Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/10/2006

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2007. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich darf Ihnen berichten, dass das Bundeskabinett heute ein weiteres Steueränderungsgesetz verabschiedet hat. Auch dieses Gesetz entspringt dem Bemühen, einen spürbaren Beitrag zur Stabilisierung der Einnahmesituation, der Steuerbasis der Bundesrepublik Deutschland zu leisten, was vor dem Hintergrund der schwierigen Lage der öffentlichen Haushalte dringend notwendig ist. Es besteht die Notwendigkeit, den Bundeshaushalt zu konsolidieren. Mit diesem Gesetz wollen wir aber gleichzeitig zur Vereinfachung des Steuersystems beitragen. Außerdem wollen wir durch eine ganze Reihe von Veränderungen das Streitpotenzial im Verwaltungsvollzug begrenzen. Ich will Ihnen in der notwendigerweise kurzen Zeit die wichtigsten Veränderungen vorstellen: Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer werden nur noch dann als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten berücksichtigt, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen bzw. betrieblichen Tätigkeit bildet. Das ist zwar bereits Gegenstand der geltenden Steuerrechtsetzung. Derzeit können darüber hinaus aber bis zu einer Höhe von circa 1 250 Euro Aufwendungen als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn sie im Einzelnen nachweisbar sind und das Arbeitszimmer zu mehr als 50 Prozent beruflichen bzw. betrieblichen Zwecken dient. Die zweite wichtige Regelung betrifft die Altersgrenze für die Gewährung von Kindergeld. Sie wird vom vollendeten 27. Lebensjahr auf das vollendete 25. Lebensjahr abgesenkt. Viele Zuhörerinnen und Zuhörer könnte das betreffen. Ich gebe freimütig zu, dass dies eine Verschlechterung gegenüber der derzeitigen Regelung ist. Wir haben jedoch eine Übergangslösung gewählt: Die Jahrgänge 1981 und 1982 haben bis zum vollendeten 27. Lebensjahr Anspruch auf Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag. Für diejenigen, die 1983 geboren wurden, läuft der Anspruch allerdings mit dem Jahr 2008 ab. Im internationalen Vergleich ist diese Regelung nicht ungewöhnlich. International gesehen sind Begünstigungen für Kinder in Form der Gewährung von Kinderfreibeträgen bzw. Kindergeld sehr viel schlechter ausgestaltet als in der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung ist im Übrigen der Auffassung, dass diese Absenkung dazu beitragen könnte, die Schul- und Studienzeiten in Deutschland tendenziell zu verkürzen. Wir kürzen den Sparerfreibetrag von derzeit 1 370 Euro für Ledige bzw. dem Doppelten für Verheiratete auf 750 bzw. 1 500 Euro. Eine weitere Maßnahme betrifft die Entfernungspauschale. Sie wird zwar unverändert in Höhe von 30 Cent pro Kilometer gewährt, allerdings erst ab dem 21. Kilometer. Dies halten wir aus verfassungsrechtlicher Sicht für zulässig, wenn wir eine Umqualifizierung vornehmen und als Wegstrecke die Entfernung zwischen der Privatwohnung und dem Werkstor berechnen. Wir führen sozusagen das Werkstorprinzip ein. Diese Änderung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, weshalb ich die alarmierenden Meldungen von der angeblichen Verfassungswidrigkeit, die zurzeit von den Agenturen verbreitet werden, in das Reich der Unwahrscheinlichkeit und der üblichen Aufgeregtheit verweisen möchte. Eine Neuerung hat in den letzten Tagen in der öffentlichen Diskussion eine erhebliche Rolle gespielt, und zwar unter der Überschrift „Reichensteuer“. Wir führen einen „Balkon“ ein: Ledige, deren Einkommen oberhalb von 250 000 Euro liegt, und Verheiratete, deren Einkommen oberhalb von 500 000 Euro liegt, zahlen 3 Prozent mehr Einkommensteuer. Der „Balkon“ bezieht sich auf den Sprung von 42 auf 45 Prozent. Redetext Darüber möchte ich einige Worte verlieren. Ich bin der Auffassung, dass eine solche Reichensteuer, eine zusätzliche Belastung dieser Gruppe, erforderlich ist, wenn man dem Verfassungsgrundsatz von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folgt. Das, was wir heute beschlossen haben - das gilt auch für die früheren Steuergesetze -, betrifft sehr viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, auch und gerade in den niedrigen und niedrigsten Einkommenskategorien. Ich halte es für eine Frage der Balance, dass diejenigen, denen es besser geht, die stärkere Schultern haben, auch stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Das ist keine Neidsteuer und auch keine Symbolpolitik. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, eine verfassungsgemäße Regelung zu finden, mussten wir alle unternehmerischen Einkünfte ausschließen, sodass von dieser Regelung 20 000 bis 30 000 Steuerzahler in der Bundesrepublik Deutschland betroffen sind, mehr nicht. Die Empörung darüber - Sprüche, wie unmöglich das sei - mutet mich umso grotesker an, als diese Bevölkerungsgruppe bis 1998 - unter Mitwirkung einer Partei, die jetzt in der Opposition ist - einen Spitzensteuersatz in Höhe von 53 Prozent gezahlt hat. Ist es unter den heute obwaltenden Bedingungen einer sehr ungünstigen Haushaltslage nicht nahe liegend - sowohl unter dem Gesichtspunkt der sozialen Balance und der Notwendigkeit, die Legitimation derer zu gewinnen, die sonst noch stärker betroffen wären, als auch vor dem Hintergrund der Belastungen, die von der FDP teilweise schon mitgetragen wurden -, die Maßnahme so zu verabschieden, wie sie vorgeschlagen worden ist? Wir versuchen - ich glaube, erfolgreich -, eine verfassungsrechtliche Problematik zu umgehen, indem wir nicht nur gewerbliche Einkünfte ausschließen, sondern unternehmerische Einkünfte insgesamt. Das betrifft auch die freiberuflich Tätigen und diejenigen, die in der Landund Forstwirtschaft Einkünfte erzielen. Wir glauben, dass man die unternehmerischen Einkünfte insgesamt ausschließen kann. Mit Blick auf das unternehmerische Risiko, das mit diesen Einkünften verbunden ist, können wir diese Begrenzung, jedenfalls für die Laufzeit des nächsten Jahres, bewerkstelligen. Durch die große Unternehmensteuerreform zum 1. Januar 2008 wird es ohnehin eine Neuregelung der Unternehmensbesteuerung geben. Ich sage abschließend: Wir werden dem Parlament die Eckpunkte einer solchen Unternehmensteuerreform vorlegen, bevor die abschließende Lesung des Steueränderungsgesetzes stattfindet. Dies ist ein Wunsch aus den Reihen der Koalitionsfraktionen. Das Bundesfinanzministerium wird jede Anstrengung unternehmen, den Bundestag darüber in Kenntnis zu setzen. Im Übrigen erwarte ich gern Ihre Fragen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Bundesminister. Wir kommen jetzt zu den Fragen. - Bitte schön, Herr Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, wir sind damit einverstanden, dass man das Steuerrecht nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip ausrichtet; hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen in der Opposition. Aber mich irritiert, dass der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Herr Meister, heute gesagt hat, das bringe gerade einmal 127 Millionen Euro und sei eine rein symbolische Aktion der Koalition. Das macht mich besorgt. Gibt es tatsächlich so wenig Reichtum in diesem Land, dass durch diese Steuer nur ein so geringes Aufkommen zu erwirtschaften ist? Öffentlich spricht man schon von der Bonsai-Reichensteuer; denn früher waren ganz andere finanzielle Größen in der politischen Diskussion. Mich irritiert auch, dass diese Regelung nur für 2007 gilt; danach ist es wieder anders. Warum machen Sie es nicht gleich richtig? Da wird doch schon eine geplante Nachbesserung vorweggenommen.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Herr Abgeordneter, das habe ich so nicht gesagt. Bezogen auf die Frage nach Herrn Meister: Ich kann nicht Fragen beantworten, die sich kompetenterweise an Herrn Meister richten. Die Zahlen sind richtig. In dem Augenblick, in dem Sie unternehmerische Einkünfte - gewerbliche Einkünfte, Einkünfte von Freiberuflern und Einkünfte in der Land- und Forstwirtschaft - ausschließen, erstreckt sich die Summe, die Sie erschließen können, bei der vollen Wirksamkeit auf 127 Millionen Euro, weil nur noch die Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. nicht selbstständiger Arbeit übrig bleiben. Wenn die unternehmerischen Einkünfte einbezogen würden, kämen wir bei voller Wirksamkeit auf eine Summe von 1,3 Milliarden Euro. Ich sage es noch einmal: Ich glaube, dass wir die Differenzierung zwischen unternehmerischen und privaten Einkünften aus verfassungsrechtlichen Gründen so umsetzen können, wohl wissend, dass wir mit der Unternehmensteuerreform zum 1. Januar 2008 eine gesetzliche Grundlage haben werden, die, was den gewerblichen und unternehmerischen Teil betrifft, zu einer Neuordnung der Unternehmensbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland führt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nächster Fragesteller ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Minister, danke für Ihre Ausführungen. - Wenn man sich in diesem Gesetzentwurf das Finanztableau anschaut, sieht man, dass im Wesentlichen durch das Streichen von derzeitigen steuerlichen Ausnahmetatbeständen und die Reichensteuer im Entstehungsjahr im Saldo 4,4 Milliarden Euro mehr für den Fiskus erwartet werden. Wir haben in der Vergangenheit eine Diskussion über die Steuerquote geführt, die von Ihrem designierten Parteivorsitzenden als zu niedrig erachtet wurde, im Wesentlichen auch von Ihnen. Es wurde argumentiert, die Steuerquote in Deutschland liege unter 20 Prozent. Gleichzeitig können wir aber feststellen, dass aus dem Steueraufkommen - das weiß ich aus der Antwort Ihrer Staatssekretärin - derzeit schon 47 Milliarden Euro erbracht werden. Wenn man das addiert, kommt man auf eine Steuerquote von über 22 Prozent. Wenn im nächsten Jahr, wie bereits vom Kabinett beschlossen, zusätzlich die Mehrwertsteuer und die Versicherungsteuer erhöht werden, kommen wir auf eine Steuerbelastungsquote von über 23 Prozent. Ist damit, was die steuerliche Belastung angeht, allmählich das Ende der Fahnenstange erreicht oder sind weitere Steuerbelastungen geplant? Denn vom Sparen hören wir seitens der Koalition und der Bundesregierung relativ wenig, von Steuererhöhungen allerdings sehr viel.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das liegt daran, sehr geehrter Abgeordneter Thiele, dass Sie sehr selten hinhören, wenn wir Einsparvorschläge machen. Sie wissen, dass wir in dieser Legislaturperiode nachweisbar 34 Milliarden Euro einsparen; das ist auch in den einschlägigen Tableaus nachzulesen. Ich wäre dankbar, wenn das gelegentlich zur Kenntnis genommen würde. Wie Sie wissen, stimmt mein Standpunkt mit dem, was Herr Beck gesagt hat, überein: Im europäischen Vergleich ist die Steuerquote in Deutschland - jedenfalls „for the time being“, also im Augenblick - laut einer OECD-Statistik weit unterdurchschnittlich. Nur in der Slowakei ist die Steuerquote noch niedriger als bei uns. Das ist Fakt. Übrigens befindet sich Deutschland danach auch mit Blick auf die Steuer- und Abgabenquote ungefähr im Mittelfeld. Mein Standpunkt, den ich auch öffentlich immer vertreten habe, ist, dass gilt, was im Koalitionsvertrag festgelegt worden ist. Nach Lage der Dinge hat das eine Steuerquote zur Folge, die in etwa im langfristigen Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland liegen dürfte, also zwischen 22,5 und 23 Prozent. Über weitere Steuererhöhungen reden wir nicht. In dem Augenblick, in dem man den Denkfehler begeht, die Abschaffung von Steuerprivilegien mit Steuererhöhungen gleichzusetzen, befindet man sich in einer Argumentationsfalle, in der Sie offenkundig stecken. Für uns hat die Beseitigung von Steuerprivilegien etwas mit größerer Steuergerechtigkeit zu tun, weil die meisten Möglichkeiten bei der Gestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage nicht von der allein erziehenden Verkäuferin genutzt werden, sondern eher von Angehörigen der oberen Einkommenskategorien. Insofern hat das aus unserer Sicht nichts mit Steuererhöhungen zu tun, sondern mit Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit. Das sage ich wohl wissend, dass eine ganze Reihe dieser Maßnahmen auch Bürgerinnen und Bürger trifft, die erkennbar nicht zum oberen Einkommensdrittel in der Bundesrepublik Deutschland gehören. Fazit: Die Maßnahmen, die die Koalition in ihren Verhandlungen beschlossen hat - im Wesentlichen die Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Versicherungsteuer, die Einführung eines „Balkons“ bei der so genannten Reichensteuer, also bezüglich der Spitzenverdiener, und die Abschaffung von Steuersubventionen -, haben eine Steuerquote zur Folge, die ich für vertretbar halte und die auch im internationalen Vergleich vertretbar ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Thiele, ich nehme Ihre Wortmeldung auf, gehe aber nach der Reihenfolge der Wortmeldungen. - Als Nächster hat sich Jürgen Koppelin zu Wort gemeldet.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ich möchte einmal nachfassen. Sie haben davon gesprochen, dass Sie Einsparungen vornehmen. Wenn ich mir den Haushaltsentwurf 2006 anschaue, kann ich aber, was sein Gesamtvolumen angeht, keine großen Veränderungen im Vergleich zu den vergangenen Jahren erkennen. Wie Sie gesagt haben, sparen Sie angeblich 34 Milliarden Euro ein. Sie nehmen aber neue Schulden in Höhe von 38 Milliarden Euro auf, obwohl Sie zusätzliche Steuereinnahmen haben und noch weitere zu erwarten sind. Ich frage Sie: An welchen Stellen haben Sie eigentlich gespart? Das ist im Haushalt überhaupt nicht zu erkennen. Sie haben vorhin erklärt, Sie hätten 34 Milliarden Euro eingespart; ich wiederhole das. Dennoch bleibt das Haushaltsvolumen fast gleich hoch. Darüber hinaus nehmen Sie zusätzliche Schulden in der Rekordhöhe von 38 Milliarden Euro auf. Wollen Sie uns trotzdem sagen, dass Sie gespart haben? Wenn dem so wäre, müssten Sie auf der anderen Seite immense Ausgaben getätigt haben. Das sollten Sie dann aber auch sagen. Wäre es nicht an der Zeit, dass auch die Bundesregierung einmal darüber nachdenkt, die Steuern radikal zu senken - das haben andere übrigens schon getan -, um nicht nur Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen, sondern auch Steuermehreinnahmen zu erzielen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Herr Koppelin, wenn Sie ein solches Vorgehen vorschlagen, dann müssen Sie dem deutschen Publikum auch erklären, wie die damit verbundenen Mindereinnahmen von 40, 50 oder 60 Milliarden Euro refinanziert werden sollen, ohne dass die Regelgrenze unserer Verfassung überschritten und das Maastrichtkriterium verletzt wird. Das können Sie nicht. Solche Einnahmeverluste kann sich die öffentliche Hand - nicht nur der Bund, sondern auch die Länder und Kommunen - nicht leisten. Das, was Sie gesagt haben, sind Wolkenkuckucksheime; das wissen Sie. Als Opposition kann man solche Forderungen erheben. Aber als Regierung wird man das nicht durchsetzen können, wenn man verantwortlich Finanzpolitik macht. Die Zahlen, um die es geht, sind Ihnen schon geläufig. Aber ich nenne sie gerne noch einmal: Die Einsparungen erstrecken sich in dieser Legislaturperiode auf 34 Milliarden Euro. Die Tatsache, dass wir in diesem Jahr bei der Nettokreditaufnahme einen Sprung von 31 auf 38 Milliarden Euro machen werden, hat im Wesentlichen mit dem vorsätzlichen Ziel bzw. dem politischen Beschluss der Bundesregierung zu tun - was wir machen, ist immer vorsätzlich und nicht fahrlässig -, ein Stabilitäts- und Wachstumsprogramm aufzulegen. Der Löwenanteil der Differenz zwischen 38 und 31 Milliarden Euro ist auf die ersten Maßnahmen zurückzuführen, die die Bundesregierung ergriffen hat, um Beschäftigung und Wachstum in Deutschland zu unterstützen; Sie alle kennen die fünf Säulen, auf denen dieses Programm basiert. Außerdem steigen in diesem Jahr die Aufwendungen für die Arbeitsmarktpolitik. Ferner werden die nach der mittelfristigen Finanzplanung meines Vorgängers eingeplanten Einmaleffekte als Ergebnis der Koalitionsverhandlungen anders verteilt, als in der Vorlage vom Juni letzten Jahres vorgesehen. - So kommt dieser Betrag zustande. Sie wissen das auch. Ich habe mich aber gefreut, dass ich Ihnen das noch einmal habe darstellen dürfen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage hat die Kollegin Margareta Wolf.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich möchte an das anknüpfen, was Herr Koppelin Sie gerade gefragt hat. Wir haben heute der Presse entnommen, dass man in Ihrem Hause davon ausgeht, dass die Mehrausgaben infolge der Langzeitarbeitslosigkeit auf 5 Milliarden Euro steigen werden. Das hieße, dass Sie einen Haushalt mit einer Neuverschuldung von 40 Milliarden Euro vorlegen müssten. Inwieweit können Sie diese Meldung der „FTD“ bestätigen? Ich habe noch eine Frage, die unmittelbar damit zusammenhängt. In welchem Verhältnis werden die Einnahmen, die Sie durch die Reichensteuer erzielen, zu den volkswirtschaftlichen Folgen, gerade was den Bereich der Geringqualifizierten angeht, stehen? Wird die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte nicht zu einem Rückgang der Beschäftigung im Handwerk und zu einer Ausweitung der Schwarzarbeit führen, somit auch negative Auswirkungen auf die Sozialkassen haben und letztlich wegen der gestiegenen Zahl der Langzeitarbeitslosen eine höhere Belastung des Bundes bedeuten?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Frau Wolf, ich werde inzwischen täglich mit Zahlen konfrontiert, zu denen ich nicht Stellung nehmen kann. Viele dieser Zahlen, die teilweise durch Indiskretion an die Presse gelangt sind, sind Horrorzahlen oder stellen lediglich Zwischenstände dar; ich nenne sie „Wasserstände“. Ich habe es mir abgewöhnt, solche Zahlen zu kommentieren, weil ich gerne auf der Basis gesicherter Zahlen operiere. Beispielsweise zur Entwicklung der Einnahmen in diesem Jahr, worüber öffentlich viel spekuliert wird, kann ich Ihnen noch keine gesicherten Zahlen nennen. Einige haben sich als Steuerschätzer einen Namen gemacht und sind bereits im März mit Zahlen an die Öffentlichkeit getreten, die den Eindruck vermittelt haben, als ob ich Goldtaler, die vom strahlenden Himmel herabfallen, mit einer Schürze auffangen könnte. Das würde ich natürlich gerne tun, aber das ist leider nicht meine Funktion. Andere sprechen von explosionsartig oder exponentiell wachsenden Ausgabenposten. - Zwei oder drei Monate lassen sich nicht ohne weiteres auf das ganze Jahr hochrechnen. Es gibt Risiken; das sage ich mit Blick auf die Rentenversicherung und die Arbeitsmarktpolitik. Ich will Ihnen nichts verheimlichen; aber erlauben Sie mir, dass ich sage: in welcher Größenordnung, wird sich ergeben. Die Bundesregierung wird gegensteuern müssen. Sie wird sich damit beschäftigen und ihre Vorschläge dem Parlament vorlegen. Was die Operationen auf der Einnahme- und auf der Ausgabenseite betrifft, bitte ich, zu unterscheiden. Wir brauchen zur Konsolidierung dieses öffentlichen Haushaltes Mehreinnahmen. Auf die Gefahr hin, dass ich mir den Mund fusselig rede: Die Vorstellung, wir könnten diesen Haushalt allein durch Sparen konsolidieren, ist ein Irrtum. Die Diskussion würde uns intellektuell einen leichten Schub nach vorne bringen, wenn wir uns endlich auf diese Erkenntnis einigen könnten. Sie alle wissen, dass wir nicht allein durch Sparen aus der Klemme herauskommen. Die öffentlichen Haushalte sind chronisch unterfinanziert. Der Bundeshaushalt und viele Länderhaushalte sind in den letzten Jahren auf der Ausgabenseite nicht gewachsen; es ist verantwortungsvoll gewirtschaftet worden. Wenn Sie mir nun nahe legen, ich müsse wegen ihrer unabweisbar negativen Effekte auf die Mehrwertsteuererhöhung verzichten, müssen Sie mir auch die Frage beantworten, was ich stattdessen machen soll, ohne dass volkswirtschaftliche Parameter wie Wachstum und Beschäftigung ebenso negativ berührt werden. Wenn ich, wie es die FDP gerne hätte, an die Transferzahlungen heranginge, würde die Binnennachfrage in Deutschland negativ tangiert; denn das beträfe gerade die Bevölkerungsgruppen, die eine Sparquote von null haben, zum Beispiel Rentnerinnen und Rentner. Dasselbe gilt für Ihr etwas defensiveres Insistieren, ich solle von der Mehrwertsteuererhöhung Abstand nehmen. Dann würden im nächsten Jahr 17 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fehlen. Niemand beantwortet mir die Frage, wo die herkommen sollen, ohne dass gegen die Regelgrenze des Art. 115 Grundgesetz und das Maastrichtkriterium verstoßen wird. Sie wären doch die ersten Kritiker meiner Person, wenn ich diese beiden Grenzen nicht einhalten würde. Dann wüsste ich genau, wie die nächste Fragestunde abliefe. Vor diesem Hintergrund habe ich manchmal den Eindruck, dass die haushalts- und finanzpolitische Debatte mit Blick darauf, was notwendig ist, häufig nicht sehr konzise ist, nämlich auf der einen Seite konsolidieren und auf der anderen Seite Impulse geben zu müssen. Zur Besteuerung der Spitzenverdiener. Mir ist bewusst, dass das vom Volumen her kein Urknall ist, der alle Probleme löst. Aber die deutschen Bürgerinnen und Bürger haben die Erwartung, dass Spitzenverdiener in der Bundesrepublik Deutschland ihre Beiträge leisten müssen und dass wir Maßnahmen hierzu treffen. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Problematik konnte ich das nicht in der Höhe durchsetzen, die ich für richtig halte. Um es offen zu sagen: In diesem Punkt habe mich in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können. Ich war für andere Einkommensgrenzen; ich hätte 125 000 Euro für Ledige und 250 000 Euro für Verheiratete für angemessen gehalten. Aber das ist das Ergebnis der Erörterungen zwischen den Koalitionspartnern, das man zu respektieren hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Das Fragerecht geht jetzt an den Kollegen Otto Bernhardt.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie stimmen mir sicherlich zu, wenn ich sage, dass die Zusatzbesteuerung in Höhe von 3 Prozentpunkten kein entscheidender Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Finanzen ist, sondern dass die Beweggründe dafür eher anderer Natur sind. Das ist aber ein anderes Thema. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie, ähnlich wie wir, einen sehr engen Zusammenhang zwischen dieser zusätzlichen Besteuerung in Höhe von 3 Prozentpunkten und der Unternehmensteuerreform sehen? Ist das der Grund, warum Sie sagen, die Bundesregierung werde noch vor der Sommerpause Eckpunkte zur Diskussion stellen? In welcher Form - ich habe das nicht richtig verstanden - soll das passieren: im Plenum des Bundestages oder im Finanzausschuss? Das wäre ein sehr enger Zeitraum. Wenn ich es richtig sehe, haben wir Ende Juni die letzte Plenarwoche. Das hieße, dass wir für die Erarbeitung der Eckpunkte nur noch wenige Wochen Zeit hätten. Sehe ich das richtig?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das ist richtig. Aber es ist nicht beabsichtigt - kürzlich sind Rücksprachen hierzu zwischen der Regierung und den Fraktionsspitzen erfolgt -, dass Sie vor der Sommerpause eine beratungsfähige Unterlage bekommen. Die beiden Koalitionsfraktionen und die anderen Fraktionen des Hohen Hauses werden in Kenntnis gesetzt, in welche Richtung die Bundesregierung bei ihrer konzeptionellen Erarbeitung einer Unternehmensteuerreform marschiert. Sie haben in der Tat Recht: Diese Unternehmensteuerreform hat natürlich einen Bezug zu dem, was wir heute debattieren, nämlich zum Spitzensteuersatz bei privaten Einkünften. Mit Blick darauf stellt sich zum Beispiel die Frage, wie wir zukünftig mit Personengesellschaften und Alleinunternehmern umgehen, oder auch, zu welchem System wir bei der Besteuerung von Unternehmen auf der einen Seite - zum Beispiel durch Stärkung der Eigenkapitalbasis, was erwünscht ist - und von Unternehmern auf der anderen Seite, die, soweit sie erwirtschaftete Gewinne nicht thesaurieren, sondern in ihre privaten Einkünfte überführen, kommen. Insofern gibt es Bezüge, die aber innerhalb des nächsten Jahres ohnehin geklärt werden. Ein erster Beitrag wird die Formulierung dieser Eckpunkte sein. Dass das Ziel ehrgeizig ist und mein Ressort durch diese Arbeit auf höchste Umdrehungszahlen kommen wird, ist richtig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Nächste Frage, Carl-Ludwig Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gerade davon gesprochen, dass die finanzpolitische Diskussion nicht immer sehr konzise sei. Das Wort kenne ich noch nicht. Ich werde es nachschlagen; ich lerne gerne dazu. Man muss aber feststellen, dass die Begehrlichkeiten immer größer sind als das Machbare. Das ist die Erfahrung, die ein jeder Finanzminister macht. Umso mehr war ich allerdings erstaunt, als Sie am Montag im „Spiegel“ erklärten: Fünf Euro zusätzliches Kindergeld bedeuten eine Zusatzausgabe für den Staat von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Könnte eine solche Summe nicht besser für eine kostenlose Kinderbetreuung statt für eine individuelle Zuwendung - für viele kaum spürbar - verwendet werden? Ich kenne niemanden, der eine Erhöhung des Kindergeldes um 5 Euro fordert. Wenn der Finanzminister fragt, ob wir nicht auf eine nicht geforderte Erhöhung verzichten könnten, um etwas Neues zu finanzieren, würde ich das in gewisser Form als nicht konzise bezeichnen.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Also wissen Sie doch, was der Begriff bedeutet.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. Aber ich sehe nach.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Diese Bemerkung hatte nichts mit der Tagespolitik zu tun, weil ich dachte, dass Politiker gelegentlich auch etwas über die Tagespolitik Hinausgehendes formulieren dürfen. Der dahinter stehende Grundgedanke, den ich zur Debatte stelle - ich behaupte nicht, dass ich in allem Recht habe -, lautet: Ist ein vornehmlich auf individuelle Transferzahlungen gerichtetes deutsches soziales System auf Dauer richtig? Oder sollte man nicht versuchen, diese Mittel zu verwenden, um Menschen chancengerecht den Zugang zu Bildung und zu Betreuungsleistungen zu eröffnen? Anders ausgedrückt: Die 5 Euro - das war nur ein Beispiel - sind für viele Menschen - wenn sie nicht gerade zwei Schachteln Zigaretten am Tag rauchen - wahrscheinlich gar nicht spürbar. Das heißt, diese 5 Euro mehr Kindergeld haben keinerlei Steuerungseffekt. Wenn man mit diesem Geld - das addiert sich auf fast 1 Milliarde Euro - kostenfreie Kindergärten finanzieren würde - insgesamt müsste man 2,5 bis 3 Milliarden Euro dafür haben -, könnte das Steuergeld im Sinne der Familienförderung und der Betreuung von Kindern, insbesondere bei Alleinerziehenden, effizienter und zielgenauer eingesetzt werden. Dieses Thema ist nicht tagesaktuell, aber ganz irrelevant ist es auch nicht. Eines Tages wird das Hohe Haus im Rahmen des Berichts über das Existenzminimum auch die Kinderfreibeträge debattieren. Wenn es um die Kinderfreibeträge geht, debattiert man automatisch auch darüber, ob das Kindergeld davon berührt sein könnte. ({0}) - Das behaupte ich auch nicht. Sie wissen aber, dass die Kinderfreibeträge erhebliche Entlastungswirkungen für diejenigen haben, die sich in der Progressionszone weiter oben befinden, also mehr verdienen - wie die meisten von uns -, weshalb sich automatisch die Frage nach der Anpassung des Kindergeldes für diejenigen stellt, die sich in dieser Progressionszone ganz unten befinden, also weniger verdienen. Nach den Gleichbehandlungsgrundsätzen müsste dann eventuell beim Kindergeld nachjustiert werden und dann haben wir es plötzlich wieder mit einer Debatte über 5, 10 oder 15 Euro mehr Kindergeld zu tun. 15 Euro mehr Kindergeld entsprächen insgesamt ungefähr 3 Milliarden Euro. Ich wüsste, was man mit diesen 3 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung in der Bundesrepublik Deutschland tun könnte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Die nächste Frage hat die Kollegin Margareta Wolf.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich habe noch eine Frage zur Reichensteuer - vielleicht habe ich das nicht mitbekommen -: Was passiert mit den Gewinnen der Unternehmen, die nicht reinvestiert werden? Fallen sie auch unter die Reichensteuer oder ist die gewerbliche Wirtschaft generell davon ausgenommen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das hat mit der Reichensteuer nichts zu tun. Sie beziehen sich auf eine Bemerkung, die ich vorauseilend bezogen auf das Konzept einer Unternehmensteuerreform gemacht habe, nämlich auf die Frage, wie wir mit einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinnen umgehen. Diese Frage beantworte ich Ihnen gerne, wenn unser Konzept steht. Bezogen auf die Reichensteuer gilt, dass Einkünfte aus Gewerbe sowie aus freiberuflicher und forst- und landwirtschaftlicher Tätigkeit von diesem dreiprozentigen „Balkon“ ausgeschlossen sind, um verfassungsrechtliche Probleme zu vermeiden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage hat der Kollege Volker Wissing.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, können Sie ausschließen, dass es im Rahmen der geplanten Gesundheitsreform zu weiteren

