Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/20/2006

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die Beratung der Beschlussempfeh- lungen des Auswärtigen Ausschusses auf den Druck- sachen 16/2616, 16/2617, 16/2618 und 16/2619 zu den gestern überwiesenen Entschließungsanträgen zum Li- banoneinsatz zu erweitern. Von der Frist für den Beginn der Beratung soll abgewichen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlos- sen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 sowie die Zusatz- punkte 1 bis 4 auf: 2 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon ({1}) auf Grundlage der Resolution 1701 ({2}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 - Drucksachen 16/2572, 16/2614 Berichterstattung: Abgeordnete Eckart von Klaeden Gert Weisskirchen ({3}) Dr. Werner Hoyer Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller ({4}) b) Bericht des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 16/2615 Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Lothar Mark Jürgen Koppelin Michael Leutert Alexander Bonde ZP 1 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({6}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zu der ersten Beratung des Antrags der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon ({7}) auf Grundlage der Resolution 1701 ({8}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 - Drucksachen 16/2572, 16/2611, 16/2616 Berichterstattung: Abgeordnete Eckart von Klaeden Gert Weisskirchen ({9}) Dr. Werner Hoyer Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller ({10}) ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({11}) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Dr. Wolfgang Gerhardt, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu der ersten Beratung des Antrags der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon ({12}) auf Grundlage der Resolution 1701 ({13}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 - Drucksachen 16/2572, 16/2609, 16/2617 Berichterstattung: Abgeordnete Eckart von Klaeden Gert Weisskirchen ({14}) Dr. Werner Hoyer Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller ({15}) ZP 3 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({16}) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, Redetext Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Hüseyin-Kenan Aydin und der Fraktion der LINKEN zu der ersten Beratung des Antrags der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon ({17}) auf Grundlage der Resolution 1701 ({18}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 - Drucksachen 16/2572, 16/2605, 16/2618 Berichterstattung: Abgeordnete Eckart von Klaeden Gert Weisskirchen ({19}) Dr. Werner Hoyer Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller ({20}) ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({21}) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller ({22}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu der ersten Beratung des Antrags der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon ({23}) auf Grundlage der Resolution 1701 ({24}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 - Drucksachen 16/2572, 16/2610, 16/2619 Berichterstattung: Abgeordnete Eckart von Klaeden Gert Weisskirchen ({25}) Dr. Werner Hoyer Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller ({26}) Über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Rolf Mützenich von der SPDFraktion das Wort. ({27})

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion wird heute über den Einsatz der Bundeswehr vor der libanesischen Küste nicht einheitlich abstimmen. Wie sollte das in dieser Frage auch möglich sein? Der Libanoneinsatz ist nicht nur ein schweres, er ist auch ein außergewöhnliches Mandat. Er ist ein Mandat, das die Gefühle und das Gewissen aufwühlt. Unabhängig, wie einzelne Kolleginnen und Kollegen gleich abstimmen werden: Einige werden auch dann noch letzte Zweifel nicht bestreiten wollen. Die Motive derjenigen, die mit Nein stimmen werden, sind vielfältig. Manche führen grundsätzliche Bedenken gegen einen militärischen Einsatz an; für manche kommt dagegen die ganze Anfrage zu früh; wieder andere befürchten die Einbeziehung in Kämpfe. Einzelnen Abgeordneten sind die Einsatzregeln und das Mandat zu ungenau und damit nicht ausreichend. Dennoch fragen diese Kolleginnen und Kollegen, ob ihr Nein nicht fehlgedeutet oder gar missbraucht werden könnte; denn es liegt auf der Hand: Wenn Israel eine deutsche Beteiligung wünscht, dann kann man doch schlecht argumentieren, dies widerspreche dem israelischen Sicherheitsinteresse. ({0}) Andere fragen, ob ein Nein eine wenn auch noch so geringe Hoffnung, aus der Gewaltspirale auszubrechen, behindern könnte, und vor allem: Könnte ein Nein eine dumpfe Minderheit in unserem Land dazu verleiten, dieses Nein als gegen Israel gerichtet zu sehen? Aber auch einige derjenigen, die mit Ja stimmen werden, werden letzte Zweifel behalten. Manche werden mit Rücksicht auf Israel Ja sagen, andere werden Ja sagen, weil sie die Souveränität und die Autorität des Libanon stärken wollen, andere werden aus Respekt gegenüber den Vereinten Nationen zustimmen. Wieder andere wollen vor allem einen brüchigen Waffenstillstand sichern helfen. Die Zweifel werden dort bestehen, wo viele nicht ausschließen können, dass dies der Beginn eines langen militärischen Engagements sein könnte. Andere wissen um die Gefahr militärischer Auseinandersetzung oder befürchten Anschläge gegen die Marineverbände. Diese von vielen gehegten letzten inneren Unsicherheiten sind meines Erachtens nicht Ausdruck von Unvermögen; vielmehr bildet diese Zerrissenheit die Komplexität und die Einmaligkeit der Entscheidung ab. Sie ist mithin angemessen. Ich hätte mir gewünscht, dass auch die Spitzenvertreter anderer Fraktionen, vor allem jene, die in den vergangenen Tagen und Wochen mit apodiktischer Bestimmtheit Nein gesagt haben oder im Nachhinein alles besser gewusst haben, ein wenig Selbstzweifel gehabt hätten; das hätte der Debatte gut getan. ({1}) Noch vor wenigen Monaten hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Israel der Stationierung deutscher Truppen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zustimmen würde. Mehr noch ist eingetreten: Israel hat ausdrücklich um die Beteiligung der Bundeswehr gebeten. Darüber hinaus ist das Land bereit, seine Sicherheit im Norden einer durch die UN mandatierten und geführten Truppe zu überantworten. Beide Vorgänge sind beeindruckend und einmalig. Deshalb geht es beim UNIFIL-Mandat auch um die Sicherheit Israels. Die Truppe handelt aber nicht anDr. Rolf Mützenich stelle Israels. Die Bundeswehr ist Teil einer UN-Friedenstruppe. Sie ist weder Partei noch Schiedsrichter. UNIFIL handelt im Auftrag der internationalen Gemeinschaft, im Sinne der Sicherheitsratsresolution 1701 und der Einsatzregeln. Die neue UNIFIL kann keinen Frieden erzwingen. Äußerungen dazu während des Besuchs der israelischen Außenministerin waren missverständlich. Die Truppe kann den Waffenstillstand flankieren und den Waffennachschub an die Hisbollah behindern. Wenn sie sogar noch den Rahmen für Gespräche zwischen den Konfliktparteien erleichtern könnte, wäre dies ein gewaltiger Beitrag. Nur die Konfliktparteien selbst können Frieden schließen. Wir dagegen können Brücken bauen; wir können zuhören, wir können Botschaften transportieren, wir können Ideen befördern. Das ist die Aufgabe der Diplomatie und diese hat die Bundesregierung, vor allem der deutsche Außenminister, in den vergangenen Wochen wahrgenommen. Der deutsche Außenminister war zur richtigen Zeit an den richtigen Orten. Wir unterstützen dies und ermuntern ihn, auf diesem Weg weiterzugehen. ({2}) Guido Westerwelle behauptete in diesem Zusammenhang, dass - Zitat - in der deutschen Außenpolitik das Militärische eine der ersten Antworten ist, nicht die letzte. Das ist nicht nur Unfug; das ist Demagogie. ({3})) Der Außenminister war während des Krieges in Beirut, in Jerusalem, in Ramallah, in Amman, in Kairo und in Riad. Er hat sich für eine Feuerpause stark gemacht und versucht, Denkblockaden aufzubrechen. Dies ist eine zivile Konfliktbearbeitung im freiheitlichen und demokratischen Sinne. Das hätten Sie unterstützen sollen. ({4}) Dabei will ich Ihnen gar nicht vorhalten, dass Sie die liberalen Traditionen in der Außenpolitik verlassen haben; denn in der Rückschau hat eine liberale Außenpolitik sowohl Licht- als auch Schattenseiten. Vielmehr möchte ich Ihnen sagen: In den vergangenen Monaten haben in erster Linie Sie nochmals unterstrichen, dass Sie derzeit nicht in der Lage sind, eine kluge deutsche Außenpolitik zu formulieren, weil Sie in einem innenpolitischen Tunnelblick gefangen sind. Das macht Sie an dieser Stelle so unglaubwürdig. ({5}) Dass weder der Vorsitzende der FDP noch die Linkspartei Zweifel haben, mussten wir in den vergangenen Tagen hinnehmen. Ein wohl begründetes, abgewogenes Nein kann niemand kritisieren. Was ich aber kritisiere, sind die Selbstgefälligkeit und die Maßlosigkeit. ({6}) Maßlos, liebe Kolleginnen und Kollegen, war der Vorwurf von Oskar Lafontaine, dass diejenigen, die eine militärische Flankierung des Waffenstillstands befürworten, Deutschland für terroristische Anschläge anfälliger machen. Selbstgefällig sind diejenigen, die ein Nein als das allein richtige Verhalten beschreiben. ({7}) - Sie dürfen sich nicht mit Beckstein vergleichen. Er ist nicht im Bundestag; Oskar Lafontaine ist hier im Bundestag und auf ihn antworte ich. ({8}) Ich glaube aber nicht, dass die Linkspartei den Wunsch der Vereinten Nationen nach Friedenstruppen für immer ablehnen kann. Schauen Sie nach Italien: Die italienischen Kommunisten - beide Parteien - haben einen langen, zum Teil schwierigen Lernprozess durchgemacht. Schauen Sie nach Spanien, wo sich bei der Abstimmung über die Beteiligung an UNIFIL lediglich zwei Parlamentarier der Stimme enthalten haben. In Sachen Friedenstruppen sind Sie innerhalb der europäischen Linken weitgehend isoliert. Das sollte Ihnen zu denken geben. ({9}) UN-Friedenstruppen können dann sinnvoll sein, wenn sie das Töten stoppen, wenn sie den Rahmen für Stabilität bilden und damit den Dialog zwischen den Konfliktparteien erleichtern. Auch die Linkspartei wird sich dieser grundsätzlichen Frage in Zukunft stellen müssen. Konstruktiver Pazifismus erschöpft sich nicht in Antimilitarismus. Es kann durchaus sein, dass militärische Beiträge in begrenztem Umfang den Aufbau dauerhafter, friedensfördernder Strukturen und Mentalitäten erleichtern können. Um derartige Strukturen wird es in den kommenden Monaten gehen. Deutsche Außenpolitik und somit europäische Außenpolitik muss einen politischen Prozess im Nahen Osten initiieren. Natürlich sind wir allein dazu nicht in der Lage; aber europäische Staaten sind derzeit die vorrangigen Partner für die Region - ob uns dies passt oder nicht. Wir werden akzeptiert und gebraucht, und - nicht zu vergessen - wir sind die unmittelbaren Nachbarn. Dabei geht es um Sofortmaßnahmen sowie um mittel- und längerfristige Schritte. Wie wir diesen Weg nennen, ist unerheblich. Es liegen genügend Vorschläge auf dem Tisch. Es geht um die Beachtung der legitimen Interessen der Konfliktparteien, um die Förderung von Kompromissen und um die Bildung von Anreizen. Es geht um Entspannung in einem Zeitalter neuer Spannungen. Neben dem israelisch-palästinensischen Kernkonflikt müssen die Beziehungen zwischen Syrien und Libanon auf der einen Seite und die notwendigen Gespräche dieser Staaten mit Israel unterstützt und begleitet werden. Es geht auch um den innerlibanesischen und um den innerpalästinensischen Dialog. Gleichzeitig müssen wir die USA überzeugen, endlich wieder Schritte zu einer Konfliktregelung mitzugehen und Blockaden zu beenden. ({10}) Vor allem aber geht es um die Erkenntnis, dass die Konflikte im Nahen Osten kein Nullsummenspiel sind. Am Ende können alle nur gewinnen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Wolfgang Gerhardt von der FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Wolfgang Gerhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002659, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beschäftigung mit der Vorlage der Bundesregierung zur Entsendung deutscher Soldaten, in diesem Fall der Marine, lenkt unseren Blick zum wiederholten Male auf eine Region, die es mit so vielen Katastrophen und Unverträglichkeiten zu tun hatte: mit autoritären Regimen, mit schwachen Institutionen, mit Trümmern eigener Politik, aber auch mit Trümmern der Politik anderer Mächte, die sich dort Verbündete suchten oder sich einzumischen versuchten. Trotz gemeinsamer arabischer Kultur in der gesamten Region ist die Fähigkeit zur Zusammenarbeit unterentwickelt. Das spüren wir im Barcelonaprozess, den wir ja den Ländern des mediterranen Raums bis in den Nahen Osten anbieten. Das hat auch der Vater des jetzigen Präsidenten Bush gespürt, der nach dem ersten Golfkrieg mit der Madrider Konferenz den aus meiner Sicht überzeugenden Versuch gemacht hat, ein Stück KSZNO zur Kontrolle von militärischen Kapazitäten, zu Menschenrechten, zu Fragen der Wasserrechte in diese Region zu bringen. Die Modernisierungsfähigkeit vieler Eliten und Gesellschaften ist dort recht dürftig. Manche kulturelle Authentizität wird von der dortigen Region behauptet, um nicht über Menschenrechte in den eigenen Gesellschaften ernsthaft reden zu müssen. Wir reden hier über mehr - deshalb möchte ich jede Überhöhung vermeiden, möchte sie aber auch nicht gegen meine Argumentation gerichtet sehen - als über den schmalen Beitrag der Entsendung von Marinesoldaten. ({0}) Zum wiederholten Mal beschäftigen wir uns auch mit Israel, einem Land, für das wir zu Recht besondere Gefühle hegen. ({1}) Wir wollen, dass seine Bürgerinnen und Bürger in Frieden leben können und ihre Zukunft nicht mehr durch Anschläge beeinträchtigt wird. Es ist im Übrigen aber auch unsere Überzeugung, dass das der überwiegende Wille der Mehrheit des palästinensischen Volkes ist. Wenn man genau hinhört, kann man feststellen, dass auch dort der Wunsch nach einer Zweistaatenlösung und die Bereitschaft zur Akzeptanz einer solchen, die es ermöglicht, in Frieden nebeneinander leben zu können, überwiegen. ({2}) Dazu gab es im Übrigen viele Chancen. In entscheidenden Punkten ist aber immer wieder nicht genügend Kraft aufgebracht worden, die Chancen zu ergreifen. Es gab einen sehr mutigen Schritt von Sadat. Er hat mit seinem Leben dafür bezahlt. Es gab eine mutige Politik von Yitzhak Rabin. Er hat mit seinem Leben dafür bezahlt. Auch die Chance beim Angebot von Ehud Barak an Jassir Arafat wurde nicht genutzt. Das war aus meiner Sicht ein großer Fehler des damaligen palästinensischen Führers. Immer wieder haben die Extremen auf beiden Seiten die Mehrheit daran gehindert, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Meine Bewertung ist also, dass die Mehrheit zum Frieden schon willens ist. ({3}) - Lassen Sie mich doch in Ruhe argumentieren. Ich habe es vorhin schon einmal gesagt: Ich bin gegen jede Überhöhung dieser Diskussion. Da es in Ihren Reihen vielleicht Kolleginnen und Kollegen gibt, die genauso denken wie ich, sollten wir uns das auch ersparen. Es ist doch niemand im Besitz der ganzen Wahrheit. ({4}) „Zum Frieden oft nicht in der Lage“, so würde eine Bilanz lauten können. Wir können uns mit dieser Verstrickung von Gewalt und Gegengewalt - in diesem Sinne bin ich mit dem Zwischenruf einverstanden - nicht mehr abfinden; ({5}) wir wollen es auch nicht. Deshalb streiten wir hier auch nicht über das Ob eines Beitrags, sondern über das Wie eines Beitrags. Darauf möchte ich hinweisen. ({6}) Das Potenzial zur militärischen Konfliktlösung ist an seinem Ende angekommen. Es war auch nie ein wirksames Instrument; jetzt ist es für jeden offenkundig. Das Selbstverteidigungsrecht Israels gegen terroristische Anschläge steht außer Frage. Aber in dieser asymmetrischen Auseinandersetzung nutzt militärische ÜberlegenDr. Wolfgang Gerhardt heit erkennbar wenig. Diese Erkenntnis setzt sich jetzt in Israel durch. Das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser kann nicht mit Anschlägen, die unschuldigen Zivilisten in Israel unendliches Leid zufügen, in irgendeiner Weise wahrgenommen oder verbessert werden. Auch das muss gesagt werden. ({7}) Eigentlich wollen das auch alle nicht, äußerte neulich ein israelischer Staatsbürger in einem eindringlichen Beitrag und schrieb dann weiter: Wenn auf allen Seiten aber nur noch über die Rechtmäßigkeit gesprochen wird, dann bleibt kein Raum mehr für Mitgefühl. - Das ist aber die Voraussetzung für eine Lösung und die Respektierung der Lebensinteressen anderer. Es geht um Grenzen. Es geht möglicherweise um Wasserrechte. Es geht um Transparenz hinsichtlich der militärischen Arsenale. Es geht um eine Einigung über die heiligen Stätten und es geht um regionale Vereinbarungen. Aber wenn das ganze Konzept den Menschen nicht die Aussicht auf ein halbwegs erträgliches Leben in der Zukunft ermöglicht, dann wird das nicht gelingen. ({8}) Es muss überprüft werden, ob der jetzige Beitrag Deutschlands, ob die internationale Zusammenarbeit, ob die Absprachen in der Europäischen Union und ob die Einflussnahme Amerikas, Russlands und Chinas - bei der einen Seite geht es die Einflussnahme auf die Sponsoren und bei der anderen Seite um den Einfluss auf die Politik - ausreichend besprochen worden sind. Ich wehre mich dagegen, in Deutschland seit Wochen über Truppenstellerkonferenzen zwar zu diskutieren, aber nicht ausreichend öffentlich deutlich zu machen, was denn am Ende die politische Konzeption, für die wir das alles unternehmen, sein soll. ({9}) Mich persönlich hindert die deutsche Katastrophengeschichte nicht daran, einem militärischen Beitrag zuzustimmen, wenn er erforderlich wäre. Aber wenn ein militärischer Beitrag erforderlich ist, dann muss er von dem Primat der Politik begleitet werden, und zwar eindringlicher und klarer, als es bisher geschehen ist. ({10}) Die Fragen, die ich dazu stelle, sind nicht illegitim. Ich glaube, dass es nicht zu viel verlangt ist, wenn man das Minimum für einen weiteren politischen Lösungsweg anspricht. ({11}) Die Befürworter des Einsatzes leben bisher allein von dem Prinzip Hoffnung. Das ist im politischen und menschlichen Leben allgemein ein wichtiges Prinzip. Aber dies allein ist kein Konzept, um in dieser Region weiterzukommen. ({12}) Deshalb gibt es legitime Fragen zu den Ressourcen des Mandats, seiner Aufgabengerechtheit und seinen Risiken. Ich möchte auch beschrieben haben, was das Kriterium des Erfolgs ist. ({13}) Denn wahr ist, dass die Hisbollah im Innern nur in einem langjährigen Verhandlungsprozess entwaffnet werden kann und nicht ausreichend klar ist, ob den Sponsoren außerhalb der Meilenzone und der Patrouillen wirklich das Handwerk in Bezug auf Waffenlieferungen gelegt werden kann. ({14}) Wenn man ein Mandat erteilt, dann ist die Frage gerechtfertigt, ob die Krisendiplomatie das Ihre dazu beiträgt, dass die Soldaten das Gefühl haben, dass sie Teil einer Lösung sind, die Lösung aber nicht allein bei ihnen liegt. Diese Dimension hat die deutsche und internationale Politik bisher nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht. ({15}) Manches an dieser Debatte, die überhöht wurde, hat mich sehr gestört. Sie verlief so, als wären die einen mehr im Recht und hätten die höheren moralischen Argumente und die anderen nicht. Heute entscheidet sich nicht, wer von uns, wenn es hoffentlich zu einem Verhandlungsprozess kommt, historisch Recht hat; das wollen wir einmal dem Ablauf der Zeit überlassen. Heute interessiert, ob man dem Mandat zustimmt. Ich sage für meine Fraktion, wobei ich auch die Meinung derjenigen Kolleginnen und Kollegen respektiere, die sich anders als ich entscheiden: Das Mandat ist uns zu schmal. Die politische Begleitung im Hinblick auf einen Lösungsansatz reicht uns nicht aus. Wir neigen nicht dazu, Soldaten einzusetzen, wenn ihr Teilbeitrag im politischen Lösungsprozess nicht klar ist. Es vergeht ein Tag nach dem anderen, ohne dass wir dazu Ausreichendes hören.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Gerhardt, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Wolfgang Gerhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002659, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss. - Sie sagen, das alles komme jetzt. Es wäre zu wünschen, dass es so wäre. Aber auf sicherem Boden befinden Sie sich nicht. Unser Argument ist, dass vorher etwas mehr Klärung stattfinden sollte. Wir können diesem Mandat so nicht zustimmen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Eckart von Klaeden von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Lieber Herr Kollege Gerhardt, man hat Ihnen anmerken können - so war mein Eindruck -, wie unwohl Sie sich in Ihrer Position fühlen, die Sie hier haben vortragen müssen. ({0}) Sie haben Ausführungen zu einer Nahostfriedenskonferenz gemacht, denen in dieser Allgemeinheit jeder hier zustimmen kann. Aber die Begründung, warum Sie dem Mandat, das heute zur Entscheidung ansteht, nicht zustimmen, ({1}) sind Sie schuldig geblieben. ({2}) Jeder, der sich mit dieser Frage sachkundig beschäftigt, weiß, dass dieses Mandat mit Gefahren, Risiken und Schwierigkeiten verbunden ist. Das liegt daran, dass das Mandat nicht wie bei anderen Mandaten am Ende eines Friedensprozesses, zum Beispiel zur Absicherung eines Friedensvertrages, steht, sondern dass es der Beginn eines politischen Prozesses ist und die Voraussetzung dafür - darüber darf nicht hinweggesehen werden -, dass dieser Prozess gelingen kann. ({3}) Jeder, der sagt, man könne eine Friedenslösung auch ohne das UNIFIL-Mandat erreichen, nimmt gleichzeitig in Kauf, dass die Kampfhandlungen in der Region wieder beginnen. ({4}) Der Weg wird schwierig sein. Die Ursachen für den Konflikt sind nicht gelöst. Die UN-Resolution 1559, die unter anderem die Entwaffnung der Milizen, so vor allem der Hisbollah vorsah, ist nicht umgesetzt worden. Dass die Hisbollah Israel angegriffen hat, ist die Folge davon. Die Resolution 1680 beinhaltet den Auftrag, dass die offenen Grenzfragen zwischen Syrien und dem Libanon geklärt werden und Syrien vollständige diplomatische Beziehungen zum Libanon aufnimmt. Diese nicht gelösten Aufgaben werden die Kontrolle der syrischlibanesischen Grenze erheblich erschweren. Nichtsdestotrotz brauchen wir einen politischen Prozess, bei dem UNIFIL eine wesentliche Voraussetzung und ein Bestandteil ist, um diese Fragen zu lösen. Wir haben als Deutsche eigene und wichtige Interessen daran, dass der politische Prozess in der Region gelingt. Wir haben ein Interesse, das sich aus der historischen Verantwortung ergibt, an dem Existenzrecht Israels. Das wird nur zu sichern sein, wenn es endlich einen lebensfähigen palästinensischen Staat gibt. Wir haben auch ein Interesse, das sich aus der Geographie ergibt, weil unsere Verbündeten in der Europäischen Union und in der NATO unmittelbar an die Krisenregion grenzen und die Gefahr besteht, dass die Konflikte übergreifen. Wir haben ein Interesse, das sich aus der inneren Sicherheit unseres Landes ergibt, weil wir immer wieder erleben müssen, dass Extremisten in unserem Land den Konflikt zum Anlass nehmen für ihre Aktivitäten bis hin zu Terroranschlägen. Wir haben letztlich auch ein wirtschaftliches Interesse, weil Konflikte in dieser Region zu steigenden Energiepreisen führen und es uns erschweren, die Arbeitslosigkeit in unserem Land zu bekämpfen. Wenn wir aber über die historische Verantwortung sprechen, würde ich mir von der Linkspartei auch einige Ausführungen zu der historischen Verantwortung wünschen, die sie als ehemalige Staatspartei der DDR in die Wiedervereinigung eingebracht hat und die damit zu unserer gesamtdeutschen Verantwortung geworden ist. Dazu gehört zum Beispiel die Rolle von Abu Nidal, dem Drahtzieher von Anschlägen in über 20 Ländern, bei denen in den 70er- und 80er-Jahren Hunderte von Menschen ums Leben gekommen sind, und der mit dem Ministerium für Staatssicherheit kooperiert hat. Zu nennen sind auch die Zusammenarbeit mit RAF-Mitgliedern, ihre Ausbildung in Terrorlagern in Jordanien und die spätere Unterbringung in der ehemaligen DDR, sowie die Tatsache, dass der Drahtzieher des Attentats in München 1972, Abu Daoud, der Kommandeur des so genannten Schwarzen September, nach einem Attentat 1981 in der DDR gesund gepflegt worden ist und dort einen VIP-Status genossen hat. Die Kooperation von arabischen Terroristen und der Staats- und Parteiführung der DDR hätte von Ihnen durchaus erwähnt werden können; denn dies gehört zur Verantwortung unseres Landes, insbesondere zu der Verantwortung, zu der Sie sich bekennen müssen. ({5}) Ich merke, dass das bei Ihnen auf Widerspruch stößt. Deswegen will ich Ihnen ein Zitat von Markus Wolf vorlesen. Er hat auf die Behauptung, die DDR solle Kontakte mit Organisationen gepflegt haben, welche Terrorakte gegen jüdische und israelische Ziele verübt haben, geantwortet: Man kann dies nicht ganz von der Hand weisen … Die Kontakte müssen aber heute so gesehen werden, dass damit faktisch terroristische Aktionen vom Territorium der DDR aus geduldet wurden … Es bleibt … Verantwortung und Schuld dafür, etwas geduldet zu haben, was zu solchen Handlungen führte. Ein Wort zu diesem Thema in Ihrer gestrigen Rede, Herr Gysi, wäre sicherlich angemessen gewesen. ({6}) Man darf nicht von historischer Verantwortung reden, wenn man die eigene immer ausspart. ({7}) Ich will auch auf die Argumente eingehen, die von der FDP vorgetragen worden sind. Der Kollege Hoyer hat gestern gesagt, es sei unklug, sich unnötigerweise militärisch zu beteiligen und das deutsche politische Vertrauenskapital aufs Spiel zu setzen. ({8}) Wer diese Ansicht vertritt, verkennt, dass die militärische Beteiligung und der politische Prozess untrennbar miteinander verbunden sind. Das haben bereits die Auseinandersetzung um die Rules of Engagement und die Luft- und Seeblockade gezeigt. Die Blockade Israels zur See und zur Luft konnte aufgehoben werden, weil sich die Bundeskanzlerin dafür eingesetzt hat, konsequent und besonnen, dass das deutsche Mandat robust ausfällt. Für die Robustheit dieses Mandats hat sie sich nur deshalb einsetzen können, weil sie vorher die grundsätzliche Bereitschaft zur militärischen Beteiligung erklärt hat. Hätte sie diese Bereitschaft nicht erklärt, hätte die Luft- und Seeblockade nicht aufgehoben werden können. Das ist der erste große Erfolg der Bundesregierung und zeigt, wie das UNIFIL-Mandat, eine humanitäre Lösung und der Weg zu einer Friedenslösung zusammenhängen. ({9}) Die Kollegin Homburger hat gestern gesagt, Deutschland habe andere Fähigkeiten als nur das Militär. Das ist richtig. Ich verstehe aber nicht, warum Sie das sagen, Frau Homburger. Es ist doch völlig klar, dass wir auch unsere anderen Fähigkeiten anbieten, humanitäre Hilfe und die Begleitung des politischen Prozesses. Sie wollen damit suggerieren, es ginge nur um das Militär. Das ist eine falsche Darstellung, die die Öffentlichkeit in die Irre führen soll. In dieses Horn stößt auch der Kollege Westerwelle. Er hat in der „Berliner Zeitung“ am 1. August gesagt: Es war bisher eine klare Haltung aller Regierungen seit Gründung der Bundesrepublik, dass deutsche bewaffnete Soldaten im Nahen Osten nichts verloren haben. ({10}) Das ist völliger Unsinn; denn die deutschen Soldaten gibt es nicht seit Gründung der Bundesrepublik, sondern erst seit 1955, ({11}) Außerdem hat sich die Frage von Auslandseinsätzen der Bundeswehr erst nach der Wiedervereinigung, also Anfang der 90er-Jahre, gestellt. Sie suggerieren damit eine Tradition, die es überhaupt nicht gibt. ({12}) Der Kollege Niebel sagte in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“: Wir müssen Auslandseinsätze von unseren eigenen politischen Interessen abhängig machen. Ich frage Sie, Herr Kollege Niebel: In welcher Region außerhalb Europas haben wir eigentlich mehr eigene Interessen als in dieser Region? Warum stimmen Sie anderen Einsätzen zu, lehnen diesen Einsatz aber ab? Weiter sagt der Kollege Niebel - Ähnliches sagt der Kollege Westerwelle -: Die Bundesregierung tut gut daran, sich an internationalen Friedenseinsätzen zu beteiligen. Aber sie tut auch gut daran, nicht bei jedem Einsatz dabei zu sein, gerade nicht bei diesem Einsatz. Damit suggerieren Sie, wir würden zu den Toptruppenstellern im Rahmen der Vereinten Nationen gehören. Das Gegenteil ist richtig: Zurzeit gibt es 21 VN-Peacebuilding- und Peacekeeping-Missionen. Deutschland ist an zehn Missionen beteiligt. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl - das scheint mir der angemessene Maßstab zu sein - sind die größten Truppensteller die Vereinigten Staaten, Frankreich, die Niederlande, Ghana, Georgien und Großbritannien, aber nicht die Bundesrepublik Deutschland. ({13}) Warum wollen Sie den Eindruck erwecken, wir seien auf der ganzen Welt militärisch engagiert? Das ist schlichtweg falsch. Sie setzen sich immer wieder dafür ein, und zwar zu Recht, dass bei der Lösung internationaler Konflikte ein multilateraler Ansatz gefunden wird. Sie kritisieren, dass sich die Vereinigten Staaten - angeblich - nicht ausreichend engagieren. Jetzt haben wir zum ersten Mal in einer wirklichen Krisenregion einen Einsatz mit einem multilateralen Ansatz, der von der Europäischen Union geführt wird. Das Hauptargument der Falken in den Vereinigten Staaten gegen den Multilateralismus ist, dass er nicht effektiv ist und zu einer Ausrede für das Nichtstun degeneriert ist. Jetzt können wir das Gegenteil beweisen und zeigen, dass multilaterales Vorgehen effektiv ist. Das wird man aber nicht schaffen, wenn man sich von vornherein verweigert. Sie treten für eine Nahostkonferenz ein. Dieses Bestreben wird von uns geteilt. Eine solche Konferenz kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn an ihr Länder teilnehmen, die den inneren Transformationsprozess hin zu den Prinzipien des Völkerrechts bereits hinter sich haben. ({14}) - Es geht doch um den Erfolg dieser Konferenz. Sie wollen sich ja nicht nur zusammensetzen und verhandeln. Sie wollen doch auch, dass diese Konferenz Erfolg hat. Wer soll denn zum Beispiel hinter dem Schild von Palästina sitzen? Ist es nicht wichtig, dass zunächst einmal in diesen Staaten ein Prozess befördert wird, der dafür sorgt, dass das Gewaltmonopol des Staates wieder hergestellt werden kann, dass sich die Regierungen zu den Prinzipien des Völkerrechts bekennen und diese Prinzipien auch umsetzen können? ({15}) Dann können sie an einer Nahostkonferenz teilnehmen. ({16}) Schließlich geht es auch um die Frage, wie wir insgesamt zur Durchsetzung des Völkerrechts stehen. Die Kollegin Homburger hat gestern gesagt, es käme im Grunde nicht darauf an, wer sich beteiligt. Deutschland müsse sich nicht beteiligen, da ja genug Angebote anderer Länder vorlägen. Dieser Ansatz ist falsch; denn das Völkerrecht kennt kein Gewaltmonopol im innerstaatlichen Sinne, wo Recht von der Staatsgewalt durchgesetzt wird. Die Vereinten Nationen müssen sich immer wieder um die Unterstützung der Staaten zur Durchsetzung des Völkerrechts bemühen. Deswegen hängt die Autorität des Rechts ganz wesentlich von denjenigen ab, die bereit sind, sich für seine Durchsetzung zu engagieren. Angesichts der enormen Interessen, die wir in dieser Region haben, muss man doch fragen: Mit welchem Argument sollen wir erwarten, dass andere sich engagieren, während wir uns nicht beteiligen? Freiheit bedeutet Verantwortung; oder, um es anders zu sagen: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. ({17}) Ich kann nicht feststellen, dass die Welt an den Prinzipien, die von der FDP und der Linkspartei gegen diesen Einsatz vorgetragen wurden, genesen würde. ({18})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Lothar Bisky von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Lothar Bisky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003739, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass im Libanon die Waffen schweigen. ({0}) Es wäre besser gewesen, wenn durch den Einsatz der internationalen Gemeinschaft ein Waffenstillstand nicht erst nach 33 grausamen Tagen und Nächten erreicht worden wäre. Und um es diplomatisch auszudrücken: Die Bundesregierung hat hier keine rühmliche Rolle gespielt. ({1}) Die Geiselnahme und die Raketenangriffe durch die Hisbollah waren völkerrechtswidrig und sie sind zu verurteilen. Sie aber zu einem Anlass für einen größer angelegten Luftkrieg und für eine Bodenoffensive gegen den Libanon zu machen, war ebenso wenig im Einklang mit dem Völkerrecht. ({2}) Wir alle können nur wünschen, dass aus diesem furchtbaren Krieg die Schlussfolgerung gezogen wird: Mit militärischer Stärke und Überlegenheit lassen sich politische Konflikte nicht dauerhaft lösen. ({3}) Im Gegenteil! Deshalb gilt: Mit der Gewaltspirale im Nahen Osten muss endlich Schluss gemacht werden. ({4}) Frau Bundskanzlerin, Sie haben in diesem Hohen Hause vor kurzem gesagt, Ihnen würde zu viel über den UN-Militäreinsatz und zu wenig über den politischen Friedensprozess diskutiert. Die Botschaft höre ich wohl und ich unterstütze sie. Das Handeln der Bundesregierung entspricht dem aber nicht. Bei den Menschen in unserem Lande setzt sich der Eindruck fest: Wenn die Politik Konflikte scheinbar nicht mehr lösen kann, werden die Truppen in Marsch gesetzt. ({5}) Sie haben Ihre viel geliebten Trippelschritte - zumindest in der Außenpolitik - sehr rasch aufgegeben. Ob Afghanistan, Kosovo oder Kongo - die Liste der Einsatzgebiete wird immer länger. Und es stimmt leider: Die vorherrschende Politik steckt mehr und mehr Gedanken und materielle Ressourcen in militärische Konfliktbearbeitung. Das ist nicht der richtige Weg. ({6}) Wir bevorzugen zivile Lösungen. Gerade im Nahen Osten, in einer Region, in der Gewalt zum Alltag geworden ist, muss die diplomatische, die zivile Lösung der Konflikte und ihrer Ursachen im Vordergrund stehen. Leider war die Bundesregierung mit als Erste bereit, Soldaten zu entsenden. Dabei wäre es in diesem Falle gut verstanden worden, wenn Deutschland gesagt hätte: Wegen unserer besonderen Geschichte werden wir uns im Nahen Osten engagieren, aber nicht militärisch. Sie versuchen, dieser Besonderheit dadurch Rechnung zu tragen, dass Sie keine Bodentruppen in den Libanon schicken. Wir sagen: Das ändert am Grundproblem gar nichts. Von einer historischen Mission ist die Rede und damit falle das letzte Tabu in Sachen deutscher Beteiligung an Militäreinsätzen. Die Tabus sind schon lange gebrochen und Die Linke will nicht, dass die BundesDr. Lothar Bisky wehr zu einem Instrument weltweiter und uneingeschränkter Interventionspolitik wird. ({7}) Wir müssen uns für ein Israel einsetzen, in dem man in gesicherten Grenzen und frei von Gewalt leben kann. Richtig ist aber auch, dass wir uns rechtzeitig und gleichzeitig für die legitimen Rechte der Palästinenser einsetzen müssen. Dieser doppelte kategorische Imperativ folgt aus unserer Geschichte. Darum sollte man die UN-Resolution 1701 nicht unter der Hand zu einer Entschließung machen, in der es fast nur um die Entwaffnung der Hisbollah geht, wenn der künftige Friede im Nahen Osten geklärt werden soll. ({8}) Nein, es geht um die dauerhafte Sicherung der territorialen Integrität und Souveränität Libanons. Und da darf daran erinnert werden, dass ein Teil dieses Landes 18 Jahre lang von Israel besetzt war. Der Antrag der Bundesregierung ist einseitig zulasten des palästinensischen Volkes formuliert. Sein Recht auf Sicherheit, Frieden und einen eigenständigen Staat ist nicht erwähnt. Nur wenn wir an den Verpflichtungen insgesamt festhalten - darum geht es mir -, werden wir unserer Verantwortung gerecht. Damit wird zugleich deutlich, warum deutsche Soldaten in Nahost fehl am Platze sind. Denn wenn wir uns militärisch exponieren, sind wir Teil des Problems und gefährden unsere Rolle als Mittlerin zwischen Israel und der arabischen Welt. Darauf kommt es aber gerade jetzt an. ({9}) Deshalb begrüße ich, dass der Vorschlag zur Einrichtung einer ständigen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Nahost mehr und mehr Anhängerinnen und Anhänger findet. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich jetzt nicht nur beharrlich für diese Idee einzusetzen, sondern sie auch umzusetzen. Wir haben eine besondere Verpflichtung, mitzuhelfen, dass die Menschen im Nahen Osten - Juden, Palästinenser, Libanesen, Syrer und die anderen - friedlich und in Würde zusammenleben können. Die Linke ist dagegen, diese Verantwortung nur militärisch zu definieren. ({10}) Wir möchten, dass die humanitäre Hilfe und die diplomatische Unterstützung des Friedensprozesses im Mittelpunkt deutscher Außenpolitik in Nahost stehen. Genau deshalb bitte ich Sie um Ihre Stimme für unseren Entschließungsantrag. Er enthält konkrete Schritte für eine friedliche Hilfe im Nahen Osten. Wie auch immer Sie zu dem Einsatz der Bundeswehr stehen: Es wäre gut, wenn Sie unsere Vorschläge wenigstens vorurteilsfrei prüften und in Ihrer Außenpolitik aufgriffen. Auch heute gilt nämlich der Satz von Marie von EbnerEschenbach: Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst. Ich bedanke mich. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Müller von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Kerstin Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002741, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Bisky, Sie sagen: Es ist gut, dass im Libanon die Waffen schweigen. Die Frage ist aber: Warum? Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass es ohne die Resolution 1701 und ohne den Beschluss der internationalen Gemeinschaft, Truppen zu entsenden - die Aufstockung von UNIFIL -, noch heute keinen Waffenstillstand in der Region gäbe, sondern noch heute dort gekämpft würde. ({0}) Das ignorieren Sie einfach. Sehr geehrter Herr Gerhardt, Sie können sich hier noch so winden, weil es inzwischen von allen Seiten Kritik an Ihrer Position hagelt. Man glaubt der FDP und vor allen Dingen ihrem Herrn Vorsitzenden nicht, dass sie wirklich aus Sorge über unser Verhältnis zu Israel diesem Einsatz nicht zustimmen wollen. ({1}) Ihr Kollege Kinkel, immerhin ehemaliger Außenminister, hat dazu am Wochenende das Nötige gesagt. Er meinte, nachdem die israelische Regierung und die beteiligten arabischen Regierungen Deutschland um Beteiligung gebeten hätten, habe sich die Lage total verändert. Natürlich ergibt sich aus der Bitte Israels kein Automatismus. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel in den letzten Jahren verändert hat. Genau das kommt in der Bitte Israels um Beteiligung zum Ausdruck. Es gehört schon besonders viel Ignoranz dazu, wenn man es - mit dem Argument, man habe eine besondere Verantwortung - trotzdem ablehnt, dieser Bitte Israels zu entsprechen. ({2}) Wie können Sie sich auf die deutsche Verantwortung gegenüber Israel berufen, wenn sich sowohl die israelische Regierung als auch die israelische Friedensbewegung - der Wunsch ist breit in der Gesellschaft verankert - und der Zentralrat der Juden in Deutschland explizit eine deutsche Beteiligung an UNIFIL wünschen? ({3}) Kerstin Müller ({4}) Nein, mit außenpolitischer Seriosität hat die Entscheidung des größten Teiles Ihrer Fraktion wenig zu tun. Sie lehnen aus rein innenpolitischen Erwägungen und aus Populismus diesen Einsatz der Bundeswehr - wie schon den Einsatz im Kongo - ab. ({5}) Wir alle wissen, dass das anders aussähe, wenn Sie Regierungsverantwortung hätten. Der Kollege Kinkel sagte: Ich bin überzeugt, würde die FDP den Außenminister stellen, könnten wir uns ein Nein nicht leisten. So ist es, meine Damen und Herren! ({6}) Herr Gerhardt, die Befürworter des Einsatzes leben nicht vom Prinzip Hoffnung. Diese Resolution und die damit verbundene UNIFIL-Aufstockung haben bereits jetzt - Herr von Klaeden hat es erwähnt - zur Aufhebung der israelischen See- und Luftblockade sowie zum erstmaligen Einmarsch der libanesischen Armee in den Südlibanon seit 1975 - seit der Bürgerkrieg begonnen hat geführt. Meine Damen und Herren, es ist ein historischer Schritt - das möchte ich zu bedenken geben -, dass Israel erstmalig der Internationalisierung eines Grenzkonfliktes zustimmt und eine robuste UN-Truppe an seiner Grenze akzeptiert. Das ist ein bedeutender Vertrauensbeweis Israels in die internationale Gemeinschaft, der ganz neue Chancen, etwa für die Lösung anderer Konflikte in der Region, eröffnen könnte. Hier denke ich zum Beispiel an den israelisch-palästinensischen Konflikt. Auch aus diesen Gründen unterstützt die Mehrheit meiner Fraktion nicht nur den UNIFILEinsatz, sondern auch eine deutsche Beteiligung daran. ({7}) Weil eine Beteiligung Deutschlands von allen Seiten gewünscht wird, sehen wir Deutschlands Rolle als ehrlicher Makler und Vermittler in der Region nicht gefährdet, sondern eher gestärkt. Dennoch war für uns von Anfang an klar: Aufgrund unserer Geschichte sollte der deutsche Beitrag möglichst zurückhaltend sein. Vor allem muss ausgeschlossen sein, dass deutsche Soldaten zwischen die Fronten von Hisbollah und Israelis geraten. Ich meine, das ist dadurch gewährleistet, dass die Bundeswehr nicht am Boden, sondern „nur“ - das Wort „nur“ meine ich natürlich in Anführungszeichen - zur seeseitigen Absicherung zum Einsatz kommt. Das vorliegende Mandat ist hinreichend robust und nicht nur symbolischer Art. Deswegen - auch das muss man ehrlich sagen - ist dieser Einsatz risikoreich. Wie risikoreich der UNIFIL-Einsatz tatsächlich wird, hängt stark davon ab, ob der politische Prozess zur Stabilisierung des Libanon und der gesamten Region vorankommt. Hier erwarten wir Initiativen der Bundesregierung. Wir brauchen Fortschritte im innerlibanesischen Dialog, die zu einer Stärkung des libanesischen Staates und zu einer friedlichen Entwaffnung der Hisbollah führen; denn international will niemand die Hisbollah mit Gewalt entwaffnen. Wir brauchen neue Initiativen im israelisch-palästinensischen Konflikt. Wir müssen auf Verhandlungslösungen mit dem Ziel einer friedlichen Koexistenz aller Staaten in der Region hinwirken, auch im Hinblick auf Syrien. Hier benötigen wir einen Perspektivwechsel. Alles dem Krieg gegen den Terrorismus unterzuordnen, wie es die aktuelle US-Administration leider getan hat, das führt wirklich in die Sackgasse. ({8}) Wir brauchen Lösungen auf multilateraler Ebene. Hier müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Vielmehr sollten wir die Initiativen neu beleben: das Nahost-Quartett, die Roadmap, die saudische Friedensinitiative, die Genfer Initiative, die Verhandlungen mit Syrien und dem Iran sowie die Überlegung, eine Nahostkonferenz einzuberufen. Ich sage sehr deutlich: Es ist nicht hinnehmbar, dass die USA solche multilateral wichtigen Abstimmungsprozesse verschleppen. Ich erinnere an die Blockade im Sicherheitsrat während des Libanonkrieges und an die Nichteinberufung des Nahost-Quartetts. Das war fahrlässig. Vielleicht hätten wir schon früher zu einem Waffenstillstand kommen können. ({9}) Hier erwarten wir von der Bundesregierung konsequente Überzeugungsarbeit. Frau Merkel, nutzen Sie doch in diesem Zusammenhang einmal auf sinnvolle Weise Ihre viel beschworene Freundschaft mit Herrn Bush. Überzeugen Sie die USA, dass nur eine Rückkehr zum Dialog und zu Verhandlungen sowie eine Abkehr von der Ideologie des Krieges gegen den Terror zu einer dauerhaft friedlichen Entwicklung in der Region führen werden. ({10}) Zum Schluss noch ein Wort an Sie, Frau Bundeskanzlerin. Ich habe wirklich Probleme damit, dass Sie die Zustimmung Ihrer Fraktion zum Libanoneinsatz mit der Ankündigung verbunden haben, unsere Truppen aus dem Kongo abzuziehen und sich in Darfur erst gar nicht zu beteiligen. ({11}) Ich finde, das geht nicht. Das hat mit konzeptioneller und nachhaltiger Außenpolitik nichts zu tun. Im Kongo müssen wir unsere Entscheidung von der Lage vor Ort abhängig machen. In Darfur findet ein schleichender Völkermord statt. Hier geht es darum, ein zweites Ruanda zu verhindern. Das kann man nicht mit einer möglichen Beteiligung am Libanoneinsatz verknüpfen. Deshalb meine ich: Wenn wir gefragt werden, dann können wir der UNO nicht die kalte Schulter zeigen. Hier erwarKerstin Müller ({12}) ten wir von Ihnen diplomatische Initiativen und eine Entscheidung, die an der Sache orientiert ist. Vielen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. ({0})

