Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/13/2009

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie sehr herzlich zu den heutigen Beratungen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung und Eckpunkte zum Konsolidierungsbank-Modell. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich heute erneut mit der Frage der Stabilität auf den Finanzmärkten beschäftigt. Sie nehmen genauso wie die Bundesregierung wahr, dass die Vertrauensbildung, die notwendig ist, um diese Finanzmarktkrise auch mit ihren Übersprungseffekten auf die Realwirtschaft zu bekämpfen, immer noch nicht so weit gediehen ist, wie es wünschenswert wäre. Der Rettungsschirm, den wir mit Ihrer Hilfe im Herbst des letzten Jahres verabschiedet haben, ist sicherlich notwendig gewesen, aber erkennbar noch nicht hinreichend. Wir haben das Problem, dass es eine Reihe von Banken gibt, deren Bilanzen mit faulen oder Problemaktiva so stark belastet sind, dass sie im Zusammenhang mit der Rating-Migration einem ständigen weiteren Abwertungsprozess unterworfen sind. Sie müssen zunehmend abschreiben und dabei einen zunehmenden Eigenkapitalverzehr in Kauf nehmen. Dieser Eigenkapitalverzehr infolge der Belastung ihrer Bilanzen durch solche Papiere ist das eigentliche Problem; denn im Extremfall, der hoffentlich nicht eintritt, kann es infolge des Eigenkapitalverzehrs zu einem Solvenzproblem kommen. Näherliegend ist die Tatsache - das bekümmert uns alle -, dass dieses Eigenkapital nicht mehr für das zur Verfügung steht, was wir in dieser Konjunktursituation dringend brauchen, nämlich für die Unterlegung von neuen Geschäften, für Kredite. Ich sage das nicht nur mit Blick auf die Finanzierung des Mittelstandes, sondern auch mit Blick auf die Finanzierung großer Unternehmen. Die Papiere, über die wir reden, lassen sich in drei Kategorien aufteilen: In der ersten Kategorie sind strukturierte Wertpapiere - im normalen Sprachgebrauch werden sie als giftige Papiere bezeichnet; Sie alle kennen die englischen Abkürzungen -, die zweite Kategorie bilden illiquide Papiere - das sind Staats- und Unternehmensanleihen -, und die dritte Kategorie umfasst das, was die Banken selber als nichtstrategische Aktiva bezeichnen. Das sind Papiere, von denen sie sich möglichst trennen wollen - das ist ihre Zukunftsstrategie -, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Sie suchen nach einer Gelegenheit, diese nichtstrategischen Wertpapiere loszuwerden. Einige gehen dabei allerdings so weit, das damit beschäftigte Personal möglichst gleich mit abzugeben. Wir haben uns heute auf einen Gesetzentwurf zu den toxischen Papieren konzentriert. Dabei geht es um eine Art Zweckgesellschaftsmodell. Ich will versuchen, es im Telegrammstil zu beschreiben: Die Rechtsform ist selbstverständlich neutral. Alle Banken können davon Gebrauch machen. Ihnen wird die Möglichkeit eingeräumt, eine Zweckgesellschaft zu gründen. Auf diese Zweckgesellschaft können sie die strukturierten Wertpapiere verlagern. Dafür bekommen sie von dieser Zweckgesellschaft Schuldverschreibungen. Diese werden von der Zweckgesellschaft durch die Begebung einer Anleihe finanziert. Die Schuldverschreibungen werden staatlich garantiert. - Das hat den Effekt, dass die Bank hochvolatile Assets abgeben kann und dafür höchst stabile, werthaltige und vor allem staatlich garantierte Schuldverschreibungen bekommt, die sie nicht mit Eigenkapital unterlegen muss. Die Bundesbank ist bereit - das ist ganz wichtig -, diese Papiere als Sicherheit zu akzeptieren, wenn es darum geht, für die Banken Liquidität bereitzustellen. Das ist der enorme Vorteil. Es geht also um Bilanzbereinigung. Den Gegenwert der ausgelagerten Wertpapiere bekommen die Banken in Form von Schuldverschreibungen; sie müssen nicht eigenkapitalunterlegt sein. Diese Schuldverschreibungen können auch als Sicherheiten, als Collateral, bei der Redetext Bundesbank eingereicht werden, um Liquidität zu bekommen. Bei jeder dieser Lösungen - dafür werbe ich jetzt befindet man sich in einem Zieldreieck; dies führt zu Spannungen. Je effektiver die Bilanzbereinigung ist, die man braucht, damit die Banken freigeschaufelt werden und Eigenkapital zur Verfügung haben, desto aktueller wird die Frage, wer für diese Operation die Haftung und die Risiken übernimmt. Dann stellt sich automatisch die Frage: Ist das der Bundeshaushalt, sind das die Steuerzahler? Das heißt, je effektiver die Bilanzbereinigung, desto scharfkantiger das Problem, wer haftet bzw. möglicherweise zahlen muss. Wenn man dieses Risiko zugunsten des Steuerzahlers minimieren will, muss man den Banken Auflagen erteilen. Wenn die Auflagen allerdings zu prohibitiv sind, wenn sie den Vorteil, den die Banken bekommen, überkompensieren, werden die Banken von einem solchen Modell keinen Gebrauch machen. Insofern ist die Dosis dessen, was wir dort machen, von entscheidender Bedeutung. Wir sind zu einer Lösung gekommen, bei der wir, wie wir glauben, die Risiken für den Steuerzahler sehr deutlich minimieren können. Die Auflagen, die erfüllt werden müssen, beinhalten im Wesentlichen vier Punkte. Erstens. Die Banken müssen für die Garantie eine Gebühr zahlen. Dies ist schon vor dem Hintergrund der Notifizierung in Brüssel notwendig. Zweitens. Die Banken geben ihre Schrottpapiere, um es umgangssprachlich zu formulieren, zum Buchwert ab, minus 10 Prozent. Auch dies ist eine Notwendigkeit, um in Brüssel Einigung herzustellen. Drittens. Diesem Buchwert wird von einer neutralen Instanz in der Zuständigkeit der SoFFin, der sich Externer bedienen wird, ein Fundamentalwert, eine Einschätzung des tatsächlichen ökonomischen Wertes, gegenübergestellt. Die Banken werden verpflichtet, eine mögliche Differenz zum Zeitpunkt der Überführung dieser Papiere auf die Zweckgesellschaft über 20 Jahre abzustottern. Das reicht aber noch nicht. Viertens. Nach Ende der Laufzeit der Papiere wird festgestellt, ob der dann bestehende Wert dieser Papiere noch einmal geringer ist als der berechnete Fundamentalwert. Wenn er geringer ist, wird es ein Ausschüttungsverbot für die Alteigentümer oder - im Falle einer Aktiengesellschaft - Altaktionäre geben. Wir glauben, dass wir so den Steuerzahler über die Laufzeit weitestgehend entlasten können. Ob er belastet wird, stellt sich heraus, wenn eine Bank nicht mehr solvent sein sollte. Genau das gilt es zu verhindern. Ich habe angedeutet, dass sich das nur auf die erste Kategorie, nämlich auf die toxischen Papiere bezieht. Wir planen - wir würden Sie gern mit den entsprechenden Vorarbeiten versorgen -, ({0}) auf dieses Zweckgesellschaftsmodell ein sogenanntes Konsolidierungsbank-Modell zu setzen, das insbesondere für die Landesbanken von Bedeutung sein mag. Denn die Landesbanken haben nicht nur sehr massive Probleme aufgrund der toxischen Papiere, sondern auch aufgrund der illiquiden und sogenannten nichtstrategischen. Sie kennen das umgangssprachlich unter der Überschrift „AIDA“, das Modell „Anstalt in der Anstalt“, das aber eine ganze Reihe von Fragen aufwirft. Dies ist wahrscheinlich nicht allein durch eine Novelle des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes umzusetzen - es muss rechtssicher sein -, sondern auch das KWG und andere Aspekte sind davon erheblich berührt. Insofern sind wir nach wie vor in Abstimmungen, nicht nur intern, sondern auch mit den Ländern. Die Bereitschaft, dieses Modell gerade für die Landesbanken attraktiv zu machen, verbindet sich aus Sicht der Bundesregierung mit der strikten Auflage, dass es bei dieser Gelegenheit zu einer Rekonstruktion oder Restrukturierung im Landesbankensektor kommt. Dies ist zwingend erforderlich. Das heißt, die Träger der Landesbanken, insbesondere die verantwortlichen Landesregierungen, sollen, auch durch klare Commitments, veranlasst werden - gegebenenfalls auf Vorschlag eines Ministerpräsidenten; zu denken ist etwa an einen identischen Entschließungsantrag im Bundestag und im Bundesrat -, eine Konsolidierung, eine Rekonstruktion, wie immer man es nennen will, der Landesbanken vorzunehmen. Daran sind viele Länder interessiert; ob es alle sind, wird sich in den weiteren Gesprächen herausstellen. Ich halte es für zwingend erforderlich, dass wir bei dieser Gelegenheit zu einem Ergebnis kommen, wobei klar ist, dass der Bund für solche Papiere nicht in Haftung geht, keine Risiken übernimmt. Das ist Sache der Träger der Landesbanken. Abschließend: Die jetzt vorgesehene Konstruktion - es ist die erste Stufe - ist noch über das zu bedienen, was Sie der Bundesregierung im Rahmen der Bankenabschirmung eingeräumt haben. Die Garantien, die gegeben werden sollen, können aus den 400 Milliarden Euro, die Sie bewilligt haben, geschöpft werden. Sie wissen: Das ist Bestandteil der 500 Milliarden Euro, die seinerzeit für die Bankenabschirmung gewährt worden sind; dort ist genügend Spielraum. Ob sich das gegebenenfalls ändert, wenn das zweistufige Modell mit Blick auf das, was ich „Konsolidierungsbank-Modell“ oder „AIDA-Modell“ nenne, umgesetzt wird, wird sich im Verlauf der weiteren Beratungen herausstellen. Ich will an dieser Stelle abbrechen, damit mein Vortrag nicht zu lang wird, und sehe Ihren Fragen gerne entgegen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Wir kommen zunächst zu den Fragen zu diesem Themenbereich. Als Erster hat der Kollege Koppelin das Wort.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ich habe im Januar dieses Jahres mit Interesse zur Kenntnis genommen, was Sie zu Bad Banks gesagt haben. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung heißt es: Eine Bank, die faule Wertpapiere aufkaufen würde, könne er sich, also Steinbrück, „ökonomisch und vor allem politisch“ nicht vorstellen. Des Weiteren haben Sie gesagt: Das Publikum würde uns für verrückt erklären. So lauteten Ihre Aussagen am 18. Januar. Nun kommen diese Bad Banks doch. Ich darf Sie fragen, Herr Minister: Erstens. Was hat zu dem Umschwung Ihrer Meinung geführt? Zweitens. Können in diese neu zu gründenden Bad Banks nur Wertpapiere verlagert werden oder auch Kredite oder auch sonstige im Augenblick nicht mehr benötigte Aktiva? Was kann verlagert werden? Drittens. Brauchen diese Bad Banks Eigenkapital? Wenn ja, wie viel? Müsste dafür eventuell das Kreditwesengesetz geändert werden?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Sie zitieren mich nur zur Hälfte, Herr Koppelin. ({0}) Ich habe in meinen Ausführungen immer auf ein zentrales Institut, eine zentrale Bad Bank, abgehoben. Sie kennen meine Haltung dazu, dass ich institutsspezifische Lösungen keineswegs ausgeschlossen habe. Insofern bewegen wir uns in der Kontinuität dessen, was ich damals öffentlich sagte. Wir reden von institutsspezifischen Zweckgesellschaften. Hier gibt es keinerlei Widerspruch. Verlagert werden können die Wertpapiere, die ich gerade genannt habe: toxische Papiere, illiquide Papiere, sogenannte nichtstrategische Wertpapiere oder Aktiva. Die Zweckgesellschaft muss nicht mit Kapital unterlegt werden. Insofern stellt sich die Frage einer Rekapitalisierung der Zweckgesellschaften nicht. Es kann sich die Frage einer Rekapitalisierung der Kernbank, der abgebenden Bank, stellen. Sie wird dann das in Anspruch nehmen können, was dem SoFFin mit Blick auf mögliche Kapitalinjektionen gewährt wurde.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Dr. Lötzsch. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, nun haben wir alle in den letzten Monaten mit den Banken nicht nur positive Erfahrungen gemacht, um das einmal sehr freundlich zu formulieren. Wir können nicht unbedingt davon ausgehen, dass die Banken uns gegenüber ehrlich sind und zum Wohle der Allgemeinheit handeln. Ich möchte meine Frage an einem Beispiel illustrieren. Es geht mir darum, ob Sie in Ihrem Gesetzentwurf einen Umstand bedacht haben. Die Commerzbank ist nicht verstaatlicht worden, sondern die Bundesregierung bzw. die entsprechenden Gremien haben der Commerzbank 16 Milliarden Euro als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Der Verzicht der Bundesregierung auf Einfluss wurde damit begründet, dass die Commerzbank jährlich 9 Prozent Zinsen zahlen werde. Nun hat sich herausgestellt, dass die Commerzbank auf Jahre hinaus nicht 1 Cent an Zinsen an den Staat zahlen wird. Haben Sie dieses Spiel der Banken bei Ihrem Gesetzesentwurf zu den Bad Banks eingeplant und, wenn ja, wie?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Erstens. Die Bundesregierung hat die Kapitalinjektion des SoFFin durchaus mit einer Reihe von Auflagen verbunden. Wir haben bisher stille Einlagen erworben. Sie werden in der nächsten Hauptversammlung in, wie ich glaube, Vorzugsaktien umgewandelt; nageln Sie mich aber nicht darauf fest; ich weiß nicht, ob es Vorzugsaktien oder Stammaktien sind. Zweitens. Eine Bank kann nur dann Zinsen und Gebühren zahlen, wenn sie ein positives Ergebnis erreicht hat. Ich verlange einer Bank in Zeiten, in denen sie kein positives Ergebnis vorlegen kann, keine Zinsen oder Gebühren ab, weil ich die ökonomische Position der Bank nicht verschlechtern will. Im Gegenteil: Ich möchte sie stabilisieren. Es gibt dafür bestimmte Bilder, die ich aber nicht wiederhole, weil man mit Bildern vorsichtig sein soll. Aber ich kann einer Bank nicht etwas abverlangen, was sie nicht zahlen kann. Vielmehr möchte ich die Bank gern in den Stand versetzen, wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Dann wird sie auch die entsprechenden Auflagen, was Gebühren und Zinsen betrifft, erfüllen müssen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die nächste Frage stellt der Kollege Kampeter.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, erst einmal herzlichen Dank für die Unterrichtung. ({0}) - Es hat ja noch keiner etwas gesagt. Wir wollen doch die Höflichkeitsregeln einhalten.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ich reagiere auf Herrn Koppelin.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ach so. Dann brauchen wir aber nicht über Höflichkeitsregeln zu sprechen. ({0})

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Er hat sich sehr höflich verhalten.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Koppelin. Wir diskutieren dieses Thema sehr breit in der Öffentlichkeit, Herr Minister. Bei dem von Ihnen vorgetragenen Lösungsvorschlag sehen Sie den Staat in der Notwendigkeit, zu handeln. Ich möchte Sie auch vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung fragen: Wie beurteilen Sie eigentlich den Vorschlag, der sowohl im Parlament als auch in Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern geäußert wird, der lautet: Im Prinzip ist Nichthandeln die vernünftigere Lösung, sowohl für den Steuerzahler als auch für alle anderen Beteiligten. Wir haben so viele Probleme. Warum sollten wir uns zur Rettung des Bankensystems zusätzlich engagieren? Ich möchte Sie herzlich bitten, bei der Beantwortung dieser Frage auch zu erläutern, warum sich die Bundesregierung für den Aktivtausch entschieden hat. Andere Länder haben mit dem Aufkauf von Problemaktiva, die Herr Koppelin angesprochen hat, bereits Erfahrungen gemacht. Könnten Sie bitte auch diese Erfahrungen bewerten? Das Gleiche gilt für eine Versicherungslösung, wie sie zum Beispiel in Großbritannien praktiziert wird. Ich glaube, wenn Sie Ihre Lösung diesen beiden Maßnahmen gegenüberstellen, würden dem Parlament die Gründe für die Entscheidung der Bundesregierung etwas klarer werden. Herzlichen Dank.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Den Aufkauf der Problemaktiva wollten wir verhindern, weil er unmittelbar zu einer Haushaltsbelastung und damit zu einer Belastung der Steuerzahler geführt hätte. Das ist der entscheidende Grund, aus dem wir uns gegen einen Aufkauf vergifteter oder fauler Wertpapiere - wie auch immer man sie umgangssprachlich bezeichnen möchte - entschieden haben. Die Modelle, die in anderen Staaten angewandt werden, haben wir untersucht. Das britische Versicherungsmodell birgt das Risiko, dass es in bilanzrechtlicher und -technischer Hinsicht nicht zu einer Bilanzbereinigung kommt. Wir haben uns bei einschlägigen Fachleuten, insbesondere beim Institut der Wirtschaftsprüfer, vergewissert, dass es bei unserem Modell im bilanzrechtlichen und -technischen Sinne zu einer Bilanzbereinigung kommt. Das amerikanische PPIP ist in unseren Augen die dritte Überarbeitung eines amerikanischen Modells; beide Vorläufer haben nicht funktioniert. Dieses Programm beinhaltet einen sehr problematischen Prozess, nämlich ein Auktionierungsverfahren, das nur unter Heranziehung möglicher Interessenten wie Hedgefonds und Private-Equity-Fonds funktioniert. Eine solche Konstruktion ist auf die Finanzmarktbedingungen in Deutschland nicht übertragbar. Dieses Modell wird von uns nicht präferiert, weil die genannten Finanzmarkteilnehmer nach unserer Auffassung eher reguliert werden müssen als motiviert werden sollten, an solchen Auktionierungsverfahren teilzunehmen und dabei spekulative Interessen zu verfolgen. Sie würden dies nämlich in der Annahme tun, dass sie die Papiere, um die es geht, zu einem sehr günstigen Preis bekommen und dass auch solche toxischen Papiere im Laufe der nächsten Jahre in einer Art und Weise handelbar sind, dass sie mit ihnen Gewinn machen können. Andere Interessen, die diese Finanzmarktteilnehmer veranlassen könnten, sich an einem solchen Auktionierungsverfahren zu beteiligen, sind nicht ersichtlich. Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wenn Sie darauf hinweisen, wie schwer es ist, den Menschen, auch denen, die uns hier und heute zuhören, zu erklären, warum wir dem Bankensektor mit solch ungeheuren Summen behilflich sind. Inzwischen ist 1 Milliarde fast zur kleinsten Recheneinheit der Republik geworden. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, weil dabei die Proportionen verloren gehen. Die Antwort der Bundesregierung lautet, dass jeder Bürger und jede Bürgerin ein eigenes, unmittelbares Interesse an einem stabilen, funktionsfähigen Finanzmarkt haben muss: Pensionäre, Sparer, junge Leute, die anfangen, Altersvorsorge zu betreiben, Gewerbetreibende, Handwerksmeister, die einen Betriebsmittelkredit brauchen, große Unternehmen, die arbeitsplatzerhaltende oder -schaffende Investitionen auf dem Kapitalmarkt finanzieren müssen, und kleine und mittelständische Unternehmen, die beim Export und bei entsprechenden Erschließungsstrategien Unterstützung brauchen. Alle, die heute hier sind und uns zuhören, müssen ein massives Interesse daran haben, dass eine der größten Volkswirtschaften der Welt mit ihrer Güter- und Dienstleistungswirtschaft auch über einen stabilen und funktionsfähigen Finanzmarkt verfügt. ({0}) Inzwischen sind die Banken sehr stark miteinander vernetzt. Fast fühlt man sich an ein Spiel erinnert, das man als Kind gespielt hat und das Sie vielleicht heute mit Ihren Kindern und Enkelkindern spielen: an Domino. Allerdings hat man nicht das Bild vor Augen, dass die Zwei an die Zwei gelegt wird, sondern das Bild, dass ein Stein der Dominosteinreihe angestoßen wird und alle anderen Steine umfallen. In dieser Situation befinden wir uns, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Bundesregierung ist der Auffassung: Wenn eine Bank fällt, wäre die Erschütterungsdynamik so groß, dass möglicherweise ein Flächenbrand entsteht. Dies gilt es zu verhindern. Daher brauchen wir eine Abschirmung. Das ist das Motiv der Bundesregierung. Aus diesem Grunde versuchen wir, die Finanzmärkte in Deutschland und anderswo mit Ihrer Unterstützung zu stabilisieren. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Schick, bitte.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, schon seit mehreren Monaten wird in Deutschland versucht, Maßnahmen zur Bankenrettung zu ergreifen. Dabei gibt es drei zentrale Probleme: Das erste ist die mangelnde Transparenz, das zweite ist die Freiwilligkeit, und das dritte ist die Unterschätzung der jeweiligen Situation, was dazu führt, dass ein Rettungspaket auf das nächste folgt. Vor diesem Hintergrund lautet meine erste Frage: Wird die Bundesregierung die Konditionen, die dem jetzt vorgelegten Modell zugrunde liegen, diesmal im Einzelnen veröffentlichen, oder wird sie sie weiterhin nur den Mitgliedern des geheim tagenden Finanzmarktgremiums zur Verfügung stellen, sodass die Öffentlichkeit nach wie vor nicht einschätzen kann, was genau getan wird? Zweitens. Ist im Kabinett darüber gesprochen worden, ob dies verpflichtend oder freiwillig geschehen soll? Mit einer Verpflichtung würde man den Fehler beenden, immer noch darauf zu vertrauen, dass die Banken am besten wissen, was für den Finanzmarkt insgesamt gut ist. Drittens. Ist diskutiert worden - und, wenn ja: Wie ist die Einschätzung? -, ob man Stresstests braucht, um eine langfristigere Perspektive zu gewinnen, welche Banken eigentlich welche Form von Rettung nötig haben? Die EU-Kommission hat für den europäischen Raum und damit auch für die deutschen Banken solche Tests vorgeschlagen.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ich fange mit dem Letzten an, Herr Abgeordneter Schick. Die EU-Kommission hat die Bundesregierung mit dem Vorschlag, Stresstests durchzuführen, etwas überrascht. Wir hätten uns gewünscht, dass zu der Frage, ob man Stresstests fordert, intern Überlegungen angestrengt werden, ehe man damit an die Öffentlichkeit geht. Warum? Man muss sich genau überlegen, ob solche Stresstests einen prozyklischen, das heißt negativ verstärkenden Effekt haben können. Es nützt nichts, wenn man, wie in den USA, solche Stresstests durchführt und die Ergebnisse anschließend von der Treasury oder der Fed korrigiert werden. Das hat einen kontraproduktiven Effekt. Deshalb muss man sich das vorher genau überlegen, und dafür sollte man sich Zeit nehmen. Einfach Stresstests zu fordern, macht in meinen Augen keinen Sinn. Man muss sich über die Konsequenzen im Klaren sein und auch darüber, welche Eigendynamik Ergebnisse haben können, die für die Stabilisierung und für die Wiedergewinnung von Vertrauen eher schädlich sind. Deshalb ist meine Haltung dazu: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Wir haben alle diese Überlegungen angestellt. Ihr zweiter Punkt war: Freiwillige Lösung oder Zwangslösung? Ich mache keinen Hehl daraus, dass für die Bundesregierung nur eine freiwillige Lösung infrage kommt, und zwar aus materiell-rechtlichen Gründen, aber auch aus verfahrensrechtlichen Gründen. Wenn man einer Bank Aktiva abnimmt, sie zwangsverpflichtet, diese zum Buchwert abzugeben und dabei auch noch einen Abschlag von 10 Prozent hinzunehmen, dann sind die Banken - da bin ich mir ziemlich sicher - in einer sehr starken Rechtsposition, wenn es drum geht, sich dem zu entziehen oder dies in Zweifel zu ziehen. So etwas würde also nicht funktionieren. Es gäbe auch beihilferechtliche Probleme mit der EU-Kommission. Im Übrigen müsste das Gesetz für so etwas völlig anders aussehen. Bei einer freiwilligen Regelung gibt es die Möglichkeit, dem SoFFin Ermessensspielräume zu öffnen, während im Falle einer Zwangslösung sehr präzise, sehr klare Formulierungen im Gesetz gefunden werden müssten. Das widerspricht dem, was wir bisher mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz gemacht haben: sich auf der Basis einer optionalen Lösung zu bewegen. Ich kann nicht verstehen, was Sie mit Geheimgremien meinen. Es gibt bei der Abwicklung von einigen Fällen betriebsinterne oder schützenswerte unternehmerische Daten. Diese Daten können in meinen Augen nicht Gegenstand öffentlicher Debatten sein. Ansonsten möchte ich sagen: Sie finden in diesem Gesetzentwurf, ich glaube, in dem neu formulierten § 6 a bis d, die genauen Bedingungen, unter denen die Einrichtung von Zweckgesellschaften möglich ist, einschließlich der Auflagen, einschließlich der Gebührenberechnungen, einschließlich - ich nenne es untechnisch - des Abstotterns eines Differenzbetrages zwischen Buchwert und Fundamentalwert, einschließlich eines Ausschüttungsverbotes. Das alles ist genau definiert und Gegenstand der Formulierungen, die Ihnen jetzt zugeleitet werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Fragesteller ist der Kollege Otto Bernhardt.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Weltweit haben die Kreditinstitute bekanntlich schlechte Papiere im Wert von vielen Billionen in den Büchern. Weltweit bemüht man sich, Lösungen zu finden. Als einer, der das ziemlich genau verfolgt, habe ich den Eindruck: Noch ist es keinem Land der Welt gelungen, eine vernünftige Lösung zu finden. Sie sagten es schon, Herr Minister: Die Amerikaner sind das dritte Mal dabei, und auch die Versicherungslösung der Engländer entlastet die Bilanzen nicht. Insofern bin ich froh, dass die Bundesregierung jetzt einen ersten Schritt vorschlägt. Was Sie vorgetragen haben, hat aber aus meiner Sicht zwei Problempunkte. Ich bin sicher, Sie haben darüber diskutiert und haben Antworten darauf. Der erste Punkt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, muss eine Bank, die Papiere im Wert von 10 Milliarden Euro übertragen will, zunächst einmal 1 Milliarde Euro davon abschreiben. Diese Größenordnung - 10 Milliarden Euro - ist für die zur Diskussion stehenden Banken ein eher kleiner Betrag. Aber können die Banken, um die es geht - ich denke an vier Landes24160 banken und an zwei weitere Banken -, den Betrag, der dann automatisch abzuschreiben ist, im Hinblick auf ihre Eigenkapitalquote noch verkraften? Ist diese Abschreibung nicht eine Schwelle, die es einigen Instituten unmöglich macht, diese Lösung in Anspruch zu nehmen? Der zweite Punkt. Wenn ich Sie weiter richtig verstanden habe, sagen Sie - um bei meinem Beispiel zu bleiben -: 10 Milliarden Euro sind in den Büchern, für 9 Milliarden Euro wird übertragen. Die Papiere werden von unabhängigen Leuten bewertet - das ist sehr schwierig; aber das ist ein anderes Thema ({0}) mit, sagen wir, 600 Millionen Euro. Dann bleibt eine Differenz, die über einen Zeitraum von zwanzig Jahren schrittweise abgebaut werden soll. Bedeutet dies nicht, dass man für dieses Risiko eine Rückstellung bilden muss - so habe ich das jedenfalls als Betriebswirt gelernt -, die dann gleich wieder auf den Gewinn - in diesem Fall handelt es sich um einen Verlust - und auf das Eigenkapital durchschlägt? Wie ist dieses Problem gelöst? Ausgehend von dem, was ich weiß, gibt es hierzu aus meiner Sicht noch offene Fragen.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Zum ersten Punkt. Es handelt sich unabweisbar um eine Bedingung der Brüsseler Kommission. Das heißt, dass wir zur Notifizierung dieses Modells um eine solche Auflage nicht herumkommen werden. Maßgebend sind die sogenannten Prinzipien, die die Brüsseler Kommission im Rahmen der Behandlung der Problemaktiva - „Impaired Assets“ genannt - verabschiedet hat. Zum zweiten Punkt. Wir haben in der Tat zuerst mit der Rückstellung operiert und sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass aus dem jeweiligen Ergebnis der Bank ein Verlust, der sich aus der Differenz zwischen Buchwert und Fundamentalwert ergibt, über einen Zeitraum von 20 Jahren abgetragen werden sollte. Aus dem Stand bin ich überfragt, ob dies zwingend zu einer Rückstellung führt. Meiner Meinung nach ist dies nicht der Fall. Wir möchten das aus bilanztechnischen Gründen gern vermeiden, um die Banken zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu belasten. Wir kaufen ihnen quasi Zeit. Dies führt zu einer Entzerrung der Probleme auf der Zeitachse. Das ist das Entscheidende. Ich bleibe Ihnen die Antwort auf Ihre Frage, wie dies bilanzrechtlich von den herangezogenen Fachleuten begründet worden ist, also schuldig. Ich liefere sie gern nach.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Dr. Solms bitte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, aus unserer Sicht geht die Lösung der Probleme durch zweifelhafte Papiere und der notwendige Abschreibungen, die Sie hier vorschlagen, in die richtige Richtung - wenn sie auch spät kommt. Trotzdem bleiben im Detail viele Fragen offen. Wir haben gerade die Erstunterrichtung bekommen. Meine Frage schließt an die des Kollegen Bernhardt an. Sie hatten dargestellt, dass es ein Spannungsfeld zwischen der Schonung der Steuerzahler, der Ingangsetzung des Geldkreislaufs zwischen den Banken und der Haftung und Mitverantwortung der Altaktionäre für die Risiken und die entstandenen Verluste gibt. Ich habe dem Papier entnommen, dass die Dividenden in den nächsten 20 Jahren möglicherweise total ausfallen werden. Wären das nicht eine starke Benachteiligung der Banken im Wettbewerb und eine Beeinträchtigung ihrer Möglichkeiten, sich Eigenkapital zu verschaffen? Denkt man an dieser Stelle über Kompromisslösungen nach?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Herr Solms, wenn Sie erlauben, richte ich mich zunächst noch einmal an Herrn Bernhardt. Herr Bernhardt, die Frage, die Sie aufgeworfen haben, haben wir erörtert, sowohl mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer wie auch mit dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee; das gibt es. Wir haben uns also vorher bei Sachverständigen erkundigt und sie um eine Stellungnahme gebeten, damit wir auf der sicheren Seite sind. Ich komme nun zur Frage von Herrn Solms. Ein Dividendenausschüttungsverbot betrifft allein die Altaktionäre. Die Bank muss in der Lage sein, neue Aktien zu emittieren, die selbstverständlich von Dividendenausschüttungen profitieren. Ansonsten würde man kaum jemanden finden, der Interesse daran hat. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Belastung der Altaktionäre anstelle einer Belastung der Steuerzahler absolut legitim und in unseren Augen sogar notwendig ist. Im elektronischen Handel ist es inzwischen relativ einfach, indem man den Altaktien eine Art Stempel aufdrückt. Diese Aktien können dann auch weiter veräußert werden. Interessierte Käufer werden sich dann aber natürlich sehr selten finden, weil sie wissen, dass es sich um eine Altaktie handelt, die möglicherweise, im Fall von weiteren Verlusten, nicht mehr an entsprechenden Dividendenausschüttungen teilhat. Die Banken sollen selbstverständlich durch die Emission von neuen Aktien, die von Dividenden profitieren müssen, in die Lage versetzt werden, sich zu refinanzieren.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Fromme, bitte.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, es ist immer von toxischen Papieren die Rede. Man hat dadurch den Eindruck, sie seien nichts wert. Können Sie mir einmal beschreiben, warum es dennoch Sinn macht, eine Zeitachse zu schaffen, um aus den Papieren vielleicht doch noch etwas herauszuholen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das ist ganz einfach, Herr Fromme. Es wird eine Reihe von toxischen Papieren geben, die - so die Einschätzung vieler Fachleute - nach Überwindung dieser Krise durchaus wieder einen Markt und einen Preis finden können und somit auch handelbar sind.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, auch das Dominoprinzip funktioniert nur durch Kontrolle, damit die Steine nicht links und rechts wegkippen. Nun reden wir hier nicht über Domino, sondern über Milliarden. Ich habe folgende Frage: Plant die Bundesregierung so etwas wie eine gesetzliche Obergrenze für die Menge an Wertpapieren, die entweder insgesamt oder pro Bank in eine Bad Bank eingebracht werden kann?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Vor dem Hintergrund eines offenen, grenzüberschreitenden Marktes, von Kapitalverkehrsfreiheit etc. kann die Bundesregierung keine Obergrenze definieren. Wie könnten wir denn dort irgendwelche Obergrenzen definieren? Im Übrigen hat die Bundesregierung nicht die Absicht, in die operativen Verantwortlichkeiten der Banken einzugreifen, sondern die Bundesregierung wird durch bankenaufsichtsrechtliche Schritte - auch verbessernde Schritte; erste Schritte haben wir unternommen - neben vielen anderen Maßnahmen, die man nachlesen kann und die insbesondere auf der internationalen Ebene verabredet wurden - im Rahmen einiger Gesetzentwürfe sind Sie schon damit befasst worden -, dafür Sorge tragen, dass es nicht wieder zu ähnlichen Exzessen und Übertreibungen kommt, durch die wir in diese Krise hineingeraten sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Fuchtel, bitte.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, es war zu Beginn der Debatte davon die Rede, dass wir mit einem Risikowert von 859 Milliarden Euro - wer immer ihn so genau berechnet hat zu rechnen haben. Wie würden Sie das jetzt gewählte Modell bezüglich dieses Risikowertes taxieren? Können Sie mir hinsichtlich der möglicherweise betroffenen Banken etwas konkreter sagen, um welche Größenordnung es hier eigentlich geht? Ich möchte auch noch wissen, wann genau das Verbot der Ausschüttung eintreten wird.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Das Ausschüttungsverbot wird nach der Beendigung der Laufzeit der Papiere aktuell. Wenn der Schlusswert eines Papiers von dem vorher berechneten Fundamentalwert abweicht, es dort also eine Differenz, ein Delta, gibt, dann ist sie durch die Alteigentümer auszugleichen. Bei einer Aktiengesellschaft sind das die Altaktionäre. Wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Bank handelt, sind das die sonstigen Träger. Die Liste, die Sie ansprechen, Herr Fuchtel, geht auf eine Abfrage der Bundesbank oder der BaFin - nageln Sie mich jetzt nicht fest - zurück. Sie ist, wenn Sie so wollen, eine „Wunschliste“ der Banken und nichts anderes. Die Banken haben im Rahmen dieser Abfrage definiert, von welchen Aktiva sie sich trennen wollen. Das sind ganz unterschiedliche Aktiva. ({0}) - Genau. - Nur so kommt diese exorbitante Summe zustande. Um Ihre Frage präzise zu beantworten: Die Bundesbank schätzt, dass von diesen 850 bzw. 855 Milliarden Euro, die in Rede stehen, ungefähr 230 Milliarden Euro auf die sogenannten toxischen, strukturierten Wertpapiere entfallen. Nach Aussage der Bundesbank sind davon inzwischen ungefähr 30 bis 40 Milliarden Euro „eingezäunt“; ich nenne das jetzt einmal so. Das heißt, wir reden konkret über toxische, strukturierte Wertpapiere in einer Größenordnung von ungefähr 180 Milliarden Euro - ich bitte darum, mich für die dritte Ziffer nicht haftbar zu machen -, ({1}) die möglicherweise betroffen sein könnten. Hinsichtlich eines weiteren Spielraums bezogen auf die Garantieposition in dem 500-Milliarden-Euro-Schirm: Davon sind ungefähr noch 250 Milliarden bis 260 Milliarden Euro frei. Nach Lage der Dinge - das ist jedenfalls absehbar - brauche ich Sie, bezogen auf dieses Modell, vor der Sommerpause nicht um eine Erweiterung des Garantierahmens zu bitten, was, so glaube ich, in Ihrem und auch im Sinne der Bundesregierung ist, um die Menschen nicht dadurch weiter zu verunsichern, dass wir plötzlich noch mehr Geld für die Bankenabschirmung benötigen. Es ist sehr schwer, der Öffentlichkeit den Unterschied zwischen Garantien oder Bürgschaften und Kapitalinjektionen zu beschreiben. Das bedarf ja einer sehr präzisen und umgangssprachlich nachvollziehbaren Erklärung.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Toncar, bitte.

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ich habe drei Fragen: Die erste Frage bezieht sich auf die Wirksamkeit des Modells. Es geht sicherlich auch darum, dass diese Zweckgesellschaften schnell eingerichtet werden können, wobei wir das Problem haben, dass die Bewertungsvorgänge komplex sind und es dort kein schematisches Vorgehen gibt, sondern jedes Papier einzeln bewertet werden muss. Sie haben davon gesprochen, dass das eine neutrale Instanz vornehmen soll, die beim SoFFin angesiedelt ist. Wie schnell wird sie operativ handlungsfähig sein, und was genau kann man sich unter dieser neutralen Instanz vorstellen? Ich glaube, dass die Geschwindigkeit mitentscheidend für die Wirksamkeit ist. Die zweite Frage bezieht sich auf die Konsolidierung der Landesbanken. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie diese wünschen. Werden Sie den Ländern Bedingungen stellen, die Voraussetzung dafür sind, dass sie dieses Modell nutzen können? In welcher Form werden Sie für Verbindlichkeit sorgen, auch angesichts der Argumentation der Länder, dass das Vorhaben in absehbarer Zeit noch nicht vollzogen werden kann? Die Form der Verbindlichkeit interessiert mich, bevor wir über einen solchen Gesetzentwurf abstimmen können. Die dritte Frage bezieht sich ebenfalls auf die Länder. Durch die Garantielaufzeit von bis zu 20 Jahren verzögert sich die Liquidation des Fonds beträchtlich. Eine Regelung im Finanzmarktstabilisierungsgesetz sieht vor, dass der Verlustanteil der Länder gedeckelt ist, sodass die Inflation für die Länder arbeitet, und zwar für weitere 20 Jahre. Ist das aus Sicht des Bundeshaushalts vertretbar, oder sehen Sie die Notwendigkeit, mit den Ländern nachzuverhandeln?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Die Länder werden nur dann in den Genuss des AIDA-Modells kommen, wenn sie die Voraussetzung erfüllen, eine hinsichtlich des Geschäftsmodells tragfähige Perspektive für die Restrukturierung der Landesbanken zu bieten. Dies wird auch als Bedingung in den Gesetzentwurf Eingang finden. Aber das wird noch nachgeliefert, weil es nicht Bestandteil des Zweckgesellschaftsteils ist, sondern erst in dem Modell der Anstalt in der Anstalt zum Tragen kommt, das nach Lage der Dinge noch eine Reihe von Fragen aufwirft, die ich vorhin angedeutet habe. Aber es wird zu einer Bedingung gemacht werden müssen. Im Übrigen wird bei dieser Gelegenheit dafür Sorge getragen werden müssen, dass der Bund für die Weitergabe oder Verschiebung von solchen illiquiden und nichtstrategischen Assets nicht in eine Haftungs- und Risikoposition kommt, sondern dass diese bei den Trägern der Landesbanken bleibt. Sie haben inzwischen ebenso wie ich nachvollzogen - Herr de Maizière und ich hatten die Gelegenheit, mehrere Gespräche mit den Ministerpräsidenten der Länder oder ihren Finanzministern zu führen -, dass eine Reihe von Ländern massiv daran interessiert ist. Sie selber haben bereits eine Art Holdingmodell entworfen. Einige von ihnen haben es „Bank deutscher Länder“ genannt. Ich bin mit dem Namen nicht ganz zufrieden, weil er an die Zeit nach der Währungsreform 1948 bis 1957 erinnert, als die Deutsche Bundesbank „Bank deutscher Länder“ hieß. Dahinter steht aber in einer Stufenabfolge etwas, das sich, glaube ich, durchaus positiv von den bisherigen Überlegungen abhebt. Ihre erste Frage ist mir gerade entfallen. ({0}) - Ja, richtig. Das ist sehr wichtig. Der SoFFin wird sich externer Sachverständiger bedienen. Das sind nach Lage der Dinge Assetmanager oder Wirtschaftsprüfer, die allerdings danach ausgewählt werden müssen, dass sie nicht in einer Interessenkollision zu dem Institut stehen, das die strukturierten Wertpapiere abgeben will. Die methodischen Möglichkeiten liegen vor, aber ich stimme Ihnen absolut zu - das hat vorhin auch Herr Bernhardt angedeutet -: Die Feststellung des Fundamentalwertes ist durchaus nicht ganz leicht. Darin liegen Probleme, aber wir glauben, dass das die einzige Möglichkeit ist, die auch im Sinne des Steuerzahlers notwendig ist. Denn wir wollen vermeiden, dass die Steuerzahler mit den bisher aufgelaufenen Verlusten und letzten Endes auch mit den in der Zukunft anfallenden Verlusten belastet werden. Darauf erstreckt sich das Ausschüttungsverbot. Anschließend ist die Bankenaufsicht gefragt, noch einmal die Validität dieser Bewertungen durch Externe zu prüfen. Das heißt, es sind sozusagen mehrere Sicherungsringe eingezogen worden, damit dies so professionell und solide wie möglich erfolgt. Es muss auch schnell erfolgen; Sie haben völlig recht. Insofern sind wir Ihnen fast zwangsläufig sehr dankbar, dass dieses Gesetzgebungsverfahren vor der Sommerpause zu einem Abschluss gebracht wird, damit wir nicht der Diskontinuität unterliegen, und die interessierten Banken in den Stand versetzt werden, relativ schnell solche Zweckgesellschaften zu gründen. ({1}) - Es wird wahrscheinlich eine Ergänzung geben müssen, ohne dass ich Ihnen das jetzt präzise sagen kann, weil wir die zweite Stufe erst noch entwickeln. Sie werden so schnell wie möglich mit dem befasst, was wir heute im Kabinett beraten haben. Das AIDA-Modell haben wir heute im Kabinett nicht behandelt. Es wird klargemacht - gegebenenfalls über entsprechende Novellierungen des jetzigen Finanzmarktstabilisierungsgesetzes -, dass der Bund nicht bereit ist, für solche illiquiden, nichtstrategischen Assets in den Bilanzen der jetzigen Landesbanken in eine Risikoposition zu gehen. Das heißt, das müssen die Träger der jetzigen Landesbanken übernehmen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Fragesteller ist der Kollege Norbert Barthle.

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich will zunächst in einer Vorbemerkung festhalten, dass das von Ihnen vorgelegte Konsolidierungsbank-Modell - ich nenne es Kaba-Modell dazu geeignet ist, das anstehende Problem der toxischen Papiere zu lösen, und insbesondere eine für mich essenzielle Forderung erfüllt. Das ist die Tatsache, dass die Verantwortung für diese Papiere bei den Banken bleibt und der Steuerzahler entweder gar nicht oder sehr spät in Haftung genommen wird, und zwar zu einem Zeitpunkt, wenn die Situation schon ganz anders aussehen kann. ({0}) Meine konkrete Frage betrifft einen Detailpunkt hinsichtlich Bedingungen und Auflagen, die mit diesem Modell verbunden sind. Sie selbst haben gesagt, dass sie nicht zu prohibitiv sein dürfen. Entscheidend ist für mich dabei die Höhe der Gebühren, von der die Akzeptanz des Modells abhängt. Wer stellt zu welchem Zeitpunkt und auf welcher Grundlage die Höhe der Gebühren fest?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Die Höhe der Gebühren wird vom SoFFin festgestellt werden müssen, und zwar auf der Basis der Vorgaben der Europäischen Kommission, die unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit ganz klare Spielregeln vorgegeben hat. Das hat sie übrigens schon im Rahmen der jetzigen Lösungen für die Zinsberechnungen bei denjenigen getan, die Kapitalinjektionen in Anspruch nehmen. Wie Sie wissen, sind diese Zinsen teilweise sehr hoch. Damit kommen wir zu einer früheren Fragestellung zurück. Einige Institute könnten möglicherweise - weil sie Verluste schreiben - einmal nicht in der Lage sein, Zinsen oder Gebühren zu zahlen; das will ich gar nicht ausschließen. Man wird eine Lösung finden müssen, um diese Institute nicht unter Wasser zu halten, sondern über Wasser zu bringen. Daran haben wir ein massives Interesse. Bezogen auf manche Frage bzw. Zwischentöne, die ich von der linken Seite gehört habe: Man muss sehen, was man möchte. Wenn man die Banken von Problemen entlasten möchte, dann kommt man bei der Lösungssuche mit Vorurteilen gegenüber dem Bankensektor nicht weiter; denn es ist für dieses Land von existenzieller Bedeutung, den Bankensektor zu stabilisieren. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. ({0}) - Entschuldigen Sie bitte, ich nehme als einer der verantwortlichen Minister nicht billigend in Kauf, dass eine Entwicklung Raum greift, an deren Ende eine schwere Erschütterung des deutschen Bankensektors steht. ({1}) Das können sich nur Leute leisten, die glauben, man könnte einen Laborversuch durchführen. Das kann man aber nicht. ({2}) Wir reden hier über eine Volkswirtschaft mit 80 Millionen Menschen. Die Realwirtschaft braucht gerade in einer Situation, in der gegebenenfalls große Unternehmen spielend einen Refinanzierungsbedarf in Höhe von 4 Milliarden, 5 Milliarden oder 6 Milliarden Euro haben, dringend stabile und verlässliche Finanzdienstleistungen. Das alles geschieht vor dem Hintergrund deutlich veränderter Finanzierungsstrukturen; denn die klassischen Konsortialfinanzierungen der vergangenen Jahre sind aufgrund des Rückzugs der Banken - auch ausländischer - schwieriger denn je. Deutsche Institute müssen daher durch Abschirmung und Stabilisierung in die Lage versetzt werden, dort tätig zu werden. - Bin ich Ihnen irgendeine Antwort schuldig geblieben? ({3})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Fragesteller ist der Kollege Dr. Troost.

Dr. Axel Troost (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003857, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, ich bin gar nicht in der Lage, so viele Fragen zu stellen, wie Ihre Antworten bei mir auslösen. ({0}) Ich nehme zur Kenntnis, dass es demnächst verschiedene Aktien gibt: solche mit Stempel und solche ohne Stempel. Das löst bei mir im Hinblick auf den elektronischen Aktienhandel viele Fragen aus. Worauf ich eigentlich hinaus will, ist Folgendes: Sie sagen, ein Stresstest sei ein Problem, und man solle einen solchen Test besser nicht durchführen, weil er Panik auslösen könne. Damit verhält es sich etwa so, als ob man nicht zum Arzt ginge und keine Blutuntersuchung durchführen ließe, weil man nicht wissen will, ob man krank ist. Nach Ihrem Verfahren ist mit einem Abschlag in Höhe von 10 Prozent zu rechnen. Kollege Bernhardt hat gefragt, ob 10 Prozent noch zu verkraften seien. Wissenschaftler vom DIW zum Beispiel gehen davon aus, dass viele Papiere einen Wert von null haben. Das bedeutet also nicht minus 10 Prozent, sondern minus 100 Prozent. Nun sollen die Fundamentalwerte von neutralen Institutionen, wie Sie sagen, festgestellt werden. Die entscheidenden Fragen sind: Erstens. Gibt es solche neutralen Institutionen wirklich, die nicht in Geschäftsbeziehungen standen oder stehen? Zweitens. Wird die Politik nicht dahin gehend Einfluss nehmen - genauso haben Sie es im Hinblick auf den Stresstest geschildert -, dass die Fundamentalwerte möglichst gut sind, damit im Moment keine zu großen Verluste ausgewiesen werden müssen und möglichst viel in die Zukunft verlagert werden kann, um die Probleme nicht schon jetzt bewältigen zu müssen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Soweit ich Ihre Frage nachvollziehen kann, basiert sie auf einer ganzen Reihe von Missverständnissen; ob konstruiert oder nicht, kann ich nicht genau beurteilen. Dass es unterschiedliche Aktientypen gibt, ist schon heute gängige Praxis. So kennen wir zum Beispiel Stammaktien und Vorzugsaktien. Wo ist also das Problem, das Sie mit Ihrer Frage insinuieren, Herr Troost? Das macht keinen Sinn. ({0}) Das Gleiche gilt im Hinblick auf den Stresstest. Ich habe mich keineswegs so geäußert, wie Sie es dargelegt haben. Ich habe mich dahin gehend geäußert, dass man sich das sehr genau überlegen muss. Nichts anderes habe ich gesagt, nicht weniger und nicht mehr. Man darf nicht aus der Hüfte schießen, nur weil „Stresstest“ so toll klingt und modisch sein mag. Ich möchte vorher überlegen, was sich damit verbindet und wie das aussieht. Zu Ihren beiden Fragen sage ich: Man wird fachlich versierte Leute für die Berechnung solcher Fundamentalwerte finden müssen. Ich habe darauf hingewiesen, dass eine Validierung durch die Bankenaufsicht stattfinden muss. Insofern hat man, wie ich glaube, eine neutrale, hinlänglich respektierte Instanz. Ich kann mir keinen anderen Weg vorstellen. Ich verstehe auch nicht die Verdächtigungen. Eine politische Einflussnahme verbietet sich. Die würde sofort von den Märkten, von den Wirtschaftsprüfern und von all denjenigen, die Bilanzen zu prüfen haben, registriert werden. Wir machen gerade die Erfahrung, dass dieser Stresstest in den USA deshalb nichts mehr wert ist, weil es eine Einflussnahme der dortigen Zentralbank und des Finanzministeriums, des Treasury, gegeben hat. Daran können Sie sehen, wie ambivalent das sein kann und dass der Schuss nach hinten losgehen kann.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Thiele, bitte.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Minister, als FDP teilen wir die Meinung, dass es Aufgabe des Staates ist, dafür zu sorgen, dass die Realwirtschaft und die Bürger unseres Landes wieder Vertrauen in den Finanzplatz fassen. Deshalb haben auch wir dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz zugestimmt. Zu dem Punkt, um welche Papiere es geht, habe ich eine Nachfrage - Sie hatten gerade schon eine Teilantwort gegeben -: Geht es dabei um die Nominalbeträge oder um die abgewerteten Beträge, die derzeit als Risiko in den Bilanzen der Banken vorhanden sind? Wie verteilt sich das auf Privatbanken und Landesbanken? Denn einen Großteil der Probleme haben die Landesbanken. Ich wäre dankbar, wenn Sie sagen könnten, wie sich das aus Ihrer Sicht heute in etwa verteilt.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Ich kann Ihnen, Herr Thiele, aus dem Stand nicht beantworten, wie sich die von mir genannten strukturierten Wertpapiere in Höhe von 180 Milliarden oder 190 Milliarden Euro auf private Geschäftsbanken und Landesbanken verteilen. Die Bundesregierung muss mit einem rechtsformneutralen Gesetz operieren. Das heißt, es steht allen Banken jedweder Art offen. Anders geht es gar nicht. Wer wie davon Gebrauch macht, ist im Augenblick nicht absehbar. Ich halte dieses Handeln für notwendig; ob es im Hinblick auf unser gemeinsames Ziel hinreichend ist, wird sich im Zeitablauf erweisen. Ich glaube, Ihre Frage dahin gehend beantworten zu können, dass viele Landesbanken insbesondere mit Blick auf die illiquiden Wertpapiere und nichtstrategischen Wertpapiere ein massives Interesse daran haben, dass die jetzt vorgestellte Lösung durch das ergänzt wird, was wir gemeinsam vorgeschlagen haben. Stichworte sind in diesem Zusammenhang: AIDA, Konsolidierungsbank-Modell, Kaba- oder Koba-Modell; mit der Bezeichnung „Kaba“ wird vielleicht eine falsche Assoziation ausgelöst. Das wird sich also herausstellen. Sie fragten dann noch, ob es um die nominalen Werte oder die abgeschriebenen Werte geht. Ich versuche, das an einem Beispiel wie folgt zu beschreiben: Eine Bank hat ein solches Wertpapier zu einem Wert von 100 in die Bilanz genommen. Inzwischen hat es einen Buchwert von im Durchschnitt 60. Das heißt, dass schon 40 Prozent abgeschrieben worden sind. Von diesen 60 müssen dann, wenn das Wertpapier auf die Zweckgesellschaft übertragen wird, 10 Prozent abgezogen werden. Dann beträgt der Buchwert, zu dem die Zweckgesellschaft das Papier übernehmen soll, 54. Jetzt stellen Wirtschaftsprüfer und Assetmanager fest, dass der Buchwert von 54 zu hoch und der Fundamentalwert 40 ist. Das heißt, dass in diesem Beispiel über die nächsten 20 Jahre ein Wert von 14 abgestottert werden muss. Nun wird nach der Laufzeit festgestellt, dass das Papier nur noch einen Wert von 30 hat. Dann muss noch einmal ein Betrag von 10 über ein Ausschüttungsverbot abgedeckt werden. Das ist der Mechanismus. Inwieweit diese Papiere werthaltig sind oder wie der Buchwert ist, verstehen Sie als Fachmann genauso gut wie ich; denn es gibt ganz unterschiedlich klassifizierte Wertpapiere. Wir machen teilweise die Erfahrung, dass selbst mit AAA bewertete strukturierte Papiere nicht mehr zum Buchwert von 100, also zum Einkaufspreis, in der Bilanz stehen, sondern nur zu 80 oder zu 70. Andererseits sind mit BBB bewertete Papiere nur noch mit einem Wert von 30 oder 20, einige sogar mit 0 - das sind richtige Schrottpapiere - aufgeführt. Die Frage, die vorhin Herr Fromme stellte, war berechtigt. Es gibt viele Papiere, die ein durchaus gutes Rating haben, die aber trotzdem im Augenblick nicht handelbar sind. Wenn sich der Markt aber in nicht allzu weiter Ferne, also nicht in 15 oder 20 Jahren, sondern möglichst in 2, 3 oder 4 Jahren, stabilisiert - das hoffen wir -, dann erzielen diese Papiere wieder einen Preis und können gegebenenfalls veräußert werden. ({0}) - Wenn der Wert 70 ist, fragt Herr Solms. Darf ich die Frage beantworten?

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Von mir aus schon, Herr Minister. Nur, wir haben die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit schon überschritten. Wenn Sie anschließend noch eine Frage beantworten, dann haben wir, glaube ich, das ganze Haus zufriedengestellt.

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Herr Solms trifft einen wichtigen Punkt: Wenn sie einen Wert von 70 statt von 40 haben, dann haben die Banken einen Gewinn gemacht; denn die öffentliche Hand übernimmt ja auch keinen Verlust. Das heißt, da kein Verlust übernommen wird, kann sie den Banken den Gewinn dann auch nicht streitig machen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Als letztem Fragesteller erteile ich nun dem Kollegen Carsten Schneider das Wort.

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben erstens die Problematik der Landesbanken angesprochen. Haben Sie den Eindruck, dass bei den Ministerpräsidenten ein hinreichendes Problembewusstsein für die Situation der Landesbanken und in Bezug auf die Existenz der Bundesländer vorhanden ist? Zweitens haben Sie die Alteigentümerhaftung bei den Landesbanken angesprochen. Betrifft dies dann auch die Sparkassen, die teilweise noch Alteigentümer bzw. Mitaktionäre sind? Drittens hat der Bundesbankpräsident vorgeschlagen, die prozyklischen Bewertungsstandards unter anderem im Rahmen der IFRS zu entschärfen. Wie ist dies international bei Ihren Kollegen im Hinblick darauf angekommen, den Bilanzdruck von den Banken zu nehmen?

Peer Steinbrück (Minister:in)

Politiker ID: 11004165

Es gibt einige Länder - einige sind auch deshalb von Bedeutung, weil sie Standort der noch verbliebenen sieben selbstständigen Landesbanken sind -, die ausgesprochen aufgeschlossen gegenüber der genannten Problematik sind. Nun muss man anerkennen, dass sich die Situation der Landesbanken durchaus unterscheidet. Man kann es ja beim Namen nennen: Die Helaba und die Nord/LB sind - jedenfalls aktuell - erkennbar in einer anderen Situation als manch andere Landesbank. Dementsprechend ist auch die Interessenlage der betroffenen Länder definiert. Trotzdem ist mein Eindruck, dass die Landesbanken und die dahinterstehenden Träger, also vornehmlich die Landesregierungen, interessiert sind, einige davon in besonderem Maße. Sie brauchen nur die gestrige Entscheidung der EU-Kommission betreffend die WestLB vor Ihrem geistigen Auge ablaufen zu lassen; dann wissen Sie, wie hoch das Interesse an einer solchen Lösung ist. Das Gleiche gilt für einige andere. Insofern glaube ich nach den jüngsten Gesprächen, dass unser Vorgehen richtig ist. Ich mache allerdings keinen Hehl daraus, dass ich ein Höchstmaß an Eigenverantwortung insbesondere der Landesregierungen gegeben sehe. Das ist der Grund, warum ich in den letzten zwei Jahren sehr zurückhaltend gewesen bin, die Landesbanken in der Bundesregierung oder im Bundestag zum Thema zu machen. Ebenso mache ich keinen Hehl daraus, dass bei mir eine gewisse Enttäuschung mitschwingt, in welch geringem Maße es den Beteiligten, insbesondere den Landesregierungen, bislang gelungen ist, das Problem der Landesbanken zu lösen. Sie haben in den letzten zwei Jahren weder eine horizontale noch eine vertikale Lösung, keine Standalone-Lösung, kein Privatinvestormodell und auch keine internationalen Lösungen hinbekommen. Keine dieser Lösungen ist bisher zustande gekommen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass das Problem sehr gezielt so eskaliert, dass es eines Tages dem Bund, also Ihnen auf parlamentarischer Ebene genauso wie mir in der Exekutive, auf die Füße fallen soll. Deshalb bin ich da sehr vorsichtig. Die Bilanzierungsstandards sind ein ständiges Thema im internationalen Bereich. Dazu wird der IASB - das ist der International Accounting Standards Board - eingeladen, um festzustellen, ob es im Zusammenhang mit den amerikanischen Bilanzierungsregelungen inzwischen ein gleiches Wettbewerbsfeld gibt oder ob Nachteile für europäische Banken bestehen. Insbesondere ist Gegenstand der Debatte des Baseler Ausschusses, ob die Bilanzierungsregeln in dem Sinne flexibilisiert werden müssen, dass ihnen das Risiko prozyklischer Wirkungen genommen wird. Darüber gehen die Meinungen etwas auseinander, insbesondere mit Blick auf die Handhabung von Basel II. Der Bundesbankpräsident hat darauf hingewiesen, dass die Anwendung von Basel II für deutsche Banken deutliche Vorteile gegenüber dem alten Basel-IRegime hat. Dies ist also ein sehr komplexes Feld, das in der Tat nur in internationalen Bezügen debattiert werden kann, weil klar ist, dass börsennotierte, grenzüberschreitende Unternehmen nicht nach HGB bilanziert werden können, sondern zwingend nach internationalen Bilanzierungsregeln bilanziert werden müssen. Diese kann ich allein in der Zuständigkeit des Bundes nicht ändern; vielmehr bin ich auf internationale Abstimmungen angewiesen. Sie hatten eine weitere Frage. ({0}) - Die Sparkassen sind als Träger, als Anteilseigner selbstverständlich mitbeteiligt. Ich kann nur darauf hinweisen: Jede Sparkasse muss ein Interesse daran haben und mit an diesem Strang ziehen; denn für den Fall, dass der entsprechenden Landesbank etwas passiert, werden die Sparkassen ihre Beteiligungen in ihren eigenen Bilanzen sämtlich abschreiben müssen. Damit würde ein Infektionskanal gelegt, den wir in jedem Fall verhindern müssen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir haben die für die Regierungsbefragung ursprünglich vorgesehene Zeit etwas überzogen. Ich schließe jetzt den Tagesordnungspunkt der Befragung der Bundesregierung. - Herr Bundesminister, ich danke Ihnen sehr herzlich für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde - Drucksache 16/12922 Ich darf Sie darauf hinweisen, dass interfraktionell vereinbart wurde, die Zeit für die Fragestunde heute auf eine Stunde zu reduzieren. Die Frage 1 des Kollegen Christoph Waitz - sie bezieht sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz - wird schriftlich beantwortet. Entsprechendes gilt für die Fragen 2 und 3 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann, die den Geschäftsbereich des Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz betreffen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Für die Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Inge Höger auf: Wie will die Bundesregierung angesichts von wiederholten Warnungen durch Menschenrechtsorganisationen wie zum Beispiel Amnesty International vor Folter und anderen Formen der Misshandlung in afghanischen Gefängnissen sicherstellen, dass der von Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte, KSK, am 7. Mai 2009 in Afghanistan festgenommene Abdul Rasek nach seiner Übergabe an die afghanische Staatsanwaltschaft und den afghanischen Geheimdienst entsprechend rechtsstaatlichen Prinzipien behandelt wird? Herr Staatssekretär, bitte.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin, ich antworte auf Frage 4 wie folgt: Deutsche ISAF-Spezialkräfte führten in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 2009 zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte in der Provinz Badakschan, Distrikt Varduj, eine gemeinsame Operation gegen den mutmaßlichen Straftäter Abdul Rasek durch. Dabei gelang es den afghanischen Kräften, die Festnahme von Abdul Rasek durchzuführen, den sie anschließend mit deutscher Unterstützung an die Schwerpunktstaatsanwaltschaft des National Directorate of Security in Kabul, also an die afghanische Staatsanwaltschaft, überstellten. Eigenen Gewahrsam an Abdul Rasek haben deutsche Kräfte zu keinem Zeitpunkt begründet. Die Bundesregierung wird die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien sowie menschenrechtlicher Mindeststandards durch afghanische Behörden aufmerksam beobachten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Wollen Sie tatsächlich genau überprüfen, ob überstellte Gefangene nicht der Folter ausgesetzt sind? Es gibt Berichte von Amnesty International, die darauf hinweisen, dass mehrere Personen nach der Übergabe durch die ISAF gefoltert wurden oder verschwunden sind. Amnesty International fordert die ISAF daher auf, Übergaben an den afghanischen Geheimdienst einzustellen.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Die Bundesregierung nimmt die von Ihnen in Anspruch genommenen Informationen von Amnesty International sehr ernst; diese Informationen sind schon 2007 artikuliert worden. Sie hat deshalb ausdrücklich die Entschlossenheit der afghanischen Regierung begrüßt, die Vorwürfe, mit denen die afghanische Regierung konfrontiert worden ist, durch die zuständigen afghanischen Regierungsstellen umfänglich aufzuklären. Den souveränen Staat Afghanistan darin zu unterstützen, selbst für den Schutz der Menschenrechte auf seinem Territorium zu sorgen, ist ein entscheidendes Motiv für den Einsatz der internationalen Gemeinschaft und für den deutschen Beitrag hierzu. Die Bundesregierung legt größten Wert auf die Einhaltung menschenrechtlicher Standards gegenüber durch deutsche ISAF-Kräfte festgesetzten Personen, auch nach Überstellungen an afghanische Institutionen. Ich darf darauf hinweisen, dass die Festsetzung in diesem konkreten Fall durch afghanische Kräfte erfolgt ist. Wenn es sich um durch deutsche Kräfte festgesetzte Personen handelte, würden wir im Einzelfall anstreben, uns die Einhaltung entsprechender Verhaltensweisen der afghanischen Seite erneut zusagen zu lassen. Angesichts der konkreten Vorwürfe im Zusammenhang mit der Verhaftung von Abdul Rasek betone ich: Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass wir dies grundsätzlich für angemessen halten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte sehr.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie haben eben gesagt, der Talibanführer sei von afghanischen Streitkräften festgesetzt worden. Den Medien hatte ich bisher entnommen, dass er von KSK-Kräften festgesetzt und dann übergeben wurde. Ich möchte genau wissen: War es ein KSK-Einsatz? Wenn ja, wie lautete der Auftrag? Lautete der Auftrag, diesen Talibanführer bzw. andere Personen gezielt gefangen zu nehmen? Auf welcher rechtlichen Grundlage ist das Ganze abgelaufen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Die Grundlage ist das Mandat ISAF, das die Unterstützung der afghanischen Kräfte vorsieht. Die Operation mit Beteiligung deutscher Spezialkräfte war - ich habe das bereits ausgeführt - auf die Ergreifung dieses Straftäters ausgerichtet. Dass wir seitens der Bundeswehr und seitens unseres Landes ein großes Interesse an der Ergreifung und Verurteilung des Straftäters haben, ergibt sich schon daraus, dass ihm vorgeworfen wird, Anschläge auf Bundeswehreinrichtungen in Afghanistan vorbereitet bzw. ausgeübt zu haben. Wir können auch für die Zukunft nicht ausschließen, dass er so etwas machen würde. Daraus ergibt sich ein nachhaltiges Interesse daran, dass diese Figur aus dem Verkehr gezogen - gestatten Sie mir, diese saloppe Formulierung zu gebrauchen ({0}) und der gerechten Strafe zugeführt wird.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Inge Höger. Erwägt die Bundesregierung angesichts knapper werdender Haushaltsmittel dennoch, den Vertrag über die Beschaffung der dritten Tranche des insgesamt 22 Milliarden Euro teuren Eurofighters noch in diesem Jahr abzuschließen? Herr Staatssekretär.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Präsidentin! Ich bin dem Bundestag sehr dankbar, dass er in der vorliegenden Drucksache einen offenkundigen Schreibfehler korrigiert hat, der in meiner Vorlage noch enthalten war. Gemäß dieser hätte die Frage der Kollegin nämlich gelautet, ob wir den Vertrag „abschießen“ wollen. Sie meinte natürlich „abschließen“. Ich gestehe zwar zu, dass das Fluggerät durchaus die Fähigkeit zum Abschießen haben soll, bedanke mich aber trotzdem für die Korrektur. Wir haben unverändert die Absicht - dieser Bedarf ist operationell begründet und parlamentarisch auch gebilligt -, 180 Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter und davon 68 in der von Ihnen genannten dritten Tranche zu beschaffen. Wir beabsichtigen auf Grundlage der am 22. September 1997 mit den Partnernationen Großbritannien, Spanien und Italien geschlossenen Regierungsvereinbarung, die eine Verpflichtung zur Abnahme von insgesamt 620 Luftfahrzeugen des Typs Eurofighter beinhaltet, von denen 180 Luftfahrzeuge auf Deutschland entfallen, noch Mitte 2009 in einem ersten Schritt die Teiltranche 3a mit 31 Luftfahrzeugen für die Luftwaffe zu beauftragen. Deswegen werden wir dem Verteidigungsausschuss und dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages eine entsprechende Vorlage zuleiten lassen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

In der Süddeutschen Zeitung von gestern konnte man lesen, dass Großbritannien offenbar durchrechnen lässt, was es kosten würde, wenn man den Auftrag stornieren und die bestellte dritte Tranche nicht abnehmen würde. Gibt es im Verteidigungsministerium ähnliche Überlegungen oder Überprüfungen, welche Folgen es für Deutschland hätte, wenn andere Partnerländer ausstiegen, und ob Deutschland dann eventuell auch aussteigen sollte?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Die Staatssekretäre der Bestellerländer haben sich vor einigen Wochen getroffen und haben über die Beauftragung grundsätzliche Einigung erzielt. Es gab einen Wunsch der britischen Seite, diese Frage noch einmal im eigenen Land zu besprechen. Wir gehen davon aus, dass jedes Land die Kosten-Nutzen-Rechnung vor dem Hintergrund finanzieller und materieller Fragen sowie auch im Sinne der Notwendigkeit von Fähigkeiten anstellt. Mir ist nicht bekannt, ob und, wenn ja, welche Berechnungen die britische Seite vorgenommen hat. Unser Kenntnisstand ist, dass sich alle Länder grundsätzlich zu der vertraglichen Vereinbarung der Beauftragung der dritten Tranche, die die Teiltranchen 3a und 3b umfasst, bekennen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie noch eine weitere Nachfrage?

