Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Die Sitzung ist eröffnet.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesord-
nungspunkt 1 - fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2007
({0})
- Drucksache 16/2300 -
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010
- Drucksache 16/2301 Ich erinnere daran, dass wir am vergangenen Dienstag
für die heutige Aussprache insgesamt vier Stunden vorgesehen und beschlossen haben.
Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie, Einzelplan 09. Ich erteile
das Wort dem Bundesminister Michael Glos.
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Es ist unbestritten: Der wirtschaftliche
Aufschwung ist da. Er ist so robust wie lange nicht
mehr.
({0})
Wir haben wieder gute Wachstumsraten.
({1})
Wir sind wieder in die Mitte Europas gerückt, was das
Wachstum anbelangt. Deutschland ist der Wachstumsmotor Europas. Nachdem der Motor in Deutschland, als
er noch mit rot-grünem Sprit betrieben wurde, so lange
gestottert hat,
({2})
ist es höchste Zeit, dass Deutschland und Europa wieder
nach vorne kommen.
({3})
Der Investitionsstau löst sich auf. Die zehnjährige
Krise in der Bauwirtschaft ist vorbei. Unsere Wirtschaft
steht wieder auf zwei Beinen: dem außenwirtschaftlichen und dem binnenwirtschaftlichen Bein. Die Verbraucher fassen wieder Vertrauen. Auf dem Arbeitsmarkt ist die Trendwende geschafft. Es gibt hier
sicherlich noch ungeheuer viel zu tun; dazu komme ich
noch. Aber der Trend der zunehmenden Arbeitslosigkeit
ist gebrochen. Wir haben fast eine halbe Million Arbeitslose weniger als vor Jahresfrist. Vieles spricht dafür,
dass die vorsichtige Wachstumsprognose der Bundesregierung von rund anderthalb Prozent deutlich übertroffen wird. Das Prognosespektrum reicht übrigens bis zu
2,4 Prozent. Ich mache mir das als vorsichtiger Kaufmann selbstverständlich noch nicht zu Eigen.
({4})
Wir werden sehen, was hinten herauskommt. Ich bin
aber überzeugt, dass es besser wird.
({5})
Die Politik der Bundesregierung - die Bundesregierung wird getragen von einer großen Koalition ({6})
hat wesentlich zu dieser positiven Entwicklung beigetragen. Mit der guten Entwicklung in diesem Jahr schaffen
wir eine feste Basis dafür, dass der Aufschwung auch im
nächsten Jahr weitergeht. Alle Unkenrufe, das alles
Redetext
werde im nächsten Jahr wegen unserer Konsolidierungsmaßnahmen zusammenbrechen, werden sich nicht
bewahrheiten. Deutschlands Unternehmungen wollen in
den kommenden zwölf Monaten ihre Investitionen noch
einmal deutlich erhöhen - das ist eine sehr gute Nachricht - und ihre Belegschaften ausbauen. In diesem Zusammenhang appelliere ich, dass man dabei auch an die
Älteren und Erfahrenen denkt und sie wieder in die Betriebe zurückholt.
({7})
Nun stellt sich wieder die Frage, wann der richtige
Zeitpunkt zum Konsolidieren ist. Ich bin der Meinung,
dass Aufschwungphasen zur Konsolidierung genutzt
werden müssen. Es macht keinen Sinn, jetzt darüber
nachzudenken, ob die Steuereinnahmen, die höher als
prognostiziert sind, in Sonderprogramme gesteckt werden sollen. Die Konsolidierung erfolgt am besten, indem
man künftige Belastungen vermeidet und die Mehreinnahmen zum zusätzlichen Schuldenabbau verwendet.
({8})
- Ich freue mich, dass ich so viel Zustimmung von unseren engagierten Haushältern bekomme.
Das gibt mir Gelegenheit, Sie zu bitten, zusammen
mit dem Finanzminister intensiv über die staatlichen
Verschuldungsgrenzen nachzudenken. Ich möchte
nicht, dass wir mehr Schulden machen. Ich sage Ihnen
gleich, was ich meine: Das Nebeneinander von
Maastrichtkriterien, die für uns bindend sind - wir sollten uns sehr eng daran halten -, und den Vorgaben des
Art. 115 des Grundgesetzes ist weder ökonomisch noch
finanzpolitisch sinnvoll.
Sinnvoll wäre eine nationale Regelung, die zu der
europäischen Vorgabe passgenau hinzugefügt wird. Sie
darf nicht weicher, sondern sie muss eigentlich härter
sein als die bisherige grundgesetzliche Schranke, die,
wie wir ja wissen, trotz entsprechender Vorgaben über
viele Jahre nicht eingehalten worden ist.
({9})
- Das, was wir wollen - ich erläutere es Ihnen gern noch
einmal kurz -, muss natürlich mit dem europäischen Regime verzahnt sein. Das Ziel, die Verschuldung auf null
zurückzuführen, muss darin deutlich definiert sein. Das
ist ehrgeizig, aber, wie andere Länder zeigen, nicht unmöglich.
({10})
Diese neue Regelung darf auch keinen Anlass mehr zu
haushalterischen Notoperationen geben - da bin ich wieder bei den Haushältern -, wie sie diese Regierung vornehmen muss. Wir haben uns vorgenommen, das, was
im Gesetz steht, einzuhalten. Echte Konsolidierung
braucht harte Ausgabenkürzungen, gegebenenfalls Einnahmeverbesserungen. Das ist unser Weg.
Wirtschaftlich macht es keinen Sinn, wenn Forderungsverkäufe - „Manipulationen“ mit dem ERP-Sondervermögen - zugunsten einer staatlichen Förderbank,
die damit immer mächtiger wird, allein wegen Art. 115
des Grundgesetzes vorgenommen werden.
({11})
Ich könnte Ihnen noch ein paar andere Beispiele bringen,
die belegen, dass diese Forderungsverkäufe keine echten
Konsolidierungsmaßnahmen sind, sondern lediglich erzwungene Umbuchungen. Ich glaube, dass eine große
Koalition eine Basis bieten würde, um das besser zu regeln.
({12})
Gleichzeitig müssen wir die Föderalismusdebatte zu
einer Föderalismusreform II führen, in der klargestellt
wird, dass die Verantwortlichkeiten für die Ausgaben
den Ländern und Kommunen klar angelastet werden, indem man die Einnahmen selbst festsetzt - was nicht immer zur Freude des Publikums ist.
({13})
Das ist etwas, was unbedingt notwendig ist.
Die Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit, die
es Gott sei Dank wieder gibt, gehören meiner Meinung
nach den Beitragszahlern.
({14})
Deswegen plädiere ich für eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 4 Prozent.
({15})
Um die Wachstumsdynamik zu stärken, müssen wir
auch die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessern. Darüber wurde viel diskutiert und das ist natürlich
auch notwendig. Aber eines muss ganz sicher sein: Die
Wettbewerbsfähigkeit unseres Steuersystems für den
Unternehmensstandort Deutschland - damit meine ich
auch die Unternehmenszentralen - muss deutlich verbessert werden. Wir stehen hier in einem gewaltigen Wettbewerb mit europäischen und auch anderen Partnern in
der Welt.
({16})
Wenn die Welt immer globaler, immer kleiner wird,
dann können wir das beklagen. Aber wir müssen unsere
Bedingungen so setzen, dass sie Deutschland nutzen und
dass man die Sonderregelungen nicht zulasten unseres
Steuersubstrates ausnutzen kann.
({17})
Deswegen ist es meiner Ansicht nach unabdingbar, dass
unser Steuersatz für Körperschaften - das muss natürlich
einen entsprechenden Niederschlag bei den Personengesellschaften finden - international wettbewerbsfähig ist.
Da müssen wir hinkommen.
Gerade erst - ich komme zu einem weiteren Punkt hat eine Studie der Weltbank die Wirtschaftsfreundlichkeit staatlicher Regulierungssysteme festgestellt.
({18})
In vielen Punkten sind wir gut dabei, aber bei einem entscheidenden Punkt liegen wir auf Platz 129 unter
175 Ländern. Sicherlich sind unter den 175 erfassten
Staaten auch ein paar Exoten wie San Marino. Aber
diesmal ging es nicht um Fußball, sondern um die Flexibilität der Arbeitsmärkte. In diesem Bereich müssen wir
mehr tun. Wir brauchen einen funktionierenden so genannten Niedriglohnbereich.
({19})
Das zeigt auch die Expertise des Sachverständigenrates, die heute dem Kollegen Müntefering und mir vorliegt. Wir haben die bei den Fünf Weisen, den Sachverständigen bestellt.
({20})
- Das Gutachten hat der Wirtschaftsminister bestellt.
Aber, lieber Herr Kollege Stiegler, dies geschah in Absprache - es gibt schließlich Ressortabstimmungen ({21})
mit dem Arbeitsminister.
({22})
- Okay, aber auch das ist wieder so ein kleines Berliner
Wunder: Diese Studie wird erst heute vorgelegt, aber der
Bundestag debattiert darüber schon die ganze Woche.
Das zeigt, dass wir unserer Zeit voraus sind. Offensichtlich ist auf wundersame Weise schon vorher herausgekommen, was in diesem Gutachten steht. Ich will nur darum bitten, dieses Gutachten möglichst vorurteilsfrei zu
diskutieren und nicht von vornherein einzelne Punkte,
die vielleicht der einen oder anderen Seite nicht gefallen,
zum Tabu zu erklären.
Der Sachverständigenrat empfiehlt, die Leistungen
der Grundsicherung enger mit der Arbeitsbereitschaft
zu verknüpfen; das halte ich für richtig. Dieser Ansatz ist
in vielen Ländern selbstverständlich. Natürlich muss die
Zahl der angebotenen Arbeitsplätze steigen. Soweit
keine Bereitschaft, zu arbeiten, besteht - das ist entscheidend -, ist die Absenkung der Hilfen bei Nichterwerbstätigkeit der richtige Weg.
({23})
- Ich vermisse etwas den Beifall unseres Koalitionspartners.
({24})
Ich bin davon überzeugt, dass ich den Beifall auch
von dieser Seite des Hauses rasch bekomme, wenn ich
ein paar Sätze des Parteivorsitzenden Beck aus einem Interview im „Stern“ vorlese. Auf die Frage nach einer
Leistungspflicht für Hartz-IV-Empfänger hat er geantwortet:
Ich halte das generell für zumutbar. Ich war mal
Bürgermeister einer Gemeinde mit 2 000 Einwohnern. Da wusste ich, wer Stütze bekam … Aber
diejenigen, von denen ich den Eindruck hatte, sie
könnten, wenn sie wollten, habe ich Geländer streichen oder Treppen kehren lassen.
Ich finde, man darf einen Parteivorsitzenden nicht im
Regen stehen lassen. Ich als CSU-Mann habe damit Erfahrung.
({25})
- Lieber Herr Westerwelle, auch Sie mögen das nicht.
({26})
Ich will nicht, dass der Parteivorsitzende der SPD im
Regen stehen bleibt. Er hat gesagt, seine Partei wolle
sich stärker um die Leistungsträger kümmern, und er hat
das auch definiert: Leistungsträger gibt es auf allen Stufen. Ich denke bei „Leistungsträger“ jedenfalls am allerwenigsten an diejenigen, die sich jedes Jahr über Stock
Options die Millionen zuschieben lassen, wenn gewisse
Kennzahlen des Unternehmens eine Grenze überschritten haben. Ich denke vielmehr an diejenigen, die in der
Lage sind, körperliche Arbeit zu leisten und somit im
klassischen Niedriglohnsektor ihr Geld verdienen können. Hier können sie arbeiten, auch wenn sie dafür weniger Geld bekommen.
({27})
Ich komme wieder auf das Thema zurück. Alle, die
zwar zur Arbeit bereit sind, aber dem Arbeitsmarkt aus
gesundheitlichen und persönlichen Gründen nicht zur
Verfügung stehen, erhalten nach den Vorschlägen des
Sachverständigenrates weiterhin den vollen Regelsatz.
Das wollen auch wir. Die Fünf Weisen sagen sehr deutlich: Die verbesserte Vermittlung und Aktivierung von
Arbeitslosen muss Vorrang vor Einzelmaßnahmen haben. Der Bericht enthält auch eine klare Absage an die
Einführung von Mindestlöhnen. Die nähere Begründung
können Sie gerne nachlesen. Ich unterstreiche all das,
was in diesem Bericht darüber steht.
({28})
Ich muss noch ein bisschen Redezeit für meine Kollegen im Parlament übriglassen.
({29})
- Ich weiß, Herr Kollege Meyer.
Die Stromkonzerne müssen endlich ihren Ankündigungen Taten folgen lassen, indem sie in neue Kraftwerke investieren. Neue Anbieter auf dem Stromerzeugungsmarkt müssen einen fairen und raschen Zugang zu
den Netzen erhalten. Herr Kuhn, das gilt nicht nur für die
Betreiber von Windrädern, bei denen das sofort klappt.
Aber wenn ein Stadtwerk für die eigene Energieerzeugung in ein neues Werk investiert, dann tun sich andere
mit konventionellen Energien sehr schwer, Zugang zu
den Netzen zu erhalten. Auch hier müssen wir eine entsprechende Verordnung umsetzen. Mir ist es nicht recht,
wenn wir immer mehr regulierende Maßnahmen brauchen. Aber wenn Monopole oder Oligopole ihre Marktmacht ausnutzen, dann muss der Staat entsprechend gegensteuern.
({30})
Das ist ein Teil der Marktwirtschaft. Ich habe mich
vor der Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises, die gestern Abend stattgefunden hat, intensiv mit den Theorien
von Ludwig Erhard auseinander gesetzt. Ein funktionierender Wettbewerb und eine Kartellgesetzgebung sind
ungeheuer wichtig für den Wettbewerb.
({31})
Es gibt viele Dinge, über die wir lange diskutieren
könnten. Ich nenne als Stichwort die Bundesnetzagentur.
Wir werden das an anderer Stelle tun. Die Bundesnetzagentur hat meine volle Rückendeckung, wenn sie
durchgreift, um die Kosten zu senken. Alles, was den
Strompreis zusätzlich belastet, gehört auf den Prüfstand.
Wir werden während der Haushaltsberatungen Gelegenheit haben, die Dinge zu prüfen und zu regeln. Ich freue
mich auf eine faire Beratung durch den Haushaltsausschuss und das Parlament und bedanke mich schon jetzt
dafür.
Danke schön.
({32})
Für die FDP hat Rainer Brüderle das Wort.
({0})
- Guten Morgen, Herr Kauder, schön, dass Sie wach
sind. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das
demonstrativ gute Einvernehmen der Koalition ist zu erkennen. Die Kanzlerin ist da, das Arbeitsministerium ist
demonstrativ abwesend.
Herr Minister Glos, Sie haben heute hier in Ihrer Rede
und auch in jüngsten Presseberichten bemerkenswerte
Ausführungen gemacht. Sie werden in der Regierung sozusagen vom Gejagten zum Jäger, zurzeit zwar nur mit
der Schrotflinte, aber die Richtung stimmt. Immerhin.
({0})
Ich verweise auf Ihre Ausführungen zur echten Konsolidierung des Haushalts und Ihre erfreulich deutlichen
Worte zur Bahnprivatisierung. Wer mehr Wettbewerb
will, muss das Schienennetz vom Fahrbetrieb trennen.
({1})
Sie haben auch deutlich gemacht, dass Steuern auf Zinskosten und staatliche Mindestlöhne ökonomischer Unsinn sind.
({2})
Auch Ihre heutigen Ausführungen zur Energiepolitik
verdeutlichen: Kein Freigehege für Herrn Gabriel! Der
Monopolisierung in unserer Energiewirtschaft ist energisch entgegenzutreten; denn diese ist ein ungutes Erbe
von Rot-Grün, die die Fusion von Eon mit Ruhrgas - der
Marktanteil beträgt fast 90 Prozent - zugelassen haben
und sich anschließend über die hohen Gaspreise beschweren. In dieser Beziehung haben Sie völlig Recht.
Da haben Sie die FDP an Ihrer Seite. Gehen Sie hart vor!
Die Situation erfordert es.
({3})
Ihre Forderungen sind allerdings bisher nur Etappenschritte der wirtschaftlichen Vernunft. Entscheidend ist
der Zieleinlauf, das Endergebnis. Daran werden wir Sie
als Minister messen. Das Ökonomische hat in diesem
Kabinett bisher noch keinen hohen Stellenwert. Sorgen
Sie als ordnungspolitisches Gewissen der Regierung dafür, dass die Wirtschaft mehr Freiraum zum Atmen hat.
Dann bekommen wir mehr Wachstum, weniger Arbeitslosigkeit, weniger Haushaltsrisiken und können uns über
etwas freuen, was eigentlich selbstverständlich ist, nämlich dass die Regierung ihren Haushalt endlich so gestaltet, dass die Vorgaben der Verfassung und der europäischen Verträge eingehalten werden.
({4})
- Es ist doch selbstverständlich, dass Sie die Gesetze
einhalten müssen. Sich zu loben, weil man die Gesetze
einhält, Herr Kauder, ist ein bisschen schlicht. Manchmal sind Sie anspruchsvoller.
({5})
Die Wirtschaft befindet sich in der Tat in einem Aufschwung. Das ist erfreulich und das unterstreichen wir.
Die Ursachen sind vielfältig: Export, moderate Lohnabschlüsse, moderate Zinsen, Weltmeisterschaftseffekt.
Der Aufschwung ist am wenigsten der Erfolg dieser
Bundesregierung, die gerade einmal neun Monate im
Amt ist,
({6})
sondern entscheidend der Erfolg der Unternehmen und
ihrer Mitarbeiter, die ihre Unternehmen gut aufgestellt
und hart angepackt haben.
({7})
Ausruhen kann sich die Regierung trotz des derzeitigen Aufschwungs nicht. Dieser Aufschwung ist kein
Selbstläufer. Was die heutige Wirtschaftslage angeht, erinnert vieles - Herr Hinsken, das wissen auch Sie - an
den Sommer 2000. Die Konjunktur war damals endlich
in Schwung gekommen. Die Erwartungen für 2001 waren sehr optimistisch. Doch im zweiten Halbjahr 2000
stagnierte das reale Bruttoinlandsprodukt. Am Ende lag
das Wachstum deutlich unter den Prognosen und es
folgte eine jahrelange Wachstumsschwäche. Die heutigen Konjunkturindikatoren weisen gewisse Parallelen zu
dem Jahr 2000 auf. Für das kommende Jahr müssen wir
mit einer Abschwächung der Weltwirtschaft rechnen.
Die Notenbanken werden die Geldpolitik aller Voraussicht nach - die Signale sind relativ eindeutig - weiter
straffen. Es ist also alles wie 2000.
Es gibt allerdings einen gewichtigen Unterschied. Unternehmen und Haushalte wurden 2001 durch die Steuerreform entlastet. 2007 schlägt dagegen die Mehrwertsteuerkeule voll zu. Das ist der Unterschied.
({8})
Es kann nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, zu
hoffen, dass sich die damalige Krisenentwicklung nicht
wiederholt. Die aktuelle Wirtschaftsbelebung ist noch zu
schwach, um die Massenarbeitslosigkeit in den Griff zu
bekommen. Deshalb müssen die Bedingungen weiter
verbessert werden; dafür ist insbesondere der Wirtschaftsminister verantwortlich. Wer die Gewinnaussichten der Unternehmen aber beschneidet, der schmälert die
Chance auf mehr Beschäftigung. Wer das Land nicht von
Bürokratie befreit, lähmt die Wirtschaft. Deshalb muss
das Steuersystem endlich einfacher und handhabbarer
gemacht werden. Stattdessen diskutiert die Bundesregierung über neue Steuertatbestände bei der Unternehmensteuer. Substanzbesteuerung war schon bei der Gewerbesteuer falsch. Das, was Sie jetzt erwägen, nämlich
Schuldzinsen und andere Kosten zu besteuern, ist eine
Substanzbesteuerung, die erst recht falsch ist.
Die Mehrwertsteuererhöhung trifft den Konsum, die
Unternehmen und den Mittelstand. Das Einzige, was dadurch belebt wird, ist die Schwarzarbeit.
({9})
Mit ihrer Sucht nach mehr Steuereinnahmen laufen
weite Teile der Koalition Gefahr, dem eigentlichen Motor der deutschen Volkswirtschaft, dem Mittelstand, das
Rückgrat zu brechen. Ein dauerhafter Aufschwung ist
ohne einen starken Mittelstand nicht denkbar.
({10})
Neue Arbeitsplätze entstehen am ehesten in einem starken Mittelstand. Neue Arbeitsplätze werden nicht in den
großen Konzernen entstehen. Deshalb muss die Politik
dem Mittelstand eine Chance geben.
({11})
Echtes Sparen wäre, wenn Sie Subventionen abbauten, statt die Steuern zu erhöhen. Sparen Sie, wenn Sie
die Steinkohlesubventionen erhöhen? Nein, Sie müssen
aufhören, herumzufummeln und zu verunsichern. Die
Marktwirtschaft kann ihre volle Wirkung so nicht entfalten. Zu guter Letzt diffamieren Sie die Wirkungsmechanismen der Marktwirtschaft noch als Lebenslügen.
Der Weg muss sein, dafür zu sorgen, dass sich insbesondere am Arbeitsmarkt etwas tut. Der Minister hat zu
Recht auf das hingewiesen, was uns die Weltbank ins
Stammbuch geschrieben hat: Deutschland belegt den
129. Platz von 175 Plätzen. Dies ist für eine der führenden Industrienationen der Welt auch dann blamabel,
wenn sich unter den Ländern, die vor uns liegen, einige
Exoten befinden.
({12})
Da muss sich etwas ändern. Da geschieht bisher gar
nichts.
Lassen Sie endlich betriebliche Bündnisse für Arbeit
zu! Gehen Sie endlich daran, die Mitbestimmung zu modernisieren: Die paritätische Mitbestimmung hat sich
überlebt; sie ist etwas von vorgestern. Sie ist ein Ausdruck der Starre, in der wir uns befinden. Wir brauchen
einen modernen, flexiblen Kündigungsschutz, damit
man hier den kleinen Betrieben die Angst vor Neueinstellungen nimmt, damit sie nicht immer wieder Überstunden fahren, damit sie keine „Subsubunternehmen“
beschäftigen oder andere Wege gehen. Was Sie bis jetzt
getan haben, wird jedenfalls nicht dazu führen, dass wir
endlich mehr Arbeitsplätze bekommen.
({13})
Aber was machen Sie? Die Erbschaftsteuerreform
wird aufgeschoben. Die Einführung einer einheitlichen
Besteuerung aller Kapitalerträge, also eine Abgeltungsteuer, wird aufgeschoben. Der Start der Gesundheitsreform wird ebenfalls verschoben, und zwar auf den
1. April. Wahrscheinlich ist das ein Symbol: Sie soll damit amtlicherseits zum Aprilscherz erklärt werden.
({14})
- Herr Röttgen, Sie schwanken noch zwischen BDI und
Bundestag. - Das ist jedenfalls keine konsistente, logische und zielführende Politik. Sie müssen endlich den
Mut haben, die grundlegenden Reformen anzupacken.
Wenn Sie das nicht tun, geben Sie der Wirtschaft nicht
die Luft, die sie braucht. Sie kann mehr. Wir sind unter
dem Wert, den wir erreichen können.
({15})
Aber den erreichen wir nur, wenn Sie Steuern senken,
wirklich Bürokratie abbauen und nicht nur davon reden,
die Reformen überzeugend und konsistent machen und
nicht so wie bei der Gesundheitsreform, wo es mit mehr
Bürokratie und mehr Fesseln in die falsche Richtung
geht.
Der Wirtschaftsminister hat viel Mutiges und Kluges
gesagt. Kompliment! Er muss es nur machen. Wir sind
an seiner Seite.
({16})
Wenn Sie das machen, was Sie sagen, haben Sie die
Liberalen an Ihrer Seite, Herr Glos!
({17})
Herr Kollege, Sie könnten jetzt Ihre - abgelaufene Redezeit durch die Zulassung einer Zwischenfrage des
Kollegen Hinsken noch erweitern.
Sehr gern.
Bitte schön.
Herr Kollege Brüderle, Sie haben eine wesentliche
positive Entwicklung völlig außen vor gelassen. Ich
weiß nicht, ob Sie das bewusst oder unbewusst gemacht
haben. Wir alle können uns doch darüber freuen, dass
die Staatsquote momentan im Sinken begriffen ist und
dass wir zum Ende dieser Legislaturperiode auf eine
Staatsquote von 43,5 Prozent kommen werden - wie zu
Zeiten von Finanzminister Gerhard Stoltenberg vor der
Wiedervereinigung. Das ist doch etwas ganz Positives.
Sind Sie bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen, dies zu bejahen und sich, wie ich das tue, darüber zu freuen?
({0})
Sehr geschätzter lieber Herr Kollege Hinsken, ich beginne mit einem Geständnis. Ich habe heute nicht alles
gesagt, was ich weiß.
({0})
Die Zeit war zu kurz.
Ich hoffe, wir erreichen diesen Wert. Nach unserer
Auffassung sollten wir eine Staatsquote von unter
40 Prozent erreichen.
({1})
Die zu hohe Staatsquote ist eine der Ursachen dafür, dass
die deutsche Volkswirtschaft an Dynamik und Effizienz
verloren hat und dass der Wachstumspfad sowie die Produktivitätsentwicklung bei uns - das sagen die Bundesbank und alle Sachverständigengutachten - deutlich zu
niedrig sind. Der reale Wachstumspfad, den wir heute
nach der Einschätzung aller Fachleute erreichen können,
liegt bei 1 Prozent bis 1,2 Prozent. Das liegt eben daran,
dass der Staatsanteil zu hoch ist, dass wir zu viel über
den Staatssektor steuern, der bei weitem nicht die Effizienz des Marktes hat. Außer Kuba und Nordkorea
kenne ich kein Land der Welt, das noch glaubt, die
Steuerung über den Staat sei besser als die über den
Markt.
Ich freue mich darüber, dass Sie sich mit mir darüber
freuen, dass es gute Ansätze gibt. Jetzt müssen wir es
nur machen. Dann läuft es auch.
({2})
Für die SPD hat das Wort der Kollege Ludwig
Stiegler.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn
ich mir so den Herrn Brüderle anschaue, muss ich an
Max Frisch und „Mein Name sei Gantenbein“ denken.
Da sagt er: Nehmen wir mal an, die Lage wäre so und
so. - Jetzt nehmen wir mal an, der Herr Westerwelle
hätte mit seiner Lieblingspartnerin regieren können.
Dann würde der Herr Brüderle heute hier stehen und sagen: Der Aufschwung ist unser Aufschwung. Unsere
Politik hat das alles erreicht. - Er hätte alles für sich kassiert.
({0})
Herr Brüderle, gönnen Sie uns 10 Prozent dessen, was
Sie sich selbst gutgeschrieben hätten!
({1})
Es ist wirklich lustig, das Ganze zu sehen. Ich lese
immer wieder in einem Werk von Berger/Luckmann mit
dem Titel „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“. Danach wird die Wirklichkeit in Wahrheit in
unseren Vorstellungen gebildet. Wir waren depressiv,
weil wir aufgrund falscher Daten über die ökonomische
Entwicklung des Jahres meinten, wir seien schlecht.
({2})
Jetzt kommen die neuen Daten und es zeigt sich: Seit
etwa dem zweiten Quartal des Jahres - in manchen Aggregaten sogar früher - ist der Aufschwung da. Das
heißt, wir waren mit unseren Bewertungen im falschen
Datenkranz, haben uns bittere Vorwürfe gemacht und die
Menschen verunsichert. Wir müssen uns in Zukunft dessen bewusst sein, dass man sich anhand von vorläufigen
Daten nicht in Depressionen reden lassen sollte.
Herr Brüderle, die Entwicklung hat schon sehr frühzeitig eingesetzt. Bei diesem Aufschwung ist ein Stück
Schröder dabei, es ist aber auch ein Stück große Koalition dabei. Denn wir haben diesen Haushalt expansiv gefahren. Durch eine hohe Nettokreditaufnahme zur
Wachstumsförderung, die energetische Gebäudesanierung und die Handwerksförderung haben wir der WirtLudwig Stiegler
schaft Schwung gegeben. Deshalb ist es auch der Aufschwung der großen Koalition. Sie haben diese
Maßnahmen verurteilt. Sie können jetzt, wenn Sie wollen, zu uns an den Tisch kommen, wir geben Ihnen auch
etwas ab; aber der Koch sind Sie nicht.
({3})
Meine Damen und Herren, wir haben an dieser Wirtschaftsentwicklung einen großen eigenen Anteil. Wir
sollten darauf bauen und durchaus auch stolz darauf
sein, dass die große Koalition diesen Weg gewagt hat.
Einfach war es nicht. Hier sitzen einige Beteiligte, die
Probleme gesehen haben. Aber nicht nur ein Wachstum
ist zu verzeichnen; auch die Zahl der Insolvenzen geht
zurück. Der Arbeitsmarkt beginnt sich zu erholen und
die Menschen können wieder Optimismus haben. Allen,
die behaupten, das seien die Folgen der Fußballweltmeisterschaft, kann ich nur sagen: Diese wirkt sich frühestens im dritten Quartal auf die Exportzahlen aus. Wir
haben aber nach klassischem Verlauf eine Erhöhung der
Binnennachfrage. Wir haben mit der Steuer die Ausrüstungsinvestitionen gefördert; in diesem Bereich steigt
die Binnennachfrage. Auch der staatliche Teil der Binnennachfrage entwickelt sich positiv. Endlich ist der
Rückgang der Arbeitnehmereinkommen im ersten Quartal beendet worden. Wir haben hier ein neutrales Ergebnis erreicht.
Im Verlauf des Herbstes wird auch der Konsum nachziehen, sodass wir einen stetigen Aufschwung haben
werden. Ich denke, der Kessel der Konjunktur wird am
Ende des Jahres so heiß sein, dass er die drei Eisbälle der
Mehrwertsteuererhöhung vertragen wird. Herr Brüderle,
ich warne Sie vor allzu viel Pessimismus; ich weiß gar
nicht, wie Sie nächstes Jahr Ihren Irrtum erklären wollen.
({4})
Meine Damen und Herren, das ist der Ertrag der richtigen Politik. Wir werden sie fortsetzen.
({5})
- Das ist ein Mixtum compositum,
({6})
wenn wir schon bei der Gesundheitsreform sind. Herr
Schröder hat begonnen und Frau Merkel kann vollenden.
Es ist die Tragik von Gerhard Schröder, dass er das Ergebnis seiner Politik nicht selber ernten kann. Aber so ist
Politik nun einmal häufig. Die Daten, Herr Kauder, reichen jedenfalls zurück bis ins letzte Jahr.
Allen, die sich über die Steuereinnahmen freuen,
sage ich: Die Steuern von heute sind 2005 verdient worden und nicht jetzt. Wer hier also höhere Steuereinnahmen bejubelt, dem muss klar sein, dass sie unter RotGrün erwirtschaftet worden sind. Aber ich glaube, Herr
Kauder, Sie können gönnen und damit klarkommen.
({7})
- Ich finde, jeder darf sich die Welt so deuten, wie sie
ihn aufheitert.
({8})
Deshalb gönne ich Ihnen diese Deutung.
Meine Damen und Herren, wir werden diesen Weg
weitergehen und die Chancen des Aufschwungs durch
Ausrüstungsinvestitionen und Bauinvestitionen weiter
nutzen. Die Konsumausgaben werden im Laufe des Jahres steigen, weil die Arbeitnehmereinkommen sich zu
stabilisieren beginnen. Mit steigender Beschäftigung
wird auch die Massenkaufkraft steigen, sodass wir auch
wieder mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und am Ende ein höheres Wirtschaftswachstum haben werden.
Wir werden weiter damit zu kämpfen haben, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Hier, Herr Minister, sehe ich
die Expertise des Sachverständigenrates vollkommen
anders als Sie. Ich habe mir die Expertise, die mir der
Bischof von Hildesheim zugeschickt hat, angesehen.
Auf 150 Seiten plagen sich die Herrschaften mit ökonometrischen Modellen ab, die die Frage klären sollen, wie
man Arbeitslose motiviert, zu arbeiten. Ich frage mich:
In welcher Welt leben die Herren? Millionen Menschen
schreiben täglich Bewerbungen; manche Menschen
schreiben 100 Bewerbungen.
({9})
Und da überlegen sich die Herrschaften, wie man die
Menschen durch das Höherhängen des Brotkorbes zur
Arbeit motivieren kann! Das ist keine Expertise, das ist
eine Theorise. Auf die kann ich gut verzichten. Auf solche Sachverständige in einem Elfenbeinturm und jenseits der Politik können wir wahrlich verzichten.
({10})
Ich sage Ihnen: Wenn Sie dieses Gutachten lesen,
werden Sie staunen. Darin steht offen: Wir können
nichts darüber sagen, wie Arbeitsplätze entstehen. Wir
können in unseren schönen theoretischen Betrachtungen
nichts darüber sagen, wie investiert wird. - Dieses Gutachten ist eine Frechheit. Michel Glos, es tut mir eigentlich Leid, dass du einen solchen Krampf lesen musst.
({11})
Ich würde gern deine Empfindungen sehen, wenn du
dieses Gutachten liest. Wenn sie ein Lügendetektor aufzeichnen würde, wäre der Sachverständigenrat entlassen.
({12})
- Das ist sehr korrekt.
Lieber Kollege Kampeter, lieber neuer Verwandter,
ich habe mir wirklich Mühe gegeben, dieses Gutachten
von hinten und vorn zu lesen.
