Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie alle herzlich, liebe Kolleginnen und
Kollegen, freue mich über die allgemeine Freude über
die heutige Tagesordnung und habe heute auch keine
Veränderungen der ausgedruckten Tagesordnung anzu-
kündigen.
Wir können gleich, wie vereinbart, zu den Tagesord-
nungspunkten 22 a bis 22 f kommen:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der
Gesetzlichen Krankenversicherung ({0})
- Drucksache 16/3100 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit ({1})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von
Fusionsprozessen von Krankenkassen
- Drucksache 16/1037 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit ({2})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank
Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Dem Gesundheitswesen eine stabile Finanzgrundlage geben
- Drucksache 16/3096 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit ({3})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Gutachten 2005 des Sachverständigenrates
zur Begutachtung der Entwicklung im
Gesundheitswesen
Koordination und Qualität im Gesundheitswesen
- Drucksache 15/5670 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit ({4})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze ({5})
- Drucksache 16/2474 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ({6})
- Drucksache 16/3157 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Harald Terpe
f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit ({7}) zu dem Antrag der Abgeordneten Frank
Redetext
Präsident Dr. Norbert Lammert
Spieth, Dr. Martina Bunge, Inge Höger-Neuling,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
LINKEN
Erlass der Rechtsverordnung zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich
gemäß § 268 Abs. 2 SGB V
- Drucksachen 16/1511, 16/3153 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Carola Reimann
Ich weise darauf hin, dass wir später über das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz sowie über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum
Antrag der Fraktion Die Linke betreffend Erlass der
Rechtsverordnung zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich - ich vermute, jeder weiß ganz genau,
was damit gemeint ist - namentlich abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Bundesministerin Ulla Schmidt.
({8})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Gesetzentwurf zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine gute Grundlage,
die Gesundheitsversorgung in Deutschland auch in Zukunft sicherzustellen.
({0})
Der Gesetzentwurf macht deutlich: Die große Koalition beugt sich nicht dem Druck der Lobbygruppen. Wir
bringen Reformen auf den Weg, weil wir wissen, dass
Gesundheitspolitik immer Politik für 82 Millionen Menschen in diesem Land ist und sich Einzelinteressen, so
berechtigt sie im einzelnen Fall sein mögen, dem Gesamtinteresse unterordnen müssen.
({1})
Wir haben in Deutschland aus guten Gründen kein
staatliches und auch kein rein privates Gesundheitswesen. Der Staat ist jedoch immer gefordert, den Rahmen
für einen Wettbewerb um die beste und wirtschaftlichste
Versorgung an geänderte Bedingungen anzupassen.
Diese Gesundheitsreform kommt in schwierigen ökonomischen Zeiten ohne Leistungseinschränkungen für die
Versicherten und ohne höhere Zuzahlungen für die kranken Menschen aus. Im Gegenteil: Wo es notwendig ist,
wird der Leistungskatalog erweitert, etwa bei der besseren Versorgung sterbender Menschen, das heißt in der
Palliativmedizin. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn
diese Hilfe für ein Sterben in Würde von manchen Funktionären als überflüssige Leistungsausweitung kritisiert
wird.
({2})
Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet mehrere
Reformen: eine Strukturreform, eine Finanzreform, eine
Organisationsreform und eine Reform der privaten
Krankenversicherung.
Bei der Reform der Strukturen des Gesundheitswesens gehen wir den Weg der Modernisierung konsequent weiter. Wir schaffen mehr Wahlmöglichkeiten für
die Versicherten: zwischen den Kassen, zwischen unterschiedlichen Tarif- und Versorgungsangeboten sowie
zwischen den Leistungserbringern. Wir setzen Anreize
zu wirtschaftlichem Verhalten von Patienten und Ärzten.
Wir bauen die Möglichkeiten von Krankenkassen und
Leistungserbringern aus, Einzelverträge zu schließen
und die Grenzen zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen - niedergelassene Praxis und Behandlung im Krankenhaus; Versorgung durch Ärzte und
durch Vertreter nicht ärztlicher medizinischer Berufe;
Krankenhaus und Rehabilitation - zu überwinden. Dem
dienen die erweiterten Möglichkeiten zur integrierten
Versorgung, wobei in die integrierte Versorgung in Zukunft auch die Pflege einbezogen werden soll.
Damit die Bürgerinnen und Bürger Nutznießer dieser
Veränderungen werden, verpflichten wir die Krankenkassen, ihren Mitgliedern Hausarzttarife anzubieten. Wir
stärken die Rechtsansprüche gesetzlich Krankenversicherter zum Beispiel auf Impfungen oder auf Leistungen
der medizinischen Rehabilitation auch im Alter.
Wir wollen nicht, dass die Frage, ob für einen älteren
Menschen, der einen Schlaganfall hatte und pflegebedürftig ist, alles getan wird, damit seine Selbstständigkeit so lange wie möglich erhalten bleibt, weiterhin im
Ermessen der Krankenkassen liegt. Wir wollen, dass jeder ältere Mensch einen Rechtsanspruch darauf hat, dass
alles getan wird, was zur Erhaltung seiner Selbstständigkeit und zur Wahrung seiner Würde notwendig ist.
({3})
Damit reagieren wir zugleich auf die demografische
Entwicklung der Gesellschaft. Die Menschen leben länger. Wir alle haben die Chance, auch nach dem Eintritt
ins Rentenalter noch 20 oder 30 Jahre ganz gut zu leben.
Wir wollen, dass die Menschen, so lange es geht, in ihrer
gewohnten Umgebung und so selbstständig wie möglich
leben können.
({4})
Insofern geben wir mit diesem Gesetz eine Antwort auf
die Herausforderung des demografischen Wandels.
Wir stellen die Vergütung der niedergelassenen
Ärztinnen und Ärzte auf eine neue Grundlage. Auch
dies tun wir, weil wir wollen, dass jeder Einzelne in diesem Land eine gute medizinische Versorgung erhält.
Deshalb heben wir die geltenden Budgets zum 1. Januar
2009 auf. Wir wollen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds - er führt zu einer gerechteren Verteilung
der Mittel, die in die gesetzliche Krankenkasse fließen erreichen, dass krankheitsbedingte Mehrlasten nicht
mehr zulasten der Ärzte gehen, sondern von der Versichertengemeinschaft getragen werden, damit eine gute
Versorgung überall möglich ist.
({5})
Außerdem wird die ärztliche Leistung im Rahmen bestimmter Mengen zu Preisen in Euro und Cent vergütet.
Wir wollen, dass junge Ärzte und Ärztinnen planen
können, wenn sie eine Praxis eröffnen. Die gut ausgebildeten Menschen in unserem Land sollen auch in die Regionen gehen, wo medizinische Versorgung nachgefragt
wird. Wir wollen Anreize dafür setzen, dass die Mediziner und Medizinerinnen nicht nur nach München, Hamburg, Köln oder in andere Großstädte, sondern auch nach
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, in den Bayerischen Wald, in die Eifel und andere Regionen gehen.
({6})
Die Veränderungen im Arzneimittelbereich und bei
der Versorgung mit Hilfsmitteln stehen beispielhaft für
mehr Wettbewerb. Rabatte und Ausschreibungen helfen,
die Kosten zu senken. Auch die neue Kosten-NutzenBewertung vermeidet künftig überflüssige Ausgaben.
Es gibt viele Arzneimittel, die sehr viel Geld kosten.
Wenn diese Arzneimittel tatsächlich dazu dienen, Krankheiten besser zu behandeln, dann werden die Kassen
diese Preise bezahlen. Es gibt aber viele Arzneimittel,
deren Wert und Nutzen nicht höher als der von anderen
Mitteln ist, die heute auf dem Markt sind. Wir treffen für
die Zukunft eine Regelung, nach der nur das, was mehr
nutzt, mehr kosten darf. Ein Arzneimittel, das nicht mehr
nutzt, darf nicht mehr als andere Mittel, die sich bereits
auf dem Markt befinden, kosten. Auch das dient einer
guten Versorgung der Patientinnen und Patienten. So setzen wir das Geld der Versicherten im Gesundheitswesen
wirklich effizient und effektiv ein.
({7})
Wir entscheiden heute in zweiter und dritter Lesung,
über Verbesserungen beim Recht der Vertragsärzte.
Ärztinnen und Ärzte haben in Zukunft mehr Freiheit, zu
entscheiden, wie und wo sie sich niederlassen. In Zukunft wird es möglich sein, dass ein Arzt oder eine Ärztin zum Beispiel eine Teilzulassung für eine Praxis erhält.
Damit werden wir auch beim Arztberuf dem Wunsch
gerecht, Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, und wir gehen einen Schritt dahin, dass gut ausgebildete Ärztinnen in unserem Lande die Chance haben,
Beruf und Kindererziehung miteinander zu vereinbaren.
Denn wir wollen Ärztinnen, die in Regionen dieses Landes gehen, in denen wir eine gute Versorgung brauchen.
Die Freiheit, die ärztliche Tätigkeit teilweise im Krankenhaus und teilweise in der niedergelassenen Praxis
ausüben zu können, eröffnet vielen Berufseinsteigern
neue Perspektiven.
In Zukunft werden wir alles, was einer solchen Tätigkeit heute entgegensteht, beseitigen und alles, was hilft,
die Grenze zwischen ambulanter und stationärer Tätigkeit zu überwinden, ermöglichen. Mit diesen Veränderungen bringen wir moderne Strukturen auf den Weg
und wir werden den Arztberuf damit attraktiver machen.
({8})
Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang eine Anmerkung zu den Drohungen mancher Funktionäre in diesen Wochen - insbesondere aus den Facharztverbänden -,
man werde aus den Kollektivverträgen austreten. Ich
rate dazu, sich einen solchen Schritt gut zu überlegen. Es
gibt viele, die einen solchen Schritt begrüßen würden.
Deshalb sage ich allen, die die Ärzte auf die Straßen
schicken wollen: Weisen Sie auch darauf hin, was die
Folgen des Austritts der Ärzte aus den Kollektivverträgen sein werden! Das würde sicherlich ein schnelles
Ende der im Ausland weitgehend unbekannten doppelten Facharztstruktur bedeuten. Die Kassen würden den
Sicherstellungsauftrag durch die Öffnung der Krankenhäuser erfüllen. Und die niedergelassenen Ärztinnen und
Ärzte müssten sich dann um Verträge bewerben. Das
kann man wollen und das kann man auch alles organisieren. Aber ich bin dafür, den Ärzten, die man auf die
Straße schickt, reinen Wein bezüglich der Konsequenzen
einzuschenken.
({9})
Dann werden wir weitersehen.
Das Kernstück der Reform ist die Neuordnung der
Finanzierung mit der Einrichtung eines Gesundheitsfonds, der einen neuen Risikostrukturausgleich erst ermöglicht. Es wird viel von einem bürokratischen Monster geredet.
({10})
Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Schon heute führt
das Bundesversicherungsamt einen Finanzkraftausgleich, der unvollständig ist, und einen Risikostrukturausgleich durch, der ebenfalls unvollständig und nicht
zielgenau ist. Mit dem Gesundheitsfonds werden wir das
verbessern.
({11})
Wir organisieren diese Finanzströme künftig so, dass
dieselben Mitarbeiter des Bundesversicherungsamtes,
die heute den Risikostrukturausgleich und den Finanzkraftausgleich durchführen, in Zukunft die Gelder der
Versicherten bündeln und dafür sorgen, dass diese Gelder gerecht verteilt werden, damit überall in Deutschland
- auf dem Land, in der Stadt und in jeder Region - eine
gute medizinische Versorgung organisiert werden kann.
({12})
- Es wundert mich sehr, dass jemand von der Linkspartei
({13})
sich dagegen ausspricht, dass wir dafür sorgen, dass in
die neuen Bundesländer Geld fließt, um Ärztinnen und
Ärzte zur Niederlassung in diesen Regionen zu bewegen, was die Menschen dort brauchen. Darüber sollten
Sie einmal nachdenken.
({14})
Unterschiedliche Krankheitsrisiken und unterschiedliche Einkommensstrukturen werden so ausgeglichen.
Die Kassen erhalten aus dem Fonds das, was sie zur
durchschnittlichen Versorgung ihrer Versichertenstruktur
benötigen. Dann wird sich zeigen, welche Kasse tatsächlich wirtschaftlich mit dem Geld der Versicherten umgeht.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir wollen mehr
Transparenz, damit die Versicherten sehr viel besser
darüber urteilen können, ob die einzelne Kasse gut wirtschaftet oder nicht, ob eine Kasse sich bemüht, zum Beispiel Zusatzbeiträge zu verhindern, gute Versorgungsangebote zu organisieren, gute Tarife anzubieten und
von den neuen Möglichkeiten der Preis- und Rabattverhandlungen Gebrauch zu machen.
Deswegen gehen wir diesen Weg. Viele Kassen werden damit gut zurechtkommen. Es wird viele Kassen geben, die Beiträge zurückerstatten können, und ebenso
Kassen, die einen Zusatzbeitrag erheben müssen. Aber
weil die Versicherten erstmals Vergleichsmöglichkeiten
haben, werden sie wahrscheinlich mehr von ihrem
Wechselrecht Gebrauch machen, als das heute der Fall
ist. Die Versicherten werden sehen: Überall werden die
gleichen Leistungen angeboten und die Risiken für die
Kassen werden ausgeglichen. Deshalb können sich die
Versicherten entscheiden, ob ihnen ihre Kasse einen Zusatzbeitrag wert ist oder ob sie in eine andere Kasse
wechseln, in der sie keinen Zusatzbeitrag zahlen müssen.
So funktioniert das. Ich glaube, das ist notwendig, damit
von den Versicherten Druck auf die Kassen ausgeübt
wird, vernünftig mit den Geldern umzugehen.
Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich, dass ich kein
Verständnis dafür habe, dass Vorsitzende von großen
Kassen sagen, in Zukunft eine Politik machen zu wollen
nach dem Motto: Wenn du arm bist, musst du früher
sterben. - Sie sollten sich überlegen, ob sie an der Spitze
einer Krankenkasse richtig sind, und sollten darüber
nachdenken, dass sie ein Vielfaches des Gehalts ihrer
Versicherten, die die Beiträge zahlen müssen, erhalten. Das ist nicht die Krankenkasse, wie wir sie wollen.
({15})
Krankenkassen sollen vielmehr Anwälte der Versicherten sein, ihre Vertreter, die Lobby für die versicherten Menschen, die kranken Menschen. Sie müssen sich
als Dienstleister in diesem Bereich begreifen. Ich glaube,
da ist eine ganze Menge an Veränderungen nötig. Dazu
gehört die Entschlackung der Strukturen in den
Krankenkassen. Wir brauchen weder 250 Krankenkassen noch sieben Spitzenverbände mit sieben Vorständen.
Hier gilt, dass alles so durchforstet und neu organisiert
werden muss,
({16})
dass dabei möglichst wenig Versichertengelder ausgegeben werden; denn wir brauchen diese Gelder für die Versorgung kranker Menschen.
({17})
Der letzte Punkt: Wir reformieren auch die private
Krankenversicherung.
({18})
Erstmals wird die private Krankenversicherung sich dem
Wettbewerb stellen müssen. Man sieht schon jetzt, dass
die Unternehmen Furcht davor haben. Die, die immer
von Wettbewerb reden, fürchten den Wettbewerb mehr
als der Teufel das Weihwasser. Die privat Versicherten
erhalten den Rechtsanspruch, ihre Altersrückstellungen
mitzunehmen; auch sie müssen das Recht haben, zu fairen Bedingungen von einem Unternehmen in ein anderes
zu wechseln.
Wir werden allen nicht versicherten Menschen und allen, die originär zur privaten Krankenversicherung gehören, den Rechtsanspruch geben, ohne Ansehen ihres
Krankheitsrisikos zu einem Basistarif versichert zu werden, wie es heute auch bei den gesetzlich Versicherten
der Fall ist, und zwar zu bezahlbaren Preisen. Das ist einer der Punkte, über die ich besonders froh bin: dass in
Zukunft in Deutschland niemand mehr ohne Krankenversicherungsschutz bleiben muss. Das ist eine der
wichtigsten sozialpolitischen Errungenschaften, die wir
mit diesem Gesetz auf den Weg bringen.
({19})
Viele Menschen - mehr, als wir glauben - warten darauf.
Ich bitte Sie, in den kommenden Wochen mit uns dieses Gesetz zu diskutieren. Diese Reform hat ein zentrales Anliegen. Es lautet: eine gute medizinische Versorgung für 82 Millionen Menschen. Dahinter müssen alle
Lobbyinteressen zurücktreten. Das ist jedenfalls das
Ziel, das sich die große Koalition gesetzt hat.
Vielen Dank.
({20})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Daniel Bahr für die
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Was waren das für große Erwartungen an eine
große Gesundheitsreform, die diese Koalition geweckt
hat,
({0})
und was ist das für eine breite Ablehnungsfront, die
dieser Reform entgegenschlägt! 90 Prozent der Bevölkerung lehnen die Reform ab. Sie sollten die Ablehnung
nicht einfach ignorieren, meine Damen und Herren. Sie
Daniel Bahr ({1})
schützen sich, indem Sie die Kritiker als Lobbyisten bezeichnen und ihnen Besitzstandswahrung vorwerfen.
Aber es sollte Sie doch beeindrucken, wenn ehemalige
Gegner sich gegen diese Reform verbünden: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften,
({2})
gesetzliche Krankenkassen und Privatversicherungen,
Ärzte und Patientenverbände lehnen in Erklärungen
diese Reform gemeinsam ab. Das ist eine Leistung, die
wir uns vor einem Jahr noch nicht hätten vorstellen können. Wir hätten uns nicht vorstellen können, dass der
DGB und die Arbeitgeberverbände eine gemeinsame
Presseerklärung gegen diese Reform der großen Koalition abgeben.
Wenn Sie schon den Betroffenen und Sachverständigen nicht glauben, Frau Schmidt, dann glauben Sie doch
wenigstens Ihrem ehemaligen Kanzler. Schröder erklärte, die Gesundheitsreform sei kein großer Wurf. Das
Kernstück der Gesundheitsreform, den so genannten Gesundheitsfonds, lehnt Schröder entschieden ab:
Das ist ein bürokratisches Monstrum, das der Programmatik beider Parteien widerspricht und den
Versicherten nicht hilft.
({3})
Das ist wortwörtlich die Formulierung, die die FDP seit
Anfang dieser Reform benutzt.
Frau Schmidt, Sie verhalten sich wie eine Geisterfahrerin, die ihre Mitfahrer damit beruhigen will, dass sie all
die Hundert entgegenkommenden Autos als die wahren
Geisterfahrer bezeichnet.
Die Bundesregierung geht mit diesem Gesetz den
Weg in ein staatliches und zentralistisches Gesundheitswesen. Die Politik mischt sich künftig viel mehr ein und
bestimmt, wie viel Geld das Gesundheitswesen bekommt und was gute bzw. schlechte Medizin ist. Die
Folgen werden Mangelverwaltung und Wartelisten sein.
Die Versorgung jedenfalls wird für die Patienten
schlechter. Es wird für die Versicherten und Patienten
nur teurer, aber nicht besser.
({4})
Das vorliegende Gesetz löst keines der Probleme, vor
denen unser Gesundheitswesen steht. Denn die eigentlichen Ziele haben Sie während der monatelangen Verhandlungen aus den Augen verloren. Die Finanzierung
des Gesundheitswesens belastet weiterhin den Arbeitsmarkt. Das Problem waren steigende Beitragssätze.
Was haben Sie aber für nächstes Jahr angekündigt? Steigende Beitragssätze. Sie von der Koalition sind dafür verantwortlich, wenn im nächsten Jahr die Krankenkassenbeiträge auf ein Rekordniveau steigen werden.
Heute steht eine namentliche Abstimmung zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz an. Heute stimmen Sie
von der Koalition über einen massiven Beitragsanstieg
ab. Selbst bei Ausnutzung der maximalen Frist bis 2008
für die Entschuldung der Krankenkassen werden die Allgemeinen Ortskrankenkassen im Westen im Jahr 2007
ihren Beitrag um etwa 1,5 Prozentpunkte erhöhen und
die im Osten sogar um 2 Prozentpunkte. Die Versicherten werden nächstes Jahr ein Rekordniveau bei den Beitragssätzen erleben. Das ist die Folge Ihrer Politik.
({5})
Diese Reform leistet überhaupt keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Finanzierung. Sie erreicht eben nicht
die nötige Abkopplung von den Arbeitskosten. Die Probleme einer alternden Bevölkerung und der dadurch steigenden Kosten, die auf das Gesundheitswesen zukommen, ignorieren Sie doch. Wir können darüber streiten,
wie die steigenden Kosten verursacht durch eine alternde
Gesellschaft zu bewältigen sind. Aber Sie gehen das
Problem schlichtweg gar nicht an. Stattdessen werden
die Lasten in diesem Umlagesystem weiter auf die Zukunft geschoben.
Jetzt kommt die Forderung aus den Reihen der SPD
und der CDU, es müssten mehr Steuergelder in das Gesundheitswesen gesteckt werden. Sie wollen damit nur
kurzfristig die Löcher stopfen, die Sie selbst aufgerissen
haben. Den Zuschuss aus der Tabaksteuer haben Sie
selbst im letzten Jahr gestrichen. Mit der Mehrwertsteuererhöhung belasten Sie die Krankenkassen um 900 Millionen Euro.
({6})
Das ist alles andere als planungssicher und nachhaltig. Wenn Frau Merkel jetzt angesichts steigender Steuereinnahmen mehr Geld für die Krankenkassen fordert,
aber Herr Steinbrück die Haushaltsrisiken und die Mehrausgaben für Auslandseinsätze und damit keine Möglichkeit für mehr Steuergelder für die Krankenversicherung sieht, dann können wir erkennen, worauf wir uns
die nächsten Jahre einstellen müssen. Es wird einen
Dauerstreit zwischen Finanzpolitik und Gesundheitspolitik geben. Die Bundesregierung entscheidet dann, wie
viel Geld sie für das Gesundheitswesen zur Verfügung
stellt. Es hängt vom Gutdünken des Finanzministers und
Gesundheitsministers ab. Das ist Gesundheit nach Kassenlage.
({7})
Sie nennen das Gesetz Wettbewerbsstärkungsgesetz.
Dabei hat das Gesetz genauso wenig mit Wettbewerb zu
tun, wie ein Zitronenfalter Zitronen faltet.
({8})
Es gibt demnächst einen bundeseinheitlich festgelegten
Beitragssatz. Die Bundesregierung entscheidet dann jedes Jahr, wie hoch der Beitragssatz für das nächste Jahr
ist. Das ist eben keine Abkopplung von den Arbeitskosten.
Daniel Bahr ({9})
({10})
Der Faktor Arbeit wird weiter belastet.
Was passiert denn, wenn der Beitragssatz erhöht werden muss? Schauen wir uns doch einmal an, wie die Diskussion aussehen wird. Die Bundesregierung wird sich
jedes Jahr Landtagswahlen ausgesetzt sehen. Sie wird
also jedes Jahr versprechen, die Beiträge werden sinken.
So wird sie unter Druck stehen, die Beiträge nicht zu erhöhen, wenn die Kosten steigen. Das heißt, wir erleben
jedes Jahr die Diskussion, wie durch eine kurzfristige
Kostendämpfungspolitik oder Leistungskürzungen der
Beitragsanstieg verhindert werden kann. Das macht die
Finanzierung des Gesundheitswesens überhaupt nicht
nachhaltig, sondern vom Gutdünken der Politik abhängig.
({11})
Was hat denn ein bundeseinheitlich festgelegter Beitragssatz mit Wettbewerb zu tun?
Dann soll das Geld über einen Gesundheitsfonds den
Krankenkassen zugeteilt werden. Der Fonds ist wirklich
ein „Wundermittel“. Er darf 2008 nicht kommen, weil
die Unions-Ministerpräsidenten Angst haben, dass dies
ihre Landtagswahlkämpfe belastet.
({12})
Aber der Gesundheitsfonds soll 2009 kommen, um der
Wahlkampfschlager für Ihre Wiederwahl zu sein. Diese
Logik ist bestechend.
({13})
Dieser Geldtopf ist eine gigantische Geldsammelstelle, die der Umverteilung dient. Die Krankenkassen
können zwar einen Zusatzbeitrag verlangen, er ist aber
sehr eng begrenzt. Das wird Kassensozialismus.
({14})
- Wenn Sie mir das nicht glauben - die Bezeichnung
„Fonds“ hört sich ja so gut an -: Ich habe einmal im
„Duden“ nachgeschaut, was unter „Fonds“ zu verstehen
ist. An und für sich geht man davon aus, dass in einem
Fonds Geld für schlechte Zeiten angesammelt wird.
Herr Kollege Bahr, Sie denken daran, dass Sie nur
eine begrenzte Redezeit zur Verfügung haben. Sie reicht
nicht aus, wenn Sie jetzt mit der Verlesung des Dudens
beginnen.
({0})
Ich darf trotzdem aus dem „Duden“ zitieren? - Welche Definition für „Fonds“ steht im „Duden“? Die Gesamtheit der im gesamtwirtschaftlichen Interesse verwendbaren materiellen und finanziellen Mittel eines
sozialistischen Betriebes; Definition für die sozialistische Planwirtschaft.
({0})
Dieser Fonds ist der Einstieg in die Planwirtschaft.
({1})
Zum Zusatzbeitrag. Die Kasse kann einen prozentualen oder pauschalen Zusatzbeitrag verlangen. Die Zusatzbeiträge dürfen aber nicht mehr als 5 Prozent der Gesamtkosten decken. Der Zusatzbeitrag darf nicht mehr
als 1 Prozent des Einkommens des Versicherten betragen. Maximal darf der Zusatzbeitrag nur etwa 35 Euro
im Monat betragen. Bis zu einem Zusatzbeitrag von
8 Euro wird die Einkommenshöhe nicht überprüft. Bei
einem Zusatzbeitrag von 8,10 Euro muss das Einkommen allerdings überprüft werden, sodass die Krankenkassen quasi zu Finanzämtern werden. Ist der Versicherte ein Sozialhilfeempfänger, muss die Kasse auf
einen Zusatzbeitrag verzichten. Bei einem Bezieher von
Arbeitslosengeld II übernimmt die Arbeitsagentur den
Beitrag. Ein Arbeitsloser hingegen muss den Beitrag in
voller Höhe selbst bezahlen.
({2})
Das wird den Einzug des Zusatzbeitrages so kompliziert
machen, dass er überhaupt nicht mehr Wettbewerb und
Transparenz schafft, sondern nur für mehr Aufwand und
Bürokratie sorgt.
({3})
Zu den Leistungserbringern. Den Ärzten wurde angesichts der massiven Proteste die Abschaffung der Budgetierung versprochen.
Herr Kollege Bahr, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Scholz?
Bitte sehr.
Sie haben gesagt, ein Fonds sei Sozialismus. Mich
würde interessieren, ob Sie schon einmal von Aktienfonds gehört haben. Ist das auch Sozialismus?
({0})
Herr Kollege Scholz, im „Duden“ stehen in der Tat
zwei Definitionen für „Fonds“.
({0})
Ich würde Ihnen vollkommen zustimmen, wenn Sie den
Gesundheitsfonds so anlegen würden, wie wir es vorschlagen, nämlich wie einen Aktienfonds, damit mit dem
angelegten Geld die im Alter steigenden Kosten beglichen werden können.
Daniel Bahr ({1})
({2})
Sie nehmen aber nur eine Umverteilung vor. Sie verschieben die Lasten auf die kommenden Generationen.
Sie betreiben doch gar keine Vorsorge für die alternde
Bevölkerung. Sie legen doch gar keine Reserven an.
({3})
Den Ärzten wurde versprochen - Frau Schmidt hat
das eben gesagt -, die Budgetierung abzuschaffen. Was
steht aber in diesem über 500 Seiten schweren Gesetzentwurf? Das Geld wird zwar nicht länger budgetiert,
aber die Leistung wird budgetiert. Sobald der Arzt mehr
Leistung erbringt, als er erbringen darf, greift die Abstaffelung. Die Budgetierung ist de facto also überhaupt
nicht abgeschafft. Es bleibt weiterhin bei der Budgetierung.
({4})
- Frau Widmann-Mauz, in dem Gesetz schreiben Sie
eine kostenneutrale Umsetzung vor. Das heißt de facto,
dass Sie bei der Budgetierung bleiben.
({5})
- Regen Sie sich nicht so auf. Gehen Sie einmal in ein
Krankenhaus in Ihrem Wahlkreis. Reden Sie einmal mit
den Verantwortlichen über das, was ihnen bevorsteht.
Fragen Sie nach, wie sich das Gesetz auf die Versorgung
in den Krankenhäusern in Ihren Wahlkreisen auswirkt.
Pauschal kürzen Sie um 500 Millionen Euro. Sie kürzen
de facto, indem Sie weniger Geld für hoch spezialisierte
Leistungen und für die integrierte Versorgung ausgeben;
es fließt möglicherweise später zurück.
Sie belasten die Krankenhäuser durch die Mehrwertsteuererhöhung mit weiteren 500 Millionen Euro. Sie
belasten sie dadurch - das wollten wir alle -, dass die
Krankenhäuser die neue Arbeitszeitregelung umsetzen
müssen, durch die neue Tarifeinigung und durch die
Umstellung der Fallpauschalensysteme. Wenn Sie die
Krankenhäuser durch weitere Kürzungen belasten, wird
die Versorgung in den Wahlkreisen vor Ort - bei Ihnen
und bei uns - massiv verschlechtert. Reden Sie mit den
Verantwortlichen in den Krankenhäusern. Sie werden Ihnen ihr Leid klagen. Sie werden Ihnen sagen, dass diese
Reform die Krankenhäuser massiv belastet. Planungssicherheit bringt sie auf jeden Fall nicht.
({6})
Zur privaten Krankenversicherung. Die Union hat
es als Erfolg verkauft, dass die private Krankenversicherung nicht abgeschafft wird. Das Ziel der SPD wird mit
diesem Gesetz aber schrittweise erreicht: Wir werden
private und gesetzliche Krankenversicherungen vereinheitlicht sehen. Die private Krankenversicherung erhält
über den zwangsweise verordneten Basistarif wieder das
Sachleistungsprinzip. Die private Krankenversicherung
wird infolge vieler Teile dieses Gesetzentwurfs quasi zu
einer gesetzlichen Krankenkasse. Demnächst muss ein
Versicherter erst drei Jahre lang in der gesetzlichen
Krankenversicherung gewesen sein und mehr als
4 000 Euro pro Monat verdient haben, bis er in eine private Krankenversicherung wechseln kann. Bedeutet das
mehr Freiheit wagen? Führt das zu mehr Wahlfreiheit für
die Versicherten? Für die Versicherten hat das zur Folge,
dass sie, wenn sie drei Jahre später als bisher in eine private Krankenversicherung einsteigen, um 10 Prozent höhere Prämien zahlen müssen.
Nichtversicherte sollen das Recht auf Rückkehr in die
gesetzliche Krankenversicherung bekommen. Ich als
junger Mensch würde mir sagen: Ich steige aus der privaten Krankenversicherung aus. Wenn ich aber im Alter
Gesundheitskosten verursache, weil ich zum Beispiel
eine Krankheit habe, dann steige ich wieder in die private Krankenversicherung ein.
({7})
Ist das ein Beitrag zur nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung? Es ist alles andere als
das.
({8})
Die Gesundheitspolitik ist und bleibt die Sollbruchstelle dieser Koalition. Liebe Kolleginnen und Kollegen
von den Regierungsfraktionen, geben Sie Ihre Sturheit
auf und beenden Sie den Weg in ein staatliches und zentralistisches Gesundheitswesen! Werden Sie einsichtig:
Lieber keine Reform als eine solch schlechte Reform.
Vielen Dank.
({9})
Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Zöller,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Grüß Gott, Herr Präsident und liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, der
wesentlich besser ist als von vielen behauptet.
({0})
Ich möchte nur auf vier wichtige Punkte hinweisen.
Erstens. Dieses Gesetz bringt Verbesserungen für Patienten und Versicherte. Zweitens. Es führt zu mehr Wettbewerb zwischen den im Gesundheitswesen Beteiligten.
Drittens. Es führt zu einer leistungsgerechteren Vergütung der Ärzte. Viertens. Es wird die Lohnzusatzkosten
in Deutschland mittelfristig entlasten.
({1})
Lassen Sie mich die einzelnen Punkte erläutern. Erstens. Das Gesetz ist gut für die Patienten. Zum ersten
Mal wird es im Rahmen einer Gesundheitsreform nicht
zu neuen oder höheren Zuzahlungen kommen.
({2})
Zum ersten Mal wird es auch nahezu keine Leistungsausgrenzungen geben. Nur an den Folgekosten von
Schönheitsoperationen und ähnlichen Maßnahmen werden sich die Krankenkassen künftig in geringerem Umfang beteiligen. Das ist, wie ich meine, eine vernünftige
Regelung. Denn wir können die Solidargemeinschaft
nicht mit den Kosten selbst verschuldeter Risiken belasten.
({3})
Es gibt also keine Leistungskürzungen. Vielmehr erbringen die gesetzlichen Krankenversicherungen in bestimmten Bereichen künftig mehr Leistungen.
({4})
Als Beispiel nenne ich nur die Palliativversorgung, die
Mutter/Vater-Kind-Kuren, Impfungen und die Erstattung
der Kosten einer geriatrischen Rehabilitation.
({5})
Wir setzen damit nicht nur an den gesundheitspolitisch, sondern auch an den gesellschaftspolitisch richtigen Stellen an. Die Verbesserung der Versorgung von
Sterbenden nicht nur durch eine Schmerztherapie, sondern auch in Form von Sterbebegleitung ist eine humanere und ethisch vernünftigere Antwort als aktive Sterbehilfe, über die immer wieder diskutiert wird.
({6})
Eine Verbesserung der Voraussetzungen für die Teilnahme an Mutter/Vater-Kind-Kuren ist ein Beitrag zur
Entlastung der Familien und ein wichtiger Bestandteil
der aktuellen Diskussion über die Fälle von Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern in zerrütteten Familien.
({7})
Zweitens. Das Gesetz ist gut für die Versicherten.
Künftig werden alle Nichtversicherten von den gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen wieder aufgenommen. Niemand muss ohne Versicherungsschutz
bleiben. Ein selbstständiger Handwerker zum Beispiel
wird seinen Versicherungsschutz in Zukunft nicht verlieren, nur weil er vorübergehend Liquiditätsprobleme hat.
Darüber hinaus erhalten die Versicherten eine Vielzahl neuer Wahlrechte. In der gesetzlichen Krankenversicherung wird es Tarife mit Kostenerstattung und
Selbstbehalten geben. Dadurch können die Versicherten
den Umfang ihrer Leistungen stärker als bisher selbst bestimmen. Eine weitere wichtige Wahlmöglichkeit, die
geschaffen wird, ist, dass die Patienten ihre Vorsorgeund Rehabilitationseinrichtungen eigenständig auswählen können.
Auch in der privaten Krankenversicherung wird es
künftig mehr Wettbewerb und Wahlrechte geben. Nichtversicherte müssen zu einem bezahlbaren Basistarif wieder in die PKV aufgenommen werden. Personen, die bisher wegen Risiken nicht versichert wurden, müssen
ebenfalls ohne Zuschläge zum Basistarif versichert werden. Wir werden auch das Recht der Privatversicherten
auf einen nachteilsfreien Wechsel des Krankenversicherungsunternehmens verbessern, indem wir die Altersrückstellungen übertragbar machen. All dies wird frischen Wind auch in die PKV bringen, ohne die
Beitragszahler zu überfordern oder die PKV als bewährtes System der Vollversicherung zu zerstören.
({8})
Unser Gesetz wird die Zusammenarbeit der Leistungserbringer verbessern. Stärker als bisher wird sich
die medizinische Versorgung künftig am Bedarf und an
den Interessen der Versicherten orientieren. Insbesondere an den Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung wird es Verbesserungen geben. Die
wichtigste Voraussetzung für Wettbewerb bleibt erhalten: die freie Arzt- und Krankenhauswahl. Ambulanter
und stationärer Bereich werden stärker in Wettbewerb
treten und sich besser miteinander abstimmen müssen.
Alle Beteiligten werden zu einem Versorgungsmanagement verpflichtet. Dem Patienten soll ein reibungsloser
Übergang zwischen Akutversorgung, Rehabilitation und
Pflege ermöglicht werden - ohne unnötige Wartezeiten
und Pausen der Behandlung. Dadurch wird es künftig
weniger unnötige Liegezeiten im Krankenhaus geben.
Die Patienten werden dort versorgt, wo es ihren Bedürfnissen am besten entspricht.
({9})
Unser Gesetz wird zu mehr Wettbewerb führen. Die
Krankenkassen erhalten neue Möglichkeiten, mit Arzneimittelherstellern, mit Apothekern Vereinbarungen
über Arzneimittelpreise zu treffen. Damit erreichen wir
mehr Flexibilität, mehr Effizienz, mehr Qualität. Für
neue Arzneimittel sollen die Mehrkosten nicht höher
sein als ihr zusätzlicher Nutzen. Daher wird eine Kosten-Nutzen-Bewertung eingeführt. Dabei sollen auch
Behandlungsalternativen berücksichtigt werden. Wir haben sichergestellt, dass sich die Kosten-Nutzen-Bewertung an internationalen Standards orientiert und die Hersteller somit nicht überfordert. Insbesondere wird die
Kosten-Nutzen-Bewertung keine zusätzliche Voraussetzung für die Zulassung sein. Innovative Arzneimittel, die
einen nachweisbaren Zusatznutzen haben, werden keinen Preisminderungen unterliegen. Deshalb wird der
Anreiz, in Deutschland innovative Arzneimittel zu entwickeln, so erhalten bleiben.
Die Verordnung von kostenintensiven bzw. speziellen Arzneimitteln muss künftig in Abstimmung mit
fachlich besonders ausgewiesenen Ärzten erfolgen. Die
verordnenden Ärzte erhalten dadurch nicht nur eine
fachliche Bestätigung ihrer Therapieentscheidung, sondern sind bei diesen Verordnungen künftig auch von
Wirtschaftlichkeitsprüfungen befreit. Die freie Arztwahl
und die freie Wahl der Therapie bleiben also erhalten.
Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses,
Dr. Hess, hat erklärt, er erwartet einen weiteren positiven
Effekt. Das Hin- und Hergeschiebe von Patienten zwischen Arztpraxen wird nicht mehr stattfinden.
({10})
Unser Gesetz entlastet die Ärzte von Bürokratie und
schafft leistungsgerechtere Vergütung.
({11})
Wirtschaftlichkeitsprüfungen werden auf besonders
eklatante Fälle von Unwirtschaftlichkeit konzentriert.
Damit wird nur noch eine ganz eng begrenzte Zahl von
Ärzten geprüft werden müssen.
In der ärztlichen Versorgung werden erste Schritte zur
Abschaffung der Bedarfszulassung eingeleitet. In der
zahnärztlichen Versorgung wird die Bedarfszulassung
bereits mit diesem Gesetz abgeschafft.
Wir werden auch die ärztliche Vergütung von Bürokratie entlasten und für die Ärzte kalkulierbarer gestalten. Deshalb wird die bisher von Budgets und sinkenden
Punktwerten geprägte Vergütung durch eine EuroGebührenordnung abgelöst.
({12})
In dieser werden vor allem Pauschalvergütungen vorgesehen. Für die Erbringung besonders qualifizierter Leistungen gibt es Honorarzuschläge.
({13})
Wichtig ist: Die bisherige Budgetierung, mit der an
die Grundlohnsumme angeknüpft wurde, wird abgeschafft. Die Höhe der finanziellen Mittel hängt künftig
von der Morbidität der Versicherten ab. Das heißt, bei einem Anstieg des Behandlungsbedarfs der Versicherten
müssen die Krankenkassen mehr Honorar für die Ärzte
zur Verfügung stellen.
Mit dem Gesundheitsfonds leisten wir einen Beitrag
für eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.
({14})
Die Finanzierungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversicherung werden mit diesem Gesetz auf eine
neue Grundlage gestellt. Durch den Gesundheitsfonds
wird eine wirtschaftliche Verwendung von Beitrags- und
Steuermitteln garantiert und der Wettbewerb zwischen
den Krankenkassen wird deutlich intensiviert. Die Versicherten verfügen künftig über klare Informationen zur
Leistungsfähigkeit ihrer Krankenkasse.
Die Einführung des Gesundheitsfonds führt nicht zu
einem bürokratischen Mehraufwand.
({15})
Die Beiträge werden weiterhin von den Krankenkassen
eingezogen und an den Fonds weitergeleitet. Hierzu
werden die bestehenden Strukturen beim Bundesversicherungsamt genutzt. Damit entstehen weder neue Behörden noch verlieren Mitarbeiter der Krankenkassen
ihre Stellen.
({16})
Die Arbeitgeber haben ab dem Jahr 2011 die Möglichkeit, ihren Verwaltungsaufwand zu reduzieren, indem sie sämtliche Sozialversicherungsbeiträge für ihre
Mitarbeiter an eine Stelle ihrer Wahl entrichten können.
Die Beiträge der Arbeitgeber und der Mitglieder der
Krankenkassen werden per Rechtsverordnung festgelegt. Damit werden die Belastungen der Arbeitgeber
durch die GKV-Beiträge besser kalkulierbar. Der Arbeitnehmerbeitrag enthält weiterhin den heutigen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent.
({17})
Außerdem können die Krankenkassen bei einem zusätzlichen Finanzbedarf von ihren Versicherten Zusatzbeiträge von bis zu 1 Prozent des Einkommens erheben.
({18})
Umgekehrt können die Krankenkassen künftig auch
Überschüsse an ihre Versicherten auszahlen.
({19})
Letztlich wird der Gesundheitsfonds zusätzlich durch
Steuermittel finanziert. Damit erfolgt eine teilweise Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben - insbesondere die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern über Steuermittel.