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ich werde einen Teufel tun, irgendetwas auszuschließen. ({0}) Eine solche Frage höre ich häufig. Wenn Steinbrück sagt, er sei kein Vegetarier, dann lautet die Überschrift: Steinbrück schließt nicht aus, Hundefutter zu essen. Das ist eine Fangfrage. Beim besten Willen: Wir sind mitten in diesen Debatten. Sie kennen die eine oder andere Einlassung von mir, und zwar auch über die Tagespolitik hinaus. Ich glaube, dass die Finanzierung des deutschen sozialen Sicherungssystems, vornehmlich durch Abgaben, eines der großen Probleme ist, die wir haben. Die skandinavischen Systeme sind sehr viel robuster, weil sie sehr viel stärker steuerfinanziert sind, nämlich im Verhältnis 70:30. Bei uns ist es fast umgekehrt. Eine Debatte über eine sukzessive Umorientierung auf eine Steuerfinanzierung wird man aber nur führen können, wenn man gleichzeitig die Sozialversicherungsabgaben und damit die Lohnzusatzkosten senkt. Das wäre ein Beitrag zur Absenkung der Bruttoarbeitskosten in Deutschland und auch ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Darüber würde ich mit Ihnen allen aber ganz gerne solide debattieren. Ich möchte nicht aus der Hüfte schießen, was zu Missverständnissen führen könnte. Am Ende stünde dann die Überschrift: Steinbrück für Steuererhöhungen. - Wir wissen ja, wie dieser Prozess läuft.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage hat Jürgen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, da Sie auch heute immer wieder auf die Kritik der Opposition eingegangen sind und sie kommentiert haben - das ist auch völlig in Ordnung -, möchte ich die Gelegenheit nutzen, zu fragen, ob Sie uns auch einmal einen Kommentar zu der Kritik an Ihrer Politik abgeben können, die aus Ihren eigenen Reihen, zum Beispiel von Frau Nahles, kommt. Das würde uns sicherlich interessieren.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das ist so ähnlich wie bei der FDP. Es ist doch klar: In einer so großen Partei wie der FDP gibt es unterschiedliche Auffassungen. Diese gibt es auch bei der SPD.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es zu diesem Themenbereich weitere Fragen an den Bundesminister? - Gibt es Fragen zur heutigen Kabinettssitzung außerhalb dieses Themenbereiches? - Das ist nicht der Fall. Gibt es über die Kabinettssitzung hinaus allgemeine Fragen? Auch das ist nicht der Fall. Herr Bundesminister Steinbrück, ich darf mich vielmals bedanken, dass Sie persönlich Rede und Antwort gestanden haben. Es ist nicht immer üblich, dass die Minister selber erscheinen. Ich freue mich darüber, dass Sie gekommen sind. Wir sind damit am Ende der Regierungsbefragung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 16/1374, 16/1402 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen der Abgeordneten Josef Winkler und Volker Beck auf Drucksache 16/1402 auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfügung. Ich rufe die erste dringliche Frage des Kollegen Josef Winkler auf: Sind für die von der Innenministerkonferenz, IMK, am 5. Mai 2006 beschlossenen Einbürgerungskurse Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes erforderlich und, wenn ja, kann die Bundesregierung zusagen, einen Gesetzentwurf erst dann vorzulegen, wenn ein entsprechendes Konzept des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vorliegt?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Kollege Winkler, so wie die Einbürgerungskurse von der IMK beschlossen worden sind, ist es in der Tat nicht unwahrscheinlich, dass auch Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes notwendig werden. Eine endgültige Aussage - das werden Sie verstehen - ist allerdings erst dann möglich, wenn die länderoffene Arbeitsgruppe unter Federführung des Freistaates Bayern getagt und ihre Vorschläge vorgelegt hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage?

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, hat die Arbeitsgruppe einen konkreten Ablaufplan vereinbart, dem Sie sich unterordnen werden?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Kollege Winkler, wir reden hier nicht von Unteroder Überordnung. Es wird wahrscheinlich so sein, dass die Arbeitsgruppe zügig, aber ohne übertriebene Hast ihre Vorschläge vorlegen wird. Im Anschluss daran hat die Bundesregierung darüber zu entscheiden, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Dann ist es selbstverständlich Aufgabe der Bundesregierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte, Herr Winkler.

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - In welchem rechtlichen und konzeptionellen Verhältnis sollen die Einbürgerungskurse, die beschlossen worden sind, zu den bereits stattfindenden Orientierungskursen, wie sie im Aufenthaltsgesetz vorgesehen sind, stehen?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Das betrifft die von Ihnen gestellte zweite dringliche Frage, die ich gleich beantworten werde. Es ist aber so, dass diese Orientierungskurse zunächst einmal nichts mit Einbürgerung, sondern mit Integration zu tun haben. Hier geht es um die Frage der Einbürgerung, das heißt um den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Die Voraussetzungen dafür sind in dem entsprechenden Gesetz geregelt. Die Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz wird sich in allererster Linie mit diesen Fragen beschäftigen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Ich rufe die zweite dringliche Frage des Kollegen Winkler auf: Welche inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben will das Bundesministerium des Innern dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für das von der IMK angeforderte Konzept für die Einbürgerungskurse bzw. für die geplante Einbürgerungsfibel geben?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Kollege Winkler, die vorgeschlagenen Einbürgerungskurse sollen auf den Orientierungskursen im Rahmen der Integrationsverordnung aufbauen. Das heißt, diese Vorarbeiten können wir heranziehen. Inhaltliche und zeitliche Vorgaben werden sich an diesen Kursen orientieren. Auch hier gilt, dass konkrete inhaltliche und zeitliche Aussagen und auch Anforderungen an das BAMF erst dann formuliert werden können, wenn die Vorschläge der länderoffenen Arbeitsgruppe bekannt sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage?

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe die Frage, ob Sie in der Konferenz bereits darüber gesprochen haben, ob einbürgerungswillige Personen an der Finanzierung dieser Kurse beteiligt werden sollen und, wenn ja, in welchem Umfang dies geschehen soll und welche Position die Bundesregierung dazu vertritt.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Es gab zu dieser Frage eine gewisse Berichterstattung in den Medien. Endgültige Entscheidungen werden aber erst dann getroffen, wenn die Arbeitsgruppe ihre Vorschläge vorgelegt hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die beiden dringlichen Fragen des Kollegen Volker Beck sollen auf seinen Wunsch hin schriftlich beantwortet werden. Wir kommen damit zu den Fragen, die in der üblichen Reihenfolge beantwortet werden, und zwar zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 1 des Abgeordneten Uwe Schummer wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Frage 2 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl soll ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung. Wir kommen zu Frage 3 der Kollegin Cornelia Hirsch: Wann wird die neu eingerichtete Arbeitsgruppe zum Hochschulpakt erste Ergebnisse vorlegen und in welcher Form wird die Bundesregierung das Parlament in die laufenden Beratungen einbeziehen? Frau Hirsch ist anwesend. - Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin Hirsch, Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Ebenso wie in der Vergangenheit wird die Bundesregierung das Parlament über politische Ergebnisse von Bund-Länder-Verhandlungen selbstverständlich unterrichten. Ablauf und Zeitplan der Verhandlungen werden derzeit zwischen Bund und Ländern konkretisiert und sind daher noch nicht festgelegt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ihre Zusatzfrage, Frau Hirsch. - Bitte.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

In der Pressemitteilung vom BMBF gab es aber durchaus schon einige Ankündigungen. Man hat sich unter anderem darauf verständigt, ein nachfrageorientiertes Angebot an Studienplätzen sichern zu wollen. Ich möchte in diesem Zusammenhang gezielt nachfragen, inwieweit es Diskussionen darüber gegeben hat, ob sich das Vorhaben nur auf ausreichende Kapazitäten im Rahmen des sechssemestrigen Bachelorstudiums beziehen soll oder ob es auch darum gehen soll, ein volles Studium sicherzustellen, was auch den Zugang zum Masterstudium umfasst.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, man hat sich bei der BundLänder-Tagung am 2. Mai auf vier Schwerpunkte verständigt, nämlich erstens auf die Schaffung des von Ihnen angesprochenen nachfragegerechten Angebots an Studienplätzen in den nächsten Jahren vor dem Hintergrund des zu erwartenden Anstiegs der Studierendenzahlen und zweitens - das sind die beiden Punkte, die etwas mit den Kapazitäten zu tun haben - darauf, den von Ihnen angesprochenen Prozess der Modernisierung der Hochschulausbildung im Zusammenhang mit den Anforderungen von Bologna - Stichwort „Bachelor und Master“ - voranzubringen. Drittens soll die Qualität der universitären Forschung und Lehre nachhaltig gestärkt werden; das ist ja eine Daueraufgabe. Viertens soll die Finanzierung der Forschung gesichert und ausgebaut werden. Dabei soll im Rahmen des staatlichen Beitrags zur Erreichung des Ziels, bis zum Jahr 2010 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aufzuwenden, der Staatsanteil der Forschungsförderung auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden. Mit diesen Maßnahmen werden Bund und Länder im Rahmen des Hochschulpaktes die Forschung an den Universitäten stärken. Auf diese Schwerpunkte hat man sich verständigt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie haben damit meine Nachfrage noch nicht vollständig beantwortet. Mir ging es darum, inwieweit die Schaffung eines nachfragegerechten Angebots an Studienplätzen ein klares Bekenntnis dazu beinhaltet, dass man den Zugang zum Masterstudium öffnen will, um deutlich zu machen, dass ein nachfragegerechtes Angebot an Studienplätzen nicht nur ein Kurzzeitstudium für die Masse bedeutet, sondern auch die Möglichkeit des Zugangs zum Masterstudium umfasst.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, die beiden von mir zuerst genannten Punkte, nämlich zum einen der Anstieg der Studierendenzahl - Prognosen der KMK beispielsweise gehen von einem Anstieg von 25 Prozent bis 2012 aus und zum anderen die Umsetzung des Bolognaprozesses mit den Vorgaben für die Studiendauer sowohl beim Bachelor- als auch beim Masterstudiengang, sind Gegenstand der Beratungen über den Hochschulpakt. Ich kann Ihnen aber noch keine weiter gehenden Ergebnisse schildern, weil diese Beratungen erst begonnen haben. Die Struktur der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge hängt natürlich auch davon ab, wie sich die Zahl der Studierenden in diesem und im nächsten Jahrzehnt entwickeln wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann kommen wir zu Frage 4 der Kollegin Hirsch: Welches sind die „verschiedenen Maßnahmen und Initiativen“, die die Bundesregierung nach eigener Aussage durchführt, um geschlechtsspezifische Diskriminierung im Bereich der beruflichen Bildung abzubauen ({0})?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin Hirsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Ziel ist, das eingeschränkte Berufswahlspektrum von jungen Frauen zu erweitern, die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familienpflichten und Ausbildung zu verbessern sowie die Genderkompetenz von ausbildendem Personal zu fördern. Die Bundesregierung hat zahlreiche Maßnahmen insbesondere in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft initiiert, um jungen Frauen in technischen und in naturwissenschaftlichen Berufen neue Chancen zu eröffnen. Als Beispiel nenne ich den vor kurzem stattgefundenen Girls’ Day, bei dem sich mehr als 500 000 Mädchen der Klassen 5 bis 10 in Unternehmen und Forschungseinrichtungen über frauenuntypische Berufe informieren konnten, das Projekt „ideeit“, bei dem sich Mädchen in unterschiedlichen Veranstaltungen Zugang zu IT-Berufen verschaffen können, oder „Job Lab“, ein Computerspiel, das als Entscheidungshilfe bei der Berufsfindung dient. Die Novelle zum Berufsbildungsgesetz berücksichtigt die Situation von Erziehenden und jungen Menschen, die pflegebedürftige Angehörige betreuen. Ausbildung ist in diesem Zusammenhang nunmehr auch in einer Teilzeitform möglich. Um den Gender-Mainstreaming-Prozess in der beruflichen Bildung voranzubringen, hat die Bundesregierung Projekte zur Unterstützung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren gefördert. Dort entwickelte Lehr- und Lernmedien für Ausbilderinnen und Ausbilder zeigen, wie Gender-Mainstreaming und eine geschlechterorientierte Didaktik in pädagogisches Handeln umgesetzt werden können. Dieser Gender-Mainstreaming-Prozess in der beruflichen Bildung lässt sich allerdings nicht politisch verordnen. Die Berufswahlfreiheit ist schließlich verfassungsrechtlich mit Grundrechtsstatus verankert. Insofern sind nachhaltige Veränderungen im Berufswahlverhalten und das Aufbrechen geschlechtsspezifischer Präferenzen in der Berufswahl nicht alleine durch den Staat zu erreichen, sondern nur durch die Einbindung aller relevanten Beteiligten sowie durch eine breite, frühzeitige und geschlechtsoffen angelegte Berufsberatung und Berufsorientierung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ihre erste Zusatzfrage, Frau Hirsch.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wenn Sie so viel Wert darauf legen, alle einzubeziehen und umfassend darüber zu diskutieren, wie die Situation verbessert werden könnte, dann stellt sich umso dringender die Frage, warum das Thema „geschlechtsspezifische Diskriminierung“ nicht explizit als Tagesordnungspunkt auf die Agenda des neu eingerichteten Innovationskreises für Berufliche Bildung gesetzt worden ist. Es wäre doch eine ausgezeichnete Gelegenheit gewesen, die von Ihnen angesprochene Diskussion dort zu führen und zu schauen, welche strukturellen Weiterentwicklungen notwendig sind, um die bestehende Diskriminierung zu beseitigen.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, Sie irren, wenn Sie meinen, dies sei dort kein Thema. Auch dieser Punkt ist Gegenstand der Diskussion im Innovationskreis für Berufliche Bildung. Ich darf im Übrigen darauf verweisen, dass neben Frau Bundesministerin Dr. Schavan von den 16 berufenen Experten vier Frauen sind. Die angesprochene Thematik wird im Rahmen der Sitzungen dieses Innovationskreises, die in etwa auf einen Zeitraum von anderthalb Jahren terminiert sind, ebenfalls behandelt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wann sind denn erste Ergebnisse zu erwarten und wie soll die Einbeziehung des Parlaments - ähnlich wie bei der Frage zum Hochschulpakt - erfolgen?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, der Innovationskreis für Berufliche Bildung ist zuallererst ein Gremium zur Beratung der Bundesministerin. Es sind mehrere Themenblöcke vereinbart. Sobald sich Handlungsbedarf aufgrund der Ergebnisse der Beratungen dieses Expertengremiums ergibt, werden wir unverzüglich das Parlament bzw. den zuständigen Ausschuss auf dem üblichen Weg hierüber unterrichten und gegebenenfalls parlamentarische Initiativen vorbereiten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Frage 5 des Kollegen Addicks - Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - soll schriftlich beantwortet werden. Das Gleiche gilt für die Frage 6 der Kollegin Undine Kurth ({0}), Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 7 und 8 der Kollegin Katja Kipping - Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales - werden zurückgezogen. Die Frage 9 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele - Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz - soll schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 10 des Kollegen Jürgen Koppelin: Teilt die Bundesregierung die Meinung des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, dass Kernenergie preiswert zur Verfügung steht, international sogar ausgebaut wird und zur Reduzierung des Treibhauseffektes beiträgt ({1})?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege Koppelin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Innerhalb der Bundesregierung bestehen hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung unterschiedliche Auffassungen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage, Herr Kollege Koppelin? - Bitte schön.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, mir liegt eine Broschüre vor. In dieser Broschüre heißt es zum Schluss, dieses Magazin sei Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Ich zitiere aus diesem Magazin. Darin heißt es zur Atomkraft - Herr Gabriel hat das unterschrieben -: Sie ist keine Zukunftstechnologie, sondern hemmt Investitionen in effiziente und erneuerbare Energietechnologien. Sie erschwert den Umstieg auf ein modernes Energiesystem und blockiert Innovationen. ({0}) Nun sagen Sie, die Haltung der Bundesregierung sei nicht einheitlich. Wie kann denn ein Bundesminister ein solches Magazin veröffentlichen? Ich wiederhole: Dieses Magazin ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Kann es sein, dass dieses Magazin nur ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit eines Teils der Bundesregierung ist? Oder wie darf ich es deuten, dass so viel Geld in eine Broschüre gesteckt wird, die eine Mitteilung der Bundesregierung sein soll? Anders gefragt: Hat Ihr Bundesminister überhaupt keinen Einfluss in dieser Regierung?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Herr Abgeordneter, ich finde, die von Ihnen zitierte Broschüre, die mir persönlich nicht bekannt ist, ist ein schöner Beleg für die unterschiedlichen Auffassungen, die in der Bundesregierung in dieser Frage herrschen. Der Bundeswirtschaftsminister hat seinerseits seine Auffassung dargelegt. Wenn ich es richtig sehe, kommt diese der Ihren näher als die eben zitierte des Herrn Bundesumweltministers. Es gibt keine einheitliche Auffassung der Bundesregierung zu dieser Frage.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist zwar sehr freundlich von Ihnen, dass Sie das so offen darlegen; man muss aber als Mitglied des Parlaments erwarten können, dass die Bundesregierung zu einer Entscheidung kommt. Können Sie andeuten, wer sich von den beiden Bundesministern durchsetzen wird?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege Koppelin, die Koalitionsvereinbarung ist die Grundlage der Politik der Bundesregierung. Ich kann sie Ihnen gerne vortragen, wenn es der Herr Präsident genehmigt: Zwischen CDU, CSU und SPD bestehen hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung unterschiedliche Auffassungen. Deshalb kann die am 14. Juni 2000 zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen geschlossene Vereinbarung und können die darin enthaltenen Verfahren sowie für die dazu in der Novelle des Atomgesetzes getroffene Regelung nicht geändert werden. Der sichere Betrieb der Kernkraftwerke hat für CDU, CSU und SPD höchste Priorität. In diesem Zusammenhang werden wir die Forschung zum sicheren Betrieb von Kernkraftwerken fortsetzen und ausbauen. CDU, CSU und SPD bekennen sich zur nationalen Verantwortung für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle und gehen die Lösung dieser Frage zügig und ergebnisorientiert an. Wir beabsichtigen, in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung zu kommen. Das ist die Grundlage für die Politik dieser Bundesregierung in dieser Legislaturperiode im Hinblick auf die Kernkraft.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 11 des Kollegen Koppelin: Teilt die Bundesregierung die Meinung des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, dass der russische Energiekonzern Gasprom „derzeit auf einem hohen Ross“ sitzt ({0})?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege Koppelin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Situation auf dem weltweiten Gasmarkt ist geprägt durch eine steigende Nachfrage, neue Nachfrager und geopolitische Risiken. Russland verfügt über 34 Prozent der Weltgasreserven. Gasprom hat eine herausragende Stellung auf dem Markt. Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung von Bundesminister Glos zu verstehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage? - Bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe danach gefragt und Sie haben es jetzt erklärt, dass Bundesminister Glos gesagt hat, Gasprom sitze derzeit auf einem hohen Ross. Das hat er jedenfalls in Jena erklärt. Es gab aber auch Äußerungen der Bundesregierung, dass es für wichtig gehalten werde, dass ein früherer Bundeskanzler dort Aufsichtsratsvorsitzender sei. Kann es sein, dass dieser ehemalige Bundeskanzler zurzeit auf einem hohen Ross sitzt?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Das entzieht sich meiner Kenntnis, Herr Kollege Koppelin.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Nachfrage? - Bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es sei doch so bedeutend gewesen - so ist das kommentiert worden -, dass dieser ehemalige Bundeskanzler in den Aufsichtsrat gegangen und sogar Vorsitzender geworden sei. Das würde nämlich Einfluss auf die Versorgung Deutschlands mit Erdgas bedeuten. Nun aber erklärt Herr Minister Glos, Gasprom sitze zurzeit auf einem hohen Ross. Wie kann ich das in Einklang bringen?

