlicher!
({0})
Die Regierungskoalition legt einen wirklich guten
Haushalt vor; das ist anhand der Zahlen schon aufgezeigt
worden.
({1})
Nun ist es nicht besonders ungewöhnlich, dass die Mehrheit den eigenen Vorschlag lobt. Darum können die Bürgerinnen und Bürger die Qualität des Haushalts am besten daran erkennen, dass der Opposition nicht wirklich
so wahnsinnig viel Kritik einfällt.
({2})
Man spürt richtig, wie hier teilweise verzweifelt nach
dem Haar in der Suppe gesucht wird
({3})
oder die Flucht in die große rhetorische Pose angetreten
wird. Ich finde, dass es der Opposition ganz gut anstünde, einfach einmal ehrlich zu sagen, dass dieser
Haushalt ein toller Erfolg ist: für die Bildung und Forschung, für die Menschen, für Deutschland.
({4}): Das können Sie noch
zehnmal wiederholen; das wird nicht
besser! - Uwe Barth [FDP]: Ich fürchte ja, Sie
glauben selber daran!)
Freuen Sie sich doch einfach einmal mit! Das ist die
Frucht langer, harter Arbeit der Fachpolitiker in Parlament und Regierung.
({5})
Natürlich steht diese Koalition auf den Schultern von
Giganten, nämlich von Gerhard Schröder und Edelgard
Bulmahn aus der rot-grünen Regierungszeit.
({6})
Dieser Haushalt wäre aber nicht möglich gewesen, wenn
nicht die gesamte Regierungskoalition - inklusive Haushälter, Finanzminister und Bundeskanzlerin - dahinter
stehen
({7})
und Bildung und Forschung Priorität einräumen würde.
({8})
Mit diesem Haushalt kommen wir einen großen
Schritt voran, aber wir sind damit natürlich noch nicht
am Ziel. Im Forschungsbereich legen wir sehr viel drauf:
bei der Projektförderung, für die Fachhochschulen, in
der Hightechstrategie. Dabei fördern wir nicht einfach
nur blind alles technisch Machbare; nein, wir machen
das mit Sinn und Verstand.
Gesellschaftliche Innovationen sind von zentraler Bedeutung für uns. Darum legen wir einen deutlichen
Schwerpunkt auf die Geistes- und Sozialwissenschaften.
Darum beschließen wir nicht nur ein Programm für die
Sicherheitsforschung, sondern wir stärken zusätzlich die
Friedensforschung.
Ein zentrales Thema ist die Finanzierung der Hochschulen. Das hat in der Debatte hier schon eine Rolle gespielt. Der Hochschulpakt wurde durch die Föderalismusreform erst möglich. Die SPD hat für die
Zusammenarbeit von Bund und Ländern hart gekämpft
und wir sehen jetzt den Erfolg, Frau Hirsch.
Aber so, wie wir von der Föderalismusreform I sprechen, muss natürlich auch vom Hochschulpakt I die
Rede sein.
({9})
Es ist deutlich mehr nötig, um bis 2020 ausreichend Studienplätze zur Verfügung stellen zu können. Wir benötigen also einen Hochschulpakt II, und zwar möglichst
bald, damit die Hochschulen Planungssicherheit erhalten.
Außerdem ist ein Kernproblem nicht gelöst. Wir
brauchen ein System, das erstklassige Lehre belohnt, das
attraktive Studienplätze finanziert. Die Exzellenzinitiative ist das eine, doch darüber hinaus müssen wir einen
Swen Schulz ({10})
Wettbewerb für Lehre entfachen; denn ohne Bildung
bringt alle Forschungspolitik nichts.
({11})
Das sollte in den Hochschulpakt II und in die Beratungen zur Föderalismusreform II hinein.
Die Schaffung von vielen hochwertigen Studienplätzen ist die eine Herausforderung, wir müssen aber auch
die finanziellen Rahmenbedingungen für die Studierenden im Blick haben. Sie müssen sich das Studium leisten
können. Darum sage ich für die SPD ganz klar: Wir garantieren das BAföG.
({12})
Es gibt aber das Problem mit den Studiengebühren,
die von einigen Ländern eingeführt werden. Dadurch
werden viele junge Menschen vom Studium abgeschreckt. Wir sehen schon heute, etwa in NordrheinWestfalen, dass eine ganz fatale Kettenreaktion in Gang
kommt. Diejenigen, die sich das Studium dann nicht
leisten können, die davor zurückschrecken, bewerben
sich um Ausbildungsplätze und verdrängen dort wiederum die Schwächeren. Das ist wirklich eine ganz
schlechte, kurzsichtige Politik.
({13})
Sie schadet der Volkswirtschaft, sie ist unsozial und gesellschaftspolitisch ein schwerer Fehler.
({14})
Besonders ärgert mich immer das Argument, es sei
doch sozial ungerecht, wenn die Krankenschwester das
Studium für den Sohn des Chefarztes finanziert.
({15})
Als Sozialdemokrat stehe ich Überlegungen für mehr
Gerechtigkeit natürlich sehr aufgeschlossen gegenüber.
({16})
Doch wie will man bitte schön mehr Gerechtigkeit
schaffen, wenn man diejenigen, die wenig Geld haben,
von Bildung ausschließt? Das funktioniert doch nicht.
({17})
Gerechtigkeit - Herr Barth, lassen Sie mich das sagen schafft man nicht durch Bildungssteuern;
({18})
Gerechtigkeit braucht bessere Bildung für alle.
({19})
Übrigens finde ich auch, dass wir Bildungspolitiker
im Deutschen Bundestag etwas zum Thema der vorschulischen Bildung sagen sollten. Es ist zum Teil auch
eine Gebührendebatte, allerdings nicht nur. Es ist völlig
richtig, dass der Bund einen Beitrag zu mehr hochwertigen Plätzen in der Kinderbetreuung leisten sollte.
({20})
Wie das geschehen soll, darüber müssen wir reden und
diskutieren. Aber klar ist: Kindertagesstätten müssen
Bildungseinrichtungen sein. Im Vorschulalter werden
Grundlagen für den Spracherwerb, für soziales Verhalten
usw. gelegt. Schon hier gilt: Bildung in Deutschland
muss erstklassig sein und die Menschen dürfen nicht
durch Gebühren davon abgehalten werden.
({21})
Ich ziehe das Resümee: Die Bildungs- und Forschungspolitik der großen Koalition ist gut. Wir haben
über das Jahr 2007 hinaus noch viel vor. Vor allem sollten wir gemeinsam mit den Bundesländern dafür sorgen,
dass noch mehr in die Zukunft investiert wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Berlin-Urteil Sparen an der Zukunft verlangt. Ich halte fest: Unsere Politik schlägt einen anderen Weg ein.
Vielen Dank.
({22})
Ich erteile das Wort Kollegin Priska Hinz,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Woche wird ja nicht nur über den Haushalt gesprochen, sondern auch Bilanz über ein Jahr große Koalition gezogen.
Damit geht es natürlich auch um die Bilanz der Bildungs- und Forschungsministerin, die nun ein Jahr im
Amt ist. Am liebsten wollte Frau Schavan Forschungsministerin sein. Sie hatte nun ein Jahr Zeit und Muße,
um etwas in ihrer Einjahresbilanz vorzuweisen. Aus unserer Sicht muss ich sagen: Besonders erfolgreich sind
Sie bislang nicht gewesen.
({0})
Ich will das an einigen Punkten belegen.
Wir nehmen uns heraus, Frau Schavan, die von Ihnen
vorgelegte Hightechstrategie inhaltlich und bezüglich
der Zielsetzung zu kritisieren. Wir haben in der Debatte
um die Hightechstrategie deutlich gemacht, mit welchen
Punkten wir nicht einverstanden sind. Sie selber haben
hier Ihre erste Bauchlandung hingelegt, da die Koalitionsfraktionen Ihrem Konzept einer Forschungsprämie nicht näher treten wollen. Herr Hagemann hat in
der ersten Haushaltsrunde bessere Fragen zur Forschungsprämie gestellt, als sie mir eingefallen sind. Wir
Priska Hinz ({1})
haben schon im Bildungsausschuss beantragt, die Mittel
für die Forschungsprämie zu sperren, weil erst einmal
ein Konzept vorgelegt werden muss.
({2})
Dabei sind uns die Koalitionsfraktionen leider nicht gefolgt.
({3})
Das ist jetzt im Haushaltsausschuss erfolgt.
Erstaunlicherweise hat auf dem Wirtschaftskongress
der Grünen ein Vertreter der BASF
({4})
erläutert, wie Sie, Frau Ministerin, in einem Ihrer Stuhlkreise, der Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft,
das Konzept entwickelt haben, und gesagt, dass er uns genau darstellen könne, wie das mit der Forschungsprämie
gehen soll.
({5})
Vielleicht sollten die Koalitionsfraktionen künftig Vertreter der Wirtschaft in ihre Runden einladen; dann würden sie erfahren, was die Forschungsministerin eigentlich vorhat.
({6})
Ich komme zur zweiten Bauchlandung, zur Fusionsforschung. Auch hier folgen Ihnen die Abgeordneten
aus den Koalitionsfraktionen nicht. Sie fordern, dass bis
Ende des Jahres zusätzliche Argumente vorgelegt werden, warum für die Fusionsforschung Mittel in dieser
Größenordnung ausgegeben werden müssen. Zu Recht!
Die Koalition ist da fast auf Oppositionskurs. Sie, Frau
Ministerin, werden aber wahrscheinlich auch bis Ende
des Jahres nicht so richtig fündig werden. Wir hatten ja
beantragt, den vorgesehenen Ansatz in Höhe von
11 Millionen Euro gänzlich zu streichen. So weit werden
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
wahrscheinlich nicht gehen können. Es ist doch erstaunlich - Herr Tauss hat das wunderbar deutlich gemacht -,
({7})
wie viel Geld schon in die Fusionsforschung geflossen
ist, ohne dass bisher der Nachweis geführt werden
konnte, dass die Fusionsforschung zukünftig etwas zur
Energieerzeugung beitragen kann. Es reicht nicht, erst in
30 Jahren festzustellen, ob die Fusionsforschung irgendetwas bringt. Dann ist es nämlich zu spät. Wir müssen
jetzt Erfolge erzielen, um eine Klimawende herbeizuführen.
({8})
Setzen Sie die Mittel für regenerative Energien ein und
für andere Forschungsprojekte! So kommen wir viel
schneller ans Ziel.
Bauchlandung Nummer drei der Forschungsministerin: der Ethikrat. Wir haben schon in den letzten Haushaltsberatungen moniert, dass Geld für den Ethikrat in
den Haushalt eingestellt worden ist. Das ist auch jetzt
wieder der Fall. Die Ministerin hat hier einen Gesetzentwurf eingebracht, der aus allen Fraktionen heraus kritisiert wurde. Sie haben vonseiten der CDU/CSU in der
letzten Wahlperiode mehr als einmal die so genannte
Kommissionitis von Rot-Grün beklagt. Jetzt gibt es bei
Ihnen Räte, Unionen, Stuhlkreise und was auch immer,
({9})
die nicht an das Parlament angebunden sind. Auch hier
muss ich Ihnen sagen: Sie müssen akzeptieren, dass das
Parlament gerade in solchen wichtigen Fragen das Letztentscheidungsrecht hat und bestimmt, wie ethische Debatten vorbereitet werden und wie entschieden wird.
({10})
Da können Sie nicht mit einem solchen Gesetzentwurf
kommen. Hier haben Sie ebenfalls eine Niederlage erlitten.
Wir haben von meiner Kollegin Krista Sager gehört,
dass bei dem Hochschulpakt noch so viele Fragen ungelöst sind, dass Sie eventuell Ihre zweite Säule, die Forschung, irgendwann angreifen müssen. Das könnte Ihre
vierte Bauchlandung werden.
Als Forschungsministerin haben Sie in diesem einen
Jahr nicht viel unternommen. Aber als Bildungsministerin, zuständig auch für den Bereich Ausbildung, haben
Sie es noch nicht einmal geschafft, für die 15 000 neuen
Stellen über EQJ, die Herr Müntefering bereitstellt, ein
Zertifizierungsverfahren auf den Weg zu bringen, damit diese Zeit grundsätzlich auf die Ausbildung angerechnet wird. Sie haben es nicht geschafft, wenigstens
das versprochene kleinste Mosaiksteinchen der Weiterbildung, ein Konzept zum Bildungssparen, dem Parlament vorzulegen.
({11})
Auch hier ist Fehlanzeige auf der ganzen Linie.
Meine Damen und Herren, dieses erste Jahr war aus
unserer Sicht ein verlorenes Jahr für Bildung und Forschung.
({12})
Ich erteile das Wort Kollegin Dorothee Bär, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich möchte Sie bitten, etwas NachDorothee Bär
sicht walten zu lassen, weil man in sieben Minuten Redezeit mit dem ganzen Mist, den man sich heute hier hat
anhören müssen, gar nicht aufräumen kann.
({0})
Besonders bei Ihnen, Frau Kollegin Hirsch, hat man
nach jeder Rede das Gefühl, Schmerzensgeld beantragen
zu müssen, weil das, was da jedes Mal von Ihrer Seite
kommt, unter aller Kanone ist.
({1})
Ein Jahr große Koalition, ein Jahr Bundesbildungsund Bundesforschungsministerin Annette Schavan - ein
gutes Jahr für Deutschland.
({2})
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte Ihnen auch im
Namen der CDU/CSU-Fraktion ganz herzlich für das
bisher Erreichte danken, insbesondere für die Exzellenzinitiative. Ich danke auch den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und des Bildungsausschusses
({3})
für diesen großartigen Bildungsetat.
({4})
Im Bildungsetat 2007 werden die Investitionen in Bildung und Forschung weiter aufgestockt. Ich danke Ihnen
deswegen ganz besonders für die Exzellenzinitiative,
die die Spitzenforschung fördert, weil ich mich natürlich
freue, dass die bayerischen Hochschulen ihre herausragende Stellung bestätigen konnten.
({5})
Wir freuen uns sehr, dass zwei der bundesweit insgesamt
drei Eliteuniversitäten in Bayern sind. Eine persönliche
Anmerkung: Auch die Würzburger Julius-MaximilianUniversität konnte sich mit einer Graduiertenschule
durchsetzen. Auch dazu meinen herzlichen Glückwunsch!
({6})
Insgesamt gehen elf von 38 bewilligten Anträgen in
allen drei Förderlinien nach Bayern. Das entspricht einer
Fördersumme von knapp 70 Millionen Euro. Damit
fließt über ein Drittel der gesamten Bewilligungssumme
an bayerische Hochschulen. Da zeigt sich, dass Leistung
belohnt wird. Selbstverständlich haben auch viele andere
Hochschulen in Deutschland in diesem Wettbewerb gut
abgeschnitten.
({7})
Deshalb werden die Mittel für die Exzellenzinitiative
von knapp 2 Milliarden Euro wie zugesagt fließen. Herr Tauss, Karlsruhe hätten Sie besser erwähnen können; das ist nicht meine Aufgabe.
({8})
- Ja, aber ich bin insbesondere Interessenvertreterin für
Bayern; als solche sehe ich mich. Deswegen freue ich
mich natürlich besonders über unser gutes Abschneiden.
Die Förderung brauchen wir, damit Deutschland für
die Zukunft bestens aufgestellt ist. Die deutsche Forschung ist hervorragend. Wir müssen allerdings unseren
dritten Platz bei den Forschungsergebnissen halten bzw.
verbessern; denn nur so sind wir fähig, im Wettbewerb
mit anderen Staaten zu bestehen.
Die Fähigkeiten, die wir an dieser Stelle haben, müssen wir aber auch in Markterfolge umsetzen. Die
Bundesregierung tut dies beispielsweise mit der Hightechstrategie. Kernelement dieser Strategie ist die Forschungsprämie, die in dieser Debatte schon mehrfach
erwähnt wurde. Mit dieser Forschungsprämie wird die
Wissenschaft mobilisiert, auf den Mittelstand zuzugehen. Schließlich ist der Mittelstand das Kernelement unserer Wirtschaft.
({9})
So setzt unsere exzellente Wissenschaft zusammen mit
dem kompetenten Mittelstand die Forschungsergebnisse
um.
Durch die Forschungsprämie der Bundesregierung
wird die Hochschule mit einem 25-prozentigen Aufschlag auf das Auftragsvolumen eines Unternehmens
unterstützt. Unter einer zukunftsweisenden Bildungsund Forschungspolitik verstehen wir, mit innovativen
Finanzierungsmitteln Innovation zu fördern. Darunter
verstehen wir aber auch die Sicherung des Standortes
Deutschland und die Sicherung von Arbeitsplätzen, Herr
Barth.
({10})
Zukunftsweisende Politik besteht auch darin, den Jugendlichen in unserem Land Möglichkeiten zu bieten.
Deshalb sind die Mittel für die Strukturprogramme der
beruflichen Bildung um ein Viertel erhöht worden und
deshalb bleibt die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstellen auf dem hohen Niveau von 2006.
Hier spielt auch die Begabtenförderung eine große
Rolle. In der beruflichen Bildung und auch in der studentischen Begabtenförderung wird es daher einen Aufwuchs der Mittel um 10 Prozent geben. Eine ideologische Gleichmacherei wie in den von Ihnen regierten
Ländern ist mit uns nicht zu machen. Nur eine exzellente
Spitze bringt Arbeitsplätze nach Deutschland und hält
sie hier. Hervorragenden Beschäftigten in der Wirtschaft
oder in der Wissenschaft müssen wir hier ansprechende
Rahmenbedingungen und eine Perspektive bieten. Sie zu
fördern bedeutet, in die Zukunft zu investieren und
gleichzeitig Arbeitsplätze zu sichern. Aber jeden, wie
Sie es wollen, nur ein bisschen und dann auch nur tröpfchenweise zu fördern, bringt am Ende niemandem etwas
und ist keine zielgerichtete Politik.
({11})
Wir müssen aber auch für Wissenschaftler aus dem
Ausland attraktiver sein. Deshalb ist ein Austausch von
Studenten und Wissenschaftlern für unser Land ein
großer Gewinn. Dieser Austausch muss selbstverständlich in beide Richtungen stattfinden. Dazu haben wir den
Etat für die Austauschprogramme um 5 Millionen Euro
erhöht; denn nur mithilfe des Austausches wird Deutschland weltweit als Standort für Forschung, Wissenschaft
und Qualifizierung noch bekannter. Unser Ziel muss es
sein, die weltweit besten Nachwuchswissenschaftler für
Deutschland zu gewinnen.
Mit diesem Etat ist Deutschland gut auf die Zukunft
vorbereitet. Er garantiert Austausch und Förderung
- insbesondere Elitenförderung - sowie vor allem Perspektiven für Jugendliche.
({12})
Gerade der letzte Punkt, die Zukunftsperspektive von
jungen Menschen, sollte uns allen wichtig sein. Um ihnen einen guten Start ins zukünftige Berufsleben zu ermöglichen, ist es entscheidend, dass die Förderung der
überbetrieblichen Berufsausbildung auf dem hohen Niveau bleibt, das die Union für den jetzigen Haushalt
durchgesetzt hat.
({13})
Die Erhöhungen im Bildungs- und Forschungsetat
- trotz angespannter Haushaltslage - zeigen die Weitsicht unserer Regierung.
Ich denke, dass das gesamte Haus gar nicht anders
kann, als dem Bildungsetat zuzustimmen.
({14})
- Meinetwegen auch zu feiern, Herr Barth. Ich finde es
schon interessant, dass Sie sich am Schulterklopfen stören. Wir hätten nichts dagegen, wenn Sie endlich über
Ihren Schatten sprängen und uns ebenfalls auf die Schulter klopfen würden. Das wäre angemessen.
({15})
Wir sind uns sicherlich alle darin einig, dass noch
mehr für den Bildungsetat getan werden muss. Unsere
Ministerin und wir haben diesbezüglich vorgelegt. Jetzt
liegt es an Ihnen - bitte überzeugen Sie auch Frau Flach
davon -, mit uns gemeinsam auf diesem Weg voranzuschreiten.
Ich möchte mit einem Zitat Hegels enden:
Der Mensch ist, was er als Mensch sein soll, erst
durch Bildung.
Vielen Dank.
({16})
Ich erteile das Wort Kollegen Ernst Dieter Rossmann,
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Ministerin hat das Zwischenresümee mit „Mehr
Wachstum durch Innovation“ überschrieben. Dies kann
in der Bildung und Forschung nur gelingen, wenn es
eine dynamische Finanzierung gibt. Nachdem anstelle
von mancher Blockade, die man noch aus vergangener
Zeit kennt, Gemeinsamkeit getreten ist, kann niemand in
diesem Hause behaupten, in der großen Koalition gebe
es hinsichtlich der Frage der dynamischen Finanzierung
keine Bewegung. Die Zusammenarbeit von Bildung und
Forschung für Wachstum durch Dynamik gelingt dann,
wenn das Zusammenwirken zwischen den politischen
Ebenen kooperativ ist. Dies ist bei Bund und Ländern
jetzt der Fall. Dies ergibt sich auch durch den neuen
Art. 91 b des Grundgesetzes.
Frau Hirsch, ich schätze Sie zwar; aber ich finde es
nicht gut, wenn Sie Ihren politischen Verstand an der
Garderobe des Verbalradikalismus abgeben.
({0})
Besteht bei Ihnen jetzt die Order, über diese Fragen so zu
diskutieren? Da ist doch zusammen etwas entwickelt
worden, was Sie nicht ignorieren sollten.
({1})
Im Übrigen ist das Zusammenwirken von Bildung und
Forschung dann dynamisch, wenn deren Inhalt ganzheitlich ist. Das müssen wir in diesem Parlament in den gemeinsamen Haushaltsanträgen und Initiativen immer
wieder neu beweisen.
Ich will versuchen, dies an zwei Beispielen zu verdeutlichen. Frau Schavan bzw. die große Koalition hat
Recht, wenn sie die Hightechinitiative in den Vordergrund stellt. Diese gewinnt an Qualität dadurch, dass wir
die Hightechinitiative und eine Stärkung der Reflektionswissenschaften - so möchte ich sie beschreiben zusammenführen. Dabei geht es um die Geisteswissenschaften, die Sozialwissenschaften und die Philosophie.
Genau dies tun wir in dieser großen Koalition. Die Hightechinitiative wird mit viel Geld ausgestattet. Das ist eigentlich eine klassische Angebotspolitik der Linken.
Wenn Sie die Historie kennen würden, dann wüssten Sie,
dass manche das folgendermaßen zugespitzt haben: Diktatur des Proletariats plus Elektrizität plus Forschung. Das ist die Verheißung. Nun buchstabiert eine konservativ-sozialdemokratische Regierung Innovation so durch.
Aber Ihnen fällt dazu nichts Positives ein. Das ist zu wenig, Kollegen von der Linken. Da nehmen wir Sie gerne
voll an.
({2})
In Bezug auf die Geisteswissenschaften - wir haben
nicht nur das Jahr der Geisteswissenschaften - passiert
doch einiges: 5 Millionen Euro werden draufgepackt.
Auch wird 1 Million Euro mehr für Friedenswissenschaften ausgegeben, für die wir jetzt gemeinsam streiten.
In diesem Zusammenwirken entsteht eine weitere
Diskussion. Natürlich sollen jetzt die Kapazitäten der
großen Fächer an den Hochschulen erweitert werden.
Wir brauchen das für den Ingenieurnachwuchs, den medizinischen Nachwuchs und den Lehrernachwuchs, in
der Betriebswirtschaft, in den Rechtswissenschaften und
in vielen anderen Bereichen mehr. Aber wenn jetzt die
Hochschulrektorenkonferenz durchbuchstabiert, dass
es keine rote Liste seltener Fächer geben darf, dann sollten zumindest wir von der Bundesseite an dieser Stelle
klar machen, dass die Hochschulrektorenkonferenz, da
es ja jetzt eine fundamentale Entlastung und Unterstützung der Hochschulen gibt, den Spielraum hat, auch die
seltenen Fächer weiter koordiniert in Deutschland blühen zu lassen. Diese Gemeinsamkeit gehört dazu.
({3})
Eine weitere wichtige Balance besteht zwischen Exzellenzinitiative und Hochschulpakt. Sie von der FDP
sprachen eher abschätzig davon, dass es dabei angeblich
nur um 250 Millionen Euro geht. Wenn man das alles
zusammennimmt - beides, die Exzellenzinitiative und der
Hochschulpakt, ist auf die Hochschulen ausgerichtet -,
dann reden wir tatsächlich über 3,8 Milliarden Euro.
({4})
Dies ist eine ganz gewaltige Summe.
Frau Schavan sprach an, dass es nach der Föderalismusreform lange klare Signale in Bezug auf das Kooperationsgebot gegeben habe. Das war ein glasklares Signal. Darauf können wir zusammen stolz sein.
({5})
Ich will eine kritische Anmerkung machen. Was die
Exzellenzinitiative angeht, soll sie sich an Exzellenz
orientieren. Aber wenn es richtig ist, dass Wachstum
durch Innovationen gefördert wird, dann muss es doch
auch eine Strategie dahin gehend geben, dieses Wachstum durch Innovationen über Exzellenz in ganz Deutschland entstehen zu lassen - und nicht nur in süddeutschen
Bundesländern. Darauf werden wir Sozialdemokraten
immer wieder mit Recht bestehen müssen, weil am
Wachstum durch Innovationen alle in Deutschland teilhaben müssen.
Eine weitere Anmerkung möchte ich zum Hochschulpakt machen. Frau Sager, Sie sprachen an, dass
das vielleicht eine sehr anspruchsvolle, aber noch nicht
bis ins Letzte ausgereifte Initiative ist. Eines haben Sie
in seiner Tragweite noch nicht erkannt, nämlich dass
sich dieser Hochschulpakt dadurch auszeichnet, dass er
die Besonderheit von Berlin sowie die der beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen und die besondere Situation in den neuen Bundesländern erfasst und die Selbstverpflichtung der alten Bundesländer beinhaltet,
90 000 zusätzliche Studienplätze in ihrem Kontingent zu
erwirtschaften - und das so schnell, dass das in 2009
nachgezeichnet werden kann. Die Qualität dieses Hochschulpaktes hat schon etwas für sich.
({6})
Auf diese Qualität des Paktes kann man angesichts dessen aufbauen, dass bis zum Jahr 2020 noch einiges geschaffen werden muss.
Spielraum besteht unter anderem darin, dass die
Overheadfinanzierung, also die zusätzlichen 20 Prozent,
bezogen auf die Fördersumme, bzw. die dafür im Hochschulpakt vorgesehenen 700 Millionen Euro, an die
Länder bzw. die Hochschulen fließt und daraus neue Studienplätze generiert werden müssen. Das ist die Philosophie. Wir finden, da ist eine Menge Musik drin.
({7})
Wir erwarten von den Ländern - hier will ich gerne
noch einmal auf die Linksfraktion eingehen -, dass sie
wirklich alle finanziellen Möglichkeiten nutzen, um die
Hochschulkapazitäten auszubauen. Ich mache keinen
Hehl daraus, dass ich mich manchmal wundere, wie wenige Länder darauf achten, ob sie die Leistungskraft aufgrund der Steuereinnahmeseite - wenn es um die Erbschaftsteuer, die Vermögensteuer oder wenn es um
Körperschaftsteueranteile geht - auch wirklich für Innovation und für Wachstum durch Bildung und Forschung
einsetzen. Man darf die Länder doch wohl fragen, ob sie
im Auge haben, dass dies nachhaltig gesichert ist.
({8})
Mein Schlussgedanke. Frau Ministerin, Sie können
mit Recht sagen, dass Sie hier in der Kontinuität von
Rot-Grün und Schwarz-Rot vier Asse in der Hand haben: Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung, Hightechstrategie und Hochschulpakt. Dazu muss aber noch eine
Sozialinitiative treten, damit das Ganze über das
BAföG, über den Ausbau der Studentenwerke - die mit
den wachsenden Studentenzahlen umgehen können müssen - und über den Wohnbereich rund wird, und zwar so
rund, dass alle an dieser Exzellenz teilhaben können.
Deshalb vielleicht eine kleine Nuance: Sie haben Ihr
Zwischenresümee überschrieben mit „Exzellenz in Bildung und Forschung - Mehr Wachstum durch Innovation“. Wir sagen das etwas anders: „Mehr Qualität und
Kapazität in Bildung, mehr Qualität und Kapazität in
Forschung“. Wenn wir das zusammen hinbekommen,
dann wäre das richtig exzellente Politik.
Danke.
({9})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30, Bundesministerium für Bildung und Forschung,
in der Ausschussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst
abstimmen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3475? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses
gegen die Stimmen der Linken abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
16/3476? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmverhältnis
wie zuvor abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
16/3477? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU,
SPD und FDP bei Enthaltung der Grünen und Zustimmung der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
16/3498? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit dem gleichen Ergebnis wie zuvor abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 30 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Einzelplan 30 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der drei anderen Fraktionen angenommen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt I.16 auf:
Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
- Drucksachen 16/3115, 16/3123 Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Leutert
Petra Hinz ({0})
Anna Lührmann
Hierzu liegt je ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen
vor. Über den letztgenannten Änderungsantrag werden
wir später namentlich abstimmen. Außerdem liegt ein
Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen vor, über den wir am Freitag nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Ulrike Flach, FDP-Fraktion, das Wort.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Haushalt des Bundesumweltministers ist nach wie vor
ein relativ kleiner Haushalt. Dennoch hat sich das, was
ich in der ersten Lesung gesagt habe, noch verstärkt.
Durch die zusätzlichen 53,7 Millionen Euro aus der Bereinigungssitzung steigt Ihr Haushalt zwar auf 844 Millionen Euro und ist derjenige mit dem prozentual höchsten Aufwuchs. Im Vergleich zum Wachstum des
Gesamthaushaltes wirkt der Einzelplan 16 allerdings bescheiden.
Trotzdem ist er Ausdruck dessen, wie die Bundesregierung alte Pfründe sichert und eine nachhaltige Konsolidierung und Ausgabensenkung verzögert.
({0})
Ein Beleg hierfür ist die mittelfristige Finanzplanung
des BMU im Jahr 2006. Der Mittelansatz des vorliegenden Haushalts 2007 ist nicht nur um 77 Millionen Euro
höher, als noch vor einem halben Jahr prognostiziert; er
enthält auch keine globale Minderausgabe. Herr Gabriel,
wie schon im letzten Jahr verweigern Sie sich der Haushaltskonsolidierung im Vollzug. Angesichts des finanziellen Aufwuchses ist das Ziel Ihrer mittelfristigen
Finanzplanung, das Gesamtbudget pro Jahr um 1 Prozent zu reduzieren, reine Makulatur.
Das passt in das mediale Bild, das Herr Gabriel erzeugen will. Hier wird ein neues Schwergewicht der SPD
aufgebaut, und zwar offensichtlich ganz bewusst als Gegenpol zu Bundeswirtschaftsminister Glos. Vor und hinter den Kulissen findet eine Aufrüstung für den Grabenkampf statt: Spiegelreferate werden eingerichtet und es
wird mit Lust im Bereich des jeweils anderen gewildert.
Das betrifft in besonderem Maße die Energiepolitik. Es
lässt sich beinahe täglich erkennen, dass CDU und SPD
in diesem Bereich Lichtjahre auseinander liegen.
({1})
Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die atomaren
Endlager Schacht Konrad und Gorleben auf Kosten der
Steuerzahler offen gehalten werden. Trotz gegenläufiger
Gutachten gehen sie nicht in Betrieb und auch die Erkundung wird nicht fortgeführt. Herr Minister, was Sie
hier aufführen, ist eine Farce, aber mit Sicherheit keine
glaubwürdige, langfristige Politik.