({20})
Mit diesen Elementen, der gesetzlichen Festschreibung der Beiträge, dem zusätzlichen Beitragsanteil der
Versicherten und einer neuen Steuerfinanzierung, gelingt
ein Einstieg in eine teilweise Entkopplung der Arbeitsvon den Gesundheitskosten. Die gesetzliche Krankenversicherung wird auf eine langfristig stabilere, gerechtere und beschäftigungsfördernde Basis gestellt.
Noch ein Hinweis zu der Länderklausel. Um unverhältnismäßige regionale Belastungssprünge zu vermeiden, werden wir eine Konvergenzphase einführen. Unterschiedliche Einnahme- und Ausgabenstrukturen der
Kassen werden in Schritten von maximal 100 Millionen Euro angeglichen. Diese Regelung ist wichtig; denn
wir können regionale Besonderheiten und gewachsene
Strukturen nicht gänzlich außer Acht lassen.
({21})
Ich bin deshalb froh, dass wir die Bedenken der Länder
mit dieser Regelung zunächst einmal aufgefangen haben.
({22})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich mit einem Zitat von Albert Einstein schließen:
({23})
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim
Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich
etwas ändert.
Vielen Dank.
({24})
Das Wort hat nun der Kollege Gregor Gysi, Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe Ihnen genau zugehört, Kollege Bahr von der FDP.
Wenn Sie ernsthaft versuchen, über den Duden zu begreifen, was Sozialismus ist, dann haben Sie gar keine
Chance.
({0})
Obwohl ich wenig Zeit habe, biete ich Ihnen an, Sie
einmal in Ihrer Fraktion zu besuchen, um Ihnen zu erklären, was demokratischer Sozialismus ist.
Ihr freundliches Angebot setzt aber voraus, dass Sie
wissen, was Sozialismus ist.
({0})
Ja, selbstverständlich, Herr Präsident. Das klingt vielleicht ein bisschen anmaßend. Aber ich habe bewusst
nicht von Sozialismus gesprochen, sondern ich habe
„demokratischer Sozialismus“ gesagt. Das ist eine wichtige Einschränkung.
Ich hoffe, dass diese Bemerkungen nicht auf meine
Redezeit angerechnet werden. Denn eigentlich geht es
um die Gesundheitsreform.
Es stimmt: Nur dann, wenn man etwas tut, ändert sich
etwas. Insofern hatte Einstein völlig Recht. Aber die von
Ihnen vorgesehenen Änderungen wirken sich von sehr
wenigen Ausnahmen abgesehen zum Nachteil der Versicherten und im Übrigen auch der Unternehmen sowie
der Ärztinnen und Ärzte aus. Oder glauben Sie im Ernst,
dass - wenn Sie Recht hätten und die Änderungen tatsächlich positiv wären - sie alle zu dämlich sind, um das
zu begreifen? Sie alle stellen sich gegen Ihr Vorhaben,
weil sie genau wissen, dass das nicht der Fall ist.
({0})
Übrigens ist die Pharmaindustrie die einzige Seite, die
keine Kritik übt. Sie sollten einmal darüber nachdenken,
welche Gründe das hat. Ich glaube, das hat seine Ursachen.
Sie haben viele Versuche gestartet, zu einer Gesundheitsreform zu kommen. Erst wurde mit Herrn Stoiber
etwas verabredet. Am nächsten Tag hat ihm das, was gerade beschlossen worden war, aber nicht mehr gefallen.
Dann wurde wieder etwas Neues vereinbart. So folgte
Versuch auf Versuch. Herausgekommen ist keine Reform, sondern Gemurkse.
({1})
Sie haben allerdings das Denken hinsichtlich der Versicherung verändert. Das macht mir Sorgen; denn solche
Veränderungen bleiben. Sie machen aus der Gesundheitsversicherung eine Autoversicherung.
({2})
- Ich werde es Ihnen erklären. Beim Auto ist es etwas
anderes; da ist die bestehende Versicherungsform gerechtfertigt. Die Gesundheitsversicherung muss aber
eine solidarische Versicherung sein.
({3})
Lassen Sie mich das an zwei Beispielen verdeutlichen.
Zum einen sagen Sie: Wenn ein Versicherter kaum Versicherungsleistungen in Anspruch nimmt, dann kann er im
nächsten Jahr Beiträge zurückbekommen. Zum anderen
sagen Sie, man könne eine Teilkaskoversicherung abschließen. Das heißt, man zahlt zum Beispiel 500 Euro
im Jahr selbst; die Versicherung soll nur die Kosten tragen, die diesen Betrag überschreiten. Auch in dem Fall
sind geringere Beiträge zu zahlen.
Die Kosten im Gesundheitswesen nehmen aber nicht
ab. Welche Aussage steht hinter Ihrem Vorhaben? Sie sagen: Jung und Gesund soll nicht länger für Alt und
Krank haften.
({4})
Das ist aber ganz klar die Aufgabe der solidarischen Versicherung. Was glauben Sie denn, was Ihre Änderungen
bedeuten? Der Gesunde erhält Beiträge zurück und der
Versicherung fehlt dann das Geld zur Finanzierung der
Kosten.
({5})
Das ist das Prinzip einer Autoversicherung; es ist aber
kein geeignetes Prinzip für eine Gesundheitsversicherung. Damit verändern Sie den Geist dieser Versicherung. Das lehnen wir ab.
({6})
Sie sehen des Weiteren Strafaktionen vor, die völlig
falsch sind. Ich nenne ein Beispiel. Für chronisch
Kranke sollen die Zuzahlungen auf 1 Prozent ihres Jahreseinkommens beschränkt werden; für andere Kranke
sind es 2 Prozent. Des Weiteren sehen Sie vor, dass jemand, der keine regelmäßige Krebsvorsorge betrieben
hat und der an Krebs erkrankt, bestraft werden soll, indem er nicht mehr als chronisch krank anerkannt wird
und deshalb Zuzahlungen bis zu 2 Prozent des Jahreseinkommens leisten muss.
({7})
Einem Menschen, der so leidet, diese zusätzliche Strafe
aufzubürden, ist unmenschlich und indiskutabel.
({8})
Deshalb verstehe ich auch nicht, warum die FDP so
unzufrieden ist. Eine unsolidarische Versicherung müsste
doch eigentlich in Ihrem Sinne sein. Insofern verstehe ich
den Ansatz Ihrer Kritik nicht.
({9})
- Das kann ich durchaus belegen.
({10})
Jetzt komme ich zum Gesundheitsfonds, den Sie zum
1. Januar 2009 einführen wollen. Sie thematisieren aber
kaum, Frau Bundesgesundheitsministerin, dass alle gesetzlichen Krankenkassen, die sich diesem Fonds anschließen müssen, entschuldet sein müssen. Es gibt aber
Krankenkassen mit erheblichen Altschulden. Wie sollen sie diese Schulden tilgen? Dafür gibt es nur einen
Weg: die Erhöhung der Beiträge, und zwar sowohl für
die Versicherten als auch für die Unternehmen. Das betrifft die so genannten Lohnnebenkosten, die in Wirklichkeit eine Abgabe der Unternehmen für die sozialen
Sicherungssysteme sind.
({11})
Bis zum 1. Januar 2009 werden die Versicherungsbeiträge erheblich steigen. Das haben Sie mit keinem Satz
erwähnt, Frau Bundesgesundheitsministerin. Das ist
nicht in Ordnung; denn diese Belastung kommt auf die
Unternehmen und die Versicherten zu.
({12})
Des Weiteren frieren Sie die Beiträge der Unternehmen ab 2009 ein, nicht aber die der Versicherten. Nach
der von Ihnen geplanten Regelung haben die gesetzlichen Krankenkassen das Recht, von den Versicherten einen Zusatzbeitrag zu fordern, wenn die Mittel aus dem
Gesundheitsfonds nicht ausreichen. Hier kommt wieder
die alte Kopfpauschale der Union zum Vorschein. Sie
haben aber die Menschen mit zwei Regelungen verwirrt.
Alle denken, der monatliche Zusatzbeitrag dürfe nur
8 Euro betragen. Das ist aber ein Irrtum. Bei 8 Euro
muss lediglich nicht darauf geachtet werden, ob die
Grenze von 1 Prozent des Haushaltseinkommens überschritten wird.
({13})
Wenn die gesetzlichen Krankenkassen einen höheren Zusatzbeitrag von den Versicherten verlangen, dann muss
die Grenze von 1 Prozent des Haushaltseinkommens berücksichtigt werden. Der Zusatzbeitrag kann also sehr
viel höher als 8 Euro betragen.
Wenn das alles nicht reicht, dann haben Sie geregelt
- Frau Bundesgesundheitsministerin, das haben Sie
falsch dargestellt -, dass die Regierung die Beiträge erneut festsetzen darf, und zwar sowohl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber.
Sie sagen, dass das Gesetz nicht zu Leistungseinschränkungen und Beitragserhöhungen führen werde.
Entweder haben Sie Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht
richtig gelesen oder Sie sagen nicht die Wahrheit; denn
das Gegenteil ist richtig.
({14})
Wenn eine gesetzliche Krankenkasse in Zukunft vor
der Entscheidung steht, ob sie die Beiträge für die Versicherten erhöhen soll, dann muss sie dabei berücksichtigen, dass viele Versicherte nach einer angekündigten Erhöhung austreten und zu einer anderen gesetzlichen
Krankenkasse wechseln werden. Die Krankenkasse wird
deshalb in der Regel aber einen anderen Weg gehen: Sie
wird die Leistungen einschränken. So haben Sie dann
mit Ihrer Reform einen ständigen Leistungsrückgang bei
der medizinischen Versorgung der Bevölkerung organisiert. Damit verschärft sich die Tendenz hin zur Zweiklassenmedizin. Die Kluft zwischen der ersten und der
zweiten Klasse wird so nicht geringer, sondern größer
werden.
({15})
- Sicher, manches schon, vieles nicht.
({16})
- Die Gesundheitszentren sind nichts anderes als ein
schlechtes Plagiat der Polikliniken; die Idee haben Sie
geklaut.
({17})
Der Vorteil der Poliklinik bestand darin, dass hier alle
Fachärzte zusammen waren und die Patienten die Möglichkeit hatten, in einem Haus komplett versorgt zu werden. Sie behaupten nun, drei Ärzte seien ein Gesundheitszentrum. Sie sollten sich das Modell der Poliklinik
einmal genau anschauen. Dann käme auch etwas Vernünftiges heraus.
({18})
Andere Sachen in der DDR waren viel schlechter. Ich
bin ja nicht so beschränkt, dass ich immer nur in eine
Richtung denken kann; ich kann differenzieren. Das ist
ein großer Vorteil meines Werdeganges.
({19})
Lassen Sie uns doch eine vernünftige Gesundheitsreform machen! Man kann durchaus etwas verändern. Wir
fordern in unserem Antrag eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, die auf zwei Grundsätzen basiert. Der
erste Grundsatz ist: Die Beitragsbemessungsgrenze darf
nicht bei 3 652,50 Euro festgelegt werden. Wer mehr
verdient, muss auch höhere Beiträge zahlen. Wäre es
denn so katastrophal, wenn wir die Beitragsbemessungsgrenze schrittweise erhöhten?
({20})
Der zweite Grundsatz ist: Alle Einkommen müssen zur
Beitragserhebung herangezogen werden. Alle, wir, die
Abgeordneten sowie Anwälte und Ärzte, müssen in die
gesetzliche Krankenversicherung einzahlen. Dann wäre
das Ganze leicht zu finanzieren; denn dann hätte es so
gut wie keine Auswirkungen mehr, wenn die Zahl der
abhängig Beschäftigten abnähme und die Zahl der
Selbstständigen zunähme. Alle müssen in die gesetzliche
Krankenversicherung einzahlen, unabhängig von der
Einkommensart. Dann hätten wir genügend Geld.
({21})
Wenn wir zudem die Lohnnebenkosten durch eine
Wertschöpfungsabgabe für die Unternehmen ersetzten,
dann sind wir deutlich weiter. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Ein Gemüsehändler beschäftigt zwei Verkäuferinnen. Die Stadt reißt die Straße vor seinem Laden
auf. Sein Umsatz halbiert sich. Solange er keine Verkäuferin entlässt, bleiben die zu entrichtenden Lohnnebenkosten unverändert. Nach unserem Vorschlag sinken
seine Abgaben aber, weil seine Wertschöpfung abnimmt.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident.
Wenn die Deutsche Bank aber einen riesengroßen Gewinn macht und 8 000 Leute entlässt und damit 8 000mal Lohn spart, aber noch immer die gleiche Wertschöpfung hat, dann muss sie nach unserem Modell genauso
viel in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen wie zuvor. Das wäre sinnvoll.
({0})
Man kann das Gesundheitswesen solidarisch organisieren. Wir brauchen eine Bürgerversicherung. Ihre Reform wird aber leider dazu führen, dass der Grundsatz
„Arm stirbt früher“ zur Realität wird.
({1})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast,
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Gesundheitsreform verdient schon deshalb den Namen
„Gesundheitsreform“ nicht, weil sich mindestens die
halbe Republik krank fühlte, als sie anschauen musste,
wie Sie diese Reform verhandeln. Das Gezerre zwischen
Bund und Ländern und die nächtlichen Verhandlungen
machten schon beim Zuschauen krank. Herr Zöller
heischte auf dem außerordentlichen Ärztetag auch noch
um Mitleid, als er sagte: Letzte Nacht waren wir schon
wieder bis 3 Uhr zugange. Ich kann Ihnen sagen: Alle
Anwesenden hatten Mitleid mit ihm, sie hatten aber auch
Mitleid mit der Republik; denn es wäre besser gewesen,
Sie hätten nächtens nicht noch einmal Hand angelegt.
({0})
Es fiel einmal der Satz vom klaren Durchregieren.
Die Ministerpräsidenten der Bundesländer, zum Beispiel
Herr Stoiber und andere, waren ja gar nicht an der Geschichte beteiligt?
Hier hat uns die so genannte große Koalition ein so
genanntes Reformwerk vorgelegt. Ich kann Ihnen sagen:
Die Formel von der großen Koalition als großer Reformkraft geht an dieser Stelle definitiv wieder nicht auf. Das
Gegenteil ist der Fall. Ihnen fehlt es an der Kraft zu mutigen und stimmigen Gesamtkonzepten.
Schauen wir uns einmal an, was Sie angeboten haben!
Sie haben gesagt, es solle ein Konzept für nachhaltige
und gerechte Finanzierung geben, der Wettbewerb solle
intensiviert und die Lohnnebenkosten sollten dauerhaft
auf unter 40 Prozent gesenkt werden. Herausgekommen
ist wieder nur Merkel-Murks. Dieses Wort kann man jedes Mal benutzen.
({1})
Schauen wir uns die Finanzierung an! Sie haben sich
nicht an die Kernprobleme herangetraut. Draußen verändert sich die Welt, es verändert sich das Erwerbsleben
und es gibt unstete Lebensläufe. Es gibt genug MenRenate Künast
schen, deren Einnahmen nicht aus dem klassischen Erwerbseinkommen stammen, sondern aus Aktienfonds,
was auch die FDP heute endlich gelernt hat, aus Mieteinnahmen usw. Sie aber ändern nichts an der erwerbsorientierten Finanzierung der GKV. Das heißt, dass dieses definitiv keine große Reform ist. Das wäre vielleicht eine
Reform für das letzte Jahrhundert gewesen, aber angesichts der heutigen Lebensläufe und Einkommenssituationen keine für das 21. Jahrhundert.
({2})
Die Privatversicherten bleiben weiter unter sich. Wir
werden künftig nicht mehr, sondern weniger Solidarität
haben.
Herr Zöller, was mich bei Ihnen verwundert hat, ist
der Satz, es könne doch nicht sein, dass man in der Krankenkasse bei selbst verschuldeten Krankheiten solidarisch sein müsse. Ich wäre noch bereit, mich diesem Gedanken zu nähern, wenn Sie ihn logisch zu Ende denken
würden. Wenn Sie schon sagen, jeder müsse beispielsweise Krebsvorsorgeuntersuchungen durchführen lassen, um nachher nicht finanziell belastet zu werden,
dann denken Sie das als Gesundheitspolitiker einmal zu
Ende. Dann müssen Sie dafür sorgen, dass zum Beispiel
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gaststätten und
Restaurants nicht zwangsweise passiv rauchen müssen.
({3})
Wir sehen, wie damit umgegangen wird. Dann müssten
Sie aus Fürsorge gegenüber den Mitarbeitern sagen, dass
Sie nicht mit dem Zentimeterband messen, wie groß die
Kneipen sind, und dann müssten Sie klare Maßnahmen
zum Arbeitsschutz ergreifen. Prävention gehört auch zur
Gesundheitsreform.
({4})
- Frau Widmann-Mauz, Sie krähen fröhlich dazwischen.
Ich weiß, wie Sie gekräht haben, als wir die Inhaltsstoffe
von Tabak öffentlich gemacht haben. Ich weiß auch, wie
Sie gekräht haben, als wir über das Tabakwerbeverbot
geredet haben und es endlich umsetzen wollten.
({5})
Aber Sie haben die Chance, eine konsistente Politik zu
machen.
Sie haben angekündigt, den Anstieg des steuerfinanzierten Anteils des Gesundheitsfonds zum 1. Januar
2010 zu regeln, weil Sie sich erst einmal bis 2009 retten
wollen. Das glaubt Ihnen ehrlich gesagt kein Mensch.
Was Sie heute, anderthalb Jahre vor den Landtagswahlen, nicht regeln, werden Sie drei Monate vor der Bundestagswahl definitiv auch nicht regeln. Das werden
zumindest Herr Stoiber oder die Mitglieder des Andenpaktes zu verhindern wissen. Damit betuppen Sie uns
und die Republik schon wieder. Warum? Weil Sie es logischerweise nicht schaffen werden - Sie schaffen es ja
schon jetzt nicht -, kurz vor dem Jahr 2010 die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern für die Jahre 2010
und danach zu regeln. Kein Mensch glaubt dies.
({6})
- Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Beitrag! Ich weiß,
dass Sie alle neuerdings gemeinsam hier Ihre Nächte
verbringen. Vielleicht wussten Sie damals, als die entsprechende Entscheidung anstand, wo der Bundesrat
tagt. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass ich damals auch
Sie gesehen habe.
({7})
Meine These ist: Sie gehörten im Zweifelsfalle schon bei
den Bundesratsverhandlungen zu denjenigen, die gebremst haben, Herr Zöller.
({8})
Ändern wird sich die Art und Weise der Beitragsfestsetzung. Künftig machen das nicht mehr die Krankenkassen, sondern der Staat. Damit haben Sie die
Möglichkeit, Beitragssatzanhebungen administrativ zu
verhindern. Auch ich meine, dass die Bundesministerin
einige Reformmöglichkeiten hat - das ist richtig -, und
zwar in Bezug auf die Höhe der Overheadkosten, die
man sich leistet. Trotzdem haben Sie die Ausgabenentwicklung nicht im Griff. Der Umfang des Gesundheitsfonds wird - vorausgesetzt, er wird eingerichtet - nicht
ausreichen. Ich glaube nicht daran, dass dieses bürokratische Monster kommen wird. Auch die Einrichtung dieses Fonds werden Sie noch vertagen.
({9})
Die logische Lösung wird am Ende darin liegen, dass
eine immer stärkere Privatisierung der Gesundheitsrisiken erfolgt. Es wird also nicht mehr Solidarität, sondern mehr Privatisierung geben. Am Ende werden nur
die Versicherten und nicht mehr die Arbeitgeber, nur diejenigen mit einem Erwerbseinkommen und nicht diejenigen, die über andere Einkommen verfügen, hinzuzahlen
müssen. Das halten wir definitiv für keine solidarische
Entwicklung.
({10})
Sie haben wie bei der Mehrwertsteuer zu dem Lösungstrick gegriffen, dass Sie sagen: Wenn wir als große
Koalition es selber nicht wissen und auf dem kleinsten
gemeinsamen Nenner nicht weiterkommen, dann fassen
wir lieber dem kleinen Mann in die Tasche. - Das wurde
bei der Mehrwertsteuer so gemacht und nun bei der so
genannten Gesundheitsreform schon wieder.
({11})
Sie haben das Ganze „Wettbewerbsstärkungsgesetz“
genannt. Ich sage Ihnen dazu ganz ehrlich: Ich traue
zwar Ulla Schmidt zu, dass sie das einmal wollte. Aber
das Ziel, die Stärkung des Wettbewerbs, ist Ihnen mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes abhanden gekommen. Was ist denn das für ein Wettbewerb, dem
sich zum Beispiel die AOK Berlin, bei der viele Arbeitslose und chronisch Kranke versichert sind, demnächst
aussetzen muss? Sie lassen die Krankenkassen und die
Versicherten allein.
({12})
Wechseln werden diejenigen, die Geld haben.
Frau Merkel, diese Reform dient am Ende nicht den
Bürgerinnen und Bürgern sowie den Patientinnen und
Patienten. Sie ist nur Ausdruck eines starken Lobbyismus und der Macht der Landesfürsten. Die Beantwortung der Steuerfrage, der Frage, wie wir die beitragsfreie
Mitversicherung von Kindern finanzieren - diesen Aspekt werden wir nicht vergessen -, haben Sie in Wahrheit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. An
dieser Stelle hat die Gesundheitsreform versagt. An dieser Stelle hat Frau Merkel verloren, weil sie ihre Macht
an Herrn Stoiber und andere in der Nacht abgegeben hat,
als sie einknickte.
({13})
Dass dies am Ende bei den meisten Verbänden einen
Boykott ausgelöst hat, verstehe ich. Denn Sie können
niemandem ernsthaft zumuten, etwas, woran Sie nächteund monatelang gearbeitet haben, in zwei, drei Tagen
durchzurechnen. Niemand glaubt daran, dass dies eine
gute Gesundheitsreform ist. Ich habe keinen gehört, der
für diese Geldsammelstelle, für dieses bürokratische
Monster, das Sie einrichten wollen,
({14})
ein gutes Wort einlegt. Das ist eine Reformattrappe, ein
bürokratisches Monster. Jeder Handwerksbetrieb, bei
dem so viele Fehler geschehen sind und so viele Nachbesserungen notwendig werden wie bei Ihnen, wäre
längst insolvent. Sie sollten bei der Gesundheitsreform
zurück auf null gehen und noch einmal neu anfangen.
({15})
Carola Reimann ist die nächste Rednerin für die SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Nach den nicht immer einfachen Verhandlungen zu den
Eckpunkten liegt nun der Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform zur ersten Lesung hier im Bundestag vor. In
den nun folgenden Ausschusssitzungen und vielfältigen
Anhörungen werden wir uns als Fachpolitiker nicht nur
mit den großen Linien beschäftigen, sondern auch in die
Details gehen. Dann werden neben Fonds und möglichen Zusatzbeiträgen andere wichtige Inhalte dieser Reform stärker im Vordergrund stehen, nämlich die Maßnahmen, die vor allem die Versicherten betreffen und die
bislang viel zu selten Erwähnung gefunden haben - zu
Unrecht, wie ich finde; denn wir machen Reformen in
erster Linie für die Versicherten, nicht für die Akteure
und Interessengruppen im Gesundheitssystem.
({0})
Lassen Sie mich kurz auf einige dieser Punkte eingehen. Da ist zunächst und in allererster Linie der Umfang
des Leistungskatalogs zu nennen. Man kann es gar
nicht oft genug sagen: Dies ist seit langem die erste Reform, bei der der Leistungskatalog ausgebaut wird. Aufgenommen werden als Pflichtleistungen die Palliativmedizin - Herr Kollege Zöller hat das ausgeführt -, die
geriatrische Reha, eine spezialisierte Rehabilitation, die
es älteren Patienten ermöglicht, ihre Selbstständigkeit
nach einer schweren Erkrankung zurückzuerhalten. Außerdem werden wir die empfohlenen Schutzimpfungen
sowie Mutter/Vater-Kind-Kuren von Satzungs- und Ermessensleistungen zu Pflichtleistungen der Krankenkassen machen. Das alles sind ganz konkrete Maßnahmen,
die sich für die Versicherten positiv auswirken.
({1})
Ausgebaut werden auch die Wahlmöglichkeiten für
die Versicherten. Sie können künftig zwischen mehr Versorgungsformen wählen, aber auch zwischen mehr Versicherungs-, Selbstbehalt- und Kostenerstattungstarifen.
Ich möchte an dieser Stelle, weil das hier angesprochen wurde, noch kurz auf die Debatte zu den Vorsorgeuntersuchungen eingehen. Zur Klarstellung: Ziel der
Regelung ist es, die Bereitschaft zur Wahrnehmung von
Vorsorgeuntersuchungen auch durch finanzielle Anreize
zu erhöhen. Wir wollen, dass Krankheiten frühzeitig erkannt und behandelt werden können. Das ist auch im Interesse der Versicherten. Wir wollen nicht, dass Menschen zusätzlich belastet werden, die bereits jetzt krank
sind oder die die Vorsorgeuntersuchungen aufgrund ihres Alters nicht mehr in Anspruch nehmen können, Herr
Gysi.
({2})
Es wird niemand rückwirkend verantwortlich gemacht.
Dafür sieht der Gesetzentwurf klare Altersgrenzen vor.
Von einigen Stellen wurde hier dennoch wider besseres Wissen der Eindruck erweckt, es sollten Menschen
bestraft werden, die durch ihre Krebserkrankung ohnehin schon schwer getroffen sind.
({3})
Natürlich hat jeder das Recht zur Kritik an unserem Entwurf. Ich verstehe auch, dass versucht wird, die eigenen
Interessen so gut es geht - auch mithilfe öffentlichen
Drucks - durchzusetzen. Dafür aber mit den Ängsten der
Menschen zu spielen und gezielt Verunsicherung zu
streuen, halte ich für verantwortungslos; dafür habe ich
kein Verständnis.
({4})
Darüber hinaus werden die Patientinnen und Patienten von den Strukturreformen profitieren, beispielsweise von der besseren Verzahnung von ambulanter und
stationärer Versorgung. Hier ist vor allen Dingen die
Öffnung der Krankenhäuser für die spezialärztliche Behandlung im ambulanten Bereich zu nennen. Das hilft
vor allem Menschen mit schweren oder seltenen Erkrankungen, für die eine gute Versorgung ganz besonders
wichtig ist.
Weitere wichtige Maßnahmen im Strukturbereich
sind die Erweiterung der integrierten Versorgung - wir
werden die Pflege darin aufnehmen; diese Maßnahme
wird von allen Seiten begrüßt -, die Weiterentwicklung
der Programme für chronisch kranke Menschen, eine
Kosten-Nutzen-Bewertung für Arzneimittel und vieles
mehr. Besonders hervorheben möchte ich die erweiterten
Vertragsmöglichkeiten, die für die Krankenkassen geschaffen werden. Dazu gehört zum Beispiel die Ausschreibung von Arzneimittelwirkstoffen und von Hilfsmitteln. Die Krankenkassen erhalten damit mehr
Möglichkeiten, durch Verträge mit Leistungserbringern
die Versorgung ihrer Versicherten optimal zu gestalten.
Dazu gehören auch Preisverhandlungen mit der Pharmaindustrie.
Mit den Strukturreformen, den erweiterten Wahlmöglichkeiten und der Ausweitung des Leistungskataloges
sind nur einige Inhalte dieser Reform genannt, von denen die Versicherten und Patienten konkret profitieren
werden. Natürlich will ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass das nicht zum Nulltarif zu haben ist.
Leistungskürzungen sind jedoch keine Lösung, weil sie
vor allem die Schwachen und die Kranken treffen. Deshalb kommen sie für uns Sozialdemokraten nicht infrage.
({5})
Das haben wir bei dieser Reform durchgesetzt. Daran
werden wir auch in Zukunft festhalten.
Betrachtet man aber die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung, so fällt auf, dass die Probleme in erster Linie nicht nur auf der Ausgabenseite zu
suchen sind. Die gesetzliche Krankenversicherung leidet
vielmehr auch unter einem Einnahmeproblem. Das liegt
nicht nur an sinkenden Beitragseinnahmen aufgrund von
Arbeitslosigkeit, sondern auch am unterproportionalen
Wachstum der Löhne und Gehälter und an der Erosion
der normalen Arbeitsverhältnisse. Aus genau diesem
Grund wollen wir Sozialdemokraten die Finanzen der
gesetzlichen Krankenversicherung durch eine stärkere
Steuerfinanzierung auf eine solidere und gerechter finanzierte Basis stellen. Die mit der Reform vorgesehene
Steuerfinanzierung kann nur ein Einstieg sein. Sie ist bei
weitem nicht so umfassend, wie wir uns das vorgestellt
hatten; hier besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Ich
bin der Meinung, dass wir dieses Thema auch vor dem
Hintergrund der positiven Prognose für die Steuereinnahmen möglichst bald wieder aufgreifen sollten.
({6})
Lassen Sie mich kurz auf die Situation der Ärzteschaft zu sprechen kommen. Entgegen dem Eindruck,
der in den letzten Tagen durch einige Ärztefunktionäre
erweckt wurde, enthält der vorliegende Gesetzentwurf
für Medizinerinnen und Mediziner in unserem Gesundheitssystem Verbesserungen. Leider bleibt zurzeit wenig
Raum für eine sachliche Auseinandersetzung, sodass ich
hier die Gelegenheit nutzen will, einige der neuen Regelungen anzusprechen.
Wir werden mit der Reform das vor allem von den
Ärzten so oft kritisierte Honorarsystem in der ambulanten Versorgung von Punktwerten auf Euro- und Centbeträge umstellen. Damit weiß in Zukunft jeder Mediziner, wie viel seine Leistung wert ist. Das entspricht
einem seit langem vorgetragenen Wunsch der Ärztinnen
und Ärzte im ambulanten Bereich.
({7})
Auch die Qualität erhält eine größere Bedeutung. So
sind für die Erbringung besonders qualifizierter Leistungen in der Euro-Gebührenordnung Honorarzuschläge
vorgesehen. Zukünftig werden die gesetzlichen Krankenkassen und nicht mehr die Ärzte das Risiko zunehmender Behandlungsbedürftigkeit der Patienten tragen.
Weiterhin werden wir die Leistungserbringer von unnötiger Bürokratie entlasten. So werden überflüssige Kontrollen entfallen, Abrechnungsverfahren und Prüfverfahren vereinfacht und entschlackt. Das sind im Übrigen
alles Vorschläge, die Ärztinnen und Ärzte in einer Arbeitsgruppe des Ministeriums selbst erarbeitet haben und
die wir aufgreifen und umsetzen.
({8})
Die jüngsten Forderungen aus der Ärzteschaft nach
höheren Honoraren halte ich jedoch für unrealistisch. Es
geht nicht an, dass aus den Reihen der Ärzteschaft selbst
kritisiert wird, die Reform löse auf der einen Seite die
Finanzierungsprobleme nicht, auf der anderen Seite aber
für die eigene Berufsgruppe munter höhere Honorare gefordert werden. Dann müssen die Ärztevertreter auch
ehrlich sagen, welche Konsequenzen ihre Forderungen
haben. Wir reden hier von Mehrbelastungen in einer
Höhe von 7 Milliarden Euro. Diese 7 Milliarden Euro
müssten die Versicherten bezahlen. Das geht nicht.
({9})
Ich appelliere an dieser Stelle nachdrücklich an alle,
auch an die Ärztevertreter, zu einer sachlichen Debatte
zurückzukehren. Wir sind nach wie vor zu einem sachlichen Dialog mit allen verantwortungsbewussten Ärztinnen und Ärzten und ihren Vertretern bereit.
Zusammen mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz beraten wir heute abschließend das Vertragsarzt5982
rechtsänderungsgesetz. Dies flexibilisiert das Arztrecht
so, dass die Situation der Ärzte im niedergelassenen
Bereich verbessert wird. Nehmen Sie deshalb bitte zur
Kenntnis, dass es uns mit der Verbesserung der Situation
der Ärzte entgegen aller Polemik sehr ernst ist. Mit dem
Vertragsarztrechtsänderungsgesetz werden wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die vertragsärztliche
und die vertragszahnärztliche Leistungserbringung flexibilisieren und liberalisieren. Unseren Vorstellungen entsprechend soll ein Arzt bzw. eine Ärztin mehr Entscheidungsfreiheit darüber haben, wie er bzw. sie sich
niederlässt und Leistungen anbietet. So wird es künftig
möglich sein, wenn man beispielhaft von Berlin ausgeht,
über die KV-Grenzen hinweg in Brandenburg eine Praxiszweigstelle einzurichten. Die Anstellungsmöglichkeiten von Ärzten und Zahnärzten werden erleichtert. Wir
werden es ermöglichen, dass Vertragsärzte gleichzeitig
auch als angestellte Ärzte in Krankenhäusern arbeiten
können. Wir heben die Altersgrenze von 55 Jahren für
den Zugang generell auf, in unterversorgten Gebieten
auch die Altersgrenze von 68 Jahren für das Ende der
vertragsärztlichen Tätigkeit. Damit ermöglichen wir den
älteren Arztkolleginnen und Arztkollegen länger den Zugang in die Niederlassung und wir schaffen Entlastung
für die unterversorgten Gebiete. Mit dem Gesetz eröffnen wir darüber hinaus zusätzlich finanzielle Anreize für
Ärzte, sich in solchen unterversorgten Gebieten niederzulassen.
Kolleginnen und Kollegen, ich kann Sie alle deshalb
nur aufrufen, dem Gesetzentwurf zur Änderung des Vertragsarztrechts zuzustimmen und in eine konstruktive
und sachliche Beratung der Gesundheitsreform einzutreten.
Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort erhält nun der Kollege Heinz Lanfermann
für die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte ja über manche Regelung im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz reden, wenn Sie dieses Gesetz nicht durch einen Zusatz vergiftet hätten, den Sie
noch hineingebracht haben und der die Entschuldung der
Krankenkassen betrifft.
({0})
Weil Sie in den nächsten Wochen das Vergnügen haben
werden, dies Ihren Wählern in den Wahlkreisen zu erklären, will ich jetzt wenigstens einen kleinen Beitrag dazu
leisten, dass Sie wissen, worüber Sie gleich, in etwa einer Dreiviertelstunde, abstimmen werden.
Krankenkassen dürfen grundsätzlich keine Schulden
machen - das ist bekannt -, haben sie aber getan, und
zwar im Umfang von mehreren Milliarden Euro, was die
Aufsichtsbehörden pflichtwidrig zugelassen haben.
({1})
Die Kassen schieben den Schuldenberg vor sich her.
Jetzt ist die Gemeinschaftspraxis „Schmidt und Merkel“
auf die Schnapsidee gekommen, diesen Gesundheitsfonds einzurichten, der voraussetzt, dass die Kassen
schuldenfrei sind. Also soll in maximal zwei Jahren eine
Entschuldung im Umfang von 3,5 Milliarden Euro
durchgeführt werden, was seriös nicht möglich ist.
({2})
Die scheinbare Lösung dieses Problems hat uns die
Koalition im Hauruckverfahren auf den Tisch des Gesundheitsausschusses gelegt. Im Gesetz ist zusätzlich
eine Neufassung des § 265 a SGB V - das ist in Art. 1
des Gesetzentwurfs - vorgesehen; das müssen Sie sich
merken. In diesem Paragrafen ist bisher ein freiwilliges
Verfahren dafür vorgesehen, wie sich Kassen in Notlagen gegenseitig helfen können.
Man hat die erste Lesung im Plenum umgangen, weil
man die öffentliche Debatte scheute.
({3})
Die Neufassung des Paragrafen wird am Mittwochmorgen vorgelegt. Dann wird die Anhörung am Montag
durchgesetzt.
({4})
Am Mittwoch wird beraten oder auch nicht. Heute, am
Freitag, wird verabschiedet - mit Ihren Stimmen. Neun
Tage für ein Gesetzgebungsverfahren, mit dem 3,5 Milliarden Euro verschoben werden! Was die Anhörung betrifft, so hatten die Betroffenen und Sachverständigen
gerade mal knapp zwei Werktage Zeit für die Erarbeitung ihrer Stellungnahmen. So viel, Frau Merkel, zu Ihrem Motto: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
({5})
In Wahrheit ist das eine Zumutung für alle Beteiligten
und eine Blamage für das Parlament, verursacht durch
die rot-schwarze Gesundheitskoalition.
Der Inhalt des Paragrafen ist ebenso unseriös wie das
Verfahren. Mehrere Milliarden Euro werden per Gesetz
verschoben mit dem schlichten Hinweis auf die notwendige Solidarität. Dabei spielt bei den Kassen, die Geld,
zum Teil viel Geld, erhalten sollen, rechtlich keine
Rolle, ob sie jahrelang schlecht gewirtschaftet, Beitragssatzerhöhungen bewusst unterlassen, zu viel Personal
beschäftigt oder - das soll ja auch vorkommen - zu hohe
Vorstandsgehälter gezahlt haben.
Bei den Kassen, die verpflichtet werden, zu zahlen,
wird nach Abs. 3 dieses Paragrafen die unterschiedliche
Leistungsfähigkeit berücksichtigt; das betrifft insbesondere Beitragssatz und Höhe der Finanzreserven. Das
sind Augenblicksaufnahmen aus 2007. Nicht erwähnt
und damit auch nicht der gesetzliche Maßstab ist die
Vorgeschichte, also das Finanzverhalten in den letzten
Jahren. Das heißt konkret: Auch oder gerade Kassen, die
genauso verschuldet waren, aber die Zeit seit 2003 genutzt haben, ihre Schulden abzubauen - durch Beitragssatzerhöhungen, schmerzliche Einschnitte beim Personal, bei den Gehältern oder bei den Leistungen für die
Versicherten -,
({6})
die jetzt also ordentlich dastehen, werden zu Zahlungen
verpflichtet. Sie zahlen also im Prinzip doppelt - und Sie
erklären das mit „Solidarität“.
({7})
Man kann über Solidarität reden, wenn es darum geht,
freiwillige Hilfen zu organisieren. Wenn man als Gesetzgeber aber sagt: „Ihr müsst zahlen und fremde Schulden
tilgen“, dann braucht es schon einen Rechtsgrund und
der muss ein wenig konkret sein. Dass man sich einfach
da bedient, wo noch etwas zu holen ist, finden wir zwar
in bestimmten Parteiprogrammen, aber vor der Verfassung hat das noch keinen Bestand.
({8})
Dieser Paragraf ist eine Zumutung und die Begründung ist eine Anhäufung von Worthülsen. Dem Bundestag wird zugemutet, ein Gesetz zu erlassen, das es ohne
konkrete Vorgaben den Bundesverbänden erlaubt, Kassen mit Sonderopfern - da geht es um mehrere
Milliarden Euro - zu belegen. Mit einer untauglichen
Vorschrift - schauen Sie einmal in Abs. 6 nach! - wird
versucht, den gerichtlichen Rechtsschutz auszuhebeln.
({9})
Zudem wird ein fragwürdiges Verfahren der Abstimmung eingeführt. Als noch über die freiwillige
Hilfe abgestimmt wurde, hing das Gewicht eines Verbandes bei der Mehrheitsbildung von der Höhe seiner
Mitgliederzahl ab. Jetzt genügt eine Mehrheit der anwesenden Verbände - unabhängig von der Größe -, um mit
einfacher Mehrheit Beschlüsse zu fassen. Wenn also die
Vertreter einiger Verbände im Stau stehen, ist es möglich, dass Saarland, Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern beschließen, dass Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern ihnen Geld zu zahlen
haben. Gemäß diesem Paragrafen ist ein solcher Beschluss rechtswirksam. So machen Sie Gesetze.
({10})
Es wird auch nicht beachtet, welche Selbsthilfemöglichkeiten es eigentlich gibt. Vielleicht lesen Sie einmal
das Urteil aus Karlsruhe zu den Berliner Finanzen. Muss
man sich nicht zunächst selbst helfen - Immobilien veräußern, Vorstandsgehälter senken -, bevor man auf die
Hilfe anderer zugreift?
Das Schlimmste ist: Wir wissen nicht einmal, wie
viele Schulden die einzelnen Kassen haben. Man sagt, es
handele sich hierbei um geschützte Sozialdaten. Uns liegen nur generelle Auskünfte vor. Anderen erlauben Sie
aber, Geld hin- und herzuschieben. Es gibt einen Bestimmtheitsgrundsatz und einen Wesentlichkeitsgrundsatz. Ein Parlament muss schon selbst Regelungen treffen können. Man kann das nicht auf die Verbände
abwälzen. Im Übrigen führt das nach aller Erfahrung
dazu, dass Frau Schmidt nachher sagt: Ihr hättet das besser regeln können. Es ist eure Schuld, wenn das nicht
läuft.
Dieses Gesetzgebungsverfahren und der neue § 265 a
SGB V sind wirklich eine Blamage für dieses Parlament.
Wenn ich mir die Gespräche der letzten Wochen vor Augen führe, stelle ich fest, dass sich die Abgeordneten der
FDP und der CDU/CSU vollkommen einig darüber sind,
dass die ganze Reform Murks ist und die Regelungen abzulehnen sind. Der einzige Unterschied ist: Wir sagen es
öffentlich. - Durch Ihren Umgang mit diesem Thema
laufen Sie, die CDU/CSU-Fraktion, wirklich Gefahr,
sich wie Lemminge zu verhalten. Sie sollten stattdessen
einmal offen Ihre Meinung sagen. Denken Sie an Leipzig; stoppen Sie dieses Gesetz!
Danke schön.