({13})
- Von hinten nach vorn und von vorn nach hinten. Das
Hin- und Herwandern des Blicks ist ein zentraler Punkt
der hermeneutischen Auslegungsmethode, wie wir als
Juristen gelernt haben. Deshalb gilt: von hinten nach
vorn und von vorn nach hinten. - Ich sage Ihnen: Studenten kann man zwar mit einem solchen Gutachten
quälen; das ist okay.
({14})
Die können sich daran üben. Aber Politiker sollte man
mit so etwas in Ruhe lassen, und dies vor allem deswegen, weil die Grundhypothese, die Arbeitslosen seien
nicht bereit, zu arbeiten, und müssten durch eine Reduzierung der Leistungen in der Arbeitsbereitschaft gefördert werden, jenseits jeder Wirklichkeit und eine Frechheit gegenüber den Menschen ist.
({15})
Für uns liegen Arbeit und menschliche Würde beieinander. Da haben wir durchaus gemeinsame Wurzeln
mit den Christsozialen und Christdemokraten, deren
Ethik nicht nur Turbokapitalismus vorsieht, sondern Arbeit und menschliche Würde zusammenbringt. Deshalb
dürfte uns dieser Punkt nicht auseinander bringen.
Ich sage Ihnen noch eines: Immer mehr bewegt mich
die Frage, ob unsere relativen Preise in Deutschland
noch stimmen. Als der neue Hauptbahnhof in Berlin eröffnet worden ist, haben sich manche Leute darüber aufgeregt, dass man für den Besuch der Toilette 60 Cent bezahlen muss.
({16})
- Nicht zu Recht. - Eine solche Arbeit, die durchaus mit
einer Schmutzzulage zu versehen ist und einen hohen
gesellschaftlichen Wert hat, hat auch ihren Preis. Man
kann nicht sagen: Weil jemand die Toilette putzt, ist er
unproduktiv und deshalb werfen wir ihm nur die Brocken hin. Wir sollten einmal sehen: Auch wer dort seinen gesellschaftlichen Beitrag leistet, ist jemand und
steht nicht neben der Gesellschaft. Deshalb sollten wir
die relativen Preise wieder ins Lot bringen.
({17})
- Vergelts Gott. Ich bin dankbar dafür, dass wir uns immer wieder partiell gegenseitig anerkennen können.
({18})
Ich muss sagen: Wenn Sie meinen, dass ich blindes
Huhn ab und zu auch einmal ein richtiges Korn finde,
dann ist das eine wirklich hohe Anerkennung eines Koalitionspartners. Wenn man bedenkt, wie wir beide uns
noch vor einem Jahr gegenseitig die Schädel eingeschlagen haben, dann erkennt man jetzt, dass uns zurzeit fast
eine tiefe Liebe verbindet.
({19})
Meine Damen und Herren, in der Arbeitsgruppe zur
Einführung eines Niedriglohns werden wir uns sicher
hart miteinander auseinander setzen müssen. Aber mit
der Linie „So viel Tarif wie möglich und so viel Staat
wie notwendig“ könnten wir das Thema Niedriglohn
meiner Ansicht nach angehen.
Ich bin anderer Meinung als Herr Brüderle, wenn es
um die Mitbestimmung geht. Die Mitbestimmung ist
ein Bestandteil der Verfassung des sozialen Rechtsstaates in Deutschland. Ich habe schon einigen Heuschrecken - auch den lieben und sanften - erklärt, dass derjenige, der in Deutschland Eigentum erwirbt, soziale
Verpflichtungen erwirbt und dass derjenige, der unternehmerisches Eigentum erwirbt, die Beteiligung der Arbeitnehmer am Haben und Sagen erwirbt. Das gehört zu
unserer politischen Kultur. Wer daran etwas ändert, der
befördert den sozialen Frieden nicht.
({20})
Wir werden gemeinsam an dem Thema Private
Equity arbeiten. Wir wollen, dass Forschung und Entwicklung zu Produkten führen - die Kanzlerin hat gesagt: was in den Köpfen ist, muss in die Produkte - und
dass die damit verbundenen Risiken abgedeckt werden.
Angesichts der heutigen Entwicklung von Private Equity
stellt sich aber die Frage, ob wir auf dem richtigen Weg
sind. Was zurzeit unter „Recap“ gehandelt wird - Unternehmen haben vor dem Einstieg von Private Equity
hohes Eigenkapital und danach hohes Fremdkapital -,
nenne ich ausrauben von Unternehmen und nicht Rekapitalisierung. Wir müssen prüfen, welche rechtlichen
Regelungen und Schutzvorkehrungen wir treffen müssen. Denn nach dem Ausrauben der Unternehmen steigt
der Druck auf den Vorstand, ins Ausland zu gehen, beispielsweise nach Asien, weil dort der Zinsdienst besser
bedient werden kann.
({21})
Es ist doch verrückt, wenn wir hier hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklungen haben, aber am
Ende zum Vorteil für die amerikanischen Pensionsfonds
irgendwo auf der Welt produziert wird. Wir müssen
schauen, dass in unseren Regionen Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Beteiligungsgesellschaften gegründet werden, um Arbeitsplätze hier dauerhaft zu sichern und um unsere Position in der Weltwirtschaft zu
behaupten.
({22})
Wir haben miteinander auch auf dem Feld der Energie einiges zu tun. Die Anreizregulierung kommt jetzt.
Ich denke, dass sie durchaus erfolgreich sein wird. Ich
sage aber auch, die Regulierung darf nicht so weit gehen,
dass dadurch Investitionen behindert werden. Im BeLudwig Stiegler
reich der Telekom beispielsweise sind wir an einer
Schwelle. Da stellt sich durchaus die Frage, ob wir hier
nicht eine Überregulierung haben. Das werden wir uns
ganz genau anschauen müssen.
Vor uns liegt auch die Kohlepolitik der Zukunft. Herr
Brüderle, wer immer gegen die Steinkohle polemisiert,
liegt weder energiepolitisch richtig noch kann er den
Menschen, beispielsweise den Menschen im Ruhrgebiet,
eine richtige Antwort geben. Ich denke, die Bundesregierung wird zusammen mit der NRW-Landesregierung sehr intensiv darum ringen, dass wir sowohl den
Menschen als auch der Energiesicherheit in der Zukunft
gerecht werden. Deshalb ist es billig, gegen diese Förderung, die Sie selber mit beschlossen haben, zu polemisieren.
({23})
Wir werden bei der Energiepolitik nicht nur auf Regulierung und andere Maßnahmen setzen - eine Wiederauferstehung der Atomkraft wird es nicht geben -, sondern auch auf Energieeffizienz. Die Hälfte des
Energieverbrauchs kann durch einen intelligenteren Einsatz von Technik eingespart werden. Das ist auch gut für
die Wirtschaft.
Die Wirtschaftspolitik der großen Koalition läuft ordentlich. Wir können Erfolge sehen. Wir sind nicht immer einverstanden mit dem, was der Minister sagt, und
der Minister ist nicht immer einverstanden mit dem, was
wir sagen. Aber wir raufen uns zusammen und haben
immer gemeinsame Wege gefunden. Die neue Verwandtschaft bewährt sich.
Glückauf!
({24})
Für die Linke hat der Berliner Senator für Wirtschaft,
Frauen und Arbeit, Harald Wolf, das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Minister Glos, Ihre Bemerkung, dass der Aufschwung
da ist - Sie verleihen ihm sogar noch das Prädikat „robust“ -, halte ich für eine glatte Übertreibung, für einen
Euphemismus.
({0})
Es ist richtig: Die Prognosen für das Wachstum sind
besser als noch vor einem Jahr. Es gibt Belebungstendenzen in der Wirtschaft. Eine leichte konjunkturelle Belebung ist unbestreitbar. Aber von einem robusten Aufschwung, von einem Aufschwung, der nachhaltig ist und
der vor allem eine durchgreifende Wirkung auf den Arbeitsmarkt hat, kann man wirklich noch nicht sprechen.
Herr Minister, aus wirtschaftspolitischer Sicht muss
man sich jetzt doch die Frage stellen, wie man aus diesen
zaghaften Belebungstendenzen einen nachhaltigen Aufschwung machen kann, der auch auf dem Arbeitsmarkt
eine nachhaltige Wirkung entfaltet, der eine durchgreifende Wirkung auf die Bereiche Wachstum und Beschäftigung hat. Viele Ökonomen, von denen sehr viele uns
nicht gerade nahe stehen, weisen darauf hin, dass dieser
Aufschwung auf schwachen Füßen steht, weil die Binnennachfrage in diesem Land noch immer unterentwickelt ist. In einer solchen Situation kommt es darauf an,
Gas zu geben, die Binnennachfrage zu stabilisieren, die
Massenkaufkraft zu stärken und eindeutige Wachstumsimpulse zu geben, damit aus dieser schwachen Pflanze
ein wirklicher Aufschwung wird.
({1})
Stattdessen hält diese Bundesregierung an den alten
Rezepten fest: Die Unternehmensteuern sollen - soweit
die Planung - weiterhin sinken. Die Sozialausgaben
werden im Rahmen der Gesundheitsreform und der Rentenpolitik weiter gekürzt. Gleichzeitig erhöhen Sie die
Verbrauchsteuern in Form einer Mehrwertsteuererhöhung. Da die Mehrwertsteuer eine massive Steuer auf
den privaten Konsum ist, wird die inländische Nachfrage
dadurch weiter geschwächt. Das ist wirtschaftspolitisch
unvernünftig und obendrein sozial unverträglich, weil
dadurch gerade diejenigen, die ein geringes Einkommen
haben, am stärksten belastet werden. Ich halte das für
eine wirtschaftspolitisch gesehen verfehlte Politik. Das
wird uns nicht weiterbringen.
Herr Glos, Sie zitieren immer wieder den Sachverständigenrat. Warum zitieren Sie nicht auch einmal die
Warnungen des Sachverständigenrates vor dieser Mehrwertsteuererhöhung und den möglichen negativen konjunkturellen Auswirkungen dieser Erhöhung?
({2})
Sehen wir uns doch einmal die Entwicklung in der
Bundesrepublik in den letzten Jahren im internationalen
Vergleich an: Im letzten Jahr sind die Tariflöhne preisbereinigt um 0,8 Prozent gesunken; die Verbraucherpreise
sind um 2 Prozent gestiegen; die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen sind 2004 um 12 Prozent
gestiegen, 2005 um weitere 6 Prozent. Sehen wir uns die
durchschnittliche Entwicklung der Reallöhne in der
Europäischen Union zwischen 1995 und 2004 an, stellen
wir fest, dass die Reallöhne in diesem Zeitraum EU-weit
im Durchschnitt um 9,9 Prozent gestiegen sind, während
sie in der Bundesrepublik Deutschland um 0,9 Prozent
gesunken sind.
({3})
Angesichts dessen stellt sich doch die Frage: Hat die
Politik der Reallohnsenkung in der Bundesrepublik
Deutschland zwischen 1995 und 2004 dazu beigetragen,
dass die Bundesrepublik ökonomisch besser dasteht,
dass sie Spitzenreiter beim Wachstum ist? - Nein, das
Gegenteil ist der Fall. Die meisten Länder der EU hatten
in diesen Jahren eine deutlich höhere Wachstumsrate.
Vielleicht könnten die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen einmal darüber nachdenken, ob zwischen der Senkung der Masseneinkommen, der Schwächung der Massenkaufkraft und den schlechten
Wachstumsraten ein Zusammenhang bestehen könnte.
Die Länder, die einen anderen Weg gegangen sind, die
Senator Harald Wolf ({4})
höhere Reallohnzuwächse hatten, konnten nämlich ein
höheres Wachstum generieren.
({5})
Herr Glos, vielleicht würde es nutzen, sich an den alten Satz des großen Unternehmers Henry Ford zu erinnern, der einmal gesagt hat: Ich muss meinen Arbeitern
auch Löhne zahlen, mit denen sie meine Autos kaufen
können. Betriebswirtschaftlich kann man dagegen vielleicht den einen oder anderen Einwand formulieren; für
eine Volkswirtschaft ist es aber allemal richtig, dass die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage in der Lage sein muss,
das, was produziert wird, nachzufragen und zu kaufen.
Anders wird man einen Aufschwung nicht hinbekommen.
({6})
Wenn ich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage reduziere, eröffne ich eine Spirale nach unten. Diese ökonomische Binsenweisheit wird in der Bundesrepublik
Deutschland aber vom Mainstream und den unterschiedlichen Bundesregierungen seit Jahren ignoriert. Deshalb
stehen wir im internationalen Vergleich nach wie vor
schlecht dar.
Meine Damen und Herren, Herr Rüttgers hat es Ihnen
ins Stammbuch geschrieben: Er spricht von einer
Lebenslüge. Ich bin froh, dass zumindest in einzelnen
Teilen der Koalitionsparteien und -fraktionen langsam
eine Erkenntnis dämmert. Es wäre gut, wenn sich diese
Erkenntnis fortsetzt.
Stattdessen planen Sie jetzt eine weitere Unternehmensteuerreform. Schon die letzte Unternehmensteuerreform hat die öffentlichen Haushalte 65 Milliarden
Euro gekostet. Auch dazu stelle ich die Frage: Was waren die Effekte? Hat diese Unternehmensteuerreform zu
mehr Investitionen und Beschäftigung geführt? Wie gesagt: 65 Milliarden Euro Entlastung. Sehen wir uns einmal die Zahlen an, die die Auswirkungen deutlich
machen. Die Investitionen sind von 2000 bis 2002 von
236 Milliarden Euro auf 182 Milliarden Euro gesunken.
2004 lagen sie trotz einer massiven Entlastung des Unternehmenssektors mit 209 Milliarden Euro noch unter
dem Stand von 2000. Vielleicht ist auch das ein Hinweis
darauf, dass Jürgen Rüttgers mit seiner Feststellung der
Lebenslüge Recht hat und dass Steuersenkung und
Lohndumping nicht der richtige Weg sind, um mehr
Wachstum und Beschäftigung in diesem Land zu schaffen.
({7})
Wir brauchen Innovation statt Billiglohn. Wir brauchen öffentliche Investitionen statt Steuerdumping, um
Nachfrageimpulse zu setzen. Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn statt eines Niedriglohnsektors, Herr
Glos, um Arbeit so zu bezahlen, dass die Menschen
durch Arbeit nicht arm werden, sondern ein Leben in
Würde führen können, und gleichzeitig den Konsum
darüber zu stabilisieren.
({8})
Minister Glos hat ein Thema angesprochen, das in der
Tat wichtig ist und in den Gesprächen, die ich mit Unternehmen in Berlin führe, immer wieder angesprochen
wird, nämlich die Energiepreisentwicklung und insbesondere die Strompreisentwicklung. Dies ist gerade für
kleine und mittelständische Unternehmen ein erheblicher und massiver Kostenfaktor. Herr Glos, Sie haben
Handlungsbedarf angemahnt. Sie wissen, dass wir auf
der letzten Wirtschaftsministerkonferenz, auf der Sie leider nicht anwesend sein konnten, intensiv darüber diskutiert haben. Es ist gut, dass die Bundesnetzagentur
durchgreift und die Netzentgelte absenkt. Aber ich
glaube, dass wir weitergehen müssen. Ich habe in Ihrer
Rede Vorschläge vermisst, mit denen man das Problem
in den Griff bekommen könnte.
Denn die Netzpreise und -entgelte sind nur eine
Komponente. Aufgrund des Energiewirtschaftsgesetzes
besteht zurzeit die absurde Situation, dass die Energieversorgungsunternehmen teilweise kostengünstig produzieren, ihren kostengünstig produzierten Strom an der
Strombörse in Leipzig handeln und dort zu teuren Preisen verkaufen. Die Strombörse funktioniert aufgrund der
oligopolistischen Struktur des Energiemarktes nicht
wirklich. Gleichzeitig berechnen die Unternehmen im
Sektor Vertrieb hohe Preise für die Verbraucher. Das ist
absurd.
({9})
Wir haben die Situation, dass einerseits in den Konzernen ein riesiger Gewinn eingefahren wird - wir alle
kennen die Zahlen, die den Gewinn der vier großen Konzerne zeigen - und andererseits Genehmigungen gefordert werden, um im Vertrieb die Preise erhöhen zu können, indem sie sagen: Wir haben hohe Kosten. Diese
haben sie selbst über die Strombörse in Leipzig generiert. Das heißt, der Wettbewerb funktioniert hier nicht.
Wo Wettbewerb nicht funktioniert, muss staatliche Regulierung her.
({10})
Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass die Kollegin Thoben aus Nordrhein-Westfalen den Vorstoß gemacht hat und eine Bundesratsinitiative einbringen will,
({11})
durch die die Preisgenehmigung über den 1. Juli 2007
hinaus verlängert werden soll, weil wir in diesem Bereich weiterhin Regulierung brauchen.
Ich füge hinzu: Wir, also die Genehmigungsbehörden
in den Ländern, müssen die Möglichkeit haben, eine
wirkliche Konzernbetrachtung vorzunehmen und zu sehen, welche Gewinnsituation in den Konzernen insgesamt besteht; es reicht nicht, nur die Situation im Unternehmensteil Vertrieb betrachten zu dürfen. Denn nur
dann könnte man wirklich zeigen, dass Extraprofite abgeschöpft werden, und dafür sorgen, dass die Verbraucher vernünftige und verträgliche Preise bekommen. Das
wäre dringend notwendig, Herr Glos. Es würde mich
freuen, wenn Sie sich einmal zu der Frage äußern würden, ob Sie bereit sind, einen solchen Schritt, wie er von
Senator Harald Wolf ({12})
Ihrer Kollegin aus Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen
wurde, mitzugehen.
({13})
Eine weitere Absurdität im Hinblick auf die Stromversorger ist die Tatsache, dass die Emissionszertifikate
von Ihnen kostenlos zugeteilt worden sind, dass sie jetzt
aber in die Tarife eingepreist werden. Die Unternehmen
haben nichts dafür bezahlt. Sie haben die Emissionszertifikate geschenkt bekommen. Aber sie stellen sie den
Verbrauchern als Kosten in Rechnung.
({14})
Das hat dazu geführt, dass die Energieversorger Extraprofite in Höhe von circa 6 Milliarden Euro gemacht
haben, indem sie von den Verbrauchern Geld für etwas
verlangt haben, für das sie keinen Cent bezahlt haben.
Meine Damen und Herren, das ist absurd und muss geändert werden.
({15})
Es muss verhindert werden, dass diese Kosten den Verbrauchern weiterhin in Rechnung gestellt werden können; darüber wird im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz schon seit langem diskutiert. Auch hier, Herr
Minister Glos, warten wir auf einen Vorschlag von Ihrer
Seite.
Vorschläge habe ich von Ihnen nur zum Thema Niedriglohnsektor gehört. Sie haben Ihre Sympathie für den,
wie ich finde, absurden Vorschlag bekundet, den die so
genannten Sachverständigen formuliert haben, die Höhe
des Hartz-IV-Geldes um 30 Prozent zu senken.
({16})
Ich halte den Vorschlag, den Druck auf die Erwerbslosen
so lange zu erhöhen, bis sie bereit sind, jede Arbeit anzunehmen, schlichtweg für zynisch.
({17})
Wie sieht es denn auf dem ersten Arbeitsmarkt aus?
Wie ist das Verhältnis von offenen Stellen zu Erwerbslosen? Einen solchen Vorschlag zu machen, ist nichts anderes, als den Leuten zu sagen: Ich kürze euch die ohnehin knappen Mittel, die ihr bekommt, um euren
Lebensunterhalt zu fristen, um weitere 30 Prozent. Das
ist ein Programm zur Förderung der Schwarzarbeit. Von
irgendetwas müssen die Leute schließlich leben, Herr
Glos. Das ist wirtschaftspolitisch absolut unvernünftig.
({18})
Die Politik des Niedriglohnsektors, die Sie verfolgen,
hatte bereits ihre Konsequenzen - Minister Müntefering
hat diese Daten vor einiger Zeit veröffentlicht -:
300 000 Menschen in der Bundesrepublik haben einen
Verdienst, der unterhalb der Einkommensgrenze liegt,
obwohl sie einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen. Sie
beziehen ergänzende Leistungen gemäß des Arbeitslosengeldes II bzw. Hartz IV und bekommen keine existenzsichernden Löhne.
Durch die Hinzuverdienstregelungen im Rahmen von
Hartz IV wird ein weiterer Anreiz geschaffen, reguläre
Beschäftigungsverhältnisse durch Minijobs, also durch
ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse, zu ersetzen.
Die Botschaft an die Unternehmen lautet, dass sie keine
hohen Löhne zahlen müssen, weil die Arbeitnehmer ihre
Niedriglöhne gegebenenfalls durch Transferleistungen
des Staates aufgestockt bekommen. Dazu sage ich: Das
ist der völlig falsche Weg und ein Grund, weshalb wir einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen. Dieses Dumping nach unten müssen wir beenden.
({19})
Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend
eine Wende in der Wirtschaftspolitik: hin zur Stabilisierung der Massenkaufkraft und zur Stärkung der Binnennachfrage. Wir müssen die Spirale nach unten sowohl
bei den Löhnen als auch beim Lohn- und Sozialdumping
beenden. Wir müssen Mindeststandards einführen, damit
Arbeit existenzsichernd ist, in Würde erfüllt werden
kann und jeder seinen Lebensunterhalt mit eigener
Hände Arbeit verdienen kann. Das setzt eine wirtschaftspolitische Wende voraus.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({20})
Anna Lührmann hat das Wort für das Bündnis 90/Die
Grünen.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich habe Ihrer Rede
mit Freude und großem Interesse zugehört. Vielleicht
werden Sie sich freuen bzw. wundern, dass ich Ihnen in
einem Punkt sogar zustimmen kann:
({0})
Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist so
gut wie seit langem nicht mehr. Dazu kam es aber nicht
etwa wegen Ihnen bzw. wegen der großen Koalition,
sondern trotz der großen Koalition. Sie haben dazu an
keiner einzigen Stelle beigetragen.
({1})
Ich kann mir vorstellen, dass Sie mir das nicht unbedingt glauben. Allerdings sollten Sie zur Kenntnis nehmen, wie die deutsche Wirtschaft den Wirtschaftsminister beurteilt. In den entsprechenden Umfragen heißt es:
Nur jeder zwanzigste Manager findet in Deutschland den
Wirtschaftsminister gut. Ich frage mich, wie Sie da auf
die Idee kommen können, Herr Glos, dass Sie irgendetwas für die Wirtschaft in Deutschland getan hätten, dass
Sie irgendeinen Anteil am Wirtschaftswachstum in
Deutschland hätten.
({2})
Denn das haben Sie nicht; da leiden Sie an Selbstüberschätzung. Sie sollten lieber Ihren Job machen und einen
klaren Kurs in der Wirtschaftspolitik vorschlagen.
({3})
In der heutigen Debatte ist klar geworden, dass diese
Regierung keinen klaren Kurs in der Wirtschaftspolitik
hat. Man muss sich nur zwei Beispiele vor Augen führen.
Erstens: Ihre Bewertung des Sachverständigenrates.
Sie haben den Sachverständigenrat jetzt hoch gelobt,
Herr Glos - Herr Stiegler hat seine Absetzung gefordert.
Was ist denn nun der wirtschaftspolitische Kurs der Bundesregierung?
({4})
Wie wollen Sie Sicherheit, wie wollen Sie Stabilität, wie
wollen Sie gute Rahmenbedingungen für die Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland schaffen,
wenn Sie sich noch nicht einmal einig sind, was Sie von
Ihren eigenen Sachverständigen halten? Das ist kein klarer Kurs und das können wir hier nicht gebrauchen.
({5})
Das zweite Beispiel ist die Haushaltskonsolidierung, die Sie eben in Ihrer Rede für sich entdeckt haben,
Herr Minister. Sie haben hier vollmundig erklärt, Sie
wollten die Verschuldung auf null zurückführen. Toll!
Großartig! Das ist ein wunderbares Ziel. Nur, leider hat
das mit der Realität der Politik der großen Koalition
nichts, aber auch gar nichts zu tun.
({6})
Wenn man Ihre Mittelfristplanung einmal hochrechnet,
wenn man davon ausgeht, dass Sie mit dieser Haushaltspolitik so weitermachen, kommen Sie zu einer Nettokreditaufnahme von null - nicht etwa einer Verschuldung
von null - im Jahr 2051. Von daher sollten Sie hier den
Mund nicht so voll nehmen, Herr Glos, und lieber konkrete Vorschläge für einen Subventionsabbau machen,
die Sie dann auch umsetzen. Das ist Ihr Job hier, nicht,
sich mit Steinbrück anzulegen, der heute Morgen nicht
einmal hier ist.
({7})
Herr Glos, Sie haben hier gesagt, die Steuermehreinnahmen, die durch die gute Konjunktur hereinkommen,
sollten komplett zur Haushaltskonsolidierung verwendet
werden. Das finde ich gut, das ist ein richtig grüner Vorschlag, das ist nachhaltig. Nur, leider ist das nicht die
Politik Ihrer Regierung. Wenn Sie am Dienstag hier gewesen wären, wären Sie dabei gewesen, als Herr
Steinbrück hier noch erklärt hat, dass ein Löwenanteil
- wie groß auch immer er sein soll - der Steuermehreinnahmen für die Haushaltskonsolidierung genutzt werden
soll. Also, was ist jetzt die Politik dieser Regierung?
Sind Sie für Haushaltskonsolidierung oder nicht? Sie
können den Mund noch so voll nehmen - wenn Ihr Kollege Steinbrück das nicht umsetzt, wird daraus nichts.
({8})
Herr Glos, ich schlage Ihnen vor, Sie kümmern sich
um Ihren Job. Gerade zur Haushaltskonsolidierung haben Sie einen ganz schönen Beitrag zu leisten. Ein Drittel des Etats des Wirtschaftsministers machen die Steinkohlensubventionen aus, die in diesem Jahr bei knapp
2 Milliarden Euro liegen.
({9})
Dazu, zu dem Bereich, wo Sie konkret etwas machen
können, haben Sie in Ihrer Rede eben überhaupt nichts
gesagt; Sie haben stattdessen mehrere Anmerkungen zur
Energiepolitik gemacht.
Dabei müssen Sie nur einmal schauen, was die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen macht: Sie hat
erkannt, dass es richtig ist, aus dem Steinkohlenbergbau
auszusteigen - sozialverträglich natürlich -, und mit den
Steinkohlensubventionen Geld einzusparen, das man an
anderer Stelle sinnvoller einsetzen kann. Die CDU/FDPLandesregierung hat in den jetzigen Haushalt 50 Millionen Euro eingestellt; diese Summe von Subventionen ist
zurückgezahlt worden, weil der Weltmarktpreis für
Kohle stark angezogen hat. Wir Grünen haben damals
durchgesetzt, dass mit dem Steigen des Weltmarktpreises die Subventionszahlungen sinken.
({10})
Das haben Sie in der großen Koalition hier noch nicht
umgesetzt. Statt, wie die Kollegen in Nordrhein-Westfalen das vormachen, solche Rückzahlungen in den
Haushalt einzustellen, verzichten Sie einfach auf Mehreinnahmen von mindestens 200 Millionen Euro. Herr
Minister Glos, Sie machen mit dem Subventionsabbau
nicht Ernst. Sie haben also auch in der Haushaltspolitik
keinen klaren Kompass.
({11})
Das hat nicht nur Auswirkungen auf den jetzigen
Bundeshaushalt, es geht auch um wichtige langfristige
Weichenstellungen. Der Börsengang der RAG steht an,
über den wir in nächster Zeit beraten müssen. Auch da
haben Sie Zoff mit Nordrhein-Westfalen. Sie haben gerade einen Brief von der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin erhalten.
({12})
- Den habe ich leider nicht gelesen. Ich habe in der Zeitung davon gelesen.
({13})
- Wenn Sie mir diesen Brief zur Verfügung stellen, will
ich ihn gerne lesen und auch daraus zitieren.
In der Zeitung steht darüber, dass die Wirtschaftsministerin der CDU, Christa Thoben, schreibt, dass
wichtige Fragen in Bezug auf den Börsengang der RAG
immer noch nicht hinreichend beantwortet sind. Herr
Glos, Sie wirft Ihnen vor, dass Sie sich nicht richtig darum kümmern, dass die Altlasten nicht auf den Staat abgewälzt werden. Ich kann dazu nur sagen: Recht hat sie.
Sie müssen sich jetzt darum kümmern und Sie müssen
jetzt etwas dazu sagen.
({14})
Sie müssen jetzt damit anfangen, an einem Konzept zu
arbeiten, wie wir die Altlasten dort möglichst reduzieren
können.
Deshalb brauchen wir auch ein klares Ausstiegsszenario aus der Steinkohle. Dazu habe ich von Ihnen noch
nichts gehört. Ich habe mir hier Herrn Stiegler angehört,
der uns allen erzählt hat - er ist jetzt leider nicht mehr
da -, dass wir in Deutschland mit dem Steinkohlenbergbau weitermachen müssen,
({15})
obwohl die deutsche Steinkohle auf dem Weltmarkt leider nicht konkurrenzfähig ist.
({16})
Ich finde, das ist keine zukunftsfähige Politik. Sie müssten eigentlich dafür sorgen, dass eine bessere Energiepolitik gemacht wird. Das wäre Ihr Job, aber dazu hört man
von Ihnen gerade gar nichts.
({17})
Herr Glos, in der Energiepolitik haben Sie nur einen
Vorschlag, auf den ich zum Abschluss eingehen möchte.
Sie scheinen sich dabei in guter Gesellschaft mit Ihrem
Kollegen Herrn Seehofer zu befinden. Sie haben vorgeschlagen, dass man die Laufzeiten verschiedener Atomkraftwerke verlängern könnte.
({18})
Das war Ihr neuer innovativer Vorschlag in der Energiepolitik. Analog zu dem, was Herr Seehofer gerade tut,
fällt mir dazu nur ein, zu sagen: Sie schlagen vor, dass
wir Gammel-Atomkraftwerke weiterlaufen lassen, und
Sie gefährden damit die Sicherheit der Menschen in
Deutschland. Das ist keine zukunftsfähige Energiepolitik. Sie sollten stattdessen dafür sorgen, dass die Subventionen für die Kohle gekürzt werden und dass die entsprechenden Mittel in eine Strategie weg vom Öl und hin
zu einer zukunftsfähigen Energiepolitik investiert werden.
({19})
Das wäre Ihr Job, anstatt die Sicherheit der Menschen in
Deutschland aufs Spiel zu setzen.
Danke.
({20})
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege
Laurenz Meyer.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Debatten in den letzten Tagen verfolgt und sage den Oppositionsfraktionen und insbesondere der FDP: Ich kann mir gut vorstellen, wie die Reden
ausgesehen hätten, wenn hier heute Morgen statt
Michael Glos für uns einer von der FDP gesprochen
hätte. Die Daten am Arbeitsmarkt und bezüglich der
Erwerbstätigkeit sowie insbesondere der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weichen nun wirklich ganz
grundsätzlich von dem ab, was in den letzten Jahren war.
Lieber Kollege Stiegler, messen wir es einmal nur an
den Zahlen. Ich will dem Herrn Schröder und eurer alten
Regierung nicht zu nahe treten, aber im ersten Halbjahr
des letzten Jahres war bei der Bundesagentur für Arbeit
ein Defizit von 3,4 Milliarden Euro aufgelaufen, während im ersten Halbjahr dieses Jahres ein Plus von
5,5 Milliarden Euro aufgelaufen ist.
({0})
Das zeigt die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt und
den grundsätzlichen Unterschied zur Vergangenheit so
deutlich wie nichts anderes.
Laurenz Meyer ({1})
({2})
Über diesen Unterschied zu den letzten fünf Jahren sollten wir uns nicht mehr lange streiten.
({3})
Michael Glos hat hier heute Morgen eine Rede gehalten und ein Konzept vorgelegt, das wir als Unionsfraktion nachdrücklich unterstützen und an dem wir nach
Kräften mitarbeiten werden.
({4})
Ein paar Punkte will ich noch einmal zusätzlich unterstreichen.
({5})
Erstens. Der wichtigste ordnungspolitische Punkt in
den kommenden Jahren ist der Wettbewerb. Dies zieht
sich durch alle Gebiete und darauf haben wir jetzt bei
den verschiedenen Reformprojekten zu achten. Wer vom
internationalen Wettbewerb so stark wie wir betroffen
ist, der tut den eigenen Unternehmen und den eigenen
Arbeitskräften den besten Gefallen, wenn er den Wettbewerb im eigenen Land nach Kräften stärkt, und zwar auf
allen Gebieten. Besser kann man den Unternehmen und
in Bezug auf die Arbeitsplätze nicht helfen.
Das betrifft auch den Bereich, den Michael Glos beim
Thema Energie angesprochen hat. Hier gibt es zurzeit
eine höchst unvollkommene Wettbewerbssituation. Unmittelbar nach Freigabe der Märkte - der Wettbewerb
war damals härter - war sie besser. Das müssen wir berücksichtigen. Ich sage das wirklich mit allem Ernst und
voller Vorwurf: Durch die ideologisch orientierte Energiepolitik der rot-grünen Koalition ist der Wettbewerb
anschließend gestoppt worden, und zwar indem vielfältige Kosten obendrauf gelagert worden sind.
Frau Lührmann, es muss einem geradezu komisch zumute sein, dass Sie sich, wenn Sie hier zur Energiepolitik vortragen, Sorgen um die Verbraucherpreise im
Energiebereich in Deutschland machen. Sie sollten zunächst Ihre Ideologie durchforsten - Sie haben alle möglichen Kosten für die Leute draufgepackt -, ehe Sie sich
weiter zu diesem Thema äußern.