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Die Planungen für den Eurofighter stammen ja aus den 80er-Jahren. Viele Experten sagen, dass er den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Auch wenn andere Länder bereits daran denken, die dritte Tranche nicht mehr abzunehmen, wollen Sie diese offenbar abnehmen. Welche konkreten militärischen Notwendigkeiten sehen Sie denn dafür, zu den bereits bestellten 112 noch weitere 68 Eurofighter zu erwerben?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin, die Zahl von 180 Eurofightern ist gut begründet und übrigens auch eingebettet in die Reduzierung der Zahl an notwendigen Gerätschaften, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und im Zuge der sich daraus ergebenden Neuorientierung bzw. Transformation der Streitkräfte erfolgte. Der Eurofighter ist ja nicht das einzige Kampfflugzeug der Bundeswehr. Das Rückgrat bildet gegenwärtig das Flugzeug vom Typ Tornado. Insofern bleibt es bei den nicht aus den 80er-Jahren stammenden, sondern in der jüngeren Zeit angestellten Berechnungen. Ein Flugzeug, das in den 80er-Jahren für die Aufgaben, die es damals zu erfüllen hatte, konstruiert worden ist, kann in seiner Ausführung, Ausstattung und Befähigung nicht mit einem Flugzeug identisch sein, wie es sich im Jahre 2009 darzustellen hat. Daraus ergibt sich, dass der konstruktive Ansatz zwischen dem Ende der 80er-Jahre und heute sehr viele Modifikationen erfahren hat, sodass man dem Eurofighter so, wie er heute in die Luftwaffe eingeführt worden ist oder werden wird, die Befähigung zur Bewältigung der zu erwartenden Anforderungen und Aufgaben zubilligen kann.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 6 des Kollegen Frank Spieth wird schriftlich beantwortet. Gleiches gilt für die Frage 7 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl und die Frage 8 des Kollegen Hans-Josef Fell aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern werden die Frage 9 des Kollegen Frank Spieth, die Frage 10 der Kollegin Veronika Bellmann und die Frage 11 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch schriftlich beantwortet. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen wird die Frage 12 des Kollegen HansChristian Ströbele schriftlich beantwortet. Für die Beantwortung der weiteren Fragen aus diesem Geschäftsbereich steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Ich rufe nun die Frage 13 des Kollegen Jürgen Koppelin auf: Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Entwurf des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 zu verabschieden, und wie hoch schätzt die Bundesregierung die Nettoneuverschuldung im Bundeshaushalt 2010? Herr Staatssekretär, bitte.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, wie ich Ihnen bereits im Haushaltsausschuss in der letzten Woche mitgeteilt habe, wird sich das Kabinett am 24. Juni mit dem Regierungsentwurf für 2010 befassen. Bezüglich Ihrer Frage nach dem Umfang der Nettoneuverschuldung müssen wir in Geduld abwarten, welche voraussichtlichen Mindereinnahmen die Steuerschätzer heute und morgen in Bad Kreuznach ermitteln. Im Übrigen sind die Ressortverhandlungen noch nicht abgeschlossen, sodass ich Ihnen nicht sagen kann, welche möglichen Neuverschuldungen sich aus den Ressortverhandlungen ergeben. Kurzum: Ich bitte um etwas Geduld.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie Nachfragen? - Herr Kollege, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob, wenn das Kabinett den Entwurf für den Bundeshaushalt 2010 verabschiedet hat, die Bundesregierung beabsichtigt, noch vor der Bundestagswahl in einer zusätzlichen Sitzung oder wie auch immer zumindest diesen Entwurf im Plenum diskutieren zu lassen.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, der von mir genannte 24. Juni liegt nicht in einer Sitzungswoche. Aber die Woche darauf ist eine Sitzungswoche. Es steht selbstverständlich dem Deutschen Bundestag frei, sich dann mit dem Regierungsentwurf zu beschäftigen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen aufgefallen, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben? Ich habe nämlich gefragt, ob die Bundesregierung beabsichtigt, den Haushaltsentwurf dem Plenum nicht nur vorzulegen, sondern hier auch diskutieren zu lassen. Nach der Bundeshaushaltsordnung ist vorgesehen, den Haushaltsentwurf jeweils in der ersten Sitzungswoche im September durch das Plenum diskutieren zu lassen. Aufgrund der Bundestagswahl haben wir in dem Monat bisher keine Sitzungswoche vorgesehen. Auf Wunsch der Regierung könnte man das aber gerne machen. Auch meine Fraktion wäre natürlich gerne bereit, Anfang September diesen Entwurf zu diskutieren. Ich frage Sie noch einmal: Ist die Bundesregierung bereit, den Haushaltsentwurf zu diskutieren? Wenn Sie sagen - ich komme auf Ihre Antwort zurück -, es lägen noch keine Zahlen vor, dann frage ich Sie: Können Sie mir erklären, wieso Minister Steinbrück, der ja Ihr Chef ist, jetzt landauf, landab erklärt, wie hoch die Nettoneuverschuldung sein wird? Woher hat er diese Zahlen? ({0})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, das Parlament hat das Recht, zu beantragen, dass die Regierung zu bestimmten Punkten berichtet. Die Regierung wird dazu gerne an dem entsprechenden Mittwoch nach der Kabinettssitzung bereit sein. Ansonsten kann der Minister nach der Kabinettssitzung im Parlament, so wie es heute ({0}) bei dem Regierungsentwurf zum Thema Bad Banks der Fall war, zu dem Haushaltsplanentwurf für 2010 Fragen beantworten. Wenn das der Wunsch Ihrer Fraktion ist, werden wir dem gerne entsprechen. Der zweite Punkt ist Ihre Frage bezüglich der Zahlen. Es gibt Plausibilitätsannahmen, nach denen in dem Zeitraum bis zum Ende der nächsten Finanzplanung - die gegenwärtige Finanzplanung geht bis 2012; die nächste Finanzplanung, die mit dem Regierungsentwurf für den Haushalt 2010 verbunden ist, geht bis 2013 - eine Neuverschuldung in einer Größenordnung von roundabout 300 Milliarden Euro denkbar ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zur Frage 14 des Kollegen Jürgen Koppelin: Beabsichtigt der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Österreich und Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina Faso, zu einer Steuerkonferenz nach Berlin einzuladen, wie er in Brüssel angekündigt hat ({0})?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, zu der Konferenz am 23. Juni 2009 sind die gleichen Staaten eingeladen worden, die auch zu dem vorangegangenen Treffen in Paris, zu dem der französische Haushaltsminister und Minister Peer Steinbrück gebeten hatten, eingeladen waren.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Nachfrage? - Bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin erstaunt, dass Herr Staatssekretär Diller in seinen Antworten heute so kurz angebunden ist. Das ist sonst gar nicht seine Art. Deshalb muss ich nachfragen. Meine konkrete Frage bezog sich auf die Ankündigung von Minister Steinbrück in Brüssel, nach der zu dieser Konferenz Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Österreich und Ouagadougou eingeladen werden sollten. Ouagadougou ist allerdings nur eine Hauptstadt. Jetzt frage ich Sie: Wer von denen wird eingeladen und wer nicht? Ich will gar nicht auf Ouagadougou eingehen, Herr Staatssekretär, sondern nur feststellen, dass Ihre Staatssekretärskollegin - der Kollege Schäffler hat mir die Information aus dem Finanzausschuss zur Verfügung gestellt - mitteilt, dass Liechtenstein nicht dabei sei. Das finde ich sehr spannend. Wie kommt also der Minister dazu, in Brüssel solche Ankündigungen zu machen, wenn er das anschließend nicht umsetzt?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, Minister Peer Steinbrück hat in Brüssel auf die Frage eines österreichischen Journalisten, nämlich ob in Berlin eine Closed-Shop-Veranstaltung stattfinde, geantwortet, dass es um ein weltumspannendes Problem gehe und deshalb weltumspannend dazu eingeladen werde. Zutreffend ist, dass OECD-Staaten eingeladen werden. Das hat folgenden Grund: Es gibt einerseits seit 2002 das Musterabkommen für Auskunftsaustausch der OECD und andererseits seit 2005 das Muster für Doppelbesteuerungsabkommen, in dem Art. 26 den Informationsaustausch regelt. Mit diesen Musterabkommen wollte die OECD sich an NichtOECD-Staaten wenden nach dem Motto: Seid ihr bereit, mit uns OECD-Staaten solche Abkommen zu schließen? - Daraufhin haben die Nicht-OECD-Staaten gefordert, dass die OECD zunächst durchsetzen soll, dass die OECD-Staaten das umsetzen, was an Musterabkommen von der OECD entwickelt worden ist. Deswegen hat es diese Konferenz der OECD-Staaten in Paris gegeben. An dieser Konferenz haben Australien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Dänemark, Finnland, Irland, Island, Italien, Japan, Korea, Mexiko, die Niederlande, Norwegen, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich teilgenommen. Österreich und Luxemburg waren eingeladen, sind aber nicht gekommen. Sie sind auch diesmal wieder eingeladen, und es bleibt abzuwarten, ob sie kommen werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wollen Sie eine weitere Nachfrage stellen?

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, gerne. Ich habe es heute wirklich schwer mit dem Herrn Staatssekretär, zumal ich speziell nach Liechtenstein gefragt hatte. Es war ja angekündigt worden, dass es eingeladen wird. Also versuche ich, die Frage einmal anders zu stellen, Herr Staatssekretär, um von Ihnen eine konkrete Antwort zu bekommen: Ist meine Information richtig, dass es sich Bundesminister Steinbrück, nachdem er diese Erklärungen in Brüssel abgegeben hat, überlegt, sich beruflich zu verändern und nach der Bundestagswahl deutscher Botschafter in der Schweiz zu werden?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, Sie haben schon launigere Bemerkungen gemacht. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Nachfrage zu diesem Themenkomplex hat noch der Kollege Frank Schäffler. ({0})

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die Äußerung des Finanzministers hat im Ausland zu Recht zu einer großen Empörung geführt. Erste Frage: Beabsichtigt der Finanzminister, sich bei diesen Ländern wegen seiner Äußerung zu entschuldigen? ({0}) Zweite Frage: Wie ist der Widerspruch zwischen der Aussage der Finanzstaatssekretärin, die sie im Finanzausschuss gemacht hat, und der öffentlichen Äußerung des Finanzministers zu erklären? Wer hat jetzt recht: der Finanzminister oder seine Staatssekretärin?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Was hat die Kollegin im Finanzausschuss gesagt?

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Kollegin Kressl hat im Finanzausschuss gesagt, dass Liechtenstein nicht Mitglied der OECD und deshalb nicht eingeladen worden sei. Sinngemäß hat sie weiter gesagt, dass Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina Faso, ebenfalls nicht eingeladen sei. Das ist aber ein Widerspruch zu der Aussage des Finanzministers, die er öffentlich gemacht hat und die er nicht zurückgenommen hat. Das hat letztendlich zu der großen Empörung in der Schweiz, in Luxemburg, in Liechtenstein, in Österreich und natürlich in Ouagadougou geführt. Meine Frage lautet daher: Wird der Bundesfinanzminister seine Aussage korrigieren oder seiner Finanzstaatssekretärin widersprechen und damit seine Aussage aufrechterhalten?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Zunächst einmal will ich sagen: Belgien, Luxemburg, die Schweiz und Österreich waren für die Konferenz in Paris ausdrücklich eingeladen. Aber nur Belgien ist gekommen und hat sich die dortigen Beschlüsse zu eigen gemacht. Zweiter Punkt. Österreich, die Schweiz und Luxemburg haben mittlerweile signalisiert, dass auch sie bereit sind, über die OECD-Musterabkommen mit uns zu verhandeln. Insofern gibt es ein Einlenken in der Sache, was im Vorfeld der Pariser Konferenz noch nicht der Fall war. Dritter Punkt. Richtig ist, dass sowohl Burkina Faso als auch Liechtenstein keine OECD-Staaten sind. Im Übrigen ist Burkina Faso überhaupt keine Steueroase. Man hat mir gesagt, dass die Übersetzung von Burkina Faso „Land der ehrbaren Menschen“ lautet. Herr Kollege, dieses Land ist also überhaupt kein negatives Beispiel in dieser Aufzählung. Deswegen kann sich auch niemand aufgrund dieser Erwähnung auf den Fuß getreten fühlen. Nicht zutreffend ist allerdings, dass es sich bei diesen beiden Staaten um OECD-Staaten handelt. Daher sind sie - diese Feststellung ist richtig - nicht eingeladen worden. Die Hauptsache ist, es kommt Bewegung in die Sache. Man kann schon sehen: In die Sache kommt tatsächlich Bewegung. Das müsste Sie doch freuen. Im Übrigen darf ich noch darauf hinweisen, dass ein Gespräch zwischen dem Abteilungsleiter Steuern und dem Botschafter von Burkina Faso zur allseitigen Zufriedenheit stattgefunden hat.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Frage 15 der Kollegin Cornelia Pieper wird schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 16 der Kollegin Sabine Zimmermann auf: Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Arbeitszeitverlängerung eine richtige Antwort auf die Auftragsrückgänge in der Krise ist, und wie haben sich die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG bisher gegenüber den Ankündigungen des Chefs der Deutschen Post AG, Dr. Frank Appel, verhalten, mit der Gewerkschaft über längere Arbeitszeiten und eine Verschiebung der für Dezember 2009 geplanten Gehaltserhöhung von 3 Prozent verhandeln zu wollen? Herr Staatssekretär, bitte.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin Zimmermann, die Reaktion der einzelnen Unternehmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise liegt in der Verantwortung der jeweiligen Geschäftsführungen. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die von den Unternehmensgeschäftsführungen getroffenen Einzelmaßnahmen zu kommentieren. Der Vorstand der Deutschen Post AG hat in seinen Presseverlautbarungen dargelegt, dass er auf die im Ergebnis des ersten Quartals 2009 sichtbar gewordenen Ertragsrückgänge mit Vorschlägen zu Kosteneinsparungen reagieren muss. Maßnahmen des Vorstandes der Deutschen Post AG zur Kostensenkung im Unternehmensbereich Brief gehören zum operativen Geschäft der Deutschen Post AG und fallen in die alleinige Zuständigkeit des Vorstandes der Deutschen Post AG. Eine Einflussnahme des Aufsichtsrates und von Aktionären auf das operative Geschäft ist nach deutschem Aktienrecht nicht zulässig; ich unterstreiche: nicht zulässig. Änderungen am Tarifvertrag, wie sie von Herrn Dr. Appel angekündigt wurden, fallen in die alleinige Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien. Eine Einflussnahme der Bundesregierung auf eine der Parteien würde dem Neutralitätsprinzip der Politik bei Tarifverhandlungen widersprechen; das gilt auch, wenn sie über den Aufsichtsrat erfolgt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön für die Beantwortung der Frage. Ich habe eine Nachfrage: Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Postchef Appel, dass die Krise für einen Angriff auf gewerkschaftliche Errungenschaften genutzt werden kann? Ich zitiere aus der Financial Times vom letzten Donnerstag: „Wenn die Konjunkturerholung schnell kommt, verlieren wir all unsere Argumente“, sagt Appel offen. Er will die Krise nutzen, um Verdis Macht zu brechen. Wie verhalten sich die Bundesregierung und ihre Vertreter im Aufsichtsrat dazu?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, ich weiß nicht, wie Sie diesem Zitat entnehmen können, von wem die Auskunft stammt, ob das die Meinung des Herrn Dr. Appel oder Interpretation der Zeitung ist. Ich jedenfalls glaube nicht, dass der Chef der Post AG einen Angriff auf Gewerkschaften plant.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Nachfrage?

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Der Text steht in Anführungsstrichen, dann muss es ein wörtliches Zitat von ihm sein.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Dann müssten Sie ihn fragen.

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich wollte noch einmal nachsetzen. Meine zweite Nachfrage: Ist der Bundesregierung bekannt, dass der jüngste Gewinnrückgang im Briefgeschäft der Deutschen Post zu großen Teilen auf Verlusten bei den Aktivitäten in den USA beruht? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Immerhin ist der Bund der größte Einzelaktionär.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Mir ist bekannt, dass es einen Umsatzrückgang von 4,5 Prozent und einen noch viel heftigeren Rückgang bezogen auf das EBIT gibt. Dem hat sich der Vorstand zu stellen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit kommen wir zur Frage 17 der Kollegin Sabine Zimmermann: Wie viele Millionen Euro hat die Deutsche Post AG in diesem Jahr an ihre Aktionäre als Dividende ausgeschüttet - bitte Betrag insgesamt nennen, nicht pro Aktie -, und wie steht die Bundesregierung als größter Einzelaktionär der Deutschen Post AG dazu, dass der Vorstand zugleich Einsparungen bei den Beschäftigten des Unternehmens fordert?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Die Hauptversammlung der Deutschen Post AG hat am 21. April 2009 beschlossen, an die Aktionäre der Deutschen Post AG eine Dividende in Höhe von 60 Cent je dividendenberechtigter Stückaktie auszuschütten. Der Gesamtbetrag der Dividendenausschüttung an alle Aktionäre belief sich damit auf 725 409 524,40 Euro. Die Dividende für das Geschäftsjahr 2008 fiel somit um rund ein Drittel geringer aus als die Dividende für das Geschäftsjahr 2007. Die Festlegung der Dividendenhöhe erfolgt in dem nach Aktienrecht vorgesehenen Gremium: Das ist die Hauptversammlung. Eine Einflussnahme der Bundesregierung auf die Festlegung der Dividendenhöhe hat nicht stattgefunden. Abschließend möchte ich sagen, dass aus Sicht der Bundesregierung die Reduzierung der Dividende durchaus nachvollziehbar und eine angemessene Reaktion auf das rückläufige Ergebnis ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage?

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, ich habe eine Nachfrage. - Werden sich die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Deutschen Post dafür einsetzen, dass zumindest in wirtschaftlich schwierigen Zeiten keine Dividende ausgeschüttet wird? Schließlich müssen die Beschäftigten mit einer Geldeinbuße und einer Arbeitszeitverlängerung rechnen.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin, ich habe Ihnen gerade erklärt, dass die Festsetzung der Dividende und die Diskussion über die Dividendenhöhe Sache der Hauptversammlung sind.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Nachfrage?

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine Frage ist, ob Sie sich dafür einsetzen werden. Den Vorschlag können Sie ja unterbreiten.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Es ist zunächst einmal Sache des Unternehmensvorstands, einen Vorschlag zu unterbreiten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Für die Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte zur Verfügung. Die Frage 18 des Kollegen Hans-Joachim Otto und die Frage 19 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 20 des Kollegen Michael Hartmann auf: Warum wird der Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers, PwC, der ({0}) seit Anfang 2009 als externer Mitarbeiter im Referat V C 2 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie - Exportfinanzierung, Exportkreditversicherung - beschäftigt ist, aus dem sein Arbeitgeber Aufträge bekommt, trotz seines Arbeitsplatzes im Bundesministerium nicht im Zweiten Bericht des Bundesministeriums des Innern über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung aufgeführt? Herr Staatssekretär, bitte.

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Der im Spiegel-Online-Bericht erwähnte Mitarbeiter von PwC ist kein externer Mitarbeiter in der Bundesverwaltung. Er ist im Rahmen eines Mandatarvertrages mit PwC und der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, denen die Bundesregierung die Geschäftsführung für die Außenwirtschaftsförderinstrumente, Exportkreditgarantien, Investitionsgarantien und Garantien für ungebundene Finanzkredite übertragen hat, im BMWi tätig. Euler Hermes und PwC handeln im Rahmen der im Mandatarvertrag festgelegten Aufgaben und Befugnisse ausschließlich weisungsgebunden. Um es deutlich zu machen: Die Bundesregierung hat PwC und Euler Hermes beauftragt, für sie konkret bestimmte Vorgänge zu bearbeiten und zu erarbeiten. Für Einsätze von Mitarbeitern in der Mandatargesellschaft ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten ({0}) in der Bundesverwaltung vom 17. Juli 2008 nicht einschlägig. Der Einsatz von externen Personen, die in einem entgeltlichen Auftragsverhältnis mit der Bundesverwaltung stehen, welches Beratungs- oder sonstige Dienstleistungen zum Gegenstand hat, liegt ausdrücklich nicht im Anwendungsbereich der Verwaltungsvorschrift. Frau Präsidentin, ich würde gerne Frage 21 gleich mitbeantworten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich Frage 21 des Kollegen Hartmann auf: Von wem wird der PwC-Mitarbeiter während seiner Tätigkeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bezahlt, und wie erfolgte die Vergabe dieses Arbeitsplatzes an PwC?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Entsprechend dem, was ich ausgeführt habe, ist logisch, dass während der Tätigkeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die im Rahmen des Mandatarvertrages tätige Person weiterhin von PwC bezahlt wird. PwC bekommt von uns einen Auftrag mit einer Pauschalvergütung. In der Ausführung dieses Auftrags schickt das Unternehmen einen oder zwei Mitarbeiter in das Wirtschaftsministerium, um die notwendigen kurzen Wege und Kontakte sicherzustellen, damit PwC den Auftrag nach unseren Weisungen erfüllen kann. Der hier vorliegende Fall ist also völlig anders als der seit 2006 problematisierte Einsatz von Personen aus Verbänden oder sonstigen Institutionen, die bei uns im Ministerium oder in anderen Ministerien arbeiteten und durchaus in den Verdacht der Lobbytätigkeit geraten konnten. Das ist hier eindeutig nicht der Fall. Hier geht es um die Erledigung eines von uns erteilten klar definierten Auftrags.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? - Bitte.

Michael Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank für diese Klarstellung. Erlauben Sie mir zunächst eine Nachfrage. Sind Sie mit mir der Meinung, dass die Richtlinien der Bundesregierung für die Beschäftigung Externer insoweit nicht ausreichend sind, als beispielsweise eine solche beauftragte Beratertätigkeit dort nicht erfasst ist?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Nein, Herr Kollege, ich bin entschieden anderer Meinung. Die Entscheidung für diese Ausnahme, für die Nichterfassung dieser Art von Beschäftigung, ist seinerzeit aus gutem Grund getroffen worden. Es muss uns als Auftraggeber möglich sein, Beauftragten zu sagen: Erledigt einen Teil der beauftragten Arbeit bei uns. Es ist im Beratungsgeschäft bei einem konkreten Beratungsauftrag ganz normal, dass der Mitarbeiter des Unternehmens durch den Auftraggeber begleitet und beraten wird. Insoweit ist das hier - es geht ja um eine Beauftragung über einen längeren Zeitraum - einfach nur praktisch und hat mit Lobbyarbeit nichts zu tun. Euler Hermes und PwC haben das zu erledigen, was die Bundesregierung - sprich: der Bundeswirtschaftsminister - beauftragt hat. Zu diesem Zweck können wir uns Mitarbeiter aus einem solchen Beauftragtenverhältnis ins Haus holen. Das ist aus guten Gründen unter dem Gesichtspunkt „Beschäftigung Externer“ nicht erfasst.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Michael Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne, Frau Präsidentin. - Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass es so etwas geben muss und soll und dass es für die erfolgreiche Aufgabenerledigung Ihres Hauses hilfreich ist. Aber wäre es, gerade weil es eben nicht anrüchig ist, im Sinne einer allgemeinen Transparenz nicht von Vorteil, auch dem Parlament mitzuteilen, wenn solche Verträge geschlossen werden und dadurch Mitarbeiter externer Firmen ihren Schreibtisch über eine gewisse Zeit im Ministerium haben und damit Informationen aus den Ministerien erhalten und auch informelle Erfahrungen machen können?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Bei einer absoluten Überempfindlichkeit kann man eine so weitgehende Regelung treffen. Aber ich denke, dass es hier um einen Kernbereich von Regierungshandeln geht. Die von uns getroffenen Regelungen darüber, was externe Mitarbeiter sind, sind sauber, transparent und klar. Unterhalb dieser Linie muss man nicht mehr wer weiß welche Angaben machen. Auch die Regierung sollte vom Parlament nicht gezwungen werden, zusätzliche Angaben zu machen. Das gehört zum schlichten Regierungshandeln. Dadurch, dass es aufgebauscht wurde und zunächst der Verdacht - er hat sich als falsch erwiesen - aufkam, dass es eine nicht gemeldete externe Tätigkeit im Sinne der Vorschriften sein könnte, ist hier eine gewisse Aufregung entstanden. Aber das lässt sich alles aufklären. Eine Erweiterung der Berichtspflicht halte ich deswegen für nicht sinnvoll.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zur Frage 21.

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Die Frage 21, Frau Präsidentin, hatte ich schon beantwortet: Der Mitarbeiter wird ganz klar von PwC bezahlt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich will nur dem Kollegen Hartmann die Möglichkeit geben, seine berechtigten Zusatzfragen zu stellen. - Herr Kollege, bitte sehr.

Michael Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank für die Freundlichkeit, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, ich möchte diese Gelegenheit nutzen und nachfragen, warum es beispielsweise in diesem konkreten Falle nicht möglich war, die Aufgabe, die extern vergeben wurde, im Haus erledigen zu lassen. Fehlt dem Ministerium dafür der Sachverstand?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Nein, das hat ganz einfach einen praktischen Grund. Wenn Sie ein Beratungsunternehmen über eine längere Zeit mit einer Vielzahl von Einzelfällen - hier geht es um die Hermesbürgschaften - weisungsgebunden beauftragen, dann ist es einfach praktisch, wenn ein Mitarbeiter dieses Unternehmens eine Brückenfunktion zwischen den beiden Häusern, dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer, übernimmt und bei uns im Hause sitzt. Es könnte auch einer unserer Beamten bei Euler Hermes sitzen. Das ist völlig problemlos so entschieden und erleichtert die Kommunikation bei uns im Haus. Ein Beispiel sind permanente Anfragen aus dem politischen Bereich. Wie sieht das aus? Sie wissen, dass gerade die Vergabe von Hermesbürgschaften hin und wieder kritisch gesehen wird. Heute Morgen im Wirtschaftsausschuss haben wir über dieses Problem gesprochen. Es ist eine Erleichterung, wenn man einen kompeParl. Staatssekretär Hartmut Schauerte tenten Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens im Haus hat, dem man die Frage zur schnellen Beantwortung vorlegen kann. Das ist eine reine Frage der Praktikabilität. Ich sehe hier keine Vermischung von Zuständigkeiten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage?

Michael Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne. - Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Staatssekretär, dass die Forderung nach Transparenz keineswegs einer Überempfindlichkeit geschuldet ist, sondern ein hohes Maß an Transparenz das Vertrauen in die Neutralität staatlichen Handelns befördern kann?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Darin bin ich mit Ihnen völlig einig. Deswegen haben wir diese Richtlinien sehr transparent gestaltet. Aber es kann Grenzen geben. Man kann es auch mit der Transparenz, so wertvoll sie ihrem Wesen nach ist, übertreiben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Fragen 22 und 23 der Kollegin Bärbel Höhn und die Frage 24 des Kollegen Hans-Josef Fell werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung. Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden die Fragen 25 und 26 der Kollegin Dr. Martina Bunge ebenso wie die Fragen 27 und 28 des Kollegen Dr. Ilja Seifert schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Für die Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung. Die Frage 29 der Kollegin Veronika Bellmann und die Fragen 30 und 31 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Cornelia Behm auf: Welchen weiteren Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und der Oder wurde seitens der Bundesregierung neben Unterhaltungsbaggerungen der Klützer Querfahrt und einer Initialbaggerung im auf polnischem Territorium befindlichen Dammschen See für die Einigung mit der polnischen Seite zugestimmt? Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Kollegin Behm, in Ergänzung meiner Antwort auf eine Frage, die Sie beim letzten Mal gestellt haben, möchte ich Sie heute weiter informieren. Das zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der polnischen Landesverwaltung für Wasserwirtschaft abgestimmte Eckpunktepapier, das noch der völkerrechtlichen Umsetzung bedarf, beinhaltet Folgendes - jetzt folgen viele Details; danach haben Sie allerdings gefragt -: Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße für die Fahrt von Küstenmotorschiffen zwischen dem Hafen Schwedt und der Ostsee über die Trasse Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße-WestoderKlützer Querfahrt-Reglitz-Parnitz-Möllnfahrt-Fahrwasser Stettin/Swinemünde; Maßnahmen in der Klützer Querfahrt, das heißt Baggerungen, gegebenenfalls auch die Beseitigung von Uferschwachstellen und gegebenenfalls die Errichtung von Wartestellen sowie gegebenenfalls Ufersicherungen in der Westoder; Unterhaltungsmaßnahmen, das heißt die Beseitigung punktuell vorhandener unzureichender Tiefen zur Sicherung des Eisaufbruchs, der Eisabfuhr und der Schifffahrt an der Grenzoder und Baggerungen im Dammschen See zur Sicherung des Eisaufbruchs und der Eisabfuhr; Unterhaltungsmaßnahmen auf der deutschen Seite sind Reitwein und Hohenwutzen, auf der polnischen Seite Słubice, Kostrzyn, Gozdowice und Rudnica. - Ich hoffe, dass ich die Namen richtig ausgesprochen habe. Ich bin des Polnischen nämlich nicht mächtig. Neben der völkerrechtlichen Umsetzung des Eckpunktepapiers müssen für die Ausführung der einzelnen Maßnahmen die Zulassungsverfahren entsprechend den nationalen Vorschriften und zwischenstaatlichen Abkommen durchgeführt werden. Die Maßnahmen, die ich gerade genannt habe, sind geplant und im Rahmen des Eckpunktepapiers festgelegt. Allerdings finden dazu noch Verhandlungen statt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, Ihre Nachfragen, bitte.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, vor allen Dingen, weil Sie so große Mühe mit den polnischen Namen hatten. Ich glaube, fast allen von uns geht es so. Ich würde gerne wissen, ob im Zusammenhang mit der Eisabfuhr auch alternative Maßnahmen geprüft worden sind, um das Eis auf einem ökologischen Weg abführen zu können, zum Beispiel eine Verbreiterung der Oder. Diese hätte zur Folge, dass kein Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße nötig gewesen wäre. Sind solche alternativen Maßnahmen geprüft worden?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Ich gehe davon aus, dass die Maßnahmen sowohl von deutscher als auch von polnischer Seite geprüft worden sind, bevor dieses Eckpunktepapier erstellt worden ist. Natürlich wird man die Maßnahmen im weiteren Verlauf des Verfahrens beurteilen, und zum Teil finden auch Planfeststellungsverfahren statt. Wie gesagt, gehe ich allerdings davon aus, dass beide Seiten, bevor sie das Eckpunktepapier verabredet haben, geprüft haben, welche Maßnahmen notwendig sind. Wie Sie gehört haben, bedarf es an einigen Stellen gegebenenfalls noch weiterer Untersuchungen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Nachfrage?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Bitte.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Sie haben die Unterhaltungsbaggerungen an der Klützer Querfahrt und die Initialbaggerungen im auf polnischem Territorium befindlichen Dammschen See angesprochen. Da dies im Zusammenhang mit der Eisabführung zu sehen ist, frage ich Sie: Können Sie die Kosten dafür beziffern?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Da Sie im Hinblick auf die Kosten eine weitere Frage gestellt haben, würde ich Ihnen in diesem Zusammenhang gerne meine Antwort auf Ihre Frage 33 vortragen. Dann könnte ich Ihnen auch im Detail über die Verteilung der Kosten berichten.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich auch die Frage 33 der Kollegin Behm auf: Welche finanziellen Vereinbarungen zu den Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und der Oder wurden getroffen, und wie werden die finanziellen Lasten für die einzelnen Maßnahmen verteilt?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Hinsichtlich der Kostenregelungen findet zurzeit eine Abschätzung statt. Der Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße wird von der deutschen Seite finanziert. Was die Maßnahmen in der Klützer Querfahrt angeht, ist die Kostenbeteiligung der deutschen Seite mit rund 5 Millionen Euro angesetzt. Bei den Ufersicherungen in der Westoder beträgt die deutsche Beteiligung 0,5 Millionen Euro. Bei den Unterhaltungsmaßnahmen an der Grenzoder finanziert jede Seite die Maßnahmen auf dem eigenen Territorium selbst. Im Hinblick auf die Baggerungen im Dammschen See beteiligt sich der Bund zu 50 Prozent, höchstens allerdings mit 12 Millionen Euro, an den Kosten. Das sind die Kosten, die in den einzelnen Bereichen anfallen. Sie sehen, es gibt auch Kostenteilungen, weil wir von deutscher Seite ein Interesse daran haben, dass diese Maßnahmen erledigt werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie dazu noch Nachfragen?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, vor allen Dingen dafür, dass Sie das so aufgeschlüsselt haben. Jetzt noch eine Frage - auf die Gefahr hin, dass Sie sie nicht sofort beantworten können -: Im Zusammenhang mit dem Ausbau der HohensaatenFriedrichsthaler Wasserstraße sind auf deutschem und auf polnischem Gebiet Brückenbaumaßnahmen erforderlich. Die Kosten dafür haben Sie jetzt nicht benannt. Sind diese Kosten schon enthalten?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Kollegin Behm, ich werde prüfen, ob das ein Teil der Wasserstraßenfrage ist und ob zwischen Polen und Deutschland unstrittig ist, dass die Brücken auf seinem Gebiet jeder selbst finanziert; ich gehe davon aus, dass das so ist. Ich werde Ihnen das zukommen lassen. Die Brücken sind nicht Teil dieses Eckpunktepapiers. Für den Ausbau dieser Wasserstraße braucht man entweder einen Staatsvertrag oder ein Regierungsübereinkommen. Bei den Brücken ist das eher nicht so. Für die Brücken gibt es wahrscheinlich unabhängig von einem Staatsvertrag eine zusätzliche Verabredung; denn sie befinden sich ja auf deutscher bzw. auf polnischer Seite.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Noch eine Nachfrage?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne. - Beabsichtigt die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße, auf die Erhebung von Kanalgebühren zu verzichten?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Da das keine Maßnahme nur vonseiten des Bundes ist, muss das mit der polnischen Seite geklärt werden.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Nachfrage hat die Kollegin Dr. Dückert.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich habe nur eine kurze Frage. Sie haben eben erwähnt, dass bei der Überprüfung der alternativen Möglichkeiten für eine Eisabfuhr vermutlich gutachterliche Stellungnahmen eingeholt worden sind und Überprüfungen stattgefunden haben. Ich würde Sie bitten, uns die Ergebnisse dieser Gutachten zur Verfügung zu stellen.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Es ist üblicherweise so: Wenn wir eine Bundeswasserstraße ausbauen oder verändern, brauchen wir die Expertise unserer eigenen Behörden oder aber von anderer Seite. Wenn die polnische Seite damit einverstanden ist - das ist ja ein gemeinsames Projekt von deutscher und polnischer Seite -, dass wir die Expertisen vorlegen, dann werden wir das tun.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zur Frage 34 der Kollegin Gitta Connemann: Wann wird die Vorlage des Gutachtens der Bundesanstalt für Wasserbau über die Schlickverminderung im Rahmen des Aktionsprogramms Ems durch die Bundesregierung/das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erfolgen? Frau Staatssekretärin.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Connemann, es gibt schon ein erstes Zwischenergebnis. Wir haben im März 2009 vonseiten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest eine erste Studie der Bundesanstalt für Wasserbau vorgelegt bekommen, die zeigt, dass eine Sohlschwelle im Bereich des Emssperrwerkes grundsätzlich technisch machbar ist und eine Reduzierung des stromaufwärts gerichteten Schwebstofftransportes bewirken kann. Es ist offensichtlich eine technische Lösung gefunden worden, die den Schlickeintrag vermindert. Um das wirklich beurteilen zu können, brauchen wir allerdings weitere Untersuchungen. Deshalb haben wir die Wasser- und Schifffahrtsdirektion aufgefordert, diese einzuleiten. Wir sind aber noch nicht so weit, dass wir beurteilen können, ob das das Richtige ist. Wir müssen das noch weiter prüfen und dann natürlich auch die Kosten-Nutzen-Frage stellen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, Ihre Nachfrage bitte.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest ist beauftragt worden, weitere Daten zu erheben. Vor dem Hintergrund des Drucks, der in den Häfen vor Orten wie Leer, Weener, Jemgum oder Papenburg gegeben ist, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Verschlickung ein immer größeres Problem wird, weil sie dazu führt, dass Schiffe nicht mehr ausfahren können, frage ich Sie explizit: Wie ist der zeitliche Rahmen dafür bemessen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Connemann, wir wollen die Untersuchung natürlich so schnell wie möglich voranbringen. Sie haben gesehen, dass wir schon ein Zwischenergebnis haben, was positiv zu werten ist. Wir brauchen aber die weiteren Untersuchungen und die Kosten-Nutzen-Analyse. Insofern brauchen wir Zeit. Sie sehen, dass wir mit Hochdruck arbeiten. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, dass wir bis zum Ende des Jahres fertig sein werden; das wäre nicht angemessen. Wir arbeiten aber mit Hochdruck an diesen Untersuchungen, weil wir das Thema genauso einschätzen wie Sie.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Frage zu diesem Thema?

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, vielen Dank. - Ich weiß, dass das Verkehrsministerium sehr bemüht ist und die dortige Wasserschifffahrtsdirektion alles möglich zu machen versucht. Ausschlaggebend ist aber das Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau. In diesem Rahmen habe ich eine Nachfrage: Werden zeitliche Vorgaben gesetzt? Jetzt neue Untersuchungen in Auftrag zu geben und abzuwarten, bis etwas Neues vorliegt, ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Erstellung dieses Gutachtens mehrere Jahre in Anspruch genommen hat, und vor dem Hintergrund der aktuellen Situation vor Ort wenig befriedigend.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Connemann, ich kann verstehen, dass Sie alles so schnell wie möglich haben möchten. Es geht hier aber um Gründlichkeit und Finanzierbarkeit im Sinne der Steuerzahler. Wir müssen uns klar darüber sein, was zu machen ist. Daher brauchen wir einfach Zeit. Wir haben kein Interesse an Verzögerungen. Wir haben auch kein Interesse an langfristigen Planungen oder Untersuchungen. Wir haben aber ein Interesse daran, vor einer möglichen Investition zu wissen, ob es wirkt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zur Frage 35 der Kollegin Gitta Connemann zum gleichen Themenkomplex: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der am 9. Februar 2009 im Rahmen einer Informationsveranstaltung für Fischer in Greetsiel vorgestellten Pläne der niederländischen Behörden über Art und Umfang der geplanten Baggerungs- und Verklappungsmaßnahmen in der Ems im Zusammenhang mit dem Ausbau des Eemshavens sowie der Vertiefung der Zufahrt zum Eemshaven auf die Fischereibetriebe in Ditzum und Greetsiel, und hat die Bundesregierung sich bei den niederländischen Behörden dafür eingesetzt, dass analog der Vereinbarungen in Deutschland mit der Wasserund Schifffahrtsdirektion Nordwest auch in den Niederlanden ein fischerwirtschaftliches Gutachten unter Einbeziehung der deutschen Fischereibetriebe in Auftrag gegeben wird?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Die Bundesregierung nimmt die Sorgen der Küstenfischer sehr ernst. Deshalb hat sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits im Sommer des letzten Jahres mit der Bitte an das nieder24176 ländische Verkehrsministerium gewandt, die Belange von Fischerei und Tourismus bei der niederländischen Planung möglichst frühzeitig zu berücksichtigen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in der angesprochenen Informationsveranstaltung vorgestellten und bisher in Form von Literaturstudien angelegten Betrachtungen der Effekte des niederländischen Ausbaus auf den Krabben- und Fischbestand durch fischereibiologische Untersuchungen ergänzt werden. Dabei stellt sich auch die Frage nach einem fischereiwirtschaftlichen Gutachten im Zusammenhang mit dem Tourismus. Diese Position hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegenüber dem niederländischen Verkehrsministerium schriftlich dargelegt. Ich hoffe, dass unsere Position von der niederländischen Seite berücksichtigt wird.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, Ihre Nachfrage bitte.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Problematik liegt auf der Hand. Wir haben es mit einem anderen Nationalstaat und damit natürlich auch mit eingeschränkten Möglichkeiten für die Bundesregierung zu tun. Gestatten Sie mir deshalb die folgende Nachfrage: Welche Möglichkeiten und Maßnahmen sieht oder erwägt die Bundesregierung außerhalb des niederländischen Verwaltungsverfahrens bzw. der beiden Verfahren, um die Fanggebiete der Fischer in der Außenems zu sichern und sie vor den Auswirkungen der Ausbau- und Unterhaltungsarbeiten zu schützen?

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Bitte sehr.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Liebe Kollegin Connemann, das ist eine schwierige Thematik. Wir können von unserer Seite nicht in die Ausbaupläne der niederländischen Seite eingreifen. Gleichzeitig sehen wir aber das Problem. Wir haben deshalb Gespräche mit den Niederlanden geführt und unsere Position nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich klargemacht. Minister Tiefensee hat sie gegenüber dem Verkehrsministerium deutlich gemacht und war, wie Sie wissen, vor Ort und hat dieses Thema aufgegriffen. Wir müssen darauf bestehen, dass jedes Land, jeder Nationalstaat berücksichtigt, was bei einem Grenzfluss zu berücksichtigen ist. Deshalb möchten wir diese Gutachten gern haben. Deshalb wollen wir auch mit einer relativ zeitnahen Planung gemeinsam vorankommen. Da die Niederländer auch ein Interesse am Ausbau haben, glaube ich, dass wir zeitlich nicht ganz so weit auseinander liegen. Aber auch hier gilt: Untersuchungen brauchen ihre Zeit. Ich hoffe, dass die niederländische Regierung, genauso wie wir, schnell vorankommt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie noch eine Nachfrage?

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Von entscheidender Bedeutung ist natürlich die Entwicklung der Fangwertigkeit der Gebiete. In diesem Revier liegt ein hohes wirtschaftliches Interesse der Fischer. Werden nach Abschluss der Ausbauarbeiten auf deutscher und niederländischer Seite, soweit Sie das für die deutsche Seite beurteilen können, Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, mit denen die Entwicklung der Fangwertigkeit des Reviers über die Jahre dokumentiert wird? Ist das jedenfalls für die deutsche Seite angedacht?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Connemann, wir haben natürlich ein Interesse daran, dass dieses Thema einigermaßen wissenschaftlich abgesichert ist, aber wir können Untersuchungen ja nicht vorgreifen. Wir werden auch sehen, was das bedeutet und ob es tatsächlich zu Veränderungen kommt. Dann müssen auch die Investitionsmaßnahmen entsprechend abgestimmt werden. Sonst brauchen wir keine Untersuchungen. Wenn durch die Untersuchungen also Hinweise darauf gegeben werden, dass es schwierig ist, dann muss sowohl die deutsche als auch die niederländische Seite mit den Ausbaumaßnahmen entsprechend reagieren. Ich glaube, das ist das Vorgehen: erst die Untersuchung, dann die Entscheidung.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung dieser Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Frage 36 der Kollegin Cornelia Pieper und die Fragen 37 und 38 der Kollegin Cornelia Hirsch werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Auch diese Fragen, die Frage 39 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch und die Fragen 40 und 41 der Kollegin Sevim Dağdelen, werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Die Frage 42 des Kollegen Hans-Christian Ströbele, die Frage 43 des Kollegen Reinhard Grindel und die Frage 44 der Kollegin Dr. Kristina Köhler werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Zur Beantwortung der letzten beiden Fragen dieser Fragestunde aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts steht Herr Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung. Ich rufe die Frage 45 der Kollegin Kerstin Müller auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Aussagen des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman während seiner Europareise, in denen er die Zweistaatenlösung als „Slogan“ bezeichnet hat und sich vom bisVizepräsidentin Gerda Hasselfeldt herigen Friedensprozess distanziert, und welche Position hat sie bei den direkten Zusammentreffen mit Avigdor Lieberman vertreten, insbesondere in der Frage der Siedlungspolitik und der ausstehenden EU-Vertiefung? Herr Staatsminister, bitte.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kollegin Kerstin Müller, die Bundesregierung hat seit dem Amtsantritt der neuen israelischen Regierung bei zahlreichen Gelegenheiten ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die israelische Regierung im Nahostfriedensprozess an den Ergebnissen bisheriger Verhandlungen und am Ziel einer Zweistaatenlösung festhält. Nach der am 19. November 2003 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen indossierten Roadmap ist Israel zu einem Abbau der Siedlungsaußenposten und zur Einstellung jeder Siedlungsaktivität einschließlich des natürlichen Wachstums verpflichtet. Angesichts dieser Verpflichtung hält die Bundesregierung den fortgesetzten Siedlungsbau in der Westbank und in Ostjerusalem für nicht akzeptabel und für eine Gefahr für die Realisierbarkeit der Zweistaatenlösung. Die Bundesregierung und ihre europäischen Partner haben ihre Haltung zur Siedlungsproblematik wiederholt und unmissverständlich deutlich gemacht und fordern einen Stopp des Siedlungsaus- und -neubaus in der Westbank und in Ostjerusalem sowie die Räumung illegaler Außenposten. Diese Position hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, auch bei seinem Treffen mit dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman am 7. Mai 2009 in Berlin vertreten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Kerstin Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002741, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

So weit, so gut, Herr Staatsminister. Wenn dem so ist, habe ich eine Nachfrage. Weder der Außenminister Lieberman noch der neue Premierminister Netanjahu haben bisher ein klares Bekenntnis zur Zweistaatenlösung abgegeben. Hinsichtlich des Siedlungsbaus haben sie sich - vor allen Dingen Lieberman - im Gegenteil sehr klar für einen Ausbau ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund frage ich: Wie verhält sich die Bundesregierung zu der anstehenden Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und Israel? Ist sie wie Ferrero-Waldner auch der Meinung, dass diese Vertiefung an einen Fortgang in der Siedlungspolitik und an ein klares Bekenntnis der neuen Regierung zur Zweistaatenlösung geknüpft werden muss?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Müller, jetzt haben Sie praktisch Ihre zweite Frage mündlich gestellt. Frau Präsidentin, die Frage ist, ob ich bei dieser Gelegenheit nicht einfach die zweite Frage beantworten soll. Ansonsten müsste ich sie jetzt sozusagen noch einmal frei beantworten.

Kerstin Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002741, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Fragestellerin ist einverstanden. Natürlich, Herr Staatsminister. Ich rufe jetzt zusätzlich die Frage 46 auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU-Kommission, dass die weitere Umsetzung der beschlossenen Vertiefung der Beziehungen mit der Europäischen Union von einem klaren Bekenntnis zur Zweistaatenlösung der neuen israelischen Regierung und dem Fortgang in der Siedlungspolitik abhängig gemacht werden soll und, falls nicht, warum nicht?

Not found (Gast)

Die Antwort auf die Frage lautet wie folgt: Die Bundesregierung hat ihre Erwartung, dass die israelische Regierung am Ziel einer Zweistaatenlösung festhält, und ihre Position zur Siedlungsproblematik bei zahlreichen Gelegenheiten deutlich gemacht. Mit Blick auf die Vertiefung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel haben die Außenminister der Europäischen Union am 8. Dezember 2008 ihre Entschlossenheit bekräftigt, die bilateralen Beziehungen qualitativ und quantitativ zu verstärken. Dabei haben sie wiederholt, dass der Prozess zur Vertiefung der Beziehungen im Kontext der gemeinsamen Interessen und Ziele betrachtet werden muss, zu denen auch eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts durch Umsetzung der Zweistaatenlösung zählt. Diese Beschlusslage gilt fort.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Zusatzfrage.

Kerstin Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002741, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ihre Formulierung „im Kontext“ beantwortet meine Frage nicht konkret. Am 15. Juni findet die nächste Sitzung des Assoziationsrates EU-Israel statt. Ich wüsste gerne klipp und klar, wofür die deutsche Bundesregierung innerhalb der EU eintritt: für eine kritische Bestandsaufnahme und zeitlichen Aufschub - so jedenfalls die Mehrheit der EU-Partner - oder eine rasche Umsetzung der 2008 beschlossenen Vertiefung? Sind Sie dabei Bremser, oder unterstützen Sie Ferrero-Waldner und die Mehrheit der EU-Partner in der Frage der Fortführung der Vertiefung jetzt, ohne Ansehen der Position der neuen Rechtsregierung?

Not found (Gast)

Kollegin Müller, zunächst einmal ist klar, dass der Beschluss des Rates vom 8. Dezember nicht aufgehoben worden ist. Mit dem Kontext ist aber durchaus ein verbindliches Junktim hergestellt worden. Wenn Sie mich jetzt persönlich fragen, was am 15. Juni passieren wird, dann muss ich Ihnen antworten, dass ich mir unter diesen Umständen zurzeit nicht vorstellen kann, dass es zu einer Umsetzung der Vertiefung kommt. Allerdings hat der Abschluss der Policy Review, wie es auch in Israel genannt wird, bisher noch nicht stattgefunden. Zum Beispiel steht am 18. dieses Monats ein Besuch Netanjahus in den USA bevor. Es wird erwartet, dass die Policy Review bis dahin abgeschlossen ist, sodass wir dann genauer wissen, wie es um die Zweistaatenlösung steht. Inzwischen ist auf die neue israelische Regierung ein erheblicher Druck ausgeübt worden, unter anderem am 11. Mai mit einer Präsidentialerklärung der Vereinten Nationen - hinter der ein einstimmiges Votum steht -, in der noch einmal direkt auf die Zweistaatenlösung hingewiesen wird. Wir wissen nicht, wie sich das auswirkt. Insofern hängt es auch von dem weiteren Verhalten der neuen israelischen Regierung ab, wann und wie schnell es zu einer Umsetzung der Ratsschlussfolgerungen vom Dezember letzten Jahres kommt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich bitte um Verständnis, was Nachfragen angeht. Wir haben die zur Verfügung stehende Zeit schon überschritten. Ich würde deshalb gerne die Fragestunde abschließen. ({0}) Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen und schließe die Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kompetenzstreit der Bundesregierung bei der Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass der Versuch abgebrochen worden ist, die Geiseln der MS Stavanger gewaltsam zu befreien. Trotz dieser richtigen Entscheidung muss ich feststellen, dass sich die Bundesregierung mit dieser Operation schwer blamiert hat. Sie wollten mit einem Husarenstück international in der ersten Liga spielen, und das ging völlig daneben. Es fing mit dem Transport an. 200 Polizisten und Hubschrauber konnten nicht dorthin gebracht werden, weil auf dem internationalen Markt keine ausreichenden Charterkapazitäten zur Verfügung standen. Diese Operation war dann so geheim, dass Sie zwar mit Falschinformationen Abgeordnete an einem Besuch der Truppe in Mombasa gehindert haben, aber während der ganzen Vorbereitungszeit unter ständiger Begleitung von Spiegel Online standen. Das war sozusagen die erste Kommandoaktion mit Embedded Journalists. ({0}) Von dieser Posse - wenn man das so nennen will möchte Frau Merkel nun mit einer Debatte um die Kompetenzen der Bundeswehr ablenken und das Grundgesetz ändern. Wenn man sich diese Operation anschaut, stellt man fest: Es gibt kein verfassungsrechtliches Problem, das diese Operation auch nur eine Sekunde behindert hätte. Das sagt selbst die Bundesregierung. ({1}) In allen Unterrichtungen in den Ausschüssen war völlig klar: Dieser Einsatz ist nicht an verfassungsrechtlichen Kompetenzproblemen gescheitert, sondern daran, dass es einfach nicht ging und dass ausschließlich die GSG 9 und nicht das KSK die Fähigkeit hat, eine solche Operation durchzuführen. ({2}) Das ist im Übrigen der Grund, warum die Bundesregierung schon im Herbst 2008 beschlossen hat - nicht irgendeine rot-grüne Bundesregierung, sondern Ihre ({3}) - auch deine, wenn Du darauf so stolz bist -, ({4}) dass die GSG 9 im Rahmen von „Atalanta“ bei solchen Operationen zum Einsatz kommt. Noch einmal: Es fehlte also nicht an Kompetenzen. Vielmehr ging es einfach nicht. Wenn Sie in einer solchen Situation erneut - ich weiß nicht, zum wievielten Mal - darüber diskutieren, wie es sich mit dem Grundgesetz und den Rechten des Militärs verhält, dann tun Sie so, als fände „Atalanta“ in einer rechtlichen Grauzone statt. Ich sage Ihnen: Das ist falsch. ({5}) Diese Mission beruht auf Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats, einem EU-Mandat und einem Mandat des Deutschen Bundestages. Sie ist zudem durch Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes gedeckt. Dadurch ist auch ein möglicher Einsatz des KSK abgedeckt. Hören Sie endlich auf, die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten durch solche Verdächtigungen sozusagen an den Rand der Verfassungswidrigkeit zu stellen! ({6}) Vor dem Hintergrund eines solchen nicht ganz ungefährlichen Einsatzes im Ausland wollen Sie erneut eine Debatte über die Trennung von äußerer und innerer Sicherheit führen. Sie wollen die Trennung zwischen Polizei und Militär aufheben. Sie wollen - so heißt es in Ihrem Fraktionspapier - die Trennung zwischen Krieg und Frieden beenden. Das alles haben die dort eingesetzten Soldatinnen und Soldaten sowie die Polizeibeamten vor Ort nicht verdient. Das alles stellt im Übrigen einen Anschlag auf das Grundgesetz dar, angestoßen von der Bundeskanzlerin und gedeckt durch den Verfassungsminister, und das nur, weil Sie sich aus der Verantwortung für diese Aktion „Wasserschlacht“ stehlen wollen. ({7}) Wir haben allerdings ein eklatantes Führungsproblem. Wir wären froh, wenn es ein einheitliches Vorgehen bei im Rahmen von „Atalanta“ gefassten, der Piraterie Verdächtigen gäbe. Aber das ist nicht der Fall. Das ist wirklich ein rechtliches Problem. Die einen lässt man laufen. Die anderen schickt man nach Hause vor Gericht. Wiederum andere schickt man nach Kenia. Aber eine rechtlich einwandfreie Strafverfolgung solcher Täter ist nicht sichergestellt. Ich empfehle Ihnen: Betreiben Sie mit dem gleichen Aufwand und der gleichen Emphase, die Sie bei einer Grundgesetzänderung an den Tag legen, die Durchsetzung eines internationalen Gerichtshofs! ({8}) - Herr Wiefelspütz, die Bundesregierung tut gar nichts; das haben alle Unterrichtungen im Ausschuss ergeben. Sie müssen sich gar nicht dazwischenwerfen. Die Wahrheit ist: Sie wollten ein Exempel statuieren und nicht länger Lösegeld zahlen. Das ist legitim, genauso wie die Erwägung, Gewalt in solchen Fällen anzuwenden. Aber das Risiko für 24 Geiseln auf einem 150 Meter langen Schiff war zu hoch. Das hat übrigens auch die Bundespolizei so gesehen. Warum sind Sie nicht gleich der Analyse des Bundespolizeipräsidiums gefolgt? Warum galt für Sie bei unterschiedlichen Risikoanalysen nicht der Grundsatz „Im Zweifelsfall geht das Leben der Geiseln vor“, Herr Minister? Warum mussten Sie sich von den USA zu dieser Entscheidung drängen lassen? Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich bin James Jones dankbar. Die USA haben mit ihrer Entscheidung ein Fiasko verhindert. Sie haben bewiesen, dass sie in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Ihnen dagegen, Herr Minister, und der Bundesregierung fehlt es an Verantwortungsbewusstsein und Fähigkeiten. Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU, fehlt es an Respekt vor der Verfassung. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die unerträglichen Äußerungen des Kollegen Trittin eingehe, möchte ich etwas ganz anderes tun. ({0}) - Schweigen Sie! ({1}) Bei der Bundeswehr und bei der Bundespolizei arbeiten Menschen, die bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern, um das Leben anderer Menschen zu retten, anstatt dass sie so daherschwadronieren, wie Sie es getan haben. Dafür ganz herzlichen Dank. ({2}) Sie waren zum Einsatz bereit, und dann wurde am Ende eines mehrwöchigen Abwägungsprozesses von der Bundesregierung die politische Entscheidung getroffen, angesichts dieses Risikos den Einsatz doch nicht durchzuführen, weil das Leben der Menschen in zu großer Gefahr war. Die Entscheidung war richtig. Jetzt kommt der Grüne Trittin, stellt sich ans Rednerpult und versteigt sich zu der unsäglichen Infamie, zu sagen, der Bundesinnenminister habe sich aus der Verantwortung davongestohlen. ({3}) Widerwärtig. Sie können dem Bundesinnenminister Schäuble alles Mögliche vorwerfen, aber zu behaupten, dass sich dieser Minister aus der Verantwortung stiehlt da hört es wirklich auf. ({4}) Der Minister war bereit, die volle Verantwortung zu übernehmen, und zwar unabhängig vom Ausgang dieses Einsatzes. Lassen Sie mich jetzt einige Anmerkungen zu Ihren Ausführungen zum Grundgesetz machen. Es gab keinen Streit über die Ressortvereinbarung. Insoweit haben Sie richtig zitiert. Man war sich von Anfang an einig, dass die GSG 9, militärisch unterstützt, zum Einsatz kommen soll. Dass man zum Schluss die Amerikaner brauchte, weil der nötige Helikopterträger nicht zur Verfügung stand, hat vielleicht auch etwas mit einer verfehlten Be24180 schaffungspolitik während der siebenjährigen rot-grünen Regierungszeit zu tun. ({5}) Sie hätten sieben Jahre Zeit gehabt, einen Helikopterträger zu beschaffen. ({6}) Jetzt komme ich zum Grundgesetz. Art. 87 a des Grundgesetzes sagt klipp und klar - hören Sie zu, wenn ich aus dem Grundgesetz zitiere, statt herumzuplärren, Herr Trittin -: ({7}) ({8}) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf … ({9}) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Wenn Sie im Grundgesetz weiterlesen, dann finden Sie natürlich nirgendwo etwas zur Pirateriebekämpfung. ({10}) Also macht man sich mühsam auf die Suche nach einer Legitimation und landet bei Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes. Dort heißt es: Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen … Dieses wird als Legitimation herangezogen. Das kann man juristisch machen, das ist nicht falsch. Nur, es zeigt eben, dass wir nach geltendem Grundgesetz nicht in der Lage sind, ohne ein EU-Mandat oder VN-Mandat autonom als deutscher Staat die Bundeswehr bei neuen Bedrohungslagen zum Einsatz zu bringen. ({11}) Wir sind immer von einem solchen Mandat abhängig, auf das wir uns zurückziehen. ({12}) Das heißt, wir haben auf die asymmetrische Bedrohung, die zur Folge hat, dass die innere von der äußeren Sicherheit natürlich nicht mehr zu trennen ist, noch nicht die richtige juristische Antwort gefunden. ({13}) Wir werden uns also entscheiden müssen, ob wir die GSG 9, das KSK oder beide zum Einsatz bringen wollen. Diese Entscheidung muss getroffen werden. Die Fähigkeiten müssen auf jeden Fall da sein. Wenn eine entsprechende Entscheidung gefällt wird, dann muss die Truppe für Wochen und Monate in die Region geschickt werden, und dann fehlt sie in Deutschland, wenn es die GSG 9 sein sollte. Das will wohlbedacht sein. Das heißt, in der derzeitigen Situation können wir die Piraterie nicht wirksam bekämpfen. Hier muss noch nachgebessert werden, sowohl was die richtige Ausrüstung als auch was die richtige Struktur betrifft. Wir müssen die Piraterie bekämpfen wollen und bekämpfen können. ({14}) Es ist die freie Entscheidung von Hamburger Reedern, ihre Schiffe unter einer Billigflagge und mit einer Besatzung, die zu Niedriglöhnen arbeitet, über die Meere fahren zu lassen. Früher nannte man sie „Hamburger Pfeffersäcke“. Aber es ist die alleinige Entscheidung des deutschen Staates, im Kampf gegen Piraterie vom Gewaltmonopol Gebrauch zu machen. Der deutsche Staat und die Regierung in Berlin entscheiden, ob geschossen wird oder nicht, und dabei soll es auch bleiben. Wir sollten uns auf den Weg machen, die Strukturen so zu organisieren, dass wir dieser Bedrohung Herr werden. Dazu gehört vielleicht auch, noch einmal darüber nachzudenken, wie die Befehlsstrukturen aussehen, darüber nachzudenken, ob es klug ist, neben militärischen Einheiten Polizeieinheiten einzusetzen oder doch eine reinrassige militärische Lösung zu wählen. ({15}) Das alles ist noch nicht zu Ende diskutiert. Wir stehen für eine solche Diskussion selbstverständlich zur Verfügung. Aber wir müssen handlungsfähig werden und können uns nicht so verhalten wie Sie, Herr Trittin, von dem ich bis heute noch nicht weiß, was Sie eigentlich mit Ihrer seltsamen, diffamierenden Rede wollten. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von der FDP-Fraktion. ({0})