Dr. Angela Merkel (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001478

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Wochen war im Nahen Osten noch Krieg. Jetzt ruhen die Waffen. Hunderttausenden wird es wieder möglich sein, in ihre Heimat zurückzukehren. In der vergangenen Woche nun hat das Bundeskabinett - vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestages - entschieden, dass sich die Bundeswehr mit einem Marineverband an der UNIFIL-Mission der Vereinten Nationen beteiligen wird. Ich habe es vor einer Woche nach dem Kabinettsbeschluss gesagt und ich wiederhole es heute hier im Deutschen Bundestag: Dieser Einsatz der Bundeswehr im Nahen Osten ist kein Einsatz wie jeder andere, er ist ein Einsatz von historischer Dimension. Warum ist dieses Wort nicht zu hoch gegriffen, obwohl es ja nun wahrlich nicht der erste Einsatz der Bundeswehr außerhalb Deutschlands und Europas ist? Wir alle wissen, dass sich bereits mit der Zeitenwende des Jahres 1989/1990 und mit der Wiedervereinigung Deutschlands auch Deutschlands Verantwortung in der Welt verändert hat. Das hat Konsequenzen, eben auch militärische. Auch die Gestaltung des Mandats selbst ist nicht der Grund für die Bewertung „historisch“. Die Bundesregierung hat von Anfang an Wert auf ein ebenso wirksames wie robustes Mandat gelegt. Deutschland konnte den Vereinten Nationen zusammen mit den europäischen Partnern ein solides maritimes Kräftepaket anbieten, dessen Führung Deutschland übernehmen wird. Die Bundeswehr ist gewollt, und zwar von Israel und vom Libanon. Es gilt also neben der Wirksamkeit die Kooperation als zweiter Eckpfeiler dieses Mandates. Das war für uns die entscheidende Voraussetzung, um einem Einsatz der Bundeswehr in dieser Region zustimmen zu können, ihn überhaupt in Erwägung zu ziehen und die Dinge dann auch positiv zu bewerten. Die UNIFIL-Mission hat neben der Überwachung der Waffenruhe unter anderem die Aufgabe, die libanesische Regierung bei der Sicherung ihrer Grenzen und gegen illegale Waffenlieferungen zu unterstützen, es geht außerdem um die Ausbildung der libanesischen Armee. Das Ziel ist, dass der Libanon seine Aufgaben in Zukunft alleine durchsetzen kann. ({0}) Wir haben darüber hinaus natürlich ein umfassendes Paket von Maßnahmen zur zivilen Unterstützung des Libanon, vor allem bei der Sicherung der landseitigen Grenzen, aber auch beim Wiederaufbau, angeboten. Das Ganze ist ein in sich schlüssiges Paket. Zu keinem Zeitpunkt ging es nur um militärische Fragen. Es ging vielmehr immer auch darum, die Bedingungen für einen neuen Anlauf des diplomatischen Friedensprozesses überhaupt zu schaffen. Die militärische Umsetzung der UN-Resolution 1701 ist zwingend notwendig. Doch ohne einen neuen politischen Friedensprozess würde sie letztlich wirkungslos bleiben. Beide Dinge hängen miteinander zusammen. ({1}) Über diesen Friedensprozess stehe ich, stehen wir mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Siniora in ganz engem Kontakt. Wir wollen einen stabilen, souveränen Libanon und wir wollen die libanesische Regierung nach Kräften unterstützen. Ich freue mich, wenn der libanesische Ministerpräsident nächste Woche Berlin besuchen wird. Ebenso stehe ich natürlich mit dem israelischen Ministerpräsidenten Olmert in engstem Kontakt. Dass er sich in mehreren öffentlichen Aussagen ausdrücklich für einen Einsatz der Bundeswehr im Nahen Osten ausgesprochen hat, ja dass er darum gebeten hat, kann zwar nicht das allein relevante Kriterium sein. Aber ein in seiner Bedeutung nicht hoch genug zu bewertendes Zeichen des Vertrauens in Deutschland, in das Land, in dessen Namen vor 73 Jahren die Vernichtung der Juden und kurze Zeit später der Zweite Weltkrieg begannen, das ist Olmerts Bitte allemal. Ein solches Zeichen des Vertrauens sollten wir sehr ernst nehmen. Es ist also nicht der Auslandseinsatz der Bundeswehr als solcher und auch nicht die konkrete Gestaltung des Mandates, die diesen Einsatz von allen anderen abhebt, es ist die Region, die diesen Einsatz zu einem besonderen Einsatz, einem Einsatz von historischer Dimension macht. An kaum einem anderen Ort der Welt wird die einzigartige Verantwortung Deutschlands, die einzigartige Verantwortung jeder Bundesregierung und des Deutschen Bundestages für die Lehren aus der deutschen Vergangenheit, so deutlich wie hier. ({2}) Lassen Sie es mich deshalb sehr persönlich sagen: Ich respektiere die Entscheidung derer, die, wie die meisten Kolleginnen und Kollegen der Freien Demokraten, gerade in diesem Zusammenhang dem Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UNIFIL-Mission nicht zustimmen wollen. Ich sage aber ebenso klar, dass ich gerade wegen der von Ihnen angeführten Argumente am Ende meines Entscheidungsprozesses zu genau der gegenteiligen Antwort komme. ({3}) Ich sage ganz deutlich: Ja, wir sind nicht neutral und wir wollen auch gar nicht neutral sein. Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik seit 1949 war nie neutral. ({4}) Sie war, ist und bleibt wertegebunden. Wertegebundenheit ist das Gegenteil von Neutralität. ({5}) Deshalb engagieren wir uns seit Jahrzehnten in der Europäischen Union. Deshalb engagieren wir uns in der NATO. Deshalb wollen wir eine starke UNO. Deshalb engagieren wir uns für eine weltweite Durchsetzung des internationalen Rechts, für Frieden, für die Wahrung der Menschenwürde und für Teilhabe. Deutschland ist nicht neutral. Auch die internationale Staatengemeinschaft ist nicht neutral. Sie setzt sich für Frieden, Souveränität und Menschenwürde gerade in dieser Region des Nahen Ostens, einer Region vor den Toren Europas, ein. Dabei - das ist meine tiefe Überzeugung - muss auch Deutschland einen Teil der Verantwortung übernehmen, und zwar auch einen militärischen. Meine Damen und Herren, ein besonderer Einsatz ist dies natürlich auch, weil sich an kaum einem anderen Ort unserer Welt die Konflikte so sehr und so dicht ballen wie in dieser Region. Die militärische Umsetzung der UN-Resolution 1701 kann bei aller Bedeutung der heutigen Abstimmung deshalb auch nur der Anfang eines langen Weges sein. Natürlich muss die Waffenruhe in einen neuen Anlauf für einen umfassenden politischen Friedensprozess übergeleitet werden. Ohne die Waffenruhe könnten wir über einen politischen Friedensprozess aber überhaupt nicht miteinander reden. ({6}) Natürlich brauchen wir wieder eine aktive Rolle des Nahost-Quartetts. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen. Ich sage das gerade auch mit Blick auf unsere Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr des Jahres 2007. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Absicht der Palästinenser zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, auch wenn dieser Prozess schwierig ist. ({7}) Auch die wiederholten Signale von palästinensischer und israelischer Seite, die Friedensgespräche wieder aufzunehmen, werden von uns unterstützt. Natürlich ist es notwendig, die Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen, um sowohl das Existenzrecht Israels zu garantieren als auch den Menschen in den palästinensischen Autonomiegebieten eine vernünftige Zukunft zu geben, und natürlich müssen die Grenzfragen zwischen Israel, dem Libanon und Syrien geklärt werden. Genau deshalb versuchen wir auch, Syrien aus seiner internationalen Isolation herauszuholen. Meine Damen und Herren, der Katalog der Aufgaben im Hinblick auf das Gesamtbild der Region ist beinahe erdrückend groß, aber es gibt keine vernünftige Alternative dazu, diese Aufgaben anzugehen und zu versuchen, sie zu lösen. Gerade deshalb, weil Europa hier eine zusätzliche Verantwortung übernimmt, sage ich auch ganz klar und unmissverständlich: Zu keiner Stunde darf Europa denken, es könne dies alles alleine schaffen. Bei aller gewachsenen Bedeutung Europas: Ohne die USA geht in der Region wenig bis manchmal auch gar nichts. Im Rahmen unserer Möglichkeiten werde ich deshalb auch ganz persönlich alles daransetzen, die Vereinigten Staaten von Amerika zu ermuntern, sich wieder stärker für die Belebung dieses Friedensprozesses einzusetzen; ({8}) denn jetzt ist die Stunde da: Das Fenster der Gelegenheit ist geöffnet. Die Menschen in Israel, im Libanon, in Palästina und in den angrenzenden Ländern haben einen Anspruch auf Frieden und Teilhabe. Die UNO, die EU, die USA, Russland - das Quartett -: Wir alle müssen die Gunst der Stunde nutzen. Meine Damen und Herren, Deutschland hat nach 1945 erfahren: Nicht alleine, sondern nur in der Gemeinschaft mit anderen kann man den eigenen Interessen am besten dienen. Europa als Friedens- und Wertegemeinschaft war die bahnbrechende Idee des letzten Jahrhunderts nach unendlich viel Leid und Krieg. Der Impuls dieser Idee leitet uns auch heute bei allen außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen. Deutschlands Sicherheit hängt auch von der Sicherheit in anderen Regionen ab. ({9}) Der Nahostkonflikt spielt sich nun einmal in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas ab. Durch die Auseinandersetzungen in dieser Region gewinnt der globale islamistische Terror, der uns seit Jahren bedroht, einen Teil - nicht mehr und nicht weniger - seiner Rechtfertigung. Ein politischer Fortschritt in Nahost ist daher auch ein wichtiger Schritt, dem islamistischen Terror einen Teil seiner Grundlage zu entziehen. Die Bundesregierung hat die Bedingungen sorgfältig analysiert und geprüft, unter denen ein deutsches Engagement sinnvoll und vertretbar ist. Das Mandat ist robust. Wirksamkeit und Kooperation sind seine Eckpfeiler. Es hilft den Menschen in der Region. Es dient deutschen Interessen. Ich bitte Sie deshalb um eine breite Zustimmung zu diesem Mandat. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Guido Westerwelle von der FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, Ihre Einschätzung - die Sie ganz am Anfang geäußert haben -, die heutige Entscheidung sei historisch, teilen wir ausdrücklich. Wir bedanken uns ebenfalls ausdrücklich für die Art und Weise, wie Sie Ihre Haltung, die nicht meine Haltung ist, hier in diesem Hause wohltuend begründet haben. ({0}) Wir entscheiden heute nicht über die UNResolution 1701, wir entscheiden auch nicht über einen gewünschten Waffenstillstand, sondern wir entscheiden über die deutsche Teilnahme von bewaffneten Soldaten der Bundeswehr an UNIFIL. Wir müssen also abwägen, ob die Vorteile oder die Nachteile einer deutschen bewaffneten Teilnahme überwiegen. Es ist nicht ehrenrührig, Zweifel an der Richtigkeit dieses Einsatzes zu haben. ({1}) Wir haben in unserer Fraktion die Argumente abgewogen. Wir haben es uns gewiss nicht leichter gemacht als die Fraktionen des Hohen Hauses, die diesem Einsatz heute mehrheitlich zustimmen werden. Unsere besondere deutsche Verantwortung für Israel, die sich aus dem größten Verbrechen der deutschen Geschichte ergibt, ist in diesem Hause unbestritten. Für mich ganz persönlich ist es eine Konsequenz aus der Geschichte, dass wir gegenüber Israel nicht neutral sind. Neutralität ist mehr als Wertegebundenheit. Wir sind und dürfen nicht neutral sein und wir wollen gegenüber Israel auch nicht neutral sein. Genau diese Neutralität, eben im Konfliktfalle nicht Partei zu ergreifen, wird von deutschen Soldaten verlangt, wenn sie als Teil der Vereinten Nationen an diesem Einsatz teilnehmen. ({2}) Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff haben im August einen gemeinsamen Brief an die Bundeskanzlerin geschrieben, in dem sie ihre Ablehnung des Einsatzes begründen und aus dem ich hier zitieren möchte: Für uns - so schreiben die drei ist das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und seiner Sicherheit konstitutiv für die deutsche Außenpolitik. Das entspricht der historischen und moralischen Verantwortung unseres Volkes. Dieser Verantwortung entspricht es aber auch, dass wir deutsche Soldaten vor Konfliktsituationen mit israelischen Soldaten oder auch Zivilpersonen bewahren. ({3}) Mir - auch das gehört zum innerpolitischen Streit dazu können Sie vorhalten, diese Haltung sei innenpolitisch motiviert. Mir können Sie auch vorhalten, ich säße nicht in der Regierung. Aber diesen dreien sollten Sie ihre außenpolitische Klugheit nicht absprechen. ({4}) Kann diese Konfrontation - und sei es durch ein Versehen - zwischen deutschen und israelischen Soldaten wirklich ausgeschlossen werden? Wir sollten uns nicht in Gewissheit wiegen, weil es um einen See- statt um einen Landeinsatz geht. Wenn andere Kollegen aus diesem Hohen Hause - übrigens ausdrücklich auch aus meiner Fraktion - aus der deutschen Geschichte gegenteilige Schlüsse ziehen, so respektiere ich diese Haltung. Genauso wie ich anderen honorige Motive für ihre Entscheidung zugunsten dieses Einsatzes nicht abspreche, so erwarte ich, dass honorige Motive auch denen nicht abgesprochen werden, die sich gegen diesen Einsatz wenden. ({5}) In der öffentlichen Debatte konnte man gelegentlich den Eindruck gewinnen, die Marine habe den Auftrag, vor der Küste des Libanon allein durch Präsenz den Waffenstillstand zu sichern. Wir alle wissen, dass das nicht stimmt, und doch ist das Wort „Kampfeinsatz“ mittlerweile wieder gänzlich aus dem Sprachgebrauch der Bundesregierung gestrichen worden. Was darf die Marine und was darf sie im Einsatz nicht? Sie darf im Verdachtsfall - etwa von Waffenschmuggel - Schiffe umleiten. Aber wer entwaffnet die Hisbollah und ihre Helfer? ({6}) Wir sollen den Waffenschmuggel aufspüren, aber die Waffen nicht konfiszieren. Die Marine darf nicht beschlagnahmen, was sie finden soll. Unsere Soldaten sollen Waffennachschub für die Hisbollah unterbinden. Übergeben wir dann, wenn er dennoch geschieht, den Fall an die libanesischen Autoritäten, die dann die Hisbollah entwaffnen werden? Ich hoffe, dass so viel Gutgläubigkeit der Realität standhält. Die Entwaffnung der Hisbollah soll ausdrücklich nicht durch die Vereinten Nationen, sondern durch die Regierung des Libanon bewerkstelligt werden. Mein Zutrauen ist nicht sehr ausgeprägt, dass eine libanesische Zentralregierung, die seit Jahren die Entwaffnung der Hisbollah leisten soll, dies aber nicht tut, jetzt diese Aufgabe bewerkstelligt. ({7}) Mein Zutrauen ist auch nicht sehr ausgeprägt, dass eine libanesische Regierung, in der Minister der Hisbollah sitzen, hinreichend entschieden die Entwaffnung ebendieser Hisbollah bewirkt. Wenn es der Libanon dann doch nicht macht und die Vereinten Nationen es nicht machen sollen, ist es dann wirklich ausgeschlossen, dass Israel es doch in die eigenen Hände nimmt? Einen solchen Bruch des Waffenstillstands müssten die Vereinten Nationen und damit auch die deutschen Soldaten unterbinden. Wenn Israel eine Operation zur Befreiung seiner verschleppten Soldaten über den Seeweg durchführt, müssen wir das unterbinden? Dürfen wir das unterbinden? Wichtiger noch: Wollen wir das unterbinden? Israel ist so groß wie Hessen. Vom Golan bis zum Mittelmeer ist es kaum weiter als von Pankow bis nach Potsdam. Als ich mit Mitte zwanzig als junger Student das allererste Mal auf den Golanhöhen stand, habe ich verstanden, wie nahe die Konfliktparteien einander gegenüberstehen. Kann man dort Zusammenstöße wirklich ausschließen? ({8}) Deutschland kann helfen und Deutschland soll helfen. Wir können beim Wiederaufbau und bei der Infrastruktur helfen. Wir können politisch helfen und wir können ehrliche Makler im Nahostkonflikt sein. Sie wissen, Herr Außenminister, dass wir Ihnen dafür auch Respekt zollen. Es ist richtig, dass nach einigem Hin und Her die libanesische und die israelische Regierung auch um unsere Soldaten gebeten haben; ich fürchte aber, aus völlig unterschiedlichen und sich womöglich auch ausschließenden Gründen. Israel erwartet nämlich zu Recht, dass wir im Zweifel Partei sind. Der Libanon erwartet Neutralität der Vereinten Nationen und möglichst wenig Beeinträchtigung der eigenen Souveränität. Der Bundesaußenminister hat gestern gesagt, vor zehn Jahren wäre ein bewaffneter deutscher Einsatz im Nahostkonflikt undenkbar gewesen. Ich meine, noch vor einem Jahr wäre ein solcher Einsatz undenkbar gewesen. Der Deutsche Bundestag beschließt heute mit großer Mehrheit, die Haltung zu ändern, die Staatsräson für alle Vorgängerregierungen war. Das respektieren wir als Minderheit. Aber wir erwarten den gleichen Respekt für diejenigen, die bei dem bleiben wollen, was bisher überparteilich unstrittig für Deutschland galt. ({9}) Wenn sich aber die Mehrheit heute für den Einsatz entscheidet, dann muss sie auch der Bundeswehr die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stellen. ({10}) Weil sich die Mehrheit heute so entscheidet, füge ich als jemand, der heute zur Minderheit zählt, hinzu: Das ganze Parlament steht bei diesem schwierigen Einsatz hinter unseren Soldatinnen und Soldaten, ausdrücklich auch wir, die wir in der Minderheit sind. Vielen Dank. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Gert Weisskirchen von der SPD-Fraktion.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die gestrige und heutige Debatte richtig verfolgt hat, dann, glaube ich, kann man feststellen, dass es in diesem Hause einen Konsens gibt. Er besteht darin, dass es, wenn der Weltsicherheitsrat eine Entscheidung trifft - hier gibt es möglicherweise noch einen Unterschied zu Ihnen, die Sie in der Minderheit sind; aber alle anderen sind davon überzeugt -, unsere Aufgabe als Deutscher Bundestag ist, zu prüfen, ob wir die Umsetzung der Resolution 1701, die der Weltsicherheitsrat nach reiflicher Überlegung beschlossen hat - es war ein schwieriger Kompromiss -, unterstützen sollen. Die entscheidende Frage ist, wie wir das unterstützen sollen. Herr Kollege Westerwelle, wer will, dass das internationale Recht, das Völkerrecht - ich dachte bislang, dass auch die Liberalen das im Grunde wollen - durchgesetzt wird - wenn es sein muss, mit höchst begrenzten militärischen Instrumenten und Mitteln -, der muss die Kraft aufbringen, das politisch durchzusetzen und mitzuhelfen, dass die schwache Hoffnung gestärkt wird, die darin besteht, dass die Resolution 1701 zu einem Erfolg führt, in einen neuen Friedensprozess in dieser Region mündet und einen Weg eröffnet, auf dem der Nahe Osten, diese schwierige, geschundene Region, eine Chance hat, inneren Frieden zu finden. Darum geht es. Wir sind der Auffassung, dass die höchst begrenzten militärischen Instrumente dazu dienen, Frieden herzustellen. Lieber Kollege Westerwelle, ich bitte Sie herzlich darum, noch einmal genau darüber nachzudenken, ob für Sie, der Sie argumentieren, es gehe darum, Vertrauenskapital nicht zu verspielen, das Wort Vertrauen nicht ein Ersatzwort ist, mit dem Sie rechtfertigen, dass Sie sich der Verantwortung an einem Punkt entziehen, an dem es notwendig ist, Verantwortung zu übernehmen. Das ist meine Sorge. Ich hoffe sehr, dass die Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag die historische Verantwortung, von der Sie gesprochen haben, ernst nehmen und mithelfen, dass diese Region in einen Prozess geführt wird, in dessen weiteren Verlauf drei Ziele verfolgt und, wenn es geht, auch erreicht werden. Erstens. Die Anerkennung des Existenzrechts des jüdischen Staats Israel war die Grundkonstante der Kanzler Adenauer, Kiesinger, Brandt und Schröder. Das gilt auch für Frau Merkel. Diese Grundkonstante bleibt bestehen. Sie darf nie und in keiner Weise beschädigt werden. Das bedeutet, dass wir dann, wenn Israel dies wünscht, die Resolution 1701 durch das begrenzte militärische Instrument, das wir einsetzen, mit unterstützen. Zweitens müssen wir den Libanon stärken. Kollege Westerwelle, Sie haben darauf hingewiesen, wie fragil dieser Staat ist, diese Konstruktion, dieses Konglomerat von Gruppen, von Clans, die untereinander zerstritten sind. Aber wenn der Libanon den Einsatz von UNIFIL zur Stärkung der eigenen Souveränität wünscht, können wir uns dem dann wirklich entziehen und dabei - ich sage es noch einmal - das Wort Vertrauenskapital vorschieben? Erwecken wir damit nicht den Eindruck, wir wollten uns genau wegen dieses Wortes an der VerantGert Weisskirchen ({0}) wortung vorbeischlängeln, wenn es darum geht, die Souveränität Libanons zu stärken? Drittens. Morgen trifft sich das Quartett am Rande der Generalversammlung der UN. Was hat das Quartett auf der Agenda? Auf der Agenda steht das Gespräch, das gestern zwischen Präsident Abbas und der Außenministerin Livni stattgefunden hat. Worüber haben diese beiden gesprochen? Sie haben genau darüber gesprochen, worum es jetzt geht, nämlich darüber, dem Prozess der Verständigung zwischen Palästina und Israel eine neue Qualität zu geben. Ist es denn nicht schon ein Erfolg, dass es eine Waffenruhe gibt? Ist es denn nicht schon ein Erfolg, dass sich die Kontrahenten darum bemühen, einen neuen Verständigungsprozess in die Wege zu leiten? Schon allein das ist ein Erfolg dessen, was die Bundesregierung gemacht hat. Auch deswegen glaube ich, dass der Begriff des Vertrauenskapitals oder der Neutralität in dem Sinne gemeint ist, wie es die Frau Bundeskanzlerin hier ganz richtig interpretiert hat. Vertrauen und Neutralität bedeuten in diesem Zusammenhang ganz klar und eindeutig: Das Mandat muss gestärkt werden und die Bundeswehr ist dazu da, das Vertrauen, das die Konfliktparteien in uns setzen, eingebettet in einen politischen Prozess mit einem begrenzten Mandat zu beantworten. Lieber Kollege Westerwelle, manchmal muss etwas, was in der Vergangenheit richtig war, in der Gegenwart überprüft werden. Willy Brandt hat das sehr klar in seinem letzten Brief gesagt, den er übrigens für das Treffen der Sozialistischen Internationale in diesem Reichstag an die Delegierten gesandt hat. ({1}) Für ihn war das immer klar. Er sagt in seinen Erinnerungen: Zivilcourage hat nur dann einen Zweck und einen Sinn, wenn sie dazu führt, dass Freiheit durchgesetzt und gesichert wird. Das ist die Aufgabe, die wir haben: den Menschen in dieser geschundenen Region eine Chance zu geben, ihr eigenes Leben selbst zu gestalten, Freiheitswege zu öffnen, in der Region die Chance zu eröffnen, dass die Konfliktparteien aufeinander zugehen und daran wieder anknüpfen, was 1991 mit der Madrider Konferenz auf dem Weg hin zum Osloprozess begonnen hatte. Das wird schwierig. Lieber Kollege Botschafter Israels, das wird ein ganz schwieriger und steiniger Weg. Deutschland fühlt sich auf diesem Weg den Partnern verpflichtet, die bereit sind, konstruktiv aufeinander zuzugehen und auf Gewalt zu verzichten. Das heißt, dass Hamas gegenüber Abbas deutlich machen muss, dass sie Israel nicht nur anerkennen will, sondern auch - ich hoffe, dass das in diesem Prozess möglich ist - auf den Einsatz von Gewalt verzichten will, damit der jüdische Staat Israel ein Ausgangspunkt für eine Region des Friedens und der Sicherheit wird, in der alle, die in dieser Region leben, eine Chance haben, Freiheit für sich selbst zu erobern und dafür zu arbeiten, dass Frieden in dieser Region eine Chance hat. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Oskar Lafontaine von der Fraktion Die Linke. ({0})