({11})
Das Wort erhält nun die Kollegin Annette WidmannMauz, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Wenn ich mir heute anhöre, was die FDP von sich gibt,
({0})
und verfolge, was Ihr Partner in der Opposition, die PDS
- Sie stimmen mittlerweile oft gemeinschaftlich ab -, zu
erkennen gibt,
({1})
kann ich nur sagen: Es sollte eigentlich Ihren Wählern zu
denken geben, in was für einer Koalition Sie sich in der
Opposition befinden. Ich möchte Ihnen folgende Auskunft nicht ersparen - Sie sollten sie an Ihre Wählerinnen und Wähler weitergeben -: Die Umsetzung der Vorschläge, die Sie, Herr Bahr, heute im Rahmen dieser
Reform unterbreitet haben - mit Mehrausgaben für die
Honorierung der Ärzte und für die Umsetzung der Beschlüsse des Marburger Bundes in Bezug auf die Krankenhäuser -, würde zu einer Mehrbelastung der gesetzlichen Krankenversicherung führen, die eine Erhöhung
der Beiträge um mehr als einen Prozentpunkt nötig machen würde. So viel zum Thema der Beitragssatzerhöhungen, zur Senkung der Lohnnebenkosten und zur FDP.
({2})
Frau Kollegin Widmann-Mauz, gestatten Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle?
Ja, natürlich.
Frau Kollegin, da Sie wiederholt - nun auch coram
publico im Hohen Hause - davon gesprochen haben, es
gebe in der Opposition eine Koalition zwischen FDP und
PDS, erlauben Sie mir folgende Frage: Ist Ihnen bekannt, dass in diesem Hause nur eine einzige Partei - Ihr
Koalitionspartner, die SPD - vertreten ist, die sich in einer Koalition mit der Linkspartei befindet?
({0})
Sehr geehrter Herr Westerwelle, ich kenne die Parteienlandschaft in Deutschland. Mir ist bewusst, welche
Landesregierungen in rot-roter Hand sind. Wir sind uns
auch einig, dass wir nicht mit der Linkspartei koalieren
wollen.
Bezogen auf Ihre Frage können wir uns aber auch anschauen, was dort, wo die FDP bis vor wenigen Monaten
mit der SPD koaliert hat - in Rheinland-Pfalz -, bei der
Schuldenaufsicht in Bezug auf die Beiträge der AOK gemacht wurde.
({0})
Sie sollten einmal vor der eigenen Haustüre kehren und
mit Ihren Koalitionspartnern gute Politik machen. Dann
wären wir schon ein gutes Stück weiter.
({1})
Diese Gesundheitsreform ist eine gute Investition;
denn sie ist eine Investition in die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitswesens. Das hat auch sehr viel mit Gerechtigkeit zu tun.
Ich spreche von der Gerechtigkeit, die noch immer
die besten Zinsen bringt, der Generationengerechtigkeit. Das heißt nichts anderes, als dass wir die Zukunft
nicht im Heute verbrauchen dürfen. Das gilt für die Umweltpolitik und für die Staatsfinanzen, das heißt für den
Bundeshaushalt. Es gilt aber eben auch für die Sozialhaushalte und für die gesetzliche Krankenversicherung;
denn die Schulden in den gesetzlichen Krankenversicherungen sind die Beitragssatzerhöhungen von morgen.
({2})
Die Schulden in der gesetzlichen Krankenversicherung
sind auch Maastricht-relevant. Deshalb ist es unsere
Pflicht, die Schulden der Krankenkassen endlich abzubauen und die Bürden daraus nicht den späteren Generationen aufzuerlegen. Wir müssen den Schuldenabbau
zielstrebig zu Ende bringen. Es gab nie Kritik daran,
dass wir das bis zum Ende des nächsten Jahres schaffen
wollen.
({3})
Dass es einzelne Kassen dabei nicht immer leicht haben
werden, darauf werde ich noch eingehen.
Frau Kollegin Künast, Sie waren als ehemaliges Regierungsmitglied
({4})
mit verantwortlich für die Kabinettsbeschlüsse in rotgrünen Zeiten. Sie haben den Kassen verboten, die Beitragssätze anzuheben, obwohl das richtig gewesen wäre.
({5})
Sie haben sie in die Schulden getrieben. Heute aber lenken Sie in jeder Hinsicht von Ihren Versäumnissen ab
und arbeiten nur mit bösartigen Unterstellungen. Das ist
unseriös, bestätigt aber das, was Sie in der Vergangenheit in der Regierung getan haben.
({6})
Der Schuldenabbau ist nicht einfacher geworden, seitdem der Steuerzufluss aus dem Bundeshaushalt ebenfalls rückläufig ist. Das Stichwort Tabaksteuer ist bereits
gefallen.
Es muss deshalb klar sein, dass wir uns in dem Moment, in dem wir Spielraum im Bundeshaushalt haben,
um die gesetzliche Krankenversicherung kümmern müssen, insbesondere um gesamtgesellschaftliche Aufgaben
wie die beitragsfreie Versicherung der Kinder. Das ist
richtig und notwendig.
({7})
Aber allein diese Erkenntnis entbindet uns nicht von der
Verantwortung dafür, den Schuldenabbau voranzubringen. Deshalb werden wir den Verschuldungszeitraum für
die Kassen strecken, die das in einem Kassenverband in
der kurzen Zeit bis Ende 2007 alleine nicht schaffen
können. Das geht aber nur, wenn ein schlüssiges Entschuldungskonzept vorgelegt wird.
Bei aller Generationengerechtigkeit - da stimme ich
den Kollegen zu - darf natürlich die Leistungsgerechtigkeit nicht auf der Strecke bleiben. Warum sollten
Kassen, die in der Vergangenheit die Beiträge angehoben haben, weil sie ihre Verschuldung abbauen mussten,
jetzt anderen Kassen, die diesen Verpflichtungen nicht
nachgekommen sind, helfen müssen, wenn sie dadurch
selbst in eine Notlage kommen könnten? Deshalb muss
trotz aller Solidarität im Rahmen der Entschuldungsaktionen die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Zahlerkasse erhalten bleiben. Klar ist, dass eine Kasse die Entschuldung in zwei Jahren aus eigener Kraft eher schafft,
als wenn wir den Zeitraum so kurz bemessen, wie es von
uns ursprünglich angedacht war.
({8})
Ich habe Verständnis für jede Krankenkasse, die sich
in der nächsten Zeit solidarisch zeigen muss. Ich denke
da zum Beispiel an die Situation der AOK in Sachsen.
Aber die gesetzliche Krankenversicherung ist eine Solidargemeinschaft. Das galt und gilt in Gesamtdeutschland seit der Einführung des Risikostrukturausgleichs
und seit den milliardenschweren Zahlungen im Rahmen
der West-Ost-Transfers. Jetzt muss das auch für den
Schuldenabbau gelten, und zwar auch, wenn es in der
Bundesrepublik einmal in die andere Richtung geht;
denn Solidarität ist keine Einbahnstraße.
({9})
Was für die Schulden der Krankenkassen gilt, gilt an
anderer Stelle auch für die Honorarsituation bei der Ärzteschaft. Ich habe großes Verständnis, wenn die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nach 15 Jahren Budgetierung endlich eine verlässliche und leistungsgerechte
Vergütung in Euro und Cent erhalten wollen. Wie sonst
soll das Problem, in Ostdeutschland bzw. allgemein in
unterversorgten Gebieten, sei es in ländlichen Gebieten,
sei es in Gebieten mit Überalterung und hoher Arbeitslosigkeit, Menschen für den Arztberuf überhaupt noch zu
motivieren und zu begeistern, auf Dauer gelöst werden?
Deshalb beenden wir die Budgetierung und führen ein
neues Vergütungssystem ein. In Zukunft wird es eine
bundeseinheitliche vertragliche Gebührenordnung in
Euro und Cent geben.
Was heißt das? Es heißt, Leistung in MecklenburgVorpommern wird in Zukunft genauso vergütet wie in
Stuttgart oder München. Schauen Sie sich doch an, wie
stark heute die rechnerischen Werte für die Punkte - man
bezahlt die Ärzte ja bisher in Punkten - in Deutschland
differieren: zwischen 36 Cent in Sachsen und 44 Cent
pro Punkt in der KV Trier. Diese Schwankungsbreite ist
überhaupt nicht darstellbar. Sie resultiert aus der unterschiedlichen Finanzkraft in den Bundesländern; je nach
Kassenart und Honorarverteilung ist sie in Wirklichkeit
manchmal noch größer. Das ist ungerecht und diese Ungerechtigkeit müssen wir beseitigen.
({10})
Wir wollen, dass der Arzt in Brandenburg für den Ultraschall in Zukunft genauso viel Geld bekommt wie sein
Kollege in Rheinhessen.
Deshalb habe ich auch nur wenig Verständnis für
manche Aussagen, die ich derzeit auf Ärztetagen und
Ärztedemos höre,
({11})
nach dem Motto: „Was geht mich mein Kollege in
Mecklenburg-Vorpommern an? Der Bundesdurchschnitt
ist für mich zu wenig.“ - Dazu fällt mir eigentlich nur
ein Zitat unseres ehemaligen Bundeskanzlers Konrad
Adenauer ein:
({12})
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber
nicht jeder hat den gleichen Horizont.
Erstens verkennen all diese Stimmen, dass auch für
andere freie Heilberufe wie zum Beispiel Apotheker seit
langem ein gleiches, bundeseinheitliches Honorar gilt,
egal ob die Apotheke auf dem Kudamm oder in meinem
Heimatdorf liegt. Zweitens nehmen wir insbesondere auf
die unterschiedliche Kostensituation Rücksicht. Ärzte in
besonders teuren Regionen wie München, Hamburg,
Frankfurt oder Stuttgart mit hohen Mieten und höheren
Personalkosten erhalten in Zukunft Zuschläge. Übrigens
wird es auch Zuschläge für Ärzte in unterversorgten Gegenden geben. Drittens wird es über eine Konvergenzländerklausel zusätzliche Anpassungsregeln geben, um
Sprünge zu vermeiden. Dass die FDP das neue Honorarsystem noch nicht ganz verstanden hat, mag vielleicht
auch daran liegen, dass es zugegebenermaßen ein anspruchsvoller Text ist.
({13})
Meine Damen, meine Herren, es geht uns um neue
Perspektiven für die Ärzteschaft und für ihre wirtschaftliche Existenz. Die Budgets müssen ein Ende haben.
Aber wir müssen realistisch bleiben; denn die finanziellen Dimensionen und die Möglichkeiten, die wir haben,
sind nun einmal begrenzt. Solidarität innerhalb der Ärzteschaft ist etwas, worauf auch wir bauen und was wir
brauchen. Die Honorierung des Arztes - und damit die
Sicherheit der Versorgung, die Sicherheit, dass sich
überhaupt noch ein Arzt findet, der bereit ist, Leistungen
in unattraktiven Gebieten anzubieten - darf in Zukunft
nicht vom Anteil der privat Versicherten und der Gutverdiener in einer Region abhängen, sondern muss bundeseinheitlich geregelt sein.
({14})
Jetzt komme ich zu einem Punkt, der mich wirklich
sehr beschäftigt. Wenn ich sehe, womit die Menschen
derzeit konfrontiert werden, nämlich mit Information
und am heutigen Morgen auch mit einem hohen Maß an
Desinformation, dann kann ich manche Ängste in der
Bevölkerung durchaus verstehen. Ich dachte, der Ausfall
des DAK-Chefs in der letzten Woche, der zur Verunsicherung von Krebspatienten geführt hat, sei der einzige
dieser Art. Aber Sie, Herr Gysi, haben das heute Morgen
noch gesteigert. Da muss ich wirklich sagen: Nicht die
Regelung ist unverantwortlich oder zynisch; im Gegenteil: Wir wollen, dass Menschen früher zur Früherkennung gehen, damit sie überhaupt nicht schwer an Krebs
erkranken.
({15})
Nein, Ihre Polemik ist unverantwortlich und zynisch.
({16})
Sie verunsichern damit die Menschen, die Patientinnen
und Patienten in unserem Land.
Die Menschen haben Sorge, ob die medizinische Versorgung in Zukunft bezahlbar bleibt, ob die Qualität
gesichert ist und ob medizinischer Fortschritt auch in
Zukunft allen zur Verfügung steht.
Die Reform eröffnet erstens neue Leistungen. Die
Kollegen sind darauf eingegangen. Die Stichworte Palliativversorgung, Impfungen, Mutter-und-Kind-Kuren und
geriatrische Rehabilitation sind schon gefallen. Es gibt
zweitens keine Leistungsausgrenzung, mit Ausnahme
der Folgekosten von Schönheits-OPs und Piercings. Ich
denke, wir sind uns in diesem Haus einig, dass dieses in
Zukunft von der Solidargemeinschaft nicht mehr finanziert werden soll.
({17})
Wir werden drittens die Unterversorgung durch einheitliche Beitragszuweisungen aus dem Fonds, durch ein
neues Honorarsystem und durch die Flexibilisierung des
Arztrechtes abbauen. Wir werden viertens darüber hinaus die Wahlmöglichkeiten für die Versicherten erweitern. Ich nenne hier spezifische Versorgungstarife in der
hausärztlichen Versorgung, für chronisch Kranke, Tarife
mit Selbstbehalten und Kostenerstattung.
Wir werden vor allen Dingen fünftens die Vergleichbarkeit der Kassen untereinander verbessern. Denn das
ist das eigentlich Wichtige an dieser Reform. Der künftige Beitrag besteht eben nicht nur aus dem bundeseinheitlichen Beitrag, der vom beitragspflichtigen Einkommen erhoben wird. Er besteht aus zwei Bestandteilen:
dem gerade genannten prozentualen Beitrag und dem
Zusatzbeitrag, der in der Regel eine Pauschale sein wird.
Jetzt werden die Menschen in Zukunft leichter durch
Vergleichen erkennen können, ob die Leistung der Kasse
den Preis in Euro und Cent auch wert ist.
Ich gebe durchaus zu, ich hätte mir die Preissignale
durch diesen Zusatzbeitrag noch stärker gewünscht.
Denn sozial Schwache sind ja von der Zahlung ausgenommen. Die Träger werden ihren Beitrag übernehmen.
Ich kann verstehen, dass die Kassen vor so viel Transparenz Angst haben. Früher konnten sie hinter ihren Beitragssätzen viel verstecken, etwa solche Dinge wie eine
Präventionswoche in einem Viersternehotel. Das wird in
Zukunft nicht mehr finanzierbar sein. Dies ist richtig und
gut. Denn wir brauchen das Geld für die notwendige
gute medizinische Versorgung.
({18})
Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein persönliches
Wort. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD,
schwere Wochen und Monate liegen hinter uns. Es gab
harte Verhandlungen, in der keine Seite der anderen etwas geschenkt hat. Unter dem Strich hat die Koalition
ihre Arbeit gemacht. Es hat sich gelohnt. Wir sind gemeinsam mehr aufgestanden, als man uns umwerfen
wollte.
({19})
Wir legen heute ein gutes Reformwerk vor. Es lohnt
sich, dass man es gründlich betrachtet und darüber diskutiert. Das werden wir tun.
Am Ende will ich nur noch sagen: Der einzige Mist,
auf dem nichts wächst, ist der Pessimist. Wir gehen zuversichtlich in die konkreten Beratungen im Ausschuss.
Darauf freuen wir uns.
Herzlichen Dank.
({20})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Frank Spieth,
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
- Entschuldigung, Fraktion Die Linke.
Da war wohl der Wunsch Vater des Gedankens.
Da bin ich mir nicht so sicher.
({0})
Wir haben es ja rechtzeitig für das Protokoll korrigiert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
der Tat haben Sie sich in der großen Koalition nichts geschenkt. Aber vor allen Dingen werden Sie den Menschen, den Versicherten und den Patienten in diesem
Land nichts schenken.
({0})
Mit dem heute hier zu behandelnden Vertragsarztrechtsänderungsgesetz will die Regierung unter anderem
dem Ärztemangel, der sich insbesondere in großen Teilen der neuen Bundesländer weiter zu verschlimmern
droht, begegnen und gleichzeitig bessere Voraussetzungen für die Gründung medizinischer Versorgungszentren
schaffen. Diese Ziele und die dafür vorgeschlagenen Instrumente werden von uns in weiten Teilen begrüßt, wobei ich nicht verhehle, dass wir uns gewünscht hätten,
wenn Sie unseren Änderungsanträgen im Ausschuss zugestimmt hätten.
Die von Ihnen jetzt vorgeschlagene Flexibilisierung
und Liberalisierung bei der Zulassung von Ärzten ergibt nach unserer Auffassung doch nur als Ausnahmeregelung für unterversorgte Gebiete einen Sinn. Bei Ihrem
Vorschlag besteht die Gefahr, dass dort, wo viele Ärzte
sind, noch mehr Ärzte hinzukommen, aber dort, wo
Ärzte fehlen, keine wesentliche Verbesserung erreicht
wird und die Wege- und Wartezeiten der Patienten zum
bzw. beim Arzt noch länger werden.
({1})
Deshalb wünschte ich mir, Sie hätten der von uns vorgeschlagenen Begrenzung auf die unterversorgten Gebiete
zugestimmt.
({2})
Leider konnten Sie unserem Vorschlag nicht folgen.
Trotz der geäußerten Bedenken hätten wir gerne zugestimmt, und zwar gerade wegen der wichtigen berufsrechtlichen Verbesserungen für Ärzte, der Verlängerung
der integrierten Versorgung sowie der Absicht, weitere
medizinische Versorgungszentren zu errichten. Sie haben uns diese Zustimmung unmöglich gemacht, weil Sie
am vergangenen Mittwoch im Hauruckverfahren Änderungsanträge zur Entschuldung der Krankenkassen eingebracht haben, die mit dem Inhalt des vorgelegten Gesetzes überhaupt nichts zu tun haben.
({3})
Es drängt sich der Verdacht auf, dass Sie diese brisante
Angelegenheit mit möglichst wenigen Debatten durchpeitschen wollen,
({4})
damit Sie Ihren Gesundheitsfonds am 1. Januar 2009
starten können.
Sie wollen die Entschuldung der Krankenkassen
innerhalb eines Jahres erreichen. Wir von der Opposition
konnten auf der von uns durchgesetzten Anhörung am
Montag gemeinsam mit den Krankenkassen und den
Verbänden deutlich machen, dass dadurch bei einzelnen
AOK - beispielsweise bei der AOK in Berlin oder bei
der AOK im Saarland - Beitragssätze von über 21 Prozent erforderlich würden. In Mecklenburg-Vorpommern
und in Rheinland-Pfalz würden Beitragssätze von knapp
18 Prozent erforderlich. Diese Beitragssätze würden das
sofortige Aus der jeweiligen AOK bedeuten; denn jeder
Versicherte, der die Grundrechenarten beherrscht, würde
sofort zu einer anderen Krankenkasse wechseln.
Sie wollen die extremen Beitragssprünge dadurch
vermeiden, dass Sie die Entschuldungszeit in Ausnahmefällen bis 2008 strecken und gleichzeitig Umlagen in
der jeweiligen Kassenart erheben. Dieses Verfahren ist
schon im jetzigen Recht vorgesehen, aber nur in Ausnahmefällen zur Anwendung gekommen. Jetzt wird es
zur Regel; mit der Folge, dass alle AOK die Beitragssätze um 1 bis 2,5 Prozent erhöhen. Wenn Sie wollen,
dass AOK geschlossen werden, dann sagen Sie das den
Menschen offen.
({5})
Wenn eine Reduktion der Kassen Ziel Ihrer Politik ist,
dann sollten Sie es hier, im deutschen Parlament, auch
sagen.
({6})
Sie haben die Absicht, 2008 die Insolvenzfähigkeit
von Krankenkassen einzuführen. Die dramatischen
Konsequenzen dieser Regelung sind Ihnen offenkundig
überhaupt nicht klar. Allein durch die Altersversorgungszusagen entstehen milliardenschwere Forderungen. Diese müssten in Zukunft in der Bilanz einer Krankenkasse ausgewiesen werden. Für den Großteil der
Versorgerkassen würde das die sofortige Zahlungsunfähigkeit bedeuten. Das würde bei den betroffenen Kassen
und bei allen anderen Beteiligten zu einer Katastrophe
führen. Ich frage Sie: Wer zahlt im Konkursfall die verbleibenden Rechnungen von Ärzten, Apothekern, Orthopädieschuhmachermeistern und anderen Leistungserbringern? Wollen Sie alle Beteiligten mit in diesen
Konkursstrudel reißen? Die Versicherten und Patienten
können zwar in anderen Krankenkassen untergebracht
werden; welche Folgen mit diesem Gesetz verbunden
sind, scheint Ihnen aber vollkommen egal zu sein.
Ich halte diese Form der Entschuldung für unverantwortlich. Ich bin dafür, dass wir konsequent auf eine
Entschuldung der Krankenkassen hinarbeiten; aber mit
einem Entschuldungskonzept, in das Anstrengungen der
Krankenkassen, der Kassenart, aber auch Leistungen des
Bundes einbezogen werden.
Die Verschuldung der Kassen ist doch nicht auf deren
unwirtschaftliches Verhalten zurückzuführen, sondern
durch politische Vorgaben mitverursacht. Sie haben
1996 den Risikostrukturausgleich eingeführt. Dadurch
werden aber nicht alle Belastungen ausgeglichen. Die
Mitglieder einiger AOK machen 35 Prozent der Bevölkerung eines Bundeslandes aus; diese Kassen tragen
aber 60 Prozent der Krankenhauskosten. Dafür kann
man die Kassen doch nicht verantwortlich machen. Wie
sollen sie aus der Schuldenfalle herauskommen?
Frau Ministerin Schmidt, Sie haben diese Entwicklung sehenden Auges zugelassen. Sie haben den im
Jahr 2004 im Bundestag beschlossenen krankheitsorientierten Risikostrukturausgleich dadurch, dass Sie die betreffende Rechtsverordnung nicht erlassen haben, nicht
in Kraft gesetzt. Damit tragen Sie einen ganz erheblichen Teil der politischen Verantwortung.
({7})
Sie haben der Öffentlichkeit noch im März dieses Jahres suggeriert, dass die Verschuldungsprobleme in der
GKV gelöst seien. Sie sagten wörtlich:
Die gesetzliche Krankenversicherung hat einen
Überschuss von rd. 1,78 Mrd. Euro erzielt. Das sind
800 Mio. Euro mehr, als nach voreiligen Spekulationen in der vergangenen Woche vermutet wurde.
Damit konnte die Nettoverschuldung des Gesamtsystems der gesetzlichen Krankenversicherung bis
Ende 2005 vollständig abgebaut werden.
Diesen Unsinn kann man kaum noch überbieten. Es ist
unverantwortlich, die Öffentlichkeit auf diese Art zu täuschen.
({8})
Ich meine, das geht weit über die berühmte Hutschnur
hinaus. Sie sollten endlich selbigen Hut nehmen. Das
wäre eine vernünftige Lösung für dieses Land.
({9})
Herr Kollege, das wäre ein guter Schlusssatz gewesen.
({0})
Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Wir schlagen dem Deutschen Bundestag vor, die Entschuldung unter anderem über Steuern vorzunehmen.
Die Mittel dafür sind vorhanden. Im Jahre 2007 wollen
Sie den Krankenkassen den Zuschuss aus den Einnahmen aus der Tabaksteuer in Höhe von 2,7 Milliarden
Euro wegnehmen. Zur Entschuldung wäre dieser Betrag
völlig ausreichend.
Schönen Dank.
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgitt Bender,
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition wirft Nebelkerzen. Sie loben sich für die Verbesserung einzelner Leistungen, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorsehen und die man durchaus begrüßen kann.
Aber über den Gesamtkontext der Reform reden Sie gar
nicht, weil er Ihnen selbst peinlich ist.
({0})
Deswegen kann man nur sagen: Gehen Sie zurück auf
Los, ziehen Sie kein Geld ein und fangen Sie von vorne
an! Denn es ist doch so: Die Koalition ist gescheitert, sogar an ihren selbst gesetzten Zielen.
({1})
Wie hießen sie noch? Erstens war von der Abkopplung der Beiträge vom Faktor Arbeit die Rede.
({2})
Was geschieht jetzt?
({3})
Jedes Jahr wird von der Bundesregierung ein staatlicher
Einheitsbeitrag festgesetzt. Das ist keine Abkopplung.
Das ist Abhängigkeit vom Faktor Arbeit.
({4})
Den Faktor Ärger, den Sie sich dadurch jeden Herbst mit
den Gewerkschaften auf der einen Seite und mit den Arbeitgebern auf der anderen Seite einhandeln, unterschätzen Sie, wie ich glaube, erheblich.
Zweitens hatten Sie versprochen, die Beitragssätze zu
stabilisieren oder sie sogar zu senken. Stattdessen ist
festzustellen: Noch nie waren die Beitragssätze so hoch
wie im nächsten und übernächsten Jahr. Auch was die
Erreichung dieses Ziels betrifft, gilt: Fehlanzeige.
({5})
Drittens wurde von beiden Seiten der Koalition eine
verstärkte Steuerfinanzierung versprochen. Stattdessen
werden sich die Zuschüsse an die Kassen nicht erhöhen,
sondern sich sogar verringern. Sie reißen ein Milliardenloch in die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherungen. Ihre Luftbuchung im Zusammenhang mit dem
Versprechen, in der nächsten Legislaturperiode mehr
Steuereinnahmen dafür bereitzustellen, rettet Sie nicht.
({6})
Viertens hatte zumindest eine Seite der Koalition versprochen, die Solidarität zu stärken. Da war von der
Bürgerversicherung die Rede. Was haben wir jetzt? Die
privat Versicherten bleiben unter sich. Eine Stärkung der
Solidarität findet nicht statt. Vielmehr werden die gesetzlich Versicherten noch mehr belastet, und zwar nur
sie. Es gibt also weniger Solidarität als vorher. Auch dieses Ziel haben Sie also nicht erreicht.
({7})
Sie haben bereits einige Teilrückzüge angetreten: Der
staatliche Einheitsverband der Krankenkassen soll nicht
mehr auf Landesebene, sondern nur noch auf Bundesebene installiert werden.
({8})
Der Gesundheitsfonds soll keine Riesenbehörde mehr
sein,
({9})
die die Beiträge einzieht, sondern nur noch eine Geldsammelstelle.
({10})
Aber davon wird es nicht besser.
({11})
Denn was soll der Fonds bewirken? Er soll vor allem
dazu dienen, die Krankenkassen auf finanzielle Hungerkur zu setzen.
({12})
Sie wollen, dass die Krankenkassen von dem Geld, das
sie eingenommen und an den Fonds bezahlt haben, weniger zurückbekommen, als sie zur Deckung ihrer Ausgaben brauchen. Den Rest sollen sie sich bei ihren Versicherten holen, und zwar über den Zusatzbeitrag, die
Kopfpauschale.
({13})
Die Kopfpauschale ist für die Versicherten, insbesondere für die gering Verdienenden, eine soziale Drohung.
({14})
Für die Krankenkassen ist sie genau deshalb ein Folterinstrument. Das nennen Sie Wettbewerb. Es ist aber kein
Wettbewerb, wenn man den Kassen zu wenig Geld in die
Hand gibt.
Was wird passieren? Die Krankenkassen werden zunächst einmal alles tun, um die Erhebung des Zusatzbeitrags zu vermeiden: zum einen aufgrund des damit verBirgitt Bender
bundenen Verwaltungsaufwandes, zum anderen, weil
keine Krankenkasse ihre Versicherten in die Flucht
schlagen will.
Wo werden sich die Krankenkassen das Geld, das ihnen fehlt, holen? Sie werden freiwillige Leistungen streichen und versuchen, bei der Versorgung Kranker zu sparen. Hier wird der Weg in die Rationierung gegangen.
({15})
Das geht zulasten der Patienten.
({16})
Sie loben sich immer dafür, diesmal habe es keine zusätzlichen Belastungen der Patienten gegeben.
({17})
Das ist doch nicht wahr! Die Versorgung wird sich verschlechtern.
({18})
Was Sie hier mit dem Fonds und dem Zusatzbeitrag machen, das ist kein Wettbewerb, das ist Wettlauf mit Fußfesseln. Wenn das Ziel nicht erreicht wird, dann sind die
Patienten die Gekniffenen. Das muss man Ihnen vorwerfen.
({19})
Sie haben sich eine Hintertür offen gelassen - auch
dieses ein Teilrückzug -:
({20})
Der Fonds soll nicht sofort kommen, sondern erst zum
1. Januar 2009. Es glaubt niemand hier im Haus - Sie
selber eingeschlossen -,
({21})
dass Sie zu diesem Zeitpunkt die Chuzpe haben werden,
eine solche Reformattrappe tatsächlich in Kraft zu setzen. Nur, bis dahin vergehen zwei Jahre, bis dahin vergeht wertvolle Zeit für eine echte Reform, die wir
bräuchten. Stattdessen werden die Beiträge steigen und
eine echte Reform wird es nicht geben.
({22})
Das ist Politikversagen.
({23})
Deswegen kann ich nur wiederholen: Gehen Sie zurück
auf Los, fangen Sie von vorne an!
({24})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort der
Kollege Hans Georg Faust.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Blick ins Gesetz erleichtert nicht nur die
Rechtsfindung, sondern hilft auch in der politischen Diskussion, besonders wenn die Wogen der Kritik hochgehen und die Gischt die Ziele von Reformen zu vernebeln
droht. Daher zitiere ich aus § 12 SGB V:
Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig
und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des
Notwendigen nicht überschreiten.
({0})
Des Weiteren ist § 72 SGB V zu entnehmen - das ist
besonders im Zusammenhang mit den Ärzteprotesten
hervorzuheben -, dass die ärztlichen Leistungen „angemessen vergütet“ werden sollen. Damit sind die wesentlichen Rahmenbedingungen, nach denen Patienten
Leistungen beanspruchen können und in denen Ärzte arbeiten, dargelegt. Die gefühlte Wirklichkeit scheint, was
Patienten und Ärzte betrifft, eine vollkommen andere zu
sein.
Im Mittelpunkt unserer politischen Bemühungen steht
auch jetzt der kranke Mensch, der sich in seiner Not an
seinen Arzt wendet. Also ist die Arzt-Patienten-Beziehung die wichtigste Beziehung in unserem Gesundheitssystem. Sie verdient allen Schutz, sie darf aber auch
nicht missbraucht werden, um einseitige Interessenlagen
unangemessen - ich betone: unangemessen - durchzusetzen. Wir ringen gemeinsam um eine Neuordnung des
Systems, das diese sensible Arzt-Patienten-Beziehung
trägt und bewahrt. Allen, die sich darum bemühen, den
politischen Parteien, den Krankenkassen, den Leistungserbringern, der Gemeinschaft der Versicherten - dazu
zähle ich auch und gerade die in einer privaten Krankenkasse Versicherten -, all denen darf man den ehrlichen
Willen, zu einem guten Ergebnis zu kommen, nicht absprechen. 82 Millionen Menschen in Deutschland brauchen jetzt, bei einer immer älter werdenden Bevölkerung
und rasantem medizinischen Fortschritt, zukunftsfähige
Lösungen.
Ob der heute in erster Lesung eingebrachte Entwurf
eines GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes in all seinen
Einzelheiten wesentliche Änderungen erfahren wird, wie
er am Ende verabschiedet wird, wird der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zeigen. Aber auch als Arzt halte
ich es nach reiflicher Überlegung und vielen Gesprächen
mit Betroffenen für richtig, mit dem parlamentarischen
Verfahren zu beginnen. Den Gesetzentwurf jetzt in die
Hand des Parlaments zu geben, war richtig. Richtig sind
vor allem die Ziele dieser Gesundheitsreform: Die Entkopplung der Arbeitskosten von den Gesundheitskosten,
die Stärkung des Wettbewerbs zwischen den Krankenversicherungen, die Stärkung der Eigenverantwortung
und der Wahlmöglichkeiten der Versicherten und der Erhalt eines differenzierten Versicherungssystems.
Noch einmal: Die Leistungserbringung soll ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein sowie das
Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die Leistungserbringung soll aber auch unter Berücksichtigung
des allgemein anerkannten Standes der medizinischen
Erkenntnisse erfolgen. Das ist allen Unkenrufen zum
Trotz in Deutschland immer noch so. Das gilt auch im
Verhältnis zu den Leistungen, die Privatpatienten bekommen.
({1})
Ja, es gibt Unterschiede bei den Wartezeiten, die auf
dem Problem der alten Budgets beruhen. Ja, es gibt Leistungen, die im Rahmen der individuellen Gesundheitsleistungen vom Patienten bezahlt werden müssen. Ja, es
gibt in den Krankenhäusern neben Dreibettzimmern
auch noch Einbettzimmer als Wahlleistung. Dass Kassenpatienten bei der medizinischen Versorgung im Vergleich zu den Privatpatienten generell benachteiligt werden, stimmt aber einfach nicht.
({2})
Dass das so ist, ist ein Verdienst der Ärzte in den Praxen
und Krankenhäusern. Dafür haben sie eine angemessene
Vergütung verdient und sie brauchen flexiblere und modernere Arbeitsbedingungen.
Ich weiß, dass den Kolleginnen und Kollegen das
Wohl der Patienten am Herzen liegt. Es ist durchaus
nachvollziehbar, dass den Ärztinnen und Ärzten Überlegungen zur Finanzierung des Gesundheitssystems in der
akuten Behandlungssituation nachrangig erscheinen.
Forderungen nach einer maximalen Gesundheitsversorgung können aber leider nicht erfüllt werden. Auch die
Illusion unbegrenzter Ressourcen gehört einer anderen,
einer heileren Welt an.
Es ist kein Zufall, dass neben der ersten Lesung des
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes heute auch die abschließende Lesung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes erfolgt. Mit diesem Gesetz schaffen wir Hand in
Hand mit der Ärzteschaft die erforderlichen berufsrechtlichen Rahmenbedingungen. So werden Ärzte ohne
Begrenzung andere Ärzte anstellen und neben ihrer Vertragsarzttätigkeit auch als angestellte Ärzte im Krankenhaus arbeiten können. Darüber hinaus wird es Ärzten
nun erlaubt sein, auch an weiteren Orten außerhalb ihres
Sitzes vertragsärztlich tätig zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz einen richtigen Weg
beschreiten.
({3})
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz lassen
wir die Versicherten entscheiden, welche unterschiedlichen, auf sie zugeschnittenen Versorgungsformen sie
wählen wollen. Neben den Wahltarifen gibt es in Zukunft die hausarztzentrierte Versorgung, die besondere
ambulante ärztliche Versorgung oder die Möglichkeit,
sich in integrierten Versorgungsformen behandeln zu
lassen. Wettbewerb bedeutet aber auch, dass auf der
Seite der Krankenkassen und insbesondere auf der Seite
der Ärzte alle Leistungsfähigen und -willigen - einzeln
oder gemeinsam, organisiert in Hausarztverbänden oder
in Kassenärztlichen Vereinigungen - die gleichen Chancen bekommen.
Meine Damen und Herren, die Gesundheitspolitik ist
selten vor Aufgaben in dieser Dimension gestellt worden. Am Ende unserer Operation müssen sich Finanzierung und Struktur unseres Gesundheitssystems aber auf
dem Weg der Genesung befinden.
Noch ein Satz zu Ihnen, Frau Bender. Zur Ehrlichkeit
gehört auch, zu sagen, dass die jetzt notwendigen Beitragssatzerhöhungen
({4})
- Frau Bender, ich habe Sie gerade angesprochen - mit
unserer Reform nichts zu tun haben. Das wissen Sie
auch.
({5})
- Zu diesen Beitragssatzerhöhungen wäre es auch so gekommen. Sie sind Folge Ihrer sieben Jahre langen gemeinsamen Gesundheitspolitik in einer anderen Koalition.
({6})
Es ist einfach unehrlich, die jetzt anstehenden Beitragssatzerhöhungen mit der Reform zu verbinden.
({7})
Das bringt uns in der Diskussion, mit der wir hier gemeinsam um das Ziel ringen, nicht weiter.
({8})
Ich bitte um Nachsicht, aber nach Überschreiten der
Redezeit kann ich keine Zwischenfrage mehr zulassen,
weil die Redezeit dadurch verlängert würde.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Elke Ferner für die
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die
Einwürfe, die heute von der FDP gekommen sind, waren
irgendwie nicht neu.
({0})
- Es ist merkwürdig: Immer dann, wenn ich rede, werden Sie ganz aufgeregt.
({1})
Ich möchte ein paar Zitate nennen: Es war von wachsenden planwirtschaftlichen und dirigistischen Eingriffen im Gesundheitswesen die Rede.
({2})
- Das war 1992, als die FDP in der Regierung war! Ich
könnte noch mehr Zitate anführen. Von vielen Akteuren
im Gesundheitswesen wurden immer wieder - auch in
Ihrer Regierungszeit - ähnliche Behauptungen wie heute
vorgebracht. Aber siehe da: Das Gesundheitswesen
funktioniert immer noch. Es ist entgegen Ihren Unkenrufen immer wieder deutlich geworden, dass es nicht um
Staatsmedizin oder Gängelung geht. Was Ihnen seinerzeit in Ihrer Regierungszeit vorgehalten worden ist, wird
nicht dadurch besser, dass Sie es jetzt wiederholen.
({3})
Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative zur solidarischen Krankenversicherung. Über 70 Millionen
Menschen sind bei den gesetzlichen Krankenkassen,
über 8 Millionen Menschen bei den privaten Krankenkassen versichert. Ich halte die gesetzliche Krankenversicherung für das beste soziale System, das wir haben,
weil in diesem System so solidarisch wie möglich geregelt wurde, wer für wen einsteht: die Jungen für die Alten, die Gesunden für die Kranken und die Einkommensstärkeren für die Einkommensschwächeren.
({4})
Das wird auch in Zukunft so bleiben, auch wenn insbesondere die FDP die Totalprivatisierung des Gesundheitswesens und damit auch der Risiken vorziehen
würde.
Ich möchte hinzufügen, dass es sich im Deutschen
Bundestag ähnlich verhält wie bei den Akteuren im Gesundheitswesen: Die Opposition ist sich einig in dem,
was sie nicht will. Das gilt auch für die Kritik, die derzeit von zahlreichen Verbänden im Gesundheitswesen
vorgebracht wird.
({5})
Aber weder aufseiten der Oppositionsfraktionen noch
bei den Akteuren im Gesundheitswesen besteht Einigkeit darüber, was sie wollen.
({6})
- Zu Ihnen komme ich noch, Herr Lanfermann.
({7})
Inwieweit Sie sich zur Sache geäußert haben, ist eine andere Frage.
Zu den Zielen der Gesundheitsreform gehört, dass
in Zukunft alle Menschen Versicherungsschutz haben
und - unabhängig davon, wo sie versichert sind - Zugang zu medizinisch notwendigen Behandlungen und
zum medizinischen Fortschritt erhalten sollen, dass die
Effizienzreserven, die im System ohne Zweifel noch
vorhanden sind, endlich gehoben werden - das hätten
wir in großen Teilen schon mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz erreichen können -, dass die Institutionen reformiert werden und der Bürokratieabbau fortgesetzt wird. Vor diesem Hintergrund frage ich mich,
warum Sie sich nicht auch an den Bemühungen beteiligen, dies alles zu verbessern, statt das Vorhaben generell
abzulehnen.
({8})
Herr Gysi hat den vorgesehenen Selbstbehalt als die
schlechteste Lösung bezeichnet. Dabei hilft ein Blick in
den Gesetzentwurf. Ihnen als Jurist sollte das nicht
schwer fallen, Herr Gysi. Der Gesetzentwurf sieht vor,
dass die Kassen Tarife mit Selbstbehalt anbieten können.
({9})
Die Versicherten können sich dafür entscheiden.
Des Weiteren sieht der Gesetzentwurf vor, dass keine
Quersubventionierung zulässig ist und dass der GKV
keine Mittel entzogen werden dürfen.
({10})
Die Tarife müssen entsprechend ausgestaltet werden.
Das entspricht unserer Auffassung: Wir haben bewusst darauf geachtet, dass sich Junge und Gesunde der
Solidargemeinschaft nicht entziehen können.
({11})
Ein weiterer Punkt, den Herr Lanfermann angesprochen hat, betrifft die Entschuldung der Kassen. Angenommen, die gegenwärtige Regelung würde unverändert
bleiben. Dann müssten die Kassen nach geltender
Rechtslage bis zum Ende des nächsten Jahres schuldenfrei sein.
Mit den Regelungen, die wir nun beschließen wollen,
werden die Kassen zwölf Monate mehr Zeit haben. Das
betrifft insbesondere diejenigen, die die Entschuldung
nicht aus eigener Kraft schaffen. In dem Zusammenhang
möchte ich etwas anmerken. Heute Morgen war in den
Tickermeldungen zu lesen, dass sächsische Unionsabgeordnete dem Gesetzentwurf nicht zustimmen wollen;
denn wenn es zum Auffangen von schwächeren AOKen
durch den AOK-Bundesverband kommen sollte, wäre
die AOK Sachsen möglicherweise nicht bereit, dazu ihren Beitrag zu leisten. Wenn wir ständig nach dem Motto
„Sachsen zuerst“ oder „Bayern zuerst“ verfahren, dann
hat das mit Solidarität nichts zu tun.
({12})
Solidarität bedeutet, dass man sich nicht nur beim Nehmen, sondern auch beim Geben solidarisch verhält. Es
verwundert mich, eine solche Forderung gerade aus den
Reihen der ostdeutschen Abgeordneten zu vernehmen.
Schließlich hat die Bevölkerung im Westen Deutschlands seit der Wiedervereinigung sehr viel Solidarität gegenüber der Bevölkerung im Osten geleistet, und zwar
nicht nur in den Sozialversicherungssystemen, sondern
auch über den Solidaritätszuschlag; das muss so bleiben.
Aber man muss auch bereit sein, etwas zurückzugeben,
und darf nicht die Position vertreten: Wir nehmen nur
und geben nichts.
