Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/8/2006

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kolle- gen! Die Sitzung ist eröffnet. Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesord- nungspunkt 1 - fort: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2007 ({0}) - Drucksache 16/2300 - b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010 - Drucksache 16/2301 Ich erinnere daran, dass wir am vergangenen Dienstag für die heutige Aussprache insgesamt vier Stunden vorgesehen und beschlossen haben. Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Einzelplan 09. Ich erteile das Wort dem Bundesminister Michael Glos. ({1})

Michael Glos (Minister:in)

Politiker ID: 11000691

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist unbestritten: Der wirtschaftliche Aufschwung ist da. Er ist so robust wie lange nicht mehr. ({0}) Wir haben wieder gute Wachstumsraten. ({1}) Wir sind wieder in die Mitte Europas gerückt, was das Wachstum anbelangt. Deutschland ist der Wachstumsmotor Europas. Nachdem der Motor in Deutschland, als er noch mit rot-grünem Sprit betrieben wurde, so lange gestottert hat, ({2}) ist es höchste Zeit, dass Deutschland und Europa wieder nach vorne kommen. ({3}) Der Investitionsstau löst sich auf. Die zehnjährige Krise in der Bauwirtschaft ist vorbei. Unsere Wirtschaft steht wieder auf zwei Beinen: dem außenwirtschaftlichen und dem binnenwirtschaftlichen Bein. Die Verbraucher fassen wieder Vertrauen. Auf dem Arbeitsmarkt ist die Trendwende geschafft. Es gibt hier sicherlich noch ungeheuer viel zu tun; dazu komme ich noch. Aber der Trend der zunehmenden Arbeitslosigkeit ist gebrochen. Wir haben fast eine halbe Million Arbeitslose weniger als vor Jahresfrist. Vieles spricht dafür, dass die vorsichtige Wachstumsprognose der Bundesregierung von rund anderthalb Prozent deutlich übertroffen wird. Das Prognosespektrum reicht übrigens bis zu 2,4 Prozent. Ich mache mir das als vorsichtiger Kaufmann selbstverständlich noch nicht zu Eigen. ({4}) Wir werden sehen, was hinten herauskommt. Ich bin aber überzeugt, dass es besser wird. ({5}) Die Politik der Bundesregierung - die Bundesregierung wird getragen von einer großen Koalition ({6}) hat wesentlich zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. Mit der guten Entwicklung in diesem Jahr schaffen wir eine feste Basis dafür, dass der Aufschwung auch im nächsten Jahr weitergeht. Alle Unkenrufe, das alles Redetext werde im nächsten Jahr wegen unserer Konsolidierungsmaßnahmen zusammenbrechen, werden sich nicht bewahrheiten. Deutschlands Unternehmungen wollen in den kommenden zwölf Monaten ihre Investitionen noch einmal deutlich erhöhen - das ist eine sehr gute Nachricht - und ihre Belegschaften ausbauen. In diesem Zusammenhang appelliere ich, dass man dabei auch an die Älteren und Erfahrenen denkt und sie wieder in die Betriebe zurückholt. ({7}) Nun stellt sich wieder die Frage, wann der richtige Zeitpunkt zum Konsolidieren ist. Ich bin der Meinung, dass Aufschwungphasen zur Konsolidierung genutzt werden müssen. Es macht keinen Sinn, jetzt darüber nachzudenken, ob die Steuereinnahmen, die höher als prognostiziert sind, in Sonderprogramme gesteckt werden sollen. Die Konsolidierung erfolgt am besten, indem man künftige Belastungen vermeidet und die Mehreinnahmen zum zusätzlichen Schuldenabbau verwendet. ({8}) - Ich freue mich, dass ich so viel Zustimmung von unseren engagierten Haushältern bekomme. Das gibt mir Gelegenheit, Sie zu bitten, zusammen mit dem Finanzminister intensiv über die staatlichen Verschuldungsgrenzen nachzudenken. Ich möchte nicht, dass wir mehr Schulden machen. Ich sage Ihnen gleich, was ich meine: Das Nebeneinander von Maastrichtkriterien, die für uns bindend sind - wir sollten uns sehr eng daran halten -, und den Vorgaben des Art. 115 des Grundgesetzes ist weder ökonomisch noch finanzpolitisch sinnvoll. Sinnvoll wäre eine nationale Regelung, die zu der europäischen Vorgabe passgenau hinzugefügt wird. Sie darf nicht weicher, sondern sie muss eigentlich härter sein als die bisherige grundgesetzliche Schranke, die, wie wir ja wissen, trotz entsprechender Vorgaben über viele Jahre nicht eingehalten worden ist. ({9}) - Das, was wir wollen - ich erläutere es Ihnen gern noch einmal kurz -, muss natürlich mit dem europäischen Regime verzahnt sein. Das Ziel, die Verschuldung auf null zurückzuführen, muss darin deutlich definiert sein. Das ist ehrgeizig, aber, wie andere Länder zeigen, nicht unmöglich. ({10}) Diese neue Regelung darf auch keinen Anlass mehr zu haushalterischen Notoperationen geben - da bin ich wieder bei den Haushältern -, wie sie diese Regierung vornehmen muss. Wir haben uns vorgenommen, das, was im Gesetz steht, einzuhalten. Echte Konsolidierung braucht harte Ausgabenkürzungen, gegebenenfalls Einnahmeverbesserungen. Das ist unser Weg. Wirtschaftlich macht es keinen Sinn, wenn Forderungsverkäufe - „Manipulationen“ mit dem ERP-Sondervermögen - zugunsten einer staatlichen Förderbank, die damit immer mächtiger wird, allein wegen Art. 115 des Grundgesetzes vorgenommen werden. ({11}) Ich könnte Ihnen noch ein paar andere Beispiele bringen, die belegen, dass diese Forderungsverkäufe keine echten Konsolidierungsmaßnahmen sind, sondern lediglich erzwungene Umbuchungen. Ich glaube, dass eine große Koalition eine Basis bieten würde, um das besser zu regeln. ({12}) Gleichzeitig müssen wir die Föderalismusdebatte zu einer Föderalismusreform II führen, in der klargestellt wird, dass die Verantwortlichkeiten für die Ausgaben den Ländern und Kommunen klar angelastet werden, indem man die Einnahmen selbst festsetzt - was nicht immer zur Freude des Publikums ist. ({13}) Das ist etwas, was unbedingt notwendig ist. Die Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit, die es Gott sei Dank wieder gibt, gehören meiner Meinung nach den Beitragszahlern. ({14}) Deswegen plädiere ich für eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 4 Prozent. ({15}) Um die Wachstumsdynamik zu stärken, müssen wir auch die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessern. Darüber wurde viel diskutiert und das ist natürlich auch notwendig. Aber eines muss ganz sicher sein: Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Steuersystems für den Unternehmensstandort Deutschland - damit meine ich auch die Unternehmenszentralen - muss deutlich verbessert werden. Wir stehen hier in einem gewaltigen Wettbewerb mit europäischen und auch anderen Partnern in der Welt. ({16}) Wenn die Welt immer globaler, immer kleiner wird, dann können wir das beklagen. Aber wir müssen unsere Bedingungen so setzen, dass sie Deutschland nutzen und dass man die Sonderregelungen nicht zulasten unseres Steuersubstrates ausnutzen kann. ({17}) Deswegen ist es meiner Ansicht nach unabdingbar, dass unser Steuersatz für Körperschaften - das muss natürlich einen entsprechenden Niederschlag bei den Personengesellschaften finden - international wettbewerbsfähig ist. Da müssen wir hinkommen. Gerade erst - ich komme zu einem weiteren Punkt hat eine Studie der Weltbank die Wirtschaftsfreundlichkeit staatlicher Regulierungssysteme festgestellt. ({18}) In vielen Punkten sind wir gut dabei, aber bei einem entscheidenden Punkt liegen wir auf Platz 129 unter 175 Ländern. Sicherlich sind unter den 175 erfassten Staaten auch ein paar Exoten wie San Marino. Aber diesmal ging es nicht um Fußball, sondern um die Flexibilität der Arbeitsmärkte. In diesem Bereich müssen wir mehr tun. Wir brauchen einen funktionierenden so genannten Niedriglohnbereich. ({19}) Das zeigt auch die Expertise des Sachverständigenrates, die heute dem Kollegen Müntefering und mir vorliegt. Wir haben die bei den Fünf Weisen, den Sachverständigen bestellt. ({20}) - Das Gutachten hat der Wirtschaftsminister bestellt. Aber, lieber Herr Kollege Stiegler, dies geschah in Absprache - es gibt schließlich Ressortabstimmungen ({21}) mit dem Arbeitsminister. ({22}) - Okay, aber auch das ist wieder so ein kleines Berliner Wunder: Diese Studie wird erst heute vorgelegt, aber der Bundestag debattiert darüber schon die ganze Woche. Das zeigt, dass wir unserer Zeit voraus sind. Offensichtlich ist auf wundersame Weise schon vorher herausgekommen, was in diesem Gutachten steht. Ich will nur darum bitten, dieses Gutachten möglichst vorurteilsfrei zu diskutieren und nicht von vornherein einzelne Punkte, die vielleicht der einen oder anderen Seite nicht gefallen, zum Tabu zu erklären. Der Sachverständigenrat empfiehlt, die Leistungen der Grundsicherung enger mit der Arbeitsbereitschaft zu verknüpfen; das halte ich für richtig. Dieser Ansatz ist in vielen Ländern selbstverständlich. Natürlich muss die Zahl der angebotenen Arbeitsplätze steigen. Soweit keine Bereitschaft, zu arbeiten, besteht - das ist entscheidend -, ist die Absenkung der Hilfen bei Nichterwerbstätigkeit der richtige Weg. ({23}) - Ich vermisse etwas den Beifall unseres Koalitionspartners. ({24}) Ich bin davon überzeugt, dass ich den Beifall auch von dieser Seite des Hauses rasch bekomme, wenn ich ein paar Sätze des Parteivorsitzenden Beck aus einem Interview im „Stern“ vorlese. Auf die Frage nach einer Leistungspflicht für Hartz-IV-Empfänger hat er geantwortet: Ich halte das generell für zumutbar. Ich war mal Bürgermeister einer Gemeinde mit 2 000 Einwohnern. Da wusste ich, wer Stütze bekam … Aber diejenigen, von denen ich den Eindruck hatte, sie könnten, wenn sie wollten, habe ich Geländer streichen oder Treppen kehren lassen. Ich finde, man darf einen Parteivorsitzenden nicht im Regen stehen lassen. Ich als CSU-Mann habe damit Erfahrung. ({25}) - Lieber Herr Westerwelle, auch Sie mögen das nicht. ({26}) Ich will nicht, dass der Parteivorsitzende der SPD im Regen stehen bleibt. Er hat gesagt, seine Partei wolle sich stärker um die Leistungsträger kümmern, und er hat das auch definiert: Leistungsträger gibt es auf allen Stufen. Ich denke bei „Leistungsträger“ jedenfalls am allerwenigsten an diejenigen, die sich jedes Jahr über Stock Options die Millionen zuschieben lassen, wenn gewisse Kennzahlen des Unternehmens eine Grenze überschritten haben. Ich denke vielmehr an diejenigen, die in der Lage sind, körperliche Arbeit zu leisten und somit im klassischen Niedriglohnsektor ihr Geld verdienen können. Hier können sie arbeiten, auch wenn sie dafür weniger Geld bekommen. ({27}) Ich komme wieder auf das Thema zurück. Alle, die zwar zur Arbeit bereit sind, aber dem Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen nicht zur Verfügung stehen, erhalten nach den Vorschlägen des Sachverständigenrates weiterhin den vollen Regelsatz. Das wollen auch wir. Die Fünf Weisen sagen sehr deutlich: Die verbesserte Vermittlung und Aktivierung von Arbeitslosen muss Vorrang vor Einzelmaßnahmen haben. Der Bericht enthält auch eine klare Absage an die Einführung von Mindestlöhnen. Die nähere Begründung können Sie gerne nachlesen. Ich unterstreiche all das, was in diesem Bericht darüber steht. ({28}) Ich muss noch ein bisschen Redezeit für meine Kollegen im Parlament übriglassen. ({29}) - Ich weiß, Herr Kollege Meyer. Die Stromkonzerne müssen endlich ihren Ankündigungen Taten folgen lassen, indem sie in neue Kraftwerke investieren. Neue Anbieter auf dem Stromerzeugungsmarkt müssen einen fairen und raschen Zugang zu den Netzen erhalten. Herr Kuhn, das gilt nicht nur für die Betreiber von Windrädern, bei denen das sofort klappt. Aber wenn ein Stadtwerk für die eigene Energieerzeugung in ein neues Werk investiert, dann tun sich andere mit konventionellen Energien sehr schwer, Zugang zu den Netzen zu erhalten. Auch hier müssen wir eine entsprechende Verordnung umsetzen. Mir ist es nicht recht, wenn wir immer mehr regulierende Maßnahmen brauchen. Aber wenn Monopole oder Oligopole ihre Marktmacht ausnutzen, dann muss der Staat entsprechend gegensteuern. ({30}) Das ist ein Teil der Marktwirtschaft. Ich habe mich vor der Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises, die gestern Abend stattgefunden hat, intensiv mit den Theorien von Ludwig Erhard auseinander gesetzt. Ein funktionierender Wettbewerb und eine Kartellgesetzgebung sind ungeheuer wichtig für den Wettbewerb. ({31}) Es gibt viele Dinge, über die wir lange diskutieren könnten. Ich nenne als Stichwort die Bundesnetzagentur. Wir werden das an anderer Stelle tun. Die Bundesnetzagentur hat meine volle Rückendeckung, wenn sie durchgreift, um die Kosten zu senken. Alles, was den Strompreis zusätzlich belastet, gehört auf den Prüfstand. Wir werden während der Haushaltsberatungen Gelegenheit haben, die Dinge zu prüfen und zu regeln. Ich freue mich auf eine faire Beratung durch den Haushaltsausschuss und das Parlament und bedanke mich schon jetzt dafür. Danke schön. ({32})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP hat Rainer Brüderle das Wort. ({0})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- Guten Morgen, Herr Kauder, schön, dass Sie wach sind. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das demonstrativ gute Einvernehmen der Koalition ist zu erkennen. Die Kanzlerin ist da, das Arbeitsministerium ist demonstrativ abwesend. Herr Minister Glos, Sie haben heute hier in Ihrer Rede und auch in jüngsten Presseberichten bemerkenswerte Ausführungen gemacht. Sie werden in der Regierung sozusagen vom Gejagten zum Jäger, zurzeit zwar nur mit der Schrotflinte, aber die Richtung stimmt. Immerhin. ({0}) Ich verweise auf Ihre Ausführungen zur echten Konsolidierung des Haushalts und Ihre erfreulich deutlichen Worte zur Bahnprivatisierung. Wer mehr Wettbewerb will, muss das Schienennetz vom Fahrbetrieb trennen. ({1}) Sie haben auch deutlich gemacht, dass Steuern auf Zinskosten und staatliche Mindestlöhne ökonomischer Unsinn sind. ({2}) Auch Ihre heutigen Ausführungen zur Energiepolitik verdeutlichen: Kein Freigehege für Herrn Gabriel! Der Monopolisierung in unserer Energiewirtschaft ist energisch entgegenzutreten; denn diese ist ein ungutes Erbe von Rot-Grün, die die Fusion von Eon mit Ruhrgas - der Marktanteil beträgt fast 90 Prozent - zugelassen haben und sich anschließend über die hohen Gaspreise beschweren. In dieser Beziehung haben Sie völlig Recht. Da haben Sie die FDP an Ihrer Seite. Gehen Sie hart vor! Die Situation erfordert es. ({3}) Ihre Forderungen sind allerdings bisher nur Etappenschritte der wirtschaftlichen Vernunft. Entscheidend ist der Zieleinlauf, das Endergebnis. Daran werden wir Sie als Minister messen. Das Ökonomische hat in diesem Kabinett bisher noch keinen hohen Stellenwert. Sorgen Sie als ordnungspolitisches Gewissen der Regierung dafür, dass die Wirtschaft mehr Freiraum zum Atmen hat. Dann bekommen wir mehr Wachstum, weniger Arbeitslosigkeit, weniger Haushaltsrisiken und können uns über etwas freuen, was eigentlich selbstverständlich ist, nämlich dass die Regierung ihren Haushalt endlich so gestaltet, dass die Vorgaben der Verfassung und der europäischen Verträge eingehalten werden. ({4}) - Es ist doch selbstverständlich, dass Sie die Gesetze einhalten müssen. Sich zu loben, weil man die Gesetze einhält, Herr Kauder, ist ein bisschen schlicht. Manchmal sind Sie anspruchsvoller. ({5}) Die Wirtschaft befindet sich in der Tat in einem Aufschwung. Das ist erfreulich und das unterstreichen wir. Die Ursachen sind vielfältig: Export, moderate Lohnabschlüsse, moderate Zinsen, Weltmeisterschaftseffekt. Der Aufschwung ist am wenigsten der Erfolg dieser Bundesregierung, die gerade einmal neun Monate im Amt ist, ({6}) sondern entscheidend der Erfolg der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter, die ihre Unternehmen gut aufgestellt und hart angepackt haben. ({7}) Ausruhen kann sich die Regierung trotz des derzeitigen Aufschwungs nicht. Dieser Aufschwung ist kein Selbstläufer. Was die heutige Wirtschaftslage angeht, erinnert vieles - Herr Hinsken, das wissen auch Sie - an den Sommer 2000. Die Konjunktur war damals endlich in Schwung gekommen. Die Erwartungen für 2001 waren sehr optimistisch. Doch im zweiten Halbjahr 2000 stagnierte das reale Bruttoinlandsprodukt. Am Ende lag das Wachstum deutlich unter den Prognosen und es folgte eine jahrelange Wachstumsschwäche. Die heutigen Konjunkturindikatoren weisen gewisse Parallelen zu dem Jahr 2000 auf. Für das kommende Jahr müssen wir mit einer Abschwächung der Weltwirtschaft rechnen. Die Notenbanken werden die Geldpolitik aller Voraussicht nach - die Signale sind relativ eindeutig - weiter straffen. Es ist also alles wie 2000. Es gibt allerdings einen gewichtigen Unterschied. Unternehmen und Haushalte wurden 2001 durch die Steuerreform entlastet. 2007 schlägt dagegen die Mehrwertsteuerkeule voll zu. Das ist der Unterschied. ({8}) Es kann nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, zu hoffen, dass sich die damalige Krisenentwicklung nicht wiederholt. Die aktuelle Wirtschaftsbelebung ist noch zu schwach, um die Massenarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Deshalb müssen die Bedingungen weiter verbessert werden; dafür ist insbesondere der Wirtschaftsminister verantwortlich. Wer die Gewinnaussichten der Unternehmen aber beschneidet, der schmälert die Chance auf mehr Beschäftigung. Wer das Land nicht von Bürokratie befreit, lähmt die Wirtschaft. Deshalb muss das Steuersystem endlich einfacher und handhabbarer gemacht werden. Stattdessen diskutiert die Bundesregierung über neue Steuertatbestände bei der Unternehmensteuer. Substanzbesteuerung war schon bei der Gewerbesteuer falsch. Das, was Sie jetzt erwägen, nämlich Schuldzinsen und andere Kosten zu besteuern, ist eine Substanzbesteuerung, die erst recht falsch ist. Die Mehrwertsteuererhöhung trifft den Konsum, die Unternehmen und den Mittelstand. Das Einzige, was dadurch belebt wird, ist die Schwarzarbeit. ({9}) Mit ihrer Sucht nach mehr Steuereinnahmen laufen weite Teile der Koalition Gefahr, dem eigentlichen Motor der deutschen Volkswirtschaft, dem Mittelstand, das Rückgrat zu brechen. Ein dauerhafter Aufschwung ist ohne einen starken Mittelstand nicht denkbar. ({10}) Neue Arbeitsplätze entstehen am ehesten in einem starken Mittelstand. Neue Arbeitsplätze werden nicht in den großen Konzernen entstehen. Deshalb muss die Politik dem Mittelstand eine Chance geben. ({11}) Echtes Sparen wäre, wenn Sie Subventionen abbauten, statt die Steuern zu erhöhen. Sparen Sie, wenn Sie die Steinkohlesubventionen erhöhen? Nein, Sie müssen aufhören, herumzufummeln und zu verunsichern. Die Marktwirtschaft kann ihre volle Wirkung so nicht entfalten. Zu guter Letzt diffamieren Sie die Wirkungsmechanismen der Marktwirtschaft noch als Lebenslügen. Der Weg muss sein, dafür zu sorgen, dass sich insbesondere am Arbeitsmarkt etwas tut. Der Minister hat zu Recht auf das hingewiesen, was uns die Weltbank ins Stammbuch geschrieben hat: Deutschland belegt den 129. Platz von 175 Plätzen. Dies ist für eine der führenden Industrienationen der Welt auch dann blamabel, wenn sich unter den Ländern, die vor uns liegen, einige Exoten befinden. ({12}) Da muss sich etwas ändern. Da geschieht bisher gar nichts. Lassen Sie endlich betriebliche Bündnisse für Arbeit zu! Gehen Sie endlich daran, die Mitbestimmung zu modernisieren: Die paritätische Mitbestimmung hat sich überlebt; sie ist etwas von vorgestern. Sie ist ein Ausdruck der Starre, in der wir uns befinden. Wir brauchen einen modernen, flexiblen Kündigungsschutz, damit man hier den kleinen Betrieben die Angst vor Neueinstellungen nimmt, damit sie nicht immer wieder Überstunden fahren, damit sie keine „Subsubunternehmen“ beschäftigen oder andere Wege gehen. Was Sie bis jetzt getan haben, wird jedenfalls nicht dazu führen, dass wir endlich mehr Arbeitsplätze bekommen. ({13}) Aber was machen Sie? Die Erbschaftsteuerreform wird aufgeschoben. Die Einführung einer einheitlichen Besteuerung aller Kapitalerträge, also eine Abgeltungsteuer, wird aufgeschoben. Der Start der Gesundheitsreform wird ebenfalls verschoben, und zwar auf den 1. April. Wahrscheinlich ist das ein Symbol: Sie soll damit amtlicherseits zum Aprilscherz erklärt werden. ({14}) - Herr Röttgen, Sie schwanken noch zwischen BDI und Bundestag. - Das ist jedenfalls keine konsistente, logische und zielführende Politik. Sie müssen endlich den Mut haben, die grundlegenden Reformen anzupacken. Wenn Sie das nicht tun, geben Sie der Wirtschaft nicht die Luft, die sie braucht. Sie kann mehr. Wir sind unter dem Wert, den wir erreichen können. ({15}) Aber den erreichen wir nur, wenn Sie Steuern senken, wirklich Bürokratie abbauen und nicht nur davon reden, die Reformen überzeugend und konsistent machen und nicht so wie bei der Gesundheitsreform, wo es mit mehr Bürokratie und mehr Fesseln in die falsche Richtung geht. Der Wirtschaftsminister hat viel Mutiges und Kluges gesagt. Kompliment! Er muss es nur machen. Wir sind an seiner Seite. ({16}) Wenn Sie das machen, was Sie sagen, haben Sie die Liberalen an Ihrer Seite, Herr Glos! ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie könnten jetzt Ihre - abgelaufene Redezeit durch die Zulassung einer Zwischenfrage des Kollegen Hinsken noch erweitern.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr gern.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Brüderle, Sie haben eine wesentliche positive Entwicklung völlig außen vor gelassen. Ich weiß nicht, ob Sie das bewusst oder unbewusst gemacht haben. Wir alle können uns doch darüber freuen, dass die Staatsquote momentan im Sinken begriffen ist und dass wir zum Ende dieser Legislaturperiode auf eine Staatsquote von 43,5 Prozent kommen werden - wie zu Zeiten von Finanzminister Gerhard Stoltenberg vor der Wiedervereinigung. Das ist doch etwas ganz Positives. Sind Sie bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen, dies zu bejahen und sich, wie ich das tue, darüber zu freuen? ({0})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geschätzter lieber Herr Kollege Hinsken, ich beginne mit einem Geständnis. Ich habe heute nicht alles gesagt, was ich weiß. ({0}) Die Zeit war zu kurz. Ich hoffe, wir erreichen diesen Wert. Nach unserer Auffassung sollten wir eine Staatsquote von unter 40 Prozent erreichen. ({1}) Die zu hohe Staatsquote ist eine der Ursachen dafür, dass die deutsche Volkswirtschaft an Dynamik und Effizienz verloren hat und dass der Wachstumspfad sowie die Produktivitätsentwicklung bei uns - das sagen die Bundesbank und alle Sachverständigengutachten - deutlich zu niedrig sind. Der reale Wachstumspfad, den wir heute nach der Einschätzung aller Fachleute erreichen können, liegt bei 1 Prozent bis 1,2 Prozent. Das liegt eben daran, dass der Staatsanteil zu hoch ist, dass wir zu viel über den Staatssektor steuern, der bei weitem nicht die Effizienz des Marktes hat. Außer Kuba und Nordkorea kenne ich kein Land der Welt, das noch glaubt, die Steuerung über den Staat sei besser als die über den Markt. Ich freue mich darüber, dass Sie sich mit mir darüber freuen, dass es gute Ansätze gibt. Jetzt müssen wir es nur machen. Dann läuft es auch. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD hat das Wort der Kollege Ludwig Stiegler. ({0})

Ludwig Stiegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002248, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich mir so den Herrn Brüderle anschaue, muss ich an Max Frisch und „Mein Name sei Gantenbein“ denken. Da sagt er: Nehmen wir mal an, die Lage wäre so und so. - Jetzt nehmen wir mal an, der Herr Westerwelle hätte mit seiner Lieblingspartnerin regieren können. Dann würde der Herr Brüderle heute hier stehen und sagen: Der Aufschwung ist unser Aufschwung. Unsere Politik hat das alles erreicht. - Er hätte alles für sich kassiert. ({0}) Herr Brüderle, gönnen Sie uns 10 Prozent dessen, was Sie sich selbst gutgeschrieben hätten! ({1}) Es ist wirklich lustig, das Ganze zu sehen. Ich lese immer wieder in einem Werk von Berger/Luckmann mit dem Titel „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“. Danach wird die Wirklichkeit in Wahrheit in unseren Vorstellungen gebildet. Wir waren depressiv, weil wir aufgrund falscher Daten über die ökonomische Entwicklung des Jahres meinten, wir seien schlecht. ({2}) Jetzt kommen die neuen Daten und es zeigt sich: Seit etwa dem zweiten Quartal des Jahres - in manchen Aggregaten sogar früher - ist der Aufschwung da. Das heißt, wir waren mit unseren Bewertungen im falschen Datenkranz, haben uns bittere Vorwürfe gemacht und die Menschen verunsichert. Wir müssen uns in Zukunft dessen bewusst sein, dass man sich anhand von vorläufigen Daten nicht in Depressionen reden lassen sollte. Herr Brüderle, die Entwicklung hat schon sehr frühzeitig eingesetzt. Bei diesem Aufschwung ist ein Stück Schröder dabei, es ist aber auch ein Stück große Koalition dabei. Denn wir haben diesen Haushalt expansiv gefahren. Durch eine hohe Nettokreditaufnahme zur Wachstumsförderung, die energetische Gebäudesanierung und die Handwerksförderung haben wir der WirtLudwig Stiegler schaft Schwung gegeben. Deshalb ist es auch der Aufschwung der großen Koalition. Sie haben diese Maßnahmen verurteilt. Sie können jetzt, wenn Sie wollen, zu uns an den Tisch kommen, wir geben Ihnen auch etwas ab; aber der Koch sind Sie nicht. ({3}) Meine Damen und Herren, wir haben an dieser Wirtschaftsentwicklung einen großen eigenen Anteil. Wir sollten darauf bauen und durchaus auch stolz darauf sein, dass die große Koalition diesen Weg gewagt hat. Einfach war es nicht. Hier sitzen einige Beteiligte, die Probleme gesehen haben. Aber nicht nur ein Wachstum ist zu verzeichnen; auch die Zahl der Insolvenzen geht zurück. Der Arbeitsmarkt beginnt sich zu erholen und die Menschen können wieder Optimismus haben. Allen, die behaupten, das seien die Folgen der Fußballweltmeisterschaft, kann ich nur sagen: Diese wirkt sich frühestens im dritten Quartal auf die Exportzahlen aus. Wir haben aber nach klassischem Verlauf eine Erhöhung der Binnennachfrage. Wir haben mit der Steuer die Ausrüstungsinvestitionen gefördert; in diesem Bereich steigt die Binnennachfrage. Auch der staatliche Teil der Binnennachfrage entwickelt sich positiv. Endlich ist der Rückgang der Arbeitnehmereinkommen im ersten Quartal beendet worden. Wir haben hier ein neutrales Ergebnis erreicht. Im Verlauf des Herbstes wird auch der Konsum nachziehen, sodass wir einen stetigen Aufschwung haben werden. Ich denke, der Kessel der Konjunktur wird am Ende des Jahres so heiß sein, dass er die drei Eisbälle der Mehrwertsteuererhöhung vertragen wird. Herr Brüderle, ich warne Sie vor allzu viel Pessimismus; ich weiß gar nicht, wie Sie nächstes Jahr Ihren Irrtum erklären wollen. ({4}) Meine Damen und Herren, das ist der Ertrag der richtigen Politik. Wir werden sie fortsetzen. ({5}) - Das ist ein Mixtum compositum, ({6}) wenn wir schon bei der Gesundheitsreform sind. Herr Schröder hat begonnen und Frau Merkel kann vollenden. Es ist die Tragik von Gerhard Schröder, dass er das Ergebnis seiner Politik nicht selber ernten kann. Aber so ist Politik nun einmal häufig. Die Daten, Herr Kauder, reichen jedenfalls zurück bis ins letzte Jahr. Allen, die sich über die Steuereinnahmen freuen, sage ich: Die Steuern von heute sind 2005 verdient worden und nicht jetzt. Wer hier also höhere Steuereinnahmen bejubelt, dem muss klar sein, dass sie unter RotGrün erwirtschaftet worden sind. Aber ich glaube, Herr Kauder, Sie können gönnen und damit klarkommen. ({7}) - Ich finde, jeder darf sich die Welt so deuten, wie sie ihn aufheitert. ({8}) Deshalb gönne ich Ihnen diese Deutung. Meine Damen und Herren, wir werden diesen Weg weitergehen und die Chancen des Aufschwungs durch Ausrüstungsinvestitionen und Bauinvestitionen weiter nutzen. Die Konsumausgaben werden im Laufe des Jahres steigen, weil die Arbeitnehmereinkommen sich zu stabilisieren beginnen. Mit steigender Beschäftigung wird auch die Massenkaufkraft steigen, sodass wir auch wieder mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und am Ende ein höheres Wirtschaftswachstum haben werden. Wir werden weiter damit zu kämpfen haben, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Hier, Herr Minister, sehe ich die Expertise des Sachverständigenrates vollkommen anders als Sie. Ich habe mir die Expertise, die mir der Bischof von Hildesheim zugeschickt hat, angesehen. Auf 150 Seiten plagen sich die Herrschaften mit ökonometrischen Modellen ab, die die Frage klären sollen, wie man Arbeitslose motiviert, zu arbeiten. Ich frage mich: In welcher Welt leben die Herren? Millionen Menschen schreiben täglich Bewerbungen; manche Menschen schreiben 100 Bewerbungen. ({9}) Und da überlegen sich die Herrschaften, wie man die Menschen durch das Höherhängen des Brotkorbes zur Arbeit motivieren kann! Das ist keine Expertise, das ist eine Theorise. Auf die kann ich gut verzichten. Auf solche Sachverständige in einem Elfenbeinturm und jenseits der Politik können wir wahrlich verzichten. ({10}) Ich sage Ihnen: Wenn Sie dieses Gutachten lesen, werden Sie staunen. Darin steht offen: Wir können nichts darüber sagen, wie Arbeitsplätze entstehen. Wir können in unseren schönen theoretischen Betrachtungen nichts darüber sagen, wie investiert wird. - Dieses Gutachten ist eine Frechheit. Michel Glos, es tut mir eigentlich Leid, dass du einen solchen Krampf lesen musst. ({11}) Ich würde gern deine Empfindungen sehen, wenn du dieses Gutachten liest. Wenn sie ein Lügendetektor aufzeichnen würde, wäre der Sachverständigenrat entlassen. ({12}) - Das ist sehr korrekt. Lieber Kollege Kampeter, lieber neuer Verwandter, ich habe mir wirklich Mühe gegeben, dieses Gutachten von hinten und vorn zu lesen. ({13}) - Von hinten nach vorn und von vorn nach hinten. Das Hin- und Herwandern des Blicks ist ein zentraler Punkt der hermeneutischen Auslegungsmethode, wie wir als Juristen gelernt haben. Deshalb gilt: von hinten nach vorn und von vorn nach hinten. - Ich sage Ihnen: Studenten kann man zwar mit einem solchen Gutachten quälen; das ist okay. ({14}) Die können sich daran üben. Aber Politiker sollte man mit so etwas in Ruhe lassen, und dies vor allem deswegen, weil die Grundhypothese, die Arbeitslosen seien nicht bereit, zu arbeiten, und müssten durch eine Reduzierung der Leistungen in der Arbeitsbereitschaft gefördert werden, jenseits jeder Wirklichkeit und eine Frechheit gegenüber den Menschen ist. ({15}) Für uns liegen Arbeit und menschliche Würde beieinander. Da haben wir durchaus gemeinsame Wurzeln mit den Christsozialen und Christdemokraten, deren Ethik nicht nur Turbokapitalismus vorsieht, sondern Arbeit und menschliche Würde zusammenbringt. Deshalb dürfte uns dieser Punkt nicht auseinander bringen. Ich sage Ihnen noch eines: Immer mehr bewegt mich die Frage, ob unsere relativen Preise in Deutschland noch stimmen. Als der neue Hauptbahnhof in Berlin eröffnet worden ist, haben sich manche Leute darüber aufgeregt, dass man für den Besuch der Toilette 60 Cent bezahlen muss. ({16}) - Nicht zu Recht. - Eine solche Arbeit, die durchaus mit einer Schmutzzulage zu versehen ist und einen hohen gesellschaftlichen Wert hat, hat auch ihren Preis. Man kann nicht sagen: Weil jemand die Toilette putzt, ist er unproduktiv und deshalb werfen wir ihm nur die Brocken hin. Wir sollten einmal sehen: Auch wer dort seinen gesellschaftlichen Beitrag leistet, ist jemand und steht nicht neben der Gesellschaft. Deshalb sollten wir die relativen Preise wieder ins Lot bringen. ({17}) - Vergelts Gott. Ich bin dankbar dafür, dass wir uns immer wieder partiell gegenseitig anerkennen können. ({18}) Ich muss sagen: Wenn Sie meinen, dass ich blindes Huhn ab und zu auch einmal ein richtiges Korn finde, dann ist das eine wirklich hohe Anerkennung eines Koalitionspartners. Wenn man bedenkt, wie wir beide uns noch vor einem Jahr gegenseitig die Schädel eingeschlagen haben, dann erkennt man jetzt, dass uns zurzeit fast eine tiefe Liebe verbindet. ({19}) Meine Damen und Herren, in der Arbeitsgruppe zur Einführung eines Niedriglohns werden wir uns sicher hart miteinander auseinander setzen müssen. Aber mit der Linie „So viel Tarif wie möglich und so viel Staat wie notwendig“ könnten wir das Thema Niedriglohn meiner Ansicht nach angehen. Ich bin anderer Meinung als Herr Brüderle, wenn es um die Mitbestimmung geht. Die Mitbestimmung ist ein Bestandteil der Verfassung des sozialen Rechtsstaates in Deutschland. Ich habe schon einigen Heuschrecken - auch den lieben und sanften - erklärt, dass derjenige, der in Deutschland Eigentum erwirbt, soziale Verpflichtungen erwirbt und dass derjenige, der unternehmerisches Eigentum erwirbt, die Beteiligung der Arbeitnehmer am Haben und Sagen erwirbt. Das gehört zu unserer politischen Kultur. Wer daran etwas ändert, der befördert den sozialen Frieden nicht. ({20}) Wir werden gemeinsam an dem Thema Private Equity arbeiten. Wir wollen, dass Forschung und Entwicklung zu Produkten führen - die Kanzlerin hat gesagt: was in den Köpfen ist, muss in die Produkte - und dass die damit verbundenen Risiken abgedeckt werden. Angesichts der heutigen Entwicklung von Private Equity stellt sich aber die Frage, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Was zurzeit unter „Recap“ gehandelt wird - Unternehmen haben vor dem Einstieg von Private Equity hohes Eigenkapital und danach hohes Fremdkapital -, nenne ich ausrauben von Unternehmen und nicht Rekapitalisierung. Wir müssen prüfen, welche rechtlichen Regelungen und Schutzvorkehrungen wir treffen müssen. Denn nach dem Ausrauben der Unternehmen steigt der Druck auf den Vorstand, ins Ausland zu gehen, beispielsweise nach Asien, weil dort der Zinsdienst besser bedient werden kann. ({21}) Es ist doch verrückt, wenn wir hier hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklungen haben, aber am Ende zum Vorteil für die amerikanischen Pensionsfonds irgendwo auf der Welt produziert wird. Wir müssen schauen, dass in unseren Regionen Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Beteiligungsgesellschaften gegründet werden, um Arbeitsplätze hier dauerhaft zu sichern und um unsere Position in der Weltwirtschaft zu behaupten. ({22}) Wir haben miteinander auch auf dem Feld der Energie einiges zu tun. Die Anreizregulierung kommt jetzt. Ich denke, dass sie durchaus erfolgreich sein wird. Ich sage aber auch, die Regulierung darf nicht so weit gehen, dass dadurch Investitionen behindert werden. Im BeLudwig Stiegler reich der Telekom beispielsweise sind wir an einer Schwelle. Da stellt sich durchaus die Frage, ob wir hier nicht eine Überregulierung haben. Das werden wir uns ganz genau anschauen müssen. Vor uns liegt auch die Kohlepolitik der Zukunft. Herr Brüderle, wer immer gegen die Steinkohle polemisiert, liegt weder energiepolitisch richtig noch kann er den Menschen, beispielsweise den Menschen im Ruhrgebiet, eine richtige Antwort geben. Ich denke, die Bundesregierung wird zusammen mit der NRW-Landesregierung sehr intensiv darum ringen, dass wir sowohl den Menschen als auch der Energiesicherheit in der Zukunft gerecht werden. Deshalb ist es billig, gegen diese Förderung, die Sie selber mit beschlossen haben, zu polemisieren. ({23}) Wir werden bei der Energiepolitik nicht nur auf Regulierung und andere Maßnahmen setzen - eine Wiederauferstehung der Atomkraft wird es nicht geben -, sondern auch auf Energieeffizienz. Die Hälfte des Energieverbrauchs kann durch einen intelligenteren Einsatz von Technik eingespart werden. Das ist auch gut für die Wirtschaft. Die Wirtschaftspolitik der großen Koalition läuft ordentlich. Wir können Erfolge sehen. Wir sind nicht immer einverstanden mit dem, was der Minister sagt, und der Minister ist nicht immer einverstanden mit dem, was wir sagen. Aber wir raufen uns zusammen und haben immer gemeinsame Wege gefunden. Die neue Verwandtschaft bewährt sich. Glückauf! ({24})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Linke hat der Berliner Senator für Wirtschaft, Frauen und Arbeit, Harald Wolf, das Wort. ({0})