({2})
Der niedersächsische Umweltminister Sander schrieb
an Ministerpräsident Wulff am 9. Oktober 2006:
Bundesminister Gabriel hat öffentlich erklärt, die
Einrichtung des Endlagers im ehemaligen Erzbergwerk Schacht Konrad sei sehr wahrscheinlich geworden. Dennoch enthält der Haushaltsplan … lediglich einen Kostenansatz von 24,9 Millionen
Euro.
Das reicht noch nicht einmal für die Basiskosten der Offenhaltung und erst recht nicht für eine für die Inbetriebnahme notwendige Umrüstung. Wir haben Ihnen aus
diesem Grunde Anträge vorgelegt, in denen wir die Bereitstellung der nötigen Mittel fordern.
({3})
Jetzt kommt der Minister mit einem geradezu abenteuerlichen Vorschlag, nämlich bis 2010 erst einmal wieder nach neuen Standorten zu suchen, diese bis 2020 zu
erkunden und dann bis 2025 ein Endlagergesetz zu beschließen.
({4})
Was gilt denn nun? Wird Schacht Konrad bald ein Endlager sein oder ist nun alles wieder offen? Sie sind diesem Hause Rede und Antwort schuldig. Auch wenn es
gerade im Umweltbereich „langfristig denken“ heißt, ist
es schon eine Form von Hilflosigkeit, ein solches Gesetz
für das Jahr 2025 zu fordern; denn dann werden Sie - da
können wir ziemlich sicher sein - nicht mehr im Amt
des Bundesumweltministers und die allermeisten von
uns nicht mehr in diesem Hause sein. Wollen Sie
Schacht Konrad und Gorleben noch 20 Jahre auf Kosten
der Steuerzahler offen halten? Diese Frage müssen Sie
beantworten.
Herr Minister, Sie haben einen Haushalt vorgelegt,
der vor allem der Befriedigung der Interessen Ihrer Klientel dient. Der strategische Auftrag lautet, die Wähler
der Grünen zurückzugewinnen. Das ist zwar nicht die eigentliche Aufgabe eines Umweltministers; offensichtlich haben Sie diese aber gerne angenommen. Gleichzeitig sind Sie mit Herrn Glos in einen Wettbewerb darüber
getreten: Wer verteilt die meisten Subventionen in diesem Lande?
({5})
Hier stimmt die Grundphilosophie der großen Koalition nicht; darüber werden wir auch morgen beim
Einzelplan 09 diskutieren. Schauen wir uns doch einmal
die umweltrelevanten Leitmärkte an: Die deutschen
Kraftwerksbauer haben 2005 Aufträge mit einem Volumen von über 10 Milliarden Euro erhalten. Moderne,
saubere Kohletechnologie, die klimaschädliches CO2
auffängt, ist ein boomender Markt. Das DIW schätzt das
Marktvolumen derzeit auf 400 Milliarden Euro. Ebenso
hohe Wachstumspotenziale werden den erneuerbaren
Energien vorausgesagt. Bereits im Jahr 2005 wird mit
einem Investitionsanteil deutscher Unternehmen von
8,7 Milliarden Euro gerechnet. Diese Zahlen, zu denen
jeder in diesem Lande fragt, was das eigentlich soll, hindern Sie, Herr Gabriel, nicht daran, weiter mit der Subventionsgießkanne durchs Land zu ziehen und so zu tun,
als ob wir es hier mit Not leidenden Industrien zu tun
hätten, die das Steuerzahlergeld zusätzlich brauchen.
({6})
Allein 213 Millionen Euro geben Sie für Einzelmaßnahmen zur Nutzung der erneuerbaren Energien aus,
39 Millionen Euro mehr als 2006. Sie pumpen Geld in
die Subvention von Investitionen, verzerren den Markt
und - das ist noch viel schlimmer - wirken preistreibend. Sie stimulieren mithilfe der Kollegen von der
CDU/CSU einen boomenden Markt zulasten der Steuerzahler und übrigens auch der neuen Technologien, die
uns den Sprung in das nächste Hightechsegment bringen
könnten.
Ihr Haushalt wird immer mehr von einem Vorsorgehaushalt für Natur- und Umweltschutz zu einem Versorgungshaushalt für die erneuerbaren Energien.
({7})
Ein Bundesumweltministerium, Herr Gabriel, ist kein industriepolitisches Ersatzministerium. Ich kann nur hoffen, dass zumindest der CDU/CSU-Teil dieses Hauses
das genauso sieht und es im nächsten Jahr deutlich besser machen wird.
({8})
Ich erteile das Wort Kollegin Petra Hinz, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Flach, Sie haben tatsächlich nichts anderes vorgetragen als das, was Sie bereits in der ersten Lesung zum
Haushalt 2007 vorgetragen haben.
({0})
Ich kann verstehen, dass Sie als Mitglied einer kleinen
Fraktion sehr viele Berichterstattungen zu leisten haben,
aber Sie müssen doch nicht immer die Reden komplett
wiederholen. Das war ein bisschen wenig.
({1})
- Nein, Ihre Rede ist weiß Gott nicht besser geworden.
({2})
Der Bereich Umwelt ist im Wandel. Ich bin sehr froh,
dass gerade unser Umweltminister bzw. unser Umweltministerium - Sie haben von einem Schwergewicht gesprochen; das würde ich natürlich nie sagen - ein sehr
gewichtiges Ministerium ist.
({3})
Auch im Bewusstsein der öffentlichen Meinung ist Umweltpolitik mittlerweile Motor für die Schaffung moderner Arbeitsplätze und für Innovationen und führt zu
mehr Beschäftigung. Das ist gut so.
Zielorientierte Umweltpolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Sie betrifft nicht nur ein kleines Ministerium.
Wir haben heute im Rahmen der Haushaltsberatungen
intensiv vernommen, dass in den Bereichen Verkehr,
Wohnen, Gesundheit und anderen der Aspekt Umwelt
immer wieder eine erhebliche Rolle spielt.
Die Beratungen zum Haushalt 2007 waren von vier
Schwerpunkten geprägt. Der erste Schwerpunkt lautet
Programmhaushalt. Hier werde ich gleich exemplarisch
das Marktanreizprogramm ansprechen. Der zweite Schwerpunkt betrifft zukünftige Projekte und Vorhaben. Der
dritte Schwerpunkt ist Kostentransparenz - hier werde
ich das Beispiel UN-Campus nennen - und der vierte
Schwerpunkt ist die Personalentwicklung.
Erstens. Es waren sich fast alle Fraktionen einig,
({4})
Petra Hinz ({5})
im Einzelplan 16 die Mittel für das Marktanreizprogramm aufzustocken. Wer nicht dafür war, können Sie
sich nach der Rede von gerade sicherlich denken.
({6})
Es ist ein Herzstück des Einzelplans. Wir alle, ob Mitglieder des Umweltausschusses oder des Haushaltsausschusses, haben zahlreiche Anschreiben erhalten. Inhalt
und Anliegen kennen wir. Die Mittel für das Marktanreizprogramm sollen erhöht werden, weil zahlreiche Anträge bisher abgelehnt wurden. Ich muss sagen: Wer den
20. Subventionsbericht kennt, hat gelesen, dass es sich
um eine Subvention handelt. Aber es ist noch mehr. Es
ist auch eine Investition. Man muss bei der Beurteilung
von Subventionen entsprechende Abwägungen treffen.
({7})
Folgendes ist im Subventionsbericht nachzulesen:
Die wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Zielsetzungen sind stets gegeneinander abzuwägen.
Wenn es eine Subvention gibt, die tatsächlich notwendig, zielgerichtet und richtig ist, dann ist es das Marktanreizprogramm. Genau das ist dort nachzulesen.
({8})
Richtig ist: Durch diese Gelder werden eine ökologisch
sinnvolle Bauweise sowie Know-how und Arbeitsplätze
vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen
der Bauwirtschaft gefördert.
Als Haushälterin gestehe ich gerne ein: Es sind Subventionen, aber auch Investitionen. Wir haben gerade
eine ganze Menge dazu gehört. Diese 213 Millionen Euro - wir haben in diesem Jahr 39 Millionen Euro
draufgesattelt - ziehen - hören Sie bitte gut zu, Frau
Flach ({9})
private Investitionen in Höhe von circa 1,5 bis 2 Milliarden Euro nach sich. Sollen wir dazu Nein sagen?
({10})
Ganz im Gegenteil. Hier einen Anreiz zu schaffen, geht
in die richtige Richtung.
Zweitens. Zukünftige Projekte und Vorhaben. Machen wir uns nichts vor: Lärm macht krank. In diesem
Zusammenhang möchte ich auf den Entwurf zur Änderung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zu sprechen kommen, der dem Haushaltsausschuss in seiner
nächsten Sitzung zur Beratung vorliegen wird. Auch hier
geben wir das richtige Signal in die richtige Richtung.
Ich nenne nur einige der geplanten Änderungen im Fluglärmschutzgesetz: Geplant ist die Senkung der Pegel und
die stärkere Differenzierung der Grenzwerte für die Errichtung von Lärmschutzzonen. Darüber hinaus sollen
Bauvorhaben in Lärmschutzzonen genauer definiert
werden.
Angesichts der Tatsache, dass familiengerechte Wohnungen und kleine Einfamilienhäuser auch heutzutage
noch immer in Einflugschneisen geplant werden, ist es
wichtig und richtig, diesen Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form zu verabschieden.
({11})
Auch wenn wir alle sicherlich sehr viel fliegen, dürfen
wir uns nichts vormachen: Lärm macht krank. Zwei Gutachten bzw. Stellungnahmen stehen noch aus. Nun zu
Ihrem Lieblingsthema, dem Konzept zur Lösung der
Endlagerfrage. Auch, aber nicht nur in den Berichterstattergesprächen hat der Minister den Fahrplan ganz
klar aufgezeigt. Das Konzept zur Endlagerfrage wird in
den zuständigen Gremien vorgetragen und beraten. Dann
wird darüber entschieden. Die Hetze, die Sie an den Tag
legen, ist unnötig und Ihre unwahren Tatsachenbehauptungen in diesem Zusammenhang sind schon sehr interessant.
({12})
Die Stellungnahme zum Bericht des Wissenschaftsrates zum Strahlenschutz steht noch aus. Im Rahmen der
Berichterstattergespräche ist angekündigt worden, dass
wir die Stellungnahme des Ministeriums rechtzeitig bekommen, um die darin genannten Argumente abwägen
und beraten zu können.
Drittens. Zur Frage der Kostentransparenz. Hier
möchte ich den UN-Campus in Bonn erwähnen. Wir haben es geschafft, dass der Etat des UN-Campus in Bonn
nur noch durchlaufend im Einzelplan zu finden ist und
das Budget des Ministeriums nicht länger fremd genutzt
bzw. benutzt wird. Der Rechnungshof schlägt vor, dass
eine endgültige Lösung am Kabinettstisch gefunden
werden soll. Ich bin davon überzeugt, dass dies bis zur
nächsten Haushaltsberatung geschehen wird.
Zu den internationalen Beziehungen. Die Erfahrung, das Know-how und die Verantwortung deutscher
Umweltpolitik wachsen auf allen Ebenen, national und
international. Unsere Konzepte sind gefragter denn je.
Auf der Nairobikonferenz hat sich gezeigt: Nicht nur unser Know-how, unsere Erfahrung und unsere Konzepte
sind gefragter denn je. Beispielhaft sind auch unsere
Moderation sowie die Art und Weise, in der wir unsere
Politik und unsere Themen einbringen, und wie der Minister dies koordiniert. Die Gespräche, die im Rahmen
der Klimakonferenz von Nairobi geführt wurden, haben
deutlich gemacht, dass der Weg, den wir eingeschlagen
haben, richtig ist.
({13})
Zu den Anträgen, die heute von den Grünen eingebracht wurden, muss ich sagen: Wer will nicht, dass gePetra Hinz ({14})
rade in den Klimaschutz mehr investiert wird? Aber
musste dieses Thema heute wirklich ganz spontan auf
die Tagesordnung gesetzt werden?
({15})
Haben wir nicht erst vor kurzem über den Klimaschutz,
das Ergebnis der Nairobikonferenz und die Zusagen, die
wir der Weltgemeinschaft gegeben haben, diskutiert?
Diese Themen hätten wir im Rahmen der Haushaltsberatungen erörtern können.
({16})
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Nairobikonferenz bereits
stattgefunden. Auch auf diesem Gebiet sind wir nämlich
ein verlässlicher Partner.
Wir müssen die deutsche EU-Präsidentschaft nutzen,
um offene Fragen im Bereich des Klimaschutzes zu klären. Ich weise noch einmal auf Folgendes hin, insbesondere in Richtung der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen: Klimaschutz und Kiotoprotokoll gibt es
nicht erst seit gestern. Mit diesen Themen beschäftigen
sich die Sozialdemokraten schon seit vielen Jahren. Dass
dem so ist, findet auch im Haushalt seinen Niederschlag.
({17})
Viertens. Zur Personalentwicklung und zum Stellenplan. Durch die Föderalismusreform wurde der Weg frei
gemacht, um noch in dieser Legislaturperiode ein Umweltgesetzbuch beraten und auf den Weg bringen zu
können. Wir haben beschlossen, zwei neue Planstellen
zu schaffen.
Die Themen Personalentwicklung und Stellenplan
waren in der Tat immer wieder Bestandteil der Haushaltsberatungen. Es macht auf jeden Fall Sinn, dafür zu
sorgen, dass wir über objektive Informationen verfügen,
um abwägen zu können, in welchen Bereichen neue
Stellen geschaffen werden können. Denn es reicht in der
Tat nicht aus, kw-Stellen oder Teilzeitstellen vorzuhalten. Da das Ministerium immer umfangreichere und
schwierigere Aufgaben zu bewältigen hat, muss genug
Personal zur Verfügung stehen, allerdings an der richtigen Stelle.
({18})
Verwundert habe ich nach der Bereinigungssitzung
am Dienstag letzter Woche über die Medien den Bericht
des Bundesrechnungshofes zur Kenntnis genommen.
Auch dem BMU sind einige Einsparvorschläge gemacht
worden. Da frage ich mich: Inwieweit ist so ein Bericht
über den Zeitraum von 2002 bis 2005 zielführend?
({19})
Hätten die Vertreter des Bundesrechnungshofs auf der
Bereinigungssitzung, die gerade einmal fünf Tage zuvor
stattgefunden hat, nicht schon Hinweise geben können?
Mein Appell an den Bundesrechnungshof lautet, uns
früh genug Informationen zu geben, sodass beide Seiten
- sowohl das Ministerium als auch wir Fachpolitiker und
Haushaltspolitiker - entsprechende Maßnahmen einleiten können.
Ich komme zum Schluss und sage deutlich: Die Herausforderung anzunehmen, eine nachhaltige und innovative Umweltpolitik zu machen, hat sich bewährt. Wir
haben den Haushalt zielgerichtet dort erhöht, wo es für
Innovationen für die Zukunft notwendig ist. Allerdings
sollten Ausgaben für internationale Verpflichtungen
- das muss ich hier einflechten - künftig bereits im Entwurf Berücksichtigung finden. Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass dies nicht grundsätzlich und immer geht.
Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Präsident - oder sehr geehrter Herr Präsident -,
({20})
der Haushalt 2007 setzt Impulse für Wachstum und
Beschäftigung. Ich möchte mich ganz herzlich bei den
Kolleginnen und Kollegen und bei allen, die dazu beigetragen haben, dass wir informative und gute Haushaltsberatungen durchgeführt haben, bedanken. Herzlichen
Dank!
({21})
Sie merken, ich zucke nicht zusammen, wenn jemand
zu mir sagt: Lieber Herr Präsident!
({0})
Das ertrage ich mit Fassung.
Ich erteile nun das Wort Kollegen Lutz Heilmann,
Fraktion Die Linke.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident!
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesamthaushalt
Umwelt ist mit 790 Millionen Euro angesetzt. Meine
Zahl weicht etwas ab von der, die Sie, Frau Kollegin
Flach, vorhin genannt haben. Vielleicht sollten Sie noch
einmal nachschauen.
({1})
Der Etat ist gerade einmal 0,9 Prozent höher als der für
das Jahr 2006. Bis 2010 soll er sogar um 3 Prozent abgesenkt werden. Eine Frage bewegt mich: Werden wir mit
diesem Haushalt den an uns gestellten Herausforderungen gerecht? Ich meine, kaum; ich habe das schon dazwischengerufen, als die Kollegin Hinz vom Klimawandel sprach.
Derzeit berichtet Nicholas Stern im von der vorigen
Bundesregierung eingerichteten Rat für Nachhaltige
Entwicklung über seine Studie über die wirtschaftlichen
Auswirkungen des Klimawandels. Diese Studie sollten
Sie sich alle - Sie können ja leider nicht dabei sein - zumindest besorgen und lesen. Oder Sie nutzen morgen
früh um 10 Uhr in der Britischen Botschaft die Möglichkeit, ihm zuzuhören und zu hören, welche Auswirkungen zu befürchten sind. Die wichtigsten möchte ich Ihnen aufzählen. Herr Stern sagt: Der Klimawandel hat
Auswirkungen auf die elementaren Lebensbedingungen
auf der ganzen Welt - somit auch in der Bundesrepublik
Deutschland -: auf den Zugang zu Wasser, auf die Produktion von Nahrungsmitteln, auf die Gesundheit und
auf die Umwelt. Für Hunderte Millionen Menschen
könnte die Erwärmung der Erde zu Hunger, Wassermangel sowie Überschwemmungen führen. Ich meine, das
wird nicht auf Afrika, Lateinamerika beschränkt bleiben,
sondern auch in Deutschland Auswirkungen haben. Er
prognostiziert eine Weltwirtschaftskrise, die ihresgleichen sucht, eine, wie wir sie im vergangenen Jahrhundert erlebt haben.
Deshalb sollten wir Grundlagen dafür legen, dass sich
etwas ändert. Wir können nicht so weiterwirtschaften.
Die Linke hat in den Beratungen über den Umwelthaushalt einige Änderungsanträge eingebracht und Vorschläge gemacht, an der Zahl waren es acht. Leider sind
alle im Ausschuss von Ihnen abgelehnt worden. Drei bezogen sich auf den Naturschutz, für den Sie die Mittel
leider seit Jahren kürzen, was ich in meiner Rede anlässlich der ersten Lesung bereits deutlich gemacht habe.
Herr Minister, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen,
dass ich von Ihren Reden immer begeistert bin.
({2})
Lassen Sie Ihren Reden aber doch ganz einfach auch einmal Taten folgen. Halten Sie nicht nur Sonntagsreden,
sondern nehmen Sie mehr Geld in die Hand.
({3})
- Herr Kelber, zu Ihnen komme ich auch gleich. - Indem
Sie immer nur schöne Reden halten, werden Sie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur nämlich
nicht beeinflussen.
Lieber Herr Kelber, nun zu Ihnen. Während meiner
letzten Rede zu diesem Thema haben Sie mich darauf
hingewiesen, dass Sie das nationale Naturerbe unentgeltlich übertragen haben.
({4})
- Oder „Naturschutzerbe“; das ist ja egal. - Ich begrüße
das natürlich. Mit dieser einmaligen Aktion können Sie
den Naturschutz in Deutschland aber doch nicht auf
Jahre hin als gesichert ansehen. Um die gemeldeten Natura-2000-Gebiete endlich wirksam zu schützen, muss
ganz einfach Geld in die Hand genommen werden.
({5})
Es muss viel Geld sein. So geht es nicht weiter.
({6})
- Wir haben das zusammengerechnet und es kommt
nicht viel dabei heraus.
Das EU-Parlament schätzt den Bedarf in den nächsten Jahren auf einen zweistelligen Milliardenbetrag. Die
23 Millionen Euro, die wir in der Bundesrepublik aufwenden, sind daher wahrlich nicht sehr viel.
({7})
- Nicht die Flächen. Ich habe davon gesprochen, was wir
hier jährlich aufwenden. Das sind momentan 23 Millionen
Euro. Schauen Sie nach! Sie können das nachlesen. Es
steht im Haushaltsentwurf. Das ist ein bisschen wenig.
Mit drei weiteren Änderungsanträgen haben wir uns
auf die erneuerbaren Energien bezogen. Fast alle hier
im Hause sind sich darin einig - nur bei der FDP bin ich
mir nicht mehr ganz sicher; bei ihr ist wohl eher noch
das Atomzeitalter angesagt -, dass wir langfristig nur
mit erneuerbaren Energien wirklich zukunftsfähig sein
werden. Ich habe es schon erwähnt: Um das Klima zu
schützen, müssen wir hier kräftig zulegen. Nebenbei bemerkt: Wenn Sie das nicht glauben, dann haben Sie morgen die Möglichkeit, sich das von Herrn Stern noch einmal anzuhören.
({8})
Deswegen haben wir eine Verdopplung der Mittel für
die drei Titel, also eine Erhöhung um über 200
Millionen Euro, gefordert, die Sie ebenfalls abgelehnt
haben. Dass Sie das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien um gerade einmal 39 Milliarden Euro aufgestockt haben, ist angesichts des Bedarfs nur ein Tropfen
auf den heißen Stein. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Grünen mit ihrer Forderung noch unter dem
lagen, was die Koalition beschlossen hat.
({9})
Um Ihnen noch eine Möglichkeit zu geben, dies zu revidieren, bringen wir nun in zweiter Lesung diesen Änderungsantrag noch einmal ein. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung. Hier können Sie jetzt Flagge zeigen und
verdeutlichen, was Sie genau wollen.
({10})
Des Weiteren wollten wir die Bemühungen der
Umweltverbände honorieren und die Fördermittel für
Projekte um 3 Millionen Euro aufstocken. Das haben Sie
leider auch abgelehnt. Was Ihnen die Arbeit der Umweltverbände wert ist, haben Sie bereits in den vergangenen
Wochen gezeigt. Ich erwähne nur das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, das Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz und das Umweltrechtsbehelfsgesetz. Damit
haben Sie gezeigt, was Sie von der Arbeit der Verbände
und von den Bürgerinnen und Bürgern halten.
Danke schön.
({11})
Ich erteile Bernhard Schulte-Drüggelte, CDU/CSUFraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
beraten heute den Einzelplan 16 des Ministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Wochen
der Verhandlungen und Gespräche liegen hinter uns. Ich
möchte an dieser Stelle auch einmal das gute und konstruktive Gesprächsklima in der Arbeitsgruppe mit Petra
Hinz und den anderen Berichterstattern und auch in der
Arbeitsgruppe der Koalition erwähnen.
({0})
- Selbst mit der FDP.
({1})
Herr Gabriel, Ihr Haus war für uns jederzeit erreichbar. Ich muss sagen, dass alle Fragen schnell und kompetent beantwortet wurden. Ich darf mich auch bei Ihren
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich bedanken. Das sage ich nicht nur, weil wir in einer Koalition
sind. Ich finde, der Ton und der Stil haben sich geändert.
Wir sind jetzt seit einem Jahr in der großen Koalition
und es hat Veränderungen gegeben. Ich kann Ihnen ehrlich sagen, dass ich vor einem Jahr nicht im Traum daran
gedacht habe, dass ich einmal einen SPD-Minister loben
würde. Da die Lage aber nun einmal so ist: Bitte schön.
({2})
Anfang November wurden die Ergebnisse der Steuerschätzung bekannt gegeben. Sie alle haben die erfreulichen Meldungen gehört: Die Steuereinnahmen von
Bund, Ländern und Gemeinden fallen 2006 und 2007
um circa 39 Milliarden Euro höher aus als erwartet. Das
erleichtert unsere Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung.
Wir haben uns aber bei den Beratungen nicht auf unseren Lorbeeren ausgeruht. Wo es sinnvoll war, sind
weitere Einsparungen vorgenommen worden. Im investiven Bereich haben wir Akzente gesetzt.
Insgesamt haben sich die Ansätze des Einzelplans 16
- Umwelt - von 790 Millionen Euro auf 844 Millionen
Euro erhöht. An die PDS gewandt darf ich feststellen,
({3})
dass das durchaus mehr als 0,1 Prozent ist; das kann man
auch nachrechnen.
Ein Großteil der Erhöhungen ist allerdings auf die
Einhaltung der Grundsätze der Haushaltsklarheit und
Haushaltswahrheit zurückzuführen. Dies haben wir in
den Beratungen auch konsequent umgesetzt. Ich nenne
an erster Stelle den Emissionshandel. Hier existierte zu
Beginn nur eine Leerstellenstruktur. Nach vielen Gesprächen war es möglich, diese Titelgruppe umfänglich
zu verändern. Es ist gelungen, Einnahmen und Ausgaben
im Haushalt 2007 darzustellen. Ich denke, das war nötig;
es geht immerhin um 100 Stellen beim Umweltbundesamt mit einem Gesamtvolumen von 11 Millionen Euro.
Das war ein gutes Ergebnis.
({4})
Ähnlich verhält es sich mit dem Campus der Vereinten Nationen in Bonn, den Frau Hinz schon angesprochen hat. In der ursprünglichen Fassung waren keine
Mittel für die Bewirtschaftung vorgesehen. Dabei entstehen alleine für den Langen Eugen Kosten von 1,7 Millionen Euro jährlich. Auch an dieser Stelle ist eine völlig
neue Titelgruppe entstanden, in der jetzt 9,1 Millionen
Euro für die Bewirtschaftung veranschlagt werden.
Wir gehen noch weiter. Über 2007 hinaus ist eine umfangreiche Verpflichtungsermächtigung in den Einzelplan aufgenommen worden.
Es gibt einen weiteren neuen Titel „Ansiedlung VNOrganisationen“, den ich sehr wichtig finde. Damit
wird deutlich, dass wir weitere VN-Einheiten und qualifizierte VN-Mitarbeiter möchten, damit wir in Bonn
schnell eine Standortsicherheit erreichen.
({5})
Wir sagen Ja zu den Vereinten Nationen und auch zu
dem Campus in Bonn. Das ist eine wichtige Verbesserung.
({6})
Ich bin aber auch weiterhin der Meinung, dass die VNbedingten Kosten nicht beim Bundesumweltministerium
veranschlagt werden sollten. Ich wiederhole, dass es besser wäre, dem Beispiel von Österreich und der Schweiz
folgend, die viel Erfahrung mit den Vereinten Nationen
haben, diese Ausgaben beim Auswärtigen Amt anzusiedeln. Vielleicht kann man das in den Beratungen des
kommenden Haushaltes durchsetzen.
({7})
Die internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz ist schon angesprochen worden. Nationale Alleingänge machen wenig Sinn. Daher freuen wir uns auf
die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und den G-8-Vorsitz. Es ist richtig, dass dafür in diesem Haushalt 3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen,
nämlich das Marktanreizprogramm, das offenbar unterschiedlich bewertet wird.
({8})
Ich finde es sehr positiv, dass dafür 39 Millionen Euro
zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.
({9})
Das hilft gerade den Handwerksbetrieben, Aufträge zu
bekommen. Das sollte auch die FDP anerkennen.
Des Weiteren wird ein deutliches Signal zur Förderung der erneuerbaren Energien im Wärmebereich
gegeben. Dadurch wird das Programm auch über 2007
hinaus verstetigt. Ich halte die damit verbundene Planungssicherheit in zweifacher Hinsicht für angebracht:
zum einen für diejenigen, die die Anträge stellen und investieren wollen, und für die Unternehmen, die diese
Aufträge ausführen; zum anderen deshalb, weil dadurch
im Umweltministerium und im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle möglichst effektiv gearbeitet werden kann.
({10})
Natürlich werden wir uns auch 2007 mit diesem Programm beschäftigen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kauch?
Ja, selbstverständlich.
Bitte, Herr Kauch.
Herr Kollege, da Sie schon der zweite Kollege aus der
Koalition sind, der anpreist, dass der Ansatz für das
Marktanreizprogramm um einige Millionen Euro angehoben wird, möchte ich gerne wissen, ob Ihnen, der Sie
nicht dem Umweltausschuss angehören, eigentlich bekannt ist, wie es zu dieser Erhöhung gekommen ist.
Dazu ist es doch nur deshalb gekommen, weil der Bundesumweltminister das ursprünglich von der Koalition
angekündigte Gesetz über regenerative Wärme heimlich,
still und leise beerdigt hat und dadurch in der Lage ist,
weiße Salbe zu verteilen und die Branche ein bisschen
mehr zu subventionieren. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass ein Programm zur regenerativen Wärme insbesondere dann, wenn man es mit dem Emissionshandel
verbindet, eine planbarere Grundlage für die Branche
wäre als eine Subvention, die jedes Jahr aufs Neue beschlossen wird?
Was der Bundesumweltminister beerdigt oder in die
Welt setzt, kann ich nicht beurteilen. Aber wie gesagt,
dieses Programm ist sehr sinnvoll, wobei nur 10 Prozent
der Investitionssumme gefördert wird. Das durchschnittliche Fördervolumen liegt bei 800 Euro. Sie sehen daran,
um welche Maßnahmen es geht. Es sind in erster Linie
mittelständische Unternehmen, die in diesem Zusammenhang Aufträge ausführen. Ich hatte bereits deutlich
gesagt, dass dies zu einer Verstetigung führen kann. Darüber sollten Sie sich freuen, wenn Sie für den Mittelstand eintreten.
({0})
Eine Koalition bedeutet natürlich immer, dass Kompromisse gefunden werden müssen. In einer großen Koalition ist das manchmal aufwendig und schwierig. Das
haben wir auch bei den Haushaltsberatungen festgestellt.
Es ist klar, dass ich nun zur Endlagerung radioaktiver
Stoffe komme. Hier konnten wir uns nicht einigen.
({1})
Aber ich vermute, dass in den nächsten Monaten Rechtsklarheit darüber geschaffen wird, ob in Schacht Konrad
schwach radioaktive Stoffe eingelagert werden können.
Für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht grünes
Licht für die Umrüstung zum Endlager gibt, ist nach
meiner Meinung im Haushalt 2007 nicht ausreichend
vorgesorgt.
({2})
Ich finde, das ist bedauerlich. Leider hat sich unser Koalitionspartner nicht bewegt. Das verwundert mich ein
bisschen. Ich erkenne durchaus eine pragmatische Haltung und respektiere sie. Wenn man sich aber klar zum
Atomausstieg bekennt und den Abbau kerntechnischer
Anlagen mit Vehemenz betreibt, dann muss man genauso deutlich sagen, wo die radioaktiven Abfälle bleiben sollen; das ist logisch. Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken.
({3})
Frau Petra Hinz hat zu Recht vorgeschlagen, zu gegebener Zeit darüber noch einmal im Haushaltsausschuss zu
beraten.
({4})
Ich möchte noch anmerken, dass wir als Mitglieder
des Haushaltsausschusses nicht alles überprüfen und
jede Fehlentwicklung sofort erkennen können. Deshalb
ist zusätzliche Information besonders wichtig. Der gerade veröffentlichte Bericht des Bundesrechnungshofes
über den VN-Campus hat deutlich gemacht, wie wichtig
der Bundesrechnungshof für uns ist. Ich möchte mich
ganz herzlich bei den Prüferinnen und Prüfern für die geleistete Arbeit und ausdrücklich für die von uns dringend
benötigte Unterstützung bedanken. Danke sehr.
({5})
Die Beratungen über den Bundeshaushalt 2007 machen unseren Willen zur nachhaltigen Finanzpolitik
deutlich. Ich meine, wir haben mit den Beratungen über
den Einzelplan Umwelt für das Haushaltsjahr 2007 einen
guten Beitrag geleistet.