({13})
Ich möchte jetzt auf die private Krankenversicherung eingehen; das ist ein beliebtes Thema. Ich habe
heute Morgen den Tickermeldungen entnehmen dürfen,
dass der Verband der privaten Krankenversicherung befürchtet, dass die Versicherten aufgrund der Tatsache,
dass es nur das Recht gibt, in den Basistarif einzusteigen,
nicht aber eine entsprechende Pflicht, erst dann wechseln, wenn sie krank sind. Wir haben nichts dagegen,
eine Versicherungspflicht - ähnlich der für die gesetzlich
Krankenversicherten - für diejenigen zu formulieren, die
dem Rechtskreis der privaten Krankenversicherung zugehören. Es ist sicherlich nicht in Ordnung, wenn man
nur bei Bedarf eine Krankenkasse wählt und sonst Beiträge spart. Aber es lag nicht an uns. Meine Damen und
Herren von der Union, ich erneuere das Angebot, das wir
bereits in den vorangegangenen Verhandlungen gemacht
haben: Wenn Sie möchten, können wir das gerne machen. Dann gäbe es zumindest eine Versicherungspflicht
für alle, egal ob gesetzlich oder privat krankenversichert.
({14})
Was in diesem Zusammenhang kolportiert wird, ist
zum Teil nicht nachzuvollziehen. Die privaten Krankenversicherer behaupten, die Prämien müssten angehoben
werden, weil die Altersrückstellungen im System portabel gemacht würden. Ich frage mich, womit sie rechnen. Warum sollen die Prämien steigen, wenn das Geld
doch im System bleibt? Oder wird hier vielleicht eine
ohnehin notwendige Anhebung in den nächsten Jahren
vorbereitet - man muss sich nur die Ausgabensituation
und insbesondere die Ausgabensteigerungen in der privaten Krankenversicherung anschauen -, um sie anschließend auf eine Reform zu schieben, die damit gar
nichts zu tun hat?
({15})
Ich möchte noch in einem weiteren Punkt Sachaufklärung betreiben. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung behauptet, durch den
Basistarif gingen den Ärzten Honorare der privaten
Krankenversicherung in Höhe von 2 Milliarden Euro
verloren. Wenn man sieht, dass die Gesamtausgaben der
privaten Krankenversicherung inklusive der Kosten für
Krankenhausbehandlungen im Jahr 2004 gerade einmal
16,4 Milliarden Euro betragen haben, dann muss man
annehmen, dass 50 Prozent der PKV-Versicherten in den
Basistarif wechseln. Das ist aber absurd.
({16})
Ich bitte deshalb wirklich, uns keine Briefe mehr zu
schicken - ob mit oder ohne Unterschrift -, in denen so
getan wird, als ob man im Namen der Menschen spräche, sondern endlich zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren.
Des Weiteren wird behauptet, dass wir auf dem Weg
in die Staatsmedizin seien. Bislang konnte mir aber niemand erklären, warum es zu mehr Regulierung führt,
wenn zukünftig ein Spitzenverband weniger Aufgaben
wahrnimmt als bislang die sieben Spitzenverbände. Die
geplante Umschichtung der Aufgaben von oben nach unten, also die Übertragung von Aufgaben an die Krankenkassen, führt eigentlich nicht zu weniger, sondern zu
mehr Wettbewerb. Offensichtlich ist aber niemand bereit, die Gesetzentwürfe richtig zu lesen.
Ich möchte auf den Wettbewerb und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zurückkommen. Wir
werden mit Start des Fonds nicht nur die gesetzlichen
Krankenkassen entschuldet haben. Vielmehr muss zeitgleich auch ein zielgenauer Risikostrukturausgleich
eingeführt werden. Das ist die zwingende Voraussetzung
dafür, dass es funktioniert. Es ist auch sichergestellt,
dass der Fonds am Anfang zu 100 Prozent die Ausgaben
der Kassen deckt.
Leider ist nicht gelungen - das sage ich auch ganz kritisch -, beim Zusatzbeitrag, soweit er erforderlich ist,
einen Grundlohnausgleich einzuführen. Das konnten wir
leider nicht vereinbaren. Ich bitte die Union, noch einmal darüber nachzudenken, ob man wirklich will, dass
ausgerechnet die Kassen mit den einkommensschwachen Mitgliedern einen höheren prozentualen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern erheben müssen als die
grundlohnstarken Kassen. Das drückt nicht die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit aus, sondern die unterschiedliche Einkommenssituation der Mitglieder. Das
kann nicht im Interesse der Union sein.
Auch möchte ich noch einmal deutlich machen, dass
der Zusatzbeitrag auf 1 Prozent des beitragspflichtigen
Einkommens gedeckelt ist. Was die Frage betrifft, wie
das bei denen gehandhabt wird, die Transferleistungen in
Anspruch nehmen, so ist zu sagen, dass bei Leistungsempfängern nach SGB XII der Grundleistungsträger die
Zusatzbeiträge übernimmt.
({17})
Im Rahmen des SGB II ist eine entsprechende Regelung
vorgesehen.
Letzter Punkt. Wir als SPD hätten uns gewünscht, in
eine wirklich nachhaltige Finanzierungsreform einsteigen zu können. Es hat nicht an uns gelegen, dass jetzt die
Beitragssätze angehoben werden. Die Anhebung wäre
aber ohne die Reform deutlich höher ausgefallen als
jetzt. Auch das muss man dazu sagen. Wir werden nicht
aufhören, dafür zu kämpfen, dass die Finanzierungsbasis
der gesetzlichen Krankenversicherung auf breitere
Schultern und eine gerechtere Basis gestellt wird, als das
heute der Fall ist.
({18})
In diesem Sinne freue ich mich schon auf die Beratungen, die in den kommenden Wochen vor uns liegen. Ich
möchte mich ausdrücklich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Gesundheitsministeriums bedanken,
die wirklich über das Maß dessen, was einem eigentlich
zuzumuten ist, die Abgeordneten in den Verhandlungen
unterstützt haben. Diese Unterstützung ist für das Haus
auch jetzt noch nicht beendet.
Herzlichen Dank.
({19})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Jens
Spahn.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer die öffentliche Debatte verfolgt und den Gesetzentwurf nicht gelesen hat - man gewinnt an der einen oder
anderen Stelle den Eindruck, dass es auch hier einige an
der Debatte Beteiligte gibt, die ihn noch nicht gelesen
haben -, der könnte einen falschen Eindruck von diesem
Gesetz bekommen, weil fast nur über Überschriften diskutiert wird, aber weniger über Inhalte, auf die viele der
Vorredner, was Wettbewerb, Effizienz und auch eine
bessere Versorgung angeht, schon hingewiesen haben.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
FDP, möchte ich kurz auf das eine oder andere eingehen,
was Sie gesagt haben. Sie haben schön öfter den Anspruch formuliert, eine kritische, aber konstruktive Opposition zu sein. Dazu würde auch gehören, die Bestandteile des Gesetzes anzuerkennen, die in die Richtung
gehen, die Sie doch eigentlich wollen und immer gefordert haben, zum Beispiel Wahltarife, Selbstbehalttarife,
Kostenerstattungstarife oder auch spezielle Versorgungstarife. Das anzuerkennen und mit zu diskutieren, gehörte
hier dazu, nicht einfach nur pauschal Kritik zu üben.
({0})
Das Gleiche gilt für die Frage der Entschuldung. Sie
sind doch eine der Parteien, die immer für Generationengerechtigkeit kämpfen. Dann müssten Sie eigentlich
auch eine Partei sein, die nicht bereit ist, zu akzeptieren,
dass die gesetzlichen Krankenkassen widerrechtlich Milliardenschulden aufgetürmt haben. Jetzt weigern Sie
sich, einem Gesetz zuzustimmen, das genau diesem
Schuldenmachen ein Ende setzt. Das ist heuchlerisch.
({1})
Daher kann ich - zumindest was diesen Bereich angeht nur feststellen, dass die FDP nicht konstruktiv ist, sondern dass sie, was die platten Überschriften und den Populismus angeht, in einen Duktus fällt, den wir eigentlich von der anderen Seite gewohnt sind. Sie machen mit
den Kollegen mit, wenn es um Praxisgebühr und die
Rente ab 67 geht. Auch jetzt bei den Überschriften zur
allgemeinen Gesundheitsreform ist es das Gleiche wie
bei den linken Kollegen hier im Parlament.
({2})
Lieber Herr Gysi, ich muss ganz ehrlich sagen, wenn
ich mir von jemandem nicht Zweiklassenmedizin vorwerfen lassen möchte, dann von einem Mitglied Ihrer
Partei, die die direkte Nachfolgepartei der SED ist.
({3})
- Sie als PDS sind Rechtsnachfolgerin der SED. - Angesichts dessen, dass in der DDR nicht einmal 50 Prozent
der Dialysepatienten vernünftig versorgt worden sind,
weil die entsprechenden Medikamente nicht vorhanden
waren, und es eine Nomenklatura, einen Kader, gab
- das müssten Sie doch wissen -, die für sich westliche
Medizin vorgesehen hat und für den Rest nicht, können
Sie hier nicht von einer Zweiklassenmedizin reden.
({4})
Frau Kollegin Künast - ich weiß nicht, ob sie noch
anwesend ist -, Sie haben für den kleinen Mann und
wahlweise für die kleine Frau in einer Art und Weise und
mit einem Geschrei gekämpft, wie wir es eher von der
populistischen Linkspartei gewohnt sind, haben sich
aber nur bedingt fachlich-konstruktiv in die Debatte eingebracht.
Ich wünsche mir für den parlamentarischen Prozess,
den wir heute beginnen und den wir mit Anhörungen in
großem Umfang und Beratungen im Gesundheitsausschuss begleiten werden, schlicht und ergreifend, dass
die Opposition diesen Entwurf kritisch - das ist ihr gutes
Recht -, aber konstruktiv mitgestaltet. Ich habe zum Beispiel nicht besonders viele Gegenvorschläge zu den Regelungen gehört, die wir angesichts der Beitragssatzentwicklung, die nun einmal so ist, wie sie ist, vorschlagen.
({5})
Ich kann Sie nur einladen, mitzudiskutieren.
Angesichts dessen, was wir aus den Beratungen und
den Anhörungen mitnehmen, werden wir darüber nachdenken, an der einen oder anderen Stelle Formulierungen oder Vorhaben zu ändern. Aber eines ist klar: Die
Ziele und die Richtung des Weges, den wir beschreiten,
sind korrekt. Wir können jetzt konstruktiv-kritisch darüber reden, wie man das alles auf richtige Art und
Weise umsetzen kann.
Danke schön.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen auf
den Drucksachen 16/3100 und 16/3096 zur federführen-
den Beratung an den Ausschuss für Gesundheit und zur
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Mitberatung an den Innenausschuss, den Rechtsaus-
schuss, den Finanzausschuss, den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie, den Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, den Ausschuss
für Arbeit und Soziales, den Verteidigungsausschuss,
den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend, den Ausschuss für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung sowie - betreffend die Druck-
sache 16/3096 - an den Haushaltsausschuss zu
überweisen. Der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3100
soll ausschließlich gemäß § 96 der Geschäftsordnung an
den Haushaltsausschuss überwiesen werden. Die Vorla-
gen auf den Drucksachen 16/1037 und 15/5670 sollen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse über-
wiesen werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? -
Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so
beschlossen.
Tagesordnungspunkt 22 e. Bevor wir zur Abstim-
mung kommen, weise ich darauf hin, dass etliche Kolle-
ginnen und Kollegen zu diesem Tagesordnungspunkt
eine persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsord-
nung schriftlich abgegeben haben.1)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Vertragsarzt-
rechtsänderungsgesetzes, Drucksache 16/2474. Der Aus-
schuss für Gesundheit empfiehlt unter Ziffer I seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3157, den Ge-
setzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der
Koalition bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der
Fraktion Die Linke und bei Enthaltung der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Die Fraktion Die Linke ver-
langt namentliche Abstimmung. Ich weise darauf hin,
dass es im Anschluss daran noch eine namentliche Ab-
stimmung gibt. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Dann schließe ich die
Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Er-
gebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gege-
ben.2)
Wir möchten gerne die Abstimmungen fortsetzen. Ich
bitte die Kolleginnen und Kollegen, die Plätze einzunehmen. Ich möchte die Abstimmungsergebnisse überblicken können. Deswegen wäre es auch hilfreich, wenn
die Minister zur Regierungsbank gehen würden.
({0})
1) Anlage 3
2) Ergebnis Seite 5996 D
Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen nun
zur Ziffer II der Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Gesundheit auf Drucksache 16/3157. Der Ausschuss
empfiehlt, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? -
Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposi-
tion angenommen.
Tagesordnungspunkt 22 f. Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit auf
Drucksache 16/3153 zu dem Antrag der Fraktion Die
Linke mit dem Titel „Erlass der Rechtsverordnung zum
morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich gemäß
§ 268 Abs. 2 SGB V“. Der Ausschuss empfiehlt, den
Antrag auf Drucksache 16/1511 abzulehnen. Die Frak-
tion Die Linke verlangt namentliche Abstimmung. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorge-
sehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Ur-
nen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstim-
mung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich frage vorsichts-
halber noch einmal: Haben alle Kolleginnen und Kolle-
gen ihre Stimme abgegeben? - Das ist der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be-
kannt gegeben.3) Wir setzen unsere Beratungen fort.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben
- Drucksache 16/54 - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren für Verkehrsprojekte
- Drucksache 16/1338 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jan Mücke, Horst Friedrich ({1}), Patrick Döring, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und
Beschleunigung von Zulassungsverfahren
für Verkehrsprojekte
- Drucksache 16/3008 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
({2})
- Drucksache 16/3158 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Hacker
Lutz Heilmann
3) Ergebnis Seite 5998 B
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen ein
Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die
Grünen und je ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie der Fraktion des Bündnisses 90/Die
Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eine gut funktionierende Infrastruktur ist eine existenzielle Voraussetzung für die Sicherung nachhaltiger
Mobilität als Grundlage für Wirtschaft, Arbeit und
Wohlstand. Auch benötigt Deutschland als zentrales
Transitland ein modernes, zukunftsweisendes und leistungsfähiges Infrastrukturnetz, das im europäischen Vergleich herausragt.
Wir wollen dafür sorgen, dass vorhandene Finanzierungsmittel effizient eingesetzt werden. Dies lässt sich
vor allem mit einer Verkürzung der Planungszeiten erreichen. Deshalb hat sich die Koalition vorgenommen,
die Planungen zu vereinfachen und zu beschleunigen,
und das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben auf den Weg gebracht.
Das Infrastrukturbeschleunigungsgesetz soll für das
gesamte Bundesgebiet ein noch weiter vereinfachtes
Planungsrecht in den Bereichen Bau und Änderung von
Bundesfernstraßen, Betriebsanlagen der Eisenbahn, Bundeswasserstraßen und Flughäfen sowie bei den Energieversorgungsleitungen ermöglichen. Das Gesetz soll
Planungssicherheit schaffen und beschleunigte, entbürokratisierte Entscheidungsprozesse ermöglichen.
Mit der zweiten und dritten Lesung des Entwurfs eines Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes der
Bundesregierung werden wir heute die parlamentarischen Beratungen zu einem wichtigen Vorhaben der großen Koalition erfolgreich abschließen und damit ein Reformversprechen einlösen.
({0})
Die Regierungsfraktionen haben den Gesetzentwurf
der Bundesregierung, der bereits ein Beschleunigungspotenzial von über zwei Jahren im Vergleich zu heute
enthielt, noch um weitere Verfahrenserleichterungen ergänzt. Entsprechend der Koalitionsvereinbarung wurden dabei auch die Vorschläge der Länder berücksichtigt. Ich bin daher zuversichtlich, dass der Bundesrat der
Version des Gesetzentwurfs, die heute im Plenum verabschiedet wird, zustimmen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will die wichtigsten Maßnahmen des Entwurfs des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes in der Fassung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zusammenfassen:
Erstens. Festlegung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in erster und letzter Instanz für
ausdrücklich benannte Verkehrsprojekte. Die Verkürzung des Rechtswegs wird für Projekte genutzt, die zur
Herstellung der deutschen Einheit, als Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen, als Vorhaben mit internationalem Bezug, als europäische Erweiterung, oder zur
Beseitigung gravierender Verkehrsengpässe von besonderer Bedeutung sind. Im Ergebnis geht es bei dieser
Regelung um 22 Schienen-, 57 Straßen- und sechs Wasserstraßenvorhaben und sie wird einen Beschleunigungseffekt von etwa anderthalb Jahren zur Folge haben. Davon profitieren die ausgewiesenen Projekte.
Die Bundesregierung wird der Aufforderung zur Vorlage eines Erfahrungsberichts und zur Überprüfung bzw.
Aktualisierung der Festlegungskriterien der Vorhabenliste, wie in der Beschlussempfehlung vorgesehen,
selbstverständlich nachkommen.
Zweitens. Einführung der fristgebundenen Beteiligung von Natur- und Umweltschutzvereinigungen,
der so genannten Präklusion. Das heißt, auch diese Vereinigungen müssen fortan, wie schon heute jeder von einer Planung betroffene Eigentümer, ihre Stellungnahmen
innerhalb von zwei Wochen nach Ende der einmonatigen
Auslegungsfrist für die Pläne vorbringen. Damit wird für
die Infrastrukturplanung endlich die längst fällige Beseitigung einer nicht begründbaren Besserstellung dieser
Vereinigungen gegenüber unmittelbar Betroffenen vorgenommen.
Drittens. Ausweitung der gesetzlichen Pflicht zur
Duldung von Vorarbeiten. Bislang war diese Verpflichtung auf die Vorbereitung der Planung beschränkt. Künftig müssen Grundstückseigentümer und andere Berechtigte auch nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses
oder der Plangenehmigung zum Beispiel Boden- und
Grundwasseruntersuchungen, Vermessungen oder vorübergehende Markierungen dulden, soweit diese Maßnahmen zur Vorbereitung der Baudurchführung dienen.
In der Praxis aufgetretene Probleme bei nicht sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschlüssen werden durch
diese Ergänzung beseitigt.
Viertens. Verankerung von Ermittlungserleichterungen im Falle ortsabwesender Grundeigentümer.
Künftig muss die Behörde über die Prüfung von Grundbuch und Grundsteuertabelle hinaus keine weiteren zeitraubenden Ermittlungsvorhaben durchführen. Das ist
wichtig, weil das wirklich zeitraubend war.
({1})
Wichtig ist bei dieser Änderung vor allem die Erhöhung
der Planungssicherheit für alle Beteiligten; denn bisher
konnten die mit der Planung befassten Stellen nie sicher
sein, ob und, wenn ja, wann ihre Ermittlungsbemühungen vor Gericht als ausreichend angesehen werden.
({2})
Fünftens. Festlegung einer einheitlichen Geltungsdauer der Planungsbeschlüsse. Das heißt, Beschlüsse
haben eine primäre Geltungsdauer von zehn Jahren; auf
Antrag des Vorhabenträgers ist eine Verlängerung um
fünf Jahre möglich.
Sechstens. Verankerung des gesetzlichen Sofortvollzugs bei Betriebsgenehmigungen für Verkehrsflughäfen
und bei Planfeststellungsbeschlüssen zu besonders wichtigen Wasserstraßenprojekten.
Siebtens. Die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens kann künftig durch Landesrecht geregelt
werden. Hier waren die Ergebnisse der Föderalismusreform entscheidend. Wir haben sie berücksichtigt und im
Gesetzentwurf verankert.
Achtens. Die Durchführung eines Erörterungstermins wird ins pflichtgemäße Ermessen der Behörde
gestellt. Hier denke ich vor allem an die Fälle, in denen
weder Einwendungen noch Stellungnahmen von Betroffenen, Vereinen und Verbänden abgegeben wurden, und
an Großvorhaben, bei denen angesichts der Vielzahl eingegangener unterschiedlicher Eingaben von vornherein
feststeht, dass ein Erörterungstermin nicht zu einer Einigung führen kann. In diesem Bereich können nicht nur
Zeit-, sondern auch erhebliche Kosteneinsparungen erreicht werden.
Neuntens. Im Fernstraßenausbaugesetz wird die so
genannte Ökostern-Regelung für die Dringlichkeitsstufen „vordringlicher Bedarf“ und „weiterer Bedarf“ praxistauglich gestaltet.
({3})
In der Praxis waren Rechtsunsicherheiten aufgetreten,
die durch die Änderung beseitigt werden.
Zehntens. Eine Benachrichtigung von Natur- und
Umweltschutzvereinigungen über das Auslegen der
Planungsunterlagen erfolgt im Wege der ortsüblichen
Bekanntmachung. Das heißt, es wird kein besonderes
Anschreiben mehr verschickt. Dies trägt ebenfalls zu einer Erleichterung des Verfahrens bei.
Das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit kann sich
sehen lassen: Wir erreichen eine Entbürokratisierung
beim Zulassungsverfahren für Infrastrukturvorhaben,
ohne dass dies - ich möchte das hier betonen - zu einer
einseitigen Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung oder des Umweltschutzes führt. Lassen Sie uns
deshalb dieses Reformvorhaben im Bereich des Planungsrechts gemeinsam parlamentarisch abschließen,
damit das vorwiegend auf die ostdeutschen Bundesländer beschränkte Sonderplanungsrecht für Verkehrswege
- es wurde immer allseits gelobt - nun in ganz Deutschland Anwendung finden kann.
({4})
Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung in der durch die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung fortgeschriebenen
Fassung.
({5})
Vielen Dank.
({6})
Ich komme zum Tagesordnungspunkt 22 e zurück
und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurf eines Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes bekannt: Abgegebene Stimmen 540. Mit Ja haben gestimmt 385, mit Nein haben gestimmt 111, Enthaltungen
44. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 540;
davon
ja: 385
nein: 111
enthalten: 44
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({1})
Wolfgang Bosbach
Michael Brand
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({2})
Dirk Fischer ({3})
Dr. Maria Flachsbarth
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({4})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Andreas Jung ({5})
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Siegfried Kauder ({6})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({7})
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({8})
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Patricia Lips
Stephan Mayer ({9})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({10})
Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({11})
Stefan Müller ({12})
Dr. Gerd Müller
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({13})
Klaus Riegert
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({14})
Anita Schäfer ({15})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({16})
Andreas Schmidt ({17})
Ingo Schmitt ({18})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Andrea Astrid Voßhoff
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({19})
Gerald Weiß ({20})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({21})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Matthias Wissmann
Dagmar Wöhrl
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({22})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({23})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({24})
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({25})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({26})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({27})
Frank Hofmann ({28})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({29})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({30})
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({31})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({32})
Michael Müller ({33})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({34})
Maik Reichel
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Karin Roth ({35})
Michael Roth ({36})
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({37})
Axel Schäfer ({38})
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({39})
Silvia Schmidt ({40})
Renate Schmidt ({41})
Heinz Schmitt ({42})
Carsten Schneider ({43})
Swen Schulz ({44})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Nein
CDU/CSU
Günter Baumann
Veronika Bellmann
Klaus Brähmig
Robert Hochbaum
Dr. Peter Jahr
Manfred Kolbe
Michael Kretschmer
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Michael Luther
Maria Michalk
Henry Nitzsche
Beatrix Philipp
Marco Wanderwitz
FDP
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({45})
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({46})
Dr. Edmund Peter Geisen
Miriam Gruß
Joachim Günther ({47})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link ({48})
Markus Löning
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({49})
Martin Zeil
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dagdelen
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Heike Hänsel
Cornelia Hirsch
Inge Höger-Neuling
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({50})
Volker Schneider
({51})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Jörn Wunderlich
fraktionslos
Gert Winkelmeier
Enthalten
CDU/CSU
Karl Schiewerling
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({52})
Volker Beck ({53})
Cornelia Behm
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Winfried Hermann
Priska Hinz ({54})
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({55})
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({56})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Jürgen Trittin
Josef Philip Winkler
Tagesordnungspunkt 22 f. Ich gebe das von den
Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum
Antrag der Linken mit dem Titel „Erlass der Rechtsverordnung zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich gemäß § 268 Abs. 2 SGB V“ bekannt: Abgegebene Stimmen 542. Mit Ja haben gestimmt 450, mit Nein
haben gestimmt 91, eine Enthaltung. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 542;
davon
ja: 450
nein: 91
enthalten: 1
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({57})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({58})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({59})
Dirk Fischer ({60})
Dr. Maria Flachsbarth
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({61})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({62})
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Siegfried Kauder ({63})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({64})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({65})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer ({66})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({67})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({68})
Stefan Müller ({69})
Dr. Gerd Müller
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({70})
Klaus Riegert
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({71})
Anita Schäfer ({72})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({73})
Andreas Schmidt ({74})
Ingo Schmitt ({75})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({76})
Gerald Weiß ({77})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({78})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Matthias Wissmann
Dagmar Wöhrl
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({79})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({80})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({81})
Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({82})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({83})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({84})
Frank Hofmann ({85})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({86})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({87})
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({88})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({89})
Michael Müller ({90})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({91})
Maik Reichel
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Karin Roth ({92})
Michael Roth ({93})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({94})
Axel Schäfer ({95})
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({96})
Silvia Schmidt ({97})
Renate Schmidt ({98})
Heinz Schmitt ({99})
Carsten Schneider ({100})
Swen Schulz ({101})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({102})
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({103})
Dr. Edmund Peter Geisen
Miriam Gruß
Joachim Günther ({104})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link ({105})
Markus Löning
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({106})
Martin Zeil
Nein
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dagdelen
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Heike Hänsel
Cornelia Hirsch
Inge Höger-Neuling
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({107})
Volker Schneider
({108})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({109})
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Volker Beck ({110})
Cornelia Behm
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Winfried Hermann
Priska Hinz ({111})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({112})
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({113})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Jürgen Trittin
Josef Philip Winkler
fraktionslos
Gert Winkelmeier
Enthalten
CDU/CSU
Dr. Georg Nüßlein
Nächster Redner in unserer Debatte ist der Kollege
Jan Mücke, FDP-Fraktion.
({114})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf zur
Abstimmung vorgelegt, weil auch wir, die FDP-Fraktion
im Deutschen Bundestag, das Ziel verfolgen, Vorhaben
im Verkehrsbereich schneller zu planen, damit Investitionen in unsere Verkehrsinfrastruktur schneller möglich
sind. Über die Fraktionen hinweg haben wir das gemeinsame Ziel formuliert, ein einheitliches und beschleunigtes Planungsrecht für ganz Deutschland zu erreichen.
Mit dem Entwurf, den die große Koalition vorlegt, wird
dieses Ziel nicht erreicht.
({0})
An einigen Punkten, die ich hier im Einzelnen aufzählen möchte, unterscheiden sich unsere Auffassungen
sehr gravierend. Ich möchte mit einem Punkt anfangen,
der insbesondere bei der Anhörung zu den Gesetzentwürfen eine sehr große Rolle gespielt hat. Es geht um die
Frage der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts. Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts hat dazu sehr klar Stellung bezogen.
Denn er hat sowohl über die Medien als auch in der Anhörung selbst davor gewarnt, dass man wieder ein zweigeteiltes Planungsrecht schafft, indem man für bestimmte Vorhaben mit einer besonderen verkehrlichen
Bedeutung, die Sie in den einzelnen Planungsgesetzen
enumerativ aufgeführt haben, die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts festsetzt.
Das kann dazu führen, dass das Bundesverwaltungsgericht verstopft wird. Er hat das damit umschrieben, dass
ein Flaschenhalseffekt auftreten könnte.
Dieser Verstopfungseffekt ist aber nicht das eigentliche Kriterium, das für uns eine Rolle spielt. Für uns sind
vielmehr die Fragen wesentlich, die Herr Hien im Zusammenhang mit der möglichen Verfassungswidrigkeit
einer solchen Regelung aufgeworfen hat. Herr Dr. Hien
hat darauf verwiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Regelfall keine Tatsacheninstanz ist, sondern
ein Rechtsmittelgericht. Das haben Sie im Übrigen selber erwähnt. Es widerspricht dem Sinn der Gerichtsorganisation, dass das Bundesverwaltungsgericht in diesen
Fällen als Tatsacheninstanz angesehen werden soll.
({1})
Er hat dazu ausgeführt, dass es problematisch ist, dass
ein Bundesgericht erst- und letztinstanzlich in erheblichem Umfang über die Anwendung von Landesrecht
entscheidet und es keinerlei Konfliktausgleich mit den
Landesgerichten gibt. Ich zitiere aus dem Protokoll: Das
ist nach unserer verfassungsrechtlichen Lage eigentlich
nicht vorgesehen.
({2})
Die große Koalition geht also sehenden Auges das Risiko ein, dass, wenn der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts das Gesetz für verfassungswidrig hält, das
Bundesverwaltungsgericht möglicherweise selbst nach
Karlsruhe gehen und ein Normenkontrollverfahren anstreben wird.
({3})
Dann sind möglicherweise alle Verfahren, die Sie im
Entwurf des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes aufgeführt haben, blockiert. Das ist das Gegenteil
von dem, was wir erreichen wollen. Wir wollen ja, dass
es schneller vorangeht. Das ist aber mit der Regelung,
die Sie vorschlagen, unter Umständen nicht der Fall.
({4})
Das Problem ist auch, dass der Bundespräsident bei
Gesetzen, die aus dem Verkehrsbereich kommen, offensichtlich etwas genauer hinsieht. Möglicherweise könnte
man auch diesbezüglich das eine oder andere Problem
vermeiden. Wir sind als FDP-Fraktion einen anderen
Weg gegangen.
Ich möchte noch auf ein weiteres Argument in diesem
Zusammenhang eingehen. Es betrifft die Frage, ob wirklich eine längere Verfahrensdauer zustande kommt,
wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht erste Instanz
ist. Die Begründung dafür, dass man das in den neuen
Bundesländern damals so gemacht hat war ja, dass es
keine Oberverwaltungsgerichte mit ausreichend vielen
Senaten gab, die hätten entscheiden können. Das Problem ist mittlerweile behoben. Die Oberverwaltungsgerichte sind aufgebaut und sehr kompetent ausgestattet.
Deshalb gibt es für eine weitere Sonderregelung in diesem Bereich eigentlich keinen Raum.
Ich möchte zu einem weiteren Punkt kommen, der aus
unserer Sicht sehr problematisch ist. Er betrifft die Frage
der Verlängerung der Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen. Das wird auf unseren entschiedenen Widerstand treffen, und zwar aus zwei Gründen:
Zum einen ist es der Öffentlichkeit gegenüber unehrlich,
die ganze Zeit zu erzählen, Sie wollten Planungsverfahren verkürzen und schneller umsetzen, wenn Sie nicht
auch die Planfeststellungsbeschlüsse, wie wir es wollen,
nach zehn Jahren auslaufen lassen, was den Druck auf
den Vorhabensträger erhöhen würde, endlich zu bauen
und seine Verkehrsprojekte umzusetzen. Wenn hier sozusagen noch fünf Jahre zugegeben werden und ein Eigentümer im Einzelfall insgesamt 15 Jahre die Einschränkung seines Eigentums hinnehmen muss, halten
wir das für außerordentlich problematisch.
({5})
Zum anderen suggerieren Sie der Öffentlichkeit, dass
Sie ein schnelleres Planungsrecht befürworten und damit
unser Land auch in wirtschaftlicher Hinsicht schneller
voranbringen wollen. Die Wahrheit ist aber, dass Sie
zwar Planungsverfahren so weit verkürzen können, wie
es geht; wenn Sie nicht das Geld haben, die Planung
auch umzusetzen,
({6})
dann können Sie sich die ganze Planungsbeschleunigung
schenken. Was Sie mit der Beschleunigung erreichen,
zeigt sich im aktuellen Haushaltsentwurf für 2007: Dort
sind für den Bundesfernstraßenbau 700 Millionen Euro
weniger als im letzten Haushalt von Rot-Grün angesetzt,
die ja bekanntermaßen keine großen Straßenfreunde gewesen sind. Das ist aus meiner Sicht bemerkenswert.
Um eine weitere Zahl zu nennen: Für Fernstraßen
werden im Entwurf des Bundeshaushalts 51,9 Prozent
der Gesamtinvestitionen für Bundesverkehrswege vorgesehen. Im Haushalt des Jahres 2005, dem letzten rotgrünen Haushalt, waren es noch 57 Prozent der Gesamtinvestitionen. Das schönste Planungsrecht nützt nichts,
wenn kein Geld zur Verfügung steht, diese Planung auch
umzusetzen. Wenn Sie an Ihrer Finanzplanung festhalten, dann wird das dazu führen, dass die deutschen Autobahnen weiter verrotten.
({7})
Es gibt auch Punkte, an denen wir uns einig sind,
({8})
beispielsweise die Regelung zum Erörterungstermin.
Wir denken, dass man im Einzelfall durchaus darauf verzichten könnte. Wir haben eine ähnliche Regelung beim
Raumordnungsverfahren vorgesehen. Wir meinen,
dass ein Raumordnungsverfahren generell überflüssig ist
und man es durch eine landesplanerische Stellungnahme
ersetzen könnte. Das deckt sich mit den Aussagen von
Professor Ronellenfitsch, der in der Anhörung zu diesem
Gesetzentwurf ausgeführt hat, dass das Raumordnungsverfahren im Kontext mit dem Planfeststellungsverfahren so unnötig wie ein Kropf ist. Damit hat er völlig
Recht. Deshalb haben wir eine solche Regelung vorgeschlagen. Dummerweise ist nach der Föderalismusreform der Ball nun bei den Ländern, eine entsprechende
Regelung zu schaffen. Ich kann nur darauf setzen, dass
die Länder hier eine vernünftige Regelung finden werden.
Ein gravierendes Problem des Gesetzentwurfes der
großen Koalition ist, dass Einzelgesetze geregelt werden, wodurch aus meiner Sicht einige sachfremde
Punkte mitgeregelt werden, beispielsweise die Erdkabelproblematik. Es wäre sinnvoller gewesen, das in einem
gesonderten Gesetzgebungsverfahren zu regeln.
({9})
Jetzt sind Regelungen zur Umsetzung der Erdkabeltechnik in den Gesetzentwurf eingefügt, was insbesondere unter Kostengesichtspunkten für die deutsche Wirtschaft ein Problem sein wird; denn jeder weiß, dass die
Erdkabeltechnik sechs- bis siebenmal teurer ist als die
traditionelle Übertragungstechnik.
({10})
Das wird dazu führen, dass die Netzbetreiber die Kosten
umlegen werden, was wiederum einen weiteren Anstieg
der Strompreise zur Folge haben wird. Das heißt, der Zuwachs, den wir in diesem Bereich erzielen, wird sich dahin gehend auswirken, dass die Energie in Deutschland
teurer wird.
({11})
Ich hätte mir gewünscht, dass man diesen Punkt in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren geregelt
hätte.
Letzter Punkt. Sie haben bei der Änderung von Einzelgesetzen ein Einzelgesetz komplett vergessen, nämlich
das Personenbeförderungsgesetz, in dem beispielsweise Planfeststellungsverfahren für Straßenbahnen geregelt werden. Darunter zählt zum Beispiel die Berliner
U-Bahn, die im Sinne dieses Gesetzes Straßenbahn ist.
Es ist keinem Menschen zu erklären, warum die S-Bahn
in Berlin jetzt nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz
von einem verkürzten Planungsverfahren profitieren
soll, die U-Bahn aber nach dem Planungsrecht von 1993
geplant wird. Das ist ein Fehler des Gesetzes. Daran sehen Sie, dass es richtiger gewesen wäre, beim Verwaltungsverfahrensgesetz anzusetzen, um dort die Änderung und Verkürzung des Planungsrechts einheitlich zu
regeln.
({12})
- Sie haben das in einem Entschließungsantrag angeführt; aber richtiger wäre doch gewesen, das von vornherein umfassend zu klären, statt es auf Einzelgesetze zu
verteilen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({13})
Das Wort hat der Kollege Dirk Fischer, CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland hat sich durch seine geografische Lage
nicht nur zum Transitland Nummer eins in Europa, sondern auch zu einem bevorzugten Standort für Logistikdienstleister entwickelt. Gott sei Dank, die Logistikbranche in Deutschland boomt. Rund 2,7 Millionen
Menschen sind gegenwärtig in diesem Wirtschaftszweig
beschäftigt und ihre Zahl wächst stetig. Eine gute Verkehrsinfrastruktur in unserem Lande ist also eine wesentliche Grundvoraussetzung dafür, dass sich diese
Branche mit ihrer enormen Bedeutung für Wachstum
und Beschäftigung erfolgreich weiterentwickeln kann.
Unser dichtes Verkehrsnetz trägt also entscheidend zur
Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes auch im internationalen Standortvergleich bei.
Um auch weiterhin den Herausforderungen gewachsen zu sein, müssen wir die Planung und den Bau unserer Verkehrsinfrastruktur zügig an die Anforderungen
der Wirtschaft und des zunehmenden Personen- und Güterverkehrs anpassen. Die heute geltenden Vorschriften
werden aber den Anforderungen, die man an zügige Entscheidungsprozesse stellen muss, in keiner Weise mehr
gerecht. Um die Planung von Infrastrukturprojekten
künftig effizienter, transparenter und schneller zu machen, hat die große Koalition den rot-grünen Gesetzentwurf grundlegend überarbeitet und nun den Entwurf
eines effizienten Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes vorgelegt. Dies ist ein wahrlich langer Name
für erhoffte kurze Planungszeiten.
Der vorliegende Gesetzentwurf packt zugleich zahlreiche von der Planungspraxis aufgeworfene Probleme
an und setzt entsprechende Detaillösungen zur Vereinfachung, Beschleunigung und Stabilisierung der Planungsprozesse um. Durch die Berücksichtigung der guten
Anregungen aus dem Bundesrat konnte dieser Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren weitgehend mit
den Bundesländern abgestimmt werden. Ich darf an dieser Stelle den Berichterstattern der Fraktionen, die hier
eine sorgfältige und langfristig angelegte Detailarbeit
zusammen mit den zuständigen Bundesministerien geleistet haben, ein herzliches Wort des Dankes sagen.
({0})
Ein bereits erwähntes Kernelement des Gesetzentwurfes ist, dass die etwaige gerichtliche Überprüfung
dringlicher Verkehrsvorhaben auf das Bundesverwaltungsgericht konzentriert wird. Dabei wird die erst- und
letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes mittels einer Liste auf einzelne Vorhaben mit
überragender verkehrlicher Bedeutung im Bereich der
Straße, Schiene und Wasserstraßen sowie bei Betriebsanlagen einer Magnetschwebebahn begrenzt.
Die Bundesregierung soll - das ist unser ausdrücklicher Wunsch - die Aktualität der Vorhabensliste im
Zuge der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes und der Ausbaugesetze überprüfen. Damit erfolgt
die Zuweisung an das Bundesverwaltungsgericht von
vornherein projektbezogen, also zeitlich und sachlich
begrenzt. 85 Großprojekte der verschiedenen Verkehrsträger können also sehr viel schneller durchgesetzt werden. Das sind wichtige Projekte im Zuge der Vollendung
der deutschen Einheit, Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen, Vorhaben mit einem besonderen internationalen Bezug - beispielsweise die bessere Vernetzung
Europas, die durch die EU-Erweiterung erforderlich ist und Vorhaben zur Beseitigung gravierender Verkehrsengpässe. Wir erhoffen uns hier einen Beschleunigungseffekt von etwa einem bis eineinhalb Jahren.
Für die Beteiligungsrechte der anerkannten Naturschutzvereinigungen werden Präklusionsfristen eingeführt. Dabei werden die Vereinigungen den privaten Einwendern gleichgestellt. Das heißt, sie müssen ihre
Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Ende
der einmonatigen Auslegungsfrist der Pläne vorbringen.
Dies vereinfacht das Anhörungsverfahren, vergrößert
dessen Transparenz, beschleunigt seinen Abschluss und
entspricht dem Gebot von frühzeitiger und effektiver Interessenvertretung. Wir erhoffen uns hier einen Beschleunigungseffekt von zwei bis drei Monaten. Auch
erfolgt eine Benachrichtigung von Natur- und Umweltschutzvereinigungen künftig im Wege der ortsüblichen
Bekanntmachung über die Auslegung der Planunterlagen. Auf ein gesondertes Anschreiben wird verzichtet.
Das Raumordnungsgesetz wird dahin gehend geändert, dass es dem Landesgesetzgeber überlassen wird, im
Einzelfall von der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens abzusehen. Die Regelung räumt einerseits
dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit flexibler Regelungen ein, andererseits bleibt aber das Raumordnungsverfahren grundsätzlich erhalten. Der gesetzliche
Sofortvollzug von Betriebsgenehmigungen von Verkehrsflughäfen und von Planfeststellungsbeschlüssen bei
besonders wichtigen Wasserstraßenprojekten wird verankert. Im Fernstraßenausbaugesetz wird die so genannte Ökostern-Regelung für die Dringlichkeitsstufen
„vordringlicher Bedarf“ und „weiterer Bedarf“ praxistauglich gestaltet.
Bestehende Rechtsunsicherheiten werden beseitigt,
Verfahren vereinfacht und beschleunigt. Die Anhörungsbehörde kann zukünftig nach pflichtgemäßem Ermessen
auf die Erörterung innerhalb des Anhörungsverfahrens
verzichten. Hierbei ist insbesondere an die Fälle zu
Dirk Fischer ({1})
denken, in denen fristgerecht keine Einwendungen oder
Stellungnahmen eingegangen sind oder in denen von
vornherein absehbar ist, dass beim Erörterungstermin
wegen unterschiedlichster Interessenlagen keine Chance
besteht, einen Konsens zu finden. Die gesetzliche Pflicht
des Grundstückseigentümers zur Duldung von Vorarbeiten zur Baudurchführung wird ausgeweitet. Der Aufwand der Anhörungsbehörde zur Ermittlung von ortsabwesenden Grundstücksbetroffenen wird verringert.
Die Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen wird auf zehn Jahre, mit einer Verlängerungsoption
von weiteren fünf Jahren, erhöht. Hier haben wir einen
Wunsch, der im Bundesrat ausdrücklich vorgetragen
worden ist, berücksichtigt.