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Glos, Ihre Bemerkung, dass der Aufschwung da ist - Sie verleihen ihm sogar noch das Prädikat „robust“ -, halte ich für eine glatte Übertreibung, für einen Euphemismus. ({0}) Es ist richtig: Die Prognosen für das Wachstum sind besser als noch vor einem Jahr. Es gibt Belebungstendenzen in der Wirtschaft. Eine leichte konjunkturelle Belebung ist unbestreitbar. Aber von einem robusten Aufschwung, von einem Aufschwung, der nachhaltig ist und der vor allem eine durchgreifende Wirkung auf den Arbeitsmarkt hat, kann man wirklich noch nicht sprechen. Herr Minister, aus wirtschaftspolitischer Sicht muss man sich jetzt doch die Frage stellen, wie man aus diesen zaghaften Belebungstendenzen einen nachhaltigen Aufschwung machen kann, der auch auf dem Arbeitsmarkt eine nachhaltige Wirkung entfaltet, der eine durchgreifende Wirkung auf die Bereiche Wachstum und Beschäftigung hat. Viele Ökonomen, von denen sehr viele uns nicht gerade nahe stehen, weisen darauf hin, dass dieser Aufschwung auf schwachen Füßen steht, weil die Binnennachfrage in diesem Land noch immer unterentwickelt ist. In einer solchen Situation kommt es darauf an, Gas zu geben, die Binnennachfrage zu stabilisieren, die Massenkaufkraft zu stärken und eindeutige Wachstumsimpulse zu geben, damit aus dieser schwachen Pflanze ein wirklicher Aufschwung wird. ({1}) Stattdessen hält diese Bundesregierung an den alten Rezepten fest: Die Unternehmensteuern sollen - soweit die Planung - weiterhin sinken. Die Sozialausgaben werden im Rahmen der Gesundheitsreform und der Rentenpolitik weiter gekürzt. Gleichzeitig erhöhen Sie die Verbrauchsteuern in Form einer Mehrwertsteuererhöhung. Da die Mehrwertsteuer eine massive Steuer auf den privaten Konsum ist, wird die inländische Nachfrage dadurch weiter geschwächt. Das ist wirtschaftspolitisch unvernünftig und obendrein sozial unverträglich, weil dadurch gerade diejenigen, die ein geringes Einkommen haben, am stärksten belastet werden. Ich halte das für eine wirtschaftspolitisch gesehen verfehlte Politik. Das wird uns nicht weiterbringen. Herr Glos, Sie zitieren immer wieder den Sachverständigenrat. Warum zitieren Sie nicht auch einmal die Warnungen des Sachverständigenrates vor dieser Mehrwertsteuererhöhung und den möglichen negativen konjunkturellen Auswirkungen dieser Erhöhung? ({2}) Sehen wir uns doch einmal die Entwicklung in der Bundesrepublik in den letzten Jahren im internationalen Vergleich an: Im letzten Jahr sind die Tariflöhne preisbereinigt um 0,8 Prozent gesunken; die Verbraucherpreise sind um 2 Prozent gestiegen; die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen sind 2004 um 12 Prozent gestiegen, 2005 um weitere 6 Prozent. Sehen wir uns die durchschnittliche Entwicklung der Reallöhne in der Europäischen Union zwischen 1995 und 2004 an, stellen wir fest, dass die Reallöhne in diesem Zeitraum EU-weit im Durchschnitt um 9,9 Prozent gestiegen sind, während sie in der Bundesrepublik Deutschland um 0,9 Prozent gesunken sind. ({3}) Angesichts dessen stellt sich doch die Frage: Hat die Politik der Reallohnsenkung in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1995 und 2004 dazu beigetragen, dass die Bundesrepublik ökonomisch besser dasteht, dass sie Spitzenreiter beim Wachstum ist? - Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die meisten Länder der EU hatten in diesen Jahren eine deutlich höhere Wachstumsrate. Vielleicht könnten die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen einmal darüber nachdenken, ob zwischen der Senkung der Masseneinkommen, der Schwächung der Massenkaufkraft und den schlechten Wachstumsraten ein Zusammenhang bestehen könnte. Die Länder, die einen anderen Weg gegangen sind, die Senator Harald Wolf ({4}) höhere Reallohnzuwächse hatten, konnten nämlich ein höheres Wachstum generieren. ({5}) Herr Glos, vielleicht würde es nutzen, sich an den alten Satz des großen Unternehmers Henry Ford zu erinnern, der einmal gesagt hat: Ich muss meinen Arbeitern auch Löhne zahlen, mit denen sie meine Autos kaufen können. Betriebswirtschaftlich kann man dagegen vielleicht den einen oder anderen Einwand formulieren; für eine Volkswirtschaft ist es aber allemal richtig, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in der Lage sein muss, das, was produziert wird, nachzufragen und zu kaufen. Anders wird man einen Aufschwung nicht hinbekommen. ({6}) Wenn ich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage reduziere, eröffne ich eine Spirale nach unten. Diese ökonomische Binsenweisheit wird in der Bundesrepublik Deutschland aber vom Mainstream und den unterschiedlichen Bundesregierungen seit Jahren ignoriert. Deshalb stehen wir im internationalen Vergleich nach wie vor schlecht dar. Meine Damen und Herren, Herr Rüttgers hat es Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Er spricht von einer Lebenslüge. Ich bin froh, dass zumindest in einzelnen Teilen der Koalitionsparteien und -fraktionen langsam eine Erkenntnis dämmert. Es wäre gut, wenn sich diese Erkenntnis fortsetzt. Stattdessen planen Sie jetzt eine weitere Unternehmensteuerreform. Schon die letzte Unternehmensteuerreform hat die öffentlichen Haushalte 65 Milliarden Euro gekostet. Auch dazu stelle ich die Frage: Was waren die Effekte? Hat diese Unternehmensteuerreform zu mehr Investitionen und Beschäftigung geführt? Wie gesagt: 65 Milliarden Euro Entlastung. Sehen wir uns einmal die Zahlen an, die die Auswirkungen deutlich machen. Die Investitionen sind von 2000 bis 2002 von 236 Milliarden Euro auf 182 Milliarden Euro gesunken. 2004 lagen sie trotz einer massiven Entlastung des Unternehmenssektors mit 209 Milliarden Euro noch unter dem Stand von 2000. Vielleicht ist auch das ein Hinweis darauf, dass Jürgen Rüttgers mit seiner Feststellung der Lebenslüge Recht hat und dass Steuersenkung und Lohndumping nicht der richtige Weg sind, um mehr Wachstum und Beschäftigung in diesem Land zu schaffen. ({7}) Wir brauchen Innovation statt Billiglohn. Wir brauchen öffentliche Investitionen statt Steuerdumping, um Nachfrageimpulse zu setzen. Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn statt eines Niedriglohnsektors, Herr Glos, um Arbeit so zu bezahlen, dass die Menschen durch Arbeit nicht arm werden, sondern ein Leben in Würde führen können, und gleichzeitig den Konsum darüber zu stabilisieren. ({8}) Minister Glos hat ein Thema angesprochen, das in der Tat wichtig ist und in den Gesprächen, die ich mit Unternehmen in Berlin führe, immer wieder angesprochen wird, nämlich die Energiepreisentwicklung und insbesondere die Strompreisentwicklung. Dies ist gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ein erheblicher und massiver Kostenfaktor. Herr Glos, Sie haben Handlungsbedarf angemahnt. Sie wissen, dass wir auf der letzten Wirtschaftsministerkonferenz, auf der Sie leider nicht anwesend sein konnten, intensiv darüber diskutiert haben. Es ist gut, dass die Bundesnetzagentur durchgreift und die Netzentgelte absenkt. Aber ich glaube, dass wir weitergehen müssen. Ich habe in Ihrer Rede Vorschläge vermisst, mit denen man das Problem in den Griff bekommen könnte. Denn die Netzpreise und -entgelte sind nur eine Komponente. Aufgrund des Energiewirtschaftsgesetzes besteht zurzeit die absurde Situation, dass die Energieversorgungsunternehmen teilweise kostengünstig produzieren, ihren kostengünstig produzierten Strom an der Strombörse in Leipzig handeln und dort zu teuren Preisen verkaufen. Die Strombörse funktioniert aufgrund der oligopolistischen Struktur des Energiemarktes nicht wirklich. Gleichzeitig berechnen die Unternehmen im Sektor Vertrieb hohe Preise für die Verbraucher. Das ist absurd. ({9}) Wir haben die Situation, dass einerseits in den Konzernen ein riesiger Gewinn eingefahren wird - wir alle kennen die Zahlen, die den Gewinn der vier großen Konzerne zeigen - und andererseits Genehmigungen gefordert werden, um im Vertrieb die Preise erhöhen zu können, indem sie sagen: Wir haben hohe Kosten. Diese haben sie selbst über die Strombörse in Leipzig generiert. Das heißt, der Wettbewerb funktioniert hier nicht. Wo Wettbewerb nicht funktioniert, muss staatliche Regulierung her. ({10}) Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass die Kollegin Thoben aus Nordrhein-Westfalen den Vorstoß gemacht hat und eine Bundesratsinitiative einbringen will, ({11}) durch die die Preisgenehmigung über den 1. Juli 2007 hinaus verlängert werden soll, weil wir in diesem Bereich weiterhin Regulierung brauchen. Ich füge hinzu: Wir, also die Genehmigungsbehörden in den Ländern, müssen die Möglichkeit haben, eine wirkliche Konzernbetrachtung vorzunehmen und zu sehen, welche Gewinnsituation in den Konzernen insgesamt besteht; es reicht nicht, nur die Situation im Unternehmensteil Vertrieb betrachten zu dürfen. Denn nur dann könnte man wirklich zeigen, dass Extraprofite abgeschöpft werden, und dafür sorgen, dass die Verbraucher vernünftige und verträgliche Preise bekommen. Das wäre dringend notwendig, Herr Glos. Es würde mich freuen, wenn Sie sich einmal zu der Frage äußern würden, ob Sie bereit sind, einen solchen Schritt, wie er von Senator Harald Wolf ({12}) Ihrer Kollegin aus Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen wurde, mitzugehen. ({13}) Eine weitere Absurdität im Hinblick auf die Stromversorger ist die Tatsache, dass die Emissionszertifikate von Ihnen kostenlos zugeteilt worden sind, dass sie jetzt aber in die Tarife eingepreist werden. Die Unternehmen haben nichts dafür bezahlt. Sie haben die Emissionszertifikate geschenkt bekommen. Aber sie stellen sie den Verbrauchern als Kosten in Rechnung. ({14}) Das hat dazu geführt, dass die Energieversorger Extraprofite in Höhe von circa 6 Milliarden Euro gemacht haben, indem sie von den Verbrauchern Geld für etwas verlangt haben, für das sie keinen Cent bezahlt haben. Meine Damen und Herren, das ist absurd und muss geändert werden. ({15}) Es muss verhindert werden, dass diese Kosten den Verbrauchern weiterhin in Rechnung gestellt werden können; darüber wird im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz schon seit langem diskutiert. Auch hier, Herr Minister Glos, warten wir auf einen Vorschlag von Ihrer Seite. Vorschläge habe ich von Ihnen nur zum Thema Niedriglohnsektor gehört. Sie haben Ihre Sympathie für den, wie ich finde, absurden Vorschlag bekundet, den die so genannten Sachverständigen formuliert haben, die Höhe des Hartz-IV-Geldes um 30 Prozent zu senken. ({16}) Ich halte den Vorschlag, den Druck auf die Erwerbslosen so lange zu erhöhen, bis sie bereit sind, jede Arbeit anzunehmen, schlichtweg für zynisch. ({17}) Wie sieht es denn auf dem ersten Arbeitsmarkt aus? Wie ist das Verhältnis von offenen Stellen zu Erwerbslosen? Einen solchen Vorschlag zu machen, ist nichts anderes, als den Leuten zu sagen: Ich kürze euch die ohnehin knappen Mittel, die ihr bekommt, um euren Lebensunterhalt zu fristen, um weitere 30 Prozent. Das ist ein Programm zur Förderung der Schwarzarbeit. Von irgendetwas müssen die Leute schließlich leben, Herr Glos. Das ist wirtschaftspolitisch absolut unvernünftig. ({18}) Die Politik des Niedriglohnsektors, die Sie verfolgen, hatte bereits ihre Konsequenzen - Minister Müntefering hat diese Daten vor einiger Zeit veröffentlicht -: 300 000 Menschen in der Bundesrepublik haben einen Verdienst, der unterhalb der Einkommensgrenze liegt, obwohl sie einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen. Sie beziehen ergänzende Leistungen gemäß des Arbeitslosengeldes II bzw. Hartz IV und bekommen keine existenzsichernden Löhne. Durch die Hinzuverdienstregelungen im Rahmen von Hartz IV wird ein weiterer Anreiz geschaffen, reguläre Beschäftigungsverhältnisse durch Minijobs, also durch ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse, zu ersetzen. Die Botschaft an die Unternehmen lautet, dass sie keine hohen Löhne zahlen müssen, weil die Arbeitnehmer ihre Niedriglöhne gegebenenfalls durch Transferleistungen des Staates aufgestockt bekommen. Dazu sage ich: Das ist der völlig falsche Weg und ein Grund, weshalb wir einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen. Dieses Dumping nach unten müssen wir beenden. ({19}) Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend eine Wende in der Wirtschaftspolitik: hin zur Stabilisierung der Massenkaufkraft und zur Stärkung der Binnennachfrage. Wir müssen die Spirale nach unten sowohl bei den Löhnen als auch beim Lohn- und Sozialdumping beenden. Wir müssen Mindeststandards einführen, damit Arbeit existenzsichernd ist, in Würde erfüllt werden kann und jeder seinen Lebensunterhalt mit eigener Hände Arbeit verdienen kann. Das setzt eine wirtschaftspolitische Wende voraus. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({20})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Anna Lührmann hat das Wort für das Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich habe Ihrer Rede mit Freude und großem Interesse zugehört. Vielleicht werden Sie sich freuen bzw. wundern, dass ich Ihnen in einem Punkt sogar zustimmen kann: ({0}) Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist so gut wie seit langem nicht mehr. Dazu kam es aber nicht etwa wegen Ihnen bzw. wegen der großen Koalition, sondern trotz der großen Koalition. Sie haben dazu an keiner einzigen Stelle beigetragen. ({1}) Ich kann mir vorstellen, dass Sie mir das nicht unbedingt glauben. Allerdings sollten Sie zur Kenntnis nehmen, wie die deutsche Wirtschaft den Wirtschaftsminister beurteilt. In den entsprechenden Umfragen heißt es: Nur jeder zwanzigste Manager findet in Deutschland den Wirtschaftsminister gut. Ich frage mich, wie Sie da auf die Idee kommen können, Herr Glos, dass Sie irgendetwas für die Wirtschaft in Deutschland getan hätten, dass Sie irgendeinen Anteil am Wirtschaftswachstum in Deutschland hätten. ({2}) Denn das haben Sie nicht; da leiden Sie an Selbstüberschätzung. Sie sollten lieber Ihren Job machen und einen klaren Kurs in der Wirtschaftspolitik vorschlagen. ({3}) In der heutigen Debatte ist klar geworden, dass diese Regierung keinen klaren Kurs in der Wirtschaftspolitik hat. Man muss sich nur zwei Beispiele vor Augen führen. Erstens: Ihre Bewertung des Sachverständigenrates. Sie haben den Sachverständigenrat jetzt hoch gelobt, Herr Glos - Herr Stiegler hat seine Absetzung gefordert. Was ist denn nun der wirtschaftspolitische Kurs der Bundesregierung? ({4}) Wie wollen Sie Sicherheit, wie wollen Sie Stabilität, wie wollen Sie gute Rahmenbedingungen für die Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland schaffen, wenn Sie sich noch nicht einmal einig sind, was Sie von Ihren eigenen Sachverständigen halten? Das ist kein klarer Kurs und das können wir hier nicht gebrauchen. ({5}) Das zweite Beispiel ist die Haushaltskonsolidierung, die Sie eben in Ihrer Rede für sich entdeckt haben, Herr Minister. Sie haben hier vollmundig erklärt, Sie wollten die Verschuldung auf null zurückführen. Toll! Großartig! Das ist ein wunderbares Ziel. Nur, leider hat das mit der Realität der Politik der großen Koalition nichts, aber auch gar nichts zu tun. ({6}) Wenn man Ihre Mittelfristplanung einmal hochrechnet, wenn man davon ausgeht, dass Sie mit dieser Haushaltspolitik so weitermachen, kommen Sie zu einer Nettokreditaufnahme von null - nicht etwa einer Verschuldung von null - im Jahr 2051. Von daher sollten Sie hier den Mund nicht so voll nehmen, Herr Glos, und lieber konkrete Vorschläge für einen Subventionsabbau machen, die Sie dann auch umsetzen. Das ist Ihr Job hier, nicht, sich mit Steinbrück anzulegen, der heute Morgen nicht einmal hier ist. ({7}) Herr Glos, Sie haben hier gesagt, die Steuermehreinnahmen, die durch die gute Konjunktur hereinkommen, sollten komplett zur Haushaltskonsolidierung verwendet werden. Das finde ich gut, das ist ein richtig grüner Vorschlag, das ist nachhaltig. Nur, leider ist das nicht die Politik Ihrer Regierung. Wenn Sie am Dienstag hier gewesen wären, wären Sie dabei gewesen, als Herr Steinbrück hier noch erklärt hat, dass ein Löwenanteil - wie groß auch immer er sein soll - der Steuermehreinnahmen für die Haushaltskonsolidierung genutzt werden soll. Also, was ist jetzt die Politik dieser Regierung? Sind Sie für Haushaltskonsolidierung oder nicht? Sie können den Mund noch so voll nehmen - wenn Ihr Kollege Steinbrück das nicht umsetzt, wird daraus nichts. ({8}) Herr Glos, ich schlage Ihnen vor, Sie kümmern sich um Ihren Job. Gerade zur Haushaltskonsolidierung haben Sie einen ganz schönen Beitrag zu leisten. Ein Drittel des Etats des Wirtschaftsministers machen die Steinkohlensubventionen aus, die in diesem Jahr bei knapp 2 Milliarden Euro liegen. ({9}) Dazu, zu dem Bereich, wo Sie konkret etwas machen können, haben Sie in Ihrer Rede eben überhaupt nichts gesagt; Sie haben stattdessen mehrere Anmerkungen zur Energiepolitik gemacht. Dabei müssen Sie nur einmal schauen, was die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen macht: Sie hat erkannt, dass es richtig ist, aus dem Steinkohlenbergbau auszusteigen - sozialverträglich natürlich -, und mit den Steinkohlensubventionen Geld einzusparen, das man an anderer Stelle sinnvoller einsetzen kann. Die CDU/FDPLandesregierung hat in den jetzigen Haushalt 50 Millionen Euro eingestellt; diese Summe von Subventionen ist zurückgezahlt worden, weil der Weltmarktpreis für Kohle stark angezogen hat. Wir Grünen haben damals durchgesetzt, dass mit dem Steigen des Weltmarktpreises die Subventionszahlungen sinken. ({10}) Das haben Sie in der großen Koalition hier noch nicht umgesetzt. Statt, wie die Kollegen in Nordrhein-Westfalen das vormachen, solche Rückzahlungen in den Haushalt einzustellen, verzichten Sie einfach auf Mehreinnahmen von mindestens 200 Millionen Euro. Herr Minister Glos, Sie machen mit dem Subventionsabbau nicht Ernst. Sie haben also auch in der Haushaltspolitik keinen klaren Kompass. ({11}) Das hat nicht nur Auswirkungen auf den jetzigen Bundeshaushalt, es geht auch um wichtige langfristige Weichenstellungen. Der Börsengang der RAG steht an, über den wir in nächster Zeit beraten müssen. Auch da haben Sie Zoff mit Nordrhein-Westfalen. Sie haben gerade einen Brief von der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin erhalten. ({12}) - Den habe ich leider nicht gelesen. Ich habe in der Zeitung davon gelesen. ({13}) - Wenn Sie mir diesen Brief zur Verfügung stellen, will ich ihn gerne lesen und auch daraus zitieren. In der Zeitung steht darüber, dass die Wirtschaftsministerin der CDU, Christa Thoben, schreibt, dass wichtige Fragen in Bezug auf den Börsengang der RAG immer noch nicht hinreichend beantwortet sind. Herr Glos, Sie wirft Ihnen vor, dass Sie sich nicht richtig darum kümmern, dass die Altlasten nicht auf den Staat abgewälzt werden. Ich kann dazu nur sagen: Recht hat sie. Sie müssen sich jetzt darum kümmern und Sie müssen jetzt etwas dazu sagen. ({14}) Sie müssen jetzt damit anfangen, an einem Konzept zu arbeiten, wie wir die Altlasten dort möglichst reduzieren können. Deshalb brauchen wir auch ein klares Ausstiegsszenario aus der Steinkohle. Dazu habe ich von Ihnen noch nichts gehört. Ich habe mir hier Herrn Stiegler angehört, der uns allen erzählt hat - er ist jetzt leider nicht mehr da -, dass wir in Deutschland mit dem Steinkohlenbergbau weitermachen müssen, ({15}) obwohl die deutsche Steinkohle auf dem Weltmarkt leider nicht konkurrenzfähig ist. ({16}) Ich finde, das ist keine zukunftsfähige Politik. Sie müssten eigentlich dafür sorgen, dass eine bessere Energiepolitik gemacht wird. Das wäre Ihr Job, aber dazu hört man von Ihnen gerade gar nichts. ({17}) Herr Glos, in der Energiepolitik haben Sie nur einen Vorschlag, auf den ich zum Abschluss eingehen möchte. Sie scheinen sich dabei in guter Gesellschaft mit Ihrem Kollegen Herrn Seehofer zu befinden. Sie haben vorgeschlagen, dass man die Laufzeiten verschiedener Atomkraftwerke verlängern könnte. ({18}) Das war Ihr neuer innovativer Vorschlag in der Energiepolitik. Analog zu dem, was Herr Seehofer gerade tut, fällt mir dazu nur ein, zu sagen: Sie schlagen vor, dass wir Gammel-Atomkraftwerke weiterlaufen lassen, und Sie gefährden damit die Sicherheit der Menschen in Deutschland. Das ist keine zukunftsfähige Energiepolitik. Sie sollten stattdessen dafür sorgen, dass die Subventionen für die Kohle gekürzt werden und dass die entsprechenden Mittel in eine Strategie weg vom Öl und hin zu einer zukunftsfähigen Energiepolitik investiert werden. ({19}) Das wäre Ihr Job, anstatt die Sicherheit der Menschen in Deutschland aufs Spiel zu setzen. Danke. ({20})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Laurenz Meyer. ({0})