Peter Hintze (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000907

Meiner Kenntnis nach hat der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder keinen Aufsichtsratssitz bei Gasprom und strebt einen solchen auch nicht an; vielmehr ist er in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft zur Betreibung einer Pipeline eingetreten, die die Gasversorgung Deutschlands sicherstellt. Deswegen kann ich den von Ihnen vermuteten Widerspruch hier nicht bestätigen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht der Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung. Wir beginnen mit der Frage 12 des Kollegen Dr. Karl Addicks: Wie beurteilt die Bundesregierung die derzeitige Situation im Westsaharakonflikt, nachdem die UNO angekündigt hat, die Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien zukünftig aufzugeben, und die Lösung des Konflikts durch direkte Verhandlungen zwischen Marokko und der Polisario empfiehlt?

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Herr Kollege Addicks, die Bundesregierung unterstützt weiterhin alle Bemühungen der Vereinten Nationen, um auf Grundlage aller einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu einer friedlichen Lösung des Westsaharakonflikts zu gelangen. Wie in der Vergangenheit ist Deutschland bereit, so genannte gute Dienste zu leisten. Dies geschah schon 1996 bei der Rückführung der letzten Kriegsgefangenen aus Marokko oder bei der Freilassung von 101 marokkanischen Kriegsgefangenen der Polisario im Jahr 2002. Die Bundesregierung hat die deutliche Unterstützung für den Baker-Plan durch die einstimmig verabschiedete UN-Sicherheitsratsresolution 1495 vom 31. Juli 2003 begrüßt. Der Deutsche Bundestag verabschiedete am 29. Januar 2004 einstimmig einen interfraktionellen Antrag mit dem Titel „Eine politische Lösung für den Westsaharakonflikt voranbringen - Baker-Plan unterstützen“. Mit diesem Antrag wurde die Bundesregierung aufgefordert, den vom ehemaligen UN-Sondergesandten Baker vorgeschlagenen Friedensplan zu unterstützen. Die Politik der Bundesregierung steht im Einklang mit diesem Bundestagsbeschluss.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage, bitte, Herr Addicks.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sieht die Bundesregierung in Anbetracht der neuen Situation irgendwelche Möglichkeiten, zur Lösung dieses Konflikts aktiv beizutragen, sprich: eine diplomatische Initiative zu starten?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung wird ihre Politik der wirklich intensiven Unterstützung der Aktivitäten der Vereinten Nationen fortsetzen. Sie wissen, dass Kofi Annan in diesem Frühjahr auf die festgefahrene Situation reagiert hat. Das ganze Dossier Westsahara ist dadurch blockiert - Sie wissen das sehr gut -, dass Marokko den BakerPlan nicht anerkannt hat. Daraufhin ist Kofi Annan im Sicherheitsrat dafür eingetreten, auf direkte Verhandlungen zu setzen. Der Sicherheitsrat hat dem am 28. April zugestimmt. Wir bleiben in der Spur der Unterstützung der Arbeit des Sicherheitsrates und des Generalsekretärs, wenn wir auch diesen Beschluss unterstützen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Nachfrage, Kollege Addicks.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sieht die Bundesregierung irgendeine Möglichkeit, bis zu einer eventuellen Lösung des Konflikts - sie wird möglicherweise in sehr weiter Ferne liegen - sich mit dem Schicksal der Flüchtlinge zu befassen, bis hin zu einer Rückkehr der Flüchtlinge, falls das von ihnen gewünscht wird?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung wird, wie ich schon gesagt habe, ihre Bereitschaft aufrechterhalten, die so genannten guten Dienste zu leisten. Sie wissen, dass zu Zeiten von Staatssekretär Chrobog die Freilassung der Polisario-Flüchtlinge möglich war. Wenn von den Konfliktpartnern gewünscht wird, dass wir diese guten Dienste wieder anbieten, dann werden wir das sehr gerne tun.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 13 des Kollegen Wolfgang Gehrcke: Beteiligt sich Deutschland am UN-Aktionsplan 2006 für die Demokratische Republik Kongo - DRC Humanitarian Action Plan/HAP - und welchen konkreten Beitrag leistet die Bundesregierung?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, die Vereinten Nationen und die Europäische Kommission haben am 13. Februar 2006 auf einer Geberkonferenz den Aktionsplan 2006 für die Demokratische Republik Kongo vorgestellt. Der Plan enthält mehr als 330 Projekte der humanitären Soforthilfe und der Wiederaufbauhilfe, deren Umsetzung 681 Millionen Dollar kosten würde. Die Demokratische Republik Kongo wird auch in diesem Jahr neben Sudan ein Schwerpunktland der humanitären Hilfe und der entwicklungsorientierten Not- und der Übergangshilfe der Bundesregierung sein. Die Beiträge des Auswärtigen Amts zur humanitären Hilfe für die Demokratische Republik Kongo beliefen sich im Jahr 2005 auf circa 5 Millionen Euro, im Jahr 2006 bisher auf circa 1,8 Millionen Euro. 2005 wurde zudem aus Mitteln des BMZ entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe in Höhe von 6,93 Millionen Euro geleistet. 2006 werden es voraussichtlich über 7 Millionen Euro sein. Mittel der humanitären Hilfe und der entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe werden nicht ausschließlich für im Aktionsplan enthaltene Projekte, sondern auch für andere geeignete Projekte zur Verfügung gestellt, sodass Statistiken der Vereinten Nationen unsere Ausgaben nicht unbedingt vollständig wiedergeben. Die von Deutschland im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit getätigten Maßnahmen werden in den vom UN-Aktionsplan angesprochenen Sektoren, nämlich Wasserver- und -entsorgung, Gesundheit und Zivilgesellschaft, umgesetzt. Das sind unsere Schwerpunkte. Dies geschieht sowohl über staatliche Träger als auch über Nichtregierungsorganisationen. Sie tragen direkt zu einer Verbesserung der humanitären Lage bei. In diesem Bereich ist Deutschland auf Grundlage der Neuzusagen 2005 ohne reprogrammierte Mittel der finanziellen Zusammenarbeit in Höhe von circa 65 Millionen Euro mit 24,35 Millionen Euro im Augenblick der viertgrößte Geber.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage, Herr Kollege Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, wir hatten heute schon das Vergnügen im Auswärtigen Ausschuss. Ich finde es sehr beeindruckend, was Deutschland selbst, aber auch Partner von uns in diesem armen, geschundenen Land Demokratische Republik Kongo leisten. Ich glaube, dass wir eine gewisse moralische Verpflichtung dazu haben. Meinen Sie nicht auch, dass es angemessen wäre, um diese moralische Verpflichtung zu erfüllen, einmal öffentlich zu machen, welche Gewinne große internationale Konzerne in der Demokratischen Republik Kongo machen? Die großen Firmen, die dort Naturressourcen ausbeuten, sind zumeist in belgischem, amerikanischem oder anderem Besitz. Wenn man diese Zahlen öffentlich machte, würde man, glaube ich, den Druck, mehr Hilfe zu leisten, noch erhöhen können.

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Herr Kollege Gehrcke, es ist selbstverständlich Aufgabe der Gesellschaft, der Nichtregierungsorganisationen und der öffentlichen Diskussion, auf die Umstände hinzuweisen, die maßgebend dafür sind, dass es in der Demokratischen Republik Kongo so massive Unterschiede gibt, dass es im Land auf der einen Seite Armut und Not und auf der anderen Seite eine kleine Schicht von sehr reichen Profiteuren der Bodenschätze gibt. Es ist Aufgabe einer gesellschaftlichen Diskussion, das deutlich zu machen. Im Augenblick ist die Aufgabe der Weltgemeinschaft aber vor allem, die Bedingungen zu verändern, die dazu führen, dass die Bodenschätze in der Demokratischen Republik Kongo in solch unausgeglichener Weise ausgebeutet werden. Wie Sie sehr gut wissen, sind dabei häufig bewaffnete Kräfte im Land selbst oder aus den Nachbarrepubliken im Spiel. Insofern gehört eine Lösung dieses Problems in einen Zusammenhang mit einem guten Abschluss des Übergangsprozesses. Dazu wollen jetzt die EU und damit auch Deutschland beitragen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, darf ich Ihre Antwort so interpretieren, dass Sie es durchaus als eine Unterstützung für die Politik der Bundesregierung sehen würden, wenn sich meine Fraktion, die Fraktion Die Linke, insbesondere dieses Anliegens, nämlich offen zu legen, welche Gewinne in einem der ärmsten Länder der Welt gemacht werden, annehmen würde?

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Herr Kollege Gehrcke, wir empfinden die meisten Aktivitäten Ihrer Fraktion als eine Unterstützung der Bundesregierung, ({0}) aber wir müssten sie auch dann akzeptieren, wenn das in einem Einzelfall einmal anders wäre.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit kommen wir zur Frage 14 des Kollegen Gehrcke: Wie viele zivile Wahlbeobachter werden von Deutschland und der EU zum ersten und zweiten - voraussichtlich Ende Juli 2006 - Wahlgang in die Demokratische Republik Kongo entsandt?

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Herr Kollege Gehrcke, Deutschland führt bilateral keine Wahlbeobachtungen durch, sondern beteiligt sich an Wahlbeobachtermissionen der EU. Für die Organisation der EU-Wahlbeobachtung ist die EU-Kommission zuständig, die Zusammensetzung, Einsatzplan und Größe der Wahlbeobachtermissionen festlegt. Die konkrete Anforderung der EU-Kommission liegt erst seit dem 8. Mai 2006 vor, ist also vor zwei Tagen ergangen. Danach ist geplant, für beide Wahlgänge jeweils 140 Wahlbeobachter der EU zu entsenden. Das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, abgekürzt ZIF, wird nun Wahlbeobachter und Reservekandidaten aus Deutschland nominieren. Die endgültige Auswahl trifft dann die EU-Kommission. Hinzu kommen voraussichtlich sieben Wahlbeobachter aus dem Europäischen Parlament, das hierüber wahrscheinlich Mitte Juni entscheiden wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage?

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, man sagt ja manchmal, man verstehe etwas nicht, obwohl man es versteht, nur um mehr Auskunft zu erhalten; aber ich verstehe eines in diesem Fall wirklich nicht. Seit Wochen und Monaten wird über die Bedingungen eines militärischen Einsatzes im Kongo diskutiert, auch in der Öffentlichkeit. Das Thema ist streitig; darauf werden wir zurückkommen. Mir geht es nicht in den Kopf, dass die EU-Kommission sich erst seit 14 Tagen mit der Problematik der Entsendung von Wahlbeobachtern befasst; denn die Bewertung des Wahlergebnisses im Hinblick darauf, ob die Wahlen demokratisch, fair und korrekt abgelaufen sind, wird ganz erheblichen Einfluss darauf haben, ob die Situation stabilisiert werden kann oder nicht. Worauf führen Sie diese unterschiedlichen Zeiträume - seit Wochen Diskussionen über einen Einsatz von Militär, aber erst seit 14 Tagen bezüglich der Entsendung von Wahlbeobachtern - zurück?

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Herr Kollege Gehrcke, zur Entlastung der EU-Kommission muss ich darauf hinweisen, dass man Wahlbeobachter konkret erst anfordern kann, wenn man weiß, dass Wahlen stattfinden, wann sie stattfinden und wie lange dieser Prozess dauern wird. Der Vorsitzende der unabhängigen Wahlkommission des Kongo, der Abbé Malumalu, hat erst am 30. April einen endgültigen Wahltermin bekannt geben können. Wie Sie wissen, wird das der 30. Juli sein. Insofern besteht im Augenblick kein Druck, sondern wir haben eine genügende Vorbereitungszeit, um eine ausreichende Zahl von Wahlbeobachtern zu mobilisieren. Vielleicht sollte ich hier noch anfügen, dass ich ordnungsgemäß nur Ihre Frage nach den EU-Wahlbeobachtern beantworten konnte. Aber es gibt - darüber haben wir heute auch im Ausschuss gesprochen - durchaus Pläne, weitere Wahlbeobachter zu entsenden, zum Beispiel von der AU, der Afrikanischen Union, der SADC, der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft, und von internationalen NGOs, die sich mit Wahlbeobachtung beschäftigen. Mit Blick darauf, dass auch aus dem Lande selbst so genannte Zeugen, also interne Wahlbeobachter, in einer größeren Zahl angekündigt sind, hoffen wir, dass die Zahl von ungefähr 1 000 Wahlbeobachtern reichen wird. Das ist angesichts dessen, dass wir es wahrscheinlich mit 53 000 Wahlbüros zu tun haben werden, immer noch eher die Untergrenze. Aber auf jeden Fall werden wir uns in der EU und auch in Deutschland große Mühe geben, dass eine wirklich verlässliche Wahlbeobachtung stattfindet. Denn diese - da gebe ich Ihnen Recht - hat eine wichtige Funktion für den Gesamterfolg der Wahlen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage, bitte.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, wenn ich die Logik Ihrer Antwort akzeptiere, müsste ich dann nicht die gleiche Logik auf den militärischen Teil anwenden? Das würde bedeuten, dass man die Entscheidung, ob man Militär zur Stabilisierung eines Wahlprozesses entsendet oder nicht, erst dann seriös treffen kann, wenn man den Wahltermin kennt. Warum gilt das, was für die zivilen Wahlbeobachter gilt, nicht auch für den militärischen Teil?

Not found (Gast)

Diese Logik wenden wir hier in der Bundesrepublik an. Wie Sie wissen, gestaltet sich der Fahrplan folgendermaßen: Am 17. Mai wird das Bundeskabinett auf der Basis der genauen Kenntnis der Vorgänge im Kongo eine Entscheidung über die Beteiligung an der EUFOR-RDCONGO-Mission, wie die EU-Mission jetzt heißen wird, treffen. Der Bundestag wird sich am 19. Mai zum ersten Mal damit beschäftigen, dann die Ausschüsse. Die zweite und dritte Lesung sind am 1. Juni vorgesehen. Aus diesem Zeitrahmen ersehen Sie, dass wir unsere konkrete Entscheidung in der Tat erst im Lichte der Kenntnis des tatsächlichen Wahlprozesses fällen. Insofern wird die Logik auf beide Bereiche angewandt. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Marieluise Beck sollen schriftlich beantwortet werden. Das Gleiche gilt für die Fragen 17 und 18 von Paul Schäfer. Vielen Dank, Herr Staatsminister. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfügung. Die Fragen 19 und 20 des Kollegen Wolfgang Wieland und die Frage 21 des Kollegen Hans-Christian Ströbele sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zur Frage 22 der Kollegin Veronika Bellmann: Welche Erkenntnisse haben die Verfassungsschutzbehörden über die beiden Organisationen „Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR“, ISOR, und „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“, GRH, und ist bekannt, welche Politiker - aktuelle und ehemalige Bundes- und Landtagsabgeordnete, Bundes- und Landesminister bzw. Staatssekretäre - schon vor einer der beiden Organisationen Vorträge hielten bzw. an deren Veranstaltungen teilnahmen?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Kollegin Bellmann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Es ist eine gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschutzes, Personen und Organisationen zu beobachten, bei denen tatsächlich Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen. Allerdings ist es nach einer langen und gefestigten Tradition auch so, dass die Bundesregierung über die im jährlichen Verfassungsschutzbericht bereits ohnehin enthaltenen Aussagen hinaus keine öffentlichen Angaben über Beobachtungsobjekte des Bundesamtes für Verfassungsschutz macht. Insofern bedaure ich, Ihnen keine weiteren Auskünfte geben zu können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage? - Bitte.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Nachfrage. Es ist bekannt, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter oder dem DDR-Regime sehr nahe stehende Personen, die sich organisiert haben, von „politischer Willkür“ und von „Siegerjustiz“ sprechen, die sie bekämpfen wollen. Diese Personen werten in alter Manier Zeitungen und Internetinhalte aus. Nach Besuchen von Schulklassen in der Gedenkstätte Hohenschönhausen versenden sie sogar Briefe an die Schulleiter, in denen sie beispielsweise von dem „Gruselkabinett des Herrn Dr. Knabe“ sprechen. Das kann man nur als Geschichtsklitterung bezeichnen. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass eine solche Praxis auch bei Besuchen von Schulklassen in anderen Gedenkstätten stattgefunden hat?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Ich kann nur wiederholen, dass im Hinblick auf die Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes an dieser Stelle leider keine Aussagen möglich sind. Im Übrigen sind die von Ihnen angesprochenen Fragen Gegenstand der politischen Auseinandersetzung und müssen daher auf dem politischen Feld bearbeitet werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es gibt keine Nachfrage mehr. Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 23 der Kollegin Veronika Bellmann: Wie steht die Bundesregierung dem Vorschlag des Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso, gegenüber, zur künftigen Finanzierung der Aufgaben der Europäischen Union eine so genannte EU-Steuer einzuführen, und wie schätzt die Bundesregierung das entsprechende Meinungsbild der Regierungen in den anderen Mitgliedstaaten ein? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, im Zuge der Verhandlungen zur finanziellen Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013 hat sich der Europäische Rat im Dezember 2005 auch über die Grundzüge der EU-Finanzierung bis zum Jahre 2013 geeinigt. Ein Vorschlag der Europäischen Kommission, in diesem Rahmen die Einführung einer steuerbasierten Einnahmequelle, also einer EU-Steuer, ab 2014 zu verankern, ist dabei bereits im Vorfeld von der weit überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt worden. Dies spiegelt sich auch im derzeit durch den Rat beratenen, überarbeiteten Entwurf der Kommission für einen neuen Eigenmittelbeschluss wider, der keinen Hinweis auf eine EU-Steuer mehr enthält. Für die 2008/2009 vorgesehene Überprüfung der finanziellen Vorausschau liegt noch kein Vorschlag der Kommission vor. Insofern kann die Bundesregierung hierzu noch nicht Stellung nehmen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage?