Durch diese Änderung wird der Verwaltungsaufwand
erheblich verringert, da das vormals nach fünf Jahren erforderliche Verwaltungsverfahren zur Entscheidung über
den Verlängerungsantrag künftig erst nach zehn Jahren
und damit voraussichtlich nur noch in Ausnahmefällen
durchzuführen sein wird. Dadurch wird sichergestellt,
dass mit erheblichen öffentlichen Mitteln erworbene Planungsrechte nicht verfallen und bereits aufgebrachte
Mittel vollständig verloren gehen.
({2})
Mit diesem Gesetz werden die teilweise verkrusteten
Strukturen im Planungsrecht aufgebrochen. Wir ermöglichen einen bedarfsgerechten und vor allem zeitnahen
Ausbau der Infrastruktur und leisten gleichzeitig einen
großen Beitrag zum Bürokratieabbau und zur zügigen
Schaffung von Planungssicherheit. Mit diesem Gesetz
verbessern wir die Investitionsbedingungen am Standort
Deutschland und geben einen weiteren deutlichen Impuls für mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung
in unserem Lande.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({3})
Nächster Redner ist der Kollege Lutz Heilmann,
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Werte Gäste! Frau Staatssekretärin, wiederholt muss ich
feststellen, dass Ökologie und Umweltschutz im Hause
Tiefensee überhaupt keinen Stellenwert haben. Wieder
beziehen Sie sich auf Wirtschaft, Arbeit und Wohlstand,
was löblich ist, erwähnen in Ihrer Rede aber leider nicht
die Umwelt.
Herr Kollege Fischer, durch Ihre Rede zog sich das
Prinzip Hoffnung. Das ist offensichtlich das Prinzip
dieser Regierungskoalition, dem sie vermutlich auch
noch die nächsten drei Jahre treu bleiben wird. Herr Kollege Fischer, Sie bezeichnen Bürgerbeteiligung als „verkrustete Strukturen“. Das macht deutlich, welchen Stellenwert die Bürgerinnen und Bürger sowie die Verbände
in diesem Land bei Ihnen einnehmen.
({0})
Doch nun zu dem Gesetzentwurf selbst. Der Titel
Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz ist ebenso
monströs wie sein Inhalt. Kein Planungsverfahren wird
dadurch wesentlich verkürzt; denn Sie setzen vor allen
Dingen auf die Verkürzung von Fristen bei der Beteiligung von Verbänden und auf eine Einschränkung hinsichtlich des Rechtsweges.
Eine Beschleunigung per se ist nicht notwendig. Kollege Mücke von der FDP hat das deutlich gemacht. Im
Sommer dieses Jahres stellte ich eine Kleine Anfrage an
die Bundesregierung. Sie ergab, dass allein im Bereich
des Straßenbaus zu Ende geplante Projekte mit einem
Volumen von 4,8 Milliarden Euro auf Halde liegen. Warum wollen Sie auf Teufel komm raus durch die Einschränkung von Bürgerbeteiligungen eine Beschleunigung der Verfahren erreichen. Diese Summe von
4,8 Milliarden Euro ist mehr als das Doppelte von dem,
was für Neubau- und Ausbaumaßnahmen in diesem Bereich jährlich zur Verfügung steht.
({1})
- Nehmen Sie doch einmal die Antwort auf die Kleine
Anfrage zur Hand und lesen Sie nach. Vielleicht können
Sie ja einen Erkenntnisgewinn daraus ziehen.
({2})
Im Bau befindliche Projekte sind in dieser Summe noch
nicht einmal enthalten. Deshalb setzen Sie auf die Verlängerung der Gültigkeit der Planfeststellungsbeschlüsse. Meinen Sie denn tatsächlich, dass wir in
15 Jahren noch den gleichen Bedarf wie heute haben?
Am Mittwoch dieser Woche haben wir im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung eine Anhörung zum Thema Demografie und Infrastruktur durchgeführt. Vielleicht hätten Sie daran teilnehmen und mit den
Sachverständigen sprechen sollen. Dann hätten Sie vielleicht etwas dazugelernt.
({3})
Das, was Sie im vorliegenden Gesetzentwurf beschreiben, hat mit nachhaltiger Entwicklung gar nichts zu tun.
({4})
- Ich gehöre ja auch der Opposition an.
({5})
Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen.
Gestern stand die Debatte zur Århus-Konvention auf
der Tagesordnung. Ehrlicherweise muss ich zugeben,
dass der von der Regierungskoalition eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Öffentlichkeitsbeteiligung
einige vernünftige Vorschläge enthält.
({6})
- Ja.
Die Århus-Konvention zielt bekanntlich darauf, die
Rechte der Bürgerinnen und Bürger und der Verbände
auszuweiten; hier sind wir uns bestimmt einig. Allerdings müssen Sie mir erklären, wie Sie Ihren Entwurf eines Gesetzes über die Öffentlichkeitsbeteiligung mit
dem Inhalt des Gesetzentwurfes, den wir gerade beraten
und den Sie heute verabschieden wollen, vereinbaren
wollen.
({7})
Haben Sie diesen Punkt vielleicht von der gestrigen
Tagesordnung gestrichen, um diesen Widerspruch nicht
deutlich werden zu lassen? Denn andernfalls hätten Sie
gestern eine Ausweitung und heute eine Einschränkung
der Rechte der Bürgerinnen und Bürger beschlossen.
({8})
Mir können Sie das nicht erklären. Aber den Menschen
im Land sollten Sie erklären, was das soll.
({9})
Zurück zu Ihrem Gesetzentwurf. Er geht an den Problemen, die wir im Hinblick auf die Planungsverfahren
haben, vorbei. Es gibt Schwierigkeiten bei der Durchführung, aber auch im Hinblick auf die Struktur des Planungsverfahrens. Diese Probleme haben Sie allerdings
überhaupt nicht benannt. Sie beachten sie gar nicht und
gehen einen verkrusteten Weg, anstatt sich endlich einmal über neue und bessere Maßnahmen Gedanken zu
machen.
({10})
All die großen und kleinen Ferkeleien, die Ihr Gesetzentwurf enthält, wurden vom Kollegen Mücke bereits
recht ausführlich angesprochen; das möchte ich nicht
wiederholen. Besonders wichtig ist aber Folgendes: Sie
behaupten immer, die Liste der Vorhaben sei abschließend. Das ist sie aber nicht. Es gibt eine Öffnungsklausel.
({11})
Das heißt, dass Sie jederzeit beispielsweise eine neue
Autobahn in die Liste aufnehmen können.
({12})
Erzählen Sie also nicht, die Liste sei abschließend. Sagen Sie die Wahrheit und machen Sie deutlich, was Sie
wirklich vorhaben.
Gibt es Alternativen? Wir sagen Ja. Erlauben Sie mir
dazu einige ganz kurze Bemerkungen. Wie entsteht heutzutage eine Autobahn? Wie sieht der Weg der Planung
ganz konkret aus? Meistens ist es so, dass die Bundesländer Bedarf anmelden. Dann werden der Bundesverkehrswegeplan erstellt und die entsprechenden Ausbaugesetze erlassen.
({13})
Das alles erfolgt ohne Beteiligung der Öffentlichkeit.
({14})
Die wichtigen Entscheidungen treffen Sie, ohne jemanden in diesem Land zu fragen. Das gilt zum Beispiel
für die Erarbeitung der Ausbaugesetze, in denen festgelegt wird, dass von A nach B eine vierspurige Straße gebaut wird. Können Sie mir das erklären?
({15})
- Nein, das können Sie mir nicht erklären. Jedenfalls ist
die Erklärung, die Sie mir anbieten, für mich nicht ausreichend.
({16})
Nachdem Sie festgelegt haben, dass eine Straße gebaut wird, wird das Raumordnungsverfahren durchgeführt. In diesem Rahmen fragen Sie zum ersten Mal die
Menschen in diesem Land, ob sie überhaupt ein Interesse an der geplanten Straße haben.
({17})
Ich denke, das spricht Bände. Daran werden die bestehenden Mängel deutlich. Im Anschluss an das Raumordnungsverfahren erfolgt die Linienfeststellung, danach
das konkrete Planfeststellungsverfahren. Ganz am Ende
dieses Prozesses dürfen die Bürgerinnen und Bürger sowie die Verbände erneut ihre Meinung äußern.
Ich habe sehr wohl Verständnis dafür, dass es die Behörden nicht gerne sehen, wenn ihre Planungen, die sie
im Laufe mehrerer Jahre entwickelt haben, unter Umständen im Papierkorb landen. Aber das darf kein Grund
dafür sein, die Beteiligungsrechte der Menschen einzuschränken. Lassen Sie uns deshalb die strukturellen
Mängel des Planungsverfahrens angehen.
Wir werden Ihrem Gesetzentwurf heute nicht zustimmen,
({18})
da er an den Problemen, die wir haben, vorbeigeht und
da durch ihn die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt werden. Die große Koalition ist ja dafür bekannt, wie sie mit den Menschen umgeht; ich will in diesem Zusammenhang nur Hartz IV erwähnen. Sie
schicken lieber unsere Soldaten in Einsätze überall auf
der Welt.
({19})
Deswegen: Lehnen Sie diesen Gesetzentwurf bitte ab
und lassen Sie uns das Planungsverfahren daraufhin
überprüfen, was wir besser machen können! Wir als
Linke haben da ein paar Vorschläge zu machen:
({20})
Als Erstes zu den Ausbaugesetzen: Wenn wir Alternativen von vornherein per Gesetz ausschließen, brauchen wir eigentlich nicht weiter darüber zu reden. Deswegen müssen wir die Ausbaugesetze vom Tisch wischen.
({21})
Als Zweites möchte ich vorschlagen, die Fristen für
die Verbände an die Fristen anzugleichen, die für Behörden gelten. Das Bundesverwaltungsgericht spricht zu
Recht davon, dass die Verbände Verwaltungshelfer sind.
Sie sollen die Planung mit ihrem Sachverstand unterstützen, man soll sie nicht als Gegner darstellen. Das ist der
große Unterschied zu einem möglicherweise betroffenen
Bürger. Die Verbände sollen als Verwaltungshelfer ihren
Sachverstand einbringen. Deswegen ist eine Gleichstellung mit den Behörden gerechtfertigt.
Als Drittes schlagen wir vor, das Raumordnungsverfahren deutlich aufzuwerten, das heißt, dass wirklich Alternativen gegeneinander abgewogen werden, dass man
sich ehrlich überlegt, ob man eine Straße oder eine Schienenanbindung baut - unbeeinflusst von Lobbygruppen.
({22})
Erforderlich ist, innerhalb des Raumordnungsverfahrens
eine breite öffentliche Beteiligung herzustellen. Das erhöht die Akzeptanz der Entscheidungen, die getroffen
werden, und die Menschen kommen besser damit klar.
Was machen wir denn in diesem Hohen Hause, wenn
wir einen Gesetzentwurf auf den Tisch bekommen? Er
geht in die erste Lesung, dann wird er an den Ausschuss
überwiesen, wo wir regelmäßig Anhörungen durchführen und wo wir in einen Dialog mit den Menschen eintreten. Das ist auch bei Planungsvorhaben erforderlich.
In diesem Sinne werden wir als Linke uns noch einbringen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
({23})
Das Wort hat der Kollege Peter Hettlich, Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Kollegin Blank, gestern haben Sie in
Ihrer Rede gesagt: Was lange währt, wird endlich gut.
Das galt allerdings dem Gesetz zur Errichtung einer
„Bundesstiftung Baukultur“. Über den Gesetzentwurf,
über den wir heute diskutieren, kann ich das leider nicht
sagen.
({0})
Ich kann allenfalls sagen: Der Berg kreißte und gebar
eine Maus.
({1})
Denn dieses Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz
ist wirklich ein Mäuschen geworden, ein ganz trauriges
Mäuschen angesichts der hohen Ansprüche, die die
Kanzlerin und Bundesminister Tiefensee in ihren ersten
Regierungserklärungen an dieses Gesetz gestellt haben,
({2})
und angesichts seiner weit reichenden Auswirkungen.
Mit dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz, das 1991 als Vorläufer des heutigen Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes in Kraft getreten war,
sollten ganz andere Probleme gelöst werden. Es ging damals um das Problem - das hat der Kollege Mücke gesagt -, dass es in Ostdeutschland keine Verwaltungsgerichtsbarkeit gab. Es fehlten Verwaltungsstrukturen
und die Eigentumsverhältnisse waren vielfach nicht geklärt. Deswegen musste man über eine Sonderlösung
nachdenken. Das haben wir auch anerkannt. Diese Sondersituation hat das Bundesverwaltungsgericht 2004
ausdrücklich beschrieben. Es hat ausdrücklich gesagt,
dass in außergewöhnlichen Situationen außergewöhnliche Maßnahmen erlaubt sind - aber nicht generell.
In der Tat, einige Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ konnten in Ostdeutschland relativ schnell fertig gestellt werden; der Kollege Hacker erzählt immer von der
A 20. Andere Projekte sind trotz Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz bis heute nicht fertig gestellt: die
A 38 zwischen Göttingen und Halle; VDE Nr. 1, die
Schienenstrecke Lübeck-Stralsund; auch der Ausbau der
A 9 zwischen Berlin und Nürnberg ist immer noch nicht
abgeschlossen. Selbst das Renommierprojekt der großen
Koalition, das VDE Nr. 8.1, der Neu- und Ausbau der
Schienenstrecke Erfurt-Nürnberg, kommt nicht voran
({3})
und es gibt noch nicht einmal eine Perspektive, wann
dieses Projekt jemals abgeschlossen sein wird.
({4})
Mittlerweile scheint selbst das Ministerium nicht
mehr an die segensreiche Wirkung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes in Bezug auf den Aufbau Ost zu glauben. Denn im aktuellen Bericht zum
Stand der Deutschen Einheit taucht dieser Begriff nicht
mehr auf. Ich erinnere mich noch, wie Herr Stolpe an
dieser Stelle gelobt hat, wie segensreich dieses Gesetz
für den Aufbau Ost gewirkt habe. Aber wir sollten so
ehrlich sein, zuzugeben: Der wahre Beschleuniger war
die überproportionale Finanzausstattung der ostdeutschen Verkehrsprojekte.
({5})
Denn auch trotz dieses Gesetzes gilt: Ohne Moos nichts
los.
({6})
Über diesem Gesetzentwurf lag vom ersten Tag an
kein Segen. Die frühe Lancierung des unabgestimmten
Referentenentwurfs in die Öffentlichkeit war ein gezielter Affront unseres damaligen Koalitionspartners. Deswegen haben wir uns auch geweigert, dieses Gesetz am
Ende der letzten Legislaturperiode im Schweinsgalopp
noch zu verabschieden.
({7})
Seitdem sind viele Monate ins Land gegangen. Zwischenzeitlich gab es eine Anhörung und mehrere Debatten. Letztendlich diskutieren wir heute aber doch über
den Stolpe-Entwurf mit ein paar kleinen Änderungen. Er
enthält sogar noch ein paar Verschlechterungen. Denken
Sie beispielsweise an die Verlängerung der Gültigkeit
von Planfeststellungsbeschlüssen.
({8})
Von Beschleunigung konnte man bei diesem Gesetzesvorhaben überhaupt nicht sprechen. Wir haben in der
Opposition schon immer gefrotzelt, dass man ein Gesetz
zur Beschleunigung des Gesetzesvorhabens zur Umsetzung des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes
bräuchte.
({9})
- Du hast vielleicht das Originalrecht, aber ich habe es
gerne übernommen. - Dieses Verfahren war und ist ein
wahres Armutszeugnis für die große Koalition.
({10})
Unsere zentralen Kritikpunkte sind unverändert. Der
Kollege Mücke hat eben zum Thema Eininstanzlichkeit
des Bundesverwaltungsgerichts sehr viel gesagt. Ich erinnere noch einmal daran, mit welcher Süffisanz er aus
den Stellungnahmen von Dr. Hien, dem Präsidenten des
Bundesverwaltungsgerichts, zitiert hat. Ich kann eigentlich nur sagen: Genau das ist das Kernproblem dieses
Verfahrens. Wir lehnen die Eininstanzlichkeit ab und wir
werden den Bundespräsidenten diesbezüglich bitten,
sich dieses Gesetz etwas näher anzuschauen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Mücke?
Gerne.
Herr Kollege Hettlich, Sie haben mich gerade freundlicherweise zitiert und auf eine Äußerung des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen.
Ist Ihnen die Stellungnahme der Bundesregierung zu
diesem Punkt bekannt? Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin möchte ich kurz aus einer Kleinen Anfrage zitieren:
Die Sonderregelung der erst- und letztinstanzlichen
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für
Streitigkeiten über bestimmte Planfeststellungs- und
Plangenehmigungsverfahren in den neuen Bundesländern war in einer Ausnahmesituation notwendig,
um den schnellen Aufbau einer ausreichenden Infrastruktur im Beitrittsgebiet zu ermöglichen. Vergleichbare Probleme bestehen heute und insbesondere im übrigen Bundesgebiet nicht. Eine dauerhafte
Ausweitung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des
Bundesverwaltungsgerichts auf eine Vielzahl von
Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren widerspricht dessen Charakter als Revisionsgericht.
Ist Ihnen diese Äußerung der Bundesregierung bekannt?
Ich bekenne, dass ich die Kleine Anfrage offensichtlich nicht gelesen habe. Ich kann nur sagen: Dem ist hier
nichts hinzuzufügen. Wo die Bundesregierung Recht hat,
hat sie einfach Recht.
({0})
Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass das
Bundesverfassungsgericht bereits 1958 in einem Urteil
darauf hingewiesen hat, dass von der Norm, dass die
Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte im Wesentlichen erstinstanzlich sind, nur in besonderen Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Ich hatte eben ja
schon gesagt, dass wir Herrn Bundespräsidenten Köhler
ganz sicher darum bitten werden, sich dieses Gesetz
- Sie haben eben ja so schön auf das Gesetz zur Privatisierung der Flugsicherung hingewiesen - noch einmal
genauer anzuschauen.
Interessant ist übrigens, dass Herr Hien von der SPD
als Sachverständiger benannt wurde.
({1})
Das wollte ich an dieser Stelle doch einmal sagen. Er
war nicht der Sachverständige der FDP und er war auch
nicht der Sachverständige von uns Grünen.
({2})
- Ja.
Sie scheinen ja nicht einmal selber daran zu glauben;
denn wenn Sie wirklich meinen würden, dass das die Ultima Ratio ist, dann hätten Sie keinen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem Sie geschrieben haben, dass Sie
diese Passage nach zwei Jahren evaluieren wollen. Erklären Sie mir doch bitte einmal, was Sie in zwei Jahren
eigentlich evaluieren wollen. Bis dahin ist ja noch nicht
einmal eine erste Verfassungsklage eingereicht, geschweige denn abgeschlossen worden. Über was wollen
wir uns in zwei Jahren eigentlich unterhalten? Ich bin
sehr gespannt.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Grüne ist
die erhebliche Einschränkung der Beteiligungsrechte
ein wesentliches Problem. Das ist ein schwerwiegender
Webfehler in diesem Gesetz. Die demokratischen Rechte
der Verfahrensbeteiligten dürfen nicht eingeschränkt
werden. Aus unserer Sicht ist es vielmehr wichtig, zum
Beispiel durch die frühzeitige Beteiligung Betroffener
neue Wege der Öffentlichkeitsbeteiligung sicherzustellen. Hier stimme ich dem Kollegen Heilmann ausdrücklich zu; denn dadurch könnten wir Konflikte vermindern
und Planungen wirklich beschleunigen.
Es ist ein Mythos, dass die Verfahren in erster Linie
durch die Beteiligungsrechte Betroffener unnötig in die
Länge gezogen werden; denn die Öffentlichkeitsbeteiligung beispielsweise bei der Straßenplanung macht nur
etwa 5 Prozent des gesamten Projektierungszeitraums
aus. Die wirklichen Gründe für Verzögerungen - oberflächliche Planung, Planungsmängel, Verfahrensfehler,
mangelhafte Beteiligung und Vergabefehler - werden
dadurch lediglich verschleiert. Gerade das Recht der Betroffenen, Projektplanungen zu prüfen, ist ein präventives Instrument zur Sicherung hoher Qualitätsstandards
bei der Planung. Bekanntlich wird in der Praxis erst bei
besonders gravierenden Planungsmängeln und daher hohen Erfolgsaussichten gerichtlich geklagt.
Wir halten diese Gesetzespassage für einen eklatanten
Verstoß gegen die Árhus-Konvention und das EURecht und sind sehr gespannt, ob sich der Europäische
Gerichtshof auch für diesen Teil des Gesetzes interessieren wird. Der Kollege Kelber - er ist gerade nicht anwesend - wird noch zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen. Vielleicht wird er darauf eingehen, was die
Umweltpolitiker bei den Sozialdemokraten zu diesem
Thema meinen.
({4})
Die Verlängerung der Gültigkeit von Planfeststellungsbeschlüssen möchte ich nicht weiter kommentieren; darauf ist der Kollege Mücke bereits in epischer
Länge und Breite eingegangen. Dem kann ich nur zustimmen. Ich frage Sie allerdings, was Sie von der Verlängerung auf zehn plus fünf Jahre - also 15 Jahre - erwarten, wenn dadurch insgesamt - vom Beginn der
Planung bis zur Fertigstellung des Projektes - locker 20
bis 30 Jahre vergehen können? Wie wollen Sie neue Erkenntnisse - beispielsweise in der Sicherheitsforschung
bei Tunneln - berücksichtigen, wenn Sie dadurch das
Planfeststellungsverfahren im Grunde neu aufrollen
müssten? Das würde mich brennend interessieren. Auch
dieser Teil ist Murks. Damit ist er allerdings ein würdiger Bestandteil des Gesetzentwurfs.
({5})
Die Projektvorrangliste ist schon fast mein Lieblingsthema geworden; denn sie treibt die Absurditäten
auf die Spitze. Nur 57 - in Wahrheit sind es weit über
100 - Straßenprojekte von hervorragender Bedeutung
für den Verkehr
({6})
sollen an den Segnungen dieses Gesetzes teilhaben können. Bei manchen Projekten wie der Verbreiterung der
A 1 zwischen Hamburg und Bremen von vier auf sechs
Spuren kann ich noch eine überragende Bedeutung erkennen. Aber bei bestimmten aufgeführten Bundesstraßenprojekten - übrigens fast ausschließlich in Ostdeutschland - wird sich die überragende bundesdeutsche
Bedeutung manchem westdeutschen Kollegen nicht erschließen.
({7})
Die Ortsumfahrung Beeskow mag durchaus regionale
Bedeutung haben - das will ich nicht bestreiten -, aber
wenn sie tatsächlich nur von regionaler Bedeutung ist,
dann gehört sie nicht auf die Liste. Worin liegt die überragende bundesdeutsche Bedeutung dieses Projekts?
({8})
Ein Schelm ist, wer Böses darüber denkt, dass eine
Vielzahl der Bundesstraßenprojekte aus dem Bundesland
stammt, dem der ehemalige Bundesminister Stolpe viele
Jahre als Ministerpräsident vorgestanden hat.
({9})
Das ist pure Kleinstaaterei. Ihrem selbst formulierten
Anspruch werden Sie damit nicht gerecht.
Ich bin - das habe ich bereits am Mittwoch im Ausschuss festgestellt - sehr gespannt, wie viele dieser Projekte tatsächlich in Ihrer Fünfjahresliste auftauchen werden. Darüber werden wir sicherlich auch im Ausschuss
noch intensiv diskutieren.
({10})
Das Gesetz wird uns in keiner Weise voranbringen.
Es geht völlig am Ziel vorbei und wird die Verfahren
eher noch verlangsamen, und das zu einem hohen Preis.
Diesen hohen Preis werden wir vom Bündnis 90/Die
Grünen nicht zahlen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({11})
Nächster Redner ist der Kollege Hans-Joachim
Hacker, SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Deutschland ist Transitland Nummer eins in Europa. Mit
der EU-Osterweiterung, deren wirtschaftliche Dynamik
sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird, hat die
Bedeutung einer optimalen Verkehrsinfrastruktur in
Deutschland weiter zugenommen.
Der Logistikstandort Deutschland in der Mitte Europas muss sich im Wettbewerb der Wirtschaft und des
Handels so aufstellen, dass er im internationalen Wettbewerb vorne liegt. Das bedeutet auch, dass wir bei den
Entscheidungen über die Planung und den Bau von Infrastrukturprojekten in den Bereichen Straße, Schiene
und Binnenschifffahrt schneller werden müssen. Die Bürokratie muss auch in diesen Bereichen abgebaut werden, ohne dass - das will ich unterstreichen - berechtigte
Bürgerinteressen beschnitten werden.
Für die SPD-Bundestagsfraktion stellt sich die Frage
des Standortwettbewerbs für Deutschland in der Konkurrenz mit den Partnerländern in Europa. Eine leistungsfähige Infrastruktur, die durch die Verkürzung von
Planungszeiten wettbewerbsfähig gestaltet wird, schafft
die Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze in Deutschland.
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Mit dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz geben wir in der Bundespolitik eine konkrete Antwort auf die Frage, wie die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen ist.
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- Herr Heilmann, Ihre Zwischenrufe zeugen von wenig
Sachkenntnis. Schauen Sie sich doch einmal die Infrastrukturmaßnahmen in den neuen Bundesländern an!
In meinem Wahlkreis Ludwigslust liegt die Stadt Wittenburg. Sie liegt an der A 24. Dort haben sich verschiedene
Industriezweige angesiedelt. Die Region um das Autobahnkreuz Neustadt-Glewe/Grabow/Ludwigslust wird
zu einem aufblühenden Industriebereich werden. Das
sollten Sie sich einmal ansehen. Das hat etwas mit Infrastruktur zu tun. Sie reden viel über die Arbeitslosigkeit
in den neuen Ländern. Dass sie viel zu hoch ist, bezweifelt keiner. Wir müssen aber helfen, die Arbeitslosigkeit
zu beseitigen. Das ist eine konkrete Aufgabe der Infrastrukturpolitik in den neuen Bundesländern. Das sollten
Sie endlich zur Kenntnis nehmen.
({2})
Mit dem Gesetz verfolgen wir gleichzeitig den
Grundansatz, Bürokratie zu verringern, besser zu regulieren und vorhandene Finanzmittel effizienter einzusetzen. Auf genau diese Herausforderung reagiert die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf. Herr Hettlich, Ihre
kritischen Anmerkungen zu einzelnen Punkten kann ich
gut verstehen. Aber Ihre globale Aburteilung des Gesetzentwurfs ist für mich nicht ganz nachzuvollziehen.
Sie saßen schließlich einmal mit im Boot. Wir haben das
gemeinsam auf den Weg gebracht.
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Die Koalition unterstützt - ich spreche hier sicherlich
auch für die Kolleginnen und Kollegen von der Union den Gesetzentwurf in Punkt und Komma. Da wir bei einzelnen Regelungen nach besseren Lösungen suchen, haben wir uns in den Berichterstatterberatungen mit dem
Gesetzentwurf gründlich auseinander gesetzt. Wir haben
dieses Gesetzgebungsverfahren im Koalitionsvertrag
vereinbart. Wir haben nach praktischen Wegen zur Beschleunigung der Verkehrsplanung gesucht. Wer nach
Ergebnissen fragt, der soll sich einmal das Projekt A 20
anschauen. Warum wird argumentiert, es sei zu wenig
Geld da und deswegen müssten wir schlechter und langsamer planen? Das sind doch widersprüchliche Argumente. Natürlich könnten wir noch mehr Mittel einstellen. Aber Fakt ist, dass der Verkehrshaushalt, den wir,
die Parlamentarier, beschließen, im Investitionsbereich
den größten Anteil aufweist. Die Mittel könnten sicherlich aufgestockt werden. Aber wir müssen dann ehrlich
sagen, woher die Mittel kommen sollen: aus dem Etat
für Arbeit und Soziales, dem Bildungsetat oder dem Verteidigungsetat.
({4})
- Sicherlich dürfen sie nicht aus dem Verteidigungsetat
kommen; denn die Menschen, die im Verteidigungsbereich tätig sind, haben einen Anspruch darauf, ordentlich
bezahlt zu werden.
Herr Kollege Hacker, die Kollegin Enkelmann
möchte eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Ausnahmsweise.
Bitte, Frau Enkelmann.
Herr Kollege Hacker, ich danke ausdrücklich für Ihre
Großzügigkeit. - Stimmen Sie Herrn Klaus von
Dohnanyi, SPD-Mitglied und ehemaliges Mitglied des
Gesprächskreises „Ost“, der in einem Interview Folgendes gesagt hat, zu:
Die Infrastruktur ist für die Standortentscheidung
der Unternehmen nicht mehr der ausschlaggebende
Punkt.
Er sagte weiter: Damit sind wir jetzt fertig, sollten nicht
weitere Großprojekte anfallen, die entbehrlich sind. Die
knappen Mittel sollten eher für den Ausbau der Industrie
verwendet werden.
Das eine schließt doch das andere nicht aus. Wir haben im Haushalt gerade auf Fragen betreffend Wissenschaft und Forschung sowie den Industrieausbau konkrete Antworten gegeben. Wir bauen doch nicht
flächendeckend Autobahnen in Deutschland, Frau
Enkelmann. Schauen Sie sich einmal die Landkarte von
Deutschland an! Sie werden feststellen, dass sie einen
großen weißen Fleck zwischen Schwerin und Magdeburg aufweist. Dieser wird durch die A 14 ausgefüllt.
Damit haben wir eine wichtige Entscheidung getroffen.
({0})
- Deswegen haben wir in den Bereichen Forschung und
Bildung entsprechende Akzente gesetzt, Frau
Enkelmann. Wir haben ein 4-Milliarden-Euro-Programm für die Ganztagsschulen aufgelegt. Davon dürften auch die Schülerinnen und Schüler in Ihrem Wahlkreis profitiert haben.
Seien Sie zuversichtlich! Die Koalition ist auf einem
guten Weg. Wir setzen die richtigen Prämissen, auch im
Infrastrukturbereich. - Danke schön für Ihre Frage.
({1})
Wir sind uns mit dem Bundesrat einig, dass der vorliegende Gesetzentwurf verabschiedet werden soll. Der
Bundesrat hat in seinem Gesetzentwurf im Wesentlichen
Regelungsbereiche aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung aufgegriffen. Ich bin optimistisch, dass der
Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden werden, auf
große bzw. vollständige Zustimmung im Bundesrat
stößt.
Ich möchte an dieser Stelle auf die Kernelemente des
Gesetzentwurfs nicht ausführlich eingehen; denn diese
wurden bereits von Frau Staatssekretärin Karin Roth und
Herrn Dirk Fischer dargelegt. Ich nenne nur zwei
Punkte: frühzeitige und effiziente Beteiligung von Umweltschutzvereinigungen im Wege der Einführung von
Präklusionsfristen - was Sie, meine Damen und Herren
von der PDS, gesagt haben, stimmt also so nicht - und
Erweiterung der Möglichkeiten des Verzichts auf Erörterungstermine im Anhörungsverfahren. Die Problematik
von nicht ortsansässigen Grundstückseigentümern
wurde bereits angesprochen.
Ich will an der Stelle all die Punkte, die im Gesetz stehen, nicht noch einmal aufgreifen, weil wir sie im Ausschuss ausführlich diskutiert haben. Insofern wurde uns
das schon einmal vorgestellt.
Wir haben einen Gesetzentwurf, der komplexe Regelungen enthält. Es geht nicht nur um die Verkehrsinfrastruktur, also Straße, Bahn und Wasser, sondern auch um
den Luftverkehrsbereich, das Magnetschwebebahnplanungsgesetz, es geht um Energiewirtschaftsrecht und
Umweltrecht und nicht zuletzt um die Verwaltungsgerichtsordnung. Wir haben das ausführlich in einer Anhörung erörtert. Diese Anhörungsergebnisse haben wir in
den Berichterstattergesprächen ausgewertet und wir haben die berechtigten Forderungen des Bundesrats einfließen lassen. Ich räume ein, dass es in der Anhörung
unterschiedliche Argumente gegeben hat. Aber eines ist
völlig sicher: Wir haben eine breite Zustimmung zum
Gesetzentwurf bekommen. Das Meinungsbild zu der Erstinstanzlichkeit des Bundesverwaltungsgerichts war geteilt. Es wird immer Herr Präsident Hien angeführt, der
dort kritische Bemerkungen gemacht hat. Das ist richtig.
({2})
- Herr Hien hat das auch schriftlich niedergelegt - das
bezweifele ich doch gar nicht -, aber das war nicht die
einheitliche Meinung.
({3})
Ich beziehe diese Aussage ausdrücklich auf die Frage
der Erstinstanzlichkeit des Bundesverwaltungsgerichts.
Jetzt wollen wir doch einmal hören, was Herr Hien gesagt hat. Von der Opposition wird diese Regelung massiv kritisiert. Bleiben wir einmal bei den Fakten. Richtig
ist, dass die Sachverständigen hierzu unterschiedliche
Auffassungen vertreten haben. Es gab kein einheitliches
Meinungsbild. Das stimmt. Mit der Begrenzung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts auf wichtige und ausdrücklich ausgewiesene Verkehrsvorhaben hat der Gesetzentwurf aber schon
Bedenken ausgeräumt. Es geht hier nur um die Erstinstanzlichkeit, nicht um eine Veränderung des Planungsrechts im Allgemeinen. Wir haben die Liste formuliert,
um die Regelung der Erstinstanzlichkeit verfassungsrechtlich zu untersetzen. Ich zitiere jetzt Herrn Präsidenten Hien, der ausführte:
Die allgemeine Belastungssituation ließe es daher
grundsätzlich zu, dem BVerwG zusätzliche Aufgaben zu übertragen.
Zu seinen verfassungsrechtlichen Bedenken erklärte
Diese Bedenken werden ganz klar minimiert, vermindert, wenn der Gesetzgeber selbst sagt, was er
für verkehrspolitisch so bedeutsam hält.
Das tun wir, Herr Hettlich.
({0})
Das tun wir mit der Liste ganz eindeutig. Ich könnte Ihnen noch einen Vortrag darüber halten, wenn ich nicht
sehen würde, dass die Zeit langsam abläuft. So viel nur,
um der Legendenbildung entgegenzuwirken.
Wir haben auch deswegen eine Liste eingeführt, um
die Anwendbarkeit des erstinstanzlichen Verfahrens zu
beschränken. Wir werden uns nach zwei Jahren berichten lassen. Es liegt dann in der Macht unseres Hauses,
die Liste zu präzisieren. Was ist eigentlich dagegen einzuwenden, dass sich dieses Haus das Recht vorbehält,
diese Liste zu überarbeiten? Es gibt keinen besseren Vorschlag als den, dass das Recht, über diese Liste zu entscheiden, von diesem Haus ausgeübt wird. Deswegen ist
es auch richtig, dass wir die drei Entschließungsanträge
eingebracht haben, auf die ich wegen der Kürze der Zeit
nicht näher eingehen kann.
Herr Kollege, es gibt keine Kürze der Zeit mehr. Sie
sind über der Zeit.
Frau Präsidentin, ich habe das zu meinem Erschrecken selber festgestellt.
({0})
Ich möchte deswegen an dieser Stelle enden.
({1})
Ich bedanke mich für die Unterstützung der Bundesregierung, für die netten Gespräche in den Berichterstatterrunden mit Kollegin Blank und ich bedanke mich bei
all jenen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, die
sich durch sachgerechte Argumente in die Diskussion
eingebracht haben.
Vielen Dank, auch Ihnen, Frau Präsidentin.
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Das Wort hat die Kollegin Renate Blank, CDU/CSUFraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich kann nur feststellen, dass diese große Koalition Wort
hält
({0})
und den Koalitionsvertrag umsetzt, in dem wir festgelegt
hatten, dass im Rahmen eines Planungsbeschleunigungsgesetzes die Voraussetzung für eine bundesweit einheitliche Straffung, Vereinfachung und Verkürzung der Planungsprozesse zu schaffen ist. Es geht also nicht nur um
die Beschleunigung, liebe Kollegen von der Opposition,
sondern auch um eine bundesweit einheitliche Straffung
und Vereinfachung.
({1})
Auch wenn du mich, Kollege Hettlich, gestern gelobt
hast, muss ich heute etwas gegen die Grünen sagen. Bereits im Jahr 2005 hat der damalige Verkehrsminister
den Entwurf eines Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes vorgelegt. Ihr wart damals die Bremser.
({2})
Aus heutiger Sicht war es gut, dass ihr gebremst habt;
denn jetzt verabschieden wir ein Gesetz, das die große
Zustimmung der CDU/CSU und der SPD sowie - darauf
kommt es vor allen Dingen an - die des Bundesrates findet.
({3})
Denn während der intensiven Beratungen haben wir
auch die Wünsche und Anregungen des Bundesrates mit
aufnehmen können. Wir stehen bei diesem Gesetz unter
Zeitdruck; denn das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz läuft am 31. Dezember dieses Jahres aus.
Wir mussten also handeln.
Mein Dank gilt natürlich meinem Berichterstatterkollegen von der SPD, Herrn Kollegen Hacker. Die geräuschlose Zusammenarbeit war sehr gut, effektiv und
effizient. Mein Dank gilt auch Frau Leue und Herrn
Rinke vom Verkehrsministerium - diesen Dank sollte
man einmal deutlich formulieren -, die neben uns buchstäblich in letzter Minute die Einigung zwischen dem
Wirtschaftsministerium und dem Umweltministerium
zum Bereich Energiewirtschaft zu bewältigen hatten. Ich
bin allerdings der Meinung, dass die für Erdkabel und
Offshoreanlagen gefundene Lösung von allen zu tragen
ist.
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Da hat sich die Beratungszeit gelohnt.
Kollege Hettlich, welche Beschwer hatten die Grünen, dass sie dem damaligen Gesetzentwurf ihre Zustimmung verweigerten und dass sie auch dem heutigen Gesetzentwurf ihre Zustimmung verweigern? Sie waren
gegen die Einführung von Präklusionsfristen für anerkannte Naturschutzvereine. Das bedeutet, dass anerkannte Vereine das gleiche Recht wie ein Eigentümer eines Grundstückes haben. Aus meiner Sicht war diese
Gleichstellung von Eigentümern und Vereinen längst
überfällig.
({5})
Denn bisher konnten Umweltverbände Vorhaben durch
Widersprüche bis zum Genehmigungsverfahren aufhalten. Ich bin die Leidtragende eines solchen früheren Planungsrechtes. 30 Jahre lang haben Grüne
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mit dem Ankauf eines Sperrgrundstücks den Bau einer
Bundesstraße in meinem Wahlkreis verhindert, den sie
letztendlich im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes
zu Fall gebracht haben. Heute stehen die Bürger ohne
diese Straße da; ich verweise sie in Zukunft auf die Grünen.
Für mich ist diese Einführung von Präklusionsfristen
ein unerhört wichtiger Punkt, um zur Vereinfachung und
Beschleunigung von Zulassungsverfahren für Verkehrsprojekte zu kommen. Auch der Wegfall der Ökosternregelung ist wichtig. Denn es ist nicht so, dass wir bei
Straßenplanungen die Umwelt vernachlässigen würden.
Es ist doch selbstverständlich, dass die Umwelt dabei
berücksichtigt wird.
Der Faktor Zeit nimmt im internationalen Wettbewerb
in einer Gesellschaft, die auf Knopfdruck Milliardenbeträge in Sekundenbruchteilen rund um den Globus
schicken kann, stetig an Bedeutung zu. Deshalb stellen
verkrustete Strukturen gerade im Planungsrecht ein Investitionshemmnis erster Kategorie dar, wodurch ein bedarfsgerechter und vor allem zeitnaher Ausbau der Infrastruktur behindert wird.
({7})
Eine leistungsfähige Verkehrs- und Energieinfrastruktur
ist dabei ein wichtiger Standortfaktor und Voraussetzung
für ein produktives, wachstumsorientiertes Deutschland.
Ein Beschleunigungseffekt tritt natürlich auch durch
die gesetzliche Zulassung von Vorarbeiten zur Bauvorbereitung nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses
ein; Frau Staatssekretärin hat bereits darauf hingewiesen.
Jetzt komme ich zum Thema Erstinstanzlichkeit bei
den 85 dringlichen Verkehrsprojekten. Es ist nicht so,
dass der Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes gesagt hat, eine Verkürzung des Rechtsweges sei nicht
möglich. Allerdings hat er darauf hingewiesen, dass er,
würden bei allen Projekten sofort entsprechende Rechtsmittel eingelegt, in Personalschwierigkeiten geraten
würde; das muss man anerkennen. Es gab zwei Anhörungen zu diesem Bereich. Viele Gutachter waren der
Meinung, dass eine solche Liste verfassungsgemäß ist
- die Verfassungsmäßigkeit war bei unseren Fragestellungen in den entsprechenden Anhörungen ein wichtiger
Aspekt -, da die Vereinfachung und Beschleunigung
nicht nur für diese 85 dringlichen Verkehrsprojekte
- hier geht es lediglich um die Erstinstanzlichkeit -, sondern für alle Verkehrsprojekte gilt.
Das Parlament hat in einem Entschließungsantrag bekundet, dass wir einen Erfahrungsbericht nach zwei Jahren wollen;
({8})
denn wir wollen Einfluss - das Parlament ist der Handelnde - auf den Fortbestand dieser Liste nehmen. Ein
Projekt ist zum Beispiel schon gestrichen worden, weil
die Planfeststellung schon gegeben ist. Wir wollen über
den Fortbestand und die Weiterentwicklung des Kriterienkatalogs und der Vorhabenliste befinden können. Es
ist daher parlamentarische Aufgabe, zu prüfen und zu
kontrollieren, ob das Erforderliche passiert.
({9})
Wir müssen uns natürlich selbstkritisch fragen, weshalb wir Planungsrechte geschaffen haben, die zu Verfahren führten, die so langwierig waren, dass sie am
Ende nicht mehr beherrschbar blieben. Ich kann Ihnen
nur aus Bayern berichten: Im Jahr 1958 haben Planungen für wirklich schwierige Bundesstraßen nach sieben
bis acht Monaten zum Vollzug, also zum Bau geführt;
jetzt dauert die Planung teilweise zehn, 15 oder 20 Jahre.