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Debatten in den letzten Tagen verfolgt und sage den Oppositionsfraktionen und insbesondere der FDP: Ich kann mir gut vorstellen, wie die Reden ausgesehen hätten, wenn hier heute Morgen statt Michael Glos für uns einer von der FDP gesprochen hätte. Die Daten am Arbeitsmarkt und bezüglich der Erwerbstätigkeit sowie insbesondere der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weichen nun wirklich ganz grundsätzlich von dem ab, was in den letzten Jahren war. Lieber Kollege Stiegler, messen wir es einmal nur an den Zahlen. Ich will dem Herrn Schröder und eurer alten Regierung nicht zu nahe treten, aber im ersten Halbjahr des letzten Jahres war bei der Bundesagentur für Arbeit ein Defizit von 3,4 Milliarden Euro aufgelaufen, während im ersten Halbjahr dieses Jahres ein Plus von 5,5 Milliarden Euro aufgelaufen ist. ({0}) Das zeigt die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt und den grundsätzlichen Unterschied zur Vergangenheit so deutlich wie nichts anderes. Laurenz Meyer ({1}) ({2}) Über diesen Unterschied zu den letzten fünf Jahren sollten wir uns nicht mehr lange streiten. ({3}) Michael Glos hat hier heute Morgen eine Rede gehalten und ein Konzept vorgelegt, das wir als Unionsfraktion nachdrücklich unterstützen und an dem wir nach Kräften mitarbeiten werden. ({4}) Ein paar Punkte will ich noch einmal zusätzlich unterstreichen. ({5}) Erstens. Der wichtigste ordnungspolitische Punkt in den kommenden Jahren ist der Wettbewerb. Dies zieht sich durch alle Gebiete und darauf haben wir jetzt bei den verschiedenen Reformprojekten zu achten. Wer vom internationalen Wettbewerb so stark wie wir betroffen ist, der tut den eigenen Unternehmen und den eigenen Arbeitskräften den besten Gefallen, wenn er den Wettbewerb im eigenen Land nach Kräften stärkt, und zwar auf allen Gebieten. Besser kann man den Unternehmen und in Bezug auf die Arbeitsplätze nicht helfen. Das betrifft auch den Bereich, den Michael Glos beim Thema Energie angesprochen hat. Hier gibt es zurzeit eine höchst unvollkommene Wettbewerbssituation. Unmittelbar nach Freigabe der Märkte - der Wettbewerb war damals härter - war sie besser. Das müssen wir berücksichtigen. Ich sage das wirklich mit allem Ernst und voller Vorwurf: Durch die ideologisch orientierte Energiepolitik der rot-grünen Koalition ist der Wettbewerb anschließend gestoppt worden, und zwar indem vielfältige Kosten obendrauf gelagert worden sind. Frau Lührmann, es muss einem geradezu komisch zumute sein, dass Sie sich, wenn Sie hier zur Energiepolitik vortragen, Sorgen um die Verbraucherpreise im Energiebereich in Deutschland machen. Sie sollten zunächst Ihre Ideologie durchforsten - Sie haben alle möglichen Kosten für die Leute draufgepackt -, ehe Sie sich weiter zu diesem Thema äußern. ({6}) Zu den Stichworten „Wettbewerb“, „Energiepreise“ und „Verbraucherpreise“ können Sie sich hier wirklich nicht glaubwürdig äußern. ({7}) Was sind die Herausforderungen? Herr Minister Glos hat völlig Recht: Die Strombörse funktioniert zurzeit noch nicht richtig. Man kann nicht die Grenzpreise zur Grundlage für die Festlegung der gesamten Handelspreise machen. Wir müssen an dieses Problem herangehen und uns überlegen, wie wir das System vervollkommnen, insbesondere im Hinblick auf den internationalen Bereich. ({8}) Weiterer Punkt: die Bundesnetzagentur. Wir unterstützen nachdrücklich die Überlegungen der Netzagentur zu den Netzpreisen und zur Anreizregulierung in der Zukunft. Wir stehen sicherlich am Anfang eines längeren Prozesses; aber ohne ihn werden wir den Wettbewerb nicht stärken können. Was der Wirtschaftsminister auch in den vergangenen Tagen zur Anbindung neuer Kraftwerkskapazitäten gesagt hat, findet unsere volle Unterstützung. Es darf nicht verhindert werden, dass neue Kraftwerkskapazitäten - ich denke hier insbesondere an Kohlekraftwerke; von den Gaskraftwerken der Stadtwerke halte ich, obwohl eines davon in meinem Wahlkreis steht, nicht so viel - erschlossen werden. Herr Minister Glos, wenn es Verweigerungshaltungen gibt, müssen wir sehen, wie wir damit umgehen. Im Zusammenhang mit den Haushalts- und Gewerbepreisen müssen wir sorgfältig schauen: Kommt es bis zum nächsten Jahr zu einer vernünftigeren Wettbewerbssituation? Wenn das nicht der Fall sein sollte, müsste man sorgfältig prüfen, ob die Genehmigungsvorbehalte der Länderregierungen für eine bestimmte, nicht zu lange Zeit beibehalten werden sollten. Ein Wort an Herrn Minister Gabriel: Wer mit seinem Haushalt 30 Prozent der Energiepreise mit zu verantworten hat, wer immer noch nicht eingesehen hat, dass es sinnvoll ist, die Kernenergie zumindest so lange zu nutzen, bis es einen für die Menschen tragbaren, genauso sicheren Ersatz gibt - international wird das inzwischen von allen eingesehen -, der sollte andere Minister nicht in der Öffentlichkeit kritisieren. Zumindest das sollte man verlangen. ({9}) Zum Schlüsselwort „Wettbewerb“ gehört natürlich auch die Gesundheitsreform. Hier muss das Hauptziel sein, einen Wettbewerb zwischen den Versicherungen herzustellen, damit die Versicherungen den Versicherten vernünftigere und effizientere Konditionen anbieten und die Preise und Kosten nicht wie in der Vergangenheit aus dem Ruder laufen. Was ich hier in der Debatte - leider Gottes auch von dem einen oder anderen Kollegen von der SPD - dazu gehört habe, zeigt mir, dass ein falsches Verständnis von Wettbewerb vorliegt. Es wird gesagt: Wir müssen die Versicherungen verpflichten, jeden zu nehmen. - Das nennt man Kontrahierungszwang. Ich verstehe überhaupt nicht, dass dann an anderer Stelle gesagt wird, es gehe um die guten Risiken. Egal, wie krank jemand ist: Er muss die Gelegenheit haben, zu jeder Versicherung, die günstiger als seine eigene ist, zu wechseln. ({10}) Laurenz Meyer ({11}) - Dann muss man sie aber nicht zusätzlich schützen. Leider Gottes ist hier - Kollege Stiegler, prüfen Sie das einmal in den eigenen Reihen - manches vertreten worden, was Wettbewerb geradezu unterminiert und verhindert. Wir sollten das Thema noch einmal sorgfältig behandeln. Deswegen ist es sicher gut, dass wir mehr Zeit haben. ({12}) Das Stichwort „Wettbewerb“ gilt auch für die Telekom. Wenn wir in der übernächsten Woche über Investitionsprogramme der Telekom reden, kann es nur darum gehen, zu prüfen: Wird der bisherige Wettbewerb gestoppt? Werden neue Produkte angeboten? Davon machen wir unsere Entscheidung abhängig. Anreize in Form einer Regulierungspause oder Ähnliches gibt es mit uns nicht. Was reguliert werden muss, wird reguliert. Was aber nicht reguliert werden muss, wird auch in Zukunft nicht von uns reguliert. ({13}) Dasselbe gilt für die Entscheidung, die bei der Bahn ansteht. Wir müssen gegenüber den alten Unternehmen - gegenüber der Telekom und der Bahn - glaubhaft machen, dass wir Wettbewerb wollen. Wir müssen für die gesamte Volkswirtschaft Strukturen schaffen, die Wettbewerb nicht verhindern, sondern unterstützen. Dabei dürfen wir allerdings nicht vernachlässigen, dass die Systeme weiterhin funktionieren müssen. Deshalb wird die Bahn den Betrieb sicherlich für eine bestimmte Zeit übernehmen müssen, weil es nicht anders geht. So kann man das alles durchdeklinieren. Ich glaube, dass das Stichwort „Wettbewerb“ die zentrale Botschaft für das Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftspolitik ist. Damit komme ich zur Unternehmensteuerreform, bei der es darum geht, für die Unternehmen gleiche Voraussetzungen im Wettbewerb zu schaffen. Es geht vor allen Dingen darum, dass die Unternehmen in Deutschland Steuern zahlen statt woanders. Insofern ist alles, was hier zu den Arbeitsplätzen gesagt worden ist, im Prinzip richtig. Bei der Unternehmensteuerreform geht es nicht in erster Linie darum, inwiefern dadurch akut neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Vielmehr geht es um die Frage, wie man durch diese Reformmaßnahmen die Steuereinnahmen auf mittlere Sicht wieder nach Deutschland verlagert. Dass das mit Anfangsinvestitionen verbunden ist, werden wir sicherlich in Kauf nehmen müssen, wenn wir langfristig die Einnahmen steigern wollen. Langfristig werden wir damit aber auch die Standortbedingungen im internationalen Wettbewerb verbessern. Wir müssen ferner die Weichen stellen - das ist jedenfalls meine Philosophie; darin sehe ich mich einig mit den Kollegen in unserer Fraktion, die sich darum bemühen -, um die Anreize zur Finanzierung durch Eigenkapital statt durch Fremdkapital zu verstärken und die Eigenkapitalbildung zu unterstützen. Auch das ist ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform, die wir zurzeit diskutieren. ({14}) Lassen Sie mich noch etwas zu dem Thema Niedriglohn ausführen. Löhne, die nicht der Produktivität entsprechen, werden auf Dauer nicht gezahlt werden können. Auch das ist eine Gesetzmäßigkeit. Arbeitsplätze, bei denen die Lohnzahlung nicht der Produktivität entspricht, werden auf mittlere Sicht wegfallen. Wenn wir die Arbeitsplätze nicht kaputtmachen wollen, sollten wir deshalb in diesem Zusammenhang nicht mehr von Mindestlohn sprechen. Uns kann es doch nur darum gehen, den Menschen ein Mindesteinkommen zu garantieren. Dieses Mindesteinkommen setzt sich eben unter Umständen aus Sozialtransfers plus eigenem Einkommen zusammen, was dann der Produktivität entspricht. Das, was der Kollege Stiegler zum Sachverständigenrat gesagt hat, war wohl ein kleiner Tribut an die eigene Fraktion. ({15}) Hinterher hast du zum Teil etwas ganz Vernünftiges gesagt, Ludwig. Zu diesem Punkt war es aber, unter uns gesagt, Quark. ({16}) Es zeigt, dass gut gemeint nicht gut ist. Wir haben im letzten Jahr eine Maßnahme eingeführt, die wir dringend korrigieren müssen. Die 400-Euro-Jobs in Verbindung mit dem ALG II waren gut gemeint. Das hatte aber zur Folge, dass Schwarzarbeit praktisch nicht mehr kontrollierbar ist. Die Bundesagentur hat in unseren Gremiensitzungen bekannt gegeben, dass der Umfang der Schwarzarbeit in Deutschland, auf Arbeitsplätze hochgerechnet, 6 Millionen Arbeitsplätzen entspricht.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deshalb müssen wir uns bei den Gesprächen zum Arbeitsmarkt im Herbst damit befassen, wie wir die Schwarzarbeit in reguläre Arbeit umwandeln können. Wichtig ist auch die Frage, die der Sachverständigenrat angesprochen hat. Ich begrüße für unsere Fraktion, was die Bundeskanzlerin dazu festgestellt hat: Kürzungen ohne Arbeitsplatzangebot im ALG-II-Bereich soll es nicht geben. Das ist unsere Philosophie. Wer aber soziale Transferleistungen vom Staat erhält und einen Arbeitsplatz angeboten bekommt, sollte diesen auch annehmen. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind. Wenn wir bei der Vielzahl von Projekten, die wir zurzeit in Arbeit haben, Ruhe bewahren, es nicht an Mut und Veränderungsbereitschaft mangeln lassen und in einem überschaubaren Zeitraum bei allen Arbeitsprogrammen, die Laurenz Meyer ({0}) wir uns vorgenommen haben, den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft wieder Planungssicherheit bieten, dann werden die derzeitigen Entwicklungen am Arbeitsmarkt auch in der Zukunft dauerhaft fortgesetzt werden können. Davon bin ich überzeugt. Danke schön. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin Ulrike Flach. ({0})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Meyer, Sie machen sich große Gedanken darüber, was ein liberaler Wirtschaftsminister an dieser Stelle gesagt hätte. ({0}) Er hätte Ihnen sicherlich berichtet, was schon umgesetzt worden ist: eine Steuerreform einschließlich Unternehmensteuerreform, eine Gesundheitsreform und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. ({1}) Sie haben ein Jahr hinter sich gebracht und heute, nach einem Jahr, erzählen Sie uns, was Sie langfristig auf diesen Gebieten tun werden. Das wäre Ihnen mit einem liberalen Wirtschaftsminister sicherlich nicht passiert. Das hat inzwischen auch so mancher Wähler in diesem Land erkannt. ({2}) Herr Wirtschaftsminister, Sie haben gerade gesagt, in Zeiten des Aufschwungs sei zu konsolidieren. Ich kann Ihnen ausdrücklich die Zustimmung der FDP zusichern. Ich erkenne Ihre Absicht allerdings nicht im Haushalt. Wenn man den Einzelplan 09 anschaut, stellt man fest, dass Sie die vielen Subventionstöpfchen, die seit vielen Jahren von den verschiedenen Regierungen gepflegt werden, wieder einmal etwas aufgefüllt haben. An den Punkten, an denen die Bevölkerung klar erkennen könnte, dass es vorangeht, passiert nichts. Frau Kollegin Lührmann hat soeben zu Recht die Steinkohle angesprochen. Ich weiß nicht, warum wir uns an dieser Stelle von der großen Koalition sagen lassen müssen, man würde in geltende Verträge eingreifen, wenn man Kürzungen vornehmen wollte. Ich kann immer wieder betonen: Natürlich ist das nicht der Fall, es hat immer Verhandlungen gegeben. Ich bin froh, dass Paul Friedhoff hier sitzt und das bestätigen kann. Man hat immer wieder versucht, entsprechende Erleichterungen für den Haushalt herbeizuführen. Darüber hinaus gibt es eine Landesregierung, die in ihrem Etat für die mittelfristige Planung bereits minus 50 Millionen Euro eingesetzt hat. Wieso kann so etwas in NRW passieren und nicht bei Ihnen, Herr Glos? ({3}) Es ist immer leicht, zu sagen: Wir hängen in Verträgen. Dagegen ist es offensichtlich sehr schwer, gegen die alten Subventionsträger in diesem Land vorzugehen. Das passiert in einer Zeit, Herr Glos, in der wir uns einen Finanzminister leisten, der zusammen mit Herrn Koch die berühmte Koch/Steinbrück-Liste aufgestellt hat. Hätten wir uns an diese gehalten, hätten wir schon Milliarden einsparen können. Wenn ich mir jetzt Ihren Etat, gar nicht den gesamten Bundesetat, anschaue, dann stelle ich fest, dass Sie bei den Subventionen nach der Koch/Steinbrück-Liste eine Steigerung um 8 Prozent hätten. Es fand aber kein Abbau statt, wie es der derzeitige Finanzminister jahrelang geplant und gefordert hat, sondern genau das Gegenteil: 8 Prozent mehr Subventionen in einem Etat, zu dem uns der zuständige Minister gerade erzählt hat, in guten Zeiten müsse man konsolidieren. ({4}) Ich habe in der Rede dieses Ministers, aber auch in den Reden anderer während der gesamten Haushaltswoche, festgestellt: Dies war keine Haushaltswoche, sondern eine Woche, in der der Koalitionsausschuss immer wieder einmal getagt hat. ({5}) Es war für uns als Opposition zum Teil recht amüsant, zu erleben, dass der Koalitionsausschuss nicht zu einem Ergebnis kommt. Das betrifft den Abbau von Subventionen, aber auch den Energiebereich, der von diesem Minister verantwortet wird, lieber Herr Ramsauer. Es hat gestern keinen Widerspruch des zuständigen Umweltministers Gabriel zu dem gegeben, was Herr Glos uns immer vorschlägt. Wir haben hier einen denkwürdigen Auftritt von Frau Reiche zum Thema Gorleben erlebt. Der Koalitionsausschuss ({6}) tagte insofern, als Frau Reiche uns erklärte, dass die CDU all das weiterhin vertritt, was sie schon bisher vertreten hat. Die SPD hat uns genau das Gegenteil erklärt. Der Umweltminister hat uns gesagt, er werde in Zukunft weitere Standorte für Endlager suchen. Dann kommt der entscheidende Punkt, lieber Herr Ramsauer: Im Etat des Umweltministers ist das Geld dafür nicht eingestellt. ({7}) Das heißt, Sie leben in zwei verschiedenen Welten und teilen uns über die Medien sozusagen ihre eigene Opposition mit. Eine zukunftsweisende Energiepolitik können wir an dieser Stelle jedoch weder erkennen noch erahnen. ({8}) Herr Glos reklamiert für sich ein Thema, das für mich aufgrund meiner forschungspolitischen Vergangenheit besonders interessant ist: das Thema Hightechstrategie. Sie haben uns eine wunderschöne, sicherlich sehr teure Broschüre vorgelegt. Diese zeichnet sich vor allen Dingen durch einen Punkt aus: Im Jahre 2007 endet die Hightechstrategie dieser Bundesregierung. Es ist nicht erkennbar, was Sie nach dem Jahre 2007 machen wollen. Das Einzige, was erkennbar ist, ist, dass Sie bei den Mitteln für die Felder, auf denen schon immer herumsubventioniert wurde, ein bisschen draufsatteln wollen. Ansonsten ergehen Sie sich in luftigen Worten und Dialogforderungen. Ich führe als Beispiel die Raumfahrt - Sie wissen, dass ich daran stark interessiert bin - an. Dazu lässt sich folgender Satz von Ihnen finden: Man beginnt einen strategischen Dialog zur deutschen Raumfahrtpolitik. ({9}) Eine äußerst interessante Formulierung! Die Bundesregierung meint offensichtlich, dass sie über Hochglanzbroschüren Politik in diesem Land betreiben kann. ({10}) Das ist keine Hightechpolitik und wird es auch nie werden, vor allem deswegen nicht, weil wir uns gleichzeitig mit Ministern wie Herrn Seehofer „vergnügen“ müssen, die Politikfelder blockieren und offensichtlich nicht willens sind, diese zu bearbeiten, und das, obwohl ich noch vor wenigen Monaten von einigen Unionskollegen hörte, dass die betreffenden Bereiche die Hightechsymbolfelder dieser Welt seien. Denken Sie nur an die Grüne Gentechnik! Hätten wir Herrn Seehofer nicht als Minister, gäbe es wahrscheinlich bereits eine Reform, die uns weiterbringen würde. Aber so denken wir nur darüber nach, ob wir vielleicht am Ende des Jahres über das Thema Grüne Gentechnik reden sollen. Ich hoffe, dass es dann endlich weitergeht. Herr Glos, alles, was mit Hightech zu tun hat, führen Sie zwar im Munde. Aber leider hat das bislang nichts genutzt. Sie sollten erkennen, dass es nicht reicht, lupenreine CDU/CSU-Reden zu halten - diese finden sicherlich unseren Beifall, keine Frage; wir sind an vielen Stellen einer Meinung -, wenn am nächsten Tag den Zeitungen zu entnehmen ist, dass erneut SPD-Politik betrieben wird. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD hat Rainer Wend das Wort. ({0})

Dr. Rainer Wend (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Rede mit der mir eigenen milden Nachsicht ({0}) - richtig - und der mir eigenen Zurückhaltung sagen: Ich habe den Eindruck, dass der eine oder andere Kollege von der Union angesichts schlechter Umfragewerte in den letzten Wochen nervös geworden ist. Ich kann das deswegen mit Nachsicht sagen, weil wir von der SPD das kennen. Wir sind das schon lange gewohnt. Ich gebe Ihnen daher mit Fug und Recht folgenden freundschaftlichen Rat: Gewinnen wird in dieser Koalition niemand, wenn er sich auf Kosten des Partners profilieren will. Gewinnen werden wir nur, wenn wir gemeinsam Politik für unser Land und zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit machen. ({1}) Die Koalition wird auch dann nicht gewinnen, wenn ein Teil dieser Koalition an Forderungen nach Abbau des Kündigungsschutzes und dem Weiterlaufen von Atomkraftwerken festhält. Dazu kann ich nur sagen: Ein Blick in die Koalitionsvereinbarung erleichtert die Rechtsfindung. Wir bleiben bei dem, was wir dort vereinbart haben. Umweltminister Gabriel hat die Unterstützung der SPD-Fraktion für seine Politik; denn sie ist nichts anderes als eine gute Umsetzung der Koalitionsvereinbarung. ({2}) Wenn wir uns darüber streiten, wer für den Aufschwung politisch verantwortlich ist, dann ist daran zumindest gut, dass wir uns in diesem Haus mittlerweile einig sind, dass es so etwas wie einen Aufschwung gibt. Ich finde, bei ruhiger Betrachtungsweise können wir uns - vielleicht sogar fraktionsübergreifend - darauf verständigen, wo die Ursachen dafür liegen. Einige wurden bereits benannt. Eine Ursache sind neben der Politik die Unternehmer. Sie haben ihre Unternehmen wieder wettbewerbsfähig, konkurrenzfähig gemacht. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass es mit der Wirtschaft bergauf geht. Das will ich als Sozialdemokrat ausdrücklich anerkennen. ({3}) Ich bin zudem der Auffassung, dass die große Koalition einen wichtigen Beitrag geleistet hat, und zwar nicht nur mit ihren Einzelmaßnahmen, die der Kollege Stiegler zu Recht angeführt hat. Ich glaube, dass wir, die große Koalition, zu Beginn unserer Amtszeit den Unternehmen und den Menschen ein Stück weit Vertrauen zurückgegeben haben. Das rechne ich uns gemeinsam an. Wir sollten dieses Vertrauen gegenüber unserer Bevölkerung auch weiterhin aufrechterhalten. Schließlich hat Rot-Grün auch seinen Anteil daran. Wir haben mit Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Steuersystem begonnen. Ich sage an uns alle adressiert - ohne Vorwurf an eine Richtung -: Mit diesen Reformen wurde zehn Jahre zu spät begonnen. Rot-Grün hatte damit begonnen. ({4}) Deswegen haben wir Sozialdemokraten auch überhaupt keinen Grund, uns von dieser Regierungszeit zu distanzieren, die wir gemeinsam hatten. Schließlich sind dafür auch jene mitverantwortlich, die heute noch nicht genannt worden sind - vielleicht habe ich es auch überhört -: Das sind die Tarifpartner. Wir haben nämlich in den letzten zehn Jahren Tarifvereinbarungen über Arbeitszeiten, über Entlohnungen geschlossen, die flexibel sind und die uns bei den Arbeitskosten im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig gemacht haben. Noch heute stand in der Zeitung, dass wir den zweitniedrigsten Anstieg bei den Arbeitskosten aller Industrieländer haben. Das ist Ergebnis der Tarifpartner und das ist Ergebnis der Tarifautonomie, zu der wir uns bekennen. Wir haben überhaupt keinen Anlass, diese in Zweifel zu ziehen. ({5}) Ein Wort zu Ihnen noch, Herr Senator Wolf: Ich finde, Ihre Rede hat sich, weil sie sehr sachlich war, von dem positiv abgehoben, was an populistischen Sprüchen von anderen Ihrer Parteifreunde hier gebracht wurde. ({6}) Sie sagen: Wir müssen unsere Konjunktur über mehr Nachfrage beleben. Das ist sicher nicht falsch. Ich bitte, nur Folgendes zu beachten. Unsere Wirtschaft ist zu 40 Prozent vom Export abhängig, die Vereinigten Staaten zu 15 Prozent - um einmal eine andere Zahl zu nennen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht darauf beschränken, anzunehmen, die Konjunkturbelebung könne nur glücken, wenn wir die Binnennachfrage über höhere Löhne, womöglich auch höhere Transferleistungen unseres Staates anregen. Die Tarifpartner können zu mehr Lohnabschlüssen kommen, die das Wachstum in den einzelnen Branchen stärker berücksichtigen. Einverstanden. ({7}) Wir müssen es aber bei den Arbeitskosten aufgrund unserer Exportsituation schaffen, die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Deswegen ist es für mich „Vulgärkeynesianismus“, wenn Sie einfach sagen, die Nachfrage zu erhöhen, das schaffe Konsum. Wir müssen im internationalen Kampf um Investitionen und Arbeitsplätze wettbewerbsfähig sein. ({8}) Lassen Sie mich noch ein Wort zu einem Thema sagen, das mir sehr am Herzen liegt, das auch mehrfach angesprochen wurde, dem Thema Regulierung und Energiekosten. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Sorge, dass ihnen die Kosten in vielen Bereichen des Lebens davonlaufen, auch und gerade bei den Energiepreisen. ({9}) Ich finde, die Bundesnetzagentur macht an dieser Stelle eine gute Arbeit. ({10}) Sie hat die Entgelte für die Netznutzung um insgesamt etwa 20 Prozent gekürzt. Diese Entgelte machen allerdings insgesamt nur 37 Prozent des Strompreises aus. Das heißt, wir haben damit nur ein Segment erwischt, aber immerhin. Jetzt sage ich noch etwas zum Thema Energiepreise. Am Ende werden wir nur Erfolg haben, wenn es Wettbewerb gibt. Die vier Oligopole, die jeder kennt, stehen faktisch in keinem Wettbewerb. Die einzigen, die wirklich Wettbewerb machen, sind die örtlichen Stadtwerke, ({11}) und die müssen wir stärken, auch über die Bundesnetzagentur. Es hilft uns nichts, wenn wir über eine Regulierung kurzfristig die Preise bei den Stadtwerken um wenige Cent senken, wenn dieses am Ende zur Folge hat, dass sie nicht mehr handlungsfähig sind und die Netze anschließend von den vier Oligopolen übernommen werden. ({12}) Denn das hätte nur zur Folge, dass die Preise umso rasanter ansteigen würden. Zur Regulierung sage ich: Passt auf, dass ihr die Stadtwerke nicht schädigt, statt ihnen zu helfen, weil nur das den Wettbewerb stärkt. Die Schlagworte zu Wirtschaft und Entwicklung sind bekannt: Steuersenkung, Entbürokratisierung, den Arbeitsmarkt lockern. Sie wissen alle: Mit mir kann man über manches reden, was diese Dinge angeht. Aber über einen Punkt, der für uns wichtig ist, wird zu wenig gesprochen: Wie gelingt es uns, Industrie- und Standortpolitik für Deutschland zu machen? Ich will Ihnen einige Zahlen vortragen, die für unser Land ein Problem sind, und zwar trotz des Aufschwungs, den wir gegenwärtig erleben. Es ist nämlich so, dass die industrielle Basis in Deutschland seit Jahrzehnten an Breite verliert. Ganze Industriezweige, Unterhaltungselektronik und Textilindustrie beispielsweise, sind, verglichen mit der Zeit vor 20 oder 25 Jahren, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Das hat erhebliche Auswirkungen: Deutschland hat in den letzten 15 Jahren etwa ein Drittel aller Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe verloren. Der Dienstleistungsbereich konnte dies nur zu einem relativ geringen Teil, nämlich zu etwa 40 Prozent, ausgleichen. Wir müssen also Standort- und Industriepolitik machen. Dies darf aber keine nachsorgende Industriepolitik sein. Was wir einmal im Zusammenhang mit Holzmann gemacht haben, ist kein Beispiel für die Zukunft. ({13}) Wenn das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen ist, dann hat es keine Perspektive mehr. Was wir tun müssen, ist, zu versuchen, Leitmärkte zu identifizieren und auf diesen Leitmärkten die Rahmendaten für unser Land zu verbessern. Das FraunhoferInstitut hat einige Zukunftsmärkte ausgemacht. Der Wichtigste davon ist der Markt der Logistik. DeutschDr. Rainer Wend land ist in der Logistik weltweit führend. Zwei der größten Logistikunternehmen der Welt sind bei uns angesiedelt, nämlich die Deutsche Bahn und die Post. Deswegen lassen Sie mich kurz ein paar Worte zur Deutschen Bahn AG sagen. Wettbewerb ist wichtig. Bei der Teilprivatisierung der Bahn müssen wir den Wettbewerb im Auge haben. Wichtig ist für mich aber auch, dass wir den Konzern Bahn als Globalplayer auf dem Zukunftsmarkt Logistik erhalten und stärken. ({14}) Wir müssen deshalb einen Weg finden, einerseits die Bahn als integrierten Logistikkonzern und als Globalplayer zu erhalten, und andererseits müssen wir die Verantwortung, die wir als Staat vom Grundgesetz her für das Schienennetz der Bahn haben, so wahrnehmen, dass wir - ich formuliere es einmal untechnisch - immer auf das Eigentum der Bahn zugreifen können. Darüber, nach welchem Modell das im Einzelnen funktioniert, kann man lange streiten. Wichtig sind der Wettbewerb und der Erhalt des integrierten Konzerns als Globalplayer in dem wachsenden und bedeutsamen Logistikmarkt. Ich habe versucht, einen Beitrag zu einer Versachlichung der Diskussion zu leisten. Ich sage noch einmal: Die große Koalition macht sich das Leben nicht einfach. ({15}) Aber sie macht es auch anderen nicht einfach. ({16}) Ich sage Ihnen: Gemeinsam werden wir Erfolg haben, wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen und wenn es uns auch in Zukunft gelingt, bei den Strukturreformen den Weg weiterzugehen, den wir eingeschlagen haben. Lassen Sie uns das gemeinsam machen. ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Matthias Berninger.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Berliner Senator Wolf hat wahrscheinlich noch andere wichtige Termine und ist deswegen nicht mehr unter uns. ({0}) Er hat in Sachen Energiepolitik den Bundeswirtschaftsminister aufgefordert, die Politik der Bundesregierung gegenüber den vier großen Energiekonzernen zu ändern. Während der Rede des Bundeswirtschaftsministers heute Morgen ({1}) wurde klar, warum der Berliner Senator von Ihnen mehr Klarheit verlangt hat. Herr Minister Glos, was mich wirklich wundert, ist, dass Sie es auf der einen Seite im Wirtschaftsteil der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ geschafft haben, Ihre Position in aller Klarheit zu formulieren, aber auf der anderen Seite nicht in der Lage sind, vor dem Deutschen Bundestag Ihre Strategie so zu formulieren, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer wissen, was Sie vorhaben. Dies sollte Ihnen meiner Meinung nach zu denken geben. Der Ansatz, den Sie verfolgen, ist richtig und wird von uns unterstützt. Die großen Energiekonzerne zocken über die Drehscheibe der Leipziger Strombörse die Verbraucherinnen und Verbraucher systematisch ab. Der einzige Weg, dem kurzfristig etwas entgegenzusetzen, ist die Stärkung des Bundeskartellamts. Nichts anderes will der Bundeswirtschaftsminister und er sollte angesichts der Übermacht der großen Energiekonzerne hierfür die Unterstützung des ganzen Hauses haben. Meine Fraktion jedenfalls ist gerne bereit, daran mitzuwirken, dass es auf dem Strommarkt mehr Wettbewerb gibt. Das haben wir schon beim Energiewirtschaftsgesetz unter Beweis gestellt. ({2}) Eine Binsenweisheit ist, dass Wettbewerb Wettbewerber braucht. Hier gibt es eine Brücke zwischen dem, was sich zurzeit auf dem Strommarkt abspielt, und dem, was in Bezug auf die Zukunft der Kohlesubventionierung diskutiert wird. Es war, obwohl die Kohlesubvention ein Drittel Ihres Etats ausmacht und die industriepolitische Entscheidung über die Zukunft der RAG nicht nur im Ruhrgebiet, sondern im ganzen Bundesgebiet von großer Bedeutung ist, ({3}) für mich ein Armutszeugnis, dass Sie nicht ein Wort zu diesem Thema gesagt haben. ({4}) Ich finde, dass das angesichts der Entscheidungen, vor denen wir im nächsten halben Jahr stehen, nicht geht. Die Frage ist: Unterstützen Sie den Vorschlag aus den Reihen der RAG bezüglich eines Stiftungsmodells, das heißt, den klassischen Kohlebereich vom restlichen Bereich des Industriekonglomerats RAG abzutrennen? ({5}) Unterstützt die Bundesregierung das, ja oder nein? ({6}) Ich finde, dieses ist zu unterstützen, aber es bedarf auch eines klaren Stoppsignals an Werner Müller. Werner Müller möchte uns nämlich nicht nur diesen Vorschlag machen, sondern er möchte darüber hinaus der Politik Vorschriften machen, wie am Ende in dieser neuen Industriestruktur mit den einzelnen Teilen des Unternehmens umzugehen ist. Der Link zum Strombereich ist die STEAG. Zurzeit ist die STEAG eine praktisch von den beiden Müttern RWE und Eon kontrollierte Perle, die Strom produziert, aber auf eine Art und Weise am Markt auftritt, dass sie weder der Eon noch der RWE wehtut. Das kann man auch nicht verübeln. Wir wollen, dass die STEAG künftig unabhängig von diesen beiden großen Konzernen wird und ein klarer Wettbewerber am Markt ist, der die Energie liefert, die dann wiederum gerade den Stadtwerken zugute kommt. ({7}) Das ist es, was Sie vorantreiben müssen. Jetzt kann man sagen, das kritisiere nun einmal die Opposition. Wenn aber die NRW-Wirtschaftsministerin Thoben - Herr Kollege Kampeter, Sie haben bei dem Beitrag meiner Kollegin Lührmann versucht, Nebelkerzen zu werfen ({8}) den Bundeswirtschaftsminister wegen Untätigkeit kritisiert, dann sollte Ihnen das zu denken geben, aber nicht zu Zwischenrufen oder zu Sprüchen Anlass geben. ({9}) Es gibt das Problem, dass die Bundesregierung zu dieser Schlüsselfrage keine klaren Aussagen trifft und diese Haushaltsdebatte komplett hat verstreichen lassen, ohne ein Signal zu setzen. ({10}) Ich meine, es bedarf der Führung der Bundesregierung. Wenn der Bundeswirtschaftsminister nicht führen kann - es gibt einigen Anlass, zu glauben, dass er das nicht kann -, dann muss die Bundeskanzlerin die Führung übernehmen; denn der Umweltminister, der in anderen Bereichen diese Schwäche ausnutzt, wird in dieser Frage schon wegen der Nähe der SPD zur Kohleindustrie nicht der richtige Partner sein. ({11}) Es ist in dieser Debatte an verschiedenen Stellen über Wettbewerb geredet worden. Ich hätte mir gewünscht, dass sich der Bundeswirtschaftsminister klar zu den Apotheken äußert. Ist es eigentlich richtig, dass sich die versammelte Apothekerschaft gegen jede Form von Wettbewerb wehrt und aus der zweiten Reihe der Union, insbesondere der CSU, Einwände kommen, man solle hier auf keinen Fall Wettbewerb zulassen? ({12}) - Was ich will, Herr Kollege Kampeter, ist relativ klar. ({13}) Ich will Markt, auch im Apothekenbereich, und deswegen einen Unsinn wie das Mehrbesitzverbot oder das Fremdbesitzverbot bei Apotheken abschaffen. Das ist Unsinn, der die Preise hochtreibt, die die Patienten bezahlen müssen. Sie haben die Chance, im Rahmen der ansonsten wunderbar ausgestalteten Gesundheitsreform daran etwas zu ändern. Die FDP hätte im Übrigen auch die Chance, zu unterstreichen, wie sehr sie für Wettbewerb eintritt. Das ist ein Bereich, der Ihnen bisher eher Sorgen bereitet. ({14}) Ich glaube, dass ein Wirtschaftsminister, der anstrebt, für mehr Wettbewerb zu sorgen, für diesen Bereich eine klare Aussage treffen müsste. Das hat er bisher nicht getan. Ich meine, dass es eine ganze Reihe von Bereichen gibt, in denen man etwas für Unternehmerinnen und Unternehmer tun kann. Der Deutsche Juristentag diskutiert die Novelle des GmbH-Rechts. Das hört sich sehr technisch an, sie ist aber zurzeit in den Händen der Juristen. ({15}) Eines muss uns doch Sorgen machen. Viele, die ein Unternehmen gründen oder umgründen, wählen keine deutsche Rechtsform, sondern melden ihre Firma in England an und gründen eine Limited, weil unser System zu schwerfällig ist und nicht die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen abbildet. Bei uns findet eine Debatte auf den hinteren Rängen und ohne den Justizminister statt. Teil dieser Auseinandersetzung sind die Rechtspolitiker der Unionsfraktion. Der Bundeswirtschaftsminister, dessen Aufgabe es ist, gute Rahmenbedingungen für Selbstständigkeit zu schaffen, hat sich dazu noch nie geäußert, auch in dieser Debatte nicht. Ich kritisiere an diesem Wirtschaftsminister, dass er sich mit den Problemen der kleineren und mittleren Unternehmen nicht beschäftigt, sondern sie allenfalls einmal in Sonntagsreden erwähnt. ({16}) Herr Bundeswirtschaftsminister, ich finde, es wäre angebracht, einmal Position zu beziehen: Soll es neben der klassischen GmbH-Novelle weitere Liberalisierungen geben - das wollen die Rechtspolitiker der Unionsfraktion -, die zum Beispiel die Haftungsbeschränkung für Existenzgründer erleichtern und damit deren Risiko, ein Unternehmen zu gründen, eingrenzen, oder nicht? Wenn Sie einen Beitrag in dieser Debatte leisten würden, würden es Ihnen die Unternehmerinnen und Unternehmer danken. Bisher haben Sie keinen solchen Beitrag geleistet. Letzte Bemerkung zur Unternehmensteuerreform. Der Kollege Ramsauer hat einiges rigoros abgelehnt, was bisher geplant ist. Ich sage Ihnen, was meine größte Sorge ist: dass wir als Ergebnis der Auseinandersetzung der großen Koalition die schlechtere beider Welten bekommen, nämlich eine Absenkung der Steuersätze für die großen, relativ gut verdienenden Konzerne auf der einen Seite und - damit das Ganze möglichst aufkommensneutral ist - eine Gegenfinanzierung zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen auf der anderen Seite. Es reicht aber nicht, hier pauschale Äußerungen zu machen. Ich erwarte von dem Wirtschaftsminister, dass er in den Arbeitsgruppen, in denen er sitzt, dafür Sorge trägt, dass die Unternehmensteuerreform nicht die großen Unternehmen begünstigt und von den kleinen bezahlt wird. Eine Reihe von Vorschlägen, die jetzt auf dem Tisch liegen, untermalen, dass wir besorgt sein müssen. Vor diesem Hintergrund reicht es meiner Meinung nach nicht aus, sich in Zeitungsinterviews zu äußern. Vielmehr müssen Sie sich in den Arbeitsgruppen der Koalition für eine mittelstandsfreundliche Unternehmensteuerreform einsetzen. Das haben Sie bisher nicht getan. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort Dr. Michael Fuchs.