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Diller, teilen Sie die Auffassung, dass bei einer zukünftigen Finanzierung der EU die Beiträge der Nationalstaaten an das Bruttonationaleinkommen gekoppelt werden sollten?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, das Bruttoinlandsprodukt spielt heute schon eine ausgleichende Rolle. Die EU finanziert sich ja aus verschiedenen Quellen. Eine Aussteuerung findet über diesen Bereich statt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Nachfrage? - Bitte.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das war nicht ganz die Antwort auf meine Frage. Denn Bruttoinlandsprodukt und Bruttonationaleinkommen sind nicht dasselbe. Ich möchte noch eine weitere Nachfrage stellen. Ist die Befürchtung berechtigt, dass im Falle eigener Steuereinnahmen der EU, die zu einer Kreditbefähigung bei Immobiliengeschäften führten, die EU möglicherweise zu Schuldengeschäften neigen könnte?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, ich glaube, eine der weisesten Entscheidungen war, dass die EU nicht das Recht hat, Kredite aufzunehmen, um den EU-Haushalt zu finanzieren. Dabei sollte es bleiben. Im Übrigen gibt es mit Ausnahme von drei Mitgliedstaaten überhaupt keine Neigung, über das Thema einer EU-Steuer zur Finanzierung des Haushaltes nachzudenken.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Die Fragen 24 und 25 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch sollen schriftlich beantwortet werden. Dann kommen wir zur Frage 26 der Kollegin Christine Scheel: Mit welchen Argumenten begründet die Bundesregierung, dass es für die Bürgerinnen und Bürger durch die Mehrwertsteuererhöhung und die Kürzung des Sparerfreibetrages und der Pendlerpauschale zu massiven Steuermehrbelastungen kommen wird, während nach Presseberichten für Kapitalgesellschaften jetzt Steuerentlastungen in Milliardenhöhe von der Bundesregierung geplant sind, und mit welchen Argumenten begründet die Bundesregierung, dass sie für die kleinen Einzelunternehmen wie zum Beispiel Handwerksbetriebe keinerlei Steuerentlastungen plant?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin Scheel, damit unsere Kinder und Enkelkinder auch in Zukunft Politik gestalten können und überhaupt Haushaltsspielräume haben, muss die heutige Generation ihren Beitrag zur Konsolidierung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden leisten. Der Bundesregierung geht es dabei darum, die finanzielle Handlungsfähigkeit des Bundes und der öffentlichen Haushalte insgesamt mit miteinander abgestimmten wachstums- und beschäftigungsfördernden Maßnahmen, einer entschlossenen Konsolidierung des Bundeshaushaltes sowie strukturellen Reformen zu sichern. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer verbessert die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte und ist daher ein unverzichtbarer Baustein. Mit der anstehenden Unternehmensteuerreform soll die Position Deutschlands im internationalen Standortwettbewerb verbessert und sollen Investitionen ausländischer Unternehmer in Deutschland angeregt werden. Die Bedingungen unserer Unternehmen sollen so beschaffen sein, dass der Druck zur Steuergestaltung oder zur Abwanderung ins Ausland sinkt und damit die Grundlagen für mehr Beschäftigung und Wachstum im Inland geschaffen werden. Aus Sicht der Bundesregierung ist dabei eine spürbare Senkung der nominalen Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften, also Aktiengesellschaften und GmbHs, erforderlich. Denn dies hat eine wichtige Signalfunktion für internationale Investoren, die auf den nominalen Steuersatz schauen. Die nominale Steuerbelastung im Hinblick auf einbehaltene Gewinne einer Kapitalgesellschaft liegt aber in Deutschland im Rahmen der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer je nach örtlichem Hebesatz bei etwa 39 Prozent, wie Sie wissen. Internationale Vergleiche der Steuerbelastung zeigen, dass dieser Wert hoch ist. Hier besteht Handlungsbedarf zur Verbesserung der Standortbedingungen. Ich denke, darüber brauchen wir nicht streitig zu diskutieren; da sind wir vielmehr einer Meinung. Hier muss gehandelt werden. Dabei ist natürlich auch die Haushaltsverträglichkeit zu beachten. Deswegen ist unsere Philosophie: runter mit den nominalen Steuersätzen bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Die Eckpunkte der Unternehmensteuerreform stehen noch nicht fest. Deshalb kann noch nicht im Einzelnen über Be- und Entlastungswirkungen Auskunft erteilt werden. Wir werden bei der Unternehmensteuerreform auch die Belange des Mittelstandes in der Steuerpolitik im Blick behalten. Unser Blick richtet sich aber nicht nur auf die jetzt anstehende Unternehmensteuerreform. Vielmehr betrachten wir, bezogen auf den Mittelstand, das Gesamtbild. Dazu gehört zum Beispiel auch das jetzt eingeleitete Verfahren zur Schaffung eines Mittelstandsentlastungsgesetzes mit vielfältigen Maßnahmen zur Reduzierung der bürokratischen Belastung insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage, Kollegin Scheel?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Diller, Sie haben jetzt mit sehr schönen, blumigen Worten beschrieben, wie die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen zu sehen ist und dass wir Steuereinnahmen brauchen, um die notwendige Infrastruktur und all die Dinge, die wir als wichtig erachten, finanzieren zu können. Aber wie erklären Sie denn der Bevölkerung, dass auf der einen Seite ab dem 1. Januar 2007 die Mehrwertsteuer und die Versicherungsteuer um drei Prozentpunkte sowie der Benzinpreis um 6 Cent pro Liter erhöht werden sollen, der Sparerfreibetrag halbiert und die Pendlerpauschale gesenkt werden soll, indem die ersten 20 Kilometer steuerlich nicht mehr absetzbar sind, und verschiedene andere Maßnahmen durchgeführt werden sollen, während auf der anderen Seite die Unternehmen im Folgejahr, wenn die Unternehmensteuerreform durchgeführt wird, erst einmal um bis zu 10 Milliarden Euro entlastet werden und dies vorwiegend die großen Konzerne sein werden?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin Scheel, ich kann Ihre Verknüpfung nicht nachvollziehen. Denn gegenwärtig steht überhaupt noch nicht fest, zu welcher Entlastung die Unternehmensteuerreform führen wird. Wie Sie selber wissen, entsteht bei einer Unternehmensteuerreform natürlich zunächst einmal der Effekt, dass, auch wenn man sie durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gegenfinanziert, die Folgen der Reform im ersten und zweiten Jahr unterschiedlich ausfallen: Zunächst einmal tritt in jedem Falle eine Entlastung ein; später dann erfolgt eine Refinanzierung dieser Entlastung. In welchen Milliardengrößen sich das bewegt, lässt sich - im Gegensatz zu Ihrer Behauptung von bis zu 10 Milliarden Euro - erst dann definieren, wenn die Konzeption steht. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass sich der Haushaltsausschuss in einer ganztägigen Anhörung in der letzten Woche intensiv mit der Frage befasst hat, wie wir es schaffen, die Konsolidierung der Haushalte in den Griff zu bekommen. Der Präsident des Bundesrechnungshofes hat ganz eindeutig gesagt: Wir sind darauf angewiesen, zu einer schnell wirkenden Maßnahme zu greifen. Als schnell wirkende Maßnahme steht uns im Prinzip nur eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Versicherungsteuer zur Verfügung. Auch die Streichung bestimmter Subventionen, die wir in der Vergangenheit gemeinsam betrieben haben - Stichwort: Kampf um die Streichung der Eigenheimzulage -, dient der Einnahmeverbesserung. Aber die Eigenheimzulage ist eine achtjährige Subvention. Die volle Wirkung der Streichung der Eigenheimzulage tritt nicht im ersten Jahr ein - da ist es nur ein ganz bescheidener Betrag, wie Sie selber wissen -, sondern erst nach dem achten Jahr. Das ist bei vielen Subventionen der Fall: Die Wirkung auch sinnvoller Streichungen setzt erst mit Verzögerung ein. Deswegen sagt der Präsident des Bundesrechnungshofes, dass eine direkte Sanierung der Haushalte nur über die angestrebte Erhöhung der Mehrwertsteuer geht. Dabei wird der dritte Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung ja in Form einer Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge von gegenwärtig 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent in der Zukunft zurückgegeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Nachfrage, Frau Scheel.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Diller, es ist sehr ehrenwert, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass bereits die rot-grüne Regierung massiv am Subventionsabbau gearbeitet hat. Darauf sind wir auch stolz; damals haben wir gemeinsam viel auf den Weg gebracht. Nach der Auflösung der Blockade im Bundesrat ging es mit der Streichung der Eigenheimzulage ein Stück weiter. Sie haben in diesem Kontext bereits verschiedene Maßnahmen, die einnahmeseitig zu verbuchen sind, im Kabinett beschlossen. Dazu gehören die Einnahmen, die durch die Reichensteuer kommen sollen. Dieses Placebo Reichensteuer - so nenne ich es einmal - soll - das wurde heute von Herrn Minister Steinbrück bestätigt Mehreinnahmen in Höhe von 127 Millionen Euro bringen, wohlgemerkt für Bund, Länder und Gemeinden insgesamt. Für den Bund werden es vielleicht 70 Millionen Euro sein. Kollegen Ihrer Fraktion, aber auch der CDU/ CSU-Fraktion sagen, diese Einnahmen wüchsen bis zum übernächsten Jahr auf 1,3 Milliarden Euro an. Das ist eine wunderbare Geldvermehrung. Sie haben ja die Unternehmen und auch die Selbstständigen ausgenommen; betroffen sind sozusagen nur noch abhängig beschäftigte Manager, die aber ihr Einkommen wahrscheinlich anders als bislang anlegen werden. Ich bezweifle also, dass es überhaupt zu diesen 127 Millionen Euro Einnahmen kommen wird. Ich glaube nämlich, dass gar nichts hereinkommen wird. Die Frage ist: Wie kommen Sie auf diese 1,3 Milliarden Euro? Soll dann die gewerbliche Wirtschaft doch wieder mit ins Boot?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Abgeordnete, das ist der künftigen Beratung vorbehalten. Jedenfalls sieht der Gesetzentwurf vor, dass im Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform eine Entlastung auf andere Weise erfolgt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann haben wir noch eine Frage der Kollegin Dr. Barbara Höll.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich habe eigentlich zwei Fragen. Sie haben betont, dass bei der geplanten Mehrwertsteuererhöhung einer der drei Prozentpunkte zur Gegenfinanzierung der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge dienen soll. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie die Mehrwertsteuererhöhung, die Sie jetzt durchdrücken, demnächst wieder zurücknehmen. Heißt das also, dass dieser Bundeszuschuss zur Bundesagentur für Arbeit aus Steuermitteln dauerhaft sein wird? Wie verträgt sich das mit Ihrer Ankündigung, den Zuschuss für die Bundesagentur auf null zu senken? Nach Ihrer Antwort auf die Frage der Kollegin Scheel interessiert mich, ob Ihnen zur „strukturellen und nachhaltigen Einnahmeverbesserung“ des Bundeshaushalts - so hat es der Herr Minister Steinbrück in der aktuellen Ausgabe des „Spiegel“ formuliert - noch etwas anderes einfällt, als die Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland ohnehin wenig Einkommen haben, durch eine Mehrwertsteuererhöhung stärker zu belasten - da greifen Sie richtig zu -, während auf der anderen Seite diejenigen, die viel haben, kaum zusätzlich belastet werden. Sie werden lediglich durch die diskriminierende Bezeichnung Reichensteuer belastet. Diese Bezeichnung ist in der Tat diskriminierend. Wenn wir sie aufgebracht hätten, hätten Sie laut aufgeschrieen. Das aber nur nebenbei. Die Reichensteuer ist eine reine Symbolsteuer. Könnte es sein, dass Ihnen in Zukunft noch etwas einfällt, was eine tatsächliche Umverteilung von oben nach unten bewirken würde?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, von den 3 Prozentpunkten Umsatzsteuererhöhung geht - das habe ich bereits geschildert 1 Prozentpunkt zugunsten des Bundeshaushaltes, 1 Prozentpunkt zugunsten der Länderhaushalte - über den Finanzverbund kommt er auch den kommunalen Haushalten zugute - und 1 Prozentpunkt wird aus dem Bundeshaushalt, wo er zunächst einmal als Einnahme verbucht wird, an die Bundesagentur für Arbeit überwiesen. Dieser Prozentpunkt soll zur Finanzierung der Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages von 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent dienen. Ein Prozentpunkt der Absenkung wird durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer abgedeckt und ein Prozentpunkt wird durch Effizienzgewinne innerhalb der Bundesagentur dargestellt. Deswegen ist kein weiterer Transfer von Geldern aus dem Bundeshaushalt an den Haushalt der Bundesagentur notwendig. Zum Begriff Reichensteuer. Der Begriff stammt aus der Presse. Für Presseerfindungen können wir, auch die SPD-Fraktion oder die SPD nichts. Wir finden diese Steuer richtig. Sie hat Eingang in die Koalitionsvereinbarung gefunden. Das Kernproblem ist, dass die Unternehmensteuer der Personengesellschaften und Einzelunternehmer die Einkommensteuer ist. Wenn man bei den hohen und sehr hohen Einkommen - 250 000 Euro bei Ledigen und 500 000 Euro bei Verheirateten - den vollen Ertrag umsetzt, kommt man in eine Größenordnung von 1,3 Milliarden Euro. Darauf hat die Kollegin Scheel vorhin hingewiesen. Wenn Sie sich die Zahlen aber genau anschauen, stellen Sie fest, dass die Zahlungen in hohem Umfang von Einzelunternehmern und Personengesellschaften geleistet werden. Eine höhere Steuer in diesem Bereich hätte wirtschaftliche Folgen für die Betriebe. Vor diesem Hintergrund kommt man zu dem Schluss, diese Betriebe von der Steuer ausnehmen zu müssen, damit keine negativen Folgen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in diesen Unternehmen entstehen. So kam es zu dieser Ausnahmeregelung. Im Rahmen dieser Überlegungen zur Ausnahmeregelung wurden auch andere Gewinneinkünfte betrachtet. Deswegen musste die Regelung auf andere Gewinneinkünfte ausgedehnt werden. Daher kalkulieren wir gegenwärtig mit circa 130 Millionen Euro. ({0}) Bezüglich Ihrer Frage, wann es eine Umverteilung von oben nach unten gibt, verweise ich auf die unterschiedlichen Instrumente: Im Wesentlichen sind das die Vermögen- und die Erbschaftsteuer. Zur Erbschaftsteuer erwarten wir eine Gerichtsentscheidung. Alle politischen Kräfte sind sich darüber einig, dass erst einmal abgewartet werden soll, was das höchste Gericht bezüglich der Erbschaftsteuer entscheidet, und dass daraus gegebenenfalls gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen sind. In den vorherigen Wahlperioden gab es immer das Angebot der damaligen Mehrheiten an die Länder: Wenn ihr wieder eine verfassungsfeste Form der Vermögensteuer haben möchtet, dann signalisiert uns das und dann führen wir diese ein. Denn beide von mir jetzt genannten Steuerquellen, Erbschaftsteuer und Vermögensteuer, sind Steuern, bei denen der Bund zwar die Gesetzgebung mitzugestalten hat, deren Ertrag aber ausschließlich den Ländern zugute kommt. Die Ländermehrheit hat gesagt, dass sie keine neue Vermögensteuer will, und es gilt das Wort der Ländermehrheit.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zu einer Frage des Kollegen Matthias Berninger.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Diller, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann stelle ich mir eine ganze Reihe von Fragen. Zum einen haben Sie jetzt bestätigt, dass Sie mit der so genannten Reichensteuer nicht viel mehr einnehmen wollen, als Sie schon mit der Sektsteuer einnehmen. Sie haben auf die Frage der Kollegin Scheel, ob es bei den 127 Millionen Euro bleiben wird oder man doch in den Milliardenbereich kommen wird, geantwortet, das sei noch offen. Gehe ich recht in der Annahme, dass die Bundesregierung das ursprüngliche Ziel der Unternehmensteuerreform, die Personengesellschaften einerseits und die Körperschaften andererseits steuerlich gleichzustellen, langsam aber sicher aus dem Blick verliert? Denn wenn man dann noch berücksichtigt - das haben Sie als weiteren Punkt angesprochen -, dass bei der Unternehmensteuerreform die Entlastung nicht in einer Größenordnung von 10 Milliarden Euro, sondern möglicherweise deutlich darunter liegen wird, dann ist das Ziel praktisch nicht mehr zu erreichen, weil ansonsten die vielen kleinen und mittleren Betriebe im Zuge der Unternehmensteuerreform mehr zahlen müssten. Zurzeit beißen sich da einige Katzen in den Schwanz. Ich stelle mir die Frage: Inwieweit ist denn im Zuge der Einführung der Reichensteuer darüber nachgedacht worden, ob es nicht sinnvoller wäre, diese erst dann auf die Tagesordnung zu setzen, wenn man weiß, welche Struktur die Unternehmensteuerreform haben wird? Geht man nicht so vor, nimmt man erstens nichts ein - Stichwort Sektsteuer - und erzeugt zweitens eine Reihe von Problemen gerade bei den Unternehmen, die keine Spitzeneinkünfte haben, weil deren Steuerbelastung steigen wird.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Die Unternehmen, die keine Spitzensteuerbelastung haben, werden auch nicht durch die Reichensteuer, wie auch immer sie gestaltet ist, belastet. Ich sage noch einmal: Bei der Größenordnung, die hier in Rede steht, sind nur relativ wenige, einige Zehntausend, von der Steuererhebung betroffen. Im Übrigen gilt Folgendes. Mein Minister hat gesagt: Wir gehen jetzt zwei Monate in Klausur - das hat er Anfang April verkündet - und wollen darüber nachdenken, beraten, prüfen und entscheiden. Deswegen denke ich, dass Sie sich einmal überraschen lassen sollten, was wir dann Ende Mai oder Anfang Juni der Öffentlichkeit vorstellen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage der Kollegin Margareta Wolf.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Diller, in einem Punkt wollen wir uns aber, glaube ich, nicht überraschen lassen. Die Bundeskanzlerin hat bereits angekündigt, dass die Bundesregierung bzw. die große Koalition die Gewerbesteuer streichen wird. Mich würde interessieren, wie Ihr Haus, das ja dafür zuständig ist, die Kompensation für die Kommunen ausgestalten will. Zweitens habe ich der Presse mit Interesse entnommen, dass Sie über die Einführung einer Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2008 nachdenken. Angesichts der Finanzsituation des Bundes drängt sich die Frage auf: Warum zum 1. Januar 2008?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Der Koalitionsvertrag sieht eine hebesatz- und wirtschaftskraftorientierte Steuereinnahme der Kommunen von ihren gewerblichen Betrieben vor. Dabei bleibt es. Welche Ausgestaltung die Gewerbesteuer im Rahmen der Unternehmensteuerreform künftig haben wird, ist ebenfalls Gegenstand der Beratungen. Sie wissen ja, dass ein bestimmtes Forum einen Vorschlag unterbreitet hat, der eine totale Umgestaltung in Richtung einer VierSäulen-Steuer vorsieht, wobei nach Vorstellung dieses Forums wieder eine Lohnsummensteuer und anderes mehr als Alternative zur Gewerbesteuer eingeführt werden sollen. Selbst der designierte rheinland-pfälzische Finanzminister wirbt für ein solches Vorgehen. Auch er will weg von der Gewerbesteuer. Es gibt also verschiedene Überlegungen in diese Richtung. Aber wir sind noch nicht weit genug, um schon jetzt andeuten zu können, welcher Vorschlag letztlich in den Deutschen Bundestag eingebracht wird. Deswegen bitte ich Sie um etwas mehr Geduld. Nun zum zweiten Stichwort, das Sie angesprochen haben: der Abgeltungsteuer. Hier gilt das Gleiche: Die Abgeltungsteuer ist eine der Überlegungen, die erörtert werden. Beschlüsse sind aber noch nicht gefasst.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann kommen wir zur letzten Frage des Kollegen Volker Schneider.