({6})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Anna Lührmann vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich habe bekanntermaßen schon relativ früh
angefangen, mich politisch zu engagieren, und zwar
schon in der Grundschule. Dort habe ich unter anderem
Unterschriften gegen die Jagd auf Eisbären gesammelt.
Heute, etwa zehn bis zwölf Jahre später, geht die Wissenschaft davon aus, dass die Eisbären aussterben, aber
nicht wegen der Jagd auf die Eisbären, sondern wegen
des von Menschen verursachten Klimawandels. Das
heißt, der Klimawandel ist nicht mehr nur ein Szenario,
über das man abstrakt reden kann, sondern der Klimawandel ist Realität.
({0})
Sie können sich jetzt fragen: Was interessieren mich
die Eisbären, was stört mich der Klimawandel? - Es ist
aber einfach Fakt: Wenn das arktische Eis schmilzt, dann
schwindet der Lebensraum der Eisbären, dann steigen
die Meeresspiegel, wodurch auch unser Lebensraum betroffen wird, dann nehmen gleichzeitig Stürme, Hurrikans, Dürren, Hitzewellen und andere extreme Witterungsbedingungen zu, womit unser Leben hier ganz
konkret beeinträchtigt wird. Millionen Menschen kommen in Gefahr und werden ums Leben kommen; zumindest aber werden ihre Lebensbedingungen massiv eingeschränkt. Sie wundern sich vielleicht, warum ich als
Mitglied des Haushaltausschusses - wir sind eigentlich
dafür bekannt, eher abstrakt und nüchtern zu argumentieren - einen etwas emotionaleren Einstieg in meine
Rede gewählt habe. Nun, für mich ist der Bundeshaushalt nichts anderes als die in Zahlen gegossene Priorität
einer Regierung.
({1})
Meine Priorität in diesem Jahr ist ganz eindeutig: Weil
sich der Klimawandel verschärft hat, müssen wir mehr
in den Stopp des Klimawandels investieren. Deshalb ist
der Einzelplan 16 auch nicht irgendein trockenes Zahlenwerk, sondern verdient unsere besondere Aufmerksamkeit.
({2})
Man kann sich dem Thema Klimaschutz und Umwelt
auch etwas nüchterner nähern. Der Kollege Heilmann
von der Partei Die Linke hat gerade Sir Nicholas Stern
zitiert, auf den auch ich mich jetzt beziehen möchte. Wie
Sie alle wissen, ist der Herr weder Mitglied der Linksfraktion noch der Grünen, sondern ehemaliger Chefökonom der Weltbank. Er hat jetzt einen sehr viel beachteten
Bericht zum Klimawandel vorgelegt. Dieser Bericht hat
zwei wesentliche Ergebnisse. Das eine Ergebnis ist, dass
der Klimawandel uns in die schlimmste Rezession stürzen wird, die wir seit den beiden Weltkriegen erlebt haben, wenn wir nichts dagegen tun. Das halte ich für sehr
dramatisch. Das zweite Ergebnis dieser Studie ist, dass
Marktmechanismen bei der Bekämpfung des Klimawandels eindeutig versagt haben. Da spreche ich Sie, Frau
Flach, an. Wo sollte denn der Staat Ihrer Meinung nach
eingreifen, wenn nicht an einer Stelle, von der selbst der
Chefökonom der Weltbank sagt, dass die Marktmechanismen versagt haben? Ich finde, hier ist staatliches Handeln gefordert, und zwar jetzt und heute.
Liebe Frau Kollegin Hinz, Sie haben mich eben vorwurfsvoll gefragt, warum wir denn jetzt Anträge für einen Klimaschutzfonds stellen würden. Frau Hinz, wann
denn, wenn nicht jetzt? Wann, wenn nicht zu diesem
Bundeshaushalt? Deshalb haben wir die konkreten Anträge gestellt und konkrete Vorschläge gemacht, wie wir
den Klimawandel stoppen können. Ich fordere Sie auf,
nachher bei der namentlichen Abstimmung unseren Anträgen zuzustimmen.
({3})
Wir haben zwei konkrete Anträge gestellt. Herr Gabriel, vielleicht schauen Sie sich diese einmal genauer an.
Wenn Sie jetzt nicht zustimmen, so stimmen Sie vielleicht im Laufe des nächsten Jahres zu. Sie können unsere Anträge dann als eigene Ideen einbringen. Auch dagegen habe ich nichts. Sie haben schon häufiger das
grüne Original kopiert. Wenn es der Sache dient, dann
finde ich es gut. Sie könnten aber auch sofort zustimmen.
Es geht uns zum einen um einen Klimaschutzfonds,
der für die nächsten zehn Jahre mit 5 Milliarden Euro
ausgestattet werden soll. Er soll vor allem zur Energieeffizienz beitragen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass man bis zum Jahr 2015 fünf bis sechs Großkraftwerke einsparen könnte, wenn man diesen
Klimaschutzfonds auflegen würde. Das ist eine ganze
Menge. Das könnte man durch praktische Anleitungen,
konkrete Informationen und durch finanzielle Anreize
schaffen. Frau Flach, das ist auch gut für die Wirtschaft.
Man kann davon ausgehen, dass durch den Klimaschutzfonds in Höhe von 5 Milliarden Euro Investitionen von
weiteren 15 Milliarden Euro mit den entsprechenden Arbeitsplatzeffekten ausgelöst werden würden und gleichzeitig Energiekosten in einem enormen Umfang eingespart werden könnten. Deshalb macht dieser
Klimaschutzfonds nicht nur Sinn für das Klima und für
die Umwelt, sondern eben auch für die Wirtschaft und
für Arbeitsplätze in Deutschland.
({4})
Er ist damit im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig.
Wir wollen ihn nachhaltig dadurch finanzieren, dass CO2
endlich einen angemessenen Preis bekommen soll, nämlich indem die Zertifikate für den Emissionshandel versteigert werden. Das soll schon ab 2008 passieren. Sie,
Herr Gabriel, gehen immer noch davon aus, dass Sie der
Wirtschaft die Zertifikate einfach schenken. Dadurch ergeben sich für sie enorme zusätzliche Profite. Viele andere Länder machen vor, wie man es richtig macht. Sie
versteigern die Zertifikate ab dem Jahr 2008. Ich weiß,
dass viele in der SPD-Bundestagsfraktion das auch wollen. Ich möchte, dass Deutschland in der Umweltpolitik
Vorreiter statt Schlusslicht ist. Deshalb wollen wir
10 Prozent der Zertifikate versteigern.
({5})
Dadurch könnten wir mindestens 500 Millionen Euro
im Jahr einnehmen und damit den Klimaschutzfonds
komplett gegenfinanzieren. Damit ist der Klimaschutzfonds für uns ein Symbol grüner, nachhaltiger Haushaltspolitik.
({6})
Denn wir wollen nachhaltig grün investieren.
({7})
Ich komme noch kurz auf den zweiten Vorschlag zu
sprechen, mit dem wir den Klimaschutz in diesem Land
voranbringen wollen; er betrifft das Thema erneuerbare
Energien. Frau Hinz, Sie haben vorhin erwähnt, dass
Sie viele Briefe zum Marktanreizprogramm bekommen
haben. Diese Briefe haben wir natürlich auch bekommen. Wenn ich mich richtig erinnere, bezogen sich diese
Briefe bereits auf das Haushaltsjahr 2006: Weil für das
laufende Haushaltsjahr viel zu wenig Geld eingestellt
war, musste schon Mitte des Jahres ein Förderstopp verhängt werden. Deshalb konnten die Handwerksbetriebe
in diesem Jahr ihre Aufträge nicht in der Art und Weise
erfüllen, wie es eigentlich möglich gewesen wäre.
Wir Grüne haben im Haushaltsausschuss schon rechtzeitig einen Antrag vorgelegt, mit dem wir
40 Millionen Euro mehr für das Jahr 2006 beantragt haben. Haushaltstechnisch war das möglich; das haben Sie
an anderer Stelle auch schon gemacht. In einem zweiten
Schritt haben wir dann natürlich beantragt, die Mittel für
das Jahr 2007 weiter aufzustocken.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hinz?
Bitte.
Danke, Herr Präsident, danke, Frau Lührmann. - Sie
stimmen mir ja wohl zu, dass der Haushalt 2006 noch
ein gemeinsamer Haushalt von Rot und Grün war.
Der wurde so aber nicht verabschiedet.
Wir haben ihn aber gemeinsam erstellt; genau diese
Schwerpunktsetzung ist in dem Haushalt auch zum Tragen gekommen.
Geben Sie mir Recht, Frau Lührmann, wenn ich sage,
dass wir beim letzten Haushaltsentwurf die gegenseitige
Deckungsfähigkeit in diesem Bereich herausgenommen
haben und der vorherige Minister Trittin genau diesen
Titel dazu genutzt hat, um zum Beispiel in den Bereich
Forschung zu investieren, sodass erst jetzt in diesem Bereich volle 100 Prozent und damit 36 Millionen Euro
mehr zur Verfügung stehen?
Frau Hinz, ich gebe Ihnen insoweit Recht, als ich verstehe, dass Sie versuchen, jetzt mit Nebelkerzen um sich
zu werfen und allerhand andere Sachen hineinzubringen.
Denn wahrscheinlich sind Sie selber etwas sauer darüber, dass es mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz nicht
geklappt hat. Wenn man in diesem Haushaltsjahr ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz verabschiedet hätte, hätte man
ab dem nächsten Jahr einen enormen Schub für Ökoheizungen und all die anderen Programme gehabt, die unter
dem Marktanreizprogramm laufen. Sie haben sich aber
nicht getraut; Sie haben sich mit der CDU nicht über ein
Erneuerbare-Wärme-Gesetz geeinigt.
Im Vergleich dazu ist alles, was im Rahmen des
Marktanreizprogrammes in diesem Jahr gelaufen ist, ein
Placebo. Das Programm ist zwar ganz gut - wir haben
ihm ja auch zugestimmt -, aber reicht bei weitem nicht
aus. Deshalb verstehe ich Ihren Ärger an dieser Stelle.
({0})
Ich führe dann noch weiter aus, was wir zum Thema - Ich glaube, vorhin war da noch ein wenig mehr Zeit.
Die Redezeit war während Frage und Beantwortung
gestoppt, jetzt ist sie abgelaufen.
({0})
Ich bin mir ganz sicher, davor war noch eine Minute
da.
Nein, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen. Das tut
mir Leid.
Gut, dann komme ich jetzt zum Schluss.
Nachdem wir festgestellt haben, dass Sie es nicht
schaffen, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz auf den Weg
zu bringen, haben wir gesagt: Na gut, dann muss man
über den Weg des Marktanreizprogrammes mehr machen. Deshalb beantragen wir in der Schlussrunde des
Haushalts weitere 100 Millionen Euro. Damit haben wir
in diesem Jahr, also für das Haushaltsjahr 2006 und
2007, insgesamt 165 Millionen Euro zusätzlich für das
Marktanreizprogramm beantragt. Damit haben wir Ihnen
konkrete Vorschläge gemacht, sehr geehrte Damen und
Herren von der großen Koalition, sehr geehrter Herr
Gabriel, wie man in Bezug auf Klimaschutz nicht nur reden, sondern auch handeln kann. Wir haben mit dem
Klimaschutzfonds und mit dem Marktanreizprogramm
Möglichkeiten der Gegenfinanzierung im Bundeshaushalt aufgezeigt. Wir wünschen uns, dass Sie uns bald
Ähnliches vorlegen.
({0})
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Sigmar Gabriel.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Lührmann, ich sage es gleich am Anfang - der Kollege
Kauch und vermutlich auch Frau Höhn werden auf das
schöne Thema Auktionierung zu sprechen kommen -,
damit nicht die Gefahr besteht, dass ich vergesse, darauf
einzugehen: Nicht nur in den Koalitionsfraktionen, sondern auch im Bundesumweltministerium und in der Bundesregierung hat niemand etwas gegen eine Auktionierung, wenn wir das sicherstellen können, von dem Sie
immer behaupten, es könne sichergestellt werden, nämlich dass bei der Auktionierung Windfall-Profits der Energieunternehmen, die aus unserer Sicht zu Unrecht angefallen sind, tatsächlich dazu genutzt werden können,
all das zu tun, was Sie hier vorschlagen.
Solange das nicht der Fall ist, solange die Gefahr besteht, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzlich 5 Milliarden Euro zahlen müssen, weil wir keine
Handhabe gegen eine erneute Einpreisung haben - über
das hinaus, was sowieso schon getan worden ist -, so
lange legen wir keinen Vorschlag vor. Schließlich sind
wir dagegen, mehr Haushaltsgelder auszugeben und als
Folge dessen die Verbraucherinnen und Verbraucher abzuzocken.
({0})
Das ist der einzige Grund, warum wir so vorgehen.
Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Monaten
ein Urteil des Kartellamts dazu bekommen. Dann werden wir sehen, ob wir eine Handhabe haben oder nicht.
Eines können Sie dieser Bundesregierung doch wahrlich nicht vorwerfen: dass sie nicht den Mut habe, sich
gegen die mächtigen Stromanbieter dieses Landes
durchzusetzen und eine Menge Vorschläge zu machen,
die man vielleicht schon früher hätte machen sollen.
Wenn das geschehen wäre, dann wären wir vielleicht in
einer anderen Lage.
Selbst da, wo Sie, Frau Kauch - - Entschuldigung,
Frau Flach!
({1})
Verheiratet sind Sie ja noch nicht! Ich weiß nicht, ob es
dafür eine Chance gibt?
({2})
Frau Flach, Sie behaupten, es gebe immer wieder
Streit zwischen dem Kollegen Glos und mir. Ich sage Ihnen: Wir sind beide absolut der Überzeugung, dass wir
für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt in
Deutschland sorgen müssen, damit überhaupt die Voraussetzungen für eine zukünftige Auktionierung geschaffen werden und wir sichergehen können, dass die
Verbraucherinnen und -verbraucher und die Unternehmen das nicht werden bezahlen müssen. Diese Position
nimmt die ganze Bundesregierung ein.
({3})
Zur großen Überraschung der Kollegin Lührmann
gibt es einen Klimaschutzfonds - er ist weit größer als
der, den Sie fordern -, und zwar im Bundeshaushalt. Die
entsprechenden Mittel sind kein Bestandteil des Einzelplans für das Bundesumweltministerium, auch wenn
sich das diejenigen, die den umweltpolitischen Teil der
Koalitionsvereinbarung ausgehandelt haben, sicherlich
gewünscht hätten. Der Bundeshaushalt stellt viermal
mehr Mittel für die CO2-Gebäudesanierung zur Verfügung, als es vorher - auch als Sie mitregiert haben - der
Fall war.
({4})
Dafür stehen im Bundeshaushalt 5,6 Milliarden Euro
zur Verfügung - die von Ihnen geforderten
5 Milliarden Euro sind also vergleichsweise preiswert -:
Das ist ein Klimaschutzprogramm; das ist der größte
Klimaschutzfonds, den es gibt. Er setzt dort an, wo wir
Energie am schnellsten, am effektivsten einsparen und
den Verbrauchern helfen können. Damit wird ein sehr
wichtiger Beitrag zur Senkung unnötiger CO2-Belastungen, nämlich im Bereich energetischer Gebäudesanierungen, geleistet.
({5})
Reden Sie diese Sache also nicht klein! Wir können
mehr machen, keine Frage. Aber tun Sie nicht so, als
hätten wir hier nichts getan. Es ist mittlerweile beliebt,
zu sagen, wir redeten immer nur über Klimaschutz, täten
aber nichts. Wir machen mehr, als Sie sich in Ihren
kühnsten Träumen hier im Deutschen Bundestag zu beantragen getraut hätten. Das ist doch die Realität der Klimaschutzpolitik der jetzigen Bundesregierung.
({6})
Ich will vorab den Mitgliedern des Haushaltausschusses danken für sagen wir einmal: eine Menge Geduld bei
der Behandlung des Umwelthaushalts 2007. Das war
sicherlich nicht ganz einfach, so mitten in der Nacht; das
will ich offen sagen. Ich fand, es war hochkollegial, wie
Sie am Ende in der Sache damit umgegangen sind. Ich
danke ausdrücklich dafür, dass der relativ kleine Haushalt des BMU unter den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen nicht so stark hat leiden müssen, wie man
das vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung
durchaus hätte erwarten können. Also, ich danke ausdrücklich für die partnerschaftliche Debatte und die Entscheidungen.
Dazu zählt unter anderem, dass der Bereich der erneuerbaren Energien ein Plus von 38 Millionen Euro bekommt. Mit rund 88,4 Millionen Euro geben wir für die
Forschung im Bereich erneuerbarer Energien das
Doppelte dessen aus - das sind Investitionen! -, was wir
in der Vergangenheit dafür ausgegeben haben.
Frau Kollegin Flach, Sie müssen sich jetzt einmal
entscheiden. Entweder stellen Sie sich im Rahmen der
Bildungsdebatte hier hin
({7})
und sagen: „Mehr Investitionen für Forschung, weil das
die Zukunftsinvestitionen sind, die bei uns Beschäftigung schaffen“ oder Sie kritisieren, dass bei uns Haushaltsmittel für Forschung und Entwicklung im Bereich
erneuerbarer Energien ausgegeben werden. Beides zusammen geht nicht.
({8})
- Natürlich. Ich habe bei Ihrer Rede zugehört. Das war
schon relativ deutlich.
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flach?
Außerordentlich gern.
Bitte schön, Frau Flach.
Herr Minister, da wir beide immer einen freundlichen
Ton pflegen,
({0})
will ich Sie auch ganz freundlich etwas fragen. Vielleicht erinnern Sie sich doch daran, dass ich vom Marktanreizprogramm und nicht von Forschung gesprochen
habe. Als ehemalige Forschungspolitikerin weiß ich,
was Forschung für dieses Land heißt. Ich glaube nicht,
dass Sie mir unterstellen können - ich frage Sie einfach,
ob Sie mir das unterstellen wollen -, dass ich etwas
gegen Forschung habe.
Frau Kollegin Flach, ich würde Ihnen niemals etwas
unterstellen. Ich höre nur dem zu, was Sie sagen. Sie
haben beklagt, dass wir erneuerbare Energien subventionieren,
({0})
und Sie haben dann auch noch über das Marktanreizprogramm gesprochen.
Ich schlage Ihnen Folgendes vor: Wir beide treffen
uns bei einer Tasse Kaffee und lesen Ihre Rede nach, und
zwar bevor Sie sie korrigiert haben, also so, wie der Stenografische Dienst sie vorgelegt hat. - Das ist mein Vorschlag.
({1})
Dann werden wir feststellen, wer von uns beiden Recht
hat. Wer Unrecht hat, zahlt den Kaffee. Okay?
({2})
- In Ordnung.
Kommen wir zum Marktanreizprogramm. Wir hatten im Jahr 2005 131 Millionen Euro für das Marktanreizprogramm verausgabt. Diese Summe haben wir
bereits im letzten Haushalt auf 180 Millionen Euro steigern können. Das waren 50 Millionen Euro mehr. Jetzt
steigt der Betrag gegenüber dem Regierungsentwurf um
weitere 39 Millionen Euro. Das heißt, wir haben inzwischen einen Anstieg um fast 90 Millionen Euro.
Es ist absolut richtig, was der Kollege Kauch gesagt
hat: Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass zum 1. Januar 2007 die Mehrwertsteuer erhöht wird, die Kraftfahrer den Abbau der Pendlerpauschale zu verkraften
haben und Energie insgesamt immer teurer wird, haben
sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, auf eine
weitere Erhöhung - und sei sie noch so moderat - der
Kosten im Bereich der erneuerbaren Wärmeenergien für
die Verbraucher zu verzichten. Weil wir aber trotzdem
wollen, dass sich dieser Wirtschaftszweig weiterentwickelt, weil wir die Arbeitsplätze in dem Bereich wollen,
weil wir wollen, dass neue Techniken im Bereich der erneuerbaren Wärme entstehen, und eine Situation wie in
diesem Jahr vermeiden wollen - da war der Topf schon
im August leer; die Zahl der Anträge, die eine Bezuschussung erhalten haben, hatte sich gegenüber dem Jahr 2005
verdoppelt -, sind noch einmal 39 Millionen Euro draufgesattelt worden, damit wir nicht ständig zu einem Abbruch der Förderung kommen. Wir sehen ja, wie viel
neue Arbeitsplätze dort entstanden sind. Der Kollege
Schulte-Drüggelte hat zu Recht darauf hingewiesen: Das
ist ein richtiges Handwerkerprogramm, ein Gewerbeprogramm, ein Programm für Jobs. Wenn Sie das in Ihrer
Begrifflichkeit „Subvention“ nennen,
({3})
dann müssen Sie einmal sagen, was Ihnen eigentlich
lieber ist: wenn wir die Leute dann, wenn sie arbeitslos
sind, mit Arbeitslosengeld subventionieren, oder wenn
wir ihnen Arbeit geben, vernünftige, zukunftsorientierte
Ausbildungsplätze schaffen und dafür einen neuen Technologiezweig entwickeln? Das ist doch die entscheidende Frage, um die es geht.
({4})
Angesichts Ihrer Position zum Erneuerbare-EnergienGesetz - da sagen Sie immer: eine Subvention über den
Strompreis lehnen wir ab - finde ich es einigermaßen
bemerkenswert, Herr Kauch, dass Sie uns jetzt dafür
kritisieren, dass wir nicht schnell genug mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz kommen. Da müssen Sie sich einmal entscheiden, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie
es ablehnen oder wollen Sie es einfordern? Sie können
im Deutschen Bundestag nicht zeitgleich beides vertreten.
({5})
- Mag sein, dass die FDP das kann; uns fällt das ein bisschen schwer. Deswegen glauben wir, dass dieses Geld
vernünftig angelegt ist. Das gilt auch für die
1,4 Milliarden Euro im Bereich der Gebäudesanierung,
bei denen wir ja zuvor noch 350 Millionen Euro aus dem
Folgejahr vorgezogen haben.
Wir haben das Biokraftstoffquotengesetz geschaffen
und schaffen jetzt die Voraussetzungen dafür - wenn wir
das im Bundesrat durchsetzen können, wovon ich ausgehe -, dass die Energieerzeugung aus Offshore-Windenergieparks in Gang kommt. Das geht nämlich nur,
wenn wir die Kosten für die Anbindung dieser Parks an
das Stromnetz im Binnenland aus den Investitionskosten
der Anlagen herausnehmen. Wenn wir das hinbekommen, machen wir einen riesigen Sprung nach vorne.
Ich verstehe, dass die Opposition mehr fordert. Ich
verstehe aber nicht, dass sie öffentlich erklärt, wir
würden nichts tun. Wir machen mehr als andere Regierungen zuvor, natürlich auch deshalb, weil die Lage
bedrohlicher geworden ist. Vor diesem Hintergrund mögen Sie sich darauf konzentrieren, mehr zu fordern, aber
nicht so tun, als sei hier nichts passiert.
({6})
Zum Schluss will ich noch auf ein paar Bemerkungen
eingehen, die bisher im Rahmen der Haushaltsdebatte
zum Thema Klimaschutz gefallen sind.
Die Kollegin Künast hat gestern gesagt - schade, dass
sie jetzt nicht hier ist -, es sei doch unerhört, wenn der
Bundesumweltminister ständig konditionierte Zusagen mit
vielen Wenn und Aber zum 40-Prozent-Ziel Deutschlands beim Klimaschutz bis 2020 macht. Sie erinnern an
sich die Position des Deutschen Bundestages vor dem
Gipfel in Nairobi. Wir haben gesagt: Wenn Europa sich
auf eine 30-prozentige Reduktion bis 2020 einigt, dann
will Deutschland sich verpflichten, die CO2-Emissionen
um 40 Prozent zu reduzieren. Frau Künast hat gestern
massiv kritisiert, wie wir so etwas in Nairobi sagen könnten. Ich lese Ihnen einmal etwas sehr Interessantes vor:
Wir werden vorschlagen, dass die EU sich im Rahmen der internationalen Klimaschutzverhandlungen
für die zweite Verpflichtungsperiode des KyotoProtokolls bereit erklärt, ihre Treibhausgase bis
zum Jahr 2020 um 30 % ({7}) zu reduzieren.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Ich lese einmal weiter:
Unter dieser Voraussetzung wird Deutschland einen
Beitrag von minus 40 % anstreben.
Das Dokument, in dem das steht, trägt auch die Unterschrift von Frau Künast. Es handelt sich nämlich um den
Koalitionsvertrag von 2002, dem auch sie zugestimmt
hat. Beschweren Sie sich also nicht darüber, dass der
Deutsche Bundestag die Vorhaben, die von der letzten
Regierung richtigerweise in Angriff genommen wurden,
fortsetzt, und tun Sie in dieser Debatte nicht so, als seien
Sie die Größten. Unterstützen Sie uns vielmehr dabei,
diese Position in Europa durchzusetzen. Das wäre ein
vernünftiges Entgegenkommen.
({8})
Wir haben eine schwierige Situation zu bewältigen.
Wir wissen, dass der Nationale Allokationsplan I für
die erste Periode mit 2 Millionen Tonnen pro Jahr eine
viel zu geringe CO2-Reduktion vorgesehen hatte und
auch die für die zweite Periode von Rot-Grün beschlossenen 10 Millionen Tonnen Reduktion zu gering waren.
Wir haben nun für die nächste Handelsperiode eine
Reduktion um 15 Millionen Tonnen vorgeschlagen, was
deutlich besser ist. Vor diesem Hintergrund weise ich
darauf hin, dass die Bundesregierung am 30. Juni dieses
Jahres erklärt hat, dass alle Maßnahmen zum Emissionshandel unter dem Vorbehalt der Überprüfung der Daten
aus den Jahren 2002 bis 2004 und der Notifizierung
durch die EU-Kommission stehen. Ich sage noch einmal:
Sie haben nicht genug gemacht; Ihre Prognosen waren
zu niedrig angesetzt. Mit dem Nationalen
Allokationsplan II, den wir vorgelegt haben, machen wir
mehr, aber auch nicht genug, wie wir bei der Überprüfung der Daten festgestellt haben.
Wir sind nun bereit, gemeinsam mit dem Deutschen
Bundestag - wir werden das sicherlich nächste Woche im
Umweltausschuss vortragen - im NAP II deutlich stärkere
Emissionsminderungen als bisher vorzusehen. Wir tun
dies, weil wir bei der Überprüfung der Daten festgestellt
haben, dass die niedrigen, im ersten Allokationsplan
vorgesehenen Reduktionsmengen selbst zusammen mit
den im zweiten Allokationsplan vorgesehenen höheren
Mengen wohl nicht ausreichen, um das 21-Prozent-Ziel zu
erreichen. Weil die Bundesregierung aber das 21-ProzentZiel halten will, hat sie Vorstellungen entwickelt, wie
durch eine Ergänzung und Ausweitung des NAP II
dieses dennoch erreicht werden kann. Ich biete dem
Ausschuss an, ihn darüber bei seiner nächsten Sitzung
- das dürfte in der nächsten Woche sein - ausführlich zu
informieren.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Kauch von
der FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gabriel hat mich gefragt, wie die FDP ihre Haltung zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz begründet. Ich möchte es Ihnen erklären: Die FDP hat bei den letzten und auch bei
diesen Haushaltsberatungen den bisherigen Mittelansatz
für das Marktanreizprogramm nicht angegriffen. Wir
kritisieren, dass Sie in einer wirtschaftlichen Situation,
in der die Kosten für die Technologie sinken, das Programm aufstocken, statt es, wenn technischer Fortschritt
es ermöglicht, irgendwann einmal degressiv zurückzufahren.
({0})
Ich denke, das ist der wesentliche Unterschied zwischen
Anschubfinanzierung und Dauersubvention.
Ihre Begründung überzeugt mich nicht. Denn für
mich hat dieses Marktanreizprogramm immer ein
umweltpolitisches Ziel gehabt, nämlich zur Senkung von
Treibhausgasemissionen beizutragen. Jetzt sagen Sie,
das umweltpolitische Ziel sei ja ganz schön, aber eigentlich gehe es darum, Arbeitsplätze zu subventionieren.
Das ist eine Begründung, die ich als Liberaler nicht
akzeptieren kann.
({1})
Meine Damen und Herren, die FDP hat Ihnen bereits
in der letzten Wahlperiode einen Antrag vorgelegt, in
dem wir aufzeigen, wie wir ein Erneuerbare-WärmeGesetz ausgestalten würden. Wir würden es mit dem
Emissionshandel verknüpfen, weil wir es für effizient
halten, dieses Instrument dauerhaft auch auf den Wärmemarkt auszudehnen. So wird der anscheinende Widerspruch aufgelöst. Die Frage ist nicht, ob wir etwas in
dem Bereich machen, sondern, ob wir ein besseres
Modell machen, als es beispielsweise die Grünen vorschlagen.
({2})
Frau Hinz ist gerade, aus meiner Sicht relativ frech,
auf das Thema Fluglärmgesetz eingegangen. Dazu
muss ich sagen: Wenn Sie das als Haushaltspolitikerin
tun, ist das schon abenteuerlich. Denn mit dem Fluglärmgesetz, das Sie in der nächsten Woche verabschieden wollen, wird der Bundeshaushalt viel weniger
belastet als beispielsweise die Betreiber von Verkehrsflughäfen, weil der Bund nicht bereit ist, den gleichen
Schutz, den er bei Anwohnern von Verkehrsflughäfen
für richtig hält, auch den Anwohnern von Militärflughäfen zu gewähren, da er das selbst bezahlen müsste.
Das sind Anspruch und Wirklichkeit Ihrer Politik beim
Fluglärmgesetz. Damit sollten Sie sich bei dieser Haushaltsdebatte nicht brüsten.
({3})
Meine Damen und Herren, ich möchte auf ein anderes
Thema eingehen, das Sie hier ganz still zu umschiffen
versuchen, nämlich die Förderung von Rußpartikelfiltern bei Diesel-PKW. Da gibt es eine Bund-LänderEinigung. Das BMU feiert den Erfolg. Dann sagt die
CDU/CSU-Fraktion, das müsse aber noch viel länger
beraten werden; deshalb könne es zum 1. Januar nicht in
Kraft treten. Daraufhin schickt das BMU eine Presseerklärung gegen die CDU/CSU-Fraktion.
({4})
Ich finde es sehr bemerkenswert, dass das nicht wenigstens
die Koalitionsfraktion macht, sondern das Ministerium.
({5})
Aber langer Rede kurzer Sinn: Hier haben wir es mit
einem absoluten Politikversagen dieser Regierung zu
tun. Sie in der Koalition wissen nicht, was Sie wollen.
Insbesondere das, was die CDU/CSU in diesem Bereich
macht, ist aus meiner Sicht völlig unprofessionell. Ein
solches Chaos und so unprofessionelles Verhalten wie
im Umweltausschuss - ich sage nur: Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz, Zeitungsverleger; alle, die im Umweltausschuss sind, haben das erlebt - aufseiten der Unionsfraktion hätte ich nicht erwartet.
({6})
Deshalb hoffen wir, dass der stotternde Motor bei der
Rußpartikelfilterförderung nicht zu einem Kolbenfresser
für die Autofahrer und damit für den Umweltschutz
wird.