({6})
Zu den Stichworten „Wettbewerb“, „Energiepreise“ und
„Verbraucherpreise“ können Sie sich hier wirklich nicht
glaubwürdig äußern.
({7})
Was sind die Herausforderungen? Herr Minister Glos
hat völlig Recht: Die Strombörse funktioniert zurzeit
noch nicht richtig. Man kann nicht die Grenzpreise zur
Grundlage für die Festlegung der gesamten Handelspreise machen. Wir müssen an dieses Problem herangehen und uns überlegen, wie wir das System vervollkommnen, insbesondere im Hinblick auf den
internationalen Bereich.
({8})
Weiterer Punkt: die Bundesnetzagentur. Wir unterstützen nachdrücklich die Überlegungen der Netzagentur
zu den Netzpreisen und zur Anreizregulierung in der Zukunft. Wir stehen sicherlich am Anfang eines längeren
Prozesses; aber ohne ihn werden wir den Wettbewerb
nicht stärken können.
Was der Wirtschaftsminister auch in den vergangenen
Tagen zur Anbindung neuer Kraftwerkskapazitäten
gesagt hat, findet unsere volle Unterstützung. Es darf
nicht verhindert werden, dass neue Kraftwerkskapazitäten - ich denke hier insbesondere an Kohlekraftwerke;
von den Gaskraftwerken der Stadtwerke halte ich, obwohl eines davon in meinem Wahlkreis steht, nicht so
viel - erschlossen werden. Herr Minister Glos, wenn es
Verweigerungshaltungen gibt, müssen wir sehen, wie
wir damit umgehen.
Im Zusammenhang mit den Haushalts- und Gewerbepreisen müssen wir sorgfältig schauen: Kommt es bis
zum nächsten Jahr zu einer vernünftigeren Wettbewerbssituation? Wenn das nicht der Fall sein sollte, müsste
man sorgfältig prüfen, ob die Genehmigungsvorbehalte
der Länderregierungen für eine bestimmte, nicht zu
lange Zeit beibehalten werden sollten.
Ein Wort an Herrn Minister Gabriel: Wer mit seinem
Haushalt 30 Prozent der Energiepreise mit zu verantworten hat, wer immer noch nicht eingesehen hat, dass es
sinnvoll ist, die Kernenergie zumindest so lange zu nutzen, bis es einen für die Menschen tragbaren, genauso sicheren Ersatz gibt - international wird das inzwischen
von allen eingesehen -, der sollte andere Minister nicht
in der Öffentlichkeit kritisieren. Zumindest das sollte
man verlangen.
({9})
Zum Schlüsselwort „Wettbewerb“ gehört natürlich
auch die Gesundheitsreform. Hier muss das Hauptziel
sein, einen Wettbewerb zwischen den Versicherungen
herzustellen, damit die Versicherungen den Versicherten
vernünftigere und effizientere Konditionen anbieten und
die Preise und Kosten nicht wie in der Vergangenheit aus
dem Ruder laufen. Was ich hier in der Debatte - leider
Gottes auch von dem einen oder anderen Kollegen von
der SPD - dazu gehört habe, zeigt mir, dass ein falsches
Verständnis von Wettbewerb vorliegt. Es wird gesagt:
Wir müssen die Versicherungen verpflichten, jeden zu
nehmen. - Das nennt man Kontrahierungszwang. Ich
verstehe überhaupt nicht, dass dann an anderer Stelle gesagt wird, es gehe um die guten Risiken.
Egal, wie krank jemand ist: Er muss die Gelegenheit
haben, zu jeder Versicherung, die günstiger als seine eigene ist, zu wechseln.
({10})
Laurenz Meyer ({11})
- Dann muss man sie aber nicht zusätzlich schützen. Leider Gottes ist hier - Kollege Stiegler, prüfen Sie das
einmal in den eigenen Reihen - manches vertreten worden, was Wettbewerb geradezu unterminiert und verhindert. Wir sollten das Thema noch einmal sorgfältig behandeln. Deswegen ist es sicher gut, dass wir mehr Zeit
haben.
({12})
Das Stichwort „Wettbewerb“ gilt auch für die Telekom. Wenn wir in der übernächsten Woche über Investitionsprogramme der Telekom reden, kann es nur darum
gehen, zu prüfen: Wird der bisherige Wettbewerb gestoppt? Werden neue Produkte angeboten? Davon machen wir unsere Entscheidung abhängig. Anreize in
Form einer Regulierungspause oder Ähnliches gibt es
mit uns nicht. Was reguliert werden muss, wird reguliert.
Was aber nicht reguliert werden muss, wird auch in Zukunft nicht von uns reguliert.
({13})
Dasselbe gilt für die Entscheidung, die bei der Bahn
ansteht. Wir müssen gegenüber den alten Unternehmen
- gegenüber der Telekom und der Bahn - glaubhaft machen, dass wir Wettbewerb wollen. Wir müssen für die
gesamte Volkswirtschaft Strukturen schaffen, die Wettbewerb nicht verhindern, sondern unterstützen. Dabei
dürfen wir allerdings nicht vernachlässigen, dass die
Systeme weiterhin funktionieren müssen. Deshalb wird
die Bahn den Betrieb sicherlich für eine bestimmte Zeit
übernehmen müssen, weil es nicht anders geht.
So kann man das alles durchdeklinieren. Ich glaube,
dass das Stichwort „Wettbewerb“ die zentrale Botschaft
für das Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftspolitik ist. Damit komme ich zur Unternehmensteuerreform, bei der es darum geht, für die Unternehmen
gleiche Voraussetzungen im Wettbewerb zu schaffen. Es
geht vor allen Dingen darum, dass die Unternehmen in
Deutschland Steuern zahlen statt woanders.
Insofern ist alles, was hier zu den Arbeitsplätzen gesagt worden ist, im Prinzip richtig. Bei der Unternehmensteuerreform geht es nicht in erster Linie darum, inwiefern dadurch akut neue Arbeitsplätze geschaffen
werden können. Vielmehr geht es um die Frage, wie man
durch diese Reformmaßnahmen die Steuereinnahmen
auf mittlere Sicht wieder nach Deutschland verlagert.
Dass das mit Anfangsinvestitionen verbunden ist, werden wir sicherlich in Kauf nehmen müssen, wenn wir
langfristig die Einnahmen steigern wollen.
Langfristig werden wir damit aber auch die Standortbedingungen im internationalen Wettbewerb verbessern.
Wir müssen ferner die Weichen stellen - das ist jedenfalls meine Philosophie; darin sehe ich mich einig mit
den Kollegen in unserer Fraktion, die sich darum bemühen -, um die Anreize zur Finanzierung durch Eigenkapital statt durch Fremdkapital zu verstärken und die Eigenkapitalbildung zu unterstützen. Auch das ist ein
wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform, die wir zurzeit diskutieren.
({14})
Lassen Sie mich noch etwas zu dem Thema Niedriglohn ausführen. Löhne, die nicht der Produktivität entsprechen, werden auf Dauer nicht gezahlt werden können. Auch das ist eine Gesetzmäßigkeit. Arbeitsplätze,
bei denen die Lohnzahlung nicht der Produktivität entspricht, werden auf mittlere Sicht wegfallen. Wenn wir
die Arbeitsplätze nicht kaputtmachen wollen, sollten wir
deshalb in diesem Zusammenhang nicht mehr von Mindestlohn sprechen. Uns kann es doch nur darum gehen,
den Menschen ein Mindesteinkommen zu garantieren.
Dieses Mindesteinkommen setzt sich eben unter Umständen aus Sozialtransfers plus eigenem Einkommen
zusammen, was dann der Produktivität entspricht.
Das, was der Kollege Stiegler zum Sachverständigenrat gesagt hat, war wohl ein kleiner Tribut an die eigene
Fraktion.
({15})
Hinterher hast du zum Teil etwas ganz Vernünftiges gesagt, Ludwig. Zu diesem Punkt war es aber, unter uns
gesagt, Quark.
({16})
Es zeigt, dass gut gemeint nicht gut ist. Wir haben im
letzten Jahr eine Maßnahme eingeführt, die wir dringend
korrigieren müssen. Die 400-Euro-Jobs in Verbindung
mit dem ALG II waren gut gemeint. Das hatte aber zur
Folge, dass Schwarzarbeit praktisch nicht mehr kontrollierbar ist. Die Bundesagentur hat in unseren Gremiensitzungen bekannt gegeben, dass der Umfang der
Schwarzarbeit in Deutschland, auf Arbeitsplätze hochgerechnet, 6 Millionen Arbeitsplätzen entspricht.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Deshalb müssen wir uns bei den Gesprächen zum Arbeitsmarkt im Herbst damit befassen, wie wir die
Schwarzarbeit in reguläre Arbeit umwandeln können.
Wichtig ist auch die Frage, die der Sachverständigenrat angesprochen hat. Ich begrüße für unsere Fraktion,
was die Bundeskanzlerin dazu festgestellt hat: Kürzungen ohne Arbeitsplatzangebot im ALG-II-Bereich soll
es nicht geben. Das ist unsere Philosophie. Wer aber soziale Transferleistungen vom Staat erhält und einen Arbeitsplatz angeboten bekommt, sollte diesen auch annehmen.
Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind. Wenn
wir bei der Vielzahl von Projekten, die wir zurzeit in Arbeit haben, Ruhe bewahren, es nicht an Mut und Veränderungsbereitschaft mangeln lassen und in einem überschaubaren Zeitraum bei allen Arbeitsprogrammen, die
Laurenz Meyer ({0})
wir uns vorgenommen haben, den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft wieder Planungssicherheit
bieten, dann werden die derzeitigen Entwicklungen am
Arbeitsmarkt auch in der Zukunft dauerhaft fortgesetzt
werden können. Davon bin ich überzeugt.
Danke schön.
({1})
Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin
Ulrike Flach.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Meyer, Sie machen sich große Gedanken darüber, was
ein liberaler Wirtschaftsminister an dieser Stelle gesagt
hätte.
({0})
Er hätte Ihnen sicherlich berichtet, was schon umgesetzt
worden ist: eine Steuerreform einschließlich Unternehmensteuerreform, eine Gesundheitsreform und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.
({1})
Sie haben ein Jahr hinter sich gebracht und heute,
nach einem Jahr, erzählen Sie uns, was Sie langfristig
auf diesen Gebieten tun werden. Das wäre Ihnen mit einem liberalen Wirtschaftsminister sicherlich nicht passiert. Das hat inzwischen auch so mancher Wähler in
diesem Land erkannt.
({2})
Herr Wirtschaftsminister, Sie haben gerade gesagt, in
Zeiten des Aufschwungs sei zu konsolidieren. Ich kann
Ihnen ausdrücklich die Zustimmung der FDP zusichern.
Ich erkenne Ihre Absicht allerdings nicht im Haushalt.
Wenn man den Einzelplan 09 anschaut, stellt man fest,
dass Sie die vielen Subventionstöpfchen, die seit vielen
Jahren von den verschiedenen Regierungen gepflegt
werden, wieder einmal etwas aufgefüllt haben. An den
Punkten, an denen die Bevölkerung klar erkennen
könnte, dass es vorangeht, passiert nichts.
Frau Kollegin Lührmann hat soeben zu Recht die
Steinkohle angesprochen. Ich weiß nicht, warum wir
uns an dieser Stelle von der großen Koalition sagen lassen müssen, man würde in geltende Verträge eingreifen,
wenn man Kürzungen vornehmen wollte. Ich kann immer wieder betonen: Natürlich ist das nicht der Fall, es
hat immer Verhandlungen gegeben. Ich bin froh, dass
Paul Friedhoff hier sitzt und das bestätigen kann. Man
hat immer wieder versucht, entsprechende Erleichterungen für den Haushalt herbeizuführen. Darüber hinaus
gibt es eine Landesregierung, die in ihrem Etat für die
mittelfristige Planung bereits minus 50 Millionen Euro
eingesetzt hat. Wieso kann so etwas in NRW passieren
und nicht bei Ihnen, Herr Glos?
({3})
Es ist immer leicht, zu sagen: Wir hängen in Verträgen.
Dagegen ist es offensichtlich sehr schwer, gegen die alten Subventionsträger in diesem Land vorzugehen.
Das passiert in einer Zeit, Herr Glos, in der wir uns einen Finanzminister leisten, der zusammen mit Herrn
Koch die berühmte Koch/Steinbrück-Liste aufgestellt
hat. Hätten wir uns an diese gehalten, hätten wir schon
Milliarden einsparen können. Wenn ich mir jetzt Ihren
Etat, gar nicht den gesamten Bundesetat, anschaue, dann
stelle ich fest, dass Sie bei den Subventionen nach der
Koch/Steinbrück-Liste eine Steigerung um 8 Prozent
hätten. Es fand aber kein Abbau statt, wie es der derzeitige Finanzminister jahrelang geplant und gefordert hat,
sondern genau das Gegenteil: 8 Prozent mehr Subventionen in einem Etat, zu dem uns der zuständige Minister
gerade erzählt hat, in guten Zeiten müsse man konsolidieren.
({4})
Ich habe in der Rede dieses Ministers, aber auch in
den Reden anderer während der gesamten Haushaltswoche, festgestellt: Dies war keine Haushaltswoche, sondern eine Woche, in der der Koalitionsausschuss immer
wieder einmal getagt hat.
({5})
Es war für uns als Opposition zum Teil recht amüsant, zu
erleben, dass der Koalitionsausschuss nicht zu einem Ergebnis kommt. Das betrifft den Abbau von Subventionen, aber auch den Energiebereich, der von diesem
Minister verantwortet wird, lieber Herr Ramsauer.
Es hat gestern keinen Widerspruch des zuständigen
Umweltministers Gabriel zu dem gegeben, was Herr
Glos uns immer vorschlägt. Wir haben hier einen denkwürdigen Auftritt von Frau Reiche zum Thema Gorleben
erlebt. Der Koalitionsausschuss
({6})
tagte insofern, als Frau Reiche uns erklärte, dass die
CDU all das weiterhin vertritt, was sie schon bisher vertreten hat. Die SPD hat uns genau das Gegenteil erklärt.
Der Umweltminister hat uns gesagt, er werde in Zukunft
weitere Standorte für Endlager suchen. Dann kommt der
entscheidende Punkt, lieber Herr Ramsauer: Im Etat des
Umweltministers ist das Geld dafür nicht eingestellt.
({7})
Das heißt, Sie leben in zwei verschiedenen Welten und
teilen uns über die Medien sozusagen ihre eigene Opposition mit. Eine zukunftsweisende Energiepolitik können
wir an dieser Stelle jedoch weder erkennen noch erahnen.
({8})
Herr Glos reklamiert für sich ein Thema, das für mich
aufgrund meiner forschungspolitischen Vergangenheit
besonders interessant ist: das Thema Hightechstrategie.
Sie haben uns eine wunderschöne, sicherlich sehr teure
Broschüre vorgelegt. Diese zeichnet sich vor allen Dingen durch einen Punkt aus: Im Jahre 2007 endet die
Hightechstrategie dieser Bundesregierung. Es ist nicht
erkennbar, was Sie nach dem Jahre 2007 machen wollen.
Das Einzige, was erkennbar ist, ist, dass Sie bei den Mitteln für die Felder, auf denen schon immer herumsubventioniert wurde, ein bisschen draufsatteln wollen. Ansonsten ergehen Sie sich in luftigen Worten und
Dialogforderungen. Ich führe als Beispiel die Raumfahrt
- Sie wissen, dass ich daran stark interessiert bin - an.
Dazu lässt sich folgender Satz von Ihnen finden: Man
beginnt einen strategischen Dialog zur deutschen Raumfahrtpolitik.
({9})
Eine äußerst interessante Formulierung! Die Bundesregierung meint offensichtlich, dass sie über Hochglanzbroschüren Politik in diesem Land betreiben kann.
({10})
Das ist keine Hightechpolitik und wird es auch nie
werden, vor allem deswegen nicht, weil wir uns gleichzeitig mit Ministern wie Herrn Seehofer „vergnügen“
müssen, die Politikfelder blockieren und offensichtlich
nicht willens sind, diese zu bearbeiten, und das, obwohl
ich noch vor wenigen Monaten von einigen Unionskollegen hörte, dass die betreffenden Bereiche die Hightechsymbolfelder dieser Welt seien. Denken Sie nur an die
Grüne Gentechnik! Hätten wir Herrn Seehofer nicht als
Minister, gäbe es wahrscheinlich bereits eine Reform,
die uns weiterbringen würde. Aber so denken wir nur
darüber nach, ob wir vielleicht am Ende des Jahres über
das Thema Grüne Gentechnik reden sollen. Ich hoffe,
dass es dann endlich weitergeht.
Herr Glos, alles, was mit Hightech zu tun hat, führen
Sie zwar im Munde. Aber leider hat das bislang nichts
genutzt. Sie sollten erkennen, dass es nicht reicht, lupenreine CDU/CSU-Reden zu halten - diese finden sicherlich unseren Beifall, keine Frage; wir sind an vielen Stellen einer Meinung -, wenn am nächsten Tag den
Zeitungen zu entnehmen ist, dass erneut SPD-Politik betrieben wird.
({11})
Für die SPD hat Rainer Wend das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
möchte zu Beginn meiner Rede mit der mir eigenen milden Nachsicht
({0})
- richtig - und der mir eigenen Zurückhaltung sagen: Ich
habe den Eindruck, dass der eine oder andere Kollege
von der Union angesichts schlechter Umfragewerte in
den letzten Wochen nervös geworden ist. Ich kann das
deswegen mit Nachsicht sagen, weil wir von der SPD
das kennen. Wir sind das schon lange gewohnt. Ich gebe
Ihnen daher mit Fug und Recht folgenden freundschaftlichen Rat: Gewinnen wird in dieser Koalition niemand,
wenn er sich auf Kosten des Partners profilieren will.
Gewinnen werden wir nur, wenn wir gemeinsam Politik
für unser Land und zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit machen.
({1})
Die Koalition wird auch dann nicht gewinnen, wenn ein
Teil dieser Koalition an Forderungen nach Abbau des
Kündigungsschutzes und dem Weiterlaufen von Atomkraftwerken festhält. Dazu kann ich nur sagen: Ein Blick
in die Koalitionsvereinbarung erleichtert die Rechtsfindung. Wir bleiben bei dem, was wir dort vereinbart haben. Umweltminister Gabriel hat die Unterstützung der
SPD-Fraktion für seine Politik; denn sie ist nichts anderes als eine gute Umsetzung der Koalitionsvereinbarung.
({2})
Wenn wir uns darüber streiten, wer für den Aufschwung politisch verantwortlich ist, dann ist daran zumindest gut, dass wir uns in diesem Haus mittlerweile
einig sind, dass es so etwas wie einen Aufschwung gibt.
Ich finde, bei ruhiger Betrachtungsweise können wir uns
- vielleicht sogar fraktionsübergreifend - darauf verständigen, wo die Ursachen dafür liegen. Einige wurden bereits benannt. Eine Ursache sind neben der Politik die
Unternehmer. Sie haben ihre Unternehmen wieder wettbewerbsfähig, konkurrenzfähig gemacht. Das ist eine
wichtige Voraussetzung dafür, dass es mit der Wirtschaft
bergauf geht. Das will ich als Sozialdemokrat ausdrücklich anerkennen.
({3})
Ich bin zudem der Auffassung, dass die große Koalition einen wichtigen Beitrag geleistet hat, und zwar nicht
nur mit ihren Einzelmaßnahmen, die der Kollege
Stiegler zu Recht angeführt hat. Ich glaube, dass wir, die
große Koalition, zu Beginn unserer Amtszeit den Unternehmen und den Menschen ein Stück weit Vertrauen
zurückgegeben haben. Das rechne ich uns gemeinsam
an. Wir sollten dieses Vertrauen gegenüber unserer Bevölkerung auch weiterhin aufrechterhalten. Schließlich
hat Rot-Grün auch seinen Anteil daran.
Wir haben mit Reformen auf dem Arbeitsmarkt und
im Steuersystem begonnen. Ich sage an uns alle adressiert - ohne Vorwurf an eine Richtung -: Mit diesen Reformen wurde zehn Jahre zu spät begonnen. Rot-Grün
hatte damit begonnen.
({4})
Deswegen haben wir Sozialdemokraten auch überhaupt keinen Grund, uns von dieser Regierungszeit zu
distanzieren, die wir gemeinsam hatten. Schließlich sind
dafür auch jene mitverantwortlich, die heute noch nicht
genannt worden sind - vielleicht habe ich es auch überhört -: Das sind die Tarifpartner.
Wir haben nämlich in den letzten zehn Jahren Tarifvereinbarungen über Arbeitszeiten, über Entlohnungen
geschlossen, die flexibel sind und die uns bei den Arbeitskosten im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig gemacht haben. Noch heute stand in der Zeitung, dass wir den zweitniedrigsten Anstieg bei den
Arbeitskosten aller Industrieländer haben.
Das ist Ergebnis der Tarifpartner und das ist Ergebnis
der Tarifautonomie, zu der wir uns bekennen. Wir haben
überhaupt keinen Anlass, diese in Zweifel zu ziehen.
({5})
Ein Wort zu Ihnen noch, Herr Senator Wolf: Ich finde,
Ihre Rede hat sich, weil sie sehr sachlich war, von dem
positiv abgehoben, was an populistischen Sprüchen von
anderen Ihrer Parteifreunde hier gebracht wurde.
({6})
Sie sagen: Wir müssen unsere Konjunktur über mehr
Nachfrage beleben. Das ist sicher nicht falsch. Ich bitte,
nur Folgendes zu beachten. Unsere Wirtschaft ist zu
40 Prozent vom Export abhängig, die Vereinigten Staaten zu 15 Prozent - um einmal eine andere Zahl zu nennen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht darauf
beschränken, anzunehmen, die Konjunkturbelebung
könne nur glücken, wenn wir die Binnennachfrage über
höhere Löhne, womöglich auch höhere Transferleistungen unseres Staates anregen.
Die Tarifpartner können zu mehr Lohnabschlüssen
kommen, die das Wachstum in den einzelnen Branchen
stärker berücksichtigen. Einverstanden.
({7})
Wir müssen es aber bei den Arbeitskosten aufgrund unserer Exportsituation schaffen, die Wettbewerbsfähigkeit
aufrechtzuerhalten. Deswegen ist es für mich „Vulgärkeynesianismus“, wenn Sie einfach sagen, die Nachfrage
zu erhöhen, das schaffe Konsum. Wir müssen im internationalen Kampf um Investitionen und Arbeitsplätze
wettbewerbsfähig sein.
({8})
Lassen Sie mich noch ein Wort zu einem Thema sagen, das mir sehr am Herzen liegt, das auch mehrfach
angesprochen wurde, dem Thema Regulierung und
Energiekosten. Die Bürgerinnen und Bürger haben die
Sorge, dass ihnen die Kosten in vielen Bereichen des Lebens davonlaufen, auch und gerade bei den Energiepreisen.
({9})
Ich finde, die Bundesnetzagentur macht an dieser
Stelle eine gute Arbeit.
({10})
Sie hat die Entgelte für die Netznutzung um insgesamt
etwa 20 Prozent gekürzt. Diese Entgelte machen allerdings insgesamt nur 37 Prozent des Strompreises aus.
Das heißt, wir haben damit nur ein Segment erwischt,
aber immerhin.
Jetzt sage ich noch etwas zum Thema Energiepreise.
Am Ende werden wir nur Erfolg haben, wenn es Wettbewerb gibt. Die vier Oligopole, die jeder kennt, stehen
faktisch in keinem Wettbewerb. Die einzigen, die wirklich Wettbewerb machen, sind die örtlichen Stadtwerke,
({11})
und die müssen wir stärken, auch über die Bundesnetzagentur. Es hilft uns nichts, wenn wir über eine Regulierung kurzfristig die Preise bei den Stadtwerken um wenige Cent senken, wenn dieses am Ende zur Folge hat,
dass sie nicht mehr handlungsfähig sind und die Netze
anschließend von den vier Oligopolen übernommen werden.
({12})
Denn das hätte nur zur Folge, dass die Preise umso rasanter ansteigen würden.
Zur Regulierung sage ich: Passt auf, dass ihr die
Stadtwerke nicht schädigt, statt ihnen zu helfen, weil nur
das den Wettbewerb stärkt.
Die Schlagworte zu Wirtschaft und Entwicklung sind
bekannt: Steuersenkung, Entbürokratisierung, den Arbeitsmarkt lockern. Sie wissen alle: Mit mir kann man
über manches reden, was diese Dinge angeht. Aber über
einen Punkt, der für uns wichtig ist, wird zu wenig gesprochen: Wie gelingt es uns, Industrie- und Standortpolitik für Deutschland zu machen? Ich will Ihnen einige Zahlen vortragen, die für unser Land ein Problem
sind, und zwar trotz des Aufschwungs, den wir gegenwärtig erleben.
Es ist nämlich so, dass die industrielle Basis in
Deutschland seit Jahrzehnten an Breite verliert. Ganze
Industriezweige, Unterhaltungselektronik und Textilindustrie beispielsweise, sind, verglichen mit der Zeit vor
20 oder 25 Jahren, nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Das hat erhebliche Auswirkungen: Deutschland hat in
den letzten 15 Jahren etwa ein Drittel aller Arbeitsplätze
im verarbeitenden Gewerbe verloren. Der Dienstleistungsbereich konnte dies nur zu einem relativ geringen
Teil, nämlich zu etwa 40 Prozent, ausgleichen.
Wir müssen also Standort- und Industriepolitik machen. Dies darf aber keine nachsorgende Industriepolitik
sein. Was wir einmal im Zusammenhang mit Holzmann
gemacht haben, ist kein Beispiel für die Zukunft.
({13})
Wenn das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen ist,
dann hat es keine Perspektive mehr.
Was wir tun müssen, ist, zu versuchen, Leitmärkte zu
identifizieren und auf diesen Leitmärkten die Rahmendaten für unser Land zu verbessern. Das FraunhoferInstitut hat einige Zukunftsmärkte ausgemacht. Der
Wichtigste davon ist der Markt der Logistik. DeutschDr. Rainer Wend
land ist in der Logistik weltweit führend. Zwei der größten Logistikunternehmen der Welt sind bei uns angesiedelt, nämlich die Deutsche Bahn und die Post. Deswegen
lassen Sie mich kurz ein paar Worte zur Deutschen
Bahn AG sagen.
Wettbewerb ist wichtig. Bei der Teilprivatisierung der
Bahn müssen wir den Wettbewerb im Auge haben.
Wichtig ist für mich aber auch, dass wir den Konzern
Bahn als Globalplayer auf dem Zukunftsmarkt Logistik
erhalten und stärken.
({14})
Wir müssen deshalb einen Weg finden, einerseits die
Bahn als integrierten Logistikkonzern und als Globalplayer zu erhalten, und andererseits müssen wir die Verantwortung, die wir als Staat vom Grundgesetz her für
das Schienennetz der Bahn haben, so wahrnehmen, dass
wir - ich formuliere es einmal untechnisch - immer auf
das Eigentum der Bahn zugreifen können. Darüber, nach
welchem Modell das im Einzelnen funktioniert, kann
man lange streiten. Wichtig sind der Wettbewerb und der
Erhalt des integrierten Konzerns als Globalplayer in dem
wachsenden und bedeutsamen Logistikmarkt.
Ich habe versucht, einen Beitrag zu einer Versachlichung der Diskussion zu leisten. Ich sage noch einmal:
Die große Koalition macht sich das Leben nicht einfach.
({15})
Aber sie macht es auch anderen nicht einfach.
({16})
Ich sage Ihnen: Gemeinsam werden wir Erfolg haben,
wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen und wenn es
uns auch in Zukunft gelingt, bei den Strukturreformen
den Weg weiterzugehen, den wir eingeschlagen haben.
Lassen Sie uns das gemeinsam machen.
({17})
Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege
Matthias Berninger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
Berliner Senator Wolf hat wahrscheinlich noch andere
wichtige Termine und ist deswegen nicht mehr unter
uns.
({0})
Er hat in Sachen Energiepolitik den Bundeswirtschaftsminister aufgefordert, die Politik der Bundesregierung
gegenüber den vier großen Energiekonzernen zu ändern.
Während der Rede des Bundeswirtschaftsministers heute
Morgen
({1})
wurde klar, warum der Berliner Senator von Ihnen mehr
Klarheit verlangt hat.
Herr Minister Glos, was mich wirklich wundert, ist,
dass Sie es auf der einen Seite im Wirtschaftsteil der
heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ geschafft
haben, Ihre Position in aller Klarheit zu formulieren,
aber auf der anderen Seite nicht in der Lage sind, vor
dem Deutschen Bundestag Ihre Strategie so zu formulieren, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer wissen, was Sie
vorhaben. Dies sollte Ihnen meiner Meinung nach zu
denken geben.
Der Ansatz, den Sie verfolgen, ist richtig und wird
von uns unterstützt.
Die großen Energiekonzerne zocken über die Drehscheibe der Leipziger Strombörse die Verbraucherinnen
und Verbraucher systematisch ab. Der einzige Weg, dem
kurzfristig etwas entgegenzusetzen, ist die Stärkung des
Bundeskartellamts. Nichts anderes will der Bundeswirtschaftsminister und er sollte angesichts der Übermacht
der großen Energiekonzerne hierfür die Unterstützung
des ganzen Hauses haben. Meine Fraktion jedenfalls ist
gerne bereit, daran mitzuwirken, dass es auf dem Strommarkt mehr Wettbewerb gibt. Das haben wir schon beim
Energiewirtschaftsgesetz unter Beweis gestellt.
({2})
Eine Binsenweisheit ist, dass Wettbewerb Wettbewerber braucht. Hier gibt es eine Brücke zwischen dem, was
sich zurzeit auf dem Strommarkt abspielt, und dem, was
in Bezug auf die Zukunft der Kohlesubventionierung
diskutiert wird. Es war, obwohl die Kohlesubvention
ein Drittel Ihres Etats ausmacht und die industriepolitische Entscheidung über die Zukunft der RAG nicht nur
im Ruhrgebiet, sondern im ganzen Bundesgebiet von
großer Bedeutung ist,
({3})
für mich ein Armutszeugnis, dass Sie nicht ein Wort zu
diesem Thema gesagt haben.
({4})
Ich finde, dass das angesichts der Entscheidungen, vor
denen wir im nächsten halben Jahr stehen, nicht geht.
Die Frage ist: Unterstützen Sie den Vorschlag aus den
Reihen der RAG bezüglich eines Stiftungsmodells, das
heißt, den klassischen Kohlebereich vom restlichen Bereich des Industriekonglomerats RAG abzutrennen?
({5})
Unterstützt die Bundesregierung das, ja oder nein?
({6})
Ich finde, dieses ist zu unterstützen, aber es bedarf auch
eines klaren Stoppsignals an Werner Müller. Werner
Müller möchte uns nämlich nicht nur diesen Vorschlag
machen, sondern er möchte darüber hinaus der Politik
Vorschriften machen, wie am Ende in dieser neuen Industriestruktur mit den einzelnen Teilen des Unternehmens umzugehen ist. Der Link zum Strombereich ist die
STEAG. Zurzeit ist die STEAG eine praktisch von den
beiden Müttern RWE und Eon kontrollierte Perle, die
Strom produziert, aber auf eine Art und Weise am Markt
auftritt, dass sie weder der Eon noch der RWE wehtut.
Das kann man auch nicht verübeln. Wir wollen, dass die
STEAG künftig unabhängig von diesen beiden großen
Konzernen wird und ein klarer Wettbewerber am Markt
ist, der die Energie liefert, die dann wiederum gerade
den Stadtwerken zugute kommt.
({7})
Das ist es, was Sie vorantreiben müssen. Jetzt kann man
sagen, das kritisiere nun einmal die Opposition. Wenn
aber die NRW-Wirtschaftsministerin Thoben - Herr
Kollege Kampeter, Sie haben bei dem Beitrag meiner
Kollegin Lührmann versucht, Nebelkerzen zu werfen ({8})
den Bundeswirtschaftsminister wegen Untätigkeit kritisiert, dann sollte Ihnen das zu denken geben, aber nicht
zu Zwischenrufen oder zu Sprüchen Anlass geben.
({9})
Es gibt das Problem, dass die Bundesregierung zu
dieser Schlüsselfrage keine klaren Aussagen trifft und
diese Haushaltsdebatte komplett hat verstreichen lassen,
ohne ein Signal zu setzen.
({10})
Ich meine, es bedarf der Führung der Bundesregierung.
Wenn der Bundeswirtschaftsminister nicht führen kann
- es gibt einigen Anlass, zu glauben, dass er das nicht
kann -, dann muss die Bundeskanzlerin die Führung
übernehmen; denn der Umweltminister, der in anderen
Bereichen diese Schwäche ausnutzt, wird in dieser Frage
schon wegen der Nähe der SPD zur Kohleindustrie nicht
der richtige Partner sein.
({11})
Es ist in dieser Debatte an verschiedenen Stellen über
Wettbewerb geredet worden. Ich hätte mir gewünscht,
dass sich der Bundeswirtschaftsminister klar zu den
Apotheken äußert. Ist es eigentlich richtig, dass sich die
versammelte Apothekerschaft gegen jede Form von
Wettbewerb wehrt und aus der zweiten Reihe der Union,
insbesondere der CSU, Einwände kommen, man solle
hier auf keinen Fall Wettbewerb zulassen?
({12})
- Was ich will, Herr Kollege Kampeter, ist relativ klar.