Oskar Lafontaine (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002715, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal die Gründe vortragen, warum meine Fraktion den Antrag der Bundesregierung ablehnt. Ich beginne mit einem Satz der Bundeskanzlerin, der im Grunde genommen schon deutlich macht, warum wir diesen Antrag ablehnen müssen. Die Bundeskanzlerin sagte nämlich - dieser Satz war typisch -: „Im Nahen Osten ruhen die Waffen.“ ({0}) Wie kann man sagen, im Nahen Osten ruhen die Waffen? Dies zeigt, dass die Herangehensweise an die Frage, die wir heute zu stellen haben, dadurch gekennzeichnet ist, dass man relevante Daten ausblendet, nicht zur Kenntnis nehmen will und daher schlicht und einfach zu völlig falschen Ergebnissen kommt. ({1}) Ich sage, meine Damen und Herren: Im Nahen Osten ruhen die Waffen nicht. Der Redner der SPD setzte sich mit dem Argument auseinander, ob das militärische Engagement im Nahen Osten die Terroranschlagsgefahr in Deutschland erhöhe. Er warf mir vor, ich hätte dies hier behauptet. Auch dies ist kennzeichnend für Ihre Vorgehensweise. Ich sagte in meinem Beitrag in der Haushaltsdebatte: Wenn der Innenminister Bayerns feststellt, dass unsere Beteiligung am Libanonkrieg die Terroranschlagsgefahr in Deutschland erhöht, dann ist es nicht zulässig, dass Sie einen solch gravierenden Vorwurf einfach übergehen … Ich sagte weiterhin: Sie werden nicht überrascht sein, dass in den letzten Jahren auch aus den Sicherheitsdiensten immer wieder angemahnt worden ist, dass unser militärisches Engagement am Hindukusch und sonst wo nicht dazu geeignet ist, die Terroranschlagsgefahr in Deutschland zu mindern, sondern dass es vielmehr so ist, dass durch dieses militärische Engagement die Gefahr, dass terroristische Anschläge auch hier in Deutschland unternommen werden, immer weiter steigt. Es ist kennzeichnend für Ihre Debatte, dass Sie nicht in der Lage sind, sich mit Argumenten aus den eigenen Reihen auseinander zu setzen, und dass Sie meinen, Sie könnten ohne weiteres die Argumente der dafür zuständigen Dienste der Bundesrepublik Deutschland übergehen. Man kann zu dem Ergebnis kommen, dass man, obwohl eine solche Analyse richtig ist, militärisch so entscheiden muss. Es ist aber gegenüber unserer Bevölkerung unredlich, dieses gravierende Argument einfach zu übergehen. ({2}) Deshalb wiederhole ich, dass ich mich hier nicht nur auf Herrn Beckstein oder auf die Sicherheitsdienste in Deutschland stützen möchte, sondern dass es auch meine Auffassung ist - dies sage ich jetzt in dieser Debatte -, dass dieses Engagement die Anschlagsgefahr in Deutschland erhöht. ({3}) Die Bundeskanzlerin und andere haben darauf hingewiesen, dass wir in dieser Frage nicht neutral seien. Es hörte sich so an, als sei dies gerade eine Begründung für unsere Entscheidung. Ich habe mit dieser Aussage erhebliche Probleme, denn sie ist dazu geeignet, dass wir falsche Entscheidungen treffen. Ich bin vielmehr der Auffassung, dass wir neutral sein müssen, und zwar wenn es um die Wertegebundenheit geht, die Sie hier angesprochen haben. Um die Tragweite dessen deutlich zu machen, will ich hier den Führer der christlichen Opposition im Libanon, General Aoun, zitieren - ich zitiere nicht wörtlich; das war in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nachzulesen -, der sagte: Wir verstehen nicht, dass die Vereinten Nationen die Entführung von zwei israelischen Soldaten als terroristischen Akt verurteilen, während sie das Bombardieren unseres ganzen Landes, wobei über 1 000 Zivilisten umgekommen sind, nicht als terroristischen Akt verurteilen. ({4}) Die Kritik des Führers der christlichen Opposition an der Entscheidung der Vereinten Nationen ist für jeden, der in der Wertegebundenheit zum Beispiel zu dem Ergebnis kommt, dass jedes menschliche Leben einen Wert an sich darstellt und dass man die Kampfhandlungen der einen Seite nicht mit den Kampfhandlungen der anderen Seite rechtfertigen kann, völlig gerechtfertigt. Ich bin der Meinung, dass dieser Hinweis des Führers der christlichen Opposition aufgegriffen werden muss. Ich möchte das noch deutlicher machen, indem ich Alfred Grosser, einen französisch-deutschen Intellektuellen, zitiere, der kürzlich sagte: Wir werden auf die Art und Weise, wie wir bisher Politik betreiben, im Nahen Osten nicht weiterkommen, weil diese Politik zu einer Demütigung der arabischen Welt führt. ({5}) Das ist nach wie vor der Fall. Sie sind stolz darauf, dass Sie nicht neutral sind. Sie wollen dazu beitragen, dass keine Waffen an die Hisbollah geliefert werden, während Sie gleichzeitig Waffen an Israel liefern. Das mag aus Ihrer Sicht begründet sein, aber Sie müssen nach dem klassischen Grundsatz „Audiatur semper et altera pars“ - man bedenke auch immer die Argumentation der anderen Seite - verfahren. Dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass aus Sicht der arabischen Welt eine solche Vorgehensweise nicht akzeptabel ist und als Demütigung empfunden wird. ({6}) Ich bitte Sie, über den Rat von Alfred Grosser nachzudenken. Wir lehnen diesen Einsatz auch deshalb ab, weil Sie sich nach wie vor konstant weigern, zu sagen, was Sie unter Terrorismus verstehen. Der Kollege Struck - ich sehe ihn im Moment nicht - erregte sich in der Haushaltsdebatte darüber, dass ich ihn aufgefordert habe - übrigens auch die Kanzlerin -, endlich zu sagen, was man unter Terrorismus verstehe. Er verwandte in diesem Zusammenhang das Wort „beschämend“; der Außenminister sprach von „unerträglich“. Ich will jetzt nicht sagen, ob es in meinen Augen beschämend oder unerträglich ist, dass die Regierung und die Mehrheit des Parlaments nicht in der Lage sind, zu sagen, was sie unter Terrorismus verstehen. Nur so viel: Solange man das nicht kann, ist man nicht in der Lage, irgendwie rational gegen den Terrorismus auf dieser Welt vorzugehen. Das ist völlig ausgeschlossen. ({7}) Der Kollege Weisskirchen hat an das Völkerrecht erinnert. Natürlich müssen wir das Völkerrecht beachten. Dafür hatte ich plädiert. Das Völkerrecht kann man auf der Welt aber nur durchsetzen, wenn man es selbst beachtet. Deshalb möchte ich hier den Satz „Im Nahen Osten ruhen die Waffen“ aufgreifen und daran erinnern, dass wir nach wie vor am Irakkrieg beteiligt sind, der nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts völkerrechtswidrig ist. ({8}) Es hat keinen Sinn, das - wie andere Feststellungen auch - einfach auszuklammern und zu übergehen, weil es einem nicht passt. Dieser Krieg ist völkerrechtswidrig und wir sind an ihm durch die Gewährung der Nutzung von Flugplätzen sowie die Gewährung von Überflugrechten und sonstigen Hilfen an eine der Krieg führenden Parteien beteiligt. Das Bundesverwaltungsgericht hat Recht. Die Mehrheit dieses Hauses ist völlig im Unrecht, wenn sie ein solches gravierendes Argument übergeht. ({9}) Letzter Punkt zu dem Satz, im Nahen Osten schweigen die Waffen. ({10}) Es gibt einen untrennbaren Zusammenhang zwischen den Auseinandersetzungen im Libanon und den Bedrohungen, denen der Iran sich durch die ständige Diskussion in den Vereinigten Staaten ausgesetzt sieht. ({11}) - Sie nehmen das wohl gar nicht mehr wahr. - Der Iran sieht sich einer Bedrohung ausgesetzt, weil im Pentagon Pläne gehandelt werden - sie werden in Amerika veröffentlicht -, den Iran mit Nuklearwaffen anzugreifen. Dazu haben mehr als 100 Physiker, darunter fünf NobelOskar Lafontaine preisträger, in einem offenen Brief Stellung genommen. Sie haben geschrieben, das sei äußerst unverantwortlich. Sie warnen vor den verhängnisvollen Konsequenzen für die Sicherheit der Vereinigten Staaten und der gesamten Welt, wenn solche Pläne erörtert werden. Man kann doch das alles nicht einfach übergehen. Deshalb sagte ich eben, Frau Bundeskanzlerin: Ihr Satz „Im Nahen Osten ruhen die Waffen“ ist typisch für die Art und Weise, in der diese Entscheidung vorbereitet worden ist. Die Tatsache, dass Sie sich weigern, die Begriffe zu klären, wird eines Tages dazu führen, dass wir solche Entscheidungen bereuen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Lafontaine, kommen Sie bitte zum Schluss.

Oskar Lafontaine (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002715, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich komme zum Schluss. In einer der ersten Führungsvorschriften des damals noch jungen Heeres Bundeswehr stand als Geleit zum Kapitel „Führung“ das Dichterwort: „Nur wer klare Begriffe hat, kann befehlen.“ Über dieses Wort sollten Sie einmal nachdenken. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Trittin vom Bündnis 90/Die Grünen.

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich es verdeutlichen: Wir reden hier nicht über eine Teilnahme am Irakkrieg. Wir reden darüber, ob sich Deutschland an einem kriegsbeendenden UN-Einsatz beteiligt, über nichts anderes. ({0}) Lieber Kollege Bisky - ich gehe bewusst auf Sie ein -, wir sind in einem Punkt einer Meinung. Deshalb brauchen wir nicht zur Rabulistik zu greifen und darüber zu streiten, ob der Libanon Teil des Nahen Ostens ist oder nicht. Wir sind uns einig, dass dieser Krieg zwischen Israel und Libanon zu lange gedauert hat. Ich habe oft die Frage gestellt: Was wäre eigentlich passiert, wenn man sich schon am 16. Juli beim Gipfel der G 8 den Vorschlag eines sofortigen Waffenstillstandes von Kofi Annan zu Eigen gemacht hätte? Es würden mehr Menschen leben. ({1}) Wenn man es für richtig hält, dies an dieser Stelle zu erwähnen, dann müsste man, um der Wahrheit Genüge zu tun, auch erwähnen, warum dieser Krieg in einen Waffenstillstand überführt werden konnte. Nämlich deshalb, weil 18 Nationen gesagt haben: Wir sind bereit, diesen fragilen Waffenstillstand mit eigenen Soldaten abzusichern. Das war der Grund, weswegen es jetzt einen Waffenstillstand im Libanon und im Konflikt zwischen Libanon und Israel gibt. ({2}) Darum geht es im Kern auch beim Mandat der Vereinten Nationen. Da mag man Fragen haben und da mag es Unzulänglichkeiten geben. Das stimmt. Jeder, der sich mit diesem Prozess beschäftigt, weiß, welche Probleme in diesem Mandat und den Einsatzregeln, die wir alle studiert haben, stecken. Es muss aber doch auch die Frage erlaubt sein: Hätte man warten sollen, bis es ein perfektes Mandat gegeben hätte? Man hätte nicht warten dürfen, weil das die Verlängerung des Krieges bedeutet hätte. Deswegen ist das Mandat richtig, das zu diesem Zeitpunkt gekommen ist. ({3}) Sie, Herr Westerwelle, haben hier gesagt, Sie wollten nicht das UN-Mandat, sondern die deutsche Beteiligung diskutieren. Die Argumente aber, die Sie gebracht haben, sowohl in Ihrer Stellungnahme nach Unterrichtung durch die Bundeskanzlerin als auch in den drei Kolumnen der „Bild“-Zeitung, bewegten sich alle auf dieser Ebene, auf der Sie sich auch bei Ihrer Rede hier bewegten, nämlich: Was passiert, wenn die Konfliktparteien, übrigens unter Einschluss Syriens, unter Einschluss Libanons, unter Einschluss Israels, ihre Verpflichtungen, die sie mit ihrer Zustimmung zu dem UNMandat eingegangen sind, verletzen oder nicht einhalten? Das sind schwerwiegende Fragen, über die man diskutieren muss. Nur, meine Damen und Herren, das Argument, dass UNIFIL unter Umständen auch scheitern kann - darüber muss man sich im Klaren sein -, ist ernst zu nehmen, aber es ist kein Argument gegen eine deutsche Beteiligung. ({4}) Dieses Argument „Was passiert, wenn die Mission scheitert?“ gilt auch für die 1 000 Chinesen, die künftig im Libanon die Spezialaufgabe wahrnehmen, Minen zu räumen und die Folgen von Streubomben zu beseitigen. Dieses Argument gilt auch für die 1 000 türkischen Soldaten, die sich an diesem Friedenseinsatz beteiligen. ({5}) Dieses Argument gilt auch - das sage ich jetzt mit Blick auf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei - für die 3 000 italienischen Soldaten, die von einer Mitte-links-Regierung mit Unterstützung durch die Rifondazione Comunista in diesen Einsatz geschickt worden sind. ({6}) Stehlen Sie sich doch nicht davon! Ich finde, die italienische Regierung muss an dieser Stelle gelobt werden. Sie verhält sich verantwortungsbewusst, sie demonstriert, was Linkssein heißt, nämlich nicht, sich auf Herrn Beckstein zu berufen, sondern sich international für den Frieden zu engagieren. ({7}) Wenn es um einen friedenserhaltenden UN-Einsatz geht, sollten wir auch vermeiden, die so genannte militärische Lösung und die politische Lösung ständig gegeneinander zu stellen. Wer sich den Konflikt im Nahen Osten anschaut, der muss doch zu dem Ergebnis kommen: Es gibt keine Friedenslösung und keine Verhandlungslösung, wenn man diesen fragilen Waffenstillstand nicht absichert. Auf der anderen Seite gilt auch: Diese UNMission ist keine ungefährliche Mission. Ich werde daher denjenigen, die sich heute anders entscheiden, meinen Respekt nicht verweigern. Aber wir haben hier eine Verantwortung. UNIFIL ist ein sehr altes Mandat. In der Vergangenheit sind über 200 Blauhelmsoldaten ums Leben gekommen. Hier geht es nicht um eine schlanke Entscheidung. Niemand, egal wie er sich entscheidet, macht es sich an dieser Stelle einfach; jeder prüft intensiv sein Gewissen. Aber es ist eben auch richtig, dass der Erfolg dieser Mission davon abhängt, ob das Fenster für die Lösung dieser Krise wirklich genutzt wird. Denn es ist offenbar, dass es für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, für den Konflikt zwischen Israel und Libanon und für den Konflikt zwischen Israel und Syrien keine militärische Lösung, sondern nur eine politische Lösung gibt. ({8}) Wir entscheiden heute über ein Mandat für ein Jahr. Wir alle wissen, dass wir vor der nächsten Sommerpause in diesem Haus darüber erneut entscheiden müssen. Ich sage auch an Ihre Adresse, Frau

Dr. Angela Merkel (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001478

Es wird entscheidend davon abhängen, ob Sie als Ratspräsidentin der Europäischen Union im ersten Halbjahr des nächsten Jahres nachvollziehbare Schritte hin zu einem Friedensprozess einleiten können. Wir wünschen Ihnen dazu gutes Gelingen. Aber wir sagen auch im Interesse der Soldatinnen und Soldaten, die in diesen Einsatz geschickt werden: Es wird nötig sein, die Risiken dieses Einsatzes zu minimieren, die sich beispielsweise aus einer Weigerung, die Rolle des Nahostquartetts anzuerkennen, ergeben, und zu einer politischen Lösung zu kommen. Dafür wünschen wir Ihnen eine gute Hand. Das wird auch der Maßstab sein, an dem wir künftig diesen Einsatz messen werden. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulrike Merten von der SPD-Fraktion.

Ulrike Merten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003192, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute abschließend über die Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission UNIFIL im Libanon. Die Debatte gestern und auch heute hat gezeigt, dass eine solche Beratung - ganz abgesehen davon, dass es sich um einen besonderen historischen Gegenstand handelt - nie zur Routine für dieses Parlament wird. Es ist wichtig, in der Öffentlichkeit noch einmal deutlich zu machen, dass wir jeden einzelnen Einsatz mit großer Sorgfalt diskutieren, bevor wir darüber beschließen. ({0}) Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass der Waffenstillstand, der seit dem 14. August errungen wurde, ein erster wichtiger Schritt ist. Jetzt muss er abgesichert werden. Die Europäische Gemeinschaft hat an der schnellen Verabschiedung der UN-Resolution wie an der zügigen und effizienten Ausgestaltung des Mandats, des Operationsplanes und der Einsatzregeln einen sehr großen Anteil. Darüber hinaus wird sie sich an der Truppe mit einer Gesamtstärke von 15 000 Soldaten mit 7 000 Soldaten beteiligen. Dies ist ein wichtiges Signal; denn es zeigt, dass die Europäer bereit sind, UN-Mandate zu unterstützen. Wir können nicht - das ist in der Vergangenheit immer wieder geschehen - auf der einen Seite lamentieren und beklagen, wie wenig wirksam und durchsetzungsfähig UN-Missionen sind, wenn wir nicht auf der anderen Seite bereit sind, uns mit einem entscheidenden Beitrag daran zu beteiligen. Das Mandat gewährleistet auch, dass die Welt, anders als es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten der Fall gewesen ist, sehr genau hinsehen wird, was in dieser Region passiert, und sich nicht mehr heraushalten kann. Indem wir in diesen militärischen Prozess eingebunden sind, sind wir aus meiner Sicht auch zwangsläufig in den politischen Prozess, der jetzt verstärkt werden muss, eingebunden. Wenn die Mehrheit des Bundestages dem Antrag der Bundesregierung heute folgt, wird sich Deutschland an diesem robusten Friedenseinsatz im Nahen Osten beteiligen. Es hat im Vorfeld dieser Entscheidung erhebliche Zweifel daran gegeben, ob unsere besondere historische Rolle, unsere Verantwortung dies zulässt. Wir haben im Verteidigungsausschuss lange und mit großer Nachdenklichkeit darüber debattiert. Eine Bedingung, die sehr frühzeitig geäußert worden ist, war, dass die israelische Regierung diesem Einsatz zustimme. Nachdem nicht nur dies der Fall war, sondern die ausdrückliche Bitte, zu helfen, an Deutschland gerichtet worden ist, war meines Erachtens der Weg für ein deutsches Engagement frei. Deutschland genießt auf beiden Seiten hohes Ansehen und Vertrauen. Wir mussten natürlich die Frage beantworten: Stellen wir uns unserer Verantwortung, inUlrike Merten dem wir uns militärisch an einem Einsatz beteiligen, oder glauben wir, in dieser Region nur dann weiter als glaubwürdiger Makler gelten zu können, wenn wir uns ausschließlich auf politische und diplomatische Instrumente stützen? Nachdem auch der Libanon ausdrücklich darum gebeten hat, seine Küstengewässer in enger Kooperation mit ihm militärisch zu sichern und Waffenschmuggel zu unterbinden, und explizit die Bitte an Deutschland herangetragen hat, hier zu helfen, ist ein weiteres Argument hinzugekommen, unsere Verantwortung auch in Form einer militärischen Komponente wahrzunehmen. Nachdem die Bundesregierung sich zu einem maritimen Beitrag entschlossen hatte, konnte sich die libanesische Regierung aus innenpolitischen Gründen lange nicht dazu durchringen, an die Vereinten Nationen Anforderungen zur seeseitigen Sicherung zu richten. Die Einwände und Bedingungen, die der Libanon in den Verhandlungen über die Einsatzregeln vorbrachte, ließen vergleichsweise lange offen, ob diese und damit das Mandat so effektiv und durchsetzungsfähig sein würden, dass die Voraussetzungen für einen Erfolg dieser militärischen Friedensmission gegeben seien. Ich bin außerordentlich erleichtert darüber, dass es in den letzten Wochen gelungen ist, auf bestimmte Mindeststandards nicht nur zu bestehen, sondern sie auch durchzusetzen und damit die Effektivität und Wirksamkeit der Mission auch zu gewährleisten. Dies ist aus meiner Sicht mehr als eine lediglich semantische Verständigung. Hier geht es um den Nachweis darüber, dass der Beitrag, den wir leisten, mehr als ein symbolischer sein wird. Wir haben lange mit großer Nachdenklichkeit und auch leidenschaftlich über diesen Einsatz debattiert. Wenn wir ihn heute beschließen, gehört zur Seriosität dazu, darüber zu reden, wie die Bundeswehr diesen weiteren Auslandseinsatz bewerkstelligen kann. Der Einsatz im Libanon ist der zweite Auslandseinsatz der Bundeswehr in diesem Jahr, der zu Jahresbeginn noch nicht abzusehen war. Entsprechend konnten weder er noch der EU-Einsatz im Kongo im Verteidigungsetat des Jahres 2006 eingeplant werden. Parallel wurde kein laufender Einsatz beendet. Umso wichtiger ist die Verlässlichkeit eines Satzes in der Koalitionsvereinbarung, auf den der Bundesverteidigungsminister dankenswerterweise hingewiesen hat. Danach wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass der Bundeswehr die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen. ({1}) Effizienz und Schutz unserer Soldaten sind die Determinanten für den Erfolg und die zeitliche Berechenbarkeit unseres militärischen Engagements. Auch dieser Bundeswehreinsatz birgt Gefahren; das wissen wir. Auch dieses Mal ist es unsere Aufgabe, die Risiken mitzubedenken und sie durch gut ausgebildete und ausgerüstete Streitkräfte sowie durchsetzungsfähige Einsatzregeln zu begrenzen. Die Marine fühlt sich für die Erfüllung ihres Auftrages gut gewappnet. Aber sie wartet - ich glaube, zu Recht - auf eine breite Zustimmung des Parlaments zu diesem Auftrag. Im Falle der mehrheitlichen Zustimmung hier im Bundestag werden sich die Marineeinheiten morgen auf den Weg in den Libanon begeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.

Ulrike Merten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003192, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wünsche ihnen und den anderen betroffenen Soldaten alles Gute bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Karl Lamers von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Karl A. Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002716, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch Deutschland muss seinen Beitrag leisten zu mehr Stabilität und Frieden im Nahen Osten. Wir dürfen hier nicht abseits stehen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass auch die Beteiligung deutscher Streitkräfte an dieser Friedensmission, zusammen mit vielen europäischen Partnern, eine entscheidende Voraussetzung für eine politische Lösung des Libanonkonflikts insgesamt ist. Es war ein Krieg mit 1 200 Toten. Wir haben jetzt eine fragile Waffenruhe. Was wir brauchen, ist ein militärisch stabiler Waffenstillstand als Ausgangspunkt für einen echten Friedensprozess. Wir Deutsche haben ein eigenes Interesse an einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten; denn das ist Nachbarschaft. Die Frage ist: Wie kann, wie muss ein deutscher Beitrag aussehen? Die FDP hat in den letzten Wochen verlangt, statt der Beteiligung an einem Militäreinsatz sich allein auf diplomatische Verhandlungen zu beschränken. Ich bin überzeugt, dass man sich mit dem Hinweis auf Diplomatie allein hier nicht einfach militärisch heraushalten und wegducken kann. Das ist für mich keine Außenpolitik. ({0}) Politisch gehandelt und diplomatisch erfolgreich verhandelt haben Sie, Frau Bundeskanzlerin und Herr Bundesaußenminister, in den zurückliegenden Wochen, mit Israel und mit dem Libanon. Damit haben Sie die Waffenruhe entscheidend mit auf den Weg gebracht. Respekt! ({1}) Wer in der internationalen Diplomatie Friedenspolitik aktiv mitgestalten will, der muss, so meine ich, auch Dr. Karl Lamers ({2}) bereit sein, bei einer internationalen militärischen Friedensmission der UNO mitzumachen. ({3}) Denn nur wenn die Waffen auch künftig schweigen und nicht neue hineingeschmuggelt werden, hat Diplomatie eine echte Chance. Ich frage Sie: Können wir uns hier der Verantwortung verweigern? Natürlich ist Verantwortung eine Bürde. Aber wollen wir die Bürde auf die Schultern unserer Freunde und Verbündeten abladen? Solidarität der NATO und im europäischen Rahmen ist für mich etwas anderes. Die europäische Verantwortung ist nicht teilbar. Die Zeit der Scheckbuchdiplomatie ist vorbei. Friede, so sagt Immanuel Kant, muss gestiftet werden, er kommt nicht von selbst. ({4}) Hier und heute geht es um einen Friedenseinsatz. Militärische Einsätze sind nie populär. Wir sind aber nicht in diesen Deutschen Bundestag gewählt worden, um Populäres zu tun, sondern dazu, Richtiges zu tun. Deswegen sind wir heute hier. Wir wollen unseren Mitmenschen erklären, worum es bei diesem Einsatz geht, nämlich darum, zu mehr Stabilität und in letzter Konsequenz zu einem echten Friedensprozess im Nahen Osten zu kommen. ({5}) Erst dieser militärische Friedenseinsatz gibt der Diplomatie Raum und Entfaltungsmöglichkeiten. Kann Deutschland trotz seiner historischen Verpflichtung an einem solchen Einsatz teilnehmen? Fakt ist, dass sowohl der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert wie auch die Außenministerin Zipi Livni diesen Beitrag ausdrücklich gewünscht haben. Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen. Hat nicht die Bundeskanzlerin mit großem politischen Fingerspitzengefühl Deutschland in dieser Friedensmission dadurch richtig positioniert, dass sie die Entsendung von Bodentruppen ablehnt, was die Verbündeten verstehen, aber einen effektiven Einsatz der Marine vorschlägt, was unsere Verbündeten erwarten. Herr Gerhardt, das Mandat ist nicht zu schmal, es ist exakt richtig! ({6}) Zu verhindern, dass erneut Raketen der Hisbollah auf israelischem Territorium einschlagen, das ist für mich ein echter Beitrag zum Frieden. Nicht nur Israel will, dass Deutschland mitmacht, sondern auch der Libanon. Gerade darin liegt die Chance, unsere von allen Staaten der Region geschätzte Mittlerposition zu bewahren. Dadurch stärken wir den Respekt, den uns die Staatengemeinschaft heute entgegenbringt; wir schwächen ihn nicht. Geht es für Israel letztlich um seine Existenz, so geht es für den Libanon um die Wiedergewinnung seiner innerstaatlichen Souveränität gegenüber der Hisbollah-Miliz und um den Wiederaufbau des Landes. Fazit: Unsere besondere Verantwortung aus der Geschichte heraus zwingt uns nicht zum Heraushalten, sondern zum verantwortlichen Mitmachen. Das ist unsere Position. ({7}) Mit unserem Beschluss entsenden wir heute eine effektive maritime Taskforce zum gemeinsamen Einsatz mit unseren Verbündeten in das Seegebiet des Libanon. Können wir, so fragen wir uns alle, substanziell wirklich etwas erreichen und bewirken? Ich meine: Ja. Die Einsatzregeln sind jetzt klar. Das heißt, das Mandat ist robust: keine Chance zum Waffenschmuggel in einer künstlichen Sechs-Meilen-Zone; kein Vetorecht für mitfahrende libanesische Offiziere; Aufbringen verdächtiger Schiffe auch gegen den Widerstand des Kapitäns. Wir brechen also nicht als zahnloser Tiger oder bloßer Zuschauer zu einer lustigen Kreuzfahrt auf. Nein, wir haben die Chance, das Seegebiet effizient zu kontrollieren und Waffenschmuggel in die Hände der Hisbollah zu verhindern. Zu Recht weist Bundesverteidigungsminister Jung darauf hin, dass ein solcher Einsatz gefährlich werden kann. Das ist klar. Es ist aber auch klar, warum wir dieses Risiko trotzdem eingehen: für mehr Stabilität, für mehr Frieden im Nahen Osten und damit für uns alle. ({8}) Für unsere Soldaten ist eine breite Unterstützung im Parlament ausgesprochen wichtig. Deswegen bitte ich jeden Einzelnen, sich seine Entscheidung zu überlegen. Mit Blick auf Herrn Gysi, Herrn Lafontaine und Herrn Bisky sage ich: Ich befürchte, dass ein erkleckliches Maß an Ignoranz gegenüber der Realität und mangelnde Bereitschaft zur Übernahme internationaler Verantwortung sie daran hindern. ({9}) Zur FDP gewandt, möchte ich sagen: Folgen Sie den nachdenklichen Überlegungen Ihres Mitglieds und früheren Außenministers Klaus Kinkel, der sorgenvoll ein Mittun anmahnt! ({10}) Ich komme zum Schluss. Für diesen maritimen Einsatz sind unsere Soldaten bestens gerüstet. Aber solche Einsätze kosten auch richtig Geld. Geiz wäre lebensgefährlich. Angesichts der neuen Herausforderungen in Afghanistan, im Kongo und jetzt auch im Libanon muss uns allen klar sein, dass der Verteidigungshaushalt die zusätzlichen finanziellen Belastungen, die sich aus diesen Veränderungen ergeben, nicht allein tragen kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.

Dr. Karl A. Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002716, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir brauchen neue Finanzierungsformen aus dem Gesamthaushalt. Wir stimmen diesem Antrag zu. Ich möchte schließen mit einem Satz von Aristide Briand, der gesagt hat: Der Friede erfordert unentwegten, zähen, dauernden Dienst, er verlangt Ausdauer, erlaubt keinen Zweifel. Ich danke. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Rolf Kramer, SPD-Fraktion.

Rolf Kramer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute nicht über einen normalen Einsatz der Bundeswehr, sondern über einen möglichen Einsatz im Nahen Osten, also in einer Region, in der seit Jahrzehnten ein Konfliktherd vorhanden ist, der für viele Auseinandersetzungen auf diesem Globus konstitutiv ist. Wir haben schon einige Beiträge zur Verantwortung aus unserer Geschichte gehört. Wir alle wissen: Es gibt honorige und begründbare Argumente aus der Geschichte sowohl für als auch gegen einen Einsatz. Ich meine: Wir sollten uns deshalb auf die Tradition der Auslandseinsätze der Bundeswehr besinnen und sie zur Grundlage unserer Entscheidung machen. Die Bundeswehr wird nur eingesetzt, wenn es ein Mandat der Vereinten Nationen oder einer vergleichbaren übernationalen Organisation gibt. Dies ist mit der Resolution 1701 gegeben. Alle betroffenen Länder haben dieser Resolution zugestimmt. Das ist der eigentlich wichtige Punkt. Wenn wir uns dafür entscheiden, dann geschieht dies mit Zustimmung aller Betroffenen. Deutschland und Europa stehen hier in einer ganz besonderen Verantwortung. Denn wir haben in den letzten Wochen mit dafür gesorgt - ganz besonders unser Außenminister, Frank-Walter Steinmeier -, dass es im Nahen Osten zu einem Waffenstillstand gekommen ist, der zurzeit zwar fragil ist, aber immer noch hält. Deshalb muss diesem Schritt ein weiterer Schritt folgen. Das Engagement der Bundeswehr und Deutschlands ist eine konsequente Fortsetzung unserer Friedensbemühungen im Nahen Osten. Vielfach wird beklagt, dass die Entwicklung in den letzten Wochen zu zögerlich und zu zaghaft gewesen sei. Ich finde es nur sachgerecht und richtig, dass die Bundesregierung mit den Vereinten Nationen, mit Israel und mit dem Libanon jetzt Regeln für den Einsatz gefunden hat, die der Aufgabe angemessen sind. Die Bundeswehr beweist bei allen Einsätzen jeden Tag aufs Neue, dass sie die ihr gestellten Aufgaben hervorragend löst. Es handelt sich immer um Aufgaben, die der Entwicklung und Erhaltung des Friedens in der jeweiligen Region dienen. Ich bin überzeugt, dass das auch in diesem Fall so sein wird. Da es um die seeseitige Absicherung des Libanon geht, hat die Bundesmarine die Hauptlast dieser Mission zu tragen. Dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dieses Metier beherrschen, zeigen sie beispielsweise seit Jahren am Horn von Afrika. Die Überwachung des Schiffsverkehrs, die Kontrolle von Ladung und die Unterbindung des Seeschmuggels ist dort die Hauptaufgabe. Darin ist die Marine seit Jahren geübt. Viele tausend Soldatinnen und Soldaten haben inzwischen an diesen Einsätzen teilgenommen. Es gibt bei diesem Mandat freilich einen erheblichen Unterschied: Eine Kontrolle auch gegen den Willen der Schiffsführung wird möglich sein. Dieses Mandat ist notwendigerweise robust; aber es ist kein offensives Kampfmandat. Wir schicken die Soldatinnen und Soldaten nicht in einen Kampfeinsatz, sondern sie haben die Aufgabe, den Waffenschmuggel zu unterbinden und die Souveränität des Libanon zu unterstützen und zu fördern. Sie haben die Aufgabe, der Politik die Möglichkeit zu eröffnen, eine friedliche Lösung der Probleme im Nahen Osten zu finden. Aller Erfahrung nach wird bereits die Anwesenheit der internationalen Truppen eine Beruhigung der Lage befördern. Wir sind davon überzeugt, dass allein schon die Eindämmung von Gewalt und der Einhalt von Tod und Zerstörung diesen Einsatz rechtfertigen. Aber es darf überhaupt kein Zweifel auftreten: Immer wenn der Bundestag auf Antrag der Regierung einem Auslandseinsatz zustimmt, ist es für die Soldatinnen und Soldaten gefährlich. Es gibt keinen per se ungefährlichen Auslandseinsatz. Und es muss auch ausgesprochen werden: Dieser Einsatz wird zu den gefährlicheren gehören. Es wird ein Einsatz sein, der mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nach einem Jahr beendet sein wird. Aus vielerlei Gründen ist dies für Deutschland und für die Bundeswehr eine bisher so nicht da gewesene Herausforderung. Deshalb dürfen die Soldatinnen und Soldaten nur bestmöglich ausgebildet, ausgestattet und so gesichert wie nur möglich in den Einsatz geschickt werden. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen. Ich bin überzeugt, dass die Regierung und die Bundeswehrführung dieser Verantwortung ebenfalls gerecht werden. Nach Abwägung aller Argumente ist eine Zustimmung zum Antrag der Bundesregierung aus meiner Sicht zu verantworten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende zweier intensiver Debatten über den Libanoneinsatz ist deutlich geworden, dass die überwältigende Mehrheit in unserer Beteiligung an UNIFIL zu Recht einen wichtigen Beitrag nicht nur zum Schutz des Libanon und seiner Integrität, sondern auch zur Stabilisierung einer höchst instabilen Region als Ganzes sieht. Der Schritt, den wir hier tun, wird von der israelischen, aber auch von der arabischen Seite begrüßt. Für uns ist er sicher in mancherlei Hinsicht ein Opfer; wir haben darüber ausführlich und im Detail diskutiert. Ich verstehe die Besorgnis von manchen, auch draußen, wir könnten in die Gefahren einer hoch komplizierten und mit politischen Tretminen und Irrationalitäten bespickten Region hineingezogen werden. Aber es ist auch deutlich geworden, dass wir als Deutsche und Europäer in Wahrheit schon längst, seit Jahren, involviert sind und dass es keinen Konflikt auf der Erde gibt, der uns im Alltag, auch ökonomisch und sicherheitspolitisch, so tangiert wie der Nahostkonflikt. Für mich bedeutet unser Beitrag zu UNIFIL auch eine neue Chance auf Frieden und Sicherheit - nicht nur dort, sondern auch bei uns, und ich verbinde damit die Hoffnung, die geäußert wurde, dass wir mit dem Opfer, das wir hier bringen, mehr politisches Gewicht für politische Lösungen in die Waagschale werfen können. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wurde schon deutlich: Wir Deutsche haben doch etwas einzubringen. Wir haben ein vertrauensvolles, freundschaftliches Verhältnis zu Israel aufgebaut; aber wir haben auch ein gutes Ansehen in der arabischen Welt. Wir finden mehr Gehör und mehr Gesprächspartner als manche andere. Das ist ein Pfund, das wir stärker einbringen wollen. Da hat unsere Bundeskanzlerin unsere volle Unterstützung. Wir wollen unsere Fähigkeit vertiefen, die Verbindungen zwischen den Dialogbereiten auf allen Seiten zu stärken, und mithelfen, dass die Vernünftigen und Dialogbereiten in dieser Region den Gang der Dinge bestimmen und nicht die Radikalen und Hasserfüllten. Ich freue mich ausdrücklich über die angedachten Gespräche mit Syrien. Ich war, ohne das überbewerten zu wollen, Anfang Juli einen Tag in Syrien, mit einem sehr dichten Programm. ({1}) Ich kann nur eines sagen: Ich habe einige Vorurteile verloren und einiges an Hoffnung gewonnen. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wurde schon gesagt: Der Waffenstillstand und der politische Dialog schaffen Raum für Friedensgespräche, aber auch für einen wichtigen Eckpfeiler dauerhafter Sicherheit, nämlich für Entwicklungspolitik, für ökonomische Entwicklungs- und Aufbauarbeiten. Das sind für mich zwei Seiten derselben Medaille: Es gibt keine Sicherheit ohne Entwicklung und keine Entwicklung ohne Sicherheit. ({3}) In diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, sich noch einmal den Bericht über die Entwicklung in der arabischen Welt vor Augen zu führen. Es gibt in der Region gravierende Entwicklungsmängel, eine hohe Arbeitslosigkeit, zum Teil eine erdrückende Armut, ein niedriges Bildungs- und Ausbildungsniveau und auch eine niedrige ökonomische Wettbewerbsfähigkeit. Das zusammen mit einem hohen Bevölkerungswachstum und einer überragend hohen Jugendarbeitslosigkeit ergibt ein explosives Gemisch, vor allem angesichts nicht nur fehlender Entwicklung, sondern auch fehlender Entwicklungsperspektiven. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir Aufbauhilfe und Soforthilfe sowie Unterstützung bei der Sicherung der Grundbedürfnisse im Libanon und in Palästina leisten; gerade diese Aufgabe darf im Moment und in Zukunft nicht den radikalen Islamisten überlassen bleiben. ({4}) Richtig und wichtig ist, dass wir eine neue Offensive starten und weitere Anstrengungen für eine langfristige Entwicklungszusammenarbeit in dieser Region, in der die Situation sehr schwierig ist, unternehmen. Das können wir auf verschiedenen Gebieten tun: bei der Unterstützung von Wirtschaftsreformen, beim Aufbau einer effizienten Verwaltung und bei der Durchführung von politischen Reformen in der arabischen Welt. Mit der Entwicklung hin zu einem modernen Staat und einer modernen Wirtschaft in dieser Region verbinden wir die Hoffnung, dass sich auch die dortigen Gesellschaften modernisieren, sodass dem Fanatismus und dem Radikalismus der Nährboden entzogen wird. Deswegen bitte ich Sie, nicht nur möglichst geschlossen hinter diesem gefährlichen Einsatz unserer Soldaten zu stehen, sondern auch ein entwicklungspolitisches Konzept zu unterstützen, durch das der Frieden in dieser Region langfristig gesichert wird. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Groneberg, SPD-Fraktion.