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu der Diskussion, die wir heute führen, mache ich eine Vorbemerkung. Meines Erachtens ist es gut und wichtig, dass wir als Bundesrepublik Deutschland mit der GSG 9 bei der Bundespolizei und mit dem KSK bei der Bundeswehr zwei Spezialeinheiten haben; beide brauchen wir auch weiterhin. Beide haben exzellente Fähigkeiten; sie sind in der Vergangenheit in schwierigen Situationen eingesetzt worden und haben sich darin unter Beweis gestellt. Sie haben hohe Einsatzbereitschaft gezeigt; diese ist nach wie vor vorhanden. Deswegen sage ich an dieser Stelle erst einmal ein herzliches Dankeschön an die Polizisten und an die Soldaten, die in diesen Einheiten ihren Dienst tun. ({0}) Bezogen auf den konkreten Fall der „Hansa Stavanger“ unterstreiche ich: Erstens halte ich es für richtig, dass man den Versuch unternommen hat, zu helfen. Zweitens glaube ich nicht, dass das Parlament wirklich die konkreten Umstände beurteilen kann, die am Ende zum Abbruch dieser Aktion geführt haben. Ich sage jedenfalls für meine Fraktion: Wir haben vollstes Vertrauen in die Kompetenz und in die Lagebeurteilung der Einsatzführer vor Ort. Sie tragen eine hohe Verantwortung; sie verdienen unser aller Respekt und unsere Unterstützung. ({1}) Kein Verständnis habe ich allerdings für das Verhalten der Bundesregierung, und dies in mehrfacher Hinsicht. Der Fachverbandsvorsitzende für die Bundespolizei der Polizeigewerkschaft, Herr Zastrow, hat in einem Interview geäußert, dass die Verzögerungen und der Abbruch die Folge von langwierigen Abstimmungsprozessen gewesen seien. Solche Kompetenzstreitigkeiten sind nicht hinnehmbar. Sie gefährden nicht nur die effektive Pirateriebekämpfung, sondern unter Umständen auch Leib und Leben der Betroffenen. Deswegen sage ich ganz klar: Die Bundesregierung hat alle Betroffenen in eine schwierige Situation gebracht. Es braucht klare Zuständigkeiten; das ist das A und O jedes Einsatzes. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, hier Klarheit zu schaffen. ({2}) Dabei hat vorher angeblich alles gestimmt, denn man hatte ja alles geklärt. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung: Theoretisch, auf dem Papier, war es so, aber praktisch waren Sie in keiner Weise vorbereitet. Wenn wir dann hören, was die internationalen Partner sagen, dann entsteht zumindest der Eindruck, dass die unterschiedlichen Ministerien, die ja vielfältig zuständig waren, sich offensichtlich unterschiedlich geäußert haben. Ein solches Verhalten ist absolut kontraproduktiv. An dieser Stelle betone ich: Hier ist die Bundeskanzlerin gefordert, dem ein Ende zu bereiten und Klarheit zu schaffen. ({3}) Stattdessen führt sie eine Diskussion über eine Grundgesetzänderung, zusammen mit Bundesinnenminister Schäuble und Bundesverteidigungsminister Jung, von denen wir nichts anderes gewohnt sind und die jede erdenkliche Gelegenheit dazu nutzen, einen Bundeswehreinsatz im Inneren über die Hintertür durchzusetzen. Die Abläufe bei der „Hansa Stavanger“ haben jedoch nichts, aber auch gar nichts mit der Verfassung zu tun. ({4}) Sie haben auch nichts mit einer mangelnden rechtlichen Grundlage zu tun. Vielmehr haben sie etwas mit Versäumnissen der Bundesregierung zu tun. Deswegen sagen wir: Schluss mit den Ablenkungsmanövern! ({5}) Herr Uhl, Sie haben hier gesagt, im Grundgesetz stehe nichts von Piraterie. Da steht auch nichts von Afghanistan, von UNIFIL und von Kosovo. Wenn wir Ihrer Argumentation folgten, dürften wir keinen einzigen Auslandseinsatz durchführen. ({6}) Herr Uhl, ich sage Ihnen weiter: Wir haben hier im Deutschen Bundestag das Mandat „Atalanta“ beschlossen. In diesem Mandat ist ausdrücklich vorgesehen - ich zitiere -: die „Durchführung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Beendigung von seeräuberischen Handlungen …“. Das deckt die Geiselbefreiung ab. Die Probleme liegen also nicht in fehlender Rechtsgrundlage, sondern in fehlenden Fähigkeiten vor Ort. ({7}) Ich sage an dieser Stelle, an die Adresse der Bundesregierung gerichtet: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Bundeswehr in einen Einsatz mit einem klaren Auftrag und einem zu erwartenden Szenario schickt, der muss der Bundeswehr die für einen solchen Einsatz notwendigen Fähigkeiten mitgeben. Das ist erkennbar nicht der Fall gewesen. ({8}) Es braucht deshalb strukturelle Schlussfolgerungen, und zwar sowohl was das KSK als auch was die GSG 9 angeht. Beide sind exzellent ausgebildet. Sie sind gut ausgerüstet. Sie sind einsatzfähig, und sie sind auch einsatzwillig. Wenn dieser militärische Einsatz eine Geiselbefreiung umfasst, dann muss es vor Ort - wie beim Mandat „Atalanta“ - entsprechende Fähigkeiten und Kapazitäten geben, ({9}) schon allein deshalb, weil schnelles Handeln mehr Erfolgsaussichten hat. ({10}) Das bedeutet: In militärischen Missionen sollte das KSK die Zuständigkeit haben und sollte von vornherein dabei sein. Das hat mehrere Vorteile: eine klare Zuständigkeit, klare Verantwortung, kein Zeitverlust und die Kenntnis der Strukturen. Das heißt, wir würden damit optimale Bedingungen herstellen. Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Sowohl bei dem KSK als auch bei der GSG 9 besteht erkennbar die Notwendigkeit, bestehende Lücken bei Ausrüstung, Ausstattung und spezifischem Training zu schließen. Dass die Bundesregierung das mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir zunehmend stehen, nicht erkannt hat, ist ein schweres politisches Versäumnis, das nicht weiter auf dem Rücken der betroffenen Polizisten und Soldatinnen und Soldaten ausgetragen werden darf. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit den Ablenkungsmanövern endlich aufzuhören und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann von der SPD-Fraktion. ({0})

Michael Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich auch für die SPD-Fraktion zum Ausdruck bringen, dass wir, Herr Bundesinnenminister, mit großem Respekt auf den Einsatz der GSG 9 in Somalia blicken. Auch wenn der Einsatz im Endeffekt nicht stattgefunden hat, wissen wir, dass da Enormes geleistet wurde - bis hin zur Bereitschaft, das eigene Leben für unser Land und für deutsche Staatsbürger einzusetzen. Man kann den Dank dafür nicht oft genug wiederholen. ({0}) Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, meine Damen und Herren, Respekt verlangt uns aber auch die Position der Bundesregierung ab, die - keineswegs nach einen Kompetenzstreit - zu dem Ergebnis kam: Es muss Schluss sein mit dieser Lösegeldpolitik; es darf nicht sein, dass ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland durch Piraten oder anderes Gesindel auf Dauer erpressbar ist. ({1}) Respekt zollen wir auch allen, die sich der Schwere dieser Entscheidung in Krisenstäben und anderswo zu jedem Zeitpunkt bewusst waren, die keineswegs leichtfertig abgewogen haben, um dann schließlich - unter welchen Rahmenbedingungen auch immer, Herr Trittin zum Ergebnis zu kommen: Wir machen das nicht. Respekt verlangt nämlich auch der Mut, zu sagen - das hat nichts mit Feigheit zu tun -: Nein, wir schicken unsere Bundespolizeibeamten nicht in dieses Risiko hinein; nein, wir wollen die Geiseln der Todesgefahr nicht aussetzen. - Es kann klug und richtig sein, so zu entscheiden. Wie wir heute wissen, war es klug und richtig, dass so entschieden wurde. Wir als Abgeordnete dieses Parlaments sollten mit manchen Urteilen, wie sie in allen Lagern getroffen worden sind, deshalb vorsichtig sein. Wir als Deutscher Bundestag können wahrhaftig nicht die Polizeiführer vor Ort ersetzen. Manche Äußerungen der letzten Tage und Wochen haben den Anschein erweckt, als wüssten wir besser Bescheid als ein gut ausgebildeter GSG-9-Mann vor Ort. Das ist Unsinn. ({2}) Jetzt ist aber zu überlegen: Welche Konsequenzen sind zu ziehen? Soweit wir politisch gefordert sind, wollen wir einen Beitrag dazu leisten. Dieser Beitrag kann so aussehen, dass wir gemeinsam mit dem Bundesverteidigungsminister und gemeinsam mit dem Bundesinnenminister darüber nachdenken, wie wir die Mannschaft optimal ausstatten. Stimmt da alles in puncto Ausstattung? Offensichtlich nicht. Wir müssen uns auch überlegen, wie wir in puncto Ausbildung helfen können. Gegebenenfalls müssen wir bereit sein, dafür Geld in die Hand zu nehmen. Nur eines brauchen wir nicht: eine erneute Diskussion um eine in diesem Falle völlig überflüssige Grundgesetzänderung. ({3}) Diese Diskussion verläuft ja ein bisschen nach der Methode: Und ewig grüßt das Murmeltier. Jedes Mal, wenn sich eine Gelegenheit bietet, redet man darüber, ob man nicht die Bundeswehr im Innern einsetzen kann, ob die Bundeswehr nicht verstärkt Polizeiaufgaben wahrnehmen kann. ({4}) Ich möchte einmal daran erinnern, was die Kanzlerin - auch sie hat sich ja in diese Diskussion eingeschaltet richtigerweise vor dem Kongress der Gewerkschaft der Polizei vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat: Eine der Sorgen der Polizistinnen und Polizisten ist, dass die Bundeswehr jetzt klassische Polizeiaufgaben ausführt. Meine Damen und Herren, ich sage ganz eindeutig: Das ist nicht geplant. Ich sage das jetzt einfach auch einmal als CDU-Vorsitzende: Das ist auch von der Christlich Demokratischen Union nicht geplant. Sie brauchen daran nicht zu zweifeln. Das ist so. Ich nehme die Kanzlerin beim Wort. ({5}) Michael Hartmann ({6}) - Na ja, sehen Sie, ich bin da naiver als Sie, Herr Trittin. Sie sind schon länger im Geschäft und deshalb etwas abgebrühter. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen also, wir brauchen keine Debatten dieser Art, sondern wir brauchen Debatten um eine optimale Aufstellung sowohl der Bundeswehr als auch der Polizei. Die Frage lautete ja nicht: „Wer darf es?“, sondern: „Wer kann es?“. Wir mussten viele Notnägel benutzen, um das überhaupt zu können, auch wenn der Einsatz am Schluss nicht stattgefunden hat. Im Übrigen sollten wir uns, wenn wir solche Debatten führen, daran erinnern, dass diese auch in die Mannschaft hineinwirken, Herr Bundesinnenminister. Ich glaube nicht, dass die Bundespolizistinnen und Bundespolizisten glücklich darüber sind, dass sie immer wieder als Vehikel benutzt werden, um das Thema „Bundeswehreinsätze im Innern“ voranzutreiben. Ich glaube auch nicht, dass die Bundeswehr, die es in vielen Bereichen schwer genug hat, glücklich darüber ist, dass mit ihr so verfahren wird, als könne man sie beliebig selbst für Debatten, die innerparteilich befriedend wirken sollen, instrumentalisieren. ({7}) Im Übrigen stellt sich doch die Frage - das ist mein letzter Satz -: Mit wem will man das eigentlich machen? Einen Theaterdonner kann man jederzeit aufführen. Herr Schäuble, ich weiß mittlerweile, dass Sie sich sehr verantwortungsbewusst und auch durchaus besorgt um die innere Sicherheit kümmern. Ich kenne Sie aber auch als gewieften Parteipolitiker. Diesem gewieften Parteipolitiker sage ich: Herr Bundesinnenminister, es gibt Wunschkoalitionen auf Ihrer Seite, es gibt Wunschkoalitionen auf anderer Seite. Eine Koalition bzw. Konstellation gibt es allerdings in diesem Hause nicht, und zwar auf Dauer nicht, nämlich eine Koalition bzw. Konstellation, die es möglich machen wird, dass eine Grundgesetzänderung herbeigeführt wird, damit die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden kann. Hören wir also mit dieser verunsichernden Debatte auf! ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Dr. Norman Paech von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe lange darüber gegrübelt, was der verschrobene, ursprünglich vorgesehene Titel der Aktuellen Stunde eigentlich bedeuten sollte: „Kompetenzstreit aus mangelnder Verantwortung der Bundesregierung bei der Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia“. ({0}) Jetzt ist er etwas verschlankt worden. Schließlich habe ich mir gesagt, das kann doch nur ein Ausdruck totaler Frustration über das sein, was bei der Piratenjagd alles fehlläuft, und darüber, dass man überhaupt nicht weiß, wie es weiterlaufen soll. In der Tat, die Bilanz ist wirklich kümmerlich. Nicht nur, dass die Befreiung der Besatzung der „Hansa Stavanger“ - zum Glück, muss man sagen - abgesagt werden musste, bevor die GSG 9 zum Einsatz kam. Übrigens sagen Sie, Herr Schäuble, den Bürgerinnen und Bürgern doch auch einmal, wie viel dieses schlecht geplante Abenteuer gekostet hat. Demnächst - wahrscheinlich schon bald, wie Herr Uhl meint - wollen Sie sich sogar noch einen eigenen Hubschrauberträger leisten, um von den USA ganz unabhängig zu werden und so etwas selber machen zu können. Viel schlimmer ist: Seitdem sich die Kriegsmarine vor dem Horn von Afrika tummelt, haben auch die Piraten aufgerüstet und ihre Angriffe um 20 Prozent gesteigert. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Angriffe im ersten Quartal 2009 sogar verdoppelt und die Lösegelder wahrscheinlich vervielfacht. Das Fazit kann doch nur lauten: Diese Militärmission ist gescheitert. Jetzt ist guter Rat teuer. ({1}) Nur einer hat offensichtlich einen Plan, unser Innenminister, der hartnäckig am Grundgesetz gräbt. Jeder hat seine eigene Art, Jubiläen zu feiern. Herr Schäuble will offensichtlich den 60. Jahrestag unseres Grundgesetzes mit einem Piratenartikel krönen. Die SPD hat schon kategorisch ihre Ablehnung signalisiert, und dafür sind Sie zu loben. Aber wer weiß schon, was die SPD in der nächsten Großen Koalition sagen wird? Deswegen eine Anmerkung dazu: Herr Schäuble und die CDU möchten mit der Grundgesetzänderung zwei langgehegte Träume auf einen Streich wahrmachen: endgültig die Trennung von Polizei und Militär aufheben, um sie je nach Belieben und ohne Bundestagsmandat einsetzen zu können, und zweitens den Einsatz der Bundeswehr im Innern ermöglichen. Ich sage Ihnen: Das werden wir nicht mitmachen, und ich hoffe, die jetzige diesbezügliche Mehrheit in diesem Plenum, die das nicht mitmacht, wird noch lange erhalten bleiben. ({2}) Wir müssen ehrlich sein: Die Piratenbekämpfung ist bei diesen Plänen nur ein Vorwand. Sie wird nicht nur missbraucht, um die strikte Trennung von Polizei- und Militäraufgaben aufzuheben und schließlich den Einsatz der Bundeswehr im Innern vorzubereiten. Sie wird auch missbraucht - und da sitzt leider die SPD mit im Boot -, um den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz strategischer Seetransporte zu legitimieren und um eine weitere massive Aufrüstung der Bundeswehr zu rechtfertigen. ({3}) Nur eines ist Ihnen offensichtlich vollkommen aus den Augen geraten, nämlich die Piraterie bei den Wurzeln zu packen. Sie haben vom Aufbau und der Stabilisierung - ich erinnere an die letzte Debatte - der staatlichen Strukturen in Somalia geredet, aber nichts Konkretes unternommen. Sie haben die Autoritäten von Somaliland und Puntland, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Piraterie haben, überhaupt nicht in Ihre Überlegungen eingebunden. Was haben Sie für die Beendigung der AntiTerror-Angriffe der USA auf Somalia und zur Durchsetzung des Waffenembargos der UNO getan? Nichts! Den Vorschlag einer internationalen, zeitlich begrenzten Küstenwache unter Führung der UNO und der AU haben Sie nicht einmal aufgegriffen. Und was hat die EU gegen den illegalen Fischfang und die Müllverklappung vor der Küste Somalias getan, die den Fischern die Existenz geraubt haben, sodass sie vom Fischfang zum Schiffsfang übergehen mussten? Gar nichts! Es sind ja nicht nur koreanische oder japanische Fischfangflotten, die dort räubern, sondern auch Europäer unter den Billigflaggen Kambodschas - stellen Sie sich vor: Kambodscha, ohne jegliche Küste, aber mit einer Billigflagge - und Panamas. ({4}) Wieso setzen Sie sich nicht gegen diese Art der Piraterie ein, die die Lebensgrundlagen der Küstenbevölkerung zerstört hat? Geben Sie - das zum Schluss - den Fischern ihre Fanggründe zurück! Dann würden Sie sehr viel mehr gegen die Piraterie machen als mit den Fregatten und der GSG 9. Danke sehr. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte in dieser Debatte doch erwähnen, dass sich die Besatzung der am 4. April um 7.20 Uhr gekaperten „Hansa Stavanger“ - fünf deutsche Staatsangehörige und 19 weitere Personen - noch immer in Geiselhaft befindet. Ich finde schon, wir sollten nicht mit Fischfangproblemen davon ablenken, dass Piraterie, Geiselnahme und die Kaperung von Schiffen menschenwidrige Verbrechen sind und dass wir dieser Form von organisierter Kriminalität wirklich ein Ende machen müssen. ({0}) Ich hatte durchaus meine Probleme mit der Formulierung des Themas dieser Aktuellen Stunde, Herr Kollege Trittin; denn alle beteiligten Bundesminister haben wiederholt erklärt, dass es zu keinem Zeitpunkt irgendeine Differenz zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium des Innern in dieser Frage gegeben hat. Wir waren uns im Krisenstab, in dem unter der Federführung des Auswärtigen Amtes alle beteiligten Bundesbehörden zusammenarbeiten, von Anfang an einig, dass man unmittelbar nach der Entführung versuchen muss, zu verhindern, dass das Schiff in der Nähe der somalischen Küste auf Reede kommt. Das hat der Kapitän der Fregatte der Bundeswehr nicht verwirklichen können, weil das aus seiner Sicht - und er musste diese Entscheidung treffen - mit einer nicht zu verantwortenden Gefahr für das Leben der Geiseln verbunden gewesen wäre. Daraufhin haben wir im Krisenstab völlig einvernehmlich entschieden, dass der Versuch unternommen werden müsse, die Geiseln zu befreien. Ob das zum Erfolg führen würde, konnten wir nicht wissen. Wir haben immer gesagt, dass am Ende der vor Ort führende Kommandeur, Herr Lindner, beurteilen und entscheiden muss, was zu tun ist. Ich bedanke mich für die anerkennenden Worte für die GSG 9 wie für die KSK. Beide Einheiten haben den Respekt und den Dank des ganzen Hauses verdient. ({1}) Auf jeden Fall haben wir im Krisenstab entschieden, dass die GSG 9 - mit dem damit notwendigerweise verbundenen Aufwand - in die Nähe des Frachters verlegt werden muss; denn sonst hätten wir von vornherein nicht einmal den Versuch unternommen, die in Geiselhaft Genommenen zu befreien und zu retten. In dieser Frage hat es - das will ich angesichts der Debatten über Rechtsfragen hinzufügen - nie ein Rechtsproblem gegeben; das hat auch niemand behauptet. ({2}) - Sie haben eines nicht erwähnt: Die Bundeswehr ist im Rahmen der europäischen Mission „Atalanta“ mit drei Fregatten und weiteren Kräften dort im Einsatz; das ist völlig unstreitig. Zu ihren Aufträgen gehören die Pirateriebekämpfung und notfalls auch die Rettung und Befreiung von Geiseln. Sie wissen aber, dass die militärische Führung der Mission „Atalanta“, die bei Großbritannien liegt, bisher nicht in einem einzigen Fall eine Initiative zur Befreiung eines gekaperten Schiffes ergriffen hat. Das ist ein Faktum. Ich habe das nicht zu kommentieren, aber es ist Realität. Alle Aktionen, die bisher zur Befreiung von gekaperten Schiffen unternommen worden sind, gehen ausschließlich auf nationale Initiativen und in keinem Fall auf Initiativen von europäischen oder sonstigen internationalen Missionen zurück. Nun ist wiederum unstreitig, dass auf Grundlage der geltenden Verfassung eine nationale Aktion zur Befreiung eines gekaperten Schiffes zweifelsfrei originäre Aufgabe der Bundespolizei - so steht es auch im Bundespolizeigesetz - und nicht der Bundeswehr ist. So ist die Rechtslage. ({3}) - Nein, überhaupt nicht. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz - das muss ich Ihnen nicht erklären, Herr Kollege Arnold - sieht vor, dass bei verfassungsrechtlich zulässigen Einsätzen der Bundeswehr das Parlament zu entscheiden hat. Aber das Parlamentsbeteiligungsgesetz ersetzt natürlich nicht die verfassungsrechtliche Grundlage für einen Einsatz der Bundeswehr, und die ist nun einmal so, dass der Einsatz der Bundeswehr nach Art. 87 a nur zur Verteidigung und darüber hinaus ausdrücklich nur in den vom Grundgesetz geregelten Fällen zulässig ist. Pirateriebekämpfung gehört unstreitig nicht dazu. Es gibt eine weite Auslegung des Grundgesetzes, nach der auch Piraterie als Angriff zählt. Nach der engen Interpretation ist das allerdings nicht der Fall. Deswegen haben wir immer vorgeschlagen, eine klarstellende Ergänzung im Grundgesetz vorzunehmen, wenn man zur Pirateriebekämpfung die Bundeswehr außerhalb internationaler oder europäischer Missionen einsetzen will. ({4}) - Im Rahmen der Operation „Atalanta“ ist ein solcher Einsatz nicht streitig, Herr Kollege Trittin; das hat auch niemand behauptet. Unstreitig ist auch, dass bei dieser Operation solche Aktionen bisher in keinem einzigen Fall durchgeführt wurden, also auch nicht im Fall der „Hansa Stavanger“. Mit all diesen brotlosen Debatten helfen wir den in Geiselhaft befindlichen Deutschen und den anderen Besatzungsmitgliedern der „Hansa Stavanger“ nicht. ({5}) Meine zweite Bemerkung. Ich habe mich noch heute Morgen beim Verteidigungsminister und auch beim Außenminister vergewissert, dass wir in der Beurteilung völlig übereinstimmen. Es hat zu keinem Zeitpunkt irgendeine Meinungsverschiedenheit, geschweige denn ein Kompetenzgerangel zwischen den beteiligten Ministerien gegeben. Wahrheitswidrige Behauptungen werden auch durch Wiederholung nicht wahr. Ich muss sie mit Entschiedenheit zurückweisen. Die Bundeswehr hat keinen Hubschrauberträger. Angesichts der Tatsache, dass die „Hansa Stavanger“ vor der Küste Somalias auf Reede liegt - Somalia ist bekanntlich ein „failed state“ - und somit eine Operation von Land aus nicht möglich gewesen ist, benötigte die GSG 9 für einen möglichen Einsatz eine Basis, um von See aus operieren zu können. Dazu brauchte sie einen Hubschrauberträger für sechs gleichzeitig operierende Hubschrauber, so die Lagebeurteilung des zuständigen Kommandoführers. Einen solchen Hubschrauberträger hat die Bundesmarine aber nicht. Er ist auch nicht innerhalb von ein paar Wochen zu beschaffen; es dauert schon ein bisschen länger. Dies sage ich, damit alle wissen, worüber wir reden. Auch die Bundespolizei hat keinen derartigen Hubschrauberträger. Deswegen waren wir dankbar, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereit gewesen sind, den Hubschrauberträger USS „Boxer“ für den Einsatz zur Verfügung zu stellen. Damit nicht solch sinnlose Debatten geführt werden, die einfach nur zur Verdrehung der Tatsachen führen, will ich deutlich sagen, dass die Vereinigten Staaten das Einsatzkommando über die USS „Boxer“ nicht an die Bundeswehr und schon gar nicht an die Bundespolizei abgetreten haben. Das hat auch niemand erwartet. Und nun haben wir gesagt: Wenn man es nicht versucht, hat man keine Chance. Wir sind alle traurig, dass das Vorhaben nicht gelungen ist. Am Ende haben wir die Entscheidung gemeinsam und ohne irgendwelche Meinungsunterschiede bei der Lagebeurteilung - und sei es nur in Nuancen - getroffen. Wir haben es Ihnen auch gesagt - einige von Ihnen waren dabei anwesend -: Angesichts des schwierigen Einsatzes war die Beurteilung der Beteiligten vor Ort: Es handelt sich zwar um einen riskanten Einsatz, aber das Risiko ist beherrschbar. So war die Beurteilung der Verantwortlichen der GSG 9 vor Ort und der verantwortlichen Offiziere auf der USS „Boxer“. Die amerikanischen Freunde und Partner konnten bei einer Übung der GSG 9 sehen, wie leistungsfähig sie ist. Aber es gab auch die gegenteilige Auffassung. Die eine Auffassung ist so legitim wie die andere. Da wir am Ende nicht zu der einvernehmlichen Beurteilung gekommen sind, dass der Einsatz vertretbar und das Risiko beherrschbar ist, musste der für den Einsatz der Bundespolizei im Ausland zuständige Bundesinnenminister - nur er und niemand sonst ist zuständig; man kann das im Bundespolizeigesetz nachlesen - im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt die Entscheidung treffen: Wir rufen die GSG 9 zurück. ({6}) - Aber es war auch die Entscheidung richtig, es wenigstens zu versuchen, indem wir die GSG 9 dorthin verlegt haben. ({7}) Es ist nicht zutreffend - ich weise diese Unterstellung mit Entrüstung zurück -, dass unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Bundesregierung diese Aktion in irgendeiner Weise behindert hätten. Es ist auch nicht richtig, dass die GSG 9 für einen solchen Einsatz nicht ausreichend ausgerüstet ist. Ich behaupte, die GSG 9 ist wahrscheinlich die beste Polizeieinheit auf der Welt, wenn es darum geht, ein gekapertes Schiff zu befreien. ({8}) Aber sie braucht für eine Operation von Seeseite - und das hat sie nicht - eine entsprechende Basis. So ist die Lage entstanden. Das ist der Sachverhalt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit allem Respekt: Wenn wir wollen - dafür spricht manches -, dass in Zukunft die Bundeswehr solche Einsätze fern von Europa durchführt, müssen wir eine verfassungsrechtliche Klarstellung schaffen. Wenn die Bundespolizei das machen soll, dann braucht sie die logistischen Möglichkeiten für einen schnellen Transport - die hat sie nicht und eine Basis, wenn sie von See aus operieren muss. Im Übrigen kann ich es nicht verantworten, dass sich praktisch die gesamte GSG 9 wochenlang fern von Deutschland befindet; ({9}) denn sie hat einen Auftrag im eigenen Land. Wenn wir über Konsequenzen aus diesen Erfahrungen reden wollen, dann lassen Sie uns in diesem Sinne darüber reden und nicht den Vorwurf erheben, irgendwelche Kompetenzstreitigkeiten seien die Ursache dafür gewesen, dass diese Aktion am Ende nicht zum Erfolg geführt wurde. Ich bleibe dabei: Wir müssen Piraterie und Geiselnahme mit aller Entschiedenheit bekämpfen. Dazu werden wir unsere nationalen wie internationalen Anstrengungen weiter verstärken müssen. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Omid Nouripour von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich habe Sie am Ende Ihrer Rede wirklich nicht mehr verstanden. ({0}) Sie haben eingangs gesagt, dass vor Ort entschieden wird, ob das Risiko tragbar ist. Sie haben gesagt, dass vor Ort entschieden wurde, dass das Risiko nicht tragbar sei, und die Mission deswegen abgebrochen wurde. Auf der anderen Seite aber haben Sie gesagt, dass wir eine Grundgesetzänderung brauchen, weil „Atalanta“ solche Einsätze gar nicht vorsieht. ({1}) So, wie Sie das formuliert haben, macht es aus meiner Sicht keinen Sinn. Ich bitte Sie auch, auf den Titel der Aktuelle Stunde, die wir beantragt haben, zu schauen. Es geht nicht um einen Kompetenzstreit innerhalb der Bundesregierung, was Sie mit großer Empörung zurückgewiesen haben, sondern um einen Kompetenzstreit, der dadurch ausgelöst wurde, dass Sie angefangen haben, über genau diese Grundgesetzänderung zu sprechen; denn das verunsichert die Bundespolizei. ({2}) Wir haben bei der Mission beobachtet, dass es einen Kompetenzstreit mit den Amerikanern gab, die bei dieser Mission am Ende faktisch entschieden haben, was passieren soll. ({3}) Wir reden heute über ein eigentlich wahnsinnig langweiliges Thema. Die Union hat wieder einmal einen Anlass gefunden, über den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu sprechen. Eigentlich geht es Ihnen nur darum. ({4}) - Wir haben sie beantragt, weil die Langeweile in dem Augenblick ein Stück weit an Brisanz gewinnt, in dem die Bundeskanzlerin so agiert, wie wir es eigentlich von Oskar Lafontaine kennen. ({5}) - Doch. - Oskar Lafontaine macht das so. Er nimmt irgendeinen Anlass und redet dann darüber, dass die Bundeswehr aus der ganzen Welt abgezogen werden muss. Die Bundeskanzlerin nimmt etwas, was mit dem Thema nichts zu tun hat, um zu sagen, dass wir das Grundgesetz ändern müssen, um das Trennungsgebot aufheben zu können. Mit diesem Trennungsgebot leben wir aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, seit 60 Jahren hervorragend. ({6}) Dieser Populismus ist der Grund, warum wir diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Heute habe ich eine Aussage von Horst Seehofer gelesen, nach der Sie gegen Populismus eigentlich gar nicht viel haben. Das sei einmal dahingestellt; dennoch: Diese Debatte ist aus unserer Sicht brandgefährlich. Das Geschenk, das die Bundeskanzlerin und der Bundesinnenminister diesem Land zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes machen, ist wirklich fragwürdig. Vor allem aber muss bedacht werden - Herr Minister, Sie haben es selbst gesagt -, dass es immer noch 24 Geiseln gibt. Es geht um das Leben dieser Menschen. Deshalb muss man sich überlegen, ob dies die richtige Zeit ist und ob diese Grundsatzdebatte eine Hilfe für die Menschen ist, die sich noch immer in den Fängen der Piraten befinden; denn eine Debatte über eine Grundgesetzänderung verunsichert die GSG 9, das KSK und die Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Das ist aus unserer Sicht der tollen Arbeit, die diese Kräfte vor Ort leisten, nicht angemessen. Wenn wir uns diese Debatte genau anschauen, kommen wir aber zu dem Schluss, dass Sie die für eine Grundgesetzänderung erforderlich Mehrheit niemals bekommen werden. Wir schöpfen Hoffnung, dass die SPD doch nicht jeden Unsinn mitmacht, der innerhalb der Koalition vorgelegt wird. Die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, legen diesen Schluss nicht unbedingt nahe. Ein Punkt ist noch offen. Wir reden hier über Piraterie. Sie machen sich ein Stück weit darüber lustig, dass die Fischerei vor Ort, die auch von deutschen Fischereiflotten betrieben wird, ein Problem ist. Das ist aber ein sehr ernstes Thema. „Atalanta“ ist zwar notwendig, um Symptome zu bekämpfen; „Atalanta“ reicht aber nicht aus, um die Ursachen zu bekämpfen. Darum aber geht es. Wenn wir gegen Piraterie erfolgreich sein wollen, müssen wir auch auf der Landseite etwas tun. Wir brauchen endlich ein politisches Konzept für die gesamte Region. Seitens der Bundesregierung ist dazu bisher nichts zu hören. Wir haben auch auf der Seeseite Verpflichtungen, zum Beispiel wenn es um Müllentsorgung geht. Es geht beispielsweise auch darum, dass unsere eigenen Fischfangflotten den Boden für soziale Probleme bereiten, die die Menschen in die Piraterie treiben. Es gibt auch auf der militärischen Seite Probleme. Es ist ein Wirrwarr ohnegleichen; es gibt ganz wenig Koordination. Es gibt die Operation „Atalanta“, aber auch Operationen der NATO und anderer. Herr Minister, Sie haben gerade davon gesprochen, es gebe drei deutsche Fregatten im Rahmen der Operation „Atalanta“. Das stimmt nicht. Wir sind dort auch noch im Rahmen der Operation Enduring Freedom. Wir können eigentlich nur hoffen, dass die Flaggenoffiziere jeweils rechtzeitig reagieren. Es gibt auch noch Schiffe aus China, Japan, dem Iran, Pakistan, Indonesien, Singapur usw. Die Koordination funktioniert überhaupt nicht. Die Bundesregierung sollte auch auf UN-Ebene Druck machen, dass sich das ändert. Die Arbeit ist nicht nur unkoordiniert, sondern es gibt auch kein Konzept, keinerlei Richtung seitens der Bundesregierung. Es ist jetzt mehrfach gesagt worden, dass die Bundeswehr die benötigten Hubschrauberträger nicht hat. Wir haben gar nicht bemängelt, dass die Amerikaner eingeschaltet worden sind. Wir haben auch nichts dagegen, dass die Amerikaner helfen. Aber vor über einem Jahr haben die Verteidigungsminister der EU beschlossen, dass die EU in Notlagen, speziell in Fällen von Geiselnahmen, zusammenarbeitet und dass es Koordination und Kooperation gibt. Wir wissen, dass die Holländer einen solchen Hubschraubträger haben. Aber bisher ist auch da nichts passiert. Das Einzige, das wir zum Thema europäische Kooperation hören, ist ein Lamenti vom Innenminister, der sagt: Was sollen wir machen? Im Rahmen der Operation „Atalanta“ wird ja nicht das Richtige getan. Es stellt sich die Frage, ob versucht wurde, diese Kooperation zustande zu bringen. In der Europäischen Union gibt es genügend Kapazitäten; aber sie werden nicht ausreichend koordiniert. Wir sind der Meinung, dass Kooperation und Koordination vorangebracht werden müssen. Dies kann nicht ersetzt werden durch das, was in den letzten Tagen in einer Zeitung „Operation Enterhaken“ genannt wurde, eine Operation, durch die Sie versuchen, unter dem Deckmantel der Pirateriebekämpfung das zu erreichen, was Sie immer schon wollten, nämlich die Möglichkeit eines Einsatzes der Bundeswehr im Inland. Das wird weder dem Problem gerecht noch der Ernsthaftigkeit der Lage, der Todesgefahr, in der sich die Geiseln befinden. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Rainer Arnold von der SPD-Fraktion.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist sicherlich richtig, dass bei Entführungsfällen alle Optionen bis hin zu einer gewaltsamen Befreiung auf dem Tisch liegen müssen. Allerdings ist ebenso richtig, dass Deutschland diese Option in der Vergangenheit nicht wirklich gezogen hat, weil man gewusst hat, wie gefährlich das ist. Das gilt umso mehr, wenn es darum geht, ein 170 Meter langes Schiff, auf dem sich Piraten eingerichtet haben, zu befreien. Deshalb glaube ich, dass wir aufpassen müssen, Herr Kollege Uhl, nicht mit leichtfertigen starken Sprüchen in der deutschen Öffentlichkeit „Schiffe versenken“ vom Abgeordnetenschreibtisch aus zu spielen. Dazu ist die Situation zu ernst. Es geht nicht darum, ein Zeichen zu setzen. Es geht auch nicht darum, Staatsräson zu zeigen, wenn es in Entführungsfällen um Geld geht und Menschenleben in Gefahr sind. Es geht letztendlich darum, die entführten Menschen gesund und wohlbehalten nach Hause zu bringen und die Polizisten und die Soldaten nicht zu gefährden. Das ist das Ziel. ({0}) Hier wird kritisiert, es gebe innerhalb der Bundesregierung Streit. Herr Trittin, meine Beobachtung im Verteidigungsausschuss ist das nicht. Ich habe allerdings in der Vergangenheit und auch in diesem Fall immer wieder beobachtet: Das Ressortprinzip in Deutschland hat nicht nur Nachteile, sondern bietet auch Chancen, weil im Krisenstab unterschiedliche Sichtweisen der unterschiedlichen Ressorts auf den Tisch kommen. Ich sage Ihnen als Verteidigungspolitiker: Mich beruhigt sehr, dass gerade die führenden Militärs in solchen Situationen besonders nachdenklich, sorgsam und risikoabwägend sind. Ich bin den Soldaten dafür dankbar. ({1}) Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Äußerungen des Innenministers. Herr Schäuble, ich glaube, dass Sie auch heute wieder nur die halbe Wahrheit berichtet haben. Ich erinnere daran, dass es für manchen in Ihren Reihen sehr mühsam war, überhaupt zu akzeptieren, dass die Marine unter einer Bundestagsmandatierung die Piraterie bekämpfen darf. ({2}) Es hat ein paar Wochen gedauert, bis man so weit war. Inzwischen sind wir auf einem gemeinsamen Stand. Sie lassen aber Folgendes weg: Es gibt eine Legitimation für einen möglichen Einsatz. Ich bin der Meinung - viele Verfassungs- und Völkerrechtler haben das bestätigt -, dass die schon von uns unterzeichnete internationale Seerechtsübereinkunft in Verbindung mit Art. 25 unserer Verfassung unseren Einsatz legitimiert. ({3}) Es ist nicht richtig, was Sie hier sagen. Herr Schäuble, Sie verwirren - das finde ich ziemlich schlimm - die Soldaten. Es gibt noch eine weitere Legitimation. Wir haben in den letzten Jahren bei Geiselnahmen immer wieder Teile der Bundeswehr zur Vorbereitung von möglichen Befreiungsaktionen mit ins Ausland geschickt. Haben wir das ohne Rechtsgrundlage getan? War das, was der Innenminister da getan hat, etwa verfassungswidrig? Nach Ihrer heutigen Rede wäre das tatsächlich verfassungswidrig. Schließlich sagen Sie, dass das nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz nicht zulässig ist. Sie haben es aber selber gemacht. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht dies auch vor. In § 5 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Bundeswehr zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, wenn Gefahr im Verzug ist, auch mit einer nachgelagerten Beschlussfassung des Bundestages eingesetzt werden darf. Das ist eindeutig. Dieses Gesetz ist verfassungskonform. ({4}) Ich finde es ziemlich traurig, dass Sie Irritation bei den Soldaten schaffen, die wir in einen schwierigen Einsatz schicken. Mein Anliegen ist, dass wir in solch ernsten Situationen in der Koalition die Verantwortung gemeinsam deutlich machen und nicht unnötige Verfassungsdebatten lostreten. Ansonsten entsteht hier sehr schnell der Eindruck: In diesen Debatten steht vor unserer Verantwortung gelegentlich parteitaktisches Verhalten. - Dies hilft den Menschen auf den Schiffen nun wirklich nicht. Es geht darum, aus den Vorgängen zu den Entführungen die richtigen Folgerungen zu ziehen. Eine ganze Reihe von Folgerungen wurde schon genannt. Ich habe noch ein weiteres Anliegen: Ich bitte die Bundesregierung, zumindest mittelfristig darauf zu drängen, dass parallele Mandate wie OEF, Operation „Atalanta“, Operationen der NATO und vieler anderer Nationen unter der Führung der UNO ausgeübt und dadurch legitimiert werden. Dies würde Sinn machen und Synergieeffekte schaffen. ({5}) Ein letzter Punkt. Auch wenn die Bundesregierung hier sehr kollegial und kooperativ zusammengearbeitet hat, sehen wir: In der operativen Praxis knirscht es gelegentlich zwischen Polizei und Truppe. Dies kann man ändern, ({6}) wenn der politische Wille da ist. Sie müssen auch zusammen üben, weil wir über Nacht über keine anderen Fähigkeiten verfügen werden. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als die vorhandenen Kräfte in den nächsten Jahren sinnvoll zu bündeln. Diese Zusammenarbeit wird allerdings nur dann gut gelingen, wenn die sensiblen Teile - Elitetruppen haben ein komplexes inneres Gefüge - am Ende nicht das Gefühl haben: Die einen sind die Helden und werden gefeiert, wenn sie aus dem Flugzeug steigen; die anderen leisten nur die Unterstützung. - Wir brauchen hier wirklich eine gute und faire Partnerschaft auf Augenhöhe. Damit will ich sagen: Wir könnten eine ganze Menge tun, um die Situation am Horn von Afrika zu verbessern. Gesetzesänderungen helfen uns da nicht weiter, weil sie nicht notwendig sind. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Bernd Siebert von der CDU/CSU-Fraktion.

Bernd Siebert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorwurf der Grünen, es gebe innerhalb dieser Bundesregierung einen Kompetenzstreit im Zusammenhang mit der Überwachung des internationalen Seeverkehrs vor der Küste Somalias, hat sich durch diese Debatte in Luft aufgelöst. ({0}) Von diesen Vorwürfen haben wir in Ihren Reden nichts mehr gehört, Herr Trittin. ({1}) Ich jedenfalls habe einen solchen Kompetenzstreit zu keinem Zeitpunkt erkennen können. Vielmehr war es eine Frage der Vernunft, angesichts der unübersichtlichen Lage für die Geiseln auf einen Einsatz zu verzichten. Das war eine politische Entscheidung unter Federführung des Außenministeriums gemeinsam mit dem Innenministerium und dem Verteidigungsministerium. Das ist in den Diskussionsbeiträgen deutlich geworden. Das Leben der Geiseln - übrigens sind sie immer noch Geiseln - stand und steht im Vordergrund. Dies sollte auch bei unseren zukünftigen Diskussionen und Entscheidungen so bleiben. Die Bundesregierung hat im Dezember 2008, als es um die Beteiligung an der EU-geführten Operation „Atalanta“ ging, entschieden, der Piraterie auf hoher See Einhalt zu gebieten. Um diesen Auftrag der Vereinten Nationen und der Europäischen Union zu erfüllen, dürfen alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt ergriffen werden; so jedenfalls steht es im vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Mandatstext. Dieses Mandat sollte die Grundlage für Einsätze zur Evakuierung oder Befreiung von Geiseln sein. Ich plädiere dabei für ein pragmatisches Vorgehen, das heißt, dass in einem Fall wie dem der „Hansa Stavanger“ alle verfügbaren deutschen Kräfte, ob militärisch oder polizeilich, an der Operation beteiligt werden sollten. Wenn man erfolgreich sein will, muss man das Beste, was man hat, zusammenführen. An dieser Stelle möchte ich den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die seit Dezember 2008 im Einsatz sind, meine besondere Hochachtung für ihre Leistungen vor Ort aussprechen. ({2}) Ich möchte aber auch den Polizeibeamten der GSG 9 danken für den professionellen Einsatz, den sie in den letzten Wochen am Horn von Afrika bewiesen haben. ({3}) Eine Änderung des Grundgesetzes, über die derzeit diskutiert wird, wäre wünschenswert - dazu bekenne ich mich eindeutig - und würde zu mehr Rechtssicherheit führen. Sie sollte daher mittelfristig auf der politischen Tagesordnung bleiben, auch wenn im Moment - hier sind wir sehr wohl realistisch - keine Mehrheit im Deutschen Bundestag vorhanden zu sein scheint, um eine solche Entscheidung zu treffen. Was den aktuellen Einsatz angeht, ist es wichtig, unterhalb einer grundgesetzlichen Änderung für klare Verhältnisse zu sorgen. ({4}) Die Erfahrungen, die beim abgebrochenen Einsatz gegen die Piraten im Fall der „Hansa Stavanger“ gemacht worden sind, müssen im Hinblick auf zukünftige Rechtsauslegungen Berücksichtigung finden. Die Übertragung von Befreiungsoperationen in die Zuständigkeit der Bundespolizei ist, so glaube ich, eine deutsche Verengung, die nicht durch das „Atalanta“-Mandat erzwungen wird. Im Falle von Geiselnahmen steht die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zur Disposition. Hier muss die Politik entscheiden, und sie hat entschieden. Dies sollte sie natürlich auf rechtlich sicherem Fundament tun. Sie sollte sich aber nicht selbst zur Geisel juristischer Grundsatzdiskussionen machen. Dafür hat die Bevölkerung - davon bin ich zutiefst überzeugt; viele Gespräche machen dies deutlich - zu Recht wenig Verständnis. Sie hat auch kein Verständnis dafür, dass sich die internationale Gemeinschaft gegenüber einer Gruppe von Piraten als ohnmächtig erweist. Die Handlungsfähigkeit des Staates gegenüber Kriminellen und die Sicherstellung des Schutzes unserer Staatsbürger stehen auf dem Spiel. Ich weiß, dass sowohl die GSG 9 als auch das KSK über Fähigkeiten zur Geiselbefreiung verfügen. Diese Fähigkeiten könnten trotz unterschiedlicher Ausrüstung und Taktik sogar Synergieeffekte zur Folge haben, die wir nutzen sollten. Beide Kommandos arbeiten hochprofessionell und leisten Hervorragendes. Es sollte ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der es ermöglicht, diese Professionalität massiert zum Einsatz zu bringen. Ich bedanke mich herzlich. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Mützenich von der SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, auch wenn Sie das einem Rheinländer nicht zutrauen: Ich habe meine Promotion ordentlich abgeschlossen und dafür auch geschwitzt. Es wäre also schön, wenn das in Zukunft auch beim Aufruf manchmal berücksichtigt wird. Sie wissen, ich bin da nicht kleinlich; aber das als Hinweis. Meine Damen und Herren, Herr Bundesinnenminister, ich glaube, es ist vollkommen richtig, dass man in den letzten Wochen erwogen hat, die Geiseln mithilfe der GSG 9 bzw. des KSK zu befreien. Es war aber richtig, zum Schluss zu sagen: Das Risiko ist zu groß. Es geht um die Sicherheit und um den Schutz der Geiseln, es geht auf der anderen Seite aber auch um das angemessene Mittel. Ich kann nicht verstehen - das muss ich sagen, Herr Bundesinnenminister -, dass die Bundeskanzlerin am Wochenende ohne Not eine Debatte über eine angebliche Lücke innerhalb der Verfassung vom Zaun gebrochen hat. Diese Debatte war bereits am Montag wieder verpufft, und zwar weil es diese Lücke nicht gibt: Für die Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika im Rahmen der Mission der Vereinten Nationen ist der rechtliche Rahmen geschaffen worden, und auch bei der EU-Mission „Atalanta“ gibt es rechtlich genügend Spielraum für entsprechendes Handeln. Es war falsch, dass die Bundeskanzlerin diese Debatte provoziert hat. Schon am Montag, als das Schauspiel der unterschiedlichen Ressorts zu beobachten gewesen ist, haben die einen gesagt, dass der rechtliche Rahmen reicht. So muss der Bundesinnenminister heute feststellen, dass es im Bundestag für das, was die Bundeskanzlerin angemahnt hat, keine Mehrheit gibt. Wir hätten uns diese Debatte ersparen müssen, und wir hätten sie uns bei einer richtigen Bewertung dieses Vorgehens auch ersparen können. Ich glaube, das Mandat für die Bekämpfung der Piraterie, das wir im Rahmen der EU-Mission „Atalanta“ erteilt haben, ist vorbildhaft. Wir müssen daran erinnern, dass in den vergangenen Wochen und Monaten mit mehreren Missionen erfolgreich gegen Piraterie vorgegangen worden ist. Das muss man sowohl gegenüber den Soldaten, die dort im Einsatz sind, als auch gegenüber denjenigen, die diese Mission geplant haben, an dieser Stelle anerkennend feststellen. Ich kann, weil die Uhr nicht läuft, nicht sehen, wie viel Redezeit ich noch habe. - Ich hoffe, ich habe zu Beginn keine Verwirrung hineingebracht. Ich meinte das wirklich nicht böse.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Meine Uhr läuft. Sie haben noch zwei Minuten. ({0})

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, nein, nein; es hat lange genug gedauert. Ist doch nicht so schlimm. Regen Sie sich doch nicht so auf! Meine Güte! Lassen Sie mich auf eine Frage zurückkommen, die, wie ich finde, auch zu dieser Debatte gehört. Ich glaube, es ist, wie es der Kollege Struck vor einigen Tagen getan hat, notwendig, zu sagen, dass es sich der ein oder andere deutsche Reeder relativ leicht macht, wenn er die Schiffe ausflaggt, unter anderer Flagge fährt, aber die Bundesregierung bemühen will, Schutz herzustellen, und sich in den öffentlichen Debatten beschwert, dass die Bundeswehr bzw. die Bundesregierung nicht genug macht. Ich frage mich auch: Was machen Kreuzfahrtschiffe heute noch in dieser Region, die doch so stark gefährdet ist? Ich finde, es gehört zu einer ernsthaften Debatte, sich zu fragen, ob sich das Risiko, das der ein oder andere eingeht, rechtfertigen lässt. Zum Schluss. Ich glaube, es ist richtig, dass die Bundesregierung die Mission „Atalanta“ außenpolitisch so eingeordnet hat, dass sie gesagt hat: Wir müssen den Wiederaufbau am Horn von Afrika mit politischen und finanziellen Maßnahmen unterstützen, insbesondere aber durch die Einrichtung eines regionalen Sicherheitssystems, das nicht allein von Somalia aus gewährleistet werden kann, sondern in das die anderen Anrainerstaaten ebenso einbezogen werden müssen. Es ist richtig, dass die afrikanischen Staaten versuchen, sich der Herausforderung der Bekämpfung der Piraterie zu stellen. Sinnvoll ist auch, dass sich der russische Präsident Medwedew - Russland ist Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - dafür ausgesprochen hat, zu überlegen, zur Bekämpfung der Piraterie einen Internationalen Strafgerichtshof einzurichten. Ich glaube, die Bundesregierung täte gut daran, dieses Projekt zu unterstützen. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich möchte die weiteren Redner darauf hinweisen, dass die Uhr am Rednerpult ausgefallen ist. ({0}) Ich mache aber die Redner durch Blinkzeichen darauf aufmerksam, dass ihre Redezeit abgelaufen ist. ({1}) Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Eduard Lintner von der CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Diese Veranstaltung trägt zwar den Namen „Aktuelle Stunde“, unsere Überlegungen aber müssen in der Tat über den Tag hinausgehen. Dazu gehört zunächst einmal die Feststellung, dass der Einsatz von Marine und Seestreitkräften anderer Staaten oder auch unserer Bundespolizei durchaus Erfolge aufzuweisen hat. Trotzdem müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass wir von einer endgültigen Beseitigung des Phänomens natürlich noch weit entfernt sind. So begierig die internationale Öffentlichkeit Einzelerfolge bei Einsätzen zur Kenntnis nimmt, so problematisch ist natürlich der Misserfolg. Dennoch möchte ich - wie viele Kollegen auch - feststellen: Die Entscheidung musste so fallen, wie sie gefallen ist. Das sollte man eindeutig klarstellen. Wir müssen uns wirksame Alternativen zum ständigen Zahlen von Lösegeld schaffen; auch das ist bereits festgestellt worden. Daraus folgt für uns natürlich die wichtige Pflicht, sorgfältig zu analysieren, welche die tatsächlichen Ursachen für das Scheitern der Pläne zur Befreiung des deutschen Frachters waren, um daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen zu können. Diese Konsequenzen können natürlich nicht heißen, sich zurückzuziehen und den Piraten das Feld zu überlassen, wie es von den Linken empfohlen wurde. Es ist in diesem Zusammenhang durchaus bemerkenswert, dass plötzlich alle der Meinung zu sein scheinen, die Beauftragung durch die UNO für den Einsatz der Bundesmarine zur Geiselbefreiung sei ausreichend. Wenn Sie sich ehrlich erinnern, stellen Sie fest, dass dies in der Vergangenheit keineswegs immer so gewesen ist. Heute noch wird von Fachleuten - auch das sollten wir ehrlich zugeben - die Meinung vertreten, die Bundeswehr bzw. die Bundespolizei bewegen sich bei bestimmten, durchaus möglichen Fallgestaltungen auf rechtlich unsicherem Terrain. Das hat nichts mit Verniedlichung, Verunsicherung oder gar Polizeipolitik zu tun, wie behauptet wurde. Ich denke, der Bundesinnenminister hat das gegebene Problem sehr präzise und zutreffend dargelegt. Da die rechtlich präzise Regelung für die nationale und internationale Realität im Interesse der aktiv beteiligten Soldaten und Polizeibeamten unverzichtbar ist, sollte eine Diskussion über angebliche oder tatsächlich vorhandene rechtliche Lücken sachlich möglich gemacht werden. Die Diskussion der vergangenen Tage um eine notwendige Grundgesetzänderung habe ich als Mahnung verstanden, rechtliche Unsicherheiten alsbald zu beseitigen. Ich fürchte nämlich, die jetzt gezeigte Einmütigkeit darüber, dass im Zusammenhang mit dem Einsatz gegen die Piraten alles rechtlich unproblematisch und voll gedeckt sei, könnte schnell zerbrechen, wenn eine Aktion einmal misslingt und womöglich sogar Opfer zu beklagen sind. Wir alle wissen, in Wahlkampfzeiten ist die Versuchung besonders groß, es im Nachhinein schon immer besser gewusst zu haben. Einer solchen Situation dürfen wir die Entscheidungsträger nicht aussetzen, weder in der Politik noch bei der Bundeswehr oder der Bundespolizei. Das käme einer Art Verweigerung von Verantwortung gegenüber Handelnden gleich. Deshalb sollten wir in Ruhe - gegebenenfalls in der nächsten Legislaturperiode - darüber nachdenken, wie wir einen sicheren juristischen Boden für solche und ähnliche Einsätze schaffen können. Neben rechtlichen Mängeln wurden durch die gescheiterte Mission aber auch - darauf ist ebenfalls schon hingewiesen worden - Unzulänglichkeiten bei der Ausstattung unserer Sicherheitsorgane aufgedeckt. Wir sind uns hoffentlich darin einig: Nur wenn wir für unsere Einsatzkräfte eine gute und vollständige Ausstattung bereitstellen - Stichworte sind hier Transportflugzeuge und Hubschrauberträger -, sind die Soldaten und Polizeibeamten auch in der Lage, solche Situationen angemessen zu meistern. Ich finde, darüber müssen sich die Bundesregierung und auch der Bundestag schnell Gedanken machen. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dieter Wiefelspütz von der SPD-Fraktion.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klipp und klar am Anfang: Es wird mit der SPD weder in dieser Legislaturperiode noch in irgendeiner der zukünftigen Legislaturperioden eine ({0}) Verfassungsänderung in Sachen Piraterie geben. ({1}) Es wird keine Verfassungsänderung geben, weil wir sie nicht benötigen. Solange der Deutsche Bundestag Verstand hat, wird es keine Verfassungsänderung in Sachen Piraterie geben. Herr Bundesminister Schäuble, Sie werden uns nicht einreden können, dass wir an dieser Stelle nicht optimal aufgestellt sind. Wir haben in Deutschland keine verfassungsrechtlichen Probleme und auch keine völkerrechtlichen Probleme, wenn es um Piraterie geht. Wir haben möglicherweise tatsächliche Probleme mit den operativen Fähigkeiten an der einen oder anderen Stelle. Ich will das gar nicht einmal kritisieren, weil die Bundeswehr heute Aufgaben hat, die sie vor einigen Jahren noch nicht hatte, und weil möglicherweise auch erst Kräfte ausgebildet und herangeführt werden müssen, um das zu tun, was man von ihr erwartet. Verfassungs- und völkerrechtliche Probleme haben wir an dieser Stelle aber nicht im Geringsten. Ich bin zunächst einmal froh, Herr Minister, dass es Übereinstimmung darin gibt, dass der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Operation „Atalanta“ voll und ganz durch das Völkerrecht und das Grundgesetz gedeckt ist. Es würde mich allerdings auch sehr befremden, wenn der Verfassungsminister der Auffassung wäre, dass wir etwas Verfassungswidriges vor den Küsten von Somalia tun. Insoweit haben Sie also unsere volle Zustimmung. Wir haben an dieser Stelle kein Problem. ({2}) Ich will auch ausdrücklich hervorheben, Herr Minister, dass es meinen ausdrücklichen Respekt hat - ich glaube, auch den Respekt meiner Fraktion -, dass die Operation der GSG 9 abgebrochen worden ist, weil es immer klüger ist, eine solche Entscheidung zu treffen, wenn das nicht zu verantworten ist, als wenn man vor Ort so etwas durchzieht, was dann in einem Blutbad endet. Insoweit ist die Entscheidung, die Sie getroffen haben, die richtige Entscheidung gewesen, die wir sehr respektieren. ({3}) Ich will darauf hinweisen, dass Ihre Position, wir hätten ein Problem, wenn im Rahmen der Operation „Atalanta“ keine Geiselbefreiung durchgeführt werden würde, weswegen es zu einer Verfassungsänderung kommen müsse, nicht mit der Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen ist. Ich will auch darauf hinweisen, dass die Piraterie seit Jahrhunderten mit Militärschiffen auf hoher See bekämpft wird. Das ist Völkergewohnheitsrecht. Seit 1982 gibt es ein Seerechtsübereinkommen zur Bekämpfung der Piraterie, das allgemeines Völkerrecht ist. Dies ist über Art. 25 des Grundgesetzes und über Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes Gegenstand des Bundesrechts, weil der Deutsche Bundestag dieses Übereinkommen ratifiziert hat. Die Bundeswehr ist in erster Linie beauftragt, ihre Einsätze im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit vorzunehmen. Das ist im Moment die Operation „Atalanta“. Wir sind nach allgemeinem Völkerrecht aber selbstverständlich auch befugt, die Bundeswehr auch außerhalb von Systemen kollektiver Sicherheit einzusetzen. ({4}) Was haben wir denn gemacht, Herr Minister, als wir die „Aktion Libelle“ in Albanien hier im Jahre 1997 durch den Bundestag genehmigt haben? Das war ein militärischer Einsatz der Bundeswehr zur Rettung deutscher Staatsbürger. Wir haben bei der Piraterie weder völkerrechtlich noch staatsrechtlich das geringste Problem. Alles andere hinsichtlich der tatsächlichen Fähigkeiten der Bundeswehr und auch der GSG 9 sollten wir an anderer Stelle debattieren und vorantreiben. Ich persönlich bin durchaus aufgeschlossen, wenn es darum geht, dass auch KSK-Kräfte dort sind und ausgebildet werden. Aber dies ist kein Problem unserer Verfassung, und es ist auch kein völkerrechtliches Problem. ({5}) Diese Debatte über die Ergänzung des Grundgesetzes zur Bekämpfung der Piraterie ist komplett überflüssig. Schönen Dank. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der Kollege Clemens Binninger von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Anliegen der Grünen ist etwas widersprüchlich und wenig überzeugend. Wer glaubt, aus der Distanz vom Deutschen Bundestag in Berlin aus einen so schwierigen und komplexen Einsatz bewerten zu wollen und dabei mit Worten um sich wirft wie mein Vorredner Trittin, der von einer blamablen Operation gesprochen hat, mit der man in der ersten Liga mitspielen wollte und versagt habe, ist wenig überzeugend; das ist verantwortungslos. ({0}) Es ist auch bezeichnend, dass beide Redner der Grünen die einzigen Redner waren - Herrn Paech lasse ich dabei aus -, die kein einziges anerkennendes oder lobendes Wort für die GSG 9 und ihre Beamten gefunden haben. Das ist ungeheuerlich. ({1}) Die Entscheidung des Bundesinnenministers ist von hohem Verantwortungsbewusstsein geprägt. Bei einem solchen Einsatz, bei dem sich die Lage nahezu täglich ändern kann, sind die Einschätzung der Lage und die Risikoabwägung, um zu einer Entscheidung für oder gegen den Einsatz zu kommen, schwierig. Wenn der Einsatz für zu riskant gehalten wird, dann ist es richtig, so viel Verantwortung zu zeigen, sich gegen den Einsatz zu entscheiden, und zwar nicht aus rechtlichen, sondern aus tatsächlichen Gründen. ({2}) Diese mutige und richtige Entscheidung verdient die Hochachtung unseres Hauses. ({3}) Das Phänomen der organisierten Piraterie zeigt, dass wir es mit einer typischen Bedrohungssituation des 21. Jahrhunderts zu tun haben, in der äußere und innere Sicherheit ineinander übergehen und militärische und polizeiliche Arbeit näher zusammenrücken. Ob Sie das hören wollen oder nicht, es resultiert aus einer asymmetrischen Bedrohung. Wir wären schlecht beraten, wenn wir diese Phänomene nicht in unsere Beurteilung einfließen lassen würden. Wir müssen uns fragen, welches die richtige Stelle ist, um das Phänomen der organisierten Piraterie zu bekämpfen, und den Mut haben, zu erkennen, dass es durchaus beide sein können: die Polizei, wenn sie das besonders gut kann, aber auch die Bundeswehr, wenn ihre Unterstützung notwendig ist. Zudem bedarf es der Zusammenarbeit nationaler und internationaler Stellen. ({4}) Wir sollten nicht so tun - bei der SPD klang das ein bisschen an -, als ob wir das einfach auseinanderhalten könnten und als ginge es um völlig problemlose Einsätze. Das sind sie eben nicht, und das müssen wir, glaube ich, auch berücksichtigen. Aus dem Einsatz müssen wir ein paar Schlussfolgerungen ziehen. Die Bevölkerung fragt sich zu Recht, warum viele Nationen mit einem großen Militärapparat es nicht schaffen, das Phänomen in den Griff zu bekommen. Deswegen müssen wir uns fragen, ob wir neben der militärischen Komponente vor Ort mehr gegen die Hintermänner dieser Form des organisierten Verbrechens tun müssen. Wenn es stimmt, worüber in den Medien berichtet wurde, nämlich dass die Piraten mit Informationen über Schiffsrouten bestimmter Reedereien versehen werden, um dann gezielt zuschlagen zu können, dann sollten wir, glaube ich, auch nachrichtendienstlich zusammenarbeiten, um den Hintermännern dieser Verbrechensform das Handwerk zu legen, statt nur mit militärischer Präsenz vor Ort dagegen vorzugehen. ({5}) Wenn klar ist, dass wir für solche Einsätze Polizei und/ oder Militär bzw. nur Militär brauchen, dann ist eine weitere Schlussfolgerung, dass die Stelle, die einen Einsatz durchführen muss, über die notwendige Ausrüstung verfügen muss. Es wurde viel über rechtliche Fragen debattiert. Das gehört zwar nicht zum Thema der Aktuellen Stunde, aber es wurde förmlich herbeigeredet. Das Innenministerium und das Außenministerium haben deutlich gemacht, dass der konkrete Einsatz nicht aufgrund rechtlicher, sondern tatsächlicher Probleme nicht fortgeführt werden konnte. Darin sind wir uns einig. Aber Sie sollten genau zuhören, wenn der Innenminister sagt: Gibt es Einsatzszenarien, bei denen es möglicherweise eine verfassungsrechtliche Lücke gibt? Dann wären wir gut beraten, über diese Lücken zu diskutieren. Das von Ihnen, Herr Kollege Wiefelspütz, zitierte Völkerrechtsabkommen - in Verbindung mit Art. 25 des Grundgesetzes - regelt zwar die Bekämpfung der Piraterie und gibt auch den Auftrag. Aber es regelt nicht, wer innerhalb eines Landes zuständig sein soll. Es besagt eben nicht, ob die Bundeswehr das machen soll. An dieser Stelle wäre eine Klarstellung in der Verfassung durchaus hilfreich. Ansonsten könnte es sein, dass irgendwann die Kräfte, die eingesetzt werden müssen, ganz alleine stehen. Das dürfen wir nicht zulassen. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Kauder, Renate Schmidt ({0}), Johannes Singhammer und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes - Drucksache 16/11106 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea Nahles und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten - Drucksache 16/11347 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes - Drucksache 16/11330 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes - Drucksache 16/12664 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({1}) - Drucksache 16/12970 - Berichterstattung: Abgeordnete Johannes Singhammer Caren Marks Jörn Wunderlich b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({2}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordneter Späte Schwangerschaftsabbrüche - Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner und weiterer Abgeordneter Wirkungsvolle Hilfen in Konfliktsituationen während der Schwangerschaft ausbauen Volle Teilhabe für Menschen mit Behinderung sicherstellen - Drucksachen 16/11377, 16/11342, 16/12970 Berichterstattung: Abgeordnete Johannes Singhammer Caren Marks Jörn Wunderlich Im Anschluss an die Aussprache werden wir mehrere namentliche Abstimmungen durchführen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Diese Zeit soll nach dem Stärkeverhältnis der Unterzeichner der Vorlagen verteilt werden. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Ilse Falk. ({3})

Ilse Falk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000513, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich zu Beginn dieser nicht einfachen Debatte vor: Sie als werdende Mutter oder als werdender Vater sind voller Vorfreude, weil aus Ihrer Partnerschaft eine Familie werden wird, oder Sie freuen sich als Eltern auf ein weiteres Kind. Sie erwarten ein Wunschkind. Die Mutter nimmt regelmäßig - möglicherweise gemeinsam mit dem Vater des Kindes - die Schwangerschaftsvorsorge wahr. Dann, eines Tages - die Schwangerschaft ist schon über die zwölfte oder sogar die zweiundzwanzigste Woche hinaus, oder das Kind wäre bereits außerhalb des Mutterleibes lebensfähig -, werden Sie mit einem Untersuchungsergebnis konfrontiert, das signalisiert, dass irgendetwas mit dem Kind nicht in Ordnung ist. Plötzlich bricht eine Welt für Sie zusammen. Es wird dunkel oder nebelig im Kopf, und jedes logische Denken setzt aus. So beschreiben sich Frauen, die eine solche Schocksituation erlebt haben. Sie reagieren mehr oder weniger mechanisch, um das vage „nicht in Ordnung“ abzuklären. Viel zu häufig setzt nach der Diagnose einer eventuellen Behinderung des ungeborenen Kindes ein Automatismus ein, der schnell dazu führt, dass Frauen zu einem Schwangerschaftsabbruch gedrängt werden. Sie entscheiden sich übereilt für einen Spätabbruch und merken erst zu spät, dass diese Entscheidung nicht trägt. Drei Dinge sind deshalb unabdingbar, damit Mutter und Vater eine gutbedachte Entscheidung für sich und ihr Kind treffen können. Erstens braucht die Mutter die Nähe und Begleitung eines vertrauten Menschen. Zweitens braucht sie das Angebot verständnisvoller fachlicher Beratung. Drittens braucht sie Zeit. Den ersten Punkt kann Politik nicht regeln. Aber die beiden anderen Voraussetzungen können wir sehr wohl in das Schwangerschaftskonfliktgesetz aufnehmen. Ich bin froh, dass wir heute nach einer langen Zeit schwieriger und manchmal heftig geführter Diskussionen die Chance haben, zu einem guten Abschluss zu kommen. Alle, die sich am Diskussionsprozess beteiligt haben, haben das gemeinsame Ziel verfolgt, Frauen und ihren Partnern wirkungsvoller als bisher Beratung und Hilfe in einem kaum lösbaren Konflikt anzubieten. Schon bei der ersten Lesung zeigte sich, dass die drei Gesetzentwürfe - Kauder/Schmidt/Singhammer, Griese/ Göring-Eckardt/Nahles und Lenke/Laurischk/Flach - eng beieinanderliegende Vorstellungen über die Mittel zur Erreichung des gemeinsamen Ziels beinhalten. Ich bin dankbar und erleichtert, dass es gelungen ist, diese drei Entwürfe zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf zusammenzuführen. Dabei waren alle Beteiligten bereit, einen Teil ihrer Vorstellungen aufzugeben und Kompromisse zu schließen. Wesentlicher Schwerpunkt in dem gruppenübergreifenden Gesetzentwurf, für den ich hier spreche, ist die Umsetzung der Forderung nach guter Beratung. Wir greifen sie auf, indem wir einen gewissen Druck auf Ärzte und Ärztinnen ausüben und festschreiben, noch stärker auf die Schwangere in großer Bedrängnis zuzugehen, sich in ihre Situation einzufühlen und ihr die Hand zu reichen, um mit ihr und ihrem Partner gemeinsam herauszufinden, ob und wie auch mit einem kranken oder behinderten Kind ein glückliches Leben gelingen kann. Viele machen das bereits mit großer Sorgfalt, aber wir hören auch immer wieder von dramatischen anderen Erfahrungen, und dem wollen wir begegnen: Schriftliche Informationsmaterialien, medizinisch-fachliche Beratung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von mit der Schädigung erfahrenen Kollegen, und der Hinweis auf bzw. die Vermittlung in psychosoziale Beratung sind als Pflicht für den Arzt bzw. die Ärztin festgeschrieben, werden aber ganz klar von der freien Entscheidung der Schwangeren abhängig gemacht, dieses Angebot in Anspruch nehmen zu wollen. Uns hier Zwangsberatung zu unterstellen, ist einfach unredlich. ({0}) Das zweite wesentliche Element unseres Gesetzentwurfs ist die Antwort auf die Forderung nach mehr Zeit für den Klärungsprozess. Hier fehlt mir schlicht und ergreifend das Verständnis für die heftigen Angriffe auf unseren Vorschlag. Selbst wenn die Diagnose eine Befürchtung bestätigt und sich eine bereits gemachte Erfahrung wiederholt, braucht man doch Zeit, um die Realität zu erfassen. Deshalb noch einmal klar und deutlich: Wir wollen, dass eine mindestens dreitägige Bedenkzeit nach der Diagnose und vor der schriftlichen Feststellung der Indikation eingehalten wird - nicht kürzer, aber bei Bedarf so lange wie gewünscht. Eine Ausnahme besteht dann, wenn eine akute Gefahr für das Leben der Schwangeren besteht. Geben wir doch den werdenden Eltern das Signal, in Ruhe über ihre Situation nachdenken zu können, um dann gut informiert und gut bedacht eine Entscheidung zu treffen, die ein ganzes Leben trägt. Wegen der Kürze der Redezeit habe ich mich auf zwei der für uns wichtigen Aspekte beschränkt. Die Kolleginnen und Kollegen, die nach mir sprechen, werden weitere wichtige Punkte benennen. Ich bitte Sie deshalb, alle Argumente gut abzuwägen, zu versuchen, sich in die Situation der werdenden Eltern zu versetzen, die vor einer Entscheidung stehen, in der es um Leben und Tod geht, und am Ende eine gute Entscheidung zu treffen, indem Sie dem gruppenübergreifenden Gesetzentwurf Ihre Stimme geben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Christel Humme.