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Wolf, ich freue mich, dass Sie die Zeit gehabt haben, in den Plenarsaal zurückzukehren, nachdem Sie hier eben gewaltige Worte gesprochen hatten. Ich möchte einen Bezug zu Ihrer Politik in Berlin herstellen. Die Arbeitslosigkeit in Berlin liegt mehr als ein Drittel über dem Bundesdurchschnitt. Sie haben in jedem der letzten drei Jahre einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit verzeichnen müssen. Dafür nur folgende Zahlen: Das Wachstum im Saarland betrug im letzten Jahr 2,7 Prozent, in Berlin minus 0,1 Prozent. ({0}) Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner von Berlin liegt noch nicht einmal bei der Hälfte von Hamburg, Frankfurt, Köln oder München. ({1}) Es gibt hier über 300 000 Arbeitslose. Für diese Politik zeichnen Sie als Wirtschaftssenator verantwortlich. ({2}) Ich weiß nicht, mit welchem Recht Sie sich hierhin stellen und den Bundeswirtschaftsminister kritisieren, der dafür sorgt, dass wir in diesem Jahr 2,4 Prozent Wachstum bekommen - das ist eine Tatsache -, wie das Institut für Weltwirtschaft in Kiel voraussagt. Ein Wachstum in dieser Höhe hat es in den letzten sechs, sieben Jahren nicht mehr gegeben. Das führt dazu, dass sich bei uns etliches verbessert. Verehrte Frau Kollegin Lührmann, ich bin von Ihnen eigentlich ein bisschen enttäuscht. Sie hatten die Gelegenheit, mit dem Minister nach Malaysia und nach Indien zu reisen. Ich habe gedacht, Sie hätten ein bisschen besser aufgepasst und etwas gelernt. ({3}) Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Der Minister sollte überlegen, ob es Sinn macht, Sie noch einmal mitzunehmen. ({4}) Lassen Sie mich zu den Fakten kommen. Ein Punkt muss immer wieder erwähnt werden: Erstmals seit fünf Jahren entstehen in Deutschland wieder Arbeitsplätze im sozialversicherungspflichtigen Bereich. ({5}) Das ist die Folge unserer Politik. Wir haben gegenüber dem letzten Jahr 129 000 Arbeitsplätze im sozialversicherungspflichtigen Bereich mehr. Wenn es uns nun nicht gelingt, die Sozialversicherungssysteme zu sanieren, dann können wir ihre Sanierung sowieso vergessen. Auch die Steuereinnahmen sprudeln. Die kritischen Haushälter haben errechnet, dass wir circa 3,5 Milliarden Euro mehr einnehmen, als ursprünglich geplant. Auch die Kommunen profitieren davon. Die Mainmetropole - verehrter Herr Senator, nehmen Sie sich daran ein Beispiel - hatte für dieses Jahr 900 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen geplant. ({6}) Bis Ende August sind bereits 1,22 Milliarden Euro eingegangen. Man rechnet in Frankfurt jetzt mit 1,4 Milliarden Euro Einnahmen. Das ist eine positive Zahl, die einmal genannt werden muss. ({7}) Es wäre sehr erfreulich, wenn Sie das mit Ihrer Politik auch hinbekämen. Aber davon sind Sie meilenweit entfernt. ({8}) Das Wachstum hat sich belebt. Genau das brauchen wir. Auch da hat die Bundesregierung die Weichen richtig gestellt. Ich erinnere nur an die diversen neuen Programme, die wir bei der KfW aufgelegt haben. Auch dazu eine Zahl. Es sind mittlerweile Mittel in der Größenordnung von 7,5 Milliarden Euro abgerufen worden. Zum Vergleich: Im letzten Jahr waren es weniger als 2 Milliarden Euro. Das CO2-Programm - das muss doch in Ihrem Sinne sein ({9}) hat sich bewährt. Die Mittel werden kräftig abgerufen. Das Gebäudesanierungsprogramm hat sich bewährt. Auch diese Mittel werden kräftig abgerufen. Das alles sind Maßnahmen, die wir zur Verbesserung der Situation des Mittelstands ergriffen haben. Das war dringend notwendig. ({10}) Aber wir sind noch lange nicht am Ende damit. Es ist notwendig, dass wir weitere Maßnahmen ergreifen. Ich bin mir bewusst, dass die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger, die wir aufgrund der fatalen Haushaltssituation für das nächste Jahr planen mussten, weitere Maßnahmen nach sich ziehen müssen. Wir wollen, dass sich in Deutschland Leistung lohnt. Wir wollen die Leistungsträger fördern. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen von der SPD - Sie sind ja unsere neuen Freunde, wie Herr Stiegler eben deutlich gesagt hat -, ({11}) ich habe mich so richtig gefreut, als mein Landesvater - ich bin Rheinland-Pfälzer - den alten Spruch von Helmut Kohl aus dem Wahlkampf 1982 kopiert hat. ({12}) Kopiert wird eigentlich immer nur etwas Positives, etwas Gutes. Insofern finde ich diese Kopie - „Leistung muss sich wieder lohnen“; da hat er Recht - völlig in Ordnung. ({13}) Auf diese Art das Signal zu setzen, dass wir die Leistungsträger in der kommenden Zeit unterstützen, halte ich für notwendig und richtig. ({14}) Deswegen werden wir verstärkt Bürokratie abbauen. Das erste Mittelstandsentlastungsgesetz ist in trockenen Tüchern. Kurz vor der Sommerpause haben wir es verabschiedet. Das zweite wird noch in diesem Jahr kommen. Es wird in allen Ressorts intensiv daran gearbeitet. Wir werden beweisen, dass es möglich ist, diesen Moloch Bürokratie zu reduzieren. Wir werden das Standardkostenmodell jetzt konsequent anwenden. Ich hoffe, dass wir die Basiszahlen bis zum Sommer nächsten Jahres haben werden. Darauf basierend werden wir mit weiteren Abbaumaßnahmen beginnen. Das alles ist in trockenen Tüchern und läuft. Der Normenkontrollrat wird nächste Woche bekannt gegeben und noch bis zum Ende dieses Jahres seine Arbeit aufnehmen. Das ist ein weiteres Signal an die Wirtschaft und genau das richtige. Wir sollten das gemeinsam voranbringen. Ich bin mir sicher, dass wir mit der Unterstützung unseres Wirtschaftsministers da auf dem richtigen Weg sind. ({15}) Noch ein Wort zu den Steuersystemen. Deutschland befindet sich im Wettbewerb der Steuersysteme. Machen wir uns bitte nichts vor: Wenn wir kein vernünftiges Steuersystem haben, wenn es uns nicht gelingt, eine vernünftige Unternehmensteuerreform auf die Bahn zu bringen, dann werden wir noch mehr Standortprobleme haben. Wir leben nicht in einem Glashaus. Wir können nicht so tun, als sei alles, was um uns herum passiert, egal. Im Gegenteil: Wir müssen diesen Wettbewerb annehmen. Deswegen werden wir eine Steuerreform machen, die den Unternehmen hilft. Die Steuerreform muss rechtsformneutral sein. Es kann nicht angehen, dass die Personengesellschaften und die mittelständischen Betriebe mehr belastet werden als die großen Betriebe. Da bin ich völlig der Meinung von Herrn Berninger. Wenn er mir zuhörte, würde er das auch merken. - Wir werden deswegen unbedingt darauf achten müssen, dass wir bei den Personengesellschaften Möglichkeiten schaffen, zum Beispiel durch Thesaurierung, ({16}) die eine Kompensation für den höheren Steueransatz, der dort notwendig ist, gewährleisten. Dieses Thema müssen wir uns vornehmen. Das muss schnell gehen. Da muss Sicherheit geschaffen werden. Es darf auch nicht mehr so sein, dass jemand irgendetwas vor sich hin plappert. Gott sei Dank hat die Kanzlerin letzte Woche sehr deutlich gemacht, dass mit der Substanzbesteuerung Schluss sein muss. Zinsen dürfen nicht besteuert werden. Das sind Kosten der Unternehmen und die müssen absetzbar sein. Auch da werden wir vorankommen. Bei einem Punkt weiß ich, dass wir noch nicht so ganz einig sind. Aber auch da, glaube ich, werden wir die richtigen Wege finden. Wir müssen bei Hartz IV noch Veränderungen vornehmen. Dass dieser Posten das Risiko in unserem Haushalt ist, wissen wir alle; darüber brauchen wir, glaube ich, nicht zu streiten. Folgendes ärgert mich. Ich komme aus dem schönen Rheinland, aus einer der schönsten Weingegenden, die es in Deutschland gibt, nämlich an der Mosel. - Ich weiß, dass der Wirtschaftsminister als Franke jetzt zum ersten Mal mit mir uneinig ist; aber ich werde dich irgendwann noch überzeugen. - An der Mosel gibt es Erntehelfer. Lieber Kollege Stiegler, ich lade Sie ein, mit mir gemeinsam dort hinzugehen. ({17}) Es ist trotz rund 20 Prozent Arbeitslosigkeit in der Region nicht möglich, 60 Deutsche zu finden - das sind die berühmten 10 Prozent -, die mit in den Weinberg gehen. Daran müssen wir arbeiten; dafür müssen wir Lösungen finden. ({18}) Es kann nicht sein, dass sich die Leute vor dieser Arbeit drücken. Das dürfen wir nicht zulassen. Ich bin aber sicher, dass wir gemeinsam dafür Lösungen finden werden. ({19})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lassen Sie uns festhalten: Das Wirtschaftswachstum steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt, wir schaffen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Wir sind auf einem guten Weg und daran hat der Bundeswirtschaftsminister einen großen Anteil. ({0}) Vielen Dank. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Ute Berg.

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass gegen Ende der Wirtschaftsdebatte die erfreuliche Botschaft, dass die deutsche Wirtschaft wächst, und zwar so stark wie schon seit fünf Jahren nicht mehr, bereits häufiger verkündet wurde, ist ganz normal. Dass diese Tatsache nicht allein, wie in der Vergangenheit, der Exportwirtschaft zuzuschreiben ist, sondern wenigstens in zarten Ansätzen auch der Binnenkonjunktur, ist besonders erfreulich. ({0}) Parallel dazu geht die Zahl der Arbeitslosen um etwa eine halbe Million zurück. Das ist ebenfalls ausgesprochen erfreulich, wenn auch überhaupt kein Grund zur Euphorie, wenn man sieht, dass immer noch 4,3 Millionen Menschen ohne Arbeit sind. Die positive Botschaft möchte ich aber jetzt noch einmal ganz klar ins Blickfeld rücken, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens höhlt natürlich steter Tropfen den Stein. Zweitens möchte ich aber einen Gegenpart zu denen setzen, die sich immer noch - wir haben das auch heute wieder gehört - in Schwarzmalerei und düsteren Prognosen ergehen und damit der realen Lage einfach nicht gerecht werden. Wir kennen das schon aus der letzten Legislaturperiode zur Genüge, als ein noch viel größerer Chor permanent den Untergang des Abendlandes besang und damit Land und Leute verunsicherte. Noch einmal: Die Lage ist besser, als von vielen prognostiziert. Nun ist es bekanntlich so, dass der Erfolg viele Väter oder auch Mütter hat. In diesem Fall sind es natürlich die Unternehmen - Rainer Wend hat zu Recht darauf hingewiesen - und ihre Mitarbeiter, die durch ihren Einsatz einen maßgeblichen Beitrag zur Aufwärtsentwicklung geleistet haben. Die Konsumenten haben für entsprechende Nachfrage gesorgt, auch wenn die Sparquote in Deutschland nach wie vor sehr hoch ist. Aber ebenso - das möchte ich an dieser Stelle ebenfalls betonen - der Mix von angebots- und nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik hat dazu beigetragen, dass es in Deutschland wieder aufwärts geht. Wenn sich Politikerinnen und Politiker bei negativen Entwicklungen schon immer verprügeln lassen müssen, können wir jetzt, finde ich, auch ruhig einmal ein paar Streicheleinheiten einfordern. ({1}) Wir haben in den letzten Jahren unter anderem durch drastische Steuersenkungen die Unternehmen, speziell die Personengesellschaften, also die Angebotsseite, gestärkt. Von der geplanten Senkung der Lohnnebenkosten werden wiederum Unternehmen, aber natürlich auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren. 2008 - darauf wurde schon mehrfach hingewiesen - wird es eine Unternehmensteuerreform geben, die weitere Vorteile bringt. Gerade mit unseren jüngsten Maßnahmen haben wir aber auch die Nachfrageseite deutlich gestärkt. Wir haben ein Investitionsprogramm von 25 Milliarden Euro aufgelegt, trotz der erheblichen Sparzwänge, denen wir, wie jeder weiß, unterliegen. Zu diesem Programm gehören auch die 6 Milliarden Euro, die zusätzlich in Forschung und Entwicklung und damit in Zukunft investiert werden. Um die Binnennachfrage in Deutschland weiter anzukurbeln, gibt es nun zunehmend Forderungen, die Tarifentwicklung in Deutschland wieder deutlicher am Produktivitätsfortschritt auszurichten. Angesichts der hohen preislichen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und der überwiegend rückläufigen Arbeitskosten ist dies sicher ein Erfolg versprechender Weg zur Stärkung der Gesamtnachfrage in Deutschland. Darüber sollte man durchaus nachdenken. Um die deutsche Volkswirtschaft aber langfristig und nachhaltig zu stärken, müssen wir natürlich vor allem in die Innovationsfähigkeit Deutschlands investieren. Wir müssen diese Innovationsfähigkeit erhalten und möglichst steigern. Wir müssen erreichen, dass Wissenschaftlerinnen und Unternehmerinnen - auch die Männer sind gemeint - das erfinden und das tun, was andere noch nicht können und noch nicht tun. Mit der Hightechstrategie siedeln wir die Themen Forschung und Innovationen ganz oben auf der Prioritätenliste an und fordern andere, nämlich die Länder und die Wirtschaft, auf, mitzuziehen. ({2}) Der Haushaltsentwurf 2007, über den wir hier diskutieren, spiegelt diese Schwerpunkte wider. Immerhin 19 Prozent mehr Mittel gibt es im nächsten Jahr im Haushalt des Wirtschaftsministeriums für Forschung und Entwicklung im Mittelstand. Dieser deutliche Aufwuchs verstärkt sich sogar bis 2009. Zwei Aspekte sind mir dabei besonders wichtig: Erstens. Wir setzen mit den stetigen Erhöhungen der Mittel für diese Programme ein Signal für Kontinuität und schaffen eine dauerhafte und verlässliche Planungsgrundlage, die, wie wir alle, die wir Unternehmen besuchen, wissen, von entscheidender Bedeutung für sie ist. ({3}) Zweitens. Wir zielen mit unseren Programmen für den Mittelstand darauf ab, dass die Forschungsergebnisse schneller als bisher in marktfähige Produkte münden. ({4}) „Aus Ideen werden Taten“, so formuliert die Bundesregierung im Rahmen ihrer Hightechstrategie. Man könnte auch formulieren: Aus Ideen werden schneller Taten. Wir verschaffen der Wirtschaft damit wichtige Impulse und verbessern die Wettbewerbsbedingungen. In der Praxis heißt das vor allem, Vernetzung und Kooperation zu fördern. Die bekannten und bewährten Programme des Wirtschaftsministeriums wie Pro Inno, Inno-Watt und IGF werden wir weiterführen und ausbauen. Darüber hinaus wird es ein neues Förderangebot geben: die Forschungsprämie. Dabei ist allerdings das BMBF federführend. Es ist aber letztlich egal, wer gute Dinge tut, die der Wirtschaft und der Wissenschaft helfen. ({5}) Diese Forschungsprämie soll die Wissenschaftseinrichtungen motivieren, sich stärker auf wirtschaftsrelevante Themen einzulassen. Diese Prämie sollen Hochschulen und Forschungseinrichtungen erhalten, die Forschungsaufträge kleiner und mittelständischer Betriebe ausführen. Auch auf diese Art können Kooperationen und Vernetzungen unterstützt werden. Existenzgründern und kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu verbessern, ist ein weiteres Ziel. Hier helfen wir zum Beispiel mit dem Hightechgründerfonds und dem ERP-Innovationsprogramm. Die Attraktivität und Innovationsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes bemisst sich aber auch an der Verfügbarkeit und Qualität seiner Arbeits- und Fachkräfte. Dazu erreichen uns in diesen Tagen gegensätzliche Nachrichten. Auf dem Ausbildungsstellenmarkt bleibt die Situation weiter angespannt. Die Lage hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar verschlechtert. Die BA rechnet mit einem leichten Zuwachs bei den Bewerberzahlen und gleichzeitig mit einem leicht rückläufigen Angebot an Ausbildungsstellen. Optimistischen Schätzungen zufolge werden Ende des Monats 47 000 unvermittelte Jugendliche 12 000 unbesetzten Ausbildungsstellen gegenüberstehen. Das ist eine Besorgnis erregende Situation. ({6}) Die gute Nachricht kommt von den Hochschulen. 2005 haben mehr als 250 000 Studierende ihr Studium abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr gab es eine Steigerung um 9 Prozent. Besonders erfreulich ist dabei die Steigerung der Zahl der Absolventen um 26 Prozent im Fach Informatik. Das ist ein neuer Höchststand. Hohe Zuwachsraten gibt es aber auch bei der Mathematik, den Naturwissenschaften und den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen. Für den Technologiestandort Deutschland und seinen Bedarf an hoch qualifiziertem Personal ist das natürlich ermutigend. Die verlässliche und investive Hochschulpolitik des Bundes der letzten Jahre - ich schaue jetzt Edelgard Bulmahn an, die dafür verantwortlich war -, unter anderem in Form von BAföG-Leistungen an Studierende, aber auch die konkrete Förderung technischer und naturwissenschaftlicher Projekte an den Hochschulen tragen ihre Früchte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte.

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin sicher: Mit der Hightechstrategie, der Konzentration auf den innovativen Mittelstand und den Investitionen in die Begabungen und Fähigkeiten der Menschen in den Unternehmen werden wir auch in der Wirtschaftspolitik positive Erfolge erzielen. Danke. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Kurt Rossmanith, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Erfreulich ist, dass wir alle uns zuminKurt J. Rossmanith dest über die vorliegenden Daten und Zahlen einig sind. Die OECD sagt voraus, dass unsere Wirtschaft dieses Jahr um 2,2 Prozent wächst. Dabei muss man berücksichtigen, dass die OECD in ihren Prognosen immer etwas zurückhaltend ist. Also: Die Wirtschaft wächst wieder. Wir haben 15 Prozent weniger Unternehmensinsolvenzen. Wir haben eine halbe Million weniger Arbeitslose als im vergangenen Jahr. Wir haben einen rasanten Anstieg der Zahl derjenigen, die sich dazu berufen fühlen, etwas zu unternehmen, und die deshalb Unternehmen gründen. Deswegen, aber auch, weil wir die Konsolidierung des Haushaltes ernst nehmen, werden wir in diesem Jahr - das kann man in diesem Monat schon mit Sicherheit sagen - die EU-Defizitkriterien erfüllen. Das sind durchaus Daten, die man verkünden sollte. Neben unserer sehr vernünftigen Politik und neben den im vergangenen und in diesem Jahr geschaffenen Rahmenbedingungen sind es die Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande, die für die positive Entwicklung verantwortlich sind. Sie haben nämlich wieder Mut gefasst. Diese Entwicklung sollten wir nicht von vornherein wieder negieren. Aber der Herr Kollege Brüderle - das zieht sich durch die ganze Woche - tut genau dies. Ich habe die FDP bisher immer sehr geschätzt. ({0}) - Ja, ich sage nur die Wahrheit. Wir als Abgeordnete sind dem deutschen Volk und der Wahrheit verpflichtet. ({1}) Deshalb sage ich: Ich schätze durchaus die eine oder andere Idee der FDP, gerade im Wirtschaftsbereich. ({2}) Es ist aber unverständlich, dass Sie ständig auf den alten Zopf Mehrwertsteuererhöhung, egal ob es passt oder nicht, hinweisen. ({3}) Herr Kollege Brüderle, setzen Sie sich doch einmal aufs Fahrrad und fahren von Ihrem Heimatort aus in Richtung Westen nach Frankreich. Dort gibt es eine Mehrwertsteuer von 19,6 Prozent. Ich war dieses Jahr mit dem Fahrrad in Österreich unterwegs. Dort gibt es 20 Prozent Mehrwertsteuer. ({4}) Ein Schleswig-Holsteiner wird vielleicht mit dem Fahrrad nach Dänemark fahren. Dort gibt es 25 Prozent Mehrwertsteuer. Mit Ausnahme der Schweiz, die nicht zur EU gehört und die einen sehr niedrigen Mehrwertsteuersatz hat, ({5}) haben alle anderen Länder um uns herum einen höheren Mehrwertsteuersatz als wir. Lassen Sie also diese Geschichte! Wir werden den jetzt sichtbaren Aufschwung auch im Jahr 2007 haben. Ich garantiere Ihnen: Wir werden noch nicht einmal die von manchen Pessimisten befürchtete Delle zu Anfang des Jahres haben. Dies ist auch wichtig, weil wir nur dann bei der Konsolidierung des Haushaltes erfolgreich sein können, wenn sich dieser Aufschwung fortsetzt. Die Konsequenz ist logischerweise, dass wir die Arbeitslosenzahl senken und dafür sorgen müssen, dass die Steuereinnahmen steigen. Man kann Subventionen durchaus kritisch sehen. Aber man kann Subvention nicht gleich Subvention setzen. Ich muss wissen, welche Subvention sich konsumtiv auswirkt. Die muss nämlich weg. Konjunkturfördernde Subventionen müssen wir aber ausbauen oder zumindest beibehalten. Liebe Frau Kollegin Ulrike Flach, der Anstieg um 9 Prozent muss im Zusammenhang mit dem 25-Milliarden-Investionsprogramm gesehen werden. Darum geht es. Sie sollten sagen: Gut, dass Sie das gemacht haben. Das unterstützen wir. Damit leisten wir unseren Beitrag dazu, dass die Menschen wieder Arbeit finden. ({6}) Herr Bundesminister Glos, wir werden über viele Haushaltsposten des Einzelplans 09, Wirtschaft und Technologie, diskutieren müssen. Wir müssen über die Mittelstandspolitik, die Forschungspolitik und die Auslandswirtschaft sprechen. Wir müssen den Export stärken, aber auch dafür sorgen, dass ausländische Investoren bei uns investieren. Frau Kollegin Flach, ich muss Sie noch einmal ansprechen. Ich stelle mich vor unsere Raumfahrtindustrie, vor die auf diesem Gebiet tätigen Unternehmen, aber auch vor das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die Mitarbeiter lasse ich von niemandem in diesem Hause schlechtreden. Sie leisten eine hervorragende Arbeit. Sie sind bei uns für Hochtechnologie zuständig. Sie schaffen Arbeitsplätze. ({7}) Heute Nachmittag wird die amerikanische Raumfähre „Atlantis“ wieder zur Raumstation ISS starten. Sie wird auch deutsche Technologie an Bord haben. In diesem Zusammenhang danke ich all denjenigen, die daran beteiligt sind. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flach?

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber selbstverständlich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke schön, Kollege Rossmanith. - Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass ich sehr deutlich in Ihrem Sinne gesprochen habe? Deswegen frage ich Sie: Wie werden Sie eigentlich damit fertig, dass es in dieser Bundesregierung über das Thema Raumfahrt offensichtlich nur einen sehr unverbindlichen Diskurs gibt? Wenn ich die entsprechende Broschüre zur Hand nehme, muss ich diesen Eindruck gewinnen. Das habe ich bemängelt. ({0})

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Kollegin, Sie haben kritisiert, dass wir kein Konzept für die Raumfahrt hätten. Die Situation wird weder vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt noch von der Industrie noch von der begleitend tätigen Politik auch nur annähernd so beschrieben wie von Ihnen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie Ihre Aussage in Ihrer Frage korrigiert. Dafür bin ich Ihnen dankbar. ({0}) Wir werden auf diesem Weg gemeinsam voranschreiten. Wir werden auch auf dem Sektor der Luft- und Raumfahrt erfolgreich sein. Deutschland ist ein Hochtechnologieland. Neben den Werften, die ich nicht vergessen will, ist die Luft- und Raumfahrt dabei ein ganz wesentlicher Faktor. Der Tourismus - ich sehe gerade den Koordinator ist auch ein wichtiger Bereich. Eine anerkennende Anmerkung zur Wismut GmbH. Ich will jetzt nicht auf die Höhe der Kosten eingehen. Wir haben noch rund 180 Millionen Euro zu leisten. Auf diesem Gebiet wird großartige Arbeit geleistet. Die Landschaft zwischen dem Süden Thüringens und Sachsen wurde kultiviert und landschaftlich so hergestellt, wie man sich die Region zwischen dem Erzgebirge und dem Elbsandsteingebirge gerne vorstellt. Dafür ist den Menschen, die daran mitgearbeitet haben, aber auch allen Bundesregierungen, die dieses Projekt seit Beginn mitgetragen haben, zu danken. Eine Bemerkung zur Steinkohle, über die schon viel gesagt worden ist. Leider Gottes verrinnt die Zeit. Herr Bundesminister Glos, ich will das, was wir erwarten und benötigen, deshalb ganz kurz in drei Punkten zusammenfassen: Erstens. Es muss eine Entscheidung zwischen den Verantwortlichen gefunden werden, das heißt, zwischen der Bundesregierung, den Landesregierungen - in erster Linie der von NRW - und der RAG. ({1}) Wir brauchen zweitens eine Klärung der künftigen Struktur der RAG und drittens klare Aussagen über die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung. ({2}) Natürlich ist hierbei auch Bundesminister Gabriel gefragt. Es kann nicht gehen, wie Frau Lührmann -

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Rossmanith, da die drei Sätze zu Ende sind und Sie Ihre Redezeit so deutlich überschritten haben, bitte ich Sie, zum Ende zu kommen.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Noch ein Satz, Frau Präsidentin. Ich bedanke mich, dass Sie mir meinen Schlusssatz noch gewähren. Darüber freue ich mich. ({0}) Sie haben gesehen: Es gibt wirklich sehr viele und interessante Themen - man könnte fast eine Stunde darüber sprechen -, ({1}) die wir in den Beratungen des Haushaltes auf uns nehmen werden. Ich freue mich schon auf diese Beratungen. Langweilig wird uns im Haushaltsausschuss mit Sicherheit nicht. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Annette Faße, SPD-Fraktion. ({0})