({13})
Ich will Markt, auch im Apothekenbereich, und deswegen einen Unsinn wie das Mehrbesitzverbot oder das
Fremdbesitzverbot bei Apotheken abschaffen. Das ist
Unsinn, der die Preise hochtreibt, die die Patienten bezahlen müssen. Sie haben die Chance, im Rahmen der
ansonsten wunderbar ausgestalteten Gesundheitsreform
daran etwas zu ändern. Die FDP hätte im Übrigen auch
die Chance, zu unterstreichen, wie sehr sie für Wettbewerb eintritt. Das ist ein Bereich, der Ihnen bisher eher
Sorgen bereitet.
({14})
Ich glaube, dass ein Wirtschaftsminister, der anstrebt, für
mehr Wettbewerb zu sorgen, für diesen Bereich eine
klare Aussage treffen müsste. Das hat er bisher nicht getan.
Ich meine, dass es eine ganze Reihe von Bereichen
gibt, in denen man etwas für Unternehmerinnen und Unternehmer tun kann. Der Deutsche Juristentag diskutiert
die Novelle des GmbH-Rechts. Das hört sich sehr technisch an, sie ist aber zurzeit in den Händen der Juristen.
({15})
Eines muss uns doch Sorgen machen. Viele, die ein Unternehmen gründen oder umgründen, wählen keine deutsche Rechtsform, sondern melden ihre Firma in England
an und gründen eine Limited, weil unser System zu
schwerfällig ist und nicht die Bedürfnisse von kleinen
und mittleren Unternehmen abbildet. Bei uns findet eine
Debatte auf den hinteren Rängen und ohne den Justizminister statt. Teil dieser Auseinandersetzung sind die
Rechtspolitiker der Unionsfraktion. Der Bundeswirtschaftsminister, dessen Aufgabe es ist, gute Rahmenbedingungen für Selbstständigkeit zu schaffen, hat sich
dazu noch nie geäußert, auch in dieser Debatte nicht. Ich
kritisiere an diesem Wirtschaftsminister, dass er sich mit
den Problemen der kleineren und mittleren Unternehmen
nicht beschäftigt, sondern sie allenfalls einmal in Sonntagsreden erwähnt.
({16})
Herr Bundeswirtschaftsminister, ich finde, es wäre
angebracht, einmal Position zu beziehen: Soll es neben
der klassischen GmbH-Novelle weitere Liberalisierungen geben - das wollen die Rechtspolitiker der Unionsfraktion -, die zum Beispiel die Haftungsbeschränkung
für Existenzgründer erleichtern und damit deren Risiko,
ein Unternehmen zu gründen, eingrenzen, oder nicht?
Wenn Sie einen Beitrag in dieser Debatte leisten würden,
würden es Ihnen die Unternehmerinnen und Unternehmer danken. Bisher haben Sie keinen solchen Beitrag
geleistet.
Letzte Bemerkung zur Unternehmensteuerreform.
Der Kollege Ramsauer hat einiges rigoros abgelehnt,
was bisher geplant ist. Ich sage Ihnen, was meine größte
Sorge ist: dass wir als Ergebnis der Auseinandersetzung
der großen Koalition die schlechtere beider Welten bekommen, nämlich eine Absenkung der Steuersätze für
die großen, relativ gut verdienenden Konzerne auf der
einen Seite und - damit das Ganze möglichst aufkommensneutral ist - eine Gegenfinanzierung zulasten der
kleinen und mittleren Unternehmen auf der anderen
Seite.
Es reicht aber nicht, hier pauschale Äußerungen zu
machen. Ich erwarte von dem Wirtschaftsminister, dass
er in den Arbeitsgruppen, in denen er sitzt, dafür Sorge
trägt, dass die Unternehmensteuerreform nicht die großen Unternehmen begünstigt und von den kleinen bezahlt wird. Eine Reihe von Vorschlägen, die jetzt auf
dem Tisch liegen, untermalen, dass wir besorgt sein
müssen. Vor diesem Hintergrund reicht es meiner Meinung nach nicht aus, sich in Zeitungsinterviews zu äußern. Vielmehr müssen Sie sich in den Arbeitsgruppen
der Koalition für eine mittelstandsfreundliche Unternehmensteuerreform einsetzen. Das haben Sie bisher nicht
getan.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({17})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort Dr. Michael
Fuchs.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Wolf, ich freue mich, dass Sie die
Zeit gehabt haben, in den Plenarsaal zurückzukehren,
nachdem Sie hier eben gewaltige Worte gesprochen hatten. Ich möchte einen Bezug zu Ihrer Politik in Berlin
herstellen. Die Arbeitslosigkeit in Berlin liegt mehr als
ein Drittel über dem Bundesdurchschnitt. Sie haben in
jedem der letzten drei Jahre einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit verzeichnen müssen. Dafür nur folgende
Zahlen: Das Wachstum im Saarland betrug im letzten
Jahr 2,7 Prozent, in Berlin minus 0,1 Prozent.
({0})
Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner von Berlin
liegt noch nicht einmal bei der Hälfte von Hamburg,
Frankfurt, Köln oder München.
({1})
Es gibt hier über 300 000 Arbeitslose. Für diese Politik
zeichnen Sie als Wirtschaftssenator verantwortlich.
({2})
Ich weiß nicht, mit welchem Recht Sie sich hierhin
stellen und den Bundeswirtschaftsminister kritisieren,
der dafür sorgt, dass wir in diesem Jahr 2,4 Prozent
Wachstum bekommen - das ist eine Tatsache -, wie das
Institut für Weltwirtschaft in Kiel voraussagt. Ein
Wachstum in dieser Höhe hat es in den letzten sechs, sieben Jahren nicht mehr gegeben. Das führt dazu, dass sich
bei uns etliches verbessert.
Verehrte Frau Kollegin Lührmann, ich bin von Ihnen
eigentlich ein bisschen enttäuscht. Sie hatten die Gelegenheit, mit dem Minister nach Malaysia und nach
Indien zu reisen. Ich habe gedacht, Sie hätten ein bisschen besser aufgepasst und etwas gelernt.
({3})
Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Der Minister
sollte überlegen, ob es Sinn macht, Sie noch einmal mitzunehmen.
({4})
Lassen Sie mich zu den Fakten kommen. Ein Punkt
muss immer wieder erwähnt werden: Erstmals seit fünf
Jahren entstehen in Deutschland wieder Arbeitsplätze
im sozialversicherungspflichtigen Bereich.
({5})
Das ist die Folge unserer Politik. Wir haben gegenüber
dem letzten Jahr 129 000 Arbeitsplätze im sozialversicherungspflichtigen Bereich mehr. Wenn es uns nun
nicht gelingt, die Sozialversicherungssysteme zu sanieren, dann können wir ihre Sanierung sowieso vergessen.
Auch die Steuereinnahmen sprudeln. Die kritischen
Haushälter haben errechnet, dass wir circa 3,5 Milliarden Euro mehr einnehmen, als ursprünglich geplant.
Auch die Kommunen profitieren davon. Die Mainmetropole - verehrter Herr Senator, nehmen Sie sich daran ein
Beispiel - hatte für dieses Jahr 900 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen geplant.
({6})
Bis Ende August sind bereits 1,22 Milliarden Euro eingegangen. Man rechnet in Frankfurt jetzt mit
1,4 Milliarden Euro Einnahmen. Das ist eine positive
Zahl, die einmal genannt werden muss.
({7})
Es wäre sehr erfreulich, wenn Sie das mit Ihrer Politik
auch hinbekämen. Aber davon sind Sie meilenweit entfernt.
({8})
Das Wachstum hat sich belebt. Genau das brauchen
wir. Auch da hat die Bundesregierung die Weichen richtig gestellt. Ich erinnere nur an die diversen neuen Programme, die wir bei der KfW aufgelegt haben. Auch
dazu eine Zahl. Es sind mittlerweile Mittel in der Größenordnung von 7,5 Milliarden Euro abgerufen worden.
Zum Vergleich: Im letzten Jahr waren es weniger als
2 Milliarden Euro.
Das CO2-Programm - das muss doch in Ihrem Sinne
sein ({9})
hat sich bewährt. Die Mittel werden kräftig abgerufen.
Das Gebäudesanierungsprogramm hat sich bewährt.
Auch diese Mittel werden kräftig abgerufen. Das alles
sind Maßnahmen, die wir zur Verbesserung der Situation
des Mittelstands ergriffen haben. Das war dringend notwendig.
({10})
Aber wir sind noch lange nicht am Ende damit. Es ist
notwendig, dass wir weitere Maßnahmen ergreifen. Ich
bin mir bewusst, dass die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger, die wir aufgrund der fatalen Haushaltssituation für das nächste Jahr planen mussten, weitere
Maßnahmen nach sich ziehen müssen. Wir wollen, dass
sich in Deutschland Leistung lohnt. Wir wollen die Leistungsträger fördern. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen
von der SPD - Sie sind ja unsere neuen Freunde, wie
Herr Stiegler eben deutlich gesagt hat -,
({11})
ich habe mich so richtig gefreut, als mein Landesvater
- ich bin Rheinland-Pfälzer - den alten Spruch von
Helmut Kohl aus dem Wahlkampf 1982 kopiert hat.
({12})
Kopiert wird eigentlich immer nur etwas Positives, etwas Gutes. Insofern finde ich diese Kopie - „Leistung
muss sich wieder lohnen“; da hat er Recht - völlig in
Ordnung.
({13})
Auf diese Art das Signal zu setzen, dass wir die Leistungsträger in der kommenden Zeit unterstützen, halte
ich für notwendig und richtig.
({14})
Deswegen werden wir verstärkt Bürokratie abbauen.
Das erste Mittelstandsentlastungsgesetz ist in trockenen
Tüchern. Kurz vor der Sommerpause haben wir es verabschiedet. Das zweite wird noch in diesem Jahr kommen. Es wird in allen Ressorts intensiv daran gearbeitet.
Wir werden beweisen, dass es möglich ist, diesen Moloch Bürokratie zu reduzieren.
Wir werden das Standardkostenmodell jetzt konsequent anwenden. Ich hoffe, dass wir die Basiszahlen bis
zum Sommer nächsten Jahres haben werden. Darauf basierend werden wir mit weiteren Abbaumaßnahmen beginnen. Das alles ist in trockenen Tüchern und läuft.
Der Normenkontrollrat wird nächste Woche bekannt
gegeben und noch bis zum Ende dieses Jahres seine Arbeit aufnehmen. Das ist ein weiteres Signal an die Wirtschaft und genau das richtige. Wir sollten das gemeinsam voranbringen. Ich bin mir sicher, dass wir mit der
Unterstützung unseres Wirtschaftsministers da auf dem
richtigen Weg sind.
({15})
Noch ein Wort zu den Steuersystemen. Deutschland
befindet sich im Wettbewerb der Steuersysteme. Machen
wir uns bitte nichts vor: Wenn wir kein vernünftiges
Steuersystem haben, wenn es uns nicht gelingt, eine vernünftige Unternehmensteuerreform auf die Bahn zu
bringen, dann werden wir noch mehr Standortprobleme
haben. Wir leben nicht in einem Glashaus. Wir können
nicht so tun, als sei alles, was um uns herum passiert,
egal. Im Gegenteil: Wir müssen diesen Wettbewerb annehmen. Deswegen werden wir eine Steuerreform machen, die den Unternehmen hilft.
Die Steuerreform muss rechtsformneutral sein. Es
kann nicht angehen, dass die Personengesellschaften und
die mittelständischen Betriebe mehr belastet werden als
die großen Betriebe. Da bin ich völlig der Meinung von
Herrn Berninger. Wenn er mir zuhörte, würde er das
auch merken. - Wir werden deswegen unbedingt darauf
achten müssen, dass wir bei den Personengesellschaften
Möglichkeiten schaffen, zum Beispiel durch Thesaurierung,
({16})
die eine Kompensation für den höheren Steueransatz,
der dort notwendig ist, gewährleisten.
Dieses Thema müssen wir uns vornehmen. Das muss
schnell gehen. Da muss Sicherheit geschaffen werden.
Es darf auch nicht mehr so sein, dass jemand irgendetwas vor sich hin plappert. Gott sei Dank hat die Kanzlerin letzte Woche sehr deutlich gemacht, dass mit der
Substanzbesteuerung Schluss sein muss. Zinsen dürfen
nicht besteuert werden. Das sind Kosten der Unternehmen und die müssen absetzbar sein. Auch da werden wir
vorankommen.
Bei einem Punkt weiß ich, dass wir noch nicht so
ganz einig sind. Aber auch da, glaube ich, werden wir
die richtigen Wege finden. Wir müssen bei Hartz IV
noch Veränderungen vornehmen. Dass dieser Posten das
Risiko in unserem Haushalt ist, wissen wir alle; darüber
brauchen wir, glaube ich, nicht zu streiten.
Folgendes ärgert mich. Ich komme aus dem schönen
Rheinland, aus einer der schönsten Weingegenden, die
es in Deutschland gibt, nämlich an der Mosel. - Ich
weiß, dass der Wirtschaftsminister als Franke jetzt zum
ersten Mal mit mir uneinig ist; aber ich werde dich irgendwann noch überzeugen. - An der Mosel gibt es
Erntehelfer. Lieber Kollege Stiegler, ich lade Sie ein,
mit mir gemeinsam dort hinzugehen.
({17})
Es ist trotz rund 20 Prozent Arbeitslosigkeit in der Region nicht möglich, 60 Deutsche zu finden - das sind die
berühmten 10 Prozent -, die mit in den Weinberg gehen.
Daran müssen wir arbeiten; dafür müssen wir Lösungen
finden.
({18})
Es kann nicht sein, dass sich die Leute vor dieser Arbeit
drücken. Das dürfen wir nicht zulassen. Ich bin aber sicher, dass wir gemeinsam dafür Lösungen finden werden.
({19})
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lassen Sie uns
festhalten: Das Wirtschaftswachstum steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt, wir schaffen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Wir sind auf einem guten Weg und
daran hat der Bundeswirtschaftsminister einen großen
Anteil.
({0})
Vielen Dank.
({1})
Für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Ute Berg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dass gegen Ende der Wirtschaftsdebatte die erfreuliche
Botschaft, dass die deutsche Wirtschaft wächst, und
zwar so stark wie schon seit fünf Jahren nicht mehr, bereits häufiger verkündet wurde, ist ganz normal. Dass
diese Tatsache nicht allein, wie in der Vergangenheit, der
Exportwirtschaft zuzuschreiben ist, sondern wenigstens
in zarten Ansätzen auch der Binnenkonjunktur, ist besonders erfreulich.
({0})
Parallel dazu geht die Zahl der Arbeitslosen um etwa
eine halbe Million zurück. Das ist ebenfalls ausgesprochen erfreulich, wenn auch überhaupt kein Grund zur
Euphorie, wenn man sieht, dass immer noch 4,3 Millionen Menschen ohne Arbeit sind.
Die positive Botschaft möchte ich aber jetzt noch einmal ganz klar ins Blickfeld rücken, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens höhlt natürlich steter Tropfen den
Stein. Zweitens möchte ich aber einen Gegenpart zu denen setzen, die sich immer noch - wir haben das auch
heute wieder gehört - in Schwarzmalerei und düsteren
Prognosen ergehen und damit der realen Lage einfach
nicht gerecht werden. Wir kennen das schon aus der letzten Legislaturperiode zur Genüge, als ein noch viel größerer Chor permanent den Untergang des Abendlandes
besang und damit Land und Leute verunsicherte. Noch
einmal: Die Lage ist besser, als von vielen prognostiziert.
Nun ist es bekanntlich so, dass der Erfolg viele Väter
oder auch Mütter hat. In diesem Fall sind es natürlich die
Unternehmen - Rainer Wend hat zu Recht darauf hingewiesen - und ihre Mitarbeiter, die durch ihren Einsatz einen maßgeblichen Beitrag zur Aufwärtsentwicklung
geleistet haben. Die Konsumenten haben für entsprechende Nachfrage gesorgt, auch wenn die Sparquote in
Deutschland nach wie vor sehr hoch ist. Aber ebenso
- das möchte ich an dieser Stelle ebenfalls betonen - der
Mix von angebots- und nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik hat dazu beigetragen, dass es in Deutschland wieder aufwärts geht.
Wenn sich Politikerinnen und Politiker bei negativen
Entwicklungen schon immer verprügeln lassen müssen,
können wir jetzt, finde ich, auch ruhig einmal ein paar
Streicheleinheiten einfordern.
({1})
Wir haben in den letzten Jahren unter anderem durch
drastische Steuersenkungen die Unternehmen, speziell
die Personengesellschaften, also die Angebotsseite, gestärkt. Von der geplanten Senkung der Lohnnebenkosten werden wiederum Unternehmen, aber natürlich auch
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren. 2008
- darauf wurde schon mehrfach hingewiesen - wird es
eine Unternehmensteuerreform geben, die weitere Vorteile bringt.
Gerade mit unseren jüngsten Maßnahmen haben wir
aber auch die Nachfrageseite deutlich gestärkt. Wir haben ein Investitionsprogramm von 25 Milliarden Euro
aufgelegt, trotz der erheblichen Sparzwänge, denen wir,
wie jeder weiß, unterliegen. Zu diesem Programm gehören auch die 6 Milliarden Euro, die zusätzlich in Forschung und Entwicklung und damit in Zukunft investiert
werden.
Um die Binnennachfrage in Deutschland weiter anzukurbeln, gibt es nun zunehmend Forderungen, die Tarifentwicklung in Deutschland wieder deutlicher am Produktivitätsfortschritt auszurichten. Angesichts der hohen
preislichen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und der überwiegend rückläufigen Arbeitskosten ist
dies sicher ein Erfolg versprechender Weg zur Stärkung
der Gesamtnachfrage in Deutschland. Darüber sollte
man durchaus nachdenken.
Um die deutsche Volkswirtschaft aber langfristig und
nachhaltig zu stärken, müssen wir natürlich vor allem in
die Innovationsfähigkeit Deutschlands investieren. Wir
müssen diese Innovationsfähigkeit erhalten und möglichst steigern. Wir müssen erreichen, dass Wissenschaftlerinnen und Unternehmerinnen - auch die Männer sind gemeint - das erfinden und das tun, was andere
noch nicht können und noch nicht tun. Mit der Hightechstrategie siedeln wir die Themen Forschung und
Innovationen ganz oben auf der Prioritätenliste an und
fordern andere, nämlich die Länder und die Wirtschaft,
auf, mitzuziehen.
({2})
Der Haushaltsentwurf 2007, über den wir hier diskutieren, spiegelt diese Schwerpunkte wider. Immerhin
19 Prozent mehr Mittel gibt es im nächsten Jahr im
Haushalt des Wirtschaftsministeriums für Forschung
und Entwicklung im Mittelstand. Dieser deutliche
Aufwuchs verstärkt sich sogar bis 2009.
Zwei Aspekte sind mir dabei besonders wichtig:
Erstens. Wir setzen mit den stetigen Erhöhungen der
Mittel für diese Programme ein Signal für Kontinuität
und schaffen eine dauerhafte und verlässliche Planungsgrundlage, die, wie wir alle, die wir Unternehmen besuchen, wissen, von entscheidender Bedeutung für sie ist.
({3})
Zweitens. Wir zielen mit unseren Programmen für
den Mittelstand darauf ab, dass die Forschungsergebnisse schneller als bisher in marktfähige Produkte münden.
({4})
„Aus Ideen werden Taten“, so formuliert die Bundesregierung im Rahmen ihrer Hightechstrategie. Man
könnte auch formulieren: Aus Ideen werden schneller
Taten. Wir verschaffen der Wirtschaft damit wichtige
Impulse und verbessern die Wettbewerbsbedingungen. In der Praxis heißt das vor allem, Vernetzung und
Kooperation zu fördern. Die bekannten und bewährten
Programme des Wirtschaftsministeriums wie Pro Inno,
Inno-Watt und IGF werden wir weiterführen und ausbauen.
Darüber hinaus wird es ein neues Förderangebot geben: die Forschungsprämie. Dabei ist allerdings das
BMBF federführend. Es ist aber letztlich egal, wer gute
Dinge tut, die der Wirtschaft und der Wissenschaft helfen.
({5})
Diese Forschungsprämie soll die Wissenschaftseinrichtungen motivieren, sich stärker auf wirtschaftsrelevante
Themen einzulassen. Diese Prämie sollen Hochschulen
und Forschungseinrichtungen erhalten, die Forschungsaufträge kleiner und mittelständischer Betriebe ausführen. Auch auf diese Art können Kooperationen und Vernetzungen unterstützt werden.
Existenzgründern und kleinen und mittelständischen
Unternehmen den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu verbessern, ist ein weiteres Ziel. Hier helfen wir
zum Beispiel mit dem Hightechgründerfonds und dem
ERP-Innovationsprogramm.
Die Attraktivität und Innovationsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes bemisst sich aber auch an der Verfügbarkeit und Qualität seiner Arbeits- und Fachkräfte.
Dazu erreichen uns in diesen Tagen gegensätzliche
Nachrichten. Auf dem Ausbildungsstellenmarkt bleibt
die Situation weiter angespannt. Die Lage hat sich im
Vergleich zum Vorjahr sogar verschlechtert. Die BA
rechnet mit einem leichten Zuwachs bei den Bewerberzahlen und gleichzeitig mit einem leicht rückläufigen
Angebot an Ausbildungsstellen. Optimistischen Schätzungen zufolge werden Ende des Monats 47 000 unvermittelte Jugendliche 12 000 unbesetzten Ausbildungsstellen gegenüberstehen. Das ist eine Besorgnis
erregende Situation.
({6})
Die gute Nachricht kommt von den Hochschulen.
2005 haben mehr als 250 000 Studierende ihr Studium
abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr gab es eine
Steigerung um 9 Prozent. Besonders erfreulich ist dabei
die Steigerung der Zahl der Absolventen um 26 Prozent
im Fach Informatik. Das ist ein neuer Höchststand. Hohe
Zuwachsraten gibt es aber auch bei der Mathematik, den
Naturwissenschaften und den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen. Für den Technologiestandort
Deutschland und seinen Bedarf an hoch qualifiziertem
Personal ist das natürlich ermutigend. Die verlässliche
und investive Hochschulpolitik des Bundes der letzten
Jahre - ich schaue jetzt Edelgard Bulmahn an, die dafür
verantwortlich war -, unter anderem in Form von
BAföG-Leistungen an Studierende, aber auch die konkrete Förderung technischer und naturwissenschaftlicher
Projekte an den Hochschulen tragen ihre Früchte.
Frau Kollegin, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?
Ich komme zum Schluss.
Bitte.
Ich bin sicher: Mit der Hightechstrategie, der Konzentration auf den innovativen Mittelstand und den Investitionen in die Begabungen und Fähigkeiten der Menschen
in den Unternehmen werden wir auch in der Wirtschaftspolitik positive Erfolge erzielen.
Danke.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Kurt Rossmanith,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Kollegen! Erfreulich ist, dass wir alle uns zuminKurt J. Rossmanith
dest über die vorliegenden Daten und Zahlen einig sind.
Die OECD sagt voraus, dass unsere Wirtschaft dieses
Jahr um 2,2 Prozent wächst. Dabei muss man berücksichtigen, dass die OECD in ihren Prognosen immer etwas zurückhaltend ist. Also: Die Wirtschaft wächst wieder.
Wir haben 15 Prozent weniger Unternehmensinsolvenzen. Wir haben eine halbe Million weniger Arbeitslose als im vergangenen Jahr. Wir haben einen rasanten
Anstieg der Zahl derjenigen, die sich dazu berufen fühlen, etwas zu unternehmen, und die deshalb Unternehmen gründen. Deswegen, aber auch, weil wir die Konsolidierung des Haushaltes ernst nehmen, werden wir in
diesem Jahr - das kann man in diesem Monat schon mit
Sicherheit sagen - die EU-Defizitkriterien erfüllen.
Das sind durchaus Daten, die man verkünden sollte.
Neben unserer sehr vernünftigen Politik und neben den
im vergangenen und in diesem Jahr geschaffenen Rahmenbedingungen sind es die Bürgerinnen und Bürger
draußen im Lande, die für die positive Entwicklung
verantwortlich sind. Sie haben nämlich wieder Mut gefasst. Diese Entwicklung sollten wir nicht von vornherein wieder negieren.
Aber der Herr Kollege Brüderle - das zieht sich durch
die ganze Woche - tut genau dies. Ich habe die FDP bisher immer sehr geschätzt.
({0})
- Ja, ich sage nur die Wahrheit. Wir als Abgeordnete
sind dem deutschen Volk und der Wahrheit verpflichtet.
({1})
Deshalb sage ich: Ich schätze durchaus die eine oder andere Idee der FDP, gerade im Wirtschaftsbereich.
({2})
Es ist aber unverständlich, dass Sie ständig auf den alten
Zopf Mehrwertsteuererhöhung, egal ob es passt oder
nicht, hinweisen.
({3})
Herr Kollege Brüderle, setzen Sie sich doch einmal
aufs Fahrrad und fahren von Ihrem Heimatort aus in
Richtung Westen nach Frankreich. Dort gibt es eine
Mehrwertsteuer von 19,6 Prozent. Ich war dieses Jahr
mit dem Fahrrad in Österreich unterwegs. Dort gibt es
20 Prozent Mehrwertsteuer.
({4})
Ein Schleswig-Holsteiner wird vielleicht mit dem Fahrrad nach Dänemark fahren. Dort gibt es 25 Prozent
Mehrwertsteuer. Mit Ausnahme der Schweiz, die nicht
zur EU gehört und die einen sehr niedrigen Mehrwertsteuersatz hat,
({5})
haben alle anderen Länder um uns herum einen höheren
Mehrwertsteuersatz als wir. Lassen Sie also diese Geschichte!
Wir werden den jetzt sichtbaren Aufschwung auch
im Jahr 2007 haben. Ich garantiere Ihnen: Wir werden
noch nicht einmal die von manchen Pessimisten befürchtete Delle zu Anfang des Jahres haben. Dies ist auch
wichtig, weil wir nur dann bei der Konsolidierung des
Haushaltes erfolgreich sein können, wenn sich dieser
Aufschwung fortsetzt. Die Konsequenz ist logischerweise, dass wir die Arbeitslosenzahl senken und dafür
sorgen müssen, dass die Steuereinnahmen steigen.
Man kann Subventionen durchaus kritisch sehen.
Aber man kann Subvention nicht gleich Subvention setzen. Ich muss wissen, welche Subvention sich konsumtiv auswirkt. Die muss nämlich weg. Konjunkturfördernde Subventionen müssen wir aber ausbauen oder
zumindest beibehalten.
Liebe Frau Kollegin Ulrike Flach, der Anstieg um
9 Prozent muss im Zusammenhang mit dem 25-Milliarden-Investionsprogramm gesehen werden. Darum geht
es. Sie sollten sagen: Gut, dass Sie das gemacht haben.
Das unterstützen wir. Damit leisten wir unseren Beitrag
dazu, dass die Menschen wieder Arbeit finden.
({6})
Herr Bundesminister Glos, wir werden über viele
Haushaltsposten des Einzelplans 09, Wirtschaft und
Technologie, diskutieren müssen. Wir müssen über die
Mittelstandspolitik, die Forschungspolitik und die Auslandswirtschaft sprechen. Wir müssen den Export stärken, aber auch dafür sorgen, dass ausländische Investoren bei uns investieren.
Frau Kollegin Flach, ich muss Sie noch einmal ansprechen. Ich stelle mich vor unsere Raumfahrtindustrie, vor die auf diesem Gebiet tätigen Unternehmen,
aber auch vor das Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt. Die Mitarbeiter lasse ich von niemandem in
diesem Hause schlechtreden. Sie leisten eine hervorragende Arbeit. Sie sind bei uns für Hochtechnologie zuständig. Sie schaffen Arbeitsplätze.
({7})
Heute Nachmittag wird die amerikanische Raumfähre
„Atlantis“ wieder zur Raumstation ISS starten. Sie wird
auch deutsche Technologie an Bord haben. In diesem
Zusammenhang danke ich all denjenigen, die daran beteiligt sind.
({8})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Flach?
Aber selbstverständlich.
Bitte.
Danke schön, Kollege Rossmanith. - Ist Ihnen nicht
aufgefallen, dass ich sehr deutlich in Ihrem Sinne gesprochen habe? Deswegen frage ich Sie: Wie werden Sie
eigentlich damit fertig, dass es in dieser Bundesregierung über das Thema Raumfahrt offensichtlich nur einen
sehr unverbindlichen Diskurs gibt? Wenn ich die entsprechende Broschüre zur Hand nehme, muss ich diesen
Eindruck gewinnen. Das habe ich bemängelt.
({0})
Verehrte Frau Kollegin, Sie haben kritisiert, dass wir
kein Konzept für die Raumfahrt hätten. Die Situation
wird weder vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt noch von der Industrie noch von der begleitend tätigen Politik auch nur annähernd so beschrieben
wie von Ihnen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie Ihre Aussage in Ihrer Frage korrigiert. Dafür bin
ich Ihnen dankbar.
({0})
Wir werden auf diesem Weg gemeinsam voranschreiten. Wir werden auch auf dem Sektor der Luft- und
Raumfahrt erfolgreich sein. Deutschland ist ein Hochtechnologieland. Neben den Werften, die ich nicht vergessen will, ist die Luft- und Raumfahrt dabei ein ganz
wesentlicher Faktor.
Der Tourismus - ich sehe gerade den Koordinator ist auch ein wichtiger Bereich.
Eine anerkennende Anmerkung zur Wismut GmbH.
Ich will jetzt nicht auf die Höhe der Kosten eingehen.
Wir haben noch rund 180 Millionen Euro zu leisten. Auf
diesem Gebiet wird großartige Arbeit geleistet. Die
Landschaft zwischen dem Süden Thüringens und Sachsen wurde kultiviert und landschaftlich so hergestellt,
wie man sich die Region zwischen dem Erzgebirge und
dem Elbsandsteingebirge gerne vorstellt. Dafür ist den
Menschen, die daran mitgearbeitet haben, aber auch allen Bundesregierungen, die dieses Projekt seit Beginn
mitgetragen haben, zu danken.
Eine Bemerkung zur Steinkohle, über die schon viel
gesagt worden ist. Leider Gottes verrinnt die Zeit. Herr
Bundesminister Glos, ich will das, was wir erwarten und
benötigen, deshalb ganz kurz in drei Punkten zusammenfassen: Erstens. Es muss eine Entscheidung zwischen den Verantwortlichen gefunden werden, das heißt,
zwischen der Bundesregierung, den Landesregierungen
- in erster Linie der von NRW - und der RAG.
({1})
Wir brauchen zweitens eine Klärung der künftigen
Struktur der RAG und drittens klare Aussagen über die
energiepolitischen Ziele der Bundesregierung.
({2})
Natürlich ist hierbei auch Bundesminister Gabriel gefragt. Es kann nicht gehen, wie Frau Lührmann -
Herr Kollege Rossmanith, da die drei Sätze zu Ende
sind und Sie Ihre Redezeit so deutlich überschritten haben, bitte ich Sie, zum Ende zu kommen.
Noch ein Satz, Frau Präsidentin. Ich bedanke mich,
dass Sie mir meinen Schlusssatz noch gewähren. Darüber freue ich mich.
({0})
Sie haben gesehen: Es gibt wirklich sehr viele und interessante Themen - man könnte fast eine Stunde darüber sprechen -,
({1})
die wir in den Beratungen des Haushaltes auf uns nehmen werden. Ich freue mich schon auf diese Beratungen.
Langweilig wird uns im Haushaltsausschuss mit Sicherheit nicht.
({2})
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Annette Faße, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Die Welt zu Gast bei Freunden“ lautete das Motto der
Fußballweltmeisterschaft in diesem Jahr. „Zu Gast bei
Freunden“ sollen sich weiterhin die deutschen Gäste in
Deutschland und die ausländischen Gäste bei uns fühlen.
({0})
Im WM-Sommer 2006 hat sich Deutschland als Gastland hervorragend präsentiert. Die Zahl der Übernachtungen in Beherbergungsstätten und auf Campingplätzen
in Deutschland ist im Vergleich zum Juni 2005 um
8 Prozent auf 35,4 Millionen gestiegen.
({1})
Dazu hat insbesondere der kräftige Zuwachs der Anzahl
der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland mit
einem Plus von 31 Prozent beigetragen. Wir gehen davon aus, dass sich die Fußballweltmeisterschaft und
auch die Fußballweltmeisterschaft der Mental Behinderten nachhaltig positiv auf den Tourismus in Deutschland auswirken werden.
({2})
Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen werden weiterhin alles tun, um diesen boomenden
Wirtschaftszweig, den Tourismus, zu unterstützen.
({3})
Das bezieht sich nicht nur auf den Haushalt, über den
wir im Moment diskutieren, sondern wir finden auch
- denn der Tourismus ist eine Querschnittsaufgabe - in
vielen anderen Haushalten entsprechende Haushaltstitel.
Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen, wie
wichtig der Tourismus für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist: 8 Prozent des Bruttoinlandproduktes werden in diesem Bereich erarbeitet. 2,8 Millionen Menschen sind in diesem Bereich tätig. Dort wird in
zwölf Berufen ausgebildet. An dieser Stelle sei noch einmal laut gesagt: In diesem Bereich gibt es noch freie
Ausbildungsplätze, und zwar auch in den neuen Bundesländern.
({4})
Ganz wichtig ist für uns natürlich die Werbung um
Ausländer, die in Deutschland Urlaub machen sollen.
Dafür ist die DZT ein guter, sachverständiger und kompetenter Partner. Die DZT ist in Verbindung mit den
Bundesländern auch für die Inlandswerbung zuständig.
Wir halten die Zusage aus dem Koalitionsvertrag ein, die
DZT weiterhin auf hohem Niveau zu unterstützen. Im
Haushalt haben wir 24,974 Millionen Euro angesetzt.