Christel Humme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003155, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Wir beenden heute eine lange und intensive Debatte. Ich danke ausnahmslos allen, die sich konstruktiv beteiligt haben, eine Lösung für Frauen in Konfliktsituationen während einer Schwangerschaft zu finden. Ich danke allen Kollegen und Kolleginnen, den Ärzten, den Ärztinnen, den Verbänden, und ich danke den Juristen und Juristinnen und den Praktikerinnen und Praktikern in den Beratungsstellen für ihre inhaltliche Zuarbeit; denn erst dadurch ist es möglich geworden, heute einen zweiten Gesetzentwurf vorzulegen, über den es zu entscheiden gilt. Jeder einzelne Abgeordnete hat heute die Chance, eine klare Entscheidung über zwei Gesetzentwürfe zu treffen über einen Gesetzentwurf, der in der Öffentlichkeit „Singhammer/Griese/und-andere-Vorschlag“, und einen anderen Gesetzentwurf, der in der Öffentlichkeit „Humme/ Schewe-Gerigk/und-andere-Vorschlag“ genannt wird. Worüber entscheiden wir heute? Was ist der entscheidende Unterschied zwischen den Gesetzentwürfen, die heute zur Abstimmung stehen? Ich konzentriere mich auf drei wesentliche Unterschiede. Die drei zentralen Unterschiede betreffen erstens die Beratung, zweitens die Bedenkzeit und drittens die Regelung der Ordnungswidrigkeiten. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir möchten mit der Regelung zur Beratung in unserem Gesetz die Frauen unterstützen, indem wir die Beratung sehr früh ansetzen, nämlich schon vor den vorgeburtlichen Untersuchungen. Dies geschieht auf zweierlei Weise. Erstens. Wir möchten die Frauen im Zusammenhang mit dem Mutterpass über ihren heute schon bestehenden Rechtsanspruch nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz informieren, denn häufig wissen Frauen gar nicht, dass sie diesen Rechtsanspruch haben. Damit erfüllen wir eine langjährige Forderung nach stärkerer Vernetzung zwischen Arztpraxen und Beratungsstellen. Zweitens verpflichten wir die Ärzte, eine bessere Beratung über Chancen und Risiken von vorgeburtlichen Untersuchungen durchzuführen. Dies scheint uns sehr wichtig zu sein. Eine Frau soll sich gut informiert entscheiden können, welche vorgeburtlichen Untersuchungen sie machen lassen möchte und ob sie gar auf eine weitergehende derartige Untersuchung verzichtet. ({0}) Denn wenn es uns wichtig ist, behindertes Leben zu schützen - das schwingt ja immer mit -, dann ist das Recht auf Nichtwissen eine wichtige Voraussetzung dafür. Unser Gesetz sieht hierfür bessere Informationen und Beratungen zu Beginn der Schwangerschaft und vor den vorgeburtlichen Untersuchungen vor; dies fehlt in dem Gesetzentwurf Singhammer/Griese völlig. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir verbessern natürlich die Beratungssituation auch dann - genau so, Frau Falk, wie Sie es gerade gesagt haben -, wenn ein Befund beim ungeborenen Kind und bei der Schwangeren vorliegt; beides muss man zusammen sehen. Wir verpflichten auch in diesem Fall den Arzt, die Schwangere nochmals darauf hinzuweisen, dass sie sich in einer schwierigen Situation Hilfe und Unterstützung in einer unabhängigen Beratungsstelle holen kann. Dabei ist für uns ebenso wie für Sie zentral: In allen Fällen der Beratung setzen wir auf Freiwilligkeit, denn wir wissen, dass nur eine freiwillige Beratung tatsächlich angenommen wird. Ich komme nun zu dem Punkt, der in der Öffentlichkeit die größte Aufmerksamkeit gefunden hat, nämlich zur Ausgestaltung der Bedenkzeit. Wir legen gesetzlich fest, dass der Arzt zwischen dem Befund und der Feststellung der medizinischen Indikation eine ausreichende Bedenkzeit - in der Regel mindestens drei Tage - sicherstellt. Damit machen wir die drei Tage zur Regel; allerdings lassen wir Ausnahmen zu. Warum? Wir sind davon überzeugt, dass der Gesetzgeber eine Öffnung für Härtefälle vornehmen muss. Alles andere würde die Notsituation der in Konflikt geratenen Frauen unnötig verschärfen. ({1}) Was kann eine solche Notlage sein? Sie kann eintreten, wenn, wie in der Anhörung vorgetragen, zum Beispiel eine zweite Schwangerschaft mit dem gleichen Gendefekt des Ungeborenen auftritt wie bei der ersten und erneut eine Schwangerschaft abgebrochen werden muss. Die davon betroffene Frau beschäftigt sich seit Monaten, vielleicht seit Jahren mit der Frage, was passiert, wenn dieser traurige Fall ein zweites Mal eintritt. Braucht diese Frau zwingend, gesetzlich vorgeschrieben, zusätzlich drei Tage oder mehr Bedenkzeit? Was ist in einem anderen Fall, wenn das Kind ohne Hirn, ohne Lunge definitiv nicht überlebensfähig ist, aber keine aktuelle Lebensgefahr der Mutter besteht? Muss ich ihr zwingend gesetzlich drei oder mehr Tage Bedenkzeit aufbürden? Wir meinen, das ist grausam. Wir müssen für unterschiedliche, schwere individuelle Schicksale eine entsprechend flexible gesetzliche Regelung vorsehen. Wir sind überzeugt: Zusätzlicher Druck hilft Frauen und Paaren in dieser Notlage überhaupt nicht. ({2}) Zum dritten Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir regeln in unserem Gesetz keine Androhung von Bußgeld. In allen Anhörungen seit 2005 haben wir deutlich gehört, dass sich die Ärzte in der Mehrheit verantwortungsvoll verhalten. Dürfen wir alle Ärzte unter Generalverdacht stellen? Wir meinen: Nein. Dürfen wir mit der Androhung eines Bußgeldes das Vertrauen zwischen Arzt und Patientin unterhöhlen? Auch darauf antworten wir mit Nein. Ich halte ein Bußgeld für überflüssig, denn Ärzte, die ihre Pflicht verletzen, sind heute schon nach einem sehr scharfen Gesetz, dem Strafgesetzbuch, mit einer Freiheitsstrafe oder mit einem Bußgeld bedroht. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich bedanke mich bei all denen von Ihnen, die uns für unseren Gesetzentwurf ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Ich werbe um Unterstützung für unseren Weg bei all denjenigen von Ihnen, die das bislang noch nicht gemacht haben. Wir haben heute zu entscheiden, welche Art von Regelungen wir für emotionale Grenzsituationen in einer Vielzahl trauriger Einzelschicksale treffen wollen. Dabei müssen wir heute die Frage beantworten: Dürfen wir Ärztinnen und Ärzten sowie den betroffenen Frauen in diesen Grenzsituationen rigide und starre Regeln vorschreiben? Können wir als Gesetzgeber allen traurigen Einzelschicksalen gerecht werden, wenn wir das gleiche Schema von Regelungen für alle Fälle vorschreiben? Unsere Antwort lautet: Nein. Der Gesetzgeber muss Raum lassen für das Ermessen von Ärztinnen und Ärzten. Er muss vor allem Raum lassen für einen menschlichen Umgang mit Einzelfällen. ({3}) Das ermöglicht unser Gesetzentwurf. Deshalb bitte ich um Ihre Stimme. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann. ({0})

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sagen wir doch ehrlich und offen, worum es heute wirklich geht: De facto soll mit beiden Gesetzentwürfen der Kompromiss zum Schwangerschaftsabbruchsrecht von 1995 aufgekündigt werden, und zwar auf Kosten der betroffenen Frauen und der Fachärzteschaft. ({0}) Statt die 1995er-Regelung mit uns gemeinsam gegen die Verschärfung durch die Kollegen Singhammer und Co zu verteidigen, haben Kolleginnen der SPD, der Grünen und der FDP unter hohem Druck der eigenen Fraktionen ({1}) leider einen ebenso inakzeptablen Gesetzentwurf vorgelegt. ({2}) Dabei war die Anhörung im Ausschuss eindeutig: Es gibt keinen Grund für eine Gesetzesänderung. Das sagten vor allem die, die es wirklich wissen müssen, nämlich die Vertreter der Beratungsorganisationen. Angeblich soll mit den Gesetzentwürfen der Beratungsanspruch bei Schwangerschaftskonflikten sichergestellt werden. Nur: Dieses Recht auf Beratung gibt es bereits seit 1995. Wenn dringender Handlungsbedarf besteht, dann an ganz anderer Stelle: Die Länder haben zwar die Pflicht, die Beratungseinrichtungen zu finanzieren und dafür zu sorgen, dass es eine wohnortnahe Beratung gibt. In der Realität sind die dafür erforderlichen Angebote derzeit jedoch weder kostenfrei noch flächendeckend erreichbar. Das Rote Kreuz hat in Brandenburg gerade Alarm geschlagen: Weil die Finanzierung seit 2007 nur noch zu 80 Prozent aus Landesmitteln erfolgt, stehen Beratungsstrukturen vor dem Aus. Angesichts dieser Situation soll heute eine Beratungspflicht mit Androhung einer Strafe gegen die Ärzteschaft beschlossen werden. Ich nenne das scheinheilig. ({3}) Scheinheilig ist auch, dass die Diskussion über Beratungs- und Unterstützungsangebote genau dann endet, wenn es eine Entscheidung für die Schwangerschaft gegeben hat. Die Familien brauchen aber auch eine Unterstützung für das Leben nach dieser Entscheidung. Aber gerade da fehlt es an Angeboten, gar nicht zu reden von integrativer Kinderbetreuung oder schulischer Bildung. Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe lehnt die Linke ab, weil sie § 218 a StGB deutlich verschärfen. ({4}) Für Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischen Gründen soll eine faktische Pflichtberatung neu eingeführt werden. Die aber hat der Gesetzgeber 1995 ausdrücklich nicht vorgesehen. Offensichtlich unterscheidet sich das Frauenbild der Linken von dem anderer Fraktionen. Wir sind davon überzeugt, dass Frauen auch in schwierigen Konfliktsituationen nicht vor sich selbst geschützt werden müssen. Sie brauchen stattdessen Unterstützung durch eine vertrauensvolle, ergebnisoffene und kostenlose Beratung. ({5}) Durch die Gesetzentwürfe sollen Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft dagegen mehr oder weniger erzwungen werden. Daran ändert auch nichts, dass die Dokumentationspflicht für Ärztinnen und Ärzte im Singhammer-Entwurf jetzt nur noch in der Begründung steht. Die erzwungene dreitägige Bedenkzeit - ich betone, für Ärztinnen und Ärzte, nicht für die betroffenen Frauen - zwischen Diagnose und Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen für einen Abbruch, sendet ein bedrohliches Signal an die Ärzteschaft: Wer Abbrüche vornimmt, entscheidet unter hohem Risiko. Unter diesem Druck verringert sich die Bereitschaft, Abbrüche überhaupt vorzunehmen. Das ist wohl das eigentliche Ziel der Gesetzentwürfe. ({6}) Nur: Das spitzt die ohnehin schwierige Situation der betroffenen Frauen und ihrer Familien weiter zu. Die Folge wird ein Ausweichen in Länder mit liberaleren Regelungen sein. Wir bleiben dabei: Es wird zu jedem Zeitpunkt eine Entscheidung der Frau sein und auch sein müssen, eine Schwangerschaft auszutragen oder nicht. ({7}) Der Gesetzgeber muss sichere und legale Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört für uns erstens die Durchsetzung des Rechtsanspruchs jeder Schwangeren auf medizinische und psychosoziale Beratung. Diese muss umfassend, vertrauensvoll und ergebnisoffen sein; das gilt für jede Phase der Schwangerschaft. Zweitens brauchen wir die Sensibilisierung und Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten sowie dem Klinikpersonal für Schwangerschaftskonfliktlagen, insbesondere vor und nach der Diagnosestellung. Darüber hinaus müssen wir in Zusammenarbeit mit den Ländern die Rahmenbedingungen für Kinder mit Handicap und ihre Eltern deutlich verbessern. ({8}) Die Linke, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wäre sehr dafür, wenn wir gemeinsam wirklich etwas für Schwangere in Konfliktsituationen tun würden. Nur: Die Verschärfung des § 218 a ist der falsche Weg. ({9}) Hören Sie auf, Schwangere und Ärzteschaft unter Generalverdacht zu stellen! Der Gruppenantrag aus den Reihen der Linken geht sehr ausführlich und verantwortungsvoll auf die vielschichtigen Probleme rund um Schwangerschaftskonfliktsituationen ein. Deshalb kann man ihm eigentlich nur zustimmen. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Kerstin Griese.

Kerstin Griese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen und wir sollten uns in dieser Debatte darauf konzentrieren, wie wir Frauen in einer schwierigen Konfliktsituation am besten helfen können, und nicht neue Ängste schüren oder Dinge unterstellen, die nicht stimmen. ({0}) Im Mittelpunkt unserer Bemühungen - dafür bedanke ich mich sehr herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir in den letzten Wochen und Monaten viele sehr intensive Gespräche geführt haben - steht, wie wir Frauen helfen können. Ich möchte die Situation, um die es hier geht, noch einmal vor Augen führen: Wir sprechen über Schwangerschaften nach der zwölften Woche, also über Schwangerschaften, bei denen die Entscheidung für das Kind schon gefallen ist, aber im Zuge einer Untersuchung eine eventuelle Behinderung des Kindes festgestellt wurde. Das ist eine schwierige Situation: Die werdenden Eltern freuen sich auf das Wunschkind und müssen nun damit umgehen, dass das Kind behindert, eventuell sogar schwerbehindert sein kann; vielleicht lautet die Diagnose sogar: nicht lebensfähig. In all diesen Fällen müssen wir dafür sorgen, dass die Betroffenen - die Schwangeren, aber auch die Eltern insgesamt - die bestmögliche Unterstützung erhalten. ({1}) Unsere Gruppe, die ja erst einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht hat, hat sich nun auf einen neuen gruppenübergreifenden Gesetzentwurf verständigt, weil wir darin unsere wichtigsten Punkte wiederfinden: eine bessere Beratung und Unterstützung der betroffenen Frauen und eine Bedenkzeit. Ziel dieses gemeinsamen Gesetzentwurfes ist es, dass die betroffenen Frauen eine Entscheidung fällen können, mit der sie später leben können. Dafür brauchen sie Zeit und Ruhe - ohne Druck und dafür brauchen sie eine gute psychosoziale Beratung. ({2}) Wichtig ist in unserem Gesetzentwurf: Die Ärztinnen und Ärzte werden verpflichtet, die Frauen ergebnisoffen zu beraten, sie in eine psychosoziale Beratung zu vermitteln und zu Selbsthilfegruppen oder Eltern behinderter Kinder. Die Ärztinnen und Ärzte verpflichten wir dazu, die Frauen können aber - das ist wichtig - diese Beratung ablehnen. Die Ärzte haben also Pflichten, die schwangeren Frauen haben Rechte. Gerade in dieser schwierigen Situation, über die wir hier sprechen, ist es bislang nicht gesichert, dass Frauen eine psychosoziale Beratung wahrnehmen können. Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung besagt, dass nur ein Fünftel der Frauen, die mit einem pathologischen Befund konfrontiert werden, also mit einer eventuellen Behinderung ihres Kindes, beraten werden. Auch das haben wir in der Anhörung gehört, die übrigens sehr deutlich gezeigt hat, dass hier Änderungsbedarf besteht. Unser zentrales Anliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, den schleichenden Automatismus zu durchbrechen, der die Diagnose einer eventuellen Behinderung sehr schnell zu einer Empfehlung zum Abbruch der Schwangerschaft werden lässt. Damit unterstelle ich ausdrücklich nicht allen Ärztinnen und Ärzten, dass sie so beraten. Aber wir wissen aus Studien und Fachgesprächen, aus der Anhörung im Bundestag und auch aus Berichten von Betroffenen, dass diese Tendenz vorhanden ist. Uns hat bewegt, zu erfahren, dass europaweit - für Deutschland gibt es keine genauen Zahlen - über 90 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben werden. Wir tasten mit unserem Gesetzentwurf die Möglichkeiten der medizinischen Indikation und erst recht nicht den § 218 StGB - der bleibt so erhalten, wie er ist - an. ({3}) Aber wir wollen sicherstellen, dass eine solche Diagnose nicht automatisch bedeutet, dass Kinder mit Down-Syndrom gar nicht mehr auf die Welt kommen. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass es nicht darum geht, quantitativ die Zahl der Spätabbrüche zu senken - man kann und soll nicht meinen, dies gesetzlich regeln zu können -, sondern es geht um bessere Beratung und darum, eine gute Entscheidung fällen zu können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Punkt ist mir sehr wichtig: Wir sind uns in allen Forderungen einig, eine bessere Beratung vor der Pränataldiagnostik zu ermöglichen. Darüber haben wir oft gesprochen. Hier kommt es darauf an, dass Frauen wissen, was diese Untersuchungen bedeuten, dass sie gut informiert sind. Dies unterstützen wir. Ich weise darauf hin: In diesem Gesetz geht es um Schwangerschaftskonflikte. Deshalb muss man gerade für die schwierige Situation, wenn eine solche Diagnose vorliegt, besondere Vorkehrungen treffen. Die Beratung davor ist natürlich genauso wichtig. ({4}) Wir sind uns sicherlich alle einig, dass die Bedingungen für das Leben mit behinderten Kindern, für eine echte Inklusion von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft verbessert werden müssen. Deshalb empfiehlt unsere Gruppe, dem ursprünglichen Entschließungsantrag von Christel Humme und anderen zuzustimmen, in dem viele richtige untergesetzliche Forderungen aufgeführt sind. Die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen mit Behinderungen gehört dazu. Dazu gehört übrigens auch die Verbesserung der medizinischen Versorgung. Ich bin sehr froh, dass im Bundesgesundheitsministerium zurzeit geplant ist, behinderten Menschen mit Brillen und verschreibungsfreien Arzneimitteln weiterzuhelfen. Das wäre ein wichtiger Schritt. Hier bitte ich um Unterstützung aus allen Fraktionen. Ich will mich ganz herzlich bei den vielen Verbänden aus dem Behindertenbereich, bei den Wohlfahrtsorganisationen, den Beratungsstellen, den Ärztinnen und Ärzten, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die uns geholfen haben, bedanken. Wir unterstützen diesen Gesetzentwurf. Dieser unterscheidet sich von dem Gesetzentwurf, den die Kollegin Humme vorgestellt hat, deutlich: Erstens. In unserem Gesetzentwurf wird klarer und eindeutiger geregelt, dass die Ärzte verpflichtet sind, zu beraten und eine psychosoziale Beratung zu vermitteln, und zwar im Einverneh24198 men mit der Frau. Zweitens. Die drei Tage Bedenkzeit sind uns wichtig. Sie gilt nicht, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht. Dazu gehört physische und psychische Gefahr. Entgegen anderen Pressemeldungen von heute gilt diese Frist von drei Tagen natürlich nicht, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet wäre. Diese drei Tage sind ein Schutz für die Frauen. Die Formulierung „drei Tage“ ist nicht so ein ungenauer Rechtsbegriff wie die Formulierung „ausreichende Bedenkzeit“. Diese Bedenkzeit von drei Tagen ist uns wichtig. Sie bedeutet Rechtssicherheit für die Frau und ist wichtig, um eine Entscheidung fällen zu können. ({5}) Wir empfehlen, dem zweiten Teil des Gesetzentwurfs, dem kleineren Teil, zur statistischen Erfassung nicht zuzustimmen, denn hier geht es nicht um eine Verbesserung der Hilfen für die Frauen, sondern nur um eine genauere statistische Erfassung. Damit ist nicht den Frauen, sondern nur der Statistik geholfen. Ich glaube, dass der wichtigere, große Teil des Gesetzentwurfs eine Mehrheit im Parlament finden kann. Ich werbe deshalb dafür und bitte um Unterstützung, und zwar aus drei Gründen: erstens damit wir sicherstellen, dass Frauen psychosoziale Beratung und Hilfe in dieser schwierigen Situation bekommen, zweitens damit sie Zeit und Unterstützung zur Entscheidungsfindung haben und drittens damit die Gesellschaft und wir alle daran erinnert werden, dass wir mehr tun müssen, damit behindertes Leben gelingendes Leben ist. Vielen Dank. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender.

Birgitt Bender (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003502, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon zu Recht darauf hingewiesen, dass wir uns für die Beratung dieses Themas einige Zeit genommen haben. In der ersten Lesung der vorliegenden Gesetzentwürfe haben viele - ich denke, fast alle - Rednerinnen und Redner betont, wie wichtig es uns ist, für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der Menschen mit Behinderungen ihren selbstverständlichen Platz haben. Ich finde, dass seither - das möchte ich ausdrücklich anerkennen - die Sensibilität dafür, was pränatale Diagnostik dazu beiträgt bzw. welche Gefahren sie beinhaltet, gestiegen ist. Ich freue mich sehr darüber, dass es gelungen ist, im Gendiagnostikgesetz festzuschreiben, dass man Embryos nicht auf Krankheiten testen darf, die erst im Erwachsenenalter ausbrechen. ({0}) Das ist nicht notwendigerweise eine Frage der Abtreibung. Es kann das Thema „Recht auf Nichtwissen“ sein. Dieses Recht auf Nichtwissen ist schützenswert. Auch das sollten wir im Auge behalten, wenn wir über die heute vorliegenden Gesetzentwürfe reden. Ich gehöre zu der Gruppe um die Kollegin Humme und andere, die ursprünglich gesagt hat, dass bei Konflikten in der Schwangerschaft den betroffenen Frauen mehr Informationen, mehr Beratung und mehr Unterstützung ermöglicht werden müssen, ohne dass man dafür das Gesetz ändern muss. Wir haben uns bewegt. Auch andere haben sich bewegt; das will ich ausdrücklich anerkennen. Heute haben wir zwei Gesetzentwürfe vorliegen, die sich gegenüberstehen. Leider ist es nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu einigen. Wir haben oft gemeinsam am Tisch gesessen, und das hat von allen verlangt, sich von der jeweiligen Verdachtsperspektive gegenüber der anderen Gruppe zu verabschieden. Ich gestehe, dass das nicht immer leicht war. Sie haben vorhin zugestanden - Frau Griese hat es gesagt -, dass Einigkeit darüber herrscht, dass eine umfassende Beratung der Frauen vor einer vorgeburtlichen Untersuchung notwendig ist. Deshalb kann ich nur schwer verstehen, dass es nicht möglich war, in den Verhandlungsrunden übereinzukommen und sich auf eine Regelung zu verständigen, die genau das festschreibt. ({1}) Auf den Einwand, wir würden auf diese Weise bei Routineuntersuchungen zu viel Aufwand erzeugen, haben wir reagiert und das Beratungserfordernis nur noch für solche Untersuchungen festgeschrieben, die nicht überwiegend der Überwachung einer normal verlaufenden Schwangerschaft dienen, also mithin der Suche nach Auffälligkeiten. Ich frage Sie: Was gibt es daran auszusetzen? Frau Falk, Frauen, die sich gut aufgeklärt für eine solche Untersuchung entscheiden und wissen, was für ein Befund möglicherweise zu erwarten ist, werden eine größere Chance haben, nicht in den Schockzustand zu geraten, den Sie vorhin beschrieben haben, ({2}) sondern sehr viel besser vorbereitet sein auf die Entscheidung, vor der sie dann möglicherweise stehen. Frau Falk, Sie sprachen von einem gewissen Druck auf Ärzte. Da werde ich hellhörig. Uns geht es nicht darum, Druck auszuüben. Vielmehr betonen wir die Vernetzung, die Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten einerseits und den Beraterinnen in den Beratungsstellen mit ihrer Kompetenz andererseits. Wir wollen die Kompetenz im medizinischen und psychosozialen Bereich zusammenführen, damit Frauen optimale Unterstützung und Beratung erfahren. Streitig blieb zwischen uns auch die Frage der Frist. Wir haben uns da - durchaus schweren Herzens - bewegt, nachdem wir nach der Anhörung zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangt sind. Sie haben die SchlussfolgeBirgitt Bender rung gezogen, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Frist, wie sie vorgesehen werden soll, bisher nicht eingehalten wird. Wir haben es eher so verstanden, dass der Zeitraum zwischen Diagnose und einem möglichen Abbruch in der Regel sehr viel länger ist als drei Tage. Aber wie dem auch sei, wir sind uns einig, dass es eine Bedenkzeit geben soll. Wir haben jetzt den Vorschlag gemacht, „eine ausreichende Bedenkzeit, in der Regel … drei Tage“ festzuschreiben. Darauf haben wir uns nicht verständigen können. Wir verstehen nicht, warum man mit Rigidität an den drei Tagen festhalten soll, auch wenn die Frau höchst verzweifelt ist, beispielsweise weil sie bereits ein behindertes Kind hat und weiß, dass sie sich ein zweites nicht zutraut. Ich glaube, dass wir da mit dem Regel-Ausnahme-Verhältnis die bessere Lösung gefunden haben. ({3}) Ich fasse zusammen: Uns geht es um Beratung und Unterstützung der Frauen. Wir wollen vermeiden, dass Frauen und/oder Ärztinnen und Ärzte unter Druck geraten, weil das einer Lösung, mit der die betroffenen Frauen und Paare später leben können, eher entgegensteht, als dass es sie fördert. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ina Lenke. ({0})

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorab ein Wort an Frau Tackmann richten. Frau Tackmann, Ihre Behauptung, dass innerhalb der FDPBundestagsfraktion in einem solchen Fall und in anderen Fällen Druck ausgeübt werde, entbehrt jeder Grundlage. ({0}) Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie versuchen, hier mit solchen wesensfremden Argumenten zu punkten. Liebe Kollegen und Kolleginnen, Ende letzten Jahres hat eine Gruppe von FDP-Bundestagsabgeordneten einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes - nicht zur Änderung des § 218 - vorgelegt. In vielen intensiven Gesprächsrunden - das haben die Kolleginnen und Kollegen vor mir schon gesagt wurde unser Gesetzentwurf mit dem der CDU/CSU und von Teilen der SPD um Kerstin Griese zusammengeführt. Auch mit Ihnen, Frau Humme, haben wir bis fast zum Schluss zusammengesessen. Das Ziel der liberalen Abgeordneten war es, zur Verbesserung der Situation von schwangeren Frauen bei fortgeschrittener Schwangerschaft in Konfliktsituationen beizutragen. Ich will die wichtigen Ziele in dem gemeinsamen Gesetzentwurf nennen: Erstens. Der Frau wird Zeit gegeben, nach der Pränataldiagnostik - also nach der vorgeburtlichen Untersuchung - bei einer möglichen schweren Behinderung des Kindes psychosoziale Beratung durch eine anerkannte Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen. Unser Text dazu lautet: Deshalb darf die Indikation nicht vor Ablauf von drei Tagen gestellt werden. - Das bedeutet natürlich - das hat bisher noch keiner gesagt -, dass die Beratungszeit länger als drei Tage dauern kann. Frau Humme und Frau Marks, ich möchte noch anmerken: Der Begriff „ausreichend“ ist meines Erachtens nicht zu fassen. Für einen Arzt kann ein Tag ausreichend sein. Wir waren uns deshalb einig, die Beratungszeit mit drei Tagen konkret anzugeben. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück. ({1}) Aber auch das ist wichtig: Wenn Gefahr für Leib und Leben der Frau besteht, gilt diese Dreitagefrist nicht. Zweitens. Die Ärztin oder der Arzt hat die Frau auf ihren Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung hinzuweisen. Im Schwangerschaftskonfliktgesetz ist dieser Rechtsanspruch zwar enthalten, aber viele Frauen wissen nichts davon. Deshalb ist es wichtig, dass der Arzt, der die Frauen in der Schwangerschaft begleitet, an dieser Stelle hilft. Der Arzt wird verpflichtet - diesen Punkt haben wir übernommen -, der Frau mit ihrem Einverständnis ein Angebot für die medizinische Beratung zu machen. Damit hat jede Frau die Möglichkeit, eine entsprechende Beratung anzunehmen. Für uns ist auch noch wichtig, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusätzliches Informationsmaterial für das Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten Kind erstellt. Damit werden Eltern, die sich für eine Geburt entscheiden, begleitet und unterstützt. Wir haben einige Forderungen der Gruppe Humme in unseren Gesetzentwurf integriert. Aber angesichts des Dissenses bei der Dreitageregelung muss man sich schon die Frage stellen, was „ausreichend“ bedeutet. Darauf, auf eine konkrete Festlegung zu verzichten, haben wir uns nicht eingelassen. Auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe unterstützt die Dreitageregelung. Hier hätten wir einen Konsens erreichen können. Ich bedauere es sehr, dass wir an dieser Stelle nicht zusammengekommen sind. Für die Gruppe der liberalen Abgeordneten fasse ich zusammen: § 218 wird nicht berührt. Die Ärzte haben die schwangere Frau auf ihren Rechtsanspruch auf Beratung hinzuweisen und sind verpflichtet, zu beraten. Aber die Frau ist nicht verpflichtet, eine Beratung anzunehmen. Zum Schluss: Was steht nicht mehr in dem gemeinsamen Gesetzentwurf? Wir Liberale haben dafür gesorgt, dass das Bußgeld für Ärzte nicht verdoppelt wird und keine zusätzliche Dokumentation für Ärzte vorgeschrieben wird, auf die die Landesbehörden Zugriff haben. Unsere weiteren Positionen werden mein Kollege Herr Goldmann und meine Kollegin Frau Laurischk hier vortragen. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmingard ScheweGerigk.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man etwas verändert, ist es gut, den Blick noch einmal zurückzurichten. Im Jahre 1995 wurde die sogenannte embryopathische Indikation abgeschafft, die einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer schwerwiegenden gesundheitlichen Schädigung des Embryos bis zur 22. Woche ermöglichte. Diese Entscheidung war richtig. Voraussetzungen für die Straffreiheit waren damals eine Pflichtberatung und die Einhaltung der Dreitagefrist. Mit der Reform von 1995 wurde eine neue, die medizinische Indikation eingeführt. Ich sage es hier noch einmal deutlich: Die Behinderung des Embryos allein ist kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer medizinischen Indikation. ({0}) Voraussetzung für die Indikation ist vielmehr, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben bzw. die physische oder psychische Gesundheit der Schwangeren darstellt. Dass mit dieser Regelung verantwortungsbewusst umgegangen wird, zeigt sich daran, dass die Zahl der medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüche ab der 12. Woche in der Zeit zwischen der Einführung dieser Regelung und dem Jahr 2007 um 36 Prozent zurückgegangen ist. Darum ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die Union seit über zehn Jahren versucht, diese medizinische Indikation mit dem Hinweis auf sogenannte Spätabbrüche auszuhöhlen. In vielen interfraktionellen Runden und einer Vielzahl von Einzel- und Ausschussanhörungen sollte ein Handlungsbedarf nachgewiesen werden. Bis 2005 wurde dieser von einer übergroßen Mehrheit verneint. Heute liegen zwei Gesetzentwürfe und zwei Anträge vor. Alle Beteiligten haben sich in einem intensiven Prozess aufeinander zubewegt. Ich danke Ihnen dafür. Es bleiben aber Differenzen, die unüberbrückbar sind. An der Frage, woran das liegt, zeigt sich, dass wir offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie sich Frauen sowie Ärzte und Ärztinnen in dieser schwierigen Situation verhalten. Ich kenne keinen Fall, in dem ein Arzt, wenn er die Diagnose bekannt gibt, bereits ein freies Bett bereithält. Er würde sich damit im Übrigen strafbar machen; denn es muss ein anderer sein, der den Abbruch vornimmt. ({1}) Ich kenne auch keine Frau, die sich leichtfertig für den Abbruch einer Wunschschwangerschaft entscheidet. Insofern sehe ich keine Notwendigkeit, Frauen in Grenzsituationen zu drangsalieren oder Ärzte zu kriminalisieren. ({2}) Mir ist dieses Misstrauen gegenüber Frauen und Ärzten fremd. Darum unterstütze ich auch nicht den Vorschlag, bezogen auf Ärzte zusätzliche Ordnungswidrigkeiten einzuführen. Eine gesetzeswidrige Indikation oder ein gesetzeswidriger Abbruch sind schon heute strafbar. Das Strafgesetzbuch sieht hierfür Geld- oder Freiheitsstrafen vor. Ich lehne aber auch weitergehende statistische Erhebungen ab. Herr Kollege Singhammer, warum glauben Sie eigentlich, dass ein Arzt einen Fetozid verschweigt und in der Statistik eine Fehlgeburt oder eine Totgeburt angibt? Wenn dem so wäre, müssten deren Zahlen ansteigen. Das ist aber nicht der Fall. Ich weiß nicht, was man mit einer solchen Statistik erreichen will. ({3}) Ich komme zu einem Punkt, bei dem wir uns einig sind. Das ist die verbesserte Beratung Schwangerer, gerade bei einem auffälligen Befund. Schon heute haben Schwangere einen Rechtsanspruch auf Beratung, und zwar sowohl auf eine medizinische als auch auf eine psychosoziale Beratung. Aus der Praxis wissen wir aber, dass diese vielfach nur unzureichend erfolgt. Darum wird der Arzt nach dem Gesetzentwurf von Christel Humme, mir und anderen dazu verpflichtet, die Schwangere auf ihren Rechtsanspruch hinzuweisen und im Einvernehmen mit ihr einen Kontakt zu einer Beratungsstelle zu vermitteln, wobei die Schwangere dieses Vermittlungsangebot ablehnen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere ältere Schwangere - in der heutigen Zeit ist es häufig so, dass Frauen das erste Kind erst sehr spät bekommen - sind einem Automatismus von pränataldiagnostischen Untersuchungen ausgesetzt, ohne über Chancen und Risiken ausreichend informiert zu werden. Das wollen wir ändern. Wir wollen, dass Schwangere die Untersuchung ablehnen können und dass so ihr Recht auf Nichtwissen gewahrt wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn wir wissen, wie häufig Frauen Probleme haben, dem Arzt zu sagen: Ich will diese Untersuchung nicht. - Wir schreiben dieses Recht fest. Ein wesentlicher Punkt, in dem sich die beiden Gesetzentwürfe unterscheiden, ist die Bedenkzeit zwischen Diagnose und medizinischer Indikation. Wir sind uns darüber einig, dass Frauen in dieser Situation eine ausreichende Bedenkzeit benötigen - in der Regel sind das drei Tage; das können aber auch 14 Tage sein -, um sich mit Menschen ihres Vertrauens zu beraten. Aber eine starre Frist von mindestens drei Tagen ist in manchen Situationen - das ist individuell verschieden - eine Zumutung für die Frauen. ({4}) Warum muss man eine Frau quälen, die aufgrund einer schweren genetischen Veränderung zum wiederholten Mal die Schwangerschaft abbrechen musste und sich schon mit dieser Situation auseinandergesetzt hat? Ich muss Ihnen sagen: Ich empfinde es als eine Anmaßung der Politik, dieser Frau eine Frist von drei Tagen vorzuschreiben. Politik kann nicht alles regeln. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Schewe-Gerigk.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ich komme zum Schluss. Ich möchte nicht, dass gut zehn Jahre nach der Abschaffung der embryopathischen Indikation deren Regelungen in die medizinische Indikation übernommen werden. Daher bitte ich Sie um die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf, aber auch zu dem Antrag von Christel Humme, mir und anderen, in dem der Ausbau der Frühförderung und weitere Verbesserungen für das Leben von Kindern mit Behinderungen vorgesehen sind. Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte unserer Gesellschaft. Ich danke Ihnen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Ingrid Fischbach.

Ingrid Fischbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003117, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh und dankbar, dass sich so viele Kolleginnen und Kollegen bewegt haben, dass sie alles versucht haben, um einen Kompromiss zu erzielen, der denen zugutekommt, die am meisten betroffen sind, nämlich den Vätern und Müttern. ({0}) Ich freue mich, dass wir persönliche Befindlichkeiten, die sicherlich jeder an der einen oder anderen Stelle hat, zurückgestellt haben, weil wir eine Lösung für die Eltern wollen. Diese haben wir heute vorgelegt. Dass dies nach zehn Jahren geschafft wurde - ich bin so lange im Parlament und habe die Beratungen miterlebt -, ist für mich eine gute, eine wichtige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Denn die Beratungen erfolgten in einer Art und Weise, die zeigt, dass wir im Parlament die Sache im Auge haben. Das hat gutgetan. Insofern sage ich ein herzliches Dankeschön an alle. ({1}) Die allermeisten Schwangerschaften, die aufgrund einer medizinischen Indikation abgebrochen werden, werden beendet, weil in einer vorgeburtlichen Untersuchung festgestellt wurde, dass das Kind schwerkrank oder schwerbehindert sein wird. In diesen besonderen Fällen liegt es auf der Hand, dass die Eltern vor allem zwei Dinge brauchen. Erstens brauchen sie eine fundierte Aufklärung darüber, was das Ergebnis der vorgeburtlichen Untersuchung eigentlich bedeutet: Wie wird sich diese Krankheit oder Behinderung auf das Leben des Kindes auswirken? Welche Auswirkungen hat dieses Ergebnis auf das gemeinsame Familienleben, auf die Eltern? ({2}) Deshalb ist es gut, dass wir in dem Gesetzentwurf festgeschrieben haben, dass der Arzt, der den Eltern das Untersuchungsergebnis übermittelt, andere Ärzte hinzuzieht, die Erfahrung mit der diagnostizierten Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern haben. Bei ihnen können die Eltern sofort Fragen stellen. Sie erhalten keine abstrakte Mitteilung, sondern sie können fragen: Wie geht es weiter? Wie sieht das Leben aus? Was passiert da? Das ist eine gute Regelung. Deshalb sage ich an der Stelle ein herzliches Dankeschön dafür, dass wir das einbezogen haben. Frau Bender, es ist anders, als Sie gesagt haben. Selbst wenn man so eine Untersuchung durchführen lässt, geht man immer vom Prinzip Hoffnung aus. Das heißt, die Eltern, die die Untersuchung durchführen lassen, hoffen, dass das Ergebnis nicht schwerwiegend sein wird. Deshalb sind sie schockiert, wenn das Ergebnis so ist, wie es ist - da widerspreche ich Ihnen eindeutig -, und deshalb brauchen sie Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten. Zweitens brauchen die Eltern eine fundierte Beratung, die über die medizinischen Aspekte des Befundes hinausgeht. Schon längst ist im Schwangerschaftskonfliktgesetz festgeschrieben, dass Eltern in jeder Schwangerschaft das Recht haben, unabhängige Beratung in Anspruch zu nehmen. Dieser Gesprächsrahmen, in dem Eltern offen ihre Fragen stellen und ihre Ängste aussprechen können, ist nach einem auffälligen Untersuchungsergebnis besonders wichtig. Eltern, die in einer solchen Konfliktsituation das Glück hatten, an eine gute Beratungsstelle zu geraten, sind später sehr dankbar dafür. Aber es kann doch nicht sein, dass es als Glücksfall betrachtet werden muss, wenn die Eltern so eine Beratung bekommen. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Beratung. Es gibt gute Beratungsstellen; aber sie sind zu wenig bekannt. Ich denke deshalb, dass wir hier eine sehr gute Regelung gefunden haben: Der Arzt muss nicht nur auf die psychosozialen Beratungsangebote hinweisen, sondern muss den Eltern auch den Kontakt zu den entsprechenden Beratungsstellen vermitteln; er hat zukünftig die Beratungspflicht. Bei den Eltern bleibt es, wie gehabt - das ist deutlich festzustellen -, bei einem Beratungsrecht. Die Eltern brauchen ein Weiteres - unsere Ansichten hierzu unterscheiden sich eindeutig -: Sie brauchen Zeit, um eine tragfähige Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen zu treffen; denn diese Entscheidung wird sie ihr ganzes Leben begleiten. Sprechen Sie mit den Eltern, die diese Entscheidung getroffen haben! Sie sind dankbar, wenn sie in Ruhe darüber nachdenken können, wenn sie sich beraten können. Deshalb werbe ich an dieser Stelle sehr dafür, den gemeinsamen Gruppenantrag zu unterstützen, der eine Bedenkzeit von mindestens drei Tagen festschreibt. Die Bedenkzeit ist eine Hilfestellung für die Eltern; diese Möglichkeit sollten wir nicht ungenutzt lassen. Die Entscheidung darüber, ob die Schwangerschaft beendet wird, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, ist so schwerwiegend, dass die Eltern in Ruhe darüber nachdenken sollten, und zwar unabhängig davon, ob sie sich im Zweifelsfall für das Kind mit einer schweren Behinderung entscheiden oder die Entscheidung treffen, dass sie das nicht können. ({3}) Ich denke, beide Entscheidungen sind wertfrei. Die Eltern müssen aber die Zeit und die Möglichkeit haben, diese Entscheidung in Ruhe zu treffen. Ich glaube, wir werden nicht umhinkommen, im Anschluss an die Verabschiedung eine Evaluierung des Gesetzes durchzuführen und zu schauen: Ist das, was wir auf den Weg bringen wollen, richtig? Kommen die Hilfestellungen an? Haben beispielsweise die Ärzte die Möglichkeit, in ihren Praxen zu beraten? Diese Fragen sollten nach der Verabschiedung des Gesetzes beantwortet werden. Am Ende möchte ich einräumen, dass es nicht reicht, zu glauben, mit diesem Gesetzentwurf habe man alles erledigt. Wir müssen es in unserer Gesellschaft schaffen - hier spreche ich auch die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände an -, gemeinsam nach langfristigen Ansätzen zu suchen, die es Familien erleichtern, ein Kind anzunehmen, unabhängig davon, ob es behindert ist oder nicht. ({4})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wolfgang Spanier ist der nächste Redner.

Wolfgang Spanier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002803, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich noch gut an die äußerst schwierigen Diskussionen im Deutschen Bundestag über die Reform des § 218 erinnern. Damals war ich neu in den Bundestag gekommen. Ich weiß, wie schwer dieser Kompromiss zustande gekommen ist. Ich weiß, dass er ein hohes Gut darstellt. Ich hoffe, dass weder dieser Deutsche Bundestag noch der nächste an diesem Kompromiss rüttelt. ({0}) Ich weiß aber auch, dass seit 1995 immer wieder versucht wurde, genau an der Stelle der medizinisch-sozialen Indikation anzusetzen. Mich treibt die Sorge um, ob wir hier vielleicht nicht doch - fassen Sie es nicht als Unterstellung auf! - die Tür ein Stückchen öffnen. ({1}) Wir diskutieren - das weiß ich - über das Schwangerschaftskonfliktgesetz. Die Debatte hat sich aber im Laufe der Zeit verschoben: vom Thema Spätabtreibungen - 231 Fälle im Jahr 2008 - hin zur medizinisch-sozialen Indikation, aufgrund der es im Jahr 2008 zu 3 000 Abbrüchen kam. Ich glaube, man muss diese Zahlen einmal nennen; die Bewertung überlasse ich jedem Einzelnen von Ihnen. Natürlich handelt es sich hier um eine Gewissensentscheidung. Jeder Einzelne von uns muss diese Entscheidung treffen. ({2}) Es ist selbstverständlich, dass man die Entscheidung des Andersdenkenden respektiert. Die Entscheidung verlangt eine sorgfältige Prüfung. Es muss auch möglich sein - davon nehme ich mich selbst nicht aus -, aufgrund dieser Debatte heute seine ursprüngliche Position zu korrigieren, selbst wenn man eine der Vorlagen unterzeichnet hat. Wir sind uns einig: Die betroffenen Frauen und Paare befinden sich in einer äußerst schwierigen Situation, in der Tat in einer Grenzsituation. Wir sind uns auch einig: Es bedarf einer sorgfältigen Beratung, und es bedarf der Hilfe und Unterstützung der Frauen. Wir sind uns ferner einig - das ist wichtig -: Wir schützen das Recht der Frauen, diese Angebote nicht anzunehmen. Ist es dann aber richtig, dass vorgeschlagen wird, eine starre Zeitvorgabe von drei Tagen vorzusehen? Wird durch diese Zwangsfrist nicht doch Druck auf die Frauen ausgeübt? Dass man Zeit braucht, ist schließlich völlig unbestritten. ({3}) Was die zusätzlichen Sanktionen gegenüber Ärzten angeht, ist klar gesagt worden: Auch dabei handelt es sich um Druck, der auf die Ärzte ausgeübt wird. Steckt dahinter nicht möglicherweise ein Misstrauen gegenüber den Ärzten? Stehen diese beiden Aspekte nicht im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, Frauen, die sich in dieser Grenzsituation befinden, bei ihrer Gewissensentscheidung zu helfen? Meiner Meinung nach sollte in dieser Situation kein Druck ausgeübt werden. ({4}) Das Argument, mit dieser Regelung werde sichergestellt, dass eine Beratung durchgeführt wird, ist für mich nicht überzeugend. Besonders problematisch finde ich den zweiten Teil des Gesetzentwurfes, den sogenannten Statistikteil. Sicherlich haben Sie alle die Begründung des Gesetzentwurfes sehr sorgfältig gelesen, wie auch ich es getan habe; sie gehört schließlich dazu. Darin ist wieder einmal nur von der medizinischen Indikation die Rede. Das zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Gesetzentwurf von Singhammer, Griese und anderen. Aufschlussreich ist, dass alle Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs mit minutiöser Genauigkeit erfasst werden sollen. Es soll auch erfasst werden, wie häufig Abbrüche nach dieser medizinischen Indikation vorgenommen werden. Ich stelle die Frage: Brauchen wir als Parlament diese Informationen überhaupt, wenn es uns um die Hilfe und Unterstützung der Frauen geht? Das bezweifle ich. Deswegen habe ich mich nicht gewundert, dass selbst Frau Griese als eine der Verfasserinnen dieses Gesetzentwurfes dem Parlament empfohlen hat, seinen zweiten Teil abzulehnen. Noch einmal: Lesen Sie bitte die Begründung; denn sie gehört dazu. Ich glaube, dass sie meine Sorgen ein Stück weit rechtfertigt. Mein Fazit: Wir sollten auf keinen Fall den 1995 erreichten Kompromiss antasten. ({5}) Wir sollten auf Menschen, die sich in einer äußerst schwierigen Situation befinden - ich habe diese Situation vor wenigen Monaten bei meiner eigenen Schwiegertochter miterlebt -, keinen Druck ausüben. Wir sollten auch keinen Druck auf die Ärzte ausüben. Wir sind uns einig: Wir sollten den schwangeren Frauen und ihren Partnern in dieser sehr schwierigen Konfliktsituation über die Beratungsphase hinaus ein umfassendes Angebot an wirkungsvoller Hilfe und Unterstützung machen. ({6}) Ich persönlich unterstütze aus voller Überzeugung den Gesetzentwurf der Kollegin Humme und anderer. Ich bedanke mich. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Sibylle Laurischk. ({0})

Sibylle Laurischk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003580, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat uns in seiner Entscheidung vom Mai 1993 aufgegeben, aus Gründen des Schutzes des ungeborenen Lebens die weitere Entwicklung des Konzepts zu beobachten und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen. Wir wollen nicht den § 218 StGB ändern. ({0}) Diese sehr grundsätzliche Aussage ist aus Sicht der FDP notwendig, und sie entspricht unserem Selbstverständnis. ({1}) Die öffentliche Diskussion über Spätabtreibungen erfordert allerdings eine Antwort des Bundestages. Es geht um eine Situation, in der die werdenden Eltern, insbesondere aber die schwangeren Frauen aufgrund der medizinischen Möglichkeiten vielleicht zum ersten Mal und auf sehr dramatische Weise mit der Frage konfrontiert werden, wie sie als Eltern bzw. als Mütter mit dieser großen Belastung und mit dieser Konfliktlage umgehen sollen. Ein schneller Entscheidungsprozess ist hier weder möglich noch sinnvoll. Es ist notwendig, dass eine Frau in dieser Situation nachdenken kann, dass sie die Zeit und die Möglichkeit hat, Beratung zu finden. Das ist das Anliegen, das wir Abgeordnete der FDP-Fraktion schon mit unserem ursprünglichen Gesetzentwurf verfolgten. Wir wollen, dass eine Frau - sie steht nicht vor einer Abtreibung, sondern vor der Geburt; nichts anderes ist der Fall bei einer sogenannten Spätabtreibung - weiß, worüber sie entscheidet, wie sie die weitere Entwicklung verkraften kann, wie sie Abschied nehmen kann, wie sie mit der Möglichkeit, dieses Kind zu bekommen, umgehen kann, wie sie vielleicht auch damit umgehen kann, ein Kind, das nicht lebensfähig ist, auszutragen und dann Abschied von ihm zu nehmen. Bei dieser Frage geht es auch um die Problematik - dessen ist man sich vielleicht noch zu wenig bewusst -: Wie geht es weiter, nachdem ein behindertes Kind, das lebensfähig ist, geboren wurde? Ist es der Mutter, den Eltern vielleicht möglich, es nach der Geburt abzugeben? Wir müssen uns fragen: Wie wird mit behinderten Kindern, über die in einer Konfliktlage entschieden worden ist, umgegangen? Wir brauchen gute psychosoziale Beratung. Ich glaube, es ist auch für Ärzte eine Entlastung, zu wissen, dass, wenn sie eine medizinische Indikation stellen, der Frau diese zusätzliche Beratung angeboten wird. Nichts anderes wollen wir Abgeordnete der FDP, die diesen gemeinsamen Gesetzentwurf unterstützen. Wir sind allerdings kritisch, was den Statistikteil des Gesetzentwurfs angeht, zumindest in Teilen. Wir wollen nämlich nicht, dass hier eine Plattform für weitere Diskussionen aufgemacht wird. Ich möchte mich bei den Kollegen aus der Gruppe Humme/Schewe-Gerigk ausdrücklich für die sehr konstruktive und sehr tief gehende Diskussion bedanken. Ich glaube, ich habe in meiner Tätigkeit als Abgeordnete noch keine Diskussion erlebt, bei der so sehr um eine gute Lösung gerungen wurde wie hier. Wir haben uns mit der Fragestellung sehr ernsthaft und grundsätzlich befasst. Vielen Dank dafür allen Kollegen! ({2}) Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir heute zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen - im Interesse der Frauen, der Kinder, der Ärzte, ganz besonders aber im Interesse einer humanen Gesellschaft. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Der Kollege Dr. Harald Terpe ist der nächste Redner.

Dr. Harald Terpe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003854, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Frau, kein Paar entscheidet sich leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch. Wenn die Schwangere bei einer Vorsorgeuntersuchung erfährt, dass ihr Kind möglicherweise schwer krank oder behindert zur Welt kommt, dann geschieht dies zu einem Zeitpunkt, zu dem sie zu ihrem Kind meist schon eine Beziehung aufgebaut hat. Umso schwerer wird für sie die Entscheidung, die Schwangerschaft abzubrechen. Wir haben heute bereits gehört, wie entscheidend in einer solchen Situation medizinische und psychosoziale Beratung ist und wie wichtig es sein kann, der betroffenen Frau bzw. dem Paar auch nichtärztliche Beratung zu vermitteln; denn diese Beratung kann helfen, die seelische Not zu bewältigen, und eine individuelle Zukunftsentscheidung ermöglichen. In der Diskussion wird oft vergessen, wie grundsätzlich der Entschluss ist, die Schwangerschaft mit dem eigentlich gewünschten Kind abzubrechen, und wie wichtig es daher für die Schwangere bzw. das Paar ist, vor einer solch schweren Entscheidung innezuhalten, zur Ruhe zu kommen. Rund die Hälfte aller betroffenen Frauen sagen im Nachhinein, sie wüssten nicht, ob diese Entscheidung die richtige gewesen sei. Wir sollten daher alles tun, damit die betroffenen Frauen Zeit zur Entschleunigung bekommen, ({0}) Zeit für eine durchdachte Entscheidung, mit der sie auch langfristig leben können. ({1}) Das Nachdenken, das Abwägen von Konsequenzen und die Möglichkeit zum Innehalten sind entscheidend für die seelische Verarbeitung. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Schwangerschaft fortgesetzt wird, sondern auch für den Fall des Abbruchs der Schwangerschaft mit Blick auf das Abschiednehmen und die Trauer um das Kind. In der Diskussion der letzten Monate haben wir erfahren, dass rund einem Drittel der Frauen diese Zeit nicht gegeben wird. Es werden Abbrüche vorgenommen, obwohl die Diagnose einer möglichen Behinderung nicht einmal 48 Stunden zurückliegt. Als Arzt frage ich mich natürlich, wie in einer solch kurzen Zeit eine zuverlässige medizinische Indikation gestellt werden kann, wenn nicht gerade das Leben der Schwangeren akut bedroht ist. Vor diesem Hintergrund sind wir als Gesetzgeber in der Pflicht, den betroffenen Frauen die Zeit zu garantieren, die sie für ihre Entscheidung brauchen. ({2}) Wir dürfen die Frauen in dieser Schocksituation nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen, zum Beispiel dem Drängen auf eine schnelle Entscheidung, sei es vonseiten der Ärzte, des Partners oder auch allgemein von einer nicht immer behindertenfreundlichen Gesellschaft. Das Wissen, sich nicht sofort entscheiden zu müssen, kann viel dazu beitragen, den Druck auf Frauen zu vermindern. ({3}) Die Mindestzeit von drei Tagen entspricht bereits heute in vielen Fällen der Praxis und stellt sicher, dass niemand die Schwangere zu einer vorschnellen Entscheidung drängen kann. Im Gegensatz zum Gesetzentwurf der Kollegin Humme und anderer beginnt diese Frist bereits zum Zeitpunkt der Diagnose und nicht erst, nachdem der Arzt bereits die medizinische Indikation für einen Abbruch gestellt hat. ({4}) Letzteres kann nämlich wirklich zu einer Verzögerung und unnötigen Belastung der betroffenen Frauen führen. ({5}) Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu dem Vorwurf sagen, wir würden mit unserem Gesetzentwurf ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Ärztinnen und Ärzten zum Ausdruck bringen. Das ist falsch. Die Ärzteschaft selbst hat um eine gesetzliche Regelung - auch der dreitägigen Bedenkfrist - gebeten. ({6}) Diese Bitte nach einer gesetzlichen Klarstellung kommt von Menschen, die in der Praxis mit diesem Thema befasst sind. Es handelt sich hier also nicht um einen Akt des Misstrauens. Im Gegenteil: Wir schaffen auch für Ärztinnen und Ärzte Rechtssicherheit. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir niemanden gängeln. Wir wollen Frauen und Paaren helfen. Wir wollen sie bei einer der unbestreitbar schwersten Entscheidungen unterstützen, die sie in ihrem Leben zu treffen haben. Ich bitte die Unentschiedenen, den Gesetzentwurf der Gruppen Griese, Lenke und Singhammer zu unterstützen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Maria Eichhorn.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Schwangerschaft ist ein herausragendes Ereignis im Leben einer Frau und ihres Partners. Wenn der Arzt bei der Untersuchung aber sagt, dass bei ihrem Kind etwas nicht in Ordnung ist, bricht für diese Frau die Welt zusammen. Viele Fragen, Lähmung und Schock. Wie geht es weiter? Die betroffenen Frauen wollen nicht wahrhaben, dass ausgerechnet ihr Kind behindert sein soll. Wenn dann der Arzt auf eine mögliche Abtreibung hinweist, erscheint das schnell als Lösung. Nippert hat in einer Untersuchung festgestellt, dass ein Drittel der Spätabbrüche innerhalb von drei Tagen stattfindet. Die Fachleute sind der Meinung, dass es berechtigte Zweifel daran gibt, ob eine solche Entscheidung auf Dauer verkraftet werden kann, wenn der Abbruch im Schockzustand erfolgt. Bei der Neuformulierung des Abtreibungsrechts von 1995 - Frau Schewe-Gerigk hat bereits darauf hingewiesen - wurde die sogenannte embryopathische Indikation als eigener Tatbestand abgeschafft und bei der medizinischen Indikation aufgenommen. In der Begründung dazu wurde damals klargestellt - ich zitiere -, „dass eine Behinderung niemals zu einer Minderung des Lebensschutzes führen kann“. Die Praxis der Spätabtreibung ist jedoch anders verlaufen als beabsichtigt. Allein der Verdacht auf eine Behinderung ist heute Grund für eine Abtreibung. Durch die sogenannte Kind-als-SchadenRechtsprechung sehen sich Ärztinnen und Ärzte genötigt, in Richtung Abbruch zu beraten. Als damalige Verhandlungsführerin hat mich diese Entwicklung betroffen gemacht. Seit Anfang 1999 hat die Unionsfraktion nach Lösungen gesucht, um diese Entwicklung aufzuhalten. Bereits zweimal wurde von uns ein Antrag zur Vermeidung von Spätabtreibungen eingebracht - leider ohne Erfolg. Bedauerlicherweise ist es trotz Koalitionsvertrag nicht gelungen, mit unserem Koalitionspartner einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu formulieren. Dass heute ein fraktionsübergreifender Kompromiss zur Abstimmung steht, ist eine große parlamentarische Leistung. ({0}) Ich bin mir sicher, dass es durch die Umsetzung des vorliegenden Gruppengesetzentwurfes zu einer wesentlichen Verbesserung der im Zusammenhang mit Spätabtreibungen bestehenden Situation kommen wird. Wenn die Schwangere erfährt, dass sie ein behindertes Kind erwartet, darf sie mit dieser Diagnose nicht alleingelassen werden. Während der Arzt über die Behinderung selbst und mögliche Folgen aufklärt, ist ebenso eine psychosoziale Beratung notwendig, wie das heute schon öfter erklärt wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, diese Beratung begleitet die Frau, wenn sie es wünscht, weit über den Tag der Entscheidung hinaus - wenn es notwendig ist, drei Jahre lang. Das wird von den Beratungsstellen geleistet. ({1}) In einer Untersuchung von Rohde/Woopen wird festgestellt, dass die psychosoziale Beratung dann von den Betroffenen wahrgenommen wird, wenn der Arzt sie vermittelt. Ein reiner Hinweis ist nicht ausreichend. Daher wird der Arzt in unserem Gesetzentwurf zur Beratung und zur Vermittlung an eine psychosoziale Beratungsstelle verpflichtet. Selbstverständlich hat jede Schwangere das Recht auf Nichtwissen. Wenn jedoch ein auffälliger Befund vorliegt, dann sind genauere Kenntnisse der Diagnose für die Schwangere eher entlastend und ist eine Beratung dringend erforderlich und hilfreich, wie die Untersuchungen ergeben. Das oft zitierte Selbstbestimmungsrecht der Frauen wird nicht gestärkt, wenn ihr in einer so schweren Krisensituation Hilfe und Unterstützung vorenthalten würden. Die betroffenen Frauen müssen in Ruhe überlegen können, und deswegen ist eine rechtlich geschützte Mindestbedenkzeit von drei Tagen ab dem Zeitpunkt der Diagnose notwendig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind uns dessen bewusst: In diesem Dilemma gibt es keine gute Entscheidung. Es gibt nur eine, die eher zu ertragen ist. Diese Entscheidung muss reifen können, um sich später nicht quälende Vorwürfe machen zu müssen. Die heutige Abstimmung ist eine Gewissensentscheidung, unabhängig von Partei- und Verbandspolitik. Jeder von uns hat heute zu entscheiden, wie in einer so extremen Konfliktsituation der Schwangeren und deren Partner am besten geholfen werden kann. Ebenso muss uns allen aber bewusst sein, dass auch behinderte ungeborene Kinder unseres Schutzes bedürfen. Ich bin überzeugt, dass der gemeinsame Gruppengesetzentwurf die richtige Antwort ist. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Michael Goldmann. ({0})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele von Ihnen kennen das große Glück - ich habe es vor kurzem als Opa erlebt -, wenn ein gesundes Kind geboren wird. Leider erleben aber auch viele Menschen in unserer Gesellschaft den Albtraum, dass möglicherweise ein schwerstbehindertes Kind zu Welt gebracht wird. Dass wir uns heute mit diesem Sachverhalt beschäftigen, ist notwendig; denn die Zahlen sind bedrückend. Zwar sterben in vielen Bereichen unserer Gesellschaft täglich viel mehr Menschen aus anderen Gründen; aber wenn man bedenkt, dass die Lebensfähigkeit schon nach der 20. Schwangerschaftswoche besteht, sind es durch Spätabtreibungen immerhin zwei Menschen pro Werktag. 600 pro Jahr sind für uns Verpflichtung, sich um diesen Sachverhalt zu kümmern. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir nach langem Ringen in guter, gemeinsamer Arbeit heute über Gesetzentwürfe beraten, die von Respekt gegenüber der Position der einzelnen Gruppen getragen sind. Die Abgeordneten Humme, Singhammer, Griese und Lenke liegen in ihren Positionen dicht beieinander. Sie wollen mit ihren Gesetzentwürfen in einer sehr schwierigen Situation Hilfe bieten. Ich finde, Aufgabe des Gesetzgebers in dieser Situation ist, den Weg zur Hilfe aufzuzeigen. Ich bin enttäuscht von der Position, liebe Kirsten Tackmann, die du vorhin eingenommen hast. Niemand will die Tür zum § 218 Strafgesetzbuch wieder aufmachen. ({0}) Das sage ich ganz persönlich. Liebe Kollegin Tackmann, vielleicht können wir uns einmal darüber unterhalten, wie es war, wenn man als katholischer Christ in der FDP für die Regelung des § 218 eingetreten ist. Man hat das eine oder andere ertragen müssen. Deswegen bitte ich sehr darum, auch die Positionen derjenigen mit Respekt zu behandeln, die eine andere Position als die der Linkspartei vertreten, die du vorhin in deinen Ausführungen zum Ausdruck gebracht hast. Wir stehen vor der Herausforderung, eine Konfliktsituation möglichst auf gesetzgeberischem Wege zu lösen. Ich bin dankbar für das, was Herr Dr. Terpe vorhin gesagt hat. Es geht um Aufklärung und Beratung, und zwar um freie Beratung. Es geht nicht so sehr darum, jemandem ein Informationsrecht aufzuzwingen; es geht auch um ein Recht auf Nichtwissen. Es ist eine sehr wichtige Entscheidung für die betroffenen Menschen, weil sie mit ihrer Entscheidung auf ihrem späteren Lebensweg wahrscheinlich sehr häufig konfrontiert werden. Lassen Sie mich noch etwas zu der dreitägigen Bedenkzeit sagen. Ich finde es nicht korrekt, wenn so getan wird, als ob es nur um einen Block von drei Tagen gehe. Das stimmt doch nicht. Es geht um mindestens drei Tage Bedenkzeit. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es gerade in dieser Situation entscheidend darauf ankommt, eine Bedenkzeit im Gesetz zu verankern, weil es in einer solchen Schocksituation notwendig ist, Bedenkzeit zu haben. ({1}) Insofern liegt ein kluger Kompromiss vor. Deswegen bitte ich darum: Lassen Sie uns gemeinsam eine möglichst gute Lösung finden. Ich bin der Meinung, dass sich beide Gruppengesetzentwürfe relativ überzeugungsorientiert auf einen Kompromiss zubewegen lassen. Herzlichen Dank. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Kollegin Andrea Nahles hat nun das Wort.