Meine Damen und Herren, der Klimaschutz ist wieder
in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Das ist auch
richtig so. Aber ein erklärtes politisches Ziel muss man
auch mit Leben füllen. Es ist Chefsache der Kanzlerin, in
den nächsten Monaten im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU und bei der G 8 hier eine
Führungsrolle zu übernehmen. Kofi Annan hat völlig
Recht: Es fehlt an Leadership in dieser Frage, leider
auch in Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel hat sich
von Tony Blair viel zu lange die Butter vom Brot nehmen
lassen. Während Tony Blair sich mit Schwarzenegger
getroffen und den Report über die wirtschaftlichen Folgen
des Klimawandels in Auftrag gegeben hat, hat die deutsche Regierung es versäumt, sich hier an die Spitze zu
setzen. Ich finde das sehr schade in Anbetracht dessen,
dass wir im nächsten Jahr die Führungsrolle bei der G 8
und in der EU haben werden.
({7})
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zur Realität in Deutschland. Die Opposition mahnt seit Wochen,
dass das CO2-Budget zu hoch sei. Noch vor zwei Wochen
hieß es auf die Anwürfe von Grünen und FDP, 2005
seien die Emissionen sehr niedrig gewesen, 2003 und
2004 aber gestiegen, und deshalb müsse man der Richtlinie der Europäischen Union folgen und das Emissionsbudget höher ansetzen. Jetzt haben Sie eine Datenerhebung durchführen lassen, deren Ergebnis war, dass
die Emissionen weiter gestiegen sind. Und was ist die
Schlussfolgerung des BMU? Die Schlussfolgerung ist,
dass das Budget gesenkt werden muss. Also vor zwei
Wochen so und jetzt so. Die Erklärung für Ihr Verhalten
ist, dass Sie Angst haben, dass Ihr Nationaler Allokationsplan von der EU-Kommission zurückgewiesen
wird. Deshalb wollen Sie jetzt ein wenig zurückrudern.
Das ist der Grund für Ihre Politik.
({8})
Ihre Politik gefährdet größere Erfolge bei der CO2Einsparung. Sie lassen die 18 Millionen Tonnen CO2, die
als Kompensation für den Atomausstieg bis 2012 erforderlich sind, völlig unter den Tisch fallen. Nach Ihren
Vorstellungen sollen Neuanlagen 14 Jahre lang von jeglichen Minderungsverpflichtungen ausgenommen
werden. Hinzu kommt eine generelle Bevorzugung der
Kohle gegenüber dem Gas. Was ist der umweltpolitische
Effekt? Dieser Effekt ist, dass Sie die Kohletechnologie
von 2012 auf Jahrzehnte festschreiben. Das ist kein Klimaschutz, sondern reine Lobbypolitik für bestimmte Interessengruppen in der Energiewirtschaft.
({9})
Auch haushaltsrechtlich ist die Ausnahmeregelung
über 14 Jahre sehr bedenklich. Denn Sie binden damit
das Parlament für die nächsten vier Legislaturperioden.
Ob das, was Sie jetzt im Nationalen Allokationsplan aufnehmen wollen, einer Versteigerung nach 2013 nicht
entgegensteht und ob die Regelungen juristisch ausreichen, um Schadensersatzforderungen für die Zukunft
auszuschließen, muss eine Anhörung von Juristen erst
noch ergeben.
Wir erleben einen Umweltminister, der sich auf internationalen Konferenzen große Ziele setzt. Aber die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung erschöpft sich in
Subventionen. Wo es um Marktanreize für Unternehmen
geht, überlässt sie den Interessengruppen das Feld.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Marie-Luise Dött von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
möchte zunächst einmal in aller Deutlichkeit festhalten,
dass uns, also der Bundesregierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen, mit dem Haushalt 2007 insgesamt und mit dem Haushalt des Bundesumweltministeriums im Besonderen ein gutes Stück Arbeit gelungen
ist. Ich möchte weiter in aller Deutlichkeit noch einmal
festhalten, dass trotz aller unbestrittenen Sparnotwendigkeiten der Haushalt des Bundesumweltministeriums gewachsen ist.
Wenn der Haushalt eines Politikbereiches in finanziell
schwierigen Zeiten wächst, dann spiegelt das sehr deutlich den Stellenwert wider, den dieser Politikbereich auf
der politischen Agenda hat.
({0})
Umweltpolitik und Politik für mehr Nachhaltigkeit stehen bei dieser Bundesregierung ganz oben.
({1})
Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders auf
die Aufstockung der Haushaltsmittel für das Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien
hinweisen. Herr Kauch, eigentlich müssten Sie es doch
besser wissen. Wir wollen Umweltschutz und gleichzeitig Wirtschaftsförderung. Deswegen müssen wir neue
Technologien fördern. Ich kann daher Ihre Argumentation, dass das ein Mittelstandsförderungsprogramm sei
- das werfen Sie dem Minister vor -, überhaupt nicht
nachvollziehen. Diese Argumentation würde umgekehrt
zu der Schlussfolgerung führen, dass wir gegen den Umweltschutz sind, wenn wir ein Mittelstandsförderungsprogramm auflegen, und dass ein Programm für Umweltschutz gegen Arbeitsplätze gerichtet ist. So kann
man nicht argumentieren.
({2})
Der mit der Aufstockung der Mittel für dieses Programm verbundene erneute Schub für die erneuerbaren
Energien ist sehr zu begrüßen. Ich danke dem Bundesumweltminister und vor allen Dingen den Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD im Haushalts- und im Umweltschutzausschuss ausdrücklich für
ihr besonderes Engagement. Es war unser aller Erfolg,
dass wir auf diesem schwierigen Weg vorangekommen
sind.
({3})
Noch vor wenigen Wochen rangierte die Umweltpolitik in Umfragen in puncto Wichtigkeit der verschiedenen
Politikfelder unter „ferner liefen“. Die Shell-Jugendstudie hat klar analysiert, dass rund ein Drittel der Jugendlichen weniger als noch vor vier Jahren Handlungsbedarf
im Bereich Umweltschutz sieht. Umweltschutz rangiert
hinter Arbeitsmarkt, Kinder und Familie, Bildung, Altersvorsorge, Gesundheitssystem und Wirtschaftspolitik
auf Rang sieben. Ich denke, dass sich dies infolge der
Klimakonferenz in Nairobi und des diese Konferenz begleitenden Medienwirbels in Deutschland geändert hat.
Dennoch bleibt festzuhalten: Die Notwendigkeit verstärkter Anstrengungen hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist keineswegs allgemeines Gedankengut. Es
reicht nicht, wenn wir uns hier im Plenum oder innerhalb
der Bundesregierung in Bezug auf den Stellenwert der
Nachhaltigkeit einig sind. Nachhaltigkeitspolitik ist und
bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
({4})
Angesichts immer knapper werdender Ressourcen für
immer mehr Menschen auf diesem Planeten ist Nachhaltigkeit eine Frage der Vernunft. Angesichts wachsender
Konkurrenz um diese schwindenden Ressourcen ist
Nachhaltigkeit auch eine Frage des Friedens. Angesichts
unserer Pflichten für die uns anvertraute Schöpfung ist
Nachhaltigkeit eine Frage der Demut vor allem Höheren.
Angesichts der Verantwortung, die wir für die kommenden Generationen und ihre Entwicklungschancen haben,
ist Nachhaltigkeit eine Frage der Rücksichtnahme.
({5})
Nachhaltigkeit ist schlicht eine Frage der Moral. Nicht
nachhaltiges Handeln ist unmoralisch.
Man ist geneigt, dies dem einen oder anderen
Verhandler auf der Kioto-Vertragsstaatenkonferenz in
Nairobi ins Stammbuch zu schreiben.
({6})
Die Ergebnisse der Konferenz sind aus unserer Sicht in
der Tat enttäuschend. Viele Staaten und Staatenlenker
haben offensichtlich die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Aber Politik ist bekanntlich das beharrliche Bohren dicker Bretter und in der internationalen Politik sind
die Bretter besonders dick. Hier hilft nur eines: Wir müssen mit viel Ausdauer und Geschick weiter für unsere
Haltung werben.
({7})
Im kommenden Jahr werden wir mit den beiden Präsidentschaften in der Europäischen Union und in der G 8
ausreichend Gelegenheit haben, diese Ausdauer und dieses Geschick unter Beweis zu stellen. Ich begrüße daher
ausdrücklich die Absicht der Bundesregierung, in beiden
Präsidentschaften die Klimapolitik zu zentralen Anliegen zu machen.
Im internationalen Umweltschutz insgesamt und
damit auch beim Klimaschutz wären größere Fortschritte
zu erreichen, wenn sich wichtige Staaten - allen voran
die USA - konstruktiver an den Prozessen beteiligen
würden. Mit großer Sorge beobachte ich die Tendenz bei
einigen großen und politisch einflussreichen Staaten,
sich von den international vereinbarten Klimazielen zu
entfernen. Ich fordere deshalb alle diejenigen, die draußen stehen oder sich in ihrem Engagement zurückhalten,
auf, sich aktiver und konstruktiver einzubringen.
({8})
Jedoch macht es keinen Sinn - dies ist im Grunde unpolitisch -, bei jeder Gelegenheit die USA an den Klimapranger zu stellen. Wir dürfen die vielen guten Ansätze, die es in den USA beim Umweltschutz und
besonders beim Klimaschutz ohne Zweifel gibt, nicht
einfach negieren. Wir müssen auf allen staatlichen und
nicht staatlichen Ebenen Kooperation suchen, mit unseren Mitteln positive Ansätze stärken und damit Chancen
für Verbesserungen eröffnen. So geht man unter Freunden miteinander um.
({9})
Wir alle sind uns darin einig, dass die Entwicklungsund Schwellenländer näher an den Klimaschutz herangeführt werden müssen. Zum Klimawandel haben diese
Länder am wenigsten beigetragen. Es ist an uns Industriestaaten als Hauptverursacher des Klimawandels, ihnen dabei zu helfen, den Weg einer nachhaltigen Entwicklung bei der Energieversorgung zu gehen. Der von
der Europäischen Union in Nairobi angekündigte Fonds
ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt. Ich begrüße
daher seine Einrichtung und ich begrüße ausdrücklich
die Zusage des Bundesumweltministers, dass Deutschland den Fonds weiter aufstocken wird.
({10})
Dieser Fonds schafft auch Vertrauen. Er ist ein deutliches Zeichen gegen das oft gehörte Argument, die Industriestaaten wollten den Entwicklungsländern mit
Umweltforderungen ihre Entwicklungschancen abschneiden. Im Gegenteil: Wir haben ein vitales Interesse
an einer nachhaltigen Entwicklung in allen Teilen der
Welt. Wenn Entwicklungs- und Schwellenländer zu
wichtigen Handelspartnern werden, dann sichert das
auch unsere Zukunft.
Diese Aussage gilt allgemein; aber sie gilt ganz besonders für das in Deutschland vorhandene Know-how
und die Technologien zum Schutz der Umwelt. Um es
auf den Punkt zu bringen: Hier eröffnen sich Märkte und
Zukunftschancen. Wir tun gut daran, diese Chancen zu
unserem Vorteil, zum Vorteil unserer Handelspartner und
zum Vorteil der Umwelt zu nutzen.
({11})
In internationalen Prozessen mit seiner Haltung erfolgreich zu sein, setzt nicht nur Ausdauer, Geduld, diplomatisches Geschick und Beharrlichkeit voraus, sondern auch Glaubwürdigkeit. Mit unseren Forderungen
können wir im internationalen Klimaschutz nur durchdringen, wenn wir selbst Vorbild sind. Nun kann man es
mit der Vorbildfunktion natürlich auch übertreiben, wie
mit allen anderen Dingen des Lebens. Es macht keinen
Sinn, mit wehenden Fahnen vorneweg zu laufen und
dann festzustellen, dass keiner gefolgt ist, weil die anderen nicht so schnell wollen oder können, weil sie andere
Wege für sinnvoller halten oder weil sie das Vorbild
gerne vorschicken, um sich selbst nicht so anstrengen zu
müssen - das nennt man „jemanden ausnutzen“.
Bei der Diskussion der letzten Tage über den Emissionshandel habe ich zunehmend den Verdacht, dass genau das mit uns versucht wird. Um es ganz deutlich zu
sagen: Eine Taktik, mit der von Deutschland noch
schnell einige Millionen Tonnen CO2 abgepresst, andere
Länder aber zu deren wirtschaftlichem Vorteil geschont
werden, wird auf unseren energischen Widerstand stoßen.
({12})
Ein ganz elementarer Bestandteil unseres Weges zu
einer nachhaltigen Gesellschaft ist der Einsatz erneuerbarer Energien, den wir mit dem bereits erwähnten
Marktanreizprogramm verstärkt fördern. Aber wir müssen uns auch der Tatsache bewusst sein, dass erneuerbare Energien nicht die Lösung allen Übels sein können;
denn der Wind weht nicht immer und die Sonne scheint
auch nicht immer - das ist Kinderwissen.
({13})
Dass nicht alle Standorte für Erdwärme und Geothermie
geeignet sind, muss aber offenbar in manche Köpfe erst
noch vordringen. Dass die Anbaufläche für Biomasse
begrenzt ist und dass hier Nutzungskonkurrenzen bestehen, müssen viele erst noch lernen.
({14})
Die potenzielle Anbaufläche für Biomasse dient zuallererst der Ernährung der Bevölkerung. Erst wenn die Ernährung qualitativ und quantitativ vollständig gesichert
ist, kann überhaupt über andere Flächennutzungen diskutiert werden.
({15})
Auf den restlichen Anbauflächen nachwachsende Ressourcen können auch sinnvollen Zwecken in anderen
Bereichen dienen und nicht nur der Gewinnung von
Energie, zum Beispiel als Rohstoffbasis für die Industrie. In dieser Hinsicht ist Anbaufläche wie Geld: Geld
kann man auch nur einmal ausgeben.
Mit Sorge und Skepsis verfolge ich den wachsenden
Anteil von Importen an der Nutzung der Biomasse in
Deutschland. Raubbau an Wäldern oder Mooren für die
Energiegewinnung in Deutschland darf es niemals geben. Dieses Problem ist aus meiner Sicht nur durch ein
globales Zertifizierungssystem zu lösen. Solche Systeme gibt es zum Beispiel bereits mit dem FSC-Siegel
für Holz und dem MSC-Siegel für Meeresprodukte. Mir
sind die Schwierigkeiten, solche globalen Zertifizierungssysteme einzuführen und zu kontrollieren, sehr
wohl bewusst. Aber meines Erachtens gibt es dazu keine
sinnvolle Alternative, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, den Teufel hoher CO2-Emissionen mit dem Beelzebub des Raubbaus auszutreiben.
Ich habe anfangs klargestellt, dass Nachhaltigkeit
eine Frage der Moral ist. Bei diesem Bundeshaushalt haben wir unsere moralische Pflicht ernst genommen. Wir
werden diesen Weg hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft weiter gehen.
Vielen Dank.
({16})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Eva Bulling-Schröter
von der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Klimakonferenz in Nairobi ist nur ein paar Tage her und
die Bilanz ist zwiespältig. Die gegenseitige Blockade der
verschiedenen Lager konnte leider nicht aufgelöst werden. Nur der Anpassungsfonds für die armen vom Klimawandel betroffenen Staaten ist ein greifbares Ergebnis. Aber selbst der ist zu klein. Wir müssen darüber
reden, wie er noch erhöht werden kann.
Vielleicht können wir als Erfolg werten, dass Clean
Coal auf der Konferenz nicht ganz so euphorisch gefeiert wurde, wie es hierzulande geschieht. Viele auf der
Konferenz waren skeptisch, ob tatsächlich in großem
Umfang Kraftwerksemissionen abgeschieden und anschließend unterirdisch sicher gelagert werden können.
Auch wir in Deutschland sollten aufpassen, dass mit
Clean Coal nicht vor allem ein kaum einzulösendes
Technologieversprechen der Lobby fossiler Energie gefördert wird.
({0})
Dieses Versprechen fungiert politisch als Freifahrtschein. Man darf neue Kohlemeiler in die Landschaft
setzen und neue Tagebaue auf den Weg bringen.
Umweltminister Gabriel war in Nairobi mit dem
Tempo der Verhandlungen in Richtung Kioto II genauso
unzufrieden wie wir. Seine Ungeduld macht ihn für viele
Verhandler und NGOs anderer Staaten sympathisch. Im
Übrigen: Herr Minister, Sie haben eine sehr gute Rede
gehalten. Das sollte vielleicht auch einmal jemand sagen.
({1})
Die im internationalen Vergleich hohen Einsparziele
Deutschlands haben eine positive Wirkung. Aber auch
im Ausland wird inzwischen bemerkt, dass wir dabei
sind, unsere Vorreiterrolle zu verlieren. Das habe ich
zum Beispiel Gesprächen mit EU-Abgeordneten entnommen. Zwar sind die CO2-Emissionen in Deutschland
im letzten Jahr endlich einmal wieder leicht gesunken,
doch drei Viertel aller Einsparungen, für die sich die
Bundesrepublik international feiern lässt, fanden in den
ersten drei Jahren nach der Wende statt. Der Osten lässt
grüßen; diesen Hinweis kann ich Ihnen nicht ersparen.
Dieser Bundeshaushalt verkündet unter anderem, dass
Klimaschutz auch künftig mit angezogener Handbremse
betrieben wird. Da wäre beispielsweise die Verkehrspolitik: Nach wie vor werden in Autobahnen und unnützen Prestigeprodukten wie dem Transrapid Milliarden
Euro versenkt, anstatt die Bahn und den ÖPNV zu pushen.
({2})
Dagegen streicht Verkehrsminister Tiefensee die Regionalisierungsmittel für die Bahn. Die Bundesregierung
zieht also keinerlei Konsequenzen daraus, dass die verkehrsbedingten CO2-Emissionen mittlerweile um 6 Prozent über denen von 1990 liegen.
Die Koalition verzichtet weiterhin auf eine Besteuerung des Flugbenzins, obwohl Experten sagen, dass dies
auch im Alleingang rechtlich möglich und sinnvoll wäre.
Allein die nationale Fliegerei hat seit 1990 um mehr als
die Hälfte zugenommen. Wir alle wissen, dass sie weiter
zunehmen wird. Das scheint aber niemanden zu stören,
außer vielleicht die Anwohner. Die letzte Demonstration
gegen die dritte Startbahn in München mit 20 000 Beteiligten spricht für sich. Meine Damen und Herren von der
CSU, ich kann Ihnen nur sagen: Hören Sie auf die Leute!
({3})
Zu den wenigen zumindest im Ansatz positiven
Nachrichten zählt das Programm für die energetische
Gebäudesanierung, auch wenn es angesichts des Sanierungsbedarfs dürftig ausgestattet ist. Wir hätten gerne
mehr.
Dass sich der Haushaltsausschuss durchgerungen hat,
das Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien um 39 Millionen Euro aufzustocken, entspringt einem bitteren Deal: Die Koalition hat im Gegenzug das Wärme-EEG auf Eis gelegt. Das finden wir
schade. Gerade dieses Gesetz hat eine Menge zusätzlichen Klimaschutz zu niedrigen Kosten versprochen. Wir
hätten die Mittel für dieses Programm gerne verdoppelt.
Vielleicht wird es ja im nächsten Jahr etwas damit.
({4})
Jetzt zur FDP und zum Markanreizprogramm. Wir
bewerten das Programm ganz anders als Sie. Wir sehen
darin die Möglichkeit, dass neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden. Über dieses Programm
wird der CO2-Ausstoß gesenkt. Ich kann mir natürlich
gut vorstellen, dass Sie das Geld gerne für Forschungsprojekte, zum Beispiel für Clean Coal, eingesetzt hätten.
Dann wäre mit ein paar Leuten geforscht worden. Jetzt
werden Arbeitsplätze geschaffen. Das macht Sinn. Darum unterstützen wir diesen Ansatz.
Zu einer anderen verpassten Chance. Wenn holländische Kraftwerksbetreiber überlegen, neue Kohlekraftwerke in Deutschland zu bauen, weil ihnen hierzulande
im Rahmen des Emissionshandels weniger Klimaschutz
abverlangt wird als zu Hause, dann sollte Ihnen das zu
denken geben. Die Kommission wird den deutschen Zuteilungsplan schließlich nicht ohne Grund zurückweisen.
Das ist eine Ohrfeige für den angeblichen Weltmeister
im Klimaschutz.
Jeder weiß, dass der NAP II letztlich ein Förderprogramm für neue Kohlekraftwerke ist. 19 geplante Kohlekraftwerke sprechen eine deutliche Sprache. Sollten sie
tatsächlich gebaut werden, wäre das das Aus für einen
ernsthaften und langfristigen Klimaschutz. Besonders
absurd sind die Regelungen im Entwurf des Zuteilungsgesetzes, nach denen die Bundesregierung den Kraftwerksanlagen in Neurath und Boxberg noch zusätzlich
zu allen Sonderregelungen Zertifikate zuschanzt. Ich
meine, das ist eine Lobbypolitik zugunsten von RWE
und Vattenfall, die wir uns längst nicht mehr leisten können.
({5})
Wir wollen den Deckel nach unten verschieben. Herr
Gabriel hat gesagt, dass nächste Woche Mittwoch im
Umweltausschuss darüber gesprochen wird. Dort sollten
Sie sich das noch einmal überlegen. Die Obergrenzen
müssen auf alle Fälle gesenkt werden. Wir brauchen ein
Zuteilungsgesetz, das auf eine Senkung der Emissionen
unter 465 Millionen Tonnen zielt.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich fordere uns auf, hier noch einmal darüber zu beraten. Wenn es in die richtige Richtung geht, dann finden
Sie uns an Ihrer Seite.
Danke.
({0})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Bärbel Höhn von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
fand diese Debatte sehr erhellend, weil die SPD sich die
Grünen als Angriffspunkt ausgesucht hat. Dazu muss
man sagen: Es geht um das Klima und eigentlich haben
wir gemeinsam für den Klimaschutz zu streiten.
({0})
Wir haben heute wieder eine flotte Rede des Ministers
erlebt. Aber man merkt, dass Sie nervös werden. Warum
werden Sie nervös? Man muss sich einfach die Zeitungen der letzten Tage ansehen, dann weiß man, sehr geehrter Herr Bundesminister, dass flotte Sprüche nicht
nachhaltig sind. Denn flotte Sprüche werden überprüft,
und wenn sie mit dem Handeln nicht übereinstimmen,
dann werden sie auch kritisiert. Das wurde gemacht.
({1})
Schauen wir uns einmal die Zeitungen an. Dort steht
zum Beispiel: „Auf dem Weg zum Ankündigungsminister“. Das hört der Minister nicht gerne. In einer anderen
Zeitung sieht man „das Gesamtkunstwerk des Umweltministers auf wackligem praktischen Unterbau“. Auch
das hört der Minister nicht gerne. Man merkt, dass diese
Ankündigungen sich in der Tat nicht rechnen. Sie fallen
Ihnen früher oder später auf die Füße.
Herr Minister Gabriel, ich möchte noch ein paar
Punkte ansprechen. Der erste ist, dass Sie sagen: „Europa und Deutschland müssen beim Klimaschutz vorangehen.“ Ja, das ist richtig. Jetzt kritisieren Sie aber die
Fraktionsvorsitzende der Grünen, die in der Koalitionsverhandlung 2002 eine Position festgelegt hat. Sie selber sagen, dass man 2006 mehr machen muss, und kritisieren gleichzeitig, dass die Fraktionsvorsitzende der
Grünen von Ihnen in 2006 mehr verlangt, als sie 2002
festgeschrieben hat. Aber wir müssen mehr machen.
Denn der Klimawandel ist eklatant und sichtbar.
({2})
Sie sagen: „Klimaschutz ist einer der zentralen
Schwerpunkte der Politik der Bundesregierung.“ Was
machen Sie? Einen Nationalen Allokationsplan, in dessen Rahmen Sie Kohlekraftwerken im Verhältnis zu
Gaskraftwerken doppelt so viele CO2-Zertifikate zuweisen. Dazu schreibt die „Financial Times Deutschland“ zu
Recht: Das ist das Gegenteil von Klimaschutz. Meine
Damen und Herren, das ist eine schlechte Klimapolitik.
({3})
Sie haben in Ihrem Memorandum „Ökologische Industriepolitik“ geschrieben, dass wir bei den nachhaltigen Mobilitätstechnologien vorankommen müssen. Was
machen Sie? Sie knicken vor der Automobilindustrie
beim Dieselrußfilter ein. Daimler-Chrysler braucht nur
zu Ihnen zu kommen und ein Gespräch mit Ihnen zu führen, schon knikken Sie ein, wie wir heute in der „taz“ lesen können. Das ist keine nachhaltige Politik. Denn das
geht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher.
({4})
Sie kündigen in Ihrem Memorandum „Ökologische
Industriepolitik“ an, dass Sie etwas für eine nachhaltige,
innovative Chemiepolitik tun wollen. Was machen Sie?
Bei REACH streitet Deutschland für die Chemiepolitik
und gegen die Verbraucherpolitik. Für diese Politik stehen Sie.
({5})
Sie sagen zum Beispiel, dass der Energieausweis bedarfsorientiert sein soll. Was kommt dabei heraus?
Murks, etwas, was Sie selber als ziemlich blödsinnig bezeichnet haben. Das gestehen Sie jetzt Ihrem Kollegen
Glos zu. Das ist Ihre Politik.
({6})
Gerade deshalb kritisieren wir das. Das müssen wir
deutlich sagen. Herr Kelber fragt gerne, wie das unter
Rot-Grün war. Das macht jetzt auch Herr Gabriel. Ich
sage Ihnen: Unter Rot-Grün gab es folgende Rollenverteilung: Jürgen Trittin machte die moderne Umweltpolitik und Wolfgang Clement war der Vertreter der großen
Konzerne. Das war das Problem.
({7})
Herr Minister Gabriel, Sie versuchen jetzt, Jürgen Trittin
und Wolfgang Clement in einer Person zu sein. Damit
fallen Sie aber auf die Nase. Denn so groß wie Jürgen
Trittin sind Sie nicht.
({8})
Sie scheitern an Ihrer eigenen Politik und daran, dass Sie
zu viele Ankündigungen machen.
Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der bisher nur wenig beachtet wurde: die Naturschutzpolitik bzw. die Biodiversität. Sie haben groß
angekündigt, dass Deutschland Gastgeber der Biodiversitätskonferenz 2008 sein wird, und darauf hingewiesen,
dass wir den Artenschutz ernst nehmen müssen. Ich sage
Ihnen, Herr Gabriel: Sie nehmen den Artenschutz nicht
ernst, wenn die 2,6 Millionen Euro für diese Konferenz
im Haushalt zulasten des Naturschutzes gehen. Das heißt
nämlich nichts anderes, als dass Sie am realen Artenschutz sparen, um wieder einmal auf einer Konferenz
Ihre flotten Sprüche zu machen. Das geht zulasten des
Inhalts. Deshalb werden wir das weiterhin kritisieren.
Vielen Dank.
({9})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, in Ihrem eigenen Interesse noch den beiden vor der namentlichen Abstimmung verbleibenden Rednern Gehör zu
schenken.
({0})
Das Wort hat der Kollege Marco Bülow von der SPDFraktion.
({1})
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!
Erst einmal herzlichen Dank an den Minister für seinen
Einsatz in Nairobi und dafür, dass Deutschland auf dieser Konferenz eine Führungsrolle hatte, da Sie in Nairobi das vorgetragen haben, was Sie vorgetragen haben,
und da Deutschland den Vorschlag gemacht hat: Wenn
die EU ihren CO2-Ausstoß um 30 Prozent senkt, dann
senkt Deutschland seinen CO2-Ausstoß um 40 Prozent.
Das ist in der Welt gut angekommen. Nun müssen wir
daran arbeiten, diese Vorgabe und diesen Auftrag an uns
zu erfüllen.
({0})
Frau Höhn, ich kann verstehen, dass Sie mit Blick auf
uns von Nervosität sprechen. Das kann man allerdings
auch auf Sie beziehen: Vielleicht ist es ja so, dass auch
die Grünen etwas nervös werden, weil die Koalition so
viel für die erneuerbaren Energien tut, dass Sie bei diesem Thema nicht mehr so viel Spielraum haben.
Eines müssen Sie mir aber erklären: Die Zahlen zum
Klimaschutz und zur CO2-Einsparung für die Jahre
2003 und 2004 sind nicht veröffentlicht worden. Warum
sind sie nicht veröffentlicht worden? Weil Ihr bzw. unser
Ministerium damals nicht unbedingt wollte, dass diese
Zahlen der Öffentlichkeit zugänglich sind. Wenn diese
Zahlen schon früher veröffentlicht gewesen wären, wäre
die Diskussion über das Zuteilungsgesetz vielleicht ganz
anders. Das müssen Sie eingestehen.
({1})
Beim Haushalt dreht sich alles um das Geld. Geld ist
natürlich wichtig; das wissen wir alle. Aber es kommt
vor allen Dingen darauf an, wofür man es einsetzt. Am
besten setzt man Geld in Bereichen ein, in denen es einen dreifachen Nutzen hat: dass CO2 eingespart wird,
dass durch ein Investitionsprogramm Arbeitsplätze entstehen und dass dadurch vielleicht privates Geld akquiriert wird. Deswegen ist Ihr Subventionsbegriff schon
etwas abenteuerlich. Wenn der Staat 1 Euro investiert
und dies eine Investition privater Investoren in Höhe von
10 Euro nach sich zieht, ist das, wie ich finde, nicht nur
einen Applaus wert, sondern dann sollte sich auch die
FDP einmal dazu herablassen, uns ein wenig zu loben
und zu unterstützen.
({2})
Herr Kauch, auch das mit der Dauersubvention haben Sie nicht richtig verstanden. Es ist so: Im Rahmen
des Marktanreizprogramms wird Geld investiert. Wenn
die Zahl der Anträge steigt und wir mehr Leuten Geld
zur Verfügung stellen, dann ist der Betrag, den der Einzelne bekommt, geringer als der Betrag, den er noch ein
paar Jahre zuvor bekommen hat.
({3})
Trotzdem gibt es genug, ja sogar immer mehr Menschen,
die dieses Geld haben möchten. Das führt uns auf den
richtigen Pfad.
Ich glaube, wir müssen von der immer wieder angestellten betriebswirtschaftlichen Rechnung wegkommen,
dass das Kosten sind. Das kann man nicht am Haushalt
und auch nicht an einzelnen Investitionen festmachen.
Vielmehr muss man genau überprüfen, insbesondere
wenn man auf das Wachstum schielt, was wächst, welche Kosten entstehen und wo wir Kosten sparen.
Wenn wir in erneuerbare Energien, in die Effizienztechnologie und in das Gebäudesanierungsprogramm investieren, dann wissen wir, dass jeder Euro, den wir
heute einsetzen, dazu führen wird, dass wir eine Menge
Euros einsparen. Das gilt sogar schon für unsere und
nicht erst für die nachfolgende Generation. Das muss
man immer wieder erwähnen.
({4})
Bei der Betrachtung des Haushalts müssen auch die
externen Kosten berücksichtigt werden. Das möchte ich
im Hinblick auf den Dieselruß erklären. Dieselruß, das
sind Kleinstpartikel in der Luft, die den Menschen gesundheitlich belasten. Wenn wir Geld dafür bereitstellen
und etwas dagegen tun, ist das nicht einfach eine Subvention, sondern eine Investition in unsere Gesundheit
und die unserer Kinder. Deswegen appelliere ich noch
einmal eindringlich an die Union, mit uns zusammen ein
entsprechendes Gesetz zu machen. Ich glaube, das ist der
richtige Schritt. Ich hoffe, dass wir da noch zusammenkommen werden - zum Schutz der Gesundheit.