Das ist die gleiche Summe wie im letzten Jahr. Ich bin
froh, dass es keine Kürzungen gibt; das sage ich ganz
deutlich. Ich würde mich natürlich über jeden Euro mehr
freuen.
({5})
Mein Dank gilt an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern, die weltweit für den Deutschlandtourismus tätig sind, häufig in Verbindung mit Instituten
oder unseren Industrievertretungen in anderen Ländern.
({6})
Der Titel „Förderung der Leistungssteigerung im
Tourismusgewerbe“ beträgt wieder 1,4 Millionen Euro.
Für mich ist sehr wichtig, dass wir den größten Anteil
hiervon, nämlich 750 000 Euro, in den Bereich Weiterbildung im Tourismus investieren, indem wir das Deutsche Seminar für Tourismus in Berlin massiv unterstützen. Aber wir haben auch Geld zur Verfügung, um
Grundlagenuntersuchungen zu machen und um einzelne
Projekte, die den Tourismus voranbringen sollen, zu unterstützen. Damit, meine ich, können wir uns auch weiterhin aktiv für den Tourismus in Deutschland einsetzen.
Die Tourismuswirtschaft profitiert generell von der
mittelstandsfreundlichen Politik der Bundesregierung. Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass es zwei
Haushaltstitel gibt, in denen die Tourismuswirtschaft
massiv mit im Spiel ist: zum einen bei den GA-Mitteln
und zum anderen beim ERP-Sonderprogramm. Ein großer Teil dieser Gelder ist in die touristische Infrastruktur
geflossen. Wir gehen davon aus, dass auch in Zukunft
alle Chancen genutzt werden, insbesondere auch die
Möglichkeiten in Richtung Osten. Wir haben mit dem
zuständigen Minister aus Mecklenburg-Vorpommern
hart gerungen, um auch für Hotels und die Gastronomie
eine Öffnung zu erreichen, damit das Geld genutzt werden kann.
({7})
Wir bekommen auch aus den Haushalten anderer
Ministerien finanzielle Hilfen. Ich möchte aus jedem
dieser Haushalte nur einen Punkt aufgreifen: Der gesamte Bereich Familienerholung, Jugendwerke, Jugendbildung und Jugendherbergen findet sich nicht in unserem Haushalt, sondern im Haushalt des BMFSFJ; das ist
ein großer Brocken.
Lassen Sie mich eines besonders hervorheben - es
wurde nämlich einmal kritisch darüber diskutiert, ob das
so bleiben sollte -: Wir haben die NatKo, die Nationale
Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V., die sich dafür einsetzt, die Reisemöglichkeiten für Behinderte zu
verbessern, im Gesundheitsministerium angesiedelt. Ich
freue mich sehr, dass wir diese Stelle so wie bisher erhalten konnten, und hoffe, dass sie weiterhin gut arbeitet.
Im Haushalt des Umweltministeriums sind etliche
Ansätze enthalten, die sich mit ökologisch verträglichem
Tourismus befassen; das begrüße ich sehr. Im Haushalt
für Landwirtschaft sind der Bereich Urlaub auf dem
Bauernhof und damit auch Chancen für die Entwicklung
der ländlichen Räume zu finden.
Ich meine, dass wir dem Wirtschaftszweig Tourismus
mit diesem Haushaltsentwurf in den verschiedenen Einzelplänen gerecht werden. Ich erwarte, dass wir weiterhin auf die Vielfalt und Qualität der Angebote in
Deutschland setzen. Ich sage an dieser Stelle klar und
deutlich: Wir müssen mit unserer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik dazu beitragen, dass sich in Zukunft
mehr Menschen Urlaub in Deutschland leisten können.
(Dr. Michael Meister ({8}): Hoffentlich
hat das der Finanzminister gehört!
Danke schön.
({9})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen damit zur Schlussrunde. Als erstem
Redner erteile ich das Wort dem Bundesfinanzminister
Peer Steinbrück.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Ich möchte mich für die erste Lesung des Bundeshaushalts 2007 bedanken. Die Mannschaftsaufstellung, der Ablauf, der Austausch der Argumente und gelegentlich auch die rhetorischen Effekte
waren nicht immer voller Überraschungen. Aber ich
stelle fest: Wir alle ziehen an einem Boot, die Oppositionsfraktionen zwar gelegentlich in eine andere Richtung und nicht zur selben Zeit, aber zumindest die Koalitionsfraktionen.
({0})
Ich will daran erinnern: In meiner Rede zur Einbringung des Haushalts habe ich dafür geworben - mir ist
daran gelegen, das auch heute zu unterstreichen -, die
derzeit erfreuliche und hoffentlich anhaltend gute Entwicklung des Wirtschaftswachstums, des Arbeitsmarktes
und der Steuereinnahmen nicht in Euphorie umschlagen
zu lassen. Tatsächlich haben wir die strukturellen Probleme in der Haushalts- und Finanzpolitik bisher nicht
gelöst. Ehrlicherweise müssen wir auch der jüngeren
Generation unter der Überschrift soziale Gerechtigkeit
sagen: Die Generationsgerechtigkeit ist durch die Situation, die wir im Augenblick bei Haushalt und Finanzen
vorfinden, keineswegs gewährleistet. Der Vorwurf der
jüngeren Generation, dass wir uns mehr leisten, als wir
zuvor selbst geleistet haben, ist berechtigt.
({1})
Richtig ist: Die Koalition hat mit dem Haushalt 2006
sehr gezielt einen die Konjunktur stützenden Haushalt
vorgelegt, der, wie ich glaube, mit dazu beiträgt, dass
sich die Horizonte momentan aufhellen. Wir alle wissen,
dass der Haushaltsentwurf 2007 der Einstieg - ich sage
sehr bewusst: Einstieg - in einen Konsolidierungskurs
ist.
Ich bestätige gerne, dass die Kritik von Frau Hajduk
- sie wurde auch von vielen anderen Rednern vorgetragen - durchaus Gewicht hat, die darauf abzielt, dass die
Senkung der Nettokreditaufnahme „bloß“ auf
20,5 Milliarden Euro im Jahre 2010 definitiv kein
Durchbruch ist. Das ist eine Einschätzung, die ich teile.
Man kann dem entgegenhalten, wenn man das 25-Milliarden-Euro-Wachstums-und-Impulsprogramm dagegenrechne, habe man es jahresdurchschnittlich mit einer Absenkung um weitere 6 Milliarden Euro zu tun. Unter
dem Strich können wir aber bei der bisherigen mittelfristigen Finanzplanung nicht behaupten, dass bei einer
Nettokreditaufnahme von 20,5 Milliarden Euro im Jahre
2010 eine wirkliche Verringerung des Tempos der Neuverschuldung stattfindet.
Das zwingt in meinen Augen zu der Schlussfolgerung, dass eventuelle, hoffentlich entstehende Mehreinnahmen aus der Wachstumsentwicklung und Effizienzgewinne auf der Ausgabenseite einer weiteren
Absenkung der Nettokreditaufnahme zugeführt werden
müssen
({2})
und/oder in Investitionen gesteckt werden müssen, jedenfalls nicht konsumtiv verausgabt werden können.
Über das Verhältnis - wie viel soll zur Senkung der Nettokreditaufnahme verwendet werden, wie viel soll in die
Zukunft investiert werden? - kann man reden; darüber
wird es Debatten geben, aber das Prinzip sollte unstrittig
sein, auch im Lichte dieses Haushaltes. Denn nur so verringern wir das Verschuldungstempo - von einer Entschuldung sind wir nach wie vor entfernt - und nur so
können wir Verbesserungen erreichen bei einem anderen
Problem, das wir gelegentlich unterschätzen: die ungünstige Struktur unserer Ausgaben, die eindeutig zu
stark vergangenheitsorientiert und zu wenig zukunftsorientiert sind.
Frau Lührmann fragte, warum wir das, was in diesem
Jahr an Mehreinnahmen hereinkommt, nicht komplett
für die Absenkung der NKA verwenden. Ich habe davon
gesprochen, dass wir den Löwenanteil dafür einsetzen.
Der Grund, Frau Lührmann, liegt darin, dass wir es im
Augenblick mit einer etwas angespannten Kapitalmarktverfassung eines Unternehmens zu tun haben und man
sich sehr genau überlegen muss, ob man die vorgesehenen Platzhaltergeschäfte noch in diesem Jahr macht oder
dann, wenn die Kursentwicklung wieder etwas günstiger
ist. Das ist die einfache Erklärung dafür und ich denke,
dass Frau Hajduk das auch vermitteln kann.
({3})
Als Aperçu: Ich habe registriert, dass ich meine Einbringungsrede kaum zu Ende gesprochen hatte, da forderte bereits das erste Mitglied der Koalitionsfraktionen
für einen bestimmten Einzelplan für die nächsten beiden
Jahre 1 Milliarde Euro mehr. Da fragt man sich schon,
ob man nicht Schall und Rauch geredet hat!
({4})
- Ja. Aber ich darf dann am nächsten Tag in der Zeitung
lesen, dass ein bestimmter Einzelplan in den nächsten
beiden Jahren mit 1 Milliarde Euro mehr ausgestattet
werden soll. Dabei macht sich dieser Abgeordnete dieses
Hohen Hauses offenbar keine Gedanken darüber, was
das für die Regelgrenze des Art. 115 Grundgesetz heißt
oder wie es um die anderen Grenzen bestellt ist, die wir
einzuhalten haben. Das macht keinen Sinn.
({5})
Ich will einige Themen aufgreifen, die im Mittelpunkt
gestanden haben. Noch einmal zur Erhöhung der
Mehrwertsteuer: Es war eine lebhafte, vorhersehbare
Debatte mit klaren Fronten. Fazit bleibt: Bundestag und
Bundesrat haben beschlossen! Ich für meinen Teil erinnere daran, dass ich bereits im Februar von dieser Stelle
aus auch mit Blick auf Verlässlichkeit gesagt habe, dass
sich die Republik darauf einstellen soll, dass diese Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozentpunkte, auch wenn sie
unangenehm ist, kommt. Sie ist erforderlich aus zwei
Gründen: um den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung
abzusenken
({6})
und um die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte
mindestens zu stabilisieren. Die Lage der öffentlichen
Haushalte ist hinlänglich bekannt, wird aber immer wieder verdrängt. Im Übrigen halte ich daran fest, dass der
Konsolidierungsbeitrag des Haushaltes 2007 zu 60 Prozent durch Ausgabenkürzungen - 8,9 Milliarden Euro;
3,9 Milliarden Euro die Reduzierung von Steuersubventionen - zustande kommt, denen 8,4 Milliarden Euro an
Steuererhöhungen gegenüberstehen. Das ist das Verhältnis 60/40, das ich am Dienstag genannt habe.
Ich teile übrigens die Forderung des Einzelhandelsverbandes BAG, die Diskussion nun zu beenden und die
Mehrwertsteuererhöhung zu akzeptieren - zumal sie
kommt - und sich nun darauf einzustellen. Dieses Fazit
möchte ich an das Ende unserer Haushaltsdebatte stellen.
Ich teile auch die Hinweise von vielen wichtigen Absendern, dass man diese Erhöhung nicht dramatisieren
sollte. Ich bin sehr dankbar für die jüngsten Stellungnahmen der OECD und für das, was die Europäische Kommission dazu gesagt hat. Namentlich möchte ich auch
dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank danken für
seine Klarstellung, dass sich die Tonlage der Diskussion
über die Erhöhung der Mehrwertsteuer in einem diametralen Gegensatz zu den faktischen Auswirkungen derselben bewegt.
({7})
Nach den Berechnungen der Bundesbank wird es nicht
zu einer Teuerungswelle kommen und mittelfristig wird
auch die deutsche Konjunktur von einer solchen Erhöhung nicht beeinträchtigt. Ich bleibe dabei: Bei Abwägung der relativen Nachteile - genau darum geht es - ist
dieser Weg der beste gewesen. Natürlich gibt es immer
Alternativen, aber meine Überzeugung ist immer gewesen, dass andere Strategien, als die Mehrwertsteuer zu
erhöhen, größere Nachteile haben, auch für den volkswirtschaftlichen Kreislauf.
({8})
Es gab den ernst zu nehmenden Vorschlag von Frau
Hajduk und Herrn Kuhn, diese Erhöhung in drei
Tranchen vorzunehmen: 1 Prozentpunkt, 1 Prozentpunkt,
1 Prozentpunkt. Ich sage ganz freimütig: Je älter ich
werde, desto mehr habe ich etwas gegen Fortsetzungsromane. Ich lese die Bücher immer gerne gleich ganz
durch. Frau Hajduk, ich kann mir auch nicht ganz vorstellen, diese Debatte drei Jahre lang zu führen.
({9})
Herrn Koppelin hier drei Jahre lang immer dasselbe reden zu hören, macht keinen Sinn. Sie können sagen: Das
sind vorgeschobene Argumente von Ihnen, Herr
Steinbrück.
({10})
Der wahre Grund ist aber, dass wir die gesamten haushaltspolitischen Auswirkungen jetzt und nicht durch einen solchen Fortsetzungsroman, gestreckt auf drei Jahre,
brauchen.
An dieser Stelle will ich abschließend zur Mehrwertsteuer daran erinnern, dass häufig vergessen wird, dass
die Mehrwertsteuer für die Güter des täglichen Bedarfs
beim abgesenkten Satz von 7 Prozent bleibt. Das ist in
diesem Zusammenhang verteilungspolitisch nicht ganz
unwichtig.
({11})
Zur Unternehmensteuerreform. Der Koalitionsausschuss und die Bundesregierung haben die Eckpunkte
mit Varianten beschlossen. Das ist jetzt die Grundlage
der politischen Arbeitsgruppe, die vom Kollegen Koch
und von mir geleitet wird. Ich sage es noch einmal: Ich
vermute, dass sich diese Arbeitsgruppe Mitte Oktober
einigen dürfte. Viele von Ihnen sind in dieser Arbeitsgruppe vertreten, zum Beispiel Herr Bernhardt, Herr
Poß, Herr Spiller und viele andere. Ich rate uns dazu,
dass wir uns diese Reifezeit nehmen und nicht täglich
Lieder absingen oder Wasserstandsmeldungen in die Öffentlichkeit bringen. Ich sage Ihnen ganz freimütig, dass
ich nach unserer letzten Sitzung, an deren Schluss ich in
meiner Verabschiedungsarie geraten habe, vorsichtig mit
öffentlichen Einlassungen zu sein, zu viele Zitate und Interviews gelesen habe. Diejenigen, die definitiv keine Interviews gegeben haben, waren Herr Koch und ich.
All das, worüber ich im Augenblick lese - Zeitpunkt
der Abgeltungssteuer, Entlastungsvolumen, Umgang mit
den Fremdkapitalzinsen -, ist im Pott. Wir werden die
Dinge regeln. Ich bitte aber darum, dass wir uns die Verhandlungen nicht erschweren, indem präjudiziert wird
oder Claims abgesteckt werden. So kann das nicht funktionieren. Um mir selber nicht zu widersprechen, will ich
mich auf einige wenige Aussagen in diesem Zusammenhang beschränken.
Erstens. Es wird keine nominale Steuersatzsenkung
ohne eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage geben. Das ist schlechterdings nicht möglich. Das würde
nicht funktionieren.
({12})
Wir haben darüber zu reden, wie sie aussehen wird. Einverstanden.
Zweitens. Aus meiner Sicht ist es in der Tat sehr
wichtig, dass wir die derzeitig bestehende Privilegierung
der Fremdkapitalfinanzierung stoppen. Wir werden die
Probleme mit den Verschiebebahnhöfen in den Griff bekommen müssen. Anders ausgedrückt: Die Unternehmen, die in Deutschland Steuern zahlen, werden durch
die Unternehmensteuerreform besser gestellt als bisher.
Diejenigen, die die Verschiebebahnhöfe bisher grenzüberschreitend genutzt haben, werden eventuell gelegentlich enttäuscht sein.
({13})
Das Ziel, das wir mit dieser Unternehmensteuerreform
verfolgen, lautet, dass Gewinne, die deutsche Unternehmen erzielen, in Deutschland versteuert und nicht
grenzüberschreitend transferiert werden - zum Beispiel
nach Wagadugu, Haparanda, Isle of Man oder weiß der
Teufel wohin - und dass Verluste nicht nach Deutschland verbucht und hier steuerlich geltend gemacht werden können. Ich glaube, dass diese Logik richtig ist.
Drittens. Darüber, was die geeigneten Stellschrauben
dafür sind, um mit dem Hintern nicht das umzuwerfen,
was wir mit den Händen aufbauen wollen, müssen wir
reden. Einverstanden. Mir ist sehr bewusst, dass man mit
Blick auf die Fremdkapitalfinanzierung natürlich aufpassen muss, dass man sich selber nicht widerspricht.
({14})
Ich beziehe das einmal auf meine Person, damit das unverdächtig ist. Natürlich weiß ich: Wenn ich für PPPProjekte bin, also für Projekte, die durch Public Private
Partnership finanziert werden, dann muss ich bei bestimmten Regelungen aufpassen, dass ich einen zu hohen Anteil an Fremdkapitalfinanzierung nicht so bestrafe, dass es in Deutschland solche Projekte nicht mehr
gibt.
({15})
Mir ist sehr bewusst, was das auch für den Mittelstand
bedeutet. Damit niemand nervös wird, sage ich dem Mittelstand: Hier kann man mit Freigrenzen und Freibeträgen so operieren, dass man sich nicht geschröpft fühlt.
({16})
Mir ist selbstverständlich auch bewusst, dass in
Deutschland nach wie vor Unternehmenszusammenschlüsse in anderen Größenordnungen als auf der Ebene
von Mittelstandsunternehmen möglich sein müssen. All
denjenigen, die die Befürchtung haben, wir würden dort
ignorant vorgehen, sage ich: Das ist nicht unsere Absicht. Ziel ist die Stärkung des Steuerstandortes Bundesrepublik Deutschland für inländische und von mir aus
auch die Investoren, die zu uns kommen und hochwillkommen sind, sowie gleichzeitig auch für die öffentlichen Haushalte. Das bedeutet: Damit die nominalen
Steuersätze weitgehend aufkommensneutral, das heißt
ohne Beschädigung für die öffentlichen Haushalte, abgesenkt werden können, muss eine entsprechende Verbreiterung der Bemessungsgrundlage mit der Absenkung
einhergehen.
({17})
Nun habe ich insbesondere auch von der linken Seite
gehört - Herr Bartsch hat dazu auch Stellung genommen -, dass das alles Steuergeschenke sind. Wörtlich
sagte er, dass diese Regierung den Unternehmen, den
Vermögenden, den Banken und den Konzernen wahnsinnige Steuergeschenke machen würde. Es tut mir Leid:
Sie brauchen diesen Antagonismus offenbar immer wie
eine Droge, weil sonst gewissermaßen ihr Ideologiegerüst zusammenfällt. Ich kann damit nichts anfangen. Sie
bringen Formeln wie: Der Kapitalismus steht am Rande
des Abgrunds; auf, lasst ihn uns überholen!
({18})
Niemand bekommt hier etwas geschenkt. Wenn Sie
sagen, es dürfe keine Unternehmensteuerreform geben,
sprechen Sie sich dafür aus, dass alles so bleibt, wie es
ist. Damit meine Ausführungen nicht zu flapsig wirken,
stelle ich Ihnen eine einzige Frage: Glauben Sie, dass es
im Hinblick auf Investitionen und damit auf Arbeitsplätze in Deutschland besser oder schlechter wird, wenn
wir alles so lassen, wie es ist?
({19})
- Ich dachte eigentlich, ich bin ziemlich auf der Höhe
der Zeit gewesen, als ich Ihnen zugehört habe. Aber der
Witz ist: Sie können diese Frage nicht beantworten. Besser gesagt: Sie wollen diese Frage nicht beantworten.
({20})
Wenn Sie diese Frage beantworteten, müssten Sie zugeben, dass das Steuersubstrat, die Steuerbasis in Deutschland geschwächt würde, wenn alles so bliebe, wie es ist.
({21})
Es würden nämlich weniger Investitionen im Lande getätigt und weniger Anlage suchendes Kapital in Deutschland investiert. Sie drücken sich um die Beantwortung
der Frage schlicht und einfach herum. Das ist etwas zu
dünn für eine solche Haushaltsdebatte.
({22})
Kollege Lafontaine hat in seiner Vorlesung zur Außen- und Weltpolitik, zur Zukunft der Menschheit im
Allgemeinen und insbesondere in der Bundesrepublik
Deutschland gesagt,
({23})
eine Steigerung der öffentlichen Investitionen sei notwendig. Das finde ich gut. Wir alle sind damit wahrscheinlich einverstanden. Frau Lötzsch, für mich ist die
Frage entscheidend: Wie denn? Es gibt drei oder vier
Möglichkeiten.
Erstens. Man macht mehr Schulden. Ich möchte gerne
wissen, ob Sie, die Linken, dafür sind, dass wir mehr
Schulden machen.
Zweitens. Man kürzt die Sozialausgaben. Ich bin mir
ziemlich sicher, dass Sie einer Kürzung der Sozialausgaben nicht zustimmen wollen.
Drittens. Man beschließt Steuererhöhungen. Ich gehe
einmal auf diese Debatte ein, damit es zu einem argumentativen Schlagabtausch kommen kann. Ich nenne ein
Beispiel: Wahrscheinlich wollen Sie die Erbschaftssteuer erhöhen und die Vermögensteuer wieder einführen.
({24})
- Das ist ja in Ordnung. Ich lasse mich doch auf diese
Argumentation ein, damit es intellektuell ein bisschen
spannender wird.
({25})
Ich möchte die Relationen aufzeigen. Wenn Sie die
Investitionen im Bundeshaushalt um 10 Prozent erhöhen
wollen, dann müssen Sie die Erbschaftsteuer um
80 Prozent erhöhen. Das betrifft dann auch Menschen
aus niedrigeren Einkommensgruppen, die zum Beispiel
ihren Kindern ein kleines Haus oder eine Eigentumswohnung vererben wollen. Ich nenne nur dieses Beispiel, damit Ihnen die Proportionen bewusst werden und
Sie sich nicht immer im Wolkenkuckucksheim bewegen.
Als die Vermögensteuer im Jahre 1996 das letzte
Mal erhoben wurde, hatte sie ein Volumen von 4,5 Milliarden Euro. Sie wissen, dass es zwischenzeitlich ein
Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegeben hat, demzufolge man auf die Gleichbehandlung der Vermögensarten Rücksicht nehmen müsse. Das heißt, man könnte
die Vermögensteuer so nicht wieder einführen. Auch
hier reden wir also über Summen, die erkennbar nicht
das bringen, was Sie an Mehrforderungen aufstellen, und
zwar nicht nur im investiven Bereich, sondern auch - Sie
haben da grandiose Forderungen - im Bereich der
Sozialausgaben. Das funktioniert nicht. Ich möchte da
von Ihnen etwas mehr Butter bei die Fische bekommen.
Wenn Sie in den Raum stellen, die Sozialausgaben dürften nicht weiter abgesenkt und die Investitionen müssten
weiter erhöht werden, müssen Sie dem staunenden
Publikum schon erklären, wie das funktionieren soll.
({26})
Weil Sie immer den Begriff der sozialen Kälte verwenden, möchte ich darüber reden, was bei den Sozialausgaben Sache ist. Über 50 Prozent der Ausgaben aller
Einzelpläne dieses Haushalts sind Sozialausgaben.
({27})
Da reden Sie von sozialer Kälte! Von jedem Steuereuro,
den wir einnehmen - ich glaube, Waltraud Lehn hat als
Erste daran erinnert -, geben wir 70 Cent im Sozialbereich aus. Wovon reden Sie eigentlich?
({28})
Ich würde gern Herrn Lafontaine fragen, ob er seinerzeit bei den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV
dabei war.
({29})
Ist das Ergebnis von Hartz IV Sozialabbau oder Sozialaufbau?
({30})
Es ist Sozialaufbau, wie man am Bundeshaushalt erkennen kann. Vielleicht äußern Sie sich einmal dazu.
({31})
Es gibt viele andere Punkte, auf die ich eigentlich eingehen müsste, aber die Zeit rinnt mir durch die Finger.
Ich möchte noch auf ein Thema, das eine Rolle spielt,
eingehen: das Verfahren bei der Erbschaftsteuer. Wir
wollen keine Antwort schuldig bleiben. Den Ländern ist
ein Entwurf geschickt worden. Die Länder haben sich
damit befasst, das letzte Mal vor weniger als 48 Stunden
in der Finanzministerkonferenz.Wir befinden uns also in
einem Abstimmungsprozedere.
Die Bundesregierung will eine Reform der Erbschaftsteuer auf Unternehmensnachfolgen im Generationenwechsel. Dabei soll die Erbschaftsteuerschuld auf unternehmerisches Vermögen vollständig entfallen, wenn der
Erwerber das Unternehmen nach der Übergabe zehn
Jahre fortführt. Darüber sind wir uns einig.
Es sind noch drei Detailpunkte zu klären: erstens die
Abgrenzung von Privatvermögen gegenüber Betriebsvermögen, um sozusagen Verschiebebahnhöfe zu verhindern; zweitens - das ist meines Erachtens weniger
wichtig, aber auch zu klären - der Mindestanteil des
Erblassers, wenn er an einer Kapitalgesellschaft beteiligt
ist; drittens die Frage, wie die Klausel formuliert werden
muss, die für diese Steuerprivilegierung aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig ist, um einen Verstoß
gegen das Gleichheitsprinzip zu vermeiden.
Im Hintergrund gibt es ein Problem, das der Bundestag nicht zu verantworten hat; es ergibt sich aus dem
Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofes an das Bundesverfassungsgericht zu den Bewertungsmaßstäben. Wir
alle sind etwas im Unklaren darüber, wann es bei dieser
Bewertungsproblematik im Zusammenhang mit Immobilien- und Geldvermögen zur Klärung kommt.
Wenn wir das einigermaßen koppeln können und auf
den 1. Januar 2007 konzentrieren, dann haben Sie mich
auf Ihrer Seite. Wir sollten aber noch intern klären, wie
wir die Möglichkeiten mit Blick auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil einschätzen. Es geht meiner Ansicht
nach in keiner Weise darum, von den Vereinbarungen im
Koalitionsvertrag Abstand zu nehmen. Wir ziehen vielmehr an dem selben Strang.
Ich würde gerne noch über viele andere Punkte reden.
Das ist aber nicht möglich.
({32})
Ich werde es in Zukunft auch aufgeben, der Kollegin
Flach zu erklären, was laufende Posten im Bundeshaushalt sind. Ich halte daran fest, dass das Volumen
des Bundeshaushalts 2007 eine halbe Milliarde Euro weniger beträgt als 2006. Der Bundeshaushalt entwickelt
sich in der Perspektive bis 2010 jährlich nur mit einer
nominalen Wachstumsrate von 0,7 Prozent. Das heißt, er
nimmt real ab. Frau Flach versucht immer, andere Zahlen anzuführen, weil sie das Durchreichen der Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt an die Arbeitslosenversicherung dazurechnet. Das
wäre aber ungefähr so, als wenn ich Frau Flach
10 000 Euro gäbe mit der Bitte, diese der FDP zuzuführen.
({33})
Darüber kann man reden, wenn Herr Koppelin hier nur
noch über Sport, Fußball und Heringsfang sprechen
würde. Dann würde ich vielleicht diese 10 000 Euro
übergeben.
({34})
Wenn Sie von mir 10 000 Euro erhielten mit der Auflage, Sie mögen sie bitte als Spende der FDP übergeben,
dann würde sich Ihre Familie anschließend über Ihr ungeheuerliches Ausgabegebaren beschweren und Sie hätten Mühe, Ihren Kindern und Ihrem Ehemann zu erklären, dass ich 10 000 Euro mehr ausgegeben habe.
({35})
So ähnlich ist es, wenn man die Einnahmen aus der
Mehrwertsteuererhöhung, die in die Arbeitslosenversicherung fließen, dazurechnet.
({36})
Ich komme zum Schluss. Ich warne vor Euphorie,
aber es gibt eine begründete Hoffnung auf eine dauerhafte wirtschaftliche Erholung, die den Menschen in der
Bundesrepublik Deutschland wieder mehr Arbeit bringt.
Angesichts dieser positiven Fakten ist es mir herzlich
gleichgültig, wer den Aufschwung für sich in Anspruch
nimmt. Sie können sich sicherlich daran erinnern, dass
ich in meiner Einbringungsrede den Aufschwung gerade
nicht für diese Bundesregierung reklamiert habe - anders als Herr Solms, der sich in seiner Rede geradezu
dialektisch geäußert hat.
Ich habe vielmehr - allerdings auch in der notwendigen Bescheidenheit - festgestellt, dass man auf die Leistung der Vorgängerregierung und die richtigen Weichenstellungen der neuen Regierung der großen Koalition
hinweisen darf.
({37})
Das heißt, wenn Herr Solms sagt, die konjunkturelle Erholung sei trotz der Bundesregierung eingetreten, dann
ist das der Pflichtsatz in einer Oppositionsrede.
({38})
Ich weiß, dass dieser Aufschwung nicht von der Bundesregierung initiiert worden ist.
({39})
Er ist aber von uns und von der Vorgängerregierung
maßgeblich unterstützt worden. Er geht auf eine Entwicklung zurück, die ich erfreulich finde. Die deutschen
Unternehmen sind erkennbar wettbewerbsfähiger geworden. Die deutschen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und ihre Gewerkschaften haben maßgeblich zu
dieser Entwicklung beigetragen, nicht nur über moderate
Tarifabschlüsse, sondern auch über andere Verzichtsleistungen und Zumutungen, was an dieser Stelle gewürdigt
werden sollte.
({40})
Wichtig ist mir, dass die Bundesregierung diesen positiven Trend an vielen Stellen nicht nur unterstützt hat,
sondern auch in den kommenden Jahren unterstützen
wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch gut gelingen wird. In Anlehnung an einen alten Ausspruch von
Karl Schiller stelle ich fest: Die Pferde müssen wieder
saufen. Dann bekommen wir auch wieder mehr Einnahmen.
Herzlichen Dank.
({41})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Claudia Winterstein,
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Was ist nun das Fazit dieser Haushaltswoche? Jeder Minister hat auf seine Weise versucht, die Probleme zu verschleiern. Die Kanzlerin hat sich in der Generaldebatte
in die Außenpolitik geflüchtet. Der Finanzminister ist
angetreten, die Haushaltslöcher verbal wegzuzaubern.
Der Arbeitsminister hat vorsichtshalber keine Haushaltszahlen genannt, obwohl gerade in seinem Etat Löcher in
Milliardenhöhe drohen. Die Gesundheitsministerin hat
erkennen lassen, dass sie sich mit Kritik nicht auseinander, sondern sich darüber hinweg setzt.
({0})
Frau Merkel und Herr Steinbrück haben sich selbst
gelobt und gefeiert.
({1})
Wofür? Sie haben sich dafür gelobt, dass der Haushalt
erstmals nach vier Jahren unter der 3-Prozent-DefizitGrenze bleibt und 2007 erstmals nach fünf Jahren verfassungsgemäß ist - wenn es denn wirklich so kommen
wird. Aber, meine Damen und Herren, das ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit,
({2})
zumindest in anderen europäischen Ländern, von denen
wir das fordern. So viel Eigenlob ist also fehl am Platz;
denn es ist ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit.
({3})
Eines habe ich in dieser Woche nicht ein einziges Mal
gehört: das Stichwort „ausgeglichener Haushalt“.
({4})
Sie planen zwar bis zum Jahr 2010, aber ein ausgeglichener Haushalt ist nicht ihr Ziel. Eine Regierung, die
Konsolidierung verspricht, muss aber auch einen ausgeglichenen Haushalt anstreben. Wo bleibt denn die von
Ihnen eingeforderte Nachhaltigkeit, Frau Merkel? Sie legen eine Finanzplanung vor, bei der die Neuverschuldung nach 2007 nicht weiter sinkt, sondern Jahr für Jahr
bei etwa 20 Milliarden Euro liegt. Sie kassieren Jahr für
Jahr die Mehreinnahmen aus Ihren gigantischen Steuererhöhungen, aber die Neuverschuldung liegt immer noch
bei über 20 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist Betrug am
Bürger.
Diese Regierung setzt tatsächlich Akzente - wie es
Minister Steinbrück nannte -, nämlich durch Steuererhöhungen, damit der Staat mehr Geld hat. Sie erhöhen
drastisch die Abgabenlast und ziehen den Bürgern das
Geld aus der Tasche.
({5})
Der Finanzminister hat vorhin auch behauptet,
60 Prozent der Haushaltsveränderung kämen durch
Ausgabenkürzungen zustande, nur 40 Prozent durch
Steuererhöhungen. Das ist ein untauglicher Versuch,
den Bürger für dumm zu verkaufen.
({6})
Sie definieren Subventionskürzungen als Ausgabenkürzungen. Der Abbau von steuerlichen Sonderregelungen bedeutet aber Mehreinnahmen für den Staat. Das
sind also Einnahmeerhöhungen, Herr Steinbrück. Damit
bleibt es bei unserem Vorwurf: Ihre Haushaltsanstrengungen konzentrieren sich allein auf die Einnahmeseite.
Etwas anderes zu behaupten, ist Betrug am Bürger.
({7})
Sehr aufschlussreich fand ich auch die Rede des SPDFraktionsvorsitzenden Struck. Ich zitiere:
Wir machen unsere Arbeit weiter. Deutschland
kann sich auf die SPD verlassen.