Andrea Nahles (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt im Deutschen eine sehr schöne Umschreibung für die Schwangerschaft, nämlich „guter Hoffnung sein“. Mit guter Hoffnung gehen 85 Prozent der Schwangeren zu einer vorgeburtlichen Untersuchung. Immer ist damit die Erwartung verbunden, dass es die Bestätigung gibt: Mein Kind ist gesund. Aber leider ist das nicht immer der Fall. In dem Moment entsteht Druck. Er kommt nicht von außen, sondern er entsteht tief im Inneren. Denn nach dieser Diagnose steht nur noch eine Entscheidung im Raum: Für welchen Schmerz soll man sich entscheiden: den Schmerz, sein Wunschkind nicht zu bekommen, oder den Schmerz, ein Kind zu bekommen, das ganz anders ist, als man es sich gewünscht hat? Darum geht es. Ich finde es wichtig, dass man sich in einer solchen Situation darüber klar wird, was man will. Die Frauen müssen spüren können, dass sie Zeit haben, dies in der Familie zu erörtern. Handelt es sich um Bevormundung, wenn wir dafür Zeit garantieren wollen? Ich meine, nein. ({0}) Ich höre oft: Die betroffenen Frauen müssen das alleine entscheiden. - Letztendlich entscheidet niemand anderes als die Betroffenen. Aber bitte „allein entscheiden“ nicht mit „allein lassen“ verwechseln! Das ist ein ganz wichtiger Punkt. ({1}) 18 Prozent der Betroffenen sagen, dass sie sich ausreichend beraten gefühlt haben. 18 Prozent! Wir wollen, dass der Arzt die Pflicht hat, darauf hinzuwirken, dass es eine psychosoziale Beratung an einem anderen Ort als in der Arztpraxis gibt. Psychosoziale Beratung bedeutet, dass man sich nicht nur mit der eigenen Familie austauschen kann, die selber betroffen ist und Abschied von Hoffnungen nehmen muss, sondern dass man auch jemand Drittes anhört, der einem vielleicht ein Fenster öffnet und andere Vorstellungen in einer solchen Situation ermöglicht. Das ist für mich Hilfe, damit die Betroffenen mündig entscheiden können, und keine Bevormundung. Die Bedenkzeit muss ernst genommen werden. Ich habe in meiner Familie erlebt, dass man sich die Reaktionen des Umfeldes nicht immer so schönmalen darf, wie hier manchmal unterstellt wird. Nicht alle sagen, dass behindertes Leben auch gelingendes Leben ist. Das ist eine schöne Vorstellung. Aber oft sehen die Reaktionen ganz anders aus. Von Betroffenen haben wir oft gehört, dass dann solche Sätze kommen wie „Das kann man heute doch vorher wissen“. Damit wird die Frage impliziert, ob man das nicht rechtzeitig hätte verhindern können. Offen gesagt geht es mir bei der Bedenkzeit darum - das ist meine Hoffnung -, dass den Betroffenen eine Chance gegeben wird und sich ein Fenster öffnet, damit sie vielleicht Mut fassen, sich für ein behindertes Kind zu entscheiden. Das darf natürlich nicht mit Zwang oder Druck geschehen. Aber es sollte sich um eine Option handeln, die erwogen werden kann. Wenn man in einer Schocksituation ist und einem nicht die notwendige Bedenkzeit garantiert wird, ist es vielleicht schwerer. Um diese Chance geht es mir. Es ist gut, dass sich im Laufe der Zeit eine sachliche Debatte herauskristallisiert hat. Es geht um Beratung und Abwägung. Die Bedenkzeit stellt eine Hilfe und keine Bevormundung dar. Vielen Dank. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin GöringEckardt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Tod des eigenen Kindes ist wohl das Schlimmste, was Eltern widerfahren kann. Was bedeutet es dann erst, darüber entscheiden zu müssen? Mit der Diagnose, die nicht der Erwartung und der Hoffnung entspricht, beginnt für Eltern die schwerste Zeit, eine Zeit voller existenzieller Fragen, Verzweiflung, Wut und Hilflosigkeit. Nein, niemand handelt dann leichtfertig. Alles, was von außen getan werden kann, sind Beratung, Gespräch und Zuspruch. Dass jemand da ist - enge Vertraute, Familie -, ist wichtig. Dass jemand über die Krankheit und die Erwartung informiert, die man an ein Leben mit einem behinderten Kind haben kann, ist unabdingbar. Dass jemand professionell berät - ein Psychologe, eine Seelsorgerin -, ist mehr als wichtig. Der Kontakt zu Eltern behinderter Kinder kann helfen, sich über die Herausforderung klar zu werden, aber auch über die Chance, ein Leben mit Behinderung zu meistern und Freude daran zu haben. Die Gespräche können auch zu dem Schluss führen, dass es zu schwer ist, oder zu dem Schluss - oft schmerzlich -, dass man loslassen muss. Es kann ein Gespräch sein, das geführt wird, oder es können drei, zehn oder mehr Gespräche sein. Die Zeit dafür muss vorhanden sein, und sie muss vor allem selbstverständlich gewährt werden. Die Debatte hier konzentriert sich darauf, ob ein Zeitraum von drei Tagen festzulegen ist und ob dies überhaupt notwendig ist. Ich sage ganz klar: Nur wenn diese Spanne im Gesetz verankert ist, nimmt man die Entscheidung aus der Hand anderer und gibt sie in die Hand der Frau und des Vaters. Darum geht es, nicht um Ausnahmefälle. Es geht darum, dass wir nicht sagen, dass es auch eine angemessene Zeit sein kann. Wer legt diese angemessene Zeit denn fest? Die Ärztin, der Arzt? Ist es ein Tag, sind es zehn Tage? Was ist angemessen in einem Moment, der von Erschrecken und von Schock geprägt ist, der davon geprägt ist, nicht mehr ein noch aus zu wissen? Oft haben Ärztinnen und Ärzte für diese Art Beratung keine Ausbildung, arbeiten nicht in einem Zentrum und sehen vielleicht in einem Fall von ein- oder zweitausend Fällen eine Auffälligkeit im Ultraschall. Wie sollen sie eine Beratung - und das in kurzer Zeit leisten können? Gerade darum sind die Beraterinnen und Berater in den psychosozialen Beratungsstellen so wichtig. Der Weg dorthin muss einfach sein. Man muss den Menschen helfen, den Weg so einfach wie möglich gehen zu können. Darum geht es. Nach all dem kann die Entscheidung zugunsten des Lebens des Kindes fallen oder dagegen. Sie kann sich richtig anfühlen oder noch nach Jahren als falsch. Ich bitte Sie sehr: Stimmen Sie für die Mütter und Väter, die es schwer mit ihrem Wunschkind haben. Stimmen Sie dafür, dass sie Zeit für einen schweren Gang haben, Zeit, die ihnen niemand nehmen kann, Zeit für eine Entscheidung. Sie kann in Unsicherheit gefällt worden sein und sich am Ende doch bestätigen, aber es soll eine Entscheidung sein, mit der Mütter und Väter ihr Leben leben können. Wenn es uns gelingt, dass nicht Verzweiflung den Prozess bestimmt, sondern dass Eltern wegen der Art der Entscheidungsfindung besser oder gar gut mit ihrer Entscheidung leben können, dann haben wir etwas erreicht. Vielen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Kollegin Ulla Jelpke ist die nächste Rednerin. ({0})

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An so einem Tag wie heute möchte ich am liebsten nur eine Stimme abgeben, nämlich die für die ersatzlose Streichung des § 218 StGB. ({0}) Seit mehr als 30 Jahren kämpfe ich mit und in der Frauenbewegung dafür, dass Frauen selbst bestimmen kön24208 nen, wann und unter welchen Bedingungen sie sich für ein Kind entscheiden. Sie wollen keinen Druck und keine Drohung, sie wollen weder Geld- noch Gefängnisstrafen. Meines Erachtens wird mit der heutigen Debatte erneut die Diskussion über den § 218 eröffnet und damit ein neues, dunkles Kapitel dieser Geschichte aufgeschlagen. ({1}) Die Gesetzentwürfe, die heute vorliegen, führen einen Angriff gegen den 1995 gefundenen sogenannten Abtreibungskompromiss. Damals entschied der Bundestag, dass bei medizinischer und kriminologischer Indikation der Abbruch der Schwangerschaft moralisch und juristisch legitim ist. Deshalb war in diesen Fällen keine Beratungspflicht vorgesehen. Damals wurde Frauen zugestanden, wenigstens in bestimmten Situationen selbstverantwortlich und ohne staatliche Bevormundung zu entscheiden. Selbst diese, aus Sicht unserer Fraktion noch viel zurückhaltende liberale Grundhaltung hat zu wütenden Protesten selbsternannter Lebensschützer geführt. Heute geht man in den vorliegenden Entwürfen einen Schritt zurück: Die Indikationslösung des § 218 a wird zur Disposition gestellt. Der Singhammer-Entwurf stigmatisiert Frauen außerdem als beratungsbedürftig und unfähig, selbstverantwortlich über ihre Schwangerschaft zu entscheiden. ({2}) Ich stelle mir durchaus die Frage, warum auf einmal Namen von Abgeordneten der SPD und auch der Grünen, die sich immer sehr frauenbewegt geben, auf Anträgen von Lebensschützern aus CDU und CSU wiederzufinden sind. Ich frage gerade diese Frauen und Abgeordneten von der SPD und den Grünen: Haben Sie eigentlich vergessen, dass in Ihren Programmen einmal die Streichung des § 218 gestanden hat und Ihre Frauenorganisationen dafür eintraten? Warum unterstützen Sie heute eine Verschärfung, die vor allen Dingen Frauen bevormundet? ({3}) Es geht nicht um die 229 Spätabtreibungen, die pro Jahr vorgenommen werden, sondern um folgende Frage: Wie viele Rechte sollen Frauen eigentlich noch haben? Das konservative, rückschrittliche Weltbild sieht ohnehin vor, dass Frauen nur Kinder gebären - mehr nicht. Die Fraktion Die Linke gesteht Frauen hingegen die Fähigkeit zu, in Konfliktsituationen selbst eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Wir wollen Lösungen, die Frauen nicht bevormunden; dies sage ich ganz deutlich. ({4}) Auch wir sehen es so, dass in den Gesetzentwürfen kein direkter Druck auf die Frauen ausgeübt wird. Vielmehr wirken sie über Umwege: über die Ärzte. Denn Sie wissen ganz genau, was passieren wird: Immer weniger Ärztinnen und Ärzte werden bereit sein, Abtreibungen vorzunehmen, besonders im ländlichen Raum und in den katholisch geprägten Bundesländern. Damit leisten Sie einen Beitrag zum Abtreibungstourismus und verschlechtern die Situation der Frauen, die ohnehin schon einen starken Konflikt durchleben. Meine Fraktion wird deshalb die Gesetzentwürfe ablehnen. Es ist leider nicht das erste Mal, dass wir als einzige Fraktion ein Gesetz gegen weitere Verschlechterungen verteidigen müssen, obwohl wir es eigentlich abschaffen wollen. Dies ist auch kein Zufall; denn die geplante Verschärfung des § 218 a reiht sich ein in das konservative Rollback der letzten Jahre gegenüber den Frauen und auch der Frauenbewegung. ({5}) Doch ich bin ganz sicher: Der Rückschritt, den Sie heute beschließen werden, wird nicht das letzte Wort sein. Die Frauenbewegung und auch wir an ihrer Seite werden weiterhin für die Abschaffung des § 218 kämpfen. Danke. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Schmidt.

Renate Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002016, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Frau Jelpke, gerade nach Ihrem Beitrag unterstreiche ich hier sehr deutlich: Diese Debatte war und ist keine Auseinandersetzung zwischen Feministinnen und Lebensschützern; ({0}) denn weder wollen Frau Griese, Frau Lenke, Herr Singhammer oder gar ich Frauen bevormunden noch wollen Frau Humme, Frau Schewe-Gerigk und andere das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gegen das Lebensrecht von Behinderten ausspielen. ({1}) Die Schlachten der 80er- und 90er-Jahre müssen Gott sei Dank nicht erneut geführt werden; ({2}) denn niemand, der einen der Gesetzentwürfe unterstützt, will den erreichten Kompromiss zum § 218 StGB in irgendeiner Form infrage stellen. Gegen Ende unserer Debatte nenne ich ganz kurz die drei Elemente, die für Kerstin Griese, Frau Lenke, Herrn Renate Schmidt ({3}) Singhammer und mich unverzichtbar sind. Dies ist erstens eine verbindliche dreitägige Bedenkzeit, von der - dies sei noch einmal verdeutlicht - bei einer für die Schwangere aus physischen oder psychischen Gründen bedrohlichen Situation selbstverständlich abgewichen werden kann, die aber in den anderen Fällen mindestens eingehalten werden soll. Uns ist die verbindliche Mindestdauer dieser Bedenkzeit wichtig, um Automatismen, von denen uns sehr viele in Zuschriften berichtet haben, zu verhindern und vor allen Dingen um Zeit zu gewinnen - Zeit für eine Entscheidung, mit der die Frau, mit der die ganze Familie nicht nur eine kurze Frist, sondern ein Leben lang leben kann, aber auch Zeit, um trauern zu können, wenn man sich - aus welchen Gründen auch immer - gegen das Kind entscheidet und vor allen Dingen wenn man ein nicht lebensfähiges Kind erwartet. Unverzichtbar ist für uns zweitens eine Pflicht - und nicht nur ein Hinweis - zur Vermittlung von psychosozialer Beratung durch die Ärztinnen und Ärzte. Drittens wollen wir die Verstöße dagegen mit einer Ordnungswidrigkeit ahnden, weil dies bisher nirgendwo geregelt ist. Es geht um Ordnungswidrigkeiten, wie sie übrigens im Schwangerschaftskonfliktgesetz schon heute bei anderen Verstößen vorgesehen sind, ohne dass deshalb das Vertrauensverhältnis von Ärzten und Ärztinnen und Patientinnen irgendwie untergraben wird. Diese drei Punkte sind in unserem Gesetzentwurf, insbesondere für Frauen, eindeutig besser geregelt. Dies wurde von der erdrückenden Mehrheit der Sachverständigen und der Gutachten bestätigt. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, mit unserem Gesetzentwurf wird viel erreicht. Die gesamte medizinischpsychosoziale Indikation wird auf ein neues Fundament gestellt. Es geht eben nicht nur um sogenannte Spätabtreibungen jenseits der 22./23. Woche, nicht an erster Stelle um die nicht lebensfähigen behinderten Kinder, sondern auch um die Möglichkeit des Lebens mit einem behinderten Kind, etwa mit Down-Syndrom. Diese Möglichkeit wollen wir verbessern. ({4}) Vor allen Dingen werden mit unserem Gesetzentwurf die Frauen gestärkt; denn Beratung - so hat es einer der Sachverständigen ausgedrückt - ist in diesem Fall Freiheitsvorsorge: Die Frauen können dadurch von ihrer Freiheit, von ihrem unantastbaren Selbstbestimmungsrecht besser Gebrauch machen, weil sie informierter sind. ({5}) Ich werde auch dem Statistikteil zustimmen, weil die Anonymität gesichert ist und es - das wurde durch den Bundesdatenschutzbeauftragten bestätigt - keinerlei datenschutzrechtliche Probleme gibt, weil wir mehr wissen müssen, wenn wir helfen wollen, und weil wir damit auch verfassungsrechtlichen Vorgaben nachkommen. Ich werde dem Antrag von Christel Humme und anderen zustimmen, weil er unseren Gesetzentwurf wirkungsvoll ergänzt. Ich bitte Sie, ein Gleiches zu tun. ({6}) Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, gestatten Sie mir zum Schluss noch eine ganz kurze persönliche Anmerkung. Dies ist wahrscheinlich meine letzte Rede in diesem Parlament - nach 29 Jahren hauptberuflicher politischer Tätigkeit, davon 21 Jahre auf Bundesebene. Ich bin froh, dass ich diese Rede zu einem mir sehr wichtigen Thema und zu diesem gruppenübergreifenden Gesetzentwurf halten darf. Ich möchte Ihnen allen, den Mitgliedern aller Fraktionen, für diese Zeit danken; denn ich habe in allen Fraktionen Freunde und Freundinnen gewonnen. Die 29 Jahre Politik waren für mich die intensivste Zeit meines Lebens. Ich habe mich mit Themen beschäftigt, mit denen ich mich sonst nie beschäftigt hätte. Ich habe Menschen kennengelernt, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Ich habe natürlich auch Enttäuschungen erlebt, aber vieles - so wird es hoffentlich auch heute sein - mit durchsetzen können. Das Positive hat insgesamt überwogen. Ich glaube, die meisten von uns empfinden es ähnlich; deshalb mein Dank. Mein Wunsch an Sie, die Sie weitermachen: Strahlen Sie Freude und Befriedigung über unsere Mandatstätigkeit aus, um damit vor allen Dingen bei jungen Menschen das Engagement für Parlamentarismus, für Demokratie und für unser Land zu stärken. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kollegin Schmidt, ich möchte den Respekt, den Ihnen das Haus gerade mit demonstrativem Beifall zum Ausdruck gebracht hat, auch für das Präsidium des Bundestages ausdrücklich bekräftigen. Wir alle trösten uns mit dem Gedanken, dass Sie uns noch einige Monate hier im Hause erhalten bleiben. ({0}) Nun hat die Kollegin Elke Ferner das Wort.

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich jetzt das zweite Mal, dass ich in diesem Haus zum Themenkreis „Schwangerschaftskonflikte, § 218 und Schwangerschaftskonfliktgesetz“ reden kann. Wir haben 1992 mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz die embryopathische Indikation aus guten Gründen abgeschafft. Das bedeutet, dass eine mögliche Behinderung des Kindes seit 1992 kein Rechtfertigungsgrund mehr für einen Schwangerschaftsabbruch ist. Stattdessen haben wir damals eine weitgefasste medizinisch-soziale Indikation beschlossen; und diese Indikation ist damals auch bewusst weitgefasst worden. Sie umfasst eben kein alleiniges Entscheidungsrecht der Schwangeren. Auch das ist bewusst so entschieden worden, weil es für diese Indikation im Gegensatz zur Fristenregelung gemäß Abs. 1 des § 218 a keinerlei Fristen gibt. Die medizinisch-soziale Indikation umfasst außerdem nicht nur die sogenannten Spätabbrüche, sondern auch alle Schwangerschaftsabbrüche in einem früheren Stadium. Es entscheidet der Arzt bzw. die Ärztin im Gespräch mit der Schwangeren, ob die Voraussetzungen für eine solche Indikation gegeben sind, und zwar anhand der jeweils sehr unterschiedlichen, sehr individuellen Situation und der Lebensumstände der Frau. Diese passen eben nicht in irgendein Schema hinein. ({0}) In jedem Fall - das ist unstrittig - handelt es sich dabei für die Schwangere um eine sehr schwerwiegende, eine tiefgreifende Grenzsituation, zumal, wenn es sich nicht um eine ungewollte Schwangerschaft, sondern um ein Wunschkind handelt. Keine Frau geht mit einer solchen Situation leichtfertig um. ({1}) Sie braucht Information und Unterstützung, und zwar nicht nur in der Phase, in der möglicherweise ganz schwere und existenzielle Entscheidungen zu treffen sind. Wir wollen Beratung und Information von Anfang an. Wir wollen, dass die Frauen bereits mit der Aushändigung des Mutterpasses auch Informationen über ihre Rechtsansprüche nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz erhalten. Das sind eben nicht nur Informationen über oder eine Beratung hin zu einem Schwangerschaftskonflikt, sondern Informationen und Beratung hinsichtlich der Schwangerschaft als solcher. ({2}) Wir wollen, dass Frauen bereits vor einer Pränataldiagnostik umfassende Informationen und Beratung durch ihren Arzt bzw. ihre Ärztin erhalten, und zwar über die Chancen und die Risiken, aber auch über die Aussagekraft der Diagnostik und auch darüber, dass sie ein Recht auf Nichtwissen haben und nicht jede mögliche Diagnostik durchführen lassen müssen. ({3}) Dies haben wir im Gendiagnostikgesetz bereits gesetzlich verankert, und dies wollen wir jetzt auch für die übrige Pränataldiagnostik ebenso regeln.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Ferner, entschuldigen Sie bitte. Darf ich vielleicht insbesondere diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt zu den bevorstehenden Abstimmungen ins Plenum kommen, bitten, sich auf die Plätze zu begeben und den beiden letzten Rednern mit der gleichen Konzentration zuzuhören, wie das in der bisherigen Debatte, wie ich finde, in angemessener Weise der Fall gewesen ist. ({0}) Wir setzen Ihre Rede, Frau Ferner, fort, wenn möglichst alle dieser gutgemeinten Aufforderung tatsächlich Folge geleistet haben. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bitte schön, Frau Ferner.

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir sind der Überzeugung, dass die Frauen bereits vor der Pränataldiagnostik gut informiert werden müssen, damit sie dann, wenn sie gut informiert sind, nicht zu einer Pränataldiagnostik gedrängt werden können, was wir leider viel zu häufig hören. Diese frühe umfassende Information und Beratung sehen wir in unserem Gesetzentwurf vor. Im Gesetzentwurf Singhammer, Griese, Lenke ist dies nicht vorgesehen. ({0}) Wir wollen eine ausreichende Bedenkzeit und keine starre Frist. Wenn nach einer Diagnostik ein Befund vorliegt, der eine medizinisch-soziale Indikation rechtfertigen würde, braucht die Schwangere auch nach unserer Auffassung Zeit und Unterstützung, um sich mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin, ihrem Partner und ihrer Familie zu beraten oder um sich bei einer anerkannten Beratungsstelle Rat und Hilfe zu suchen. Denn sie, die Schwangere, muss zum Schluss alleine eine Entscheidung treffen, mit der sie auch leben kann. Wie viel Zeit eine Schwangere dafür braucht, ist sehr unterschiedlich. Das hängt von ihrer ganz persönlichen, ganz individuellen Lebenssituation ab. Deshalb sehen wir in unserem Gesetzentwurf eine „ausreichende Bedenkzeit“ und keine starre Frist vor, von der nur sehr schwer abgewichen werden kann, wie dies im Gesetzentwurf von Singhammer, Griese, Lenke der Fall ist. ({1}) Welche Frist im Einzelfall ausreichend ist, kann nach unserer Auffassung nicht der Gesetzgeber vorschreiben, sondern dies kann nur von der Schwangeren selbst und ihrem Arzt oder ihrer Ärztin entschieden werden. In den meisten Fällen werden dies mehr als drei Tage sein. Es gibt aber auch Konstellationen, in denen es weniger als drei Tage sein können. Wir wollen den Frauen, die sich bereits sehr intensiv und umfassend informiert haben und keine zusätzliche Bedenkzeit mehr brauchen, diese auch nicht zumuten, damit sie nicht länger warten müssen. Warum sollen wir einer Frau, deren Kind nicht lebensfähig sein wird, weil es beispielsweise kein Gehirn hat oder lebensnotwendige Organe fehlen, eine weitere Wartezeit auferlegen? Warum sollen wir einer Frau, die einen schwerwiegenden Gendefekt vererben kann und sich mit dieser Problematik möglicherweise schon während einer früheren Schwangerschaft sehr intensiv auseinandergesetzt hat, über diesen Umweg der Dreitagefrist für den Arzt zwischen Befund und Indikationsstellung noch eine Wartezeit auferlegen? Und warum sollen wir einer Frau, die bereits ein schwerstbehindertes Kind hat und all ihre Liebe, Zeit und Kraft für dieses Kind und ihre Familie braucht, eine Wartezeit auferlegen? Das ist unbarmherzig und verletzt die Würde der Frau. ({2}) Neben dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes müssen wir auch die Würde der Frau achten und den Respekt für ihre ganz persönliche, für eine tiefgreifende und schwerwiegende Entscheidung aufbringen, eine Entscheidung, die sie für sich selber in einer ihr angemessenen Frist treffen können muss. Auch die Androhung von Ordnungswidrigkeiten - das ist bereits gesagt worden - trägt nicht dazu bei, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin zu stärken, sondern wird ein Abweichen von der Dreitagefrist sehr viel weniger möglich machen. Ob ausreichend Zeit vorhanden ist, hängt nach unserer Auffassung nicht von diesen drei Tagen ab; denn in diesen drei Tagen kann eben nicht geklärt werden, wie sich die Situation später darstellt, ob das Kind in eine Regelkita, in eine Regelschule gehen kann oder ob es, wie leider viel zu oft in unserem Land, Sondereinrichtungen besuchen muss.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin, Sie müssen langsam zum Ende Ihrer Rede kommen.

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bei den anderen ist es auch immer sehr großzügig gehandhabt worden. Aber ich komme zum Schluss.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe einen relativ guten Überblick, Frau Ferner.

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Entschleunigung, über die immer geredet wird, wird nach unserer Auffassung besser dadurch erreicht, dass wir bereits sehr frühzeitig Informationen bereitstellen und den Frauen die Möglichkeit geben, sich mit einer möglichen Situation auseinanderzusetzen, als alles auf drei Tage zu konzentrieren. ({0}) Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass Frauen das Recht auf umfassende Information und Beratung bereits vor einer Pränataldiagnostik erhalten sollen, damit sie ohne Bedrängung gut informiert zu einer verantwortlichen Entscheidung gelangen können, wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass nicht wir als Gesetzgeber festlegen sollten, was eine ausreichende Bedenkzeit ist, sondern die Frauen gemeinsam mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin dies entscheiden sollten, damit auch in schwierigen Lagen die Würde der Frau geachtet und gewahrt wird, und wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass das Vertrauensverhältnis zwischen der Schwangeren und ihrem Arzt sowie dessen freie Berufsausübung nicht durch die Androhung von Ordnungswidrigkeit belastet werden sollen, dann stimmen Sie mit uns gegen den Gesetzentwurf von Singhammer, Griese und Lenke und für unseren Gesetzentwurf mit seiner liberalen Regelung. Unser Gesetzentwurf hält fest an dem Konsens von 1992. Bei ihm stehen Hilfen statt Sanktionen im Mittelpunkt, und er achtet die Würde der Frau ebenso wie den Schutz des ungeborenen Lebens. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Johannes Singhammer.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für dieses Parlament. Vor einem Jahr hätte sich kaum jemand vorstellen können, dass es eine breite parlamentarische Basis für zumindest ein Ziel gibt: die Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. ({0}) Bei unserem Gruppenantrag haben sich Kolleginnen und Kollegen zusammengefunden, die nicht in einem fortwährenden engsten Schulterschluss stehen, sondern aus verschiedensten Fraktionen kommen, wie es bester parlamentarischer Tradition entspricht. ({1}) Unser gruppenübergreifender Antrag hat ein Ziel: Wir wollen Frauen und ihren Angehörigen in einer existenziellen Notlage helfen, und wir hoffen darauf, dass die Zahl der Spätabtreibungen sich verringert. Wir wollen nachprüfbare Verbesserungen und es nicht bei weißer Salbe belassen. Was ist die wichtigste Hilfe, die man anbieten kann? Die wichtigste Hilfe für eine schwangere Frau, die in einem Gespräch mit dem Arzt mit einer für sie so schlimmen Nachricht konfrontiert wird, ist das Recht auf umfassende Beratung und die Verpflichtung des beratenden Arztes, darauf einzugehen. Diese Verpflichtung ist Teil eines Bündels von Pflichten. Neben der Beratungspflicht hat der Arzt die Pflicht, weitere Ärzte hinzuzuziehen, die spezielle Erfahrungen haben. Außerdem gibt es eine Hinweispflicht in Bezug auf psychosoziale Beratungsstellen und eine Vermittlungspflicht in Bezug auf psychosoziale Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen. Eine Mindestbedenkzeit ab Diagnosestellung ist keine zusätzliche Belastung, sondern in diesem Programm der erweiterten Unterstützung notwendig. Dabei ist uns besonders wichtig, dass die Zeit zum Nachdenken mit der Diagnosestellung beginnt, also mit dem Zeitpunkt, an dem die Frau mit der Nachricht konfrontiert wird, denn dann braucht sie diese Zeit. Nach dem anderen Gesetzentwurf soll dieser Zeitraum erst beginnen, wenn der Arzt seinen Entscheidungsprozess mit der In24212 dikation beendet hat. Das ist ein späterer Zeitpunkt, was wir als nicht so günstig empfinden. Ich möchte mich an dieser Stelle vor allem für die positive Begleitung bedanken, die wir von Verbänden und Institutionen erhalten haben. Ich möchte gerade zu dem Punkt der Zeitdauer des Nachdenkens für die Unterstützung durch viele Zuschriften danken, beispielsweise der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die noch am 4. Mai dieses Jahres erklärt hat, dass die Mindestbedenkzeit von wenigstens drei Tagen „zeitlich vor der Zumutung möglichst rascher Entscheidung“ geschützt zu werdender Frauen dient. Es ist immer wieder die Frage nach der Statistik aufgetaucht. Statistik ist in diesem Gesamtzusammenhang sicherlich eine Thematik, die nicht direkt im Zentrum steht. Warum brauchen wir also eine statistische Verbesserung? Wir brauchen sie deshalb, weil Politik, Experten und Ärzte keine belastbaren Zahlen haben. Das hat beispielsweise die Bundesärztekammer bei der Anhörung im Familienausschuss erklärt und darauf hingewiesen, dass es noch Lücken gibt, die präzise Aussagen verhindern. In den letzten Tagen hat die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung noch einmal eindringlich dafür geworben, klare Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Zahlen zutreffen und welche Dimension die Problematik, über die wir heute reden, hat. Deshalb werbe ich für diese statistische Erhebung. Am Ende einer manchmal sicherlich auch emotional, aber immer mit großer Ernsthaftigkeit geführten Debatte außerhalb und innerhalb des Deutschen Bundestages möchte ich allen danken, die in einem langen und sehr intensiven Diskussionsprozess das Trennende verkleinert und das Gemeinsame erweitert haben. Ich danke allen, die über Fraktionsgrenzen und über sonst festgefügten politischen Blöcken hinweg die gesetzlichen Rahmenbedingungen verbessern wollen. Ich weiß, dass dabei viele bis an die Grenze des Zumutbaren für sich selbst und für ihre politischen Freunde gegangen sind. Ihnen allen danke ich. Die Mühe hat sich gelohnt. Ich bitte um Zustimmung für unseren Gesetzentwurf. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Ich bitte darum, dass Sie noch einen Augenblick Platz nehmen, weil noch eine Reihe von Erläuterungen zu dem Abstimmungsverfahren notwendig sind, das nicht dem entspricht, was sonst in Gesetzgebungsverfahren üblich ist. Es muss aber niemand Sorge habe, er könnte den Aufruf der ersten von zahlreichen namentlichen Abstimmungen verpassen. Ich möchte zunächst allen Kolleginnen und Kollegen - nicht nur denen, die in dieser Debatte gesprochen haben - herzlich dafür danken, dass sie sich über viele Monate und über die Fraktionsgrenzen hinweg in bemerkenswerter Weise um eine angemessene, sachgerechte und tragfähige Lösung einer besonders schwierigen Fragestellung bemüht haben, die den Gesetzgeber vor ganz besondere Herausforderungen stellt. ({0}) Diese Bemühungen sind vorhin von vielen Rednerin- nen und Rednern zu Recht wechselseitig anerkannt und gewürdigt worden. Ich will zur Ergänzung nur noch da- rauf hinweisen, dass diese Bemühungen nicht heute im Plenarsaal begonnen haben. Sie gab es schon über Mo- nate hinweg in eher unauffälliger Weise. Da sich das öf- fentliche Bild parlamentarischer Entscheidungsprozesse ganz wesentlich über diesen Schlussakt vermittelt, ist der Hinweis vielleicht nicht gänzlich überflüssig, dass ein beachtlicher Teil dieser - in diesem Fall - besonders langwierigen und sorgfältigen Urteilsbildung eher un- auffällig über Monate hinweg stattgefunden hat. Ich weise ferner darauf hin, dass es zu den Gesetzent- würfen, zu deren Alternative bzw. zu deren Zusammen- führung ich nachher einige Erläuterungen vortragen werde, einige Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung gibt. Die Kolleginnen und Kollegen Marieluise Beck, Ilja Seifert, Hubert Hüppe, Thilo Hoppe und Michael Brand haben solche Erklärun- gen abgegeben. Frau Pieper wie Frau Gruß weisen im Übrigen darauf hin, dass sie fälschlicherweise im Rubrum des zusammengeführten Gesetzentwurfes „Singhammer, Griese und Lenke“ aufgeführt werden. Das wird im Protokoll entsprechend korrigiert.1) Ich darf Sie nun auf das Abstimmungsverfahren hin- weisen, über das es Einverständnis zwischen den Frak- tionen auf der Basis der Vorberatungen im federführen- den Ausschuss gibt. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend hat in seiner Beschlussempfehlung auf der Druck- sache 16/12970, die Ihnen vorliegt, empfohlen, über die Vorlagen einen Beschluss herbeizuführen. Dabei hat er ein bestimmtes Votum nicht abgegeben. Zunächst wird über den zusammengeführten Gesetz- entwurf der drei Gruppen - Singhammer, Griese und Lenke - abgestimmt. Dazu wird in zweiter Lesung eine getrennte Abstimmung verlangt, wobei über beide Teile dieses Gesetzentwurfs jeweils namentlich abgestimmt wird. Danach müssen wir die Sitzung bis zur Auszäh- lung dieser Abstimmungsergebnisse unterbrechen, weil das Ergebnis die Voraussetzung für die Schlussabstim- mung ist. Sollte ein Teil des Gesetzentwurfs nicht die Mehrheit finden, müssen wir über den verbleibenden Teil des Gesetzes erneut in zweiter Lesung befinden. Auch in dieser zweiten Lesung würde dann namentlich abgestimmt werden. Die Schlussabstimmung nach der zweiten Lesung soll ebenfalls namentlich erfolgen. Wir würden dann das Abstimmungsergebnis auszählen und die Sitzung dafür unterbrechen müssen. Über den Gesetzentwurf der Gruppe Humme wird nur dann abgestimmt, wenn der zusammengeführte Gesetz- 1) Anlagen 32 bis 39 Präsident Dr. Norbert Lammert entwurf, über den wir zuerst abstimmen, keine Mehrheit gefunden haben sollte. Wenn er zur Abstimmung kommt, wird auch über diesen Gesetzentwurf nament- lich abgestimmt. Nachdem wir dann über die Gesetzentwürfe abschlie- ßend befunden haben, rufe ich die beiden Anträge der Gruppen Dr. Tackmann und Humme auf, über die eben- falls namentlich abgestimmt wird. Ich werde mich bemühen, vor den jeweiligen Abstim- mungen noch einmal zu verdeutlichen, was gerade kon- kret Gegenstand der aufgerufenen Abstimmung ist. Wir sind uns sicher alle einig, dass dieses Thema eine beson- dere Sorgfalt verdient. Wir kommen nun zu den Abstimmungen unter dem Tagesordnungspunkt 3 a. Hier geht es um die Abstim- mung über den von den Abgeordneten Volker Kauder, Renate Schmidt, Johannes Singhammer und weiteren Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände- rung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auf der Drucksache 16/11106 sowie über den von den Abgeord- neten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea Nahles und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ge- setzentwurf auf der Drucksache 16/11347 und über den von den Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach und weiteren Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskon- fliktgesetzes auf der Drucksache 16/11330. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussempfeh- lung auf der vorhin zitierten Drucksache, die genannten drei Gesetzentwürfe zusammenzuführen und über die vom Ausschuss vorgelegte Fassung eines Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes einen Beschluss herbeizuführen. Dazu regt der Ausschuss die von mir vorhin vorgetragene Trennung in die beiden Teile des Gesetzentwurfs an. Wir stimmen also zunächst über die Artikel außerhalb des Statistikteils ab. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir zu diesem zu- sammengeführten Gesetzentwurf insgesamt bis zu vier namentliche Abstimmungen durchführen müssen. Da getrennte Abstimmung beantragt ist, stimmen wir zu- nächst über Art. 1 Nr. 1 bis Art. 1 Nr. 3, Art. 2 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschussfassung ab. Ich hoffe, dass niemand Zweifel über den Gegenstand der Abstimmung hat; jedenfalls wird er nicht geltend ge- macht. Ich habe auch den Eindruck, dass alle Abstim- mungsurnen mit Schriftführerinnen und Schriftführern versehen sind. - Das ist der Fall. Dann eröffne ich hier- mit die erste namentliche Abstimmung. Ich möchte die erste namentliche Abstimmung schließen. Vorher möchte ich mich vergewissern, ob noch ein Kollege oder eine Kollegin anwesend ist, der oder die seine oder ihre Stimmkarte noch nicht abgege- ben hat. - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen. Wir geben das Ergebnis dieser Abstimmung später bekannt. Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen nun zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 4 in der Ausschussfas- sung. Das ist die Abstimmung über den Statistikteil des Gesetzentwurfes, der vorhin in der Aussprache mehrfach erläutert worden ist. Ich darf darum bitten, die ausgetauschten, nun hof- fentlich leeren Abstimmungsurnen mit den Schriftführe- rinnen und Schriftführern von Koalition und Opposition wieder paritätisch zu besetzen. Kann man mir bitte si- gnalisieren, ob dies geschehen ist? - Das ist so. Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstim- mung. Darf ich mich vergewissern, ob für die zweite na- mentliche Abstimmung alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarte abgegeben haben? - Ich mache auch darauf aufmerksam, dass das Probesitzen auf der Regierungsbank die Teilnahme an namentlichen Abstimmungen nicht ersetzen kann. - Keine weiteren Meldungen. Dann schließe ich die zweite namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung dieser Abstimmung zu beginnen.1) Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung, weil deren Ergebnis Voraussetzung für die dritte Lesung oder den Wiedereinstieg in die zweite Lesung sein wird. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir das Ganze jetzt nicht in Form eines Sit-ins fortführten, sondern für die Bekanntgabe der Ergebnisse eine halbwegs geordnete Plenarformation einnehmen könnten. Ich teile Ihnen nun die Ergebnisse der beiden nament- lichen Abstimmungen mit. Zunächst teile ich Ihnen das von den Schriftführerin- nen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der nament- lichen Abstimmung über die Art. 1 Nr. 1 bis 3, Art. 2 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschussfas- sung mit - die davon betroffenen Drucksachen können wir, wie ich glaube, als bekannt voraussetzen -: Abgege- bene Stimmen 566. Mit Ja haben gestimmt 329, mit Nein haben gestimmt 237, Enthaltungen gab es nicht. Damit sind die gerade genannten Artikel sowie Einleitung und Überschrift dieses Gesetzentwurfes mit Mehrheit ange- nommen. 1) Ergebnis Seite 24216 C Präsident Dr. Norbert Lammert Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 565; davon ja: 328 nein: 237 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({1}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Hartwig Fischer ({2}) Dirk Fischer ({3}) Axel E. Fischer ({4}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({5}) Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({6}) Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({7}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler ({8}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({9}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({10}) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({11}) Stefan Müller ({12}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({13}) Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({14}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({15}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({16}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({17}) Andreas Schmidt ({18}) Ingo Schmitt ({19}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({20}) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({21}) Gerald Weiß ({22}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({23}) Elisabeth WinkelmeierBecker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Sabine Bätzing Dirk Becker Dr. Axel Berg Bernhard Brinkmann ({24}) Marion Caspers-Merk Garrelt Duin Siegmund Ehrmann Peter Friedrich Sigmar Gabriel Dieter Grasedieck Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel ({25}) Stephan Hilsberg Dr. Eva Högl Johannes Jung ({26}) Josip Juratovic Ulrich Kasparick Hans-Ulrich Klose Angelika Krüger-Leißner Katja Mast Markus Meckel Ursula Mogg Gesine Multhaupt Franz Müntefering Thomas Oppermann Dr. Wilhelm Priesmeier Steffen Reiche ({27}) René Röspel Präsident Dr. Norbert Lammert Michael Roth ({28}) Marianne Schieder Ulla Schmidt ({29}) Silvia Schmidt ({30}) Renate Schmidt ({31}) Carsten Schneider ({32}) Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Dr. Marlies Volkmer Andreas Weigel Gert Weisskirchen ({33}) Lydia Westrich Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({34}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Michael Link ({35}) Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel ({36}) Dr. Konrad Schily Carl-Ludwig Thiele Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({37}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({38}) Hans Josef Fell Ulrike Höfken Thilo Hoppe Markus Kurth Kerstin Müller ({39}) Christine Scheel Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ernst Bahr ({40}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Klaus Uwe Benneter Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({41}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Detlef Dzembritzki Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({42}) Gabriele Groneberg Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({43}) Iris Hoffmann ({44}) Frank Hofmann ({45}) Eike Hovermann Klaas Hübner Johannes Kahrs Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({46}) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel ({47}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Marko Mühlstein Detlef Müller ({48}) Michael Müller ({49}) Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({50}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({51}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({52}) Otto Schily Heinz Schmitt ({53}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({54}) Swen Schulz ({55}) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Petra Weis Gunter Weißgerber Hildegard Wester Dr. Margrit Wetzel Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({56}) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Horst Friedrich ({57}) Miriam Gruß Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Marina Schuster Dr. Max Stadler DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Präsident Dr. Norbert Lammert Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kornelia Möller Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({58}) Volker Schneider ({59}) Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({60}) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({61}) Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth ({62}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier ({63}) Nun teile ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlider Statistikteil dieses Gesetzentwurfes -: Hierzu sind 561 Stimmen abgegeben worden. Es gab 3 Enthaltungen, mit Ja haben gestimmt 256, mit Nein haben gestimmt 302. Damit ist dieser Teil des Gesetzentwurfes mehrheitlich abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 559; davon ja: 255 nein: 301 enthalten: 3 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({64}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({65}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Hartwig Fischer ({66}) Dirk Fischer ({67}) Axel E. Fischer ({68}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({69}) Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({70}) Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({71}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler ({72}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({73}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({74}) Präsident Dr. Norbert Lammert Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({75}) Stefan Müller ({76}) Dr. Gerd Müller Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({77}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({78}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({79}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({80}) Andreas Schmidt ({81}) Ingo Schmitt ({82}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Thomas Silberhorn Jens Spahn Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({83}) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({84}) Gerald Weiß ({85}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({86}) Elisabeth WinkelmeierBecker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Bernhard Brinkmann ({87}) Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Ulrich Kasparick Franz Müntefering Renate Schmidt ({88}) Dr. Margrit Spielmann Dr. Marlies Volkmer Dr. Wolfgang Wodarg FDP Christian Ahrendt Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke ({89}) Carl-Ludwig Thiele Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Ulrike Höfken Thilo Hoppe Dr. Harald Terpe Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank Peter Hintze SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Ernst Bahr ({90}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({91}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({92}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach ({93}) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({94}) Iris Hoffmann ({95}) Frank Hofmann ({96}) Dr. Eva Högl Eike Hovermann Klaas Hübner Johannes Jung ({97}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({98}) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({99}) Ulrike Merten Präsident Dr. Norbert Lammert Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({100}) Michael Müller ({101}) Gesine Multhaupt Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({102}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({103}) Michael Roth ({104}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({105}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({106}) Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({107}) Silvia Schmidt ({108}) Heinz Schmitt ({109}) Carsten Schneider ({110}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({111}) Swen Schulz ({112}) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({113}) Hildegard Wester Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Waltraud Wolff ({114}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Uwe Barth Patrick Döring Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({115}) Miriam Gruß Joachim Günther ({116}) Michael Kauch Hellmut Königshaus Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({117}) Dirk Niebel Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Marina Schuster Dr. Max Stadler Dr. Guido Westerwelle Hartfrid Wolff ({118}) DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kornelia Möller Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({119}) Volker Schneider ({120}) Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({121}) Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({122}) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({123}) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({124}) Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth ({125}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Enthalten FDP Dr. Konrad Schily BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Wolfgang StrengmannKuhn ({126}) Da ein Teil des Gesetzentwurfes in zweiter Beratung abgelehnt ist, müssen wir, auch nach der Verständigung, die unter den Gruppen und zwischen den Fraktionen über das Verfahren herbeigeführt worden ist, über den insoweit geänderten Gesetzentwurf in zweiter Beratung erneut abstimmen. Auch hierzu ist eine namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte also wieder, die entsprechenden Urnen zu besetzen und mir ein Signal zu geben, wann mit der dritten namentlichen Abstimmung begonnen werden kann. - Ich eröffne die dritte namentliche Abstimmung. Ich frage, ob noch eine Kollegin oder ein Kollege anwesend ist, die ihre oder der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann Präsident Dr. Norbert Lammert schließe ich die dritte namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir unterbrechen auch hier die Sitzung, bis das Ergebnis dieser namentlichen Abstimmung ausgezählt ist, und treten dann in die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf ein. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die in der Zwischenzeit Wichtiges erledigen wollen oder müssen, bitte ich, von einer nicht allzu großzügigen Pause auszugehen und nicht hinterher mit mehreren Karten in der Hand um Ausnahmeregelungen für abgeschlossene Abstimmungen zu bitten. ({127})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfes der Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und weiterer Abgeordneter in der Ausschussfassung einschließlich der beschlossenen Änderungen bekannt: abgegebene Stimmen 561, Enthaltungen keine. Mit Ja haben gestimmt 327, mit Nein haben gestimmt 234. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 560; davon ja: 326 nein: 234 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({1}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Hartwig Fischer ({2}) Dirk Fischer ({3}) Axel E. Fischer ({4}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({5}) Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({6}) Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({7}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler ({8}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({9}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({10}) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({11}) Stefan Müller ({12}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({13}) Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({14}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Albert Rupprecht ({15}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({16}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({17}) Andreas Schmidt ({18}) Ingo Schmitt ({19}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Präsident Dr. Norbert Lammert Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({20}) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({21}) Gerald Weiß ({22}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({23}) Elisabeth WinkelmeierBecker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Sabine Bätzing Dirk Becker Dr. Axel Berg Bernhard Brinkmann ({24}) Marion Caspers-Merk Garrelt Duin Siegmund Ehrmann Peter Friedrich Sigmar Gabriel Dieter Grasedieck Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel ({25}) Stephan Hilsberg Dr. Eva Högl Johannes Jung ({26}) Josip Juratovic Ulrich Kasparick Hans-Ulrich Klose Angelika Krüger-Leißner Katja Mast Markus Meckel Ursula Mogg Gesine Multhaupt Franz Müntefering Thomas Oppermann Dr. Wilhelm Priesmeier Steffen Reiche ({27}) René Röspel Michael Roth ({28}) Marianne Schieder Ulla Schmidt ({29}) Silvia Schmidt ({30}) Renate Schmidt ({31}) Carsten Schneider ({32}) Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Dr. Marlies Volkmer Andreas Weigel Gert Weisskirchen ({33}) Lydia Westrich Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({34}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Michael Link ({35}) Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel ({36}) Dr. Konrad Schily Carl-Ludwig Thiele Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({37}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({38}) Hans Josef Fell Ulrike Höfken Thilo Hoppe Markus Kurth Kerstin Müller ({39}) Christine Scheel Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ernst Bahr ({40}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Klaus Uwe Benneter Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({41}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Detlef Dzembritzki Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({42}) Gabriele Groneberg Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({43}) Iris Hoffmann ({44}) Frank Hofmann ({45}) Eike Hovermann Klaas Hübner Johannes Kahrs Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({46}) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel ({47}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Marko Mühlstein Detlef Müller ({48}) Michael Müller ({49}) Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Präsident Dr. Norbert Lammert Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({50}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({51}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({52}) Otto Schily Heinz Schmitt ({53}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz ({54}) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Petra Weis Gunter Weißgerber Hildegard Wester Dr. Margrit Wetzel Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({55}) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Horst Friedrich ({56}) Miriam Gruß Sabine LeutheusserSchnarrenberger Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Marina Schuster Dr. Max Stadler DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({57}) Volker Schneider ({58}) Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({59}) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({60}) Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth ({61}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier ({62}) Wir treten unmittelbar in die dritte Beratung und Schlussabstimmung ein. - Ich sehe dagegen keinen Widerspruch. Dann stimmen wir jetzt in dritter Lesung wiederum in namentlicher Abstimmung über den zusammengeführten Gesetzentwurf der genannten Kolleginnen und Kollegen ab. Ich bitte wiederum die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. - Die namentliche Abstimmung ist eröffnet. Darf ich fragen, ob noch jemand anwesend ist, der stimmberechtigt ist, aber seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließen wir auch diese namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Die Sitzung wird jetzt wiederum bis zur Auszählung des Ergebnisses unterbrochen. Anschließend finden zwei weitere namentliche Abstimmungen über die Anträge statt, die vorhin vorgetragen und angekündigt worden sind. Die Sitzung ist unterbrochen. ({63})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Ich teile Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung mit. Anschließend haben wir zwei weitere namentliche Abstimmungen durchzuführen. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes bekannt: Es wurden 560 Stimmen abgegeben. Enthaltungen gibt es keine. Mit Ja haben gestimmt 326 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 234. Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung angenommen. Präsident Dr. Norbert Lammert Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 560; davon ja: 326 nein: 234 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({1}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Hartwig Fischer ({2}) Dirk Fischer ({3}) Axel E. Fischer ({4}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({5}) Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({6}) Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({7}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler ({8}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({9}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({10}) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({11}) Stefan Müller ({12}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({13}) Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({14}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({15}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({16}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({17}) Andreas Schmidt ({18}) Ingo Schmitt ({19}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({20}) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({21}) Gerald Weiß ({22}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({23}) Elisabeth WinkelmeierBecker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Sabine Bätzing Dirk Becker Dr. Axel Berg Bernhard Brinkmann ({24}) Marion Caspers-Merk Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Peter Friedrich Sigmar Gabriel Dieter Grasedieck Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel ({25}) Stephan Hilsberg Johannes Jung ({26}) Josip Juratovic Ulrich Kasparick Hans-Ulrich Klose Angelika Krüger-Leißner Katja Mast Markus Meckel Ursula Mogg Franz Müntefering Thomas Oppermann Dr. Wilhelm Priesmeier Steffen Reiche ({27}) René Röspel Michael Roth ({28}) Marianne Schieder Präsident Dr. Norbert Lammert Ulla Schmidt ({29}) Silvia Schmidt ({30}) Renate Schmidt ({31}) Carsten Schneider ({32}) Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Dr. Marlies Volkmer Andreas Weigel Gert Weisskirchen ({33}) Lydia Westrich Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({34}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Michael Link ({35}) Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel ({36}) Dr. Konrad Schily Carl-Ludwig Thiele Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({37}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({38}) Hans Josef Fell Ulrike Höfken Thilo Hoppe Markus Kurth Kerstin Müller ({39}) Christine Scheel Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ernst Bahr ({40}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Klaus Uwe Benneter Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({41}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Christian Carstensen Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({42}) Gabriele Groneberg Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({43}) Iris Hoffmann ({44}) Frank Hofmann ({45}) Eike Hovermann Klaas Hübner Johannes Kahrs Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({46}) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel ({47}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Marko Mühlstein Detlef Müller ({48}) Michael Müller ({49}) Gesine Multhaupt Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({50}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({51}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({52}) Otto Schily Heinz Schmitt ({53}) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({54}) Swen Schulz ({55}) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Hedi Wegener Petra Weis Gunter Weißgerber Hildegard Wester Dr. Margrit Wetzel Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({56}) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Horst Friedrich ({57}) Miriam Gruß Sabine LeutheusserSchnarrenberger Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Marina Schuster Dr. Max Stadler DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Diana Golze Dr. Gregor Gysi Präsident Dr. Norbert Lammert Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({58}) Volker Schneider ({59}) Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({60}) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({61}) Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth ({62}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier ({63}) Mit der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf ent- fällt die weitere Abstimmung über den Gesetzentwurf der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe- Gerigk, Elke Ferner und weiterer Abgeordneter auf Drucksache 16/12664. Tagesordnungspunkt 3 b. Wir stimmen nun ab über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordneter mit dem Titel „Späte Schwangerschaftsabbrüche - Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken“. Der Aus- schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend emp- fiehlt unter Ziffer IV seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12970, über diesen Antrag einen Be- schluss herbeizuführen. Er gibt dazu wiederum kein ei- genes Votum ab. Wir stimmen über diesen Antrag na- mentlich ab. - Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, mir ein Zeichen zu geben, wann wir mit der Abstimmung beginnen können. Ich eröffne die namentliche Abstimmung über diesen Antrag. Ich habe den Eindruck, dass wir auch diesen Abstim- mungsvorgang jetzt abschließen können. - Das ist offen- kundig der Fall. Dann bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1) Wir stimmen jetzt sofort, während die Stimmen aus- gezählt werden, über den Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner und weiterer Abgeordneter mit dem Titel „Wirkungs- volle Hilfen in Konfliktsituationen während der Schwan- gerschaft ausbauen - Volle Teilhabe für Menschen mit Behinderung sicherstellen“ ab. Der Ausschuss für Fami- lie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt unter Nr. III seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12970, über den Antrag auf Drucksache 16/11342 in der Aus- schussfassung einen Beschluss herbeizuführen. Eine in- 1) Ergebnis Seite 24226 C haltliche Beschlussempfehlung gibt der Ausschuss nicht. Auch über diesen Antrag stimmen wir auf Wunsch der Initiatoren namentlich ab. Ich bitte, mir wieder ein Zei- chen zu geben, wenn alle Urnen besetzt sind. Da vermutlich viele Kolleginnen und Kollegen nach Einwerfen ihrer Stimmkarte für andere Geschäfte das Plenum zwischenzeitlich verlassen wollen, weise ich darauf hin, dass eine weitere namentliche Abstimmung im späteren Verlauf des Abends, nach augenblicklicher Berechnung der Redezeiten, so sich die dafür gemelde- ten Rednerinnen und Redner daran halten, gegen 22 Uhr, stattfindet. - Mit dieser fröhlichen Nachricht eröffne ich nun die vorletzte namentliche Abstimmung des heutigen Tages. Gibt es noch jemanden, der für die letzte namentliche Abstimmung zu dem vorhin aufgerufenen Themen- komplex seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Dann schließe ich die letzte namentliche Abstimmung zu die- sem Tagesordnungspunkt und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2) Wir setzen die Beratungen sofort mit dem nächsten Tagesordnungspunkt fort. Es wäre nur schön, wenn diejenigen, die nun andere wichtige Dinge zu erledigen haben, zügig den Plenarsaal verlassen könnten, damit wir für den nächsten Tagesordnungspunkt die gebotene Aufmerksamkeit haben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf: Beratung des Antrags der Bundesregierung Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 ({0}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz ({1}) und den 2) Ergebnis Seite 24228 B Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien ({2}) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 - Drucksache 16/12881 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({3}) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier. ({4})

Dr. Frank Walter Steinmeier (Minister:in)

Politiker ID: 11004167

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern habe ich gemeinsam mit dem Zeithistoriker Conze seine neue Geschichte der Bundesrepublik vorgestellt. Das Kapitel zum Kosovo-Krieg ist mit dem Titel „Die Rückkehr des Krieges nach Europa“ überschrieben. Dies hat mir noch einmal die leidenschaftlichen Diskussionen in Erinnerung gerufen, die wir in Deutschland - auch hier im Hohen Hause - damals, vor zehn Jahren, miteinander geführt haben. Die Entscheidung, uns auf dem Balkan auch militärisch zu engagieren, haben wir uns miteinander nicht leicht gemacht. Diese Entscheidung hat Geschichte geschrieben. Selbstverständlich ist dies auch Anlass, dass wir uns selbst immer wieder Rechenschaft darüber ablegen, was wir erreicht haben. Ethnische Spannungen auf dem Balkan sind geblieben; aber das Gespenst des Krieges - das ist das Entscheidende - wurde gebannt. Das haben wir gemeinsam mit anderen erreicht. Darauf können wir stolz sein. ({0}) Auch all die Horrorszenarien, die noch vor einem Jahr mit Blick auf die Unabhängigkeit des Kosovo an die Wand gemalt wurden, sind nicht eingetreten. Mittlerweile haben 58 Staaten den Kosovo anerkannt, darunter - mit Ausnahme Bosniens und Serbiens - sämtliche Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens. Die überwältigende Mehrzahl der Staaten in der Region setzt auf Kooperation und auf Stabilität. Das bedeutet für die Menschen Chancen auf Aussöhnung und die Perspektive einer friedlichen gemeinsamen Zukunft. Das ist doch das, was wir gemeinsam wollten. Das ist das, was wir erreicht haben. ({1}) Auch Serbien - das sollten wir nicht übersehen agiert inzwischen besonnener, bei allem Beharren auf seinem vermeintlichen Rechtsanspruch. Auch Serbien ist bemüht, kein Öl ins Feuer zu gießen. Sowohl die Feierlichkeiten zum Jahrestag der Unabhängigkeit des Kosovo als auch eine Reihe von Gedenktagen im Februar und im März sind einigermaßen friedlich verlaufen. Wer sich erinnert, wer die Bedeutung symbolträchtiger Jahrestage auf dem Balkan kennt, der weiß, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Dass es diesmal ruhig geblieben ist, ist auch ein Fortschritt. ({2}) Dennoch sind die Herausforderungen, vor denen der Kosovo steht, gewaltig. Der Aufbau der Wirtschaft ist durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise jetzt besonders schwierig. Hinzu kommt der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. All das sind Riesenaufgaben. Manches geht voran. Letzte Woche ist Kosovo Mitglied im Internationalen Währungsfonds geworden. Vergangenen Sommer ist die kosovarische Verfassung in Kraft getreten. Das ist ein wichtiger, nicht zu unterschätzender Grundstein dafür, dass Kosovo-Albaner, Kosovo-Serben und Angehörige anderer Volksgruppen - wenn auch noch nicht miteinander - jetzt fürs Erste friedlich nebeneinander leben können. Mit EULEX hat die Europäische Union die bisher größte zivile EU-Stabilisierungsmission geschaffen. Sie wird von allen maßgeblichen Akteuren unterstützt: vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, von der Regierung Kosovos, auch von der Regierung Serbiens. Wie Sie wissen, hat Präsident Tadic dies schon Ende 2008 in seinem Schreiben an Javier Solana ausdrücklich bekräftigt. Auch hier fragen wir uns noch einmal: Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass wir miteinander so weit kommen? Deshalb sage ich: Auch das sollten wir bei allen Schwierigkeiten, die es noch gibt, wahrlich nicht gering schätzen. ({3}) Wir reden heute über ein Mandat. Trotz aller Fortschritte im Kosovo, in der Gesamtregion, von denen ich ein paar skizziert habe, wird militärische Präsenz vorerst weiterhin erforderlich sein. KFOR ist ein Stabilitätsgarant, das sehen nicht nur die Menschen im Kosovo so, sondern auch die in der gesamten Region, selbst die in Serbien, wie wir inzwischen wissen. Leider gibt es immer noch einige, die zündeln, Stichwort „Mitrovica“, um ein Beispiel aus jüngster Zeit zu nennen. Trotzdem spiegelt die Absenkung der Truppenstärke im diesjährigen Mandat die insgesamt positiven Entwicklungen in der Gesamtregion wider. Damit der unabhängige Kosovo sobald wie möglich Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen kann, hilft KFOR eben auch beim Aufbau und bei der Ausbildung kosovarischer Sicherheitskräfte. Die Fortschritte im Kosovo sind sicherlich das Ergebnis unserer beharrlichen, wie ich mich erinnere, nicht immer einfachen, aber immer an den Realitäten ausgerichteten Politik. Es sind vor allen Dingen Ergebnisse des engagierten Einsatzes unserer Soldatinnen und Soldaten über die letzten Jahre hinweg. Deshalb sage ich: Ihnen gilt unser ganz besonderer Dank, unsere Anerkennung. ({4}) Sie sollten auch im kommenden Jahr auf unsere Unterstützung zählen können. Deshalb, meine Damen und Herren, hoffe ich auf breite Unterstützung dieses Hohen Hauses für die Verlängerung des Mandates. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich komme nun zurück zu Tagesordnungspunkt 3 b und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordneter mit dem Titel „Späte Schwangerschaftsabbrüche - Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken“, Drucksachen 16/11377 und 16/12970, bekannt: abgegebene Stimmen 559. Mit Ja haben gestimmt 47, mit Nein haben gestimmt 501, Enthaltungen 11. Der Antrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 557; davon ja: 48 nein: 498 enthalten: 11 Ja SPD Michael Roth ({0}) DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({1}) Volker Schneider ({2}) Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bettina Herlitzius Sylvia Kotting-Uhl Hans-Christian Ströbele fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({3}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({4}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Hartwig Fischer ({5}) Dirk Fischer ({6}) Axel E. Fischer ({7}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({8}) Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({9}) Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({10}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler ({11}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Stephan Mayer ({12}) Wolfgang Meckelburg Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({13}) Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({14}) Stefan Müller ({15}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({16}) Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({17}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({18}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({19}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({20}) Andreas Schmidt ({21}) Ingo Schmitt ({22}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({23}) Michael Stübgen Hans Peter Thul Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({24}) Gerald Weiß ({25}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({26}) Elisabeth WinkelmeierBecker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Ernst Bahr ({27}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({28}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({29}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({30}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach ({31}) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({32}) Iris Hoffmann ({33}) Frank Hofmann ({34}) Eike Hovermann Klaas Hübner Johannes Jung ({35}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({36}) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({37}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({38}) Michael Müller ({39}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({40}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({41}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({42}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({43}) Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({44}) Silvia Schmidt ({45}) Renate Schmidt ({46}) Heinz Schmitt ({47}) Carsten Schneider ({48}) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({49}) Swen Schulz ({50}) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({51}) Hildegard Wester Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff ({52}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({53}) Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({54}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Dr. h. c. Jürgen Koppelin Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({55}) Dr. Erwin Lotter Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel ({56}) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Konrad Schily Marina Schuster Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({57}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({58}) Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Winfried Hermann Peter Hettlich Dr. Anton Hofreiter Thilo Hoppe Renate Künast Undine Kurth ({59}) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller ({60}) Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth ({61}) Manuel Sarrazin Christine Scheel Silke Stokar von Neuforn Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Enthalten DIE LINKE Dr. Ilja Seifert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kai Gehring Britta Haßelmann Priska Hinz ({62}) Ute Koczy Nicole Maisch Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Rainder Steenblock Weiterhin gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner und weiterer Abgeordneter mit dem Titel „Wirkungsvolle Hilfen in Konfliktsituationen während der Schwangerschaft ausbauen - Volle Teilhabe für Menschen mit Behinderung sicherstellen“, Drucksachen 16/11342 und 16/12970, in der Ausschussfassung bekannt: abgegebene Stimmen 558. Mit Ja haben gestimmt 463, mit Nein haben gestimmt 62, Enthaltungen 33. Der Antrag ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 556; davon ja: 461 nein: 62 enthalten: 33 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({63}) Dr. Christoph Bergner Clemens Binninger Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({64}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Hartwig Fischer ({65}) Dirk Fischer ({66}) Axel E. Fischer ({67}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({68}) Jochen-Konrad Fromme Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({69}) Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({70}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler ({71}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({72}) Maria Michalk Dr. h.c. Hans Michelbach Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Carsten Müller ({73}) Stefan Müller ({74}) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann ({75}) Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({76}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({77}) Anita Schäfer ({78}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({79}) Ingo Schmitt ({80}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({81}) Hans Peter Thul Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({82}) Gerald Weiß ({83}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({84}) Elisabeth WinkelmeierBecker Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h.c. Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Ernst Bahr ({85}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({86}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({87}) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Dr. h.c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({88}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach ({89}) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({90}) Iris Hoffmann ({91}) Frank Hofmann ({92}) Eike Hovermann Klaas Hübner Johannes Jung ({93}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({94}) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Markus Meckel Petra Merkel ({95}) Ulrike Merten Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({96}) Michael Müller ({97}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({98}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({99}) Michael Roth ({100}) Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({101}) Anton Schaaf Axel Schäfer ({102}) Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({103}) Silvia Schmidt ({104}) Renate Schmidt ({105}) Heinz Schmitt ({106}) Carsten Schneider ({107}) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({108}) Swen Schulz ({109}) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Dr. h.c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({110}) Hildegard Wester Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff ({111}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Mechthild Dyckmans Horst Friedrich ({112}) Miriam Gruß Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dr. Erwin Lotter Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Konrad Schily Marina Schuster BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({113}) Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({114}) Dr. Anton Hofreiter Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({115}) Markus Kurth Monika Lazar Anna Lührmann Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller ({116}) Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth ({117}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Renate Blank Dr. Michael Fuchs Stephan Mayer ({118}) Peter Rzepka Christian Schmidt ({119}) Michael Stübgen SPD Ernst Kranz FDP Rainer Brüderle Paul K. Friedhoff Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Michael Link ({120}) Patrick Meinhardt Carl-Ludwig Thiele Dr. Volker Wissing DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Cornelia Hirsch Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Katja Kipping Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kersten Naumann Petra Pau Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({121}) Volker Schneider ({122}) Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Enthalten FDP Christian Ahrendt Uwe Barth Angelika Brunkhorst Patrick Döring Jörg van Essen Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({123}) Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Michael Kauch Hellmut Königshaus Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Horst Meierhofer Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel ({124}) Gisela Piltz Dr. Max Stadler Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff ({125}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner ({126}) Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Stinner, FDP-Fraktion. ({127})