Annette Faße (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Welt zu Gast bei Freunden“ lautete das Motto der Fußballweltmeisterschaft in diesem Jahr. „Zu Gast bei Freunden“ sollen sich weiterhin die deutschen Gäste in Deutschland und die ausländischen Gäste bei uns fühlen. ({0}) Im WM-Sommer 2006 hat sich Deutschland als Gastland hervorragend präsentiert. Die Zahl der Übernachtungen in Beherbergungsstätten und auf Campingplätzen in Deutschland ist im Vergleich zum Juni 2005 um 8 Prozent auf 35,4 Millionen gestiegen. ({1}) Dazu hat insbesondere der kräftige Zuwachs der Anzahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland mit einem Plus von 31 Prozent beigetragen. Wir gehen davon aus, dass sich die Fußballweltmeisterschaft und auch die Fußballweltmeisterschaft der Mental Behinderten nachhaltig positiv auf den Tourismus in Deutschland auswirken werden. ({2}) Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen werden weiterhin alles tun, um diesen boomenden Wirtschaftszweig, den Tourismus, zu unterstützen. ({3}) Das bezieht sich nicht nur auf den Haushalt, über den wir im Moment diskutieren, sondern wir finden auch - denn der Tourismus ist eine Querschnittsaufgabe - in vielen anderen Haushalten entsprechende Haushaltstitel. Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen, wie wichtig der Tourismus für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist: 8 Prozent des Bruttoinlandproduktes werden in diesem Bereich erarbeitet. 2,8 Millionen Menschen sind in diesem Bereich tätig. Dort wird in zwölf Berufen ausgebildet. An dieser Stelle sei noch einmal laut gesagt: In diesem Bereich gibt es noch freie Ausbildungsplätze, und zwar auch in den neuen Bundesländern. ({4}) Ganz wichtig ist für uns natürlich die Werbung um Ausländer, die in Deutschland Urlaub machen sollen. Dafür ist die DZT ein guter, sachverständiger und kompetenter Partner. Die DZT ist in Verbindung mit den Bundesländern auch für die Inlandswerbung zuständig. Wir halten die Zusage aus dem Koalitionsvertrag ein, die DZT weiterhin auf hohem Niveau zu unterstützen. Im Haushalt haben wir 24,974 Millionen Euro angesetzt. Das ist die gleiche Summe wie im letzten Jahr. Ich bin froh, dass es keine Kürzungen gibt; das sage ich ganz deutlich. Ich würde mich natürlich über jeden Euro mehr freuen. ({5}) Mein Dank gilt an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die weltweit für den Deutschlandtourismus tätig sind, häufig in Verbindung mit Instituten oder unseren Industrievertretungen in anderen Ländern. ({6}) Der Titel „Förderung der Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe“ beträgt wieder 1,4 Millionen Euro. Für mich ist sehr wichtig, dass wir den größten Anteil hiervon, nämlich 750 000 Euro, in den Bereich Weiterbildung im Tourismus investieren, indem wir das Deutsche Seminar für Tourismus in Berlin massiv unterstützen. Aber wir haben auch Geld zur Verfügung, um Grundlagenuntersuchungen zu machen und um einzelne Projekte, die den Tourismus voranbringen sollen, zu unterstützen. Damit, meine ich, können wir uns auch weiterhin aktiv für den Tourismus in Deutschland einsetzen. Die Tourismuswirtschaft profitiert generell von der mittelstandsfreundlichen Politik der Bundesregierung. Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass es zwei Haushaltstitel gibt, in denen die Tourismuswirtschaft massiv mit im Spiel ist: zum einen bei den GA-Mitteln und zum anderen beim ERP-Sonderprogramm. Ein großer Teil dieser Gelder ist in die touristische Infrastruktur geflossen. Wir gehen davon aus, dass auch in Zukunft alle Chancen genutzt werden, insbesondere auch die Möglichkeiten in Richtung Osten. Wir haben mit dem zuständigen Minister aus Mecklenburg-Vorpommern hart gerungen, um auch für Hotels und die Gastronomie eine Öffnung zu erreichen, damit das Geld genutzt werden kann. ({7}) Wir bekommen auch aus den Haushalten anderer Ministerien finanzielle Hilfen. Ich möchte aus jedem dieser Haushalte nur einen Punkt aufgreifen: Der gesamte Bereich Familienerholung, Jugendwerke, Jugendbildung und Jugendherbergen findet sich nicht in unserem Haushalt, sondern im Haushalt des BMFSFJ; das ist ein großer Brocken. Lassen Sie mich eines besonders hervorheben - es wurde nämlich einmal kritisch darüber diskutiert, ob das so bleiben sollte -: Wir haben die NatKo, die Nationale Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V., die sich dafür einsetzt, die Reisemöglichkeiten für Behinderte zu verbessern, im Gesundheitsministerium angesiedelt. Ich freue mich sehr, dass wir diese Stelle so wie bisher erhalten konnten, und hoffe, dass sie weiterhin gut arbeitet. Im Haushalt des Umweltministeriums sind etliche Ansätze enthalten, die sich mit ökologisch verträglichem Tourismus befassen; das begrüße ich sehr. Im Haushalt für Landwirtschaft sind der Bereich Urlaub auf dem Bauernhof und damit auch Chancen für die Entwicklung der ländlichen Räume zu finden. Ich meine, dass wir dem Wirtschaftszweig Tourismus mit diesem Haushaltsentwurf in den verschiedenen Einzelplänen gerecht werden. Ich erwarte, dass wir weiterhin auf die Vielfalt und Qualität der Angebote in Deutschland setzen. Ich sage an dieser Stelle klar und deutlich: Wir müssen mit unserer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik dazu beitragen, dass sich in Zukunft mehr Menschen Urlaub in Deutschland leisten können. (Dr. Michael Meister ({8}): Hoffentlich hat das der Finanzminister gehört! Danke schön. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen damit zur Schlussrunde. Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. ({0})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich für die erste Lesung des Bundeshaushalts 2007 bedanken. Die Mannschaftsaufstellung, der Ablauf, der Austausch der Argumente und gelegentlich auch die rhetorischen Effekte waren nicht immer voller Überraschungen. Aber ich stelle fest: Wir alle ziehen an einem Boot, die Oppositionsfraktionen zwar gelegentlich in eine andere Richtung und nicht zur selben Zeit, aber zumindest die Koalitionsfraktionen. ({0}) Ich will daran erinnern: In meiner Rede zur Einbringung des Haushalts habe ich dafür geworben - mir ist daran gelegen, das auch heute zu unterstreichen -, die derzeit erfreuliche und hoffentlich anhaltend gute Entwicklung des Wirtschaftswachstums, des Arbeitsmarktes und der Steuereinnahmen nicht in Euphorie umschlagen zu lassen. Tatsächlich haben wir die strukturellen Probleme in der Haushalts- und Finanzpolitik bisher nicht gelöst. Ehrlicherweise müssen wir auch der jüngeren Generation unter der Überschrift soziale Gerechtigkeit sagen: Die Generationsgerechtigkeit ist durch die Situation, die wir im Augenblick bei Haushalt und Finanzen vorfinden, keineswegs gewährleistet. Der Vorwurf der jüngeren Generation, dass wir uns mehr leisten, als wir zuvor selbst geleistet haben, ist berechtigt. ({1}) Richtig ist: Die Koalition hat mit dem Haushalt 2006 sehr gezielt einen die Konjunktur stützenden Haushalt vorgelegt, der, wie ich glaube, mit dazu beiträgt, dass sich die Horizonte momentan aufhellen. Wir alle wissen, dass der Haushaltsentwurf 2007 der Einstieg - ich sage sehr bewusst: Einstieg - in einen Konsolidierungskurs ist. Ich bestätige gerne, dass die Kritik von Frau Hajduk - sie wurde auch von vielen anderen Rednern vorgetragen - durchaus Gewicht hat, die darauf abzielt, dass die Senkung der Nettokreditaufnahme „bloß“ auf 20,5 Milliarden Euro im Jahre 2010 definitiv kein Durchbruch ist. Das ist eine Einschätzung, die ich teile. Man kann dem entgegenhalten, wenn man das 25-Milliarden-Euro-Wachstums-und-Impulsprogramm dagegenrechne, habe man es jahresdurchschnittlich mit einer Absenkung um weitere 6 Milliarden Euro zu tun. Unter dem Strich können wir aber bei der bisherigen mittelfristigen Finanzplanung nicht behaupten, dass bei einer Nettokreditaufnahme von 20,5 Milliarden Euro im Jahre 2010 eine wirkliche Verringerung des Tempos der Neuverschuldung stattfindet. Das zwingt in meinen Augen zu der Schlussfolgerung, dass eventuelle, hoffentlich entstehende Mehreinnahmen aus der Wachstumsentwicklung und Effizienzgewinne auf der Ausgabenseite einer weiteren Absenkung der Nettokreditaufnahme zugeführt werden müssen ({2}) und/oder in Investitionen gesteckt werden müssen, jedenfalls nicht konsumtiv verausgabt werden können. Über das Verhältnis - wie viel soll zur Senkung der Nettokreditaufnahme verwendet werden, wie viel soll in die Zukunft investiert werden? - kann man reden; darüber wird es Debatten geben, aber das Prinzip sollte unstrittig sein, auch im Lichte dieses Haushaltes. Denn nur so verringern wir das Verschuldungstempo - von einer Entschuldung sind wir nach wie vor entfernt - und nur so können wir Verbesserungen erreichen bei einem anderen Problem, das wir gelegentlich unterschätzen: die ungünstige Struktur unserer Ausgaben, die eindeutig zu stark vergangenheitsorientiert und zu wenig zukunftsorientiert sind. Frau Lührmann fragte, warum wir das, was in diesem Jahr an Mehreinnahmen hereinkommt, nicht komplett für die Absenkung der NKA verwenden. Ich habe davon gesprochen, dass wir den Löwenanteil dafür einsetzen. Der Grund, Frau Lührmann, liegt darin, dass wir es im Augenblick mit einer etwas angespannten Kapitalmarktverfassung eines Unternehmens zu tun haben und man sich sehr genau überlegen muss, ob man die vorgesehenen Platzhaltergeschäfte noch in diesem Jahr macht oder dann, wenn die Kursentwicklung wieder etwas günstiger ist. Das ist die einfache Erklärung dafür und ich denke, dass Frau Hajduk das auch vermitteln kann. ({3}) Als Aperçu: Ich habe registriert, dass ich meine Einbringungsrede kaum zu Ende gesprochen hatte, da forderte bereits das erste Mitglied der Koalitionsfraktionen für einen bestimmten Einzelplan für die nächsten beiden Jahre 1 Milliarde Euro mehr. Da fragt man sich schon, ob man nicht Schall und Rauch geredet hat! ({4}) - Ja. Aber ich darf dann am nächsten Tag in der Zeitung lesen, dass ein bestimmter Einzelplan in den nächsten beiden Jahren mit 1 Milliarde Euro mehr ausgestattet werden soll. Dabei macht sich dieser Abgeordnete dieses Hohen Hauses offenbar keine Gedanken darüber, was das für die Regelgrenze des Art. 115 Grundgesetz heißt oder wie es um die anderen Grenzen bestellt ist, die wir einzuhalten haben. Das macht keinen Sinn. ({5}) Ich will einige Themen aufgreifen, die im Mittelpunkt gestanden haben. Noch einmal zur Erhöhung der Mehrwertsteuer: Es war eine lebhafte, vorhersehbare Debatte mit klaren Fronten. Fazit bleibt: Bundestag und Bundesrat haben beschlossen! Ich für meinen Teil erinnere daran, dass ich bereits im Februar von dieser Stelle aus auch mit Blick auf Verlässlichkeit gesagt habe, dass sich die Republik darauf einstellen soll, dass diese Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozentpunkte, auch wenn sie unangenehm ist, kommt. Sie ist erforderlich aus zwei Gründen: um den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung abzusenken ({6}) und um die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte mindestens zu stabilisieren. Die Lage der öffentlichen Haushalte ist hinlänglich bekannt, wird aber immer wieder verdrängt. Im Übrigen halte ich daran fest, dass der Konsolidierungsbeitrag des Haushaltes 2007 zu 60 Prozent durch Ausgabenkürzungen - 8,9 Milliarden Euro; 3,9 Milliarden Euro die Reduzierung von Steuersubventionen - zustande kommt, denen 8,4 Milliarden Euro an Steuererhöhungen gegenüberstehen. Das ist das Verhältnis 60/40, das ich am Dienstag genannt habe. Ich teile übrigens die Forderung des Einzelhandelsverbandes BAG, die Diskussion nun zu beenden und die Mehrwertsteuererhöhung zu akzeptieren - zumal sie kommt - und sich nun darauf einzustellen. Dieses Fazit möchte ich an das Ende unserer Haushaltsdebatte stellen. Ich teile auch die Hinweise von vielen wichtigen Absendern, dass man diese Erhöhung nicht dramatisieren sollte. Ich bin sehr dankbar für die jüngsten Stellungnahmen der OECD und für das, was die Europäische Kommission dazu gesagt hat. Namentlich möchte ich auch dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank danken für seine Klarstellung, dass sich die Tonlage der Diskussion über die Erhöhung der Mehrwertsteuer in einem diametralen Gegensatz zu den faktischen Auswirkungen derselben bewegt. ({7}) Nach den Berechnungen der Bundesbank wird es nicht zu einer Teuerungswelle kommen und mittelfristig wird auch die deutsche Konjunktur von einer solchen Erhöhung nicht beeinträchtigt. Ich bleibe dabei: Bei Abwägung der relativen Nachteile - genau darum geht es - ist dieser Weg der beste gewesen. Natürlich gibt es immer Alternativen, aber meine Überzeugung ist immer gewesen, dass andere Strategien, als die Mehrwertsteuer zu erhöhen, größere Nachteile haben, auch für den volkswirtschaftlichen Kreislauf. ({8}) Es gab den ernst zu nehmenden Vorschlag von Frau Hajduk und Herrn Kuhn, diese Erhöhung in drei Tranchen vorzunehmen: 1 Prozentpunkt, 1 Prozentpunkt, 1 Prozentpunkt. Ich sage ganz freimütig: Je älter ich werde, desto mehr habe ich etwas gegen Fortsetzungsromane. Ich lese die Bücher immer gerne gleich ganz durch. Frau Hajduk, ich kann mir auch nicht ganz vorstellen, diese Debatte drei Jahre lang zu führen. ({9}) Herrn Koppelin hier drei Jahre lang immer dasselbe reden zu hören, macht keinen Sinn. Sie können sagen: Das sind vorgeschobene Argumente von Ihnen, Herr Steinbrück. ({10}) Der wahre Grund ist aber, dass wir die gesamten haushaltspolitischen Auswirkungen jetzt und nicht durch einen solchen Fortsetzungsroman, gestreckt auf drei Jahre, brauchen. An dieser Stelle will ich abschließend zur Mehrwertsteuer daran erinnern, dass häufig vergessen wird, dass die Mehrwertsteuer für die Güter des täglichen Bedarfs beim abgesenkten Satz von 7 Prozent bleibt. Das ist in diesem Zusammenhang verteilungspolitisch nicht ganz unwichtig. ({11}) Zur Unternehmensteuerreform. Der Koalitionsausschuss und die Bundesregierung haben die Eckpunkte mit Varianten beschlossen. Das ist jetzt die Grundlage der politischen Arbeitsgruppe, die vom Kollegen Koch und von mir geleitet wird. Ich sage es noch einmal: Ich vermute, dass sich diese Arbeitsgruppe Mitte Oktober einigen dürfte. Viele von Ihnen sind in dieser Arbeitsgruppe vertreten, zum Beispiel Herr Bernhardt, Herr Poß, Herr Spiller und viele andere. Ich rate uns dazu, dass wir uns diese Reifezeit nehmen und nicht täglich Lieder absingen oder Wasserstandsmeldungen in die Öffentlichkeit bringen. Ich sage Ihnen ganz freimütig, dass ich nach unserer letzten Sitzung, an deren Schluss ich in meiner Verabschiedungsarie geraten habe, vorsichtig mit öffentlichen Einlassungen zu sein, zu viele Zitate und Interviews gelesen habe. Diejenigen, die definitiv keine Interviews gegeben haben, waren Herr Koch und ich. All das, worüber ich im Augenblick lese - Zeitpunkt der Abgeltungssteuer, Entlastungsvolumen, Umgang mit den Fremdkapitalzinsen -, ist im Pott. Wir werden die Dinge regeln. Ich bitte aber darum, dass wir uns die Verhandlungen nicht erschweren, indem präjudiziert wird oder Claims abgesteckt werden. So kann das nicht funktionieren. Um mir selber nicht zu widersprechen, will ich mich auf einige wenige Aussagen in diesem Zusammenhang beschränken. Erstens. Es wird keine nominale Steuersatzsenkung ohne eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage geben. Das ist schlechterdings nicht möglich. Das würde nicht funktionieren. ({12}) Wir haben darüber zu reden, wie sie aussehen wird. Einverstanden. Zweitens. Aus meiner Sicht ist es in der Tat sehr wichtig, dass wir die derzeitig bestehende Privilegierung der Fremdkapitalfinanzierung stoppen. Wir werden die Probleme mit den Verschiebebahnhöfen in den Griff bekommen müssen. Anders ausgedrückt: Die Unternehmen, die in Deutschland Steuern zahlen, werden durch die Unternehmensteuerreform besser gestellt als bisher. Diejenigen, die die Verschiebebahnhöfe bisher grenzüberschreitend genutzt haben, werden eventuell gelegentlich enttäuscht sein. ({13}) Das Ziel, das wir mit dieser Unternehmensteuerreform verfolgen, lautet, dass Gewinne, die deutsche Unternehmen erzielen, in Deutschland versteuert und nicht grenzüberschreitend transferiert werden - zum Beispiel nach Wagadugu, Haparanda, Isle of Man oder weiß der Teufel wohin - und dass Verluste nicht nach Deutschland verbucht und hier steuerlich geltend gemacht werden können. Ich glaube, dass diese Logik richtig ist. Drittens. Darüber, was die geeigneten Stellschrauben dafür sind, um mit dem Hintern nicht das umzuwerfen, was wir mit den Händen aufbauen wollen, müssen wir reden. Einverstanden. Mir ist sehr bewusst, dass man mit Blick auf die Fremdkapitalfinanzierung natürlich aufpassen muss, dass man sich selber nicht widerspricht. ({14}) Ich beziehe das einmal auf meine Person, damit das unverdächtig ist. Natürlich weiß ich: Wenn ich für PPPProjekte bin, also für Projekte, die durch Public Private Partnership finanziert werden, dann muss ich bei bestimmten Regelungen aufpassen, dass ich einen zu hohen Anteil an Fremdkapitalfinanzierung nicht so bestrafe, dass es in Deutschland solche Projekte nicht mehr gibt. ({15}) Mir ist sehr bewusst, was das auch für den Mittelstand bedeutet. Damit niemand nervös wird, sage ich dem Mittelstand: Hier kann man mit Freigrenzen und Freibeträgen so operieren, dass man sich nicht geschröpft fühlt. ({16}) Mir ist selbstverständlich auch bewusst, dass in Deutschland nach wie vor Unternehmenszusammenschlüsse in anderen Größenordnungen als auf der Ebene von Mittelstandsunternehmen möglich sein müssen. All denjenigen, die die Befürchtung haben, wir würden dort ignorant vorgehen, sage ich: Das ist nicht unsere Absicht. Ziel ist die Stärkung des Steuerstandortes Bundesrepublik Deutschland für inländische und von mir aus auch die Investoren, die zu uns kommen und hochwillkommen sind, sowie gleichzeitig auch für die öffentlichen Haushalte. Das bedeutet: Damit die nominalen Steuersätze weitgehend aufkommensneutral, das heißt ohne Beschädigung für die öffentlichen Haushalte, abgesenkt werden können, muss eine entsprechende Verbreiterung der Bemessungsgrundlage mit der Absenkung einhergehen. ({17}) Nun habe ich insbesondere auch von der linken Seite gehört - Herr Bartsch hat dazu auch Stellung genommen -, dass das alles Steuergeschenke sind. Wörtlich sagte er, dass diese Regierung den Unternehmen, den Vermögenden, den Banken und den Konzernen wahnsinnige Steuergeschenke machen würde. Es tut mir Leid: Sie brauchen diesen Antagonismus offenbar immer wie eine Droge, weil sonst gewissermaßen ihr Ideologiegerüst zusammenfällt. Ich kann damit nichts anfangen. Sie bringen Formeln wie: Der Kapitalismus steht am Rande des Abgrunds; auf, lasst ihn uns überholen! ({18}) Niemand bekommt hier etwas geschenkt. Wenn Sie sagen, es dürfe keine Unternehmensteuerreform geben, sprechen Sie sich dafür aus, dass alles so bleibt, wie es ist. Damit meine Ausführungen nicht zu flapsig wirken, stelle ich Ihnen eine einzige Frage: Glauben Sie, dass es im Hinblick auf Investitionen und damit auf Arbeitsplätze in Deutschland besser oder schlechter wird, wenn wir alles so lassen, wie es ist? ({19}) - Ich dachte eigentlich, ich bin ziemlich auf der Höhe der Zeit gewesen, als ich Ihnen zugehört habe. Aber der Witz ist: Sie können diese Frage nicht beantworten. Besser gesagt: Sie wollen diese Frage nicht beantworten. ({20}) Wenn Sie diese Frage beantworteten, müssten Sie zugeben, dass das Steuersubstrat, die Steuerbasis in Deutschland geschwächt würde, wenn alles so bliebe, wie es ist. ({21}) Es würden nämlich weniger Investitionen im Lande getätigt und weniger Anlage suchendes Kapital in Deutschland investiert. Sie drücken sich um die Beantwortung der Frage schlicht und einfach herum. Das ist etwas zu dünn für eine solche Haushaltsdebatte. ({22}) Kollege Lafontaine hat in seiner Vorlesung zur Außen- und Weltpolitik, zur Zukunft der Menschheit im Allgemeinen und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland gesagt, ({23}) eine Steigerung der öffentlichen Investitionen sei notwendig. Das finde ich gut. Wir alle sind damit wahrscheinlich einverstanden. Frau Lötzsch, für mich ist die Frage entscheidend: Wie denn? Es gibt drei oder vier Möglichkeiten. Erstens. Man macht mehr Schulden. Ich möchte gerne wissen, ob Sie, die Linken, dafür sind, dass wir mehr Schulden machen. Zweitens. Man kürzt die Sozialausgaben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie einer Kürzung der Sozialausgaben nicht zustimmen wollen. Drittens. Man beschließt Steuererhöhungen. Ich gehe einmal auf diese Debatte ein, damit es zu einem argumentativen Schlagabtausch kommen kann. Ich nenne ein Beispiel: Wahrscheinlich wollen Sie die Erbschaftssteuer erhöhen und die Vermögensteuer wieder einführen. ({24}) - Das ist ja in Ordnung. Ich lasse mich doch auf diese Argumentation ein, damit es intellektuell ein bisschen spannender wird. ({25}) Ich möchte die Relationen aufzeigen. Wenn Sie die Investitionen im Bundeshaushalt um 10 Prozent erhöhen wollen, dann müssen Sie die Erbschaftsteuer um 80 Prozent erhöhen. Das betrifft dann auch Menschen aus niedrigeren Einkommensgruppen, die zum Beispiel ihren Kindern ein kleines Haus oder eine Eigentumswohnung vererben wollen. Ich nenne nur dieses Beispiel, damit Ihnen die Proportionen bewusst werden und Sie sich nicht immer im Wolkenkuckucksheim bewegen. Als die Vermögensteuer im Jahre 1996 das letzte Mal erhoben wurde, hatte sie ein Volumen von 4,5 Milliarden Euro. Sie wissen, dass es zwischenzeitlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegeben hat, demzufolge man auf die Gleichbehandlung der Vermögensarten Rücksicht nehmen müsse. Das heißt, man könnte die Vermögensteuer so nicht wieder einführen. Auch hier reden wir also über Summen, die erkennbar nicht das bringen, was Sie an Mehrforderungen aufstellen, und zwar nicht nur im investiven Bereich, sondern auch - Sie haben da grandiose Forderungen - im Bereich der Sozialausgaben. Das funktioniert nicht. Ich möchte da von Ihnen etwas mehr Butter bei die Fische bekommen. Wenn Sie in den Raum stellen, die Sozialausgaben dürften nicht weiter abgesenkt und die Investitionen müssten weiter erhöht werden, müssen Sie dem staunenden Publikum schon erklären, wie das funktionieren soll. ({26}) Weil Sie immer den Begriff der sozialen Kälte verwenden, möchte ich darüber reden, was bei den Sozialausgaben Sache ist. Über 50 Prozent der Ausgaben aller Einzelpläne dieses Haushalts sind Sozialausgaben. ({27}) Da reden Sie von sozialer Kälte! Von jedem Steuereuro, den wir einnehmen - ich glaube, Waltraud Lehn hat als Erste daran erinnert -, geben wir 70 Cent im Sozialbereich aus. Wovon reden Sie eigentlich? ({28}) Ich würde gern Herrn Lafontaine fragen, ob er seinerzeit bei den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV dabei war. ({29}) Ist das Ergebnis von Hartz IV Sozialabbau oder Sozialaufbau? ({30}) Es ist Sozialaufbau, wie man am Bundeshaushalt erkennen kann. Vielleicht äußern Sie sich einmal dazu. ({31}) Es gibt viele andere Punkte, auf die ich eigentlich eingehen müsste, aber die Zeit rinnt mir durch die Finger. Ich möchte noch auf ein Thema, das eine Rolle spielt, eingehen: das Verfahren bei der Erbschaftsteuer. Wir wollen keine Antwort schuldig bleiben. Den Ländern ist ein Entwurf geschickt worden. Die Länder haben sich damit befasst, das letzte Mal vor weniger als 48 Stunden in der Finanzministerkonferenz.Wir befinden uns also in einem Abstimmungsprozedere. Die Bundesregierung will eine Reform der Erbschaftsteuer auf Unternehmensnachfolgen im Generationenwechsel. Dabei soll die Erbschaftsteuerschuld auf unternehmerisches Vermögen vollständig entfallen, wenn der Erwerber das Unternehmen nach der Übergabe zehn Jahre fortführt. Darüber sind wir uns einig. Es sind noch drei Detailpunkte zu klären: erstens die Abgrenzung von Privatvermögen gegenüber Betriebsvermögen, um sozusagen Verschiebebahnhöfe zu verhindern; zweitens - das ist meines Erachtens weniger wichtig, aber auch zu klären - der Mindestanteil des Erblassers, wenn er an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist; drittens die Frage, wie die Klausel formuliert werden muss, die für diese Steuerprivilegierung aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig ist, um einen Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip zu vermeiden. Im Hintergrund gibt es ein Problem, das der Bundestag nicht zu verantworten hat; es ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofes an das Bundesverfassungsgericht zu den Bewertungsmaßstäben. Wir alle sind etwas im Unklaren darüber, wann es bei dieser Bewertungsproblematik im Zusammenhang mit Immobilien- und Geldvermögen zur Klärung kommt. Wenn wir das einigermaßen koppeln können und auf den 1. Januar 2007 konzentrieren, dann haben Sie mich auf Ihrer Seite. Wir sollten aber noch intern klären, wie wir die Möglichkeiten mit Blick auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil einschätzen. Es geht meiner Ansicht nach in keiner Weise darum, von den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag Abstand zu nehmen. Wir ziehen vielmehr an dem selben Strang. Ich würde gerne noch über viele andere Punkte reden. Das ist aber nicht möglich. ({32}) Ich werde es in Zukunft auch aufgeben, der Kollegin Flach zu erklären, was laufende Posten im Bundeshaushalt sind. Ich halte daran fest, dass das Volumen des Bundeshaushalts 2007 eine halbe Milliarde Euro weniger beträgt als 2006. Der Bundeshaushalt entwickelt sich in der Perspektive bis 2010 jährlich nur mit einer nominalen Wachstumsrate von 0,7 Prozent. Das heißt, er nimmt real ab. Frau Flach versucht immer, andere Zahlen anzuführen, weil sie das Durchreichen der Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt an die Arbeitslosenversicherung dazurechnet. Das wäre aber ungefähr so, als wenn ich Frau Flach 10 000 Euro gäbe mit der Bitte, diese der FDP zuzuführen. ({33}) Darüber kann man reden, wenn Herr Koppelin hier nur noch über Sport, Fußball und Heringsfang sprechen würde. Dann würde ich vielleicht diese 10 000 Euro übergeben. ({34}) Wenn Sie von mir 10 000 Euro erhielten mit der Auflage, Sie mögen sie bitte als Spende der FDP übergeben, dann würde sich Ihre Familie anschließend über Ihr ungeheuerliches Ausgabegebaren beschweren und Sie hätten Mühe, Ihren Kindern und Ihrem Ehemann zu erklären, dass ich 10 000 Euro mehr ausgegeben habe. ({35}) So ähnlich ist es, wenn man die Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung, die in die Arbeitslosenversicherung fließen, dazurechnet. ({36}) Ich komme zum Schluss. Ich warne vor Euphorie, aber es gibt eine begründete Hoffnung auf eine dauerhafte wirtschaftliche Erholung, die den Menschen in der Bundesrepublik Deutschland wieder mehr Arbeit bringt. Angesichts dieser positiven Fakten ist es mir herzlich gleichgültig, wer den Aufschwung für sich in Anspruch nimmt. Sie können sich sicherlich daran erinnern, dass ich in meiner Einbringungsrede den Aufschwung gerade nicht für diese Bundesregierung reklamiert habe - anders als Herr Solms, der sich in seiner Rede geradezu dialektisch geäußert hat. Ich habe vielmehr - allerdings auch in der notwendigen Bescheidenheit - festgestellt, dass man auf die Leistung der Vorgängerregierung und die richtigen Weichenstellungen der neuen Regierung der großen Koalition hinweisen darf. ({37}) Das heißt, wenn Herr Solms sagt, die konjunkturelle Erholung sei trotz der Bundesregierung eingetreten, dann ist das der Pflichtsatz in einer Oppositionsrede. ({38}) Ich weiß, dass dieser Aufschwung nicht von der Bundesregierung initiiert worden ist. ({39}) Er ist aber von uns und von der Vorgängerregierung maßgeblich unterstützt worden. Er geht auf eine Entwicklung zurück, die ich erfreulich finde. Die deutschen Unternehmen sind erkennbar wettbewerbsfähiger geworden. Die deutschen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und ihre Gewerkschaften haben maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen, nicht nur über moderate Tarifabschlüsse, sondern auch über andere Verzichtsleistungen und Zumutungen, was an dieser Stelle gewürdigt werden sollte. ({40}) Wichtig ist mir, dass die Bundesregierung diesen positiven Trend an vielen Stellen nicht nur unterstützt hat, sondern auch in den kommenden Jahren unterstützen wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch gut gelingen wird. In Anlehnung an einen alten Ausspruch von Karl Schiller stelle ich fest: Die Pferde müssen wieder saufen. Dann bekommen wir auch wieder mehr Einnahmen. Herzlichen Dank. ({41})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Dr. Claudia Winterstein, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Claudia Winterstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist nun das Fazit dieser Haushaltswoche? Jeder Minister hat auf seine Weise versucht, die Probleme zu verschleiern. Die Kanzlerin hat sich in der Generaldebatte in die Außenpolitik geflüchtet. Der Finanzminister ist angetreten, die Haushaltslöcher verbal wegzuzaubern. Der Arbeitsminister hat vorsichtshalber keine Haushaltszahlen genannt, obwohl gerade in seinem Etat Löcher in Milliardenhöhe drohen. Die Gesundheitsministerin hat erkennen lassen, dass sie sich mit Kritik nicht auseinander, sondern sich darüber hinweg setzt. ({0}) Frau Merkel und Herr Steinbrück haben sich selbst gelobt und gefeiert. ({1}) Wofür? Sie haben sich dafür gelobt, dass der Haushalt erstmals nach vier Jahren unter der 3-Prozent-DefizitGrenze bleibt und 2007 erstmals nach fünf Jahren verfassungsgemäß ist - wenn es denn wirklich so kommen wird. Aber, meine Damen und Herren, das ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ({2}) zumindest in anderen europäischen Ländern, von denen wir das fordern. So viel Eigenlob ist also fehl am Platz; denn es ist ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit. ({3}) Eines habe ich in dieser Woche nicht ein einziges Mal gehört: das Stichwort „ausgeglichener Haushalt“. ({4}) Sie planen zwar bis zum Jahr 2010, aber ein ausgeglichener Haushalt ist nicht ihr Ziel. Eine Regierung, die Konsolidierung verspricht, muss aber auch einen ausgeglichenen Haushalt anstreben. Wo bleibt denn die von Ihnen eingeforderte Nachhaltigkeit, Frau Merkel? Sie legen eine Finanzplanung vor, bei der die Neuverschuldung nach 2007 nicht weiter sinkt, sondern Jahr für Jahr bei etwa 20 Milliarden Euro liegt. Sie kassieren Jahr für Jahr die Mehreinnahmen aus Ihren gigantischen Steuererhöhungen, aber die Neuverschuldung liegt immer noch bei über 20 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist Betrug am Bürger. Diese Regierung setzt tatsächlich Akzente - wie es Minister Steinbrück nannte -, nämlich durch Steuererhöhungen, damit der Staat mehr Geld hat. Sie erhöhen drastisch die Abgabenlast und ziehen den Bürgern das Geld aus der Tasche. ({5}) Der Finanzminister hat vorhin auch behauptet, 60 Prozent der Haushaltsveränderung kämen durch Ausgabenkürzungen zustande, nur 40 Prozent durch Steuererhöhungen. Das ist ein untauglicher Versuch, den Bürger für dumm zu verkaufen. ({6}) Sie definieren Subventionskürzungen als Ausgabenkürzungen. Der Abbau von steuerlichen Sonderregelungen bedeutet aber Mehreinnahmen für den Staat. Das sind also Einnahmeerhöhungen, Herr Steinbrück. Damit bleibt es bei unserem Vorwurf: Ihre Haushaltsanstrengungen konzentrieren sich allein auf die Einnahmeseite. Etwas anderes zu behaupten, ist Betrug am Bürger. ({7}) Sehr aufschlussreich fand ich auch die Rede des SPDFraktionsvorsitzenden Struck. Ich zitiere: Wir machen unsere Arbeit weiter. Deutschland kann sich auf die SPD verlassen. ({8}) Das ist wirklich ein schönes Kompliment für die Kanzlerin, für mich und viele Bürger aber eher eine Drohung. ({9}) Das ganze Regierungshandeln lässt sich auch so beschreiben: Sie zielen darauf ab, dem Staat Geld zu verschaffen, Sie greifen dem Bürger weiter in die Tasche, Sie erhöhen die Mehrwertsteuer, obwohl Sie wissen, dass sie ökonomisch schädlich ist, und Sie machen weiter hohe Schulden und nennen das Konsolidierung. Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie ruhen sich einerseits auf den besseren Wirtschaftsdaten aus und provozieren mit der Mehrwertsteuererhöhung andererseits einen wirtschaftlichen Einbruch. Für die FDP will ich deswegen noch einmal ganz klar sagen: Die Mehrwertsteuererhöhung ist nicht notwendig und ökonomisch schädlich. ({10}) Sie sägen sich damit den Ast ab, auf dem Sie so bequem zu sitzen meinen. Sie betrügen also nicht nur den Bürger, sondern auch sich selbst. Danke. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Peter Ramsauer, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Winterstein, ich glaube, Sie machen es sich in Ihrer Analyse und mit Ihrem pauschalen Vorwurf, die Regierung begehe Betrug, etwas zu leicht. ({0}) Ich gebe Ihnen in einem Punkt durchaus Recht. Sie haben gesagt, es solle eine Selbstverständlichkeit sein, dass wieder ein verfassungsgemäßer Haushalt vorgelegt werde, der zudem den Kriterien des europäischen Stabilitätspaktes genüge. ({1}) Das haben wir schon immer gesagt. Ich darf daran erinnern, dass wir vor über einem Jahrzehnt unter Finanzminister Theo Waigel den europäischen Stabilitätspakt durchgesetzt haben. Aber damals hat niemand geahnt, dass wir in Europa die Ersten sein werden, die gegen diesen Pakt verstoßen, und von 1998 bis 2005 in die Klemme und damit in den Sanktionsmechanismus geraten werden. ({2}) Wir hatten damals andere Länder im Blick - einige wurden bereits angesprochen -, beispielsweise Portugal und Griechenland. Aber damit, dass es uns zuerst erwischt, haben wir nicht gerechnet. Leider ist es so. Wir alle sollten uns aber nun darüber freuen, dass wir einen verfassungsgemäßen und mit dem europäischen Stabilitätspakt konformen Haushalt vorgelegt und damit die Trendwende geschafft haben. Bitte nehmen Sie dies zum Anlass, zu sagen - das meine ich ganz wertneutral -: Während der Regierungszeit der großen Koalition unter Angela Merkel hat sich der Trend umgekehrt und geht nun in die richtige Richtung. ({3}) Man muss schauen, woher man kommt und wohin man geht. Ich freue mich jedenfalls mit meiner Fraktion darüber - die Schlussrunde dieser Haushaltsdebatte bietet die richtige Gelegenheit, das klarzustellen -, dass es in Deutschland wieder aufwärts geht. ({4}) Meine Damen und Herren von der FDP, ich habe der Rede Ihres Fraktions- und Parteivorsitzenden Guido Westerwelle sehr genau zugehört. Er hat, an die Kanzlerin gewandt, gesagt: Wir finden Ihre Regierung schlecht. Ich kann Sie nur fragen, Herr Westerwelle: Was finden Sie denn daran schlecht, dass im Laufe des Jahres ein regelrechter Investitionsboom in Deutschland ausgebrochen ist? ({5}) - Ich kann Ihnen nicht folgen. Die Zahlen sprechen - alle sind im Laufe dieser Woche genannt worden eine ganz andere Sprache. Was soll daran schlecht sein, dass die Nettobeschäftigung zunimmt, dass die Zahl der Arbeitslosen massiv zurückgeht, dass sich die Wachstumsrate im Laufe dieses Jahres zunehmend verbessert hat und dass wir im Laufe dieses Jahres deutlich höhere Steuereinnahmen verzeichnen können? Kollege Stiegler hat vorhin interessanterweise das Thema aufgegriffen. Er hat gesagt: Das rührt zum Teil von Effekten aus dem vergangenen Jahr her, geht aber auch in starkem Maße auf Effekte in den Jahren vor 2005 zurück. Für die zusätzlichen Steuereinnahmen sind verschiedene Komponenten verantwortlich. Es gibt Nachzahlungen, basierend auf den Körperschaft- und Einkommensteuerbescheiden des Jahres 2005, und dementsprechend heraufgesetzte Vorauszahlungsbescheide. Das sind die vergangenheitsorientierten Ursachen der höheren Steuereinnahmen. Eine andere Ursache ist das höhere Lohnsteueraufkommen. - Lieber Herr Kollege Poß, Sie nicken zustimmend. Aber das ist ein Effekt des kurzfristig induzierten Aufschwungs im laufenden Jahr. Ich gebe durchaus zu, dass die vergangenheitsorientierten Erfolgskomponenten auf politische Schritte zurückgehen, die in den Jahren 2003, 2004 und 2005 gemacht wurden. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Agenda 2010. Die dort enthaltenen Bestandteile, die in die richtige Richtung wiesen, wurden von der CDU/CSU im Vermittlungsausschuss so korrigiert, dass sie zu Wachstumstreibern in Deutschland werden konnten. So gesehen haben wir in den vergangenen Jahren über den Vermittlungsausschuss schon eine Art - allerdings organisatorisch umständliche - große Koalition praktiziert, also mehr getan, als nur opponiert. Wir haben als Unionsopposition vielmehr eine ausgesprochen konstruktive Arbeit aus dieser Oppositionsrolle heraus betrieben. Ich finde es auch nicht schlecht - das sage ich an die FDP gerichtet -, wenn wir jetzt erstmals - ich bin seit 16 Jahren im Deutschen Bundestag und habe in dieser Zeit acht Jahre lang Arbeits- und Sozialpolitik gemacht nicht darüber streiten, wie wir die Löcher bei der Bundesagentur für Arbeit stopfen, sondern einen positiven Streit, einen positiven Disput darüber führen, was wir aus dem in der Arbeitslosenversicherung erwirtschafteten Überschuss machen. ({6}) So gesehen habe ich überhaupt nichts gegen Streit; Streit ist insofern etwas sehr Positives. ({7}) Ich möchte noch einmal unterstreichen, was der Aufschwungminister Michael Glos vorhin gesagt hat. ({8}) Der Aufschwungminister Michael Glos im Kabinett der Aufschwungkanzlerin Angela Merkel hat vorhin gesagt, dass, wenn es dauerhafte Spielräume gibt, der Arbeitslosenversicherungsbeitrag über die ins Auge gefassten 2 Prozentpunkte hinaus noch weiter gesenkt wird. Darüber haben wir uns verständigt. Ich sage aber auch aus kaufmännischer Solidität heraus: Wenn wir nach Abrechnung des Einmaleffekts, den wir haben - ganz klar, Herr Kollege Müntefering -, tatsächlich Nettospielräume haben, dann müssen wir diese nutzen. Wir haben im Jahr 2006 ein Polster, das Jürgen Weise in Nürnberg momentan auf 9 bis 10 Milliarden Euro taxiert. ({9}) - Natürlich ist das ein Polster. Das ist ja erwirtschaftet worden. ({10}) - Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Sie müssen mir nur einmal geduldig zuhören. Dieses Maß an Liberalität sollten Sie aufbringen. ({11}) Dieses Polster läuft auf bzw. ist aufgelaufen. Wir können natürlich, um auf die 4,0 Prozent herunterzukommen, dieses Polster dazu nutzen, die Beiträge über eine längere Zeit abzuschmelzen, damit die Arbeitslosenversicherung richtig solide finanziert ist. Eines geht natürlich nicht: dass wir zusätzlich absenken und vier Monate später wieder anheben müssen. Das wäre nicht solide. Ich bin nach anderen Verwendungsmöglichkeiten für diesen Überschuss gefragt worden. Es wäre ein liederlicher Umgang mit den Geldern aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen, diesen Überschuss in irgendwelche Programme zu verpulvern, die nichts bringen. Warum sollten wir nicht auch einmal darüber nachdenken - das kennen wir alle aus der Versicherungswirtschaft -, eine Beitragsrückerstattung zu gewähren, wenn Überschüsse aus Beitragszahlungen und durch vernünftiges Bewirtschaften entstanden sind? Das ist das Normalste in der Versicherungswirtschaft. Ich nehme mir in meiner politischen Arbeit immer Anleihen an den ganz normalen, vom gesunden Menschenverstand geprägten Dingen des praktischen Lebens. Ich nenne die Beitragserstattung nur, damit man einen Hintergrund hat, vor dem man diskutieren kann. Bei einem solchen Polster wäre pro Beschäftigungsfall eine Rückerstattung von 342 Euro möglich, aufgeteilt auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Im Durchschnitt erhielte jeder Arbeitnehmer eine Rückzahlung von 171 Euro netto, cash auf die Hand. Das würde beispielsweise das Weihnachtsgeschäft hervorragend unterstützen. Ich bringe das nur in die Debatte ein, weil es so systemfremd gerade in der Versicherungswirtschaft nicht ist. Die Bundesagentur betreibt immer noch die Arbeitslosenversicherung. Wenn überschüssig eingezahlt wird, dann muss man sich eben überlegen, was man mit diesem Geld von Arbeitgebern und Arbeitnehmern - sprich: von beiden Seiten der Beitragszahler - sinnvollerweise machen kann. ({12}) Ich bin jetzt vielleicht etwas zu sehr ins Detail gegangen. Der Ausgangspunkt war meine Enttäuschung darüber, dass die drei Oppositionsfraktionen zwar anerkennen, dass es in Deutschland aufwärts geht, aber daran kein gutes Haar lassen können. ({13}) Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass Lafontaine, der mögliche künftige Parteivorsitzende der PDS, vor wenigen Tagen in Hannover gefordert hat - nachzulesen in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ -, in Deutschland einen politischen Generalstreik auszurufen. Offensichtlich fällt Herrn Lafontaine nichts Besseres ein, als bei einer so positiven Entwicklung in Deutschland einen politischen Generalstreik auszurufen. Mir tun die Fraktion der Linken und die PDS Leid, wenn dies ihr Rezept ist, einen solchen Aufschwung in Deutschland niederzukartätschen. ({14}) Ich komme kurz - der Kollege Berninger hat das Hohe Haus verlassen - zu den Grünen. Ich finde die Sorge von Herrn Berninger um die mittelständischen Betriebe geradezu rührend. Mir würden litaneiweise Beispiele aus den letzten Regierungsjahren einfallen, in denen die Sorge um den Mittelstand und die kleinen Betriebe bei den Grünen nicht einmal ansatzweise vorzufinden war. Ich bin in der Sommerpause wegen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geprügelt worden. Die Menschen gehen nämlich immer noch davon aus, dass der Gesetzentwurf, den Rot-Grün einst vorgelegt hat, verabschiedet worden sei. Aber wenn sich die Grünen schon solche Sorgen machen, dann sollen Sie auch dazu stehen, dass maßgeblich Sie es waren, die uns auf europäischer Ebene dieses Antidiskriminierungsgesetz eingebrockt haben. Diese Suppe sollte der Kollege Berninger auch auslöffeln. ({15}) Die Lage ist also besser als die Stimmung. Ich stelle fest: Die große Koalition wird massiv unterschätzt. ({16}) Wir werden zusammen mit aller Kraft alles dafür tun, um diesen Aufschwung weiter voranzubringen. ({17}) Der gegenwärtige Aufschwung wird ergänzt durch all die weiteren Maßnahmen, die wir im Laufe dieses Jahres beschlossen haben und weiter umsetzen werden und die positive Folgewirkungen haben werden. Deswegen bin ich hinsichtlich der künftigen Entwicklung überaus optimistisch, dass der Aufschwung nicht nur kurzfristig, sondern auch nachhaltig wirkt und dass der Aufschwung - ich wage es fast, diese These aufzustellen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer noch nicht einmal eine Delle abbekommen wird. Wir müssen also am Ball bleiben. Wir müssen die künftigen Aufgaben anpacken. Dazu gehört neben der Gesundheitsreform zweifellos auch die Unternehmensteuerreform. Herr Finanzminister Steinbrück, Sie haben sich mit dieser Thematik eingehend auseinander gesetzt. Ich möchte gerne einen Aspekt der Unternehmensteuerreform, die wir in den nächsten Monaten oder im Frühjahr des kommenden Jahres intensiv parlamentarisch beraten werden, herausgreifen. Womit wir uns nicht so lange Zeit lassen dürfen - das haben wir vorgestern Abend im kleinen Koalitionsausschuss einvernehmlich verabredet -, ist die betriebliche Erbschaftsteuerreform. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die betriebliche Erbschaftsteuerreform jetzt ganz konkret angepackt wird und sie noch in diesem Jahr im Bundesgesetzblatt stehen wird, ({18}) damit die Menschen in den Betrieben eine verlässliche Grundlage haben. Ich kenne eine Reihe von Betrieben, die jetzt die entsprechenden Verträge machen und die gestalten wollen. Dafür ist eine sichere Grundlage notwendig. Den Betrieben ist es nicht zuzumuten, zu sagen: Nein, wir warten noch, bis dazu aus Karlsruhe irgendwann ein Urteil kommt; wir machen das irgendwann im nächsten Jahr und setzen es rückwirkend in Kraft. - Eine solche Unsicherheit können wir gerade mittelständischen Betrieben und Familienunternehmen nicht zumuten. Ich möchte diesen Betrieben Planungssicherheit geben. Sie müssen wissen, dass sie uns vertrauen können. Deswegen müssen wir hier Gas geben. ({19}) Lieber Herr Finanzminister Steinbrück, ich bin Ihnen für die Solidität, die aus Ihrer Einbringungsrede am Dienstag und auch heute wieder herauszuhören war, ausgesprochen dankbar. Man kann nicht oft genug betonen, dass Sie richtige Fragestellungen aufgeworfen und einige elementare Grundtatsachen in Erinnerung gerufen haben, die vielen vollkommen aus dem Gedächtnis entschwunden sind. Es bleibt natürlich trotz der erfreulichen Verringerung der Nettoneuverschuldung dabei, dass der Bund immer noch 1 500 Milliarden Euro Schulden hat. ({20}) Sie haben heute wiederholt, dass wir weit davon entfernt sind, von einem wirklichen Schuldenabbau reden zu können. Das ist vollkommen richtig. Das sei allen gesagt, die an der Mehrwertsteuererhöhung herumnörgeln und die jetzt schon etwas verteilen wollen, was wir überhaupt nicht haben. Solidität in der Haushalts- und Finanzpolitik bedeutet, dass man das, was man nicht hat, nicht ausgeben kann und dass man solide auf der Bremse bleiben muss, um sich der Entschuldung zu nähern. ({21}) Der Präsident der Bundesbank hat das auf den Punkt gebracht: Die Finanzpolitik stabilisiert derzeit nur die Neuverschuldung, verringert aber nicht den Schuldenstand. - Aber immerhin betreiben wir eine solide Finanzpolitik. Wir kriegen die Neuverschuldung in den Griff und wir nähern uns dem Abbau der Schulden. Deswegen sind wir insgesamt auf einem richtigen und Erfolg versprechenden Weg. Diesen Weg müssen wir mit Selbstvertrauen und mit Zuverlässigkeit weitergehen. Dann führen wir Deutschland in eine gute Zukunft. Vielen herzlichen Dank. ({22})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus, Fraktion Die Linke. ({0})