({8})
Das ist wirklich ein schönes Kompliment für die Kanzlerin, für mich und viele Bürger aber eher eine Drohung.
({9})
Das ganze Regierungshandeln lässt sich auch so beschreiben: Sie zielen darauf ab, dem Staat Geld zu verschaffen, Sie greifen dem Bürger weiter in die Tasche,
Sie erhöhen die Mehrwertsteuer, obwohl Sie wissen,
dass sie ökonomisch schädlich ist, und Sie machen weiter hohe Schulden und nennen das Konsolidierung.
Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie ruhen sich einerseits auf den besseren Wirtschaftsdaten aus
und provozieren mit der Mehrwertsteuererhöhung andererseits einen wirtschaftlichen Einbruch. Für die FDP
will ich deswegen noch einmal ganz klar sagen: Die
Mehrwertsteuererhöhung ist nicht notwendig und ökonomisch schädlich.
({10})
Sie sägen sich damit den Ast ab, auf dem Sie so bequem
zu sitzen meinen. Sie betrügen also nicht nur den Bürger,
sondern auch sich selbst.
Danke.
({11})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Peter Ramsauer,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Frau Kollegin Winterstein, ich glaube,
Sie machen es sich in Ihrer Analyse und mit Ihrem pauschalen Vorwurf, die Regierung begehe Betrug, etwas zu
leicht.
({0})
Ich gebe Ihnen in einem Punkt durchaus Recht. Sie
haben gesagt, es solle eine Selbstverständlichkeit sein,
dass wieder ein verfassungsgemäßer Haushalt vorgelegt werde, der zudem den Kriterien des europäischen
Stabilitätspaktes genüge.
({1})
Das haben wir schon immer gesagt. Ich darf daran erinnern, dass wir vor über einem Jahrzehnt unter Finanzminister Theo Waigel den europäischen Stabilitätspakt
durchgesetzt haben. Aber damals hat niemand geahnt,
dass wir in Europa die Ersten sein werden, die gegen
diesen Pakt verstoßen, und von 1998 bis 2005 in die
Klemme und damit in den Sanktionsmechanismus geraten werden.
({2})
Wir hatten damals andere Länder im Blick - einige wurden bereits angesprochen -, beispielsweise Portugal und
Griechenland. Aber damit, dass es uns zuerst erwischt,
haben wir nicht gerechnet. Leider ist es so.
Wir alle sollten uns aber nun darüber freuen, dass wir
einen verfassungsgemäßen und mit dem europäischen
Stabilitätspakt konformen Haushalt vorgelegt und damit
die Trendwende geschafft haben. Bitte nehmen Sie dies
zum Anlass, zu sagen - das meine ich ganz wertneutral -: Während der Regierungszeit der großen Koalition
unter Angela Merkel hat sich der Trend umgekehrt und
geht nun in die richtige Richtung.
({3})
Man muss schauen, woher man kommt und wohin
man geht. Ich freue mich jedenfalls mit meiner Fraktion
darüber - die Schlussrunde dieser Haushaltsdebatte bietet die richtige Gelegenheit, das klarzustellen -, dass es
in Deutschland wieder aufwärts geht.
({4})
Meine Damen und Herren von der FDP, ich habe der
Rede Ihres Fraktions- und Parteivorsitzenden Guido
Westerwelle sehr genau zugehört. Er hat, an die Kanzlerin gewandt, gesagt: Wir finden Ihre Regierung schlecht.
Ich kann Sie nur fragen, Herr Westerwelle: Was finden
Sie denn daran schlecht, dass im Laufe des Jahres ein regelrechter Investitionsboom in Deutschland ausgebrochen ist?
({5})
- Ich kann Ihnen nicht folgen. Die Zahlen sprechen
- alle sind im Laufe dieser Woche genannt worden eine ganz andere Sprache.
Was soll daran schlecht sein, dass die Nettobeschäftigung zunimmt, dass die Zahl der Arbeitslosen massiv
zurückgeht, dass sich die Wachstumsrate im Laufe dieses Jahres zunehmend verbessert hat und dass wir im
Laufe dieses Jahres deutlich höhere Steuereinnahmen
verzeichnen können?
Kollege Stiegler hat vorhin interessanterweise das
Thema aufgegriffen. Er hat gesagt: Das rührt zum Teil
von Effekten aus dem vergangenen Jahr her, geht aber
auch in starkem Maße auf Effekte in den Jahren vor
2005 zurück. Für die zusätzlichen Steuereinnahmen sind
verschiedene Komponenten verantwortlich. Es gibt
Nachzahlungen, basierend auf den Körperschaft- und
Einkommensteuerbescheiden des Jahres 2005, und dementsprechend heraufgesetzte Vorauszahlungsbescheide.
Das sind die vergangenheitsorientierten Ursachen der
höheren Steuereinnahmen. Eine andere Ursache ist das
höhere Lohnsteueraufkommen. - Lieber Herr Kollege
Poß, Sie nicken zustimmend. Aber das ist ein Effekt des
kurzfristig induzierten Aufschwungs im laufenden Jahr.
Ich gebe durchaus zu, dass die vergangenheitsorientierten Erfolgskomponenten auf politische Schritte zurückgehen, die in den Jahren 2003, 2004 und 2005 gemacht wurden. In diesem Zusammenhang erinnere ich
an die Agenda 2010. Die dort enthaltenen Bestandteile,
die in die richtige Richtung wiesen, wurden von der
CDU/CSU im Vermittlungsausschuss so korrigiert, dass
sie zu Wachstumstreibern in Deutschland werden konnten.
So gesehen haben wir in den vergangenen Jahren über
den Vermittlungsausschuss schon eine Art - allerdings
organisatorisch umständliche - große Koalition praktiziert, also mehr getan, als nur opponiert. Wir haben als
Unionsopposition vielmehr eine ausgesprochen konstruktive Arbeit aus dieser Oppositionsrolle heraus betrieben.
Ich finde es auch nicht schlecht - das sage ich an die
FDP gerichtet -, wenn wir jetzt erstmals - ich bin seit
16 Jahren im Deutschen Bundestag und habe in dieser
Zeit acht Jahre lang Arbeits- und Sozialpolitik gemacht nicht darüber streiten, wie wir die Löcher bei der Bundesagentur für Arbeit stopfen, sondern einen positiven
Streit, einen positiven Disput darüber führen, was wir
aus dem in der Arbeitslosenversicherung erwirtschafteten Überschuss machen.
({6})
So gesehen habe ich überhaupt nichts gegen Streit; Streit
ist insofern etwas sehr Positives.
({7})
Ich möchte noch einmal unterstreichen, was der Aufschwungminister Michael Glos vorhin gesagt hat.
({8})
Der Aufschwungminister Michael Glos im Kabinett der
Aufschwungkanzlerin Angela Merkel hat vorhin gesagt,
dass, wenn es dauerhafte Spielräume gibt, der Arbeitslosenversicherungsbeitrag über die ins Auge gefassten
2 Prozentpunkte hinaus noch weiter gesenkt wird. Darüber haben wir uns verständigt. Ich sage aber auch aus
kaufmännischer Solidität heraus: Wenn wir nach Abrechnung des Einmaleffekts, den wir haben - ganz klar,
Herr Kollege Müntefering -, tatsächlich Nettospielräume haben, dann müssen wir diese nutzen. Wir haben
im Jahr 2006 ein Polster, das Jürgen Weise in Nürnberg
momentan auf 9 bis 10 Milliarden Euro taxiert.
({9})
- Natürlich ist das ein Polster. Das ist ja erwirtschaftet
worden.
({10})
- Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Sie müssen mir nur einmal geduldig zuhören. Dieses Maß an Liberalität sollten Sie aufbringen.
({11})
Dieses Polster läuft auf bzw. ist aufgelaufen. Wir können natürlich, um auf die 4,0 Prozent herunterzukommen, dieses Polster dazu nutzen, die Beiträge über eine
längere Zeit abzuschmelzen, damit die Arbeitslosenversicherung richtig solide finanziert ist. Eines geht natürlich nicht: dass wir zusätzlich absenken und vier Monate
später wieder anheben müssen. Das wäre nicht solide.
Ich bin nach anderen Verwendungsmöglichkeiten für
diesen Überschuss gefragt worden. Es wäre ein liederlicher Umgang mit den Geldern aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen, diesen Überschuss in irgendwelche
Programme zu verpulvern, die nichts bringen. Warum
sollten wir nicht auch einmal darüber nachdenken - das
kennen wir alle aus der Versicherungswirtschaft -, eine
Beitragsrückerstattung zu gewähren, wenn Überschüsse aus Beitragszahlungen und durch vernünftiges
Bewirtschaften entstanden sind? Das ist das Normalste
in der Versicherungswirtschaft. Ich nehme mir in meiner
politischen Arbeit immer Anleihen an den ganz normalen, vom gesunden Menschenverstand geprägten Dingen
des praktischen Lebens. Ich nenne die Beitragserstattung
nur, damit man einen Hintergrund hat, vor dem man diskutieren kann.
Bei einem solchen Polster wäre pro Beschäftigungsfall eine Rückerstattung von 342 Euro möglich, aufgeteilt auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Im Durchschnitt
erhielte jeder Arbeitnehmer eine Rückzahlung von
171 Euro netto, cash auf die Hand. Das würde beispielsweise das Weihnachtsgeschäft hervorragend unterstützen. Ich bringe das nur in die Debatte ein, weil es so systemfremd gerade in der Versicherungswirtschaft nicht
ist. Die Bundesagentur betreibt immer noch die Arbeitslosenversicherung. Wenn überschüssig eingezahlt wird,
dann muss man sich eben überlegen, was man mit diesem Geld von Arbeitgebern und Arbeitnehmern - sprich:
von beiden Seiten der Beitragszahler - sinnvollerweise
machen kann.
({12})
Ich bin jetzt vielleicht etwas zu sehr ins Detail gegangen. Der Ausgangspunkt war meine Enttäuschung darüber, dass die drei Oppositionsfraktionen zwar anerkennen, dass es in Deutschland aufwärts geht, aber daran
kein gutes Haar lassen können.
({13})
Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass Lafontaine, der
mögliche künftige Parteivorsitzende der PDS, vor wenigen Tagen in Hannover gefordert hat - nachzulesen in
der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ -, in
Deutschland einen politischen Generalstreik auszurufen. Offensichtlich fällt Herrn Lafontaine nichts Besseres ein, als bei einer so positiven Entwicklung in
Deutschland einen politischen Generalstreik auszurufen. Mir tun die Fraktion der Linken und die PDS Leid,
wenn dies ihr Rezept ist, einen solchen Aufschwung in
Deutschland niederzukartätschen.
({14})
Ich komme kurz - der Kollege Berninger hat das
Hohe Haus verlassen - zu den Grünen. Ich finde die
Sorge von Herrn Berninger um die mittelständischen Betriebe geradezu rührend. Mir würden litaneiweise Beispiele aus den letzten Regierungsjahren einfallen, in denen die Sorge um den Mittelstand und die kleinen
Betriebe bei den Grünen nicht einmal ansatzweise vorzufinden war.
Ich bin in der Sommerpause wegen des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes geprügelt worden. Die Menschen gehen nämlich immer noch davon aus, dass der
Gesetzentwurf, den Rot-Grün einst vorgelegt hat, verabschiedet worden sei. Aber wenn sich die Grünen schon
solche Sorgen machen, dann sollen Sie auch dazu stehen, dass maßgeblich Sie es waren, die uns auf europäischer Ebene dieses Antidiskriminierungsgesetz eingebrockt haben. Diese Suppe sollte der Kollege Berninger
auch auslöffeln.
({15})
Die Lage ist also besser als die Stimmung. Ich stelle
fest: Die große Koalition wird massiv unterschätzt.
({16})
Wir werden zusammen mit aller Kraft alles dafür tun,
um diesen Aufschwung weiter voranzubringen.
({17})
Der gegenwärtige Aufschwung wird ergänzt durch all
die weiteren Maßnahmen, die wir im Laufe dieses Jahres
beschlossen haben und weiter umsetzen werden und die
positive Folgewirkungen haben werden. Deswegen bin
ich hinsichtlich der künftigen Entwicklung überaus optimistisch, dass der Aufschwung nicht nur kurzfristig,
sondern auch nachhaltig wirkt und dass der Aufschwung - ich wage es fast, diese These aufzustellen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer noch nicht einmal eine Delle abbekommen wird.
Wir müssen also am Ball bleiben. Wir müssen die
künftigen Aufgaben anpacken. Dazu gehört neben der
Gesundheitsreform zweifellos auch die Unternehmensteuerreform. Herr Finanzminister Steinbrück, Sie haben sich mit dieser Thematik eingehend auseinander
gesetzt. Ich möchte gerne einen Aspekt der Unternehmensteuerreform, die wir in den nächsten Monaten oder
im Frühjahr des kommenden Jahres intensiv parlamentarisch beraten werden, herausgreifen.
Womit wir uns nicht so lange Zeit lassen dürfen - das
haben wir vorgestern Abend im kleinen Koalitionsausschuss einvernehmlich verabredet -, ist die betriebliche
Erbschaftsteuerreform. Wir haben uns darauf geeinigt,
dass die betriebliche Erbschaftsteuerreform jetzt ganz
konkret angepackt wird und sie noch in diesem Jahr im
Bundesgesetzblatt stehen wird,
({18})
damit die Menschen in den Betrieben eine verlässliche
Grundlage haben. Ich kenne eine Reihe von Betrieben,
die jetzt die entsprechenden Verträge machen und die gestalten wollen. Dafür ist eine sichere Grundlage notwendig. Den Betrieben ist es nicht zuzumuten, zu sagen:
Nein, wir warten noch, bis dazu aus Karlsruhe irgendwann ein Urteil kommt; wir machen das irgendwann im
nächsten Jahr und setzen es rückwirkend in Kraft. - Eine
solche Unsicherheit können wir gerade mittelständischen Betrieben und Familienunternehmen nicht zumuten. Ich möchte diesen Betrieben Planungssicherheit geben. Sie müssen wissen, dass sie uns vertrauen können.
Deswegen müssen wir hier Gas geben.
({19})
Lieber Herr Finanzminister Steinbrück, ich bin Ihnen
für die Solidität, die aus Ihrer Einbringungsrede am
Dienstag und auch heute wieder herauszuhören war, ausgesprochen dankbar. Man kann nicht oft genug betonen,
dass Sie richtige Fragestellungen aufgeworfen und einige elementare Grundtatsachen in Erinnerung gerufen
haben, die vielen vollkommen aus dem Gedächtnis entschwunden sind. Es bleibt natürlich trotz der erfreulichen Verringerung der Nettoneuverschuldung dabei,
dass der Bund immer noch 1 500 Milliarden Euro Schulden hat.
({20})
Sie haben heute wiederholt, dass wir weit davon entfernt
sind, von einem wirklichen Schuldenabbau reden zu
können. Das ist vollkommen richtig. Das sei allen
gesagt, die an der Mehrwertsteuererhöhung herumnörgeln und die jetzt schon etwas verteilen wollen, was wir
überhaupt nicht haben. Solidität in der Haushalts- und
Finanzpolitik bedeutet, dass man das, was man nicht hat,
nicht ausgeben kann und dass man solide auf der Bremse
bleiben muss, um sich der Entschuldung zu nähern.
({21})
Der Präsident der Bundesbank hat das auf den Punkt
gebracht: Die Finanzpolitik stabilisiert derzeit nur die
Neuverschuldung, verringert aber nicht den Schuldenstand. - Aber immerhin betreiben wir eine solide Finanzpolitik. Wir kriegen die Neuverschuldung in den
Griff und wir nähern uns dem Abbau der Schulden. Deswegen sind wir insgesamt auf einem richtigen und Erfolg versprechenden Weg. Diesen Weg müssen wir mit
Selbstvertrauen und mit Zuverlässigkeit weitergehen.
Dann führen wir Deutschland in eine gute Zukunft.
Vielen herzlichen Dank.
({22})
Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus, Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Sie erwarten jetzt von mir wie auch von den anderen Rednerinnen und Rednern in der Schlussrunde,
dass ich Ihnen nach 36 Stunden zu immer noch derselben Vorlage etwas völlig Neues darbiete.
({0})
Zudem ist mir die Aufgabe zugewachsen, die Fragen eines wissbegierigen Finanzministers zu beantworten und
mich des Mitleids der Christlich-Sozialen Union zu erwehren.
Ich will damit beginnen, die Suche nach dem Neuen
zu beschreiben. Ich bin nämlich in der Tat fündig geworden. Das Neue ist: Ich habe herausgefunden, dass Koalition und Regierung lernfähig sind.
({1})
Sie nehmen durchaus den Rat der Opposition an. Ich will
Ihnen das an einem Beispiel erläutern. Sie haben während der ganzen Haushaltswoche sehr oft auf das auch
von uns unterstützte Gebäudesanierungsprogramm und
die damit verbundenen Effekte hingewiesen und Sie haben sich dafür gefeiert, dass Sie die Filmförderung finanziell stärker unterstützen als bisher. Nun sind mir
zwei Anträge aus der Debatte über den Haushalt 2006 in
die Hand gekommen. Da wird in einem Antrag schon für
2006 gefordert, mehr Mittel in die Gebäudesanierung zu
stecken; in dem anderen Antrag wird gefordert, mehr
Mittel für die Filmförderung bereitzustellen. Beide Anträge sind Anträge der Linksfraktion.
({2})
Jetzt sage ich den Bürgerinnen und Bürgern: Es lohnt
sich, uns zu wählen. Die Regierung macht irgendwann
das, was wir wollen, wenn auch nicht sofort.
({3})
Ich sage das auch an die Adresse der Koalition, weil sie
uns manchmal etwas leichtfertig unterstellt, wir würden
nur blockieren. Selbstverständlich sind wir dabei, wenn
Sie etwas Gutes auf den Weg bringen. An diesen beiden
Beispielen habe ich es Ihnen dargestellt. Es war nicht so
einfach. Sie wussten, dass wir bei der Freigabe der Mittel für das Sanierungsprogramm haushaltsrechtliche Probleme hatten. Deshalb unterstellen Sie uns nicht leichtfertig Dinge, die Sie hinterher nicht belegen können.
({4})
- Ich komme auch dazu, liebe Kollegin.
Sie haben Ihren Haushalt unter das Leitmotiv gestellt:
Zukunft nicht verbrauchen, Zukunft gewinnen. - Das
klingt gut. Die Abteilung „Überschriften“ bzw. die Abteilung „Agitation und Propaganda“, wie sie jetzt bei
Peer Steinbrück heißt, hat ganze Arbeit geleistet.
({5})
Vergleichen wir Anspruch und Wirklichkeit nach einer Woche Haushaltsberatungen. Sie werden mir gestatten, dass ich dabei versuche, in besonderer Weise auf die
Situation in den neuen Bundesländern einzugehen. Eines habe ich hier nämlich mit Schmerzen registrieren
müssen: So wenig Beachtung wie in dieser Haushaltsdebatte haben die neuen Bundesländer noch in keiner
Haushaltsdebatte des Bundes gefunden. Ich finde das in
der Tat ausgesprochen kritikwürdig und das wollen wir
nicht hinnehmen.
({6})
- Das Gegenteil ist nicht der Fall.
Vielleicht hilft Ihnen eine Kleinigkeit: Der Kollege
Rossmanith hat in der Wirtschaftsdebatte eben den Wismutbergbau ins Elbsandsteingebirge verlegt. Damit hat
er nun wirklich nichts zu tun. Auch das muss man einmal sagen.
({7})
Die Universität Heidelberg veröffentlicht heute eine
Studie - sie macht mich etwas besorgt -, in der der so
genannte Angstindex - wo sind Sorgen, Nöte und
Ängste gewachsen? - dargestellt wird. Ich betone: Diese
Studie kommt nicht von der Uni Halle; es sind nicht
meine Erfindungen; es ist keine Stiftung, die uns irgendwie nahe steht. In der Studie der Universität Heidelberg
wird erfreulicherweise festgestellt, dass der so genannte
Angstindex in Deutschland insgesamt um 14 Prozentpunkte gesunken ist. Das ist bemerkenswert und anerkennenswert.
Aber die Spaltung der Gesellschaft, mit der wir es immer noch zu tun haben, wird auch durch den Fakt charakterisiert - die Universität Heidelberg stellt ihn ebenfalls fest -, dass der so genannte Angstindex im Osten
den Höchststand seit der deutschen Wiedervereinigung
erreicht hat. Das muss uns doch zu denken geben. Das
können wir nicht einfach ignorieren; das dürfen wir hier
nicht ausblenden. Der Verkehrsminister hat zum Thema
Osten gestern Abend lediglich ein paar Pflichtsätze gesagt. Mit uns ist das nicht zu machen.
({8})
Die Zukunft gewinnen, die Zukunft nicht verbrauchen, das heißt natürlich zuerst: die soziale Balance sichern. Wir stellen fest: Der Haushalt 2007 spaltet die
Gesellschaft weiter. Reiche werden reicher und Arme
werden - leider - zahlreicher. Sie verweisen immer
wieder darauf - auch der Bundesfinanzminister hat es
soeben mit Blick auf unsere Fraktion getan -, welch großen Betrag wir für die Sozialausgaben im Haushalt einstellen. Was die Zusammensetzung des Haushalts angeht, ist das natürlich eine unbestreitbare Tatsache. Aber
es ist doch auch ein Beleg dafür, dass Sie vorher eine
Wirtschaftspolitik betrieben haben, die eine solche soziale Nachsorge erst notwendig macht. Das ist doch ein
Armutszeugnis und kein Gewinn, was Sie hier zu verzeichnen haben.
({9})
Es gibt etwas, was mehr besagt als die von meinem
Vorredner Peter Ramsauer zitierten Statistiken. Ich rate
Ihnen, einmal an einem 30. des Monats im Osten des
Landes bei Aldi einzukaufen. Sie werden feststellen, wie
einsam die dort Beschäftigten sind, weil selbst die Menschen, die in diesem Laden normalerweise einkaufen,
am Ende des Monats zu Einkäufen nicht mehr in der
Lage sind. Das beschreibt den Zustand der Gesellschaft,
mit dem wir es hier zu tun haben.
({10})
Zur Wahrheit des von Ihnen viel beschworenen
Hartz-IV-Prozesses gehört doch auch - das ist bei dieser
Haushaltsdebatte ziemlich unverhohlen zutage getreten -, dass Sie Hartz IV nicht nur dazu brauchen, eine
schlechte Arbeitslosenverwaltung zu betreiben; zum Zynismus im Zusammenhang mit Hartz IV gehört vielmehr
auch, dass Sie einen permanenten Druck auf Beschäftigte ausüben, besonders auf Beschäftigte im Niedriglohnbereich. Wenn sich diese Menschen möglicherweise
einmal darüber beschweren, dass sie länger arbeiten sollen, dann sagt man ihnen: Stellen Sie sich doch bei der
Agentur oder bei der Arge an; dann können Sie zu
Hartz IV übergehen. - Diese Bedrohung wollen wir
nicht in einer Gesellschaft, die reich genug ist, um solche
Prozesse zu überwinden.
({11})
Wenn das nicht so wäre, wenn dieser Zynismus nicht
beabsichtigt wäre, dann könnten Sie den Vorschlägen
unserer Arbeits- und Sozialminister folgen, nämlich die
Mittel, die wir schon jetzt im Rahmen von Hartz IV ausgeben - ALG II, Kosten der Unterkunft, Eingliederungsmittel, 1-Euro-Jobs -, vernünftig zusammenzufassen und
in sozialversicherungspflichtige Erwerbsverhältnisse zu
investieren. Sie sagen, das sei nicht gewollt. Das ist der
Beweis dafür, dass Sie den Druck von Hartz IV auf die
Beschäftigten im Niedriglohnbereich bewusst in Kauf
nehmen, ja bewusst wollen. Das ist Zynismus. Das nehmen wir nicht hin.
({12})
Der Bundesarbeitsminister sagt, er wolle Anreize setzen. Wenn jemand Anreize setzt, dann - so stelle ich mir
das nach meinem bisherigen Begriffsverständnis vor bekommt man etwas. Schaut man sich aber an, was diese
Regierung in Wirklichkeit mit dem Ausdruck „Anreize
setzen“ meint, erkennt man: Dahinter steht, dass etwas
weggenommen wird.
Das führt dazu - jetzt muss auch ich ein paar statistische Fakten zu Gehör bringen -, dass wir inzwischen
eine Verstetigung der Kaufkraft in ostdeutschen Haushalten auf 70 Prozent des Westniveaus haben. Das sagen
inzwischen alle wissenschaftlichen Institute, die sich damit noch ernsthaft befassen.
Betrachten wir einmal die Mehrwertsteuererhöhung
im nächsten Jahr. Für einen Vierpersonenhaushalt bedeutet sie 1 500 Euro Mehrausgaben. Für uns Bundestagsabgeordnete ist das ein nicht spürbares Ereignis; völlig klar.
({13})
Aber für eine Verkäuferin oder Alleinerziehende oder
eben diesen Vierpersonenhaushalt bedeutet dieser Eingriff von 1 500 Euro beispielsweise die Streichung eines
ohnehin nur für eine kurze Dauer geplanten Urlaubs. Es
ist leider so, dass die Freiheit einer Alleinerziehenden
heutzutage schon an der Bushaltestelle endet, weil sie
die teuer gewordenen Tickets nicht mehr bezahlen kann.
Damit haben wir es mit einer doppelten Spaltung der
Gesellschaft zu tun, einer Spaltung nach Einkommen
und inzwischen auch einer Spaltung nach Regionen. Das
wiederum ist nun nicht mehr nur ein Problem zwischen
Ost und West, sondern ein Problem, von dem immer
mehr Regionen, auch ehemalige Wachstumsregionen,
selbst in den westlichen Bundesländern, betroffen sind,
die für sich den Eindruck gewinnen, dass sie inzwischen
abgehängte Regionen sind. Das sind Entwicklungen, die
Sie hier unter der Überschrift „Haushaltskonsolidierung“
abfeiern, die aber zu den problematischen Realitäten in
diesem Land zählen. Diese Realitäten gehören verändert.
({14})
„Zukunft gewinnen, Zukunft nicht verbrauchen“ erfordert wirtschaftlichen Aufschwung und eine aktive Beschäftigungspolitik. Arbeitsminister Helmut Holter aus
Mecklenburg-Vorpommern hat Ihnen gestern erklärt,
welch verheerende Wirkung die Haushaltssperre bei den
Mitteln der Bundesagentur nach sich gezogen hat. Zwei
Tage bevor wir zum Etat von Franz Müntefering gekommen sind, haben wir im Haushaltsausschuss pflichtgemäß diese Sperre aufgehoben. Das haben wir alle zusammen beschlossen. Zynisch finde ich, dass Sie dieses
Aufheben der Sperre, nachdem Sie die Mittel monatelang nicht ausgereicht haben, hier jetzt als eine Art Erfolg abfeiern und so tun, als hätten Sie damit gegenüber
Arbeit Suchenden irgendetwas Gutes vollbracht. So etwas kann man nicht hinnehmen.
({15})
Sie, die Sie immer den Begriff „privat“ vor sich her
tragen, müssen sich nachsagen lassen, dass diese Sperre
viele - auch viele private - Bildungsträger die Existenz
gekostet hat. Darunter sind Menschen, die sich auf den
Weg einer privaten Entwicklung gemacht haben und die
jetzt für sich den Eindruck gewinnen: Privat hat bei RotSchwarz keine Chance.
({16})
Wir haben es weiter damit zu tun, dass die Arbeitskosten im Osten knapp 30 Prozent unter denen des
Westens liegen. Sie propagieren trotzdem Ihr Niedriglohnkonzept. Angesichts der Tatsachen im Bereich
Niedriglohn und Niedrigstlohn, die ich gerade in den
neuen Bundesländern erlebe, muss ich sagen: Sie können sich neue Niedriglohnexperimente ausdenken; mir
sind die Niedriglohnrealitäten in diesem Land schon zu
viel. Wir brauchen einen vernünftigen Mindestlohn. Das
wäre die Lösung.
({17})
Ich stelle leider auch fest, dass Sie all das, was die
Kommission von Klaus von Dohnanyi Ihnen vor gar
nicht allzu langer Zeit über Möglichkeiten zur Überwindung der Teilung zwischen Ost und West und zum wirtschaftlichen Aufbauprozess vorgetragen hat, weggelegt
haben und ignorieren. Sie wollen einfach nicht wahrhaben, dass der Entwicklungspfad Aufbau Ost, den Sie
16 Jahre als Nachbau West versucht haben, gescheitert
ist. Deshalb muss man die Frage stellen: „Was wären
denn neue Wege, die man im Osten gehen kann?“ und
diese auch positiv beantworten. Wir haben im Osten eine
ganze Reihe guter Erfahrungen mit erneuerbaren Energien gemacht, auch mit Bundes- und Landesförderung,
keine Frage; das ist auch unterstützenswert. Wenn man
aber einen Bundeshaushalt zu verantworten hat, in dem
die Förderung der erneuerbaren Energien weniger als
ein Zehntel gegenüber der Subventionierung tradierter
Energien ausmacht, dann ist man nicht auf dem Wege
moderner Energiepolitik, sondern dann setzt man tradierte Energiepolitik fort. Das ist nicht Zukunftsfähigkeit, sondern Rückständigkeit.
({18})
Wenn wir über erneuerbare Energien und mutige Vorhaben reden, sagen Sie uns oft, das rechne sich nicht. Ich
kann nur dagegen halten: Wenn dieses Argument bei der
industriellen Einführung der Dampfmaschine gegolten
hätte, dann gäbe es die Dampfmaschine immer noch
nicht; denn auch sie hat sich am Anfang gegenüber der
Pferdekraft nicht gerechnet. Das heißt, man muss, wenn
man Zukunft gewinnen will, den Mut haben, mehr Mittel
in Forschung und Entwicklung einzusetzen, auch wenn
uns das mehr kostet als beispielsweise die traditionellen
Energien.
({19})
Fatal finde ich, dass die Bundesregierung dazu übergegangen ist, viele Entwicklungen in den neuen Bundesländern gar nicht mehr zu analysieren. In der Antwort
auf eine Kleine Anfrage von uns wird dargestellt:
Die Bundesregierung prognostiziert die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nur für den gesamten
Gebietsstand der Bundesrepublik Deutschland. Differenzierte Prognosen nach alten und neuen Bundesländern werden aufgrund fehlender Primärstatistiken nicht durchgeführt.
Das führt dazu, dass man die Probleme weiter ausblendet und nicht löst.
Mein letzter Punkt. Zukunft gewinnen, Zukunft nicht
verbrauchen - das bedeutet, auch die Frage zu stellen, ob
all das machbar ist. Damit bin ich bei den Fragen von
Peer Steinbrück. Wir sagen, auch in Zeiten knapper Kassen ist es keine Illusion, eine sozial gerechte Gesellschaft zu gestalten. Eine sozial gerechte Freiheitsordnung ist machbar. Wir sagen Ihnen auch eins: Wir haben
Ihnen, damals noch unter dem Label PDS, ein Steuerkonzept vorgelegt, und zwar vor der Bundestagswahl.
Wir finden es, im Unterschied zu Franz Müntefering,
überhaupt nicht unfair, wenn Sie uns an dieses Steuerkonzept erinnern, wenn Sie uns da beim Wort nehmen
und wenn wir darüber streiten können, dass eine gerechtere Besteuerung in diesem Land durchaus möglich ist.
({20})
Das würde - wir werden es Ihnen auch vorrechnen ein Einnahmeplus von 24 Milliarden Euro durch eine reformierte Vermögensteuer, eine veränderte Erbschaftsteuer, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes
Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr.
- das mache ich gerne und komme zum Ende, Frau
Präsidentin - und die Besteuerung großer Geldvermögen
bedeuten. Fakt ist doch: Noch schneller als die Arbeitslosigkeit und manch andere beklagenswerte Prozesse
nimmt in diesem Lande der private Reichtum zu. Deshalb ist es durch Umverteilung möglich, eine andere als
die von Ihnen betriebene Politik zu vertreten. Das ist der
Weg, den meine Fraktion geht, und dazu werden wir Ihnen auch im Zuge der Haushaltsberatungen weitere Vorschläge machen.
Vielen Dank.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Alexander Bonde,
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Finanzminister, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede gesagt: „Wir ziehen alle an einem Boot.“ Das lässt ja nur
einen Schluss zu: dass Ihr Kahn ziemlich auf dem Trockenen liegt.
({0})
Ich finde, um zum Ernst des Themas zurückzukommen, es war eine gute Rede, die Sie gehalten haben;
denn im Gegensatz zu Ihrer Rede bei der Einbringung
des Haushalts und zu vielen anderen Reden von der Koalition in den letzten Tagen war da doch viel Selbstreflexion und eine realistischere Bewertung zu erkennen.
Die Debatte hatte in den letzten Tagen zum Teil
kuriose Züge. Man hätte sich gewünscht, die Rede von
Herrn Glos wäre direkt vor der Rede von Herrn
Steinbrück gewesen; denn die Brüche in dieser Koalition, die offenen Zerfallsprozesse kann man als Opposition gar nicht so gut darstellen, wie Sie vom Kabinett es
an dieser Stelle selbst getan haben.
({1})
Als ein Fazit dieser Haushaltsrunde muss man feststellen: Die große Koalition ist mit vielen Versprechen
angetreten. Das größte war das einer verlässlichen, zukunftsorientierten Politik. Das Motto lautete: Wir wollen
es ehrlich machen. - Man muss zusammenfassen: Versprochen, gebrochen.
Für die Aufstellung dieses Haushaltes hatten Sie sehr
gute konjunkturelle Voraussetzungen: ein für 2006 prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 2 Prozent und
eine erste Wende am Arbeitsmarkt. Dennoch sorgt diese
Regierung mit ihrem Zickzackkurs für Verunsicherung.