Dr. Rainer Stinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003640, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es richtig, dass wir uns angesichts veränderter Rahmenbedingungen im Kosovo heute wieder einmal in einer Debatte im Bundestag mit der Verlängerung dieses wichtigen Mandates beschäftigen, das ja nicht mehr so sehr im Lichte der Öffentlichkeit steht, aber dennoch sehr wichtig ist. Wir als FDP-Fraktion werden diesem Antrag auf Verlängerung des Mandates zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass auch im Jahre 2009 militärische Präsenz im Kosovo notwendig ist. ({0}) Die NATO hat im Kosovo mit über 50 000 Soldaten angefangen. Jetzt sind es noch 15 000 Soldaten. Das ist der richtige Weg, die richtige Richtung. Die Bundesregierung hat sinnvollerweise den Mandatsumfang angepasst. Das begrüßen wir. Wir stimmen Ihnen da völlig zu. Die Soldaten haben hervorragende Arbeit geleistet, zum Teil unter sehr schwierigen Bedingungen, zumindest am Anfang. Dafür möchten wir ihnen auch von hier aus eindeutig unseren Dank und unsere Anerkennung aussprechen. ({1}) Wir sind aber der Meinung, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Zahl der dort stationierten Soldaten insgesamt noch schneller und drastischer, deutlicher und stärker reduziert werden kann. Der Auffassung, dass wir nicht allen populistischen Darstellungen von angeblicher Nichtbeschäftigung gleich nachgeben sollten, stimme ich zu. Wir sollten aber sehr wohl die bei der NATO vorhandenen konkreten Überlegungen und Planungen ernst nehmen, jetzt damit anzufangen, die Truppenzahl im Kosovo deutlich zu reduzieren, und zwar auf eine abschreckende Präsenz, auf eine „deterrent presence“, wie der Fachausdruck lautet. Das halten wir für richtig. Wir wissen, dass wir im Notfall Truppen heranziehen können. Eine solche abschreckende Präsenz würde circa 2 000 Soldaten im Kosovo bedeuten. Wenn man die Relationen, die jetzt bestehen, zugrunde legt, würde das circa 400 deutsche Soldaten bedeuten. Das ist ein Umfang, der, wie ich glaube, auch für uns Deutsche eine wesentliche Erleichterung bringen würde. Wir halten das für den richtigen Weg. Wir müssen aber leider feststellen, dass sich die Bundesregierung nicht gerade durch große Aktivität hervortut, um dafür zu sorgen, dass dieser Weg beschritten wird, oder um das auch nur zu kommentieren. Auch heute habe ich vom Herrn Außenminister darüber nichts gehört. Ich hoffe, dass der Verteidigungsminister dazu gleich noch Stellung nehmen wird. Die Bundesregierung erweckt jedenfalls nicht den Eindruck, als stehe sie an der Speerspitze der Bewegung hin zu einer sinnvollen Reduzierung der Soldaten im Kosovo. ({2}) Das sollte sie aber; denn wir alle wissen - das bekommen wir ja täglich mit; wir im Verteidigungsausschuss vielleicht noch stärker als andere Kolleginnen und Kollegen -, wie angespannt die Situation der Bundeswehr angesichts der Vielzahl derzeitiger Aufträge ist. Da wäre eine Erleichterung sehr willkommen. Stationierung darf kein Selbstzweck sein. Lassen Sie mich hier zwei sicherlich kritische Punkte ansprechen: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Deutschland an der Stationierung in der Größenordnung festhalten möchte, weil eine drastische Reduzierung zu einer Veränderung der regionalen Zuständigkeit und der regionalen Schwerpunkte - wir fühlen uns ja so wohl; wir sind ja auch in Prizren so bekannt - führt. Dies darf auch nicht dazu führen, dass wir Angst davor haben, eventuell logistische Systeme zu verändern. Diese Diskussionen werden durchaus geführt. Ich spitze es zu: Darüber hinaus darf unter gar keinen Umständen international der Eindruck entstehen, dass wir mit einem Abzug aus dem Kosovo eher zurückhaltend sind, um Soldaten nicht woanders einsetzen zu müssen. Das ist eine zuspitzende Bemerkung, aber ich sage das; denn dieser Eindruck darf unter keinen Umständen entstehen. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, sich aktiv im Deutschen Bundestag, im Verteidigungsausschuss, im Auswärtigen Ausschuss, aber insbesondere in den Planungsstäben der NATO mit diesem Thema zu beschäftigen und uns hier reinen Wein einzuschenken. ({3}) Meine Damen und Herren, die Präsenz von Soldaten soll den zivilen Aufbau absichern. Das ist ihre Funktion. Die Soldaten haben hier wirklich ein fabelhaftes Ergebnis erreicht. Aber wir können mit dem erreichten zivilen Aufbau im Kosovo nicht zufrieden sein. Ich sage es so deutlich, wie ich es empfinde. Die UNMIK hat in den neun oder zehn Jahren ihrer Präsenz nicht das erreicht, was sie erreichen sollte, was wir erwarten konnten und mussten. Die EULEX-Mission hatte einen sehr schweren Start. Das ist kein Vorwurf an die Bundesregierung, meine Herren Minister, aber es ist eine Tatsache. Wir müssen bedauernd feststellen, dass es der EU bis zum heutigen Tage nicht gelungen ist, eine gemeinsame politische Position zum Thema Kosovo zu finden. Wir haben jetzt eine durch EULEX überwachte Selbstständigkeit des Kosovo. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei jeder Debatte - ich weiß, Sie können es bald nicht mehr hören, aber es ist die Wahrheit -: Das hätten Sie einfacher haben können, wenn Sie im Jahre 2004 dem Antrag der FDP-Fraktion zugestimmt hätten, in dem wir genau das skizziert haben, was heute in etwa dort vorhanden ist. Im Jahre 2004 hätte es ein völlig anderes psychologisch-politisches Umfeld sowohl in Russland als auch vor allem in Serbien gegeben. Es hätte die Chance bestanden, gemeinsam eine saubere, legale Lösung zu erreichen. Wir sind uns bewusst, dass EULEX unter schwierigen Bedingungen gestartet ist. Nichtsdestotrotz muss festgehalten werden: Der Fall EULEX zeigt ein weiteres Mal die mangelnde Handlungsfähigkeit der EU, und zwar nicht nur in politischen Abstimmungsprozessen, sondern auch bei ganz einfachen operativen Dingen zur Einrichtung der Mission, bei den Kommunikationsleistungen, den Fahrzeugen, Papieren usw. Es gab einen holprigen Start. Das wirft kein gutes Licht auf die Fähigkeit der EU, solche Missionen durchzuführen. Die Bundesregierung ist dafür nicht verantwortlich, aber Deutschland ist das größte Land in Europa. Wir haben eine besondere Bedeutung für den Kosovo und der Kosovo für uns. Von daher erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie ihren Einfluss geltend macht. Die Bundesregierung und speziell der Redner, der nach mir kommt - Herr Präsident, ich komme zum Schluss -, redet gerne von vernetzter Sicherheit. Das ist sinnvoll und richtig. Die würden wir uns aber auch im Kosovo wünschen. Denn es ist nicht akzeptabel, weder in Afghanistan noch im Kosovo, dass mangelnde politische Handlungsfähigkeit durch Präsenz von Soldaten ersetzt werden muss. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung. ({0})

Dr. Franz Josef Jung (Minister:in)

Politiker ID: 11003781

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer zurückschaut und sich an den Prozess der deutschen Einheit erinnert - wir haben ja in diesem Jahr den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer -, nämlich dass wir die Einheit in Freiheit erreicht haben, ohne dass ein Tropfen Blut vergossen worden ist, dem wird die damals herrschende Euphorie wieder bewusst werden. Damals konnte man noch nicht ahnen - das nehme ich zumindest für mich in Anspruch -, dass wir ein paar Jahre später auf dem Balkan, also in Europa, wieder Massenhinrichtungen, Massenvergewaltigungen, Massenvertreibungen und kriegerische Auseinandersetzungen würden erleben müssen. Ohne den Einsatz der NATO und damit der Bundeswehr wären dort keine stabilen Verhältnisse eingetreten. Wir haben bisher rund 100 000 Soldatinnen und Soldaten in diesen Einsatz geschickt. Das zeigt, welchen Beitrag die Bundeswehr zur Stabilität und zu einer friedlichen Perspektive in Europa geleistet hat. Dafür möchte ich unseren Soldatinnen und Soldaten in dieser Debatte sehr herzlich danken. ({0}) Auch in der Frage der weiteren Stabilisierung sind wir einen weiteren Schritt vorangekommen. EULEX, die Rechtsstaats- und Polizeimission Europas, die im April dieses Jahres ihre volle Einsatzbereitschaft erreicht hat, wird entscheidend zum Aufbau einer effektiven Polizei und rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo beitragen. Wir leisten auch unseren Beitrag, um weiterhin die Kosovo Security Force aufzubauen. Im Zuge dessen wird das Kosovo Protection Corps abgebaut. Rund 1 500 Kräfte werden übernommen, weitere 400 werden hinzukommen. Dieser Großteil des Gesamtumfangs von 2 500 Kräften, die - davon gehen wir aus - im September der Kosovo Security Force angehören werden, befindet sich zurzeit in der Ausbildung. Mit EULEX und durch die Eigenverantwortung der Kräfte im Kosovo ist unserer Ansicht nach ein Übergang im Hinblick auf die Gewährleistung der Sicherheit möglich. Kollege Stinner, ich kann Ihre Kritik nur zurückweisen. Wir sind in diesen Prozess sehr mit eingebunden, auch in der Frage, was die zukünftige Stärke betrifft; ich sage gleich noch etwas dazu. Wir dürfen aber aus meiner Sicht jetzt nicht durch Ad-hoc-Reaktionen und einen überschnellen Abzug die Stabilität und die friedliche Perspektive im Kosovo gefährden. Vielmehr müssen wir einen schrittweisen Übergang vollziehen. ({1}) Wir werden auch beim KSF-Trust-Fonds, also bei der Ausstattung und Ausrüstung dieser Kräfte, einen erheblichen Beitrag leisten. Wir werden uns mit 12 Millionen Euro, ungefähr einem Drittel des Gesamtvolumens von rund 37 Millionen Euro, daran beteiligen. 204 Bundeswehrfahrzeuge werden an die Kosovo Security Force übergeben; 185 sind schon geliefert worden. Das zeigt, welchen Beitrag wir leisten, um den Kosovo in die Lage zu versetzen, selbst für seine Sicherheit und für Stabilität Sorge zu tragen. Aber lassen Sie mich zu der Frage der zukünftigen Entwicklung, die Sie angesprochen haben, etwas sagen. Erstens halte ich es für richtig, dass wir jetzt, da wir noch rund 2 300 Soldaten im Kosovo haben, die Obergrenze von 8 500 auf 3 500 reduzieren. Zweitens haben wir uns vorgenommen, im Rahmen der NATO-Verteidigungsminister-Konferenz, die im Juni stattfindet, das Konzept „Deterrent Presence“ - Sie haben es angesprochen -, „abschreckende Präsenz“, zu entwickeln, mit dessen Hilfe die Verantwortung der KFOR schrittweise auf die zivilen Strukturen und die eigenen KosovoStrukturen übergehen soll. Bisher ist beabsichtigt, die Zahl der Kräfte von 15 000 in der ersten Stufe auf 10 000 abzusenken und dann je nach Entwicklung der Lage einen weiteren Schritt in den Blick zu nehmen, um nicht letztlich das zu gefährden, was wir gemeinsam in den zurückliegenden Jahren aufgebaut haben. Eins muss klar sein: Das Ziel von KFOR ist weiterhin, ein sicheres Umfeld für alle Bewohner des Kosovo zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Der Außenminister hat - zu Recht, wie ich finde - auf die eine oder andere kritische Entwicklung im Norden des Kosovo hingewiesen. Aber trotz größerer Demonstrationen in der letzten Zeit dort konnte die Lage bisher insgesamt stabil gehalBundesminister Dr. Franz Josef Jung ten werden. Unser Auftrag wird weiterhin sein, die zivilen Missionen zu unterstützen - auch hier ist also das Konzept der vernetzten Sicherheit in der Umsetzung und selbsttragende Sicherheitsstrukturen im Kosovo zu schaffen. Ab August dieses Jahres werden wir im Rahmen dieses Mandates wieder die Führungsverantwortung von KFOR übernehmen; auch das ist ein Beitrag zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes im Kosovo. Wir müssen den Prozess der Stabilisierung und der Umstrukturierung in einem verantwortungsvollen Umfeld gestalten. Deshalb bitte ich um Zustimmung für die Verlängerung dieses Mandats. Wir müssen die weitere Entwicklung der politischen Lage im Blick behalten. Wir sollten über eine Reduzierung in einem abgestuften Verfahren nach einer entsprechenden Einschätzung der Lage entscheiden. Aber zunächst ist es notwendig, dass wir weiterhin unseren Beitrag zur Gewährleistung einer stabilen Entwicklung im Kosovo leisten. Damit schaffen wir eine europäische Perspektive, die in eine friedliche Zukunft führt. Das ist unser Auftrag, den wir weiterhin erfüllen wollen. Ich bitte Sie dafür um Ihre Unterstützung. Besten Dank. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich gebe das Wort der Kollegin Monika Knoche, Fraktion Die Linke. ({0})

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Bei diesem Mandat sehen wir Linke im Besonderen nicht, dass ein wesentliches Kriterium für eine verfassungsgemäße Mission im Kosovo erfüllt wäre, und zwar die völkerrechtliche Legitimation. Seit der Anerkennung des Kosovo im Februar 2008 gibt es für eine deutsche Militärpräsenz keine rechtliche Grundlage mehr. Das ist unsere Position, die wir auch, wie Sie wissen, vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen unserer Klage vertreten. Wir sehen also nur eine Möglichkeit: Deutsche Soldaten sind aus diesem Auslandseinsatz abzuziehen. ({0}) Ohne ein neues Mandat der Vereinten Nationen kann es keine Entscheidung über einen weiteren Auslandseinsatz Deutschlands geben. Ein neues Mandat aber wird die UN nicht erteilen; sie kann auch gar nichts anderes tun, als die Statusneutralität zu bestätigen, will sie nicht ihrerseits gegen das Völkerrecht verstoßen. Das ist die Lage. Eine neuerliche Mandatsverlängerung ist nach unserer Auffassung nicht möglich. Mit dieser Völkerrechtsposition stehen wir Linke nicht allein, nicht in Europa und auch nicht in der UN-Vollversammlung. Spanien hat den Kosovo nicht anerkannt. Die spanische Verteidigungsministerin Carme Chacón kündigte am 19. März an, ihre Soldaten aus dem Kosovo abzuziehen. Überdies haben nur 58 Länder der Welt die Separation von Serbien für rechtens gehalten. Die Mehrheit der Staaten geht mit Serbien den Weg der Begutachtung vor dem Internationalen Gerichtshof. Wenn nun die KFOR weiterhin zum Aufbau einer eigenständigen Armee beitragen soll, dann würde das noch mal die Eigenstaatlichkeit des Kosovo unterstreichen und die Integrität des serbischen Staates unterlaufen. All diese gravierenden Einwände gegen die deutsche Truppenpräsenz wollen Sie kleinreden oder schlechterdings übergehen. Gerade jüngst bei der Entscheidung über die zivile Rechtsstaatsmission der EU, EULEX, haben die Vereinten Nationen die Statusneutralität des Vorhabens unterstrichen und EULEX unter die UN-Mission UNMIK gestellt. Die UN ist nämlich der Meinung, dass die Statusfrage noch offen ist. Die neue serbische Regierung hat hart um diese Klarstellung gekämpft, und sie hat obsiegt. Die Bundesregierung aber wollte die Ablösung der UNMIK erreichen. Die UN ist dieser Argumentation der Bundesregierung nicht gefolgt und hat EULEX unter die UN-Mission UNMIK gestellt. Das ist rechtens. Es ist wichtig, dass wir dies im Bundestag deutlich aussprechen. Wir sehen also: Die im Antrag enthaltene Aussage der Bundesregierung, dass der Einsatz auf Grundlage der seit 1999 bestehenden Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erfolgt, kann nicht angeführt werden; denn die Lage im Kosovo hat sich seit dem Februar 2008 durch die Anerkennung verändert. Ich war vor 14 Tagen im Kosovo, und zwar in Mitrovica. Ich kann sagen, die UNMIK hat es nicht vermocht, Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit der Ethnien durchzusetzen sowie Kriminalität und Korruption zu bekämpfen, obwohl sie die Unterstützung der NATO-Schutztruppe KFOR für diese zivile Mission hat. Der Westen hat meines Erachtens viel zu wenig Mut, den neuen Machthabenden im Kosovo einmal die harte Kante zu zeigen. Schauen wir uns die Situation im Kosovo, in Mitrovica an: Die Roma können nicht zurückkehren, die Flüchtlingsfrage ist nicht geregelt, und die Regierung in Pristina überlässt alles EULEX oder KFOR. Der Kosovo ist - das will ich an dieser Stelle sagen Dreh- und Angelpunkt des Drogen- und Menschenhandels. Auch über diese Frage können wir hier im Bundestag nicht hinweggehen. Ich möchte auf Carla del Ponte, die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, hinweisen, die in ihrem Buch deutlich zum Ausdruck bringt, dass es nicht möglich war, Kriegsverbrecher aus dem Kosovo vor Gericht zu bringen, weil Zeugen getötet oder mundtot gemacht wurden. All das gehört dazu, wenn man die Lage im Kosovo bewerten will. Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass sich an diesem Übel durch eine Fortführung der KFOR-Prä24234 senz etwas ändern wird. Großbritannien plant, sein gesamtes Kontingent im September abzuziehen. Ich finde, wir müssen unbedingt - auch aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtmäßigkeit - gleichziehen. Danke schön. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich gebe das Wort der Kollegin Marieluise Beck, Bündnis 90/Die Grünen.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, man muss immer und immer wieder, auch noch zehn Jahre nach der Intervention, daran erinnern - der Herr Außenminister hat das schon getan -, was der historische Hintergrund der KFOR-Mission ist. Die Intervention war in der Tat äußerst schwierig, weil der UN-Sicherheitsrat - wie häufig in Konfliktsituationen, in denen wir ihn bräuchten - nicht handlungsfähig war, aber unter dem Eindruck des Krieges in Bosnien und eines Massakers in Europa, vor unserer eigenen Haustür, nämlich in Srebrenica, eine Entscheidung zu treffen war. Wir haben lernen müssen, dass ein NationBuilding-Prozess viel schwieriger ist, als wir alle uns das vorgestellt haben. Manche Probleme haben wir geerbt, manche sind neu geschaffen worden. Im Kosovo geht es nur langsam voran. Warum? Die serbischen Menschen im Norden Mitrovicas, die unter dem starken Einfluss der radikalen serbischen Partei leben, haben nicht gleich ihre Zustimmung gegeben und sich nicht plötzlich als Bürgerinnen und Bürger des Kosovo gefühlt. War das anders zu erwarten? Ich möchte daran erinnern, dass das Gerichtsgebäude in Mitrovica nach der Unabhängigkeitserklärung von den Menschen besetzt wurde, die die Kosovo-Albaner über Jahre hinweg mit einem Apartheidsystem unterdrückt haben. Dass diese über einen Staat Kosovo nicht begeistert waren, ist leicht nachvollziehbar. Wie schwierig es ist, den Nationalismus zu überwinden, erfahren wir im Alltag: In einem von Serben bewohnten Dorf im Kosovo hat die Dorfbevölkerung über Monate hinweg den Strom nicht bezahlt. Als der Strom abgestellt wurde, fand eine gewalttätige Demonstration statt, in der die Dorfbewohner zum Ausdruck brachten, dass sie nur Strom aus Serbien beziehen wollen. Das sind die Blüten des Nationalismus, mit denen wir es auf dem Balkan zu tun haben. Das schwierige Geflecht von EULEX, UNMIK und KFOR dient dazu, dieses gefährliche Nationalismusgefühl, von dem wir wissen, dass es wieder aufflammen kann, abzukühlen, damit eine Beruhigung eintreten kann und Brücken gebaut werden können, wie sie für das Entstehen dieses Staates notwendig sind. ({0}) Wir haben ein Institutionengewirr; das ist wahr. Mit der EULEX-Mission wird im Süden der Staat Kosovo aufgebaut, während im Norden EULEX UNMIK untersteht. Im Norden wird nach wie vor - so würde ich sagen - eine Quasi-Angliederung an serbisches Gebiet geduldet. Damit haben wir faktisch unterschiedliche Rechtsgebiete. Das ist keine gute Basis, wenn man einen funktionierenden Rechtsstaat aufbauen will. Noch viel weniger ist das eine gute Basis, wenn schwierige Fragen wie die, wie mit verstaatlichtem Eigentum aus jugoslawischer oder serbischer Zeit umgegangen werden soll, zu behandeln sind. Diese Fragen sind in den kommenden Jahren zu klären. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass manche dieser Dilemmata mit einer Obstruktionspolitik sowohl aus Russland als auch aus Serbien zusammenhängen; denn sie haben klare Lösungen verhindert. Der Sicherheitsrat hat seine Verantwortung, völkerrechtlich klare Lösungen zu schaffen, nicht wahrgenommen; das ist immer wieder deutlich zu sagen. Insofern, Frau Kollegin Knoche, ist es absurd, wenn Sie jetzt versuchen, den Einsatz dort, wo ein klares Mandat besteht - das Mandat für KFOR ist wirklich klar -, infrage zu stellen. ({1}) Ich möchte noch kurz etwas zu einer Debatte sagen, mit der wir es inzwischen zu tun haben. Von russischer Seite wird immer wieder versucht, die Intervention in Georgien und die Anerkennung von Abchasien und Südossetien in den Windschatten des Kosovo zu stellen nach dem Motto: Da habt ihr eure Retourkutsche. Ich sage ganz klar: Wer diese Vorgänge gleichsetzt, der hat sich mit ihnen nicht beschäftigt. Der georgische Angriff auf Zchinwali war verwerflich, aber er ist nicht zu vergleichen mit der jahrzehntelangen Unterdrückung der Albaner im Kosovo. Über das Kosovo wurde unter Beteiligung aller Kontrahenten acht Jahre lang verhandelt. Russland hat Südossetien und Abchasien nach zwei Tagen anerkannt und jetzt fast annektiert. Wer hier - wie die russische Seite - versucht, sich auf das Völkerrecht zu berufen, der ist unglaubwürdig. ({2}) Zurück zum Kosovo. Die Situation bleibt kompliziert. Fortschritte brauchen Zeit und Geduld. Es handelt sich um einen Staat mit einer eingeschränkten Souveränität. Folgerichtig gewährleistet KFOR - neben allen anderen zivilen Missionen, die es dort gibt - das Stück an militärischer Sicherheit, das die Menschen nach wie vor dort brauchen. Schönen Dank. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Gerd Höfer, SPDFraktion. ({0})

Gerd Höfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002679, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die Einlassungen der Kollegin Knoche möchte ich nicht mehr eingehen. Das hat in beeindruckender Weise meine Vorrednerin, Marieluise Beck, getan. ({0}) Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich kann mir aber nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass eine OSZE-Parlamentarierversammlung einstimmig eine Resolution angenommen hat, in der sinngemäß steht: Wenn ein souveräner Staat nicht souverän mit seinen Staatsbürgern umgeht, ist das ein Grund, zu intervenieren. - Ich denke, das war im Kosovo auf jeden Fall gegeben. Über Bosnien-Herzegowina und anderes möchte ich nicht weiter reden. ({1}) Die Einlassungen des Kollegen Stinner haben mich etwas irritiert. ({2}) - Doch. Das ist mein und nicht Ihr Problem. - Wenn man eine abschreckende Präsenz fordert, stellt sich die Frage, wie die Abschreckung erreicht werden kann, ob durch Quantität oder Qualität. Nach dem, was der Bundesaußenminister vorgetragen hat, stellt sich überhaupt die Frage: Braucht man eine abschreckende Präsenz, wenn dort ein friedliches Nebeneinander konstatiert wird? Die Frage ist im Prinzip offen. Wenn man keine abschreckende Präsenz braucht, sondern die Truppen der KFOR einer vorbeugenden Sicherheitspräsenz dienen, kann man sich anderen Aufgaben widmen - das hat der Bundesverteidigungsminister vorgetragen -, nämlich der Ausbildung derer, die nach Abzug der Truppen selbst die Sicherheit im eigenen Land gewährleisten sollen. ({3}) Daher macht es Sinn, die Truppenstärke so zu belassen, wie sie ist. Völlig abstrus fand ich Ihr Argument, Herr Kollege Stinner - Sie haben diesen Verdacht geäußert -, dass die Bundesrepublik Deutschland, wenn man die Truppen im Kosovo zu stark reduziert, gezwungen wäre, die Soldaten, die dort nicht mehr gebraucht werden, woanders einzusetzen. Ich appelliere an Ihr Selbstbewusstsein, lieber Kollege: Wenn dies der Fall sein sollte, ist ein Bundestagsbeschluss notwendig. ({4}) Ich glaube nicht, dass der Deutsche Bundestag unter dieser Voraussetzung - es wäre nicht einmal eine Ausrede eine Verbringung dieser Truppen in andere Mandatsgebiete billigen würde. Dazu käme es nicht, schon gar nicht mit Ihrer Stimme. ({5}) Ich darf darauf hinweisen, dass ein wesentlicher Beitrag der Soldaten zur Stabilisierung des Kosovo von den LOTs, den Liaison and Observation Teams, geleistet worden ist, die mit ihrer Arbeit vor Ort, in den Dörfern, die Sicherheit erhöht haben. Es gibt ein anderes Problem, das mir bei Besuchen im Kosovo und in Serbien deutlich aufgefallen ist. Beide Teile sind erwartungsfroh, der EU beitreten zu können. Hier gibt es ein riesiges mentales Problem: Beide Teile, sowohl das Kosovo als auch Serbien, blenden aus, was wäre, wenn sie Mitglieder der EU wären. Sie müssten dann ein friedliches Miteinander organisieren, wie es nach EU-Standards rechtsstaatlich notwendig wäre. Eine entsprechende Mentalität ist noch nicht vorhanden, allerdings die Erwartung, dass Serbien oder das Kosovo gleich übermorgen reich sein werden, wenn sie der EU beitreten, dass alle Probleme gelöst wären, weil die EU Geld geben würde. Man muss sehr aufpassen, Initiativen nicht dadurch abzubremsen, dass man die Kolleginnen und Kollegen dort in dieser Hoffnung lässt. Ein Beispiel ist die Energieversorgung. Noch immer wird der Strom im Kosovo nach A-, B- und C-Kriterien verteilt. Schon längst hätte ein Kohlekraftwerk gebaut werden können; das Kosovo ist reich an Braunkohle. Bisher haben interne Schwierigkeiten - wie ich weiß, handelt es sich um Verteilungsschwierigkeiten - den Bau eines Kraftwerks verhindert. Die Ausschreibung wurde zeitweilig aufgehoben. Das Kraftwerk hätte schon längst gebaut sein können. Diese Faktoren führen zu einer internen Destabilisierung des Kosovo: die Frage der Energieversorgung, aber auch die Frage, was man mit den Jugendlichen machen soll. Die jungen Menschen machen einen erheblichen Anteil der Bevölkerung im Kosovo aus. Sie haben häufig keine Arbeit und keine vernünftige Ausbildung. Wenn sie Wohlstand erreichen wollen, sind sie noch immer gezwungen, auszuwandern und sich woanders mit ihrer Arbeitskraft zu verdingen. Bei diesem Problem muss man ansetzen. Um es zu lösen, ist es notwendig, dass KFOR und die Bundeswehr ein sicheres Umfeld gestalten. Es geht hier nicht um eine militärische Präsenz zur Abschreckung, sondern im Gegenteil darum, dass das Militär hilft, die zivilen Strukturen zu organisieren und aufrechtzuerhalten. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Thomas Silberhorn, CDU/CSU-Fraktion.

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich richtig gerechnet habe, beraten wir hier über die zehnte Mandatsverlängerung, über die zweite seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008. Es ist erfreulich, feststellen zu können, dass sich die Lage seither weitgehend stabilisiert hat, auch wenn es im größten Teil des Landes noch vereinzelt Zwischenfälle gibt. Es gibt aber insbesondere seit dem Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung keine erneute Eskalation. Ich denke, das hat eine Reihe von Gründen, die es verdienen, hier ausdrücklich genannt zu werden. Ein Grund ist die umfangreiche internationale Präsenz. Insbesondere die Rechtsstaatsmission EULEX hat beim Wiederaufbau und beim Übergang der Verantwortung auf kosovarische Institutionen eine wichtige Funktion. Die Mission wirkt insbesondere dadurch stabilisierend, dass sie in allen Teilen des Kosovo präsent ist. Viele andere wirken mit: die OSZE-Mission, die internationale Verwaltungsbehörde, das UN-Entwicklungsprogramm, die Weltbank. Es gibt also insgesamt eine sehr umfangreiche internationale Präsenz, die dazu beigetragen hat, die positive Entwicklung zu befördern. ({0}) Es gibt allerdings auch eine Reihe von wichtigen Weichenstellungen der kosovarischen Politik, die stabilisierend gewirkt haben. Die ersten Schritte zum Aufbau der Institutionen sind erfolgt, insbesondere in Bezug auf die kosovarischen Sicherheitskräfte, die hier schon ausführlich gewürdigt worden sind. Entscheidungen wie die des Staatspräsidenten Sejdiu, die allgemeinen Parlamentswahlen auf das Jahr 2011 zu verschieben, sind sicherlich auch ein Beitrag zur Entspannung des politischen Klimas. Nach meiner Einschätzung gibt es einen weiteren Grund für die stabile Entwicklung des Kosovo, der heute noch gar nicht gewürdigt worden ist: die besonnene Haltung Serbiens, die wir nicht unterschätzen sollten. Drohungen, die ausgesprochen wurden, sind nicht verwirklicht worden; es wurden keine Sanktionen verhängt, und es hat keine Gewaltanwendung stattgefunden. Ich denke, darin kommt auch eine erhebliche Integrationsleistung der serbischen Bevölkerung zum Ausdruck, die wir ausdrücklich anerkennen sollten. ({1}) Entgegen allen Erwartungen haben die Serben bei den letzten Parlamentswahlen mit klarer Mehrheit eine Regierung mit europäischer Orientierung gewählt. ({2}) Durch die Anrufung des Internationalen Gerichtshofes hat es die serbische Regierung immerhin geschafft, die Fragen der Zulässigkeit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo, ihrer Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht, von der politischen auf eine juristische Ebene zu heben und die Diskussion zu versachlichen. Damit hat sie den nationalistischen Kräften in Serbien ein wichtiges Momentum der Emotionalisierung und Mobilisierung genommen. ({3}) All dies hat zur Stabilisierung der Lage beigetragen, die uns eine substanzielle Reduzierung des deutschen Kontingents von 8 500 auf 3 500 Soldaten erlaubt. Es steht zu erwarten, dass die NATO-Verteidigungsminister im Juni dieses Jahres ein ähnlich starkes Signal aussenden werden. Auch wenn man heute feststellen kann, dass die Konfliktbeilegung oftmals länger dauert, als man anfangs wahrhaben wollte, ist es so, dass der Einstieg in den Ausstieg zu gelingen scheint und dass wir von der Beilegung militärischen Streits über den Aufbau von Polizei- und Verwaltungsstrukturen zunehmend in Richtung eines erfolgreichen zivilen Wiederaufbaus gehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auch erwähnen, dass die europäische Perspektive für die Aufrechterhaltung der stabilen Situation im Kosovo außerordentlich bedeutsam ist. ({4}) Die Europäische Union hat eine strategische Schlüsselrolle, nicht nur im Kosovo, sondern auf dem gesamten westlichen Balkan. Deswegen ist es wichtig, durch Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen dafür zu sorgen, dass eine enge Anbindung dieser Länder an die EU gelingt, auch wenn die Frage eines EU-Beitritts nicht nur in Bezug auf das Kosovo im Moment nicht auf der Tagesordnung steht. Gerade wir Deutsche haben ausgesprochen enge Beziehungen zum Kosovo. Deutschland ist nicht nur der größte Truppensteller, sondern auch eines der zehn Länder, in denen das Kosovo eine Auslandsvertretung unterhält. Nicht zuletzt ist Deutschland Aufenthaltsort zahlreicher kosovarischer Flüchtlinge. Außerdem sind unsere Institutionen, zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, vor Ort erfolgreich tätig. Lassen Sie mich abschließend all denen, die am Wiederaufbau des Kosovo beteiligt sind, namentlich den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, für ihren verantwortungsvollen und nicht immer ungefährlichen Einsatz sehr herzlich danken. Wir werden der Mandatsverlängerung heute zustimmen. Viele Mandate dauern länger als eine Legislaturperiode. Ich wünsche mir, dass diese Mandatsverlängerung eine breite Mehrheit findet. Die Soldatinnen und Soldaten, die im Auslandseinsatz sind, haben eine breite Mehrheit für ihre Aufgabe verdient. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/12881 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkt 5 a und 5 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Grietje Staffelt, Volker Beck ({0}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Informationsfreiheitsgesetz konsequent weiterentwickeln - Drucksache 16/10880 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({1}) Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Kultur und Medien b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Hartfrid Wolff ({2}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Vollzug des Informationsfreiheitsgesetzes verbessern - Drucksache 16/8893 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({3}) Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Kultur und Medien Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten soll. - Ich höre keinen Widersprich. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Ich gebe das Wort der Kollegin Silke Stokar, Bündnis 90/Die Grünen.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich noch sehr gut daran: Das Informationsfreiheitsgesetz war das Last-Minute-Gesetz der letzten Legislaturperiode. In der letzten Bundesratssitzung, in der letzten Bundestagssitzung gab es die entsprechende Mehrheit für das Informationsfreiheitsgesetz. Es war ein ungeliebtes Kind: Über dieses Gesetz wurde lange verhandelt, es wurde von allen Seiten ausgebremst. Dieses Gesetz war - das muss man sagen - ein Gesetz, das überhaupt nur deshalb in Kraft treten konnte, weil es die Unterstützung des Parlamentes hatte. Es ist ein Gesetz, erarbeitet aus der Mitte des Parlamentes, verabschiedet vom Parlament. Die Bundesregierung, die Verwaltung wollte dieses Gesetz nicht. Wenn ich jetzt nach vier Jahren eine Bilanz des Informationsfreiheitsgesetzes ziehe, muss ich leider sagen, dass zwar die Bürgerinnen und Bürger Interesse an diesem Gesetz haben, Fragen stellen, Fragen einschicken, aber bis heute in der alten Kultur, in der Kultur des Amtsgeheimnisses, in der Regel und viel zu oft nur die Antwort bekommen: VS - Nur für den Dienstgebrauch. Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein Beleg dafür, dass es nicht ausreicht, ein Gesetz zu machen und es in Kraft treten zu lassen. Nein, ein Gesetz braucht die Kultur der Implementierung. Ich möchte hier - das ist auch Teil unseres Antrages - noch einmal dafür werben, dass wir in Deutschland ankommen, wo fast alle skandinavischen Länder, wo fast alle europäischen Länder längst angekommen sind: zu begreifen, dass Transparenz und Informationsfreiheit wichtige Grundpfeiler der Demokratie sind und dass es normal ist, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr wissen wollen, als in der Presseerklärung oder auf der Internetseite steht. Die Bürgerinnen und Bürger begreifen Beteiligung in dem Sinne, dass sie sich informieren können. Sie wollen keine unangemessen hohen Gebühren zahlen müssen, sie wollen keine muffigen Antworten bekommen, sie möchten, dass die Aktendeckel geöffnet werden und dass ihnen die Verwaltung bereitwillig und offen Auskunft gibt. ({0}) Peter Schaars erster Tätigkeitsbericht zum Informationsfreiheitsgesetz liegt vor. In diesem Tätigkeitsbericht werden helle und dunkle Seiten aufgezeigt. Gut ist, dass so viele Menschen von ihrem Recht, an die Bundesregierung, an die Verwaltung Fragen zu stellen, Gebrauch machen und dass wir es im Laufe der Zeit erreicht haben, dass die Gebühren, die am Anfang wirklich sehr hoch waren, zumindest etwas zurückgenommen worden sind. Nicht schön ist, dass es zu diesem Tätigkeitsbericht nach wie vor keine Stellungnahme des BMI, immer noch keine Stellungnahme der Bundesregierung gibt. Wir mussten diesen Antrag stellen, weil die Verwaltung nicht in der Lage ist, den Tätigkeitsbericht im Parlament vorstellen zu lassen, eine Debatte im Innenausschuss darüber zuzulassen oder eine Stellungnahme dazu zu verfassen. Unser Vehikel, damit wir auch am Ende dieser Legislaturperiode noch einmal über das Informationsfreiheitsgesetz reden können, war deshalb der vorliegende Antrag. Zwei Punkte halte ich für unbedingt änderungsbedürftig. Wir müssen feststellen - das sind die Schwächen im Gesetz; das Gesetz war ja damals ein Kompromiss, mehr haben wir gemeinsam mit der SPD gegenüber der Verwaltung nicht hinbekommen, und auch der Bundesrat hat das ja nicht gerade beflügelt, sondern eher gebremst -, dass der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses zu eng gefasst ist. Das geht so nicht. Wir brauchen eine Regelung, die es der Verwaltung unter24238 sagt, Bereiche, die von öffentlichem Interesse sind, als vertraulich einzustufen. Die Entscheidung, wann was wie eingestuft werden darf, können wir nicht länger der Verwaltung überlassen. Wir brauchen aber auch eine andere Kultur. Ich wünsche mir, dass die Bundesregierung und die Ministerien einen Blick auf die Homepage von Ministerien Estlands oder auch Rumäniens werfen. Mit Selbstverständlichkeit wird auf der ersten Seite auf die Informationsfreiheit hingewiesen. Die Bürgerinnen und Bürger werden über Links zu öffentlich zugänglichen Informationen geleitet. Immer mehr Informationen werden freiwillig ins Internet gestellt. Es muss gar nicht mehr gefragt und geantwortet werden. Mit einem Mausklick werden die Akten freigegeben, die freigegeben werden können. Wir liegen weit hinter diesen Ländern zurück. Deutschland ist im Hinblick auf Informationsfreiheit und Transparenz nach wie vor ein Entwicklungsland. Wir müssen vonseiten des Parlaments und auch vonseiten der Öffentlichkeit von Neuem für das Gesetz werben. Wir brauchen Stellen, die dieses Gesetz begleiten. Wir müssen eine Kultur für Informationsfreiheit und Transparenz weiter in die Verwaltung hineintragen. Danke schön. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer, CDU/CSUFraktion.

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Frau Kollegin Stokar, Sie haben bereits darauf hingewiesen: Das Informationsfreiheitsgesetz war ein Lieblingskind der rot-grünen Bundesregierung. ({0}) Sie hat sich aber mit diesem Gesetz außerordentlich schwergetan. Die Verhandlungen begannen bereits in der 14. Legislaturperiode und haben knapp sieben Jahre gedauert. ({1}) Kurz vor Toresschluss - das haben Sie ebenfalls erwähnt - wurde dieses Gesetz als eines der letzten Gesetze der rot-grünen Bundesregierung verabschiedet. Daran sieht man, wie schwer Sie sich selber mit diesem Gesetz getan haben. Eines möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede betonen: Die CDU/CSU-Fraktion ist dezidiert der Auffassung, dass wir einen sachgerechten und ordnungsgemäßen Zugang der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu Informationen brauchen. Wir haben uns im Gesetzgebungsverfahren nur dagegen gewandt, dass ein schrankenloser Zugang ohne die Geltendmachung jeglicher berechtigter Interessen zu diesen Informationen möglich sein soll. Ich möchte noch eines deutlich machen: Verwaltungshandeln bedarf einer ordnungsgemäßen Kontrolle. Ich halte aber genauso wenig davon, die Verwaltung in Deutschland bzw. sämtliches Verwaltungshandeln in Deutschland unter Generalverdacht zu stellen. Die Verwaltung in Deutschland ist gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Recht und Gesetz gebunden. Natürlich bedarf es der Möglichkeit und auch der Notwendigkeit, jeden Verwaltungsakt und jedes verwaltungsrechtliche Handeln auf seine Rechtmäßigkeit und seine Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen. Dafür sind aber die Gerichte zuständig. Die Rechtsweggarantie ist im Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verankert. Es ist neben den Grundrechten mit Sicherheit eines der höchststehenden Bürgerrechte, die wir in unserer Verfassung haben; sie feiert in wenigen Tagen ihren 60. Geburtstag. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass es falsch war, zu versuchen, einen Kulturwandel, einen Paradigmenwechsel dahin gehend vorzunehmen, dass jedermann ohne Geltendmachung eines berechtigten Interesses Zugang zu allen Informationen in der Verwaltung in Deutschland haben soll. Es gibt unsererseits aufgrund des nicht zu unterschätzenden Datenabflusses, der dem wichtigen Gut des Datenschutzes unterliegt, natürlich nach wie vor berechtigte Bedenken. Gerade in der jüngsten Zeit bekommen wir deutlich vor Augen geführt, wie wichtig das Grundrecht auf Datenschutz und Datensicherheit in Deutschland ist. Dies läuft an dieser Stelle Gefahr, ausgehöhlt zu werden. Des Weiteren sehe ich im Gesetz nach wie vor einen strukturellen Fehler: Das verfassungsrechtliche Gebot, dass Datenfreigabe an bestimmte Zwecke gebunden ist, wird mit dem Informationsfreiheitsgesetz ausgehöhlt. Eines der höchststehenden und wertvollsten Gebote im Verwaltungsverfahrensgesetz insgesamt ist, dass nur derjenige eine Klage einreichen kann, der geltend machen kann, in seinen subjektiv öffentlichen und persönlichen Rechten verletzt zu sein. Dieser hochstehende verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsatz wird durch das Informationsfreiheitsgesetz in nicht unbeträchtlicher Weise ausgehöhlt. ({2}) Ganz abgesehen davon hat sich in der Vergangenheit herausgestellt, dass diese Informationsgewinnung mit großem bürokratischen Aufwand und mit hohen Kosten verbunden ist. Die Verwaltung wird natürlich auch in nicht unbeträchtlicher Weise durch die Anfragen beschäftigt, die gestellt werden. Ein struktureller Fehler besteht nach wie vor im Gesetz: Es besteht dahin gehend Rechtsunsicherheit, dass die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht sauber definiert sind. Das ist ein struktureller Fehler im Gesetz, den es mit Sicherheit irgendwann einmal zu heilen gilt. Stephan Mayer ({3}) Ein weiterer struktureller Fehler, der nach wie vor im Gesetz vorhanden ist, ist, dass nicht klar ist, in welcher Form, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß derjenige, der die Auskunft erbittet, auch Auskunft erhalten darf und inwiefern Einblick in Verfahrensmaßnahmen, Überwachungsmaßnahmen und Genehmigungsmaßnahmen gewährt werden muss. Dies ist im Informationsfreiheitsgesetz zu weitgehend und zügellos gewährt. Wie sieht denn die Realität aus? - In 2008 sind insgesamt 1 548 Anträge bei Bundesministerien bzw. bei nachgeordneten Bundesbehörden gestellt worden. Davon sind 618 Anträge vollständig bewilligt worden. Dem Informationsbedürfnis der Bürger ist hier also in vollem Umfang Rechnung getragen worden. In 193 Fällen ist der Antrag teilweise angenommen bzw. dem Ansinnen teilweise Rechnung getragen worden. 536 Anträge sind abgelehnt worden. ({4}) Durch das Gesetz wird natürlich auch gezeigt, dass es durchaus auch gute Gründe dafür gibt, dass mancher Antrag abgelehnt wird. In 85 Fällen ist Widerspruch eingelegt worden, und es ist gar keinem unbeträchtlichen Anteil dieser Widersprüche stattgegeben worden. Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist 133-mal angefragt worden, 83-mal davon wegen eines abgelehnten Bescheides. Ein schrankenloser, immer und jederzeit und von jedermann geltend zu machender Anspruch ohne Rücksicht auf entgegenstehende und durchaus auch berechtigte Belange war nie die Position der CDU/CSUBundestagsfraktion und ist auf unser Betreiben hin so auch nicht im Informationsfreiheitsgesetz verankert worden. ({5}) Es gibt richtigerweise berechtigte Ausnahmen, zum Beispiel den Schutz von personenbezogenen Daten. Es darf zum Beispiel zu Recht nicht auf einen Terminkalender eines Ministers Zugriff genommen werden. ({6}) Es gibt den berechtigten Schutz geistigen Eigentums und auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, wobei eben diese Unklarheit besteht, wie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Detail definiert sind. Daneben gibt es natürlich auch Dokumente - wir erleben das in der aktuellen Diskussion im BND-Untersuchungsausschuss -, die nun einmal der Geheimhaltung bedürfen und Verschlusssachen darstellen. Auch auf diese darf kein Zugriff genommen werden. Die Anträge der Grünen und der FDP, die nun vorliegen, haben eines gemeinsam: Sie sind voreilig gestellt worden, weil überhaupt noch nicht klar ist, wie groß der Nachbesserungsbedarf im Informationsfreiheitsgesetz überhaupt ist. Das Informationsfreiheitsgesetz ist seit dem 1. Januar 2006 in Kraft, und die Summe der Anfragen hält sich, wie schon erwähnt, wirklich noch in Grenzen. Allein aufgrund der bisher vorliegenden Statistiken lässt sich noch gar kein ausreichender und vollumfänglicher Rückschluss darauf ziehen, inwiefern tatsächlich Nachbesserungsbedarf besteht. Zu einigen Forderungen im Einzelnen: Es ist der Vorschlag der Grünen abzulehnen, dass das Informationsfreiheitsgesetz stets Vorrang vor abweichenden spezialgesetzlichen Regelungen hat. Es ist nun einmal guter Brauch im Verwaltungsverfahrensrecht, dass die lex specialis vor die lex generalis geht, und dies sollte auch beim Informationsfreiheitsgesetz so bleiben. Des Weiteren ist die Forderung abzulehnen, dass die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes zu vereinheitlichen und zusammenzufassen seien. Diese Forderung ist, wie von mir schon erwähnt, voreilig. Meines Erachtens sollten wir zunächst einmal die im nächsten Jahr anstehende Evaluierung des Verbraucherinformationsgesetzes abwarten und uns dann im Lichte dieser Evaluation wirklich auch noch einmal Gedanken darüber machen, inwiefern ein Nachbesserungsbedarf beim Informationsfreiheitsgesetz besteht. Ich habe schon erwähnt, dass der Schutz geistigen Eigentums und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Deutschland hohe Güter und die Art. 12 und 14 des Grundgesetzes Kernbestandteile unserer freiheitlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung sind. Deswegen kann es meines Erachtens nicht angehen, dass dieses hohe Gut der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dadurch ausgehöhlt wird, dass in größerem Maße darauf zugegriffen werden kann. Des Weiteren besteht kein Nachbesserungsbedarf dahin gehend, dass Bürgerinnen und Bürger, wie gesagt, ohne Geltendmachung jeglichen persönlichen Interesses von unseren Nachrichtendiensten Informationen abgreifen können. Nachrichtendienste heißen auch deshalb Geheimdienste, weil sie geheim vorgehen. Ich denke, wir haben im Bundestag gute Erfahrungen mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium gemacht. An dieser Stelle wird zwar - um das klar zu sagen - insbesondere im Lichte der Erfahrungen des BND-Untersuchungsausschusses nachgebessert werden müssen, aber im Parlamentarischen Kontrollgremium sind diese Angelegenheiten gut aufgehoben. Es geht nicht an, dass jedermann in Deutschland erfahren darf, was unsere Nachrichtendienste im Inland und Ausland machen und wo sie tätig sind. ({7}) Insgesamt werfen Sie mit Ihren Anträgen Nebelkerzen. Wie gesagt, wir sollten uns erst einmal im Lichte der Evaluierung des Verbraucherinformationsgesetzes

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege.

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- im nächsten Jahr damit befassen, wie wir die Informationsrechte insgesamt auf neue Beine stellen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie hatten neun Minuten Redezeit. ({0})

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. - Davon abgesehen sind die Anträge jetzt im federführenden Innenausschuss intensiv zu beraten. Ich darf aber an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir diesen Anträgen nicht zustimmen werden. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kollegen Hartfrid Wolff. ({0})

Hartfrid Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003866, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Charmantes Präsidium! ({0}) - Das kannst du doch wohl kaum verneinen, oder? ({1}) Das Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes feierte zum Jahreswechsel sein dreijähriges Jubiläum. Auch wenn das Gesetz damit erst das Kindergartenalter erreicht hat, sollte man doch annehmen dürfen, dass sich mit zunehmender Geltungsdauer auch die Zahl der Auskunftsersuchen signifikant erhöht hat. Diese Erwartungshaltung teilte jedenfalls auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in seinen Tätigkeitsberichten für die Jahre 2006 und 2007. Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache. Die Zahl der gestellten Anträge ist sogar rückläufig. So gingen im ersten Halbjahr des Jahres 2008 gerade einmal 987 Auskunftsersuchen bei den Behörden des Bundes ein. ({2}) Gemessen an der Gesamtbevölkerungszahl ist das ein Anteil von 0,0012 Prozent. Lieber Herr Kollege Mayer, von einer unverhältnismäßigen Belastung durch das Informationsfreiheitsgesetz kann mithin keine Rede sein. ({3}) Man kann es den Bürgern auch nicht verdenken, dass nicht mehr Anträge auf Auskunft gestellt worden sind. Die Bürger müssen sich doch veräppelt vorkommen, wenn ihre Auskunftsersuchen regelmäßig mehr oder weniger pauschal und ohne konkrete Begründung abgelehnt werden. Dieses Phänomen ist ausweislich des bereits genannten Tätigkeitsberichts insbesondere bei Auskunftsersuchen in Bezug auf Verträge mit der öffentlichen Hand zu beobachten. Diese Verträge nehmen immer mehr Raum in einem grundsätzlich vernünftigen und konstruktiven Verwaltungshandeln ein. Umso wichtiger ist es aber, dann auch die notwendige Transparenz zu schaffen, weshalb Pauschalbegründungen bei der Ablehnung nicht helfen. Im Gegenteil: Ausgangspunkt jeder Abwägung muss sein, dass grundsätzlich ein Auskunftsanspruch der Bürgerinnen und Bürger besteht. Das steht im Übrigen auch so im Gesetz. Allein dann, wenn die Voraussetzungen der insoweit eng auszulegenden Ausnahmetatbestände vorliegen, ist das Zurückweisen eines Auskunftsersuchens gerechtfertigt. Die derzeitige Praxis im Umgang mit Auskunftsersuchen führt jedoch nicht selten dazu, dass dieses RegelAusnahme-Verhältnis zulasten des Bürgers gekippt wird. Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ist völlig klar, dass die unausgegorene Regelung des § 6 Satz 2 IFG nicht die einzige Baustelle im Informationsfreiheitsgesetz ist, die dringend angegangen werden muss. Als zweiten Punkt haben wir in unserem Antrag die in weiten Teilen mangelhaft ausgestaltete Zusammenarbeit mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit angemahnt. Um uns das noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: § 24 Abs. 4 des Bundesdatenschutzgesetzes normiert in Verbindung mit dem IFG die Pflicht, den Bundesbeauftragten zu unterstützen und auf Fragen Auskünfte zu erteilen. Wer sich aber mit dem Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten etwas genauer befasst, gewinnt leider nur allzu schnell den Eindruck, dass Auskunftsersuchen der Bürger allenfalls als lästiges Beiwerk zum Tagesgeschehen angesehen werden. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ ist schon eine der Maximen, die eine Demokratie kennzeichnet. Insofern kann auch dann, wenn der Souverän kontrollieren will, keine Pauschalabweisung erfolgen. ({4}) Es kann nicht angehen, dass man Auskunftsersuchen schlicht unter Verweis auf die gängige Verwaltungspraxis ablehnt. Dass etwas ständige Übung ist, heißt noch lange nicht, dass es nach Recht und Gesetz erfolgt. Auf Seite 10 des besagten Tätigkeitsberichtes spricht der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom „langen Weg zur Informationsfreiheit“. Augenscheinlich ist dieser Weg noch längst nicht zu Ende beschritten. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen, was in den Behörden vor sich geht. Das ist aus unserer Sicht auch gut so. ({5}) Hartfrid Wolff ({6}) Übrigens hat die Union bei der Erarbeitung des Informationsfreiheitsgesetzes durchaus mitgewirkt, Kollege Grindel. ({7}) Die Forderungen nach mehr direkter Demokratie im Grundgesetz korrespondieren dabei mit dem Informationsanspruch. Das Informationsfreiheitsgesetz bietet eine gute Möglichkeit, dem einzelnen Bürger staatliches Handeln näherzubringen und dadurch mehr Eigenverantwortung und Partizipation zu gewinnen. Gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen in diesem Jahr wäre dies ein Zeichen, ein Signal an den Bürger, dass er die Geschicke in der Hand hält. Wir brauchen mehr Werbung für das Informationsfreiheitsgesetz und eine verlässliche Richtschnur für den Bürger, die deutlich macht, ob seine Auskunftsersuchen Aussicht auf Erfolg haben. Der Antrag der FDP trägt dieser Zielsetzung nach klaren und transparenten Regelungen Rechnung. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Vielen Dank. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Bürsch, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe nach zwölf Jahren als Mitglied des Parlaments gelernt, dass ich keine Zwischenfrage stellen darf, wenn ich später noch rede. Daher schließe ich das, was ich fragen wollte, in meine Rede ein. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede von Herrn Mayer bin ich geneigt, meiner Rede einen kleinen Teil für Fort- und Weiterbildung voranzustellen. ({0}) Deutschland war im Jahr 2005 eines von drei oder vier „fortschrittlichen“ Industrieländern - darunter Länder wie Malta und Andorra -, die kein Informationsfreiheitsgesetz hatten. Schweden hat ein solches Gesetz schon seit rund 200 Jahren. Die USA kennen solche Regelungen seit 100 Jahren. In diesen Ländern gilt - genauso wie bei uns nun - der Grundsatz: Jedermann hat Anspruch auf Auskunft aus der Verwaltung, und zwar nicht nur wenn er ein berechtigtes Interesse hat. ({1}) Wenn Sie Lust haben und es wirklich wissen wollen, empfehle ich Ihnen, die Gesetzesbegründung nachzulesen. Ich mache es kurz und verweise auf das, was für Sie die Erhellung des Tages sein kann. ({2}) Es ist wirklich ein Paradigmenwechsel eingeleitet worden. Ich möchte Sie gerne im 21. Jahrhundert willkommen heißen. Die Begründung heißt nämlich, Herr Kollege: Der Zugang zu Informationen und die Transparenz behördlicher Entscheidungen sind eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. ({3}) Das gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates heute mehr denn je. Eine lebendige Demokratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen. Das heißt, es gibt einen Paradigmenwechsel, einen Übergang vom Obrigkeitsstaat zum Bürgerstaat, von der abgeschotteten Verwaltung, der Blackbox des 19. Jahrhunderts, zu einer offenen Verwaltung im 21. Jahrhundert, um Bürgerrechte wahrzunehmen; das wollen wir. ({4}) Ich beende meinen Informationsteil und lege Ihnen ans Herz: Machen Sie sich ein bisschen kundig, bevor Sie in der rückständigen Art und Weise von 1998 über dieses Gesetz reden. Ich mache drei Bemerkungen. Es gibt erste Erfolge. Das merkt auch Herr Schaar in Gesprächen wohlmeinend kritisch an. Es gibt deutlich mehr Licht in den Amtsstuben. Wir wollen mit diesem Gesetz keine Zwangsbeglückung der Verwaltung erreichen. Vielmehr wollen Bürger wie Verwaltung auf der Grundlage dieses Gesetzes eine neue, transparente Form des Umgangs miteinander finden. Wie gesagt, hier gibt es erste Erfolge. Dafür sprechen bestimmte Anfragen. - Frau Präsidentin, ich sehe, dass sich der Kollege Tauss, der an der Erarbeitung des Gesetzes namhaft mitgearbeitet hat, zu einer Zwischenfrage meldet. Ist es möglich, seine Zwischenfrage zuzulassen?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss, Herr Kollege Bürsch?

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

So viel Zeit muss sein.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Bürsch, ich würde es in der Tat bedauern, wenn Sie den Aufklärungsteil etwas zu früh beenden würden; denn es scheint doch hoher Aufklärungsbedarf zu bestehen. ({0}) - Regen Sie sich doch nicht gleich wieder auf, lieber Koalitionspartner. - Deswegen stelle ich als Bürger, dessen Antrag auf Akteneinsicht - es ging um den Mautvertrag, der 17 000 Seiten umfasst - abgelehnt worden ist, meine Frage. Würden Sie es wirklich für unzumutbar halten, dass ein Bürger und Abgeordneter des Deutschen Bun24242 destages in einen derart öffentlich diskutierten Vertrag von 17 000 Seiten Einblick erhält? Halten Sie unter diesem Gesichtspunkt die Befürchtung der Union, dass die Verwaltung durch den Einblick von Abgeordneten in Verträge der öffentlichen Hand zu sehr beeinträchtigt wird und das Wohl des Staates auf dem Spiel steht, für gerechtfertigt?

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin der Meinung, dass es genug Abwägungsgründe in den §§ 1 bis 6 des Gesetzes gibt, in denen von den Geheimnissen der Verwaltung bis hin zu Betriebsund Geschäftsgeheimnissen alle Kriterien genannt sind, unter denen Informationen aus der Verwaltung zurückgehalten werden können. Aber die Maut und deren Begleitumstände waren für mich im Prinzip ein Vorgang von öffentlichem Interesse und insofern ein Paradebeispiel dafür, dass Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, zu sehen und nachzuvollziehen, was da passiert. Die Barriere liegt in dem, was im Gesetz angelegt ist. Ich kann noch einen anderen Fall nennen, den auch der Datenschutzbeauftragte genannt hat. So ist die Auskunft über die Empfänger von EU-Agrarsubventionen mit Verweis auf das allgemeine Betriebs- und Geschäftsgeheimnis verweigert worden. ({0}) Das ist ein vergleichbarer Fall. Es gibt kein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung dieser Angaben. Weder gibt es einen Wettbewerb um Subventionen, noch droht den Subventionsempfängern ein Imageverlust. Solche Fälle gibt es in der Tat. In dieser Hinsicht bin ich bei dem Kollegen Tauss. Es bedarf offenbar noch - auf diesen Punkt wollte ich noch kommen - einer entsprechenden Umsetzung dieses Gesetzes. Es hat nur 15 Paragrafen, aber die sind offenbar nicht ganz einfach anzuwenden. - Vielen Dank für die Frage. ({1}) Ich habe gesagt, dass es erste Erfolge und mehr Licht in den Amtsstuben gibt. Darauf ruhen wir uns nicht aus. Der Weg ist richtig, und diesen Weg müssen wir weitergehen. Zweitens. Es gibt aber auch berechtigte Kritik. Die habe ich eben schon nennen können. So wird zum Teil auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwiesen, wenn die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Information anmeldet. Das gilt jetzt in der Krise auch für den großen Bereich der Finanzinstitute. Es gibt Bestrebungen von eingeweihten Kreisen, Informationen zu verweigern. Es hat auch einen Antrag aus Bayern gegeben, das Informationsfreiheitsgesetz zu verändern. Dem ist aber nicht stattgegeben worden. ({2}) An dieser Stelle einen neuen Ausschließungsgrund einzuführen, hat hier im Hause keine Mehrheit gefunden. Es gibt auch zum Beispiel - das hat der Datenschutzbeauftragte zu Recht kritisiert - eine Reihe von Anträgen, die wegen „unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes“ abgelehnt worden sind. Einen solchen Ablehnungsgrund gibt es im Gesetz nicht. Man kann im Rahmen der Gebührenerhebung darauf eingehen. Wenn man einen geringen Aufwand hat, dann werden gar keine Gebühren erhoben, und wenn man einen großen oder größeren Aufwand hat, können entsprechende Gebühren verlangt werden. Das aber ist kein Ablehnungsgrund. Ich halte es für ausgesprochen sinnvoll, genauer hinzuschauen und den Monita des Datenschutzbeauftragten nachzugehen. Drittens. Ich komme zu den Zukunftsperspektiven. Weil ich ein Freund und Förderer von Evaluierung und seriöser Bewertung bin, schließe ich mich Ihnen an, Herr Mayer. Ich würde in der Tat gerne eine mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmte Evaluierung des Gesetzes abwarten. Ich bin vor allem in einer Hinsicht vorsichtig. Das richte ich an die Adresse der FDP und der Grünen. Natürlich ist das Gesetz ein Kompromiss. Wir haben bei den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen keine Abwägungsformel ins Gesetz geschrieben. Das heißt, wir haben nicht gesagt, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nur schützenswert sind, wenn das Interesse des Einzelnen gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit überwiegt. Wir haben formuliert, dass die Entscheidung des Einzelnen genügt. Das Ganze war aber aus meiner und aus SPD-Sicht damals ein Kompromiss, um vertrauensbildend zu wirken; denn ich halte nichts von einem Gesetz, das die Verwaltung auf einen anderen Dampfer bringt, das einen Paradigmenwechsel bringt, das von der Verwaltung als ausgesprochen störend und lästig empfunden wird und das zu einer Verweigerungshaltung führt. ({3}) - Frau Kollegin Silke Stokar, dahinter steht meine Überlegung, dass das auch mit Psychologie zu tun hat. Wir sind mit dem Gesetz also auf einige Vorbehalte, einiges großes Misstrauen und einige Befürchtungen eingegangen und haben gesagt: Wir gehen einmal den Schritt in Richtung Informationsfreiheit bis zu diesem Punkt und lassen darüber hinaus durchaus noch etwas für künftige Erweiterungen und Entwicklungen offen. Meine Idealvorstellung ist, dass die Verwaltung jedenfalls konstatiert - wir werden sie nicht an der Spitze der Bewegung haben -: Das ist ein richtiges Gesetz; auch wir halten die Informationsfreiheit für etwas, was ins 21. Jahrhundert gehört, wir sind dabei und verhindern es nicht. Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke. ({0})

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anträge, die zur heutigen Sitzung von den Grünen und von der FDP zur Ausweitung und Verbesserung der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes vorgelegt wurden, wird die Linksfraktion unterstützen. ({0}) Mit diesem Informationsfreiheitsgesetz - hier wurde schon gesagt, dass es in anderen Ländern längst existiert ist unserer Meinung nach ein wichtiger Schritt getan worden, um mehr Transparenz in Behördenhandeln hineinzubringen. Der geltende Grundsatz, dass behördliche Vorgänge grundsätzlich nicht öffentlich sind, wurde in diesem Gesetz umgekehrt. Das halten wir für richtig. ({1}) Herr Mayer, die begründeten Ausnahmen wie die, dass Auskunft in Bezug auf den Ministerkalender verweigert werden darf, müssen meines Erachtens tatsächlich genau belegt werden; so weit zumindest die Theorie. ({2}) In der Praxis beobachten auch wir, dass sich die Behörden weiterhin gegen dieses Informationsbegehren der Bürgerinnen und Bürger abschotten. Immer mehr Menschen machen die Erfahrung, dass die Behörden ihnen die beantragte Auskunft verweigern, konkret in über einem Drittel der Fälle. Da werden Informationen als Verschlusssache eingestuft, da werden ganze Bereiche staatlichen Handelns komplett und pauschal von dem Gesetz ausgenommen, und da werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorgeschoben. Wer sich als Bürger oder als Journalist um die Aufklärung eines Bauskandals bemühen will, stößt allzu oft auf geschlossene Aktenschränke, weil angeblich die Rechte von Dritten verletzt werden. Dafür ein Beispiel: In meinem Büro hat sich voriges Jahr ein Student gemeldet, der vom Bundeskriminalamt die Lagebilder zur Korruptionsbekämpfung haben wollte. Sie sind ihm verweigert worden, weil sie angeblich Rückschlüsse auf die Polizeitaktik zuließen. Interessanterweise hat das BKA diese Details aber bisher auf seiner Homepage veröffentlicht. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum jetzt plötzlich dieses im Wesentlichen statistische Material diesem Menschen nicht mehr zugänglich gemacht werden soll. Dieses Beispiel zeigt zweierlei: Die Begründungen für die Auskunftsverweigerung sind für die Bürgerinnen und Bürger in der Regel kaum nachvollziehbar. Zudem ist der Sinn des Gesetzes bei den Behörden noch nicht angekommen. Sie versuchen sich weiterhin geheimniskrämerisch zu betätigen. Bürgerinnen und Bürger, die Akten einsehen und Informationen haben wollen, werden als lästige Störenfriede behandelt, die eine Gefahr für die jahrzehntelang geübte Behördenroutine darstellen. Meine Damen und Herren, man muss sich noch aus einem anderen Grund fragen, ob das Gesetz seinen Namen überhaupt verdient: Die Informationen sind frei, aber sie können teuer sein. Die staatlich veranschlagte Gebührentabelle für die Informationserteilung reicht bis zu vierstelligen Beträgen. Aus Sicht der Fraktion Die Linke reichten niedrige Schutzgebühren völlig aus, um einer etwaigen Missbrauchsgefahr vorzubeugen. ({3}) Es ist also einiges zu tun, um Transparenz und öffentliche Kontrolle von Behördenhandeln in der Bundesrepublik zu verbessern. Eine Rückkehr zur obrigkeitsstaatlichen Geheimniskrämerei muss auf jeden Fall verhindert werden. Daher begrüßen wir die vorliegenden Anträge. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion. ({0})

Elvira Drobinski-Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003705, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum ich als Verbraucherpolitikerin hier in Ihrer illustren Runde spreche, ({0}) aber dies ist ganz einfach erklärt: Ich möchte mich später auf das Verbraucherinformationsgesetz beziehen, denn auch wir fordern Transparenz und Informationszugangsrechte, die einfach vorhanden sein müssen, und zwar nicht nur, um die demokratische Kontrolle der Behörden sicherzustellen, sondern auch, weil sie dabei helfen, etwa Korruption einzudämmen. ({1}) Sie sind auch Voraussetzung dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher selbstbestimmt am Markt teilnehmen können. Ohne ausreichende Informationen nämlich haben die Verbraucherinnen und Verbraucher keine Möglichkeit - meist jedenfalls nicht -, Qualität zu erkennen und die besten Angebote auszuwählen, vom nachhaltigen Konsum ganz zu schweigen. Ein möglichst weitgehender Zugang zu Informationen ist deshalb elementar für das Funktionieren unserer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. ({2}) Wir haben deshalb im Bereich von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen das Verbraucherinformationsgesetz geschaffen; das ist schon vorher kurz angeklungen. Verbraucher wollen nämlich nicht nur wissen, ob Lebensmittel sicher sind, sondern auch, ob Kinderspielplätze sicher sind, ob das GS-Zeichen für geprüfte Produktsicherheit durch Anbieter missbraucht wurde oder ob die Behörden Tricksereien bei der Preisangabe im Bereich der Finanzdienstleistungen aufdecken konnten. Ein Zugang zu den entsprechenden Untersuchungsergebnissen ist deshalb unbedingt notwendig. Hier sind die Verbraucher bisher auf die allgemeinen Akteneinsichts24244 rechte in den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder angewiesen. Am 21. April 2009 hat die SPD-Fraktion in einem Positionspapier zum Verbraucherinformationsgesetz beschlossen, dass die speziellen Informationsrechte im VIG ausgeweitet und verbessert werden sollen. Darüber hinaus streben wir an, dass die Informationsrechte im Informationsfreiheitsgesetz, Umweltinformationsgesetz und Verbraucherinformationsgesetz in einem konsistenten Rahmen zusammengeführt werden. Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum ich hier das Wort ergreife. In ihrem Antrag geriert sich die FDP als Bürgerrechtspartei. Aus den Diskussionen über das Verbraucherinformationsgesetz kennen wir die FDP aber ganz anders, und darauf möchte ich aufmerksam machen. ({3}) Bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschussverfahren im Jahr 2005 hat die FDP bis zuletzt versucht, über die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat ein Akteneinsichtsrecht zu verhindern. ({4}) Unternehmensinteressen waren wichtiger als Transparenz und Verbraucherrechte. ({5}) Gleichzeitig wurde versucht, das Akteneinsichtsrecht zu verwässern und zusätzliche Ausschluss- und Beschränkungsgründe in das Gesetz hineinzuverhandeln. Wenn ich jetzt im FDP-Antrag lese, es müsse präzisiert werden, wann Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorlägen, dann geht mir der Hut hoch. ({6}) Damals hat die FDP dafür gesorgt, dass neben Betriebsund Geschäftsgeheimnissen auch sonstige wettbewerbsrelevante Informationen vom Informationsrecht der Verbraucher ausgeschlossen werden. Das ist doch wohl kaum ein präziser Begriff. Wir haben dann im Gesetzeswortlaut durchgesetzt, dass Informationen über Rechtsverstöße keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sein können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin!