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie erwarten jetzt von mir wie auch von den anderen Rednerinnen und Rednern in der Schlussrunde, dass ich Ihnen nach 36 Stunden zu immer noch derselben Vorlage etwas völlig Neues darbiete. ({0}) Zudem ist mir die Aufgabe zugewachsen, die Fragen eines wissbegierigen Finanzministers zu beantworten und mich des Mitleids der Christlich-Sozialen Union zu erwehren. Ich will damit beginnen, die Suche nach dem Neuen zu beschreiben. Ich bin nämlich in der Tat fündig geworden. Das Neue ist: Ich habe herausgefunden, dass Koalition und Regierung lernfähig sind. ({1}) Sie nehmen durchaus den Rat der Opposition an. Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern. Sie haben während der ganzen Haushaltswoche sehr oft auf das auch von uns unterstützte Gebäudesanierungsprogramm und die damit verbundenen Effekte hingewiesen und Sie haben sich dafür gefeiert, dass Sie die Filmförderung finanziell stärker unterstützen als bisher. Nun sind mir zwei Anträge aus der Debatte über den Haushalt 2006 in die Hand gekommen. Da wird in einem Antrag schon für 2006 gefordert, mehr Mittel in die Gebäudesanierung zu stecken; in dem anderen Antrag wird gefordert, mehr Mittel für die Filmförderung bereitzustellen. Beide Anträge sind Anträge der Linksfraktion. ({2}) Jetzt sage ich den Bürgerinnen und Bürgern: Es lohnt sich, uns zu wählen. Die Regierung macht irgendwann das, was wir wollen, wenn auch nicht sofort. ({3}) Ich sage das auch an die Adresse der Koalition, weil sie uns manchmal etwas leichtfertig unterstellt, wir würden nur blockieren. Selbstverständlich sind wir dabei, wenn Sie etwas Gutes auf den Weg bringen. An diesen beiden Beispielen habe ich es Ihnen dargestellt. Es war nicht so einfach. Sie wussten, dass wir bei der Freigabe der Mittel für das Sanierungsprogramm haushaltsrechtliche Probleme hatten. Deshalb unterstellen Sie uns nicht leichtfertig Dinge, die Sie hinterher nicht belegen können. ({4}) - Ich komme auch dazu, liebe Kollegin. Sie haben Ihren Haushalt unter das Leitmotiv gestellt: Zukunft nicht verbrauchen, Zukunft gewinnen. - Das klingt gut. Die Abteilung „Überschriften“ bzw. die Abteilung „Agitation und Propaganda“, wie sie jetzt bei Peer Steinbrück heißt, hat ganze Arbeit geleistet. ({5}) Vergleichen wir Anspruch und Wirklichkeit nach einer Woche Haushaltsberatungen. Sie werden mir gestatten, dass ich dabei versuche, in besonderer Weise auf die Situation in den neuen Bundesländern einzugehen. Eines habe ich hier nämlich mit Schmerzen registrieren müssen: So wenig Beachtung wie in dieser Haushaltsdebatte haben die neuen Bundesländer noch in keiner Haushaltsdebatte des Bundes gefunden. Ich finde das in der Tat ausgesprochen kritikwürdig und das wollen wir nicht hinnehmen. ({6}) - Das Gegenteil ist nicht der Fall. Vielleicht hilft Ihnen eine Kleinigkeit: Der Kollege Rossmanith hat in der Wirtschaftsdebatte eben den Wismutbergbau ins Elbsandsteingebirge verlegt. Damit hat er nun wirklich nichts zu tun. Auch das muss man einmal sagen. ({7}) Die Universität Heidelberg veröffentlicht heute eine Studie - sie macht mich etwas besorgt -, in der der so genannte Angstindex - wo sind Sorgen, Nöte und Ängste gewachsen? - dargestellt wird. Ich betone: Diese Studie kommt nicht von der Uni Halle; es sind nicht meine Erfindungen; es ist keine Stiftung, die uns irgendwie nahe steht. In der Studie der Universität Heidelberg wird erfreulicherweise festgestellt, dass der so genannte Angstindex in Deutschland insgesamt um 14 Prozentpunkte gesunken ist. Das ist bemerkenswert und anerkennenswert. Aber die Spaltung der Gesellschaft, mit der wir es immer noch zu tun haben, wird auch durch den Fakt charakterisiert - die Universität Heidelberg stellt ihn ebenfalls fest -, dass der so genannte Angstindex im Osten den Höchststand seit der deutschen Wiedervereinigung erreicht hat. Das muss uns doch zu denken geben. Das können wir nicht einfach ignorieren; das dürfen wir hier nicht ausblenden. Der Verkehrsminister hat zum Thema Osten gestern Abend lediglich ein paar Pflichtsätze gesagt. Mit uns ist das nicht zu machen. ({8}) Die Zukunft gewinnen, die Zukunft nicht verbrauchen, das heißt natürlich zuerst: die soziale Balance sichern. Wir stellen fest: Der Haushalt 2007 spaltet die Gesellschaft weiter. Reiche werden reicher und Arme werden - leider - zahlreicher. Sie verweisen immer wieder darauf - auch der Bundesfinanzminister hat es soeben mit Blick auf unsere Fraktion getan -, welch großen Betrag wir für die Sozialausgaben im Haushalt einstellen. Was die Zusammensetzung des Haushalts angeht, ist das natürlich eine unbestreitbare Tatsache. Aber es ist doch auch ein Beleg dafür, dass Sie vorher eine Wirtschaftspolitik betrieben haben, die eine solche soziale Nachsorge erst notwendig macht. Das ist doch ein Armutszeugnis und kein Gewinn, was Sie hier zu verzeichnen haben. ({9}) Es gibt etwas, was mehr besagt als die von meinem Vorredner Peter Ramsauer zitierten Statistiken. Ich rate Ihnen, einmal an einem 30. des Monats im Osten des Landes bei Aldi einzukaufen. Sie werden feststellen, wie einsam die dort Beschäftigten sind, weil selbst die Menschen, die in diesem Laden normalerweise einkaufen, am Ende des Monats zu Einkäufen nicht mehr in der Lage sind. Das beschreibt den Zustand der Gesellschaft, mit dem wir es hier zu tun haben. ({10}) Zur Wahrheit des von Ihnen viel beschworenen Hartz-IV-Prozesses gehört doch auch - das ist bei dieser Haushaltsdebatte ziemlich unverhohlen zutage getreten -, dass Sie Hartz IV nicht nur dazu brauchen, eine schlechte Arbeitslosenverwaltung zu betreiben; zum Zynismus im Zusammenhang mit Hartz IV gehört vielmehr auch, dass Sie einen permanenten Druck auf Beschäftigte ausüben, besonders auf Beschäftigte im Niedriglohnbereich. Wenn sich diese Menschen möglicherweise einmal darüber beschweren, dass sie länger arbeiten sollen, dann sagt man ihnen: Stellen Sie sich doch bei der Agentur oder bei der Arge an; dann können Sie zu Hartz IV übergehen. - Diese Bedrohung wollen wir nicht in einer Gesellschaft, die reich genug ist, um solche Prozesse zu überwinden. ({11}) Wenn das nicht so wäre, wenn dieser Zynismus nicht beabsichtigt wäre, dann könnten Sie den Vorschlägen unserer Arbeits- und Sozialminister folgen, nämlich die Mittel, die wir schon jetzt im Rahmen von Hartz IV ausgeben - ALG II, Kosten der Unterkunft, Eingliederungsmittel, 1-Euro-Jobs -, vernünftig zusammenzufassen und in sozialversicherungspflichtige Erwerbsverhältnisse zu investieren. Sie sagen, das sei nicht gewollt. Das ist der Beweis dafür, dass Sie den Druck von Hartz IV auf die Beschäftigten im Niedriglohnbereich bewusst in Kauf nehmen, ja bewusst wollen. Das ist Zynismus. Das nehmen wir nicht hin. ({12}) Der Bundesarbeitsminister sagt, er wolle Anreize setzen. Wenn jemand Anreize setzt, dann - so stelle ich mir das nach meinem bisherigen Begriffsverständnis vor bekommt man etwas. Schaut man sich aber an, was diese Regierung in Wirklichkeit mit dem Ausdruck „Anreize setzen“ meint, erkennt man: Dahinter steht, dass etwas weggenommen wird. Das führt dazu - jetzt muss auch ich ein paar statistische Fakten zu Gehör bringen -, dass wir inzwischen eine Verstetigung der Kaufkraft in ostdeutschen Haushalten auf 70 Prozent des Westniveaus haben. Das sagen inzwischen alle wissenschaftlichen Institute, die sich damit noch ernsthaft befassen. Betrachten wir einmal die Mehrwertsteuererhöhung im nächsten Jahr. Für einen Vierpersonenhaushalt bedeutet sie 1 500 Euro Mehrausgaben. Für uns Bundestagsabgeordnete ist das ein nicht spürbares Ereignis; völlig klar. ({13}) Aber für eine Verkäuferin oder Alleinerziehende oder eben diesen Vierpersonenhaushalt bedeutet dieser Eingriff von 1 500 Euro beispielsweise die Streichung eines ohnehin nur für eine kurze Dauer geplanten Urlaubs. Es ist leider so, dass die Freiheit einer Alleinerziehenden heutzutage schon an der Bushaltestelle endet, weil sie die teuer gewordenen Tickets nicht mehr bezahlen kann. Damit haben wir es mit einer doppelten Spaltung der Gesellschaft zu tun, einer Spaltung nach Einkommen und inzwischen auch einer Spaltung nach Regionen. Das wiederum ist nun nicht mehr nur ein Problem zwischen Ost und West, sondern ein Problem, von dem immer mehr Regionen, auch ehemalige Wachstumsregionen, selbst in den westlichen Bundesländern, betroffen sind, die für sich den Eindruck gewinnen, dass sie inzwischen abgehängte Regionen sind. Das sind Entwicklungen, die Sie hier unter der Überschrift „Haushaltskonsolidierung“ abfeiern, die aber zu den problematischen Realitäten in diesem Land zählen. Diese Realitäten gehören verändert. ({14}) „Zukunft gewinnen, Zukunft nicht verbrauchen“ erfordert wirtschaftlichen Aufschwung und eine aktive Beschäftigungspolitik. Arbeitsminister Helmut Holter aus Mecklenburg-Vorpommern hat Ihnen gestern erklärt, welch verheerende Wirkung die Haushaltssperre bei den Mitteln der Bundesagentur nach sich gezogen hat. Zwei Tage bevor wir zum Etat von Franz Müntefering gekommen sind, haben wir im Haushaltsausschuss pflichtgemäß diese Sperre aufgehoben. Das haben wir alle zusammen beschlossen. Zynisch finde ich, dass Sie dieses Aufheben der Sperre, nachdem Sie die Mittel monatelang nicht ausgereicht haben, hier jetzt als eine Art Erfolg abfeiern und so tun, als hätten Sie damit gegenüber Arbeit Suchenden irgendetwas Gutes vollbracht. So etwas kann man nicht hinnehmen. ({15}) Sie, die Sie immer den Begriff „privat“ vor sich her tragen, müssen sich nachsagen lassen, dass diese Sperre viele - auch viele private - Bildungsträger die Existenz gekostet hat. Darunter sind Menschen, die sich auf den Weg einer privaten Entwicklung gemacht haben und die jetzt für sich den Eindruck gewinnen: Privat hat bei RotSchwarz keine Chance. ({16}) Wir haben es weiter damit zu tun, dass die Arbeitskosten im Osten knapp 30 Prozent unter denen des Westens liegen. Sie propagieren trotzdem Ihr Niedriglohnkonzept. Angesichts der Tatsachen im Bereich Niedriglohn und Niedrigstlohn, die ich gerade in den neuen Bundesländern erlebe, muss ich sagen: Sie können sich neue Niedriglohnexperimente ausdenken; mir sind die Niedriglohnrealitäten in diesem Land schon zu viel. Wir brauchen einen vernünftigen Mindestlohn. Das wäre die Lösung. ({17}) Ich stelle leider auch fest, dass Sie all das, was die Kommission von Klaus von Dohnanyi Ihnen vor gar nicht allzu langer Zeit über Möglichkeiten zur Überwindung der Teilung zwischen Ost und West und zum wirtschaftlichen Aufbauprozess vorgetragen hat, weggelegt haben und ignorieren. Sie wollen einfach nicht wahrhaben, dass der Entwicklungspfad Aufbau Ost, den Sie 16 Jahre als Nachbau West versucht haben, gescheitert ist. Deshalb muss man die Frage stellen: „Was wären denn neue Wege, die man im Osten gehen kann?“ und diese auch positiv beantworten. Wir haben im Osten eine ganze Reihe guter Erfahrungen mit erneuerbaren Energien gemacht, auch mit Bundes- und Landesförderung, keine Frage; das ist auch unterstützenswert. Wenn man aber einen Bundeshaushalt zu verantworten hat, in dem die Förderung der erneuerbaren Energien weniger als ein Zehntel gegenüber der Subventionierung tradierter Energien ausmacht, dann ist man nicht auf dem Wege moderner Energiepolitik, sondern dann setzt man tradierte Energiepolitik fort. Das ist nicht Zukunftsfähigkeit, sondern Rückständigkeit. ({18}) Wenn wir über erneuerbare Energien und mutige Vorhaben reden, sagen Sie uns oft, das rechne sich nicht. Ich kann nur dagegen halten: Wenn dieses Argument bei der industriellen Einführung der Dampfmaschine gegolten hätte, dann gäbe es die Dampfmaschine immer noch nicht; denn auch sie hat sich am Anfang gegenüber der Pferdekraft nicht gerechnet. Das heißt, man muss, wenn man Zukunft gewinnen will, den Mut haben, mehr Mittel in Forschung und Entwicklung einzusetzen, auch wenn uns das mehr kostet als beispielsweise die traditionellen Energien. ({19}) Fatal finde ich, dass die Bundesregierung dazu übergegangen ist, viele Entwicklungen in den neuen Bundesländern gar nicht mehr zu analysieren. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage von uns wird dargestellt: Die Bundesregierung prognostiziert die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nur für den gesamten Gebietsstand der Bundesrepublik Deutschland. Differenzierte Prognosen nach alten und neuen Bundesländern werden aufgrund fehlender Primärstatistiken nicht durchgeführt. Das führt dazu, dass man die Probleme weiter ausblendet und nicht löst. Mein letzter Punkt. Zukunft gewinnen, Zukunft nicht verbrauchen - das bedeutet, auch die Frage zu stellen, ob all das machbar ist. Damit bin ich bei den Fragen von Peer Steinbrück. Wir sagen, auch in Zeiten knapper Kassen ist es keine Illusion, eine sozial gerechte Gesellschaft zu gestalten. Eine sozial gerechte Freiheitsordnung ist machbar. Wir sagen Ihnen auch eins: Wir haben Ihnen, damals noch unter dem Label PDS, ein Steuerkonzept vorgelegt, und zwar vor der Bundestagswahl. Wir finden es, im Unterschied zu Franz Müntefering, überhaupt nicht unfair, wenn Sie uns an dieses Steuerkonzept erinnern, wenn Sie uns da beim Wort nehmen und wenn wir darüber streiten können, dass eine gerechtere Besteuerung in diesem Land durchaus möglich ist. ({20}) Das würde - wir werden es Ihnen auch vorrechnen ein Einnahmeplus von 24 Milliarden Euro durch eine reformierte Vermögensteuer, eine veränderte Erbschaftsteuer, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr.