Sie schafft es nicht, einen mutigen Haushaltsentwurf
vorzulegen. Denn auch in diesem Haushalt werden ihr
Zickzackkurs, ihre Unklarheit in Entscheidungen und ihr
fehlender Mut, klare Entscheidungen zu treffen, deutlich.
Ich will es am Haushaltsdefizit festmachen. Der
Haushalt, den Sie hier vorlegen, beinhaltet nicht einmal
den Anspruch eines klaren Konsolidierungsziels.
({2})
Den Einnahmen von 245,6 Milliarden Euro stehen Ausgaben in Höhe von 267,6 Milliarden Euro gegenüber.
Ich gebe zu: Natürlich fällt dadurch die Nettokreditaufnahme,
({3})
die 22 Milliarden Euro betragen wird, niedriger aus als
im Vorjahr.
({4})
Sie unterschreiten damit voraussichtlich tatsächlich die
Defizitobergrenze des EU-Stabilitätspaktes.
({5})
Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes wird es aber schwierig; das wissen auch Sie. Sie
liegen bei den Investitionen nur knapp über der Neuverschuldung. Sie haben ein Polster von 1,5 Milliarden
Euro, was nicht wirklich beruhigend ist. Sie kennen die
Haushaltsrisiken. Sie haben sie bewusst nicht eingestellt. Sie wissen so gut wie wir, dass wir in diesem
Haushalt allein in Bezug auf den Arbeitsmarkt über Risiken von 8,6 Milliarden Euro sprechen müssen. Da stellt
sich in bester wirtschaftlicher Situation die Frage des
Verfassungsbruchs schneller, als Sie den nächsten Haushalt einbringen.
({6})
Sie haben die Verfassungsmäßigkeit dieses Haushalts
nur dadurch hinbekommen, dass Sie massive Einnahmeerhöhungen vorgenommen und Privatisierungserlöse
genutzt haben, um damit die Neuverschuldung optisch
leicht unter die Höhe der Investitionen zu drücken.
({7})
Sie sind den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Denn die Einsparungen auf der Ausgabenseite müssen wir, Kollege Kampeter, weiterhin mit der Lupe suchen.
Was für eine Konsolidierungsstrategie haben Sie
hier vorgelegt? Ihr Finanzplan bis zum Jahr 2010 zeigt
dies deutlich. Sie sehen dort eine Senkung der Neuverschuldung vor, indem Sie jährlich etwa 500 Millionen
Euro einsparen wollen.
({8})
Diese 500 Millionen - ich stelle das einmal konkret
dar - entsprechen exakt 1,8 Promille des Haushaltsvolumens. Dazu kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Wer glaubt, dass diese 1,8 Promille eine Konsolidierung darstellen, der sollte sich einmal selber nach
seinem Promillewert fragen lassen.
({9})
Ganz ehrlich: Wenn eine Koalition, die über 70 Prozent der Stimmen in diesem Hause verfügt, ein Konsolidierungsziel dergestalt ansetzt, dass die Neuverschuldung in den nächsten Jahren um 1,8 Promille des
gesamten Haushaltsvolumens gekürzt werden soll,
({10})
dann muss ich dazu sagen: Eine ambitionierte Haushaltspolitik sieht wirklich anders aus.
({11})
Wir haben es Ihnen schon ein paarmal vorgerechnet:
Das Schneckentempo Ihrer vermeintlichen Konsolidierung führt dazu, dass Sie den Haushalt erst in 44 Jahren
konsolidiert haben werden. Manche mögen dies diplomatisch „langfristige Planungen“ nennen. Andere sagen,
den Leuten werde Sand in die Augen gestreut, wenn Sie
hier von Konsolidierung sprechen.
({12})
Der Mut, auf der Ausgabenseite einzusparen, fehlt Ihnen. Wann wollen Sie eigentlich sparen, wenn nicht
jetzt, in Zeiten, in denen es konjunkturell gut läuft? Mit
dem, was Sie hier aus Mutlosigkeit machen, sind Sie
wirklich nahe daran, in eine prozyklische Politik zu verfallen; das sollten Sie wissen.
({13})
Schauen wir uns einmal an, wie sich die Struktur des
Haushaltes entwickelt.
({14})
Strukturreformen in den Sozialversicherungssystemen
stehen immer noch auf der Tagesordnung. Sie alle wissen, dass die Ausgaben für die Alterssicherung und den
Arbeitsmarkt in Höhe von fast 140 Milliarden Euro die
größten Einzelposten darstellen und dies 37 Prozent der
Gesamtausgaben ausmacht. Wenn man die Zinszahlungen von 44 Milliarden Euro jährlich hinzurechnet, erkennt man, dass 52 Prozent des Haushaltes nach wie vor
in vergangenheitsbezogene Kosten fließen. Die Frage,
wo wir in dieser Gesellschaft investieren sollten, wird in
diesem Haushalt strukturell nicht beantwortet. Sie sind
einmal mit der großen Ankündigung angetreten, investieren zu wollen. Aber das spiegeln der Haushalt 2007
und die dazu gehörige Finanzplanung nicht wider.
Wahrscheinlich kann sich niemand mehr an den großen Genshagener Gipfel erinnern, und das zu Recht. Es
wurde zwar in eine große PR-Strategie dieser Koalition
investiert, aber das dort beschlossene Investitionsprogramm wurde in den Sand gesetzt; es ist bis heute unbekannt.
({15})
Im Gegenteil: Sie sind dafür verantwortlich, dass die Investitionsquote über den gesamten Finanzplan, den Sie
hier vorlegen, bei 8,4 Prozent stagniert. Das Gleiche gilt
für die Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Dieses
Jahr gibt es eine kleine Steigerung, aber in den nächsten
Jahren wird weiter verstetigt. Zukunftsinvestitionen finden wir in diesem Haushalt und in diesem Finanzplan
kaum.
({16})
Die Ausgaben wachsen überall dort, wo Sie aufgrund
der inneren Widersprüche in der Koalition nicht den Mut
und die Kraft haben, in Strukturreformen einzusteigen.
In den letzten Tagen wurde uns eine ganze Reihe dieser
Baustellen vorgeführt: beim Arbeitsmarkt, bei der Gesundheit, bei der Pflege und bei der Steuerreform. Es ist
bemerkenswert, welche Widersprüche zwischen den
Vorstellungen des Wirtschafts-, des Arbeits- und des Finanzministers innerhalb eines Tages erkennbar waren.
Die Bevölkerung wartet vergeblich, dass etwas passiert.
Die Vorschläge zur Steuerreform sind zum Teil verworren. Die Gegenfinanzierungsvorschläge, die notwendig sind, um eine soziale Schieflage zu verhindern, fehlen gänzlich.
({17})
Eine Orientierung, die die Schaffung von Arbeitsplätzen
in den Mittelpunkt stellt, kann niemand erkennen.
Gestern kam die Nachricht, die Gesundheitsreform,
erklärtermaßen das große Reformprojekt dieser Regierung, werde einmal mehr verschoben.
({18})
Wir warten gespannt - das ist der entscheidende Punkt -,
ob Sie irgendwann einmal dieses Gesundheitsmodell auf
die Schiene bekommen. Eine zeitliche Verschiebung allein kann es aber nicht sein. Denn eine Murksreform
bleibt Murks, unabhängig davon, wann Sie sie nun endlich einbringen.
({19})
Das Hinausschieben notwendiger Reformen kostet
weiter Geld und belastet den Haushalt. Die Senkung der
Lohnnebenkosten wurde völlig aus den Augen verloren. Ich kann mich noch an große Reden in diesem
Hause erinnern, was die Senkung der Lohnnebenkosten
unter 40 Prozent angeht. Mit dieser Regierungspolitik
bleibt es auf absehbare Zeit eine vollständige Illusion,
dass die Lohnnebenkosten in diesem Land irgendwann
einmal sinken.
({20})
Es gibt steigende Beiträge: Bei der Rentenversicherung
sind es 0,4 Prozentpunkte und bei der gesetzlichen Krankenversicherung ist es geschätzt 1 Prozentpunkt. Damit
wird das Wenige an Entlastung, das durch die mehrwertsteuerfinanzierte Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung generiert wird, längst wieder aufgefressen.
Die Frage ist in der Tat: Wo ist das Konzept der großen
Koalition, um Großes bei den Lohnnebenkosten zu vollbringen?
({21})
Das Hin und Her geht auch bei Ihrer geplanten
Gesundheitsreform weiter. Sie haben in Ihren nebulösen Eckpunkten angekündigt, die Steuerzuschüsse für
die GKV ab 2008 wieder zu erhöhen. In diesem Jahr
werden sie aber erst einmal gesenkt. Man muss sich
doch irgendwann einmal entscheiden, was man will.
Oder läuft es jetzt so: Dieses Jahr regiert die SPD und im
nächsten Jahr regiert die CDU/CSU in diesem Bereich;
entsprechend wird immer munter aufgestockt bzw. abgesenkt, bis keiner mehr weiß, wohin die Reise geht.
({22})
Das Schlimme ist, dass Sie mit Ihrer Politik keine der
Fragen beantworten, die sich, bedingt durch den demografischen Wandel, in den nächsten Jahren immer drängender für uns stellen. Sie alle kennen die Situation und
wissen, dass sich der Anteil der über 65-Jährigen an der
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 65 Jahren in den kommenden 40 Jahren verdoppeln wird. Sie
wissen, dass wir schon heute strukturelle Probleme bei
den Sozialausgaben haben. Sie wissen auch, dass wir in
der Verantwortung stehen, heute dafür zu sorgen, dass
uns die Verschuldungsproblematik nicht dann noch zusätzlich belastet, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in
Rente gehen und uns die Bugwelle der Kosten trifft.
Sie wissen weiterhin: Die Höhe der expliziten Staatsverschuldung in Höhe von 60 Prozent des BIP ist nur
ein kleiner Teil dessen, was wirklich auf uns zukommt.
Die implizite Staatsverschuldung - sie ergibt sich aus
Ansprüchen in den umlagefinanzierten sozialen Sicherungssystemen und aus ungedeckten Pensionszusagen schlummert in den öffentlichen Haushalten und macht
das Doppelte des BIP aus. Angesichts dieser Situation
finde ich es umso dramatischer, dass Sie dieses konjunkturelle Umfeld nicht wirklich nutzen, um auch auf der
Ausgabenseite etwas mehr Mut zu zeigen. Sie sollten
mehr tun, als nur die Einnahmen, die ihnen in die Kasse
gespült werden, als Konsolidierung zu verkaufen.
({23})
In diesem Zusammenhang muss auch über die Erhöhung der Mehrwertsteuer gesprochen werden; darüber
haben wir hier schon vielfach diskutiert. Der Finanzminister hat heute erklärt, dass er den Vorschlag der Grünen
ablehnt. Sie haben sich vorab festgelegt und sind nicht
bereit, von der Erhöhung der Mehrwertsteuer abzugehen. Sie sind auch nicht bereit, sie nur dosiert zu erhöhen. Heute Vormittag haben Sie erklärt, dass das Ihrer
Ablehnung gegenüber Fortsetzungsromanen geschuldet
ist. Ich muss ehrlich sagen: Für mich ist die persönliche
Literaturpräferenz nicht so entscheidend wie die Frage,
wie wir das Wachstum in diesem Lande fördern können,
anstatt es abzuwürgen; denn das sehen Ihre Pläne vor.
({24})
An dieser Stelle müsste man eigentlich über viele
weitere Aspekte des Haushaltsentwurfs sprechen. In der
zweiten und dritten Lesung werden wir Ihnen sehr deutlich sagen, an welchen Stellen der verschiedenen Einzelpläne Sie es versäumt haben, das Ruder herumzureißen.
({25})
Die Koalition täte gut daran, nicht so großspurig zu tönen, wie Herr Kampeter in der ersten Reihe, sondern die
Haushaltsberatungen im Ausschuss zu nutzen. In diesem
Haushaltsentwurf steckt noch viel Arbeit. Bisher ist
kaum ein Haushaltsentwurf in das Parlament eingebracht
worden, an dem noch so viel zu tun war, wie an diesem.
Der Verteidigungsminister scheut sich vor Reformen
in seinem Bereich und kündigt deshalb an, dass er mehr
Geld brauchen wird. Auch andere Minister schielen bloß
auf die riesigen Einnahmeberge und warten darauf, dass
auch für sie etwas abfällt. Die Ausgabefreudigkeit dieser
Koalition ist ungebrochen. Der Reformwille dieser
Koalition ist nicht erkennbar. Wenn Sie sich weiterhin
große Koalition nennen wollen, müssen Sie sich schon
etwas Besseres einfallen lassen.
Die Kanzlerin hat in diesen Tagen verkündet, man
solle die Zukunft nicht verbrauchen. Genau das tut die
Regierung aber mit diesem Haushalt, und das ohne Not.
Ich kann nur hoffen, dass die Reden Ihrer Kanzlerin irgendwann einmal in Ihren eigenen Reihen ankommen
und Sie irgendwann einmal einen Haushalt aufstellen,
der das, was hier verkündet wird, nicht widerlegt. Darauf
müssen wir wohl leider, wenn ich Ihre Debattenbeiträge
richtig verstanden habe, noch sehr lange warten. Das
können wir uns nicht leisten. Packen Sie es an! Machen
Sie endlich etwas daraus!
({26})
Das Wort hat die Kollegin Petra Merkel, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Lob
auf die Kanzlerin in meine Rede einsteigen; denn wenn
sie Recht hat, hat sie Recht.
({0})
Die Frau Bundeskanzlerin Merkel hat gesagt, dass
sich Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 um
Deutschland verdient gemacht hat. Ich finde, es ist mutig
und zeugt von Größe, dass die Bundeskanzlerin das anerkennt. Gerhard Schröder, Hans Eichel, die SPD, die
Grünen und die CDU/CSU haben gemeinsam - auch
wenn es schwierig war, im Bundesrat zu Kompromissen
zu kommen; Herr Ramsauer sagt, sie hätten es hingebogen - die Weichen für eine umfangreiche Reform gestellt. Reformen brauchen im Gegensatz zu Gesetzen,
die schnell verabschiedet und auf den Weg gebracht
Petra Merkel ({1})
werden können, sehr viel Zeit, ehe sie Wirkung entfalten. Die Erfolge sind jetzt langsam spürbar.
An diesen Reformen waren zwei leider nicht beteiligt,
und zwar auf der einen Seite die FDP und auf der anderen Seite Die Linke.
(Steffen Kampeter ({2}): Sehr wahr!
Sie haben sich davon verabschiedet. Das merkt man in
allen ihren Beiträgen hier.
({3})
Die große Koalition macht weiter. Zu Jahresbeginn
hat sie mit dem Haushalt 2006 das zarte Pflänzchen Aufschwung unterstützt. Mehr als 400 000 Arbeitslose weniger, mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als
im August letzten Jahres sind ein Indiz für den positiven
Trend. Das macht Hoffnung.
Es war richtig, dass der Haushalt 2006 von einem Anschub für die Konjunktur geprägt war, zum Beispiel
durch das 25-Milliarden-Euro-Impulsprogramm und die
Hinnahme einer hohen Nettokreditaufnahme. Das CO2Gebäudesanierungsprogramm ist ein Renner. Es verbindet Maßnahmen zum Klimaschutz mit einem Programm
für das Handwerk. Das ist eine Investition in die Zukunft. Übrigens, Herr Bonde, ist das ein Ergebnis von
Genshagen.
({4})
Der Vorschlag von Franz Müntefering, dass wir versuchen sollen, jetzt auch die öffentlichen Gebäude im Rahmen dieses Programms verstärkt energetisch zu sanieren,
ist ein guter Vorschlag. Als weitere Beispiele nenne ich
die zusätzlichen 6 Milliarden Euro bis 2009 für Wissenschaft und Forschung, die Hightechstrategie, durch die
Ideen in Deutschland in Arbeitsplätze in Deutschland
umgesetzt werden sollen.
Zum Erfolg gehört auch die Einhaltung des
Maastrichtdefizitkriteriums bereits 2006 und, dass der
Haushalt 2007 der in der Verfassung vorgeschriebenen
Regelgrenze für die Kreditaufnahme - die Investitionen
sollen über der Nettoneuverschuldung liegen - entspricht. Die anderen Haushalte waren übrigens auch verfassungsgemäß.
In den zukünftigen Investitionen ist ein Projekt enthalten, das für uns in der Region Berlin-Brandenburg
und damit auch in den neuen Ländern, Herr Claus, erheblich wichtig ist, nämlich der Großflughafen Berlin
Brandenburg International. Für dieses Investitionsund Entwicklungsprojekt ist der erste Spatenstich gemacht. Der Konsensbeschluss zwischen dem Bund, Berlin und Brandenburg zur Schließung der beiden innerstädtischen Flughäfen ist - trotz aller Spekulationen gültig und nicht revidiert worden.
({5})
Der Bund wird die Anbindung des Flughafens zu einem
großen Teil finanziell unterstützen und ist als Gesellschafter des BBI zusammen mit Berlin und Brandenburg
mit im Boot. Es scheint trotz aller Verzögerungen sogar
zu gelingen, dass die Errichtung dieses großen Flughafens weniger Zeit in Anspruch nimmt als die des Flughafens München, die damals 22 Jahre betrug. Wie dem
auch sei: Diese Großinvestition dient der Region und damit auch den neuen Ländern. Der Bund ist mit erheblichen Mitteln dabei.
Die Steuergelder sprudeln; das ist nicht schlecht. Bereits in diesem Jahr sollen nach manchen Schätzungen
16 bis 18 Milliarden Euro zusätzlich an die Gemeinden,
die Länder und den Bund fließen. Für den Bund wären
das 3 bis 5 Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen.
Schon fragt die Presse: Was kann Steinbrück uns Gutes
tun? Schon fragt sich die ARD am 5. September dieses
Jahres: Was macht Finanzminister Steinbrück mit dem
vielen Geld?
({6})
Meine Antwort darauf lautet: Er passt darauf auf. - Am
besten setzen Sie sich darauf.
({7})
Der Finanzminister muss Begehrlichkeiten abwehren,
um das zu erreichen, was wir alle wollen. Wir wollen
raus aus dem Teufelskreis von immer mehr Neuverschuldung, immer mehr Zinsausgaben und immer geringerer Handlungsfähigkeit des Staates. Das ist allerdings
nicht nur Aufgabe des Finanzministers.
Das ist die Aufgabe jeder und jedes Einzelnen von
uns
({8})
in jedem Ausschuss, ob Fachausschuss, Haushaltsausschuss oder Finanzausschuss. Es ist sogar unabhängig
davon, in welcher Partei man ist. Es ist auch Aufgabe
der Ministerien und aller Verwaltungen.
({9})
Also bitte: Alle sind dafür verantwortlich.
({10})
Das angestrebte Ziel ist, die Nettokreditaufnahme
bis 2010 auf 20 Milliarden Euro zu reduzieren. Wenn
das schneller geht und die Nettokreditaufnahme geringer
ausfallen kann, dann ist das umso besser. Aber wir sollten jetzt eher eine realistische Einschätzung abgeben, anstatt später unseren Vorgaben hinterher zu rennen. Insofern ist dieser Weg der richtige: runter mit der
Nettoneuverschuldung, und das - da sind wir uns sicherlich alle einig - sobald wie möglich.
({11})
Der Schuldenstand in Deutschland beträgt 1 500 Milliarden Euro. Für den Bund beträgt er 950 Milliarden Euro inklusive Sondervermögen. Wir müssen immer
wieder deutlich machen, dass das eine immense Zahl ist,
deren Reduzierung für uns eine Kraftanstrengung sein
wird. Es ist richtig, was Frau Merkel formuliert hat: Wir
dürfen unsere Zukunft nicht verbrauchen. Dazu bedarf
Petra Merkel ({12})
es eines Mentalitätswechsels. Ein Mentalitätswechsel
braucht Zeit; das haben wir auch in Berlin gemerkt. Es
wird ein anstrengender Weg werden.
Sehen wir uns die Zahlen des Haushaltsentwurfs für
das Jahr 2007 an: Die Gesamtausgaben betragen
267 Milliarden Euro. Darin sind die Einnahmen aus der
Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt in
Höhe von 6,5 Milliarden Euro enthalten, die von der
Bundesagentur für Arbeit zur Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung verwendet werden.
Ich finde, Herr Steinbrück hat sehr gut und plastisch geschildert, dass es sich hierbei um einen Betrag handelt,
der lediglich durchgereicht wird,
({13})
sodass die Ausgaben dieses Bundeshaushalts, verglichen
mit dem Bundeshaushalt des Vorjahres, eigentlich niedriger sind. Auch das ist ein Aspekt der Konsolidierung.
({14})
Allerdings werden von den Gesamtausgaben in Höhe
von 267 Milliarden Euro 122 Milliarden Euro allein für
den Bereich Arbeit und Soziales ausgegeben werden, davon wiederum 78 Milliarden Euro für den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung. Das ist ein großer Anteil. Dessen sind wir uns bewusst.
Die Einnahmen betragen insgesamt 245,6 Milliarden
Euro; davon werden 214 Milliarden Euro aus Steuereinnahmen erzielt - ohne Nettokreditaufnahme. Diese Zahlen sprechen für sich. Es wird eine schwierige Aufgabe
sein, den Bundeshaushalt so zu sanieren, dass wir unser
Ziel erreichen, nämlich die Nettoneuverschuldung drastisch zu senken.
Die Mehrwertsteuererhöhung ist immer wieder
Thema. Ich sage ganz deutlich: Sie ist einkalkuliert und
beschlossen. Wir erleben täglich, dass sich viele Firmen
schon im Vorfeld auf die Mehrwertsteuererhöhung einstellen, sie in ihren Planungen für die Zeit nach dem
1. Januar 2007 berücksichtigen und versuchen, davon zu
profitieren. So wird zum Beispiel ein Neuwagen schon
jetzt ohne 16-prozentige Mehrwertsteuer angeboten und
eine große Lebensmittelkette garantiert ihren Kunden,
ab dem 1. Januar 2007 keine Preiserhöhungen durchzuführen. Das gilt übrigens nicht für diejenigen Artikel, die
mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent
versteuert werden, sondern für diejenigen, die künftig
mit 19 Prozent versteuert werden.
({15})
Das ist ein Indiz dafür, dass im Augenblick niemand
von uns sagen kann, wie sich die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Produktpaletten und auf die Ausgaben
jedes Haushalts auswirken wird. Wir wissen nur, was sie
für unseren Haushalt bedeutet: Mehreinnahmen von insgesamt 19 Milliarden Euro. Dabei muss immer wieder
darauf hingewiesen werden, dass dieser Betrag nicht
vollständig dem Bund zugute kommt. Dem Bund fließen
die Einnahmen aus 1 Prozentpunkt Erhöhung zu, die
Länder erhalten die Einnahmen aus 1 Prozentpunkt Erhöhung und die Einnahmen aus 1 Prozentpunkt Erhöhung werden zur Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung verwendet. Durch die Senkung
des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung in Höhe
von insgesamt 2 Prozentpunkten senken wir auch die
Lohnnebenkosten. Es ist immer wieder wichtig, das zu
betonen, insbesondere in Gesprächen mit Vertretern der
Wirtschaft.
Eines spielt hier immer wieder eine Rolle: Bei der
Bundesagentur für Arbeit haben wir in diesem Jahr
Mehreinnahmen in Höhe von mehr als 8 Milliarden Euro
zu verzeichnen, was zumindest teilweise auf den Einmaleffekt eines zusätzlichen Monatsbeitrags der Bundesagentur zurückzuführen ist. Wenn allerdings angesichts der aktuellen Überschüsse Beitragssatzsenkungen
gefordert werden, dann ist das für mich ein typischer Reflex, der sich zum Teil auch in unserer Debatte widergespiegelt hat. Einige meiner Koalitionskollegen sagen ja
bereits, wo überall Erhöhungen dringend notwendig sind
bzw. in welchen Bereichen keine Privatisierungen
durchgeführt werden dürfen; das ist das alte Spiel. Wir
müssen uns darum bemühen, den Haushalt im Zaum zu
halten. Das geht uns alle an, auch die Mitglieder des
Fachausschusses.
Erst wenn erkennbar ist, dass es verlässlich und dauerhaft Spielräume gibt, kann man über Beitragssatzsenkungen reden, allerdings nur dann. Wenn die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren höher ausfallen als
geplant, müssen wir sie für die Haushaltssanierung verwenden; denn auch der Haushalt für das Jahr 2007 ist
mit unbestreitbaren Risiken verbunden. Der Bereich
„Arbeit und Soziales“, die Zinsentwicklung - noch profitieren wir vom Niedrigzins - und die Mehrwertsteuererhöhung können noch Einfluss auf die Wirtschafts- und
Haushaltsentwicklung haben. Wenn wir auf die von mir
angesprochenen Forderungen, die in der einen oder anderen Etatberatung zu vernehmen waren, nicht eingehen,
werden wir es schaffen, die Ausgaben zu senken.
Ich möchte noch auf einige andere Projekte zu sprechen kommen, für die der Haushalt 2007 steht. Als Beispiel nenne ich das Elterngeld.
({16})
Nun wird für Frauen und Männer endlich die Möglichkeit geschaffen, das erste Jahr nach der Geburt ohne größere finanzielle Einbußen mit ihrem Kind verbringen zu
können. Der Wiedereinstieg in den Beruf geht nach einem Jahr besser und reibungsloser. Allerdings müssen
die Länder entsprechende Kinderbetreuungsangebote
vorhalten; sie sind da in der Pflicht. Wir haben in der
großen Koalition die mit dem TAG, dem Tagesbetreuungsausbaugesetz, begonnenen Programme zur Betreuung von Kindern unter drei Jahren fortgesetzt. Im Wege
der Entlastung der Kommunen stellt der Bund die Finanzierungsgrundlage für den Ausbau der Kinderbetreuung
bereit. Dass die CDU/CSU in der großen Koalition mit
uns diesen Schritt gegangen ist und auch das erfolgreiche Ganztagsschulprogramm mit uns weiterführt, freut
uns und viele Familien.
Petra Merkel ({17})
({18})
Das Land Berlin wird vom 1. Januar 2007 an für das
letzte Kitajahr keine Gebühren mehr nehmen, und in den
nächsten fünf Jahren sollen grundsätzlich keine Gebühren mehr für Kinder über drei Jahre erhoben werden wie übrigens im armen Saarland schon üblich. Dann ist
die Bildungseinrichtung Kindergarten mit dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz genauso kostenfrei
wie die Schule. Damit wird das Land Berlin einen weiteren Schritt sowohl bei der Integration der Kinder von
Migrantinnen und Migranten als auch bei der Bildung aller Kinder im Kindergartenalter tun. Wir erinnern uns:
Im Sommer hat die Beauftragte der Bundesregierung für
Migration, Flüchtlinge und Integration, Frau Professor
Dr. Böhmer, mit Franz Müntefering und anderen einen
Integrationsgipfel veranstaltet und Arbeitsgruppen eingesetzt. Für die Hauptstadt Berlin, für viele Städte in
Deutschland und auch in Europa ist die Frage der Integration entscheidend. Es gibt nur eine Möglichkeit: Bildung, Bildung, Bildung, und das so früh wie möglich.
({19})
Das bedeutet, dass die Bildung in den Kindertagesstätten
Vorrang haben muss.
({20})
Ich möchte einen weiteren Bereich ansprechen: Wir
sind alle froh, dass Bonn die Umwandlung zur Bundesstadt gut bekommen ist, dass Bonn blüht. Die Berichterstattung in der Presse in den letzten Tagen über eine Veränderung des Bonn/Berlin-Gesetzes ist allerdings
vorschnell.
({21})
Es gibt keinen derartigen Beschluss. Richtig ist allerdings, dass die Koalition im Haushaltsausschuss erneut
die räumliche Aufteilung der Bundesregierung und der
ihr nachgeordneten Behörden daraufhin überprüfen
wird, wie kurz- oder mittelfristig Effizienzgewinne erreicht werden können. Dazu gehören auch Neubaumaßnahmen. Sie können sich vorstellen, wofür mein Herz als
Berlinerin schlägt.
({22})
Ich finde es richtig, diese Aufteilung zu überprüfen.
Eine weitere Bemerkung: Der Bund finanziert in
Kontinuität die Programme „Civitas“ und „Entimon“ des
Aktionsprogramms „Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus“. Wie nötig diese Programme sind,
zeigt die aktuelle Situation in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin.
({23})
- Vorsicht, Vorsicht!
({24})
Sie alle wissen, dass am 17. September in MecklenburgVorpommern und in Berlin Landtagswahlen stattfinden.
In beiden Bundesländern werden derzeit erschreckende
Erfahrungen gemacht mit Vertretern der NPD. Gezielte
Störungen von Veranstaltungen, bis hin zu körperlicher
Bedrohung und Androhung von Gewalt, können wir als
Demokraten nicht akzeptieren.
({25})
Deshalb bitte ich alle Wahlberechtigten: Machen Sie Gebrauch von Ihrem demokratischen Recht auf Stimmabgabe. Viele von Ihnen, die jetzt stimmberechtigt sind,
haben vor 17 Jahren auf eine freie, demokratische Wahl
gehofft und sind dafür auf die Straße gegangen. Es liegt
in Ihrer Hand, ob die NPD in die Parlamente einzieht.
Bitte gehen Sie zur Wahl!
({26})
Ich komme zum Schluss. Die Beratungen des
Haushalts 2007 werden jetzt in den Fachausschüssen
und im Haushaltsausschuss fortgesetzt. Ich bin sicher,
dass wir alle sie in großer Verantwortung wahrnehmen
werden. Ich hoffe auf viele Ideen, neue Einsichten, und
wünsche uns allen viel Erfolg.
({27})
Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte in der Schlussrunde noch einmal auf
die Ziele der Haushalts- und Finanzpolitik der großen
Koalition hinweisen. Wir wollen bekanntlich zwei Ziele
gleichzeitig verwirklichen: nachhaltige Konsolidierung
der öffentlichen Finanzen und Stärkung der Wachstumskräfte der Wirtschaft. Ich sage sehr deutlich: Dieser
Haushalt, den wir in den letzten Tagen in erster Lesung
beraten haben, ist ein wichtiger Schritt, um beide Ziele
zu erreichen.
({0})
Ich finde es eigenartig, dass sich einige hier hinstellen
und sagen, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass wir
mit diesem Haushalt die Maastrichtkriterien und
Art. 115 unseres Grundgesetzes erfüllen.
({1})
- Das mag sein. - Das wird insbesondere von denen gesagt, die an den Sanierungsmaßnahmen nicht mitgewirkt
haben.
({2})
Ich stelle nur fest, dass es fünf Jahre lang nicht gelungen
ist, einen Haushalt vorzulegen, der den Maastrichtkriterien und dem Grundgesetz entspricht. Ich sage sehr deutlich: Wir als Finanzpolitiker haben bei dieser Sanierung
eine erhebliche Last tragen müssen. Es war nicht einfach, die Mehrwertsteuererhöhung durchzusetzen und
Subventionen sowie Steuervorteile in einer Größenordnung von 7 bis 8 Milliarden Euro zu streichen.
Schauen Sie sich die Zahlen an: In diesem Jahr haben
wir eine Nettoneuverschuldung von rund 38 Milliarden
Euro, im nächsten Jahr werden es 22 Milliarden Euro
sein. Das heißt, wir führen die Nettoneuverschuldung
um 16 Milliarden Euro zurück. Von den Mehreinnahmen
durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhalten wir nur ein Drittel; das sind ungefähr
7 Milliarden Euro. Die anderen 9 Milliarden Euro haben wir in anderen Bereichen gespart. Die große Koalition hat also wirklich bewiesen, dass sie in der Lage ist,
unpopuläre Entscheidungen durchzusetzen, um den
Haushalt zu sanieren. Das ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.
({3})
Ich möchte mich in meinem Beitrag auf zwei Themen
beschränken, nämlich zum einen auf das Thema Konsolidierung der öffentlichen Finanzen
({4})
und zum anderen - das kann nicht überraschen - auf das
Thema Unternehmensteuerreform.
Bezogen auf die Konsolidierung stelle ich ganz klar
fest - hier unterstütze ich ohne jede Vorbehalte den
Finanzminister -: Wir sind erst am Anfang der Konsolidierung.
({5})
Meine Damen und Herren - das gilt auch für die Kollegen meiner eigenen Fraktion -, denken Sie bitte nicht
gleich nach, was man noch alles an Gutem tun kann,
wenn wir jetzt ein bisschen mehr Steuern einnehmen.
Alles, was wir zusätzlich einnehmen, brauchen wir für
die nachhaltige Sanierung. Denken Sie daran: Durch
jede Milliarde, die wir weniger Schulden machen, sparen
wir in den folgenden Jahren - selbst bei einem günstigen
Zinssatz - 30 Millionen Euro an Zinsen. Das heißt, wir
erhöhen damit unseren Spielraum.
({6})
Natürlich hält sich bei uns die Begeisterung in Grenzen - das gilt sowohl für die Sozialdemokraten als auch
für uns -, dass am Ende der mittelfristigen Finanzplanung immer noch eine Nettoneuverschuldung in der
Größenordnung von 20 Milliarden Euro steht.
({7})
Nach den Maastrichtkriterien und dem Grundgesetz soll
ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden; das ist
völlig klar. Die Drei vor dem Komma bei dem
Maastrichtdefizitkriterium ist eine Obergrenze für kritische Zeiten. Das Gleiche gilt für Art. 115 Grundgesetz.