({5})
In den USA gibt es ein Team von Wissenschaftlern,
die jedes Jahr feststellen, wie viel an Umweltgütern und
überhaupt an Lebensgütern wie schnell erschöpft sind,
wie groß die Kapazität der Erde ist. Viele, so auch der
WWF, nennen das den „ökologischen Fußabdruck“. Das
Team in den USA berechnet einen „World Overshoot
Day“: Das ist der Tag des Jahres, an dem die Menschen
alles verbraucht haben, was ihnen eine sich selbst erhaltende Natur erst bis zum Ende des Jahres liefern kann:
Fische, Holz, Getreide, Wasser usw. Dieser Tag war dieses Jahr bereits am 9. Oktober; dankenswerterweise hat
Herr Vorholz in der „Zeit“ daran erinnert.
({6})
Wir sind also drei Monate vor der Zeit. Wenn man jetzt
noch bedenkt, dass die Industrieländer noch viel weiter
vor der Zeit sind - denn in diese Berechnung fließen
auch die Länder ein, die nicht so viel verbrauchen wie
wir -, wissen wir, was unser Auftrag ist, was wir zu tun
haben und was sich in unserer Politik und in unserem
Haushalt niederschlagen sollte.
Wir leben - das muss man sagen - über unsere Verhältnisse, nicht weil wir luxuriös leben und man uns unser Leben nicht gönnt, sondern weil wir teilweise noch
in die falschen Dinge investieren.
({7})
Beispielsweise müssen wir uns noch immer anhören,
dass die erneuerbaren Energien als Murks bezeichnet
werden.
({8})
Insgesamt heißt das, das Geld gezielt einzusetzen. Das
haben wir mit diesem Haushalt bewiesen. Das gilt natürlich nicht nur im Umweltbereich: Wir müssen überall
schauen, was die Folgekosten sind und was uns wie erspart bleiben kann.
Ich schließe mit einem Zitat von Guillaume Paoli, der
in der „FAZ“ von gestern einen sehr lesenswerten Artikel über den Klimawandel und den Verbrauch der Ressourcen geschrieben hat:
Doch wir, die heute am Leben sind, besitzen das
schwindelerregende Privileg, an die Spitze der moralischen Verantwortung gelangt zu sein. Die Generationen vor uns wußten nicht, was sie taten. Die
Nachkommenden werden wahrscheinlich gegen die
Folgen unserer Handlungen nichts mehr tun können. Wir allein wissen und können zugleich.
Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist unser Arbeitsauftrag. Wir sollten ihn annehmen und entsprechende
Politik machen - beim Haushalt, aber auch sonst.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Als letztem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich
das Wort dem Kollegen Dr. Georg Nüßlein von der
CDU/CSU-Fraktion. Ich verbinde das mit der Bitte, ihm
ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken und die Privatgespräche zu reduzieren.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich etwas zur Einpreisung von Zertifikaten sagen, weniger als Politiker
als vielmehr als Ökonom. Zunächst einmal wundert
mich die Irritation über die Windfall-Profits. Jedem, der
etwas von der Materie versteht, muss klar sein, dass,
wenn man externe Kosten einbeziehen will und man dies
am Markt durchsetzen kann, sich dies in den Preisen widerspiegelt, sodass in der Konsequenz Strom teurer wird.
Deshalb verstehe ich das Lamento nicht.
Die Frage, die man damit verbinden muss, ist, wie
man damit letztendlich umgeht. Da sind wir an dem
Punkt, wo ich sage: Wenn man Zertifikate versteigern
will - auch ein großer Teil der CDU/CSU will das -,
dann ist das nicht heilbar, das heißt, es wird nicht billiger. Aber das Geld kommt an einer anderen Stelle an.
Daher ist es eine ganz besondere Dreistigkeit, wenn die
Energieversorger argumentieren, dann würde Strom
noch teurer. Denn wenn man diese Kosten einmal eingepreist hat, kann man doch nicht dann, wenn aus den kalkulatorischen, aus den Opportunitätskosten tatsächliche
Kosten geworden sind, diese noch einmal oben draufschlagen. Wo gibt’s denn so was?!
({0})
Ich glaube, wer so etwas vorträgt, der unterschätzt den
wirtschaftlichen Sachverstand dieses Hauses ganz gewaltig.
Herr Nüßlein, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Michael Kauch?
Gerne.
Bitte schön, Herr Kauch.
({0})
Ich hoffe, ich kann Sie verstehen, Herr Kauch.
Herr Nüßlein, ich schätze es außerordentlich, dass in
der Koalition offensichtlich ein gewisser volkswirtschaftlicher Sachverstand vorhanden ist.
({0})
Habe ich Sie aber richtig verstanden und den Applaus
der Fraktionen von CDU/CSU und SPD richtig interpretiert, dass Sie sich damit in Widerspruch zum Bundesumweltminister setzen? Wenn ja, dann würde ich
gerne wissen, wann Sie sich gegen Herrn Gabriel und
Herrn Glos durchsetzen.
({1})
Aus meiner Sicht hat der Herr Minister heute ganz
deutlich gesagt, man werde sich dem Thema Versteigerung dann nähern, wenn keine Gefahr bestehe, dass die
Strompreise dadurch wieder steigen. Ich sage: Aus Sicht
des Ökonomen kann diese Gefahr nicht bestehen. Das
heißt für mich, dass wir uns diesem Thema politisch nähern können.
({0})
Damit sind wir mitten beim Thema Energiepolitik.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Energietechnologie die Schlüsseltechnologie dieses Jahrhunderts sein
wird. Wenn wir unseren Wohlstand sichern und bewahren wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass wir bei
dieser Schlüsseltechnologie vorne dabei sind. Deutschland ist an dieser Stelle dank der großen Koalition auf einem guten Weg.
({1})
Nun könnte der eine oder andere leichtfertig sagen:
Deutschland hat einen Anteil von 3,19 Prozent an dem
weltweiten CO2-Ausstoß und deswegen fragen wir, was
wir dort bewegen wollen. Ich glaube, wir haben eine
doppelte Vorbildfunktion: Zum einen denke ich an die
Anforderungen an unsere Industrie. Dabei sind die Entwicklungspolitik, die Wirtschaftspolitik und natürlich
auch die Außenpolitik wichtige Bereiche. Zum anderen
kommt es auch auf die Technologie an, die in unserem
Land entwickelt wird.
({2})
Ich sage Ihnen: Wir müssen mit einem gewissen Stolz
betonen - Nationalstolz ist mittlerweile ja wieder salonfähig -, dass die Industrie- und die Ingenieurleistungen
made in Germany einen guten Ruf in der Welt haben.
Diesen guten Ruf wollen wir auch im Bereich der Energietechnik ohne Scheuklappen ausbauen. Es geht von
CO2-freien Kohlekraftwerken über die Sicherheitstechnik in Kernkraftwerken und den erneuerbaren Energien
bis hin zur Energieeffizienz. Wir alle wissen, dass auch
nach unserem Ausstieg weltweit Kernkraftwerke gebaut
werden. Hier kommt es darauf an, dass wir mit unserem
Know-how dabei sind, weil mir wohler ist, wenn diese
mit deutscher Technik gebaut werden.
({3})
Gerade die erneuerbaren Energien sind aus Sicht
der Union ganz entscheidend. Meine Damen und Herren
von der FDP, ich sage ganz ausdrücklich an Ihre
Adresse: Eine Schrittmachertechnologie wie die erneuerbaren Energien braucht natürlich Förderung und einen
Anstoß. Sie rufen an dieser Stelle die ganze Zeit: Markt,
Markt, Markt! Ich frage Sie: Welchen Markt meinen
Sie? Meinen Sie den der Energieoligopolisten oder den
der Mineralölkonzerne? Welchen Markt meinen Sie
denn letztendlich?
({4})
Beim Thema Strom bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, dass wir mit dem Stromeinspeisungsgesetz und in
der Nachfolge mit dem EEG eine gute Grundlage bzw.
einen Exportschlager haben. Das gilt auch für die auf
diesem Gebiet entwickelte Technologie.
Wir haben heute auch viel über das Thema Marktanreizprogramm gesprochen. Es geht doch nicht darum, Investitionen erst einmal in Gang zu setzen, sondern darum, die Menschen, die ohnehin Investitionen
tätigen, weil sie ihre Heizungen erneuern müssen, zum
Nachdenken darüber anzuregen, wie sie das Thema erneuerbare Energien dabei sinnvoll einbeziehen können.
Das ist im letzten Jahr gut gelaufen - mit der Einschränkung, dass ab Mitte des Jahres kein Geld mehr dafür zur Verfügung stand. 150 000 Menschen konnten wir
bei ihren Vorhaben unterstützen, 50 000 Menschen haben wir enttäuscht. Diese haben bei der BaFin angerufen. Ihre Gespräche sind auf dem Anrufbeantworter gelandet, der ihnen gesagt hat, dass der Anruf zwecklos ist
und dass es vollständig sinnlos ist, sich bei der deutschen
Bürokratie zu melden. Wenn wir das Programm durchführen und das Thema verstetigen wollen, müssen wir
deshalb an dieser Stelle die Mittel aufstocken.
({5})
Diese Dinge hängen auch immer davon ab, wie sich
die Märkte bzw. die Preise für fossile Brennstoffe entwickeln. Darin sind wir uns einig. Wenn es zu dem von der
Internationalen Energieagentur prophezeiten kurzfristigen Rückgang des Ölpreises kommt, dann müssen wir
uns über das Marktanreizprogramm hinaus Gedanken
machen, wie wir politisch motiviert verstetigen können,
dass Investitionen in diesem Bereich erfolgen, und wie
wir im Interesse des Klimas, aber auch der Wirtschaft
Kontinuität erreichen können.
Dabei kommt es auf die Technologieführerschaft an,
die man nicht erlangt, indem man wartet, bis der Markt
einen zu technologischen Neuerungen drängt. Man erreicht sie nur dadurch, dass man sich frühzeitig darum
bemüht.
Insofern kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir
ein Wärmegesetz angehen, das jedem, der heute eine
Heizung neu einbaut, einen bestimmten Anteil regenerativer Energie vorschreibt.
({6})
Wir machen den Bürgerinnen und Bürgern viele Vorschriften, beispielsweise mit Emissionskategorien. Das
sollten wir auch in diesem Bereich offensiv tun; denn
wie wir wissen, ist dies notwendig und zeitlich geboten.
Beim Thema Biodiesel werden wir schmerzlich erleben, was passiert, wenn plötzlich der Ölpreis einbricht
und wir nicht schnell genug in der Lage sind, instrumentell zu reagieren und sicherzustellen, dass der Biodiesel
billiger ist als der fossile Brennstoff. Dann werden wir
erleben, wie wichtig es ist, intensiv über die Instrumente
nachzudenken, die wir an dieser Stelle einsetzen wollen.
Wir, die große Koalition, tun dies im Sinne von Klima
und Wirtschaft. Hierbei besteht die große Chance, Ökologie und Ökonomie sinnvoll zu verbinden.
Herzlichen Dank.
({7})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 16, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, in der Ausschussfassung. Hierzu
liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst
abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 16/3478? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung
der Fraktion Die Linke.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3512. Die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich darf fragen, ob alle Urnen besetzt sind. - Das
ist offenkundig der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich schließe den
Wahlgang und bitte, auszuzählen.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich
bitte, Platz zu nehmen, damit wir die Sitzung fortsetzen
können.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten
Anna Lührmann, Anja Hajduk, Alexander Bonde und
der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen zu der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des
Bundeshaushaltplans für das Haushaltsjahr 2007, hier:
Einzelplan 16, bekannt. Abgegebene Stimmen 533. Mit
Ja haben gestimmt 81, mit Nein haben gestimmt 452,
Enthaltungen keine. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 532;
davon
ja: 81
nein: 451
Ja
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Martina Bunge
Sevim Dagdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Heike Hänsel
Hans-Kurt Hill
Inge Höger-Neuling
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Monika Knoche
Oskar Lafontaine
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Bodo Ramelow
Elke Reinke
({0})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck ({1})
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({2})
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Fritz Kuhn
Renate Künast
Undine Kurth ({3})
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Reinhard Loske
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({4})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Josef Philip Winkler
fraktionslos
Gert Winkelmeier
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({5})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Carl-Eduard von Bismarck
Renate Blank
Antje Blumenthal
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({6})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({7})
Dirk Fischer ({8})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({9})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({10})
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({11})
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({12})
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({13})
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Stephan Mayer ({14})
Dr. Michael Meister
Laurenz Meyer ({15})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Carsten Müller
({16})
Stefan Müller ({17})
Bernward Müller ({18})
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({19})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({20})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({21})
Andreas Schmidt ({22})
Ingo Schmitt ({23})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Gero Storjohann
Andreas Storm
Thomas Strobl ({24})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({25})
Gerald Weiß ({26})
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Willy Wimmer ({27})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Matthias Wissmann
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({28})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({29})
Volker Blumentritt
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({30})
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Elke Ferner
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({31})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({32})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({33})
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({34})
Frank Hofmann ({35})
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({36})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({37})
Dr. Karl Lauterbach
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({38})
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({39})
Michael Müller ({40})
Gesine Multhaupt
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Karin Roth ({41})
Michael Roth ({42})
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({43})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({44})
Silvia Schmidt ({45})
Heinz Schmitt ({46})
Carsten Schneider ({47})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
({48})
Swen Schulz ({49})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({50})
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
Uta Zapf
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({51})
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({52})
Dr. Wolfgang Gerhardt
Miriam Gruß
Joachim Günther ({53})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({54})
Martin Zeil
Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 16 ist mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt I.17 auf:
Einzelplan 10
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- Drucksachen 16/3110, 16/3123 Berichterstattung:
Abgeordnete Georg Schirmbeck
Ernst Bahr ({55})
Roland Claus
Alexander Bonde
Es liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der
FDP und ein Entschließungsantrag der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen vor, über die wir am Freitag
nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Hans-Michael Goldmann von der
FDP-Fraktion das Wort.
({56})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Jeder, der sich durch das Land bewegt, der bei
landwirtschaftlichen Betrieben reinschaut und reinhört,
wer auf der Fachmesse Euro-Tier war, der stellt fest: Die
Situation im Bereich der Landwirtschaft, insbesondere
der Ernährungswirtschaft, hat sich deutlich verbessert.
Es wird investiert, es entstehen Arbeitsplätze und es
werden Marktchancen genutzt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Mein Gott, das
hast du letztes Mal auch schon gesagt!
- Lieber Georg Schirmbeck, bis jetzt war ich der Meinung, dass du ein Fachmann bist. Weil ich noch immer
glaube, dass du einer bist, weißt du auch genau, dass
diese Entwicklung mit der Agrarpolitik der großen Koalition überhaupt nichts zu tun hat.
({0})
Diese Entwicklung hat vielmehr damit zu tun, dass
sich die Marktchancen ganz generell verbessert haben.
Die Menschen verbrauchen wieder mehr, die Bevölkerung insgesamt wächst. In bestimmten Bereichen gibt es
Konkurrenzsituationen. Das wirkt sich auf die Preise aus
und führt in diesem Bereich zu einer Entwicklung, die
wir als einzige schon vor Jahren immer wieder angemahnt haben: Unternehmerische Landwirtschaft, marktorientierte Landwirtschaft, global orientierte Landwirtschaft, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn es
zusätzlich zu diesem Sachverhalt auch noch eine gute
Regierung gäbe, dann wären die Marktchancen unserer
landwirtschaftlichen Betriebe viel, viel besser.
({1})
Ich will das an Beispielen belegen. Sehr geehrter Herr
Minister Seehofer, ich sage es immer wieder, aber es
stimmt leider: Ihre Arbeit ist von Ankündigungen, von
Aktionsprogrammen und von wirkungslosen Sofortprogrammen bestimmt. Und Ihre Arbeit ist leider auch von
mangelnder fachlicher Durchdringung bestimmt.
({2})
Eine solche Konzeptionslosigkeit, sehr geehrter Herr
Minister, führt dann auch dazu, dass Sie zwangsläufig
den Bruch von Wahlversprechen begehen müssen, wie
Sie das im Bereich der Grünen Gentechnologie, der
Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinie und im Bereich der biogenen Kraftstoffe gemacht haben. Ich erinnere mich noch gut: Auf der Grünen Woche haben Sie
gesagt - das liegt knapp ein Jahr zurück -: Jetzt kommt
ein Handwerker, die Zeit der „Mundwerkerin“ ist beendet. - Die Realität sieht deutlich anders aus. Sie sind den
Beweis von handwerklichem Können in diesem einen
Jahr an jeder einzelnen Stelle schuldig geblieben.
({3})
Mit dem Gammelfleischskandal fingen die Probleme für Sie im Grunde genommen an. Natürlich begegneten Sie den ersten Herausforderungen mit einem
Sofortprogramm, das nicht griff. Weil es dann noch ein
neues Signal geben musste, nahmen Sie eine Umetikettierung mit einem 13-Punkte-Programm vor. Aber auch
das zeigte keinen Effekt.
Dann setzten Sie die EU-Richtlinie entgegen dem,
was Sie immer versprochen hatten, eben nicht eins zu
eins um. Sie wissen ganz genau, dass das ein schwerer
Schlag für die Schweine- und Geflügelwirtschaft war.
Auch das hätten Sie zum Beispiel auf der Fachmesse
Euro-Tier hören können, wenn Sie da gewesen wären.
Nein, Herr Minister Seehofer, Sie sind wirklich ein
Minister der Ankündigungen geblieben, denen wenige
Taten folgen.
({4})
Sie neigen dazu, Sprechblasen von sich zu geben und
Luftballons aufsteigen zu lassen.
Wahrscheinlich weil Sie aus Bayern kommen, fiel Ihnen ein: Man müsste eigentlich einmal ein Reinheitsgebot für Wein auf den Weg bringen. - Die Branche ist erschüttert, Fachleute aus Ihrer eigenen Fraktion sagen
Ihnen: Da sind Sie völlig auf dem Holzweg, das ist eine
Schnapsidee. - Und dann passiert auch nichts.
Auf einmal fällt Ihnen ein: So ein nationaler Allergieplan, das wäre doch etwas; denn die Menschen haben
doch Angst vor Allergien. - Sie legen nichts vor.
Sie machen ein Verbraucherinformationsgesetz - darauf sind Sie wahrscheinlich auch noch stolz -, aber
überzeugend ist das nun wirklich nicht.
({5})
Die Verbraucherrechte werden nicht wesentlich gestärkt
und die Rechtssicherheit für die Unternehmen wird im
Grunde genommen auch nicht gestärkt, sondern sogar
geschwächt.
Aber Sie geben nicht auf, sondern Sie setzen sich dafür ein, dass ein umfassendes Tabakwerbeverbot auf den
Weg gebracht wird.
({6})
- Da nicken Sie auch noch. Das ist genau die Politik, die
Sie, liebe Kollegin Heinen - das meine ich sogar wirklich ganz wörtlich, liebe Kollegin Heinen -, und Ihre
Kolleginnen und Kollegen massiv bekämpft haben,
({7})
als Frau Künast solche Vorstellungen von Gut und Böse,
also im Grunde genommen von Grün für gut und Rot für
böse, hatte.
({8})
Ich befürchte, dass Ihre Werbeverbotsambitionen
dazu führen werden, dass es demnächst ein Verbot von
Süßigkeiten, von Alkohol, von Fast Food oder wovon
auch immer geben wird.
Wir, die FDP, setzen auf den mündigen Bürger. Selbst
da habt ihr Schwächen.
({9})
- Kollege Zöllmer, Sie haben es nicht mitbekommen.
Vielleicht haben Sie im Ausschuss wieder nicht aufgepasst.
({10})
In unserem Antrag wurde gefordert, dass die Mittel
für die Verbraucherzentralen erhöht werden. Sie werden sich daran erinnern, dass Sie dagegen gestimmt haben. Es ist schon ganz spannend, zu sehen: Selbst wenn
ein vernünftiger, ein kluger Antrag auf den Weg gebracht wird, stimmen Sie mit Ihren Partnern von der
CDU/CSU dagegen. Das ist im Grunde genommen ein
deutlicher Widerspruch zu Ihren anderen Äußerungen,
die Sie ständig machen.
({11})
- Ganz friedlich, Herr Kelber.
Kommen wir einmal auf die biogenen Kraftstoffe zu
sprechen. Sind Sie stolz auf das, was diesbezüglich passiert ist? Glauben Sie, dass diese mittelstandsfeindliche
Quotenlösung wirklich dazu beiträgt, diesen Bereich
nach vorne zu bringen? Wenn Sie ein bisschen ehrlich zu
sich selber sind, sind Sie dann nicht auch der Meinung,
dass die Lösung, die Sie gefunden haben, eigentlich eine
schlechte Lösung ist?
({12})
- Herr Zöllmer, ich sage noch einmal ganz klar - bei Ihnen dauert es immer ein bisschen länger -: Die Bauern
sind vorne, die Politik nicht.
({13})
Mit der Mehrwertsteuererhöhung ist es genau dasselbe. Sie ist für Ihr Anliegen, den ländlichen Raum zu
stärken, besonders schädlich. Die Einkommen im ländlichen Raum sind nämlich im Allgemeinen nicht sehr
hoch. Dort leben viele Familien mit Kindern. Gerade für
sie ist die Mehrwertsteuererhöhung schädlich. Jeder von
Ihnen, der Ahnung hat - das sind einige -, weiß genau,
dass die vor kurzem erhöhte Pauschalierung nicht den
Schaden abdeckt, der den Landwirten durch die Mehrwertsteuererhöhung zugefügt wird.
({14})
Nennen Sie mir ein Beispiel für qualifizierten Bürokratieabbau! Prüfen Sie doch einmal, was sich der Deutsche Bauernverband von Ihnen als 100-Tage-Programm
gewünscht hat! Kein einziger Punkt ist erfüllt worden.
({15})
Ich sehe mit großer Sorge einer möglichen erneuten Vogelgrippegefahr bei uns entgegen, weil auch in diesem
Bereich viel zu geringe Anstrengungen unternommen
worden sind, die Dinge wirklich in die richtige Richtung
zu bringen.
Ich könnte das fortsetzen. Wissen Sie eigentlich, welchen Schaden Sie den Bauern zufügen, wenn Sie die
Erbschaftsteuer so regeln, wie Sie es bis jetzt beabsichtigen?
({16})
Wissen Sie, welchen Schaden Sie den Bauern zufügen,
wenn das Vieh- und Fleischgesetz so ausgestaltet wird,
wie Sie es bis jetzt vorhaben?
Liebe Kollegen, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen:
Jeder, dessen Herz für den ländlichen Raum, für die
Agrarpolitik, für die Ernährungspolitik und für die Ernährungswirtschaft schlägt und der auch den Verbraucherschutz im Auge hat,
({17})
der muss sagen: Nein danke, wir haben im ersten Jahr
unter der neuen, großen Koalition schlechte Politik erlebt.
Herzlichen Dank.
({18})
Das Wort hat jetzt der Kollege Georg Schirmbeck von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Goldmann, das war eine vergleichsweise
humane Rede. Ich habe den Anfang Ihrer Rede sehr
gerne zur Kenntnis genommen. Sie haben dabei eigentlich das zitiert, was ich in meiner Rede in der ersten Beratung des Haushaltsgesetzes ausgeführt habe. Dass die
Opposition überall ein bisschen mehr fordert, das ist akzeptiert. Wir müssen natürlich an der einen oder anderen
Stelle einen Anstoß bekommen, damit wir uns noch
mehr anstrengen. Das wollen wir auch; schließlich wollen wir marktwirtschaftlich denken und handeln. Nehmen wir das also einmal so hin. Ich wiederhole: Das war
sehr human.
Ich möchte mich bei Minister Seehofer, bei den
Staatssekretären, bei den Mitarbeitern und bei den anderen Berichterstattern für das sehr angenehme Klima bei
der Erarbeitung des Zahlenwerks, das wir morgen bei
der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes zu beschließen haben, bedanken. Ich möchte mich ganz besonders
bei Herrn Johannes und Herrn Dr. Kuhlmann bedanken.
Entsprechend ihrer verbalen Ankündigung waren sie sogar nachts bereit, auf die eine oder andere Frage oder
den einen oder anderen Hinweis einzugehen oder sogar
ein neues Deckblatt zu schreiben. Das ist mehr als das,
was man von Beamten eigentlich erwarten kann.
({0})
Ich möchte einen Satz zu dem sagen, was hier eben
im Rahmen der Diskussion über den Umwelthaushalt
geäußert worden ist. Wenn ich an Ingolstadt denke, habe
ich eigentlich immer sehr positive Erinnerungen. Ich
fahre nämlich seit 1992 ein Auto aus Ingolstadt. Dieses
Auto wird nicht ganz normal, sondern mit RME, mit
Rapsölmethylester, betrieben. Ich fahre damit ohne Probleme.
Nach allem, was vorhin gesagt wurde, will ich nur
darauf hinweisen: Das hat mir damals niemand verordnet. Dazu gab es kein Gesetz und keine Verordnung. Das
ging. Das war auch erlaubt. Es war gut für die Umwelt.
All denen, die so viel über Umwelt reden oder dieses
und jenes fordern, kann ich nur sagen: Kameradinnen
und Kameraden, fangt an, macht es!
Das gilt für viele andere Bereiche auch. Eigentlich ist
es doch so: Am besten funktioniert etwas, wenn sich der
Staat heraushält und die Bürger mit Verstand etwas machen.
({1})
- Ich habe ein christliches, aber auch liberales Fundament. Das bekenne ich durchaus.
5,17 Milliarden Euro umfasst der Agrarhaushalt.
4 Milliarden Euro - das haben wir hier wiederholt festgestellt - sind für Soziales. Wenn man in bestehende Gesetze nicht eingreifen will - ich habe noch von niemandem gehört, dass er das will -, ist wenig zu beraten oder
zu verändern. Wir dürfen hier feststellen, dass wir für
alle, die auf diese sozialen Verpflichtungen, die wir haben, bauen, ein verlässlicher Partner sind und auch in der
Zukunft sein wollen.
Ein Thema, das wir auch hier schon wiederholt angesprochen haben, ist die Unfallversicherung. In dem Bereich müssen in den nächsten Wochen konkrete Taten
folgen; denn mit jedem Monat, der weiter verstreicht,
ehe wir handeln, wird es schwieriger, die 200 Millionen
Euro, die wir als staatliche Unterstützung auch jetzt wieder zur Verfügung stellen wollen, aufzubringen.
({2})
Wir haben uns das als Aufgabe vorgenommen. Ich gehe
davon aus, dass das Ministerium für uns entsprechende
Vorlagen erarbeiten wird.
Aber es reicht nicht aus, das einfach zu fordern. Da
wird die eine oder andere Maßnahme notwendig sein,
die auch an der einen oder anderen Stelle wehtut. Es ist
ganz einfach, weiter so zu sagen oder auch nichts zu tun.
Das ist aber keine Politik.
Wir machen eine berechenbare Politik, was die GAK
angeht. Wir haben da mittelfristig 615 Millionen Euro
zur Verfügung. Es war sehr interessant, dass gerade ganz
aktuell noch ein Antrag der Grünen verteilt worden ist.
Da kann man sehen, wie der eine oder andere aus der
Opposition so Politik macht.
Bei der Beratung im Fachausschuss ist von den Sprechern der Grünen, unter anderem von Frau Höhn, gesagt
worden: 200 Millionen Euro sollen zusätzlich für die
GAK zur Verfügung gestellt werden. Ich habe dann ganz
vorsichtig gefragt, ob das mit den Haushältern, etwa mit
Frau Hajduk, abgesprochen sei. Das wurde bestätigt. Ich
war nicht allein; da waren auch andere.
Nachmittags war Haushaltsausschusssitzung, in der
wir den Einzelplan beraten haben. Da habe ich gefragt:
Wie ist es eigentlich mit den 200 Millionen Euro? Da
waren es nur noch 50 Millionen Euro, die die Haushälter
haben wollten. Da war man vielleicht ein bisschen realistischer bei dem, was man machen kann.
Jetzt kommt hier wieder die Forderung nach 200 Millionen Euro. Wer so mit Zahlen jongliert, ist ganz einfach nicht ernst zu nehmen. Deshalb braucht man auch
nicht weiter darauf einzugehen.
({3})
Ich habe mich hier schon wiederholt vergleichsweise
kritisch zur GAK geäußert.
({4})
Bei dem Verordnungswerk, das auch jetzt wieder auf den
Weg gebracht worden ist, kann man schon allein am
Umfang erkennen, dass es vergleichsweise bürokratisch
ist. Ich sage hier ganz deutlich: Ich habe es satt, mich
abends für etwas zu entschuldigen, auf das ich tagsüber
überhaupt keinen Einfluss gehabt habe und das ich auch
am nächsten Tag kaum ändern kann. Deshalb werde ich
als Hauptberichterstatter demnächst zu einem Berichterstattergespräch einladen. Dann werden wir einmal in
allen Kleinigkeiten durchzugehen haben, was da auf
PLANAK-Ebene an bürokratischen Regelungen herauskommt. Damit werden wir im Wahlkreis und darüber hinaus ganz konkret konfrontiert. Das kann es nicht sein.
Darüber ist kritisch nachzudenken.
Konkret ist auf den Weg gebracht worden - darauf
sind Sie nicht eingegangen, Herr Kollege Goldmann -,
dass die Ressortforschung überprüft wird und institutionell so verändert wird, dass sie zukunftsgerecht wird.
Wenn über die Bedeutung eines Instituts nachgedacht
wird, wird nicht jeder Hurra schreien. Aber auch hier
muss man sagen: Wer glaubt, es müsse alles so bleiben,
wie es ist, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Was
das Ministerium hier vorgelegt hat, muss jetzt hinterfragt
werden. Dazu kann jeder seine Ideen und Hinweise einbringen. Da muss an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch gegengesteuert werden, muss das eine oder
andere noch verändert werden, aber das, was das Ministerium hierzu auf den Weg gebracht hat, ist, glaube ich,
sachgerecht.
Wenn hier gesagt wird, das sei ein Abbruchunternehmen, geht das an der Wirklichkeit völlig vorbei. In der
Tat ist es so, dass zukünftig mehr Mittel für die Ressortforschung zur Verfügung gestellt werden als je zuvor.
Das kann man an den einzelnen Haushaltstiteln sehen.
Ich kann das auch an einem Beispiel deutlich machen.
Insbesondere auf Veranlassung des Kollegen Bahr
wird es eine Abteilung 7 für die Risikobewertung von
verbrauchernahen Produkten geben. Hier geht es in bestem Sinne um Verbraucherschutz. Das zeigt, dass wir
nicht nur sparen, sondern umbauen und Ressortforschung da, wo es sachgerecht ist, auch aufbauen. Das tun
wir natürlich auch, um an der einen oder anderen Stelle
Haushaltsmittel freizusetzen, die wir dann an anderer
Stelle ausgeben können.
({5})
Schließlich ist es uns auch gelungen, einen Titel für
den Wald einzurichten, der ja ein Drittel der Fläche in
Deutschland ausmacht. Der Ansatz hierfür beläuft sich
zunächst einmal auf 1 Million Euro. Manches, was zum
deutschen Wald gesagt wird, geht ja völlig an der Wirklichkeit vorbei. Es geht nicht darum, immer nur neue Erkenntnisse zu gewinnen oder etwas dreifach oder vierfach zu erforschen. Wir müssen vielmehr dafür sorgen,
dass da, wo Handlungsbedarf besteht, auch gehandelt
wird. Von daher ist es, wie ich meine, gut, dass hierfür
ein neuer Titel mit einem Ansatz von 1 Million Euro
vorgesehen wird.