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

- das mache ich gerne und komme zum Ende, Frau Präsidentin - und die Besteuerung großer Geldvermögen bedeuten. Fakt ist doch: Noch schneller als die Arbeitslosigkeit und manch andere beklagenswerte Prozesse nimmt in diesem Lande der private Reichtum zu. Deshalb ist es durch Umverteilung möglich, eine andere als die von Ihnen betriebene Politik zu vertreten. Das ist der Weg, den meine Fraktion geht, und dazu werden wir Ihnen auch im Zuge der Haushaltsberatungen weitere Vorschläge machen. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Alexander Bonde, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Alexander Bonde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003509, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede gesagt: „Wir ziehen alle an einem Boot.“ Das lässt ja nur einen Schluss zu: dass Ihr Kahn ziemlich auf dem Trockenen liegt. ({0}) Ich finde, um zum Ernst des Themas zurückzukommen, es war eine gute Rede, die Sie gehalten haben; denn im Gegensatz zu Ihrer Rede bei der Einbringung des Haushalts und zu vielen anderen Reden von der Koalition in den letzten Tagen war da doch viel Selbstreflexion und eine realistischere Bewertung zu erkennen. Die Debatte hatte in den letzten Tagen zum Teil kuriose Züge. Man hätte sich gewünscht, die Rede von Herrn Glos wäre direkt vor der Rede von Herrn Steinbrück gewesen; denn die Brüche in dieser Koalition, die offenen Zerfallsprozesse kann man als Opposition gar nicht so gut darstellen, wie Sie vom Kabinett es an dieser Stelle selbst getan haben. ({1}) Als ein Fazit dieser Haushaltsrunde muss man feststellen: Die große Koalition ist mit vielen Versprechen angetreten. Das größte war das einer verlässlichen, zukunftsorientierten Politik. Das Motto lautete: Wir wollen es ehrlich machen. - Man muss zusammenfassen: Versprochen, gebrochen. Für die Aufstellung dieses Haushaltes hatten Sie sehr gute konjunkturelle Voraussetzungen: ein für 2006 prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 2 Prozent und eine erste Wende am Arbeitsmarkt. Dennoch sorgt diese Regierung mit ihrem Zickzackkurs für Verunsicherung. Sie schafft es nicht, einen mutigen Haushaltsentwurf vorzulegen. Denn auch in diesem Haushalt werden ihr Zickzackkurs, ihre Unklarheit in Entscheidungen und ihr fehlender Mut, klare Entscheidungen zu treffen, deutlich. Ich will es am Haushaltsdefizit festmachen. Der Haushalt, den Sie hier vorlegen, beinhaltet nicht einmal den Anspruch eines klaren Konsolidierungsziels. ({2}) Den Einnahmen von 245,6 Milliarden Euro stehen Ausgaben in Höhe von 267,6 Milliarden Euro gegenüber. Ich gebe zu: Natürlich fällt dadurch die Nettokreditaufnahme, ({3}) die 22 Milliarden Euro betragen wird, niedriger aus als im Vorjahr. ({4}) Sie unterschreiten damit voraussichtlich tatsächlich die Defizitobergrenze des EU-Stabilitätspaktes. ({5}) Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes wird es aber schwierig; das wissen auch Sie. Sie liegen bei den Investitionen nur knapp über der Neuverschuldung. Sie haben ein Polster von 1,5 Milliarden Euro, was nicht wirklich beruhigend ist. Sie kennen die Haushaltsrisiken. Sie haben sie bewusst nicht eingestellt. Sie wissen so gut wie wir, dass wir in diesem Haushalt allein in Bezug auf den Arbeitsmarkt über Risiken von 8,6 Milliarden Euro sprechen müssen. Da stellt sich in bester wirtschaftlicher Situation die Frage des Verfassungsbruchs schneller, als Sie den nächsten Haushalt einbringen. ({6}) Sie haben die Verfassungsmäßigkeit dieses Haushalts nur dadurch hinbekommen, dass Sie massive Einnahmeerhöhungen vorgenommen und Privatisierungserlöse genutzt haben, um damit die Neuverschuldung optisch leicht unter die Höhe der Investitionen zu drücken. ({7}) Sie sind den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Denn die Einsparungen auf der Ausgabenseite müssen wir, Kollege Kampeter, weiterhin mit der Lupe suchen. Was für eine Konsolidierungsstrategie haben Sie hier vorgelegt? Ihr Finanzplan bis zum Jahr 2010 zeigt dies deutlich. Sie sehen dort eine Senkung der Neuverschuldung vor, indem Sie jährlich etwa 500 Millionen Euro einsparen wollen. ({8}) Diese 500 Millionen - ich stelle das einmal konkret dar - entsprechen exakt 1,8 Promille des Haushaltsvolumens. Dazu kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Wer glaubt, dass diese 1,8 Promille eine Konsolidierung darstellen, der sollte sich einmal selber nach seinem Promillewert fragen lassen. ({9}) Ganz ehrlich: Wenn eine Koalition, die über 70 Prozent der Stimmen in diesem Hause verfügt, ein Konsolidierungsziel dergestalt ansetzt, dass die Neuverschuldung in den nächsten Jahren um 1,8 Promille des gesamten Haushaltsvolumens gekürzt werden soll, ({10}) dann muss ich dazu sagen: Eine ambitionierte Haushaltspolitik sieht wirklich anders aus. ({11}) Wir haben es Ihnen schon ein paarmal vorgerechnet: Das Schneckentempo Ihrer vermeintlichen Konsolidierung führt dazu, dass Sie den Haushalt erst in 44 Jahren konsolidiert haben werden. Manche mögen dies diplomatisch „langfristige Planungen“ nennen. Andere sagen, den Leuten werde Sand in die Augen gestreut, wenn Sie hier von Konsolidierung sprechen. ({12}) Der Mut, auf der Ausgabenseite einzusparen, fehlt Ihnen. Wann wollen Sie eigentlich sparen, wenn nicht jetzt, in Zeiten, in denen es konjunkturell gut läuft? Mit dem, was Sie hier aus Mutlosigkeit machen, sind Sie wirklich nahe daran, in eine prozyklische Politik zu verfallen; das sollten Sie wissen. ({13}) Schauen wir uns einmal an, wie sich die Struktur des Haushaltes entwickelt. ({14}) Strukturreformen in den Sozialversicherungssystemen stehen immer noch auf der Tagesordnung. Sie alle wissen, dass die Ausgaben für die Alterssicherung und den Arbeitsmarkt in Höhe von fast 140 Milliarden Euro die größten Einzelposten darstellen und dies 37 Prozent der Gesamtausgaben ausmacht. Wenn man die Zinszahlungen von 44 Milliarden Euro jährlich hinzurechnet, erkennt man, dass 52 Prozent des Haushaltes nach wie vor in vergangenheitsbezogene Kosten fließen. Die Frage, wo wir in dieser Gesellschaft investieren sollten, wird in diesem Haushalt strukturell nicht beantwortet. Sie sind einmal mit der großen Ankündigung angetreten, investieren zu wollen. Aber das spiegeln der Haushalt 2007 und die dazu gehörige Finanzplanung nicht wider. Wahrscheinlich kann sich niemand mehr an den großen Genshagener Gipfel erinnern, und das zu Recht. Es wurde zwar in eine große PR-Strategie dieser Koalition investiert, aber das dort beschlossene Investitionsprogramm wurde in den Sand gesetzt; es ist bis heute unbekannt. ({15}) Im Gegenteil: Sie sind dafür verantwortlich, dass die Investitionsquote über den gesamten Finanzplan, den Sie hier vorlegen, bei 8,4 Prozent stagniert. Das Gleiche gilt für die Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Dieses Jahr gibt es eine kleine Steigerung, aber in den nächsten Jahren wird weiter verstetigt. Zukunftsinvestitionen finden wir in diesem Haushalt und in diesem Finanzplan kaum. ({16}) Die Ausgaben wachsen überall dort, wo Sie aufgrund der inneren Widersprüche in der Koalition nicht den Mut und die Kraft haben, in Strukturreformen einzusteigen. In den letzten Tagen wurde uns eine ganze Reihe dieser Baustellen vorgeführt: beim Arbeitsmarkt, bei der Gesundheit, bei der Pflege und bei der Steuerreform. Es ist bemerkenswert, welche Widersprüche zwischen den Vorstellungen des Wirtschafts-, des Arbeits- und des Finanzministers innerhalb eines Tages erkennbar waren. Die Bevölkerung wartet vergeblich, dass etwas passiert. Die Vorschläge zur Steuerreform sind zum Teil verworren. Die Gegenfinanzierungsvorschläge, die notwendig sind, um eine soziale Schieflage zu verhindern, fehlen gänzlich. ({17}) Eine Orientierung, die die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt stellt, kann niemand erkennen. Gestern kam die Nachricht, die Gesundheitsreform, erklärtermaßen das große Reformprojekt dieser Regierung, werde einmal mehr verschoben. ({18}) Wir warten gespannt - das ist der entscheidende Punkt -, ob Sie irgendwann einmal dieses Gesundheitsmodell auf die Schiene bekommen. Eine zeitliche Verschiebung allein kann es aber nicht sein. Denn eine Murksreform bleibt Murks, unabhängig davon, wann Sie sie nun endlich einbringen. ({19}) Das Hinausschieben notwendiger Reformen kostet weiter Geld und belastet den Haushalt. Die Senkung der Lohnnebenkosten wurde völlig aus den Augen verloren. Ich kann mich noch an große Reden in diesem Hause erinnern, was die Senkung der Lohnnebenkosten unter 40 Prozent angeht. Mit dieser Regierungspolitik bleibt es auf absehbare Zeit eine vollständige Illusion, dass die Lohnnebenkosten in diesem Land irgendwann einmal sinken. ({20}) Es gibt steigende Beiträge: Bei der Rentenversicherung sind es 0,4 Prozentpunkte und bei der gesetzlichen Krankenversicherung ist es geschätzt 1 Prozentpunkt. Damit wird das Wenige an Entlastung, das durch die mehrwertsteuerfinanzierte Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung generiert wird, längst wieder aufgefressen. Die Frage ist in der Tat: Wo ist das Konzept der großen Koalition, um Großes bei den Lohnnebenkosten zu vollbringen? ({21}) Das Hin und Her geht auch bei Ihrer geplanten Gesundheitsreform weiter. Sie haben in Ihren nebulösen Eckpunkten angekündigt, die Steuerzuschüsse für die GKV ab 2008 wieder zu erhöhen. In diesem Jahr werden sie aber erst einmal gesenkt. Man muss sich doch irgendwann einmal entscheiden, was man will. Oder läuft es jetzt so: Dieses Jahr regiert die SPD und im nächsten Jahr regiert die CDU/CSU in diesem Bereich; entsprechend wird immer munter aufgestockt bzw. abgesenkt, bis keiner mehr weiß, wohin die Reise geht. ({22}) Das Schlimme ist, dass Sie mit Ihrer Politik keine der Fragen beantworten, die sich, bedingt durch den demografischen Wandel, in den nächsten Jahren immer drängender für uns stellen. Sie alle kennen die Situation und wissen, dass sich der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 65 Jahren in den kommenden 40 Jahren verdoppeln wird. Sie wissen, dass wir schon heute strukturelle Probleme bei den Sozialausgaben haben. Sie wissen auch, dass wir in der Verantwortung stehen, heute dafür zu sorgen, dass uns die Verschuldungsproblematik nicht dann noch zusätzlich belastet, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und uns die Bugwelle der Kosten trifft. Sie wissen weiterhin: Die Höhe der expliziten Staatsverschuldung in Höhe von 60 Prozent des BIP ist nur ein kleiner Teil dessen, was wirklich auf uns zukommt. Die implizite Staatsverschuldung - sie ergibt sich aus Ansprüchen in den umlagefinanzierten sozialen Sicherungssystemen und aus ungedeckten Pensionszusagen schlummert in den öffentlichen Haushalten und macht das Doppelte des BIP aus. Angesichts dieser Situation finde ich es umso dramatischer, dass Sie dieses konjunkturelle Umfeld nicht wirklich nutzen, um auch auf der Ausgabenseite etwas mehr Mut zu zeigen. Sie sollten mehr tun, als nur die Einnahmen, die ihnen in die Kasse gespült werden, als Konsolidierung zu verkaufen. ({23}) In diesem Zusammenhang muss auch über die Erhöhung der Mehrwertsteuer gesprochen werden; darüber haben wir hier schon vielfach diskutiert. Der Finanzminister hat heute erklärt, dass er den Vorschlag der Grünen ablehnt. Sie haben sich vorab festgelegt und sind nicht bereit, von der Erhöhung der Mehrwertsteuer abzugehen. Sie sind auch nicht bereit, sie nur dosiert zu erhöhen. Heute Vormittag haben Sie erklärt, dass das Ihrer Ablehnung gegenüber Fortsetzungsromanen geschuldet ist. Ich muss ehrlich sagen: Für mich ist die persönliche Literaturpräferenz nicht so entscheidend wie die Frage, wie wir das Wachstum in diesem Lande fördern können, anstatt es abzuwürgen; denn das sehen Ihre Pläne vor. ({24}) An dieser Stelle müsste man eigentlich über viele weitere Aspekte des Haushaltsentwurfs sprechen. In der zweiten und dritten Lesung werden wir Ihnen sehr deutlich sagen, an welchen Stellen der verschiedenen Einzelpläne Sie es versäumt haben, das Ruder herumzureißen. ({25}) Die Koalition täte gut daran, nicht so großspurig zu tönen, wie Herr Kampeter in der ersten Reihe, sondern die Haushaltsberatungen im Ausschuss zu nutzen. In diesem Haushaltsentwurf steckt noch viel Arbeit. Bisher ist kaum ein Haushaltsentwurf in das Parlament eingebracht worden, an dem noch so viel zu tun war, wie an diesem. Der Verteidigungsminister scheut sich vor Reformen in seinem Bereich und kündigt deshalb an, dass er mehr Geld brauchen wird. Auch andere Minister schielen bloß auf die riesigen Einnahmeberge und warten darauf, dass auch für sie etwas abfällt. Die Ausgabefreudigkeit dieser Koalition ist ungebrochen. Der Reformwille dieser Koalition ist nicht erkennbar. Wenn Sie sich weiterhin große Koalition nennen wollen, müssen Sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen. Die Kanzlerin hat in diesen Tagen verkündet, man solle die Zukunft nicht verbrauchen. Genau das tut die Regierung aber mit diesem Haushalt, und das ohne Not. Ich kann nur hoffen, dass die Reden Ihrer Kanzlerin irgendwann einmal in Ihren eigenen Reihen ankommen und Sie irgendwann einmal einen Haushalt aufstellen, der das, was hier verkündet wird, nicht widerlegt. Darauf müssen wir wohl leider, wenn ich Ihre Debattenbeiträge richtig verstanden habe, noch sehr lange warten. Das können wir uns nicht leisten. Packen Sie es an! Machen Sie endlich etwas daraus! ({26})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Petra Merkel, SPD-Fraktion.