Gabriele Groneberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003540, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Vorwurf, wir hätten uns mit der Entscheidung über den Libanoneinsatz nicht intensiv auseinander gesetzt, kann uns wirklich niemand machen. Seit Wochen haben wir intensiv darüber diskutiert. Noch gestern fanden Ausschusssitzungen statt, in denen alle relevanten Aspekte ausführlich beleuchtet wurden. Diese Entscheidung berührt uns alle. Nicht umsonst ist sie als „historisch“ bezeichnet worden. Manchmal habe ich allerdings den Eindruck, dass in den prinzipiellen Diskussionen, die wir geführt haben, vergessen wurde, worum es eigentlich geht bzw. worum es am Anfang gegangen ist. Wir alle waren entsetzt und betroffen von der Entwicklung in Nahost seit Anfang Juli dieses Jahres: Bilder von Trauer und Verzweiflung, von Toten und Verletzten und von schrecklicher Zerstörung. Wir alle wollten, dass dieses Leiden beendet wird. Nicht zuletzt dem Einsatz der Europäer, vor allen Dingen dem der Bundesregierung bzw. des deutschen Außenministers, ist es zu verdanken, dass ein Waffenstillstand vereinbart wurde. Die UN-Resolution 1701 ist die Grundlage für einen Einsatz, durch den der Krieg dauerhaft beendet und der Weg für die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau freigemacht werden soll - Hilfe, welche die Menschen in dieser Region dringend brauchen. In der heutigen Debatte ist sehr viel von Verantwortung geredet worden. Es wurde betont, dass wir Deutsche eine besondere Verpflichtung und Verantwortung haben. Sicherlich, das ist klar. Aber wir genießen in dieser Region auch ein besonderes Vertrauen. Wir haben also nicht nur eine besondere Verantwortung, sondern uns wird von beiden Seiten, der israelischen und der arabischen, auch ein besonderes Vertrauen entgegengebracht. Ich glaube nicht, dass wir das Recht haben, diese von uns erbetene Unterstützung zu verweigern, eine Unterstützung, die die Sicherheit gewährleisten soll, die unsere Hilfs- und Durchführungsorganisationen dringend brauchen, um ihre Arbeit tun zu können. ({0}) Die mit viel persönlichem Einsatz und viel Geld aufgebaute Infrastruktur darf nicht wieder durch Kampfhandlungen zerstört werden. Man darf nicht vergessen: Das war in den letzten Jahren ein fortlaufender Prozess. Ich denke, dass diese UN-Mission die Verstärkung, die sie bald bekommen wird, dringend benötigt, um in der Region dauerhaften Frieden zu schaffen. Die internationale Gemeinschaft bemüht sich auf allen Ebenen um den Wiederaufbau des Landes. Auch wir werden in diesem Rahmen unseren Beitrag leisten. Darüber hinaus werden wir unsere Unterstützung der palästinensischen Gebiete fortsetzen und intensivieren. Denn nur dann, wenn zugleich der israelisch-palästinensische Konflikt gelöst wird, kann auch ein Ende dieses Konflikts herbeigeführt werden; dies gilt sowohl für die israelische Seite als auch - das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen - für die palästinensische Seite. ({1}) Aus persönlicher Erfahrung kenne ich den Nahen und den Mittleren Osten ganz gut. Seit vielen Jahren beobachte ich die politische Entwicklung in dieser Region. Einen Kritikpunkt müssen wir uns in diesem Zusammenhang wirklich gefallen lassen: Wir alle hätten uns in den vergangenen Jahren auf Grundlage der bereits gefassten Resolutionen noch viel intensiver um politische bzw. diplomatische Lösungen im Nahen Osten bemühen müssen. ({2}) Wenn denn jetzt die Chance gegeben ist, wenn jetzt die Tür zu einer dauerhaften Lösung einen kleinen Spaltbreit geöffnet wird, dürfen wir uns diese Tür nicht selber zuschlagen, indem wir uns aus der Verantwortung ziehen und uns an diesem Einsatz nicht beteiligen. Wir nehmen unsere Verantwortung bereits wahr, indem wir humanitäre Nothilfe leisten und indem wir beim Wiederaufbau der lebensnotwendigen Wasserversorgung und bei der Bekämpfung der Ölpest helfen. Diese Leistungen werden abgefragt. Wir leisten diese Hilfe und wir leisten sie gerne. Das darf nicht alles umsonst gewesen sein! Deshalb müssen die Bemühungen, die dafür nötige Sicherheit vor Ort herzustellen, fortgesetzt werden. Wir haben - ich sage das ausdrücklich - auch eine Verantwortung gegenüber unseren Soldaten. Wenn wir überlegen, uns an einem solchen Einsatz zu beteiligen, machen wir es uns nicht leicht. Ganz viele von uns sind persönlich betroffen: dadurch dass sie Mütter, Väter, Ehemänner, Ehefrauen, Töchter und Söhne bei der Bundeswehr haben. Die Entscheidung, die heute getroffen wird durch diejenigen, die Ja sagen, ist eine ganz besondere. Ich persönlich danke allen Kollegen, die sich dazu bekennen, die diesem Einsatz zustimmen, gerade wenn sie selber davon betroffen sind, wenn ihre Kinder einen solchen Einsatz leisten. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Sascha Raabe, SPD-Fraktion.

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs auf das zurückkommen, was der Kollege Oskar Lafontaine hier vorhin gesagt hat. Er hat die Hoffnung auf Waffenruhe und Frieden infrage gestellt. Er hat tränenreich erklärt, dass der arme iranische Präsident im Augenblick nachts fast nicht mehr schlafen könne, weil er von den bösen Vereinten Nationen bedroht werde. Lieber Herr Kollege Lafontaine, ich habe mehr Angst davor, dass Präsidenten, die den Holocaust leugnen und Israel ausradieren möchten, Atomwaffen in die Hände bekommen. Angst machen mir nicht die Vereinten Nationen, sondern Populisten wie Sie, die so etwas in den Raum stellen. ({0}) Dass wir - das hat die Bundesregierung deutlich gemacht - auch im Konflikt mit dem Iran auf eine diplomatische Lösung setzen, steht doch außer Frage. Der Vorwurf, dass wir im Libanonkonflikt zuerst an militärisches Eingreifen dächten statt daran, wie wir zivil helfen können, ist völliger Unfug. Wir haben sowohl im Nahen Osten als auch im Kongo - auch gegen diesen Einsatz haben Sie gestimmt - seit vielen Jahren im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit und ziviler Hilfe dafür gesorgt, dass Entwicklung möglich ist. Natürlich ist Entwicklung nicht möglich, wenn Menschen abgeschlachtet werden, wie es im Kongo passiert ist, wo drei, vier Millionen Menschen sterben mussten, oder wenn wie in Israel oder im Libanon Raketen einschlagen, Granaten einschlagen, Menschen zerfetzt werden. Solange so etwas geschieht, kann ich den Menschen nicht helfen. Deswegen ist es selbstverständlich und auch richtig, dass wir im Rahmen der Vereinten Nationen im Kongo geholfen haben, und es ist auch richtig, dass wir im Libanon für Frieden sorgen - damit Entwicklung möglich wird. ({1}) Mit der Forderung, mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, rennen Sie bei mir als Entwicklungspolitiker offene Türen ein. Selbstverständlich: Weltweit werden 1 000 Milliarden Euro jährlich für Militär und Rüstung ausgegeben, aber nur 70 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit. Von diesen 1 000 Milliarden Euro machen die Friedensmissionen der Vereinten Nationen aber nur einen relativ kleinen Betrag aus. Anders ist es zum Beispiel mit dem Krieg im Irak. Unbestritten, wir waren gegen diesen Krieg. Aber gerade wenn man will, dass nicht die Vereinigten Staaten von Amerika sagen, wie die Weltsicherheitspolitik auszusehen hat, sondern dass die Vereinigten Staaten dieser Erde, die Vereinten Nationen, die Sicherheitspolitik und Friedenspolitik bestimmen, muss man sich an Einsätzen beteiligen, die auf dem legitimen Willen der Völker dieser Erde beruhen. ({2}) Unser deutscher Beitrag zum Wiederaufbau des Libanon kann sich sehen lassen. Unsere Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat sich auf der Geberkonferenz dafür eingesetzt, dass international insgesamt 730 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Das Technische Hilfswerk arbeitet dort gerade an der Wiederherstellung der Wasserversorgung. Viele zivile Organisationen arbeiten unter schweren Bedingungen und sind dankbar dafür, dass sie ihre Arbeit tun können, ohne dass Granaten einschlagen. Wir sollten an dieser Stelle einmal unseren Hilfsorganisationen danken, die nicht - wie Sie - nur reden, sondern vor Ort helfen. ({3}) Die Blindgänger der Streubomben, die dort zum Einsatz kamen und liegen geblieben sind, behindern leider zum Teil den Wiederaufbau dort. Ich glaube, trotz unseres guten, freundschaftlichen Verhältnisses zum Staat Israel war es richtig, dass unsere Ministerin deutliche Worte gefunden und darauf hingewiesen hat, dass der Einsatz der Streubomben falsch war. Wir sollten uns in diesem Hause dafür einsetzen, dass er auf der ganzen Welt verboten wird. ({4}) Ich glaube aber auch, dass die militärische Auseinandersetzung - so schlimm sie war - und das ganze Leid zu einem Prozess des Nachdenkens auf allen Seiten geführt haben. Jetzt besteht die Chance, dass wir dort mit unserem Außenminister und der gesamten Bundesregierung ein umfassendes Friedenskonzept durchsetzen können. Ich hoffe sowohl für die Palästinenser und die Libanesen als auch für die Israelis, dass dort bald Frieden einkehrt und eine Entwicklung genommen wird, in deren Zuge die Armut überwunden wird und die tatsächlichen Konfliktursachen bekämpft werden. Der Waffenstillstand ist die Voraussetzung dafür. Deshalb bitte ich Sie zum Abschluss dieser Debatte auch im Interesse der ärmsten Menschen dort vor Ort: Stimmen Sie diesem Einsatz zu, damit Frieden und Entwicklung vorankommen können. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Oskar Lafontaine das Wort.

Oskar Lafontaine (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002715, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will den Kollegen Dr. Sascha Raabe nur darauf hinweisen, dass ich nicht von den Vereinten Nationen, sondern von den USA gesprochen habe. Ich sehe da einen gewissen Unterschied. Ich halte es für wichtig, dass wir das festhalten. Ich habe auch nicht von dem iranischen Präsidenten, sondern vom Iran gesprochen und denke dabei an die Millionen Menschen, die dort wohnen und sich bedroht fühlen, wenn sie lesen, dass Atomwaffen gegen sie eingesetzt werden sollen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Raabe, bitte.

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lafontaine, es freut mich, dass auch Sie den Unterschied zwischen den Vereinten Nationen und den USA anerkennen. ({0}) Die Vereinten Nationen haben das Recht, dem Iran, der ein friedliches und auf die zivile Nutzung angelegtes Atomprogramm durchführen darf, mit Sanktionen zu drohen, wenn er nicht darauf verzichtet, zu versuchen, durch die Urananreicherung auch Atomwaffen zu bauen. Wir wollen friedliche und keine militärischen Sanktionen. Daran haben wir auch nie einen Zweifel gelassen. Sie konstruieren jetzt eine Bedrohung der iranischen Bevölkerung durch die Sanktionen der Vereinten Nationen. Die USA sind nicht die Vereinten Nationen, sondern nur ein Mitglied der Vereinten Nationen. Wenn Deutschland die Vereinten Nationen stärken will, dann muss man bereit sein, sich an den Friedensmissionen der Vereinten Nationen zu beteiligen, dann darf man sich nicht außen vor stellen und zu allem Nein sagen. Abschließend sage ich noch einmal: Herr Lafontaine, ich habe Angst, dass ein Land, das das Existenzrecht Israels und den Holocaust leugnet, später einmal Atomwaffen hat. Ich glaube, es ist aller Ehren wert, dass der iranische Präsident und der eine oder andere im iranischen Volk, der dies genauso sieht, durch sanften Druck der Vereinten Nationen dazu gebracht werden, darüber nachzudenken, ob das richtig ist. Ich sage: Das ist falsch. Ich möchte in einer friedlichen Welt leben. Dies wird am besten ohne Atomwaffen und durch ein Gewaltmonopol der Vereinten Nationen erreicht. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck- sache 16/2614 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon. Ich weise da- rauf hin, dass etliche Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung vorliegen.1) Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druck- sache 16/2572 anzunehmen. Es ist namentliche Abstim- mung verlangt. Ich weise darauf hin, dass wir unmittel- bar im Anschluss an die namentliche Abstimmung noch vier einfache Abstimmungen zu den Entschließungsan- trägen durchführen. Ich bitte alle Kolleginnen und Kol- legen, bei der Stimmabgabe sorgfältig darauf zu achten, dass die Stimmkarten, die sie verwenden, ihren Namen tragen. Sind die Plätze an den Urnen alle besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, ihre Plätze einzunehmen. Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen des Auswärtigen Aus- schusses zu den Entschließungsanträgen zu dem Antrag 1) Anlagen 2 bis 4 der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz im Libanon. Zusatzpunkt 1. Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 16/2611. Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/2616, den Entschließungsantrag anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen. Zusatzpunkt 2. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/2617 zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Der Ausschuss empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/2609 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der CDU/CSU bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und der FDP angenommen. Zusatzpunkt 3. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/2618 zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke. Der Ausschuss empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/2605 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Zusatzpunkt 4. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/2619 zu dem Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. Der Ausschuss empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/2610 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung auf Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon, Drucksachen 16/2572 und 16/2614, bekannt: Abgegebene Stimmen 599. Mit Ja haben gestimmt 442, mit Nein haben gestimmt 152, Enthaltungen fünf. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Endgültiges Ergebnis Abgegebenen Stimmen: 599; davon ja: 442 nein: 152 enthalten: 5 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Otto Bernhardt Clemens Binninger Carl-Eduard von Bismarck Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({0}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Anke Eymer ({1}) Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({2}) Dirk Fischer ({3}) Axel E. Fischer ({4}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({5}) Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({6}) Volker Kauder Jürgen Klimke Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({7}) Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Johann-Henrich Krummacher Dr. Karl Lamers ({8}) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Stephan Mayer ({9}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Friedrich Merz Laurenz Meyer ({10}) Maria Michalk Hans Michelbach Philipp Mißfelder Marlene Mortler Carsten Müller ({11}) Stefan Müller ({12}) Bernward Müller ({13}) Hildegard Müller Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Katherina Reiche ({14}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Albert Rupprecht ({15}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({16}) Hermann-Josef Scharf Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Dr. Andreas Scheuer Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({17}) Andreas Schmidt ({18}) Ingo Schmitt ({19}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Max Straubinger Thomas Strobl ({20}) Lena Strothmann Michael Stübgen Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({21}) Gerald Weiß ({22}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({23}) Elisabeth WinkelmeierBecker Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Niels Annen Rainer Arnold Ernst Bahr ({24}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Volker Blumentritt Kurt Bodewig Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Bernhard Brinkmann ({25}) Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Rainer Fornahl Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Dieter Grasedieck Monika Griefahn Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({26}) Nina Hauer Hubertus Heil Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gerd Höfer Iris Hoffmann ({27}) Frank Hofmann ({28}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({29}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({30}) Dr. Karl Lauterbach Helga Lopez Gabriele Lösekrug-Möller Caren Marks Katja Mast Markus Meckel Petra Merkel ({31}) Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Michael Müller ({32}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Mechthild Rawert Steffen Reiche ({33}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Karin Roth ({34}) Michael Roth ({35}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({36}) Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder Ulla Schmidt ({37}) Silvia Schmidt ({38}) Renate Schmidt ({39}) Heinz Schmitt ({40}) Carsten Schneider ({41}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({42}) Swen Schulz ({43}) Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Wolfgang Spanier Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber ({44}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Hans-Michael Goldmann Gudrun Kopp Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Burkhardt Müller-Sönksen Hans-Joachim Otto ({45}) Dr. Rainer Stinner BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({46}) Volker Beck ({47}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Hans Josef Fell Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Priska Hinz ({48}) Ulrike Höfken Thilo Hoppe Ute Koczy Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({49}) Markus Kurth Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller ({50}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth ({51}) Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({52}) Nein CDU/CSU Dr. Wolf Bauer Ernst-Reinhard Beck ({53}) Renate Blank Eberhard Gienger Ralf Göbel Joachim Hörster Norbert Königshofen Katharina Landgraf Dr. Eva Möllring Henry Nitzsche Michaela Noll Norbert Schindler SPD Gregor Amann Ingrid Arndt-Brauer Klaus Barthel Lothar Binding ({54}) Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Peter Danckert Renate Gradistanac Angelika Graf ({55}) Reinhold Hemker Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({56}) Ernst Kranz Waltraud Lehn Dirk Manzewski Lothar Mark Hilde Mattheis Detlef Müller ({57}) Florian Pronold Maik Reichel Sönke Rix René Röspel Ortwin Runde Dr. Frank Schmidt Ewald Schurer Dr. Margrit Spielmann Andreas Steppuhn Rüdiger Veit Dr. Marlies Volkmer Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff ({58}) FDP Jens Ackermann Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({59}) Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({60}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Edmund Peter Geisen Miriam Gruß Joachim Günther ({61}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Jürgen Koppelin Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Ina Lenke Michael Link ({62}) Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Jan Mücke Dirk Niebel Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg Rohde Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Christoph Waitz Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({63}) Martin Zeil DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Lutz Heilmann Hans-Kurt Hill Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Monika Knoche Jan Korte Katrin Kunert Michael Leutert Ulla Lötzer Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Dr. Norman Paech Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({64}) Volker Schneider ({65}) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Winfried Hermann Sylvia Kotting-Uhl Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe fraktionslos Gert Winkelmeier Enthalten CDU/CSU Karl Schiewerling FDP Christian Ahrendt Marina Schuster BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Irmingard Schewe-Gerigk Bis zum Beginn der Frage stunde um 14 Uhr unterbre es mit einem größeren Ges chehen zu tun habe“, der Schluss che ich die Sitzung. ({66})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksache 16/2584 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Christine Scheel werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Für die Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Bärbel Höhn auf: Ist aus der Erklärung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, er habe die Öffentlichkeit über die bayerischen Gammelfleischfunde vom 25. August 2006 deshalb erst am 1. September 2006 informiert, weil er erst habe klären lassen, „ob man zu ziehen, dass die Bundesregierung in anderen Fällen eine Information der Öffentlichkeit über Funde verdorbener Lebensmittel unterlassen hat, die er nicht als „größeres Geschehen“ bewertete, und, wenn ja, um welche Fälle handelte es sich dabei?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Höhn, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Information der Öffentlichkeit ist und war auch in diesem Fall Aufgabe des Bundeslandes, in dem sich das Geschehen ereignet hat. Das Bundesland steht hier in der Verpflichtung, auch gegenüber der Öffentlichkeit. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Öffentlichkeit von sich aus und ohne formale Zuständigkeit jedoch ebenfalls informiert. Aus der in der Frage erwähnten Erklärung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, ist nach Auffassung der Bundesregierung in erster Linie der Schluss zu ziehen, dass jedwede Information der Öffentlichkeit durch die zuständigen Behörden natürlich zunächst eine sorgfältige Aufklärung des zugrunde liegenden Sachverhalts erfordert. Art und Umfang dieser gebotenen Sachverhaltsermittlung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Generalisierende Ausführungen sind daher insoweit nicht möglich.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Angesichts dessen, dass sich der Skandal mittlerweile sehr ausgeweitet hat, ist es erschreckend, dass es offensichtlich sechs Tage dauert, um von einem ersten Anfangsverdacht, von dem am 25. August bereits in der Zeitung berichtet wurde, der also bereits öffentlich bekannt war, zu dem Ergebnis zu kommen, dass es sich um Gammelfleisch handelt und dass bei den Kontrollen einiges falsch gelaufen ist. Was will das Bundesministerium tun, um diesen Missstand zu beheben, dass sechs Tage für eine solche Recherche benötigt werden?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Zunächst weise ich noch einmal darauf hin, dass die Kontrollen von den Bundesländern durchgeführt werden und es deshalb auch die Aufgabe der Bundesländer ist, die Öffentlichkeit zu informieren. In Bezug auf den genannten Vorfall darf ich darauf hinweisen, dass am 25. August eine Betriebsprüfung stattgefunden hat. Daraufhin hat ebenfalls am 25. August eine Presseagentur in Bayern auf diesen Vorstoß hingewiesen. So ist der Ablauf des Verfahrens. Am 31. August wurde eine weitere dpa-Meldung verbreitet, dass in Bayern große Mengen von Gammelfleisch gefunden wurden. Bayern hat aber erst am 1. September dem BMELV einen klaren und umfassenden Sachstandsbericht übermittelt. Die Informationen davor waren Tickermeldungen. Es ist nicht Aufgabe des Bundes, in die Öffentlichkeit zu gehen, was wir allerdings gemacht haben. Eine Information der Öffentlichkeit kann nur auf einer fundierten Grundlage erfolgen. Diese Information ist erfolgt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ich habe eine weitere Zusatzfrage an den Staatssekretär.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Bitte schön.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham, hat gesagt, dass es sich bei den 1 500 Tonnen Gammelfleisch, die jetzt gefunden worden sind, um ein Zehntel dessen handelt, was offensichtlich noch vagabundiert. Das heißt, 90 Prozent sind noch nicht entdeckt. Wir haben es also mit einer Menge von 15 000 Tonnen zu tun, was umgerechnet auf jeden Menschen in Deutschland ungefähr 200 Gramm bedeutet. Das ist keine Kleinigkeit. Was will das Bundesministerium tun, um diese 90 Prozent des Gammelfleischs, die noch gar nicht entdeckt worden sind, zu finden und den Verbraucher davor zu schützen?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Frau Kollegin Höhn, die Zahlen, die Sie jetzt in den Raum stellen, sind reine Spekulation. Dennoch hat das Bundesministerium die zuständigen Bundesländer in einer Sonderkonferenz der Verbraucherschutzminister eindringlich darauf hingewiesen, alle notwendigen Maßnahmen vor Ort in der Zuständigkeit der Bundesländer umzusetzen. Dies ist in vollem Gange. Ich verweise aber noch einmal auf die Zuständigkeit der Bundesländer für die Kontrollen im Lebensmittel- und im Fleischbereich.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Frage 4 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch und die Frage 5 der Kollegin Monika Lazar werden gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Für die Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Cornelia Hirsch auf: Bleibt die Bundesregierung bei der in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke „Neue Regelungen zur Hochschulzulassung und zu Studienabschlüssen“ ({0}) vertretenen Auffassung, dass für den Bund nach der Föderalismusreform keine Möglichkeit zur bundesweiten Regelung des Hochschulzugangs für Menschen mit Berufsabschluss besteht und sie demnach von ihrem im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben Abstand nimmt?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Präsidentin! Ich beantworte die Frage der Abgeordneten Hirsch wie folgt: In der Fragestellung wird die Auffassung der Bundesregierung unzutreffend wiedergegeben. Die Bundesregierung hat von dem im Koalitionsvertrag der Parteien CDU, CSU und SPD formulierten politischen Ziel der Verbesserung der Durchlässigkeit des Bildungssystems insbesondere auch im Hinblick auf den Hochschulzugang von beruflich Qualifizierten zu keinem Zeitpunkt Abstand genommen. Die Umsetzung dieses Ziels strebt die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern an. Die Bundesregierung hat in der Beantwortung der Frage 10 in der genannten Kleinen Anfrage jedoch darauf hingewiesen, dass von der neuen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Hochschulzulassung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 des Grundgesetzes Regelungen des Hochschulzuganges nicht umfasst sind. So heißt es nämlich in der Begründung des Gesetzentwurfes ausdrücklich, dass von dieser Kompetenz Regelungen des Hochschulzuganges, die aufgrund ihres engen Bezugs zum Schulwesen zur Zuständigkeit der Länder gehören, nicht erfasst werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön für die Beantwortung. Der Begründung kann ich allerdings nicht ganz folgen und ich möchte deshalb nachfragen. Sie haben eben zitiert „aufgrund ihres engen Bezugs zum Schulwesen“, haben sich also auf Kompetenzen der Länder bezogen. Bei der beruflichen Bildung handelt es sich aber explizit um eine Kompetenz, die beim Bund liegt. Von daher ist mir unklar, weshalb diese Formulierung - Hochschulzugang mit engem Bezug zum Schulwesen - Sie daran hindern könnte, eine Regelung zum Hochschulzugang zu treffen, die einen sehr engen Bezug zu der Bundeskompetenz, nämlich zur beruflichen Bildung, hat. Könnten Sie darauf näher eingehen und das begründen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Die Bundesregierung interpretiert diesen Passus in der Begründung ausdrücklich so, dass die Regelung des Hochschulzugangs nicht in die Bundeskompetenz fällt. Der politisch entscheidende Punkt ist aber, dass die Bundesregierung unverändert an der Absicht festhält, dort, wo das bisher noch nicht der Fall ist, deutlich verbesserte Möglichkeiten für den Zugang aus dem Bereich des dualen Bildungssystems in das Hochschulstudium zu schaffen. Es gibt in einer Reihe von Ländern schon sehr weit reichende Regelungen. Ich darf zum Beispiel auf die Regelungen in Ihrem Heimatland Thüringen oder auch auf die Regelungen im Land Hessen verweisen, um nur zwei Bundesländer zu nennen, die in den letzten Jahren rechtliche Voraussetzungen für den Zugang von Personen an die Hochschule geschaffen haben, die ihre Qualifizierung zunächst im dualen System erhalten haben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Sie haben die Möglichkeit einer zweiten Zusatzfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Meine Frage bezog sich explizit auf eine bundesweit einheitliche Regelung. Deshalb noch eine Nachfrage. Die Bundesregierung hätte durchaus die Möglichkeit, beispielsweise im Rahmen der Verhandlungen zum Hochschulpakt die Zuweisungen an die Länder an die Bedingung zu koppeln, dass die Länder sich auf solch eine bundesweit einheitliche Regelung verständigen oder zumindest in ihrem Gebiet den Zugang entsprechend ermöglichen. Wenn Sie sagen, es sei das politische Ziel der Bundesregierung, dass so etwas geschieht, dann frage ich: Gibt es Vorstöße der Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen zum Hochschulpakt oder sind in dieser Hinsicht andere Maßnahmen geplant?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, es gibt eine ganze Reihe von Ansatzpunkten für die Behandlung dieses Themas und für Vorstöße der Bundesregierung. Ich darf unter anderem den Europäischen Qualifikationsrahmen und den in den nächsten Jahren auszuarbeitenden Nationalen Qualifikationsrahmen nennen. Beim Hochschulpakt geht es vor allem darum, die Kapazitäten in der Lehre für den absehbaren Anstieg der Studierendenzahlen um etwa 25 Prozent in den nächsten sechs Jahren sicherzustellen und gleichzeitig in ausreichendem Umfang mehr Anreize für die Forschung an den Hochschulen zu schaffen. Diese wichtige Aufgabe von einer solchen Detailfrage abhängig zu machen, scheint mir keine kluge Erwägung zu sein. Aber noch einmal: Es gibt eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, an denen wir dieses Thema in Abstimmung mit den Ländern beharrlich weiterverfolgen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung dieser Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Für die Beantwortung der Frage steht Herr Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Volker Beck auf: Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung die Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 1706 - Sudan/ UNMIS - und was unternimmt sie, um einen Genozid in Darfur/ Sudan zu stoppen bzw. zu verhindern?

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, ich beantworte zunächst den ersten Teil Ihrer Frage. In der Resolution 1706 vom 31. August 2006 beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine auf die Region Darfur bezogene Aufgabenerweiterung der VN-Mission im Sudan, der UNMIS. Dies dient dem Ziel, die rasche und wirksame Durchführung des Darfurfriedensabkommens vom Mai dieses Jahres zu unterstützen. Dafür ist derzeit die Afrikanische Union, die AU, mit ihrer Friedensmission AMIS zuständig. Die AU hat jedoch ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Ohne internationale Unterstützung für AMIS in der Übergangsphase ist eine effektive Wahrnehmung der Aufgaben nur noch bedingt möglich. Vor diesem Hintergrund wurde in der Resolution 1706 auch die umgehende logistische und personelle Unterstützung von AMIS durch die Vereinten Nationen beschlossen. Die Bundesregierung unterstützt AMIS im Rahmen einer gemeinsamen Aktion der EU, die Hilfe in den Bereichen Ausbildung, Planungsberatung und Lufttransport leistet. Außerdem stellt Deutschland bis zu fünf Zivilpolizisten, die als Berater und Ausbilder tätig sind. Gerade heute reisen fünf Polizeibeamte im Rahmen eines regulären Personalwechsels in den Sudan. Die Resolution 1706 legt ferner fest, dass UNMIS spätestens bis zum 31. Dezember 2006 von AMIS die Verantwortung für die Unterstützung der Durchführung des Darfurfriedensabkommens übernehmen soll. Die Bundesregierung beteiligt sich an den diplomatischen Bemühungen, die Zustimmung der sudanesischen Regierung zu diesem Übergang zu bewirken. Im Rahmen der Europäischen Union hat sich die Bundesregierung erfolgreich für die Verabschiedung von Ratsschlussfolgerungen eingesetzt, in denen die sudanesische Regierung unmissverständlich zur Zustimmung zu der UNMission in Darfur aufgefordert wird. So viel zum ersten Teil Ihrer Frage. Ich komme jetzt zum zweiten Teil: Grundlage für ein dauerhaftes Ende der Gewalt in Darfur ist eine politische Lösung des Konflikts. Die Bundesregierung unterstützt daher die Mission AMIS der Afrikanischen Union, zu deren Mandat auch der Schutz der Zivilbevölkerung gehört, und setzt sich für eine schnelle Umsetzung der Resolution 1706 ein. Im Übrigen wurde zur Unterbindung der Gewalt in Darfur vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mittels mehrerer Resolutionen - ich nenne hier insbesondere die Nummern 1556 von 2004, 1591 von 2005 und 1672 von 2006 - ein Sanktionsregime erlassen. Es besteht ein Waffenembargo und ein Verbot für offensive militärische Flüge. Außerdem wurden Reisebeschränkungen und Finanzsanktionen gegen Personen verhängt, die den Friedensprozess und die Stabilität in Darfur bedrohen, Menschenrechtsverletzungen begehen oder gegen das Waffenembargo verstoßen. Die Bundesregierung hat diese Maßnahmen vollständig umgesetzt. Der UN-Sicherheitsrat hat zudem mit der UN-Resolution 1593 von 2005 den Internationalen Strafgerichtshof mit der strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in Darfur beauftragt. Der IStGH hat daraufhin im Juni 2005 offizielle Ermittlungen eingeleitet. Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung für eine Fortsetzung und Ausweitung des Dialogs der betroffenen Gruppen ein. Von besonderer Bedeutung ist hier die Partizipation der Zivilgesellschaft, die bislang nicht ausreichend an den Diskussionen um eine stabile Friedenslösung beteiligt wurde. Der im Darfurfriedensvertrag vereinbarte so genannte Darfur-Darfur-Dialog kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielleicht kurz eine Bemerkung vorab: Das, was Sie vorgetragen haben, zeigt, wie ich finde, dass das, was wir zurzeit tun, nicht ausreichend ist. Es ist gut und schön, dass wir fünf Polizisten in Darfur zur Unterstützung einsetzen. Die Resolution 1706 sieht aber nach meiner Kenntnis 22 000 Soldaten und Polizisten zusätzlich zur Verstärkung von UNMIS in Darfur vor. Da kann der Beitrag der Bundesregierung bzw. der Bundesrepublik Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht überzeugen. Ich möchte Sie nun fragen, wie es sich die Bundesregierung vorstellt, diesen Teil der UNMIS-Mission, der ja von der Völkergemeinschaft erst einmal dargestellt werden muss, zu erfüllen, welche Länder bislang relevante Kontingente zur Verfügung gestellt haben, und warum die Bundesregierung nichts zur Verfügung stellen kann oder will, obwohl man selbst jetzt, wo AMIS im Land ist, von einem schleichenden Völkermord sprechen muss. Ob AMIS noch länger als bis zum Ende dieses Monats bzw. dieses Jahres bleibt, ist völlig offen, sogar eher unwahrscheinlich. Das heißt, die derzeitig schon schlechte Lage, die zur Folge hat, dass in vielen Teilen Darfurs keine Versorgung mit Lebensmitteln möglich ist, wird sich noch weiter verschlechtern und das Sterben wird noch eklatant weiter zunehmen. Vor diesem Hintergrund muss man ja einerseits schauen, mit welchen Maßnahmen man auf die Regierung in Khartum Druck ausübt, damit sie eine Umsetzung der Resolution 1706 akzeptiert. Andererseits muss man sich fragen, wer dann, wenn die Regierung sie akzeptiert, was tut. Deshalb meine Fragen: Wer soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung diesen zusätzlichen UNMISEinsatz darstellen? Es sind, glaube ich, 17 000 Soldaten und 5 000 Polizeikräfte vorgesehen. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung bezüglich einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland?