Meine Damen und Herren, von den Umweltpolitikern
wurde eben schon einiges zu nachwachsenden Rohstoffen gesagt. Wir können natürlich darauf hinweisen,
was wir in diesem Bereich bewegen und erreichen. Aber
wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir doch zugeben,
dass wir die Veränderungen auf den Märkten für nachwachsende Rohstoffe nur bedingt beeinflussen können.
In Wirklichkeit hängen diese mit den globalen Veränderungen der Weltwirtschaft zusammen. Wenn Rohstoffe
knapp werden, steigen die Preise. Das führt meist dazu,
dass sich auch das Verhalten der Konsumenten ändert.
Wenn es sich dann auch noch um eine umweltgerechte
Verhaltensänderung handelt, ist das doch etwas Positives. Das zeigt, dass marktwirtschaftliche Elemente greifen. Das kann man nur unterstützen. Wenn es dann noch
dazu führt, dass die Produzenten von nachwachsenden
Rohstoffen, also Land- und Forstwirte, etwas mehr als in
der Vergangenheit verdienen, ist das ein schönes Ergebnis, das wir gerne mitnehmen. Die Entwicklung geht jedenfalls in die richtige Richtung.
({6})
Schließlich und endlich wurde ja in den letzten Tagen
hier - das wird sicherlich auch morgen noch geschehen darüber gestritten, welchen Anteil die Bundesregierung
und die einzelnen Minister an der insgesamt positiven
Entwicklung unserer Volkswirtschaft haben. Gerne wird
ja einiges anderen Zauberkünstlern zugeschrieben. Beziehen wir das einmal auf Herrn Seehofer: Wenn zu häufig die Sonne scheint, sagt man, Seehofer ist schuld.
Wenn es zu häufig regnet, sagt man, Seehofer ist schuld.
Wenn aber etwas positiv läuft, kommt man nicht auf die
Idee - um das einmal vorsichtig zu sagen -, dass er damit etwas zu tun hat.
Die Gelehrten seit Ludwig Erhard sagen uns zu diesem Verhalten: 50 Prozent der volkswirtschaftlichen
Entwicklung beruht auf Vertrauen und Psychologie.
({7})
Wenn das akzeptiert wird, dann ist es doch wohl so, dass
diejenigen, die in unserer Volkswirtschaft etwas bewegen, mehr Vertrauen in diese Regierung und die Koalitionsfraktionen haben, als es in der öffentlichen Meinung manchmal dargestellt wird. Man kann das auch in
Bezug zur Fußballweltmeisterschaft setzen, auf die ja
Herr Westerwelle hier eingegangen ist, indem er sagte:
Die glauben sogar an das, was sie sagen. Auch wir glauben in der Tat an das, was wir sagen. Wir wissen aber
auch, dass dann, wenn die Fußballweltmeisterschaft
nicht solch ein Erfolg gewesen wäre, man Frau Merkel
dafür die Schuld gegeben hätte. Nachdem es jetzt aber so
positiv gelaufen ist, darf die Regierung doch auch dieses
Positive mitnehmen.
Ich kann zum Schluss nur sagen: Die Zusammenarbeit mit dir, Ernst Bahr, war sehr gut. Wir werden sie
fortsetzen und zusammen mit dem Ministerium unseren
Bereich weiterhin positiv entwickeln. Es geht aufwärts.
Lassen Sie uns so weitermachen!
Herzlichen Dank.
({8})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann von
der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Gäste! Lassen Sie mich gleich zu Anfang die
zwei größten Sünden des Einzelplans 10 im Haushalt
2007 nennen: erstens die Senkung des Zuschusses an die
landwirtschaftliche Unfallversicherung - das wurde
schon angesprochen - und zweitens die aus meiner Sicht
viel zu geringen Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“.
({0})
- Ich habe nicht davon gesprochen, dass sie gesenkt
wurden, sondern davon, dass sie zu gering sind.
Wie ein schwarz-rosa Faden zieht sich folgender
Grundsatz durch die Koalitionspolitik: Mittel- und langfristig werden vor allem Menschen benachteiligt, die ohnehin schon benachteiligt sind.
({1})
Dabei müssen die Umfrageergebnisse doch die
Alarmglocken läuten lassen. Eine deutliche Mehrheit
sieht ein Gerechtigkeits- und Demokratiedefizit in dieser
Gesellschaft. Das hat, liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch mit Regierungspolitik zu tun. Die Menschen erwarten zu Recht, dass der Gesetzgeber die Schwachen vor
den Starken schützt und nicht umgekehrt. Das Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz festgeschrieben. Dort
steht ergänzend: Das Eigentum muss zum Gemeinwohl
verwendet werden. Tatsächlich erleben wir aber, dass
sich der Staat durch Steuersenkungen bei den Reichen
und Reichsten selbst arm macht, um uns dann zu erklären, dass er sparen muss, vor allem bei den Menschen,
die ohnehin wenig haben. Das ist eine sehr merkwürdige
Logik.
Nehmen wir das Beispiel der landwirtschaftlichen
Unfallversicherung. Dass wir bei der LUV über einiges
neu nachdenken müssen, ist unbestritten. Die Bemessungsgrundlage könnte sich stärker am tatsächlichen Unfallrisiko orientieren. Wir brauchen sicherlich auch mehr
Transparenz und Gerechtigkeit bei den Beitragsbemessungen und effektivere Trägerstrukturen. Aber die Koalition streicht erst einmal 100 Millionen Euro Bundeszuschüsse. Das kann kaum ohne Folgen für die Beiträge
bleiben. Die Streichung soll zwar 2007 aus mehreren
Quellen kompensiert werden; aber das Ziel ist doch klar.
Begründung ist die Kassenlage, und das, obwohl die
Beitragszahlungen gerade denen am schwersten fallen,
die auf die Versicherungsleistungen im Ernstfall am
meisten angewiesen sind.
({2})
Um nicht falsch verstanden zu werden: Bestehendes
zu prüfen, ist absolut richtig. Aber das Ziel der Überlegungen muss aus meiner Sicht eine landwirtschaftliche
Unfallversicherung sein, die erstens leistungsfähig und
zweitens bezahlbar ist.
({3})
Eine Privatisierung wird das nicht leisten, zumal Zwangsbeiträge nur in einer gesetzlichen Unfallversicherung
europarechtskonform und verfassungsgemäß sind. Bei
Privatisierungen müsste vermutlich die Versicherungspflicht für die Betriebe abgeschafft werden. Aus Sicht des
Einzelnen mag das vielleicht sogar sinnvoll sein - solange nichts passiert. Aber wie dringend erforderlich die
Unfallversicherung ist, zeigt ein Blick auf die so genannten Altfälle, also Verunfallte, für die Rentenzahlungen erfolgen. Circa 400 Millionen Euro werden dafür pro Jahr
gebraucht. Wer will angesichts einer solchen Summe
noch behaupten, dass die Unfallversicherung nicht benötigt wird?
({4})
Außerdem ist eine bezahlbare landwirtschaftliche Unfallversicherung auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Wer durch eine fehlende Unfallversicherung zum
Sozialfall wird, muss letzten Endes doch wieder vom
Staat bezahlt werden.
Es gibt Beispiele dafür, dass ein solidarisches Versicherungssystem auch in der Landwirtschaft zukunftsfähig gemacht werden kann. Die Versicherungen im Gartenbaubereich zeigen, dass man durch Zentralisierung
der Datenverwaltung und branchenspezifische Anpassungen Einsparungen realisieren kann. Vielleicht kann
man sich das ja einmal ansehen und davon lernen.
({5})
Kommen wir zur zweiten Sünde, der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“. Ich
hoffe, Sie erwarten keine lobende Erwähnung dafür, dass
Sie die Bundesmittel für 2007 nicht noch einmal gekürzt
haben. Das ist nämlich angesichts der dramatischen sozialen Situation in ländlichen Räumen viel zu wenig.
({6})
Minister Seehofer hat am 6. November 2006 in der
„Passauer Neuen Presse“ einen Marshallplan für den
ländlichen Raum angekündigt. Das würde aus meiner
Sicht eine glatte Kehrtwende in der bisherigen Regierungspolitik erfordern. Aber mir fehlt der Glaube daran.
Im Moment sind die Dörfer die großen Verlierer. Sie
verlieren Kaufkraft, Bus und Bahn, Banken, Schulen,
Einkaufsmöglichkeiten und dadurch die Zukunft, Familien und Kinder.
Sie haben nicht nur weniger Bundesmittel im
Einzelplan 10 als noch vor Jahren, sondern es fehlen
gleichzeitig die Kofinanzierungsmittel der Länder und
EU-Mittel aus der zweiten Säule. Die Konsequenzen aus
den fehlenden Bundesmitteln sind in den Länderförderprogrammen abzusehen: Die Mittel für Agrarumweltprogramme werden massiv gekürzt, obwohl sie gerade
in Regionen mit kleinbäuerlicher Struktur ein sozial stabilisierender Faktor mit zunehmender Bedeutung sind.
({7})
Die Förderung des ökologischen Landbaus wird reduziert, zum Teil sogar komplett gestrichen, obwohl die
Nachfrage gerade in diesem Sektor durch inländische
Produkte gar nicht mehr abgedeckt werden kann. Hier
werden einer Zukunftsbranche die Chancen genommen.
Auch die Ausgleichszulage wird nicht mehr vollständig
gezahlt.
Gerade mit den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe
aber könnten soziale, ökologische und ökonomische Interessen gemeinsam gedacht werden, was wir für dringend erforderlich halten. Mit ihnen könnte der benötigte
strukturpolitische Handlungsspielraum in den ländlichen
Räumen zurückgewonnen werden. Dabei geht es auch
um den Erhalt von Kulturlandschaften, die mit der langen Tradition landwirtschaftlicher Nutzung verbunden
sind. Europa hat die vielfältigsten agrarischen Kulturlandschaften. Das ist ein kulturelles Erbe, das es zu erhalten gilt. Das geht nicht ohne Arbeit. Diese muss vernünftig bezahlt werden. Dafür werden nicht gleich
bleibend wenig, sondern mehr finanzielle Mittel gebraucht.
({8})
Auch beim jetzt diskutierten Konzept zur Agrarressortforschung - Herr Schirmbeck ist schon darauf eingegangen - werden vor allen Dingen wissenschaftliche Arbeitsplätze abgebaut. Dabei handelt es sich oft um die
letzten Arbeitsplätze dieser Art in den ländlichen Räumen. Nach einem Marshallplan für den ländlichen Raum
sieht das nun wirklich nicht aus.
({9})
Kommen wir nun zum Verbraucherschutz. Hier verhält es sich wie mit einer umetikettierten Packung Gammelfleisch. Von außen betrachtet könnte man zufrieden
sein; immerhin ist der Etatposten erhöht worden. Was für
eine schöne Verpackung! Aber beim Öffnen riecht es
dann doch ranzig. Dieser Haushaltsplan wird weder den
bestehenden noch den erkennbaren Problemen der Zukunft gerecht.
Wir wissen, dass wir ein Problem bei der Durchsetzung des Verbraucherschutzes haben. Wir brauchen ein
bundeseinheitliches Handeln; das kollidiert allerdings
mit Länderzuständigkeiten. Die Fraktion Die Linke hat
einen Bund-Länder-Staatsvertrag vorgeschlagen, um eine
verbindliche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu organisieren. Das Problem ist erkannt, aber unser
Lösungsvorschlag wurde abgelehnt.
In einem anderen Fall haben Sie genau diese Lösung
angewendet. Oh Wunder, der Anstoß kam durch die
Pflicht, eine EU-Verordnung auf nationaler Ebene umzusetzen. Ohne das übliche Kompetenzgerangel wurde das
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, obwohl Bundesbehörde, als zentrale
Verbindungsstelle zu den europäischen Mitgliedsländern
installiert. Es soll künftig alle ausländischen Rechtshilfeersuchen entgegennehmen und bundesweit die Kompetenz zur Durchsetzung des Verbraucherschutzes gegenüber deutschen Firmen haben. Es geht doch!
({10})
Das Merkwürdige ist: Im Ausschuss wurde mir gesagt, dass für diese Aufgabe keine zusätzlichen Mittel
notwendig sind, was mich ein bisschen gewundert hat.
Im Haushaltsplan steht jetzt, dass im BVL zum 1. Juni
2006 rund 46 Stellen unbesetzt waren; gleichzeitig wird
aber der Personaletat um 2,18 Millionen Euro erhöht.
Ich habe schon in der ersten Lesung des Haushaltes
nachgefragt, wie denn die Erhöhung der Mittel beim
BVL und beim BfR sachlich begründet wird. Das bleibt
für mich auch nach den Haushaltsverhandlungen sehr
nebulös.
Aber kommen wir noch einmal auf die ländlichen
Räume zurück. Auch hinsichtlich der Verbraucherberatung werden sie abgehängt. Die Bundesregierung fördert - das ist gut - die Angebotsseite der Verbraucherberatung wie zum Beispiel den Verbraucherzentrale
Bundesverband. Wie aber die Verbraucherinnen und
Verbraucher an die Informationen kommen, bleibt ihnen
selbst überlassen. Wer kein Internet hat, hat halt Pech.
Dabei wissen wir doch, dass immer mehr ältere Menschen in den strukturschwachen ländlichen Räumen leben. Es ist also heute umso wichtiger, Informationszugänge barrierefrei und in möglichst geringer räumlicher
Distanz zu ermöglichen.
({11})
Die Sicherung von Beratungsleistungen ist außerdem besonders wichtig für sozial Benachteiligte, die sich Internet und Fax nicht leisten können. Auch Bürgerinnen und
Bürger mit eingeschränkter Mobilität haben ein Recht
auf erreichbare Informationsangebote.
Wir brauchen Antworten auf die Ausdünnung der Beratungsnetze und die steigenden Mobilitätskosten. Die
Linke hatte dazu für den Haushaltsplan 2007 ein Modellprojekt vorgeschlagen. In den strukturschwachen Räumen
sollten die Kommunalstrukturen für die Verbraucherberatung genutzt werden. Beispielsweise Gemeindeverwaltungen oder fahrende Bibliotheken könnten den Beratungswunsch von Verbraucherinnen und Verbrauchern
entgegennehmen und im Internet die zuständige Verbraucherzentrale heraussuchen. Die relevanten Dokumente
könnten dort auch gleich eingescannt und an die zuständige Verbraucherzentrale übermittelt werden.
Damit uns nicht wieder der Vorwurf gemacht wird,
wir könnten nur Geld ausgeben, haben wir sogar vorgeschlagen, die 142 000 Euro durch Umschichtungen gegenzufinanzieren. Aber leider ist auch hier der Ablehnungsreflex der Koalition offensichtlich schneller als der
Prozess des Nachdenkens.
({12})
Denn das Problem bleibt doch: Im Verbraucherschutzindex 2006 des vzbv wird bereits für sechs Bundesländer
die Erreichbarkeit der Beratungsstellen als nicht ausreichend oder ungenügend ausgewiesen.
({13})
Dass der Haushaltsausschuss angesichts eines Etats von
5,2 Milliarden Euro für den Einzelplan 10 diesen
142 000 Euro nicht zugestimmt hat, zeigt, welchen Stellenwert die Probleme der Menschen im ländlichen Raum
bei Ihnen haben.
({14})
Fazit: Dieser Haushaltsplan ist aus unserer Sicht eine
Mogelpackung; die Zukunftsfähigkeit wird vorgetäuscht. Deswegen werden wir den Einzelplan 10 ablehnen.
Recht herzlichen Dank.
({15})
Das Wort hat der Kollege Ernst Bahr von der SPDFraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zunächst ein paar Vorbemerkungen machen, bevor ich zu dem komme, was ich eigentlich ansprechen möchte.
Herr Goldmann tat in den letzten Tagen - auch gestern auf unserem parlamentarischen Abend - wiederholt
so, als sei all das, was gut sei, ein Selbstläufer, als
komme es von allein. Für all das, was schlecht sei, sei jedoch die Regierung verantwortlich. Herr Goldmann hat
in den letzten Jahren in dieser Hinsicht keinen Wandel
und keinen Erkenntnisgewinn gezeigt. Das finde ich ein
bisschen bedauerlich. Ich muss mich aber freudig darüber äußern, dass Sie heute relativ milde waren. Insofern kann ich Ihnen ein richtiges Lob für Ihre etwas gemilderte Kritik aussprechen.
({0})
Eine weitere Vorbemerkung. Was die Vertreter der
Partei Die Linke mit großem Selbstverständnis hier auf
den Tisch legen, ist für mich als Ostdeutschen wirklich
erschütternd. Ich muss hinzufügen: Frau Tackmann und
ich kommen aus demselben Wahlkreis; wir sind in der
gleichen Gegend zu Hause. Das Katastrophenszenario,
das Frau Tackmann hier beschrieben hat, kann ich so
überhaupt nicht bestätigen. Denn gerade in der Landwirtschaft im Nordwesten Brandenburgs hat sich eine
gute Entwicklung ergeben. Die dortigen Landwirte aller
Wirtschaftsformen befinden sich in einer sehr guten Situation.
({1})
Natürlich gibt es Probleme; natürlich gibt es Aufgaben.
Wo wären wir denn, wenn das nicht so wäre? Aber die
landwirtschaftlichen Strukturen haben sich stabilisiert.
Die Landwirte haben eine solide Grundlage für ihre Arbeit. Das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist: Die Gesamtsituation in diesem
Wahlkreis kann sich sehen lassen. Wer die Situation
schlechtredet, der redet über die Leistungen der Menschen vor Ort schlecht.
({2})
Die Leistungen, die diese Menschen in 16 Jahren vollbracht haben, muss man lobend erwähnen. Natürlich gibt
es auch in diesem Bereich noch einige Probleme. Das
Leben ist nun einmal so. Es gilt, Aufgaben zu erfüllen.
So haben auch wir in unserem Bereich besonders viele
und besonders schwierige Aufgaben; aber diesen stellt
man sich anständigerweise.
Herr Kollege Bahr, ich kann Ihre Sätze kaum unterbrechen. Die Frau Kollegin Tackmann würde Ihnen
gerne eine Zwischenfrage stellen.
({0})
Ja, gern.
Bitte schön.
Herr Kollege Bahr, Sie haben unseren gemeinsamen
Wahlkreis angesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass der
Landkreis Ostprignitz-Ruppin beim Pro-Kopf-Einkommen aller Landkreise in der Bundesrepublik - wir haben
insgesamt 439 - auf Platz 419 steht und dass mit einem
Durchschnittseinkommen von 11 000 Euro pro Jahr ein
Erwerbsniveau besteht, das man jedenfalls aus meiner
Sicht nicht so beschreiben kann, wie Sie das hier getan
haben, nämlich dass alles in Ordnung ist?
Frau Dr. Tackmann, diese statistische Auswertung ist
aus meiner Sicht sehr zu hinterfragen. Ich will nicht sagen, wer sie gemacht hat; das ist mir fast egal. Es stehen
in der Tat einige Zahlen darin, die die Realität beschreiben.
Eines steht aber fest: Das, was Sie jetzt beschreiben,
ist keine Katastrophe. Wenn Sie von Schwierigkeiten reden würden, dann würde ich Ihnen zustimmen. Wenn Sie
von Aufgaben oder Veränderungserfordernissen sprechen würden, dann wären wir uns einig. Aber dann sollte
man die Menschen motivieren, ihre Probleme zu beheben, und nicht das Ganze schwarz malen.
Ich will diese Gelegenheit noch für Folgendes nutzen:
Was von Vertretern Ihrer Partei, aber teilweise leider
auch von anderen in diesem Zusammenhang immer vorgebracht wird! Es wird gesagt, dass es kein Wunder ist,
dass wir in dieser Region Rechtsextremismus haben;
denn die Menschen haben keine Ausbildung und keine
Arbeitsplätze. Wer so argumentiert, vertritt eine gefährliche Linie, weil er unterstellt: Wer keine Arbeit hat, muss
rechtsradikales Gedankengut haben.
({0})
Wo sind wir eigentlich, dass wir eine solche Argumentation verwenden?
({1})
- Gehen Sie einmal zu den Diskussionsrunden! Es sind
hauptsächlich Ihre Anhänger, die den Menschen sagen,
wie schlecht es ihnen geht und dass man sich nicht zu
wundern braucht, dass es da Rechtsradikalismus gibt.
Das ist die Realität.
({2})
Ich sage Ihnen: Wer auf diese Weise eine Begründung
für Rechtsradikalismus liefern will, macht eine wirklich
gefährliche Argumentation auf. Deswegen warne ich davor, das zu machen.
({3})
Ich sage es noch einmal kurz gefasst: Die Probleme
und Schwierigkeiten, die auch in unserer Region vorhanden sind, muss man akzeptieren, aufnehmen und dagegen angehen. Dafür tun wir eine ganze Menge. Aber das,
was die Menschen in Ostdeutschland geleistet haben, als
Katastrophe darzustellen, lasse ich nicht zu.
({4})
Wir haben glücklicherweise nicht nur die Kriterien
des Grundgesetzes und die der EU, nämlich die Stabilitätskriterien, erfüllt, sondern wir haben im Einzelplan 10
wieder erreicht, uns konkret den Aufgaben zu stellen.
Das bedeutet nicht, dass wir bei den Titeln inhaltlich etwas verändern mussten. Die Titel sind im Wesentlichen
über Jahre gleich geblieben. Wir haben die Beträge, die
in den einzelnen Titeln veranschlagt wurden, auch in
diesem Haushaltsjahr im Wesentlichen beibehalten. Wir
haben allerdings die Mittel in den Bereichen, in denen zu
erwarten ist, dass die Abrufung der Mittel nicht besser
wird, etwas gekürzt. Bei der landwirtschaftlichen
Unfallversicherung haben wir sichergestellt, dass die
notwendigen Zuschüsse fließen.
({5})
Es ist uns bewusst, dass das in Zukunft nicht mehr so
sein kann. Deswegen ist es notwendig - das habe auch
ich persönlich hier mehrfach gefordert -, dass wir nicht
nur die landwirtschaftliche Unfallversicherung, sondern
die gesamte agrarsoziale Absicherung neu gestalten. Ich
hoffe, wünsche und fordere, dass das in der Folge der
Gesundheitsreform auch geschieht.
({6})
- Das werden wir, Herr Goldmann, darauf können Sie
sich verlassen. Wir werden zeigen, dass wir uns der Aufgabe bewusst sind und uns dieser Aufgabe stellen.
({7})
Wir haben den Verbraucherschutz weitgehend gesichert und so stabilisiert, dass er wie in den vergangenen
Jahren durchaus erfolgreiche Arbeit leisten kann. Es ist
eine Leistung, dass man die Ansätze stabil halten
konnte; das sehe ich persönlich jedenfalls so. Das gilt
genauso für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur
und Küstenschutz“. Man kann es sich nicht so leicht machen und einfach sagen: Da müsste mehr sein. Da werden irgendwelche Showfinanzierungen genannt, die man
nicht realisieren kann. Wer ernsthaft Politik betreibt, der
muss sagen, wo das Geld herkommen soll. Ich halte es
für eine gute Leistung, die Ausstattung bei allen Sparmaßnahmen stabil zu halten.
Wir haben in den Bereichen, wo es notwendig ist, sogar eine Aufstockung vorgenommen. Einer dieser Bereiche ist der Forschungsbereich. Wir haben die Mittel für
diesen Bereich aufgestockt und im Rahmen des Innovationsprogramms der Bundesregierung noch einmal zusätzliche 20 Millionen Euro aufgelegt. Das heißt, insgesamt stehen dann 50 Millionen Euro mehr für Forschung
Ernst Bahr ({8})
zur Verfügung. Das ist ein Betrag, der sich gerade unter
Einsparzwängen sehen lassen kann.
({9})
Ich möchte noch den Bereich der nachwachsenden
Rohstoffe ansprechen. Hierzu gehört nicht nur die Förderung, die wir weiterhin leisten. Hier sind wir auch dabei, die Forschungseinrichtungen umzustrukturieren.
Minister Seehofer hat uns eine Konzeption vorgelegt,
die jetzt diskutiert und dann beschlossen werden muss.
({10})
- Sicher, es ist klar, dass sich zunächst einmal die Regierungsparteien damit beschäftigen. Das ist doch ganz normal, das sehe ich nicht als Problem an.
({11})
- Sobald wir gemeinsam beraten, bekommen Sie alle
ganz sicher die Unterlagen und können damit genauso
arbeiten wie wir.
({12})
Ich gehe davon aus, dass wir eine anständige Diskussion
dazu führen werden, die alle Abwägungen trifft, die notwendig sind.
Dass die Ressortforschung umstrukturiert werden
muss, ist unumgänglich. Die Frage ist hierbei nicht, wie
viele Standorte umstrukturiert werden müssen oder wie
viele Arbeitsplätze davon betroffen sind, sondern wie
die Aufgaben, über die die Bundesregierung beraten
muss, wahrgenommen werden können. Ich denke, das
wird in diesem Konzept sehr ordentlich berücksichtigt.
({13})
Wir haben aber noch Gestaltungsmöglichkeiten.
Für die Gemeinschaftsaufgabe - das sagte ich schon steht ein Betrag von 615 Millionen Euro zur Verfügung.
Das geht bis 2010 so weiter. Dass wir nicht absenken
mussten, ist für mich schon erfreulich. Das unterstreicht
auch, dass durch die Gemeinschaftsaufgabe ein wichtiger Beitrag für die Koordination der Landwirtschaftspolitik geleistet wird.
({14})
Wir haben das Problem der Stellenkürzungen. Es ist
schwierig, mit diesem Problem umzugehen; das ist wohl
in allen Bundeseinrichtungen, nicht nur in den Ministerien, zu spüren. Die pauschalen Kürzungen, die wir in
den vergangenen Jahren vorgenommen haben, führen zu
Schwierigkeiten in der Fach- und Altersstruktur. Wir
müssen überlegen, wie wir da weiterkommen. Eine Reduzierung der Stellenkürzungen von 1,5 auf 1 Prozent
war eigentlich vorgesehen. Wir haben die Kürzungen
jetzt auf 1,2 Prozent festgesetzt. Ich denke, das ist angemessen. Schließlich müssen wir die Arbeitsfähigkeit der
Bundesbehörden sicherstellen. Wir erwarten, dass die
Bundesregierung einen entsprechenden Bericht vorlegt,
sodass weitere Kürzungen sachgemäßer und spezifischer
vorgenommen werden können.
Wir haben in vielen Bereichen Änderungen vorgenommen, die aber nicht im Sinne der Beträge gravierend
sind, sondern die Schwerpunkte setzen. Ich verspreche
mir davon, dass wir sehr wohl in der Lage sind, im Jahr
2007 erfolgreiche Politik für den ländlichen Raum zu gestalten.
Herzlichen Dank.
({15})
Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Höfken,
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition hat ihren ersten Geburtstag und weil die Gratulationen ausbleiben, beweihräuchert sie sich selbst. Die Regierung spricht mit der
Regierung. Die eine Seite des Hauses spricht mit der anderen Seite des Hauses. Es werden - das kann man
schon so sagen - Geisterhausdebatten geführt. Was
bleibt, ist das Prinzip - Wie haben Sie es ausgedrückt? „Psychologie und Hoffnung“.
({0})
Die positiven Entwicklungen in der Landwirtschaft, die ich mit Begeisterung beobachte und mit
Nachdruck unterstütze, haben mit Ihrem ersten Regierungsjahr wenig zu tun. Für die Gewinnzuwächse kann
sich die Branche weitgehend bei Rot-Grün bedanken.
({1})
Das Problem ist, dass die positiven Weichenstellungen
an allen möglichen Stellen von Schwarz-Rot eingerissen
werden und gerade die innovativen Bereiche der Landwirtschaft und des Verbraucherschutzes wieder ins Abseits geraten.
({2})
Die Rahmenbedingungen für die positive Entwicklung haben die Grünen wesentlich geprägt:
({3})
die Ausgestaltung der Agrarreform und die Unterstützung
der gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft im
Tier- und Umweltschutz sowie in der Qualitätsentwicklung, der Schub bei den erneuerbaren Energien und den
nachwachsenden Rohstoffen, die aus der Nische herausgetreten sind, der Boom der Biobranche, die zweistellige
Zuwachsraten zu verzeichnen hat, neue, erfolgreiche
Wege bei der ländlichen Entwicklung, zum Beispiel „Regionen Aktiv“; die Fortschritte im Verbraucherschutz und
die erfolgreichen Ansätze zur Verbesserung der Ernährungssituation, zum Beispiel von Kindern durch die PEB,
die noch heute Morgen von Wirtschaft und Verbänden
hoch gelobt wurde.
({4})
Bauernverbandspräsident Sonnleitner hatte die Bauernbefreiung ausgerufen und das Landvolk damit an die
Urnen gelockt. Die bayerischen Betriebe erfahren gerade, was es bedeutet, dass von ihnen zwar weiterhin die
Pflege der Kulturlandschaft und die Reinhaltung der Gewässer verlangt werden - das steht ja im Gesetz -, die
gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft aber
nicht mehr unterstützt werden. Seehofer und Merkel haben hinter verschlossenen Türen in der EU die Streichung von mindestens 700 Millionen Euro - mit den nationalen Kofinanzierungsmitteln für die Förderung der
ländlichen Räume - einstecken müssen. Unsere Nachbarländer, zum Beispiel Österreich und Luxemburg,
konnten demgegenüber in diesen förderungsfähigen, übrigens auch WTO-kompatiblen Bereichen deutliche finanzielle Zuwächse verzeichnen. In der Grenzregion erfahre ich deren schmerzliche Auswirkungen. Umweltund Tierschutz werden platt gemacht, indem ihnen die
Förderung entzogen wird. Minister Gabriel - er ist nicht
mehr anwesend - hätte im Kabinett vielleicht ein Wörtchen dazu sagen können. Zu diesem riesigen umweltrelevanten Bereich sagt er aber kein Wort.
Ganz drastisch ist die Ökobranche betroffen. Die Biobauern müssen ab dem 1. Januar 2007 - dann kommt die
Stunde der Wahrheit - auf rund 40 Prozent ihrer Fördermittel verzichten, und das, obwohl aufgrund der starken
Verbrauchernachfrage dringend neue Betriebe gebraucht
würden. Die Betriebe können die kostspielige Umstellung auf die ökologische Bewirtschaftung aber nicht allein bewältigen.
Frau Dött hat in der Umweltdebatte Tränen verdrückt.
Sie hat ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass die Situation von Importen nachwachsender Rohstoffe bestimmt
werden könnte. Genau das Gleiche gilt für die Ökoprodukte: Die Bauern im Ausland können von der deutschen Verbrauchernachfrage profitieren. Das kann doch
wohl nicht der Sinn deutscher Agrarpolitik sein.
({5})
Genauso ist es bei der Biokraftstofferzeugung. Mit
der Besteuerung des Biokraftstoffs wurde dieser neue
Weg von Schwarz-Rot stillgelegt. Der Bundesverband
der Agrargewerblichen Wirtschaft hat gestern ganz deutlich gesagt: Neue Produktionsanlagen konnten nicht
mehr in Betrieb gehen. In Zukunft unterliegt die ganze
Branche aufgrund des Beimischzwangs dem Monopol
der Ölkonzerne und liegt nicht mehr in den Händen des
ländlichen Mittelstands.
({6})
Viele Förderprogramme für den ländlichen Raum
werden ganz gestrichen oder nur noch mit gekürzten Alibifördersätzen angeboten. Das ist doch wohl reichlich
absurd.
Mit der Mehrwertsteuererhöhung, der Versicherungsteuererhöhung, der Erhöhung der Beiträge zur Rentenund Krankenkassenversicherung sowie der Senkung der
Entfernungspauschale werden die Verbraucherinnen und
Verbraucher netto massiv belastet.