Das ist doch nicht mehr hinnehmbar.
({10})
- Ich weiß nicht, ob im Jahr 1958 so viel Geld da war.
Natürlich können wir für die Verkehrsinfrastruktur ständig mehr Geld brauchen, das ist klar. Aber wenn der
Haushalt nicht mehr hergibt, dann geht es eben nicht.
Wir müssen jetzt alle vorhandenen Ressourcen nutzen, denn das ist in Zeiten knapper Kassen ein wichtiger
Beitrag zum Aufschwung. Wohlstand und Wohlergehen
in Deutschland erfordern Mobilität, und zwar geistige
und physische.
({11})
Zur Erinnerung: Die tatsächlichen Kosten eines Kilometers Autobahn belaufen sich auf circa 26 Millionen
Euro. Davon entfallen nur rund 25 Prozent auf die reinen
Investitionskosten. 19 Prozent werden für begleitende
Investitionen wie Lärmschutz, Telematik usw. aufgewandt. Allein die Verwaltungskosten während der Genehmigungsphase sind für 35 Prozent der Kosten verantwortlich. Auf weitere Behörden und Verbände mit
Kostenerstattung sowie weitere von öffentlichen Körperschaften getragene Gutachterkosten entfallen 21 Prozent
der Kosten. Das kann doch so nicht weitergehen! Hier
müssen wir eine Änderung in Angriff nehmen.
({12})
Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz wird entscheidend dazu beitragen, dass die Planung von Infrastrukturprojekten transparenter, zeitlich schneller und insgesamt
effizienter wird. Höhere Planungssicherheit und beschleunigte Entscheidungsprozesse sind auch entscheidende Kriterien für private Investoren, um Kapital für
Infrastrukturvorhaben zur Verfügung zu stellen. Damit
ist der Gesetzentwurf ein wichtiges Signal zur Verbesserung der Investitionsbedingungen am Standort DeutschRenate Blank
land, mit allen positiven Auswirkungen für Wachstum
und Beschäftigung.
({13})
Das Wort hat der Kollege Ulrich Kelber, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Die meisten meiner Vorrednerinnen und Vorredner haben zu Recht betont, dass eine moderne Dienstleistungsgesellschaft auch eine moderne Infrastruktur
benötigt. Ich sage als Umweltpolitiker: Dazu gehören
Straßen und Schienenstrecken.
Dazu gehören aber genauso moderne Energienetze
und eine nachhaltige Energieversorgung. Unsere Energienetze müssen ausfallsicher und aufnahmefähig für
neue Wettbewerber sein, um endlich zu Modernisierung
und zu fairen Strompreisen zu kommen. Ein solcher Ansatz, über neue Wettbewerber mehr Wettbewerb in die
Energieerzeugung zu bekommen, ist aus meiner Sicht
vielversprechender als der Versuch, in Zeiten einer europäischen Strombörse wieder eine staatliche Preisregulierung einzuführen.
({0})
Unsere Energienetze müssen auch fit gemacht werden
für den wegen erfolgreicher Fördergesetze zum Glück
immer rasanter ansteigenden Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland. Sie müssen so modernisiert werden, dass sie für neue Steuerungsmodelle, wie zum Beispiel virtuelle Kraftwerke, fit sind.
Das heute zu beschließende Gesetz enthält einen
wichtigen Bestandteil, bei dem es um die Energienetze
geht. Er ist ein weiterer entscheidender Durchbruch bei
der Modernisierung unserer Energieerzeugung und dem
Umbau unserer Energienetze hin zu einem größeren Anteil erneuerbarer Energien und mehr Wettbewerbern.
Mein besonderer Dank gilt auch den Verkehrspolitikern
der Koalition: Ihr habt es ermöglicht, uns mit diesem
Anteil an das Gesetz anzuhängen. Auch dieser Teil hat
etwas mit Planungsbeschleunigung zu tun. Deswegen ist
er an dieser Stelle gut aufgehoben. Freundlicherweise
habt ihr aber auf uns gewartet, bis wir zu der richtigen
Lösung gekommen sind.
({1})
Mit dem vorliegenden Gesetz schaffen wir die Grundlage, um Planung und Umsetzung der benötigten neuen
Höchst- und Hochspannungsleitungen vor allem im Norden und Osten unseres Landes zu beschleunigen. Mit
diesem Gesetz verschaffen wir den Offshorewindparks
einen neuen massiven Schub, weil wir für diese besonders effizienten Windenergieanlagen auf hoher See endlich die Finanzierung des Netzanschlusses sicherstellen.
Damit gibt es erstmals eine Gleichberechtigung: Alle anderen Kraftwerke wurden schon bisher von den Netzbetreibern angeschlossen. Diese Regelungen gelten jetzt
auch für die Offshoreanlagen.
({2})
Die Reaktionen aus der Branche sind vielversprechend.
In den nächsten Jahren werden große Milliardensummen
investiert.
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Ich gehe davon aus, dass von nun an ein Anteil an erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland bis 2020 von über 30 Prozent möglich wird.
({4})
Einige, die diese Debatte verfolgen, werden die vollständige Ablösung der Stromerzeugung durch erneuerbare
Energien persönlich erleben.
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Damit geht ein deutsches Wirtschaftswunder weiter;
denn in den wenigen Jahren, in denen eine intensive Förderung der erneuerbaren Energien stattfand, sind in diesem Bereich bereits 170 000 Arbeitsplätze in unserem
Land entstanden.
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Bis 2020 können es mindestens 300 000, vielleicht sogar
500 000 Arbeitsplätze sein, die Hälfte davon vermutlich
in den neuen Bundesländern.
({7})
Der Weltmarktführer Deutschland - das sind wir in den
sechs Jahren seit dem In-Kraft-Treten des ErneuerbareEnergien-Gesetzes geworden - wird durch die Exportstärke, die er schon entwickelt hat, einen Großteil der für
das Jahr 2020 jährlich erwarteten Investitionen von
250 Milliarden Euro weltweit durch Exporte erwirtschaften.
({8})
Ich habe die Einwände der FDP-Abgeordneten, die
mir leider keine Zwischenfrage stellen wollen, nach dem
Preis durchaus gehört.
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Nicht zuletzt führt gerade die Einspeisung von Windstrom zu einer Strompreisminderung.
({10})
Das müssen Sie nicht nur den wissenschaftlichen Gutachten glauben. Vielmehr hat selbst Eon im letzten Monat bekannt gegeben, ohne die Kapazitäten durch Windstrom gebe es an der Börse wesentlich höhere
Strompreise. Das Unternehmen hat in einer Studie
ausrechnen lassen, dass diese Kapazitäten bereits eine
Preisminderung von über 1 Milliarde Euro pro Jahr für
die Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet.
({11})
So viel zu der Frage: Woher kommt das Geld und wem
helfen diese Investitionen? Man darf nicht statisch rechnen, Herr Mücke. Wer in einer hochkomplexen Dienstleistungs- und Industriegesellschaft lebt, muss zu dynamischen Rechnungen und dynamischen Betrachtungen
von komplexen Vorgängen in der Lage sein.
({12})
Mit dem heute zu beschließenden Gesetz stellen wir
die Offshorewindparks anderen Kraftwerken gleich, die
durch die Netzbetreiber angeschlossen werden müssen.
Für alle neuen Offshorewindparks wird dies zu einer
völlig neuen Situation führen. Ich freue mich, dass auch
im Ausschuss klar gestellt wurde, dass für die Offshorewindparks, die schon angeschlossen werden können, die
getroffenen Vereinbarungen weiterhin gelten können,
wie man am Beispiel Norderney sehen kann.
({13})
Wir ermöglichen auch die Nutzung von Erdkabeln
statt Freileitungen in der Nähe von Siedlungen und ökologisch sensiblen Bereichen und verkürzen so die Planungsverfahren.
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Ich glaube, dieses Gesetz ist eine gute Entscheidung für
die Zukunft unseres Landes, eine Entscheidung für ein
nachhaltiges Wachstum, für mehr Jobs und für mehr Klimaschutz.
Trotz aller Kritik von Umweltpolitikern, zum Beispiel
der Grünen, an bestimmten Teilen kann ich nur sagen:
Dieser Teil des Gesetzes ist nun wirklich über jede Kritik
erhaben. Ich bitte um breite Zustimmung zum Gesamtgesetz.
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Das Wort hat der Kollege Volkmar Vogel, CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben ist ein gutes Gesetz.
({0})
Es knüpft an das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz an und findet deswegen die Zustimmung
unserer Fraktion.
Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes schaffen wir
über den 31. Dezember 2006 hinaus Planungssicherheit
- das ist ganz wichtig - in den neuen Ländern.
({1})
Gleichzeitig - das ist mindestens genauso wichtig - erreichen wir Planungsbeschleunigung im gesamten Land.
Ich habe es bereits gesagt: Am 31. Dezember läuft
das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz aus.
Es galt 15 Jahre, in denen wir in den neuen Ländern die
Möglichkeit hatten, von bundesgesetzlichen Regelungen
abzuweichen,
({2})
und zwar für Planung, Genehmigung, Ausführungsplanung und Bau. Es waren 15 Jahre, in denen wir die Herausforderungen des enormen Nachholbedarfs im Osten
de facto gemeistert haben. Mittlerweile sind die meisten
Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ abgeschlossen. Einige sind noch im Bau, aber zumindest der überwiegende Teil ist planfestgestellt.
Der Nutzen aus der besseren Infrastruktur in den
neuen Bundesländern wird dem gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland helfen. Einige Beispiele dafür: Die
A 20 - das wurde heute schon angesprochen - verbindet
den norddeutschen Raum um Hamburg und SchleswigHolstein mit Mecklenburg-Vorpommern. Ich nenne die
A 14. Wie schnell gelangt man jetzt von Hannover in
den Wirtschaftsraum Leipzig/Halle! Die A 9 verbindet
Bayern mit Berlin.
({3})
Die A 71/73, zum Teil noch im Bau, lässt Nordbayern
näher an Thüringen heranrücken.
Autobahn- und Gleisanschluss sind Standortfaktoren.
Gewerbeansiedlungen entlang der Trassen sorgen für
neue, innovative Arbeitsplätze, vor allem in den neuen
Ländern. Schnelles Genehmigen ermöglicht zügiges
Bauen. Das bedeutet Arbeitsplätze für unsere Bauleute
vor Ort und aus vielen anderen Regionen, bedeutet auch
schnelle Nutzbarkeit von Anlagen und bedeutet letztlich
Standortvorteile. Man kann heute mit Fug und Recht sagen: Der Großfeldversuch Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz war ein voller Erfolg.
({4})
Auch die Kritiker, die heute gesprochen haben, müssen doch erkennen:
({5})
Planungsvereinfachung geht mitnichten zulasten der
Umwelt. Die Projekte, die jetzt verwirklicht sind, die
jetzt abgeschlossen sind, entsprechen allesamt den heutigen Umweltstandards. Sie halten auch jedem Vergleich
stand, allemal dem mit dem Zustand, wie er zur DDRZeit vorhanden war.
Auch die Bürger- und Eigentümerinteressen wurden
in all diesen Verfahren gewahrt. Das hat natürlich etwas
damit zu tun, dass das Können und die Erfahrungen der
Planer und der Behörden eine frühzeitige Beteiligung sicherten.
Sicherlich war bei der Beschleunigung die Eininstanzlichkeit der Gerichtsverfahren - auch das ist
heute schon angesprochen worden - von wesentlicher
Bedeutung. Aber das war es nicht allein, sondern es waren auch die klaren Regelungen zu den Fristen bei der
Anhörung und zur Beteiligung der Betroffenen. Das ist
mitnichten bürgerfeindlich; im Gegenteil. Es ist für den
Bürger wichtiger, genau und eindeutig zu wissen, bis
wann er bei wem seine Bedenken anmelden muss. Das
erreichen wir auch mit dem neuen Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz.
Darum ist es allerhöchste Zeit, dass wir die guten Erfahrungen, die wir in den letzten 15 Jahren mit dem Beschleunigungsgesetz im Osten gesammelt haben, für das
gesamte Bundesgebiet wirken lassen.
Es ist aus meiner Sicht unverständlich, warum es
doch so lange gedauert hat. Die Vorgängerregierung
hätte eher handeln müssen. Die für Sommer 2004 angekündigte Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes wurde leider mehrmals verschoben. Nach dem 1. Januar 2007
kann der Genehmigungsstau in Deutschland bei Straße,
Schiene, Wasserstraße und vielleicht zukünftig auch bei
der Magnetschwebebahn endlich abgebaut werden.
Durch die Ausdehnung der Planungserleichterung auf
ganz Deutschland entfällt für die neuen Bundesländer
natürlich der bisherige Beschleunigungsvorsprung.
Durch diesen Vorteil konnte der Osten zu den alten Bundesländern aufschließen. Trotzdem muss man sehen: Die
neuen Länder müssen weiter aufholen.
Das Instrument der Vereinfachung und Entbürokratisierung hat sich dort am Beispiel Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz bewährt - und das, liebe
Kolleginnen und Kollegen, ohne zusätzliche Kosten; im
Gegenteil. Es wurden durch die kürzeren Genehmigungsverfahren sogar Kosten eingespart. Das macht Mut
für weitere Projekte, so wie sie auch in der Koalitionsvereinbarung verabredet worden sind. Wir sollten überlegen, ob wir strukturschwachen Bundesländern ermöglichen, zumindest zeitweise von den ausgefeilten
Bundesgesetzen abzuweichen. Möglichkeiten dazu ergeben sich im Vergaberecht, im Steuerrecht und im Arbeitsrecht. Auch das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, das wir heute fortschreiben, bietet einen
Ansatzpunkt. Die Entschließungsanträge der großen
Koalition zum Gesetz werden uns dabei helfen.
Auswahlkriterien, bei denen das Beschleunigungsgesetz Anwendung findet, und Vorhaben, die diesem zugeordnet werden, gilt es fortzuschreiben; denn man muss
eines sehen: Das Leben geht weiter. Im vorliegenden
Gesetzentwurf geht es richtigerweise im Wesentlichen
um die nationalen Verbindungen, die von herausragender Bedeutung für die Wirtschaftsräume und für die einzelnen Handelsströme sind.
Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass in
Zukunft - insbesondere in den nächsten Jahren in den
neuen Bundesländern - andere Faktoren von herausragender Bedeutung sein werden. Veränderte Verkehrsströme werden uns dazu zwingen, Beschleunigungen bei
der Planung wichtiger Umgehungsstraßen durchzusetzen
sowie neue Anbindungen und Schnittstellen zwischen
einzelnen Verkehrsträgern, beispielsweise zwischen
Straße, Schiene, Wasserstraßen und Seehäfen, herzustellen. Wir brauchen veränderte Bedingungen nicht nur für
die Wirtschaft - das möchte ich betonen -, sondern auch
für die Menschen, die Umwelt und den Erhalt unserer
Lebensqualität. Hierfür ist eine enge Zusammenarbeit
der zuständigen Planungs- und Genehmigungsbehörden
in den Ländern unerlässlich. Die Länder benötigen
Spielraum bei der Vereinfachung ihrer Verwaltungsgesetze.
Der Erfolg des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes ist in hohem Maße auch ein Verdienst
derjenigen Planer, die die berechtigten Anliegen von
Mensch, Natur und Wirtschaft vorausschauend in Einklang brachten, und jener Behörden, die die Verfahren
praxisnah und kompetent begleiteten; diese Behörden
nutzten die Möglichkeiten im bisherigen gesetzlichen
Rahmen immer effektiv. Wo solche Planer und Behörden
zusammenkommen, werden Projekte schnell realisiert.
Wir müssen uns aber auch über eines im Klaren sein: Wo
dies nicht der Fall ist, wird es trotz Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes hier und da zu lange dauern.
Vielen Dank.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben, Drucksache 16/54. Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt unter Ziffer I
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3158,
den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen.
Abstimmung über den Änderungsantrag des Bündnisses 90/Die Grünen. Wer stimmt für den Änderungsantrag
auf Drucksache 16/3175? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen
der Koalition und der FDP - ({0})
- Entschuldigung. - Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP und bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand6016
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist
damit in dritter Beratung und Schlussabstimmung mit
den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Wir kommen nun zu den Entschließungsanträgen.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 16/3177? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit
den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen
der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3176? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU
und FDP bei Gegenstimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wir setzen die Abstimmungen zu den Beschlussempfehlungen auf Drucksache 16/3158 fort:
Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem
vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren
für Verkehrsprojekte, Drucksache 16/1338. Der Ausschuss empfiehlt unter Ziffer II seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3158, den Gesetzentwurf für
erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Abstimmung über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren für Verkehrsprojekte, Drucksache 16/3008. Der Ausschuss für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung empfiehlt unter Ziffer III seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3158, den
Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von
SPD, CDU/CSU und der Linken bei Enthaltung von
Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstimmen der FDP abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung.
Unter Ziffer IV seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3158 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition
bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Unter Ziffer V seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss, eine weitere Entschließung anzunehmen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Unter Ziffer VI seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, noch eine weitere Entschließung
anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition
bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt und weiterer
Abgeordneter
Ergänzung des Untersuchungsauftrages des
1. Untersuchungsausschusses
- Drucksachen 16/3028, 16/3191 Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Kaster
Christine Lambrecht
Dr. Dagmar Enkelmann
Volker Beck ({2})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Jörg van Essen von der FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir beraten heute über die Erweiterung des Auftrags für
den 1. Untersuchungsausschuss. Ich erinnere mich noch
sehr gut daran, wie wir vor etwa einem halben Jahr heftig darüber diskutiert haben, ob dieser Untersuchungsausschuss überhaupt notwendig ist. Ich erinnere mich
insbesondere noch an die Ausführungen des Kollegen
Stünker. Er ist heute nicht da, was ich auch verstehen
kann. Denn nach all dem, was er uns damals dazu erzählt
hat, wie überflüssig dieser Ausschuss ist und wie wenig
wir ihn brauchen, hätte ich an seiner Stelle heute auch
nicht an dieser Debatte teilgenommen.
({0})
Ich glaube, wir alle in diesem Hause wissen heute, dass
der Antrag, der damals von den Oppositionsfraktionen
eingebracht worden ist, richtig war. Dieser Ausschuss
war notwendig.
Heute bin ich froh über das, was wir in den letzten
Wochen innerhalb der Oppositionsfraktionen verhandelt
haben. Ich will nicht verschweigen, dass diese Verhandlungen nicht immer leicht waren. Aber das, was wir in
den letzten Wochen verhandelt haben und was jetzt in einen Erweiterungsauftrag für den Untersuchungsausschuss fließt, war ebenfalls notwendig.
({1})
Denn in den letzten Wochen und Monaten hat sich gezeigt, dass es Vorwürfe gegen den Bundesnachrichtendienst wegen der Bespitzelung von Journalisten und der
Beschäftigung von Journalisten gibt. Dem muss natürlich nachgegangen werden.
Eine Frage, die sich stellt, ist: Passt das zu den übrigen Themen, die der Untersuchungsausschuss zu bearbeiten hat? Es bestand aber allgemein Übereinstimmung,
dass es sinnvoll ist, das Thema in dem schon bestehenden Untersuchungsausschuss mit zu behandeln, was wir
als FDP ausdrücklich begrüßen, weil es dann nicht eines
weiteren Ausschusssekretariats und vieler anderer Dinge
bedarf. Es ist eine Frage der Vernunft, dass man verwandte Themen in einem bereits bestehenden Untersuchungsausschuss mit behandelt.
({2})
Wir sind als Oppositionsfraktionen der Auffassung,
dass die heutige Erweiterung des Untersuchungsauftrages des Ausschusses - dessen Einsetzung ist ja von den
Oppositionsfraktionen als Minderheit beantragt worden aufgrund unseres Minderheitenrechts erfolgt. Ich weise
ausdrücklich darauf hin, dass wir als Oppositionsfraktionen großen Wert darauf gelegt haben, bei dem Erweiterungsantrag das notwendige Quorum zu erfüllen, das
wir erfüllen müssten, wenn wir einen neuen Untersuchungsausschuss einsetzen wollten. So wie es für die
Oppositionsfraktionen selbstverständlich möglich gewesen wäre, einen neuen Untersuchungsausschuss zu beantragen, so können sie aufgrund ihres Minderheitenrechts
auch eine Erweiterung des Auftrages des Untersuchungsausschusses, der auf ihren Antrag eingesetzt worden ist, hier im Deutschen Bundestag beantragen.
Aber ich finde es gut, dass - ich war selbst daran beteiligt - die Erweiterung des Untersuchungsauftrages
heute nicht nur auf Antrag der Oppositionsfraktionen erfolgt, sondern von allen Stimmen dieses Hauses befürwortet wird, worauf wir uns in den letzten Tagen verständigen konnten. Ich finde das ganz bemerkenswert.
Deshalb sollte man das heute in der Debatte auch ansprechen. Untersuchungsausschüsse sorgen immer für Konfrontationen zwischen den verschiedenen Fraktionen,
weil natürlich der eine dem anderen Fehler nachweisen
will, während der andere nachzuweisen versucht, dass er
alles richtig gemacht hat. Von daher läuft das Ganze
kontrovers ab. Aber ich denke, dass es ein Zeichen der
Stärke der Demokratie ist, wenn es gelingt, Fragen wie
die Erweiterung des Untersuchungsauftrages im Konsens zwischen den Fraktionen des Deutschen Bundestages gemeinsam zu verabschieden.
({3})
Das erwähne ich hier ausdrücklich, weil ich diesen Umstand außerordentlich positiv finde.
Meine Fraktion hat bisher konstruktiv mit dem Kollegen Max Stadler, dem ich an dieser Stelle ganz besonders dafür danke, an den Beratungen des Ausschusses
mitgearbeitet. Unser Interesse als FDP-Bundestagsfraktion bleibt weiterhin, das Ganze nicht ausfasern zu lassen, sondern die Dinge konzentriert aufzuklären. Nur
dann hat der Ausschuss Sinn.
Unser Hauptziel bleibt - das will ich auch in dieser
Debatte sagen -, dass wir aus möglicherweise gemachten Fehlern lernen, dass der Ausschuss einen Schwerpunkt seiner Arbeit darin sieht, uns gegebenenfalls Vorschläge zu machen, wo Dinge zu verändern und zu
verbessern sind. Für uns ist ganz wichtig, dass die Kontrolle in diesem Bereich verbessert wird. Wir haben deshalb Vorschläge gemacht. Es zeigt sich, dass da, wo
Macht ausgeübt wird, Kontrolle besonders wichtig ist.
Das wird in diesen Tagen übrigens auch angesichts der
Bilder, die veröffentlicht worden sind, deutlich. Dienstaufsicht ist wichtig. Sie muss effektiv sein. Das wird für
uns ein ganz wichtiges Thema bei der Arbeit des Untersuchungsausschusses sein.
Wir werden als Oppositionsfraktion FDP den Ausschuss weiter konstruktiv begleiten. Ich denke, dass das,
was wir heute auf den Weg bringen, eine gute Ergänzung
ist und die Arbeit des Ausschusses ganz sicherlich erleichtern wird. Wir stimmen deshalb zu.
({4})
Das Wort hat der Kollege Bernhard Kaster von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Im März dieses Jahres haben wir die Einsetzung des 1. Untersuchungsausschusses zu im Wesentlichen vier Themenkomplexen aus der vorangegangenen
Legislaturperiode hier im Bundestag beschlossen: Ich
nenne die Stichworte CIA-Flüge und CIA-Gefängnisse,
die Entführung von Khaled el-Masri, Vernehmungen in
Syrien und Libanon sowie den Einsatz von BND-Mitarbeitern während des Irakkrieges.
Bereits bei der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses haben wir als Union wie auch als Koalitionsfraktion deutlich gemacht, dass wir das schwerwiegende
parlamentarische Kontrollinstrument des Untersuchungsausschusses nicht nur respektieren, sondern in einem solchen Ausschuss auch sachlich und konstruktiv
mitarbeiten. Genau das haben wir in den vergangenen
Wochen und Monaten getan; dies wird und kann keiner
bestreiten. Das wird auch bei den nunmehr anstehenden
Erweiterungen des Untersuchungsauftrages in gleicher
Weise gelten.
Es ist sicherlich zu begrüßen, dass wir uns nach der
Einbringung des Antrages der Opposition gestern im Geschäftsordnungsausschuss auf einen gemeinsamen Beschlusstext verständigen konnten. Wir werden daher der
heutigen Ergänzung des Untersuchungsauftrages des
1. Untersuchungsausschusses zustimmen.
Der Fall des in Pakistan in der Nähe zur afghanischen
Grenze festgenommenen Bremer Türken Murat
Kurnaz und seine Inhaftierung in Guantanamo werden
den Untersuchungsausschuss richtigerweise beschäftigen, insbesondere im Hinblick auf die Frage einer möglichen frühzeitigeren Freilassung. An dieser Stelle sei
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es die Bundeskanzlerin persönlich war, die in diesem Fall sehr frühzeitig zugunsten einer unverzüglichen Freilassung intervenierte.
Wir, die Union, und die gesamte Koalition haben nach
Bekanntwerden von Anschuldigungen in diesem Fall gegen Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan sofort
darauf gedrängt - und die entsprechenden Beschlüsse
gefasst -, dass gemäß Art. 45 a des Grundgesetzes der
Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss für
diesen Teil der Fragen tätig wird. Das ist nicht nur von
der Sache her vernünftig, sondern das gebietet unser
Grundgesetz.
Die persönliche Intervention der Bundeskanzlerin im
Fall Kurnaz hat für alle deutlich gemacht: Es ist für uns
eine Selbstverständlichkeit, dass im Rahmen der Terrorismusbekämpfung kein Unrecht und auch keine Menschenrechtsverletzungen zugelassen werden dürfen.
({0})
Der Zweck heiligt auch hier nicht die Mittel.
({1})
Dies ist die eine wichtige Seite. Die andere wichtige
Seite, die andere Botschaft ist - dies sollte in die Arbeit
und in die Arbeitsweise des Untersuchungsausschusses
immer mit einfließen -, dass wir alles nur Erdenkliche
tun, um die Sicherheit unseres Landes und unserer Bürger zu gewährleisten. Hierzu brauchen wir heute mehr
denn je funktionierende Geheimdienste. Bürgerinnen
und Bürger erwarten, dass unsere Sicherheitsbehörden
jedem begründeten Verdacht, jeder Verdächtigung, jeder
verdächtigen oder sich verdächtig machenden Person
ohne Wenn und Aber nachgehen. Auch unter diesen Gesichtspunkten sind Sachverhalte und Erkenntnisse des
Untersuchungsausschusses zu beleuchten und zu bewerten.
Die von den britischen Sicherheitsbehörden vereitelten Anschläge auf mehrere Flugzeuge im Sommer dieses
Jahres, denen monatelange verdeckte Ermittlungen
vorangegangen waren, zeigen uns zum einen die Bedrohungslage, die wir in Europa haben, aber auch die
Wichtigkeit funktions- wie kooperationsfähiger Geheimdienste.
Der neu hinzukommende Untersuchungskomplex,
nämlich die Überwachung von Journalisten durch
den Bundesnachrichtendienst, hat uns auch gezeigt,
wie umfassend und konsequent sowohl die Bundesregierung wie auch das Parlament durch das Parlamentarische
Kontrollgremium auf das erstmalige Bekanntwerden
dieser Sachverhalte durch die Presse im November 2005
reagiert haben. Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden
der Vorwürfe und Einzelheiten hat das Parlamentarische
Kontrollgremium am 30. November 2005 die Beauftragung des Sachverständigen Dr. Schäfer beschlossen. Die
Bundeskanzlerin und die Bundesregierung haben zudem
direkt disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen, organisatorische Konsequenzen und die Bearbeitung von Dienstvorschriften in Angriff genommen und
umgesetzt.
Das Gutachten sollte den Vorwurf aufklären, ob der
Bundesnachrichtendienst Journalisten rechtswidrig mit
nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht hat, um so
deren Informanten aus dem Bundesnachrichtendienst zu
enttarnen. Die Sachverhalte berühren vor allem das hohe
Gut der Medien- und Pressefreiheit. Daher ist es richtig,
dass umgehend und schnell Konsequenzen in dem Sinne
gezogen worden sind, wie ich es eben beschrieben habe.
Der Untersuchungsausschuss hat nunmehr letztlich
fünf große Themenkomplexe abzuarbeiten. Die besondere Sensibilität der Sachverhalte und die besondere
Sensibilität bezüglich der Funktionsfähigkeit unserer Sicherheitsdienste erfordern eine sachlich und fachlich seriöse Abarbeitung offener Fragen. In diesem Sinne wird
die Union die Arbeit des Ausschusses unterstützen und
begleiten.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat jetzt die Kollegen Petra Pau von der
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit
einem halben Jahr versucht ein parlamentarischer Ausschuss, Licht ins Dunkel zu bringen. Es geht um die
Frage, ob auch deutsche Dienste im so genannten Antiterrorkampf Menschenrechte verletzt haben und, wenn
ja, wer davon wusste und wer dies politisch zu verantworten hat.
Salopp ist häufig vom BND-Ausschuss die Rede. Es
geht aber nicht nur um den BND, auch nicht nur um Geheimdienste, sondern um schwerwiegende Vorwürfe wie
Kidnapping und Folter, die mit unserem Rechtsstaat und
dem Grundgesetz unvereinbar sind.
({0})
Es geht um viele Instanzen der Bundesrepublik: von der
Gebirgsjägerkaserne bis zum Bundeskanzleramt.
Seit vorgestern befasst sich ein zweiter Untersuchungsausschuss mit Menschenrechtsverletzungen im
Antiterrorkampf. Im Fokus stehen das KSK und sein
Agieren in Afghanistan. Der Verteidigungsausschuss hat
sich dieser Sache angenommen. Die Fraktion Die Linke
wird sich auch in diesem Ausschuss um größtmögliche
Aufklärung bemühen. Allerdings sollte niemand glauben, zwei Untersuchungsausschüsse würden doppelt so
schnell und doppelt so viel aufklären. Das Gegenteil
könnte sogar der Fall sein; denn der Verteidigungsausschuss bzw. dieser Untersuchungsausschuss tagt geheim
hinter geschlossenen Türen. Geheim ist nun einmal das
Gegenteil von transparent.
({1})
Gemessen daran tagt der 1. Untersuchungsausschuss
zumindest hinter Milchglasscheiben, also semiöffentlich, was nichts daran ändert, dass die Bundesregierung
zum Teil auch hier eine absurde Geheimniskrämerei ins
Absolute treibt. Deshalb bereitet meine Fraktion, mein
Kollege Nešković, rechtliche Schritte gegen diese Geheimniskrämerei der Bundesregierung vor.
({2})
Ungeachtet dessen geht es heute darum, den Untersuchungsauftrag des ersten Ausschusses zu präzisieren und
zu ergänzen; denn seit dem Frühjahr sind neue Vorwürfe
aufgetaucht, die natürlich ebenfalls zu untersuchen sind.
Ich wäre froh, wenn wir diese Vorwürfe entkräften könnten. Dazu müsste die Bundesregierung aber - auch das
sage ich hier - endlich aus der Deckung kommen.
({3})
Auch deshalb begrüße ich die zarten Signale, wonach
Frank-Walter Steinmeier - bei Rot-Grün Kanzleramtsminister und nunmehr Außenminister - gehört werden
soll. Ebenso gefragt sind natürlich der damalige Außenminister Joseph Fischer und der damalige Innenminister
Otto Schily, zumal sich die nötige Untersuchung nicht
nur um die bisher bekannten Fälle Zammar oder Kurnaz
dreht. Die Bespitzelung von Journalisten wie im Fall
„Cicero“ harrt ebenso der Aufklärung. Deshalb der heutige Antrag auf Erweiterung des Untersuchungsauftrages. Die Pressefreiheit ist nicht nur nach Einschätzung
der „Reporter ohne Grenzen“ bedroht. Die Fraktion der
Linken ist der Auffassung, dass das den Bundestag aufrütteln sollte.
({4})
Nun möchte ich noch einmal auf den Vorwurf zurückkommen, der Bremer Kurnaz sei in Afghanistan von
deutschen KSK-Soldaten misshandelt worden. Die Rede
ist von Ende 2001 und Anfang 2002. Der Verteidigungsausschuss will das untersuchen. Darüber hinausgehend
mahne ich: Etwas stimmt grundsätzlich nicht, womit ich
wieder uns, den Bundestag, meine.
In den letzten Tagen habe ich selbst bei gestandenen,
regierungsgläubigen Abgeordneten den Eindruck gewonnen, dass sie sich hintergangen fühlen. Sie hatten
darauf vertraut, dass das KSK ausschließlich im Rahmen von Recht und Gesetz agiert, allemal im Ausland.
Nun stellen sie fest, dass sie viel weniger wissen, als sie
eigentlich wissen müssten. Das liegt an einem Konstruktionsfehler in unserem parlamentarischen Betrieb: Das
KSK ist Bestandteil der Bundeswehr, also keine
Geheimarmee. Die Bundeswehr wiederum gilt als Parlamentsarmee. Wenn dem so ist, dann müsste das KSK logischerweise auch vom Bundestag kontrolliert werden.
({5})
Genau das passiert aber nicht, weil es nicht gewollt
ist. Das Argument, bei dem KSK könnte etwas aus dem
Ruder gelaufen sein, wendet sich folglich auch gegen
dem Bundestag.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
dieses Problem wird dadurch verschlimmert, dass aus
Ihren Reihen gefordert wird, einen Geheimausschuss zur
Kontrolle des KSK einzurichten, der ähnlich wie das
Parlamentarische Kontrollgremium, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist, fungieren soll.
Geheim bleibt nun einmal das Gegenteil von Aufklärung
und Demokratie.
Deshalb bleibe ich und deshalb bleibt die Fraktion
Die Linke dabei: Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr
Transparenz und mehr Demokratie. In diesem Sinne
bitte ich Sie um Zustimmung zur Erweiterung des Auftrags des Untersuchungsausschusses.
({6})
Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Oppermann
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erweiterung des Auftrags des 1. Untersuchungsausschusses wird von uns mitgetragen. Dabei geht es zum einen
um die Präzisierung und zum anderen um die Erweiterung des Untersuchungsgegenstands.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, etwas zur Arbeitsweise dieses Ausschusses zu sagen. Ich bin neu im
Deutschen Bundestag. Dennoch handelt es sich nicht um
den ersten Untersuchungsausschuss, den ich erlebe,
wohl aber um den ersten im Bundestag, dem ich angehöre.
Gegenwärtig mache ich die Erfahrung, dass die Vernehmung von Zeugen dort anders als ursprünglich vorgesehen verläuft: Einem Zeugen wird eine Frage nicht
ein einziges Mal gestellt, wie es in einem gerichtlichen
Verfahren der Fall ist, sondern drei- bis fünfmal. Ihm
wird immer wieder die gleiche Frage gestellt. Nur selten
gibt ein Zeuge eine abweichende Antwort. Ein Untersuchungsausschuss, in dem auf diese Art und Weise gearbeitet wird, ist natürlich eine gewaltige Zeitvernichtungsmaschine. Das ist vielleicht auch der Grund dafür,
dass wir mit unseren Untersuchungen bisher noch nicht
sehr weit gekommen sind.
Fleißig war der Ausschuss durchaus: Es wurden bereits 237 Beweisanträge gestellt
({0})
und über 200 Beweisbeschlüsse gefasst. 36 davon stammen von Ihnen, Herr Ströbele. Sie alle waren unergiebig.
({1})
Wir sind keinen Schritt vorangekommen.
({2})
Wir haben 36 von Ihnen benannte Zeugen verhört. Bisher konnte kein einziger von ihnen den belastbaren Beweis erbringen, dass der Bericht der Bundesregierung
vom Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums
abweicht.
({3})
- Herr Ströbele, Sie sind ja der Generalbevollmächtigte
des Bündnisses 90/Die Grünen für Verdachtschöpfung.
({4})
Sie sind also der oberste Verdachtschöpfer in unserer Republik. Auch diese Rolle muss es geben. Aber Ihre permanente Verdachtschöpfung lässt sich durch die Tatsachenfeststellungen des Ausschusses nicht untermauern.
Die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses besteht
nicht darin, immer nur Verdacht zu schöpfen - das ist der
Anlass für die Einsetzung eines Untersuchungsausschuss -, sondern darin, Tatsachenfeststellungen zu treffen.
Die Tatsachen, die wir bisher festgestellt haben, sind
eindeutig.
({5})
Sie belegen, dass die Bundesregierung von den Verschleppungen keine vorzeitige, sondern nur nachträgliche Kenntnis hatte. Erst recht belegen die Aussagen aller
Zeugen, die wir bisher vernommen haben, und alle Dokumente, die wir bisher zur Kenntnis genommen haben,
dass die Bundesregierung an keiner Verschleppung aktiv
beteiligt war, dass sie also nicht kooperiert hat.
({6})
- Ich weiß nicht, wovon Sie gerade reden: Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag, zu untersuchen, ob
Reisedaten weitergegeben worden sind und ob sich die
Bundesregierung in irgendeiner Weise an rechtswidrigen
Handlungen beteiligt hat.
({7})
Natürlich müssen wir ernst nehmen, dass es Unrecht
gegeben hat. Den Personen el-Masri und Kurnaz ist Unrecht widerfahren. Wie gelegentlich gesagt wird - zumindest gilt das im Fall Kurnaz -, waren sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Aber das rechtfertigt
nicht, dass sie monatelang bzw. jahrelang festgehalten
und misshandelt wurden.
({8})
Diese Vorfälle nehmen wir ernst. Wir wollen diese Vorwürfe aufklären. Allerdings ist es Aufgabe - ({9})
- Entschuldigung.
({10})
Allerdings ist es die Aufgabe des Ausschusses, festzustellen, ob die Bundesregierung an diesen Vorgängen
in irgendeiner Weise beteiligt war. Wir haben nicht die
Möglichkeit, inneramerikanische Vorgänge aufzuklären.
Das muss das Parlament in den Vereinigten Staaten machen.
({11})
Herr Kollege Oppermann, jetzt würde ich doch das
Handy ausschalten.
Ich bin dabei, Herr Präsident. Das ist mir beim ersten
Mal nicht gelungen. Ich bitte um Nachsicht.
Auch der Verdacht, dass deutsche Beamte sozusagen
in Kumpanei mit den Betreibern illegaler Foltergefängnisse verstrickt werden - ({0})
- Es tut mir wirklich Leid. Jetzt ist es endlich ausgegangen. Olaf, kannst du es mir bitte abnehmen? Das ist mir
noch nie passiert, dass jemand mein Handy bändigen
muss.
({1})
- Herr Ströbele, über solche Kontakte verfüge ich nicht.
Wir können feststellen, dass sich die Mitarbeiter deutscher Sicherheitsbehörden so verhalten haben, wie man
das von ihnen in einer demokratischen Gesellschaft erwarten muss. Das jüngste Beispiel ist die Geschichte, die
der „Stern“ gerade gebracht hat: dass Beamte des BKA
in Tuzla, die einen Gefangenen hätten vernehmen können, diese Gelegenheit nicht wahrgenommen haben,
weil dieser Gefangene offenkundig nicht unter rechtsstaatlichen Bedingungen gefangen gehalten wurde, sondern abgereist sind.
({2})
Das sollte man einmal herausstellen.
({3})
Die Erkenntnisse, die wir bisher haben, bestätigen, dass
der deutsche Rechtsstaat funktioniert. Obwohl wir keine
so lange demokratische Tradition haben wie der eine
oder andere Verbündete, ist das im Großen und Ganzen
sehr gut gelaufen.
({4})
Ich halte es für falsch, Herr Ströbele, wenn Sie unbelegte Behauptungen immer wieder in dieser Weise gegenüber der Öffentlichkeit formulieren. Dass fanatisierte
Leute daraus eines Tages falsche Schlussfolgerungen
ziehen, das ist eine ernste Gefahr, die ich nicht gering
schätzen würde. Ich wünsche Ihnen nicht, dass so etwas
passiert, aber es ist nicht ausgeschlossen. Deshalb sollten
wir die Aufgabe des Ausschusses, Tatsachen festzustellen, sehr ernst nehmen.
Herr Kollege Oppermann, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele?
Ja, bitte.
Bitte, Herr Ströbele.
Herr Kollege Oppermann, wenn es einen Sachverhalt
wie den, von dem Sie jetzt gesprochen haben - nach dem
Artikel im „Stern“, aus dem auch Sie Ihre Schlussfolgerungen gezogen haben -, aufzuklären gilt, hielten Sie es
da nicht für richtig, die Aufklärung - gerade aus den
Gründen, die Sie genannt haben - in öffentlicher Sitzung
des Untersuchungsausschusses vorzunehmen?
({0})
So könnte die ganze Welt miterleben, wie aufgeklärt
wird, und ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen aus
dem, was dabei herauskommt.
({1})
Wenn Sie das für richtig halten, warum haben Sie gestern dagegen gestimmt, dass wir über diesen Teil unserer
Untersuchungen öffentlich verhandeln, und warum haben Sie anschließend gegen meinen Antrag gestimmt,
wenigstens die VS-Vertraulich-Qualifizierung nachträglich aufzuheben, damit die Ergebnisse der Arbeit des
Untersuchungsausschusses der Öffentlichkeit mitgeteilt
werden können?
({2})
Herr Ströbele, das ist nicht ganz zutreffend. Ich habe
im Ausschuss lediglich festgestellt, dass der Ausschuss
ein Protokoll, das auf der Vernehmung eines Zeugen, der
nur für eine nicht öffentliche Sitzung eine Aussagegenehmigung hatte, und auf der Vorhaltung von Akten, die
als „Geheim“ eingestuft sind, beruht, nicht im Nachhinein öffentlich machen kann. Durch diesen „Trick“
würde man die Einstufung als „Geheim“ umgehen. Das
geht nicht. Ich habe im Ausschuss, wie Sie wissen, die
Bundesregierung gebeten, zu prüfen, ob nicht eine Herabstufung der Einstufung dieser Akten möglich ist. Ich
habe gebeten, noch einmal zu überdenken, ob sie wirklich geheimhaltungsbedürftig sind.