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, zunächst noch einmal zur Klarstellung: Im Rahmen von AMIS sind nicht lediglich fünf Polizisten im Einsatz, sondern die Bundesregierung hat auch schon mehrfach Lufttransporte im Rahmen von AMIS durchgeführt. Das hat auch viel Anerkennung vonseiten der Afrikanischen Union gefunden. Wir beteiligen uns also schon aktiv an der AMIS-Mission. Man darf auch nicht vergessen, dass wir gleichzeitig auch noch an UNMIS beteiligt sind. Dazu ist auf der Kabinettssitzung, aus der ich gerade komme, der Beschluss gefasst worden, dass wir uns mit maximal 75 Soldaten und weiteren vier Polizisten, die dort eingesetzt werden sollen, beteiligen. Insofern handelt es sich schon um ein deutlich sichtbares Engagement, das die Bundesregierung im Sudan bei diesen im Grunde genommen verschränkten Friedensprozessen, einerseits zwischen Norden und Süden, andererseits zwischen Darfur und dem Rest des Landes, an den Tag legt. Was Ihre Frage nach der Umsetzung der Resolution 1706 vom 31. August dieses Jahres angeht, habe ich eine gute Nachricht: Wir gehen davon aus, dass jetzt gesichert ist - dafür hat sich die Bundesregierung außerordentlich intensiv eingesetzt -, dass AMIS bis zum Ende dieses Jahres in Darfur bleiben wird. Wir wissen, wie schwierig die Mission von AMIS vor Ort ist und dass ein Auslaufen des Mandates zum Ende dieses Monats zur Debatte stand. Heute trifft sich der Peace and Security Council der AU am Rande der UNVollversammlung in New York. Wir erwarten, dass dort der Beschluss gefasst wird, das Mandat für AMIS um drei Monate, also bis zum Ende dieses Jahres, zu verlängern. Der Übergang von der AMIS-Mission zu der erweiterten UNMIS-Mission, das so genannte Rehatting, wäre auf diese Weise sichergestellt. Das wird aber nur funktionieren, wenn weitere umfangreiche finanzielle Mittel für die AMIS-Mission zur Verfügung gestellt werden. Die Vereinten Nationen planen, AMIS mit der Bereitstellung von Mitteln in Höhe von 70 Millionen Dollar zu befähigen, wenigstens eine minimale Schutzfunktion bis zum Ende dieses Jahres vor Ort wahrzunehmen. Die Weltgemeinschaft hat sich in der Tat auf zwei Punkte konzentrieren müssen. Der erste Punkt ist die Verlängerung der AMIS-Mission bis zum Ende dieses Jahres. Der zweite Punkt, den Sie selbst angesprochen haben, ist die bisher vehemente Ablehnung der erweiterten UNMIS-Mission durch Präsident al-Baschir und die sudanesische Regierung. In seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen hat er seine Drohung wiederholt, dass er eine solche Mission nicht zulassen will. Im Augenblick hat es also nicht viel Sinn, Truppensteller nach einer Umsetzung zu befragen, weil in der Weltgemeinschaft Einvernehmen darüber besteht, dass rein faktisch und aus Sicherheitsgründen eine Umsetzung der Resolution 1706, die den Einsatz von 22 500 uniformierten Kräften vorsieht, ohne eine Zustimmung der sudanesischen Regierung nicht möglich ist. Ich habe Ihnen schon dargelegt, dass es im Augenblick große Anstrengungen gibt, eine Änderung der Haltung der sudanesischen Regierung zu erreichen. Darauf konzentriert sich die Aktivität der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den anderen EU-Staaten. Erst danach wird sich die Frage nach den Truppenstellern ergeben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ihre Haltung verstehe ich dem Grunde nach. Umso erstaunlicher finde ich es, dass sich die Bundeskanzlerin in der letzten Haushaltswoche zu dieser Frage negativ eingelassen hat. Sie hat gesagt, dass sich Deutschland an UNMIS in Darfur nicht beteiligen wird, weil wir - wie heute Morgen beschlossen - einen seegestützten Einsatz im Libanon durchführen. In seinem Artikel im „Tagesspiegel“ vom Sonntag warnt Kofi Annan zu Recht davor, dass wir in Darfur ein zweites Ruanda erleben könnten. In den letzten Jahren sind dort schon einige Hunderttausend Menschen zu Tode gekommen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, darf ich Sie daran erinnern, dass Sie eine Zusatzfrage stellen wollten?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nach der Geschäftsordnung dürfen wir die Zusatzfrage kurz begründen, Frau Präsidentin.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ja, kurz.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Des Weiteren hat Kofi Annan darauf hingewiesen, dass schon insgesamt 2 Millionen Menschen vertrieben wurden. Ich selbst war mit dem Menschenrechtsausschuss im Juni vor Ort und habe mir die Situation angeschaut. Es war damals eine relativ ruhige Phase. Jetzt ist die Lage wesentlich dramatischer. Kofi Annan hat gesagt, die Vetomächte - ich finde, auch Deutschland als starkes Land ist im Hinblick auf diese außenpolitischen Fragen genauso angesprochen - sollen sich konsistent gegenüber der sudanesischen Regierung verhalten. Zu dem notwendigen Druck gehört für mich auch, dass die Bundesregierung einerseits versucht, die Sanktionen für den Fall zu erweitern, dass die sudanesische Regierung nicht zustimmt, und dass sie andererseits bereit ist, die Völkergemeinschaft bei einem erweiterten UNMIS-Einsatz zu unterstützen. Wir sollten nicht jetzt schon sagen, dass wir dazu nicht in der Lage sind, da wir noch gar nicht wissen, was man von uns verlangt. Teilen Sie die Ansicht, dass man hier weitergehen muss? Welche Unterstützung können wir der Völkergemeinschaft im Rahmen einer konstruktiven Zusammenarbeit anbieten? Welche Schritte sind möglich, um die sudanesische Regierung gegebenenfalls mit Sanktionen zur Akzeptanz der Resolution 1706 zu bewegen?

Not found (Gast)

Kollege Beck, ich teile die Eindrücke, die Sie vor Ort gesammelt haben, vollkommen. Auch ich habe vor kurzem Darfur besucht, bin in Flüchtlingslagern gewesen und kann nur darin zustimmen, dass die Entwicklung dort absolut dramatisch ist. Aber gerade deswegen, Herr Kollege Beck, macht es Sinn - das habe ich eben ausgeführt -, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass AMIS mit seiner Grundschutz- und übrigens auch Beobachterfunktion weiter vor Ort tätig sein kann. Es war eine sehr schwierige Aufgabe, das zu bewältigen. Dazu musste man die Staaten der AU überzeugen. Dazu musste man in der UN dafür sorgen, dass entsprechende Mittel bereitgestellt werden; die Summe habe ich genannt. Wir erwarten dazu heute einen positiven Beschluss des Friedens- und Sicherheitsrates der AU. Es macht auch Sinn - insofern möchte ich die Antwort auf Ihre erste Nachfrage erweitern -, sich ganz darauf sowie auf die Androhung von Sanktionen und auf Versuche zu konzentrieren, Staaten einzubinden, die enge Beziehungen zu dem Sudan haben - ich denke zum Beispiel an China, aber auch an Russland; das ist zum Teil gelungen -, um Druck auszuüben. Ich weise darauf hin, dass die von Ihnen als Ausgangspunkt genommene Resolution 1706 durch ein Veto Chinas und Russlands durchaus hätte verhindert werden können. Das ist nicht passiert. Das ist ein erstes Signal an die sudanesische Regierung, dass sie sich nicht darauf verlassen kann, dass ihre engeren Partner einen anderen Weg gehen. Auf all dies konzentriert sich die Bundesregierung im Augenblick. Ich sage noch einmal: Eine Entscheidung, was die Truppensteller angeht, steht jetzt nicht auf der Tagesordnung und kann, solange die politischen Rahmenbedingungen nicht geklärt werden, sinnvollerweise nicht Gegenstand unserer Beratungen sein.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Für die Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Christoph Bergner zur Verfügung. Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Volker Beck ({0}) auf: Wie bewertet die Bundesregierung kriminalistisch und verfassungsrechtlich eine eventuelle Speicherung der Religionszugehörigkeit vor dem Hintergrund des Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 136 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert“?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Herr Kollege Beck, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppierungen kann ein kriminalistisch bedeutsames Merkmal für eine sicherheitsbehördliche Abfrage darstellen. In diesem Zusammenhang kann auch die Zugehörigkeit zu einer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft oder deren Untergliederungen von Bedeutung sein. Die negative Bekenntnisfreiheit, die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes ebenso wie durch Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 136 Abs. 3 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung geschützt wird, kann im Sinne kollidierenden Verfassungsrechts und im Rahmen des in Art. 136 Abs. 3 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung genannten Vorbehaltes unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden. Ich darf diesen Vorbehalt noch einmal zitieren: Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. Diese Maßgaben sind letztlich auch für die Speicherung und Weitergabe zu beachten. Danach kann im Rahmen der vorstehend genannten Erwägungen eine Speicherung und Weitergabe der oben genannten Daten grundrechtlich zulässig sein.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da die Bundesregierung heute die Einführung einer Antiterrordatei beschlossen hat, würde mich insbesondere interessieren, wie es sich dabei mit der Speicherung der Daten der Religionszugehörigkeit verhält. Ich meine, dass es nicht zu begründen ist, dass man allein aus der Zugehörigkeit zur islamischen Religionsgemeinschaft irgendeinen Verdacht kriminalistischer Natur impliziert, sondern allenfalls bei der Zugehörigkeit oder Nähe zu einer islamistischen Gruppierung. Aber das ist etwas anderes als die Religionszugehörigkeit. Nach meiner Auffassung sind die Gründe, aus denen man Daten zur Religionszugehörigkeit speichern darf, in dem von Ihnen zitierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung, der geltendes Grundgesetzrecht ist, abschließend genannt. Darunter fällt die Antiterrordatei ausdrücklich nicht.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Herr Kollege Beck, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass in dem Gesetzentwurf, den das Kabinett heute beschlossen hat, die Passage enthalten ist, dass Angaben zur Religionszugehörigkeit, soweit diese im Einzelfall zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich sind, aufgenommen werden sollen. Die Bundesregierung ist sich der Schutzgüterabwägung, die sowohl im Hinblick auf die negative Bekenntnisfreiheit als auch im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beachtet werden muss, durchaus bewusst. Sie macht aber geltend, dass die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie Freiheit und Sicherheit der Person nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls wichtige Schutzgüter sind, die in den Abwägungsprozess einzubringen sind. Der Gesetzentwurf, über den das Parlament noch zu diskutieren und zu befinden hat, ist deshalb entsprechend abgefasst worden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Zusatzfrage.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das Bewusstsein ist ja schön und gut. Es stellt sich nur die Frage, was aus dem Bewusstsein folgt: ob die Lösung in diesem Bewusstsein sachgerecht ist. Deshalb möchte ich von Ihnen gerne wissen, in welchen Fällen man aus der Religionszugehörigkeit - ich vermute einmal, dass damit die Zugehörigkeit zu einer islamischen Glaubensgemeinschaft gemeint ist, weil wir in der Innenpolitik über andere religiös bzw. konfessionell motivierte Terrortaten gegenwärtig nicht diskutieren -, also aus der Zugehörigkeit zu der islamischen Glaubensgemeinschaft, eine Sicherheitsgefährdung ableiten kann. Ist dies nicht vielmehr nur dann der Fall, wenn jemand einer bestimmten radikalislamischen Gruppierung nahe steht?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Herr Kollege Beck, ich lege großen Wert darauf, dass im Gesetzentwurf der Bundesregierung von Religionszugehörigkeit allgemein die Rede ist. Hier wird nicht der Fokus auf eine bestimmte Religionszugehörigkeit gelegt. Ich wäre auch dankbar, wenn das Parlament bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs nicht den Eindruck erweckte, als würde dies in einer Ausschließlichkeit, die dann auch diskriminierend sein kann, vorgenommen. Der zweite Punkt, auf den ich in diesem Zusammenhang hinweisen muss, ist - deshalb habe ich diese Passage zitiert -, dass die Speicherung der Religionszugehörigkeit nur dann erfolgen kann, wenn Beziehungen zu terroristischen Aktivitäten nahe liegend sind. Dieser Formulierung sind intensive Gespräche mit Sicherheitsbehörden auch in den Ländern vorausgegangen. Es ist also keine Formulierung, die auf einem plötzlichen Einfall beruht. Es gibt vielmehr ein sicherheitspolitisches Bedürfnis, das zu diesem Gesetzentwurf geführt hat. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, Sie hatten die Möglichkeit, zwei Zusatzfragen zu stellen. ({0}) - Sie müssen diesen Dialog, ob Sie wollen oder nicht, offensichtlich an anderer Stelle weiterführen. Die Frage 9 der Kollegin Monika Lazar wird gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Für die Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung. Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Peter Hettlich werden schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 12 der Kollegin Cornelia Behm. Damit rufe ich Frage 13 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf: Wie ist der Widerspruch zu erklären, dass in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen „Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen“ auf Bundestagsdrucksache 16/2202 darauf verwiesen wird, dass angesichts des derzeitigen Sachstandes noch keine konkreten Aussagen zur Aufnahme von Maßnahmen in den FJP und deren Investitionsstruktur getroffen werden können, gleichzeitig aber der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Ulrich Kasparick, unter Verweis auf den Fünfjahresplan schon Zusagen über den Bau von Bundesstraßen macht?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Vielen Dank. - Herr Kollege Dr. Hofreiter, ich möchte Ihre Frage folgendermaßen beantworten: Der Entwurf des Fünfjahresplans befindet sich in der Abstimmungsphase. In diesem Zusammenhang werden natürlich Gespräche über mögliche Projekte geführt. Abschließende Entscheidungen über Struktur und Inhalt des Fünfjahresplans sind jedoch nicht getroffen worden. Dieser befindet sich zurzeit in der Abstimmung. Selbstverständlich führt auch der Herr Parlamentarische Staatssekretär Kasparick zu den Projekten des Fünfjahresplans Gespräche. Hinweise auf eine mögliche oder wahrscheinliche Aufnahme in den Investitionsrahmenplan stehen aber immer noch unter dem Vorbehalt der endgültigen Entscheidung.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann stimmen Sie mir also zu, dass Äußerungen von Abgeordneten, ein bestimmtes Projekt sei in den „Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen“ aufgenommen, nicht wahrheitsgemäß sind?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Wenn Abgeordnete behaupten, dass ein Projekt aufgenommen wurde, dann ist diese Aussage immer unter dem Vorbehalt der endgültigen Entscheidung zu sehen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wann wird der „Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen“, der inzwischen seit weit mehr als einem Jahr überfällig ist, endgültig fertig sein?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Sie wissen, dass die neu gebildete Bundesregierung Koordinations- und Abstimmungsgespräche mit dem Parlament und den Ländern führt. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Wochen darüber entschieden wird und sich dann die entsprechenden Gremien des Parlaments damit befassen können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Wolfgang Wieland auf: Entspricht die Aussage der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, „Tempelhof soll bleiben“ ({0}), der Auffassung der Bundesregierung trotz des offenkundigen Widerspruchs zur Äußerung des Sprechers der Bundesregierung vom gleichen Tage, der Bund stehe weiter dazu, den Flughafen Tempelhof wie geplant zum 31. Oktober 2007 zu schließen ({1})?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Kollege Wieland, die Bundesregierung steht zum Konsensbeschluss mit den Ländern Berlin und Brandenburg. Danach wird in Schönefeld der Flughafen Berlin Brandenburg International, BBI, als Singleairport errichtet und die bisherigen internationalen Berliner Flughäfen Tegel und Tempelhof werden geschlossen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn das so ist, frage ich mich, wie es kommt, dass die Bundeskanzlerin Ende August im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung ausgeführt hat, sie werde sich für ein Offenhalten von Tempelhof einsetzen, und damit Hoffnungen, zum Beispiel bei der Industrie- und Handelskammer, geweckt hat.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Ich gehe davon aus, dass das, was wir mit den Ländern Berlin und Brandenburg verhandelt haben, nach wie vor gilt. Sicherlich gibt es eine öffentliche Debatte darüber, insbesondere was Tempelhof angeht; aber es gibt bisher keine andere Entscheidung seitens der Bundesregierung.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Weitere Zusatzfrage.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Davon war ja auszugehen. Die Bundeskanzlerin hat auch nicht gesagt: Das Bundeskabinett hat einen neuen Beschluss gefasst. Sie hat vielmehr gesagt: Ich werde mich dafür einsetzen, dass Tempelhof offen bleibt. Deswegen meine Frage: Gibt es irgendwelche Aktivitäten der Bundeskanzlerin, die dahin zielen, das, was sie vor der Berliner Wahl gesagt hat, nach der Berliner Wahl umzusetzen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Ich gehe davon aus, dass die Bundeskanzlerin noch einmal initiativ würde, wenn es im Zusammenhang mit Tempelhof neue Entwicklungen gäbe.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Wieland auf: Was hat die Bundeskanzlerin und/oder die Bundesregierung unternommen oder was werden sie unternehmen, um dieses Versprechen aus dem Berliner Wahlkampf umzusetzen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Diesbezüglich gibt es keine Zuständigkeit des Bundes. Die Kompetenz für die Genehmigung und den Betrieb von Flughäfen liegt nach dem Grundgesetz bei den Ländern. Die zuständige Senatsverwaltung in Berlin hat mittlerweile den Widerruf der Betriebsgenehmigung sowie die Befreiung von der Betriebspflicht für den Flughafen Tempelhof zum 31. Oktober 2007 ausgesprochen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, Ihre Zusatzfrage, bitte.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, die Antwort, dass die Länder zuständig sind, ist zweifelsohne richtig. Da genauso richtig ist, dass es einen so genannten Konsensbeschluss gibt, den der Bund und zwei Bundesländer gefasst haben - Sie haben ihn angeführt -, kann ich doch davon ausgehen, dass der Bund nicht nur in die Frage des Baus eines neuen Flughafens, den er mitfinanzieren soll, involviert ist, sondern auch in die Frage der Aufrechterhaltung oder Schließung der bisherigen innerstädtischen Flughäfen. Die Bundeskanzlerin hat nicht gesagt: Ich warte darauf, ob sich etwas Neues ergibt. Sie hat vielmehr gesagt: Ich werde aktiv und werde mich dafür einsetzen, dass Tempelhof offen bleibt. Nun sagen Sie: Es gibt keine Spur von irgendwelchen Äußerungen oder Aktivitäten - gar nichts. Heißt das, dass die Bundeskanzlerin ihr Wahlversprechen gebrochen hat?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Sie haben nach den Zuständigkeiten gefragt. Das Thema lautet: Wer ist für die Entscheidung, ob Tempelhof weiterbetrieben wird oder nicht, zuständig? Ich habe ausgeführt, dass dies im Rahmen des Senatsbeschlusses geklärt wurde. Inwieweit unsere Bundeskanzlerin direkt oder indirekt Einfluss genommen hat, ist mir nicht bekannt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es geht mir um den Kern meiner beiden eingereichten Fragen. Es tut mir Leid. Ich habe nur gefragt: Was hat die Bundeskanzlerin getan? Sie antworten: Mir ist nichts bekannt. Sie antworten doch für die Bundesregierung. Das heißt, die Chefin der Bundesregierung sagt, dass sie etwas tut, und Sie als Staatssekretärin sagen, dass Ihnen davon leider gar nichts bekannt ist. Heißt das, dass sie es nicht getan hat oder dass Sie es möglicherweise nur nicht wissen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Ich gehe davon aus, dass die Bundeskanzlerin im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv werden konnte. Ob der Senat der Initiative der Kanzlerin gefolgt ist, ist mir nicht bekannt. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Für die Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Astrid Klug zur Verfügung. Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Fell werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zur Frage 18 der Kollegin Bärbel Höhn: Hat sich die Bundesregierung im Zuge der Beratungen über einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von Perfluoroctansulfonaten, PFOS, für Ausnahmeregelungen eingesetzt, um die weitere Verwendung dieser Stoffe in der EU zu ermöglichen? Bitte sehr.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Verehrte Frau Kollegin Höhn, Ihre Frage nach den Beratungen über die europäische Richtlinie über die Beschränkung des Inverkehrbringens und der Verwendung von Perfluoroctansulfonaten beantworte ich Ihnen wie folgt: Deutschland hat sich ebenso wie zahlreiche andere Mitgliedstaaten in der Vergangenheit bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft mit großem Nachdruck für ein grundsätzliches Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung von PFOS eingesetzt. Von den Beschränkungsmaßnahmen ausgenommen werden sollten dabei nur Anwendungen, für die es derzeit keine geeigneten Ersatzstoffe gibt. Hierzu zählen aus Sicht der Bundesregierung lediglich bestimmte Anwendungen in der Halbleiterindustrie, zum Beispiel fotolithografische Prozesse in der Fotoindustrie, zum Beispiel industrielle Beschichtungen von Filmen in der Galvanikindustrie, zum Beispiel die Nutzung von Antischleiermitteln bei der Verchromung sowie die Verwendung von PFOS in Hydraulikflüssigkeiten für die Luft- und Raumfahrt. Die Europäische Kommission hat daraufhin am 5. Dezember 2005 einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der ein grundsätzliches Verbot für PFOS mit den oben genannten Ausnahmen vorsieht. Darüber hinaus enthält der Richtlinienvorschlag der Kommission zusätzlich eine Ausnahme für Feuerlöschschäume sowie eine generelle Ausnahme für die Verwendung von PFOS in überwachten geschlossenen Systemen, sofern die Emission von PFOS einen bestimmten Grenzwert nicht überschreitet. Bei den Beratungen in der Ratsarbeitsgruppe „Technische Harmonisierung - Gefährliche Stoffe“ hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, dass die beiden von der Kommission zusätzlich vorgesehenen Ausnahmen gestrichen werden. Hierfür gibt es eine breite Unterstützung der Mitgliedstaaten. Die Streichung der Ausnahme von Feuerlöschschäumen hat auch der Bundesrat gefordert. Weiterhin hat der Bundesrat die Bundesregierung gebeten, bei den Beratungen in Brüssel darauf hinzuwirken, dass die Ausnahme für den Einsatz von PFOS in der Halbleiterindustrie unbedingt beibehalten wird. Bei der von der aktuellen Präsidentschaft erbetenen Überprüfung und Spezifizierung der im Kommissionsvorschlag aufgeführten Ausnahmen hat sich herausgestellt, dass die Ausnahme bei der Verwendung von PFOS als Antischleiermittel auf die Hartverchromung begrenzt werden kann. Die Verwendung von PFOS als Antischleiermittel bei der dekorativen Verchromung ist nicht notwendig. In diesem Zusammenhang hat sich auch herausgestellt, dass die von der Kommission vorgesehene Ausnahme für die Verwendung von PFOS in der Galvanikindustrie als Antischleiermittel für das Verchromen zu eng gefasst ist. Es wurde nämlich übersehen, dass PFOS in geringen Mengen auch als Netzmittel bei der Metallisierung von Kunststoffen, zum Beispiel bei der Aluminiumbeschichtung, verwendet wird. Auch hierzu gibt es derzeit keine Alternativen. Nach dem aktuellen Vorschlag der finnischen Präsidentschaft ist deshalb die Ausnahme für die Galvanik entsprechend überarbeitet worden. Die Emissionen von PFOS sollen jedoch bei den genannten Ausnahmen für die Galvanik durch die Anwendung der besten zur Verfügung stehenden Technik auf das kleinstmögliche Maß reduziert werden. Auch dieser Vorschlag stieß bei den Beratungen in Brüssel auf breite Unterstützung der Mitgliedstaaten. Da bei den Beratungen in Brüssel kein Konsens über eine Befristung der Ausnahmen erzielt werden konnte, hat sich Deutschland für die Aufnahme einer ReviewKlausel in die Richtlinie eingesetzt. Auch dieser Vorschlag fand breite Zustimmung bei den Mitgliedstaaten. Über die genaue Ausgestaltung der Review-Klausel wird derzeit noch beraten. Zusammenfassend kann man also sagen, dass aus unserer Sicht nach derzeitigem Beratungsstand Beschränkungsmaßnahmen für das Inverkehrbringen und das Verwenden von PFOS geschaffen werden, die ein hohes Maß an Umweltschutz sicherstellen und dabei die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen angemessen berücksichtigen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Höhn?

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nun wissen die meisten Leute wahrscheinlich nicht, was PFOS ist. Es ist ein hochgiftiger Stoff, eine Untergruppierung der perfluorierten Tenside. Die wurden kürzlich in einem Fluss in Nordrhein-Westfalen festgestellt. Den Babys soll jetzt Mineralwasser gegeben werden, weil die Werte im Trinkwasser zu hoch sind. Über diesen hochgiftigen Stoff reden wir nun. Ich hatte die Bundesregierung dazu angeschrieben und habe Anfang August eine Antwort bezüglich des Umgangs mit diesem Stoff bekommen. Staatssekretär Machnig schreibt: Die Bundesregierung begrüßt alle Maßnahmen, die getroffen werden, um den Eintrag von PBT-Stoffen - das umfasst auch PFOS … in die Umwelt so weit wie möglich zu reduzieren. Die Bundesregierung unterstütze ausdrücklich den von der EU-Kommission vorgelegten Richtlinienentwurf. Warum ist in der Antwort an die Abgeordnete Bärbel Höhn von den ganzen Ausnahmen, die Sie jetzt hier lang und breit darstellen, keine Rede gewesen? ({0})