Elvira Drobinski-Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003705, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Sie werden sicherlich verstehen, dass wir Ihrem Antrag aus diesen Gründen nicht zustimmen werden. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Über- weisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/10880 und 16/8893 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos- sen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2007 - Vorlage der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes - ({1}) - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes ({2}) - Drucksachen 16/8834, 16/11000, 16/12907 Berichterstattung: Abgeordneter Bernhard Brinkmann ({3}) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2008 - Einzelplan 20 - Drucksachen 16/12091, 16/12906 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Petra Merkel ({5}) Dr. Claudia Winterstein Michael Leutert Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Steffen Kampeter, CDU/CSU, Bernhard Brinkmann, SPD, Dr. Claudia Winterstein, FDP, Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke, Alexander Bonde, Bündnis 90/Die Grünen.1) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Haus- haltsausschusses auf Drucksache 16/12907. 1) Anlage 45 Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt der Haushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung für das Haushaltsjahr 2007 vor, Drucksachen 16/8834 und 16/11000. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschluss- empfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke angenommen. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufor- dern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der Bundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haushalts- ausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungs- hofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entschei- dungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen und c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, damit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 16/12906 zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes „Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2008 - Einzelplan 20 -“, Drucksache 16/12091. Wer stimmt für Nr. 1 der Beschlussempfehlung, Feststellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlussempfehlung, Erteilung der Entlastung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist ebenfalls mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Daniel Bahr ({6}), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Lebendspenden bei der Transplantation von Organen erleichtern - Drucksache 16/9806 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit ({7}) Rechtsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Michael Kauch, FDP-Fraktion. ({8})

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch immer herrscht in Deutschland ein Mangel an Spenderorganen. 2008 ging die Zahl der Organtransplantationen sogar um etwa 9 Prozent zurück. Etwa 12 000 Menschen stehen auf den Wartelisten, davon warten allein 8 000 auf eine Niere. Viele versterben in dieser Zeit oder leiden über viele Jahre mit den Einschränkungen durch die Dialyse. Es sind deshalb alle Anstrengungen zu unternehmen, zunächst einmal die postmortale Spende, also die Spende von Organen Verstorbener, voranzubringen. ({0}) Dazu müssen wir die Spendenbereitschaft erhöhen. Dazu müssten wir es auch schaffen, dass in den Krankenhäusern tatsächlich die Organe, die potenziell vorhanden sind, auch entsprechend transplantiert werden. Dazu sind organisatorische, aber eben auch personelle Voraussetzungen in den Krankenhäusern zu schaffen. Wir sollten auch - das dürfen wir nicht vergessen keine falschen Anreize geben, eine Organspende nicht zu machen. So haben wir als FDP beispielsweise kritisiert, dass das Gewebegesetz, das die schwarz-rote Koalition verabschiedet hat, kommerzielle Anreize für die Gewebespende setzt. Wenn es einen kommerziellen Anreiz für die Gewebespende, aber nicht für die Organspende gibt, dann wird möglicherweise der falsche Anreiz gesetzt, die Möglichkeiten zur Organspende im Krankenhaus nicht ausreichend wahrzunehmen. Es steht zu befürchten, dass der Rückgang der Zahlen mit dem Inkrafttreten des Gewebegesetzes einhergeht. Wir werden genau beobachten müssen, ob sich eine solche Entwicklung in den Zahlen der postmortalen Spenden widerspiegelt. All dies entbindet uns allerdings nicht von der Verpflichtung, über Verbesserungsmöglichkeiten bei der Lebendspende von Organen nachzudenken. Während die meisten Organe nur nach dem Tod gespendet werden können, ist es bei Leber und Niere medizinisch möglich, auch unter Lebenden zu spenden. Doch das derzeitige Transplantationsgesetz setzt dem Helfen enge Grenzen. So dürfen nur Verwandte und enge Freunde einem Todkranken ein Organ spenden. Die FDP-Bundestagsfraktion will das Transplantationsgesetz im Bereich der Lebendspenden von unnötigen Vorschriften befreien. Um es ganz klar zu sagen: Der Organhandel soll und muss weiter unter Strafe stehen und verfolgt werden. Aber wir wollen mehr Freiheit zum Helfen geben. Nächstenliebe darf eben nicht weiter unter Strafe stehen. ({1}) Mit unserem Antrag wollen wir den Kreis der zulässigen Spender erweitern. So sollen zum Beispiel Ehepaare mit Blutgruppenunverträglichkeit über Kreuz dem anderen Ehepartner eines Schicksalsgenossen spenden dürfen. Heute müssen sie sich kennenlernen und dadurch ein Näheverhältnis entwickeln. Erst dann wird die Transplantation genehmigt. Dieses Näheverhältnis ist eine Fiktion, die gemacht wird, weil das Transplantationsgesetz es so bestimmt, und nicht, weil die Lebensrealität dieser Menschen so ist. Man wird bei einem Ehepaar, das eine Blutgruppenunverträglichkeit hat und das spenden will, nicht ernsthaft sagen können, dass hier die Gefahr eines Organhandels besteht. Diesem Punkt können wahrscheinlich auch andere Fraktionen beitreten. Die Enquete-Kommission hat bereits in ihrer Arbeit deutlich gemacht, dass es auch unter den Experten unterschiedliche Haltungen gibt, auch solche, die es generell befürworten. Außerdem will die FDP die Nachrangigkeit der Lebendspende gegenüber der postmortalen Spende aufheben. Heute ist es selbst dann verboten, ein Organ von einem lebenden Spender zu nehmen, wenn es die beste Therapie wäre. Organe von Lebenden haben bessere Funktionsraten als die Organe von Toten. Selbst wenn ich heute einen Lebendspender habe, wenn beispielsweise mein Ehegatte oder ein enger Freund sagt, ich spende dir meine Niere, damit du eine optimale Therapie bekommst, ist es verboten, wenn es ein Organ eines Toten gibt, ein Organ eines Toten, das man einem anderen Menschen auf der Warteliste transplantieren könnte. Das ist nicht sinnvoll. Selbst die Bundesregierung hat in ihren Teilbericht, den sie dem Deutschen Bundestag jetzt vorgelegt hat, einen Prüfauftrag hineingeschrieben. Also selbst im Ministerium scheint man hier langsam ins Grübeln zu kommen. Wir sagen: Nicht prüfen, sondern handeln! Deshalb müssen wir die Nachrangigkeit der Lebendspenden aus dem Transplantationsgesetz streichen. ({2}) In anderen Bereichen geht unser Gesetzentwurf über die genannten Punkte hinaus, auch wenn es Fallgruppen sind, die keine großen Entwicklungen haben werden. Ich nenne ein Beispiel: Die anonyme Lebendspende in einen Pool, die in den USA zulässig ist, generiert in einem so großen Land wie den USA vielleicht 40 Spenden pro Jahr. Es geht also an den anderen Stellen neben den gerade genannten nicht so sehr darum, dass wir große Fallzahlen erreichen. Es geht uns darum, dass ein gerettetes Leben es schon wert ist, über dieses Transplantationsgesetz nachzudenken. Wenn wir mit einer Lockerung ein Leben retten können, dann sollte dieses Parlament darüber nachdenken, es zu tun. ({3}) Selbst wenn man nicht so weit gehen will, beispielsweise die anonyme Spende in einen Pool zuzulassen, ist Helfen kein strafwertes Unrecht. Deshalb meinen wir, dass Übertretungen durch den Arzt, die gegen das Transplantationsgesetz verstoßen, als Ordnungswidrigkeit ausreichend geahndet wären. Es ist kein strafwertes Unrecht. Man muss hier nicht mit Gefängnis drohen. Schließlich müssen wir die Versicherungssituation der Lebendspender verbessern. Es kann nicht sein, dass beispielsweise Streitigkeiten zwischen einer privaten Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung auf dem Rücken des Patienten ausgetragen werden, der nur seinem Nächsten helfen will. Da müssen wir wirklich in der nächsten Wahlperiode Verbesserungen im Versicherungsrecht schaffen. ({4}) Damit wir es mehr Menschen ermöglichen können, zu helfen, stimmen Sie in den bevorstehenden Ausschussberatungen unserem Antrag zu, sodass das Transplantationsgesetz im Sinne der Lebendspende gelockert wird. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Julia Klöckner, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher auf den Tribünen! Ich weiß nicht, wer einen ausgefüllten Organspendeausweis im Portemonnaie hat. Einige von Ihnen haben ihn sicherlich. Ich habe diesen Ausweis seit vielen Jahren. Wir stellen fest, dass die grundsätzliche Zustimmung zur Organspende vorliegt. Das Gesetz ist ja 1997 unter Horst Seehofer verabschiedet worden. Es gab eine sehr intensive Debatte. Beispielsweise ist über die Definition des Todes diskutiert worden, Hirntod, Herztod? Ist der Hirntod der Zeitpunkt, zu dem man Organe entnehmen kann? Um diese Frage geht es heute nicht. Heute geht es darum, ob dieses Gesetz akzeptiert ist, ob die Bevölkerung einer Organtransplantation gegenüber aufgeschlossen ist. Ich denke, das ist sie. Umfragen ergeben, dass etwa 80 Prozent - ich weiß nicht, wie valide diese Studien sind - der Befragten es gutheißen, dass Leben durch die Spende von Organen gerettet werden können - postmortal, aber auch durch Lebendspenden. Erschreckend ist allerdings, dass nur etwa 12 Prozent einen Organspendeausweis ausgefüllt haben. Es gibt also eine sehr große Lücke zwischen der grundsätzlichen Zustimmung und der Bereitschaft, diese Zustimmung durch einen Organspendeausweis zu deklarieren. Wir haben ja hier die Zustimmungslösung und nicht die Widerspruchslösung, bei der schon derjenige als Organspender infrage kommt, der nicht widerspricht. Sehr verehrter Kollege Kauch, ich stimme Ihnen in Ihrer Analyse zu, dass sehr viele Menschen auf der Warteliste stehen, deren Uhr tickt. Ich selbst habe Bekannte, die Dialysepatienten sind, und weiß, dass nicht nur die Betroffenen selbst durch den Krankheitsverlauf und die ständige Dialyse beeinträchtigt sind, sondern auch die Menschen in ihrer Umgebung, Verwandte und die engsten Freunde. Ich weiß von einem Dialysepatienten, dass er sehr oft durstig ist, aber aufgrund der Dialyse nicht viel trinken darf. Es ist klar, dass wir den Menschen helfen müssen. Eine Organspende kann Leben retten. Es geht um die Bereitschaft von Menschen, auch noch nach ihrem Tod barmherzig und solidarisch zu sein. Ich bin Anhängerin des Subsidiaritätsprinzips der postmortalen Organspende. Ich stimme allerdings mit Ihnen, Herr Kauch, nicht darin überein, dass wir, weil es nicht genügend postmortale Organspenden gibt, die Lebendspende ausweiten müssen. In diesem Punkt habe ich schon damals nicht mit Ihnen übereingestimmt, als wir zusammen in der Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“ waren. Aktuell sind Lebendspenden möglich. Schwierig ist immer die Frage, ob die Blutgruppen zueinander passen, ob sie kompatibel sind, zum Beispiel bei Partnern, Geschwistern oder unter anderen Familienangehörigen. Ich halte aber ein besonderes Näheverhältnis für eine notwendige Voraussetzung für eine Lebendspende. Denn hier geht es nicht um eine anonyme Blutspende, nach der sich neues Blut bildet, sondern hier geht es um einen ernsthaften körperlichen Eingriff. Dem Menschen, der ein Organ gespendet hat und nun ein Patient ist, geht es nach einer solchen Operation bestenfalls so gut wie vorher. Beide Beteiligten, sowohl der Spender als auch derjenige, der ein Transplantat erhält, sind aufgefordert, auch nach der Transplantation weiter mitzuarbeiten und sich der ärztlichen Betreuung und Versorgung zu unterziehen. Der Organspender hat durchaus auch ein vitales Interesse daran, dass derjenige, der das Organ erhalten hat, seine Medikamente nimmt, Immunsuppressiva etc. Ich habe sehr große Bauchschmerzen - das ist der Hauptgrund, warum ich Ihren Antrag ablehne - angesichts des sogenannten Pooling, was bedeutet, dass Organspender Organe anonym in einen sogenannten Pool geben können. Wenn jemand, der zum Beispiel eine Niere benötigt, keinen geeigneten Spender in seiner Umgebung hat, muss er nur eine ihm nahestehende Person ansprechen, eine Niere in diesen Pool zu geben, um seine Chance zu erhöhen, von jemand anderem eine Niere zu bekommen. ({0}) Das halte ich für sehr problematisch, weil auf diese Weise in einer engen Beziehung keine Freiwilligkeit mehr gegeben ist. Wer kann sich dem Leid eines Angehörigen entziehen, wenn dieser bittet, eine Niere in einen Pool zu geben, damit er seine Chance erhöht, selber eine zu bekommen? Ich finde, dadurch ist das Selbstbestimmungsrecht sehr eingeschränkt, und das setzt Menschen unter einen Druck, der bei einer solchen schwerwiegenden Entscheidung nicht sein darf. ({1}) Wir von der CDU/CSU wollen, dass das Thema Organspende im öffentlichen Bewusstsein bleibt. Wir wollen weiter aufklären. Deshalb hat unsere Fraktion 2008 ein Symposium mit dem Titel „Organspende: Ja zum Leben“ veranstaltet. Viele unserer Mitglieder haben bereits einen Organspendeausweis. Ich nenne stellvertretend Volker Kauder und Angela Merkel. Wann immer wir über dieses Thema reden, wird auch die Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Bei den „Jungen Helden“ handelt es sich um Jugendliche, die schon ein Organ gespendet bekamen oder noch auf ein Spenderorgan warten. Sie wollen aber, dass wir andere nicht unter Druck setzen, ein Organ zu spenden. Es geht darum, das vorhandene Potenzial zu heben. Wir müssen in diesem Zusammenhang an die Krankenhäuser und die Krankenkassen appellieren, die bei der Gemeinschaftsaufgabe Transplantationsmedizin gefordert sind. Meine Krankenkasse möchte sehr viele Daten von mir erfahren. Aber ich wurde noch nie gefragt, ob ich Organspenderin sein möchte. Viele, die im Krankenhaus tätig sind, haben Berührungsängste, wenn es um dieses Thema geht. Es ist natürlich eine Schocksituation, wenn man erfährt, dass ein Angehöriger hirntot ist. Dies ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, eine Zustimmung für eine Organspende zu bekommen. Wir müssen daher das ganze Jahr in regelmäßigen Abständen über dieses Thema aufklären. Ich hätte mir gewünscht, dass die Arbeit der sogenannten Streetworker fortgesetzt wird. Die CDU/CSUBundestagsfraktion möchte, dass in den Schulen mehr informiert wird und dass diejenigen in die Pflicht genommen werden, die sozusagen an der Front stehen. Es geht natürlich nicht an, dass Krankenhäuser die Kosten, die ein Hirntoter, der auf der Intensivstation untergebracht ist, verursacht, nicht erstattet bekommen. Es handelt sich um eine sehr diffizile Angelegenheit. Die Lebendspende auszuweiten, ist sicherlich die falsche Antwort. Ich habe Sorge vor einer Kommerzialisierung der Lebendspende. ({2}) Es besteht nämlich die Gefahr, dass Geld gezahlt wird oder Versprechungen - vielleicht auch beruflicher Art gemacht werden und dass wir die Tür, die wir heute einen Spalt öffnen, nicht mehr schließen können. Deshalb lehnen wir die Ausweitung der Lebendspende ab und wollen sie auf das spezielle Näheverhältnis beschränken. Wir setzen weiterhin auf Aufklärung und Sensibilisierung. Denjenigen, die auf ein Organ warten, sprechen wir unsere Solidarität aus. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Kollegen Dr. Martina Bunge, Fraktion Die Linke, Peter Friedrich, SPD-Fraktion, und Elisabeth Scharfen- berg, Bündnis 90/Die Grünen, haben ihre Reden zu Pro- tokoll gegeben.1) Deshalb schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/9806 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Akkreditierungsstelle ({0}) - Drucksache 16/12983 - 1) Anlage 46 Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Überweisungsvorschlag: Ausschuss fürWirtschaft und Technologie ({1}) Ausschuss fürErnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss fürArbeit und Soziales Ausschuss für Gesundheit Ausschuss fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss fürBildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden der Kolleginnen und Kollegen Dr. Georg Nüßlein, CDU/CSU, Andrea Wicklein, SPD, Ernst Burgbacher, FDP, Dr. Herbert Schui, Die Linke, und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mitunter komme ich mir hier vor wie bei den alten Griechen. Besonders im Vorfeld der Einbringung des Gesetzes über die Akkreditierungsstelle haben sich inner-, aber auch zwischenparteilich wahre Tragödien und auch einige Komödien abgespielt. Mit dem Öffnen der Büchse der Pandora brach nach der griechischen Mythologie alles Schlechte, aber auch die Hoffnung über die Welt herein. Ähnliches ist uns mit der Umsetzung der europäischen Verordnung über die Anforderung an Akkreditierung und Marktüberwachung bei der Vermarktung von Produkten passiert. Diese Verordnung zwingt uns bis zum 1. Januar 2010, eine nationale Akkreditierungsstelle zu errichten. Die Büchse der Pandora war ein Geschenk von Zeus. Als sie geöffnet wurde, kam alles Schlechte über die Welt. Bevor jedoch auch elpis, griechisch für „Hoffnung“, aus der Büchse entweichen konnte, wurde sie wieder geschlossen. So wurde die Welt ein trostloser Ort, bis Pandora die Büchse erneut öffnete und so auch die Hoffnung in die Welt ließ. Wir haben die Büchse leider bisher nur einmal geöffnet. Die EU hat, indem Sie uns zwingt, das Thema Akkreditierungsstellen aufzugreifen und eine einheitliche Aufsicht für Prüflabore einzurichten, alte Ängste geschürt und an Kompetenzen gerüttelt. In Deutschland führen circa 4 000 Zertifizierungsstellen und Laboratorien - darunter Unternehmen wie der TÜV verschiedenste Prüfungen von Produkten und Dienstleistungen durch. Ihre Befähigung hierzu weisen sie in Akkreditierungsverfahren nach. Die Zuständigkeit für die Akkreditierung ist bisher auf über 20 verschiedene Einrichtungen verteilt. Neben Stellen des Bundes und der Länder sind auch private Akkreditierungsstellen vertreten. Genauso bunt wie die deutsche Zertifizierungslandschaft ist auch die Interessenlage bei ihrer Neuorganisation. Die EU möchte einheitliche Standards und einen einzigen nationalen Ansprechpartner. Gleichzeitig bestehen die privaten Akkreditierungsstellen - meiner Meinung nach zu Recht - auf der Berücksichtigung ihrer Interessen. Das Bundesgesundheitsministerium plädierte, besonders wegen Bedenken bei der Sicherheit von Medizinprodukten, dafür, eine Behörde zu schaffen. Einige Bundesländer sahen ihre Kompetenzen schwinden und beanspruchten, die Verantwortung für Akkreditierungen lieber selber zu tragen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis langer und zäher Verhandlungen zwischen den Ressorts und sieht vor, eine privatrechtliche Gesellschaft zu gründen, an der Bund, die Länder und die Wirtschaft jeweils zu einem Drittel beteiligt sind. Diese Gesellschaft soll mit ihrer Aufgabe beliehen werden und wie eine Behörde agieren können. Somit hätten wir eine Kapitalbeteiligung der öffentlichen Hand und zugleich eine Beleihung. Auf diesem Wege läßt sich durch den Staat noch umfassend Einfluss nehmen. In den Bereichen Gesundheit und Verbraucherschutz gibt es aber auch weiterhin erhebliche Bedenken gegenüber dem jetzt gefundenen Kompromiss. Meine Kollegen vom Wirtschaftsausschuss und ich sehen diesen Gesetzentwurf jedoch als eine Chance. Erstmals könnte es gelingen, diese Stellen unter einem Dach zu bündeln. Durch die Zusammenführung der unterschiedlichen Prüfungsund Zertifizierungsstellen könnten wir eine Vereinheitlichung der Standards, größere Effizienz und geringere Kosten im Akkreditierungsverfahren erreichen. Wir werden uns in den kommenden Wochen also intensiv mit der Prüfung des Für und Wider dieses Gesetzentwurfs beschäftigen. Allen Gegnern unseres Gesetzentwurfs möchte ich aber schon heute die aufmerksame Lektüre ans Herz legen. Dort heißt es in § 1 Abs. 2: Die in anderen Rechtsvorschriften geregelte Zuständigkeit von Behörden, Stellen die Befugnis zu erteilen, als Konformitätsbewertungsstelle zuständig zu werden, bleibt unberührt. Insbesondere gilt dies für die Bereiche Medizinprodukte, Gendiagnostika, Sicherheitstechnik sowie Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einschließlich Lebensmittelsicherheit. Wir geben den vorhandenen Strukturen lediglich ein gemeinsames Dach, sonst bleibt alles, wie es ist. Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie hiermit bitten, die - um im Bild zu bleiben - Büchse der Pandora im parlamentarischen Verfahren ein zweites Mal zu öffnen, um auch die Hoffnung herauszulassen. Es geht schließlich nicht um eine Lappalie, sondern um das System der Qualitätssicherung in Deutschland und damit auch um die Glaubwürdigkeit deutscher Produkte und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt. Die deutsche Exportwirtschaft ist auch weiterhin auf den hohen Stellenwert angewiesen, den das Label „Made in Germany“ seit Jahrzehnten verkörpert. Es wäre unvorstellbar, wenn der Exportweltmeister Deutschland keine nationale Akkreditierungsstelle zustande bringen würde.

Andrea Wicklein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003659, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Qualität deutscher Produkte ist ein hohes Gut. „Made in Germany“ ist in der Welt Ausdruck für die Qualität der Produkte und die Prozessqualität ihrer Herstellung. Der Staat hat wirtschaftspolitisch, aber auch umweltpolitisch, sicherheitspolitisch und verbraucherschutzpolitisch ein Interesse an einem hohen Standard der in Deutschland hergestellten und verkauften WaAndrea Wicklein ren und Dienstleistungen. Es ist daher grundsätzlich zu begrüßen, dass die Europäische Union die Aufgaben der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen, die bestätigen, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung spezifischen Anforderungen entspricht, als staatliche Aufgabe definiert und eine zentrale nationale Akkreditierungsstelle fordert. Die Bedeutung der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Nur durch eine Akkreditierung haben Verbraucher und Unternehmen die Sicherheit, dass die Konformitätsfeststellung für ein Produkt den Anforderungen entspricht. Nur so kann auch der Staat sicher sein, dass seine Anforderungen in Bezug auf öffentliche Interessen wie Gesundheit, Sicherheit am Arbeitsplatz, Verbraucherschutz oder Umweltschutz befolgt werden. Das Akkreditierungswesen in Deutschland entspricht heute nicht den in der EG-Verordnung vom 13. August 2008 geforderten Ansprüchen. In Deutschland hat sich im Gegensatz zu anderen Ländern in der EU keine zentrale Stelle herausgebildet. Vielmehr wird das deutsche Akkreditierungswesen durch den Deutschen Akkreditierungsrat repräsentiert, in dem die meisten Akkreditierungsstellen des Bundes, der Länder und der Wirtschaft vertreten sind. Die Aufgabe der Kompetenzüberprüfung und -bestätigung von Konformitätsbewertungsstellen ist also organisatorisch und inhaltlich weder dem Staat noch der Wirtschaft eindeutig zugeordnet. Das soll sich nun ändern. Die Besonderheiten des deutschen Akkreditierungswesens, vor allem seine Zersplitterung, haben auch bereits zu einem Vertrauens- und Einflussverlust auf den Märkten geführt. Eine nationale Akkreditierungsstelle, die dann auch ein einheitliches Symbol tragen soll, wird zu neuer Akzeptanz führen. Über die genaue Ausgestaltung der deutschen Akkreditierungsstelle wird noch zu diskutieren sein. Das Gesetz zur Einrichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle muss den hohen Akkreditierungsstandard - auch in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheitssektor und dem Verbraucherschutz - Rechnung tragen. Die Erwartungshaltung der Bevölkerung ist groß, dass ein Höchstmaß an Sicherheit beim Einsatz zum Beispiel von Medizinprodukten gewahrt bleibt. Insofern muss die Akkreditierungsstelle objektiv und unabhängig bewerten und beurteilen können.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Mit dem heute zu debattierenden Gesetzentwurf soll eine nationale Akkreditierungsstelle geschaffen werden. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Verordnung EG Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008. Dass diese Verordnung überhaupt noch in nationales Recht umgesetzt wird, ist beachtlich. Fast wäre auch dieses Vorhaben am Zwist innerhalb der Regierungskoalition gescheitert. Noch vor gerade einmal zwei Monaten konnten sich das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nicht auf die Struktur der einheitlichen Akkreditierungsstelle einigen. Das SPD-geführte Gesundheitsministerium, die Staatsgläubigen in dieser Bundesregierung wollten eine weitere nationale Mammutbehörde aufbauen. Indes hat sich das Wirtschaftsministerium für eine privatwirtschaftlich ausgerichtete Akkreditierungsstelle ausgesprochen, die durch den hoheitlichen Akt der Beleihung die Aufgaben übertragen bekommen sollte. Auch wenn aus meiner Sicht dieser Gesetzentwurf Anlass für eine Reihe von Kritikpunkten bietet, ist doch zumindest festzustellen, dass sich das unionsgeführte Wirtschaftsministerium in diesem Punkt gegen die SPD durchsetzen konnte. Die neue nationale Akkreditierungsstelle wird als privatrechtliche Gesellschaft gegründet, an der Bund, Länder und Wirtschaft zu gleichen Teilen beteiligt sind. Die Verordnung ist umzusetzen. Daran lässt sich nun nichts mehr ändern, denn zum 1. Januar 2010 würde die Verordnung auch für die Bundesrepublik in allen ihren Teilen verbindlichen Regelungscharakter entfalten. Wir hätten uns jedoch erhofft, dass sich die Bundesregierung im Vorfeld, das heißt auf europäischer Ebene, dafür eingesetzt hätte, dass die dezentrale Struktur in Deutschland erhalten geblieben wäre. In Deutschland gibt es mehr als 4 000 Akkreditierungsstellen, die Dienstleistungen und Produkte prüfen und zertifizieren. Diese Stellen arbeiten unmittelbar dort, wo Ihre Dienste gefragt sind, und schaffen damit in föderaler Struktur ein engmaschiges Netz an Prüfstellen. Dieses Netz führt letztlich dazu, dass die Akkreditierung auch kostengünstig erfolgen kann. Davon profitieren sowohl die Wirtschaft als auch die Verbraucher. Durch die privatwirtschaftliche Gesellschaftsstruktur ist es immerhin gelungen, die Kräfte bewährter, erfahrener Einrichtungen zu erhalten. Dennoch wird diesen erfahrenen Stellen nun ein Überbau verordnet, der unnötig ist und zudem erhebliche Kosten verursachen wird. Die Bundesregierung geht selbst davon aus, dass Kosten von mehr als 7 Millionen Euro allein auch für die Anschubfinanzierung notwendig sein werden. Auf die Wirtschaft werden fast 2,5 Millionen Euro entfallen. Zu den Kosten für den weiteren Betrieb dieser übergeordneten „zentralen Überwachungseinheit“ macht die Bundesregierung hingegen keine Aussage. Auch hier ist zu erwarten, dass auf die Träger gemeinsam erhebliche jährliche Kosten zukommen werden. Gleichzeitig stellt die Bundesregierung jedoch in der Gesetzesbegründung fest, dass „die Wirtschaft durch das vorgelegte Gesetz in geringem und nicht quantifizierbarem Umfang“ entlastet wird. Gerade eine deutliche Entlastung hätte aber das Ziel einer Bündelung von Akkreditierungsfunktionen sein müssen. Wenn schon eine einheitliche, übergeordnete, nationale Stelle eingerichtet wird, dann darf man hier auch erwarten, dass die Wirtschaft in erheblichem und gut quantifizierbarem Maße entlastet wird. Stattdessen schafft die Bundesregierung neue Belastungen und stellt fest, dass „Auswirkungen auf die Einzelpreise nicht auszuschließen“ sind. Diese Bundesregierung schafft mit fast jedem Gesetz, welches sie in den Deutschen Bundestag einbringt, neue Belastungen für die Unternehmen in Deutschland und die Verbraucherinnen und Verbraucher. Dies war auch bei Zu Protokoll gegebene Reden der Dienstleistungsrichtlinie der Fall, über die wir in der letzten Woche an dieser Stelle debattiert haben, und dies ist auch heute wieder so. Der umgekehrte Weg ist der richtige: Entlastung statt Belastung. Hierfür hätte sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene einsetzen müssen. Leider haben Sie dies abermals versäumt. Ob die Bundesregierung mit dem Gesetz über die Einrichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle „einen wichtigen Baustein für die Qualitätssicherung in Deutschland beschlossen“ hat, wie dies der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze erklärte, bleibt für die FDP abzuwarten. Der Stand der Qualitätssicherung war und ist in Deutschland auf international anerkanntem, sehr hohem Niveau. Im Sinne der Qualitätssicherung hätte es einer nationalen Akkreditierungsstelle nicht bedurft, denn die deutschen Stellen haben dieses hohe Niveau auch ohne eine Überaufsicht bereits erreicht.

Dr. Herbert Schui (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003844, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Nach langem Hin und Her hat es die Regierung endlich geschafft, den Gesetzentwurf zur Errichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle vorzulegen. Grund für die Verzögerung war bekanntlich Streit zwischen zwei Ministerien. Das Bundeswirtschaftsministerium war der Ansicht, dass die Akkreditierungsstelle privatrechtlich organisiert sein soll. Das Bundesgesundheitsministerium dagegen hielt eine Anstalt öffentlichen Rechts für zweckmäßig. Leider konnte sich das Wirtschaftsministerium durchsetzen. Es stellt sich die Frage, warum eine im Gesetz selbst so bezeichnete hoheitliche Aufgabe von einer privatrechtlichen Institution übernommen werden sollte. Schließlich muss - auch das steht im Gesetz und in der dazugehörigen EU-Verordnung - Unparteilichkeit und Objektivität bei der Arbeit der Akkreditierungsstelle gewahrt sein. Die Akkreditierungsstelle soll die Kompetenz der Konformitätsbewertungsstellen bestätigen, die ihrerseits prüfen, ob Produkte oder Dienstleistungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, und Kalibrierungen, Zertifizierungen und Inspektionen durchführen. Warum ist dann die Wirtschaft zu einem Drittel an einer Institution beteiligt, die den Prüfstellen von Produkten ebendiese Kompetenz bescheinigt? Ist es nicht vorstellbar, dass Konformitätsbewertungsstellen nach zu vielen ablehnenden Prüfungen die erneute Akkreditierung auf Druck der Wirtschaft verweigert werden könnte? Es besteht der Verdacht, dass hier Prüfstellen ausgemustert werden sollen. Zwar liegt die Rechtsaufsicht noch beim Wirtschaftsministerium. Warum dann aber nicht gleich eine öffentliche Institution? Das einzige in der Gesetzesbegründung genannte Gegenargument - Probleme im Personalübergang - jedenfalls ist offenbar vorgeschoben. Die Vermutung liegt nahe, dass eine privatrechtliche Lösung bevorzugt wurde, um der Wirtschaft einmal mehr Einfluss zu garantieren, und dafür die üblichen ideologischen Gründe vorgeschoben wurden. Es geht um mehr Einfluss der Privatwirtschaft. Wenn aber der besondere Zweck der Akkreditierungsstelle in der Stärkung der deutschen Exportwirtschaft besteht - denn ohne nationale Akkreditierungsstelle, so der Text, „entfiele … ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Marktstellung und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft“ -, dann ist die Frage gestellt, ob nicht eine öffentliche Lösung besser gewesen wäre. Es ist mehr als fraglich, ob das noch im Einklang mit der geforderten Objektivität und Unparteilichkeit steht. Noch besser wäre es, die Konformitätsbewertungsstellen, also renommierte Institutionen wie der TÜV, selbst wieder in die öffentliche Hand zurückzuführen. Dann bräuchten sie gar keine zusätzliche Akkreditierung mehr. Auch die Unparteilichkeit wäre eher gewahrt, da die zu Prüfenden nicht mehr die Prüfstellen überwachen würden.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

In dem Gesetzentwurf über die Errichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle geht es um die Umsetzung einer EU-Verordnung. Lieber Herr Guttenberg, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, man muss ja schon froh sein, dass dem Parlament überhaupt ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Schon bis zum 1. Januar 2010 muss eine nationale Akkreditierungsstelle eingerichtet werden. Das ist lange bekannt. Und was macht die ach so handlungsfähige Große Koalition? Sie streitet und streitet und kann sich nicht einigen. Der Grund für die späte Einbringung ist ja bekannt. Das Bundesministerium für Wirtschaft konnte sich mit den anderen betroffenen Ministerien bezüglich der Trägerschaft der nationalen Akkreditierungsstelle nicht einigen. Das ist schon bezeichnend für die große Koalition. Bei dem Antritt der Großen Koalition wurde den Bürgerinnen und Bürgern viel versprochen und herausposaunt, was diese Große Koalition alles leisten könne. Die Bilanz ist mehr als ernüchternd. Das ist mittlerweile allen klar. Und die Vorgänge, die dem jetzt endlich vorliegenden Gesetzentwurf vorangingen, sind bezeichnend für die Große Koalition. Die Große Koalition blockiert sich, weil sie sich nicht einigen kann. Und was ist die Konsequenz? Der Gesetzentwurf wird viel zu spät in den Bundestag eingebracht. Bei dem Konflikt ging es um eine sehr entscheidende Frage. Soll die nationale Akkreditierungsstelle als eine beliehene wirtschaftsgetragene GmbH organisiert werden oder soll eine Behörde eingerichtet werden? Es ging also um die Frage private Trägerschaft oder öffentliche Trägerschaft. Ich möchte hier noch einmal daran erinnern: Es geht um die Stelle, die kontrolliert, welche Stellen darüber entscheiden dürfen, dass Produkte für den gemeinsamen Markt zugelassen werden. Wollen wir diese Kontrolle in privater Hand oder in öffentlicher Hand? Das ist die Frage. Wenn die Akkreditierungsstelle als eine beliehene Stelle eingerichtet wird, dann steht diese zwar noch unter behördlicher Oberaufsicht. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie stark von der Industrie bestimmt und gelenkt wird, deren Produkte der Akkreditierung unterliegen. Der Durchgriff der Behörde in den operationellen Teil wäre dann nur mittelbar mit zum Teil zeitraubenden Maßnahmen möglich. Das ist die Linie, die das BundeswirtZu Protokoll gegebene Reden schaftsministerium, also Sie, Herr Bundesminister Guttenberg, dogmatisch verfolgt haben und von der Sie nur durch die Intervention der anderen Ministerien abgegangen sind. Ich frage mich: Ist das die Lehre, die Sie, Herr Bundesminister Guttenberg, aus der Wirtschafts- und Finanzkrise ziehen? Glauben Sie wirklich, dass sie heute noch jemandem erzählen können, dass die beste Kontrolle der Märkte und auch die indirekte Kontrolle von der Wirtschaft selbst gemacht wird? Die Wirtschaft kann sich nicht selbst kontrollieren, und sie soll es auch nicht. Das ist die Lehre aus der Finanzkrise. Und das würde auch der ordoliberalen Position entsprechen, mit der Sie sich sonst immer gerne schmücken. Und jetzt ist eine mit der heißen Nadel gestrickte, scheinbare Kompromisslösung herausgekommen, die Drittellösung. Neben dem Bund sitzen nun die Industrie und wahrscheinlich auch die Länder mit am Tisch. Statt sich klar für die öffentliche Kontrolle zu entscheiden, soll hier ein fragwürdiger Kompromiss beschlossen werden. Dabei befürchte ich, dass sich diese Drittellösung in der Praxis als ineffizient und nicht steuerbar erweist. Diese Fragen müssten wir intensiv im Parlament diskutieren. Diese Zeit wollten und wollen Sie dem Parlament nicht lassen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 16/12983 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Erste Beratung des von der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld - Drucksache 16/12888 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({0}) Ausschuss für Arbeit und Soziales Die Kollegen Olav Gutting, CDU/CSU, Gabriele Frechen, SPD, Carl-Ludwig Thiele, FDP, Dr. Barbara Höll, Fraktion Die Linke, und Christine Scheel1), Bündnis 90/Die Grünen, haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.2) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- wurfs auf Drucksache 16/12888 an die in der Tagesord- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Beratung der Unterrichtung durch die Bundes- regierung 1) Rede lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird zu einem späte- ren Zeitpunkt abgedruckt. 2) Anlage 47 Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel - Drucksache 16/11595 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1}) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Andreas Jung, CDU/CSU, Frank Schwabe, SPD, Michael Kauch, FDP, Eva Bulling-Schröter, Die Linke, und Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es gibt keinen vernünftigen Zweifel mehr: Der Klimawandel schreitet weiter voran. Wir dürfen nicht innehalten in unseren Bemühungen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und damit die Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen weiter deutlich voranzutreiben. Dies erfordert massive Maßnahmen für mehr Klimaschutz. Diese dürfen durch Anpassungsmaßnahmen nicht infrage gestellt werden. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht die Augen verschließen vor den schon eingetretenen und noch zu erwartenden Veränderungen. Deshalb brauchen wir Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Ich begrüße es deshalb sehr, dass die Bundesregierung mit der „Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ die im Klimaschutzprogramm 2005 angekündigte Konzeption einer deutschen Anpassungsstrategie vorlegt und damit Programme erarbeitet, die eine angemessene Anpassung an die Klimaänderungen erleichtert und zudem eine Hilfe und Orientierung für die beteiligten Akteure bietet. Trotz aller wissenschaftlichen Szenarien lässt sich nicht leugnen, dass wir nicht exakt voraussagen können, wie sich das Klima global, in Europa, in Deutschland oder in unseren Heimatregionen verändern wird. Dass es sich aber verändert, das erleben wir schon heute. Die vorliegende Strategie der Bundesregierung ist ein Beitrag zur Fortentwicklung der notwendigen Zusammenarbeit mit den Bundesländern und weiteren Beteiligten, die zum Ziel hat, die Verminderung der Verletzlichkeit bzw. den Erhalt und die Steigerung der Anpassungsfähigkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme an die unvermeidbaren Auswirkungen des globalen Klimawandels zu sichern. Die Bundesregierung betont in ihrer Strategie, dass ihr an einer offenen Kooperation gelegen ist. Dies begrüße ich ausdrücklich. Die gemeinsamen Anstrengungen werden nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn es gelingt, Vorbehalte und Sorgen abzubauen und damit das Verständnis sowie die Bereitschaft zum Handeln zu erhöhen. Dies kann durch die von der Bundesregierung avisierte Kooperation, aber auch durch die Bereitstellung neuester Andreas Jung ({0}) Daten erfolgen. Denn nicht allen Betroffenen wird es möglich sein, entsprechende Analysen und Auswertungen selbst zu erstellen. Diese sind aber als Grundlage für ein zielgerichtetes und erfolgreiches Handeln unerlässlich. Wenn sich die Bundesregierung in ihrer Strategie zu Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit bekennt, ist dies eben auch Ausdruck der Erkenntnis, dass die Auswirkungen des Klimawandels regional unterschiedlich sein werden und deshalb örtliche Gegebenheiten und Entscheidungsprozesse berücksichtigt werden müssen. Dabei ist wichtig, dass alle Lebensbereiche einbezogen werden. In ihrer Anpassungsstrategie betont die Bundesregierung, dass „das Thema Anpassung an die Folgen des Klimawandels … neben den angestrebten Vereinbarungen über die deutlichen Verminderungen der Treibhausgasemissionen ein zentraler Gegenstand der Verhandlungen im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen über ein künftiges internationales Klimaregime“ ist. „Auch für die entwicklungs-, sicherheits- und umweltpolitische Zusammenarbeit sowie für die Migrationspolitik gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung.“ Ich kann dies nur unterstützen. Als Berichterstatter der Union für Klimaschutz konnte ich an den vergangenen UN-Konferenzen zum Klimawandel teilnehmen. Dabei wurde deutlich, dass zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer ein Interesse an Maßnahmen zur Verminderung von Treibhausgasen haben, dass sie die Frage nach Anpassungsstrategien jedoch mindestens genauso beschäftigt. Die Industrieländer stehen in einer besonderen Verantwortung, sind doch sie die Hauptverursacher des Klimawandels. Die Hauptleidtragenden sind allerdings die Schwellen- und Entwicklungsländer. Ende dieses Jahres findet die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen statt. Dort soll ein Nachfolgeprotokoll für das Kioto-Abkommen verabschiedet werden, das 2012 ausläuft. Ich begrüße es sehr, wenn sich die Bundesregierung in ihrer Anpassungsstrategie nicht nur zur angestrebten Vereinbarung über die Verminderung der CO2Emissionen bekennt, sondern darüber hinaus das Thema Anpassung stärker gewichten will. Die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ hat Signalwirkung für alle Beteiligten. Sie bildet ein Fundament für einen ganzheitlichen Ansatz, wie den zum Teil bereits heute nicht mehr abwendbaren Veränderungen des Klimas begegnet werden kann. Die Anpassungsstrategie bildet eine weitere Säule der deutschen Klimapolitik. Bis Ende März 2011 soll ein gemeinsam mit den Ländern erarbeiteter „Aktionsplan Anpassung“ vorgelegt werden, der Grundsätze und Kriterien für die Identifizierung und Priorisierung von Handlungserfordernissen, die Priorisierung von Maßnahmen des Bundes und einen Überblick über konkrete Maßnahmen anderer Akteure auf der Grundlage des Dialog- und Beteiligungsprozesses, Aussagen zur Finanzierung, Vorschläge für eine Erfolgskontrolle - Indikatoren - sowie die Weiterentwicklung der deutschen Anpassungsstrategie und Benennung der nächsten Schritte enthalten soll. Nicht nur der Klimaschutz macht ein weltweit abgestimmtes Handeln erforderlich; dies ist auch bei den Anpassungsmaßnahmen der Fall. Die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ sowie die weiteren Schritte bilden eine gute Grundlage für ein international abgestimmtes Handeln.

Frank Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003846, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir beraten heute die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“, die letzen Dezember vom Kabinett verabschiedet wurde. Die Anpassung an den Klimawandel ist ein Thema, das in vielen Diskussionen über Klimaschutz bis jetzt immer ein bisschen zu kurz kam. Denn verständlicherweise steht im Mittelpunkt der Diskussion immer die Frage, wie wir den Ausstoß an Treibhausgasen reduzieren können. Wir müssen alles dafür tun, dass wir in Deutschland unser Ziel von 40 Prozent weniger CO2 bis zum Jahr 2020 erreichen und dass es diesen Dezember in Kopenhagen zu einem ambitionierten KiotoAnschlussabkommen kommt. Wir brauchen einen Konsens, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf weniger als zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist. An diesem sogenannten 2-Grad-Ziel müssen wir unsere Politik ausrichten. Aber selbst wenn wir den Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad begrenzen, werden Folgen des Klimawandels auftreten, auf die sich auch Deutschland einstellen muss. Eine zukunftsfähige Klimapolitik baut deshalb auf zwei Säulen auf: der Vermeidung von Treibhausgasen und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels, die schon heute nicht mehr zu vermeiden sind. Ziel der Strategie der Bundesregierung ist es, einen bundesweiten Handlungsrahmen zu schaffen, um Risiken für die Bevölkerung, der natürlichen Lebensräume und der Volkswirtschaft vorzubeugen. Dieser Rahmen soll es insbesondere den unterschiedlichen Handlungsebenen des Bundes, der Länder, der Kommunen sowie dem einzelnen betroffenen Bürger erleichtern, Betroffenheiten und Anpassungsnotwendigkeiten zu identifizieren, Handlungsmaßnahmen zu planen und umzusetzen. So können zum Beispiel durch eine frühzeitige Einbeziehung von Anpassungsaspekten in Planungen später wirksam werdende Klimakosten vermieden werden. Die deutsche Anpassungsstrategie fasst den aktuellen Kenntnisstand zu den erwarteten Klimaänderungen und zu den damit verbundenen möglichen Auswirkungen zusammen. Für 15 Handlungsfelder und ausgewählte Regionen werden mögliche Klimafolgen und Handlungsoptionen skizziert. Bis 2011 soll dann in Zusammenarbeit mit den Bundesländern der „Aktionsplan Anpassung“ erarbeitet werden. Ich komme ja aus dem Ruhrgebiet. Vor einigen Wochen hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK, eine Studie veröffentlicht, in der die Wissenschaftler die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf verschiedene Regionen und Sektoren im Ruhrgebiet untersucht haben. Die Auswirkungen der Klimaveränderungen werden auch NRW treffen. Die Wissenschaftler des renommiertesten deutschen Forschungsinstituts kommen zu dem Ergebnis, dass wir in der Stadtplanung berückZu Protokoll gegebene Reden sichtigen müssen, dass zukünftig städtische Gebiete vermehrt zu „Hitzeinseln“ werden können und deswegen Grünflächen und Baumreihen zur Kühlung des Stadtklimas immer wichtiger werden. Die Stadtplanung wird komplexer und muss die neuen Herausforderungen bewältigen. Nur so ist sie zukunftsweisend. Vom Standpunkt der Klimawissenschaftler aus muss in Zukunft anders gebaut und geplant werden. Eine der wichtigsten Aspekte des Klimawandels ist die Auswirkung von höheren Temperaturen. Davon sind besonders städtische Gebiete betroffen, in denen sich Hitzeinseln bilden können. Parks, Baumreihen und andere Grünflächen können diesen Hitzeinseleffekt abmildern. Als Faustregel gelte angesichts der zu erwartenden Hitzephasen, dass die Menschen innerhalb von fünf Gehminuten schattige Zonen aufsuchen können sollten. Der Klimawandel ist bereits heute zu spüren. Mehr noch als plötzliche Starkregen oder Stürme sind es aber vor allem die schleichenden Veränderungen, die auf lange Sicht das Lebensumfeld des Menschen verändern. Sie betreffen häufig nur eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder Region und erscheinen beinahe banal: ein kleiner Fluss, der immer weniger Wasser führt. Wespen im November und aufgeweichte Straßenbeläge im Sommer. Kein Wunder, dass viele Veränderungen nicht als Folge des Klimawandels erkannt oder vielfach ignoriert werden. Warum sollen wir uns um einen Zentimeter weniger Strand kümmern, scheinbar unbedeutend im Vergleich zu einem Hochwasser in der Stadt? Der Klimawandel kommt langsam und auf leisen Sohlen. Oft merken wir es gar nicht - und wenn, sind uns die Konsequenzen nicht bewusst. Wenn wir zum Beispiel an lauen Sommerabenden immer öfter die Grillen zirpen hören, denkt kaum jemand daran, dass diese Insekten Krankheitserreger aus Südeuropa importieren, denen unsere Weinreben schlecht Widerstand leisten können. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch sehen, dass uns Expertinnen und Experten sagen, dass die langsamen Veränderungen Chancen bergen. Denn kleine, aber stetige Veränderungen sind besser berechenbar als Extremereignisse und machen Anpassung überhaupt erst möglich. Anpassung geht uns alle etwas an. Zwar betreffen viele Veränderungen nur eine kleine Gruppe, einen bestimmten Wirtschaftszweig oder eine Region. Doch die Folgen des Klimawandels sind so vielfältig, dass kaum ein Bereich des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unberührt bleiben wird. Hinzu kommt: Einige Bereiche sind über Umwege miteinander verbunden. So macht Niedrigwasser eines Flusses nicht nur Fischen das Leben schwer. Die Schifffahrt, die Wasserwirtschaft und selbst die Energieversorgung können davon betroffen sein, denn das Wasser vieler Flüsse kühlt die Kraftwerke der Stromerzeuger. Aber nicht nur hier in Berlin wird über die Anpassung an den Klimawandel diskutiert. In Brüssel hat die EUKommission Anfang April ein Weißbuch über die Anpassung der EU an die unausweichlichen Konsequenzen des Klimawandels veröffentlicht. Die Kommission verfolgt in ihrem Weißbuch einen Zweiphasenansatz: In der ersten Phase bis Ende 2012 soll die Forschung über mögliche Maßnahmen zur Anpassung intensiviert werden, insbesondere im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten. Auf dieser Grundlage soll eine konkrete EU-Anpassungsstrategie entwickelt werden, die in der zweiten Phase - ab 2013 - umgesetzt werden soll. Die Kommission geht davon aus, dass infolge des Klimawandels die Niederschlagsmengen und der Meeresspiegel steigen und wetterbedingte Naturkatastrophen häufiger werden. Leider war es auf dem letzten informellen Treffen der EU-Umweltminister in Prag kein Konsens, dass es eine europäische Strategie zur Anpassung geben soll. Es ist ja richtig, dass die Klimaveränderungen regional sehr unterschiedliche Ansätze erfordern. Dies ist jedoch kein Argument gegen eine EU-weite Abstimmung und Koordinierung. Neben Deutschland haben erst sieben weitere Mitgliedstaaten eine nationale Anpassungsstrategie entworfen. Es ist zu wünschen, dass die anderen Mitgliedstaaten bald folgen werden. Denn frühzeitige Anpassungen an die Folgen des Klimawandels sind ein Gebot ökonomischer Vernunft. Durch sie können wir spätere Schäden mit viel höheren Kosten vermeiden. Auch wenn wir heute die Anpassung an den Klimawandel in Deutschland diskutieren, sei mir doch ein kleiner Exkurs erlaubt. Die Anpassung an den Klimawandel ist vor allem eine internationale Herausforderung. Das Klimachaos ist ein radikaler Ausdruck globaler Ungerechtigkeit. Es trifft diejenigen am härtesten, die am wenigsten zu seinen Ursachen beitragen. Schon zu lange missbrauchen wir unsere Atmosphäre als Mülldeponie für CO2. Diese Deponie ist zu über 85 Prozent gefüllt mit den Emissionen der Industrieländer: Sie sind die Verantwortlichen. Die Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern sind am härtesten vom Klimawandel betroffen und haben nicht die notwendigen finanziellen Mittel, um sich gegen den Klimawandel zu wappnen. Wenn wir verstärkte Klimaanstrengungen der Entwicklungsländer erwarten, müssen wir sie dabei unterstützen. Sonst werden wir keinen Erfolg auf der Klimakonferenz in Kopenhagen erreichen. Um den Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad Celsius zu begrenzen, müssen die Industrieländer den Entwicklungsländern Finanzmittel bereitstellen. Wichtig ist, dass diese Gelder zusätzlich zur Entwicklungshilfe gegeben werden. Beim globalen Klimaschutz müssen die Industrieländer vorangehen. Die Schwellenund Entwicklungsländer werden einem Kioto-Nachfolgeabkommen nur zustimmen, wenn die Industrieländer klare Ziele für die Verminderung ihrer Treibhausgase vorgeben und ärmeren Ländern Finanzzusagen machen. Dies ist die politische Dimension der Gelder für Anpassung, die ich noch einmal herausstellen wollte. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel weltweit zusätzliche Investitionen von 175 Milliarden Euro im Jahr erfordert. Für die EU läge der faire Anteil an diesen Investitionen bei mindestens 30 Milliarden Euro im Jahr. Dieser Anteil lässt sich nach den bisher freigesetzten Emissionen und der wirtschaftlichen Leistungskraft errechnen. Um nationalen und internationalen Klimaschutz finanzieren zu können, müssen hierfür die Zu Protokoll gegebene Reden gesamten Einnahmen des Emissionshandels verwendet werden. Die Anpassungsstrategie der Bundesregierung ist erst der erste Schritt. Nächsten Montag findet eine hochkarätige Konferenz des Bundesumweltministeriums zum Thema Anpassung statt. Die Konferenz will auch den „Aktionsplan Anpassung“ besprechen. Dieser „Aktionsplan Anpassung“ ist dann der zweite Schritt. Ihn will die Bundesregierung bis zum Frühjahr 2011 erarbeiten. Wichtig ist nun, den Erfahrungsaustausch und das Wissen zum Thema Anpassung voranzubringen, auch in unseren Wahlkreisen. Denn dort fehlt noch oft das Wissen, was zum Beispiel im zukünftigen Städtebau alles zu beachten ist. Eine Aufgabe, die uns in Zukunft immer häufiger beschäftigen wird.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Strategisches Handeln ist zielorientiertes Handeln. Es bedeutet, zielorientiert vorgehen nach einem umfassenden Plan. Eine Strategie umfasst also alle erdenklichen Handlungen, die zur Verfügung stehen, um ein zuvor präzise definiertes Ziel am Ende zu erreichen, einen vollständigen Handlungsplan, der alle Zusammenhänge und alle möglichen Konstellationen berücksichtigt und umfasst, die sich auf dem Weg zu einem definierten Ziel ergeben können. Nützlich ist das Entwerfen einer Strategie natürlich nur dann, wenn man sich vorher darüber klar wird, wohin man eigentlich genau will und warum bestimmte Verhaltensweisen dazu geeignet sind, an genau dieses Ziel zu gelangen. Man muss sich übrigens auch darüber klar werden, wann man angekommen ist. Das Ziel muss also präzise beschrieben sein, und man braucht Indikatoren zur Überprüfung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Nichts hätte also näher gelegen, als sich an deren Struktur zu orientieren. Und was hat die Bundesregierung vorgelegt? Was da unter dem großspurigen Titel einer „Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ daherkommt, ist nicht mehr als eine hilflose Stichwortsammlung, eine Ideensammlung zu möglichen Zielen, Zielkonflikten und Maßnahmen, außerdem noch ein lustlos flackernder und unkonzentrierter Blick über alles Mögliche, was schon irgendwo von irgendwem gemacht wird und was irgendwie mit dem Problem Klimawandel zu tun hat. Die „Anpassungsstrategie der Bundesregierung an den Klimawandel“ hätte Mark Twain treffend beschrieben: „Kaum dass wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“ Selbstverständlich enthält der „Kessel Buntes“ auch sinnvolle Einzelaktivitäten. Es fehlt aber das geistige Band. Eine lustlose Materialsammlung aller beteiligten Ministerien, das Ergebnis eines Brainstormings, das ist es, was Sie vorgelegt haben, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Wo ist der rote Faden, und wo ist eine Prioritätensetzung? Und was am schmerzlichsten vermisst wird: Wie lautet das konkrete Ziel, an das die Bundesregierung mit dieser Ideensammlung kommen will? Ihre Strategie ist eine Mogelpackung. Der Beschluss, eine solche Strategie zu erarbeiten, stammt aus dem Jahr 2005. Sie hatten eine ganze Legislaturperiode Zeit. Im Jahr 2009 ist die Bundesregierung aber nicht viel weiter als am Anfang und braucht jetzt noch bis 2011 für einen Aktionsplan. Die FDP weist nachdrücklich darauf hin, dass die Anpassung an den Klimawandel einen höheren Stellenwert braucht. Das Klimaschutzministerium in Niedersachsen hat dazu vor wenigen Wochen erneut eine mustergültige Vorlage gemacht. Es ist übrigens die FDP, die in Niedersachsen den Umweltminister stellt und das Anpassungsthema hoch auf die Agenda gesetzt hat.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wenn wir heute über Anpassungsstrategien reden, sei eines vorangestellt: Wir sind uns sicherlich einig, dass das wichtigste Ziel der Klimapolitik darin besteht, unbedingt die Erwärmung der Erdatmosphäre auf maximal 2 Grad über vorindustrielle Werte zu begrenzen. Ansonsten werden Kipppunkte erreicht, die chaotische und unbeherrschbare Prozesse einleiten könnten, etwa wenn der sibirische Permafrost auftaut oder die grönländischen Gletscher weitgehend abschmelzen. Um dies zu verhindern, sind radikale Änderungen in Produktion und Konsum erforderlich. Dabei kommt der Energieeinsparung auf breiter Front genauso eine zentrale Rolle zu wie der regenerativen Energieversorgung. Leider erfordert bereits ein Anstieg der Erdmitteltemperatur von 2 Grad erhebliche Anpassungsleistungen für Mensch und Natur, dies vor allem in jenen Ländern, die ohnehin von Armut geprägt sind und die in der Regel keine Verantwortung für den rasanten weltweiten Anstieg der CO2-Emissionen tragen. Die historische Verantwortung für den Klimawandel liegt klar bei den Industrieländern. Deshalb muss es für die Konferenz in Kopenhagen Ziel sein, für die Industriestaaten eine Minderung von mindestens 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 zu vereinbaren. An dieser Stelle sollten wir uns zudem vor Augen führen: Der weltweite Ausstoß von Klimakillern stieg trotz Kioto-Abkommen seit der Jahrtausendwende dreimal so schnell an wie in den 90er-Jahren. Dieser Trend liegt oberhalb des pessimistischsten Szenarios des UN-Klimarates IPCC. Und dieses sagt uns eine Erwärmung der durchschnittlichen Oberflächentemperatur unseres Planeten von bis zu 6,4 Grad bis 2100 voraus. Wir bewegen uns also weit außerhalb des gerade noch als beherrschbar eingeschätzten Pfades. Dementsprechend dramatisch werden die Auswirkungen dieses Systemversagens sein. Vor diesem Hintergrund stimmen wir zwar der Bundesregierung zu, wenn sie sich nicht auf ein Szenario und eine Anpassungsstrategie fokussiert, sondern die Spannbreite künftiger Entwicklungen berücksichtigen möchte. Die Linke fordert aber, dass auch gravierende Klimaänderungen als mittlerweile realistisch angesehen werden und nicht nur am unteren Rand manövriert wird. Zu Protokoll gegebene Reden Eva Bulling-Schröt Dementsprechend ist in der Anpassungsstrategie Vorsorge zu leisten. Dies gilt nicht für Deutschland, sondern ebenso für den deutschen Beitrag für Anpassungsleistungen in der Dritten Welt sowie für die internationalen Vereinbarungen über die UN-Anpassungsfonds. Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Germanwatch haben hier konkrete Vorschläge unterbreitet. Insbesondere muss der Fokus der Hilfe auch innerhalb der Länder auf den besonders Betroffenen liegen. Natürlich müssen entsprechende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Germanwatch und das Wuppertal Institut haben dafür gemeinsam Finanzierungsvorschläge erarbeitet, die über das hinausgehen, was gegenwärtig verhandelt wird. Insbesondere der Vorschlag, auch einen Teil der Kioto-Emissionsrechte, AAU, die den jeweiligen Staaten zugeteilt werden, zu versteigern, ist unseres Erachtens überdenkenswert. Schließlich ist hier die Basis ungleich größer als beim anlagenbezogenen Emissionshandel, etwa im europäischen Emissionshandelssystem. Die deutsche Anpassungsstrategie ist vernünftigerweise dynamisch konzipiert. Wir begrüßen ebenso die Entwicklung von Handlungsoptionen für 13 Lebens-, Umwelt- und Wirtschaftsbereiche. Das Gleiche gilt für die Thematisierung und Anpassung relevanter Querschnittsbereiche wie die Raum-, Regional- und Bauleitplanung sowie für die Analyse der regionalen Empfindlichkeit. Denn der Durchschnitt hilft uns ja nicht weiter, wenn es beispielsweise in Ostdeutschland deutlich trockener und am Rhein wesentlich feuchter wird. Das langfristige Ziel der Anpassungsstrategie muss sein, die Verletzlichkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme in Bezug auf den Klimawandel zu vermindern. Das ist nicht zuletzt eine soziale Frage. Denn auch in der Bundesrepublik werden es zuallererst die Armen sein, die unter den Folgen leiden. Sie sollten deshalb von der Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen weitgehend verschont bleiben. Zur Kasse zu bitten sind dagegen vor allem die Konzerne, die am meisten vom Ausstoß der Klimakiller profitierten: die Energieversorger sowie die Mineralöl- und Automobilindustrie.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Klimawandel hat schon begonnen. Die Erderwärmung findet längst statt. In den letzten 100 Jahren ist die globale Mitteltemperatur nach den Erkenntnissen des Weltklimarates IPCC um über 0,7 Grad Celsius angestiegen. Worum es jetzt gehen muss, ist konsequenter Klimaschutz, um die Erwärmung zu begrenzen und unter der gefährlichen Marke von 2 Grad zu halten. Gleichzeitig müssen wir uns den negativen Auswirkungen des Klimawandels stellen, die zum Teil heute schon nicht mehr abwendbar sind. Es geht darum, das Unbewältigbare zu vermeiden und das Unvermeidliche zu bewältigen. Mit der zweiten Aufgabe beschäftigt sich die Bundesregierung in ihrer vorgelegten Anpassungsstrategie. Die Ausarbeitung der Strategie ist zu begrüßen, auch wenn sie an manchen Stellen vage in den Aussagen und unbestimmt in den Maßnahmen bleibt. Hier wird es auf dem Weg zu einem Aktionsplan mit Sicherheit noch viel zu diskutieren und zu konkretisieren geben. Doch wird deutlich, welche schwerwiegenden Folgen der Klimawandel für unser Land haben wird. Da ist im Gesundheitsbereich zum Beispiel von der erleichterten Ausbreitung von Krankheitserregern die Rede und von der Ansiedlung neuer Viren und Krankheitsüberträgern, von zunehmenden Herz-Kreislauf-Problemen durch eine verstärkte Hitzebelastung, von Atemwegsbeschwerden durch mehr bodennahes Ozon und womöglich sogar von erhöhtem Hautkrebsrisiko durch die intensivere Sonneneinstrahlung. Das sind Risiken, auf die sich Medizin und Gesundheitsversorgung einrichten müssen. Die Risiken sollten uns zugleich Mahnung sein, konsequenter für den Klimaschutz einzutreten. Denn Vorsorge ist hier mit Sicherheit die beste Strategie. Das gilt auch für die umweltbezogenen Auswirkungen des Klimawandels, die in dem Bericht benannt werden, wie die steigende Wahrscheinlichkeit von Hochwassern und Sturmfluten, das häufigere Auftreten von Trockenperioden und die Gefahr des Aussterbens von bis zu 30 Prozent der heimischen Tier- und Pflanzenarten. Angesichts dieser Probleme werben wir Grüne für eine möglichst umweltverträgliche und naturnahe Anpassung an den Klimawandel. Es wäre fatal, wenn zur Bekämpfung der Folgen dieser globalen Umweltkatastrophe Strategien oder Technologien zur Anwendung kämen, die neue, unbeherrschbare Umweltgefahren mit sich bringen. Das gilt insbesondere für die Agrogentechnik. Für deren Einsatz zeigt sich die Bundesregierung in ihrer Anpassungsstrategie leider offen, indem sie schreibt: „Im Bereich der Pflanzenzüchtung sollten im Hinblick auf die Anpassung an Klimaänderungen … Innovationen gefördert werden.“ Bemerkenswert ist auch der Passus, dass Kohle- und Atomkraftwerken durch Niedrigwasser und höhere Wassertemperaturen das Kühlwasser ausgehen könnte. Kohlekraftwerke sind mit ihrem hohen CO2-Ausstoß also nicht nur Mitverursacher des Klimawandels. Sie werden durch den Klimawandel auch unzuverlässig. Ein Grund mehr, die verfehlte Kohlepolitik der Bundesregierung endlich zu korrigieren. Bei all den negativen Folgen des Klimawandels für Deutschland sollten wir allerdings nicht vergessen, dass andere Menschen und Länder noch viel stärker von der Erderwärmung bedroht sind. Am härtesten wird der Klimawandel die Armen treffen. In Bangladesch drohen furchtbare Überschwemmungen. Die Malediven bereiten sich auf die Evakuierung ihrer Bevölkerung vor. In Afrika drohen regional verschärfte Hungersnöte, am Himalaja ist der Trinkwasservorrat von Millionen bedroht. Den betroffenen Menschen und Staaten fehlen meist die Mittel, um sich gegen diese Klimafolgen zur Wehr zu setzen. Deshalb sind die Industriestaaten, die den Klimawandel verursacht haben, in der Pflicht, zu helfen. Das ist eine Frage der globalen Gerechtigkeit und eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg des neuen Klimaabkommens, das im Dezember in Kopenhagen verabschiedet werden soll. Es wäre gut, wenn die EU und die Bundesregierung dazu bald konkretere Angebote auf den Tisch legen würden. Zu Protokoll gegebene Reden er ({0}) Der Klimawandel hat schon begonnen und er wird uns noch lange beschäftigen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, ihn zu begrenzen und bessere Strategien zur Anpassung zu entwickeln. Lassen Sie uns alles tun, um das Unvermeidliche zu bewältigen und das Unbewältigbare zu vermeiden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/11595 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen - Drucksachen 16/11919, 16/12841 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Max Lehmer Dr. Christel Happach-Kasan Ulrike Höfken Abweichend von der Tagesordnung soll - auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - eine Aussprache stattfinden. Für die Aussprache ist eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Johannes Röring, CDU/CSU-Fraktion.