Volker Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003843, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade die Probleme angesprochen, die bei einer Umverteilung von oben nach unten auftauchen. Meine Frage lautet: Warum gehen Sie nicht den einfachsten Weg, den Spitzensteuersatz wieder auf 45 Prozent anzuheben? Das würde nach meinen Informationen sofort 3,3 Milliarden Euro einbringen.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Das ist ein völlig anderes Thema. Wenn man den Spitzensteuersatz anhebt - und zwar für alle und nicht erst ab einem Einkommen von, wie wir vorschlagen, mehr als 250 000 Euro im Jahr für Ledige und mehr als 500 000 Euro pro Jahr für Verheiratete -, dann hat das natürlich Folgewirkungen auf den gesamten Tarifverlauf, von denen auch andere Schichten betroffen sind. Insofern handelt es sich hierbei um eine Rückbesinnung auf die Konzeption einer Steuerreform, die die frühere Koalition dem Deutschen Bundestag vorgeschlagen hatte. In dieser Konzeption war vorgesehen, den Spitzensteuersatz von 53,9 Prozent - in dieser Höhe haben wir ihn im Jahre 1998 vorgefunden - auf 45 Prozent zu senken. Dagegen hat es im Bundesrat Widerstand gegeben. Daraufhin wurde ein Vermittlungsverfahren durchgeführt. Auf Vorschlag der rheinland-pfälzischen Landesregierung ist dann der Kompromiss zustande gekommen, den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent zu senken. Daran halten wir fest, weil es bei den Bundesratsmehrheiten keine Veränderungen gegeben hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Wir kommen dann zur Frage 27 der Kollegin Christine Scheel: Ist nach Ansicht der Bundesregierung ein Vorziehen der Unternehmensteuerreform auf 2007 machbar und wäre damit die Befreiung der gewerblichen Wirtschaft von der so genannten Reichensteuer verfassungskonform umsetzbar?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin Scheel, über den Inhalt Ihrer Frage haben wir bereits ansatzweise diskutiert. In der Koalitionsvereinbarung ist vorgesehen, die Unternehmensteuerreform zum 1. Januar 2008 umzusetzen. Diese Vereinbarung gilt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Sie stehen vor großen Problemen, insbesondere was die zeitliche Abfolge hinsichtlich der Einführung der Reichensteuer betrifft. Sie wollen die Unternehmensteuerreform erst zum 1. Januar 2008 umsetzen, brauchen sie aber, um die Reichensteuer verfassungskonform hinzutricksen. Darüber hinaus sind noch eine ganze Reihe steuerlicher Maßnahmen zu beachten, über die wir bereits gesprochen haben. In diesem Zusammenhang treibt mich folgende Frage um: Geht es Ihnen lediglich darum, zur Verbesserung der Haushaltssituation die Steuereinnahmen, die die Länder - Sie natürlich auch - schon eingebucht haben, zu erzielen? Sollte es nicht vielmehr darum gehen, Steuerpolitik im Hinblick auf eine positive Beschäftigungswirkung zu betreiben? Eine solche Wirkung kann ich allerdings nicht erkennen. Auf der einen Seite wird es ermöglicht, Handwerkerrechnungen steuerlich abzusetzen, auf der anderen Seite werden dieselben Handwerkerrechnungen durch die Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozent erhöht. Das wird nach Informationen aus Wirtschaftskreisen und nach den Aussagen der Wirtschaftsforschungsinstitute zu einer Zunahme der Schwarzarbeit führen. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass man alles tun muss, um Schwarzarbeit zu bekämpfen, und dass solche Maßnahmen deswegen kontraproduktiv sind?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, zunächst einmal möchte ich Ihre Eingangsbemerkung - Sie haben von „tricksen“ gesprochen entschieden zurückweisen. ({0}) Wir sind der Überzeugung, dass wir mit dem jetzigen Gesetzentwurf in der Lage sind, dem Deutschen Bundestag eine verfassungskonforme Regelung vorzuschlagen. Bezüglich der Bekämpfung der Schwarzarbeit ist zu sagen: Sicherlich ist es ein Problem, wenn der Handwerker auf seine Kalkulation nicht mehr 16 Prozent, sondern 19 Prozent aufschlagen muss; das ist ein Happen. Die Exportwirtschaft ist von der Mehrwertsteuererhöhung nicht betroffen; deshalb brauchen wir uns um den Export keine Gedanken zu machen. Es bleibt die Frage, in welchem Umfang die Erhöhung der Mehrwertsteuer über die Preise an den Kunden weitergegeben werden kann und in welchem Umfang der Betrieb sie selbst verkraften muss, sodass es zu einer Verminderung seines Gewinns kommt - und damit für die öffentliche Hand zu einer Verminderung des Ertrags. Deswegen erwarten wir von einer Erhöhung der Umsatzsteuer um 1 Prozentpunkt zunächst nur 6,5 Milliarden Euro und erst nach ein paar Jahren die vollen 8 Milliarden Euro. Nur, was sind die Alternativen? Wenn Sie das gleiche Volumen im Bundeshaushalt auf der Ausgabenseite erwirtschaften wollten, müssten Sie zu Maßnahmen greifen, die in ihrer Wirkung für bestimmte Bevölkerungsgruppen sogar viel schwerwiegender wären. Deswegen sage ich - auch mit Blick auf das, was Frau Kollegin Dr. Höll vorhin gesagt hat -: Die Anhebung der Mehrwertsteuer betrifft nur den Regelsatz. Mieten sind mehrwertsteuerfrei und der ganze Nahrungsmittelbereich unterliegt dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Die Belastungen für die Budgets der Schichten mit niedrigen und mittleren Einkommen halten sich also in Grenzen. Eine Alternative wäre eine Kürzung des jährlichen Zuschusses zur Rentenversicherung; dieser ist mit 78 Milliarden Euro der größte Ausgabenblock im Bundeshaushalt. Wenn Sie da 8 Milliarden Euro herausoperieren wollten, bedeutete das eine massive Rentenkürzung oder - wenn Sie das wie ich für unverträglich halten - eine massive Beitragssatzsteigerung. Wenn Sie auch diese für unverträglich halten, müssen Sie nach anderen Instrumenten suchen. So könnten wir beide jetzt Haushaltsposten für Haushaltsposten durchgehen, wie wir das früher auch mit Ihren Haushaltspolitikern durchgegangen sind. Wir haben dabei graue Haare bekommen, weil wir auf der Ausgabenseite kaum noch etwas gefunden haben. Noch einmal: Die Operation ist sicherlich belastend, aber alternativlos.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage, bitte.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich bin froh: Ich habe noch blonde Haare; ich habe das alles also irgendwie ganz gut überstanden. ({0}) Sie haben ausgeführt, dass es aufgrund der Struktur und der Situation des Haushalts keine Möglichkeit gebe, den Haushalt anders als durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die anderen beschlossenen Erhöhungen zu konsolidieren. Warum werden nicht endlich bestimmte steuerpolitische Regelungen angegangen, die für unser Land, für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Arbeitsplätze kontraproduktiv sind? Ich meine die steuerliche Begünstigung von Betriebsverlagerungen und die exorbitant hohen Rückstellungen in der Atombranche, obwohl die Energiekonzerne sehr hohe Gewinne ausweisen. Die geltende Festlegung für die Rückstellungen stammt noch aus der Zeit, bevor der Atomausstieg beschlossen war. Das ist überhaupt noch nicht angepasst worden. Allein durch diese beiden Maßnahmen könnten wir Mehreinnahmen von 6 Milliarden Euro erzielen. Warum hat man nicht den Mut, hier Anpassungen vorzunehmen, sondern geht stattdessen an den Sparerfreibetrag und nimmt den Leuten teilweise auch noch die Vorsorge für die Rente?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, zum ersten Teil Ihrer Frage: Das spielt gegenwärtig sicherlich auch in unseren Überlegungen eine Rolle. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ich bin im Moment nicht sattelfest genug, um eine genaue Antwort zu geben. Aber ich meine, wir hätten schon während unserer gemeinsamen Regierungszeit eine Veränderung vorgenommen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Scheel, Sie haben zwei Nachfragen gestellt. Eine weitere Nachfrage kann ich Ihnen leider nicht gewähren. Nun hat sich der Kollege Volker Beck zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Trotz des sachlichen und ruhigen Vortrags des Staatssekretärs Diller konnte nicht verdeckt werden, dass es bei der Bundesregierung ein ziemliches Steuerchaos gibt. Das haben auch die Ausführungen des Ministers vorhin zum Steueränderungsgesetz 2007 deutlich gemacht. Das zeigen aber auch die Diskussion um die Mehrwertsteuererhöhung, durch die allen Bürgern weniger Geld in der Tasche bleibt, sowie die avisierte Entlastung der Unternehmen bei der Unternehmensteuerreform. Deshalb beantrage ich nach Anlage 5 Nr. 1 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema. Ich bin der Meinung, dass das Haus die Möglichkeit haben muss, darüber zu sprechen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Sie beantragen also für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass wir aus der Beantwortung der Fragen heraus eine Aktuelle Stunde ableiten. Das entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für eine Aktuelle Stunde. Entsprechend einer interfraktionellen Vereinbarung bestimme ich, dass wir die Aktuelle Stunde um 15.30 Uhr durchführen. Die ursprünglich für heute vorgesehene, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms von der Fraktion der FDP verlangte Aktuelle Stunde wird auf morgen verschoben. Wir kommen vorher aber noch zu den Fragen, die noch nicht beantwortet worden sind. Das sind die Fragen 28 bis 35. Diese Fragen sollen schriftlich beantwortet werden. Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 2. Ich unterbreche die Sitzung bis 15.30 Uhr. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN zur Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 26 und 27 Steuerpolitik der Bundesregierung Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Fritz Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003577, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil nicht nur wir den Eindruck haben, dass bei der Bundesregierung das steuerpolitische Chaos ausgebrochen ist. ({0}) Sie sehen dies erstens an der Diskussion über die Mehrwertsteuererhöhung. Sie haben die Erhöhung um 3 Prozentpunkte zu einem Zeitpunkt konzipiert, als Sie selbst nicht daran geglaubt haben, wie gut sich die wirtschaftlichen Verhältnisse entwickeln. ({1}) Ich kann nur sagen: Den Binnenmarkt während des jetzt Gott sei Dank vorhandenen Aufschwungs mit 21 Milliarden Euro systematisch zu schwächen, ist einfach ein ökonomischer Unsinn, den Sie von der Haushaltsseite her - das sagen viele Experten - gar nicht brauchen würden. ({2}) Deswegen sage ich: Souveränität der großen Koalition würde bedeuten, dass Fehlplanungen korrigiert werden. Dazu fordern wir Sie in dieser Debatte auf. ({3}) Der zweite Punkt, an dem Sie das sehen, ist die Unternehmensteuerreform. Herr Finanzminister, ich finde, es muss Klarheit über den Zeitpunkt her. Dieses Hü und Hott, mal da, mal dort, jetzt geht es doch schneller oder vielleicht auch nicht verunsichert die gesamte wirtschaftspolitische Szene und die Unternehmen. Ich sage für meine Fraktion: Lassen Sie das Spielen mit einer realen Steuerentlastung der Unternehmen im Zusammenhang mit einer Unternehmensteuerreform! Wir wollen eine aufkommensneutrale Steuerreform und eine rechtsformneutrale Unternehmensteuerreform. Das ist die Zielsetzung. ({4}) Ich finde, dass Sie hierzu einmal ein klares Wort sagen sollten. Zum Chaos gehört nämlich auch die kommunikative Verunsicherung, die Sie und die große Koalition gegenüber den deutschen Unternehmen in den letzten Wochen bewirkt haben. ({5}) Der dritte Punkt ist die Reichensteuer. Hier haben Sie bei den Koalitionsverhandlungen, die zum Koalitionsvertrag geführt haben, offensichtlich nicht vernünftig hingeschaut. Alle Verfassungsprobleme, die in den letzten beiden Wochen diskutiert worden sind, gab es schon damals. Man hätte genau hinschauen und die Abfolge verabreden müssen, die nach Auffassung der Grünen sinnvoll wäre. ({6}) Zuerst muss es eine klare Unternehmensteuerreform geben, die auch darauf ausgerichtet ist, dass die Verfassungsprobleme gelöst werden. Das heißt im Klartext, dass wir in Deutschland endlich einmal in der Lage sein müssen, die private Einkommensteuer anzuheben oder zu verändern, ohne dass die Unternehmensteuer für die Personengesellschaften tangiert wird. Das ist doch das alte Problem unseres Steuerrechts. Deswegen hätten Sie zuerst eine Unternehmensteuerreform und dann alles andere, was daraus folgt, vereinbaren müssen, sei es eine Reichensteuer, sei es eine erneute Diskussion - diese befürworten wir - über die Frage, ob wir mit einem Einkommensteuersatz von 42 Prozent wirklich richtig liegen oder ob wir zur Finanzierung der Bildungsinvestitionen noch ein Stück höher gehen sollten. ({7}) Aber beides haben Sie nicht getan. Deswegen sind Sie jetzt im Chaos gelandet; das hier festzustellen kann ich niemandem von Ihnen ersparen. Sie wollen einfach einmal ausprobieren, ob diese Regelung verfassungsgemäß ist. Das ist eine Geringschätzung der deutschen Verfassung. Wenn die Politik damit anfängt, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht! Der Finanzminister hat festgelegt, dass von der Reichensteuer unter anderem die Selbstständigen ausgenommen werden. ({8}) Dass Sie dann für das Jahr 2007 nur noch mit Einnahmen von 127 Millionen Euro kalkulieren - das ist eine optimistische Schätzung, weil die dann Betroffenen sicherlich eine gewisse Mobilität bei den Anlageformen finden werden -, ist wirklich ein Witz. Ich sage der SPD: Ich verstehe nicht, dass Sie sich das so einfach machen. Sie wollen die Reichensteuer - das kann ich nachvollziehen - auch als Ausgleich für die sozial schädliche Mehrwertsteuererhöhung von 3 Prozentpunkten, die nicht in vollem Umfang zur Senkung der Lohnnebenkosten eingesetzt wird. Trotz allem haben Sie wohl gedacht, dass Sie das alles schon irgendwie verkaufen werden. Jetzt aber bekommen Sie eine Reichensteuer im Bonsaiformat, also unterhalb der Wirkungsgrenze. ({9}) Glauben Sie, dass Sie das den Mitgliedern Ihrer Partei oder der Öffentlichkeit als Kompensat für die Erhöhung der Mehrwertsteuer verkaufen können? Das glauben Sie doch selber nicht. Die interne Diskussion in der SPDFraktion gibt mir da Recht. Deswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie diese Placebonummer. Machen Sie eine handwerklich ordentliche Steuerpolitik und beginnen Sie mit einer Unternehmensteuerreform. Dann kann man die Frage stellen: Wie kann man durch die Einkommensteuer oder auch durch die Reichensteuer einen vernünftigen Ausgleich und soziale Gerechtigkeit herstellen? ({10}) Der vierte Punkt für das steuerpolitische Chaos ist natürlich die Besteuerung von Biokraftstoffen. Das, was Sie da machen, Herr Finanzminister, halten wir für völlig falsch. Vor allem kleine und mittelständische Betriebe haben hinsichtlich der Biokraftstoffe Investitionen in die Infrastruktur getätigt. Durch die Besteuerung gefährden Sie deren Existenz. Im Klartext: Wegen Beimischungszwangs erhöhen Sie den Kraftstoffpreis zum 1. Januar 2007 um 3 Cent. Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer wird dieser noch einmal um 3 Cent teurer. Der CDU sage ich: Die Erhöhung durch die Ökosteuer betrug damals im Schnitt 6 Pfennig. Durch Ihre Maßnahmen wird der Aufschlag auf Sprit doppelt so teuer. Ich frage mich nun: Wo sind Frau Merkel und die Krawallmacher beim Thema Ökosteuer, die wenigstens zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet wurde? ({11}) Sie aber schlagen doppelt so viel drauf und glauben, dass wir Ihnen das im Herbst durchgehen lassen. Sie werden sich wundern, welche Diskussionen über Ihre großkoalitionäre Politik an den Zapfsäulen der Tankstellen entfacht werden. Da wünsche ich Ihnen schon jetzt viel Spaß. Vielen Dank. ({12})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück. ({0})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kuhn, nur weil Sie behaupten, es bestünde ein Steuerchaos, muss das noch lange kein Fakt sein. Es wird auch dadurch nicht richtiger, dass Sie ständig das Wort „Chaos“ im Munde führen. Die große Koalition hat das, was sie im Koalitionsvertrag vereinbart hat, Schritt für Schritt ziemlich sauber und transparent umgesetzt. ({0}) Selbst das, was sich heute im Steueränderungsgesetz findet, ist nicht neu, sondern das haben wir alles verabredet. Wir haben sehr schnell gehandelt und die entsprechenden steuerpolitischen Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Einiges haben wir bereits verabschiedet. Genauso kalkulierbar werden wir weiterhin sein. Sie haben uns leichtfüßig dazu aufgefordert, eine Unternehmensteuerreform zu machen. Ich habe den Eindruck, Sie unterschätzen die Komplexität einer solchen Operation. Jedenfalls vermitteln Sie das in Ihrer Rede. ({1}) Allein schon Ihre Forderung nach Aufkommens- und Rechtsformneutralität beweist das. Wissen Sie, wie schwer es sein dürfte, Rechtsformneutralität herzustellen? Wissen Sie, dass etwa 80 bis 85 Prozent der Einzelunternehmer und der Personengesellschaften bereits heute einer Effektivbesteuerung von unter 20 Prozent unterliegen? Wissen Sie, was es für die Rechtsformneutralität bedeutet, wenn die Definitivbesteuerung von Kapitalgesellschaften unter 38,6 Prozent fällt? Eine Senkung der Nominalsätze - gerade bei den Kapitalgesellschaften müssen wir das tun, weil wir uns in Europa, egal ob uns das passt oder nicht, in einem Steuerwettbewerb befinden; wir können die nationalen Grenzen schließlich nicht mehr dichtmachen - führt zu einem Verlust an Steuersubstrat. Deshalb muss man bei der Bemessungsgrundlage etwas anderes machen. Aber wann setzt die volle Wirksamkeit der Maßnahmen zur Erweiterung der Steuerbemessungsgrundlage ein? Ist das gleich im ersten Jahr der Fall? Ich vermute, nein. ({2}) Das heißt, man muss bezogen auf die Aufkommensneutralität sehr viel vorsichtiger operieren, als Sie es meines Erachtens getan haben. Ich stehe zur Einführung der Reichensteuer, und zwar zum jetzigen Zeitpunkt. Ich wehre mich gegen den Vorwurf, dass dies eine Neidsteuer, ein Placebo oder ein Symbolakt sein soll. ({3}) Ich glaube, dass es angesichts der Zumutungen, die unsere steuerpolitischen Beschlüsse für viele Menschen bewirken, richtig ist, auch die oberen Einkommensgruppen ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit entsprechend stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben heranzuziehen. ({4}) Ich wiederhole mich zwar, aber ich wundere mich über manche Erregung, und zwar weniger bei Ihnen als auf den Seiten des Parlaments, die bis 1998 für einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent verantwortlich gewesen sind, sich aber jetzt über die Anhebung des Steuersatzes von 42 auf 45 Prozent so erregen, dass man um ihren Gesundheitszustand fürchten muss. Das ist in diesem Zusammenhang unverhältnismäßig. Von diesem Vorhaben ist bezogen auf private Einkünfte ein verschwindend geringer Prozentsatz betroffen. Ich mache kein Hehl daraus, dass ich in den Koalitionsverhandlungen dafür war, die Einkommensgrenzen zu senken, und zwar auf 125 000 für Ledige bzw. 250 000 Euro für Verheiratete. Aber man hat das Ergebnis von Koalitionsverhandlungen zu akzeptieren und mitzutragen. Das wird auch geschehen. Im Übrigen werden Sie - das sage ich mit Blick auf das, was bei dem Vorhaben herauskommt - von keinem Mitglied der Bundesregierung erwarten können, dass es sehenden Auges eine Verfassungsrechtsproblematik in Kauf nimmt. Das sagen auch meine eigenen Parteifreunde. Das können Sie den zuständigen Ministern bzw. der Bundesregierung insgesamt nicht aufbürden. Uns ist klar geworden, dass wir allein die gewerblichen Einkünfte nicht ausschließen können. Dies würde mit den unternehmerischen Einkünften insgesamt - also auch denen, die von Land- und Forstwirten bzw. von Freiberuflern erzielt werden - kollidieren. Um diese Lücke zu schließen, haben wir uns jetzt auf die unternehmerischen Einkünfte insgesamt bezogen, denen aber auch ein bestimmtes unternehmerisches Risiko zuzuordnen ist, was die Gewährleistung von Wachstum, Umsatz und Beschäftigung angeht. Wir glauben, dass wir mit diesem Weg richtig liegen. Wir wollen nicht darauf verzichten. Was die Mehrwertsteuer betrifft, werden wir unterschiedlicher Auffassung bleiben. Ich will mich nicht wiederholen, zumal ich Herrn Westerwelle bereits eben auf einer Veranstaltung begegnet bin, die zwar kein Renkontre war, aber bei der die unterschiedlichen Meinungen aufeinander geprallt sind. Ich glaube, Sie überschätzen die Möglichkeiten, den Haushalt allein durch Sparmaßnahmen zu konsolidieren. Die beiden Oppositionsparteien geben nie Auskunft darüber - die dritte erst recht nicht -, wie eine alternative Strategie weiterer Haushaltskürzungen auf Wachstum und Beschäftigung wirken würde, und zwar negativ. Gerade dann, wenn es um Einsparungen bei Transfereinkommen geht, was sich gerade bei den Bevölkerungsgruppen unmittelbar negativ auf die inländische Nachfrage auswirken würde, deren Sparquote bei null liegt - ich denke dabei an die Rentnerinnen und Rentner -, wird das nie in Ihren Informationen berücksichtigt. Auch dass auf der Einnahmeseite ein strukturelles Problem besteht, geht in vielen dieser Debatten unter. Ihre Ausführungen zur Besteuerung des Biokraftstoffes habe ich nicht verstanden, Herr Kuhn. Ich werde Ihnen umgehend Unterlagen zuschicken, aus denen deutlich wird, dass wir mit dem Beimischungszwang bzw. der Einführung einer Quote etwas zur Unterstützung der Biokraftstoffe tun und dass die Landwirtschaft davon nicht negativ betroffen wird. ({5}) - Aber selbstverständlich! Bevor Sie die Parolen einer Demonstration in den Bundestag hineintragen, sollten Sie sich schlau machen, was wirklich beschlossen worden ist! ({6}) Was wir in diesem Bereich vorhaben, läuft auf eine klare Unterstützung der Biokraftstoffe hinaus: Dazu gehört die steuerliche Freistellung mit Blick auf die Kraftstoffe der zweiten Generation bis 2015. Die Investitionsgarantie bzw. die Absicherung der Investitionen bis 2009 wird, wie beschlossen, vollständig gewahrt. Sie haben hinsichtlich des Biokraftstoffs durcheinander gebracht, dass es dabei um zwei unterschiedliche Aspekte geht. Der eine ist die Abschaffung der steuerlichen zugunsten einer ordnungsrechtlichen Förderung. Das macht einen Unterschied von 1,6 Milliarden Euro aus, Herr Kuhn. Die Bundesregierung auf der einen Seite aufzufordern, den Bundeshaushalt zu konsolidieren, aber auf der anderen Seite leichtfüßig über die Möglichkeit hinwegzugehen, mit einer gleichzeitigen wirkungsgleichen ordnungsrechtlichen Regelung Mehreinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro zu erzielen, ist nicht sehr glaubhaft. Der zweite Aspekt ist, dass wir EU-Recht anwenden müssen. Wir müssen nämlich aufgrund einer europäischen Energiesteuerrichtlinie von der Überkompensation bzw. Überförderung wegkommen. Dies geht in einem Kurzbeitrag wie in dieser Debatte vielleicht auch aus Zeitgründen verloren, aber es wäre trotzdem gut, nicht an Chimären und Halbwahrheiten festzuhalten. Deshalb möchte ich Sie gerne sehr gezielt über das Thema Biodiesel informieren. Unter dem Strich: Diese Bundesregierung wird die Maßnahmen, die sie in der Steuerpolitik für notwendig hält, treffen, auch wenn sie unpopulär sind; denn wir sind überzeugt, dass wir dies zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sowohl des Bundes als auch der Länder und Kommunen brauchen. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die große Koalition hat im Koalitionsvertrag klare Ziele für die Finanzpolitik formuliert. Von Chaos kann hier keine Rede sein. Wir sind zurzeit dabei, diese Ziele schrittweise zu erreichen. Es ist aber bei dem, was wir vorgefunden haben, nicht einfach, gleichzeitig das Ziel der Förderung der wirtschaftlichen Wachstumskräfte - die Wirtschaft läuft zurzeit nicht schlecht - und das Ziel der nachhaltigen Sanierung der öffentlichen Finanzen zu erreichen. Bei der Sanierung der öffentlichen Finanzen gibt es zwei Instrumente; wir müssen beide einsetzen. Das eine Instrument ist der Abbau von Subventionen. Herr Kollege Kuhn, was wir, die große Koalition, hier in den ersten sechs Monaten unserer Regierungszeit schon geschafft haben, kann sich sehen lassen. Wir haben bereits einen Subventionsabbau mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro beschlossen. Wir werden das fortsetzen. Ich stimme aber dem Minister zu: Der Subventionsabbau und die Reduzierung der Ausgaben allein reichen nicht aus, um die Ziele, die wir uns im Koalitionsvertrag gesetzt haben, im Jahr 2007 zu erreichen. Wir wollen 2007 gleichzeitig die Maastrichtkriterien erfüllen - das ist nicht so schwierig; dafür reicht eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 30 Milliarden Euro aus - und die Regelgrenze des Art. 115 des Grundgesetzes einhalten; hier geht es um eine Größenordnung von nur circa 20 Milliarden Euro. Um dies zu erreichen, waren wir gezwungen, eine entscheidende Steuer zu erhöhen. Wir von der Union sind schon im Wahlkampf für eine Mehrwertsteuererhöhung eingetreten. Jeder, der die geplante Mehrwertsteuererhöhung ablehnt, den bitte ich, aufzuzeigen, wo wir sonst 21 Milliarden Euro hernehmen sollen, die wir benötigen, um einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Ich sage sehr deutlich: Diejenigen, die uns heute kritisieren, wären die Ersten, die eine Aktuelle Stunde beantragten und versuchten, uns hier vorzuführen, wenn wir die Maastrichtkriterien nicht erfüllten und die Regelgrenze des Art. 115 des Grundgesetzes nicht einhielten. Herr Kollege Kuhn, wenn wir die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele erreichen wollen, dann brauchen wir - leider - die geplante Mehrwertsteuererhöhung. ({0}) Ich sage ganz offen: Natürlich ist die so genannte Reichensteuer für uns eine Kröte, die wir im Rahmen der Koalitionsverhandlungen geschluckt haben. Nun stehen wir dazu. ({1}) Herr Kuhn, Sie haben aber gesagt - das ist wahrscheinlich nicht von allen verstanden worden -, man könne generell den Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent erhöhen. Dieser gilt aber - im Gegensatz zur Reichensteuer schon für Einkommen ab 60 000 Euro. Das wäre eine Steuererhöhung auf breiter Ebene. Das können wir uns in Deutschland sicherlich nicht leisten. ({2}) Bei der Unternehmensteuerreform sind wir voll im Plan. Heute hat der Minister zum wiederholten Mal erklärt, dass die Eckpunkte der Unternehmensteuerreform noch vor der Sommerpause veröffentlicht werden. Wir werden wie beschlossen die erste Lesung Anfang kommenden Jahres durchführen. Wer glaubt, er könne diesen Prozess um ein Jahr verkürzen, der weiß in der Tat nicht um die komplizierten Sachverhalte. Wir müssen bei der Unternehmensteuerreform viele einbinden. Umfangreiche Anhörverfahren sind notwendig. Per Schnellschuss eine grundlegende Unternehmensteuerreform zu machen, das geht nicht. Ich will nicht zurückschauen, aber die Schnellschüsse und die Fehler in der Steuerpolitik in den letzten sieben Jahren - diese mussten anschließend korrigiert werden - wird die große Koalition nicht machen. Ich sage ganz klar: Wir sind dabei, die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele zu erreichen. Dass es in Einzelfragen innerhalb der Fraktionen und zwischen den Fraktionen Unterschiede gibt, ist klar. Ich glaube, das erste halbe Jahr hat gezeigt, dass die große Koalition handlungsfähig ist. Wir werden das, was wir uns vorgenommen haben, in dieser Legislaturperiode verabschieden. Herzlichen Dank. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hermann Otto Solms, FDP-Fraktion.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Handlungsfähig ist die große Koalition mit 70 Prozent der Stimmen im Deutschen Bundestag. Das ist gar keine Frage. Aber das, was die Menschen interessiert, ist, was Sie eigentlich machen. In der Steuer- und Finanzpolitik herrscht ein reines Durcheinander. ({0}) Die Entscheidungen widersprechen sich. Wir bekommen nahezu jeden Monat ein neues Steuererhöhungsgesetz. Warum denken Sie nicht einmal an die betroffenen Steuerzahler? Sie denken immer nur an den Staat. Der Staat geht aber von den Bürgern aus. Die Bürger müssen die Steuern zahlen. Der zentrale Fehler Ihrer Steuerpolitik ist, dass Sie eine Vergünstigung nach der anderen abschaffen oder einschränken, den dafür notwendigen Ausgleich in Form einer Senkung der Tarife aber nicht vornehmen. ({1}) Jede dieser Maßnahmen ist eine indirekte Steuererhöhung. Ihre Maßnahmen widersprechen sich auch noch. Ich will einige Beispiele nennen. Jetzt wird mit großem Getöse das Elterngeld eingeführt. Sie verschweigen den betroffenen Familien aber, dass sie dieses doppelt und dreifach bezahlen müssen. Wenn die Familien wüssten, dass sie das Elterngeld selbst finanzieren müssen, dann würden sie gerne darauf verzichten. Es wird nämlich das Erziehungsgeld abgeschafft, der Bezug des Kindergeldes wird um zwei Jahre reduziert und die Mehrwertsteuer und die Versicherungsteuer werden angehoben, also Steuern, die Familien besonders treffen. Die Belastungen betragen das Mehrfache der Summe, die Sie in Form von Elterngeld wieder verteilen. Das ist doch keine ehrliche Politik. Sie haben von Transparenz gesprochen. Nehmen Sie die Subventionstatbestände, die Sie nicht abschaffen, sondern nur verändern. Dadurch wird alles komplizierter. Die Bürger sind damit auf Steuerberater angewiesen. In diesem Moment streichen Sie dem Bürger die Möglichkeit, Steuerberatungskosten abzusetzen. Das ist doch eine Gemeinheit. Das ist eine richtige Schikane, die gegen die Bürger gerichtet ist. ({2}) Nehmen Sie als weiteres Beispiel die Reichensteuer. Was soll diese Reichensteuer bewirken? Sie geben selbst zu, dass das Aufkommen aus dieser Steuer gering ist. Sie hat nur eine symbolische Wirkung. Diese symbolische Wirkung ist katastrophal. Ihre Agenten reisen durch die ganze Welt und versuchen, Investoren nach Deutschland zu holen. Diese lesen, dass sie, wenn sie hier investieren und Erträge erzielen, mehr als alle anderen besteuert werden. Was meinen Sie, wie schnell sie wieder die Kurve kriegen und verschwunden sind? Dann kam noch die verfassungsrechtliche Problematik hinzu. Ich gratuliere Ihnen, dass Sie jetzt immerhin erkannt haben, dass Sie die Gewinneinkünfte und nicht nur die gewerblichen Einkünfte von der Steuer ausnehmen müssen. ({3}) Das, was in Ihrem Entwurf fehlt, ist die Begründung, warum Sie die unterschiedliche Besteuerung vornehmen können. ({4}) Sie können das in unserem Gesetzentwurf nachlesen. Sie können unsere Begründung übernehmen und brauchen uns noch nicht einmal etwas für das Copyright zu zahlen. ({5}) In Sachen Ehrlichkeit will ich Ihnen, Herr Steinbrück, Nachhilfeunterricht in Geschichte geben. Die alte christliche Koalition hatte 1997 ({6}) - christlich-liberale Koalition, Entschuldigung, oder besser gesagt: bürgerliche Koalition - eine Steuerreform durchgeführt, die im Deutschen Bundestag eine Mehrheit gefunden hat. Der Spitzensteuersatz lag nach diesem Konzept bei 39 Prozent. Wir haben jetzt sieben bis acht Jahre verloren. Wir hätten unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern können, wenn die linke Mehrheit im Bundesrat unter dem Parteivorsitzenden Lafontaine das damals nicht verhindert hätte. ({7}) Es ist unser Problem, dass wir diese Wettbewerbsfähigkeit gerade nicht haben. Deshalb müssen wir die Unternehmensteuerreform schnell durchführen. Wenn Sie schon diese zahlreichen Steuererhöhungen durchführen, dann müssen Sie zum Ausgleich wenigstens eine Perspektive für wirtschaftliche Investitionen bieten. Das verschieben Sie nun um ein Jahr. Damit werden Sie den Aufschwung nicht bekommen. ({8}) Die zahlreichen Steuererhöhungen bewirken eine Kauf-kraftminderung in den drei Jahren, die vor uns liegen, von mindestens 120 Milliarden Euro netto. Wahrscheinlich ist die Summe noch höher. Sie können die Gesetze der Ökonomie nicht wegdiskutieren. Die 120 Milliarden Euro werden im Wirtschaftskreislauf fehlen. Deshalb sagen die Forschungsinstitute, dass das Wachstum im nächsten Jahr um mindestens 1 Prozentpunkt sinken und die Inflationsrate um 1,5 Prozentpunkte ansteigen wird. Darauf muss die Europäische Zentralbank natürlich reagieren. Wenn sie das tut, dann werden die Zinsen angehoben und dann wird alles teurer; auch Sie müssen für den Schuldendienst mehr aufwenden. Ich glaube, dass Sie einfach zu kurz springen. Um die Löcher in der Staatskasse zu stopfen, müssen Sie alle Kraft auf Arbeit und Beschäftigung lenken. Nur wenn es gelingt, mehr Menschen in Arbeit und Brot zu bringen, kommt es zu mehr Beitragszahlern, zu mehr Steuerzahlern und zu einer nachhaltigen Schließung der staatlichen Finanzierungslücken. ({9}) Wenn Ihnen das nicht gelingt, wenn Sie die Konjunktur durch Steuererhöhungen abwürgen, wenn es zu mehr Arbeitslosigkeit kommt, dann nützt es Ihnen auch nichts, wenn Sie die Defizite kurzfristig einigermaßen ausgleichen; denn die Löcher werden sich ganz schnell wieder öffnen und Sie werden in Zukunft noch viel größere Finanzprobleme bekommen. Deswegen sage ich Ihnen: Besinnen Sie sich! Als guter Volkswirt wissen Sie, dass es darauf ankommt, die Basis der Finanzierung über Wachstum und Beschäftigung zu verbessern. Alles andere ist ein Holzweg. Vielen Dank. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Florian Pronold, SPD-Fraktion.