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Grundsätzlich ist die Position der Bundesregierung - die sich auch in den noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen und Beratungen über die Richtlinie auf europäischer Ebene ausdrückt - ein Verbot, mit Ausnahmen dort, wo es keine Alternativstoffe für PFOS gibt und der alternativlose Einsatz von PFOS in einem sehr geringen Umfang erfolgt. In diesem Fall halten wir den Einsatz für vertretbar und das ist auch Gegenstand der Beratungen auf europäischer Ebene. Sie haben das Vorkommen von PFOS in NordrheinWestfalen angesprochen. Wir wissen, dass PFOS sehr gefährlich ist. Es ist ein sehr persistenter, das heißt kaum biologisch abbaubarer, und hochgiftiger Stoff. Das ist unsere Motivation gewesen, auf europäischer Ebene gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten auf ein Verbot bzw. Beschränkungen des Einsatzes von PFOS zu drängen. Bei dem Vorkommen in Nordrhein-Westfalen geht es um die Verwertung eines Bioabfallgemisches, wobei es offensichtlich unzulässigerweise zu einer Vermischung von Bioabfällen und industriellen Abfällen gekommen ist. Sie wissen, dass das Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen in dieser Sache ermittelt, gemeinsam mit belgischen Behörden, weil die Spur nach Belgien führt. Die Erkenntnisse, die dort gewonnen werden, werden in den nächsten Wochen Gegenstand der Beratungen in der entsprechenden Länderarbeitsgruppe „Abfall“ und in der Umweltministerkonferenz sein. Dort soll geprüft werden, ob wir daraus Konsequenzen für den Umgang mit solchen Fällen ziehen müssen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, danke schön. - Ich will noch einmal darauf hinweisen: Die Anmerkung Deutschlands zu der EU-Richtlinie, die die Ausnahmen beinhaltet - Sie haben das ja eben noch einmal bestätigt -, ist vom April 2006. Es geht immerhin um eine Menge von 450 Kilogramm allein in Deutschland, die von einer der Ausnahmen betroffen wäre. Wir wissen, dass diese Gifte im Mikrooder Nanogrammbereich am Ende in den Flüssen und im Trinkwasser auftauchen. Von 450 Kilogramm auf Nanogramm heruntergerechnet, das bedeutet eine Menge Verdünnung. Deshalb stelle ich noch einmal meine Frage. Schon im April hat sich die Bundesregierung auf EUEbene für die Ausnahmen eingesetzt. Das war Monate, bevor ich meine Anfrage gestellt habe. Ich habe auf meine Anfrage, in der ich genau diese Fragen gestellt habe, im August eine Antwort bekommen, in der die Ausnahmeregelungen, die Sie selber beantragt haben, nicht enthalten sind. Ist das der Stil der Bundesregierung Abgeordneten gegenüber?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Ich kenne den Brief, den Sie zitieren, nicht. Aber ich gehe davon aus, dass Ihnen der damals aktuelle Stand mitgeteilt wurde. Der Diskussionsprozess bezüglich der Ausnahmen, der damals im Gang war und immer noch andauert - es gibt noch keine abschließende Entscheidung über die Richtlinie -, beruht auf Risikofolgenabschätzungen, die dem wissenschaftlichen Stand entsprechen und zu dem Ergebnis geführt haben, dass das Risiko abschätzbar und vertretbar ist, dass die Mengen, um die es geht, so gering sind, dass auch das Umweltrisiko so gering wie möglich ist; denn der Einsatz von PFOS bleibt auf die ganz wenigen Fälle, in denen es keine alternativen Stoffe gibt, beschränkt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen für die Beantwortung. Die Fragen 19 und 20 der Kollegin Sylvia KottingUhl werden schriftlich beantwortet. Im Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes werden die Fragen 21 und 22 des Kollegen Hans-Joachim Otto ({0}) und die Fragen 23 und 24 des Kollegen Christoph Waitz ebenfalls schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Für die Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung. Ich rufe die Frage 25 der Kollegin Britta Haßelmann auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, nachdem sie in ihrem Entwurf zur Stellungnahme zum Fünften Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland sagt, sie teile die Einschätzung der Kommission, dass Anreize zur Frühverrentung beseitigt und Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen auf den Weg gebracht werden müssen, die so genannte 58erRegelung ({1}) aufzuheben, und, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Kollegin Haßelmann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, diese Regelung aufzuheben. Sie läuft nach einer Verlängerung am 31. Dezember 2007 aus. Sie wird nach Festlegung der Koalitionsfraktionen nicht verlängert.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Kollege Staatssekretär, wie vereinbaren Sie Ihre jetzige Auskunft mit den Stellungnahmen der Bundesregierung, die da lauten, dass solche Frühverrentungsstrategien kontraproduktiv für die Beschäftigungssituation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind? Ich stelle hier einen Widerspruch fest: Sie können doch nicht in Ihrer Stellungnahme zum Altenbericht darlegen, dass solche Maßnahmen kontraproduktiv sind, aber dann, wenn es um das konkrete Regierungshandeln geht, sagen: Wir halten bis zum Ende des Jahres 2007 an dieser Regelung fest.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Doch, das können wir. Wir haben es auch getan. Ich will begründen, warum: Wir haben im gesamten Bereich der Sozialpolitik eine Reihe von Veränderungen vorgenommen. Es gibt zwei Ausnahmen. Nicht geändert wurden § 428 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und die Regelung zur Altersteilzeit. Wir hielten es für notwendig, die Laufzeit des § 428 SGB III zu verlängern; das Datum habe ich Ihnen genannt. Das hängt damit zusammen, dass wir in der Koalition verabredet haben - das hatten wir schon zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen -, die Bezugszeiten des Arbeitslosengeldes und entsprechender Leistungen zu verkürzen. In der letzten Legislaturperiode haben wir die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe zusammengelegt und die Grundsicherung für bedürftige arbeitslose Menschen eingeführt. Wir hielten es für notwendig, diese Regelung, §428 SGB III, für einen begrenzten Zeitraum zu verlängern. Ich habe gesagt: Wir haben nicht die Absicht, sie erneut zu verlängern; dann läuft sie aus. Diese Vorgehensweise macht Sinn.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da Sie in Ihrer letzten Bemerkung gesagt haben, dass das Sinn macht, frage ich Sie: Auf welche Daten beziehen Sie sich? Sie müssen die 58er-Regelung doch ausgewertet haben, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass sie eine durchaus sinnvolle Maßnahme ist, sowohl für die Unternehmen als auch für die Beschäftigten. Mein Eindruck ist allerdings, dass die Beschäftigungsquote älterer Menschen in Deutschland beschämend niedrig ist und dass die Maßnahmen, die Sie gerade beschrieben haben, nicht dazu geführt haben, dass für die Menschen ab 55 Jahren neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden konnten.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Das weiß ich nicht. Noch vor wenigen Jahren betrug die Beschäftigungsquote dieser Altersgruppe ungefähr 39 Prozent. In der Zwischenzeit liegt sie bei knapp 45 Prozent. Im Rahmen der Lissabonstrategie haben wir uns auf das Ziel verständigt, in der gesamten Europäischen Union eine Beschäftigungsquote von 50 Prozent zu erreichen. Auf welche Daten beziehen wir uns? Nach wie vor ist die Arbeitslosigkeit Älterer, insbesondere in der von Ihnen genannten Altersgruppe, relativ hoch. § 428 SGB III sieht im Grunde genommen nur vor, dass man Leistungen bezieht, ohne der Vermittlung zur Verfügung stehen zu müssen. Unsere Datenbasis habe ich Ihnen genannt. Dass wir das für sinnvoll halten, habe ich Ihnen auch gesagt. Natürlich müssen wir daran arbeiten, die Beschäftigungsquote älterer Menschen zu erhöhen; denn das wird immer notwendiger. Das tun wir auch.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 26 der Kollegin Haßelmann auf: Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung für eine Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor, deren rechtlichen Rahmen sie verbessern will, wie in der erwähnten Stellungnahme erklärt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie sich einig sind, dass die Beschäftigungssituation älterer Menschen in Deutschland nachhaltig verbessert werden muss. Dazu bedarf es eines Bündels abgestimmter Maßnahmen in den Bereichen Arbeit, Bildung und Gesundheit. Fehlanreize zu Frühverrentung müssen beseitigt, die Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen erhalten und die Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser verbessert werden. Mit der Initiative „50 plus“ fördert die Bundesregierung das Bestreben, die Fähigkeiten und Erfahrungen der über 50-Jährigen voll zu nutzen und das faktische Renteneintrittsalter deutlich zu erhöhen. Es geht um einen Wandel der Einstellung insbesondere der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, es geht um den Abbau von Vorurteilen hinsichtlich Qualifikation, Leistungsbereitschaft und -fähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hier müssen Politik und Sozialpartner gemeinsam initiativ werden und im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortung zu verbindlichen Vereinbarungen konkreten Ergebnissen und zu praktikablen Lösungen kommen. Konkret wird die Bundesregierung zur Erhöhung von Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigungschancen einen Kombilohn für Ältere und einen Eingliederungszuschuss für die Einstellung Älterer auflegen, die berufliche Weiterbildung besser fördern sowie die Regelung, dass Arbeitsverträge von Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, ohne sachlichen Grund befristet werden dürfen, europarechtskonform ausgestalten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Andres, Sie haben in Ihrer Stellungnahme betont, dass Sie Fehlanreize zur Frühverrentung vermeiden wollen. Wie, finden Sie, geht das einher mit den Ergebnissen der Auswertung der 58er-Regelung?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Das zu erklären, habe ich eben schon mit zwei Antworten versucht. Ich sage es noch einmal: Wir befinden uns in einer Übergangsphase. Wir haben alle Maßnahmen rentenrechtlicher und sonstiger Art, die Frühverrentung möglich machen, beseitigt. Faktisch besteht neben der Altersteilzeit im Arbeitsförderungsrecht die Regelung des § 428 SGB III, die noch begrenzt beibehalten wird. Nichtsdestotrotz hält die Bundesregierung es für dringend notwendig, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen. Wir tun das schon die ganze Zeit, wir liegen da gar nicht auseinander. Der Versuch, hier Widersprüche zu konstruieren, ist zwecklos. Wir wollen die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer erhöhen. Wir glauben, dass dazu in der Gesellschaft eine Veränderung notwendig ist, besonders bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, aber auch bei den Betroffenen selbst.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben das Programm „50 plus“ erwähnt. Wenn die Öffentlichkeit die Presse liest, muss sie den Eindruck gewinnen, Sie würden da etwas ganz Neues aus dem Hut zaubern. Aus meiner Sicht sind es alte Maßnahmen, die schon die letzte Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Deshalb meine Frage: Was sind Sie darüber hinaus bereit zu tun im Hinblick auf die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Gibt es Ihrerseits Kontakte zu den Gewerkschaften, zu den Unternehmen? Wird es, wie in anderen europäischen Ländern, groß angelegte, offensive Medienkampagnen zur Gesellschaftspolitik, zum Bild älterer Menschen in der Gesellschaft, geben? Planen Sie so etwas? Oder meinen Sie, mit dem Programm „50 plus“, das aus meiner Sicht aus sehr alten Maßnahmen besteht, ist alles getan?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Wir planen nicht nur, was Sie alles aufgezählt haben, sondern wir tun das auch. Wir haben sogar die Absicht, das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 zu erhöhen. Sie wissen, dass es gegen bestimmte Maßnahmen kräftige Widerstände gibt, aus ganz unterschiedlichen Lagern. Wir haben ein großes Verbundnetzwerk unter dem Stichwort „Neue Qualität der Arbeit“ aufgelegt. Wir machen große Versuchsreihen zu einem besseren Umgang mit dem Alter, mit der Beschäftigung älterer Menschen. Wir halten das Demografieproblem für ein ziemlich drängendes und wir setzen uns mit ihm auseinander. Dabei nehmen wir auch andere europäische Länder zum Vorbild; das hat auch die alte Regierung getan. Sie wissen sicherlich, dass ich schon für die alte Regierung solche Fragen beantwortet habe und daran gearbeitet habe und es jetzt für die neue auch tue.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Frage 27 des Kollegen Dirk Niebel und die Frage 28 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 29 der Kollegin Cornelia Hirsch auf: Mit welchen Modifikationen werden die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, in seiner Haushaltsrede angekündigten zusätzlichen Plätze zur so genannten Einstiegsqualifizierung Jugendlicher eingerichtet, um den Erkenntnissen der Begleitforschung Rechnung zu tragen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Abgeordnete Hirsch, die Richtlinienänderung wird derzeit vorbereitet. Im Kern wird die Aufstockung der Plätze von 25 000 auf 40 000 vorgesehen. Darüber hinaus soll klargestellt werden, dass Betriebe erworbene Kenntnisse durch die Einstiegsqualifizierung bescheinigen. Daneben erfolgen redaktionelle Anpassungen an die durch die Novelle zum Berufsbildungsgesetz geänderten Paragrafenfolgen, die wir entsprechend aufnehmen wollen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Zielgruppe der Einstiegsqualifizierungen sollten gerade benachteiligte Jugendliche sein, die auf dem Ausbildungsstellenmarkt ansonsten kaum Chancen haben, sodass sie über eine solche Einstiegsqualifizierung den Weg in ein reguläres betriebliches Ausbildungsverhältnis finden können. Hier lautet meine Frage, inwieweit berücksichtigt wird, dass die Zielgruppe, die mit dem Programm primär angesprochen werden sollte, bisher offensichtlich nicht erreicht wurde und dass ganz im Gegenteil eher Abiturienten dieses Programm wahrgenommen haben.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich kann das, was Sie sagen, gegenwärtig nicht bestätigen. Wir haben bei der Einstiegsqualifizierung die Erfahrung gemacht, dass bis zu 60 Prozent derjenigen, die teilgenommen haben, anschließend auch eine Ausbildung erhalten haben. Ich sage ausdrücklich - deswegen habe ich das auch so vorgetragen -: Wir setzen darauf, dass diese Qualifizierungen entsprechend bescheinigt und testiert werden, weil das ein weiterer Schritt in Richtung einer modularisierten Ausbildungs- und Qualifizierungsstrategie ist. Ich sage auch ganz offen - das muss man gar nicht bestreiten -: Die Ausweitung von 25 000 auf 40 000 Plätze ist ein Stück weit eine Reaktion auf das quantitative Ausbildungsplatzproblem, das wir gegenwärtig haben. Wenn es geht, werden wir am 1. Oktober 2006 starten. Sie wissen vielleicht, dass das nicht das Einzige ist, was wir tun. Die Bundesagentur für Arbeit unternimmt gegenwärtig zum Beispiel den Versuch, für 5 000 bis 7 500 Jugendliche mit Migrationshintergrund ein entsprechendes Programm auf den Weg zu bringen. Wir glauben, dass wir eine Menge für Benachteiligte tun. Ich wehre mich dagegen, dass man sagt - darüber müsste man vielleicht diskutieren -, dass diese Einstiegsqualifizierung nur für diejenigen durchgeführt wird, die vom Bildungshintergrund oder Sonstigem her in der Tat benachteiligt sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, bitte. - Grundsätzlich stimmen Sie mir aber zu, dass es für die große Mehrzahl der Jugendlichen ein sinnvollerer Einstieg wäre, direkt einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu erhalten. Deshalb meine Nachfrage an dieser Stelle: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung hier? Sie haben angesprochen, dass wir zurzeit das Problem haben, dass ein ganz massiver Mangel an regulären Ausbildungsplätzen besteht. Es ist bekannt, dass die betriebliche Ausbildungsquote trotz des Ausbildungspakts schon im letzten Jahr auf den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken ist. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung oder inwieweit kommt sie zu einer kritischen Bewertung des Ausbildungspakts, durch den das angestrebte Ziel offensichtlich nicht erreicht werden kann?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Wir halten am Ausbildungspakt fest. Ich darf als Ergebnis sagen, dass die Verpflichtung, die die Wirtschaft eingegangen ist, auch in diesem Jahr deutlich übertroffen wurde. Mehr als 40 000 neue Ausbildungsplätze sind akquiriert worden. Wir haben im Ausbildungspakt verabredet, dass die Wirtschaft über die Kammersysteme ihre Anstrengungen verstärkt, Ausbildungsplätze zu akquirieren. Daneben führen wir eine Reihe von Zusatzprogrammen durch, die Sie kennen. Ich nenne beispielsweise die Programme des Bildungsministeriums und der Länder für die neuen Länder. Es gibt jede Menge Aktivitäten innerhalb der Arbeitsförderung durch die Bundesagentur und wir erhöhen die Zahl der Angebote durch die Bundesagentur. Schließlich bauen wir die Einstiegsqualifikationen aus. Diejenigen, die Ausbildungsplätze anbieten, wollen die Jugendlichen häufig „ausprobieren“; dazu kann man so oder so stehen. Sie möchten eine Einstiegsqualifikation durchführen, um zu sehen, ob der Jugendliche die Aufgaben erfüllen kann und ob sie mit ihm klarkommen. Ich halte das nicht für verwerflich - ganz im Gegenteil. Sie wissen sicherlich, dass es in unserem Schulsystem vielerorts Berufspraktika für Schülerinnen und Schüler zur Berufsorientierung und zum näheren Kennenlernen möglicher späterer Ausbildungsbetriebe, bei denen sie sich bewerben können, gibt. Alles in allem finde ich, dass das, was wir tun, eine ganze Menge ist und wir werden diese Aktivitäten und Anstrengungen fortsetzen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Regierungsbefragung um 16 Uhr zu beginnen und bis dahin die Sitzung zu unterbrechen. Deshalb unterbreche ich jetzt die Sitzung bis 16 Uhr. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Lage auf dem Ausbildungsmarkt. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kabinett hat sich heute auf der Grundlage der Ausbildungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit aus dem August mit der Situation auf dem Ausbildungsmarkt beschäftigt. Die Zahlen, die uns zu diesem Zeitpunkt vorliegen, weisen darauf hin, dass die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nach wie vor angespannt ist. Die Zahl der Jugendlichen, die Ende August noch ohne Ausbildungsplatz waren, wurde von der Bundesagentur auf rund 215 000 geschätzt. Das sind 10 000 oder 10 Prozent mehr als im August 2005. Zur richtigen Bewertung muss darauf hingewiesen werden, dass uns die Zahlen für eine verlässliche Zwischenbilanz erst Ende September und der dann aufgearbeitete Bericht am 11. Oktober dieses Jahres vorliegen werden. Eine wirkliche Bilanz des Ausbildungsjahres lässt sich somit erst im Dezember ziehen. Die 215 000 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz setzen sich aus zwei ganz unterschiedlichen Gruppen zusammen. Da sind zum einen jene, die sich in diesem Ausbildungsjahr erstmals beworben haben. Der weitaus größere Teil sind zum anderen so genannte Altbewerber aus den vergangenen Jahren, die aber bei der BA noch als Interessenten gemeldet sind. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass mit Beginn des Ausbildungsjahres bis zum Dezember eine intensive Phase der Nachvermittlung anfängt, was auch in diesem Jahr so sein wird. Dabei spielen drei mögliche Angebote an die betroffenen Jugendlichen eine Rolle. Die erste Möglichkeit ist der reguläre Ausbildungsplatz, den wir uns eigentlich wünschen. Die zweite Möglichkeit ist die neu geschaffene Einstiegsqualifikation. Die dritte Möglichkeit sind außerbetriebliche Qualifizierungen. Die Bundesregierung hat nicht nur mit Blick auf dieses Ausbildungsjahr, sondern begleitend auch für die nächsten Jahre dieser Legislaturperiode mehrere Maßnahmen ergriffen, um dem Anspruch gerecht zu werden, jedem Jugendlichen, der kann und will, eine qualifizierte Ausbildung zu ermöglichen. Diesen Anspruch an uns selbst haben wir auch im Koalitionsvertrag formuliert. Zu diesen konkreten Maßnahmen und Programmen gehört erstens das Bund-Länder-Sonderprogramm für die neuen Länder, das vom BMBF und von den Landesregierungen je zur Hälfte finanziert wird. Daraus sollen 13 000 zusätzliche Ausbildungsplätze gefördert werden. Das BMBF stellt hierfür und für die anderen Sonderprogramme der Vorjahre, die jeweils eine Laufzeit von drei bis vier Jahren haben, 90 Millionen Euro zur Verfügung. Das zweite Programm, „Jobstarter“, betrifft die Ausbildungsstrukturen. Es wird vor allen Dingen für Projekte in Regionen eingesetzt, in denen die Strukturen für Ausbildung schwierig sind. Das sind nicht nur die neuen Bundesländer, sondern auch andere Regionen in Deutschland. Wir haben dieses Programm ursprünglich mit 100 Millionen Euro ausgestattet. Aufgrund der aktuellen Lage haben wir diesen Betrag auf 125 Millionen Euro erhöht. Seit April 2006 fördert das BMBF 52 Projekte in der ersten Förderrunde. Im Rahmen der zweiten Runde sind bislang 270 Projektanträge eingereicht worden und wir werden aufgrund der Aufstockung der Mittel bis zu 100 Projekte fördern können. Es geht dabei um die Förderung der Verbundausbildung und um die ausbildungsbegleitende Hilfestellung für neue Ausbildungsbetriebe. Ich weise drittens auf das Sonderprogramm des Kollegen Müntefering zur Förderung der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher hin, das ursprünglich auf 25 000 Plätze angelegt war. Es ist jetzt vorgesehen - das Kabinett wird dies in einer der nächsten Sitzungen beschließen -, die Zahl auf 40 000 zu erhöhen. Viertens ist die Aufstockung der Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze insbesondere für Jugendliche mit Migrationshintergrund durch die Bundesagentur für Arbeit von bislang 5 000 auf jetzt 7 500 Plätze vorgesehen. Ich möchte schließlich auch auf die zusätzlich zu schaffenden Plätze in ausländischen Unternehmen hinweisen. Herr Staatssekretär Storm und Frau Staatsministerin Böhmer haben gestern nach mehreren Gesprächsrunden mit den Vertretern ausländischer Unternehmen dieses Programm öffentlich vorgestellt. Ende August waren 260 900 Ausbildungsplätze registriert. Das sind 10 600 mehr als im Vorjahr. Wir haben unterschiedliche Nachrichten seitens der Industrie- und Handelskammern und des Handwerks. Bei den Industrie- und Handelskammern ist mit einem Zuwachs der Ausbildungsplätze um etwa 4 Prozent zu rechnen. Beim Handwerk ist der Stand des vergangenen Jahres in etwa unverändert geblieben. Insofern lässt sich die derzeitige Lage wie folgt zusammenfassen: Erstens. Die im Rahmen des Ausbildungspaktes zugesagten zusätzlichen oder neuen Ausbildungsplätze werden geschaffen. Die Zusage wird nicht nur eingehalten; sie wird vielmehr übertroffen. Es gibt mehr Ausbildungsplätze als im vergangenen Jahr. Zweitens. Die Zahl der Bewerbungen übersteigt aber weiterhin die Zahl der bislang zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätze, sodass die Phase der Nachvermittlung auch in diesem Jahr eine große Rolle spielen wird. Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung. Neben der Reaktion auf die aktuelle Lage sind zwei andere politische Initiativen wichtig, die wir angegangen sind. Die eine Initiative betrifft die Altbewerber, die auch bei einer noch so hohen Steigerung der Zahl der Ausbildungsplätze nicht ohne weiteres vermittelt werden können. Für sie müssen wir zusätzliche Möglichkeiten - zum Beispiel aufgrund der Erfahrungen mit der Einstiegsqualifikation im Bereich der Teilqualifikationen - schaffen. Die zweite Initiative betrifft die Modernisierung der Strukturen beruflicher Bildung, die im Innovationskreis berufliche Bildung diskutiert wird. In seiner heutigen Sitzung werden erste Impulse für die Modernisierung vorgelegt, die vor allem mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen und eine stärkere Fokussierung auf die Nahtstelle zwischen Schule und Ausbildung und die Durchlässigkeit in den tertiären Bereich vorsieht. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Ministerin. - Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, zu dem eben berichtet wurde. Das Wort hat die Kollegin Cornelia Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine Frage bezieht sich auf Folgendes: Sie haben sich sehr positiv zum Ausbildungspakt geäußert. Aber Sie haben dabei nicht das zentrale Problem erwähnt, mit dem wir im Bereich der dualen Berufsausbildung zurzeit konfrontiert sind, nämlich dass das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen von Jahr zu Jahr weiter zurückgeht. Es erreichte im letzten Jahr den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung und wird auch in diesem Jahr erwartungsgemäß zurückgehen. Aus diesem Grund ist es für meine Fraktion nicht verständlich, warum es von der Bundesregierung nicht als sinnvoll erachtet bzw. warum nicht zumindest geprüft wird, eine gesetzliche Ausbildungsplatzumlage einzuführen. Denn aus unserer Sicht könnte allein mit diesem Schritt das Problem gelöst werden, dass sich die Betriebe immer weiter aus ihrer Verantwortung zur Finanzierung der beruflichen Bildung zurückziehen und keine Ausbildungsplätze mehr bereitgestellt werden. Alles andere, was Sie vorgetragen haben, bezog sich nur auf den Versuch, die Lage auf irgendeine Weise - zum Beispiel durch die Sonderprogramme, die Sie geschaffen haben - in den Griff zu bekommen. Sie gehen aber nicht das zentrale Problem an, dass die betriebliche Ausbildungsquote immer weiter zurückgeht. Daher lautet meine Frage: Wie positioniert sich die Bundesregierung dazu?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Eine Ausbildungsplatzumlage bzw. -abgabe schafft keinen Ausbildungsplatz. Wir haben in Deutschland ja Erfahrungen mit Abgaben. Im Zweifelsfall ist es für ein Unternehmen sehr viel preisgünstiger, eine Abgabe zu zahlen, als einen Ausbildungsplatz zu schaffen. Sie wissen, dass es einzelne Branchen, wie die Baubranche, gibt, die einen Fonds eingerichtet hat, in den alle beteiligten Unternehmen einzahlen und aus dem Unternehmen, die ausbilden, eine finanzielle Unterstützung bekommen können. Branchenspezifische Regelungen können, wie die Baubranche und die dortige Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt zeigen, durchaus sinnvoll sein. Aber eine Ausbildungsabgabe lehnt die Bundesregierung ab. Wenn man den Ausbildungspakt bewerten will, dann stellt sich wie so oft die Frage, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Ich habe bewusst beide Informationen genannt. Es sind sicherlich Ausbildungsplätze entstanden, und zwar in dem Umfang, zu dem man sich im Ausbildungspakt verpflichtet hat. Aber richtig ist auch: Die Zahl der Bewerbungen in diesem Jahr ist - wir gehen davon aus, dass dies noch einige Jahre so sein wird - stärker gestiegen. Daraus ergibt sich nach heutigem Stand die Lücke, über die ich eben gesprochen habe.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Priska Hinz für die Grünen.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass es eine große Anzahl von Altbewerberinnen und Altbewerbern gibt, die bislang keine Chance auf dem Ausbildungsmarkt haben. Je länger ihr Einstieg dauert, desto geringer ist ihre Qualifikation anzusetzen. Deswegen möchte ich Sie fragen, warum Sie nicht die einmaligen Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit in diesem Jahr nutzen wollen, um ein Ausbildungsprogramm aufzulegen, das spezifisch auf Altbewerber ausgerichtet ist und mit dem man etwa 50 000 Ausbildungsplätze über drei Jahre finanzieren könnte.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Grundsätzlich ist die Bundesregierung der Überzeugung, dass vorhandene Überschüsse, die ja aus Mitgliedsbeiträgen stammen, an die Mitglieder zurückgegeben werden müssen. Das ist von der Systematik her der erste wichtige Schritt. Sie wissen, dass die Höhe des Überschusses mit der 13. Zahlung der Sozialabgaben in diesem Jahr zu tun hat und dass deswegen nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Entwicklung in den folgenden Jahren fortsetzt. - Das ist der erste Punkt. Zweitens zur Gruppe der Altbewerber: Der erste wichtige Schritt ist, eine genauere Aufschlüsselung zu erhalten, aus der hervorgeht, wer sich hinter dieser großen Zahl verbirgt. Es gibt jene, die in eine berufliche Vollzeitschule gehen. Die Möglichkeiten des Berufsbildungsgesetzes müssen hier besser genutzt werden. Die erworbene Bildung muss zusammen mit zusätzlicher Praxiszeit eingesetzt werden können, um eine Prüfung vor einer Kammer abzulegen. Ich bin überzeugt: Wenn man die Statistiken der Bundesländer zugrunde legt, dann wird man feststellen, dass die Schüler in den beruflichen Vollzeitschulen einen erheblichen Anteil ausmachen. Wir brauchen als zweiten Schritt ein Instrument, das deutlich macht, wie viele jener Jugendlichen, die sich hinter dieser Zahl verbergen, aktuell für eine Ausbildung zur Verfügung stehen. Wenn beispielsweise 120 Jugendliche als Ausbildungsplatzsuchende in einer Region gemeldet sind und diese eingeladen werden, um ihnen vor Ort ein Angebot zu unterbreiten, dann macht man in vielen Regionen die Erfahrung, dass nur ein Bruchteil dieser Jugendlichen tatsächlich kommt und an dem Angebot interessiert ist. Drittens. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der Einstiegsqualifikation und der daraus resultierenden unmittelbaren Verbindung zwischen dem Jugendlichen und dem Betrieb die gleichen Erfahrungen machen werden wie in der ersten Runde, nämlich dass die Jugendlichen zum größten Teil anschließend die Möglichkeit haben, eine Ausbildung zu machen. Wir brauchen also differenzierte Antworten und müssen die Möglichkeiten des Berufsbildungsgesetzes besser nutzen. Zudem müssen wir in stärkerem Maße an die Jugendlichen herankommen; denn wenn von 100 eingeladenen Jugendlichen nur zehn kommen, dann fragt man sich, wo die 90 nicht erschienenen abgeblieben sind und welche Möglichkeiten man hat, sie zu erreichen. Letzter Punkt: Die Bundesagentur wird - das geht genau in diese Richtung - jetzt das Programm für die 7 500 Jugendlichen auflegen. Die Agenturen sind dabei, vor Ort in den Betrieben dafür zu werben und so die entsprechenden Plätze zu schaffen. Nach den Meldungen, die wir bekommen haben, wird es jedoch sogar schwierig werden, diese 7 500 Plätze tatsächlich zu besetzen. Vonseiten der Agenturen sind also erste Schritte in diese Richtung getan. Jetzt wird es darauf ankommen, die Plätze, die zur Verfügung gestellt werden, auch konkret zu nutzen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Willi Brase von der SPD.

Willi Brase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem kurzen Beitrag darauf hingewiesen, dass in der beruflichen Bildung strukturelle Innovationen notwendig sind und dass Sie einen entsprechenden Arbeitskreis eingerichtet haben. Die Bundesregierung hat in der Drucksache 16/2170 auf eine Anfrage von Abgeordneten darauf hingewiesen, dass Sie unter anderem vorschlagen wollen, zur Verbesserung der Ausbildungssituation „finanzielle Erleichterungen für ausbildende Betriebe durch Wegfall von ausbildungsbezogenen Kammergebühren“ auf den Weg zu bringen. Meine Frage lautet: In welcher Art und Weise wird die Bundesregierung hier tätig? Gibt es entsprechende Initiativen? Die Diskussion über die durch die Kammergebühren entstehenden Kosten für Ausbildung ist nicht neu. Diese Kosten sollen nicht allein die Betriebe tragen, die dort eingetragen sind und ausbilden, sondern alle Betriebe, die Pflichtmitglieder in der Kammer sind. Mich würde interessieren, welchen Weg die Bundesregierung einschlägt und wie es dort weitergeht.

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Nachdem ich diesen Vorschlag gemacht habe, haben wir Rückmeldungen aus großen Kammern bekommen, die das bereits praktizieren. Zugleich ist klar, dass die Politik in diesem Bereich nur appellieren kann. Vor Ort muss genau geprüft werden, welche Betriebe bereit wären, in die Ausbildung einzusteigen, wenn die Frage der Kammergebühr anders geregelt wird. Durch diesen Vorschlag sind vor Ort Debatten in Gang gekommen. Es haben sich auch Kammern gemeldet, die das bereits so praktizieren. Die Bundesregierung wird jedoch keine Initiative ergreifen können, um dies gleichsam zu einer Regel werden zu lassen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es fragt die Kollegin Möller.

Kornelia Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003811, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, wird die Bundesregierung den Jugendarbeitsschutz erhalten bzw. ausbauen oder gibt es gegenteilige Forderungen? Wird die Bundesregierung die Forderung nach einer weiteren Flexibilisierung der Auszubildendenvergütungen zurückweisen?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Zur ersten Frage: Die Bundesregierung hält am Jugendschutz fest. Initiativen sind nicht geplant. Die Erfahrung vor Ort zeigt, dass dort, wo mehr Beweglichkeit notwendig ist, dies am allerbesten zwischen Ausbilder und Auszubildendem geregelt wird. Denken Sie etwa an die Ausbildung zum Koch bzw. eine Ausbildung im Gastronomiegewerbe. Dort gibt es vor Ort vernünftige Regelungen, die gewährleisten, dass ein Jugendlicher unter 18 Jahren nicht deshalb auf eine Lehrstelle, die er bekommen kann, verzichten muss, weil es Jugendschutzregelungen, die vor allem die Arbeitszeit betreffen, gibt, die im Alltag eines Hotels oder eines gastronomischen Betriebes nicht eingehalten werden können. Das Zweite: Das Berufsbildungsgesetz sieht bei nicht tariflich geregelten Vergütungen Abweichungen von bis zu 20 Prozent vor. Das ist durch die Vorgängerregierung so in das Berufsbildungsgesetz aufgenommen worden. Es gibt keinerlei Bestrebung, das zu verändern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Dobrindt.

Alexander Dobrindt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003516, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Frau Ministerin, Sie haben ausführlich dargestellt, dass der Ausbildungspakt greift und dass sich die Ausbildungsplatzlücke - das hoffen wir alle noch weiter schließen werde. Ich weise darauf hin, dass alles, was dazu beiträgt, in ganz hohem Maße das Verdienst gerade der mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land ist, die sich unter enormen Anstrengungen auch dieses Jahr wieder bemüht haben, zusätzliche Ausbildungsstellen zu schaffen und jungen Menschen eine Zukunft zu geben. Meine erste Frage ist folgende: Wir haben im letzten Jahr als eines der positiven Merkmale dieses Ausbildungspaktes erkannt, dass gerade die behinderten und schwerstbehinderten Frauen und Männer zu fast 100 Prozent - es sind 97,4 Prozent - eine Ausbildungsstelle bekommen haben. Das war ein schöner Erfolg, der leider viel zu wenig diskutiert wurde. Haben Sie Erkenntnisse, ob sich dieser positive Trend auch dieses Jahr fortsetzt? Zweitens. Frau Ministerin, Sie haben die Verbundausbildung angesprochen und gesagt, dass diese im Zuge der Neufestlegung des Berufsbildungsgesetzes, das wir gemeinsam vor zwei Jahren novelliert haben, immer stärker genutzt wird und dass dadurch die Basis für die Verbundausbildung verbreitert wurde. Wir haben gleichzeitig die Stufenausbildung in diesem Berufsbildungsgesetz neu geregelt. Es ist der Auftrag gegeben worden, in Zukunft alle Berufe daraufhin zu überprüfen, ob eine Stufenausbildung möglich ist. Haben Sie Erkenntnisse, inwieweit diese Überprüfungen abgeschlossen sind und wann wir mit Ergebnissen rechnen können? Können wir damit rechnen, dass es künftig für mehr Berufe als jetzt eine Stufenausbildung gibt, sodass jungen Menschen, die theorieschwächer sind, eine Ausbildung vermittelt werden kann?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Zu Ihrer ersten Frage: Mir liegen noch keine Zahlen vor; aber aus meinen eigenen Besuchen in Ausbildungsbetrieben weiß ich, dass es eine Menge übrigens in der Regel kleine und mittelständische Unternehmen gibt, die nach wie vor auch schwache oder behinderte Jugendliche einstellen. Die zweite Frage betraf die Stufenausbildung. Wir haben derzeit für rund 75 Berufe die Stufenausbildung eingeführt. Ich glaube, ein sehr wichtiger Schritt ist, dass sich das Wirtschaftsministerium und mein Haus darauf verständigen, welches die Kriterien sind, aufgrund derer wir Zustimmung oder Nichtzustimmung zu einer solchen Stufenausbildung im Kontext eines Berufsbildes geben. Ein wichtiges Kriterium ist, dass auf eine Stufe tatsächlich eine zweite folgen kann. Es geht also nicht um Stufenausbildungen, die nicht entwicklungsfähig sind, sondern um solche, die Jugendlichen wirklich die Möglichkeit geben, aufzubauen. Das zweite Kriterium, das von Seiten der Länder zunehmend, und zwar je mehr Stufenausbildungen es gibt, in die Debatte gebracht wird, ist, dass wir keine so starke Spezialisierung schaffen dürfen, dass immer mehr Schulklassen in den Berufsschulen gebildet werden. Die Stufenausbildungen, die wir einrichten, müssen auch handelbar sein. Der dritte Punkt ist: Es sind in den vergangenen Jahren auch Stufenausbildungen entstanden, bei denen man bei genauerem Hinsehen feststellt, dass es eine ganz geringe Zahl von Auszubildenden gibt. Die verschiedenen Partner in der beruflichen Ausbildung haben ihre jeweils eigene Sicht. Aber zur Modernisierung der beruflichen Bildung wird - davon bin ich überzeugt - gehören, dass immer mehr ein System entsteht, in dem erworbene Kompetenzen weiterentwickelt werden, also Stufenausbildung Teil eines interessanten Qualifikationskonzeptes sein kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt die Kollegin Sager.

Krista Sager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003622, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Daran kann ich sehr gut anknüpfen. Auch ich möchte zu den strukturellen Reformen fragen. Können Sie etwas genauer beschreiben, welche Maßnahmen Sie eingeleitet haben oder konkret einleiten möchten, um zu erreichen, dass Jugendliche oder junge Erwachsene, die im so genannten Übergangssystem sind, die also keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, eine größere Chance erhalten, aus diesem Übergangssystem einen Mehrwert für ihre weitere berufliche Ausbildung zu gewinnen, indem auch für kleinere Lernschritte Zertifikate ausgestellt werden, die einen Anschluss ermöglichen?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ja, das kann ich gern tun. - Was Sie meinen, läuft unter dem Stichwort „Modernisierung über Modularisierung“. Das setzt eine große Transparenz der Bildungsgänge in der dualen Ausbildung und in der beruflichen Vollzeitschule voraus. Auf europäischer Ebene ist jetzt der europäische Qualifikationsrahmen vorgelegt worden. Wir werden das in Deutschland aufgreifen. Ich werde den Ländern vorschlagen - ich weiß, dass es darauf eine sehr positive Resonanz gibt -, dass wir einen nationalen Qualifikationsrahmen erarbeiten. In diesem Kontext wird auch aufgrund dieser Maßnahme die Transparenz bestehender Bildungsgänge wichtig sein. Dann lässt sich genau dieser Schritt - erworbene Kompetenzen in die nächste Stufe einbringen tun. Dies gilt dann für mehrere Bereiche. Das Erste ist, nicht mehr nur und nicht mehr vorrangig Übergangszeiten in der Schule, sondern stärker in Kontakt mit Betrieben zu schaffen, sodass eine wirkliche Kammerprüfung nach bestehendem Recht möglich ist. Das Zweite ist, auch die Einstiegsqualifikation, wie wir sie jetzt haben, als Modul zu begreifen, das anerkannt wird, wenn danach eine duale Ausbildung möglich ist. Das Dritte wird sein, auch im Blick auf andere Phasen der dualen Ausbildung - zunächst gibt es etwa nur einen Praxisteil - einen anderen Umgang mit Zeit als in der Vergangenheit zu ermöglichen und über die Definition von Modulen dann den Aufbau einer beruflichen Bildung zu schaffen. Das Letzte ist ebenfalls ein wichtiges Anliegen. Auf der einen Seite spricht man von denen, die Schwierigkeiten haben, den Benachteiligten. Auf der anderen Seite gibt es in diesem Zusammenhang der Modernisierung aber auch das Ziel, eine stärkere Durchlässigkeit in den tertiären Bereich zu erreichen. Auch dafür ist es wichtig, ein modularisiertes System zu haben, das dann die Möglichkeit gibt, all die Qualifikationen zu erwerben, die notwendig sind, um diesen Wechsel zu vollziehen. In diese Richtung also wird die Modernisierung gehen. Wir sind derzeit dabei, erstens unterschiedliche Modelle auch mithilfe der Wissenschaft miteinander zu vergleichen und zweitens auf europäischer Ebene in einem Kreis von sechs Ländern über solche Modernisierungsstrukturen zu reden. Dazu gehört auch ein skandinavisches Land, nämlich Dänemark. Dort ist man in einem solchen Prozess. Ganz konkret und dann auch zeitlich klar definierbar geht es anschließend um die Arbeit an einem nationalen Qualifikationsrahmen, der damit verbunden ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bevor ich dem Kollegen Schummer das Wort zu seiner Frage gebe, weise ich auf Folgendes hin: Mir liegen noch sechs Fragemeldungen vor. Wenn wir diese noch abarbeiten wollen, setzt das Disziplin der Fragenden wie natürlich auch der Ministerin voraus, was die Länge der Antworten betrifft. Bitte, Herr Kollege Schummer.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie haben über den Aufwuchs bei der Zahl der Plätze für Einstiegsqualifizierungen von 25 000 auf 40 000 berichtet. Ist damit absehbar, dass bis Ende des Jahres jedem Schulabgänger eine entsprechende Qualifizierung über EQJ zur Verfügung stehen wird? Wie sind die aktuellen Zahlen des Übergangs von der Einstiegsqualifizierung in eine reguläre berufliche Ausbildung? Würden Sie es generell unterstützen, wenn dieser Übergang von der Einstiegsqualifizierung in eine Nachvermittlung in einen Berufsausbildungsweg beschleunigt werden könnte?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Das würde ich begrüßen. Bis jetzt liegt die Quote des erfolgreichen Übergangs in eine duale Ausbildung bei 60 Prozent. ({0}) Zu Ihrer ersten Frage: Wenn man die Erhöhung der Platzzahl bei der Einstiegsqualifizierung und dazu das bedenkt, was im letzten Jahr im Bereich der Nachvermittlung noch erreicht werden konnte, dann ist davon auszugehen, dass bis zum Ende des Jahres jeder Jugendliche das eine oder andere Angebot bekommen kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Dagdelen, bitte.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, im Zusammenhang mit der Initiative von Herrn Staatssekretär Storm und Frau Staatsministerin Böhmer möchte ich fragen: Hat die Bundesregierung eigentlich in Bezug auf die Initiative vor, für die Verbesserung der Situation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund Vorschläge zu unterbreiten oder konkrete Maßnahmen zu ergreifen? Oder soll es bei diesem Appellationscharakter bleiben, der seit Jahren vorherrscht? Vor dem Hintergrund des Auslaufens des Programms KAUSA möchte ich fragen, ob Sie konkrete Maßnahmen ergreifen wollen. Darüber hinaus interessiert mich: Wie steht die Bundesregierung eigentlich zur Forderung nach Einführung einer Migrantinnen- und Migrantenquote bei Ausbildungsplätzen? Halten Sie persönlich, Frau Ministerin, falls sich die Bundesregierung dazu noch keine abschließende Meinung gebildet haben sollte, diesen Ansatz perspektivisch für einen richtigen Ansatz zur Lösung der Probleme von Jugendlichen mit Migrationshintergrund?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Die Bundesregierung denkt nicht an die Einführung einer Quote. Auch ich persönlich halte nichts von der Einführung einer Quote. So viel zu Ihrer letzten Frage. Nun zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben nicht nur appelliert, sondern das Programm der Bundesagentur, das ich eben erwähnt habe und das sich vor allen Dingen an Jugendliche mit Migrationshintergrund richtet, die Schwierigkeiten haben, eine Lehrstelle zu finden, wird auf 7 500 Plätze aufgestockt. Zu Ihrer ersten Frage: Das Gespräch, das Frau Böhmer und Herr Storm mit ausländischen Unternehmern geführt haben, ist ein Schritt dazu, Unternehmen zu finden, die sich verstärkt gerade um diese Zielgruppe kümmern. Festzuhalten ist aber, dass die Bundesagentur ganz konkret 7 500 zusätzliche Möglichkeiten geschaffen hat. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, wir sind ziemlich am Schluss der Befragung der Bundesregierung. Ich würde gerne noch den übrigen Fragenden das Wort geben. Herr Rossmann, bitte.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, meine Frage zielt auf die Verbundausbildung, deren Ausweitung ja schon in früheren Berufsbildungsberichten immer gefordert worden ist. Welche Entwicklungen haben dazu geführt, dass diese Verbundausbildung jetzt besser angenommen worden ist? Sehen Sie über die zwischenbetriebliche Verbundausbildung hinaus auch Chancen für eine Verbundausbildung zwischen Betrieben und außerbetrieblichen Einrichtungen? Das wäre speziell im Hinblick auf die große Zahl junger Menschen, die schon älter sind, aber noch keine Ausbildung haben, sozusagen eine andere Form des Verbunds. Wie hoch schätzen Sie die Kapazitäten, die gegenwärtig in Deutschland an außerbetrieblicher Ausbildung vorhanden sind, ein? Muss man hier rechtzeitig Vorkehrungen treffen?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Ich bin davon überzeugt, dass in den außerbetrieblichen Werkstätten noch eine Menge an Kapazitäten vorhanden ist. Ich kann diese nicht beziffern, aber sie sind eine feste Größe und können in die Verbundausbildung einbezogen werden, vor allem da, wo es aufgrund der strukturellen Situation schwierig ist, einen Verbund zwischen Betrieben aufzubauen. Zum ersten Teil Ihrer Frage: Verbundausbildung funktioniert dann am besten, wenn die Betriebe ausreichend begleitet, beraten und unterstützt werden. So kann nämlich exakt festgestellt werden, wo Hilfestellung notwendig ist. Mein Eindruck ist, dass vor allem der Anteil an pädagogischer Hilfestellung bzw. sozialpädagogischer Begleitung in Ausbildungsbetrieben bzw. bei Auszubildenden zunimmt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Hinz, bitte.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, Sie haben ja den Innovationskreis Bildung ins Leben gerufen, der, wie ich glaube, heute wieder getagt hat. ({0}) Priska Hinz ({1}) - Oder gleich tagt. - Könnten Sie bitte sagen, wann in etwa mit ersten Ergebnissen aus diesem Innovationskreis zu rechnen ist und ob Sie diese Ergebnisse dann nicht nur mit der interessierten Fachöffentlichkeit, sondern auch im Parlament diskutieren wollen und, wenn ja, in welcher Form?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Es ist davon auszugehen, dass wir aufgrund von Beschlüssen, die bereits heute und dann in den nächsten Wochen zunächst mit den Ländern besprochen werden, im Laufe des nächsten Jahres konkrete Vorschläge für strukturelle Veränderungen vorlegen werden. Diese Vorschläge werden selbstverständlich im zuständigen Fachausschuss beraten werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Ulrich, bitte.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die durch das Jobstarter-Programm auf den Weg gebrachten Kooperationen auf kommunaler und regionaler Ebene nachhaltig fortgesetzt werden können, wenn den Trägerinnen und Trägern, wie bisher durch die Förderkriterien der Fall, keine dauerhafte und langfristige Finanzierung garantiert wird?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Für das Jobstarter-Programm ist zunächst eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren vorgesehen. Wir werden in diesem Zeitraum immer wieder Bilanz ziehen und schauen, was sich durch dieses Programm in der betreffenden Region entwickelt. Danach wird zu entscheiden sein, inwieweit Verlängerungen möglich sind und ob nach einer Anschubfinanzierung die Projekte selbstständig laufen. Das wird sehr unterschiedlich sein. Klar ist aber: Wir werden uns nicht aus Regionen zurückziehen, in denen nur mit einer solchen Unterstützung Ausbildung geleistet werden kann. Wir wissen aber auch, dass aufgrund der demografischen Entwicklung gerade in den neuen Bundesländern - dort gibt es besonders viele derartiger Projekte; außerdem wurde dort ein zusätzliches Angebot an Ausbildungsplätzen geschaffen - mancher Ausbildungsplatz schon heute nicht besetzt werden kann, weil die Jugendlichen fehlen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Kretschmer, bitte.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, können Sie uns über das Programm Jobstarter berichten, mit dem Ihr Haus in einer sehr umfassenden Weise das Problem des Ausbildungsplatzmangels in diesem Jahr angeht?