Ich sage daher sehr deutlich - das haben schon mehrere
von der Regierung und der Koalition gesagt -: Das Ziel
der großen Koalition ist ein ausgeglichener Haushalt.
({8})
Jetzt kommt natürlich eine Feststellung, die hier nicht
fehlen darf: Selbst wenn wir einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, wie Bayern das erreicht hat - ich schaue
mit Respekt auf die bayerischen Freunde; sie haben
schon in diesem Jahr einen ausgeglichenen Haushalt -,
({9})
haben wir nach heutigem Stand 950 Milliarden Euro
Schulden, die wir in den nächsten Jahren noch ein bisschen erhöhen werden.
({10})
Das heißt, wir müssen irgendwann anfangen, diesen
Berg abzutragen. Ich glaube, allein diese Perspektive
zeigt, dass die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen
eine Aufgabe ist, die uns mit Sicherheit auch in den
nächsten Legislaturperioden beschäftigen wird.
({11})
Ich komme jetzt im Zusammenhang mit unserem
Haushalt zur Unternehmensteuerreform. Zunächst einmal will ich das unterstreichen, was einige Kollegen gesagt haben: Wir sind in der großen Koalition auf dem
Wege zu einer wirklich großen und vernünftigen Unternehmensteuerreform.
({12})
Jeder, der aus dem Kreis der Zwölf, die an den Sitzungen
teilnehmen, etwas dazu gesagt hat, hat sich in dieser
Richtung geäußert.
Über Grundpositionen sind wir uns einig, aber wir
wissen natürlich, dass im Detail noch manches Problem
zu lösen ist. Ich sage deutlich - auch da stimmen wir in
der großen Koalition überein -: Wir werden keine Unternehmensteuerreform verabschieden, die die großen Unternehmen entlastet und den Mittelstand belastet. Das
wird es mit der großen Koalition nicht geben. Im Gegenteil, bei jeder Frage, die diskutiert wird, geht es um den
Aspekt: Wie wirkt sich das auf den Mittelstand aus? Wir
alle wissen nämlich, dass der Mittelstand die Säule unserer Wirtschaft ist.
({13})
Kritisch ist natürlich - ich kann Ihnen für dieses Problem keine abschließende Lösung anbieten; aber wir
befinden uns jetzt ja auch nicht in einer Unternehmensteuerdebatte -, dass nicht der Mittelstand, sondern die
großen Firmen die Gestaltungsmöglichkeiten haben, um
ihre Gewinne ins Ausland zu verlagern.
({14})
Deshalb müssen wir einen Weg finden - das ist unsere
gemeinsame Auffassung -, diese Gestaltungsmöglichkeiten einzuengen, ohne dem Mittelstand neue, zusätzliche Belastungen aufzubürden.
({15})
Ich komme zu einer Frage, die in der Koalition ein
bisschen kontrovers diskutiert wird - auch hier werden
wir zu einer gemeinsamen Antwort kommen -: Kann,
soll oder muss eine Unternehmensteuerreform aufkommensneutral durchgeführt werden oder brauchen wir
eine Entlastung? Ich sage deutlich: Beide Auffassungen
sind, wenn man den Faktor Zeit berücksichtigt, richtig.
Natürlich müssen wir im ersten Jahr Steuerausfälle einrechnen und berücksichtigen.
({16})
Wir haben schon die aus meiner Sicht gute Entscheidung getroffen, dass die Steuerausfälle in Höhe von
5 Milliarden Euro, über die jetzt diskutiert wird, nur von
Bund und Ländern, nicht von den Kommunen ausgeglichen werden sollen. Das ist ein gutes Zeichen für die
Kommunen. Die Politiker der großen Koalition werden
die Kommunen bei der Mitfinanzierung einer Unternehmensteuerreform schonen, und zwar aus gutem Grunde:
Der überwiegende Teil der Investitionen vor Ort, die gerade für den kleinen Handwerksbetrieb wichtig sind,
wird von den Kommunen getätigt. Nur wenn wir die
Kommunen in die Lage versetzen, wieder in steigendem
Umfang Aufträge zu vergeben, können wir vernünftig
etwas für den Mittelstand vor Ort tun.
({17})
Lassen Sie mich deutlich sagen: Die 5 Milliarden
Euro sind kein Geschenk an irgendwelche Unternehmer.
({18})
Jede Privatentnahme - ob aus einer Kapitalgesellschaft
oder aus einer Personengesellschaft - wird weiterhin wie
heute besteuert, das heißt, mit einem Steuersatz von
42 Prozent plus Soli usw. Die geplante Steuersenkung
betrifft nur die einbehaltenen Gewinne, die in Deutschland zurzeit mit knapp 39 Prozent besteuert werden. Damit sind wir leider Spitzenreiter in Europa, und zwar
nicht, weil wir die Steuern erhöht haben, sondern weil
die anderen die Steuern stärker gesenkt haben. Hier müssen wir ein Zeichen setzen. Ein Steuersatz von
29 Prozent, den wir jetzt anpeilen, ist ein solches Zeichen.
Die 5 Milliarden Euro sind eine Investition, weil wir
damit erreichen werden, dass ein erheblicher Teil der
Gewinne, die heute in Deutschland entstehen, aber hier
leider nicht steuerlich wirksam werden, wieder in
Deutschland versteuert wird. Ich sage deutlich: Auch
ohne „Zinsschranken“ werden manche bei einem Steuersatz von 29 Prozent überlegen, ob es noch sinnvoll ist,
die Gewinne in anderen Ländern zu versteuern. Bei einem Steuersatz von 39 Prozent lohnt sich das.
Kollege Poß hat am Dienstag eine interessante Zahl
genannt: Es gibt Berechnungen - man kann sie nicht seriös bis nach dem Komma darstellen -, nach denen etwa
60 Milliarden Euro der Gewinne, die in Deutschland erzielt werden, nicht in Deutschland versteuert werden.
Wir von der Union hatten vor wenigen Tagen ein Gespräch mit Vertretern der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Diese haben sehr deutlich gesagt: Jede große
Firma, die wir überprüfen, versteuert einen Teil ihrer Gewinne im Ausland, und zwar vollkommen legal.
Wenn wir durch eine vernünftige Unternehmensteuerreform - wir sind dabei auf dem richtigen Wege - erreichen, dass nur die Hälfte dieser Gewinne wieder in
Deutschland versteuert wird, dann führt das bei einem
Steuersatz von 30 Prozent zu Einnahmen in Höhe von
9 Milliarden Euro.
({19})
- Ja, zusätzlich! Deswegen stelle ich die These auf: Eine
vernünftige Unternehmensteuerreform - eine solche
werden wir beschließen - wird dafür sorgen, dass wir
mittelfristig mit niedrigeren Steuersätzen höhere Einnahmen erzielen werden. Insofern brauchen wir über das
Thema Entlastung nicht so lange zu diskutieren. Am Anfang müssen wir ein wenig Geld aus dem Haushalt investieren. Aber durch diese Investitionen werden wir relativ schnell zu höheren Einnahmen kommen.
Viele Redner der Koalition haben sich positiv zur
Wirtschaftsentwicklung geäußert: Die Zahlen sind sehr
gut; die Wirtschaft funktioniert. Ich will nicht alle Zahlen wiederholen. Sie waren richtig. Vonseiten der Opposition wurde festgestellt, wir könnten nichts dafür. Die
Kanzlerin hat die Gründe, glaube ich, sehr vernünftig
dargestellt. Die neue Regierung ist zwar ein Grund für
den Aufschwung, wir wissen jedoch, dass dies nicht der
einzige Grund ist. Aber wenn die Zahlen heute schlecht
wären, dann hätten mindestens drei Fraktionen festgestellt, wir seien schuld daran. Deshalb, meine Damen
und Herren: Gönnen Sie uns die Freude über die guten
Zahlen. Wir werden aktiv weiterarbeiten, damit die Zahlen noch besser werden.
({20})
Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Otto Fricke das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltswoche neigt sich dem Ende zu. Es
waren interessante Debatten. Wir haben alles Mögliche
darüber gehört, wer woran schuld ist, wer was wofür
kann und wer was tun will. Ein Satz allerdings ist kaum
gefallen: Wir wollen sparen.
Sie sparen nicht, meine Damen und Herren von der
Koalition.
({0})
Sie sprechen immer wieder von Konsolidierung. Wissen
Sie eigentlich, was das Wort „konsolidieren“ heißt, das
Sie immer im Munde führen? Es heißt „festigen, sichern,
bewahren des Bestehenden“. Sie bewahren mit Ihren
Haushaltsplänen das Bestehende und damit den weiteren
Gang in eine immer höhere Verschuldung.
({1})
- Ich komme noch zu den Schulden, Herr Kollege. Ich
bin gespannt, wie unruhig der Kollege Kampeter heute
noch werden wird. Das werden wir alles noch hören.
Frau Merkel hat gesagt, wir dürften unsere Zukunft
nicht verbrauchen. Was heißt „verbrauchen“? Wir dürfen
nicht so viel ausgeben. Sie hat klar und deutlich festgestellt, dass wir die Ausgaben senken müssen. Wenn es
aber konkret wird, dann kommt im Ergebnis leider immer nur heiße Luft.
({2})
Was müssen wir tun? Wir müssen intelligent sparen.
Wir müssen die Sozialsysteme zukunftssicher machen.
Wir müssen die Steuersätze senken - keinesfalls dürfen
wir die Steuern erhöhen - und wir müssen das Steuersystem vereinfachen. Wir müssen jedem die private Altersvorsorge ermöglichen. Kurz gesagt: Wir müssen eine
Steuerreform durchführen, statt eine Urlaubssperre auszusprechen. Darum muss es gehen.
({3})
Die bestehenden Einsparmöglichkeiten hat die FDP
immer wieder im Liberalen Sparbuch dargestellt. Die
Reaktion darauf lautet immer wieder: Das ist ja schrecklich. Aber auch in diesem Haushalt finden sich wieder
viele Punkte - ich hoffe, das können Sie zugeben, Herr
Steinbrück -, bei denen die große Koalition auf einmal
festgestellt hat: Die FDP hatte Recht; wir senken den
Ansatz. - Wir werden Ihnen auch dieses Jahr wieder einige Sparvorschläge machen. Setzen Sie sie um und machen Sie es dieses Jahr, statt weitere Jahre zu warten!
({4})
Lassen Sie mich mit einem Beispiel verdeutlichen,
dass die Notwendigkeit des Sparens noch nicht richtig
angekommen ist. Wir haben die größte Föderalismusreform aller Zeiten beschlossen. Damit haben wir Kompetenzen abgegeben. Im Haushalt versucht man jedoch
vergeblich, auch nur einen Punkt zu finden, in dem die
große Koalition festgestellt hat, dass sie für einen Bereich nicht mehr zuständig ist, dass ein Referat nicht
mehr gebraucht wird oder dass eine Fördermaßnahme
nicht mehr notwendig ist. Trotz der Föderalismusreform
macht sie bei den Ausgaben einfach so weiter wie bisher.
({5})
Ich komme auch wieder auf die Steinkohlesubvention
zu sprechen. Sie steigt dieses Jahr an. Wir können darüber streiten, ob das nur eine Bugwelle ist oder nicht.
Jedenfalls wird immer wieder auf die bestehenden Verträge verwiesen - ich halte das für falsch; das ist eine
dumme juristische Sichtweise -, dass es einen Vertrag
gibt, der eingehalten werden müsse. Das ist zwar richtig,
aber aus wirtschaftlicher Sicht heißt das: Der Vertragspartner will vom Steuerzahler auch nach Ende der Vertragsdauer noch Geld haben.
Insofern erwarte ich von der Koalitions, dass sie mit
Herrn Müller bei allem, was er noch plant, nicht nur über
die Zukunft, sondern auch über die Gegenwart spricht.
Wenn Sie das Sparen, von dem immer wieder die Rede
ist, ernst nehmen, dann müssen Sie in dieser Weise verhandeln, statt einem Subventionsempfänger zuzusagen,
dass ihm das versprochene Geld auf jeden Fall auch weiterhin sicher ist.
({6})
Herr Minister Müntefering, es muss auch endlich
überprüft werden, wo etwas nicht stimmt und an welchen Stellen es gerade im größten Haushalt nicht weiterlaufen kann wie bisher. Bei den Eingliederungsmaßnahmen zum Beispiel - ich glaube, darüber bin ich mir mit
dem Kollegen Kampeter einig - stimmt es hinten und
vorn nicht, hier müssen die Zahlen gesenkt werden: In
Duisburg, so hört man, müssen bis zum Jahresende noch
12 Millionen Euro ausgegeben werden, weil das Geld
einfach da ist. Was wird gemacht? Man hat eine tolle
Idee. Jeder darf den Führerschein machen und wenn er
anschließend einen Kaufvertrag über ein Auto nachweist, erhält er 2 500 Euro für den Führerschein und zusätzlich 1 000 Euro als Bonus. Diejenigen, die zunächst
vergessen hatten, es geltend zu machen, erhalten auch
1 000 Euro, Hauptsache, das Geld ist weg. Das kann
nicht die Lösung sein, hier muss sich einiges ändern.
({7})
Der Aussteuerungsbetrag ist für mich immer noch ein
Wahnwitz. Ein Aussteuerungsbetrag ist nichts anderes
als eine Strafzahlung. Obwohl kein Vertreter der Bundesländer mehr anwesend ist, möchte ich fragen: Müssten nicht auch die Länder eine Strafzahlung an die BA
für diejenigen leisten, die sie schulisch nicht so ausgebildet haben, dass sie für den Arbeitsmarkt tauglich sind
und einen Job finden? Nein, das tun sie nicht.
Jetzt wird es interessant: Der liebe Kollege Bernhardt
hat soeben ausgeführt, der Überschuss sei kein Polster
und diese Mittel sollten zurückgegeben werden. Dabei
hat er leider außer Acht gelassen, was Herr Koch dazu
gesagt hat. Als ich das hörte, bekam ich große Angst um
die CDU/CSU; denn bisher habe ich immer gedacht, die
Kompromisse hätten damit zu tun, dass Sie sich mit der
SPD abstimmen müssen. Aber nein, der Kollege Koch,
der bekanntlich alleine regiert, sagt: Das Beitragszahlergeld, der Milliardenüberschuss - „Überschuss“ ist schon
bemerkenswert -, sollte genutzt werden, um 50 000 Jugendlichen einen fiktiven Ausbildungsplatz bereitzustellen. Ich habe gedacht: Das kann doch nicht wahr
sein! Da hat die CDU die absolute Mehrheit und kann
ihre Meinung allein durchsetzen - und dann so etwas.
Das zeigte mir: Auch dort, wo die CDU die absolute
Mehrheit hat, ist sie in einer sozialistischen Ideologie
verfangen, weil sie ihrem Partner in diesen Dingen folgt.
({8})
- Ich sage Ihnen, warum ich das für sozialistisch halte:
Unsere Aufgabe muss doch darin bestehen, den Jugendlichen reale Ausbildungsstellen zu ermöglichen. Wir
wissen ganz genau, wo die Probleme der Jugendlichen
liegen. Deshalb hilft es nicht, wenn sie vielleicht für
zwei Jahre die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz bekommen, um im dritten Jahr zu erfahren: Tut uns Leid, die
Subvention ist weg. - Die FDP will dieses Problem mit
den Mitteln des Marktes lösen, aber dafür müssen wir
dem Markt auch die Instrumente an die Hand geben.
Wenn ich die Diskussion der letzten Zeit über
Hartz IV verfolge, stelle ich einen schönen Widerspruch fest. Ich bin gespannt, wie Sie diesen Widerspruch lösen wollen, Herr Müntefering. Der Aussteuerungsbetrag, den die Bundesagentur zahlen muss, weil
sie nicht genügend Arbeitslosengeld-I-Empfänger in den
Arbeitsmarkt vermittelt, steigt. So steht es im Haushalt.
Heißt das mit anderen Worten, dass die Arbeitslosigkeit
steigt, wenn mehr Leute kurzzeitig ihren Arbeitsplatz
verlieren? Dazu sagt Herr Müntefering in seinem Haushalt Nein und begründet das damit, dass mehr Hartz-IVEmpfänger in den Arbeitsmarkt hineinkommen. Dass
Hartz-IV-Empfänger, also Langzeitarbeitslose, schneller
auf dem Arbeitsmarkt sind als diejenigen, die kurzfristig
als ALG-I-Empfänger aus dem Arbeitsmarkt raus sind,
kann ich nicht nachvollziehen. Diesen Widerspruch
müssen Sie erst einmal aufklären.
Ich kann Ihnen allerdings erklären, warum das haushalterisch so ist. Der Grund liegt schlichtweg in den
1,5 Milliarden Euro, die der Finanzminister braucht, damit die Verfassung zumindest bei der Aufstellung des
Haushaltes nicht gebrochen wird. Das ist der eigentliche
Grund für diese Trickserei.
({9})
Ich muss Ihnen noch einen zweiten Widerspruch verdeutlichen, Herr Müntefering. Sie sagen, das 58er-Programm müsse fortgesetzt werden. Ich gebe Ihnen an einem Punkt Recht: In der Frage, wie wir ältere
Arbeitnehmer besser im Arbeitsmarkt halten können
bzw. welche Möglichkeiten wir ihnen einräumen können, ihr Alter gut zu gestalten, hat unsere Gesellschaft
ein riesiges Problem. Hierzu gibt es an vielen Stellen
noch völlig falsche Denkansätze.
Ich habe in einer Diskussion erlebt, dass ein Zweiundsechzigeinhalbjähriger davon sprach, er sei ein Senior,
obwohl er mitten im Leben stand. Herr Müntefering, ich
bin sicher, Sie werden mir Recht geben: Das ist noch
kein Alter. Unsere Gesellschaft verdrängt jedoch Menschen dieses Alters zunehmend aus der Erwerbstätigkeit.
Jetzt kommt das Besondere: In den Förderprogrammen
für ältere Arbeitnehmer setzen Sie die Zahlen hoch. Was
ist denn nun? Brauchen wir ein 58er-Programm, um die
Älteren aus dem Arbeitsmarkt herauszunehmen, oder
brauchen wir Förderprogramme, um sie im Arbeitsmarkt
zu behalten? Es geht um 1,2 Milliarden Euro. Nur eine
Entscheidung kann richtig sein, Sie müssen sich entscheiden, welche.
({10})
Worüber wir in den nächsten Monaten dringend debattieren und beschließen müssen, ist nach meiner Meinung eine Reform der Sozialsysteme. Wir alle wissen,
warum diese Reform im Moment nicht angegangen
wird. Es ist derselbe Grund, warum viele Minister der
PDS hier gesprochen haben. Da Wahlkampf ist, geht niemand an die harten Wahrheiten heran. Herr Müntefering,
meine Fraktion ermahnt Sie deutlich, möglichst noch in
diesem Jahr klare Vorschläge im Hinblick auf die Rente
mit 67, die Hinterbliebenenrente - darüber hat die große
Koalition schon debattiert - und die Erwerbsminderungsrente zu unterbreiten. Meine Fraktion ist auf Ihre
Vorschläge gespannt. Wir werden uns das alles genau
anschauen. Aber was wir nicht mitmachen werden, sind
rein mathematische Lösungen, nur um kurzfristig irgendwelche Kassen wieder zu entlasten.
({11})
Zur Gesundheitsreform ist hier schon vieles gesagt
worden. Herr Steinbrück, ich bitte nur - Sie wissen, warum ich es weiß -: Bleiben Sie hart gegenüber der Gesundheitsministerin! Lassen Sie sich keine weiteren Zahlungen abluchsen, bevor nicht klar ist, dass wir ein
modernes Gesundheitssystem bekommen! Sollte das mit
dieser Koalition nicht möglich sein, bleiben Sie trotzdem
während der gesamten Legislaturperiode hart.
Damit sind wir bei dem Bundeszuschuss und der
Frage, ob die Nettoneuverschuldung steigt oder nicht:
Sie haben gesagt, das sei nur ein durchlaufender Posten.
Aber dann könnten Sie auch die knapp 80 Milliarden
Euro Zuschuss zur Rentenversicherung herausrechnen;
denn er ist ebenfalls nichts anderes als ein durchlaufender Posten, der sich über Jahre angesammelt hat. Aber
das Geld ist nun einmal in den Haushalt eingestellt und
steht damit den Politikern zur Verfügung. Das ist im
Hinblick auf die Frage gefährlich, wo gespart werden
soll und wie man es verhindert - ich weiß, dass Sie teilweise verhindert haben -, dass viele Kolleginnen und
Kollegen der großen Koalition neue Ausgabenpläne
schmieden.
({12})
Wir diskutieren über den Grund des Wirtschaftswachstums. Es gibt sicherlich viele Gründe. Der Erfolg
hat immer viele Väter und Mütter.
({13})
- Danke, Herr Kampeter. Ich bin mir sicher, dass der
Kollege Westerwelle Ihnen zustimmt.
Seien wir ehrlich: Die Steuerreform hat einen wesentlichen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg. Der Kollege
Eichel hat in dieser Debatte deutlich gesagt: Wenn wir
sie früher durchgeführt hätten, hätte der Aufschwung
möglicherweise früher eingesetzt. Aber wer hat denn die
Wirkungen dieser Steuerreform insbesondere im Hinblick auf diejenigen, die die meisten Steuern zahlen,
durch einen Kompromiss im Bundesrat so abgemildert,
dass Sie nun von sprudelnden Steuerquellen profitieren?
Es war die FDP, die im Vermittlungsausschuss bei dieser
Steuerreform mitgemacht hat.
({14})
Jetzt wird es richtig interessant. Sie selber stellen fest,
dass es dem Staat aufgrund der durchgeführten Reformen - dazu zähle ich auch Hartz IV und die Abschaffung der Eigenheimzulage; all das hat die FDP unterstützt - besser geht und dass es richtig war, den Staat
zurückzuführen. Aber wie sieht Ihre Reaktion darauf
aus? Statt zu senken, erhöhen Sie die Steuern nach dem
Motto: Weil die Wahrheit uns nicht gefällt, suchen wir
uns eine andere.
Herr Steinbrück, ich habe vernommen, wie schlimm
wir angeblich von 1983 bis 1998 gewesen sind. Wir sollen für 70 Milliarden Euro aus Steuererhöhungen verantwortlich sein. Sicherlich darf in diesem Zusammenhang
die deutsche Einheit nicht vergessen werden. Aber ich
habe einmal nachgerechnet, wie lange Sie von der großen Koalition bräuchten, um auf diese Summe zu kommen. Sie brauchen - wenn man die aus dem Haushaltsbegleitgesetz resultierenden Steuererhöhungen zugrunde
legt - nur drei Jahre. Sie sind also deutlich schneller als
wir. Ich beglückwünsche Sie dazu nicht. Aber ich bitte
Sie, zu berücksichtigen, dass die Bewertung von Steuererhöhungen von der zeitlichen Perspektive abhängt.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der großen
Koalition, genauso lange wie die FDP von 1983 bis 1998
regierten, kämen Sie - nun wird es ganz grausig - auf
eine Summe von 350 Milliarden Euro aus Steuererhöhungen. So viel zu der Frage, wer der große Steuererhöher ist.
Ein kurzes Wort zu Zinsen und Inflation. Herr Poß,
ich verstehe, dass Sie an dieser Stelle eine andere Meinung haben. Aber ich sage Ihnen ganz klar: Wenn die
EZB die Inflation nicht unter Kontrolle hält, dann sind es
letztendlich die Rentner und die kleinen Leute, die unter
der Inflation leiden. Das darf in diesem Land nicht passieren. Ich bin froh, dass sich die EZB bislang von politischer Seite nichts hat sagen lassen.
({15})
Da man im Heine-Jahr immer mit ein wenig Kultur
kommen muss - ich weiß, dass Heine das eigentlich als
Liebesgedicht an seine Mutter gemeint hat -: Denk ich
an den Haushalt in der Nacht, bin ich leider um den
Schlaf gebracht.
Danke.
({16})
Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege
Bernhard Kaster für die Unionsfraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten nach neun Monaten des Bestehens der
großen Koalition den ersten Bundeshaushalt, der die alleinige politische Handschrift für Sanieren und Investieren von Union und SPD trägt. Nirgendwo ist die Politik
einer Bundesregierung und einer Parlamentsmehrheit
besser ablesbar als im Bundeshaushalt, im Schicksalsbuch unserer Nation. Deshalb ist es auch berechtigt, die
Frage zu stellen: Was unterscheidet diesen Haushalt von
vielen seiner Vorgänger?
Der Haushalt 2007 ist endlich wieder ein Bundeshaushalt, bei dem Finanz- und Wirtschaftspolitik ineinander greifen.
({0})
Der Spagat zwischen dringender Haushaltssanierung
und Impulsgebung für Investitionen gelingt hier. Als
ehemaliger Bürgermeister sage ich Ihnen auch, dass es
mir in den vergangenen Jahren immer ein Graus war - es
war mir wirklich ein Graus -, bereits kurz nach der Verabschiedung eines jeden Haushaltes hier in aller Regelmäßigkeit über die Korrektur der Steuerprognose und
über die Korrektur der Konjunkturprognose - und zwar
immer nach unten - zu debattieren und letztlich am Ende
des Jahres den Haushalt in einer Größenordnung von
30 bis 40 Milliarden Euro glattzuziehen. Die große
Koalition und der Finanzminister haben dieses unerfreuliche Ritual jetzt endlich beendet.
({1})
Wer hätte es denn vor nur einem Jahr für möglich gehalten,
({2})
dass nach nur neun Monaten einer neuen Bundesregierung - das ist heute richtigerweise schon mehrfach gesagt worden - die Steuerprognosen nach oben korrigiert
werden können, das konjunkturelle Wachstum die Zweiprozentmarke deutlich überschreitet, wir in diesem Jahr
bereits 430 000 Arbeitslose weniger haben als im Vergleichsmonat des Vorjahres und dass auch bei den Langzeitarbeitslosen wieder konkrete Hoffnung geschöpft
werden kann? Gerade dass die Zahlen der Langzeitarbeitslosen im Juli und August jeweils 10 Prozent niedriger waren, ist doch ein Erfolg.
({3})
Das Gleiche gilt bei den sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnissen: Hier sind es 129 000, die
dazugekommen sind. Dabei geht es nicht allein um das
Mehr, sondern darum, dass die Trendwende geschafft
ist. Jahrelang sind zwischen 1,5 und 1,8 Millionen
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse weggefallen. Dieser Trend ist gebrochen und die
Zahlen steigen wieder an.
({4})
Erstmals seit 1988 müssen wir keinen Zuschuss zur Bundesagentur für Arbeit mehr leisten.
Deswegen kann man sagen, dass es mit dem jetzt vorliegenden Haushalt gelingen wird, den Weg in den
Schuldenstaat erheblich zu bremsen, also zu sanieren,
und dennoch gleichzeitig wichtige Impulse durch mehr
Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur - ich erinnere
hier an die Genshagener Beschlüsse - und in Forschung
und Wissenschaft zu ermöglichen. Die Zahlen und Fakten zeigen eindeutig, dass wir hier den richtigen Weg
eingeschlagen haben.
({5})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen
aber, dass die Lage im Haushalt, die Lage unserer Finanzen nach wie vor dramatisch ernst ist. Das ist so. Kollege
Bernhardt hat es schon mit Recht gesagt: Es ist jetzt
nicht die Zeit, über irgendwelche Geschenke nachzudenken. Noch immer ist der Haushalt strukturell unterfinanziert. Deswegen müssen wir auch unpopuläre Entscheidungen treffen und an ihnen festhalten.
Das Thema Mehrwertsteuererhöhung hat sich ja
wie ein roter Faden die ganze Woche lang durch die Beratungen gezogen. Man sollte dieses Thema einmal mit
realistischem Blick betrachten. Was die Auswirkungen
angeht, so werden teilweise wirklich Märchen erzählt.
Ich will nicht, dass wir das schönreden; aber ich empfehle doch sehr, sich einmal die Berechnungen des
Statistischen Bundesamtes über die Auswirkungen der
Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte anzuschauen, die im August erschienen sind: Vorausgesetzt, die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes wird in
vollem Umfang auf die Preise umgelegt und das Konsumverhalten bleibt gleich, werden die gesamten Konsumausgaben - abhängig von den Personengruppen,
zum Beispiel allein lebend oder mit Kindern, und den
Altersgruppen - in einer Größenordnung von 0,9 bis
1,4 Prozent belastet. Die 1,4 Prozent beziehen sich auf
die Haushalte, denen ein größeres Einkommen zur Verfügung steht und bei denen sich von daher der Konsum
anders auswirkt; der ermäßigte Mehrwertsteuersatz wird
ja schließlich nicht erhöht. Man kann nur natürlich sagen, diese Werte sind immer noch zu hoch; aber wir sollten schon bei der Realität bleiben.
({6})
Die Staatsverschuldung hat in den letzten Jahren ein
Ausmaß erreicht, das dem Bürger kaum noch erklärbar
ist. Dass allein 40 Milliarden Euro nur für Zinsleistungen aufgebracht werden müssen - bei einem nach wie
vor niedrigen Zinsniveau -, zeigt das ganze Ausmaß dieser Dramatik. Mit der Aufnahme von 30 bis 40 Milliarden Euro neuer Schulden jedes Jahr konnte es so
nicht weitergehen. Deswegen ist es notwendig, dieses
strukturelle Defizit, also die Riesenkluft zwischen den
Ausgaben und den tatsächlichen Einnahmen, zu verringern und hier mittelfristig einen Haushaltsausgleich anzustreben. Uns ist es gelungen - das ist ein Riesenerfolg;
das muss man einmal sagen -, die Zunahme der Neuverschuldung erheblich zurückzuführen, sodass wir endlich
wieder die Maastrichtkriterien erfüllen. Wir sind es vor
allen Dingen der jungen Generation schuldig, bei der
Staatsverschuldung anzusetzen.
({7})
Angesichts der Staatsverschuldung und heute schon
feststehender Zukunftslasten - dazu gehört nicht nur die
genannte Staatsverschuldung von 950 Milliarden Euro,
sondern dazu gehören auch künftige Pensionslasten,
künftige Ansprüche aus der Sozialversicherung und abschreibungsbedingte Ersatzinvestitionen, die schon
heute feststehen - wird deutlich, dass wir auf der Bundesebene unsere Arbeitsweise ändern müssen. Wir brauchen ein neues, modernisiertes und betriebswirtschaftlich ausgerichtetes Haushaltsrecht. Die Belastungen der
Zukunft lassen sich in einer kameralistischen Vermögensbilanz dauerhaft nicht mehr realistisch darstellen.
Wir brauchen dringend betriebswirtschaftliche Elemente im Haushaltsrecht, sowohl bei der Haushaltsaufstellung als auch beim Haushaltsvollzug. Ich bin
dankbar, dass der Bundesfinanzminister schon die Zusage gegeben hat, im Ministerium eine entsprechende
Projektgruppe einzurichten.
({8})
Ich erinnere daran, dass es Theo Waigel war, der im
Jahre 1998 den Impuls dazu gab, eine Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen,
({9})
Produkthaushalte zu bilden und entsprechende Pilotprojekte auf den Weg zu bringen.
({10})
Wir müssen aber heute feststellen, dass nicht nur die
Kommunen, sondern auch die Länder dem Bund weit
voraus sind. Beispielsweise Hessen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg
({11})
sind uns bei der Modernisierung eines betriebswirtschaftlich ausgerichteten Haushaltswesens inzwischen
voraus. Das gilt im Übrigen auch für europäische Nachbarstaaten, die Europäische Union, die Europäische
Kommission und auch internationale Einrichtungen. Als
große Koalition müssen und werden wir daher den Mut
aufbringen, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen.
({12})
Als Parlamentarier und Haushälter sollten wir für die
Zukunft Wert darauf legen, betriebswirtschaftlich richtig
zu bilanzieren, bei den Haushaltsberatungen den Blick
für die gesamte Vermögensbilanz, die Notwendigkeit
von Abschreibungen und die Darstellung aller zukünftigen Lasten bereits bei der Etatberatung realistisch im
Blick zu haben. Wir müssen künftig Finanz- und auch
Ressortverantwortung stärker miteinander verbinden.
Wir brauchen mehr Kostentransparenz und Ressortverantwortung.
Deswegen wird und muss eine Reformierung des
Haushaltsrechts zu einer Stärkung auch des Parlamentes
führen. Wir müssen Abschied davon nehmen, schwerpunktmäßig nur den Einnahme- und Ausgabenfluss
- sprich: den Cashflow - zu betrachten. Vielmehr müssen wir den gesamten Ressourcenverbrauch sehen.
(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin ({13})
Am Ende muss eine Staatsbilanz stehen, die diesen
Namen verdient, eine Vermögensrechnung im Sinne einer Gegenüberstellung des gesamten Bundesvermögens
und aller Bundesschulden einschließlich aller künftigen
staatlichen Verpflichtungen. Wir jedenfalls, die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion, sind dazu bereit und fest entschlossen, die Herausforderungen der Staatsverschuldung und auch die Herausforderung der Modernisierung
der staatlichen Haushaltswirtschaft in der großen Koalition anzunehmen und anzugehen.
Nun beginnen die eigentlichen Haushaltsberatungen.
Dabei muss es das oberste Ziel sein - da können wir uns
an den Haushaltsberatungen 2006 ein gutes Beispiel
nehmen -, die Neuverschuldung im Rahmen der Beratungen möglichst noch weiter zu senken.
Vielen Dank.
({14})
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich
schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Haushaltsgesetzes 2007 und des Finanzplans des Bundes 2006 bis
2010 auf den Drucksachen 16/2300 und 16/2301 an den
Haushaltsausschuss vorgeschlagen.
({0})
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
({1})
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 20. September 2006, 13 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.