Wir wissen aus der Untersuchung dieses Falles, dass
die Beamten in dem fraglichen Vorfall die möglichen
Gefangenen überhaupt nicht zu Gesicht bekommen haben, weil sie sozusagen das Feld vorher verlassen haben.
Wenn Sie dann gegenüber den Zeitungen verlautbaren,
dass deutsche Beamte bei dieser Gelegenheit tiefe Einblicke in Foltergefängnisse bekommen hätten, dann ist
das eine unzutreffende, verfälschende Darstellung des
Sachverhalts. Diese wollte ich kritisieren, Herr Ströbele.
({0})
- Herr Ströbele, ich bin für ein Höchstmaß an Öffentlichkeit im Ausschuss.
({1})
Ich glaube auch, dass die Geheimhaltung nicht viel
nützt. Denn die Geheimhaltung ist im Grunde nur ein
Beschleunigungsfaktor, derart eingestufte Unterlagen zu
publizieren. Das mussten wir bisher feststellen. Alles,
was als geheim eingestuft worden ist, hat das Licht der
Öffentlichkeit erreicht.
({2})
Es wurden ja auch schon Strafanträge gestellt. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.
Nun zu den beiden Erweiterungen. Herr van Essen,
ich bin nicht Ihrer Meinung, dass es ein Minderheitenrecht ist, den Auftrag für einen laufenden Untersuchungsausschuss mit zusätzlichen Themen, die mit dem
ursprünglich zu untersuchenden Thema nichts zu tun haben, beliebig zu erweitern.
({3})
- Ich bin trotzdem anderer Auffassung, weil ein Untersuchungsausschuss natürlich kein ständiger Ausschuss
des Parlaments ist, in den man laufend aktuelle Dinge
einspeisen kann.
Das ist im Grunde genommen auch die Neigung von
Herrn Ströbele. Herr Ströbele möchte immer gerne, dass
wir die Zeugen vernehmen, die gerade im Fernsehen gezeigt werden. So kann ein Untersuchungsausschuss aber
nicht arbeiten. Dieser hat natürlich erst einmal die Akten
zu studieren, auch wenn das weniger lustvoll ist. Er muss
sich eine ordentliche Kenntnisbasis verschaffen. Danach
müssen die Zeugen vernommen werden, die mit der Sache zu tun haben. Erst am Ende werden politisch verantwortliche Personen vernommen.
Ich bin deshalb sehr dankbar, dass wir uns darauf verständigen konnten, im Ausschuss nach Komplexen vorzugehen und nicht hin und her zu springen, wie es ursprünglich der Wunsch von Herrn Ströbele war. Dadurch
wird die Seriosität der Arbeit sicherlich gewährleistet.
Das ist ein gutes Ergebnis und das war auch einer der
Gründe für uns, weshalb wir die Verständigung gesucht
haben.
Ich muss darauf hinweisen, dass der Gesichtspunkt
der Erweiterung des Untersuchungsauftrags im Fall
Kurnaz - es geht darum, ob es die Möglichkeit gab, ihn
schon vorzeitig aus Guantanamo freizubekommen - bereits im Frühjahr im Bericht der Bundesregierung angesprochen worden ist.
({4})
Sie hätten den Fall bereits in den ursprünglichen Untersuchungsauftrag mit aufnehmen können, wenn Ihnen das
Schicksal von Herrn Kurnaz wirklich so wichtig gewesen wäre. Jetzt, da das Medieninteresse in diesem Fall so
beachtlich gestiegen ist, entsteht mit einem Male plötzlich auch Ihr Interesse an diesem Aspekt. Wir haben aber
überhaupt kein Problem damit, das zu untersuchen. Ich
glaube, die Bundesregierung hat nichts zu verbergen und
zu verheimlichen. Wir werden feststellen, welche Entscheidungen getroffen worden sind und ob sie zu verantworten waren oder nicht.
Ich komme noch zu dem zweiten Gesichtspunkt, dem
Schäfer-Bericht. Im Rahmen der so genannten Eigensicherung des BND ist es zur Überwachung von Journalisten gekommen. Das muss natürlich nach Recht und
Gesetz geschehen und wird zu untersuchen sein.
({5})
- Ja, die Bundesregierung hat auch angeordnet, dass
künftig keine Journalisten mehr überwacht werden dürfen.
({6})
Das darf aber natürlich nicht dazu führen, dass man
durch eine nicht geschützte Berufsbezeichnung künftig
davor bewahrt werden kann, dass der BND tätig wird.
({7})
Darüber muss natürlich noch einmal in aller Ruhe gesprochen werden. Jeder kann sich hier Journalist nennen,
wodurch er nicht mehr Gegenstand von Untersuchungen
sein dürfte.
({8})
Potenzielle Terroristen würden sich dann als Erstes einen
Presseausweis besorgen. Das kann im Ergebnis natürlich
nicht gewollt sein und das hat die Bundesregierung in
dieser Form auch nicht angeordnet.
Ich bin froh darüber, dass wir uns bezüglich des
Schäfer-Berichts auf die Kernfragen verständigen
konnten. Es geht darum, wer politisch für diese Praxis
verantwortlich gewesen ist. Die Beantwortung dieser
Frage wird uns in den nächsten Monaten ohnehin genügend Arbeit bringen. Ursprünglich war einmal davon die
Rede, dass dieser Ausschuss seine Arbeit bis zur hinter
uns liegenden Sommerpause beendet. Danach haben wir
uns stillschweigend auf das Ende des Jahres eingelassen.
({9})
Es wird so sein, dass wir zum Ende des Jahres fertig sein
werden, aber es ist im Augenblick völlig unklar, ob es
das Jahr 2008 oder 2009 sein wird.
({10})
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({11})
Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Beck vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Oppermann, das größte Ungemach droht dem Untersuchungsausschuss womöglich durch eine verkürzte
Wahlperiode.
({0})
Vielleicht wird er deshalb seine Arbeit nicht erfolgreich
zu Ende führen können. Das wollen wir zumindest im
Interesse des Untersuchungsausschusses nicht hoffen. In
anderer Hinsicht kann man dabei durchaus anderer Auffassung sein.
Volker Beck ({1})
Ich denke, der Untersuchungsausschuss und die heute
vorgesehene Erweiterung des Untersuchungsauftrages
zeigen grundsätzlich, dass unsere Demokratie und die
parlamentarische Kontrolle funktionieren und wir bei
Skandalen wie im Fall Kurnaz, der Totenschändung und
der Tätigkeit des KSK in Afghanistan sowie den rechtswidrigen Übergriffen des Bundesnachrichtendienstes auf
den Status von Journalisten nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Vielmehr sorgt die parlamentarische
Opposition dafür, dass diese Themen aufgearbeitet werden und auf exekutives Fehlverhalten einzelner oder
mehrerer Personen auch von politischer Seite entsprechend reagiert werden kann. Das halte ich für ein gutes
Zeichen mit Signalwirkung und es unterscheidet uns von
Ländern, in denen Rechtsbrüche und menschenrechtswidriges Verhalten durch Gesetzgebungsakte der Regierung im Parlament durchgesetzt werden, wie es in den
USA der Fall ist, wo durch den Military Commissions
Act das völkerrechts- und menschenrechtswidrige Vorgehen im Antiterrorkampf ausdrücklich legalisiert wird.
({2})
Herr Oppermann, Ihre Rede hat gezeigt, dass Herr
Ströbele Sie ganz schön auf Trab hält.
({3})
Dafür danke ich ihm im Namen meiner Fraktion.
({4})
Deshalb haben wir ihn auch in den Untersuchungsausschuss geschickt. Er scheint der richtige Mann dafür zu
sein. Das haben Sie ihm gerade bescheinigt.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir heute
den Untersuchungsauftrag erweitern; denn wir haben im
Laufe des Verfahrens erkannt, dass wir bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht alle Komplexe benennen konnten. Dass wir an dieser Stelle nachbessern und die Komplexe insgesamt aufarbeiten
wollen, statt vorschnell zu Schlussfolgerungen zu kommen, weil der Untersuchungsauftrag nicht alle Komplexe umfasst, ist sicherlich ein sehr wichtiger Impuls
für den Ausschuss.
Der Untersuchungsausschuss ist aber keine Ausrede.
Damit komme ich zu Herrn Kaster, der vorhin sozusagen
das Weihrauchfass vor dem Bundeskanzleramt geschwungen hat angesichts der Heldentaten von Bundeskanzlerin Angela Merkel
({5})
zu einem Zeitpunkt, als man kein Held sein musste, um
Äpfel zu ernten, die schon überreif am Baum hängen.
Herr Kollege, es gibt keinen Grund dafür, dass wir nach
wie vor nicht wissen, ob die Amerikaner weiter Gefangene über unseren Luftraum hinweg verschleppen, und
dass wir uns von den Amerikanern nicht zusichern lassen, dass durch unser nationales Territorium niemand
menschenrechtswidrig verschleppt wird. Wir müssen
entweder von den Amerikanern klare Angaben zu den an
Bord befindlichen Personen erhalten oder wir müssen
jede amerikanische Maschine, die den deutschen Luftraum überquert oder auf deutschem Territorium landet,
darauf überprüfen, ob verschleppte Gefangene an Bord
sind. Das können wir jederzeit regeln. Wenn die Bundeskanzlerin den von Ihnen verschwenkten Weihrauch tatsächlich verdient hat, dann kann sie das gleich nachher
telefonisch mit dem amerikanischen Präsidenten besprechen.
({6})
Lassen Sie mich zum Schluss noch zu einer Verfahrensfrage kommen. Herr van Essen hat es dankenswerterweise schon angesprochen. Dass wir den Untersuchungsauftrag erweitern, ist das Recht der
parlamentarischen Minderheit. Wir sind trotzdem als
Ausdruck des guten Willens und im Interesse eines leistungsfähigen Ausschusses - es besteht kein Dissens mit
der Koalition, dass die Fragen konzentriert angegangen
werden sollten - der Koalition in einigen Formulierungen entgegengekommen. Das heißt nicht, dass wir dazu
verpflichtet gewesen wären; es zeigt nur das gute parlamentarische Miteinander in diesem Zusammenhang.
Es ist aber unzweifelhaft unser Recht - das spreche
ich an, weil es im Ältestenrat bezweifelt wurde -, den
Auftrag einer Minderheitsenquete zu erweitern. Das hat
Ihr Kollege Wiefelspütz in seinem Buch „Der Untersuchungsausschuss“ zweifelsfrei - wenn auch mit Bedauern - festgestellt:
Nach herrschender Meinung kann im Falle einer
Minderheitsenquete die qualifizierte Minderheit
eine Ergänzung oder Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes verlangen, nachdem der Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde.
Recht hat der Kollege Wiefelspütz.
Er ist damit nicht alleine. Es gibt noch renommiertere
Quellen,
({7})
wie zum Beispiel den Grundgesetzkommentar von
Michael Sachs, der eindeutig feststellt:
Umgekehrt muss er vom Bundestag auf Antrag der
Minderheit verändert werden, wenn dies zur verfassungsmäßigen Durchführung der Untersuchung erforderlich ist.
Er zitiert dabei ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das feststellt:
Der Minderheit bliebe es in diesem Falle
- es war streitig, ob die Erweiterung zulässig ist überlassen, den Beschluss des Bundestages, insoweit er den Änderungsantrag ablehnt, im anhängigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
anzugreifen.
Nur zur Erinnerung, damit wir uns in Zukunft nicht
mehr über Verfahrensfragen streiten müssen: Zu Beginn
der Sitzungswoche gab es keine Tagesordnung, weil die
Koalition uns unsere Rechte nicht von Anfang an zugestanden hat.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich finde, es ist gut, dass Sie zur Einsicht gekommen
sind und die Minderheitenrechte respektieren. Weil Sie
sich letztendlich anständig verhalten haben, haben wir
das mit konstruktiven Gesprächen über die Ergänzung
des Untersuchungsauftrags belohnt.
Meine Fraktion wird dem Antrag auf Ergänzung des
Untersuchungsauftrages zustimmen.
Vielen Dank.
({0})
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
das Wort der Kollege Hermann Gröhe von der CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir
heute den Auftrag für den 1. Untersuchungsausschuss in
dieser Wahlperiode auf der Grundlage eines Antrags von
Abgeordneten der Opposition, aber auch einer einvernehmlich getroffenen Empfehlung des Geschäftsordnungsausschusses gemeinsam erweitern, ist dies auch
ein Ergebnis der insgesamt sachlichen Zusammenarbeit
in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses. Dafür
danke ich den Obleuten aller Fraktionen, aber nicht zuletzt unserem Ausschussvorsitzenden Siegfried Kauder.
Unser Vorsitzender ist ein unparteilicher Anwalt einer
sachlichen und zügigen Erfüllung des Untersuchungsauftrags und der Wahrung der Rechte einschließlich der
Minderheitenrechte.
({0})
Auch wenn der Untersuchungsausschuss vor genau
29 Wochen eingesetzt wurde, erscheint es mir trotz mancher vollmundigen Äußerung verfrüht, Bilanz zu ziehen.
Richtig ist allerdings: Die Arbeit des Untersuchungsausschusses, die durch sie ausgelöste, aber auch eigenständig vorangetriebene Aufklärungsarbeit der Bundesregierung, die Recherche inländischer und ausländischer
Medien sowie das beharrliche Wirken unserer Justiz haben weitere wichtige Informationen zutage gebracht.
Dies kann man anerkennen, auch wenn man nach den
insgesamt recht umfassenden Arbeiten des Parlamentarischen Kontrollgremiums eine andere Lösung zur Klärung der noch offenen Fragen für effizienter gehalten
hätte als die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses.
Herr Beck, ich betone ausdrücklich: Wir freuen uns,
dass unsere Bundeskanzlerin, Frau Angela Merkel, nach
wenigen Monaten Regierungszeit die Freilassung von
Herrn Kurnaz erreicht hat. Ich bin sicher, dass die von
ihr geschaffene gute Atmosphäre in den Beziehungen
mit den USA dies begünstigt hat.
({1})
Herr Beck, Sie sprachen in diesem Zusammenhang von
reifen Äpfeln. Wir werden sicherlich bald erfahren, warum Joseph Fischer zur Reifung dieser Äpfel so wenig
beigetragen hat.
({2})
Den 1. Untersuchungsausschuss in dieser Legislaturperiode verdanken wir dem Minderheitenrecht. Einmal
eingesetzt ist der Untersuchungsausschuss dem gesamten Deutschen Bundestag und dem von ihm erteilten Untersuchungsauftrag verpflichtet. Für die CDU/CSUFraktion sage ich daher sehr deutlich: Wir wollen eine
erfolgreiche und zügige Erfüllung des Auftrages des
1. Untersuchungsausschusses in dieser Wahlperiode. Da
wir einen Untersuchungsausschuss haben und es insbesondere im Hinblick auf den Fall Kurnaz und die so genannten CIA-Flüge neuere Entwicklungen gibt, ist es
gut, dass wir auf jeden Streit darüber verzichten, ob die
Behandlung dieser Fragen vom bisherigen Untersuchungsauftrag gedeckt ist. Der heutige Beschluss bringt
insoweit zügig Klarheit.
Einem Wunsch der Opposition folgend werden wir
uns mit einem weiteren, mit dem bisherigen Untersuchungsauftrag nicht in einem Zusammenhang stehenden
Fragenkomplex, der so genannten Journalistenausforschung durch den BND, befassen.
Angesichts der Tatsache, dass das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse auch im Hinblick auf die Rechtspraxis in diesem Hause fortentwickelt wird, liegt mir allerdings daran, an unserer
Auffassung festzuhalten: Es gibt kein Minderheitenrecht
zur Auftragserweiterung zu einem völlig anderen Sachgebiet - hier etwa im Fall der Ausforschung von Journalisten -, sondern es gibt lediglich ein Minderheitenrecht
zu einer sachlich gebotenen inhaltlichen Arrondierung.
Die Opposition - wir haben dies gehört - sieht das anders. Ein Streit - auch mit der möglichen gerichtlichen
Klärung - ist aber unnötig, weil wir uns verständigt haben.
Die Tatsache, dass wir heute den Untersuchungsauftrag erweitern, aber auch die Erfahrungen der letzten
Wochen machen deutlich: Wir müssen das Vernehmungsprogramm straffen, wollen wir in angemessener
Zeit unser Ziel, angemessene Sachaufklärung, Diskussion politischer Verantwortlichkeiten und Empfehlungen
für die Zukunft, leisten. Die Oppositionsfraktionen haben sehr spät, aber sehr umfänglich Beweisanträge im
Untersuchungsausschuss gestellt. Inzwischen haben wir
manche wenig ertragreiche Vernehmung erlebt, auf die
man nach gewissenhaftem Aktenstudium hätte verzichten können. Wir sollten uns daher bald - und nach Möglichkeit wieder gemeinsam - auf eine Straffung unserer
Arbeit verständigen. Unser Ziel ist es, den Fall el-Masri
noch in diesem Jahr abzuschließen, was auch die Zeugenvernehmung ehemaliger oder amtierender Bundesminister einschließt. Dabei wird es nicht zuletzt um die
Umstände und die Zulässigkeit der Verschwiegenheitszusage von Otto Schily gehen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine allgemeine Bemerkung machen. In allen Themenkomplexen, die in unserem Ausschuss behandelt werden,
kommt es immer wieder zu spektakulären Medienberichten, etwa zu bewegenden Auftritten der Opfer im
Fernsehen. Das in diesem Zusammenhang entstehende
öffentliche Interesse müssen wir bei unserer Arbeit berücksichtigen.
({3})
Es enthebt uns aber keinesfalls - ich hoffe, Sie rufen
noch einmal „sehr gut“ - der eigenen Verantwortung, für
eine sachgerechte, inhaltlich strukturierte Aufklärung zu
sorgen.
({4})
Trotz eindrucksvoller Talkshowauftritte gilt der schlichte
Grundsatz: Die Lektüre umfangreicher Akten muss der
Vernehmung von Zeugen vorangehen. Sonst wird diese
Zeugenvernehmung wenig ertragreich und verkommt
zum reinen Showprogramm.
Im Hinblick auf das öffentliche Interesse ist - dies
überrascht nicht - die Frage der Öffentlichkeit der Zeugenvernehmung immer wieder Gegenstand der Auseinandersetzung. Dies klang auch eben an. Das Bundesverfassungsgericht hat in den Leitsätzen zu seinem
Urteil vom 17. Juli 1984 ausgeführt - ich zitiere -:
Das Wohl des Bundes oder eines Landes ... ist im
parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut. Die Berufung auf das Wohl
des Bundes gegenüber dem Bundestag kann mithin
in aller Regel dann nicht in Betracht kommen,
wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen
das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen werden.
Leider mussten wir in den letzten Monaten erleben,
dass sowohl aus geheim eingestuften Dokumenten als
auch aus geheimen Sitzungen des Parlamentarischen
Kontrollgremiums Dinge an die Öffentlichkeit drangen.
Wer immer wieder in dieser Weise Recht bricht, handelt
verantwortungslos und erweist dem Untersuchungsanspruch des Parlaments einen Bärendienst.
({5})
Die im 1. Untersuchungsausschuss im Hinblick auf
die Untersuchungsauftragserweiterung beschlossenen
Präzisierungen zielen auf eine Beschleunigung der weiteren Arbeit. Deswegen werden wir der Beschlussempfehlung zustimmen. Ich bin sicher, die heutige Beschlussfassung stellt eine gute Grundlage für die weitere
Arbeit dar. An dieser weiteren Arbeit wird die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion wie bisher konstruktiv mitwirken. Nichts wird unter den Teppich gekehrt. Fragwürdige Dramatisierungen und Verallgemeinerungen bringen uns aber in der Sache ebenfalls nicht weiter. Dieser
Sache, einer sachlichen Aufklärung, bleiben wir weiterhin verpflichtet.
Vielen Dank.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt und weiterer Abgeordneter zur „Ergänzung des
Untersuchungsauftrages des 1. Untersuchungsausschusses“, Drucksache 16/3191.
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache
16/3028 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist
einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Hartfrid
Wolff ({0}), Ernst Burgbacher, Gisela
Piltz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP
BOS-Digitalfunk neu ausschreiben - Neustart
mit transparenter Auftragsvergabe unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes
- Drucksache 16/2672 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner gebe
ich das Wort dem Kollegen Hartfrid Wolff von der FDPFraktion.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir brauchen schnellstmöglich den Digitalfunk in Deutschland.
Das Projekt ist zu wichtig, als dass eine Nichteinführung
auf Dauer riskiert werden darf. Allerdings habe ich
Zweifel daran, ob der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg zum Ziel führt.
({0})
Denn die Einführung des BOS-Digitalfunks ist in ein
technisch, wirtschaftlich und auch politisch unerfreuliches Fahrwasser geraten.
({1})
Ich frage Sie, Herr Altmaier: Hat die Regierung einen
Alternativplan, falls ihr bisheriges Vorgehen endgültig
scheitern sollte?
Hartfrid Wolff ({2})
Das bisherige Auftrags- und Vergabeverfahren der
Bundesregierung für den BOS-Digitalfunk ist unverantwortlich und undurchsichtig.
({3})
Die dringend erforderliche Einführung wurde unnötig
verzögert und verteuert. Der ursprünglich geplante Weg,
das Digitalfunknetz über eine Dienstleistungsausschreibung zu errichten, wurde von der Bundesregierung Ende
Januar 2005 verlassen. Der Betrieb wurde ohne Ausschreibung an die Bahntochter DB Telematik vergeben,
und zwar einfach so mit telegenem Handschlag.
({4})
Dann passierte Folgendes: Für den Betrieb des BOSDigitalfunks legte die DB Telematik am 31. Juli 2006
ein Angebot in Höhe von 2,6 Milliarden Euro vor; der
im Haushalts- und Finanzplan für den Bund veranschlagte Kostenrahmen beträgt aber nur 1,1 Milliarden
Euro.
({5})
Das Angebot der DB Telematik war angesichts der Höhe
der genannten Richtpreise mit den im Bundeshaushalt
bisher veranschlagten Mitteln nicht in Einklang zu bringen.
({6})
Nach einem Ultimatum wird jetzt der Anschein erweckt, als sei die DB Telematik plötzlich doch zu einem
Angebot in der Lage, das die Haushaltsvorgaben einhalten könnte. Es drängt sich tatsächlich die Frage auf, wie
das innerhalb von zwei Wochen möglich war. Warum
der plötzliche Wandel? Sind die Leistungen etwa nicht
hinreichend präzise beschrieben oder gibt es Nebenvereinbarungen, von denen wir nichts wissen? Obwohl die
Bundesregierung immer wieder das Gegenteil behauptet,
wird der Eindruck unabweisbar, dass die Kosten für den
Steuerzahler als eine zu vernachlässigende Größe angesehen werden. Die Gegenleistung der DB Telematik
wirkt ebenso unbestimmt und diffus.
Ähnlich verworren und im Ergebnis fragwürdig verlief die Ausschreibung zur Systemtechnik. Die eigentümlichen Modalitäten dieser Ausschreibung für die Einführung des Digitalfunks, die sinnigerweise zu einem
einzigen verbleibenden Bieter geführt haben, der überraschenderweise schließlich auch den Auftrag erhielt, sind
- um es vorsichtig auszudrücken - ebenso merkwürdig
wie die Vergabe des Betriebs.
({7})
Der Ausschluss sämtlicher Bewerber - außer einem durch das Beschaffungsamt hat mehr als ein Geschmäckle, wie man im Schwäbischen sagen würde.
Dass alle anderen Mitbewerber, die allesamt keine Nullachtfünfzehn-Unternehmen waren, ausgeschlossen wurden, zeigt, dass die Ausschreibungsbedingungen nicht
nachvollziehbar waren.
({8})
Nicht nachvollziehbar ist auch, dass zwar die Technik
ausgeschrieben wird, der Betrieb mit dem Vorwand der
Sicherheit aber nicht. Ist die Technik etwa nicht sicherheitsrelevant?
({9})
Warum hat Otto Schily mit Herrn Mehdorn vollendete
Tatsachen geschaffen und danach nur eine Teilkomponente des Gesamtpakets unter den Bedingungen der
Technik der DB Telematik ausgeschrieben? Die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung der Bundesregierung ist durch ein hohes Maß an Intransparenz und
Undurchsichtigkeit geprägt.
({10})
Gegen daraus resultierende Mutmaßungen und Verdächtigungen helfen nur Offenheit und Transparenz.
({11})
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie dringend auffordern,
dem auch nachzukommen.
({12})
Überall schiebt die Bundesregierung für ihre Sparmaßnahmen knappe Kassen vor und ausgerechnet bei
diesem Industriegroßauftrag spielt Geld für die Regierung offenbar keine Rolle. Privilegierte Konzerne können Monopolpreise für nicht garantierte Leistungen verlangen. Der Bürger aber wird im Jahr der größten
Steuererhöhung der deutschen Nachkriegsgeschichte
einfach weiter geschröpft.
({13})
Die Bedingungen der Finanzierung des gesamten
Projekts sind für den Bund, aber auch für jedes einzelne
Bundesland völlig aus dem Blick geraten. Ein Vertrag
zulasten Dritter, zulasten der Bundesländer, ist unzulässig. Die FDP hat erhebliche Bedenken gegen die Art und
Weise, wie die Bundesregierung die schnellstmögliche
Einführung des Digitalfunks durch mögliches Missmanagement und ein fragwürdiges Vergabeverfahren insgesamt riskiert.
({14})
Wir fordern deshalb: erstens die Verhandlungen über
den Betrieb des BOS-Digitalfunks mit der DB Telematik
sofort zu stoppen, zweitens den Betrieb des Digitalfunksystems neu auszuschreiben und mit einem transparenten Auftragsvergabeverfahren schnellstmöglich zu realisieren
({15})
und drittens die Errichtung der Bundesanstalt für den Digitalfunk bis zum Abschluss des neuen Vergabeverfahrens auszusetzen. Brauchen wir denn wirklich eine neue
Behörde, wenn nicht ansatzweise absehbar ist, wann sie
was zu tun hat?
({16})
Hartfrid Wolff ({17})
Eine neue Ausschreibung kann nicht nur die Kosten
für den BOS-Digitalfunk reduzieren, sondern die technische Verlässlichkeit und die baldige Einführung sicherstellen, gegebenenfalls sogar beschleunigen; denn das
durch und durch unklar und intransparent wirkende Vergabeverfahren zum Digitalfunk hat bislang neben immensen Kosten nur Zeitverzögerungen verursacht. Die
jetzigen Nachverhandlungen mit der DB Telematik verzögern die Entscheidungen sogar noch weiter.
Wir sollten im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Haushaltslage schnellstmöglich die beste, aber auch wirtschaftlichste Technik in
Deutschland umsetzen.
({18})
Wir wollen, dass alle Entscheidungen nachvollziehbar
und transparent sind; denn an dem, was in diesem Zusammenhang entschieden wurde - und daran, wie es entschieden wurde -, sind erhebliche Zweifel angebracht sachlich, rechtlich und finanziell.
Vielen Dank.
({19})
Das Wort hat jetzt der Kollege Helmut Brandt von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Kollegen! Herr Wolff, Sie haben ein paar eher
rhetorische Fragen an den Staatssekretär gestellt; ich
hoffe, ich werde sie in meinen Ausführungen gleichsam
mit beantworten können.
({0})
- Sie werden nicht nur gespannt sein, sondern in vollem
Umfang Antworten von mir erhalten, die Sie zufrieden
stellen werden.
Drei Anträge stellen Sie: erstens die Verhandlungen
über den Betrieb des BOS-Digitalfunks mit der DB Telematik zu stoppen, zweitens mit einem transparenten
Auftragsvergabeverfahren den Betrieb des Digitalfunksystems neu auszuschreiben und schnellstmöglich zu
realisieren - was sich fast ausschließt - und drittens die
Errichtung der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben bis
zum Abschluss des neuen Vergabeverfahrens auszusetzen.
Um es sofort deutlich zu sagen, Herr Wolff: Keine
dieser Forderungen ist gerechtfertigt; ganz im Gegenteil.
Bei der immer gebotenen sachlichen Prüfung von Anträgen drängt sich hier eher der Schluss auf, dass es sich bei
den von Ihnen gestellten Anträgen um reine Showanträge handelt.
Die Bedeutung und die Wichtigkeit der Einführung
des BOS-Digitalfunks werden auch von Ihnen - das haben Sie einführend selbst gesagt - nicht in Abrede gestellt. Es heißt in Ihrem eigenen Antrag, dass die Realisierung des BOS-Digitalfunks dringend erforderlich sei
und bereits seit Jahren einen großen Raum in der politischen Debatte einnehme. So weit, so gut - und so weit
auch einvernehmlich.
Was die FDP tatsächlich ärgert und umtreibt, ist ja
nicht die Einführung des Digitalfunks, sondern allein die
Tatsache, dass von der vorherigen Bundesregierung, insbesondere durch den früheren Bundesinnenminister Otto
Schily, die Entscheidung getroffen wurde, den Betrieb
und Aufbau des Digitalfunknetzes an die Bahntochter
DB Telematik zu vergeben. Es ist bekannt - und kann
auch von Ihnen als Antragsteller nicht bestritten werden -,
dass der so eingeschlagene Weg aufgrund der besonderen Sicherheitsbedürfnisse bei der Einrichtung des Betriebes gerechtfertigt war und ist.
({1})
- Darauf komme ich gleich. - Damit steht die Entscheidung des damaligen Innenministers im Einklang mit
§ 100 Abs. 2 Buchstabe d des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und wurde und wird deshalb zu
Recht von allen prüfenden Seiten als zulässig angesehen.
Würde man jetzt die laufenden Verhandlungen über den
Betrieb des BOS-Digitalfunks mit der DB Telematik
stoppen, wie es in Ihrem Antrag gefordert wird, so hätte
dies zur Folge, dass der gesamte, ohnehin schon schwierige Prozess komplett neu mit der nicht vertretbaren
Konsequenz gestartet werden müsste, dass sich dann die
Einführung des Digitalfunks um mindestens ein Jahr
verzögern würde.
Dies steht aber dem Ziel der schnellstmöglichen Realisierung, die Sie selbst fordern, absolut entgegen.
Bei dieser Betrachtung sind weitere Streckungen zeitlicher Art durch mögliche Nachprüfungsverfahren noch
nicht einmal eingerechnet. Überdies dürften sich diese
zeitlichen Verzögerungen entgegen Ihren Ausführungen
verteuernd auswirken. Dies ist nicht im Interesse des
Landes und hätte für die innere Sicherheit nach meiner
Auffassung fatale Auswirkungen. Außerdem würde der
Konsens zwischen dem Bund und den Ländern infrage
gestellt. Auch das kann von Ihnen nicht ernsthaft gewollt
sein.
Richtig ist allein, dass aufgrund der von der Vorgängerregierung gewählten Vorgehensweise die Verhandlungen mit der DB Telematik, insbesondere was die
Höhe der angemessen Kosten anbelangt, als schwierig
bezeichnet werden müssen. Das heißt aber nicht, dass sie
nicht erfolgversprechend wären. Im Gegenteil: Alles
deutet darauf hin, dass die Verhandlungen innerhalb des
vorgesehenen Zeitrahmens bis zum 15. Dezember dieses
Jahres erfolgreich abgeschlossen werden.
Bei dieser Ausgangslage ist der von der FDP-Fraktion
gestellte Antrag unverständlich, ja geradezu kontraproduktiv,
({2})
und zwar umso mehr, als Ihnen bekannt ist, dass parallel
zu den derzeit geführten Verhandlungen die Zeit bereits
genutzt wird, um ein alternatives Vorgehensmodell
präsentieren zu können - das ist die Antwort auf eine der
von Ihnen gestellten Fragen; Sie wissen selbst, dass im
Augenblick daran gearbeitet wird - für den allerdings
sehr unwahrscheinlichen Fall, dass die Verhandlungen
tatsächlich scheitern sollten und eine Kooperation mit
der DB Telematik nicht zustande käme.
Dieses parallele Vorgehen ist richtig und wird von der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich begrüßt
und unterstützt, da es die Position des Bundes bei den
Verhandlungen mit der DB Telematik stärkt und deutlich
macht, dass selbstverständlich nur ein angemessenes und
qualitativ akzeptables Angebot unsere Zustimmung finden wird.
Herr Kollege Brandt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Bitte schön.
Bitte, Herr Koppelin.
Herr Kollege, ich bin als Berichterstatter für den Etat
des Innenministeriums mit dieser Problematik im Haushaltsausschuss beschäftigt. Wenn das alles so toll ist, wie
Sie das hier schildern: Warum geniert oder schämt sich
die Bundesregierung, heute einen Vertreter ans Rednerpult zu schicken? Dann könnte ja dieser klar darlegen,
dass alles zum Besten bestellt sei.
({0})
Ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen: Es gibt
für die Bundesregierung keinen Grund, sich dafür zu genieren. Deshalb sehe ich keinen Anlass für Ihre Fragestellung.
({0})
Obwohl ich natürlich nicht für die Bundesregierung
spreche, habe ich Ihnen versprochen, dass ich mit meinen Ausführungen - das haben Sie wahrscheinlich schon
gemerkt - Ihre gestellten Fragen angemessen beantworten werde.
({1})
- Die Antworten auf Ihre restlichen Fragen kommen
jetzt noch.
Ein Stoppen der Verhandlungen über den Betrieb des
BOS-Digitalfunks mit der DB Telematik kann deshalb
derzeit - Herr Wolff, jetzt hören Sie genau zu - von niemandem ernsthaft in Erwägung gezogen werden.
Es ist erfreulich, dass immerhin Ihr eigener FDP-Innenminister Wolf aus Nordrhein-Westfalen dies begriffen hat - das ist übrigens ein sehr guter Mann -;
({2})
denn er hat noch am 27. September dieses Jahres, also
vor einem Monat, den Fortgang des Verfahrens gemeinsam mit dem Bund und den übrigen Ländern abgesegnet.
({3})
- Ja, so was.
In Ihrem Antrag - das tut mir ein bisschen weh - unterstellen Sie, dass derzeit das Vergabeverfahren nicht
transparent sei. Diese Unterstellung muss ich allerdings zurückweisen. Zum einen ist die DB Telematik
aufgefordert worden, nach den eindeutigen Vorgaben
von Bund und Ländern ein Angebot zu unterbreiten. Dabei haben Bund und Länder die Kalkulation auf das Planungsprogramm STEM gestützt. Zum anderen ist auch
zu berücksichtigen, dass die Verhandlungen dazu geführt
haben - das ist jedenfalls unser bisheriger Wissensstand -,
dass die ursprünglichen Anforderungen nicht mehr in
vollem Umfang als notwendig angesehen werden können und damit auch Kostensenkungen einhergehen können und werden.
Der Bundesrechnungshof hat im Januar 2005, als die
Entscheidung gefällt wurde, bereits die Trennung der
Vergabeverfahren in Systemtechnik und Betrieb empfohlen und die von der FDP immer wieder geforderte
Dienstleistungsausschreibung nicht favorisiert. Im Zuge
eines Nachprüfungsverfahrens wurde der Standpunkt der
vorherigen Bundesregierung im Übrigen nochmals bestätigt, den Betrieb des BOS-Digitalfunknetzes aus Sicherheitsgründen freihändig vergeben zu können. Diese
Sicherheitsgründe bestehen uneingeschränkt fort, sodass auch in einem neuen Auftragsvergabeverfahren
diese erhebliche Einschränkung zu berücksichtigen
wäre.
({4})
Das Vergabeverfahren in der gewählten Form ist nach
unserer Auffassung - entgegen Ihrer Darstellung - mithin hinreichend transparent und gewährleistet auch einen
qualifizierten Vertragsabschluss.
Nun noch zum letzten Punkt Ihres Antrags, der darauf
zielt, die Errichtung der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben bis zum Abschluss des neuen Vergabeverfahrens auszusetzen. Dazu ist aufgrund meiner bisherigen
Ausführungen eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Anders als Ihre Forderung nahe legt, müssen wir im Gegenteil alles tun, um sicherzustellen, dass im kommenden
Jahr mit dem Ausbau des Betriebsnetzes begonnen werden kann, sodass die Vorgabe, bis zum Jahr 2010 den
Betrieb flächendeckend aufzunehmen, auch tatsächlich
eingehalten werden kann.
Insoweit möchte ich Sie auf den Ihnen ja ebenfalls bekannten Beschluss des 10. Lenkungsausschusses hinweisen. Mit diesem Beschluss wird der Bund gerade gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesanstalt für
den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit
Sicherheitsaufgaben spätestens zum 1. März 2007 ihre
Arbeit aufnehmen kann.
All dies sowie der aktuelle Verhandlungsstand sind
Ihnen bestens bekannt, nicht zuletzt aufgrund der Antwort der Bundesregierung vom 9. Februar 2006 auf eine
Kleine Anfrage Ihrer Fraktion.
Ich komme deshalb zu meiner Eingangsbeurteilung
zurück: Ihr Antrag ist ein Showantrag. Wir werden ihm
deshalb nicht zustimmen.
Danke schön.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus von der
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Noch einmal zur Erinnerung: Worüber reden wir
hier? Ein neuer Polizeifunk wird gebraucht. Der bisherige ist veraltet. Mal ganz einfach gesagt: „Tatort“ ist öfter als „Polizeiruf“.
Die Investition ist ein großes Vorhaben, das sich Bund
und Länder teilen. Deshalb hat sich der Haushaltsausschuss damit auch wiederholt befasst. Wir hatten gerade
gestern eine Beratung mit dem Bundesinnenminister.
Daher will ich meinem geschätzten Vorredner, Herrn
Brandt, sagen: Wenn der Bundesinnenminister uns gegenüber eingesteht, dass er allein sechsmal mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bahn AG hat reden müssen - er
hat das nicht als vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung bezeichnet -, dann kann da nicht alles paletti sein,
wie Sie es hier darzustellen versuchen.
({0})
Wir haben dem Bundesinnenministerium zu verstehen gegeben: Wir sind dabei. Ein solcher Funk wird gebraucht. Aber erspart uns bitte eine Maut Nummer zwei!
Nun hat die Bundesregierung mit der Bahn verhandelt, den Vertrag über Systemtechnik mit EADS bereits
abgeschlossen und mit der Bahntochter DB Telematik
Verhandlungen geführt. Ein Vergabeverfahren fand nicht
statt. Als klar war, dass DB Telematik als einzig möglicher Auftragnehmer bleibt, wurde der Preis schlicht fast
verdreifacht. Das hat nichts mit Seriosität zu tun; das
grenzt an Erpressung. Das wollen wir nicht hinnehmen,
meine Damen und Herren.
({1})
Das ist ein Stück aus dem Toll-Collect-Haus. Deshalb ist
es auch alles andere als Show, wenn hier im Parlament
darüber gesprochen wird. Es war korrekt, dass die FDP
ihre Opposition sozusagen ins Parlament getragen hat
und solche Forderungen stellt.
Ihnen von der FDP muss ich allerdings sagen: Einen
großen Haken hat Ihr Antrag. Der Vertrag mit EADS ist
bereits geschlossen; aus dem kommen wir nicht mehr
heraus.
Das Konstrukt, das wir kritisieren, ist, dass Bundesaufträge immer wieder so zugeschnitten werden, dass
nur noch einzelne Anbieter bleiben. Sie von der FDP
sind ja eigentlich die Chefprivatisierer hier im Hohen
Haus. Jetzt kämpfen Sie ein bisschen gegen die Ergebnisse Ihrer Privatisierung. Da kommt ein Linker schon
ins Staunen über so viel Antikapitalismus.
({2})
Ich glaube, man muss es etwas deutlicher sagen: Unser
Problem heißt: staatsnahe Monopolisten. Sie verhalten
sich in Bezug auf den Staat ausgesprochen ambivalent.
Auf der einen Seite sind sie Zuwendungsempfänger.
Hierbei sind sie so aktiv, dass man sich darüber schon
nicht mehr wundert, aber doch staunt. Auf der anderen
Seite sind sie als Auftragnehmer des Bundes unberechenbar. Das sind Zustände, bei denen es nicht bleiben
darf.
({3})
An anderer Stelle, beispielsweise gegenüber ALG-IIBeziehern, verschärfen Sie die Maßnahmen der Kontrolle - bis hin zur Durchsuchung - immer weiter. Insofern hätten wir es gern, wenn bei der Wirtschaft dieses
Landes wenigstens gleiche Maßstäbe angelegt würden.
Wenn das der Fall wäre und dem Bahnvorstand die gleiche Härte wie den ALG-II-Beziehern entgegengebracht
würde, dann müssten Linksfraktion und FDP hier längst
Amnestieanträge stellen.
({4})
In den letzten Tagen ist auch in Fernsehberichten zur
Sprache gekommen, wie sich die Lobby der staatsnahen
Monopolisten organisiert: Teilweise haben Industrievertreter sogar in Ministerien ihren Platz gefunden. - Das
sind Zustände, bei denen es nicht bleiben darf.
({5})
Ich komme auf ein weiteres Detail zu sprechen. Herr
Brandt, Sie nannten es einen „unwahrscheinlichen Fall“,
dass ein alternativer Plan zum Tragen komme. Damit
verschlechtern Sie die Verhandlungsposition des Bundes
gegenüber DB Telematik, und zwar in erheblicher
Weise.
Was ist denn das für eine Botschaft an den bisher vorgesehenen Auftragnehmer? Die Botschaft ist doch:
Treibt den Preis weiter in die Höhe!
({6})
- Sie nannten es einen „unwahrscheinlichen Fall“.