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Das will ich gerne tun. Wir fördern aktuell 52 Projekte. 270 zusätzliche Anträge liegen für die zweite Runde vor. Durch die Aufstockung der Mittel wird ermöglicht, dass mindestens 100 Projekte gefördert werden können. Letztlich ist im Jobstarter-Programm das zusammengefasst, wofür es bislang Einzelprogramme gab. Damit verfolgen wir das Ziel, zu strukturellen Verbesserungen zu kommen, Kooperationen zu fördern und ausbildungsbegleitende Hilfen für Unternehmen zu schaffen. Außerdem wollen wir damit das Potenzial von betriebsnahen Ausbildungsmöglichkeiten nutzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende der Befragung der Bundesregierung. Frau Ministerin, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN Rechtsextremismus wirksam bekämpfen Konsequenzen aus dem Wahlergebnis der NPD in Mecklenburg-Vorpommern Ich gebe das Wort der Kollegin Petra Pau, Fraktion Die Linke. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Berlin wurde ein Wahlkampfhelfer der SPD von Neonazis krankenhausreif geprügelt. In den Schweriner Landtag zog die rechtsextremistische NPD mit über 7 Prozent Zuspruch ein. In Delmenhorst kämpft eine engagierte Bürgerschaft seit Wochen dagegen, dass dort ein Schulungszentrum für Nazikader entsteht. Allein diese drei Vorfälle könnten diese Aktuelle Stunde begründen. Aber genau das ist nicht das Anliegen der Fraktion Die Linke. Unser Befund geht weiter und damit auch unser Anliegen. Der Bundestag muss sich dem Rechtsextremismus gründlich und systematisch zuwenden - und nicht nur, wenn Schlagzeilen durch die Medien geistern. Darum geht es mir. Seit Jahren fragen wir Monat für Monat nach den rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten, die beim Bundesinnenministerium registriert werden. Der Befund ist: Stündlich werden im Bundesschnitt drei rechtsextremistische Straftaten und täglich werden drei rechtsextremistische Gewalttaten erfasst. Die reale Zahl ist weit höher, die Dunkelziffer ohnehin. Entsprechend groß ist die Zahl der Opfer, die aus nationalistischen, rassistischen oder antisemitischen Motiven bedroht und geschlagen, körperlich oder geistig verkrüppelt werden. Rechtsextremismus ist also längst keine Randfrage, sondern ein Alltagsproblem und in seiPetra Pau ner gewaltsamsten Ausprägung auch eine tödliche Gefahr. Gemessen daran finde ich es geradezu fahrlässig, dass der Bundestag in den zurückliegenden Jahren der Komplexität dieser Herausforderung ausgewichen ist. Das Wenige, was versucht wurde, erschöpfte sich oft in Symbolhandlungen, wie einem partiellen Versammlungsverbot, oder wurde peinlich in den Sand gesetzt, wie das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren. Ich möchte etwas anderes und schlage vor, dass wir die Debatte heute als Auftakt nehmen, endlich tiefer gehende und langfristige Strategien zu erarbeiten, um den Rechtsextremismus zu bannen. ({0}) Das wiederum geht nur parteiübergreifend und ressortübergreifend. Es geht nur mit gebündeltem Sach- und Fachverstand. Es geht nur, wenn wir den Blick mitten in die Gesellschaft und auf das ganze Spektrum der Politik richten. In der vergangenen Woche wurden aktuelle Ergebnisse einer Langzeituntersuchung veröffentlicht. Demnach ist der Zuspruch zur bundesdeutschen Demokratie noch weiter gesunken als vordem: im Westen auf unter 70 Prozent und im Osten - das ist aus meiner Sicht alarmierend - auf unter 40 Prozent. Unter unserer Bundestagskuppel müssten eigentlich die Alarmglocken läuten; denn das ist ein riesiges Einfallstor für Neonazis aller Schattierungen. Wir sollten daher weniger darüber diskutieren, warum Neonazis so agieren, wie sie agieren. Wir müssen endlich gründlicher darüber debattieren, was diese Demokratieverdrossenheit fördert und was dagegen hilft. Immer mehr Menschen fühlen sich sozial abgehängt, nicht gebraucht, nicht gefragt. Sie fühlen das nicht nur; sie erleben das auch so. Damit meine ich nicht nur diejenigen, die schon morgens mit ihrer Büchse Bier lauthals über starke Männer und vermeintlich bessere Zeiten philosophieren. Seriöse Untersuchungen belegen: Die sozialen Anfälligkeiten für rechtsextremistische Parolen greifen vor allem bei jenen, die engagiert nach Zukunft streben, sich aber zugleich davor fürchten, Verlierer der Globalisierung zu werden. Das wiederum ist die Mitte der Gesellschaft. Auch deshalb ärgert es mich, wenn das Thema Rechtsextremismus vorwiegend im Ressort Innenpolitik angesiedelt wird, garniert mit Appellen an Elternhaus und Schule. Natürlich muss auch dort mehr getan werden. Aber die Generalschlüssel liegen an ganz anderer Stelle: zum Beispiel in der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik. ({1}) Dort werden die großen Gerechtigkeitsfragen entschieden. Es ist unredlich, wenn die Bundespolitik von den Kommunen mehr Freizeitangebote für Jugendliche fordert und zugleich Länder und Kommunen durch die eigene Politik finanziell austrocknet. Geradezu ein Trauerspiel ist der Streit um die akut gefährdeten Projekte für mehr Demokratie und Toleranz wie CIVITAS, die mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und die Opferhilfe. Sie leisten vor Ort eine unverzichtbare Arbeit und sollen nun doch abgewickelt werden. Mit Vernunft und mit Logik hat das nichts zu tun, zumal meine Erfahrung sagt: Jedes dieser Teams weiß mehr über den grassierenden Rechtsextremismus als der gesamte Bundestag. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter bewirkt real mehr gegen Rechtsextremismus und Rassismus als jede symbolische Bundestagsdebatte. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Parlamentarische Staatssekretär Hermann Kues. ({0})

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Einzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist ein erschütternder Vorgang. Ich sage ausdrücklich: Es ist ein erschütternder Vorgang. Was uns zusätzlich Anlass zur Sorge gibt, ist die Allianz von Neonazis und rechtsextremen, gewaltbereiten Kameradschaften in MecklenburgVorpommern. Ich glaube, dass dies ein Alarmsignal ist, das wir ernst nehmen und mit dem wir uns auseinander setzen müssen, wenn wir es mit der Demokratie gut meinen. Ich kann deshalb nur dringend empfehlen, dass die demokratischen Parteien hier zusammenstehen und nicht versuchen, die Wahlergebnisse in die eine oder andere Richtung zu instrumentalisieren. ({0}) Das Programm „Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ muss konsequent weiter umgesetzt werden, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Der Mittelansatz ist gegenüber der ursprünglichen mittelfristigen Finanzplanung von 17 Millionen auf 19 Millionen Euro erhöht worden. Wir müssen uns aber über dieses Programm hinaus fragen, was in unserer Gesellschaft schief läuft, dass Rechtsextreme wählbar werden, und was wir dagegen tun können. ({1}) Die Arbeitslosigkeit als mögliche maßgebliche Ursache ist bereits angesprochen worden. Das würde aber zu kurz greifen. Es geht vielmehr um ein Ursachenbündel: Es geht um Auflösungserscheinungen in der Gesellschaft und um individuelle Gefühle der Perspektivlosigkeit und Ratlosigkeit. Es geht um die Einstellung bzw. die Grundhaltung von jungen Menschen. Diese wird in der Familie, der Schule und durch das weitere Umfeld vermittelt. Wir müssen also tiefer bohren. Notwendig ist eine geistige Auseinandersetzung. Wenn jemand rechtsextrem wählt, steckt dahinter die Grundhaltung, dass man den Menschen, die anders sind, den Fremden, nicht den gleichen Wert, die gleiche Würde zubilligt wie sich selbst. Wenn aufgrund dieser Einstufung, der Abhängigkeit der Menschenwürde des Einzelnen von seiner Herkunft und seiner Hautfarbe, Minderheiten missachtet werden, dann ist das letztlich der Ausgangspunkt für rechtsextremistisches Verhalten. Deswegen brauchen wir hier eine intensive geistige Auseinandersetzung. ({2}) Dies ist ein Auftrag an alle, an den Staat und an die Politik auf allen Ebenen - auf der Bundesebene, der Länderebene und der kommunalen Ebene -, aber auch an alle gesellschaftlichen Gruppen. Angesprochen sind auch die Familien und die Vereine, angefangen von den Sportvereinen bis hin zu den Feuerwehren. Es ist von entscheidender Bedeutung, den Anfängen zu wehren; dazu ist auch Zivilcourage gefordert. Es ist Handeln auf allen Ebenen erforderlich, nicht nur vonseiten des Staates und der Politik, sondern auch von den Bürgerinnen und Bürgern. Ich teile die Sorge von Joachim Gauck, dem Vorsitzenden des Vereins „Gegen Vergessen - Für Demokratie“, dass viele Menschen unserer Gesellschaft nicht begriffen haben, dass die Demokratie jeden Tag neu erkämpft werden muss ({3}) und dass das Verharren in einer Zuschauerrolle - ich könnte auch sagen: eine Tribünenmentalität - die Demokratie letztlich viel stärker bedroht als jedes Wahlergebnis. ({4}) Die Bundesregierung nimmt die Auseinandersetzung mit Extremismus jeglicher Art, hier dem Rechtsextremismus, sehr ernst. Sie tritt dem Rechtsextremismus mit repressiven, aber auch mit präventiven Maßnahmen entgegen. Die Verfassungsschutzbehörden werden die intensive Beobachtung des Rechtsextremismus und der rechtsextremistischen Parteien fortführen. Wichtig ist aber auch die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Rechtsextremismus - ich sagte es bereits -, die Aufklärung der Öffentlichkeit und die Entwicklung von langfristigen Präventionsstrategien. Es hat jetzt eine sehr aufgeregte Diskussion um das Auslaufen eines Aktionsprogramms gegeben, obwohl immer vorgesehen war, dass es Ende dieses Jahres ausläuft. Das bezieht sich auch auf die Programme CIVITAS und ENTIMON. Im Rahmen von ENTIMON sind im gesamten Förderzeitraum 4 500 Projekte gefördert worden. Bei 80 Prozent der Projekte haben die Kommunen längst gesagt, dass sie diese Projekte für so interessant halten, dass sie sie fortsetzen wollen; das war ja auch Sinn dieser Projekte. Es ist aber ausdrücklich vereinbart, dass das Gesamtprogramm gegen Rechtsradikalismus „Jugend für Toleranz und Demokratie“ nicht ausläuft. Die bisherigen Projekte - die Anzahl habe ich bereits genannt - werden wir auswerten. Damit sind wir schon beschäftigt. Danach müssen wir entscheiden, wie wir diese Projekte in eine neue, bessere und effizientere Strategie einbinden. Die wissenschaftliche Begleitung hat bereits gezeigt, dass der zentrale Schlüssel zum Erfolg dieser Projekte die zusätzliche Einbindung der kommunal Verantwortlichen ist. Deswegen wird ein Schwerpunkt auf der Förderung lokaler Aktionspläne, auch in kommunaler Verantwortung, liegen. Es ist völlig klar, dass die Bemühungen, die von außen herangetragen werden, kaum Erfolg haben, wenn man die Kommune nicht dafür gewinnen kann. In diesem Sinne handelt es sich um ein auf Dauer angelegtes neues Programm, das Anfang 2007 starten wird. ({5}) Wir werden zusammen mit dem Haushaltsausschuss dafür sorgen - das will ich gerne ergänzen -, dass es bei bestimmten Projekten, wie den mobilen Beratungsdiensten, die die Kommunen auch künftig beraten sollen, und den Opferberatungsstellen, keine Förderlücke gibt. Das heißt aber nicht, dass alle Projekte, die bislang auf den Weg gebracht worden sind, eins zu eins weitergefördert werden. Das muss man fairer- und ehrlicherweise sagen, weil man sonst falsche Erwartungen weckt. Ich denke, man sollte die Tatsache, dass das eine oder andere Projekt ausläuft, nicht nutzen, um den Eindruck zu erwecken, dass das diesen Projekten zugrunde liegende Anliegen unzureichend gewürdigt würde. Ich glaube, dass wir die Erfahrungen, die in den vergangenen Jahren gemacht worden sind, nutzen sollten. Die mobilen Beratungsteams sollten die Kommunen, die sich auf diesem Gebiet engagieren, weiterhin begleiten. Herausgehobene modellhafte Maßnahmen sollten wir unterstützen. Deshalb kann ich nur wiederholen: Die demokratischen Kräfte müssen zusammenstehen. Sie sollten sich nicht gegeneinander ausspielen. Wir müssen gemeinsam alles tun, damit Intoleranz, Extremismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Raum haben. ({6}) Ich appelliere an alle, dass sie das ihrige dazu beitragen. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Respekt vor dem anderen haben, auch vor anders Denkenden. Wenn wir, die demokratischen Parteien, das gemeinsam vorantreiben, dann sind wir langfristig auf dem richtigen Weg. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Ernst Burgbacher das Wort. ({0})

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 7,3 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern für die NPD 60 000 Menschen haben die NPD gewählt. In Berlin waren es 40 000 Menschen. Das hat uns alle erschreckt. Wenn wir zeitweise geglaubt haben, das Gespenst habe sich verzogen - in meinem Heimatland, in BadenWürttemberg, saßen die Republikaner zwei Legislaturperioden lang im Landtag; das rechtsextreme Phänomen kennen wir auch aus anderen Bundesländern -, dann sind wir jetzt, nach Sachsen, ein zweites Mal aufgewacht. Wir alle sollten einsehen, dass es keine Patentrezepte gibt. Es macht auch keinen Sinn, sich gegenseitig Schuld zuzuschieben. Frau Pau, Sie haben den Eindruck erweckt, als gäbe es Lösungen. Die PDS hat acht Jahre lang in Schwerin mitregiert, es aber trotzdem nicht verhindern können. Von den 18- bis 24-Jährigen - auch diese Zahl will ich einmal nennen - haben 17 Prozent NPD gewählt. Das kann uns nicht ruhen lassen. ({0}) Deshalb müssen wir alle miteinander überlegen, wo die Ansatzpunkte sind. Ich will deutlich machen, dass es nicht nur um die Bekämpfung des Extremismus von Rechts geht, sondern genauso um die Bekämpfung des Extremismus von Links. ({1}) Es geht um jede Form von Extremismus, weil jede Form unsere Demokratie gefährden kann. Wir sollten nicht unterscheiden und nur die eine Seite herausgreifen. Jede Form von Extremismus muss von uns bekämpft werden. ({2}) Es gibt durchaus gemeinsame Anknüpfungspunkte, da für beide Formen ähnliche Erklärungsmuster gelten. ({3}) Nach unserer festen Überzeugung ist die Bildung eine Zugangsmöglichkeit. Wir wissen aus allen Statistiken, dass Extremismus dort geringer ist, wo der Bildungsstandard höher ist. Deshalb muss das Thema Bildung angegangen werden, und zwar insbesondere im Bereich Geschichtsunterricht. Es kann nicht sein, dass der Umfang des Geschichtsunterrichts in unserem Land weiter reduziert wird. Damit begehen wir ein Verbrechen; denn nur wer über historisches Bewusstsein verfügt, kann gegen solche Entwicklungen wehrhaft sein. Wir sind dafür zwar nicht zuständig, dennoch sollte von diesem Haus der Appell ausgehen: Bildung ist ein Schlüssel. ({4}) Ein zweiter Schlüssel sind sicher die wirtschaftlichen Verhältnisse. Wir wissen: Gerade in den neuen Bundesländern, gerade in Mecklenburg-Vorpommern - Wahlanalysen zeigen das - führen Abwanderung und Alterung zu wirtschaftlicher Depression. Die Strukturschwächen sind natürlich ein Schlüssel. Deshalb ist das beste Programm gegen Extremismus eine Politik, die Wachstum und Beschäftigung ermöglicht. Es muss alles getan werden, um die Weichen so zu stellen, dass wir auch in diesen Ländern wieder zu mehr Beschäftigung kommen. ({5}) Ausdrücklich hinweisen will ich auf den starken Anstieg rechtsextremistischer Kriminalität. Die Zahl der Gewalttaten ist laut Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2005 um 23,5 Prozent gestiegen. Wir brauchen natürlich eine konsequente strafrechtliche Sanktion von Gewalttaten; aber insbesondere brauchen wir Prävention. Prävention spielt in diesem Zusammenhang eine ganz besonders große Rolle. Kriminalprävention heißt auch: Polizei vor Ort. Deshalb hier mein Appell: Wir müssen mit den Ländern reden. Die Reduzierung von immer mehr Stellen bei der Polizei führt zu weniger Präsenz vor Ort. Wir wissen, dass gerade das eine große Auswirkung auf die Kriminalität haben kann. Wir sollten jetzt nicht kleinlich sagen, dass das nicht möglich ist, sondern wir sollten dafür offen sein, diese kritischen Punkte zu beleuchten. Lassen Sie mich im Rahmen meiner kurzen Redezeit zu einem letzten Punkt kommen: den Programmen, die Sie, Herr Staatssekretär, angesprochen haben. Wir brauchen in diesen Programmen dringend Konstanz. Die jetzige Diskussion tut dem Ganzen sicher nicht gut. Wir müssen bedenken, dass sich sehr viele Menschen in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren. Für sie ist es ein Stück weit ein Schuss vor den Bug. Deshalb fordere ich Sie auf, schnell Klarheit herzustellen. Das heißt natürlich, dass wir evaluieren und Programme überprüfen. Ich will ausdrücklich sagen: Es gibt in diesem Bereich hervorragende Programme. Viele sind von verschiedenen Stiftungen ausgezeichnet worden. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen bedanken, die in diesen Programmen tätig sind. ({6}) Lassen Sie mich eine abschließende Bemerkung machen - meine Redezeit ist abgelaufen -: Wir müssen insbesondere an die jungen Menschen denken. Wir müssen verhindern, dass junge Menschen in diese Entwicklung hineingezogen werden. Dabei spielt das Vertrauen in die Politik eine große Rolle. Es spielt eine Rolle, wie wir selbst den Vorbildcharakter von Politik leben. Es spielt aber auch eine Rolle, dass Politik wieder handelt, dass Politik entscheidet und dass die Menschen im Lande darauf vertrauen, dass Politik Probleme löst. Ich glaube, auch das ist ein ganz wesentlicher Schlüssel. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Wolfgang Thierse. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In vier Länderparlamenten sind seit Sonntag rechtsextremistische Parteien vertreten. In zahllosen, vor allem ostdeutschen Kommunen sind sie auch vertreten. Das ist beunruhigend für alle Demokraten. Darin sind wir uns im Urteil einig. Die Neonazis breiten sich aus. Die NPD stabilisiert sich, vor allem auch in Ostdeutschland. Ich will der Kürze der Zeit wegen nur zwei Bemerkungen dazu machen: Erstens. Es ist üblich geworden - es ist stereotyp, was am Wahlabend immer zu hören ist -, von Protestwahl und Protestwählern zu sprechen. Ich nenne das eine verharmlosende Veredelung eines gefährlichen politischen Verhaltens. ({0}) Denn in Deutschland muss man wissen und in Deutschland kann man wissen, was es bedeutet, Nazis zu wählen. Daran darf nichts, aber auch gar nichts beschönigt werden. ({1}) Es ist, wie ich finde, keine erlaubte Rechtfertigung, einfach von Ursache und Wirkung zu sprechen und in diesem Zusammenhang auf die sozialen und wirtschaftlichen Probleme hinzuweisen, als wären Arbeitslose gewissermaßen verpflichtet, rechtsextremistisch zu wählen. Im Übrigen, liebe Kollegin Pau, ist es schlimmer: Es sind nicht nur soziale Gründe. In Deutschland gibt es ein stabiles Neonazipotenzial. Wilhelm Heitmeyer gibt jedes Jahr eine Studie heraus, in der er die Mentalitäten und Auffassungen der Deutschen untersucht. Er verzeichnet, dass es in Deutschland einen stabilen, aber sich langsam steigernden Prozentsatz von Menschen mit minderheitenfeindlichen, antisemitischen, ausländerfeindlichen, also insgesamt rechtsextremistischen Einstellungen gibt. Es ist schlimmer: Vor allem junge Männer haben die NPD gewählt. Sie denken und fühlen zum Teil wirklich rechtsextremistisch; da dürfen wir uns nichts vormachen. Es ist schlimmer: Die NPD fährt eine Doppelstrategie. Auf der einen Seite ist sie biedermännisch, nachbarschaftlich und bedient sich sozialer Probleme; auf der anderen Seite agieren die Gewalttäter aus den freien Kameradschaften gewissermaßen wie eine moderne SA. Beides verbunden nennt Udo Voigt, der NPD-Vorsitzende, die „nationale Volksfront“. Mecklenburg-Vorpommern haben sie sich als Modellland ausgesucht, diese Strategie erfolgreich umzusetzen. Auf diese Strategie müssen wir antworten. Eine zweite Bemerkung. Der Rechtsextremismus ist kein nur ostdeutsches Problem, aber eines mit einer heftigen ostdeutschen Schlagseite. Die Organisatoren, Aktivisten und Ideologen kommen zwar aus dem Westen; aber sie haben im Osten besonders viel Erfolg. Da spielt eine Erbschaft aus DDR-Zeiten eine Rolle: eine autoritäre Fixierung auf Staat und Politik, von denen man alles erwartet und von denen man dann, wenn die Wunder nicht eintreten, regelmäßig enttäuscht ist bis zur absoluten Demokratieverachtung. Des Weiteren: Das Ja zur Demokratie, das die Westdeutschen in den 50er-Jahren gewissermaßen im Prozess des wirtschaftlichen Aufschwungs, des Wirtschaftswunders, leichter sagen konnten, muss in Ostdeutschland trotz und angesichts großer sozialer und wirtschaftlicher Probleme gesagt werden. Das ist ein viel schwierigerer Prozess. Natürlich weiß ich, dass Arbeitslosigkeit, erfahrene Arbeitslosigkeit und Angst vor Arbeitslosigkeit, und soziale Zukunftsängste ein geradezu heftiges Bedürfnis nach einfachen Antworten erzeugen, die die demokratischen Parteien nicht geben dürfen. Das nutzen die Rechtsextremisten aus. Da hilft nur Ehrlichkeit. Wir können mit ihnen in Populismus nicht in Wettstreit treten und keine Wunder versprechen, weder bei der Arbeitslosigkeit noch bei Ausbildungsplätzen noch bei Wohlstandswachstum noch bei der strukturellen Entwicklung in Ostdeutschland. Da haben wir keine Wunder zu versprechen. Wir haben Veränderungsschmerzen zu erklären. Wer regiert - liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei PDS, Sie haben es erfahren -, der muss Schmerzen bereiten. Es geht nicht anders, wenn man Veränderungen aus Verantwortung für die Zukunft durchsetzen will. Weil das so ist, weil die Veränderungsschmerzen noch dauern werden, brauchen wir eine Demokratieoffensive, brauchen wir mehr denn je politische Bildungsarbeit, Jugendarbeit in Schule und Freizeit, alle Anstrengungen zur Stärkung der Zivilgesellschaft, also zur Unterstützung der demokratischen Initiativen in Ostdeutschland, auch den Schutz der Demokraten durch Staat, Polizei und Justiz. Wir brauchen das Zusammenwirken aller Demokraten, der Kommunalpolitiker, der Kirchen, der Gewerkschaften, der Vereine, das Zusammenwirken von Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden. Der Bund hat die Pflicht, gewissermaßen immer wieder neu voranzugehen, indem er anstiftet, Programme finanziert und politisch zeigt, wie geschlossen und einig wir im Kampf gegen Rechtsextremismus sind. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Monika Lazar für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Sonntag hat sich in Mecklenburg-Vorpommern jeder siebte Wähler für die NPD entschieden. 7,3 Prozent derjenigen, die ihre Stimmzettel abgegeben haben, glauben, dass unser Land Rechtsextremisten braucht, um voranzukommen. In Berlin gewannen die Neonazis im Verhältnis zur vorigen Wahl 20 000 Stimmen hinzu und zogen in fünf Bezirksvertretungen ein. Der NPD-Wahlerfolg vor zwei Jahren in Sachsen war also keine Eintagsfliege. Wer von diesen aktuellen Ergebnissen schockiert ist, der hat die schleichende Entwicklung an der braunen Front viel zu lange ausgeblendet. ({0}) Alarmierende Hinweise gibt es seit Jahren. Der Verfassungsschutz berichtet von einer Zunahme rechter Gewalttaten um 23,5 Prozent in nur einem Jahr. Umfragen zeigen diffuse fremdenfeindliche Einstellungen bei bis zu 60 Prozent der Bevölkerung. Negative Haltungen zu Fremden gehen Hand in Hand mit Forderungen nach Vorrechten für Deutschstämmige. Wir müssen uns fragen: Was macht Nazis in Deutschland stark? In sozial schwachen Wirtschaftsgebieten kümmern sich Rechtsextreme um die praktischen Probleme der Bevölkerung und bieten das an, was sich viele Menschen wünschen: soziale und kulturelle Angebote, Gemeinschaftsgefühl und Freizeitspaß. Besonders in Regionen, in denen die demokratischen Parteien zu wenig in der Bevölkerung präsent sind, fällt dies auf fruchtbaren Boden. Das simple Erklärungsmuster, wirtschaftliche Perspektivlosigkeit mache Menschen zu Naziwählern, greift allerdings zu kurz. Auch im bürgerlichen Milieu, Herr Burgbacher, punkten Rechtsextreme mit Antisemitismus und mit der kulturellen Abwertung Andersdenkender. Wie lautet die Antwort auf diese Entwicklungen? Als Stichworte nenne ich die Diskussion über die Abschaffung der Bundesprogramme, die Verharmlosung von Naziaktivitäten als Ostproblem, die strafrechtliche Verfolgung von antifaschistischen Symbolen und die verunglückte NPD-Verbotsdebatte. So darf unsere Antwort doch wohl nicht ausfallen. ({1}) Auf rechtsextremen Internetseiten wird darüber gewitzelt, wie hilflos sich die demokratische Politik gebärdet. In einer Schlagzeile wird getitelt: Der „Kampf gegen rechts“ tobt heftig, solange irgendjemand dafür bezahlt. In diesem Artikel wird hinterfragt, ob es uns Demokraten mit dem Kampf gegen den Rechtsextremismus wirklich ernst ist. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass über jeden Cent gestritten wird und die Länder und Kommunen nicht so recht in die Bundesförderung einsteigen wollen. Ja, die Nazis freuen sich, wenn Netzwerke und Beratungsstellen nicht mehr arbeitsfähig sind. Sie machen sich über die Angst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lustig, die kurz vor ihrer Kündigung stehen. Was machen wir? Ursprünglich war es die Idee der Grünen bzw. der rot-grünen Bundesregierung, das Programm CIVITAS aufzulegen, mit dem Initiativen in den neuen Ländern gefördert werden sollten. In den vergangenen fünf Jahren konnten auf diesem Wege wertvolle Strukturprojekte entstehen. Sie haben Netzwerke gebildet. Sie beraten Kommunen, helfen Opfern rechter Gewalt und Naziaussteigern und klären an Schulen auf. Wir Grüne haben Jahr für Jahr dafür gesorgt, dass sie ihre Arbeit fortsetzen konnten. Auch jetzt kämpfen wir weiter. Teilweise haben wir gemeinsam schon etwas erreicht. Nach der Bundestagswahl sah es zunächst so aus, als würde die Union die Mittel für diese Programme streichen; das wurde verhindert. Später war eine Ausweitung auf den Linksextremismus und auf den Islamismus vorgesehen; auch das ist vom Tisch. Ich frage mich: Wo haben wir es zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern mit Linksextremismus zu tun? Meines Erachtens gibt es ihn dort nicht. Ende 2006 sollten diese Programme auslaufen, ohne Übergangslösung. Jetzt hat ihnen das Bundesfamilienministerium, erschrocken und alarmiert durch die jüngsten Landtagswahlergebnisse, eine Gnadenfrist eingeräumt. Die Initiativen werden ein halbes Jahr länger als geplant Fördergelder erhalten. Das ist allerdings nur eine Scheinlösung; denn der Gang zum Arbeitsamt wird für die Mitarbeiter dieser Initiativen nur verschoben. Was aber geschieht dann? Das neue Programm soll kommen. Es startet allerdings ein halbes Jahr später als ursprünglich angekündigt. Wenn gesagt wird, dass man ein neues Programm auflegt und dafür erneut Mittel in Höhe von 19 Millionen Euro zur Verfügung stellt, klingt das zwar gut, aber es kommt auf die Details an. Erstens. Auf das neue Programm können sich keine Strukturprojekte bewerben. Das dürfen nur Modellprojekte tun, die etwas Neues anbieten, nicht jedoch die bewährten Initiativen. Seit dieser Woche wird im Ministerium von einer „bundesweiten Einsatzgruppe“ von Sozialpädagogen gesprochen, die beraten soll. Allerdings sage ich der CDU/CSU: All das gibt es schon. Man muss es nicht neu erfinden. ({2}) Außerdem ist dieser Begriff meines Erachtens militärisch geprägt. Daher sollte er, zumindest in diesem Zusammenhang, nicht verwandt werden. Zweitens. Für längerfristige Strategien dürfen künftig nur Kommunen und Landkreise Anträge stellen. Die freien Träger bleiben außen vor. Wir werden für ein neues Antragsrecht, für eine gleichberechtigte Antragstellung kämpfen. ({3}) Drittens. Wir akzeptieren nicht, dass die Initiativen jedes Jahr aufs Neue um ihre Existenz bangen müssen. Die Förderung muss institutionalisiert werden. ({4}) Mit 5 Millionen Euro könnten die Strukturprojekte dauerhaft gesichert werden. Wenn die Bundesregierung jährlich Millionen für dies und jenes ausgibt, sollten doch auch diese 5 Millionen bereitgestellt werden können. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheiden Sie sich klar, wen Sie stärken wollen: die Zivilgesellschaft oder Rechtsextreme. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Ronald Pofalla. ({0})

Ronald Pofalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001726, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 18. August 2006: NPD-Helfer greifen einen SPD-Wahlkampfstand in Hagenow an. 8. September 2006: Zwei SPD-Mitglieder, die in Berlin-Marzahn Wahlplakate aufhängen wollen, werden von Rechtsextremen verfolgt. Einer wird, am Boden liegend, getreten - gegen den Kopf - und so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus muss. 9. September 2006: Mitglieder der CDU in BerlinRudow werden an einem Wahlkampfstand von 20 NPDSympathisanten umringt, Bürger werden eingeschüchtert, sie sollten keine Werbemittel der CDU annehmen. Dies, meine Damen und Herren, waren nur einige Meldungen der letzten Wochen aus den beiden Landtagswahlkämpfen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern. Sie erinnern, wie ich finde, auf beklemmende Weise an die Schlägertrupps der 30er-Jahre. ({0}) Solche Einschüchterungsversuche und Gewalttaten haben nichts - ich betone: überhaupt nichts - mit Wahlkampf zu tun. Sie machen deutlich, welche Gesinnungen hinter den Führungskräften der NPD stehen, sie machen deutlich, dass sie vor Gewalt nicht zurückschrecken. Deshalb müssen wir als Demokraten das gemeinsam offen legen und gegen solche Schlägertrupps vorgehen. ({1}) Ich sage aber auch sehr deutlich - zur politischen Auseinandersetzung komme ich gleich noch -: Dies sind eindeutig Vorgänge für die Strafverfolgungsbehörden und für die Staatsanwaltschaften. Da sind wir Politikerinnen und Politiker aus gutem Grunde nicht diejenigen, die in der Verantwortung stehen, zu handeln. Ich erwarte von den zuständigen Staatsanwaltschaften, dass diese Vorkommnisse mit allem Nachdruck verfolgt werden und, wenn die Beweislage ausreicht, zu Anklagen vor Gericht führen. ({2}) Meinem Kollegen Hubertus Heil, dem Generalsekretär der großen Volkspartei SPD, droht eine Anzeige der NPD, weil er, von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machend, auf diese Methoden hingewiesen hat. Ich erkläre unmissverständlich für CDU und CSU: Wir Demokraten lassen uns von solchen Einschüchterungsversuchen nicht beeindrucken. Ganz im Gegenteil, an dieser Stelle stehen wir gemeinsam zusammen und machen deutlich: Wir Demokraten lassen uns von der NPD nicht einschüchtern. ({3}) Wir dürfen aber - da stimme ich Herrn Thierse und den Vorrednern zu - die NPD nicht verharmlosen. Wenn es in einzelnen Ortsteilen und in einzelnen Ortschaften ich habe mir die Stimmenanteile der beiden Landtagswahlen gestern noch einmal im Detail angesehen - der NPD gelungen ist, über 30 Prozent der Stimmen zu bekommen, muss ich auch in Richtung der demokratischen Parteien sagen: Wir müssen uns selbstkritisch fragen, was wir versäumt haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich viele der Menschen, die die NPD gewählt haben, nur vor einen Karren haben spannen lassen, weil die demokratischen Parteien keine Antworten auf ihre Probleme gefunden haben. Deshalb glaube ich, dass wir uns an diesem Tag, an dem wir eine solche Debatte führen, auch kritisch mit uns - damit meine ich alle demokratischen Parteien auseinander setzen und uns fragen müssen, ob wir mit den Wahlkämpfen, die wir schlechterdings praktizieren, wirklich noch die Menschen wirksam ansprechen können, die in der Gefahr stehen, von der falschen Seite überzeugt zu werden. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch eine Anmerkung machen, weil es in den letzten Tagen mit Blick auf die Bundesfamilienministerin Äußerungen gab, die ich nicht teilen kann. Um es deutlich zu sagen: Ich finde es nicht gut, dass als Erstes Kritik an der Bundesfamilienministerin geübt wird, wenn sich die demokratischen Parteien aufmachen, um gegen die NPD vorzugehen - auch argumentativ. Ich halte das erstens deshalb für unangebracht, weil die Programme - das hat der Staatssekretär gerade betont - zum Teil fortgeführt werden, und zweitens, weil die Überprüfung der Programme ergeben hat, dass nicht alle die Wirksamkeit erzielt haben, die wir uns wünschten. ({5}) Ich sage es sehr deutlich: Nicht jedes rot-grüne Programm, das von der Absicht her richtig war, ist erfolgreich umgesetzt worden. Deshalb muss die neue Bundesregierung auch eine Überprüfung der vorhandenen Programme vornehmen. ({6}) Sie muss die vorhandenen Mittel zielgenauer und effektiver einsetzen, damit wir - darin sind wir uns doch hoffentlich einig - die NPD und ihr Gedankengut am Schluss wirksam bekämpfen. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke spricht nun die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder von uns muss sich fragen, was er dazu beigetragen hat, dass die NPD jetzt in zwei Landtagen sitzt. Wir wissen, dass die NPD bei einem Wahlergebnis von 2 Prozent dümpeln würde, wenn der NPD durch politische Entscheidungen der letzten Jahre nicht die Wähler zugetrieben worden wären. Hier nur ein Stichwort: Hartz IV. Die Hartz-Gesetze sind das größte Demütigungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. ({0}) Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit treiben die Menschen in die Fänge der Rechtsextremen. ({1}) Wir als Politiker müssen alles tun, um den Menschen wieder Perspektiven zu geben. ({2}) Ein weiterer schwer wiegender Grund für die Erfolge der Rechtsextremen in Ostdeutschland ist die Politik der Gleichsetzung von Nationalsozialismus und DDR. Die DDR wird als Vehikel genutzt, um die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren und zu bagatellisieren. ({3}) - Ich werde Ihnen das erklären. - Egal, ob man in eine Zeitung schaut oder eine Fernsehsendung sieht: Wenn über die DDR geschrieben oder gesprochen wird, dann fehlt fast nie der Vergleich mit dem Nationalsozialismus. Jeder Jugendliche, der die DDR aus eigener Erfahrung oder aus den Erzählungen der Eltern kennt, kann aus dieser Gleichsetzung nur die Schlussfolgerung ziehen, dass der Nationalsozialismus so schlimm doch gar nicht gewesen ist. ({4}) Ein junger Mann, der eine Ausbildung als Erzieher absolviert, erzählte mir zum Beispiel, dass die Lehrer in der Erzieherschule die Jugendämter in der DDR und im Faschismus in einem Atemzug nennen. ({5}) In beiden Systemen seien Familien auseinander gerissen worden. Das ist eine groteske Verharmlosung. Unter Hitler wurden Menschen und Familien nicht nur auseinander gerissen. Damals wurden ganze Familien vergast. Das ist der Unterschied. ({6}) Die Dämonisierung der DDR ist ein gefundenes Fressen für Rechtsextreme. Der Spitzenkandidat der NPD in Mecklenburg-Vorpommern hat folgerichtig gleich nach der Wahl erklärt, dass in der DDR nicht alles schlecht war. Damit erreicht er eine Empörung bei den etablierten Parteien und erhofft er sich eine Zustimmung bei den Ostdeutschen. Meine Damen und Herren, mit der Verteufelung der DDR geht eine ständige Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus einher. ({7}) Der Historiker Baring spricht vor der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag nur noch von einer „beklagenswerten Entgleisung“, wenn er über die Verbrechen der Hitler-Diktatur spricht. Dieser Mann, der in kaum einer Talkshow fehlt, wird nicht etwa scharf zurechtgewiesen. Nein, er wird von der CDU noch verteidigt. Ich finde das wirklich absurd. ({8}) Der Faschismus ist doch wohl kein bedauerlicher Unfall der Geschichte. Ich finde, die Bundeskanzlerin hätte sich auch zu diesem Vorfall im Hessischen Landtag klar äußern müssen. Die NPD ist eine antidemokratische und menschenverachtende Partei, die bereit ist, über Leichen zu gehen und Menschen anzugreifen und einzuschüchtern, um ihre Ziele zu erreichen. Wir als Linkspartei werden uns mit der NPD nie abfinden. Wir werden uns parlamentarisch und außerparlamentarisch gegen diese Partei zur Wehr setzen. Meine Damen und Herren, wir werden auch nicht akzeptieren, dass die Bundesregierung versucht, mit ständigen Programmwechseln die kontinuierliche Arbeit gegen Rechtsextremismus zu behindern. Wir befinden uns derzeit in den Haushaltsberatungen. Wir haben alle Chancen, die Fehler, die gemacht wurden, rückgängig zu machen und die Verunsicherung der Menschen in den Initiativen zu beenden. Eine kontinuierliche und verlässliche Förderung der Initiativen muss die richtige Antwort sein. Ich hoffe, dass wir in den Haushaltsberatungen mit den Stimmen aller Fraktionen der verdienstvollen Arbeit der Initiativen Rückhalt geben, dass wir die Menschen nicht in Angst und Schrecken versetzen und die Nazis nicht triumphieren lassen. Dafür müssen wir gemeinsam in den Haushaltsberatungen die richtigen Entscheidungen treffen. Ich hoffe auf Ihrer aller Stimme. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Gabriele Fograscher.