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kuhn hat von Steuerchaos gesprochen. Ich erinnere an die letzte Tat eines Regierungsmitglieds der Grünen - es ging darum, hier endlich Steuerschlupflöcher zu schließen, sowie um Windenergiefonds und andere Steuersparmodelle; das wird jetzt in § 15 b EStG neu geregelt; die große Koalition hat entsprechende AnkündigunFlorian Pronold gen gemacht; noch die alte Regierung wollte dies durchsetzen -: Es war Ihr Herr Trittin, der versucht hat, das aus Lobbyismus ad absurdum zu führen. Sich so zu verhalten, das führt zu Chaos und zu Verunsicherung. Das, was Sie hier bieten, ist genau das, was Sie beklagen: Sie geben sich hier als Feuerwehrmann aus; in Wirklichkeit aber sind Sie Brandstifter. ({0}) Genauso wie die FDP spielen Sie nämlich immer die gleiche Melodie. Wenn man in der Opposition ist, dann ist das nahe liegend. In den Beratungen hier sagen Sie zum einen: Die Einnahmen sind zu gering; der Staat gibt zu viel aus; wir müssen konsolidieren und das bringt die Regierung nicht zustande. In einer darauf folgenden Debatte sagen Sie dann zum anderen: Es wird zwar konsolidiert, aber auch das ist ein falscher Weg. Steuererhöhungen tragen natürlich zur Konsolidierung des Staatshaushaltes bei. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, den Staatshaushalt zu konsolidieren: Entweder man kürzt die Ausgaben oder man mehrt die Einnahmen. Für Mehreinnahmen kann man sowohl durch Wachstum als auch durch höhere Steuern sorgen. Wachstum bedeutet meistens automatisch Steuermehreinnahmen. Zur Frage der Ausgabenkürzungen. Ausgabenkürzungen müssen angesichts der Struktur des Bundeshaushalts machbar sein. Sie müssen dann ehrlich sagen, ob man bei der Rente kürzen will und wie sich das auf die Konjunktur auswirkt, ob man Investitionen zurückfahren will und wie sich das wiederum auf die Konjunktur auswirkt. Immer nur eine Seite zu beleuchten, ist ein unehrliches Spiel, das Sie hier immer wieder zu spielen versuchen. ({1}) Die höchsten Steuererhöhungen, die es in Deutschland je gab, wurden vorgenommen, als die FDP an der Regierung beteiligt war. Dennoch stellen Sie von der FDP sich jetzt hier hin und erklären, wie man das alles besser machen könnte. ({2}) Das ist nun wirklich ein lächerlicher Beitrag, wie er in diesem Parlament schon in den letzten Jahren wiederholt geleistet worden ist. Wir erhöhen - nicht unbewusst - die Mehrwertsteuer erst ab dem 1. Januar 2007; denn in 2006 tun wir alles für mehr Wachstum und Beschäftigung. Wir haben ein Investitionsprogramm aufgelegt. Richtig ist natürlich, dass in der Wirtschaft nicht nur die harten ökonomischen Fakten zählen, sondern auch sehr viele psychologische Faktoren. Die Debatten, die Sie hier anzetteln, Ihr Schlechtreden, Ihr Jammern - Sie sehen immer nur das Negative -, genau das führt doch dazu, dass die Konjunktur ein Stück weit weniger in Gang kommt als nötig. Wenn etwas dazu führt, die Konjunktur abzuwürgen, dann ist es Ihr Gerede hier. ({3}) Als Strafe müssten eigentlich Ihnen die Steuern erhöht werden. Vielleicht könnte man so das Defizit im Bundeshaushalt ausgleichen. Das ist wirklich die Grundfrage, die wir hier immer diskutieren. Die Maastrichtkriterien sind im nächsten Jahr einzuhalten; darüber kann man doch nicht einfach hinweggehen. In dieser Konstellation, also in einer großen Koalition, gibt es natürlich unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie man das angehen kann. Wir, die SPD, haben eine eigene Meinung zur Reichensteuer und dazu, wie und wann man sie erheben könnte. Genauso haben wir eine eigene Meinung dazu, ob die Mehrwertsteuererhöhung das einzig selig Machende ist oder ob es nicht auch andere Varianten gibt. Dazu gab es in der Union andere Vorstellungen und dann haben wir uns geeinigt. So ist das halt. Jetzt müssen wir daraus das Beste machen. Wir müssen darauf setzen, dass die Wachstumskräfte gestärkt werden, und wir müssen darüber diskutieren, was wir machen müssen, damit es wieder aufwärts geht. Wenn Sie sich alle Indikatoren anschauen, die uns vorliegen, dann stellen Sie fest, dass sich das Wachstum jetzt einstellt und wir uns somit auf dem richtigen Weg befinden. Auf diesem Weg werden wir in 2007 eine Mehrwertsteuererhöhung haben, die konjunkturell dämpfend wirken wird und die wir nur dann verkraften werden, wenn wir jetzt Wachstum schaffen. Deswegen: Nicht schlechtreden, sondern die Dinge betonen, die jetzt wichtig sind, damit es insgesamt funktionieren kann. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Barbara Höll, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kuhn, ich kann Ihrer Einschätzung nicht zustimmen, dass das eine chaotische Steuerpolitik ist. Ich denke, das, was wir erleben, ist zwar Verbalakrobatik - es geht immer mit Getöse ein bisschen hin und her und es wird immer wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben -, aber inhaltlich ist das eine Fortsetzung der Politik, die auch Sie betrieben haben, also eine Fortsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik - nichts anderes. ({0}) Die CDU/CSU hat es vor der Wahl ganz klar erklärt: Es soll eine Mehrwertsteuererhöhung um 2 Prozentpunkte geben, das heißt, eine zusätzliche Belastung für diejenigen Menschen, die sowieso schon wenig Einkommen haben. Die SPD dagegen hat ihr Wahlversprechen unmittelbar nach erfolgter Wahl gebrochen und hat auf die 2 Prozentpunkte Mehrwertsteuererhöhung von Frau Merkel noch 1 Prozentpunkt draufgepackt. Das ist wohl wahr. Wahr ist auch, dass sich der designierte zukünftige Parteivorsitzende nun in seinen Worten etwas besinnt und tatsächlich davon spricht, dass die Staatsquote vielleicht erhöht werden sollte und dass man vielleicht doch einen starken Staat braucht. In der Realität sieht das dann aber so aus, dass Herr Steinbrück zwar in einem „Spiegel“-Interview erklärt, dass wir ein strukturelles Einnahmeproblem haben; aber das Einzige, was ihm dazu einfällt - davon bin ich enttäuscht -, ist die Mehrwertsteuererhöhung. Die Mehrwertsteuererhöhung - da sind wir uns sicher einig - wirkt nicht nur konjunkturdämpfend, sondern sie wirkt konjunkturbehindernd. Sie wird in der Situation, in der wir uns hier befinden, tatsächlich zu wirtschaftlichen Einbrüchen führen. Aber das Problem ist doch nicht - wie Sie im Koalitionsvertrag beschreiben -, dass wir die Steuersätze so gestalten müssten, dass wir international wettbewerbsfähig sind. Deutschland ist Exportweltmeister - wer ist denn wettbewerbsfähig, wenn nicht wir? ({1}) Unser Problem ist die Binnennachfrage. Gerade auf die Binnennachfrage werden die 3 Prozentpunkte Mehrwertsteuererhöhung wirken. Für eine vierköpfige Familie wird das bedeuten, dass im nächsten Jahr mindestens 1 100 Euro an Mehrbelastung auf sie zukommt. Das bedeutet einen Entzug von Kaufkraft und eine weitere Schwächung der Binnennachfrage. Das liegt einfach auf der Hand, darum braucht man nicht weiter herumzureden. Es ist wirklich bedauerlich, dass Sie nicht die Kraft aufbringen, tatsächlich einmal darüber nachzudenken, wie man die strukturellen Einnahmeprobleme, die es in diesem Haushalt gibt, beseitigen kann. Dazu liegt viel auf dem Tisch. Herr Steinbrück, wenn Sie unser Steuerkonzept noch nicht wahrgenommen haben - was ich nicht ganz glaube -, sende ich es Ihnen gerne zu; Sie können es dann in Ruhe lesen und sich damit auseinander setzen. Natürlich haben wir Möglichkeiten. Wir haben die Möglichkeit, die Erbschaftsbesteuerung neu zu gestalten. Wir hören hier seit Monaten, dass auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gewartet werde. Das Bundesverfassungsgericht hat schon drei Urteile gesprochen, die hier immer noch nicht richtig umgesetzt worden sind. Wir haben die Möglichkeit der Vermögensbesteuerung. Wir haben die Möglichkeit, kurzfristig auch einmal eine Vermögensabgabe zu überlegen. ({2}) Wir haben außerdem natürlich die Möglichkeit, die Einkommensteuer sozial gerecht zu gestalten, zum Beispiel indem man das steuerfreie Existenzminimum weiter ausdehnt, aber auch den Spitzensteuersatz wieder anhebt. Niemand schreibt uns vor, dass der bei 42 Prozent liegen muss. Auch bei 53 Prozent ist die deutsche Wirtschaft nicht kaputtgegangen ({3}) und sind die Menschen, die in dieser Bundesrepublik Deutschland ein sehr hohes Einkommen haben, die Spitzenverdiener, nun weiß Gott nicht verarmt. Sie hängen der neoliberalen Politik weiter an. Sie sind beratungsresistent und nehmen die Wirklichkeit nicht wahr. ({4}) Man muss es immer wieder betonen: Die Haushaltssituation, in der wir uns befinden, so schlecht sie ist, ist nicht gott- oder naturgegeben; sie ist von der Politik gemacht. Das sollten sich alle die vor Augen führen, die in den letzten 16 Jahren hier die politische Verantwortung getragen haben. Was hat Rot-Grün für Steuergeschenke an die Unternehmen ausgereicht! Immer wieder haben wir gehört: Arbeitsplätze entstehen; es wird investiert werden. Wurde investiert? Ja, zum Teil, aber nicht in Arbeitsplätze, sondern in Unternehmensübernahmen und Ähnliches. Viele Arbeitsplätze wurden sogar auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vernichtet. Das ist eine Politik, die mit uns nicht zu machen ist. ({5}) Schauen Sie einfach einmal ein bisschen in die Presse - das kann man nicht oft genug raten -: Deutschland ist ein Steuerparadies, im europaweiten Vergleich auf alle Fälle. ({6}) Das kann man nachlesen. Schauen Sie auch einfach noch einmal in den Jahreswirtschaftsbericht! Im Ergebnis nehmen Sie selbst an, dass sich in diesem Jahr die Einkommenssituation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur minimal verbessern wird, aber dass die Einkünfte aus Unternehmertätigkeit und Vermögen massiv steigen werden, um über 7 Prozent, während bei den anderen Einkommen nicht einmal eine Zunahme um 1 Prozent erwartet wird. ({7}) Das ist eine Politik, die nicht zur Lösung der sozialen Probleme führt, sondern im Gegenteil die soziale Schieflage hier in Deutschland verstärken wird und die Armut erhöhen wird. Das ist eine neoliberale Politik, die mit uns nicht zu machen ist. Deshalb lehnen wir das ab. Ich danke Ihnen. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Georg Fahrenschon, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kühn - ({0}) - Sehen Sie: Das ist der freudsche Versprecher. Es ist nämlich schon fast kühn, was Sie sich als Überschrift für Ihre Aktuelle Stunde ausgedacht haben. ({1}) Im Grunde ist das ein Ladenhüter. Sie hätten sich mit der Frage „Steuerchaos in der Regierung“ die letzten sieben Jahre auseinander setzen müssen. ({2}) Wenn Sie jetzt mit schädlichen Folgen für Konjunktur und Verbraucher argumentieren, ist das doppelt falsch. Das Verbrauchervertrauen in Deutschland steigt das erste Mal seit fünf Jahren wieder. Die Konjunktur verbessert sich erstmals seit fünf Jahren wieder. Sie liegen nicht nur falsch vom Zeitpunkt her, sondern auch im inhaltlichen Teil Ihrer Überschrift. Sie hätten sich diese Aktuelle Stunde besser gespart. ({3}) Man muss festhalten: Sie haben nach sieben Jahren Ihrer Regierungsverantwortung nichts anders als einen Scherbenhaufen hinterlassen: Nullwachstum, Rekordarbeitslosigkeit, Rekordverschuldung. Sie brauchen gar nicht auf Ihren Koalitionspartner zu zeigen. ({4}) Sie waren mit dabei. Sie haben an dem Chaos in der Steuerpolitik der alten Bundesregierung mitgewirkt und in der Haushalts- und Finanzpolitik waren Sie schlicht und einfach sprachlos. ({5}) Sie haben in den sieben Jahren Ihrer Regierungsbeteiligung nichts gegen die Verschuldung getan. Vor diesem Hintergrund kann man sich schon einmal die Zeit nehmen, um zu fragen: Was hat die grüne Bundestagsfraktion in den letzen sieben Jahren gefordert? Sie waren in der Frage der Erhöhung der Erbschaftsteuer dabei. Sie haben die Wiedereinführung der Vermögensteuer gefordert. Sie haben die Einführung der Einkommensteuer für Deutsche, die im Ausland leben, gefordert. Damit haben Sie mal wieder die „Bild“-ZeitungsSchlagzeilen beherrscht. Nicht zu vergessen: Im Juni 2005 erklärte die Kollegin Anja Hajduk: Die grüne Bundestagsfraktion hat ein eigenes haushalts- und finanzpolitisches Konzept mit Erhöhung der Mehrwertsteuer beschlossen. Das alles waren Teile Ihrer Beiträge zur Politik in Deutschland in den letzten sieben Jahren. Sie haben den Zickzackkurs - heute rein in die Kartoffeln, morgen wieder raus - mitgemacht, der die alte Bundesregierung letztlich den Wahlsieg gekostet hat. Im Ergebnis waren Sie daran beteiligt, dass die Menschen in Deutschland gegenüber der Politik noch nie so verunsichert waren wie in den letzten sieben Jahren. Es war Ihr Beitrag, es war Ihre Schuld und daran tragen Sie noch heute. Deshalb sollten Sie sich gut überlegen, welche Aktuellen Stunden mit welchen Überschriften Sie fordern. ({6}) Im Gegensatz dazu können wir uns schon mit der Bilanz des ersten halben Jahres der großen Koalition auseinander setzen. Wir haben zügig, sachlich, zielgerichtet und handwerklich sauber gearbeitet. Wir haben mit gezielten Impulsen und vertrauensbildenden Maßnahmen neuen Schwung in den Wirtschaftsmotor Deutschland gebracht. Die wichtigsten Beispiele will ich Ihnen noch einmal nennen: Noch im alten Jahr haben wir mit dem Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm gehandelt und nicht nur geredet. Wir haben mit dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltung wesentliche Teile der Steuerschlupflöcher geschlossen, und das bezeichnen Sie als „Chaos“. Parallel dazu haben wir Anfang des Jahres mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung die Grundlagen für ein gutes Jahr 2006 geschaffen. Auch in den anderen Bereichen sind wir auf der Grundlage eines vernünftigen Koalitionsvertrages unterwegs: Das Steueränderungsgesetz 2007 ist im Entstehen und wird Ihnen vorgestellt. Die dringend notwendige Reform der Erbschaftsteuer für gewerbliche, betriebliche Einkünfte, das Stundungsmodell, ist im Entstehen und wird zeitgerecht und ordentlich noch in diesem Jahr vorgelegt, damit es zum 1. Januar 2007 in Kraft treten kann. Auch die Unternehmensteuerreform ist in Arbeit. Es steht dem Bundesfinanzminister durchaus gut an, mit den beiden Modellen, die ihm die Wissenschaft auf den Tisch gelegt hat, in Klausur zu gehen und dann mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einerseits und der SPDBundestagsfraktion andererseits sowie mit seinem Haus Eckpunkte für eine Unternehmensteuerreform zu entwickeln und vorzulegen. Das ist doch nicht Chaos, sondern planvolles Vorgehen. Dass Sie davon nichts verstehen, wundert uns nicht; das haben Sie schon die letzten sieben Jahre gezeigt. ({7}) Im Ergebnis zeigt sich ein deutlicher Stimmungsumschwung in Deutschland. Die große Koalition und die von ihr getragene Bundesregierung können vorweisen: Die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung werden immer besser; die Zuversicht bei Verbrauchern und Unternehmen wächst und gedeiht; die Menschen gewinnen das Allerwichtigste zurück, nämlich Vertrauen in die Politik. In der Bilanz sind wir deutlich auseinander: Sie versuchen, rückwärts gewandte, chaotische Debatten zu führen, wir arbeiten Punkt für Punkt unseren Koalitions2870 vertrag ab. Wir werden ja dann in drei Jahren die Wähler fragen, wer ihrer Meinung nach erfolgreicher gearbeitet hat. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie schon von „rückwärts gewandt“ reden, Herr Fahrenschon, dann muss man an dieser Stelle auch konstatieren, dass Sie eine rückwärts gewandte Rede gehalten haben. Sie leiden anscheinend an Gedächtnisverlust. Man darf nicht vergessen, was Rot-Grün - da muss ich die Roten einmal mit hineinnehmen; wir haben ja gemeinsam ein paar gute Dinge beschlossen -, vor allem in steuerlicher Hinsicht im Bereich Subventionsabbau, eingebracht hat, während Sie damals diejenigen waren, die das blockiert haben. Sonst hätten wir heute nicht die Haushaltsprobleme, die wir in Deutschland insgesamt haben. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen. ({0}) Wenn man hört, dass Herr Minister Steinbrück und Herr Bernhardt sagen, das, was man im Koalitionsvertrag aufgeschrieben habe, werde jetzt sukzessive umgesetzt, dann muss man feststellen: Wenn schon ein Koalitionsvertrag an wichtigen Stellen so unkonkret, vage und wirr formuliert ist wie Ihrer, kann man sicher auch nicht erwarten, dass die Gesetzgebung besser ist. Genau so schaut es im Moment auch aus. ({1}) Wenn sich dann Vertreter der SPD hier hinstellen und sagen, sie täten das, was sie immer gesagt hätten, dann schüttelt es mich, und zwar ziemlich heftig, Florian Pronold. ({2}) Vonseiten der SPD wurde gesagt: keine Mehrwertsteuererhöhung. Die anderen haben gesagt: Mehrwertsteuererhöhung um 2 Prozentpunkte; die Einnahmen sollen komplett zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge verwendet werden. Herausgekommen sind 3 Prozent, die vorwiegend zur Sanierung des Haushalts eingesetzt werden sollen. ({3}) Was hat denn das mit den Strukturveränderungen zu tun, die man vorher angekündigt hat? Das ist doch eine reine Abzocke. Hinzu kommt, dass, vorwiegend über die bayerischen Medien, wie die SPD in Bayern das durch Herrn Florian Pronold gemacht hat, gestreut wird, dass die SPD die Pendlerpauschale in ihrer Kürzung so nicht akzeptiere und alles dafür tun werde, dass diese Kürzung - Herr Steinbrück, Ihre SPD-Kollegen in Bayern sagen das - so nicht kommen werde, dass es diese Gesetzgebung mit der SPD nicht geben werde. Ich bin einmal gespannt, wie das ausgeht. Aber wir wissen ja, wie schnell Sie umkippen und wie sich die Wahrheiten von heute und von morgen unterscheiden. ({4}) Man muss sich das einmal vorstellen: All die Punkte, die jetzt umgesetzt werden sollen, sind das genaue Gegenteil von dem, was Sie noch vor einigen Monaten geäußert haben. Man könnte also 100 gute Gründe nennen, warum beispielsweise die Einrichtung eines Lügenausschusses Sinn machen würde. Aber das ist uns zu doof. Wir setzen uns mit Ihnen lieber inhaltlich auseinander. ({5}) Es heißt immer, es sei alternativlos, was vonseiten der Koalition gemacht wird, weil es keine besseren Möglichkeiten gibt. Aber es gibt Alternativen. ({6}) Sie sagen selbst, dass das, was Sie hier vorschlagen, zu großen Teilen konjunkturschädlich und widersprüchlich ist. Es wird bei denen abkassiert, die ihre gesamte Kaufkraft und auch ein gewisses Sparpotenzial brauchen, um für das Alter vorzusorgen. Wir alle wollen doch, dass die private Altersvorsorge gestärkt wird. Aber Sie wollen den Sparerfreibetrag halbieren und treffen damit genau die Menschen, die für das Alter vorsorgen. ({7}) Dies hat mit Logik nichts mehr zu tun und ist aufgrund der verheerenden Wirkung ein Schuss nach hinten. ({8}) Außerdem wird gesagt, eine Mineralölsteuererhöhung um 6 Cent sei unumgänglich. ({9}) Zu den Biokraftstoffen muss man ganz klar sagen, dass es eine gute Entscheidung war, den Landwirten zu raten, dass sie ihre eigenen Energiewirte werden, dass sie eine dezentrale Versorgung aufbauen und ihre Märkte ausbauen. Von der dezentralen Versorgung profitiert die Bundesrepublik Deutschland insgesamt, weil wir dadurch weg vom Öl kommen. Aber was machen Sie? Was sich hier im Ansatz entwickelt, machen Sie auf einen Schlag kaputt. Sie gefährden damit Arbeitsplätze und nehmen uns die Zukunft, was die Versorgung mit regenerativen Energien angeht. ({10}) Das ist eine rückwärts gewandte Politik, die nichts mit Zukunftsfähigkeit zu tun hat. ({11}) Wenn man sich die anderen Punkte anschaut, beispielsweise das Placebo Reichensteuer, dann muss man sagen: Es werden nur Luftballons losgelassen; es handelt sich um ein gigantisches Ablenkungsmanöver. Alle reden über die Reichensteuer, aber niemand von Ihnen redet über die Kürzung der Pendlerpauschale und über die Zumutungen für die Kleinsparer. Ihr Konzept ist völlig inkonsistent. ({12}) Sie hoffen, dass über die Weltmeisterschaft diese Themen aus der Öffentlichkeit verschwinden. Sie wollen in diesem Kontext die Gesetze zügig durchziehen. Sie brauchen sich aber nicht zu wundern, dass die Konjunktur diese Politik von gestern nicht mitmacht. Wir werden Ihre Politik nicht akzeptieren. Wir werden im Rahmen des Steuergesetzgebungsverfahrens unsere Vorschläge auf den Tisch legen. Sie sind wesentlich besser als Ihre. Danke. ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Reinhard Schultz, SPD-Fraktion.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Scheel, mit Blick auf die Weltmeisterschaft sollten wir uns überlegen, für die Debatten im Bundestag ein Dopingverbot auszusprechen. Ich habe selten so etwas Aufgekratztes wie Ihren heutigen Beitrag erlebt, der zudem noch neben der Sache lag. ({0}) Sie wissen, dass ich von Natur aus kein Charmebolzen bin; ({1}) ich werde es auch nicht mehr werden. Deshalb will ich sagen: Ihre Rede hat selbst mein Vorstellungsvermögen einigermaßen gesprengt. Dass es in einer Koalition aus zwei großen Volksparteien eine gewisse Diskussionsvielfalt bei steuerpolitischen Fragen gibt, ist an dem öffentlichen Echo unschwer zu erkennen. Aber diese Diskussion ist nicht zu verwechseln mit der Stringenz des Handelns. Es gibt klare Vereinbarungen: die Koalitionsvereinbarung als Grundlage und die - ich will sie einmal so nennen Feinschliffvereinbarung vom 1. Mai, in der bestimmte Punkte festgezurrt und präzisiert wurden. Wir haben uns innerhalb der Koalition immer sehr schnell in den wesentlichen Fragen bezüglich der Finanz- und Steuerpolitik verständigt. Dies gilt von Anfang an bis jetzt und auch für die anstehenden Aufgaben. Es tut immer weh, Subventionen abzubauen. Man kann jeden, der durch unsere Maßnahmen betroffen ist, auf populistische Weise aufstacheln. Das ist völlig in Ordnung und das können Sie gerne machen. Denn das ist Ihre Aufgabe als Opposition. Aber unsere Politik hat nichts mit Chaos, sondern mit Klarheit zu tun. Wir haben ehrlich gesagt, dass wir drei Notwendigkeiten sehen: Wir müssen auf Wachstum setzen. Wir müssen die Subventionen deutlich reduzieren; alle müssen auf den Prüfstand. Nur die Subventionen, die unbedingt erforderlich sind, bleiben erhalten. Wir müssen gleichzeitig angesichts der niedrigen Steuerquote, die Deutschland im internationalen Vergleich hat, die Steuerbasis stabilisieren, indem wir sowohl die bestehenden Steuersätze anwenden als auch über eine Mehrwertsteuererhöhung weitere Einnahmen erzielen. All das, was wir tun, was im Gesetzgebungsgang ist und durch den Finanzminister angekündigt worden ist, ist durch die Koalitionsvereinbarung gedeckt. Da sehe ich kein Chaos und keine Verwirrung, sondern eine klare Linie und Stringenz. Mit dieser muss man nicht einverstanden sein; aber an der Klarheit ist nicht zu zweifeln. Um ein Beispiel von Ihnen, Herr Solms, aufzugreifen: Sie haben gesagt, das Elterngeld finanzierten die Betroffenen selbst. - Herr Solms, dürfte ich, wenn ich Sie schon netterweise anspreche, Ihnen zumuten, dass Sie mir zumindest Ihr Gesicht und nicht Ihren netten Hinterkopf zuwenden? ({2}) - Das weiß ich. Das bestreite ich nicht, auch wenn man es von außen nicht sieht. Ich habe es ja oft genug erfahren. Sie haben eben angesprochen, dass die vom Elterngeld Begünstigten dieses selber finanzieren. Das war ein populistischer Klimmzug, wie Sie ihn gerne machen. Wir setzen klare Schwerpunkte, in diesem Falle auf die Familienpolitik. Wir wollen, dass sich auch gut verdienende Paare, bei denen Frauen einen Beruf ausüben, ohne Einbußen in ihrer finanziellen Existenz für ein Kind entscheiden können. Das ist ein gesellschaftspolitischer Schwerpunkt, den die Gemeinschaft aller mitzufinanzieren hat. Weil es eine gesellschaftliche Aufgabe Reinhard Schultz ({3}) ist, müssen sie alle mitfinanzieren und nicht etwa nur die betroffene Frau oder der betroffene Mann, die Nutznießer des Elterngeldes sind. Insofern ist die Aussage, sie finanzierten es selber, richtig und falsch zugleich; das macht gerade den Populismus aus. Gesellschaftliche Schwerpunktaufgaben müssen von allen finanziert werden und nicht nur von einigen wenigen. Das gilt für die Familienpolitik genauso wie für viele andere wichtige Bereiche. Es ist geradezu witzig, wenn Sie, Herr Solms, aber auch Frau Scheel sagen, die Reichensteuer bringe nichts. Sie sei ein reines Placebo. ({4}) Über ein Placebo bräuchte man sich doch gar nicht aufzuregen. Ich bin ganz froh darüber, dass nach Angaben des Finanzministeriums das Aufkommen aus dieser Steuer auf etwa 1,3 Milliarden Euro anwachsen wird. Das ist mehr als ein Furz auf der Gardinenstange, wenn ich diesen unparlamentarischen Ausdruck einmal verwenden darf. 1,3 Milliarden Euro sind eine echte Hausnummer; das sollte man schon sagen. Insofern sollte man jenseits der Frage der Gerechtigkeit und der Belastung breiterer Schultern mit etwas höheren Steuern die Bedeutung dieser Steuer für den Haushalt nicht übersehen. Eine große Rolle spielt auch die Frage der Biokraftstoffe. Vor dem Brandenburger Tor hat ja heute eine Demonstration zu diesem Thema stattgefunden. Ich sage ohne Häme: Es war eine gewaltige Demonstration mit gut 100 Leuten. Ungefähr genauso viele Dienstwagen von Bioverbandsfunktionären waren zu sehen. Diesen haben einige wenige interessierte Politiker, aber auch Verbandspolitiker und Leute, die beides sind, zugehört. Das war eine schöne, machtvolle und nach vorne tragende Veranstaltung, die auch gut in einem größeren Wohnzimmer hätte stattfinden können. Warum war sie nicht ganz so machtvoll? Weil ein großer Teil derer, die auf Biokraftstoffe setzen, über die Linie der Bundesregierung und der Koalition sehr froh sind, dass es einen breiten industriellen Weg mit einer steigenden Quote des Kraftstoffersatzes sowohl für Ottomotoren als auch für Dieselmotoren geben wird, an dem viele partizipieren können, und dies eine industrielle Strategie ist und keine, die es erlaubt, irgendwo im Lande, zum Beispiel an einer Apotheke, zu tanken, wie es noch der alte Benz gemacht hat. Insofern ist ein großer Teil der Szene sehr zufrieden,