({7})
Das trifft vor allem die Armen. Das ist übrigens gerade
in Rheinland-Pfalz nachzuforschen. Der Ausgleich
durch die kleine Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ist lächerlich. Damit werden auch die
Spielräume für die Konjunkturerholung im Lebensmittelhandel gefährdet und der Dumpingdruck auf die Bauern massiv erhöht. Dagegen würde auch kein zahnloses
Antidumpinggesetz helfen.
Herr Kelber, Steuererhöhungsparteien waren RotGrün nun wirklich nicht. Das alles ist nur weiße Salbe,
ebenso wie die Erhöhung der Vorsteuerpauschale. In diesem Haushalt gibt es keine Anstrengungen, die positiven
Entwicklungen der Landwirtschaft und der Verbraucherpolitik zu stärken. Stattdessen ist es ein Scheinhaushalt,
der die von Frau Merkel herbeigeführten drastischen
Einbrüche bei den Mitteln aus der Brüsseler Kasse nur
verdeckt und nicht einmal ansatzweise kompensiert. Genau das aber haben wir in unseren Anträgen gefordert,
lieber Kollege.
({8})
Wir haben gefordert, die drastischen Verluste in diesem
Bereich zu kompensieren.
Ich danke Ihnen.
({9})
Ich erteile das Wort dem Bundesminister Horst Seehofer.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Was soll ich jetzt noch sagen?
({0})
Die Lage in der Landwirtschaft ist gut. Ich bin zufrieden.
Der Standort beim Verbraucherschutz ist hervorragend.
Ich bin zufrieden. Die Zusammenarbeit in den Koalitionsfraktionen ist gut. Ich bin zufrieden.
({1})
Die Zusammenarbeit mit den Haushaltspolitikern und
der Haushalt selbst sind gut. Herr Bahr, lieber Herr
Schirmbeck, ich danke Ihnen. Ich bin zufrieden. Auch
mit Ihnen, Herr Goldmann, bin ich zufrieden.
({2})
Der ganze Streit scheint nur darum zu gehen, dass die
Lage gut ist, wir eine zutreffende Analyse haben und
man sich fragt, wer für diese gute Lage verantwortlich
ist.
({3})
Dazu muss ich Ihnen sagen: Eine so komfortable Situation habe ich in 25 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen
Bundestag noch nicht erlebt.
({4})
Die Lage ist gut. Das kann bis zum Ende der Legislaturperiode so bleiben.
({5})
- Ihr Kommentar ist schlecht. Doch so ist es mir lieber.
Denn wenn Ihr Kommentar gut wäre und die Lage
schlecht, dann müssten wir das ändern.
({6})
Ich sage Ihnen, Herr Goldmann, warum ich mit Ihnen
zufrieden bin.
({7})
- Ich meine das gar nicht ironisch.
({8})
Ihre Rede hatte jetzt zum dritten Mal hintereinander den
gleichen Inhalt. Ich habe mir das vorher aufgeschrieben.
Sie haben gesagt: Gammelfleisch, Schweinehaltung,
Wein, VIG, Tabakwerbeverbot und die Mehrwertsteuererhöhung. Das habe ich jetzt schon dreimal gehört.
({9})
Deshalb glaube ich, dass ich keine parlamentarische Verpflichtung habe, noch einmal darauf einzugehen. Sie bekommen von mir die Antworten aus meiner letzten Rede
zu den Punkten, die Sie angeführt haben. Das ist auch
das Gleiche.
({10})
- Sie müssten einmal eine neue Rede halten, dann würde
ich auch wieder zuhören.
({11})
Sie haben dreimal das Gleiche gesagt. Uns fällt ja auch
nicht jeden Tag etwas Neues ein, aber ein bisschen variieren sollte man schon.
({12})
Jetzt komme ich dazu, warum ich mit der Lage der
Bauern, der Landwirtschaft zufrieden bin. Heute titelt
die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“: Die Bauern erwarten steigende Gewinne. Betriebe in Niedersachsen
wollen kräftig investieren. - Das gilt für die ganze Bundesrepublik Deutschland. Aber wir dürfen uns in
Deutschland nicht freuen. Denn der Kommentar dazu
lautet: Landwirte im Glück. Man kann sich in Deutschland gar nicht mehr vorstellen, dass auch der Fleiß und
das Können eines Berufstandes dazu führen, dass investiert wird und Gewinne geschrieben werden. Deshalb ist
der Kommentar falsch.
({13})
- Nein, mir ist völlig egal, ob Sie das auf die Politik zurückführen. Wichtig ist, dass es stattfindet,
({14})
weil die Bäuerinnen und Bauern eine ordentliche Leistung erbracht haben.
({15})
Sie sprechen immer den Verbraucherschutz an. Ich
kann Ihnen sagen: Wenn ich in Europa unterwegs bin,
stelle ich fest, dass uns meine Kollegen aus allen anderen Ländern um den Standort beneiden, den wir in allen
Sektoren - vom Umweltschutz bis zum Tierschutz, vom
Bodenschutz bis zum Gewässerschutz - in Deutschland
erreicht haben.
({16})
Wir freuen uns darüber, dass dazu bereits unsere Vorgängerregierungen, aber auch wir selbst unter Helmut Kohl
beigetragen haben und dass wir auch jetzt wieder daran
mitwirken.
({17})
Das ist ein Anlass zur Freude. Deshalb bin ich mit dem
Verbraucherschutz sehr zufrieden.
({18})
- Zum Thema Gammelfleisch kann ich Ihnen nur sagen:
Das ist inzwischen wirklich ein abgenagter Knochen.
({19})
Ich habe mich in der Vergangenheit oft genug kritisch zu
diesem Thema geäußert.
Der zuletzt bekannt gewordene Fall wurde in Bayern
aufgedeckt.
({20})
- Nein, Herr Goldmann. Wir sollten fair bleiben. Wenn
die Ursache für einen solchen Vorfall meiner Meinung
nach in falschen Strukturen oder in Fehlverhalten liegen
würde, dann würde ich das sagen, egal ob er im Norden
oder im Süden des Landes geschehen ist.
({21})
In diesem Fall hat jemand die Behörden mit großer Energie getäuscht
({22})
und auf eindeutige Fragen falsche Antworten gegeben.
Er wurde ausdrücklich gefragt: Haben Sie weitere Kühlhäuser, in denen sich Fleisch befindet? Seine Antwort
lautete Nein. Das von ihm verschwiegene Kühlhaus war
sogar mit Möbeln und Gerätschaften zugestellt. Es war
eine große Anstrengung erforderlich, um die Behörden
so zu täuschen.
({23})
Trotz aller parlamentarischer Auseinandersetzungen
dürfen wir eines allerdings nicht tun: die Schuld dafür,
dass jemand solche Energie aufbringt, um die Behörden
zu betrügen und zu täuschen, auf den Schultern der Politik abladen und sie dafür verantwortlich machen.
({24})
Ich weise Sie darauf hin: Das, was wir im Hinblick
auf die deutsche Weinwirtschaft unternommen haben
- die Stichworte lauten: Reinheitsgebot; „Kodex für
Wein“ und Prädikatswein -,
({25})
wird auch auf europäischer Ebene zur Grundlage gemacht.
({26})
Gestern habe ich mit meiner irischen Kollegin über dieses Thema gesprochen. 20 Prozent des gesamten Marktanteils werden Prädikats- bzw. Qualitätsweine sein, die
unter das Reinheitsgebot oder unter den „Kodex für
Wein“ fallen. Wir haben unsere Ankündigungen also
eingehalten.
({27})
- Ich lade Sie schon heute zur nächsten Internationalen
Grünen Woche ein. Dann werden Sie die Reaktion der
dort versammelten 5 000 Bauern erleben.
({28})
Nun zum Bürokratieabbau. Wir haben zwölf Bundesgesetze und exakt 53 Rechtsverordnungen abgeschafft.
({29})
- Das mache ich gleich. - Zum Beispiel haben wir einen
BSE-Test
({30})
- nein -, der in Deutschland viele Jahre lang angewandt
wurde und weit über das EU-Recht hinausging, eins zu
eins an das europäische Recht angeglichen.
({31})
Jetzt sage ich Ihnen etwas zu den Cross-ComplianceKontrollen, den Kontrollen der Landwirte im Hinblick
auf die Einhaltung von EU-Standards. Der Präsident des
Deutschen Bauernverbandes hat sich bei mir für die Entlastungen und die Entbürokratisierung bedankt,
({32})
für die wir in den letzten Monaten gesorgt haben.
({33})
Zum Beispiel haben wir die Regelungen geschaffen,
dass niemand wegen einer Bagatelle bestraft, sondern
dass er beraten wird, dass die Kontrollen angekündigt
werden
({34})
und dass Flaschenhalskontrollen durchgeführt werden
dürfen. Es reicht nämlich aus, wenn Milch in der Molkerei überprüft wird. Wenn sie in der Molkerei in Ordnung
ist, dann war sie nämlich auch im Stall in Ordnung.
Denn das biblische Wunder, dass die Milch im Stall
nicht in Ordnung ist, dass sie aber in der Molkerei in
Ordnung ist, ist noch nicht beschrieben worden. Dafür
hat sich der Präsident des Bauernverbandes bedankt.
({35})
Herr Goldmann, die Entbürokratisierung im Bereich der
Cross-Compliance-Kontrollen wird ein Schwerpunkt unserer EU-Ratspräsidentschaft sein.
Ich möchte nicht, wie Sie es immer tun, nur in den
Rückspiegel schauen.
({36})
Wer beim Autofahren in den Rückspiegel schaut, fährt
nämlich gegen die Wand. Ich beschäftigte mich lieber
mit der Gegenwart und der Zukunft. Daher sage ich Ihnen: Dieser Haushalt hat ein Volumen von mehr als
80 Millionen Euro - dafür bedanke ich mich - und er
verfügt über eine gesunde Struktur. Die Zuschüsse an die
Landwirtschaftliche Sozialversicherung betragen
3,7 Milliarden Euro.
Wissen Sie, was die Bauern dazu sagen? Sie bedanken sich dafür, dass die Koalition bei der Bezuschussung
ihrer Sozialversicherung wieder für Stabilität und Verlässlichkeit gesorgt hat.
({37})
Das ist die Reaktion der Landwirte.
({38})
Liebe Frau Höfken, als ich mein Amt antrat, habe ich
erfahren, dass den Bauern 200 Millionen Euro zugesagt
worden sind. Tatsächlich standen für ihre Unfallversicherung allerdings nur 100 Millionen Euro zur Verfügung. Diesen Zustand haben wir sofort bereinigt und dafür gesorgt, dass für diesen Bereich, wie zugesagt,
200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.
({39})
Es sind heuer 200 Millionen Euro und es werden auch
im nächsten Jahr 200 Millionen Euro sein. Das ist Verlässlichkeit.
({40})
Die Mittel für die Verbraucherpolitik steigen auf
84 Millionen Euro. Das entspricht einer Erhöhung um
6 Prozent.
({41})
Es ist heute schon darauf hingewiesen worden, dass Zahlen der Ausdruck von Politik sind. Die Mittel für die
Verbraucherpolitik werden also nicht zurückgefahren,
sondern aufgestockt: 6 Prozent Steigerung trotz der
schwierigen Gesamtlage des Haushaltes. Wir reformieren unsere Forschungsanstalten und machen sie schlagkräftig: 54 Millionen Euro, das sind knapp 50 Prozent
mehr für die Forschung als zuvor. Forschung, sagt die
FDP doch immer, ist Zukunft.
({42})
Also ist in diesem Haushalt eine ganze Menge Zukunft.
({43})
Wir haben 50 Millionen Euro für die nachwachsenden
Rohstoffe vorgesehen.
({44})
- Ich mache nichts kaputt, ich kümmere mich um die
Forschung. Das habe ich schon einmal so gemacht: mit
dem Bundesgesundheitsamt.
({45})
Ich möchte, dass wir schlagkräftige Forschungseinrichtungen bekommen, die in Deutschland und weltweit Reputation haben. Das wird das Ergebnis sein.
({46})
Deshalb sage ich: Ich bin mit dem Haushalt zufrieden.
Wir werden auf diesem Weg weitergehen. Wir haben,
Peter Bleser und lieber Herr Kelber, in diesen zwölf Monaten alles erfüllt, was wir uns vorgenommen hatten.
Wir haben noch einige große Werkstücke auf der
Werkbank. Das eine ist die Gentechnik; ich spreche sie
von mir aus an. Wir werden die Gentechnikgesetzgebung so reformieren, dass wir insbesondere in der Forschung die Chancen ergreifen können, die sich auf diesem Feld längerfristig ergeben können.
({47})
Ich sage noch einmal: Es stellen sich viele Fragen bei
der Sicherheit und bei der Entwicklung.
({48})
Aber wir können diese Fragen nicht dadurch beantworten, dass wir die Forschung in Deutschland nicht durchführen. Wir werden morgen den Versuchsanbau in
Gatersleben genehmigen. Denn wenn sich ein hoch entwickeltes Volk in Fragen der Sicherheit und Entwicklung künstlich unwissend hielte, das würde ich für eine
unverantwortliche Politik halten.
({49})
Deshalb hoffe ich, dass wir uns in der Koalition auf saubere Regeln, wie die Forschung voranschreiten soll, verständigen. Bei der ökonomischen Anwendung ist es, was
die Haftung und was die Feldabstände betrifft, ein ganzes Stück schwieriger. Aber auch darüber werden wir in
der Koalition in den nächsten Wochen vernünftige Gespräche führen.
Wir werden einen Entwicklungsschub der ländlichen Räume auslösen, indem wir den Dialog über die
Zukunft der ländlichen Räume fortführen.
({50})
Wir nehmen uns dafür einige Monate Zeit, weil wir erst
die Ziele formulieren und dann die Mittel bereitstellen
wollen für den ländlichen Raum. Aber wichtig ist, dass
wir unser Land nicht mit Metropolregionen alleine in die
Zukunft führen wollen, sondern auch mit den ländlichen
Regionen.
({51})
Wir sind relativ weit bei der Reform der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung.
({52})
Ein Kernproblem ist allerdings noch zu lösen - das ist
der Grund für die Verzögerung, nicht die Reform der
Strukturen oder der Ausgaben -: Wie es gelingt, dieses
System von der Umlagefinanzierung zur Kapitaldeckung
zu überführen. Das ist eine rein versicherungsmathematische Frage. Ich kann heute hier nicht versprechen, ob
es gelingt. Aber diese große Aufgabe verdient es, dass
man sich ernsthaft mit ihr auseinander setzt.
Herr Minister, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Wir werden die nachwachsenden Rohstoffe und alles,
was damit zusammenhängt, massiv weiter befördern: Biokraftstoffe, Biomasse und Bioenergie.
({0})
Wir werden bei der EU-Ratspräsidentschaft, die wir am
1. Januar übernehmen, auf diese Ziele hinarbeiten.
Ich kann nur sagen: Herr Goldmann, das war ein relativ angenehmer Abend heute. Ich hoffe, dass es das
nächste Mal wieder unterhaltsamer wird.
Herzlichen Dank.
({1})
Ich erteile das Wort Kollegen Edmund Geisen, FDPFraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte
Herren! Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass im
ersten Regierungsjahr der großen Koalition mit Minister
Seehofer im Ressort Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz nichts Zukunftsweisendes passiert
ist. Alles erfüllt, sagte eben der Herr Minister. Ich sage:
Niemand hat’s gemerkt.
({0})
Das Schlimmste, was man Minister Seehofer vorwerfen
muss, ist der andauernde Zickzackkurs seiner Politik,
und das auch noch in den berühmten Trippelschritten;
das müssen Sie sich vorstellen! Wenn der Herr Minister
zufrieden ist, sind das die Landwirte noch lange nicht.
Alle aktuellen Probleme wurden langwierig debattiert:
Vogelgrippe, Gammelfleisch, alles das, was eben genannt wurde. Für einen Großteil sind, wie von Kollege
Goldmann angesprochen, klare Lösungen nicht gefunden und wirksame Entscheidungen nicht getroffen worden.
({1})
Von der großen Koalition hatten die Landwirte und Verbraucher erwartet, dass endlich die wichtigsten Weichen
auf nachhaltig sicheren Schwellen in die richtige Richtung gestellt werden. Nichts Derartiges ist geschehen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zunächst etwas zu der berühmten Eckpunkteregelung für
Erntehelfer sagen.
({2})
Die Regelung war ein Flop. Sie hat den deutschen Arbeitslosen nichts gebracht und den landwirtschaftlichen
Betrieben geschadet.
({3})
Die FDP-Fraktion hat die Regelung von Beginn des Jahres an für falsch gehalten. Ich selbst habe dies vor fünf
Wochen hier wiederholt. Dafür wurde ich von den Rednerinnen und Rednern aller anderen Fraktionen angeprangert. Nur zwei Wochen später bestätigte Staatssekretär Müller im Agrarausschuss meine Analyse voll und
ganz. Herzlichen Dank.
({4})
Das ist Ihre Zickzackpolitik. Daraus ableitend sage
ich Ihnen: Genau in den Bereichen, in denen Sie von Anfang an auf die FDP gehört haben, lagen Sie richtig.
({5})
Die FDP-Fraktion hat heute nicht ohne Grund einen
Entschließungsantrag zum Einzelplan 10 vorgelegt,
durch den die soziale Sicherung der landwirtschaftlichen
Bevölkerung langfristig auf gesunde Beine gestellt
würde. Nach intensiven Gesprächen mit allen Beteiligten plädieren wir übrigens schon lange für das Kapitaldeckungsverfahren.
({6})
Wir von der FDP setzen uns für einen nachhaltigen Umgang mit Steuergeldern ein
({7})
und wir wollen weg von den stetigen und alljährlichen
Verunsicherungen der Landwirte durch die Haushaltsdebatte. Wir erwarten langfristige Zukunftsperspektiven.
Herr Minister, ich gebe es zu: Das Schwierigste an
unserer Arbeit ist, dass wir nach einem Jahr Opposition
noch immer nicht wissen, was Sie eigentlich wollen.
({8})
Bekennen Sie Farbe! Leiten Sie jetzt den Umstieg der
Landwirtschaftlichen Unfallversicherung in ein kapitalgedecktes Verfahren ein. Ich hoffe, Sie bekommen die
Koalitionspartner an einen Tisch. Der Zeitpunkt ist übrigens ideal.
Voraussetzung ist die Übernahme der Altrenten durch
den Bund. Diese Altbestände können noch mit den bislang benötigten Bundesmitteln und den verfügbaren Finanzreserven - wie zum Beispiel Forderungsverzichte
und Veräußerungserlöse - finanziert werden. Da keine
neuen Renten zu dem Altrentenbestand hinzukommen,
erfolgt ein zügiger Abbau. Der Bundeshaushalt - und
damit der Steuerzahler - wird mittelfristig entlastet.
({9})
Damit wäre der Einstieg in den Ausstieg des Bundes
endlich geschafft.
({10})
Die Alternative kennen Sie: Spätestens ab 2008 würden den Landwirten drastische Beitragserhöhungen drohen. Herr Minister, Sie haben ja schon durchblicken lassen, dass Sie die für 2007 schon halbierten Bundesmittel
von 100 Millionen Euro 2008 eventuell ganz streichen
wollen.
Noch etwas zum Thema Sozialversicherung. Von einem profilierten Gesundheitspolitiker wie Minister Seehofer hätten wir erwartet, dass er sich wenigstens bei der
Gesundheitsreform für seine Klientel, die Landwirte,
einsetzen würde.
({11})
Doch auch hier Fehlanzeige. Wenn die Landwirtschaftliche Krankenkasse ab 2009 wie geplant nicht an versicherungsfremden Leistungen partizipieren darf,
({12})
dann heißt das nichts anderes, als dass die Kinder von
Landwirten im Gegensatz zu den Kindern von anderen
gesetzlich Versicherten nicht mehr beitragsfrei mitversichert werden. Das nennen Sie zukunftsorientierte Agrarpolitik?
({13})
Sehr geehrter Herr Minister, meine Damen und Herren, eines noch zur Ressortforschung. Sie wollen für die
Ressortforschung wesentlich mehr Mittel einsetzen. Ich
sage Ihnen: Zukunftspolitik liegt nicht darin, dass Sie
ohne weiteres bewährte Forschungsstandorte wegrationalisieren. Ich bitte Sie hier eindringlich: Lassen Sie die
bewährte Weinbauforschung an dem geeigneten Standort
in Bernkastel-Kues.
({14})
Abschließend darf ich Sie noch bitten, während der
kommenden EU-Ratspräsidentschaft dafür zu sorgen,
dass innerhalb der EU gleiche Wettbewerbsbedingungen
für Landwirte herrschen. Ergreifen Sie die Initiative, um
Ungleichheit bei der Besteuerung von Dieselkraftstoff
zu beseitigen! Setzen Sie sich endlich für die Eins-zueins-Umsetzung der EU-Richtlinien und - zu guter Letzt auch für eine EU- bzw. weltweit vergleichbare Qualitätssicherung im Sinne unserer Verbraucher ein!
Ich danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.
({15})
Ich erteile das Wort Kollegen Manfred Zöllmer, SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich würde es der Opposition gerne geben. Ich
hatte einen Zettel vor mir liegen, um mir Notizen zu machen. Dieser Zettel ist immer noch leer. Ich habe keinen
einzigen neuen, originellen Gedanken gehört.
({0})
Ein Jahr große Koalition bedeutet auch ein Jahr gemeinsame Verbraucherpolitik.
({1})
Vieles von dem, was in der vergangenen Legislaturperiode nicht zu vereinbaren war und bei dem es in Bundestag und Bundesrat unterschiedliche Mehrheiten und
damit eine Blockade gab, konnte nunmehr auf den Weg
gebracht werden, sei es das Verbraucherinformationsgesetz oder die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes. Ein Jahr große Koalition bedeutet damit neuen
Schwung in der Verbraucherpolitik und dies ist gut für
die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land.
({2})
Der Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstreicht die
Bedeutung der Verbraucherpolitik für diese Bundesregierung.
({3})
Trotz aller weiteren Konsolidierungsanstrengungen im
Bundeshaushalt kann das bisherige Niveau noch erhöht
werden.
Die Verbraucherpolitik gehört zu den zentralen
Politikbereichen, und zwar zu Recht, weil Verbraucherpolitik die gesamte Bevölkerung in unserem Land betrifft. Ob es um die Strompreise, die Telekommunikation
oder die Lebensmittelsicherheit geht: Verbraucherpolitik
ist vielfältig. Sie ist eine aktive und konkrete Politik für
die Menschen.
Im ersten Halbjahr 2007 übernimmt Deutschland für
sechs Monate die Ratspräsidentschaft in der EU. Damit
liegen große Herausforderungen vor uns.
Die Möglichkeiten, die der europäische Binnenmarkt
bietet, müssen für die Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiv sein. Wir brauchen transparente und verständliche Regelungen. Die notwendige Harmonisierung
muss von einem gleichmäßigen und hohen Verbraucherschutzniveau ausgehen. Bessere nationale Standards
müssen dabei erhalten bleiben.
Wir begrüßen daher die Initiative von Minister Seehofer, die deutsche Ratspräsidentschaft im Sinne der europäischen Verbraucher zu nutzen. Ich halte es für richtig,
wenn hierbei die besondere Aufmerksamkeit des Ministers dem digitalen Verbraucherschutz gilt.
Nicht zuletzt durch das Internet mit seinen weltweiten
Einkaufsmöglichkeiten stehen wir vor neuen Herausforderungen. Fragen wie die Sicherheit im Netz und die
Harmonisierung von Vorschriften müssen im deutschen
Interesse auf europäischer Ebene angegangen werden.
Ein Jahr ist vergangen und einige Hausaufgaben im
Bereich Verbraucherpolitik haben wir erledigt. Vieles
liegt jedoch noch vor uns. Einiges will ich kurz ansprechen.
Diese Woche haben sich die Regierungsfraktionen auf
das neue Telekommunikationsgesetz geeinigt. Darin findet sich eine Reihe von Regelungen, die für mehr Transparenz, die Möglichkeit der Kostenkontrolle, aber auch
besseren Jugendschutz sorgen. Dies bedeutet erhebliche
Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem wichtigen Bereich.
Trotz dieser Fortschritte sind wir im Bereich Telekommunikation derzeit leider erneut mit einem sehr unerfreulichen Phänomen konfrontiert: den unverlangten
und belästigenden Werbeanrufen. Diese sind bereits
jetzt durch das UWG verboten. Ich will, dass wir das Telefonspamming energisch bekämpfen.
({4})
Das Verbot darf kein zahnloser Tiger bleiben. Der Tiger
muss ein funktionsfähiges Gebiss bekommen. Mir ist
egal, in welchem Gesetz wir das regeln. Dafür kommt
das Telemediengesetz genauso infrage wie das UWG.
Außerhalb einer Kundenbeziehung sind derartige Werbeanrufe nicht hinnehmbar.
({5})
Wir wissen, dass wir als Verbraucherpolitiker in vielen Bereichen nicht federführend sind. Aber wir erwarten, dass verbraucherpolitische Fragestellungen bei allen
relevanten Gesetzgebungsmaßnahmen Berücksichtigung
finden.
Das klassische Spamming - also die unverlangten
E-Mails - werden wir im neuen Telemediengesetz bußgeldbewehren. Natürlich wissen wir, dass es sich hier
nicht allein um ein nationales Problem handelt. Aber mit
der neuen gesetzlichen Regelung machen wir deutlich:
Spamming belästigt die Verbraucherinnen und Verbraucher und schädigt nachhaltig die Wirtschaft. Das werden
wir nicht hinnehmen.
({6})
Wir beraten im Moment über den Entwurf eines
Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in
der Informationsgesellschaft. Dieses Gesetz muss einen
fairen Interessenausgleich zwischen den Urhebern und
den Nutzern bewirken. Auch Nutzer haben Rechte. Sie
müssen die Möglichkeit haben, sich gegen kundenfeindliche Praktiken der Anbieter zu wehren. Dies gilt zum
Beispiel für die Durchsetzbarkeit des Rechts auf eine
Privatkopie. Kopierschutzsysteme, die Sicherheits- und
Datenschutzrisiken verursachen, können wir nicht akzeptieren. Auch die Wiedereinführung einer Bagatellklausel wäre meines Erachtens sinnvoll. Sie würde die
Akzeptanz des Urheberrechts deutlich erhöhen. Die
Schulhöfe sollten nicht kriminalisiert werden, hieß es ursprünglich in der Begründung des Referentenentwurfs.
Diese Begründung ist nach wie vor richtig.
({7})
Noch ein Wort zu den hohen Strom- und Gaspreisen, über die sich die Verbraucherinnen und Verbraucher
in Deutschland berechtigterweise erregen. Wir werden
sinkende Preise in diesen Bereichen nur über einen funktionierenden Wettbewerb erreichen.
({8})
Dies gilt für die Anbieter, aber auch für die Nachfrageseite. Deshalb wurden neben der Umsetzung der Reform
des Energiewirtschaftsrechts eine Netzanschlussverordnung sowie ein neues Gasnetzzugangsmodell verabschiedet. Der Wettbewerb bei der Energieerzeugung
wird mit der Netzanschlussverordnung verbessert, genau
wie die Effizienz der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht. Wir begrüßen besonders, dass bei der Bundesnetzagentur die Stelle eines Verbraucheranwalts - auf Englisch: consumer watchdog - eingerichtet werden soll, der
die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher
wahrnehmen wird. Bei allen Diskussionen über die
Preise dürfen wir die Versorgungssicherheit nicht aus
den Augen verlieren. Wir brauchen politische Rahmenbedingungen, die beides sicherstellen. Es gibt bereits Erfolge: Die Energiepreise beginnen in bestimmten Bereichen zu sinken.
Die Verbraucherrechte werden ausgebaut. Verbraucherpolitik als Querschnittsaufgabe bleibt eine dauernde
Aufgabe. Dies gilt für das Versicherungsvertragsrecht
und das Wohnungseigentumsgesetz genauso wie für das
TKG, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Eine
aktiv betriebene Verbraucherpolitik ist Politik für die
Menschen in diesem Land. Die große Koalition macht
dies zu ihrer Aufgabe und hat damit Erfolg.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Nun hat Kollegin Cornelia Behm, Bündnis 90/Die
Grünen, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich muss Sie in
Ihrer Zufriedenheit noch einmal stören, so Leid es mir
tut. Die Union setzt bei der Ressortforschung nahtlos
dort wieder an, wo sie 1998 aufgehört hat: Stellen streichen sowie Institute und Standorte schließen. Bereits
1996 beschloss der damalige Landwirtschaftsminister,
mehr als ein Viertel der 3 500 Stellen abzubauen und die
Hälfte der Ressortforschungseinrichtungen zu schließen.
Nun setzen Sie, Herr Minister, zu einem neuen Wurf an.
Weitere 450 Stellen sollen gestrichen und die Anzahl der
Institute und Standorte soll erneut halbiert werden. Die
Kahlschlagpolitik, die Sie mit Ihrer Regierungsübernahme bei den ländlichen Räumen begonnen haben
- Stichwort „GAK“ -, setzen Sie nun bei der Agrarforschung fort.
({0})
Diese Politik ist hochgradig innovationsfeindlich; denn
wir werden angesichts des Klimawandels nichts so sehr
brauchen wie die Agrarforschung.
Was Sie mit Ihrem Haushalt und der Umstrukturierung der Ressortforschung betreiben, ist zudem zutiefst
ideologisch: der Ausstieg aus der Agrarwende wider
besseres Wissen. Denn der vor wenigen Wochen an dieser Stelle diskutierte Agrarpolitische Bericht 2006 der
Bundesregierung zeigt, wie erfolgreich die rot-grüne
Agrarpolitik tatsächlich war. Ich erspare Ihnen die Zahlen. Das ist heute mehrfach besprochen worden.
({1})
Aber zurück zur Ressortforschung. Exemplarisch
möchte ich auf die geplanten Schließungen der Institute
für ökologischen Landbau in Trenthorst und für Pflanzenschutz im Weinbau in Bernkastel-Kues zu sprechen
kommen. Diese fachlich in keiner Weise begründeten
Schließungen ignorieren die gestiegene Bedeutung des
ökologischen Landbaus, den daraus erwachsenden Forschungsbedarf und die weltweit hohe Reputation, die
sich die Wissenschaftler dort erarbeitet haben.
({2})
Herr Minister, wollen Sie es denn aus purer Ideologie
immer noch nicht wahrhaben, dass der ökologische Anbau einer der wenigen großen Wachstumszweige der
deutschen Landwirtschaft ist? Der Biomarkt boomt. Sie
aber handeln nach dem Prinzip, dass nicht sein kann,
was nicht sein darf. Wenn Sie so weitermachen, werden
Sie am Ende mit dem Landwirtschaftsabbau in Deutschland sogar Erfolg haben. Ihrer Regierungspolitik haben
wir es zu verdanken, dass die Förderung von Ökobetrieben ab 2007 durch EU-, Bundes- und Landeshaushalte
um circa 40 Prozent gekürzt wird.
Vielleicht würde es mir leichter fallen, die Zerschlagung weiter Teile der Ressortforschung zu verstehen,
wenn Sie diese im Dienste der Haushaltskonsolidierung
betreiben müssten. Aber dem ist nicht so. Von Einsparverpflichtungen steht in Ihrem Konzept überhaupt
nichts. Tatsächlich gibt es im Jahr 2007 für die Förderung von Innovationen im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und bei den Forschungsanstalten einen bemerkenswerten Aufwuchs von
immerhin gut 40 Millionen Euro. Es fällt aber schwer,
diesen Aufwuchs zu bejubeln; denn es kommt entscheidend darauf an, was man mit diesem Geld macht. Für die
FNR gibt es beispielsweise keinen Zuschlag.