Gabriele Fograscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Lötzsch, eine Aktuelle Stunde aus Anlass der rechtsextremen Entwicklungen in unserem Land dazu zu nutzen, das DDR-System und die Diktatur zu rechtfertigen, ist schon sehr verräterisch und auch ziemlich daneben. ({0}) Herr Pofalla, eine Familienministerin, die für die Programme zuständig ist und die es zulässt, dass über Wochen und Monate hinweg Unklarheit über die Ausgestaltung und die Weiterführung dieser Programme herrscht, muss sich auch Kritik anhören. ({1}) Immer wenn die NPD Wahlerfolge erzielt, immer wenn ein Aufmarsch stattfindet, wenn rechte Schläger Menschen auf der Straße attackieren, dann wendet sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien dem Thema Rechtsextremismus zu. Leider wendet sich diese Aufmerksamkeit ebenso schnell wieder dem Tagesgeschäft zu. Um aber Einstellungen zu ändern und um Demokratie und Toleranz zu lehren und zu lernen, braucht es einen langen Atem. Was also kann man tun? Man muss zunächst einmal erkennen, dass das Wahlergebnis nicht zufällig oder überraschend zustande kommt. Die NPD verfolgt eine gezielte Strategie; das sagt sie auch ganz offen. Die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern zitierte Holger Apfel aus Sachsen: Die NPD werde jetzt die Republik aufrollen, über die „Achse Schwerin-Dresden“. Seine Fraktion werde geschulte Leute nach Schwerin entsenden, um den Kameraden zu helfen. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die Rechten dort breit machen, wo demokratische und gesellschaftliche Strukturen schwach sind. Sie gründen Bürgerinitiativen, sie bieten Konzerte an, sie veranstalten Sommerfeste für die ganze Familie, sie unterwandern Vereine. Sie tarnen sich als Biedermann und machen sich breit in der Gesellschaft. NPD zu wählen ist kein Protest. Diejenigen, die ihr Kreuz bei der NPD machen, wissen doch, wen und was sie wählen. An eindeutigen Aussagen von Kandidaten und auf den Wahlplakaten fehlt es nicht. Spätestens seit Wahlkampfhelferinnen und Wahlkampfhelfer von Rechten angegriffen wurden und Wahlversammlungen aller demokratischen Parteien gestört werden, muss es doch klar sein: Hier geht es nicht um eine Auseinandersetzung Rechts gegen Links, sondern um gezielte und gesteuerte Angriffe auf Demokraten und auf die Demokratie. ({2}) Was also kann man tun? Wir müssen die Menschen, die sich vor Ort für Demokratie, für Vielfalt und für Toleranz einsetzen, unterstützen. Deshalb ist es gut, dass der Bund jährlich 19 Millionen Euro für Initiativen und Projekte zur Verfügung stellt. Es ist gut, dass das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ Bürgerinitiativen auszeichnet, dass es „Schule ohne Rassismus“ und viele andere Initiativen gegen rechts gibt. Aber das reicht offensichtlich nicht aus. Der Strategie der Rechten müssen wir eine Strategie der Demokraten entgegensetzen. Es braucht Strukturen, in denen engagierte und kompetente hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ehrenamtliche unterstützen. Es braucht Strukturen, um Netzwerke zu bilden, die Opfer zu beraten und mit mobilen Beratungsteams - Herr Kues, ich begrüße ausdrücklich Ihre ermutigende Aussage dazu ({3}) wirksam gegen die Rechten vorzugehen. Deshalb brauchen wir über die zeitlich begrenzte Projektförderung hinaus eine nachhaltige Finanzierung dieser Strukturprojekte. Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist nicht allein Aufgabe des Bundes. Vielmehr sind die Länder, Kommunen und alle gesellschaftlichen Akteure insgesamt gefordert. Man kann sich zwar fragen - wie es Herr Burgbacher und auch Herr Pofalla getan haben -, ob die Bundesprogramme ausreichend und wirksam sind, doch die Antwort allein in der Beseitigung der Ursachen der Perspektivlosigkeit von jungen Menschen zu sehen, geht nicht weit genug. Das Problem löst sich nicht von allein und es wird sich auch nicht automatisch durch Wachstum und Beschäftigung lösen. Was machen wir denn, bis sich Wachstum und Beschäftigung in Mecklenburg-Vorpommern und anderen ländlichen Regionen einstellen? Wo sollen die Arbeitsplätze entstehen, wenn sich international agierende Unternehmen scheuen, in einer Region zu investieren, in der die Rechten Wortführer sind? Dort, wo es zu Übergriffen rechter Gewalt gekommen ist, gibt es doch schon konkrete negative Auswirkungen, zum Beispiel im Bereich Tourismus. Das ist der Grund, warum sich viele Kommunen scheuen, offensiv gegen rechts vorzugehen. Sie fürchten um den Ruf ihrer Gemeinde. Deshalb haben die Rechten dort ein leichtes Spiel. Statt aufgeregter Debatten brauchen wir mehr Zivilcourage und Mut, eine offensivere Auseinandersetzung mit der rechten Ideologie, mehr Information und Aufklärung und mehr Leidenschaft der Demokraten für die Demokratie. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl. ({0})

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Sonntag haben 580 000 der 1,4 Millionen Wahlberechtigten in Mecklenburg-Vorpommern von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht und 60 000 haben die NPD gewählt. Bei der letzten Wahl waren es nur 7 700. In Berlin haben die Wähler der NPD zum Einzug in fünf von zwölf Bezirksparlamenten verholfen. Die Zahl der politisch rechts motivierten Straftaten hat dramatisch - um fast 30 Prozent - zugenommen. Die NPD - es wurde bereits gesagt; auch wir stellen das fest - bekämpft unseren Rechtsstaat, schürt Hass und schadet vor allem dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen gehört der Kampf gegen den Rechtsextremismus zur Hauptaufgabe aller demokratischen Parteien in unserem Land. Das ist auch das Ergebnis der heutigen Debatte in diesem Haus. ({0}) Wir haben in unserem Koalitionsvertrag Folgendes festgehalten: Toleranz und Weltoffenheit sind Markenzeichen einer freiheitlichen Gesellschaft. Deshalb dürfen Extremismus, Rassismus und Antisemitismus keine Chance haben. Darauf haben wir uns geeinigt, aber dem wird auch jeder in den Oppositionsparteien zustimmen. Gerade in Zeiten von sozialen Ängsten und Millionen von Arbeitslosen haben Extremisten, besonders aber die Rattenfänger vom rechten Rand Hochkonjunktur. Mit Parolen wie „Hartz IV, Praxisgebühr, Mehrwertsteuer jetzt reicht’s“, mit denen im Wahlkampf geworben wurde, kann man zwar Wähler einfangen, aber keine Probleme lösen. Herr Thierse, Sie haben das bereits ausgeführt. Extremisten entzieht man den Nährboden durch die Vermittlung von Werten wie Freiheit, Demokratie und Menschenwürde. Die Schaffung einer Zukunftsperspektive ist das wirksamste Mittel gegen die dumpfen braunen Parolen. ({1}) Die Förderprogramme - sie wurden bereits angesprochen - müssen daraufhin evaluiert werden, ob sie in ausreichendem Maße zielgerichtet und effektiv sind. Ich bin dankbar, dass hier nicht wie in einer Haushaltsberatung darüber gestritten wird, ob 19 Millionen Euro für die Förderung von Projekten gegen rechts ausreichen oder ob mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Das wäre wahrscheinlich zu platt argumentiert. Ich will nicht aus der Tatsache, dass die Zahl der NPD-Wähler von über 7 000 auf rund 60 000 gestiegen ist, den Schluss ziehen, dass die Programme nichts bewirkt haben, und fragen, ob man alles so organisiert hat, wie man es hätte tun müssen. In der heutigen Ausgabe der „FAZ“ ist ein sehr tief gehender, analytischer Artikel von Schirrmacher erschienen. Es ist empfehlenswert, ihn zu lesen. Man muss die Analyse und die Ergebnisse nicht teilen. Aber er kommt von der demografischen Analyse zu der bedenkenswerten Schlussfolgerung, dass wahrscheinlich eine längerfristige Radikalisierung des Landes zu befürchten ist. Er ist der Meinung, dass die Alterung der Bevölkerung einerseits und der Überschuss der dort gebliebenen jungen Männer andererseits dazu führen, dass diese nicht nur keine Aussicht auf Arbeit, sondern auch keine Aussicht auf einen Lebenspartner haben. Aufgrund dessen entstehe ein Milieu, das zu Radikalisierung und Aggressivität neige sowie für die Parolen der Rechtsradikalen und die Anpreisung männerbündischer Lebensformen empfänglich sei. Wenn man diese Analyse teilt, dann ist es sicherlich falsch, sich auf eine Skandalisierung der rechtsextremen Wähler zu beschränken. Dann muss man vielmehr tiefer gehende, langfristig angelegte sozialpädagogische Maßnahmen ergreifen. Aus diesem Grunde brauchen wir eine Evaluierung. Herr Thierse, Sie haben darauf zu Recht hingewiesen, dass wir nichts schönreden dürfen. Wir brauchen aber eine tiefer gehende Strategie. Für das zur Diskussion stehende Phänomen gibt es offenbar mehr Gründe als nur den fehlenden Arbeitsplatz. Ich lehne ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD strikt ab. Parteiverbote sind letztlich staatliche Reglementierungen des Parteienspektrums. Sie dürfen nur eine Ultima Ratio sein. Ich verstehe zwar, dass man die Flucht nach vorne antreten will und auf ein Parteiverbot per Urteil des Bundesverfassungsgerichts hofft. Aber freie und geheime Wahlen sind nun einmal mit Nebenwirkungen und Risiken verbunden; das kennen wir alle als Demokraten. Damit muss man leben. Deswegen ist ein solches Verbot sicherlich der falsche Weg. Einerseits sollten wir gelassener sein. Schauen Sie sich die Entwicklung der Wählerstimmen für die Rechtsradikalen in Italien und Frankreich an! Andererseits müssen wir alle zusammen den Kampf entschlossen aufnehmen. Diese Debatte zeigt, dass wir alle an einem Strang ziehen und uns für einen effektiveren Kampf gegen die NPD - in diesem Fall in Mecklenburg-Vorpommern - einsetzen. Danke schön. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Kerstin Griese.

Kerstin Griese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank an all diejenigen beginnen, die die Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht als ein tagesaktuelles Thema - mit Höhen und Tiefen - betrachten, sondern die sich seit vielen Jahren gegen rechts engagieren. Ich nehme das für viele von uns in der Politik in Anspruch. Wir wissen, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus und der Kampf für Demokratie und Toleranz Daueraufgaben sind. Wenn man sich die von Herrn Pofalla beschriebenen Angriffe im Wahlkampf sowie die Erlebnisse unseres Fraktionsvorsitzenden Peter Struck in Mecklenburg-Vorpommern vor Augen führt, dann darf man nicht gelassen sein. Dort wurden gewalttätige Angriffe auf unsere Demokratie begangen. Alle, die sich gegen die gewalttätigen Schlägerhorden, die wie die SA auftreten, und sich gegen die NPD und die Neonazis engagieren, bedürfen unser aller Unterstützung. ({0}) Ich bin dankbar, dass die zivilgesellschaftliche Arbeit, die dort geleistet wird, von einer großen gesellschaftlichen Breite getragen wird. Ich glaube, es ist wichtig, das in der heutigen Debatte zu erwähnen. Das sind Menschen aus allen demokratischen Parteien, aus der katholischen und der evangelischen Kirche, aus jüdischen Gemeinden, aus Bürgerbündnissen, aus Wohlfahrtsverbänden und aus Initiativen vor Ort. Dazu gehört zum Beispiel der Bürgermeister von Pirna, der hautnah am eigenen Leib erlebt, was es heißt, wenn Neonazis die städtische Arbeit bedrohen. Dazu gehören auch Träger von politischer Bildungsarbeit und Jugendarbeit. Diese zivilgesellschaftliche Aufgabe geht uns alle an. So wichtig ich dieses Programm finde - ich habe mich dafür in den letzten Monaten sehr engagiert -: Die 19 Millionen Euro des Bundes reichen nicht. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam ihre Anstrengungen verstärken. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es Landstriche, wo die NPD die Einzigen sind, die Nachhilfeunterricht anbieten, die Fußballturniere organisieren, die Stadtteilfeste und Familienpicknicks veranstalten. Das heißt, dass die Zivilgesellschaft in den Kommunen, in den Ländern und im Bund mehr denn je gefragt ist. ({1}) Es geht deshalb neben der sicherheitspolitischen, innenpolitischen Arbeit auch um eine präventive pädagogische Arbeit in den Regionen. Zur Weiterentwicklung der Programme - ich bin Ihnen, Herr Staatssekretär Kues, und Ihnen, Frau Ministerin von der Leyen, sehr dankbar für die konstruktiven Gespräche, die wir dazu in den letzten Tagen führten - brauchen wir zwei Dinge: Wir brauchen erstens eine kontinuierliche Unterstützung der Menschen, die sich für Demokratie und Toleranz engagieren, und zweitens eine weitere bundesweite Förderung, die langfristig angelegt ist, damit diese Arbeit weiterentwickelt werden und gedeihen kann. ({2}) Wenn Sie sich die Evaluation - es gibt schon eine Zwischenevaluation - ansehen, sehen Sie, dass in vielen Bereichen die Ziele erreicht worden sind. Dass jetzt 80 Prozent der Projekte von ENTIMON von lokalen Trägern übernommen werden, zeigt, dass die Projekte gewirkt haben. Sie haben dort besonders gut funktioniert, wo es eine Vernetzung etwa in Form einer sehr kompetenten mobilen Beratung in Schulen und Stadtteilen gegeben hat. Die Evaluation - das sagt auch die Bundesregierung auf ihrer Homepage - zeigt: Die Stärkung der Zivilgesellschaft bleibt weiterhin eine wichtige Aufgabe. Deshalb mein Appell: Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie wir diese Arbeit kontinuierlich und langfristig sichern können, wie wir besonders den mobilen Beratungsteams, Opferberatungsstellen und Netzwerkstellen eine langfristige Grundlage geben können! ({3}) Ich hatte in der letzten Woche ein interessantes Erlebnis. Ich war in Dresden, in Sachsen, zur Ordination der ersten Rabbiner in Deutschland seit 1942. Es war ein sehr bewegendes und schönes Ereignis, das zeigt, dass es wieder vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland gibt. Dieses Ereignis konnte nur unter starkem Polizeischutz stattfinden. Ich war auch im ein paar hundert Meter entfernt liegenden Dresdner Landtag, in dem mit 9,2 Prozent die NPD sitzt, die dafür sorgt, dass das Gedankengut existiert, aufgrund dessen solche Ereignisse nur unter Polizeischutz stattfinden können. Weil wir uns koalitionsintern gegenseitig zitieren, will ich dazu Herrn Milbradt, den sächsischen Ministerpräsidenten, zitieren, der zur NPD gesagt hat: Wir dürfen nicht darauf hoffen, dass das nur eine Welle ist, die irgendwann wieder vorbei ist. Diese Einschätzung teile ich. Es geht um ein langfristiges Engagement aller demokratischen Kräfte. Solange solche Festakte wie diese Rabbinerordination nur unter Polizeischutz stattfinden können, müssen wir alle uns gemeinsam gegen diese braunen Horden und dieses Gedankengut stellen. ({4}) So wichtig die Jugendarbeit ist - wir wollen diese Programme im Bereich der Jugendpolitik weiterführen und verstetigen und wir wollen ausdrücklich auch einen zusätzlichen Fördertopf für die langfristige und kontinuierliche Sicherung der Strukturprogramme -, so wichtig ist es, auch immer zu betonen: Es ist kein Jugendproblem alleine. Die Erwachsenen sind Vorbilder. Das, was in den Köpfen der Jugendlichen gedeiht, kommt auch von Erwachsenen. Wir sollten uns das Motto „Ohne Angst verschieden sein zu können“ vor Augen halten. Das muss in die Herzen und Köpfe der jungen Menschen, aber auch der Eltern- und Großelterngeneration. Dazu müssen alle Demokratinnen und Demokraten gemeinsam Position beziehen. Deshalb hoffe ich auf weitere gute Gespräche, um die Arbeit, die vor Ort für Demokratie und Toleranz geleistet wird, sichern zu können. Auch die Bundespolitik muss ein Zeichen setzen, dass wir den Rechtsextremen keinen Fußbreit überlassen. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Eckhardt Rehberg. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau Kollegin Lötzsch, die Aussage, die Politik habe der NPD die Wähler zugetrieben, ist ein Vorwurf, den ich für mehr als schwerwiegend halte. Ich hätte erwartet, dass Sie, wenn Sie eine Aktuelle Stunde über die Konsequenzen des Einzugs der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern beantragen, etwas selbstkritischer wären. Sie tragen seit acht Jahren Mitverantwortung in Mecklenburg-Vorpommern. Vor allem die Schuld so pauschal zuzuweisen, ohne sich einmal an die eigene Nase zu fassen, halte ich für unangemessen, Frau Kollegin Lötzsch. ({0}) Die Gleichsetzung des Nationalsozialismus mit der Zeit von 1949 bis 1989 ist doch ein Ablenken. Ich denke, wenn wir diesen Punkt ernst meinen, gerade was die Gruppe der jungen Leute, der 18- bis 24-Jährigen, betrifft, dann muss uns alle doch erschüttern, dass eine bundesweite Studie über 5 600 Schüler ergeben hat, dass nicht einmal jeder zweite das Ende des Zweiten Weltkrieges richtig datieren konnte. Ich weiß, dass das Ländersache ist. Ich komme aus der Landespolitik. Wenn wir auf das Jahr 2011 schauen - dann werden aller Voraussicht nach in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin wieder Wahlen sein -, dann stellen wir fest, dass die zukünftigen Erstwähler heute 13 bis 15 Jahre alt sind. Schauen Sie sich an, was bis zur zehnten Klasse gelehrt wird - die Rahmenpläne der einzelnen Länder unterscheiden sich nicht wesentlich von dem, was in Mecklenburg-Vorpommern im Geschichts- und Sozialkundeunterricht vorgesehen ist -: Es wird wohl die Zeit von 1933 bis 1945 beschrieben, aber es wird weder Zeit noch Raum dafür gelassen, die Verbindung zu aktuellen Entwicklungen, insbesondere was den Rechtsextremismus betrifft, herzustellen. ({1}) Da muss ich sagen: Es muss dafür Zeit und Raum gegeben werden. Schüler, die von der Hauptschule, der Realschule oder der Regionalschule in die Berufsschule wechseln, hören fast gar nichts über Diktaturen, weder über die braune Diktatur noch über rote Diktaturen. Wir sollten auf keinem Auge blind sein, weder auf dem rechten noch auf dem linken. Frau Kollegin Lazar, es tut mir Leid, aber ich muss den Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern zitieren, der sagte, die innere Sicherheit werde nicht nur durch rechtsextremistische Bestrebungen gefährdet, sondern auch dem islamischen Extremismus und Terrorismus sowie zunehmend dem Linksextremismus gelte die besondere Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes. Wenn wir auf diesem Gebiet wirklich etwas erreichen wollen, dann müssen wir die Spannbreite von links bis ganz nach rechts sehen. Das ist die Aufgabe der Demokratie. ({2}) Deswegen gehört es dazu, dass wir auch vonseiten des Bundes Druck auf die Länder ausüben, damit für die Lehrer Pflichtfortbildungsprogramme in Geschichte und Sozialkunde durchgeführt werden und das Thema Nationalsozialismus weit vor der zehnten Klasse gelehrt wird. Was nützt es, wenn Sie mit einem 14-Jährigen zu welchem Ereignis auch immer, zum Beispiel zur Jugendweihe, der ich wirklich nicht nahe stehe, nach Buchenwald oder Sachsenhausen fahren? Der hat vorher niemals etwas von diesem Thema gehört und nachher hört er auch nichts davon. Ihm hilft eine solche Reise nichts, aber auch gar nichts. Lassen Sie mich zum Schluss jemanden ganz Unverdächtigen zitieren. Man muss seine Meinung nicht teilen. Ich bin heute der Einzige aus Mecklenburg-Vorpommern, der zu diesem Thema spricht, was ich bedauere. Ich spreche von dem Landesrabbiner William Wolf, 79 Jahre. Wer diesen Mann kennt, der weiß, dass das, was er sagt, ernst ist und dass es von Herzen kommt. Er sagt, die überwältigende Mehrheit habe demokratisch gewählt. Er sei glücklich und stolz auf die Mecklenburger und Vorpommern. Zur Angst bestehe kein Anlass. Er riet der Politik zu großer Gelassenheit. Eine demokratische Gesellschaft müsse das aushalten. Mehr als 90 Prozent hätten demokratisch gewählt. Er sagt zum Schluss: Ich lebe und arbeite furchtbar gern in Mecklenburg-Vorpommern. Herzlichen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Sebastian Edathy für die SPD-Fraktion.

Sebastian Edathy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003111, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur eine kurze Anmerkung zu dem, was der Kollege Rehberg eben vorgetragen hat. Ich bin sehr dafür - meine gesamte Fraktion ist dafür -, dass wir uns linksextremistischen Tendenzen ebenfalls entgegenstellen. Ich bin aber auch dafür, dass wir Probleme lösen, die tatsächlich da sind. Das Thema Linksextremismus oder Islamismus ist in Mecklenburg-Vorpommern bei weitem nicht so ausgeprägt, wenn es denn überhaupt vorhanden ist, wie das Thema Rechtsextremismus. ({0}) Es ist einfach nicht gut, wenn manche Teile des Hauses den Eindruck erwecken, hier müssten Probleme erst konstruiert werden, um sie anschließend lösen zu können. ({1}) Das Problem, das wir mit dem Thema Extremismus in Deutschland haben, ist das Problem des Rechtsextremismus. Wir machen die Erfahrung, dass wir in diesem Parlament oftmals anlassbezogen über Rechtsextremismusbekämpfung und -prävention reden. Es kommt entscheidend darauf an, dass wir uns nicht auf Rituale verbaler Erregung beschränken, sondern dass wir zu konsequentem, handfestem Handeln gelangen. ({2}) Das muss auch ein Ergebnis dessen sein, was wir in den nächsten Wochen bei der Haushaltsberatung miteinander zu besprechen haben. Das Thema Rechtsextremismusbekämpfung ist kein Randthema, sondern eine zentrale Herausforderung für unsere Demokratie. Rechtsextremismus in Deutschland hat sich radikalisiert. Das klingt zunächst einmal seltsam, aber bei den Straftaten gibt es über die letzten zehn Jahre einen klaren Anstieg. Er hat sich professionalisiert. Das sehen wir an der NPD. Das sehen wir an Wahlabsprachen. Das sehen wir an Bündnissen der NPD mit dem nicht parteigebundenen Rechtsextremismus in Deutschland. Und Rechtsextremismus in Deutschland hat sich deutlich verjüngt. Das sehen wir zum Beispiel am Wahlverhalten derer, die 18 bis Mitte 20 sind. Sie haben ganz überdurchschnittlich NPD gewählt. Wir sehen es aber auch bei der Mitgliedschaft dieser radikalsten rechtsextremistischen Partei, die wir in Deutschland haben. Was heißt das? Das heißt, die Einschätzung, dass wir es wahrscheinlich nicht mit einem nur vorübergehenden Problem zu tun haben, ist sehr realitätsnah. Wenn wir über das Thema Rechtsextremismus sprechen, müssen wir wissen: Wir brauchen einen langen Atem. Wir brauchen auch Programme, die über fünf Jahre hinausgehen. Wir brauchen einen stetigen Ansatz. Wir müssen schließlich darauf achten, dass wir den Rechtsextremisten in Deutschland nicht nur nicht die Straßen und Plätze, sondern auch nicht - das muss der entscheidende Punkt sein - die Herzen und Köpfe der Menschen überlassen, gerade und schon gar nicht der heranwachsenden Menschen in Deutschland. ({3}) Was mich nicht gelassen bleiben lässt, Herr Kollege Uhl, ist, wenn wir feststellen: Offenkundig ist es rechtsextremistischen Organisationen in Deutschland in den letzten Jahren zunehmend gelungen, erfolgreich - leider erfolgreich - junge Menschen anzusprechen. Deswegen ist der entscheidende Ansatz, mit dem wir uns beschäftigen müssen, der Ansatz der Vorbeugung, der Prävention. Zehnmal wichtiger, als Angebote für potenzielle Aussteiger aus der Neonaziszene zu machen, ist es, Angebote und Vorkehrungen zu erarbeiten, die dafür sorgen, dass junge Menschen erst gar nicht in die Szene abrutschen, dass sie erst gar nicht einsteigen. ({4}) In diesem Zusammenhang einige Worte zum Thema Bundesprogramm. Zunächst zur Wirksamkeit von Präventionsprogrammen. Es ist ja wohl eine Binsenwahrheit, dass man schlecht wird messen können, wie die Wirksamkeit von Aufklärung über Risiken ist und wie sich ein missbilligtes Verhalten entwickelt; das ist nicht unmittelbar abzulesen. Aber ich möchte mir nicht vorstellen, wie es um bestimmte Regionen unseres Landes bestellt wäre, wenn es diese Programme nicht gegeben hätte. ({5}) Wir müssen bei der Weiterentwicklung der Programme sicherstellen, dass es keine zeitlichen Lücken gibt. Wir müssen sicherstellen, dass diejenigen Initiativen, die mit professioneller Arbeit hervorragende Ergebnisse erzielt haben - wie die Initiativen im Bereich der Opferberatung und der mobilen Beratung -, eine sichere finanzielle Perspektive bekommen, eine dauerhafte Finanzierung auch seitens des Bundes. Ich würde Sie schon darum bitten, Herr Kues, noch einmal zu prüfen, ob Antragsteller immer die Kommunen sein müssen. Ich kann mich gut erinnern: Vor einigen Monaten war in der Ortschaft Pretzien in Sachsen-Anhalt der Bürgermeister bei einer so genannten Sonnenwendfeier dabei, wo das Tagebuch von Anne Frank verbrannt worden ist. Wir haben jetzt in Mecklenburg acht Gemeinden, in denen die NPD bei der Landtagswahl stärkste Kraft geworden ist. Wir sehen, dass in vielen Kommunen das Problembewusstsein für das Thema Rechtsextremismus leider nicht so ausgeprägt ist, wie es nötig wäre. Im Ziel sind wir uns einig: möglichst eine kommunale Einbindung von Projekten, die wir durch den Bund fördern. Aber es muss eben auch möglich sein, dass der Bund dort, wo es objektiv ein Problem gibt, das von der Kommunalpolitik nicht zur Kenntnis genommen wird, eine Anreizfunktion wahrnimmt bzw. eine Mitverantwortung übernimmt. Das würde ich mir jedenfalls dringend wünschen. ({6}) Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen: Es reicht nicht aus, wenn wir uns nur auf Bundesebene mit dem Thema beschäftigen. Es ist ja schon gesagt worden: Die Länder und auch die Kommunen müssen mit ins Boot. Das ist auch völlig klar. Mit einem Bundesprogramm können wir zum Beispiel nicht das Schließen von Jugendzentren in vielen Regionen kompensieren. Aber genau in solche Ortschaften gehen ja die Neonazis, machen Angebote und bieten Ausflüge oder Konzertveranstaltungen an. Wir brauchen - darüber bitte ich auch diese Bundesregierung einmal nachzudenken - einen konzeptionell neuen Ansatz. Es findet jetzt auf Einladung der Bundeskanzlerin ein Integrationsgipfel statt. Es wird auf Einladung des Bundesinnenministers einen Islamgipfel geben. Vielleicht könnte sich die Bundesfamilienministerin die Idee zu Eigen machen, ein Bündnis gegen Rechtsextremismus unter Einbeziehung der staatlichen Akteure auf allen Ebenen, aber auch der großen Organisationen und Verbände, wie zum Beispiel der Sportvereine, zu schmieden. Ich finde es vorbildlich, dass Schalke 04 einen Nichtvereinbarkeitsbeschluss gefasst hat: Wer NPD-Mitglied ist, kann nicht Mitglied bei Schalke 04 sein. Damit macht man deutlich: Rechtsextremist zu sein, ist nicht akzeptabel. ({7}) Man könnte beispielsweise im Rahmen eines solchen Bündnisses die Bundeszentrale für politische Bildung beauftragen, Angebote schon in Kindergärten und Grundschulen zu machen. Das muss ja nicht heißen, Geschichtsunterricht zu machen, sondern viel eher, demokratische Verhaltensweisen einzuüben. Ganz zum Schluss bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns an einem Konsens festhalten, der hier in diesem Hause über viele Jahrzehnte getragen hat: Ja, Rechtsextremismus in Deutschland ist real, aber nein, als normal werden wir ihn nie betrachten. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Thomas Dörflinger für die Unionsfraktion. ({0})

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Letzter, der in dieser Debatte das Wort nimmt, habe ich die Gelegenheit, durch die Reihen zu sehen und festzustellen: Wir haben heute keine aufgeregte Debatte geführt. Wir hätten angesichts der Ereignisse des vergangenen Sonntags allen Anlass dazu gehabt. Daran, dass wir das nicht getan haben, haben wir gut getan. Fast alle haben sich ja auch an diese Maßgabe gehalten. Mich hat etwas nachdenklich gestimmt, dass die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland mit Blick auf die Ereignisse des vergangenen Sonntags davon gesprochen hat, es handele sich um eine Bankrotterklärung der Politik. Nun muss man diese drastische Formulierung so nicht teilen, aber es ist dennoch Anlass, innezuhalten und einen Blick darauf zu werfen, was man politisch und gesellschaftlich getan hat. Dabei stellt sich die Frage: Haben wir denn alles richtig gemacht? Selbstverständlich ist es richtig, dass sich die Wirksamkeit und die Effizienz von Programmen wie den beiden, über die wir heute in dieser Debatte reden, nicht oder nicht alleine an Wahlergebnissen ablesen lässt. Wenn es aber entsprechende Wahlergebnisse gibt, wenn die Zahl der Landtage in Deutschland, in denen Rechtsextremisten sitzen, nicht sinkt, sondern wächst, wenn man sich die Analyse von Frank Schirrmacher in der „FAZ“ - HansPeter Uhl hat sie ja zitiert - vor Augen führt und sich vergegenwärtigt, dass es Landstriche in Deutschland gibt, in denen man beim Durchfahren den Eindruck hat, die NPD bestimme dort - vermeintlich oder tatsächlich das politische oder gesellschaftliche Geschehen, dann können wir nicht zu dem Ergebnis kommen, dass wir auf diesem politischen Feld alles richtig gemacht haben. Insofern besteht durchaus Anlass zur Selbstkritik, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({0}) Allerdings habe ich mit Blick auf die Debatten, die wir in der Vergangenheit geführt haben, den Eindruck, dass es manchmal schon falsch ist, die Frage zu stellen - ich stelle sie trotzdem -: Haben wir alles richtig gemacht? Mit Blick auf das, was uns seitens des Ministeriums heute Morgen im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bezüglich der Fortführung der Programme vorgetragen wurde, sage ich: Ja, Herr Staatssekretär, das Ministerium scheint mir auf dem richtigen Wege zu sein. Es ist nämlich richtig, diese Dinge auf eine breitere und vor allen Dingen nachhaltigere Grundlage zu stellen. Ich will versuchen, einen weiteren zusätzlichen Aspekt in die Debatte einzubringen: Ich möchte dazu raten, ein Stück weit aus der Geschichte zu lernen - vorzugsweise aus der eigenen; das ist am einfachsten. Wenn man sich die Strategie vor Augen führt, die diejenigen, die man getrost als die geistigen Eltern bzw. Großeltern derer, die heute rechts außen stehen, in den späten 20erund frühen 30er-Jahren in Deutschland gefahren haben, erkennt man gewisse Parallelen. Es ergeben sich Parallelen insoweit, als man damals versucht hat, bestehende gewachsene Strukturen zunächst zu unterwandern, diese Strukturen dann in einem zweiten Schritt zu zerstören und in einem letzten Schritt diejenigen, die für diese Strukturen eingestanden sind und innerhalb dieser Strukturen ehrenamtlich oder hauptamtlich gearbeitet haben, umzubringen. Der Fokus der Aktivitäten war also auf die gewachsenen Strukturen des so genannten vorpolitischen Raums gerichtet. Wenn wir die Gegenwart betrachten, können wir erkennen, dass wir überall dort, wo es diese gewachsenen Strukturen in Vereinen und in Verbänden und das damit verbundene ehrenamtliche Engagement nicht gibt, aufgefordert sind, auf den verschiedenen politischen Handlungsfeldern etwas zu tun, damit diese Strukturen entstehen können. Es ist auch mir klar, dass uns dies nicht von heute auf morgen gelingt. Außerdem wird es viel Geld kosten. Wir sollten aber dieses Geld - ich teile die Auffassung - auf mehreren politischen Ebenen und über einen langen Zeitraum für diesen Zweck zur Verfügung stellen. Ich will noch auf einen Punkt zurückkommen, der mich in dieser Debatte gestört hat. Beim Beitrag des Kollegen Ernst Burgbacher kam kurzfristig Unruhe auf. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Demokraten dieser Republik - damit meine ich nicht nur diejenigen, die in diesem Parlament sitzen - daran gemessen werden sollten, inwieweit sie sich gegen die Bedrohung unserer Demokratie - unabhängig davon, aus welcher Motivation dies geschieht - zur Wehr setzen. Wir können den Grad unserer Empörung und unsere Forderung nach strafrechtlichen Konsequenzen nicht davon abhängig machen, aus welchen politischen, religiösen oder sonstigen Motiven eine solche Straftat verübt wird. Wir müssen einem Angriff auf die Demokratie per se entgegentreten. Wenn in einer ähnlichen Debatte jemand etwas Ähnliches sagt wie vorhin der Kollege Burgbacher, dann wünsche ich mir, dass wir uns unabhängig von der tagespolitischen Aktualität und unabhängig von der persönlichen politischen Ausrichtung in diesem Punkt einig sind: Die Demokraten dieser Republik stehen zusammen, wenn es Angriffe auf unsere Demokratie, unabhängig aus welcher Richtung sie erfolgen, gibt. Herzlichen Dank. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. September 2006, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.