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- außer vielleicht die eine oder andere wirtschaftliche Existenz, die ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten nur der Tatsache verdankt, dass sie von Windfall-Profits über Steuersubventionen profitieren konnte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, jetzt muss ich uncharmant werden. Sie müssen jetzt nämlich zum Ende kommen.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In Ordnung. Der letzte halbe Satz. - Wir wollen weg von steuergeförderten Tatbeständen und hin entweder zur direkten Förderung oder über das Ordnungsrecht dahin, dass -

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, das waren drei halbe Sätze.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Norbert Schindler, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Einen schönen Tag Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste droben auf den Zuschauerrängen! Reinhard Schultz, es wäre vielleicht gut gewesen, wenn auch wir bei der Biodemonstration am Brandenburger Tor dabei gewesen wären. Denn es wurden einige berechtigte Sorgen vorgetragen. Aber das ist heute nicht das große Thema. Großes Thema ist, was die Grünen jetzt versuchen. Sie behaupten, es gebe ein totales Durcheinander. ({0}) - Wenn dies so wäre, liebe Christine Scheel, dann wäre die Zustimmung zu den Grundaussagen zu unserer Regierungsarbeit im Koalitionsvertrag nicht so groß, wie die Landtagswahlergebnisse in den letzten Monaten bestätigt haben. Meine Damen und Herren, ich will nicht vorrechnen, was die Kollegin Scheel in den vergangenen Perioden manchmal vor dem Finanzausschuss verkündet hat und wie sie sich dann im Finanzausschuss bei Abstimmungen verhalten hat. Es war viel Populismus dabei. ({1}) - Wenn du willst, kannst du eine Zwischenfrage stellen. Dann habe ich längere Redezeit. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, das geht nicht. Wir haben eine Aktuelle Stunde.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie darf nicht wollen. Es ist in Ordnung. Schauen wir in den Koalitionsvertrag, die Richtschnur unserer Zusammenarbeit! Dass die Union bei dieser Bundestagswahl nur 35,x Prozent erreicht hat, lag daran, dass wir - jetzt rede ich als Unionsmann - zu ehrlich und zu offen in den Wahlkampf gegangen sind. Wir haben verkündet: Wenn wir drankommen, gibt es Belastungen und keine Freudentänze. Wir müssen uns anschicken, dieses Deutschland wieder nach vorne zu entwickeln. ({0}) Ich könnte locker sagen: Man kann zur Musik nur mit den Mädels tanzen, die da sind. ({1}) Die Regierungsfähigkeit ist eben mit den Sozialdemokraten gegeben. Jetzt komme ich - wieder im Ernst - auf den Steuerzuschlag für Vermögende und gut Verdienende. Ich will nur in Erinnerung rufen, wie sehr die Steuersätze unter Rot-Grün gesenkt wurden. Das kann nicht das Leitthema in der jetzigen Auseinandersetzung sein. Die Solidarität aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gilt für die gut Verdienenden genauso wie für die Klientel von Herrn Müntefering, der in seinem Etat über 5 Milliarden Euro einzusparen hat. Alle Schichten der Bevölkerung sind dabei. Noch einmal zu dem Durcheinander, das da angesprochen wurde. ({2}) Wir als Union haben die Eigenheimzulage geopfert. ({3}) - Das war ein großes Opfer, Herr Kuhn. - Diese ersten Gesetze haben wir im Dezember schnell auf die Reihe gebracht. Sie treffen draußen auf Zustimmung. Das gilt auch für die Erhöhung der Mehrwertsteuer: ein Prozentpunkt in die soziale Schiene, die anderen in den Staatshaushalt. Das ist doch ein ehrlicher Umgang mit allen draußen, die es betrifft. Das strukturelle Defizit beträgt 40 Milliarden Euro. 20 Milliarden Euro decken wir durch Steuererhöhung. Sie ist unangenehm und unpopulär, aber wir kündigen sie lange genug vorher an. Wir haben uns wirtschaftspolitisch und staatspolitisch ausgesprochen klug verhalten; jeder kann sich darauf einstellen. Ich rede jetzt gar nicht vom europäischen Vergleich bei der Mehrwertsteuer. Alle kennen die Zahlen: 25 Prozent; ich will die Staaten gar nicht aufführen. Deutschland stand an der drittletzten Stelle. Der europäische Vergleich ist nicht der Grund für die Erhöhung. Aber ein strukturelles Defizit von 40 Milliarden Euro muss gedeckt werden: 20 Milliarden Euro durch Steuererhöhungen, die anderen 20 Milliarden Euro durch den Abbau von Steuererleichterungen. Herr Kuhn und Herr Solms, da waren wir auch in der Vergangenheit unterwegs. Jetzt haben wir die Kombination gewählt, und auch das ist Ihnen nicht recht. Wie soll man es denn noch besser machen? Wir kündigen so etwas vorab an und machen keine Über-Nacht-Geschichte. Das gilt auch für die Unternehmensteuerreform, für die Erbschaftsteuerregelung in Bezug auf den Mittelstand und nach dem Karlsruher Urteil auch für die große Erbschaftsteuerreform. Für die Unternehmensteuerreform nehmen wir uns Zeit. Das haben wir als Union uns geschworen: nicht schnell und schlampig, sondern langsam und solide und mit guten Beratungen. Die beiden Koalitionsparteien kommen von unterschiedlichen Standpunkten. Ich mache jetzt keine basisdemokratischen Streitgespräche, wie Sie, Herr Kuhn, sie auf Ihren Parteitagen pflegen. Damit seid ihr ja auch immer gut unterwegs. Wir machen streitige Standpunkte in der Sache deutlich. Und Sie werden überrascht sein, wie gut es trotzdem in den nächsten drei Jahren noch laufen wird. Da wird sich mancher wundern. ({4}) Diese Koalition ist angetreten, Deutschland wieder zu Erfolg zu führen, wenn auch unter Federführung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Damit müssen auch Sie jetzt leben, nicht nur Männer in der Union, sondern im ganzen Staat. Es läuft doch prima! Lassen Sie es uns geschickt angehen. Wir lassen uns von Ihnen nicht in eine Hektik hineintreiben, auch wenn Sie das mit dieser Aktuellen Stunde beabsichtigen. Auf dieses Glatteis gehen wir nicht. Danke schön. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat Christian Lange, SPD-Fraktion.

Christian Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegen von den Grünen, ich kann Sie durchaus verstehen. Eingeklemmt zwischen der FDP mit ihren neoliberalen Konzepten auf der einen und der PDS auf der anderen Seite, ist es nicht ganz einfach, sich als Oppositionsfraktion zu profilieren. Das sehe ich durchaus ein. Sie haben sich heute offensichtlich auf die Schlagworte „Steuerchaos“ und „Attacke“ eingeschworen. Ich Christian Lange ({0}) sage Ihnen aber: Das, was die Wirtschaft braucht, sind Verlässlichkeit und Ruhe. Herr Bundesfinanzminister, ich bin Ihnen deshalb dankbar dafür, dass Sie den Lockungen der Opposition, en passant eine Unternehmensteuerreform hinzulegen, womöglich noch in der Aktuellen Stunde, nicht gefolgt sind, ({1}) sondern gesagt haben, dass Sie sich in Ihrem Ministerium damit beschäftigen und dieses Hohe Haus zu gegebener Zeit darüber beraten wird. Dieses Vorgehen ist in der Tat eine Voraussetzung dafür, dass wir die Wirtschaft in Deutschland durch ein ständiges Hin und Her nicht zu stark belasten. An die Adresse der Koalitionsfraktionen sage ich aber auch: Das Schlechtreden muss aufhören. Es hat mittlerweile aufgehört. Das ist ein Effekt der großen Koalition. Auch das ist ein positiver Beitrag; denn wir wissen - der Spruch stammt von Erhard; aber es ist trotzdem richtig -, dass Psychologie ein ganz wichtiger Gesichtspunkt ist, wenn es darum geht, die Wirtschaft voranzubringen. ({2}) Zur Mehrwertsteuer. Es besteht kein Zweifel daran, dass ich als jemand, der sich um kleine und mittlere Unternehmen bemüht, nicht als Fan einer Mehrwertsteuererhöhung auftreten kann. Bis jetzt hat aber noch niemand eine Alternative, noch nicht einmal in Ansätzen, vorgelegt. Wir sollten bedenken, warum wir die Mehrwertsteuer eigentlich erhöhen. Ein Aspekt ist mehrfach erwähnt worden: das Defizitkriterium. Dem stimme ich zu. Aus meiner Sicht gehört aber auch die Umstellung des sozialen Sicherungssystems von einem abgabenfinanzierten auf ein steuerfinanziertes System dazu. Diesen Ansatz halte ich für richtig. Das sollten wir an dieser Stelle deutlich sagen. Ich bitte auch darum, differenziert auf das vermeintliche Schreckgespenst Mehrwertsteuererhöhung zu schauen. Auf die kleinen und mittleren Handwerksunternehmen komme ich gleich noch zu sprechen. Die Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute zur Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft im Frühjahr 2006 zeigt auf, dass es neben der Mehrwertsteuer, die - darüber sind wir uns einig - in der Tat dämpfend wirkt, andere Faktoren gibt, deren konjunkturelle Bedeutung zumindest von den Instituten als wesentlich größer erachtet wird. ({3}) Ich will an dieser Stelle klar sagen, was das heißt: Es gibt Risiken. Sie sind - so steht es in dem Bericht - in der weltwirtschaftlichen Konjunktur begründet. So würde ein erneuter Preisschub beim Erdöl, ausgelöst durch eine befürchtete Angebotsverknappung, die Konjunktur dämpfen. Kontraktive Effekte wären auch dann zu erwarten, wenn sich eine abrupte Korrektur an den Immobilienmärkten in den wichtigen Ländern vollzöge. Neben dem dämpfenden Effekt der Mehrwertsteuer gibt es bezogen auf die Auswirkung auf die konjunkturelle Entwicklung sehr wohl andere Faktoren, deren Bedeutung zumindest von den Auguren unserer Wirtschaftsinstitute als wesentlich bedeutsamer angesehen wird. ({4}) Auch das gehört zu einer seriösen Debatte - Herr Kuhn, Sie sind in der Lage, eine solche zu führen; zumindest habe ich das in der Vergangenheit erlebt -, nicht nur Attacke und Krawall. ({5}) Jetzt möchte ich auf ein Argument eingehen, das ebenfalls von Ihrer Seite vorgebracht wurde, nämlich den Placeboeffekt. Da wundere ich mich; denn die Wirtschaftsverbände, die die kleinen und mittleren Unternehmen im Blick haben, bewerten die Reichensteuer keinesfalls als Placebo. Ich teile diese Auffassung nicht. Der Maßstab für die Reichensteuer liegt bei einer Größenordnung von 250 000 Euro bei Alleinverdienern und 500 000 Euro bei Doppelverdienern. Ich wünsche den Verbänden, die sich um Handwerks- und Mittelstandbetriebe kümmern, dass die Personenunternehmen, die zu ihren Mitgliedesverbänden gehören, diese Gewinne einfahren. Wir wissen doch, dass der Gewinn dieser Unternehmen vor Steuern im Durchschnitt bei 50 000 bis 100 000 Euro liegt. Das heißt, sie sind meilenweit vom Spitzensteuersatz und Lichtjahre von der Reichensteuer entfernt. Deshalb ist es unseriös, auf der einen Seite den Placeboeffekt anzuführen und auf der anderen Seite mit den Verbänden zu heulen. Das passt nicht zusammen. Das ist keine logische Kritik. Ich bitte Sie von den Grünen einfach, zu einer konstruktiven Auseinandersetzung zurückzukehren und das Thema Mehrwertsteuer nicht auf den Wahlkampf zu reduzieren, sondern die Effekte anzuschauen, die durchaus problematisch sind, sie zu gewichten im Zusammenhang mit weiteren Komponenten, die eine Rolle spielen: weltwirtschaftliche Auseinandersetzungen, Erdölpreise und Immobilienpreise. Keiner weiß, wie sich das im Jahr 2007 auswirken wird. Ich bitte Sie auch, beim Thema Reichensteuer zumindest die Gewinnsituation der Betriebe des Mittelstandes, um die wir uns alle in hundert Reden zu Recht Sorgen machen, ins richtige Licht zu rücken. Denn die sind von der Reichensteuer - leider niemals betroffen. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Leo Dautzenberg, CDU/ CSU-Fraktion.

Leo Dautzenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003067, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als einer der Redner, die am Schluss dieser Aktuellen Stunde sprechen, muss ich wirklich fragen: Worin lag der Nährwert der Aktuellen Stunde, Herr Kuhn und Vertreter der Grünen? ({0}) Denn wir haben die Ausführungen vonseiten der Koalitionsfraktionen gehört, die Sie kritisieren, aber keine Alternativen dazu, wie man es besser machen kann. Da zieht auch die Ausrede nicht, dass das in einer Aktuellen Stunde mit Fünfminutenbeiträgen nicht zu leisten sei. Wenn man sich darauf konzentriert und entscheidende Punkte angegeben hätte, wäre das durchaus möglich gewesen. Von daher hat Kollege Schindler Recht, wenn er sagt, dass wir uns durch dieses Getöse von der sachbezogenen Arbeit und der kontinuierlichen Umsetzung des Koalitionsvertrages, den wir gemeinsam beschlossen haben und Schritt für Schritt zeitnah umsetzen werden, nicht abbringen lassen. Wir haben in unserer Koalitionsvereinbarung einen Dreiklang aus Sanieren, Investieren und Reformieren. Wir befinden uns jetzt in Teilbereichen der Finanzpolitik und Finanzwirtschaft bei der Sanierung und auch in Elementen des Investierens und des Reformierens. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, was diese Koalition in diesen drei Bereichen schon auf den Weg gebracht hat. Sie kennen das Koch/Steinbrück-Papier ({1}) mit dem so genannten Subventionsbericht. Wir haben das Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen am Ende des letzten Jahres auf den Weg gebracht. Denken Sie an das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen! Zurzeit läuft die Beratung des Haushaltsbegleitgesetzes. Heute sind uns die Eckpunkte zum Steueränderungsgesetz 2007 mitgeteilt worden. Darin sind auch Elemente enthalten, über die wir schon seit Jahren diskutieren und die im Grunde Steuersubventionstatbestände darstellen. Jetzt werden diese Elemente reformiert und anders gestaltet, ({2}) angefangen, Kollege Thiele, bei der Fahrtkostenpauschale bis hin zu anderen Bereichen. Das wird Schritt für Schritt umgesetzt. Kollege Solms, bezüglich der Gewinneinkünfte haben Sie den Zuschlag zur Einkommensteuer angesprochen. Innerhalb der Koalition ist die Union der Auffassung, dass man das weiterhin Zuschlag zur Einkommensteuer nennen sollte. Wenn der Koalitionspartner es zur Beruhigung der eigenen Kulisse Reichensteuer nennt, ist das seine Sache. Das werden wir aushalten. Aber man muss zugestehen, dass es nicht gerade ein gutes Entree für ausländische Investoren ist, wenn man das mit solchen Begriffen belegt. Zu Zeiten Waigels hatten wir, Kollege Solms - da waren Sie mit in der Koalition -, für einen bestimmten Zeitraum auch die Präferierung und Privilegierung gewerblicher Einkünfte. Das ist damals nicht verfassungsrechtlich gescheitert. Wenn jetzt aber verfassungsrechtliche Bedenken entstehen, ist das legitim. Man kann es nicht als Chaos bezeichnen, wenn darüber inhaltlich diskutiert wird und man sagt: Wir vereinbaren gemeinsam, zumindest die Gewinneinkünfte vom Zuschlag der 3 Prozentpunkte auszunehmen. Das ist doch kein Chaos, sondern sachlich bezogene Arbeit. Es ist das, was wir gemeinsam vereinbart haben und was wir zeitnah umsetzen. Genauso werden wir die Punkte, die noch zu REITs und im Bereich der Unternehmensteuerreform anstehen - auch das wurde heute angekündigt -, behandeln. Die Bundesregierung wird noch vor der Sommerpause und mit Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes die Eckpunkte der Unternehmensteuerreform vorlegen. Daraus kann ich nicht den Schluss ziehen, dass wir in einem Dreivierteljahr die entscheidenden Punkte, die Wachstum generieren sollen, nicht wirklich zeitnah auf den Weg gebracht haben. Auch Sie sollten sich vor Augen führen - Sie kennen das ja -, dass es in einer Koalition unterschiedliche Auffassungen gibt, über die man diskutieren und dann zu einem Ergebnis kommen muss. Im Gegensatz zu Ihnen ist die Union als der etwas größere Koalitionspartner immer bei ihren Positionen geblieben. Natürlich mussten auch wir Kompromisse eingehen. Aber, Frau Kollegin Scheel, wenn ich mich daran erinnere, was Sie in der damaligen Koalition alles angekündigt haben, und wenn ich mir vergegenwärtige, wie Sie später nur aus Gründen des Machterhalts eingeknickt sind, ({3}) kann ich diesen Vorwurf, der von Ihrer Seite an meine Fraktion und an die jetzige Koalition gerichtet wird, nicht gelten lassen. Wir sollten gemeinsam und sachbezogen weiterarbeiten. Sie sind herzlich eingeladen, in diesem Rahmen Ihren Beitrag zu leisten. Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Lothar Binding, SPD-Fraktion. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Fritz, ich glaube, heute haben die Grünen ihr Ziel verfehlt. Ich habe mitgeschrieben, wie oft im Zusammenhang mit dem Antrag der Grünen das Wort Chaos erwähnt wurde. Das war weniger als zehnmal der Fall. Das ist eigentlich ein schwacher Reflex auf einen so großen Antrag. ({0}) In der Vergangenheit wurden solche Anträge normalerweise gestellt, um diesen Begriff möglichst oft mit dem politischen Gegner und seiner schlechten Politik zu verknüpfen. ({1}) In einem ähnlichen Zusammenhang habe ich einmal als Antwort auf die Ausführungen von Steffen Kampeter eine Rede gehalten. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere, dass damals genau das sein Reflex auf die Politik der Regierung war. Damals machte Fritz Kuhn Zwischenrufe wie „Steuererhöhungen blockieren die Länder!“ oder „Scheinheilig!“; das sollten wir noch einmal genauer untersuchen. Christine Scheel hat sogar einen „Lügenausschuss“ erwähnt, der möglicherweise eingesetzt werden sollte. Sie sprach von einem „Ablenkungsmanöver“ ({2}) und hat dafür sogar die Fußballweltmeisterschaft in Anspruch genommen. ({3}) Daran kann man die Diktion dieses Antrags erkennen. Dann versteht man auch, warum ich meine, dass er verfehlt ist. ({4}) Auch der Kollege Solms hat etwas Interessantes gesagt ({5}) - das stimmt -: Beim Elterngeld würden wir verschweigen, dass die Bürger - ich zitiere ihn wörtlich - „das selbst bezahlen“. Ich frage Sie: Wie können wir das verschweigen? Es gibt in diesem Staat nichts, was nicht die Bürger bezahlen. Selbst wir werden von den Bürgern bezahlt. ({6}) Alles, was in diesem Staat passiert, bezahlen letztendlich die Bürger. Wenn man das nicht zur Kenntnis nimmt, ist es natürlich leicht, zu sagen, dass etwas verschwiegen wird. Sie haben noch einen Aspekt angesprochen, der nur sehr schwer nachzuvollziehen war. Sie sagten - ich zitiere wieder wörtlich -: „Diese 120 Milliarden Euro fehlen im Wirtschaftskreislauf.“ Ich frage mich: Wie kann in einem Wirtschaftskreislauf überhaupt etwas fehlen? Welche Einnahmen auch immer der Staat macht, kaum jemand gibt Geld schneller wieder aus als der Staat. ({7}) Insofern ist er ein Element dieses Kreislaufs. Der Quelle auf der einen Seite entspricht die Senke auf der anderen Seite und umgekehrt. Sie merken: Wenn wir einen Kreislauf zugrunde legen, kann - ich gebe Ihnen Recht: Ausnahmen bilden das Sparen und die Auslandsbezüge nichts verloren gehen. ({8}) Deshalb sollten Sie sich über den Wirtschaftskreislauf noch einmal Gedanken machen. Jetzt komme ich auf den Zuruf von Fritz Kuhn - „Denk an deinen Wahlkampf!“ - zu sprechen. Daran denke ich auch. Bei meinen Wahlkampfveranstaltungen habe ich nämlich gesagt: Da wir eine Nachfrageschwäche haben, dürfen wir die Mehrwertsteuer nicht erhöhen. ({9}) - Das habe ich nicht getan. Ich habe das, was ich gerade erwähnt habe, gesagt. So genau möchte ich schon sein. ({10}) - Nein, diese Faltblätter habe ich in meinem Wahlkreis nicht verteilt. Das wird auch Fritz Kuhn bestätigen können. Ihr müsst die Dinge schon korrekt zuordnen. Selbstverständlich haben wir über andere Einnahmequellen nachgedacht; denn jedem ist bekannt, wie wir auf europäischer Ebene platziert sind und dass wir unsere Einnahmesituation verbessern müssen. In diesem Zusammenhang haben wir insbesondere an eine Erhöhung der Einkommensteuer und an die Beseitigung von Steuerschlupflöchern gedacht. Dazu stehen wir. Allerdings war hier kein Kompromiss zu erzielen. Deshalb ist es mir wichtig, zu prüfen, ob die Aussage von Fritz Kuhn - dass wir die Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung angesichts der Haushaltssituation gar nicht benötigen - überhaupt stimmt. Fritz, wenn du das so sagst, dann hast du eine jahresbezogene, vielleicht sogar stichtagsbezogene Betrachtung von Wirtschaftspolitik und vergisst die strukturellen Defizite, die aus Fehlentscheidungen in der Vergangenheit resultieren und unseren Haushalt auf viele Jahre voraus bestimmen. Wer das strukturelle Defizit in unserem Haushalt maastrichtkonform gestalten will, muss sich - zum Beispiel über die Mehrwertsteuer oder über andere Systeme; die könnt ihr dann vorschlagen - kontinuierliche Einnahmen sichern. Lothar Binding ({11}) Deshalb glaube ich, dass wir bei einer Steuerquote von 20 Prozent in diesem Staat ({12}) um eine Steuererhöhung dieser Art nicht herumkommen. Die Frage ist aber immer, was man mit den Steuereinnahmen macht. Wir legen ein Konjunkturprogramm auf, das der Wirtschaft helfen soll. Wo wir gerade über die Nachfrageschwäche diskutieren: 80 Milliarden Euro von 190 Milliarden Euro fließen in den Rententopf; wir wissen, dass die Rentner einen wichtigen Teil der Nachfrageseite ausmachen. 40 Milliarden Euro fließen als Transferleistungen im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit und Arbeit in den Markt. Natürlich haben die Menschen, denen wir Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld II geben, ein Nachfragepotenzial. Noch etwas ganz Wichtiges: Wir haben die Gemeindefinanzen gestärkt, was bedeutet, dass vor Ort, unmittelbar bei den Bürgern, etwas ankommt. Ich glaube, das ist essenziell. Ein Wort zur Reichensteuer: ({13}) Die Reichensteuer ist eine Ergänzung all dessen. Man kann sagen, das Aufkommen ist marginal: im ersten Jahr nur ungefähr 130 Millionen Euro, im zweiten Jahr nur etwa 800 Millionen Euro. Wer das aber ins Verhältnis setzt dazu, wie hoch die veranlagte Einkommensteuer nach Erstattungen ist, nämlich ungefähr 9 Milliarden Euro, der merkt, dass wir in diesem Sektor eine - wenn ich etwas aufrunden darf - 10-prozentige Anhebung haben. Insofern ist die Reichensteuer eben nicht marginal. Außerdem ist es wichtig, dass die Botschaft ankommt: Die starken Schultern sollen mehr tragen. Diese Maßnahmen sind ein guter Anfang, den wir ergänzen - ich will ein konkretes Beispiel nennen - durch die Abschaffung der Möglichkeit, Filmfonds zur Steuerersparnis zu nutzen. Wenn wir auf diesem Weg weitergehen, können wir die Staatsfinanzen konsolidieren. Mit „Sanieren, investieren, reformieren“ sind wir auf einem guten Weg. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. Mai 2006, 9 Uhr, ein. Ich wünsche allen in diesem Hohen Hause - den Kolleginnen und Kollegen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch unseren Besuchern auf der Tribüne einen schönen Mittwochabend. Die Sitzung ist geschlossen.