Herr Claus, kommen Sie bitte zum Schluss.
Der FDP gebührt Dank für den Antrag und dafür, dass
sie die Angelegenheit an die Öffentlichkeit gebracht hat.
Wie wir uns in der Sache entscheiden, wird sich im Zuge
der Beratungen zeigen. Auf jeden Fall werden wir dieses
Vorgehen der Bundesregierung nicht akzeptieren.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Gerold Reichenbach
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Wolff
von der FDP, auch wenn man es hundertmal wiederholt,
wird das, was Sie sagen, nicht richtiger. Das Verfahren
bei der Auftragsvergabe war korrekt und transparent.
({0})
Einer der unterlegenen Bieter hat überprüfen lassen, ob
das Verfahren korrekt vonstatten ging. Bei der Überprüfung kam es zu keinerlei Beanstandung.
({1})
Die Rechtsmittel, die vorher angedroht wurden, weil es
angeblich nicht rechtmäßig zugegangen sei, wurden nie
eingelegt. Auch das ist aus meiner Sicht ein ziemlich
deutlicher Beweis dafür, dass an Ihren Vorwürfen nichts
dran ist.
Wir haben im Ausschuss oft genug darüber gesprochen - ich möchte es an dieser Stelle noch einmal sagen -:
Ernst zu nehmende Sicherheitsaspekte, die zu einer
freihändigen Auswahl eines Betreibers für den BOSDigitalfunk geführt haben, haben bestanden und bestehen weiter.
Vielleicht kann ich Ihnen bei der Klärung der Frage,
was der Unterschied zwischen der Vergabe für die Systemtechnik und der Vergabe an einen Betreiber sei, mit
einem Beispiel weiterhelfen: Wir alle sind uns einig,
dass für einen Streifenwagen die gleichen technischen
Anforderungen gelten müssen wie für einen PKW. Daraus schließen wir aber nicht, dass - entsprechend Ihrer
Denkweise - an einen Polizeibeamten die gleichen Anforderungen gestellt werden sollten wie an einen ganz
normalen PKW-Fahrer. - Gleiches gilt für den Digitalfunk. Er ist das technische Herzstück unseres polizeilichen und nicht polizeilichen Sicherheitssystems. Deswegen müssen wir bei dieser Lieferleistungsausschreibung
andere Maßstäbe anlegen als bei der Lieferung von
35 Dokumentenscannern und 50 Flachbettscannern für
den Deutschen Bundestag.
Außerdem haben nicht zuletzt wirtschaftliche Überlegungen zu dem Entschluss geführt, das Vergabeverfahren im Bereich der Systemtechnik von der Vergabe an
einen geeigneten Betreiber zu trennen. Die von Ihnen favorisierte Gesamtausschreibung der Dienstleistung hätte
uns doch in eine dauerhafte Abhängigkeit gebracht. Sie
hätte dazu geführt, dass nach der Vergabeentscheidung
kein Wettbewerb mehr stattgefunden hätte.
({2})
- In dieser Frage wundert mich Ihr antikapitalistisches
Bündnis mit der FDP schon etwas, Herr Claus. - Bei einer Laufzeitfestlegung von mindestens zehn Jahren hätte
dann das Konsortium aus Betreiber und Systemlieferant
das Monopol auf die während dieser Zeit stattfindende
technische Weiterentwicklung des Netzes gehabt. Dieses
System- und Betriebsmonopol hätten wir teuer bezahlen
müssen. Den Mechanismus kennen wir zur Genüge aus
der Rüstungsindustrie, wo die Kosten in der Regel nach
der Vergabe noch einmal drastisch anziehen. Darum hat
der Bundesrechnungshof der Bundesregierung ausdrücklich zu einer Trennung der Ausschreibung in Bezug auf
System und Betrieb geraten; mein Vorredner von der
CDU/CSU ist darauf bereits eingegangen.
Ich möchte überhaupt nicht verschweigen, dass die
derzeit laufenden Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der DB Telematik in einer sehr schwierigen Phase sind. Lange Zeit schien es so, als würde sich
das Unternehmen DB Telematik an die Preisvorgaben
halten. Kurz vor der Vertragsunterzeichnung - verzeihen
Sie mir den ironischen Unterton - hat man offensichtlich
noch einmal nachkalkuliert und plötzlich festgestellt,
dass der unternehmerische Gewinn, der zunächst so verlockend erschien, auch ein unternehmerisches Risiko mit
sich bringt. Schließlich handelt es sich um eine sicherheitsrelevante Infrastruktur. Dieses unternehmerische
Risiko sollte dann über exorbitante Risikozuschläge auf
den Auftraggeber - und damit letztlich auf den Steuerzahler - abgewälzt werden.
Das erleben wir nicht zum ersten Mal. Public Private
Partnership wird hoch gelobt als eine neue Form der
Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft, von der
beide Seiten profitieren. In der Praxis sieht es dann aber
oft so aus: die Gewinne für die Unternehmen, die unternehmerischen Risiken für die öffentliche Hand. Dieser
Versuchung konnte offensichtlich auch das Staatsunternehmen DB Telematik angesichts des beabsichtigten
Börsengangs nicht widerstehen. Aber so funktioniert das
nicht. Das haben Bund, Länder und die Koalitionsfraktionen unmissverständlich deutlich gemacht.
Es ist deshalb richtig, dass der Bund mit der
DB Telematik auf der Grundlage des angepassten Angebots weiter verhandelt. Der neue Vorschlag der
DB Telematik, mit den Synergieeffekten eines starken
Partners innerhalb des vorgegebenen Finanzrahmens das
Projekt realisieren zu können, ist prüfenswert. Allerdings ist auch klar, dass es dabei keine Abstriche bei der
Qualität, bei der Verfügbarkeit sowie bei der Sicherheit
des Funks geben darf. Es ist auch richtig, dass der Bund
parallel zu den weiteren Verhandlungen Alternativmodelle entwickelt, um sich für den Fall der Fälle eine
weitere Option offen zu halten. Dies wird auch von den
Ländern ausdrücklich so gesehen.
Wir sollten uns also parallel zur Vergabe des Betriebs
die Alternative des Eigenbetriebs als Möglichkeit offen
halten, auch aus den genannten Sicherheitsgründen. Einige Bundesländer denken offenkundig schon darüber
nach.
Es wäre allerdings fahrlässig, das Kind mit dem Bade
auszuschütten und das Verfahren ganz von vorn zu beginnen, so wie Sie von der FDP es fordern. Im Interesse
unserer Sicherheit, aber auch im Interesse der Endnutzer
- seien es Polizei, Krankenwagen, Leitstellen, Feuerwehren, ehrenamtliche oder hauptamtliche Helfer müssen Bund und Länder jetzt alles daran setzen, dass
die Verhandlungen im Dezember erfolgreich zu Ende
gebracht werden. Dann, und erst dann, wird die Bundesanstalt BOS-Digitalfunk errichtet, weshalb ich Ihre Forderung nach einem Stopp der Errichtung dieser Bundesanstalt ohnehin nicht verstanden habe. Etwas anderes
war doch nie vorgesehen.
Mit der Weiterverfolgung des bisherigen Weges bekommen wir einen von der Systemtechnik unabhängigen
Betreiber. Wir wollen in diesem Verfahren sicherstellen,
dass die Schnittstellen bei den Endgeräten offen sind.
Wir haben dann bei den Endgeräten das, was nicht nur
die FDP, sondern auch die Regierungsfraktionen allseits
begrüßen: Wettbewerb. Dieser Wettbewerb ist im Interesse der Kommunen und Hilfsorganisationen, die im
nicht polizeilichen Bereich den größten Teil der Endgeräte und Anwendungen finanzieren.
Würden wir Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der FDP, folgen, würde sich die Einführung des Digitalfunks - der Kollege von der CDU/CSU
hat das deutlich gemacht - nicht nur erneut deutlich verzögern, sondern auch erheblich verteuern.
So ist es immer bei der FDP. Sie führt zwar das Wort
„Wettbewerb“ im Munde; wenn es aber um die Durchsetzung einseitiger Wirtschaftsinteressen geht, macht sie
sich für Konsortiumslösungen stark.
({3})
Dabei wissen auch Sie genau, dass die von Ihnen bevorzugte Dienstleistungsgesamtausschreibung zu einem Quasimonopol führen würde.
Nein, die Entscheidung, System und Betrieb getrennt
zu vergeben, war und ist richtig. Wir unterstützen die
Bundesregierung ausdrücklich in ihrer Absicht, den eingeschlagenen Weg auch im Interesse unserer Sicherheit
erfolgreich zu Ende zu führen.
({4})
Als letzter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich der Kollegin Silke Stokar von Neuforn, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in
der Politik häufig so, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit das Beste zu machen versucht, aber wieder
Fehler daraus werden. So ist das ganz offensichtlich
auch bei dem Thema BOS-Digitalfunk.
Ich möchte nur einige Punkte ansprechen. Ich habe
damals als Mitglied einer Regierungsfraktion die Entscheidung des ehemaligen Innenministers Otto Schily
hier heftig kritisiert. Er hat damals in Selbstherrlichkeit
entschieden, die europäischen Ausschreibungsrichtlinien, die ja auch Schutzrichtlinien sind, außer Kraft zu
setzen. Darüber hinaus hat er sowohl das Parlament als
auch die Öffentlichkeit getäuscht. Er hat in einer Presseerklärung so getan, als habe er einen Vertrag abgeschlossen. Erst auf Nachfragen - ich bin der neuen Bundesregierung durchaus dankbar, dass sie zumindest zum Teil
Transparenz hergestellt hat - kam heraus, dass es keinen
Vertrag gegeben hat. Die Pressekonferenz war ein Instrument, die Länder unter Druck zu setzen. Es hatte eine
mündliche Zusage ohne Preisverhandlung an die
DB Telematik gegeben.
Man sollte zu diesen Vorgängen hier die Wahrheit sagen; denn das sind die Fehler, die die neue Bundesregierung übernommen hat. Sie könnten allerdings auch die
Entscheidung treffen - ich denke, diese Option muss
ernsthaft offen gehalten werden -, diesen Kernfehler zu
revidieren und eine vernünftige, korrekte Neuausschreibung vorzunehmen.
Was der ehemalige Innenminister gemacht hat, ist für
zulässig erklärt worden. Aber der Ablauf der Zeit hat gezeigt, dass es kein sinnvolles Vorgehen gewesen ist. Alle
anderen europäischen Länder haben den Auftrag ausgeschrieben. Das hat der Sicherheit in diesen Ländern nicht
geschadet. Die Kosten sind geringer und die Lösungen
sind besser als in Deutschland. Im Dezember muss die
Frage der Neuausschreibung hier inhaltlich ernsthaft diskutiert werden.
({0})
Ich möchte nur auf zwei Punkte der neuen Verhandlungen eingehen, damit einmal deutlich wird, womit sich
das Parlament neben all den technischen Begriffen beim
Thema BOS-Digitalfunk auseinander setzen muss. Man
hat sich, um Kosten zu sparen, jetzt entschieden, für den
Polizeifunk nicht viele kleine Funktürme aufzubauen,
sondern 30 Meter hohe Funktürme, die dann zum Teil in
der freien Landschaft stehen sollen. Irgendjemand kam
dann wohl auf die Idee, das könnte ein Sicherheitsrisiko
sein oder es könnte Einsprüche von Bürgern geben, die
Funkwellen befürchten. Das bedeutet auch eine Verzögerung. Das heißt, die theoretische Kostenersparnis
birgt neue Risiken.
Richtig lustig finde ich die Entscheidung, sich in den
Naturschutzgebieten, wo kaum Menschen unterwegs
sind, digitale Funklöcher zu leisten. Ich sage nur: Folgen
Sie grüner Politik und bauen Sie die Naturschutzgebiete
in Deutschland aus! Dann wird der polizeiliche Digitalfunk am billigsten. Auch das wäre eine Lösung. Aber da
begeben wir uns schon in den Bereich der Satire.
Meine Bitte und auch Aufforderung an die Bundesregierung - ich finde es bedauerlich, dass heute niemand
von der Bundesregierung das Wort ergreift - ist, mehr
Information über den Stand der Verhandlungen ins Parlament und in den Innenausschuss zu bringen. Auch wir
als Grüne werden uns den Fortgang sehr genau ansehen.
Manchmal ist ein Jahr Zeitverlust besser als die Fortsetzung des Murkses eines Vorgängerministers.
({1})
Wichtig ist, zu einer finanzierbaren und vernünftigen
Lösung zu kommen.
Danke schön.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/2672 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion der LINKEN
Für das Recht auf Generalstreik
- Drucksache 16/2681 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({0})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. Gibt es
dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Werner Dreibus für die antragstellende Fraktion Die Linke das Wort.
({1})
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Was bedeutet ein Generalstreik? Der Duden
sagt: Ein Generalstreik ist ein allgemeiner, politischen
Zielen dienender Streik der Arbeitnehmer eines Landes.
({0})
- Das sagt der Duden und nicht Sie. - Ein Generalstreik
ist somit eine politische Willensbekundung, also ein politischer Streik. In dieser Form kennt und praktiziert ihn die
Mehrzahl der europäischen Länder. Außer Deutschland
gibt es noch zwei weitere Ausnahmen: Dänemark und
Großbritannien. Er ist also in der Mehrzahl der europäischen Länder Teil der demokratischen Willensbildung.
Auch die Europäische Union hat ihn mit der Zustimmung
Deutschlands in der Europäischen Sozialcharta im
Grundsatz der Freiheit des Arbeitskampfes ausdrücklich
legitimiert.
({1})
Es wird Zeit, so denke ich, dass wir auch hier europäischer werden.
Das Arbeitskampfrecht in Deutschland, entwickelt als
Richterrecht, begrenzt den Streik hingegen auf tariflich
regelbare Ziele. Das sind vor allem Ziele, die das unmittelbare Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
betreffen: Arbeitszeit, Entlohnung etc.
Wesentliche Bereiche des Arbeitslebens, die für die
Beschäftigten ebenfalls von existenzieller Bedeutung
sind, werden hingegen vom deutschen „Streikrichterrecht“ ausgeklammert. Ein Beispiel: Die Beschäftigten
können heute nicht darüber mitbestimmen, welche Art
von Beschäftigungsverhältnissen Unternehmen anbieten. Sie müssen es hinnehmen, wenn die Politik den
Unternehmen die Umwandlung beispielsweise sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze in Minijobs ermöglicht und damit der Verunsicherung von Lebensperspektiven den Weg bereitet. Die negativen Folgen
solcher Mitbestimmungslücken werden regelmäßig
auch in diesem Haus von allen Seiten beklagt: Politikverdrossenheit und mangelndes gesellschaftliches
Engagement der Bürger. Aber wir denken, bloße Appelle
helfen da nicht weiter.
({2})
Wenn Sie möchten, dass sich die Bürgerinnen und
Bürger wieder stärker an der politischen Willensbildung
beteiligen und sich für soziale Belange engagieren, dann
müssen Sie auch die Möglichkeiten für die Bürgerinnen
und Bürger ausweiten, ihre Meinung kundtun zu dürfen,
ob es uns Parlamentariern passt oder nicht.
({3})
Indem Sie das tun, tun Sie zugleich auch etwas für die
Demokratie: Wer die Möglichkeit hat, in existenziellen
Fragen seine Interessen zum Ausdruck zu bringen, entwickelt ein positiveres Verhältnis zu unserer demokratischen Gesellschaftsordnung.
({4})
Dass wir in Deutschland einen Nachholbedarf in Sachen Streikrecht haben, hat nicht nur die EU festgestellt.
In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestages heißt es dazu - Sie können das in der Begründung unseres Antrages nachlesen; ich unterstelle
einmal, dass einige von Ihnen das tun werden -:
… verstößt das deutsche Arbeitskampfrecht mit seiner Begrenzung auf tariflich regelbare Ziele sowie
das gewerkschaftliche Streikmonopol gegen die Sozialcharta.
({5})
Die Europäische Sozialcharta ist durch den Deutschen Bundestag ratifiziert worden.
Der Bundestag, so füge ich hinzu, hat es bis zum heutigen Tag versäumt, das deutsche Streikrecht den Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta anzupassen.
({6})
Schwerer noch als diese europarechtlichen Bedenken
gegen das deutsche Streikrecht wiegen die vielfältigen
sozialen Proteste gegen den Sozialabbau und die Vernichtung von Arbeitsplätzen. Ob der Protest der Opelaner gegen Werksschließungen, die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV und gegen die Drangsalierung von
ALG-II-Beziehern oder das Nein beispielsweise von
mehr als 200 000 Menschen am vergangenen Wochenende zu Rentenkürzungen, zur Abschaffung der solidarisch finanzierten Gesundheitsversorgung, zur Jugendarbeitslosigkeit und zur Tatenlosigkeit der Regierung bei
der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armutslöhnen all das macht deutlich, dass der politische Streik auch in
Deutschland auf der Tagesordnung steht. Wer solche
politischen Meinungsäußerungen für Erpressung hält,
wie einige Damen und Herren aus diesem Hause anlässlich der Streiks der Bahnbeschäftigten kürzlich erklärt
haben, der diffamiert damit ein Instrument der Demokratie und die berechtigten Sorgen und Anliegen weiter
Teile der Bevölkerung.
({7})
Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr
hat die grundlegenden Sorgen der Bürger in seiner Bevölkerungsumfrage 2005 untersucht und dokumentiert.
Auf die Frage, wovon sie sich persönlich bedroht fühlen,
antworteten 60 Prozent der Befragten: durch die Kürzung von Sozialleistungen. Jeder Zweite fürchtet eine
unzureichende finanzielle Absicherung im Alter, bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Vier von zehn Menschen
haben Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Diese
Ängste wirklich ernst zu nehmen, bedeutet auch, den
Menschen die Möglichkeit zu geben, krassen politischen
Fehlentscheidungen durch einen politischen Streik entgegenzutreten. Wer das nicht tut, der steht im Verdacht,
es mit der Forderung nach Demokratie doch nicht ganz
so genau zu nehmen und die eigenen Entscheidungen
immer für unfehlbar zu halten.
Ich freue mich auf einen konstruktiven Dialog und
konstruktive Debattenbeiträge.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gitta Connemann von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor genau
einer Woche fand hier eine Debatte zum Thema Mindestlohn statt. Im Verlauf dieser Debatte sah sich der
Präsident, Dr. Lammert, gezwungen, dem Vorsitzenden
Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der Linken, folgenden Hinweis zu erteilen:
Nach einer Reihe von entsprechenden Äußerungen
… gibt es einen hinreichenden Anlass, darauf hinzuweisen, dass Sie natürlich jedes Recht haben,
jede Mehrheitsentscheidung dieses Parlamentes zu
kritisieren, dass aber die Behauptung, dass das demokratiefeindlich sei, mit unserem Selbstverständnis, dass Mehrheiten darüber entscheiden, was gelten soll, nur schwer zu vereinbaren ist.
({0})
Der Kollege Lafontaine hatte sich in der Debatte einmal
mehr darüber ereifert, dass sich die Abgeordneten der
anderen Fraktionen seinem politischen Willen nicht beugen wollten und einen Antrag der Linken ablehnten,
übrigens mit überwältigender Mehrheit. Er wollte das
nicht akzeptieren.
Die Entscheidung durch Mehrheiten ist aber das Fundament der Demokratie. In einer parlamentarischen
Demokratie ist es die Entscheidung der Mehrheit der
Abgeordneten; denn wir sind laut Verfassung der Entscheidungsträger. Wir sind an Aufträge und Weisungen
nicht gebunden, nur unserem Gewissen unterworfen.
({1})
Ein Druck, durch wen auch immer, darf auf uns nicht
ausgeübt werden.
({2})
Genau diese Möglichkeit der Druckausübung auf Abgeordnete wollen Sie, meine Damen und Herren von der
Linken, mit Ihrem Antrag eröffnen. Er zielt nämlich darauf ab, den Generalstreik in unserem Land zu ermöglichen, und zwar - ich zitiere - „maßgeblich unter dem
Gesichtspunkt des politischen Streiks“.
({3})
Sie wollen also den politischen Generalstreik. Sie wollen
das Tor für Arbeitsniederlegungen mit politischer Zielsetzung öffnen.
Das Recht auf Arbeitskampf ist ein hohes Gut. Die
CDU/CSU-Fraktion sieht diese Errungenschaft als unverzichtbar an. Zu Recht ist sie grundgesetzlich geschützt. Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes zeigt aber auch
Grenzen auf: Der Arbeitskampf muss zur Durchsetzung
von Tarifforderungen geführt werden.
Dies will der politische Streik aber gerade nicht. Er
betrifft politische Forderungen, die sich tarifvertraglich
nicht regeln lassen. Nach Ihrem Antrag wären also zukünftig Arbeitskämpfe zulässig, die kein Ziel verfolgen,
das mit den Mitteln des kollektiven Arbeitsrechts
regelbar wäre. Vielmehr soll der Wille der gesetzgebenden Instanzen und der Regierung durch Kampfdruck gebeugt werden können, um so bestimmte politische Entscheidungen und Regelungen zu erzwingen. Es geht
Ihnen um die Einflussnahme auf politische Entscheidungen ohne die Legitimation eines Mandats.
({4})
Sehr deutlich wird dies in einem Interview, das der
Kollege Lafontaine der Zeitschrift „Cicero“ gegeben hat
und das unter der Überschrift „Ich will den Generalstreik“ erschienen ist. Ich zitiere: „Unser Ziel ist nicht
die Regierungsverantwortung. Unser Ziel ist es, die Politik in Deutschland zu verändern“ - und zwar ohne entsprechende parlamentarische Einflussnahme.
({5})
Mit dieser Einstellung, Ihrer Forderung nach dem
Recht auf Generalstreik, befinden Sie sich in bemerkenswerter Gesellschaft. So fordert die Antifa: „Generalstreik jetzt!“ Etwas später skandiert sie: „Bullen schikanieren!“ So viel zum Kreis Ihrer Bundesgenossen.
({6})
Es gibt in der Rechtsliteratur beachtenswerte Meinungen, nach denen ein politischer Streik in besonderen Fällen den Straftatbestand der Parlamentsnötigung nach
§ 105 des Strafgesetzbuches erfüllen könnte.
({7})
Unabhängig davon stellt Ihr Antrag den Versuch eines
Angriffs auf den Kern der parlamentarischen Demokratie dar.
({8})
Dennoch debattieren wir heute mit Ihnen. Denn unsere Demokratie lebt von der Diskussion über den richtigen Weg. Meine Damen und Herren von der Linken, der
Unterschied zwischen Ihnen und uns ist: Wir sagen Ihnen nicht den Kampf an, nur weil wir eine andere Meinung vertreten. Wir hören Sie an. Das ist Demokratie.
Das tun wir, obwohl wir in der Sache eigentlich nicht debattieren müssten; denn die Rechtswidrigkeit Ihres Antrags liegt auf der Hand.
({9})
Sie begründen Ihren Antrag mit einer Empfehlung
des Sachverständigenausschusses, dem die Kontrolle der
Einhaltung der Europäischen Sozialcharta obliegt, zu
Unrecht. Denn Sie wissen, dass diese Empfehlungen für
die Mitgliedstaaten keine bindende Wirkung entfalten
({10})
und dass die Charta keine ausdrückliche Garantie eines
bestimmten Arbeitskampfmittels enthält. Völkerrechtlich ist die Bundesrepublik Deutschland berechtigt, das
Arbeitskampfrecht so zu regeln, wie sie es tut, nämlich
im Rahmen der geltenden Verfassung. Auch die koalitionsmäßige Betätigung hat sich innerhalb der Grenzen
des Grundgesetzes zu vollziehen. Das tut der politische
Streik eben nicht.
Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht
die Frage, ob Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes die Wahlwerbung einer Gewerkschaft im Betrieb im Vorfeld einer
allgemeinen politischen Wahl schützt, verneint. Die Begründung lautete, zur parlamentarischen Demokratie
- die Sie, meine Damen und Herren von der Linken, die
ganze Zeit belacht haben -, wie sie das Grundgesetz
konstituiert, gehöre die prinzipielle Gleichheit aller politischen Kräfte, die auf die Willensbildung des Volkes in
Wahlen Einfluss zu nehmen suchen. Die prinzipielle
Gleichheit finde ihren verfassungsrechtlichen Ausdruck
im Schutz der Werbung vor allgemeinen politischen
Wahlen, wie er durch Art. 38, Art. 28 und Art. 5 des
Grundgesetzes garantiert sei.
Die Annahme eines darüber hinausgehenden, etwa
kraft eines Öffentlichkeitsauftrages gewährleisteten verfassungsrechtlichen Schutzes der Wahlwerbung einzelner Gruppen würde auf eine Privilegierung dieser Gruppen hinauslaufen, die im Widerspruch zum Grundprinzip
parlamentarischer Demokratie stünde. Also: Dürfen
Koalitionen schon bei der Werbung keine Vorrechte für
sich beanspruchen, die ihnen eine größere Einflussnahme sichern würden, dann darf es ihnen erst recht
nicht gestattet sein, bereits konstituierte Verfassungsorgane mit Arbeitskampfmaßnahmen unter Druck zu
setzen.
Auch zur Meinungsdemonstration ist der politische
Streik nicht notwendig, weil unsere Demokratie darauf
ausgerichtet ist, dass jeder Bürger in den politischen Prozess einbezogen werden kann, angefangen vom Wahlrecht bis hin zum Recht auf Meinungsfreiheit. Jeder Bürger in diesem Land kann Demonstrationen veranstalten
und an ihnen teilnehmen, aber eben außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit. Ein politisches Widerstandsrecht
gewährt unsere Verfassung nur in den engen Grenzen
des Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes.
Wenn es nicht so traurig wäre, könnte ich es bei folgendem Urteil belassen: Sie sollten dieses Instrument in
der verstaubten Requisitenkammer des Regimes liegen
lassen, aus dem Sie zum Teil hervorgegangen sind,
({11})
ein Instrument in der Tradition der sozialistischen Kaderlehre.
Aber es ist traurig. Denn Sie verfolgen damit ein weitergehendes Ziel. Stellen wir uns doch einmal das Szenario eines Generalstreiks vor: Eisenbahner gehen auf die
Barrikaden, Flugzeuge und Busse stehen still, in Schulen, Behörden und Krankenhäusern trifft man, wenn
überhaupt, nur noch die Notdienste an. Wenn für längere
Zeit niemand arbeitet, wer löst dann Ihrer Meinung nach
die Probleme, die es in unserem Land gibt?
({12})
Was Sie heraufbeschwören wollen, ist Chaos, reines
Chaos!
({13})
Ihnen geht es nicht um das viel beschworene Volk. Denn
ein politischer Generalstreik dient diesem doch nicht
einmal scheinbar. In Wahrheit richtet er sich immer gegen das Volk.
({14})
Ihnen geht es um unheilvolle Unruhe, um Instrumente
zur Durchsetzung Ihrer Interessen. Dies sieht, wie ich zu
meinem Erstaunen feststellen musste, selbst die „neue
internationale“ so. Sie warnt davor - ich zitiere -, dass
es „Reformisten wie Gysi und Lafontaine“ ermöglicht
wird, „die Bewegung für ihre Zwecke zu missbrauchen …“
({15})
Meine Damen und Herren von der Linken, Friedrich
Nietzsche hat für den Wert demokratischer Einrichtungen wie unseres Parlaments folgendes Bild gewählt - ich
zitiere -:
Die demokratischen Einrichtungen sind Quarantäneanstalten gegen tyrannenhafte Gelüste.
Mit den demokratischen Mitteln dieses Hauses werden wir deshalb Ihren Antrag nach Überweisung in die
Ausschüsse ablehnen.
Vielen Dank.
({16})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Heinrich Kolb von
der FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, es ist sinnvoll, sich, wenn man über einen Generalstreik spricht, die allgemeinen Grundsätze des
Streikrechts in Deutschland in Erinnerung zu rufen. Die
Rechtsprechung hat Regeln für die Zulässigkeit von
Streiks entwickelt. Wichtig und richtig ist, dass jeder
Streik dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügen
muss. Er muss in seiner Zielsetzung, auch in der Durchführung, die wirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigen. Ich stimme dem Bundesarbeitsgericht ausdrücklich zu, das hieraus unter anderem die wesentliche
Forderung ableitet, dass der Streik zur Erreichung rechtmäßiger Kampfziele und des nachfolgenden Arbeitsfriedens geeignet und sachlich erforderlich sein muss und
nur als letztes Mittel, nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten, ergriffen werden darf. Nach unserem heutigen Verständnis müssen Streiks den Abschluss eines Tarifvertrags zur Folge haben. Dabei sollte
es auch bleiben.
Deshalb muss ich Ihnen klar widersprechen, Kollege
Dreibus: In einer parlamentarischen Demokratie muss
die politische Willensbildung durch die dafür vorgesehenen Organe erfolgen; darauf hat auch das Bundesarbeitsgericht hingewiesen. Wir können davon ausgehen, dass
die Väter des Grundgesetzes bewusst auf eine ausdrückliche Erwähnung des Streikrechts im Grundgesetz verzichtet haben.
Sie haben die Europäische Sozialcharta angesprochen. Nach unserer Auffassung lässt Art. 31 Nr. 1 der
Europäischen Sozialcharta Einschränkungen und Begrenzungen des Arbeitskampfes zu, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer
oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Sicherheit des Staates notwendig sind. Dies
kann - das hat die Kollegin Connemann zu Recht gesagt im Rahmen der Verfassung ausgestaltet werden.
Der Arbeitskampf erfährt durch die Verfassung klare
Rechtmäßigkeitsgrenzen. Das Grundgesetz schützt den
Streik, der auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet ist. Es schützt auch den Streik gegen den Arbeitgeber
zur Erzwingung eines Firmentarifvertrages. Es schützt
ebenso einen verhältnismäßigen Warnstreik. Nicht gedeckt von der Verfassung ist der politische Streik, der
staatliches Handeln erzwingen will. Ein Arbeitskampf,
der den vom Volk demokratisch legitimierten Gesetzgeber, die Verwaltung oder die Rechtsprechung zu Regelungen oder Entscheidungen zwingen will, zerstört nach
überwiegend vertretener Auffassung den demokratischen Rahmen der Gesellschaft. In speziellen Fällen
kann der politische Erzwingungsstreik sogar den
Straftatbestand der Parlamentsnötigung erfüllen, § 105
Strafgesetzbuch.
({0})
Das institutionell gesicherte Recht auf Arbeitskampf
ist heute nach vorherrschender Meinung anerkannt. Es
wird hergeleitet aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz und dem
Bekenntnis des Grundgesetzes zum Rechtsstaat. Allerdings bedarf es laut Bundesverfassungsgericht - auch
das sagte ich schon - einer bundesgesetzlichen Regelung
zu seiner näheren Ausgestaltung. Hier will ich, um unsere Position noch einmal zu verdeutlichen, in Erinnerung rufen, dass die FDP-Fraktion im März dieses Jahres
einen Antrag „Innere Sicherheit durch Regelungen zum
Arbeitskampfrecht gewährleisten“ vorgelegt hat. In diesem Antrag haben wir deutlich gemacht, dass die ausgedehnten Streiks im öffentlichen Dienst, die zum Teil zu
unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geführt haben, nicht tragbar sind. Insbesondere das Bestreiken der Müllentsorgung hat zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen
Sicherheit in einem nicht mehr hinnehmbaren Maße geführt. Die unverhältnismäßigen Streiks haben die Kommunen und letztlich auch den Steuerzahler in einer unzumutbaren Weise belastet.
({1})
- Nein, das muss man schon im Kontext sehen. Das, was
sich die Linke vorstellt, geht ja noch weit über das hinaus, was wir im Frühjahr dieses Jahres erlebt haben.
Für uns steht fest, dass das Gemeinwohl durch einen Arbeitskampf nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden darf und dass die Notfallversorgung der Bevölkerung und die innere Sicherheit und Ordnung jederzeit
gewährleistet sein müssen.
({2})
Abgesehen von den dargestellten juristischen Bedenken muss ich noch einmal die wirtschaftlichen Auswirkungen eines politischen Generalstreiks ansprechen.
Herr Dreibus, durch einen Generalstreik, wie Sie ihn
sich hier vorstellen, wird die Wirtschaft aufgrund der Arbeitsniederlegung aller Arbeitnehmer zum Stillstand gebracht. Nach Ihrer Forderung von Mindestlöhnen offenbaren Sie für mich damit erneut, dass Sie in Ihrer
Fraktion nur einen ausgeprägt mangelnden ökonomischen Sachverstand haben.
({3})
Dass Sie den Antrag stellen, das Recht auf einen Generalstreik einzuführen, ist populistisch und als pure
Ideologie zu bezeichnen. Die Schäden, die ein politischer Generalstreik für die Gesamtwirtschaft nach sich
ziehen würde, wären verheerend. Sie, die Linke, nehmen
das billigend in Kauf und handeln damit schlicht unverantwortlich.
({4})
Ich will zum Schluss sagen, dass mich der Gedanke
beschleicht, dass Ihre Motivation für diesen Antrag allein darin zu suchen ist, die Gewerkschaften stärker an
die Linke zu binden. Kollegin Connemann hat das Interview in „Cicero“ ja schon angesprochen. Lafontaine hat
auf die Frage, wie die Linke die Gewerkschaften auf ihre
Seite ziehen kann, ausdrücklich geantwortet:
Das ist einer der Gründe, warum wir das Recht zum
Generalstreik fordern.
Ich denke, wir werden Ihren Antrag in diesem Hause
mit breiter Mehrheit ablehnen.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Anette Kramme von
der SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren dort oben auf den
Tribünen! Ich verbringe im Moment die absurdesten
neun Minuten meines Lebens.
({0})
Wir diskutieren über ein wirklich aktuelles Thema von
höchster Brisanz. Die PDS, die Linke, fordert die Einführung eines Generalstreiks. Die Jahrhundertwende ist
noch nicht lange her, aber die, um die es hier konkret
geht, ist schon verdammt lange her.
({1})
Es ist in der Tat interessant, wie oft das Streikrecht in
dieser Legislaturperiode bereits zum Thema in diesem
Hause gemacht worden ist. Die Linke will sich den Gewerkschaften anbiedern und überschlägt sich in ihren
Forderungen nach fragwürdigen Verbesserungen. Es erstaunt mich verdammt, dass die FDP heute ohne Antrag
bleibt. Die FDP will die Gewerkschaften aber grundsätzlich an die Leine legen. Ihr wäre es am liebsten, ihnen einen Maulkorb zu verpassen und Streiks grundsätzlich
unmöglich zu machen.
({2})
Ich denke, es gibt in wunderbarer Weise die politische
Meinung der SPD zu diesem Thema wieder, wenn ich an
dieser Stelle einfach die entsprechende Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Juni 1989 zitiere.
({3})
Dort heißt es: Rechtswidrig ist ein Arbeitskampf, der zur
Durchsetzung eines tariflich nicht regelbaren Zieles geführt wird.
({4})
Das Gericht begründet dies in sehr nachvollziehbarer
Weise damit, dass an den bestreikten Arbeitgeber selbst
bei politischen Streiks keine Forderungen nach Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen gestellt werden, sodass er nicht in der Lage ist, den Arbeitskampf
durch ein Nachgeben zu vermeiden oder zu beenden.
Von einem gleichen Kräfteverhältnis kann bei einem
politischen Streik also keine Rede sein. Vielmehr würde
er dem vom BAG geforderten Prinzip der Kampfparität
widersprechen und das Risiko des Arbeitskampfes einseitig zugunsten der Arbeitnehmer verringern.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle, dass ich jetzt einfach aufhöre. Man kann die Zeit besser verbringen, als
sich zu diesem Thema zu äußern.
({5})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Brigitte Pothmer von
Bündnis 90/Die Grünen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
({0})
Ich habe doch nur vier Minuten Redezeit. Insofern bin
ich gezwungen, diesem Beispiel Folge zu leisten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Dreibus, nach Ihrer Rede ist zumindest eines klar: Wenn
es noch irgendwo in dieser Republik revolutionäres
Potenzial gibt, dann bestimmt nicht in der Linkspartei.
So kleinkariert und bürokratisch, wie Sie die Forderungen nach einem Generalstreik begründen,
({0})
sind Sie wohl kaum in der Lage, revolutionäres Potenzial zu erzeugen. Da schlafen die Leute ja schon beim
Streik ein.
Als ich Ihren Antrag gelesen habe, fiel mir wieder folgende Szene ein: Herr Gysi - seinerzeit noch Wirtschaftssenator in Berlin - bekam unverhofft Besuch von
einigen tausend Beschäftigten, die ihm mitteilen wollten,
was sie von seiner Amtsführung hielten: nämlich gar
nichts. Da stand er mit Trenchcoat und Aktentasche, sicherlich auch mit einem Kloß im Hals und dem Herz in
der Hose auf den Stufen seines Amtssitzes und wusste
nicht recht, wie er die Streikenden am politischen Meinungsbildungsprozess beteiligen sollte, wie Sie es jetzt
mit Ihrem Antrag zum Generalstreik fordern.
Diese Menschen wollten keinen Sozialabbau und
keine Entlassungen. Herr Gysi hatte ihnen aber leider
nichts anderes anzubieten. Ich glaube, so richtig revolutionäre Gefühle sind auch bei ihm damals nicht aufgekommen. Im Gegenteil - wir erinnern uns -: Er ist dann
bald vom Amt zurückgetreten.
({1})
Jetzt wollen Sie mit Ihrem Antrag für das Recht auf Generalstreik die Menschen am Meinungsbildungsprozess
beteiligen.
Wie ist das grundsätzlich in einer Demokratie geregelt? Es gibt ein frei gewähltes Parlament, Pressefreiheit
und Demonstrationsfreiheit.
({2})
Das sind die wesentlichen Instrumente für die Kontrolle
der Regierung. Was die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen angeht, haben wir den Tarifparteien die Aufgabe übertragen, diese zu regeln. Ein Mandat - geschweige eine gesetzliche Legitimation -, den Souverän
zum Beispiel mit einem Generalstreik politisch zu vertreten, existiert aus gutem Grund nicht. Ich glaube, das
haben sich die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes
gut überlegt.
Was aber wäre bei aller Wertschätzung für die Gewerkschaften demokratisch daran, wenn die knapp
7 Millionen DGB-Mitglieder als Interessenvertretung
für 60 Millionen Wahlberechtigte in Deutschland auftreten würden? Das wäre nicht wirklich demokratisch.
Herr Dreibus, Generalstreiks ziehen ihre Legitimation
nicht daraus, ob sie erlaubt oder verboten sind; sie legitimieren sich vielmehr aus einer gesellschaftlichen
Umbruchsituation, die Sie nicht qua Gesetz herbeiführen können. Das müssten Sie doch wissen. Erinnern Sie
sich an 1989, als sich in der DDR eine solche Umbruchsituation entwickelt hatte! Ihre Vorgänger waren ja davon betroffen.
Ihre Vorstellung von revolutionären Situationen ist
sehr deutsch und sie erinnert mich an den Ausspruch
Lenins: Wenn die Deutschen eine Revolution machen
wollen, dann lösen sie erst einmal eine Bahnsteigkarte. Genau so gehen Sie vor.
({3})
Offen gestanden glaube ich, dass es Ihnen gar nicht
um den Generalstreik geht. Ihnen geht es vielmehr um
die Stimmung, und zwar nicht nur in der Bevölkerung,
sondern vor allem auch in Ihrer eigenen Partei. Bei den
letzten Wahlen in Berlin wären Sie beinahe abgewählt
worden. Dort konnten Sie nämlich nicht mehr nur über
den Klassenkampf schwadronieren, sondern Sie mussten
konkrete Krisenbewältigung betreiben.
({4})
Dass das schmerzt, verstehe ich. Das kennen wir
auch. Darunter leidet das eigene Selbstverständnis. Deshalb fangen Sie jetzt an, die roten Fahnen noch einmal
aufzubügeln. Die Herren Lafontaine, Gysi und Ernst befinden sich sozusagen in vorrevolutionärer Lauerstellung. Sie spielen hier sozusagen Halloween für die Bourgeoisie. Bebel, Lassalle und Liebknecht würden sich im
Grabe umdrehen.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/2681 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Winfried
Hermann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Wasserverbandsgesetzes
- Drucksache 16/1642 6038
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({0})
- Drucksache 16/2806 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Röring
Manfred Zöllmer
Dr. Christel Happach-Kasan
Cornelia Behm
Dr. Kirsten Tackmann
Alle Reden sollen zu Protokoll genommen werden. Es
handelt sich um die Reden der Kolleginnen und Kolle-
gen Dr. Peter Jahr von der CDU/CSU-Fraktion, Manfred
Zöllmer von der SPD-Fraktion, Dr. Christel Happach-
Kasan von der FDP-Fraktion, Dr. Kirsten Tackmann von
der Fraktion Die Linke sowie Cornelia Behm von der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.1)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Ent-
wurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wasser-
verbandsgesetzes, Drucksache 16/1642. Der Ausschuss
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
empfiehlt auf Drucksache 16/2806, den Gesetzentwurf
abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstim-
men? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter
Beratung bei Zustimmung der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen, Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen
und Enthaltung der FDP-Fraktion und der Fraktion Die
Linke abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäfts-
ordnung die weitere Beratung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
1) Anlage 4
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Christine Scheel, Kerstin Andreae, Dr. Gerhard
Schick, Margareta Wolf ({1}) und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Steuerberatung zukunftsfähig machen
- Drucksache 16/1886 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({2})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Auch hier sollen alle Reden zu Protokoll genommen
werden. Es handelt sich um die Reden der Kolleginnen
und Kollegen Antje Tillmann von der CDU/CSU-Frak-
tion, Dr. Hans-Ulrich Krüger von der SPD-Fraktion,
Dr. Volker Wissing von der FDP-Fraktion, Dr. Barbara
Höll von der Fraktion Die Linke und Christine Scheel
von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.2)
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/1886 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 8. November 2006, 13 Uhr,
ein.
Ich wünsche ein schönes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.