({3})
Während Sie das Institut für ökologischen Landbau
schließen, wollen Sie mit den zusätzlichen Mitteln vor
allem die Agrogentechnik fördern.
({4})
Dabei geht es Ihnen nicht um Sicherheitsforschung, die
wir Grüne für richtig und vor allen Dingen nötig halten,
sondern um - ich zitiere - die Verbesserung der Eigenschaften der Kulturpflanzen und damit um die Entwicklung transgener Pflanzen selbst.
({5})
Das ist nicht Aufgabe des Bundes. Nein, das ist Vernichtung von Geldmitteln, da die Agrogentechnik bekanntlich in Deutschland keine Akzeptanz findet und daher
hier kaum zur Anwendung kommen wird. Die Wirtschaft leidet sogar unter der Agrogentechnik. Denken
Sie beispielsweise - das haben wir uns gerade sagen lassen - an die 10 Millionen Euro für den Genreis.
({6})
Genauso wenig wie ich einen Sparzwang als Hintergrund erkennen kann, kann ich einen wissenschaftlichen
Mehrwert bei Ihrem so genannten Konzept für eine zukunftsfähige Ressortforschung erkennen. Infolge des radikalen Umbaus, der kaum einen Stein auf dem anderen
lässt, wird in vielen Einrichtungen in den nächsten Jahren wenig geforscht, aber dafür umso mehr geplant, organisiert und protestiert werden. Dadurch werden viel
Kraft und Arbeitszeit für die Forschung verloren gehen.
Das negative Urteil der nächsten Evaluation der Ressortforschung durch den Wissenschaftsrat ist damit de facto
vorgezeichnet. Das wiederum wird dann - soviel lässt
sich bereits heute vorhersagen - der nächste amtierende
Unionsagrarminister zum Anlass nehmen, die Axt erneut
an die Ressortforschung zu legen.
({7})
Herr Minister, ich bitte Sie, durchbrechen Sie diese Traditionslinie! Werden Sie nicht zum Totengräber der
Agrarforschung, sondern gehen Sie auf die Bremse.
({8})
Noch ist es Zeit, ein wirklich zukunftsfähiges Ressortforschungskonzept zu erarbeiten.
({9})
Ich erteile das Wort Kollegen Wilhelm Priesmeier,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte
Kollegin Behm, ich hatte den Eindruck, Sie hätten den
Kranz für den Sarg für die Leiche Ressortforschung
gleich mitgebracht. Aber ich sehe ihn nicht.
({0})
Ich glaube, Ihre Befürchtungen werden sich nicht bewahrheiten. Zumindest kann ich Ihnen für den Standort
Bernkastel-Kues mitteilen, dass es gelingen wird - davon bin ich fest überzeugt -, gemeinsam mit dem Land
Rheinland-Pfalz
({1})
auch für diesen Standort im Sinne aller Beteiligten eine
tragfähige Lösung zu finden. Das Horrorszenario, das
Sie in Bezug auf die Agrarforschung vortragen, wird
sich bei der nächsten Evaluierung der Agrarforschung in
das Gegenteil verkehren. Ich glaube, das, was an Ansätzen in diesem Konzept steckt, wird dazu führen, dass
sich die Qualität von Agrarforschung in Deutschland
wesentlich verbessern wird.
({2})
Es ist an der Zeit, alte Strukturen zu hinterfragen und
unter Umständen neu auszurichten, um neue Impulse in
den Forschungsbereich zu bekommen. Wir müssen klar
definieren, wohin wir uns im Bereich der Forschung bewegen wollen.
({3})
Da ist zunächst einmal die Voraussetzung, eine Zielbestimmung vorzunehmen. Denn es kann nicht sein, dass
man Forschung nicht den Gegebenheiten und Entwicklungen anpasst, vor denen wir stehen. Dabei ist das Konzept so auszugestalten, dass die einzelnen Bereiche mehr
Verantwortung haben, mehr Eigeninitiative einbringen
und damit auch zu besseren Ergebnissen kommen können.
({4})
Das ist die Zielausrichtung des gesamten Konzeptes. Ich
glaube, auch in dem Zusammenhang werden wir erfolgreich sein.
Eines kann ich Ihnen sagen: Auch für uns als SPD innerhalb der Koalition ist der Bereich der Forschung im
Ökolandbau ein besonderes Anliegen. Das vorgestellte
Konzept ist in der Diskussion gestaltbar. Niemand hat
gesagt, dass es endgültige Festlegungen gibt. Ich glaube,
dass es auch dort gelingen wird, eine vernünftige, tragfähige Lösung zu finden.
({5})
Aber jetzt zum Haushalt. Dieser Haushalt macht genau 1,93 Prozent des Gesamthaushaltes aus. Da könnte
man meinen, Agrarpolitik sei nicht mehr ganz so wichtig. Ich glaube aber, das Gegenteil ist der Fall. Das betrifft auch den Verbraucherschutz. Wir leisten eine große
Aufgabe im Bereich der agrarsozialen Sicherung. Die
Zahlen sind heute schon dargestellt worden. Der Bereich
der Unfallversicherung bereitet uns zunehmend Sorgen
und Kopfzerbrechen.
In diesem Zusammenhang legt die FDP-Fraktion einen etwas wirren, meiner Einschätzung nach sehr unpräzisen Entschließungsantrag vor, dem ich kaum etwas abgewinnen und dem man auch kaum zustimmen kann. In
der Analyse sind einige Fakten richtig dargestellt, aber
eines fehlt natürlich: Wenn es darum geht, die alten Lasten zu beziffern, macht der Antrag überhaupt keine Aussage. Die alten Lasten betragen im Jahr 2006 exakt
410 Millionen Euro. Wenn man davon ausgeht, dass
diese alten Lasten zügig abgebaut werden können: Herr
Geisen, wissen Sie, wie lange es dauert, bis wir auf die
Größenordnung von 200 Millionen Euro kommen? Haben Sie eine Vorstellung? - Haben Sie nicht. Genauso
wenig hätten Sie den Antrag schreiben müssen. Das dauert in etwa bis 2025.
Wer dann als Gegenfinanzierung für eine vermeintliche Umstrukturierung auf verfügbare Finanzreserven
im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verweist, der muss das gefälligst auch präzisieren.
({6})
Sie haben eben zwei Worte gebraucht: Veräußerungserlöse und Forderungsverzicht. Was verstehen Sie darunter? Erläutern Sie mir bitte doch einmal, welche Verkaufserlöse wir dort Ihrer Einschätzung nach einbringen
sollten. Wir bringen bereits jetzt Veräußerungserlöse ein,
die sich aus Rückforderungen von Siedlungsdarlehen ergeben. Die werden wir veräußern, wenn es notwendig
ist. Wenn der Betrag anderweitig erbracht werden kann,
wird das natürlich nicht erforderlich sein.
Ich glaube aber, Ihre Vorstellungen sind bei der Größenordnung der Beträge, die zur Diskussion stehen,
nicht tauglich. Das geringste Gebot war das vom Deutschen Bauernverband mit 785 Millionen Euro. Das
Gebot aus dem Bereich der privaten Versicherungswirtschaft lag jenseits von 2,2 Milliarden Euro. Die Wahrheit dürfte sich irgendwo dazwischen bewegen, Herr
Geisen. Sie müssen in dem Antrag zunächst einmal klar
darstellen, mit welchen Finanzreserven Sie diesen Bereich gestalten wollen.
Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung bzw.
die Koalition in absehbarer Zeit ein Konzept vorlegen
wird, das mit Sicherheit auch eine Beteiligung des Berufsstandes vorsehen wird. Das wird erforderlich sein,
wenn man dort zu vernünftigen Lösungen kommen will.
Man kann sich aus der Veranstaltung nicht dauerhaft
davonstehlen; vielmehr muss man seine Verantwortung
entsprechend wahrnehmen. Durch die Veränderung der
Struktur gibt es unter Umständen die Möglichkeit, zu
gleichen Grundlagen für die Beitragsbemessung in
Deutschland zu kommen und bestehende Ungleichgewichte zu beseitigen.
({7})
So viel zu diesem Bereich.
Was Sie machen - das gilt auch für die FDP, die zu
diesem Haushaltsgesetz 18 Änderungsanträge eingebracht hat -, ist zum Teil Augenwischerei. Sie wollen
zum Beispiel, dass der Ansatz „Tiergerechte Haltungsverfahren“ gestrichen wird, obwohl die Mittel dafür bereits gekürzt worden sind. Wenn Sie diesen Ansatz streichen wollen, frage ich Sie: Welche Bedeutung hat für
Sie der Tierschutz? Außerdem wollen Sie, dass von den
16 Millionen Euro für das Ökolandbauprogramm 14 Millionen Euro gestrichen werden. Ich verweise auf die
Wichtigkeit dieses Bereichs. Gerade im Augenblick ist
der Ökolandbau in Deutschland profitabel; die Nachfrage nach Ökoprodukten entwickelt sich. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Richtigkeit Ihrer Forderung
belegen könnten.
Die Mittel für die GAK möchten Sie um 50 Millionen
Euro kürzen. Ich würde von Ihnen hier gern erfahren,
wie Ihr Verhältnis zur zweiten Säule ist. Ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie dazu in Ihrer Kurzintervention gleich
Stellung beziehen würden. Wer die Umgestaltung der
Gemeinsamen Agrarpolitik - sie war richtig; das wird
mittlerweile von allen anerkannt, auch von denen, die
am Anfang recht zögerlich waren - unterstützt, der erkennt, dass Agrarpolitik mit dem bloßen Verteilen von
Prämien aus der ersten Säule dauerhaft nicht zu machen
ist.
Um dauerhaft Agrarpolitik zu betreiben, bedarf es der
zweiten Säule. Aus diesem Grunde spreche ich mich dafür aus, die zweite Säule durch die Stärkung zusätzlicher
Haushaltsansätze weiterzuentwickeln,
({8})
ein neues Gesamtkonzept der Politik für den ländlichen
Raum zu schaffen - so ist es geplant - und der GAK eine
neue Inhaltsbestimmung zu geben, damit auch der ländliche Raum zukunftsfähig bleibt.
Glauben Sie mir: Mit diesem Haushalt sind wir auf
dem richtigen Wege und wir werden uns den Herausforderungen der Zukunft auch haushaltspolitisch stellen.
Ich danke Ihnen.
({9})
Der Kollege Geisen hat um eine Kürzestintervention
gebeten.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich staune
eigentlich schon, dass einerseits Minister Seehofer und
andererseits Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU
der Meinung sind, dass die Möglichkeit der Umstellung
auf das Kapitaldeckungsverfahren besteht. Herr
Dr. Priesmeier, Sie sprechen sich nun eindeutig dagegen
aus; Sie geben dem keine Chance. Ich bin ferner überrascht darüber, dass Sie der Meinung sind, dass schon in
diesem Bereich des Umlageverfahrens Forderungsverzichte auf Siedlungsmittel eingesetzt werden. So jedenfalls habe ich Sie eben verstanden. Können Sie mir das
etwas näher erläutern?
Ich gebe Ihnen Recht: Es wird im Detail festzustellen
sein, welches Volumen an Forderungsverzichten auf die
alten Siedlungsmittel gerade aus dem Bereich der Landwirtschaft noch zur Verfügung steht. Danach werde ich
in zunehmendem Maße fragen.
Außerdem werde ich danach fragen, welche Möglichkeiten wir haben, Kapitalveräußerungen vorzunehmen,
um das System umzustellen, ohne den Haushalt weiter
zu belasten. Mittelfristig - in einem Zeitraum von
20 Jahren - nimmt der Finanzbedarf ab. Gefordert wird,
auf das System der Kapitaldeckung umzustellen. Ich
sehe in einer solchen Umstellung eine ganz große
Chance. Ich möchte gerne wissen, warum Sie darin
keine Chance sehen.
({0})
Kollege Priesmeier, bitte.
Herr Kollege Geisen, dazu kann ich Ihnen zunächst
einmal sagen: Wenn Sie meinen Äußerungen entnommen haben, dass ich diese Option nicht ernsthaft in Erwägung ziehe, dann haben Sie mich missverstanden.
Gerade im Ministerium gibt es, auch dank eines entsprechenden Gutachtens, allergrößte Anstrengungen, erneut
zu prüfen, ob diese Möglichkeit besteht. Wenn wir die
Zahlen auf dem Tisch haben - ich glaube, das Gutachten
ist fertig;
({0})
dann wird es uns in den nächsten Tagen oder Wochen zugehen -, können wir auf dieser dann neuen Grundlage
- die alten Gutachten taugen ja nicht mehr - überlegen,
welche Möglichkeiten der Gestaltung es gibt.
Wenn Sie hier einen solch unpräzisen Antrag auf den
Tisch legen, noch nicht einmal eine Größenordnung oder
Ross und Reiter nennen und nur von anonymen Finanzierungsquellen reden, die durch nichts belegt sind, dann
kann ich dem natürlich nicht folgen. Das war Inhalt meiner Kritik.
({1})
Ich erteile das Wort Kollegen Peter Bleser, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich
vor einem Jahr die jetzt folgenden Zahlen vorgetragen
hätte, hätten Sie an meinem Verstand gezweifelt.
({0})
Wir hatten im Oktober vor einem Jahr 471 000 Arbeitslose mehr. Wir haben heute 278 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr. Wir
haben im laufenden Jahr 10 Milliarden Euro Schulden
weniger und wir werden im nächsten Jahr
18 Milliarden Euro Schulden weniger haben.
({1})
Meine Damen und Herren, endlich stimmen die Prognosen wieder, die aufgestellt werden; sie werden sogar
noch positiv übertroffen.
({2})
Zwischen Ankündigung und Eintritt eines Ereignisses ist
wieder eine klare Linie erkennbar. Auch das ist etwas,
was wir mit großer Freude feststellen können.
Dies ist keine Folge von irgendwelchen Zufällen. Wir
haben in diesem Haus in der Koalition in den letzten
Monaten eine Menge unangenehmer Entscheidungen
treffen müssen, wofür wir auch gescholten worden sind.
Deswegen haben wir einen Anspruch darauf, diesen Erfolg für uns zu reklamieren. Es ist ein Erfolg der Bundeskanzlerin Merkel und ein Erfolg dieser Koalition.
Darauf dürfen wir mit Recht Stolz sein.
({3})
In der Agrarwirtschaft hat ein Stimmungsumschwung stattgefunden, der seinesgleichen sucht. Stand
das Agrarkonjunkturbarometer noch im Dezember 2005
bei nur 4,2 Punkten,
({4})
so hat es sich jetzt mehr als verdreifacht, nämlich auf
14,4 Punkte. Auf der „Euro-Tier“ in Hannover meldete
die DLG, dass bei 58 Prozent der Tierhalter Investitionsabsichten bestehen.
({5})
Meine Damen und Herren, wir erleben eine Investitionswelle in der Landwirtschaft und ich frage Sie: Ist das
nicht der beste Beweis dafür, dass die Politik dieser Bundesregierung und dieses Bundesministers Seehofer ein
großer Erfolg ist?
({6})
Eigenlob ist mir unangenehm.
({7})
Da die Opposition die Erfolge der letzten zwölf Monate
nicht aufzählt, bleibt mir aber nichts anderes übrig, als
dies selbst zu tun. Allerdings ist meine Redezeit nur sehr
kurz.
({8})
Herr Goldmann, wenn ich jetzt sehr schnell vortrage,
bitte ich um Nachsicht. Ich gebe Ihnen nachher die Liste;
dann brauchen Sie es nicht mitzuschreiben.
({9})
Zur Erinnerung also Folgendes: Gleich nach Regierungsantritt haben wir die Zuckermarktordnung geregelt,
({10})
danach den Gammelfleischskandal bestanden, ein ZehnPunkte-Programm aufgelegt, anschließend die Vogelgrippe nach streng wissenschaftlichen Empfehlungen
beherrscht,
({11})
danach die Tierhaltungsverordnung für Hennen und
Schweine auf den Weg gebracht
({12})
und Investitionssicherheit hergestellt, bei BSE das Testalter auf EU-Standard angehoben, die Vorsteuerpauschale gerettet - mit 10,7 Prozent und 0,2 Prozentpunkten Bonus als nachholende Entschädigung -,
({13})
das Hufbeschlagsgesetz und ein Statistikbereinigungsgesetz verabschiedet,
({14})
die Biotreibstoffbesteuerung
({15})
so gestaltet, dass auch die reinen Biotreibstoffe eine
Chance haben.
({16})
Ich sage auch hier: Wir müssen darauf achten, dass wir
die Überkompensationsprüfung rechtzeitig durchführen,
damit das nicht wegbricht. Aber auch da sind wir einer
Meinung. Wir haben ein Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter Einstandspreis in den Eckpunkten fertig.
({17})
Wir haben ein Verbraucherinformationsgesetz verabschiedet und haben den Verbraucherschutz auch für den
grenzüberschreitenden Warenverkehr durchgesetzt. Wir
haben uns dafür eingesetzt, dass die Roaminggebühren
auf europäischer Ebene gesenkt werden. Wir werden in
der nächsten Woche - der Kollege Zöllmer hat es schon
angesprochen - beim Telekommunikationsgesetz einen
weiteren Durchbruch feststellen können. Zum Reinheitsgebot des Weines haben wir eine Eilverordnung erlassen,
gemäß der das Versetzen von Prädikatsweinen mit Holzchips verboten ist. Das ist konkret angewandtes Reinheitsgebot.
({18})
All das haben wir gemacht. - Wenn Sie jetzt glauben,
uns würde die Puste ausgehen, dann täuschen Sie sich.
({19})
Wir haben uns gerade erst warm gelaufen.
Wir werden die Landwirtschaft in den nächsten Monaten zukunftsfest machen müssen. Dabei hilft uns - das
ist in der Tat wahr - die Marktsituation. Für die derzeit
gute Marktsituation gibt es aber auch eine Ursache:
Weltweit bemühen sich derzeit Gott sei Dank viele Staaten um eine Reduktion der CO2-Emissionen und legen
Anreizprogramme auf, die die Verwendung von Biotreibstoffen oder Energie aus nachwachsenden Rohstoffen fördern. Wir haben es erstmals in der Geschichte
erreicht, dass Energie- und Nahrungsmittelpreise aneinander gekoppelt sind. Das ist eine Botschaft, die
junge Leute hoffnungsvoller stimmt als alle staatlichen
Hilfsprogramme zusammen. Das ist eine gute Entwicklung. Darauf sollten wir aufbauen.
({20})
Wir müssen auch weiterhin daran arbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrarwirtschaft zu verbessern. Deswegen haben wir im Bundesministerium
eine Stabsstelle zur Exportförderung eingerichtet. Deswegen nehmen wir Maßnahmen zur Entbürokratisierung
auf europäischer Ebene vor und wollen dafür sorgen,
dass das Instrument der Flächenstilllegungen abgeschafft wird. Deswegen wollen wir auch in der Milchwirtschaft für mehr Marktwirtschaft sorgen
({21})
und unsere Betriebe auf die Abschaffung der Quotenregelung im Jahr 2015 vorbereiten. All das sind gute Maßnahmen.
Deswegen müssen wir auch die Grüne Gentechnologie befördern. Dass wir in diesem Punkt noch nicht weiter sind, kann man bejammern. Aber bei einem so komplexen Thema muss man solide vorgehen. Ich hoffe, es
gelingt uns, in den nächsten Wochen eine entsprechende
Festlegung vorzunehmen. Eines möchte ich aber in diesem Hause nicht mehr hören: das Wort „Nachbesserung“. Auf dieses Instrument musste diese Koalition bisher noch nicht zurückgreifen; so soll es auch bleiben.
({22})
Wir müssen also die Sorgen, die diese Technologie auslöst, ernst nehmen, aber auch die Chancen, die sich hierdurch in der Zukunft bieten, wahrnehmen und im Interesse der Beschäftigten umsetzen. Damit befördern wir
insgesamt den Wohlstand.
Wir müssen in den nächsten Monaten aber auch die
Nutzung von Industriegetreide zu Heizzwecken ermöglichen
({23})
und die entsprechenden Entscheidungen treffen, wie im
Bundes-Immissionsschutzgesetz die Genehmigungsverfahren für Kälber- und Rinderställe ausgestaltet werden.
Aber auch da sind wir auf einem guten Weg. Ich bin sehr
hoffnungsvoll, dass uns auch dies gelingen wird.
Auf die Sozialversicherungen wurde hier schon mehrfach eingegangen. Es ist, wie ich glaube, gut, dass wir
hier wissenschaftlich vorgehen, die gewonnenen Zahlen
analysieren und dann entscheiden, ob eine Kapitaldeckung möglich ist oder nicht. Es wäre in der Tat - da sind
wir uns, wie ich glaube, in diesem Hause alle einig - sehr
wünschenswert, wenn es darstellbar wäre,
({24})
in diesem Bereich eine kapitalgedeckte Unfallversicherung umzusetzen, die auch langfristig Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen und Familien bietet.
Das erste Regierungsjahr war auch durch Fragen des
Verbraucherschutzes geprägt. Ich sage es an dieser Stelle
noch einmal: Beim vorsorgenden Verbraucherschutz
sind wir kompromisslos. In den letzten Monaten haben
wir, sobald Zweifel an der Unschädlichkeit von Zusatz6774
stoffen oder anderen Bestandteilen von Lebensmitteln
laut wurden, im Ausschuss Berichte beantragt und sind
bestrebt gewesen, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Es wurde uns deswegen der Vorwurf gemacht, dass
wir über jedes Stöckchen springen, das man uns hinhält.
Diesen Vorwurf kann man so stehen lassen. Andererseits
haben wir die Themen aufgegriffen, nichts verheimlicht
und nichts verharmlost. Deshalb ist es auch gelungen,
Lösungsansätze für die von Vogelgrippe, Gammelfleisch
oder Cumarin ausgehenden Gefahren zu finden.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, der Start der
großen Koalition ist gelungen. Wir haben insbesondere
im Bereich von Landwirtschaft und Verbraucherschutz
für mehr Zukunftssicherheit und mehr Hoffnung gesorgt.
Deswegen dürfen wir ein Jahr schwarz-rote Regierung
als großen Erfolg feiern. Ich hoffe, das wird im Anschluss an diese Debatte auch noch ausgiebig geschehen.
Herzlichen Dank.
({25})
Als letzter Rednerin erteile ich Elvira DrobinskiWeiß, SPD-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2007 werden die zentralen finanzpolitischen Eckpfeiler erstmals seit 2001 wieder eingehalten.
Die Ausgaben für Investitionen übersteigen die Neuverschuldung. Die insgesamt positiven Rahmenbedingungen bewahrten jeden einzelnen Haushalt vor weiteren
gravierenden Kürzungen und ermöglichen die konsequente Verfolgung der im Koalitionsvertrag definierten
politischen Ziele.
Im Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht es um verlässliche Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft
und um den Schutz und die Rechte der Verbraucherinnen
und Verbraucher.
Die großen Themen, die hier zur besten Redezeit,
nämlich zur Sendezeit, behandelt werden, sind leider selten verbraucherpolitische Themen, es sei denn, es gibt
gerade einen großen Lebensmittelskandal. Dann kommen auch wir Verbraucherpolitikerinnen und Verbraucherpolitiker in den Genuss erhöhter Aufmerksamkeit.
Die großen Themen kommen zum Beispiel aus dem Bereich Wirtschaft, Arbeit oder Gesundheit. Aber Verbraucherpolitik ist Wirtschaftspolitik, Gesundheitspolitik und
noch vieles mehr; denn Verbraucherpolitik ist das, was
wirklich bei den Menschen ankommt.
({0})
Jeder Mensch ist Verbraucher. Hier wird Politik erfahrbar und greifbar.
Einige Beispiele dazu. Verbraucherpolitik ist Wirtschaftspolitik. Was wäre die Wirtschaft ohne Nachfrage?
Aus einem übergroßen Angebot können die Menschen
auswählen, was sie essen, kaufen, welche Dienstleistungen sie in Anspruch nehmen oder welche Verträge sie
abschließen wollen. Aber nur wer informiert ist, kann
Qualität bewusst nachfragen. Unser Leitbild ist der aufgeklärte Verbraucher, der auf gleicher Augenhöhe mit
der Wirtschaft den Markt aktiv mitgestaltet. Deshalb hat
diese Bundesregierung mit dem Verbraucherinformationsgesetz das Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Information über die auf dem Markt befindlichen Produkte erstmals - ich betone: erstmals - in
einem eigenen Gesetz geregelt.
({1})
Auch wenn wir das Recht auf Information an einigen
Punkten noch ausbauen wollen und müssen, ist das ein
Erfolg.
Aber auch die Wirtschaft muss ihre Verantwortung
wahrnehmen und für einwandfreie Ware auf dem Markt
und für Information sorgen. Leider ist das nicht immer
der Fall. Gammelfleisch mit illegalem Gentechnikreis an
pestizidbelasteten Beeren: Aus der Liste der ungenießbaren Nahrungsmittel, die in der letzten Zeit die Schlagzeilen beherrschten, lassen sich mühelos ganze Menüs zusammenstellen. - Dass sich auf dem Lebensmittelmarkt
etwas tun muss, ist, denke ich, unbestritten. Neben Lebensmittelkontrollen und harten Sanktionen bei Verstößen ist Transparenz das wichtigste Instrument gegen
Lebensmittelskandale. Deshalb muss auch die Wirtschaft dafür sorgen, dass Lebensmittel lückenlos rückverfolgbar sind, damit mangelhafte Produkte schnell
identifiziert und vom Markt genommen werden können
und damit sich die Wirtschaftsbeteiligten gegenseitig
kontrollieren.
Hochwertige Nahrungsmittel allein reichen aber nicht
aus, um sich gesund zu ernähren. Die Menschen müssen
auch wissen, wie man mit dem vielfältigen und reichlichen Angebot umgeht, wie man was zubereitet und was
der Körper braucht, um gesund zu bleiben. Verbraucherpolitik ist nämlich auch Gesundheitspolitik. Ernährungsbedingte Krankheiten nehmen dramatisch zu. Immer mehr Kinder und Jugendliche sind zu dick und haben
deshalb psychische und körperliche Probleme. Falsche
Ernährung macht krank. Das hat enorme Auswirkungen
auch auf die Kosten für unser Gesundheitssystem. Aber
auch für den Einzelnen ist Gesundheit entscheidend für
die Lebensqualität und seine Leistungsfähigkeit. Wir
brauchen Ernährungsaufklärung. Wir müssen das Bewusstsein der Menschen für Wert und Wirkung der Lebensmittel als Mittel zum Leben ebenso stärken wie das
Wissen über die Art der Lebensmittelerzeugung.
({2})
Die Art der Lebensmittelerzeugung bringt mich zum
Stichwort Grüne Gentechnik. Im Zusammenhang mit
dem Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelproduktion ist Verbraucherpolitik gleichzeitig Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik und auch Umweltpolitik. Die Verbraucher lehnen Grüne Gentechnik mit großer Mehrheit
ab. Deshalb müssen bei diesem sensiblen Thema drei
Leitsätze gelten.
Erster Leitsatz. Der Schutz von Mensch und Umwelt
hat Priorität. Dabei gilt der Vorsorgegrundsatz. Alle anderen Interessen, zum Beispiel wirtschaftlicher Art, sind
diesem Leitsatz unterzuordnen.
Zweiter Leitsatz. Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen darf nicht zulasten der gentechnikfreien
Landwirtschaft gehen. Deshalb müssen auch für Schäden
durch GVO-Verunreinigungen unterhalb des Schwellenwertes von 0,9 Prozent Ausgleichsansprüche geltend gemacht werden können.
({3})
Wenn Abnehmer von den Landwirten die Einhaltung
niedrigerer Schwellenwerte oder gar Gentechnikfreiheit
verlangen, dann dürfen Landwirte, die unverschuldet auf
ihrer Ernte sitzen bleiben, nicht ohne Anspruch auf Ausgleich sein. Alles andere wäre eine Existenzbedrohung
für die Bauern.
Wer die gentechnikfreie Lebensmittelproduktion nicht
vor gentechnischen Verunreinigungen schützt, riskiert
nicht nur das Vertrauen der Verbraucher, sondern würgt
auch einen boomenden Wirtschaftssektor samt Arbeitsplätzen ab, nämlich die ökologische Lebensmittelbranche, die uns heute schon einige Male beschäftigt hat. Bei
stetig steigender Nachfrage hat sich hier die Anzahl der
Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren auf über 150 000
verdoppelt.
Dritter Leitsatz. Die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Landwirte muss gewährleistet bleiben.
({4})
Zur Wahlfreiheit gehört Transparenz. Wissen, was drin
ist - das muss auch für die Landwirte gelten. Damit sie
sich bewusst für oder eben gegen Gentechnik entscheiden können, brauchen wir auf EU-Ebene eine Kennzeichnungspflicht für GVO-haltiges Saatgut, die sich an
der Nachweisgrenze orientiert.
({5})
Noch ein Beispiel für das Zusammenspiel zwischen
Verbraucherpolitik und Gesundheitspolitik ist der Schutz
vor Passivrauchen.
({6})
Einen großen Schritt in diese Richtung haben wir bereits
dieses Jahr vollzogen, als wir die EU-Richtlinie zur Tabakwerbung in nationales Recht umgesetzt haben. Auch
wenn die Droge Tabak legal ist: Rauchen ist eine Sucht,
die massiv die Raucher selbst, aber auch die Menschen
in ihrer Umwelt schädigt.
({7})
Rauchen ist das größte vermeidbare Risiko. Es war
höchste Zeit, die Werbung, die den Rauchkonsum fördert, zu verbieten. Diesen Weg wollen wir konsequent
weitergehen und fordern die Regierung auf, einen Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz zu erarbeiten.
({8})
Zur Stärkung der Kundenrechte im öffentlichen
Personenverkehr. Es ist bereits in der letzten Legislaturperiode diskutiert worden, ob es ausreicht, über freiwillige Selbstverpflichtungen der Anbieter Minderungsbzw. Schadenersatzansprüche der Kunden gegenüber
den Anbietern im Fall von Verspätungen oder Ausfall zu
regeln und damit auch mehr Kundenfreundlichkeit zu erreichen. Das kann der Kunde nicht alleine durchsetzen.
Hier wurde die erfolgreiche Schlichtungsstelle Mobilität
eingerichtet. Diese Projektförderung läuft aber nur über
drei Jahre und eine dauerhafte Trägerschaft des Bundes
ist hier nicht angestrebt. Deshalb wollen wir darauf hinwirken, dass die Verkehrsunternehmen selbst diese Aufgabe als Imagepflege verstehen und die Kosten der
Schlichtungsstelle tragen.
({9})
Der Bundeshaushalt 2007 ist solide. Auch wenn uns
die Gesamtlage der öffentlichen Haushalte dazu verpflichtet, die Konsolidierungspolitik weiterhin verantwortungsvoll und zielgerichtet fortzusetzen: Wir haben
Schwerpunkte gesetzt, indem wir zum Beispiel die Zuschüsse an die Vertretung der Verbraucher sowie an die
Stiftung Warentest konstant hielten und keineswegs gekürzt haben. Denn wir müssen für einen Ausgleich der
Kräfteverhältnisse auf dem Markt sorgen und die Rechte
der Verbraucher stärken.
Vielen Dank.
({10})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 10 ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 24. November 2006,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche allseits eine
gute Nacht.