Petra Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003591, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Lob auf die Kanzlerin in meine Rede einsteigen; denn wenn sie Recht hat, hat sie Recht. ({0}) Die Frau Bundeskanzlerin Merkel hat gesagt, dass sich Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 um Deutschland verdient gemacht hat. Ich finde, es ist mutig und zeugt von Größe, dass die Bundeskanzlerin das anerkennt. Gerhard Schröder, Hans Eichel, die SPD, die Grünen und die CDU/CSU haben gemeinsam - auch wenn es schwierig war, im Bundesrat zu Kompromissen zu kommen; Herr Ramsauer sagt, sie hätten es hingebogen - die Weichen für eine umfangreiche Reform gestellt. Reformen brauchen im Gegensatz zu Gesetzen, die schnell verabschiedet und auf den Weg gebracht Petra Merkel ({1}) werden können, sehr viel Zeit, ehe sie Wirkung entfalten. Die Erfolge sind jetzt langsam spürbar. An diesen Reformen waren zwei leider nicht beteiligt, und zwar auf der einen Seite die FDP und auf der anderen Seite Die Linke. (Steffen Kampeter ({2}): Sehr wahr! Sie haben sich davon verabschiedet. Das merkt man in allen ihren Beiträgen hier. ({3}) Die große Koalition macht weiter. Zu Jahresbeginn hat sie mit dem Haushalt 2006 das zarte Pflänzchen Aufschwung unterstützt. Mehr als 400 000 Arbeitslose weniger, mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als im August letzten Jahres sind ein Indiz für den positiven Trend. Das macht Hoffnung. Es war richtig, dass der Haushalt 2006 von einem Anschub für die Konjunktur geprägt war, zum Beispiel durch das 25-Milliarden-Euro-Impulsprogramm und die Hinnahme einer hohen Nettokreditaufnahme. Das CO2Gebäudesanierungsprogramm ist ein Renner. Es verbindet Maßnahmen zum Klimaschutz mit einem Programm für das Handwerk. Das ist eine Investition in die Zukunft. Übrigens, Herr Bonde, ist das ein Ergebnis von Genshagen. ({4}) Der Vorschlag von Franz Müntefering, dass wir versuchen sollen, jetzt auch die öffentlichen Gebäude im Rahmen dieses Programms verstärkt energetisch zu sanieren, ist ein guter Vorschlag. Als weitere Beispiele nenne ich die zusätzlichen 6 Milliarden Euro bis 2009 für Wissenschaft und Forschung, die Hightechstrategie, durch die Ideen in Deutschland in Arbeitsplätze in Deutschland umgesetzt werden sollen. Zum Erfolg gehört auch die Einhaltung des Maastrichtdefizitkriteriums bereits 2006 und, dass der Haushalt 2007 der in der Verfassung vorgeschriebenen Regelgrenze für die Kreditaufnahme - die Investitionen sollen über der Nettoneuverschuldung liegen - entspricht. Die anderen Haushalte waren übrigens auch verfassungsgemäß. In den zukünftigen Investitionen ist ein Projekt enthalten, das für uns in der Region Berlin-Brandenburg und damit auch in den neuen Ländern, Herr Claus, erheblich wichtig ist, nämlich der Großflughafen Berlin Brandenburg International. Für dieses Investitionsund Entwicklungsprojekt ist der erste Spatenstich gemacht. Der Konsensbeschluss zwischen dem Bund, Berlin und Brandenburg zur Schließung der beiden innerstädtischen Flughäfen ist - trotz aller Spekulationen gültig und nicht revidiert worden. ({5}) Der Bund wird die Anbindung des Flughafens zu einem großen Teil finanziell unterstützen und ist als Gesellschafter des BBI zusammen mit Berlin und Brandenburg mit im Boot. Es scheint trotz aller Verzögerungen sogar zu gelingen, dass die Errichtung dieses großen Flughafens weniger Zeit in Anspruch nimmt als die des Flughafens München, die damals 22 Jahre betrug. Wie dem auch sei: Diese Großinvestition dient der Region und damit auch den neuen Ländern. Der Bund ist mit erheblichen Mitteln dabei. Die Steuergelder sprudeln; das ist nicht schlecht. Bereits in diesem Jahr sollen nach manchen Schätzungen 16 bis 18 Milliarden Euro zusätzlich an die Gemeinden, die Länder und den Bund fließen. Für den Bund wären das 3 bis 5 Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen. Schon fragt die Presse: Was kann Steinbrück uns Gutes tun? Schon fragt sich die ARD am 5. September dieses Jahres: Was macht Finanzminister Steinbrück mit dem vielen Geld? ({6}) Meine Antwort darauf lautet: Er passt darauf auf. - Am besten setzen Sie sich darauf. ({7}) Der Finanzminister muss Begehrlichkeiten abwehren, um das zu erreichen, was wir alle wollen. Wir wollen raus aus dem Teufelskreis von immer mehr Neuverschuldung, immer mehr Zinsausgaben und immer geringerer Handlungsfähigkeit des Staates. Das ist allerdings nicht nur Aufgabe des Finanzministers. Das ist die Aufgabe jeder und jedes Einzelnen von uns ({8}) in jedem Ausschuss, ob Fachausschuss, Haushaltsausschuss oder Finanzausschuss. Es ist sogar unabhängig davon, in welcher Partei man ist. Es ist auch Aufgabe der Ministerien und aller Verwaltungen. ({9}) Also bitte: Alle sind dafür verantwortlich. ({10}) Das angestrebte Ziel ist, die Nettokreditaufnahme bis 2010 auf 20 Milliarden Euro zu reduzieren. Wenn das schneller geht und die Nettokreditaufnahme geringer ausfallen kann, dann ist das umso besser. Aber wir sollten jetzt eher eine realistische Einschätzung abgeben, anstatt später unseren Vorgaben hinterher zu rennen. Insofern ist dieser Weg der richtige: runter mit der Nettoneuverschuldung, und das - da sind wir uns sicherlich alle einig - sobald wie möglich. ({11}) Der Schuldenstand in Deutschland beträgt 1 500 Milliarden Euro. Für den Bund beträgt er 950 Milliarden Euro inklusive Sondervermögen. Wir müssen immer wieder deutlich machen, dass das eine immense Zahl ist, deren Reduzierung für uns eine Kraftanstrengung sein wird. Es ist richtig, was Frau Merkel formuliert hat: Wir dürfen unsere Zukunft nicht verbrauchen. Dazu bedarf Petra Merkel ({12}) es eines Mentalitätswechsels. Ein Mentalitätswechsel braucht Zeit; das haben wir auch in Berlin gemerkt. Es wird ein anstrengender Weg werden. Sehen wir uns die Zahlen des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2007 an: Die Gesamtausgaben betragen 267 Milliarden Euro. Darin sind die Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt in Höhe von 6,5 Milliarden Euro enthalten, die von der Bundesagentur für Arbeit zur Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung verwendet werden. Ich finde, Herr Steinbrück hat sehr gut und plastisch geschildert, dass es sich hierbei um einen Betrag handelt, der lediglich durchgereicht wird, ({13}) sodass die Ausgaben dieses Bundeshaushalts, verglichen mit dem Bundeshaushalt des Vorjahres, eigentlich niedriger sind. Auch das ist ein Aspekt der Konsolidierung. ({14}) Allerdings werden von den Gesamtausgaben in Höhe von 267 Milliarden Euro 122 Milliarden Euro allein für den Bereich Arbeit und Soziales ausgegeben werden, davon wiederum 78 Milliarden Euro für den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung. Das ist ein großer Anteil. Dessen sind wir uns bewusst. Die Einnahmen betragen insgesamt 245,6 Milliarden Euro; davon werden 214 Milliarden Euro aus Steuereinnahmen erzielt - ohne Nettokreditaufnahme. Diese Zahlen sprechen für sich. Es wird eine schwierige Aufgabe sein, den Bundeshaushalt so zu sanieren, dass wir unser Ziel erreichen, nämlich die Nettoneuverschuldung drastisch zu senken. Die Mehrwertsteuererhöhung ist immer wieder Thema. Ich sage ganz deutlich: Sie ist einkalkuliert und beschlossen. Wir erleben täglich, dass sich viele Firmen schon im Vorfeld auf die Mehrwertsteuererhöhung einstellen, sie in ihren Planungen für die Zeit nach dem 1. Januar 2007 berücksichtigen und versuchen, davon zu profitieren. So wird zum Beispiel ein Neuwagen schon jetzt ohne 16-prozentige Mehrwertsteuer angeboten und eine große Lebensmittelkette garantiert ihren Kunden, ab dem 1. Januar 2007 keine Preiserhöhungen durchzuführen. Das gilt übrigens nicht für diejenigen Artikel, die mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent versteuert werden, sondern für diejenigen, die künftig mit 19 Prozent versteuert werden. ({15}) Das ist ein Indiz dafür, dass im Augenblick niemand von uns sagen kann, wie sich die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Produktpaletten und auf die Ausgaben jedes Haushalts auswirken wird. Wir wissen nur, was sie für unseren Haushalt bedeutet: Mehreinnahmen von insgesamt 19 Milliarden Euro. Dabei muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass dieser Betrag nicht vollständig dem Bund zugute kommt. Dem Bund fließen die Einnahmen aus 1 Prozentpunkt Erhöhung zu, die Länder erhalten die Einnahmen aus 1 Prozentpunkt Erhöhung und die Einnahmen aus 1 Prozentpunkt Erhöhung werden zur Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung verwendet. Durch die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 2 Prozentpunkten senken wir auch die Lohnnebenkosten. Es ist immer wieder wichtig, das zu betonen, insbesondere in Gesprächen mit Vertretern der Wirtschaft. Eines spielt hier immer wieder eine Rolle: Bei der Bundesagentur für Arbeit haben wir in diesem Jahr Mehreinnahmen in Höhe von mehr als 8 Milliarden Euro zu verzeichnen, was zumindest teilweise auf den Einmaleffekt eines zusätzlichen Monatsbeitrags der Bundesagentur zurückzuführen ist. Wenn allerdings angesichts der aktuellen Überschüsse Beitragssatzsenkungen gefordert werden, dann ist das für mich ein typischer Reflex, der sich zum Teil auch in unserer Debatte widergespiegelt hat. Einige meiner Koalitionskollegen sagen ja bereits, wo überall Erhöhungen dringend notwendig sind bzw. in welchen Bereichen keine Privatisierungen durchgeführt werden dürfen; das ist das alte Spiel. Wir müssen uns darum bemühen, den Haushalt im Zaum zu halten. Das geht uns alle an, auch die Mitglieder des Fachausschusses. Erst wenn erkennbar ist, dass es verlässlich und dauerhaft Spielräume gibt, kann man über Beitragssatzsenkungen reden, allerdings nur dann. Wenn die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren höher ausfallen als geplant, müssen wir sie für die Haushaltssanierung verwenden; denn auch der Haushalt für das Jahr 2007 ist mit unbestreitbaren Risiken verbunden. Der Bereich „Arbeit und Soziales“, die Zinsentwicklung - noch profitieren wir vom Niedrigzins - und die Mehrwertsteuererhöhung können noch Einfluss auf die Wirtschafts- und Haushaltsentwicklung haben. Wenn wir auf die von mir angesprochenen Forderungen, die in der einen oder anderen Etatberatung zu vernehmen waren, nicht eingehen, werden wir es schaffen, die Ausgaben zu senken. Ich möchte noch auf einige andere Projekte zu sprechen kommen, für die der Haushalt 2007 steht. Als Beispiel nenne ich das Elterngeld. ({16}) Nun wird für Frauen und Männer endlich die Möglichkeit geschaffen, das erste Jahr nach der Geburt ohne größere finanzielle Einbußen mit ihrem Kind verbringen zu können. Der Wiedereinstieg in den Beruf geht nach einem Jahr besser und reibungsloser. Allerdings müssen die Länder entsprechende Kinderbetreuungsangebote vorhalten; sie sind da in der Pflicht. Wir haben in der großen Koalition die mit dem TAG, dem Tagesbetreuungsausbaugesetz, begonnenen Programme zur Betreuung von Kindern unter drei Jahren fortgesetzt. Im Wege der Entlastung der Kommunen stellt der Bund die Finanzierungsgrundlage für den Ausbau der Kinderbetreuung bereit. Dass die CDU/CSU in der großen Koalition mit uns diesen Schritt gegangen ist und auch das erfolgreiche Ganztagsschulprogramm mit uns weiterführt, freut uns und viele Familien. Petra Merkel ({17}) ({18}) Das Land Berlin wird vom 1. Januar 2007 an für das letzte Kitajahr keine Gebühren mehr nehmen, und in den nächsten fünf Jahren sollen grundsätzlich keine Gebühren mehr für Kinder über drei Jahre erhoben werden wie übrigens im armen Saarland schon üblich. Dann ist die Bildungseinrichtung Kindergarten mit dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz genauso kostenfrei wie die Schule. Damit wird das Land Berlin einen weiteren Schritt sowohl bei der Integration der Kinder von Migrantinnen und Migranten als auch bei der Bildung aller Kinder im Kindergartenalter tun. Wir erinnern uns: Im Sommer hat die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Frau Professor Dr. Böhmer, mit Franz Müntefering und anderen einen Integrationsgipfel veranstaltet und Arbeitsgruppen eingesetzt. Für die Hauptstadt Berlin, für viele Städte in Deutschland und auch in Europa ist die Frage der Integration entscheidend. Es gibt nur eine Möglichkeit: Bildung, Bildung, Bildung, und das so früh wie möglich. ({19}) Das bedeutet, dass die Bildung in den Kindertagesstätten Vorrang haben muss. ({20}) Ich möchte einen weiteren Bereich ansprechen: Wir sind alle froh, dass Bonn die Umwandlung zur Bundesstadt gut bekommen ist, dass Bonn blüht. Die Berichterstattung in der Presse in den letzten Tagen über eine Veränderung des Bonn/Berlin-Gesetzes ist allerdings vorschnell. ({21}) Es gibt keinen derartigen Beschluss. Richtig ist allerdings, dass die Koalition im Haushaltsausschuss erneut die räumliche Aufteilung der Bundesregierung und der ihr nachgeordneten Behörden daraufhin überprüfen wird, wie kurz- oder mittelfristig Effizienzgewinne erreicht werden können. Dazu gehören auch Neubaumaßnahmen. Sie können sich vorstellen, wofür mein Herz als Berlinerin schlägt. ({22}) Ich finde es richtig, diese Aufteilung zu überprüfen. Eine weitere Bemerkung: Der Bund finanziert in Kontinuität die Programme „Civitas“ und „Entimon“ des Aktionsprogramms „Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“. Wie nötig diese Programme sind, zeigt die aktuelle Situation in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin. ({23}) - Vorsicht, Vorsicht! ({24}) Sie alle wissen, dass am 17. September in MecklenburgVorpommern und in Berlin Landtagswahlen stattfinden. In beiden Bundesländern werden derzeit erschreckende Erfahrungen gemacht mit Vertretern der NPD. Gezielte Störungen von Veranstaltungen, bis hin zu körperlicher Bedrohung und Androhung von Gewalt, können wir als Demokraten nicht akzeptieren. ({25}) Deshalb bitte ich alle Wahlberechtigten: Machen Sie Gebrauch von Ihrem demokratischen Recht auf Stimmabgabe. Viele von Ihnen, die jetzt stimmberechtigt sind, haben vor 17 Jahren auf eine freie, demokratische Wahl gehofft und sind dafür auf die Straße gegangen. Es liegt in Ihrer Hand, ob die NPD in die Parlamente einzieht. Bitte gehen Sie zur Wahl! ({26}) Ich komme zum Schluss. Die Beratungen des Haushalts 2007 werden jetzt in den Fachausschüssen und im Haushaltsausschuss fortgesetzt. Ich bin sicher, dass wir alle sie in großer Verantwortung wahrnehmen werden. Ich hoffe auf viele Ideen, neue Einsichten, und wünsche uns allen viel Erfolg. ({27})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte in der Schlussrunde noch einmal auf die Ziele der Haushalts- und Finanzpolitik der großen Koalition hinweisen. Wir wollen bekanntlich zwei Ziele gleichzeitig verwirklichen: nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und Stärkung der Wachstumskräfte der Wirtschaft. Ich sage sehr deutlich: Dieser Haushalt, den wir in den letzten Tagen in erster Lesung beraten haben, ist ein wichtiger Schritt, um beide Ziele zu erreichen. ({0}) Ich finde es eigenartig, dass sich einige hier hinstellen und sagen, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass wir mit diesem Haushalt die Maastrichtkriterien und Art. 115 unseres Grundgesetzes erfüllen. ({1}) - Das mag sein. - Das wird insbesondere von denen gesagt, die an den Sanierungsmaßnahmen nicht mitgewirkt haben. ({2}) Ich stelle nur fest, dass es fünf Jahre lang nicht gelungen ist, einen Haushalt vorzulegen, der den Maastrichtkriterien und dem Grundgesetz entspricht. Ich sage sehr deutlich: Wir als Finanzpolitiker haben bei dieser Sanierung eine erhebliche Last tragen müssen. Es war nicht einfach, die Mehrwertsteuererhöhung durchzusetzen und Subventionen sowie Steuervorteile in einer Größenordnung von 7 bis 8 Milliarden Euro zu streichen. Schauen Sie sich die Zahlen an: In diesem Jahr haben wir eine Nettoneuverschuldung von rund 38 Milliarden Euro, im nächsten Jahr werden es 22 Milliarden Euro sein. Das heißt, wir führen die Nettoneuverschuldung um 16 Milliarden Euro zurück. Von den Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhalten wir nur ein Drittel; das sind ungefähr 7 Milliarden Euro. Die anderen 9 Milliarden Euro haben wir in anderen Bereichen gespart. Die große Koalition hat also wirklich bewiesen, dass sie in der Lage ist, unpopuläre Entscheidungen durchzusetzen, um den Haushalt zu sanieren. Das ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. ({3}) Ich möchte mich in meinem Beitrag auf zwei Themen beschränken, nämlich zum einen auf das Thema Konsolidierung der öffentlichen Finanzen ({4}) und zum anderen - das kann nicht überraschen - auf das Thema Unternehmensteuerreform. Bezogen auf die Konsolidierung stelle ich ganz klar fest - hier unterstütze ich ohne jede Vorbehalte den Finanzminister -: Wir sind erst am Anfang der Konsolidierung. ({5}) Meine Damen und Herren - das gilt auch für die Kollegen meiner eigenen Fraktion -, denken Sie bitte nicht gleich nach, was man noch alles an Gutem tun kann, wenn wir jetzt ein bisschen mehr Steuern einnehmen. Alles, was wir zusätzlich einnehmen, brauchen wir für die nachhaltige Sanierung. Denken Sie daran: Durch jede Milliarde, die wir weniger Schulden machen, sparen wir in den folgenden Jahren - selbst bei einem günstigen Zinssatz - 30 Millionen Euro an Zinsen. Das heißt, wir erhöhen damit unseren Spielraum. ({6}) Natürlich hält sich bei uns die Begeisterung in Grenzen - das gilt sowohl für die Sozialdemokraten als auch für uns -, dass am Ende der mittelfristigen Finanzplanung immer noch eine Nettoneuverschuldung in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro steht. ({7}) Nach den Maastrichtkriterien und dem Grundgesetz soll ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden; das ist völlig klar. Die Drei vor dem Komma bei dem Maastrichtdefizitkriterium ist eine Obergrenze für kritische Zeiten. Das Gleiche gilt für Art. 115 Grundgesetz. Ich sage daher sehr deutlich - das haben schon mehrere von der Regierung und der Koalition gesagt -: Das Ziel der großen Koalition ist ein ausgeglichener Haushalt. ({8}) Jetzt kommt natürlich eine Feststellung, die hier nicht fehlen darf: Selbst wenn wir einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, wie Bayern das erreicht hat - ich schaue mit Respekt auf die bayerischen Freunde; sie haben schon in diesem Jahr einen ausgeglichenen Haushalt -, ({9}) haben wir nach heutigem Stand 950 Milliarden Euro Schulden, die wir in den nächsten Jahren noch ein bisschen erhöhen werden. ({10}) Das heißt, wir müssen irgendwann anfangen, diesen Berg abzutragen. Ich glaube, allein diese Perspektive zeigt, dass die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen eine Aufgabe ist, die uns mit Sicherheit auch in den nächsten Legislaturperioden beschäftigen wird. ({11}) Ich komme jetzt im Zusammenhang mit unserem Haushalt zur Unternehmensteuerreform. Zunächst einmal will ich das unterstreichen, was einige Kollegen gesagt haben: Wir sind in der großen Koalition auf dem Wege zu einer wirklich großen und vernünftigen Unternehmensteuerreform. ({12}) Jeder, der aus dem Kreis der Zwölf, die an den Sitzungen teilnehmen, etwas dazu gesagt hat, hat sich in dieser Richtung geäußert. Über Grundpositionen sind wir uns einig, aber wir wissen natürlich, dass im Detail noch manches Problem zu lösen ist. Ich sage deutlich - auch da stimmen wir in der großen Koalition überein -: Wir werden keine Unternehmensteuerreform verabschieden, die die großen Unternehmen entlastet und den Mittelstand belastet. Das wird es mit der großen Koalition nicht geben. Im Gegenteil, bei jeder Frage, die diskutiert wird, geht es um den Aspekt: Wie wirkt sich das auf den Mittelstand aus? Wir alle wissen nämlich, dass der Mittelstand die Säule unserer Wirtschaft ist. ({13}) Kritisch ist natürlich - ich kann Ihnen für dieses Problem keine abschließende Lösung anbieten; aber wir befinden uns jetzt ja auch nicht in einer Unternehmensteuerdebatte -, dass nicht der Mittelstand, sondern die großen Firmen die Gestaltungsmöglichkeiten haben, um ihre Gewinne ins Ausland zu verlagern. ({14}) Deshalb müssen wir einen Weg finden - das ist unsere gemeinsame Auffassung -, diese Gestaltungsmöglichkeiten einzuengen, ohne dem Mittelstand neue, zusätzliche Belastungen aufzubürden. ({15}) Ich komme zu einer Frage, die in der Koalition ein bisschen kontrovers diskutiert wird - auch hier werden wir zu einer gemeinsamen Antwort kommen -: Kann, soll oder muss eine Unternehmensteuerreform aufkommensneutral durchgeführt werden oder brauchen wir eine Entlastung? Ich sage deutlich: Beide Auffassungen sind, wenn man den Faktor Zeit berücksichtigt, richtig. Natürlich müssen wir im ersten Jahr Steuerausfälle einrechnen und berücksichtigen. ({16}) Wir haben schon die aus meiner Sicht gute Entscheidung getroffen, dass die Steuerausfälle in Höhe von 5 Milliarden Euro, über die jetzt diskutiert wird, nur von Bund und Ländern, nicht von den Kommunen ausgeglichen werden sollen. Das ist ein gutes Zeichen für die Kommunen. Die Politiker der großen Koalition werden die Kommunen bei der Mitfinanzierung einer Unternehmensteuerreform schonen, und zwar aus gutem Grunde: Der überwiegende Teil der Investitionen vor Ort, die gerade für den kleinen Handwerksbetrieb wichtig sind, wird von den Kommunen getätigt. Nur wenn wir die Kommunen in die Lage versetzen, wieder in steigendem Umfang Aufträge zu vergeben, können wir vernünftig etwas für den Mittelstand vor Ort tun. ({17}) Lassen Sie mich deutlich sagen: Die 5 Milliarden Euro sind kein Geschenk an irgendwelche Unternehmer. ({18}) Jede Privatentnahme - ob aus einer Kapitalgesellschaft oder aus einer Personengesellschaft - wird weiterhin wie heute besteuert, das heißt, mit einem Steuersatz von 42 Prozent plus Soli usw. Die geplante Steuersenkung betrifft nur die einbehaltenen Gewinne, die in Deutschland zurzeit mit knapp 39 Prozent besteuert werden. Damit sind wir leider Spitzenreiter in Europa, und zwar nicht, weil wir die Steuern erhöht haben, sondern weil die anderen die Steuern stärker gesenkt haben. Hier müssen wir ein Zeichen setzen. Ein Steuersatz von 29 Prozent, den wir jetzt anpeilen, ist ein solches Zeichen. Die 5 Milliarden Euro sind eine Investition, weil wir damit erreichen werden, dass ein erheblicher Teil der Gewinne, die heute in Deutschland entstehen, aber hier leider nicht steuerlich wirksam werden, wieder in Deutschland versteuert wird. Ich sage deutlich: Auch ohne „Zinsschranken“ werden manche bei einem Steuersatz von 29 Prozent überlegen, ob es noch sinnvoll ist, die Gewinne in anderen Ländern zu versteuern. Bei einem Steuersatz von 39 Prozent lohnt sich das. Kollege Poß hat am Dienstag eine interessante Zahl genannt: Es gibt Berechnungen - man kann sie nicht seriös bis nach dem Komma darstellen -, nach denen etwa 60 Milliarden Euro der Gewinne, die in Deutschland erzielt werden, nicht in Deutschland versteuert werden. Wir von der Union hatten vor wenigen Tagen ein Gespräch mit Vertretern der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Diese haben sehr deutlich gesagt: Jede große Firma, die wir überprüfen, versteuert einen Teil ihrer Gewinne im Ausland, und zwar vollkommen legal. Wenn wir durch eine vernünftige Unternehmensteuerreform - wir sind dabei auf dem richtigen Wege - erreichen, dass nur die Hälfte dieser Gewinne wieder in Deutschland versteuert wird, dann führt das bei einem Steuersatz von 30 Prozent zu Einnahmen in Höhe von 9 Milliarden Euro. ({19}) - Ja, zusätzlich! Deswegen stelle ich die These auf: Eine vernünftige Unternehmensteuerreform - eine solche werden wir beschließen - wird dafür sorgen, dass wir mittelfristig mit niedrigeren Steuersätzen höhere Einnahmen erzielen werden. Insofern brauchen wir über das Thema Entlastung nicht so lange zu diskutieren. Am Anfang müssen wir ein wenig Geld aus dem Haushalt investieren. Aber durch diese Investitionen werden wir relativ schnell zu höheren Einnahmen kommen. Viele Redner der Koalition haben sich positiv zur Wirtschaftsentwicklung geäußert: Die Zahlen sind sehr gut; die Wirtschaft funktioniert. Ich will nicht alle Zahlen wiederholen. Sie waren richtig. Vonseiten der Opposition wurde festgestellt, wir könnten nichts dafür. Die Kanzlerin hat die Gründe, glaube ich, sehr vernünftig dargestellt. Die neue Regierung ist zwar ein Grund für den Aufschwung, wir wissen jedoch, dass dies nicht der einzige Grund ist. Aber wenn die Zahlen heute schlecht wären, dann hätten mindestens drei Fraktionen festgestellt, wir seien schuld daran. Deshalb, meine Damen und Herren: Gönnen Sie uns die Freude über die guten Zahlen. Wir werden aktiv weiterarbeiten, damit die Zahlen noch besser werden. ({20})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Otto Fricke das Wort. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltswoche neigt sich dem Ende zu. Es waren interessante Debatten. Wir haben alles Mögliche darüber gehört, wer woran schuld ist, wer was wofür kann und wer was tun will. Ein Satz allerdings ist kaum gefallen: Wir wollen sparen. Sie sparen nicht, meine Damen und Herren von der Koalition. ({0}) Sie sprechen immer wieder von Konsolidierung. Wissen Sie eigentlich, was das Wort „konsolidieren“ heißt, das Sie immer im Munde führen? Es heißt „festigen, sichern, bewahren des Bestehenden“. Sie bewahren mit Ihren Haushaltsplänen das Bestehende und damit den weiteren Gang in eine immer höhere Verschuldung. ({1}) - Ich komme noch zu den Schulden, Herr Kollege. Ich bin gespannt, wie unruhig der Kollege Kampeter heute noch werden wird. Das werden wir alles noch hören. Frau Merkel hat gesagt, wir dürften unsere Zukunft nicht verbrauchen. Was heißt „verbrauchen“? Wir dürfen nicht so viel ausgeben. Sie hat klar und deutlich festgestellt, dass wir die Ausgaben senken müssen. Wenn es aber konkret wird, dann kommt im Ergebnis leider immer nur heiße Luft. ({2}) Was müssen wir tun? Wir müssen intelligent sparen. Wir müssen die Sozialsysteme zukunftssicher machen. Wir müssen die Steuersätze senken - keinesfalls dürfen wir die Steuern erhöhen - und wir müssen das Steuersystem vereinfachen. Wir müssen jedem die private Altersvorsorge ermöglichen. Kurz gesagt: Wir müssen eine Steuerreform durchführen, statt eine Urlaubssperre auszusprechen. Darum muss es gehen. ({3}) Die bestehenden Einsparmöglichkeiten hat die FDP immer wieder im Liberalen Sparbuch dargestellt. Die Reaktion darauf lautet immer wieder: Das ist ja schrecklich. Aber auch in diesem Haushalt finden sich wieder viele Punkte - ich hoffe, das können Sie zugeben, Herr Steinbrück -, bei denen die große Koalition auf einmal festgestellt hat: Die FDP hatte Recht; wir senken den Ansatz. - Wir werden Ihnen auch dieses Jahr wieder einige Sparvorschläge machen. Setzen Sie sie um und machen Sie es dieses Jahr, statt weitere Jahre zu warten! ({4}) Lassen Sie mich mit einem Beispiel verdeutlichen, dass die Notwendigkeit des Sparens noch nicht richtig angekommen ist. Wir haben die größte Föderalismusreform aller Zeiten beschlossen. Damit haben wir Kompetenzen abgegeben. Im Haushalt versucht man jedoch vergeblich, auch nur einen Punkt zu finden, in dem die große Koalition festgestellt hat, dass sie für einen Bereich nicht mehr zuständig ist, dass ein Referat nicht mehr gebraucht wird oder dass eine Fördermaßnahme nicht mehr notwendig ist. Trotz der Föderalismusreform macht sie bei den Ausgaben einfach so weiter wie bisher. ({5}) Ich komme auch wieder auf die Steinkohlesubvention zu sprechen. Sie steigt dieses Jahr an. Wir können darüber streiten, ob das nur eine Bugwelle ist oder nicht. Jedenfalls wird immer wieder auf die bestehenden Verträge verwiesen - ich halte das für falsch; das ist eine dumme juristische Sichtweise -, dass es einen Vertrag gibt, der eingehalten werden müsse. Das ist zwar richtig, aber aus wirtschaftlicher Sicht heißt das: Der Vertragspartner will vom Steuerzahler auch nach Ende der Vertragsdauer noch Geld haben. Insofern erwarte ich von der Koalitions, dass sie mit Herrn Müller bei allem, was er noch plant, nicht nur über die Zukunft, sondern auch über die Gegenwart spricht. Wenn Sie das Sparen, von dem immer wieder die Rede ist, ernst nehmen, dann müssen Sie in dieser Weise verhandeln, statt einem Subventionsempfänger zuzusagen, dass ihm das versprochene Geld auf jeden Fall auch weiterhin sicher ist. ({6}) Herr Minister Müntefering, es muss auch endlich überprüft werden, wo etwas nicht stimmt und an welchen Stellen es gerade im größten Haushalt nicht weiterlaufen kann wie bisher. Bei den Eingliederungsmaßnahmen zum Beispiel - ich glaube, darüber bin ich mir mit dem Kollegen Kampeter einig - stimmt es hinten und vorn nicht, hier müssen die Zahlen gesenkt werden: In Duisburg, so hört man, müssen bis zum Jahresende noch 12 Millionen Euro ausgegeben werden, weil das Geld einfach da ist. Was wird gemacht? Man hat eine tolle Idee. Jeder darf den Führerschein machen und wenn er anschließend einen Kaufvertrag über ein Auto nachweist, erhält er 2 500 Euro für den Führerschein und zusätzlich 1 000 Euro als Bonus. Diejenigen, die zunächst vergessen hatten, es geltend zu machen, erhalten auch 1 000 Euro, Hauptsache, das Geld ist weg. Das kann nicht die Lösung sein, hier muss sich einiges ändern. ({7}) Der Aussteuerungsbetrag ist für mich immer noch ein Wahnwitz. Ein Aussteuerungsbetrag ist nichts anderes als eine Strafzahlung. Obwohl kein Vertreter der Bundesländer mehr anwesend ist, möchte ich fragen: Müssten nicht auch die Länder eine Strafzahlung an die BA für diejenigen leisten, die sie schulisch nicht so ausgebildet haben, dass sie für den Arbeitsmarkt tauglich sind und einen Job finden? Nein, das tun sie nicht. Jetzt wird es interessant: Der liebe Kollege Bernhardt hat soeben ausgeführt, der Überschuss sei kein Polster und diese Mittel sollten zurückgegeben werden. Dabei hat er leider außer Acht gelassen, was Herr Koch dazu gesagt hat. Als ich das hörte, bekam ich große Angst um die CDU/CSU; denn bisher habe ich immer gedacht, die Kompromisse hätten damit zu tun, dass Sie sich mit der SPD abstimmen müssen. Aber nein, der Kollege Koch, der bekanntlich alleine regiert, sagt: Das Beitragszahlergeld, der Milliardenüberschuss - „Überschuss“ ist schon bemerkenswert -, sollte genutzt werden, um 50 000 Jugendlichen einen fiktiven Ausbildungsplatz bereitzustellen. Ich habe gedacht: Das kann doch nicht wahr sein! Da hat die CDU die absolute Mehrheit und kann ihre Meinung allein durchsetzen - und dann so etwas. Das zeigte mir: Auch dort, wo die CDU die absolute Mehrheit hat, ist sie in einer sozialistischen Ideologie verfangen, weil sie ihrem Partner in diesen Dingen folgt. ({8}) - Ich sage Ihnen, warum ich das für sozialistisch halte: Unsere Aufgabe muss doch darin bestehen, den Jugendlichen reale Ausbildungsstellen zu ermöglichen. Wir wissen ganz genau, wo die Probleme der Jugendlichen liegen. Deshalb hilft es nicht, wenn sie vielleicht für zwei Jahre die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz bekommen, um im dritten Jahr zu erfahren: Tut uns Leid, die Subvention ist weg. - Die FDP will dieses Problem mit den Mitteln des Marktes lösen, aber dafür müssen wir dem Markt auch die Instrumente an die Hand geben. Wenn ich die Diskussion der letzten Zeit über Hartz IV verfolge, stelle ich einen schönen Widerspruch fest. Ich bin gespannt, wie Sie diesen Widerspruch lösen wollen, Herr Müntefering. Der Aussteuerungsbetrag, den die Bundesagentur zahlen muss, weil sie nicht genügend Arbeitslosengeld-I-Empfänger in den Arbeitsmarkt vermittelt, steigt. So steht es im Haushalt. Heißt das mit anderen Worten, dass die Arbeitslosigkeit steigt, wenn mehr Leute kurzzeitig ihren Arbeitsplatz verlieren? Dazu sagt Herr Müntefering in seinem Haushalt Nein und begründet das damit, dass mehr Hartz-IVEmpfänger in den Arbeitsmarkt hineinkommen. Dass Hartz-IV-Empfänger, also Langzeitarbeitslose, schneller auf dem Arbeitsmarkt sind als diejenigen, die kurzfristig als ALG-I-Empfänger aus dem Arbeitsmarkt raus sind, kann ich nicht nachvollziehen. Diesen Widerspruch müssen Sie erst einmal aufklären. Ich kann Ihnen allerdings erklären, warum das haushalterisch so ist. Der Grund liegt schlichtweg in den 1,5 Milliarden Euro, die der Finanzminister braucht, damit die Verfassung zumindest bei der Aufstellung des Haushaltes nicht gebrochen wird. Das ist der eigentliche Grund für diese Trickserei. ({9}) Ich muss Ihnen noch einen zweiten Widerspruch verdeutlichen, Herr Müntefering. Sie sagen, das 58er-Programm müsse fortgesetzt werden. Ich gebe Ihnen an einem Punkt Recht: In der Frage, wie wir ältere Arbeitnehmer besser im Arbeitsmarkt halten können bzw. welche Möglichkeiten wir ihnen einräumen können, ihr Alter gut zu gestalten, hat unsere Gesellschaft ein riesiges Problem. Hierzu gibt es an vielen Stellen noch völlig falsche Denkansätze. Ich habe in einer Diskussion erlebt, dass ein Zweiundsechzigeinhalbjähriger davon sprach, er sei ein Senior, obwohl er mitten im Leben stand. Herr Müntefering, ich bin sicher, Sie werden mir Recht geben: Das ist noch kein Alter. Unsere Gesellschaft verdrängt jedoch Menschen dieses Alters zunehmend aus der Erwerbstätigkeit. Jetzt kommt das Besondere: In den Förderprogrammen für ältere Arbeitnehmer setzen Sie die Zahlen hoch. Was ist denn nun? Brauchen wir ein 58er-Programm, um die Älteren aus dem Arbeitsmarkt herauszunehmen, oder brauchen wir Förderprogramme, um sie im Arbeitsmarkt zu behalten? Es geht um 1,2 Milliarden Euro. Nur eine Entscheidung kann richtig sein, Sie müssen sich entscheiden, welche. ({10}) Worüber wir in den nächsten Monaten dringend debattieren und beschließen müssen, ist nach meiner Meinung eine Reform der Sozialsysteme. Wir alle wissen, warum diese Reform im Moment nicht angegangen wird. Es ist derselbe Grund, warum viele Minister der PDS hier gesprochen haben. Da Wahlkampf ist, geht niemand an die harten Wahrheiten heran. Herr Müntefering, meine Fraktion ermahnt Sie deutlich, möglichst noch in diesem Jahr klare Vorschläge im Hinblick auf die Rente mit 67, die Hinterbliebenenrente - darüber hat die große Koalition schon debattiert - und die Erwerbsminderungsrente zu unterbreiten. Meine Fraktion ist auf Ihre Vorschläge gespannt. Wir werden uns das alles genau anschauen. Aber was wir nicht mitmachen werden, sind rein mathematische Lösungen, nur um kurzfristig irgendwelche Kassen wieder zu entlasten. ({11}) Zur Gesundheitsreform ist hier schon vieles gesagt worden. Herr Steinbrück, ich bitte nur - Sie wissen, warum ich es weiß -: Bleiben Sie hart gegenüber der Gesundheitsministerin! Lassen Sie sich keine weiteren Zahlungen abluchsen, bevor nicht klar ist, dass wir ein modernes Gesundheitssystem bekommen! Sollte das mit dieser Koalition nicht möglich sein, bleiben Sie trotzdem während der gesamten Legislaturperiode hart. Damit sind wir bei dem Bundeszuschuss und der Frage, ob die Nettoneuverschuldung steigt oder nicht: Sie haben gesagt, das sei nur ein durchlaufender Posten. Aber dann könnten Sie auch die knapp 80 Milliarden Euro Zuschuss zur Rentenversicherung herausrechnen; denn er ist ebenfalls nichts anderes als ein durchlaufender Posten, der sich über Jahre angesammelt hat. Aber das Geld ist nun einmal in den Haushalt eingestellt und steht damit den Politikern zur Verfügung. Das ist im Hinblick auf die Frage gefährlich, wo gespart werden soll und wie man es verhindert - ich weiß, dass Sie teilweise verhindert haben -, dass viele Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition neue Ausgabenpläne schmieden. ({12}) Wir diskutieren über den Grund des Wirtschaftswachstums. Es gibt sicherlich viele Gründe. Der Erfolg hat immer viele Väter und Mütter. ({13}) - Danke, Herr Kampeter. Ich bin mir sicher, dass der Kollege Westerwelle Ihnen zustimmt. Seien wir ehrlich: Die Steuerreform hat einen wesentlichen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg. Der Kollege Eichel hat in dieser Debatte deutlich gesagt: Wenn wir sie früher durchgeführt hätten, hätte der Aufschwung möglicherweise früher eingesetzt. Aber wer hat denn die Wirkungen dieser Steuerreform insbesondere im Hinblick auf diejenigen, die die meisten Steuern zahlen, durch einen Kompromiss im Bundesrat so abgemildert, dass Sie nun von sprudelnden Steuerquellen profitieren? Es war die FDP, die im Vermittlungsausschuss bei dieser Steuerreform mitgemacht hat. ({14}) Jetzt wird es richtig interessant. Sie selber stellen fest, dass es dem Staat aufgrund der durchgeführten Reformen - dazu zähle ich auch Hartz IV und die Abschaffung der Eigenheimzulage; all das hat die FDP unterstützt - besser geht und dass es richtig war, den Staat zurückzuführen. Aber wie sieht Ihre Reaktion darauf aus? Statt zu senken, erhöhen Sie die Steuern nach dem Motto: Weil die Wahrheit uns nicht gefällt, suchen wir uns eine andere. Herr Steinbrück, ich habe vernommen, wie schlimm wir angeblich von 1983 bis 1998 gewesen sind. Wir sollen für 70 Milliarden Euro aus Steuererhöhungen verantwortlich sein. Sicherlich darf in diesem Zusammenhang die deutsche Einheit nicht vergessen werden. Aber ich habe einmal nachgerechnet, wie lange Sie von der großen Koalition bräuchten, um auf diese Summe zu kommen. Sie brauchen - wenn man die aus dem Haushaltsbegleitgesetz resultierenden Steuererhöhungen zugrunde legt - nur drei Jahre. Sie sind also deutlich schneller als wir. Ich beglückwünsche Sie dazu nicht. Aber ich bitte Sie, zu berücksichtigen, dass die Bewertung von Steuererhöhungen von der zeitlichen Perspektive abhängt. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der großen Koalition, genauso lange wie die FDP von 1983 bis 1998 regierten, kämen Sie - nun wird es ganz grausig - auf eine Summe von 350 Milliarden Euro aus Steuererhöhungen. So viel zu der Frage, wer der große Steuererhöher ist. Ein kurzes Wort zu Zinsen und Inflation. Herr Poß, ich verstehe, dass Sie an dieser Stelle eine andere Meinung haben. Aber ich sage Ihnen ganz klar: Wenn die EZB die Inflation nicht unter Kontrolle hält, dann sind es letztendlich die Rentner und die kleinen Leute, die unter der Inflation leiden. Das darf in diesem Land nicht passieren. Ich bin froh, dass sich die EZB bislang von politischer Seite nichts hat sagen lassen. ({15}) Da man im Heine-Jahr immer mit ein wenig Kultur kommen muss - ich weiß, dass Heine das eigentlich als Liebesgedicht an seine Mutter gemeint hat -: Denk ich an den Haushalt in der Nacht, bin ich leider um den Schlaf gebracht. Danke. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege Bernhard Kaster für die Unionsfraktion das Wort. ({0})

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten nach neun Monaten des Bestehens der großen Koalition den ersten Bundeshaushalt, der die alleinige politische Handschrift für Sanieren und Investieren von Union und SPD trägt. Nirgendwo ist die Politik einer Bundesregierung und einer Parlamentsmehrheit besser ablesbar als im Bundeshaushalt, im Schicksalsbuch unserer Nation. Deshalb ist es auch berechtigt, die Frage zu stellen: Was unterscheidet diesen Haushalt von vielen seiner Vorgänger? Der Haushalt 2007 ist endlich wieder ein Bundeshaushalt, bei dem Finanz- und Wirtschaftspolitik ineinander greifen. ({0}) Der Spagat zwischen dringender Haushaltssanierung und Impulsgebung für Investitionen gelingt hier. Als ehemaliger Bürgermeister sage ich Ihnen auch, dass es mir in den vergangenen Jahren immer ein Graus war - es war mir wirklich ein Graus -, bereits kurz nach der Verabschiedung eines jeden Haushaltes hier in aller Regelmäßigkeit über die Korrektur der Steuerprognose und über die Korrektur der Konjunkturprognose - und zwar immer nach unten - zu debattieren und letztlich am Ende des Jahres den Haushalt in einer Größenordnung von 30 bis 40 Milliarden Euro glattzuziehen. Die große Koalition und der Finanzminister haben dieses unerfreuliche Ritual jetzt endlich beendet. ({1}) Wer hätte es denn vor nur einem Jahr für möglich gehalten, ({2}) dass nach nur neun Monaten einer neuen Bundesregierung - das ist heute richtigerweise schon mehrfach gesagt worden - die Steuerprognosen nach oben korrigiert werden können, das konjunkturelle Wachstum die Zweiprozentmarke deutlich überschreitet, wir in diesem Jahr bereits 430 000 Arbeitslose weniger haben als im Vergleichsmonat des Vorjahres und dass auch bei den Langzeitarbeitslosen wieder konkrete Hoffnung geschöpft werden kann? Gerade dass die Zahlen der Langzeitarbeitslosen im Juli und August jeweils 10 Prozent niedriger waren, ist doch ein Erfolg. ({3}) Das Gleiche gilt bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen: Hier sind es 129 000, die dazugekommen sind. Dabei geht es nicht allein um das Mehr, sondern darum, dass die Trendwende geschafft ist. Jahrelang sind zwischen 1,5 und 1,8 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse weggefallen. Dieser Trend ist gebrochen und die Zahlen steigen wieder an. ({4}) Erstmals seit 1988 müssen wir keinen Zuschuss zur Bundesagentur für Arbeit mehr leisten. Deswegen kann man sagen, dass es mit dem jetzt vorliegenden Haushalt gelingen wird, den Weg in den Schuldenstaat erheblich zu bremsen, also zu sanieren, und dennoch gleichzeitig wichtige Impulse durch mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur - ich erinnere hier an die Genshagener Beschlüsse - und in Forschung und Wissenschaft zu ermöglichen. Die Zahlen und Fakten zeigen eindeutig, dass wir hier den richtigen Weg eingeschlagen haben. ({5}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen aber, dass die Lage im Haushalt, die Lage unserer Finanzen nach wie vor dramatisch ernst ist. Das ist so. Kollege Bernhardt hat es schon mit Recht gesagt: Es ist jetzt nicht die Zeit, über irgendwelche Geschenke nachzudenken. Noch immer ist der Haushalt strukturell unterfinanziert. Deswegen müssen wir auch unpopuläre Entscheidungen treffen und an ihnen festhalten. Das Thema Mehrwertsteuererhöhung hat sich ja wie ein roter Faden die ganze Woche lang durch die Beratungen gezogen. Man sollte dieses Thema einmal mit realistischem Blick betrachten. Was die Auswirkungen angeht, so werden teilweise wirklich Märchen erzählt. Ich will nicht, dass wir das schönreden; aber ich empfehle doch sehr, sich einmal die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes über die Auswirkungen der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte anzuschauen, die im August erschienen sind: Vorausgesetzt, die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes wird in vollem Umfang auf die Preise umgelegt und das Konsumverhalten bleibt gleich, werden die gesamten Konsumausgaben - abhängig von den Personengruppen, zum Beispiel allein lebend oder mit Kindern, und den Altersgruppen - in einer Größenordnung von 0,9 bis 1,4 Prozent belastet. Die 1,4 Prozent beziehen sich auf die Haushalte, denen ein größeres Einkommen zur Verfügung steht und bei denen sich von daher der Konsum anders auswirkt; der ermäßigte Mehrwertsteuersatz wird ja schließlich nicht erhöht. Man kann nur natürlich sagen, diese Werte sind immer noch zu hoch; aber wir sollten schon bei der Realität bleiben. ({6}) Die Staatsverschuldung hat in den letzten Jahren ein Ausmaß erreicht, das dem Bürger kaum noch erklärbar ist. Dass allein 40 Milliarden Euro nur für Zinsleistungen aufgebracht werden müssen - bei einem nach wie vor niedrigen Zinsniveau -, zeigt das ganze Ausmaß dieser Dramatik. Mit der Aufnahme von 30 bis 40 Milliarden Euro neuer Schulden jedes Jahr konnte es so nicht weitergehen. Deswegen ist es notwendig, dieses strukturelle Defizit, also die Riesenkluft zwischen den Ausgaben und den tatsächlichen Einnahmen, zu verringern und hier mittelfristig einen Haushaltsausgleich anzustreben. Uns ist es gelungen - das ist ein Riesenerfolg; das muss man einmal sagen -, die Zunahme der Neuverschuldung erheblich zurückzuführen, sodass wir endlich wieder die Maastrichtkriterien erfüllen. Wir sind es vor allen Dingen der jungen Generation schuldig, bei der Staatsverschuldung anzusetzen. ({7}) Angesichts der Staatsverschuldung und heute schon feststehender Zukunftslasten - dazu gehört nicht nur die genannte Staatsverschuldung von 950 Milliarden Euro, sondern dazu gehören auch künftige Pensionslasten, künftige Ansprüche aus der Sozialversicherung und abschreibungsbedingte Ersatzinvestitionen, die schon heute feststehen - wird deutlich, dass wir auf der Bundesebene unsere Arbeitsweise ändern müssen. Wir brauchen ein neues, modernisiertes und betriebswirtschaftlich ausgerichtetes Haushaltsrecht. Die Belastungen der Zukunft lassen sich in einer kameralistischen Vermögensbilanz dauerhaft nicht mehr realistisch darstellen. Wir brauchen dringend betriebswirtschaftliche Elemente im Haushaltsrecht, sowohl bei der Haushaltsaufstellung als auch beim Haushaltsvollzug. Ich bin dankbar, dass der Bundesfinanzminister schon die Zusage gegeben hat, im Ministerium eine entsprechende Projektgruppe einzurichten. ({8}) Ich erinnere daran, dass es Theo Waigel war, der im Jahre 1998 den Impuls dazu gab, eine Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen, ({9}) Produkthaushalte zu bilden und entsprechende Pilotprojekte auf den Weg zu bringen. ({10}) Wir müssen aber heute feststellen, dass nicht nur die Kommunen, sondern auch die Länder dem Bund weit voraus sind. Beispielsweise Hessen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg ({11}) sind uns bei der Modernisierung eines betriebswirtschaftlich ausgerichteten Haushaltswesens inzwischen voraus. Das gilt im Übrigen auch für europäische Nachbarstaaten, die Europäische Union, die Europäische Kommission und auch internationale Einrichtungen. Als große Koalition müssen und werden wir daher den Mut aufbringen, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen. ({12}) Als Parlamentarier und Haushälter sollten wir für die Zukunft Wert darauf legen, betriebswirtschaftlich richtig zu bilanzieren, bei den Haushaltsberatungen den Blick für die gesamte Vermögensbilanz, die Notwendigkeit von Abschreibungen und die Darstellung aller zukünftigen Lasten bereits bei der Etatberatung realistisch im Blick zu haben. Wir müssen künftig Finanz- und auch Ressortverantwortung stärker miteinander verbinden. Wir brauchen mehr Kostentransparenz und Ressortverantwortung. Deswegen wird und muss eine Reformierung des Haushaltsrechts zu einer Stärkung auch des Parlamentes führen. Wir müssen Abschied davon nehmen, schwerpunktmäßig nur den Einnahme- und Ausgabenfluss - sprich: den Cashflow - zu betrachten. Vielmehr müssen wir den gesamten Ressourcenverbrauch sehen. (Beifall des Abg. Jürgen Koppelin ({13}) Am Ende muss eine Staatsbilanz stehen, die diesen Namen verdient, eine Vermögensrechnung im Sinne einer Gegenüberstellung des gesamten Bundesvermögens und aller Bundesschulden einschließlich aller künftigen staatlichen Verpflichtungen. Wir jedenfalls, die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, sind dazu bereit und fest entschlossen, die Herausforderungen der Staatsverschuldung und auch die Herausforderung der Modernisierung der staatlichen Haushaltswirtschaft in der großen Koalition anzunehmen und anzugehen. Nun beginnen die eigentlichen Haushaltsberatungen. Dabei muss es das oberste Ziel sein - da können wir uns an den Haushaltsberatungen 2006 ein gutes Beispiel nehmen -, die Neuverschuldung im Rahmen der Beratungen möglichst noch weiter zu senken. Vielen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Haushaltsgesetzes 2007 und des Finanzplans des Bundes 2006 bis 2010 auf den Drucksachen 16/2300 und 16/2301 an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen. ({0}) Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. ({1}) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 20. September 2006, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.