Johannes Röring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst zwei klare Botschaften an die Grünen senden: Zuallererst: Ich bin mittlerweile tief darüber entsetzt, in welcher Art und Weise Sie Politik betreiben. ({0}) Sie schreiben sich die Verantwortung für zukünftige Generationen auf Ihre Fahne. ({1}) Auf Ihrem Parteitag am Wochenende haben Sie sogar einen Green New Deal vereinbart. Wenn Sie aber nach Berlin in Ihre Abgeordnetenbüros zurückkommen, ({2}) überlegen Sie sich gleich, wie Sie möglichst populistisch und reißerisch eine Schlüsseltechnologie wie die Grüne Gentechnik verdammen können. ({3}) Es wird ideologisch argumentiert, ({4}) statt wissenschaftlich fundiert und verantwortungsbewusst zu diskutieren und die Bevölkerung zu informieren. ({5}) Zweitens. Frau Höfken, wir debattieren heute über einen Antrag, der längst gegenstandslos ist, da das BVL den Anbau und jeden weiteren Verkauf von MON 810 der Firma Monsanto vor vier Wochen bis auf Weiteres untersagt hat. ({6}) An dieser Stelle will ich klar betonen, dass das Verbot von MON 810 eine Einzelfallentscheidung darstellt. ({7}) Die Entscheidung zu MON 810 ist keine Grundsatzentscheidung gegen diese Technologie im Allgemeinen. ({8}) Im Gegenteil: Die vielen offenen Fragen bezüglich gentechnisch veränderter Organismen zeigen die Notwendigkeit einer verstärkten Forschung. ({9}) Sicherheitsforschung ist wichtig. Wie ich schon am 23. April in der Aktuellen Stunde zu diesem Thema ausgeführt habe, geht es Ihnen gar nicht um das Thema MON 810. Wir diskutieren zum wiederholten Mal über Gentechnik im Allgemeinen. ({10}) Das bedeutet auch, dass wir erneut über die Chancen der Grünen Gentechnik zu sprechen haben. Wir müssen darüber reden, wie wir sie besser erforschen und ihre Potenziale nutzen können. ({11}) Selbstverständlich müssen wir die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen und ausschließen, dass Schäden für Mensch und Gesundheit entstehen. ({12}) Aus genau diesem Grund brauchen wir umfassende Forschungsanstrengungen. ({13}) Generelle Anbauverbote, wie die Grünen sie fordern, behindern unseren Forschungsstandort eigentlich nur. Ich glaube, dass wir mit der Verhinderung neuer Technologien die Monopolisierung in Deutschland voranbringen und die Nutzung biotechnologischer Innovationen für Züchter, Landwirte und am Ende auch für die Verbraucher gefährden würden. Züchtung und Forschung brauchen zuverlässige Rahmenbedingungen, damit auf diesen Gebieten ohne ideologische Scheuklappen und wissensbasiert gearbeitet werden kann, damit Praxis und Theorie in der Forschung - dazu gehört auch die Anwendungsforschung - zusammenkommen. Wir tragen für die Bevölkerung weltweit Verantwortung. Sie kann von unseren Erfahrungen und von unserem Wissen profitieren. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass das BVL vor wenigen Tagen den Versuchsanbau für gentechnisch veränderte Gerste der JustusLiebig-Universität in Gießen genehmigt hat, ({14}) nachdem die Anbauflächen im letzten Jahr von Ökoaktivisten mutwillig zerstört worden waren. Dass auch die Freisetzung der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora erlaubt worden ist, ist ebenso wichtig. Der Zaun um die Anbaufläche wird wahrscheinlich nur wegen der Ökoaktivisten gebaut worden sein. Diese Kartoffel produziert wesentlich mehr Stärke ({15}) als die herkömmliche Kartoffel. Es gilt jetzt, zu erforschen, ob die Kartoffel tatsächlich die ihr zugeschriebenen Eigenschaften besitzt und langfristig in der industriellen Produktion einsetzbar ist. Im Übrigen ist das auch für die Frage der Produktion von nachwachsenden Rohstoffen sehr wichtig. Denn Effizienz ist angesichts der knapp bemessenen Ackerflächen extrem wichtig. Die Tatsache, dass die verfügbare Ackerfläche pro Erdbewohner nach wie vor dramatisch abnimmt - das meine ich sehr ernst; ich habe es schon wiederholt gesagt -, bringt uns in die Verantwortung, diese Technologie, die eine Effizienzsteigerung ermöglicht, für uns nutzbar zu machen. ({16}) Wir müssen in einigen Jahren mit 2 000 Quadratmeter pro Erdbewohner - das ist die Perspektive - auskommen. Ich glaube, Sie alle sind sich nicht bewusst, was das heißt. Das ist ein Fünftel Hektar für jeden Erdbewohner. Da kann man vielleicht 1 Tonne Weizen anbauen, wenn man es gut macht, oder, Frau Höfken, 300 Liter Biosprit produzieren. Man muss die Menschen aber auch noch mit Fleisch und Milch ernähren. Sie wollen zudem nachwachsende Rohstoffe für die Industrie erzeugen. Sie müssen uns schon erklären, wie das funktionieren soll. ({17}) Auch Umweltminister Gabriel, liebe Kollegen von der anderen Koalitionsfraktion, hat dies erkannt und vor einiger Zeit die Kartoffel Amflora als Option gesehen. Ich glaube, dass wir die Technologie nicht generell ablehnen sollten. Ich muss einige Verlautbarungen vom Kollegen Kelber, der uns sehr starke Nähe zu Monsanto und anderen Firmen nachsagt, zurückweisen. ({18}) Ich glaube, wir sollten zur Sachpolitik zurückkommen. ({19}) Zurück zum Thema. Wir haben Verantwortung in einer sich schnell verändernden Welt. Es gibt viele Menschen, die nicht im Überfluss leben. Das hat sehr stark damit zu tun, dass sie nicht ausreichend über Trinkwasser und Nahrung verfügen. Ich glaube, wir sollten diese eine Option, diese neuen Technologien, nicht verwerfen. Abschließend noch eine sehr persönliche Sorge, die mich umtreibt. Wir tun sehr viel, um Wissenschaft und Bildung für junge Leute voranzubringen. Ich mache mir Sorge, dass wir durch die Art und Weise dieser Diskussion ein falsches Signal an junge Menschen senden, die sich mit dem Zukunftsthema Biotechnologie beschäftigen wollen. ({20}) Ich habe Sorge, dass sie sich durch diese Debatten davon abwenden und wir zukünftige Chancen anderen überlassen. Wir müssen junge Menschen für dieses Thema begeistern und dafür sorgen, dass sie Neugier für die weltweiten Zukunftsthemen entwickeln. ({21}) Sie müssen dieses Thema begeistert besetzen ({22}) und diese Zukunftstechnologie zur Lösung der Probleme vieler Menschen in der Welt nach vorne bringen. Der Antrag der Grünen besagt genau das Gegenteil. Deswegen kann ich diesen Antrag ohne Bedenken ablehnen. ({23})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht wieder einmal um MON 810. ({0}) Ich will an Folgendes erinnern - das ist eine interessante Information -: Übermorgen beginnt in Rom, im Vatikan, die Studienwoche „Transgene Pflanzen zur Ernährungssicherheit im Kontext von Entwicklung“. Sie wird von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ausgerichtet. Über 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tragen vor und berichten darüber, welche realen Möglichkeiten es gibt, mit transgenen Pflanzen die Welternährung zu verbessern. Ich glaube, dass dies eine sehr gute Maßnahme des Vatikans ist, um Sachlichkeit in die Diskussion hineinzubringen und die Chancen dieser Züchtungsmethode aufzuzeigen. ({1}) Ich will hinzufügen: Diese Art der Diskussion gefällt mir um einiges besser als die ethischen Überlegungen, die ich von CSU-Politikern aus dem Bundesland Bayern hören muss, die sehr abstrakt Ethik einfordern. Stattdessen sollten sie fragen: Wie können wir den Menschen in der Dritten Welt, die an Hunger und Mangelernährung leiden, konkret helfen? Das scheint der Weg zu sein, den wir in Zukunft gehen müssen. ({2}) Unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die im Vatikan vortragen werden, sind einige, die hier gut bekannt sind. Ich erinnere an Professor Beyer aus Freiburg und Professor Ingo Potrykus, die zusammen das Golden-Rice-Konzept entwickelt haben. Ich hoffe sehr, dass sie es schaffen werden, dieses zur Umsetzung gelangen zu lassen. Auch Professor von Braun, ehemals Universität Bonn, jetzt Leiter des IFPRI, des International Food Policy Research Institute in Washington, gehört zu den Wissenschaftlern, die dort vortragen werden. Von seinem Institut stammt die Studie, die besagt, dass der Anbau von Bt-Baumwolle in Indien dazu beigetragen hat, die Situation der Baumwollbauern zu verbessern, sodass tatsächlich und messbar festzustellen ist, dass inzwischen deutlich weniger Landwirte Selbsttötungen begehen als vor Beginn des Anbaus von Bt-Baumwolle. Vor diesem Hintergrund müssen wir sagen - ob sich die Menschen in Deutschland dafür begeistern oder nicht -: Gerade die armen Länder in der Dritten Welt brauchen die Grüne Gentechnik. Wir in Deutschland sollten uns für die Forschung in diesem Bereich engagieren. ({3}) Professor Balling, Präsident des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland, hat das von Ministerin Aigner ausgesprochene Anbauverbot scharf kritisiert. Er sagte: Es handelt sich um eine rein politische Entscheidung, die nichts mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun hat. Er hat dies auch ausgesprochen gut begründet: Er stellt fest, dass die sogenannten neuen Anhaltspunkte nichts als alte Erkenntnisse sind. Wir wissen seit Langem, dass der Mais eine insektizide Wirkung hat. ({4}) - Liebe Waltraud, kannst du nicht einmal den Mund halten und zuhören, wenn jemand etwas sagt, das in der Diskussion tatsächlich weiterhilft? ({5}) Ich glaube, wenn man so etwas dezidiert ablehnen möchte, ist es an der Zeit, sich intensiv damit zu beschäftigen. Es gilt, was ein Kabarettist gesagt hat: 89 Prozent der Menschen in Deutschland haben sich nie mit Gentechnik beschäftigt, aber 104 Prozent sind dagegen. Das muss uns doch aufmerken lassen. ({6}) - Danke; ihr habt es gemerkt. Man kann mit Fütterungsversuchen niemals die Wirkung einer Pflanzensorte im Freiland nachweisen. Das sollte auch der Ministerin bekannt sein. Vor diesem Hintergrund hat Professor Balling sehr recht, wenn er darauf hinweist, dass Ministerin Aigner eine rein politische Entscheidung getroffen hat. ({7}) Wenn wir uns aus der Forschung verabschieden, verabschieden wir uns auch von der Möglichkeit, selbst Erkenntnisse zu gewinnen und selbst zu entscheiden, wie wir mit Grüner Gentechnik umgehen wollen. Wir haben schon jetzt gesehen: Unternehmen aus Deutschland engagieren sich finanziell in China, bauen dort Forschungsinstitute auf; Bayer hat sich aus Potsdam verabschiedet und geht nach Gent in Belgien. All dies sind keine Maßnahmen, die in einer Wirtschaftskrise dazu angetan sind, tatsächlich hier in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen. ({8}) - Ich weiß, die Grünen brauchen keine Arbeitsplätze; aber es gibt in diesem Land eine Menge Menschen, die ihr Geld mit eigener Arbeit verdienen wollen und nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sein wollen. Öffentliche Forschung kann nur dann private Forschung nach sich ziehen, wenn es eine echte Anwendungsperspektive gibt. Vor diesem Hintergrund kritisiere ich die Entscheidung von Frau Aigner und selbstverständlich den Antrag der Grünen. Ich will darauf hinweisen, dass drei Aussagen im Antrag der Grünen falsch sind. Es werden dort Behauptungen erhoben, die richtiggestellt werden müssen. Honig, der Bt-Mais-Pollen enthält, ist sehr wohl verkehrsfähig. ({9}) Das Augsburger Urteil ist nicht rechtskräftig. Es gibt aber viele rechtskräftige Urteile, nach denen dieser Honig verkehrsfähig ist. Er ist in keiner Weise in seiner Qualität gemindert; das sollten wir den Imkerinnen und Imkern einmal deutlich sagen. Bt-Sorten sind keine kritischen Sorten, sondern haben erheblich dazu beigetragen - das Beispiel Indien habe ich genannt -, Leid in den Ländern der Dritten Welt und in Schwellenländern zu mindern; Stichwort: Ernährungssicherheit. Somit sind die formulierten Feststellungen falsch, und die von Ihnen erhobenen Forderungen sind genauso falsch. ({10}) - Das ist überhaupt nicht widerlegt. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss. - Die an der Studienwoche teilnehmenden Wissenschaftler plädieren für eine Entbürokratisierung der Zulassungsverfahren. Ich halte dies für richtig. Ich möchte noch eines anmerken: Die Bundesregierung spricht sich immer für eine größtmögliche Transparenz der Zulassungsverfahren aus. Ich würde mich freuen, wenn ihre Institutionen genauso transparent handeln würden. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, ich muss Sie eindringlich mahnen, jetzt zum Ende zu kommen. ({0})

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin bei meinem letzten Satz. - Ich finde es entsetzlich, dass ein Institut, das für Transparenz plädiert - ich meine das Bundesamt für Naturschutz -, selbst keine Transparenz praktiziert und mir die Zusendung des Gutachtens verweigert. ({0}) Das ist nicht in Ordnung. Danke schön. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Rednerliste stehen noch drei Rednerinnen. Ich bitte Sie, die Lautstärke so zu dämpfen, dass diejenigen, die den Rednerinnen zuhören wollen, auch die Chance haben, sie zu hören. Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion. ({0})

Elvira Drobinski-Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003705, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über das Thema MON 810 haben wir hier bereits ausführlich diskutiert, zuletzt in einer Aktuellen Stunde; der Kollege Röring hat das schon angesprochen. Deshalb fasse ich mich heute etwas kürzer. Ich denke, ich werde meine Redezeit nicht ausschöpfen müssen. Dass akuter Handlungsbedarf besteht, hat sich inzwischen erledigt. Im Koalitionsvertrag heißt es: Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts. Vielleicht interessiert das ja auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Auf diesen Grundsatz haben wir uns verpflichtet. ({0}) Mit dem Verbot des Anbaus von MON 810 hat Ministerin Aigner am 14. April 2009 endlich der Koalitionsvereinbarung entsprochen. Bundesminister Gabriel hat im März 2009 gegen die Untersagung des in Österreich und Ungarn bereits seit längerem bestehenden Verbots des Anbaus von MON 810 gestimmt. Wir begrüßen dieses Vorgehen ausdrücklich; denn das Verbot von MON 810 entspricht dem Vorsorgegrundsatz. ({1}) Die Firma Monsanto hat mit einem Eilantrag versucht zu erreichen, dass dieses Verbot aufgehoben wird. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat diesen Eilantrag abgewiesen. In der Begründung hoben die Richter hervor - ich zitiere aus einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Braunschweig -: Nach vorläufiger Prüfung bestehe eine Gefahrenlage, wie sie das Gentechnikgesetz für ein solches Verbot verlange. ({2}) Ich zitiere weiter aus dieser Presseerklärung ({3}) - ja, das muss sein; was wahr ist, muss formuliert werden, Frau Klöckner -: Es gebe zwar keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass der Genmais zu erhöhten Gefahren für die Umwelt führe. Neuere Untersuchungen könnten jedoch darauf hindeuten, ({4}) dass der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur gegen den Schädling wirke, der damit bekämpft werden solle, sondern auch gegen weitere Insekten. Außerdem sei nach aktuellen Studien davon auszugehen, dass sich die Genmais-Pollen deutlich weiter verbreiten können, als dies bisher angenommen wurde. So weit die Presseerklärung des Verwaltungsgerichts Braunschweig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in solchen Fällen muss der Vorsorgegrundsatz gelten und der Schutz von Mensch und Umwelt Vorrang haben. ({5}) Wir haben bereits seit langem das Verbot des kommerziellen Anbaus von MON 810 gefordert; nun ist es endlich so weit. Wir haben aber auch gefordert, dass es einen klaren Kurs in Sachen Grüne Gentechnik geben muss. Einen solchen klaren Kurs kann ich bei unserem Koalitionspartner allerdings nicht erkennen. Mit MON 810 sind nicht alle Probleme vom Feld. Auch bei den demnächst auf der EU-Ebene zur Zulassung anstehenden Maiskonstrukten Bt 11 und Bt 1507 können negative Effekte auf Nichtzielorganismen nicht ausgeschlossen werden. Auch hier muss der Vorsorgegrundsatz gelten, muss die Zulassung abgelehnt werden. ({6}) Wir brauchen Stringenz in Sachen Grüne Gentechnik; aber es ist bei dem Durcheinander bei unserem Koalitionspartner nicht einfach, politisch etwas auf den Weg zu bringen. ({7}) Die CSU positioniert sich in Bayern anders als in Berlin. ({8}) Während in München ein Verbot der Grünen Gentechnik plötzlich ein Gebot der Ethik ist, wird in Berlin ihr Einsatz unterstützt. Während die CSU in München Verbindlichkeit für gentechnikfreie Regionen fordert, verweigert sie in Berlin unseren Anträgen zur Umsetzung dieser Forderung die Zustimmung. So kann man mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht umgehen. ({9}) Wir brauchen in Sachen Grüne Gentechnik einen klaren Kurs. Dieses Thema ist den Menschen zu wichtig, als dass sich Deutschland bei jeder Entscheidung auf EU-Ebene enthalten kann, weil sich CDU/CSU-geführte Ministerien nicht auf eine Linie einigen können. Die Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen die Grüne Gentechnik ab. Die Ergebnisse der Umfrage, die Emnid vor kurzem in Bayern zum Verbot des Anbaus von MON 810 durchgeführt hat, sind allen bekannt: 72 Prozent der bayerischen Bevölkerung und sogar 76 Prozent der CSU-Wähler ({10}) fordern, den Anbau von MON 810 zu verbieten. Sogar 59 Prozent der FDP-Wähler schließen sich dieser Forderung an. ({11}) Zu einem klaren Kurs in Sachen Grüne Gentechnik gehört, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern keine gentechnisch veränderten Produkte aufgezwungen werden dürfen. Wir müssen gemeinsam auf EU-Ebene aktiv werden, damit die Kennzeichnungslücke bei den tierischen Produkten geschlossen wird. ({12}) Auf nationaler Ebene müssen wir endlich die bereits vereinbarte Informationskampagne zur „Ohne Gentechnik“Kennzeichnung starten, zum Beispiel mit einem einheitlichen Logo. ({13}) Gentechnikfreie Regionen brauchen Rechtssicherheit, brauchen Verbindlichkeit. Nach derzeitigem Recht können sie gefährdet werden, sobald sich einzelne Grundstücksbesitzer dafür entscheiden, Parzellen mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu bestellen. Wir haben Vorschläge zur Absicherung der gentechnikfreien Regionen vorgelegt. Die CSU macht zwar Wahlkampf mit der Forderung nach Verbindlichkeit für gentechnikfreie Regionen, unsere Anträge dazu hat sie aber wie die CDU abgelehnt. Wie erklären Sie das den Menschen in Bayern eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU? Die Beschlussempfehlung, über die wir hier heute abstimmen, sieht die Ablehnung des Antrages der Grünen mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen“ vor. Wir stimmen dieser Beschlussempfehlung zu und lehnen den Antrag ab. Mit dem Verbot des Anbaus von MON 810 hat sich dieser Antrag nämlich im Wesentlichen erledigt. Wir erwarten aber von Ministerin Aigner, dass sie nun, nach dem Verbot des Anbaus von MON 810, konsequent die Schritte einleitet, die zur Durchsetzung des Vorsorgeprinzips anstehen, sei es bei der Abstimmung über die Zulassung des Anbaus von Bt 11 oder Bt 1507, sei es bei der Abstimmung über eine Neuzulassung des Anbaus von MON 810, sei es beim Schutz der gentechnikfreien Regionen. Trotz großer Sympathie für die Vorschläge der Grünen, wegen großer Sympathie für das Vorgehen von Frau Aigner in Sachen MON 810 stimme ich der Beschlussempfehlung zu. Es ist mir aber ein Anliegen, hierzu gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine persönliche Erklärung abzugeben. Ich habe sie schriftlich eingereicht, und 60 Kolleginnen und Kollegen haben sie mit mir unterzeichnet. Wir unterstützen die Aufforderung an Frau Aigner, sich weiterhin für den Schutz der Umwelt und des Menschen einzusetzen. Vielen Dank. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Zu dem Entschluss, sich hier deutlich zu artikulieren und diese Möglichkeit der Geschäftsordnung zu nutzen, kann man der SPD nur gratulieren. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Durch das Verbot des kommerziellen Anbaus des Genmais MON 810 wurde einiges erreicht. Dieses Jahr sind die Risiken ungewollter Verbreitung von Pollen und Erntegut sowie die Risiken auf den hiesigen Äckern geringer. Forschungsversuche im Freiland mit Mais, Kartoffeln und Gerste wurden allerdings erlaubt. Es gibt also keinen Grund zur Entwarnung. Laut der Statistik eines industrienahen Verbandes wurden im Jahr 2008 weltweit 125 Millionen Hektar mit transgenen Pflanzen bestellt. Was aber viele nicht wissen, ist, dass es sich dabei gerade einmal um vier Pflanzenarten - Soja, Baumwolle, Mais und Raps - handelt. Es geht vor allen Dingen um zwei Eigenschaften, die genetisch verändert werden: die Unempfindlichkeit gegen Unkrautvernichtungsmittel und die Unempfindlichkeit gegen Schadinsekten. Allein das macht deutlich, dass es den Agrogentechnikkonzernen nicht um die Lösung von Menschheitsproblemen, sondern um die Eroberung eines lukrativen Marktes geht. ({0}) Die Landwirtschaft soll an diesen Konzernen nicht mehr vorbeikommen. Deshalb befinden wir uns mitten in einem globalen Freilandversuch - Ausgang ungewiss. Die negativen Nachrichten mehren sich. Ernten und Lebensmittel werden unkontrolliert und ungewollt kontaminiert und somit entwertet. Plötzlich bildet Mais keine Maiskolben mehr. Im Vergleich zu den Preisen für Sorten, für die gentechnikfreies Saatgut verfügbar ist, steigen manche Saatgutpreise deutlich. Die Umwelt wird nicht entlastet. Die biologische Vielfalt und die Kulturpflanzenvielfalt nehmen ab. Der Saatgutmarkt wird monopolisiert. Der Vormarsch von Monokulturen wird beschleunigt. Regionale Sorten verschwinden. Die Esskultur wird internationalisiert. Ursprungszentren uralter Kulturpflanzen werden unwiederbringlich verunreinigt. Warum das alles? Monsanto und seine Unterstützer aus Wirtschaft und Politik haben einen Plan. Sie greifen nach Boden, nach dem Saatgutmarkt und nach den Landwirtschaftsbetrieben. Kurz: Sie wollen die Kontrolle über unsere Lebensmittel und damit über einen zentralen Bestandteil unseres Lebens. Sie maximieren ihre Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit. Die Risiken trägt die Gesellschaft. ({1}) Über das Patentrecht wird ein Grundrecht von Bäuerinnen und Bauern zumindest eingeschränkt: der freie Austausch von Saatgut und die Verwendung eines Teils der Ernte für die Wiederaussaat. Dieses sogenannte Nachbaurecht ist aber die Grundlage der bäuerlichen Landwirtschaft, vor allen Dingen in sogenannten Entwicklungsländern. 75 Prozent des weltweit vorhandenen Saatguts befinden sich noch in den Händen der Bäuerinnen und Bauern. Das ist ein riesiger Markt, den die multinationalen Agrarkonzerne in ihre Hände bekommen wollen. Darum geht es bei der Agrogentechnik. Es geht nicht um die Lösung des Welthungerproblems oder die Heilung Tausender kranker Kinder in Indien. ({2}) Hunger ist nicht die Folge fehlender Nahrungsmittelproduktion, sondern die Folge ungerechter Verteilung und fehlender Zugänge zu Boden, Saatgut, Dünger und Wasser. Diese Probleme werden nicht durch Agrogentechnik gelöst, sondern verschärft. Bäuerinnen und Bauern dürfen zum Beispiel nicht mehr auf eigenes Saatgut zurückgreifen, wodurch eigene Kulturpflanzen verloren gehen. Sie müssen Lizenzgebühren bezahlen. Eigentlich müssen die Forderungen folgendermaßen aussehen: Erstens muss die Marktmacht von Saatgutkonzernen einge24262 schränkt werden. Zweitens müssen die regionale Ernährungssouveränität und das Recht auf Nahrung gesichert werden. Das bleibt das Ziel der Linken. ({3}) Die Grünen fordern wenigstens erste Schritte, die wir unterstützen. Das Verbot von MON 810 ist erreicht. Die Genmaissorten Bt 11 und Bt 1507 dürfen nicht zugelassen werden. Die EU-Zulassungsverfahren für Genpflanzen müssen die Vorsorge sichern. Risikoforschung muss unabhängig erfolgen und kritische Stimmen einbeziehen. Am Ende muss auf jeden Fall gelten: Wenn Genpflanzen nicht sicher sind, müssen sie sich vom Acker machen. Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzte Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind jetzt nicht hier, weil wir kein Zuhause haben, sondern deswegen, weil es im Rahmen einer Abstimmung um die Glaubwürdigkeit dieses Parlamentes, des Deutschen Bundestages, und eines großen Teils seiner Fraktionen geht. ({0}) Es ist nicht so, dass sich unser Antrag „Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen“ erledigt hat. Wir sind ungeheuer froh, dass es das Verbot von MON 810 gibt. Das ist das Verdienst der Umweltverbände, der Verbraucher, der Imker, der Landwirte, der Grünen und all derjenigen, die sich dafür eingesetzt haben. ({1}) Es geht aber natürlich nicht nur um eine Einzelfallentscheidung, Herr Röring, sondern letztendlich darum, den Anbau von Genmais insgesamt zu stoppen, die Gefahren deutlich zu machen und Konsequenzen aus dem zu ziehen, was das Bundesamt für Naturschutz und das BVL hierzu festgelegt haben. ({2}) Darum muss es auch heißen: Es darf keine Verlängerung der EU-Zulassung geben. Frau Aigner und die Bundesregierung müssen sich dagegen aussprechen. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Höfken, unterbrechen Sie Ihre Rede bitte einmal für eine kurze Zeit.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das tue ich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Es ist unerträglich laut hier im Plenarsaal, ({0}) und ich bin der Meinung, dass wir der Rednerin jetzt gemeinsam zuhören sollten.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich glaube, das ist die Verlegenheit der CDU/CSU, die sie nicht anders verbergen kann. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Höfken, warten Sie bitte noch etwas, bevor Sie mit Ihrer Rede fortfahren.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es geht natürlich auch um das Verbot der weiteren noch in diesem Sommer zur Zulassung anstehenden Genmaissorten Bt 11 und Bt 1507, die zu allem Überfluss auch noch resistent gegen das Herbizid Glufosinat sind, das wegen seiner extremen Giftigkeit nach der neuen EU-Pestizidverordnung vom Markt genommen werden muss. Diese Gefahren für Mensch und Umwelt müssen im zukünftigen Zulassungsverfahren endlich eine angemessene Berücksichtigung finden. ({0}) Ich will auf eine aktuelle Meldung von heute zu sprechen kommen, um das zu ergänzen, was meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben. Ein großes Einfallstor der Agrogentechnik sind nämlich die importierten Gentechnikfuttermittel. Gerade heute lesen wir, dass Landwirte in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auf verunreinigtem Saatgut sitzen bleiben. Klar ist: Hier sehen wir die Konsequenzen einer Technologie, die die Industrie nicht im Mindesten beherrscht und die im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU, einen unglaublichen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht. Wir alle hier müssen die Schäden der Interessenpolitik der großen Agrarkonzerne tragen, die letztendlich zulasten unserer Umwelt, unserer Landwirtschaft und auch unserer Verbraucher geht. ({1}) Da es um Glaubwürdigkeit geht, will ich auf den Freisetzungsversuch hinsichtlich der Genkartoffel Amflora zurückkommen, den die Ministerin Aigner leider erlaubt hat. Klar ist - das war auch heute Morgen Gegenstand der Diskussion im Ausschuss -, dass seit Dezember letzten Jahres eine solche Freisetzung rechtswidrig ist; denn es heißt in der EU-Freisetzungsrichtlinie, dass Gene, die gegen therapeutisch relevante Antibiotika resistent machen, nicht mehr als Marker verwendet werden dürfen. Ich kann mich wirklich nur wundern: Die EMEA, die Europäische Arzneimittel-Agentur, und die Weltgesundheitsorganisation sagen, dass diese Marker eine Resistenz gegen Antibiotika bewirken, die therapeutisch relevant sein. Sie aber stellen fest: Die EU-Lebensmittelbehörde sagt, das sei anders, und deswegen könne man diese Kartoffel zulassen. - Das ist meines Erachtens ein klarer Rechtsverstoß. ({2}) Eine solche riskante Freisetzung in der Nähe von Rostock in Mecklenburg-Vorpommern ist umso unverständlicher, da wir mit der konventionell gezüchteten Kartoffel Eliane der Firma AVEBE bereits ein Produkt haben, deren Potenzial das Potenzial der Genkartoffel für die Stärkeindustrie und übrigens auch hinsichtlich der nachwachsenden Rohstoffe übertrifft. Heute muss die CSU endlich Farbe bekennen und aufhören, deutsche Meisterin im Positionsspagat zu sein. ({3}) Im Bundestag erleben wir immer eine CSU, die der Agrogentechnik, Monsanto, BASF und Bayer huldigt wie einem neuen Gott. ({4}) Wir hoffen nicht, dass das Wort „Monsanto“ irgendetwas mit dem Vatikan zu tun hat. ({5}) Allerdings steht auch Umweltministerin Conrad aus Rheinland-Pfalz - um noch eine kurze Anmerkung zu den Kollegen von der SPD zu machen - irgendwie auf der falschen Seite. Von den Linken in Rostock hört man ebenfalls wenig. Wir wollen die Menschen für Innovationen begeistern, Frau Happach-Kasan und Herr Röring.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin!

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Jawohl. - Wir wollen die jungen Menschen für den Green New Deal begeistern. „Grün aus der Krise“, wie die Wirtschaftswoche schreibt. Das sagt übrigens auch Herr Keitel vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Ganz falsch können wir nicht liegen. Wir wollen die bäuerliche Milchviehwirtschaft ohne Gentechnikfuttermittel erhalten. Ich hoffe, das wollen Sie alle mit uns. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verän- dertem Mais stoppen“. Zur Abstimmung über diese Be- schlussempfehlung liegen mir viele Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor.1) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 16/12841, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11919 abzu- lehnen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab- stimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Markus Löning, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Globalen Freihandel stärken - Protektionismus bekämpfen - Drucksache 16/10311 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({0}) Auswärtiger Ausschuss Finanzausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Erich Fritz, CDU/CSU, Rolf Hempelmann, SPD, Gudrun Kopp, FDP, Ulla Lötzer, Die Linke, und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Antrag der FDP, der zu diesem Tagesordnungs- punkt führte, stammt aus der Zeit zu Beginn der Finanz- krise und der Hochphase des US-amerikanischen Wahl- kampfes, als es viele Anzeichen gab, die berechtigte Befürchtungen laut werden ließen, es könne zu einer Spirale von Protektion kommen und die Fehler der 30er- Jahre könnten sich wiederholen. In der Zwischenzeit ist klar geworden, dass insbesondere in Europa eine Gleich- 1) Anlagen 40 bis 44 2) Ergebnis Seite 24278 C setzung der Wirtschaftskrisen nicht möglich ist. In Europa bleiben die Märkte offen, stabile Sozialsysteme sichern die Stabilität von Gesellschaften ab, und die Staaten stützen die Wirtschaft und davon abhängige Arbeitsplätze. Seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben sich auch die internationalen Rahmenbedingungen völlig geändert und dafür gesorgt, dass die Märkte immer mehr miteinander verbunden wurden. Das macht gelegentlich schwierige Anpassungsprozesse nötig, hat aber auch den Vorteil, dass es zu einem abgestimmten Vorgehen in der Krise zwingt und jeden selbst schädigt, der versucht, eigene Vorteile mit den Nachteilen anderer zu erkaufen. Die Idee einer supranationalen Institution mit offenen Grenzen, einheitlichen Rahmenbedingungen, demokratischen und marktwirtschaftlichen Prinzipien wurde mit der Gründung der World Trade Organisation einen großen Schritt nach vorne gebracht. Die WTO steht für Freiheit, klare Regeln und Offenheit im Warenverkehr. Auch wenn damit noch nicht die ideale Form weder des Welthandels noch gar einer Global Governance gefunden ist, so ist doch ein stabiles, anerkanntes und vergleichsweise durchsetzungsfähiges internationales Instrument entstanden, das auch den dauernden Erfindungsgeist von Protektionisten sehr begrenzt. Die Anziehungskraft auf Länder, die noch nicht Mitglied der WTO sind, zeigt im Übrigen, dass diese Ansicht weltweit verbreitet ist. Wie wichtig es ist, auf feste Institutionen zu vertrauen, erleben wir aktuell in der tiefsten Krise, der unser Land seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gegenübersteht. Die Finanzmärkte sind labil, und nie zuvor waren wir als Politiker derart gefordert, der Krise Herr zu werden. Noch nie waren auch die Erwartungen der Bürger an die Politik höher. Das lässt an vielen Stellen auch populistische Verhaltensweisen entstehen, die vorgaukeln, der Staat könne mehr als das leisten, wozu er tatsächlich imstande ist. Deshalb ist die Warnung vor protektionistischen Tendenzen durchaus berechtigt und Aufmerksamkeit geboten. Neben der WTO spielt hier auch die Europäische Union eine wichtige Rolle. Als Stimme von 27 Mitgliedstaaten hat sie die Aufgabe, zur Bewältigung der globalen Finanzmarktkrise beizutragen. Die EU hat Handlungsfähigkeit und -kompetenz bewiesen, indem sie schnell und richtig reagiert hat. Erste Maßnahmen wie zielgerichtete Konjunkturpakete wurden eingeleitet. Diese stabilisieren nicht nur die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten, sondern auch die Weltwirtschaft insgesamt. Sprach die Welthandelsorganisation in einer Pressemitteilung vom 24. März 2009 noch von einem Einbruch des weltweiten Handels um 9 Prozent - „The collapse in global demand brought on by the biggest economic downturn in decades will drive exports down by roughly 9 Prozent in 2009, the biggest such contraction since the Second World War“ -, wurde jetzt aktuell in diesem Monat von der EU-Kommission die Hoffnung genährt, eine Verbesserung der weltwirtschaftlichen Lage erwarten zu können. EU-Handelskommissarin Catherine Ashton sagte in einem Interview mit der Financial Times Deutschland: „… wir fangen an, einen Aufschwung zu sehen“. Ich freue mich über diese erfreulichen Nachrichten aus Brüssel. Sie sind Bestätigung dafür, dass die in dem FDPAntrag befürchtete Protektionismuswelle ausgeblieben ist und Länder Vertrauen in den globalen Freihandel haben. Sie haben aus Angst vor dem Bankrott ihrer eigenen Unternehmen eben nicht ihre Märkte abgeschottet. Wer das tut, schneidet die eigenen Unternehmen durch Gegenreaktionen eben auf Dauer auch von ihren Auslandsmärkten ab. Es scheint angekommen zu sein, dass nur mit offenen Märkten auch wieder ein Aufschwung gelingen kann. Dies gilt es weiter zu kommunizieren! Die Bundesregierung übernimmt hierbei bereits eine Vorbildfunktion und muss dies auch weiterhin tun. Gemäß der Aufforderung von Generaldirektor Pascal Lamy - „In London G 20 leaders will have a unique opportunity to unite in moving from pledges to action and refrain from any further protectionist measure which will render global recovery efforts less effective“ - hat sich die Bundesregierung beim Gipfel der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am 2. April 2009 in sinnvoller und wirkungsvoller Weise als Kämpfer gegen den Protektionismus präsentiert. Dem Entschluss der G-20-Staaten, den internationalen Handel mit einer Summe von 250 Milliarden US-Dollar zu unterstützen, ist größte Bedeutung beizumessen. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion wird die Bundesregierung darin unterstützen, dass das Geld an der richtigen Stelle bei den Unternehmen ankommt. Wir sind zuversichtlich, dass sich dadurch die Lage verbessern wird. Auch die Kritik der FDP-Fraktion in Bezug auf die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes ist nicht berechtigt. Das Außenwirtschaftsrecht bietet auch weiterhin kein Einfallstor für Protektionismus. Alleine im Jahr 2007 hat unsere exportorientierte Volkswirtschaft weltweit Direktinvestitionen von 167 Milliarden Euro getätigt. Gleichzeitig gehört Deutschland zu den beliebtesten Investitionsstandorten der Welt. Ausländische Direktinvestitionen sind in Deutschland sehr willkommen. Wir wünschen uns von der Bundesregierung, dass sie auch weiterhin positive Anreize für Auslandsinvestitionen setzt. Das von der FDP kritisierte Gesetz ist eine reine Vorsichtsmaßnahme für extreme Ausnahmefälle, wie die meisten Länder der Welt sie vorhalten. Die EU als größte Handelsmacht der Welt mit einem Bruttoinlandsprodukt von mehr als 12 Billionen Euro im Jahr 2008 übertraf selbst die USA mit 20 Prozent. Wie groß der Nutzen der Globalisierung und des freien Handels innerhalb der EU und über ihre Grenzen hinaus ist, belegen folgende Zahlen des Statistischen Bundesamtes: 64 Prozent der deutschen Warenexporte gingen im Jahr 2008 an das europäische Ausland. Rund 12 Prozent entfielen auf Asien, während circa 10 Prozent der Warenexporte für den amerikanischen Markt bestimmt waren. Auch bei den Importen Deutschlands ist festzustellen, dass sie zu einem großen Teil auf Europa entfielen - 72 Prozent -, gefolgt von Asien - 16 Prozent - und Amerika - 9 Prozent -. Dieser rege internationale Warenverkehr trägt für ein gutes Wirtschaftswachstum und zur Zu Protokoll gegebene Reden Beschäftigungssicherung bei. Die deutsche Wirtschaft ist 2007 um 2,5 Prozent gewachsen, im Boomjahr 2006 sogar um 3 Prozent. Und sowohl in Deutschland als auch Europa ist die Arbeitslosenquote im Jahr 2008 im Vergleich zum Vorjahr gesunken, zum Beispiel von 8,4 auf 7,3 Prozent in der Bundesrepublik. Es ist also deutlich zu sehen, dass offene Märkte der Garant für Wohlstand und Beschäftigung sind. Um an die positiven Effekte der Globalisierung zu erinnern, müssen wir in der Union uns dafür einsetzen, dass folgende Maßnahmen ergriffen werden: Allen protektionistischen Maßnahmen, die einige Nationalstaaten gegen die Rezession zum „Schutz“ ihrer heimischen Wirtschaft anstreben, ist entgegenzuwirken. Ich warne eindringlich davor, Abschottung auch nur in Erwägung zu ziehen. Laut Weltbank sind die Dumpingklagen - die sich gegen den Vorwurf richten, dass ein Unternehmen seine Waren auf den Weltmarkt billiger anbietet als auf dem Heimatmarkt im zweiten Halbjahr 2008 um 17 Prozent gestiegen. Dies wird den Welthandel nicht zum Erliegen bringen, aber es gilt, diesen beunruhigenden Trend in die Schranken zu weisen. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Anträge in der EU zurückgegangen sind. Wir Christdemokraten werben auch dort, wo es Befürchtungen vieler Bürger im Zusammenhang mit dem freien Handel gibt und in der verantwortungslose Wirtschaftsführer die Marktwirtschaft in Verruf gebracht haben, für offene Märkte, weil wir in besonderer Weise mit unseren Arbeitsplätzen davon abhängig sind. Gerade in der aktuellen Krise steigen die Ängste der Menschen und das Misstrauen gegenüber der Marktwirtschaft. Umfragen zeigen, dass lediglich 20 Prozent der Deutschen glauben, dass die Bundesrepublik zu den Gewinnern der Globalisierung zählt. Es gilt, diesen Prozentsatz zu erhöhen und den Versuch zu wagen, Ängste in Vertrauen und Identifikation zu wandeln. Deshalb ist das Ziel einer weltweiten sozialen Marktwirtschaft auch mit einem neuen Aufbruch zu einer internationalen Ordnung verbunden, die den Menschen sowohl in den Industrie- wie den Entwicklungsländern Sicherheit, steigenden Wohlstand und Zukunftschancen verspricht. Protektionismus würde diese Ziele verfehlen und allen schaden. Es besteht die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Die EU ist dabei, über wichtige bilaterale Freihandelsabkommen mit wichtigen Partnern zu verhandeln. Der Verhandlungsstart des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada ist ein wichtiges Zeichen für den freien Welthandel. Laut Informationen des Handelsblatts ergab eine Studie, dass der Abbau von Zöllen und anderen Hemmnissen aufseiten der EU den Handel mit Kanada um jährlich 11,6 Milliarden Euro steigern würde. Auch der Zugewinn Kanadas wäre mit 8,2 Milliarden Euro beträchtlich. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt diese transatlantische Partnerschaft mit Kanada ausdrücklich und setzt sich dafür ein, dass von der Einigung Signalwirkungen für weitere bilaterale Abkommen insbesondere mit den ASEAN-Staaten, Indien und Südkorea ausgehen. In diesem Zusammenhang begrüßt die CDU/CSUBundestagsfraktion auch das Engagement des Bundeswirtschaftsministers bei der Gründung der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer. Zu Guttenberg ist ebenfalls der Meinung, dass der freie Welthandel die richtige Antwort auf die Krise sei. Und das ist gut so. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, an der Aufstellung von globalen Regeln mitzuarbeiten und dort originäre deutsche und europäische Interessen einzubringen, damit am Ende weltweit faire Spielregeln für alle Beteiligten gelten. Vor allem in der WTO gilt es, klare Impulse für den freien Warenverkehr zu geben. Dazu gehören Forderungen nach verbindlichen Zollsenkungsverpflichtungen sowie der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse. Eine Wiederbelebung der Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es ist sehr zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung für einen ausgewogenen und ehrgeizigen Abschluss einsetzt und das Bekenntnis zu einem zügigen Abschluss erneut von den G 20 in ihrer Erklärung vom 2. April bekräftigt wurde. Ein kurzes Schlusswort: Deutschland und Europa haben protektionistischen Tendenzen eine klare Absage erteilt. Obama hat sich von den im Wahlkampf noch angedeuteten protektionistischen Gedanken verabschiedet. Handel ist Teil der Lösung der Krise. Wir sind gefordert, die dahinter stehenden Zusammenhänge zu erklären, damit den Menschen Ängste genommen werden und Zuversicht entsteht. Wichtig ist vor allem, Klarheit über Ziele und den Mehrwert offener Märkte zu kommunizieren. Wir Unionspolitiker versichern, dass wir uns der Verantwortung stellen und Deutschlands offene und soziale Marktwirtschaft gegen Protektionismus verteidigen.

Rolf Hempelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002671, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In einem Punkt stimme ich überein mit der FDP-Fraktion: Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, die festgefahrenen WTO-Verhandlungen wieder ins Laufen zu bringen und die Doha-Runde zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Immerhin gibt die neue US-Administration Anlass zur Hoffnung, dass wir in einem erneuten Anlauf zum Ende dieses Jahres zu einem für alle Seiten tragbaren Kompromiss kommen können. Es ist ja in der Tat so, dass der globale Freihandel grundsätzlich positive Wirkungen auf die allgemeine Wohlfahrt hat. Ganz so unkritisch, wie es die Opposition in dem uns heute vorliegenden Antrag tut, würde ich das allerdings nicht kommentieren. In dem Antrag der FDP lässt sich die Welt auf eine einfache Gleichung reduzieren. Die würde in etwa lauten: Unbeschränkte Handelsfreiheit gleich maximaler Wohlstand. Es ist ja richtig: Wir brauchen offene Märkte. Freier Handel ist eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung. Dabei allein auf den Markt zu setzen, ist jedoch nicht nur riskant, sondern auch kurzsichtig. Sie blenden dabei die ungleiche Einkommensverteilung völlig aus und erwähnen mit keinem Wort, dass der Wohlstand auch bei allen ankommen muss. Arbeitnehmer in Entwicklungsländern profitieren immer noch viel zu wenig von den Erträgen des Welthandels. Gleichzeitig müssen sich die Sozialsysteme westlicher Industrienationen zunehmend in einem Zu Protokoll gegebene Reden globalen Kostenwettbewerb behaupten. Sozialabbau ist jedoch ganz klar der falsche Weg, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Die SPD-Fraktion setzt auf eine faire Liberalisierung des Welthandels unter gleichen Wettbewerbsbedingungen mit den anderen Mitgliedstaaten, auf Wettbewerb, der nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird. Es würde allen Seiten nützen, stärker auf die Durchsetzung von Sozial- und Arbeitsstandards weltweit zu setzen. Die SPD-Fraktion unterstützt bekanntlich die Verankerung von globalen ökologischen und sozialen Mindeststandards im Regelwerk der WTO. Denn wir müssen dafür Sorge tragen, dass der durch Freihandel generierte Wohlstand auch in aller Breite bei der Gesellschaft ankommt. Es ist bedauerlich, dass die Doha-Runde zum Ende des Jahres 2008 ins Stocken geraten ist, konnten doch gute Fortschritte in den Bereichen Agrarsubventionen und Industriezölle erzielt werden, die nun weltweit durch neue protektionistische Tendenzen in Reaktion auf die Wirtschaftskrise wieder infrage gestellt werden. Der Beschluss der EU-Kommission zu Anfang dieses Jahres, der es Exporteuren der EU ermöglicht, subventionierte Butter und Magermilchpulver auf den Weltmarkt zu bringen, stellt nicht nur die jahrelangen Verhandlungen auf WTO-Ebene infrage - schon reagieren erste Schwellenländer wie Russland mit Strafzöllen auf die europäische Initiative -, sondern bedroht auch in unvertretbarem Maße die Lebensgrundlage der ländlichen Bevölkerung in den ärmsten Regionen der Welt. Als stark exportorientiertes Land ist Deutschland auf faire Spielregeln auf den Weltmärkten angewiesen. Diese Tatsache gewinnt mit Blick auf die noch nicht ausgestandene Finanz- und Wirtschaftskrise an Brisanz. Die SPDFraktion erwartet mit Bezug auf die Milchexportsubventionen von der CSU-Landwirtschaftsministerin eine Rückkehr zu vereinbarten Freihandelsgrundsätzen. In diesem Punkt stimmen wir mit der FDP-Fraktion überein. Wir müssen an dem Ziel, europäische Exportsubventionen bis 2013 auslaufen zu lassen, festhalten. Eine weitere Folgewirkung der stagnierenden multilateralen Verhandlungen ist die zunehmende Renationalisierung und Regionalisierung der Handelspolitiken. Zwar ist das insofern nachvollziehbar, als gerade auf regionaler Ebene die Integration deutlich tiefer gehen kann als auf multilateraler Ebene. Gleichzeitig entfalten diese bilateralen oder auf regionale Bündnisse beschränkten Abkommen potenziell immer auch eine Ausschlusswirkung gegenüber Dritten. Es ist richtig und wichtig, dass die EU und auch Deutschland auf bilateralem Wege Fortschritte erzielen, die derzeit auf multilateraler Ebene nicht zu verwirklichen sind. Gleichzeitig muss jedoch gesagt sein, dass dies immer nur der zweitbeste Weg gegenüber multilateral erzielten Vereinbarungen sein kann. Es muss klar sein, dass bilaterale oder regionale Abkommen immer auch dem globalen Freihandel dienen und den Weg zu einer multilateralen Lösung offenhalten müssen. Kurz und gut, es ist unnötig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, darauf hinzuweisen, dass wir vorankommen müssen mit den Doha-Verhandlungen. Es erscheint mir gewissermaßen typisch, so kurz vor Ende der Legislaturperiode darauf hinzuweisen. Sie scheinen mit Ihrem Antrag den Eindruck vermitteln zu wollen, dass die Regierungskoalition und auch die Bundesregierung auf diesem Gebiet geschlafen hätten. Das Gegenteil aber ist der Fall. Wir dringen seit Monaten darauf, die DohaVerhandlungen fortzuführen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Darüber hinaus ist Ihr Antrag in Teilen veraltet. Ihnen ist hoffentlich nicht entgangen, dass die von Ihnen geforderte Zurücknahme des Gesetzentwurfs zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes von der Realität überholt worden ist. Schließlich ist die Novelle im vergangenen Monat bereits in Kraft getreten. Ich möchte noch einmal betonen, dass es sich in diesem Fall nicht, wie von der Opposition unterstellt, um einen Versuch handelt, ein protektionistisches Instrumentarium zu schaffen. Wir haben ein bereits existierendes Prüfrecht für Investitionen - im Bereich von Kriegswaffen und bestimmten Rüstungsgütern auf für die öffentliche Ordnung kritische Infrastrukturen ausgeweitet. Gemeint sind zum Beispiel Netzinfrastrukturen im Bereich der Telekommunikation, Elektrizität oder Transport. Sollte das Beteiligungs- oder Übernahmebegehren eines Großinvestors aus dem Ausland ein Grundinteresse unserer Gesellschaft, wie die Energieversorgungssicherheit, berühren, so bleibt die Bundesregierung mit dem vorliegenden Prüfrecht künftig handlungsfähig - nicht mehr, aber auch nicht weniger. In der Anwendung wird sich die Bundesregierung dabei an die engen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und der EuGH-Rechtsprechung halten müssen. Für Alarmismus in Richtung eines neu entstehenden Protektionismus besteht somit an dieser Stelle kein Anlass. Schlussendlich möchte ich noch einmal betonen, dass die SPD für eine soziale und eine ökologisch nachhaltige Marktwirtschaft einsteht. Der Markt allein kann unsere Probleme nicht lösen. Zunächst sollten alle am generierten Wohlstand teilhaben können. Freihandel ja, aber nur mit sozialen, ökologischen und arbeitsrechtlichen Fortschritten.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

„Einseitige handelsbeschränkende bzw. protektionistische Handelsmaßnahmen sind der falsche Weg zur Überwindung der Finanzkrise“ - so die Bundesregierung am 10. Februar im Kurzbericht zum Sachstand „Buy American“-Klausel. Die Bundesregierung und namentlich Bundeskanzlerin Merkel selbst haben sich in den letzten Monaten mehrfach und bei verschiedenen Gelegenheiten für offene Märkte und Freihandel ausgesprochen. Im Gegensatz zu diesen Bekenntnissen sorgt die Bundesregierung dafür, dass sich Deutschland mehr und mehr zum Hort des Protektionismus entwickelt. Dabei wäre es gerade jetzt in der wirtschaftlich schwierigen Situation wichtig, national und international engagiert für den Abbau von Handelsbeschränkungen zu kämpfen, um damit auch die exportorientierte deutsche Wirtschaft zu unterstützen. Zu Protokoll gegebene Reden Letztes Beispiel der zunehmenden Abschottung des deutschen Marktes ist das Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, das Anfang des Jahres von der schwarz-roten Koalition verabschiedet wurde. Mit den beschlossenen Änderungen kann das Bundeswirtschaftsministerium nun jede größere Beteiligung - ab 25 Prozent - eines ausländischen Investors an einem gebietsansässigen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einer Überprüfung unterziehen. Sieht das Bundeswirtschaftsministerium das schwammige Kriterium einer Gefährdung der „öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ Deutschlands erfüllt, kann es die Rückabwicklung oder Untersagung von Beteiligungsinvestition verordnen. Eine solche Handelsbarriere ist völlig inakzeptabel. Wir Liberalen fordern die Rücknahme dieser Änderungen. Sie sind gefährlich und kontraproduktiv, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ausländische Investoren in Deutschland einen Investitionsbestand von circa 390 Milliarden Euro haben und damit etwa 2 Millionen Arbeitsplätze in unserem Land sichern. Ausländische Investitionen sind essenziell für Deutschland. Das konnte man zuletzt eindrucksvoll erleben, als führende Politiker der Koalitionsparteien händeringend nach ausländischen Investoren für die Opel GmbH suchten. Berechtigte Schutzinteressen Deutschlands bei möglichen Firmenübernahmen bzw. -beteiligungen sind durch das bestehende Kartell- und Wettbewerbsrecht ausreichend abgesichert. Wir brauchen offene Märkte. Auch 2008 war die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands von einer Intensivierung der Handelsbeziehungen geprägt. Deutschland führte in dem Jahr Waren im Wert von 994,9 Milliarden Euro aus - im Gegensatz zu Einfuhren im Wert von 818,6 Milliarden Euro. Damit stiegen die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Prozent. Es ist also nicht nur logisch, sondern zwingend erforderlich, dass sich eine verantwortungsbewusste Handelspolitik auf den Abbau internationaler Handelsbarrieren konzentriert. Noch immer ist der Abschluss der Doha-Runde nicht absehbar. Selbst die in den Verhandlungen bereits erreichten Kompromisse können bis zu einer endgültigen Einigung nicht umgesetzt werden. Angesichts der herausragenden Bedeutung des freien Welthandels und einer multilateralen Welthandelsordnung für Deutschland und seine Wirtschaft muss die Bundesregierung nun auf allen Ebenen in die Offensive gehen, um einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zu erreichen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden der beschleunigte Globalisierungsprozess und der sich ausweitende Weltgüterhandel begleitet und unterstützt von politischen Maßnahmen, die insbesondere in der Weiterentwicklung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, GATT, zur Welthandelsorganisation, WTO, ihren Ausdruck fanden. Das Ergebnis war eine einzigartige Erfolgsgeschichte, im Zuge derer die Zölle der Industrieländer zum Beispiel im verarbeitenden Sektor im Rahmen von acht multilateralen Zollsenkungsrunden von zweistelligen Niveaus auf im Durchschnitt 3 bis 4 Prozent sanken, während der weltweite Handel sich in 50 Jahren vervierzehnfachte. Diese Erfolgsgeschichte kam insbesondere den Entwicklungs- und Schwellenländern und damit der Armutsbekämpfung zugute. Diese Erfolge werden durch die aktuellen Entwicklungen gefährdet. Durch die weltweite Wirtschaftskrise verstärken sich international die Tendenzen, Handelsbarrieren zu errichten. Dies ist insbesondere im Bereich der nichttarifären Handelshemmnisse, wie zum Beispiel bei Produktstandards, beim Missbrauch von Antidumpingund Antisubventionsmaßnahmen sowie diskriminierenden Maßnahmen bei der Zollabwicklung, zu beobachten. Gleichzeitig hat die Zahl der bilateralen Handelsabkommen massiv zugenommen. Alle Mitglieder der WTO sind inzwischen an einem oder sogar mehreren PTAs - Preferential Trade Agreement - beteiligt. Diese PTAs nutzen den Partnern zwar oft, führen in der Regel aber zur Diskriminierung von Drittländern und wirken damit handelsumlenkend. Die Folge sind weltweit steigende Handelsund Transaktionskosten, welche die Entwicklungsländer am stärksten treffen. Deutschland muss sich auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass eine vollständige Öffnung des europäischen Marktes für alle Anbieter erreicht werden kann. Einfuhrzölle und -quoten müssen - wenn nötig, auch einseitig und unkonditioniert - abgebaut werden. Die Marktzugangsdatenbank, MADB, der EU-Kommission sollte zu einem wirksamen Instrument der Erfassung von globalen Handelshemmnissen ausgebaut werden. Jedwede Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse sind in etwa genauso sinnvoll wie das Errichten einer Mauer um das eigene Land. Protektionismus nutzt immer nur einigen wenigen auf Kosten der Allgemeinheit. Aus der Sicht von Nordamerikanern und Europäern ist deshalb letztlich fast jedes Abkommen besser als gar keines. Langfristig schaden tarifäre wie nichttarifäre Handelshemmnisse nur den Verbrauchern im eigenen Land. Deutschland sollte sich deshalb dafür einsetzen, mit dieser Politik ein für alle Mal zu brechen, und zwar zur Not auch einseitig und unkonditioniert. International würde ein solcher Schritt auch alle anderen Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländer massiv unter Druck setzen, ihrerseits auf Zölle und andere Handelshemmnisse zu verzichten. Das jahrelange Warten darauf, dass andere endlich tun, was ohnehin gut für sie ist, muss ein Ende haben. Deutschland als sogenanntem Exportweltmeister stünde es gut zu Gesicht, würde es - durchaus auch im eigenen Interesse - sich dafür einsetzen, dass es Europa ist, das diesen ersten entscheidenden Schritt geht, der es anderen ermöglicht, ihre wahren Interessen zu verfolgen.

Ursula Lötzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003174, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

In 200 Jahren nichts gelernt - so kann man den Antrag der FDP kurz zusammenfassen. „Freihandel schafft Wohlstand“ - da haben Sie sogar Recht, meine Damen und Herren von der FPD. Die Frage ist nur: Wohlstand für wen? Wohlstand für einige wenige globale Player und Armut für viele. Armut für viele Menschen in den Entwicklungsländern, deren regionale Märkte zerstört wurden, die für Hungerlöhne unter unmenschlichen Bedingungen schuften müssen und deren Rohstoffe die InZu Protokoll gegebene Reden Ulla Lötz dustrie im Norden füttern müssen, ob verarbeitende Industrie oder Agrarindustrie. Aber auch Armut in den Industrieländern. Denn die Kehrseite der Exportorientierung, der „Wettbewerbsfähigkeit im globalisierten Weltmarkt“, heißt Reallohnsenkungen, Herausbildung eines Niedriglohnsektors und eine krasse Umverteilung von unten nach oben. Heute noch die Freihandelsideologie hochzuhalten heißt, die Realitäten nicht sehen zu wollen. Das fängt bei der WTO an. Die WTO-Verhandlungen sind längst am Ende. Sie sind einerseits gescheitert, weil sich die Kräfteverhältnisse in der Welt verschoben haben. Die Schwellenländer und stärkeren Entwicklungsländer sind nicht mehr bereit, sich einseitig den Interessen der Industrienationen zu unterwerfen. Andererseits sind sie gescheitert, weil sich in Zeiten der Krise zeigt, dass gerade die Wirtschaftsnationen, die aggressiv versucht haben, die Märkte der Welt für ihre Interessen zu öffnen, sofort zu Abschottungsmechanismen greifen, sobald sie sich davon einen größeren Nutzen versprechen. Es ist an der Zeit, dieses Scheitern auch offiziell einzugestehen und nicht noch mehr Geld für sinnlose Verhandlungen aus dem Fenster zu werfen. Gerade die Deregulierung und Liberalisierung der Güter- und Finanzmärkte haben uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind: in die tiefste Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise seit 1929. Die deutsche Wirtschaft ist extrem auf die Exportmärkte ausgerichtet. Was von Wirtschaft und Regierung als „Exportweltmeisterschaft“ bejubelt und gefördert wird, bedeutet gleichzeitig eine extreme Abhängigkeit von der Nachfrage aus dem Ausland. Bricht diese weg, wie seit Oktober 2008 der Fall, bricht auch die Produktion im Inland drastisch ein. Die fehlende Nachfrage aus dem Ausland kann im Inland nicht aufgefangen werden. Wer sollte das auch tun, wenn seit vielen Jahren Binnennachfrage, ob privat oder staatlich, systematisch zerstört wird. Der Weg, der an den Abgrund geführt hat, sollte nicht blind weiter beschritten werden. Sonst kommt ein tiefer Fall. Anstatt weiter das Freihandelscredo zu singen, muss die Binnennachfrage aufgebaut und gestärkt werden. Anstatt weiter auf Dumpinglöhne zu setzen, muss ein gesetzlicher Mindestlohn von mindesten 8,71 Euro wie in unserem französischen Nachbarland eingeführt werden. Anstatt den Staat weiter zu marginalisieren und Steuersenkungen zu fordern, muss die staatliche Nachfrage gestärkt werden. Nur wenn die Binnenkonjunktur mit höheren Löhnen, höheren Sozialleistungen und öffentlichen Investitionen belebt wird, kann die Volkswirtschaft ihre inzwischen gefährlich einseitige Abhängigkeit vom Export mildern. Anstatt den Markt „frei walten zu lassen“ und damit unterzugehen, ist es notwendig, den politischen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen zurückzugewinnen. Es ist ein legitimes Interesse, aus industriepolitischen, sozialpolitischen oder ökologischen Gründen den Handel und Direktinvestitionen zu regulieren. Schließlich müssen Politik und Wirtschaft den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Mit ihrer Freihandelsideologie, Kolleginnen und Kollegen der FDP, sind Sie ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert. Wir brauchen eine Stärkung der staatlichen Regulierung und staatlichen Mitsprache im Wirtschaftsgeschehen. Soziale, ökologische und Menschenrechtsinteressen müssen Vorrang vor privaten Profitinteressen erlangen. Und eine starke Wirtschaftsdemokratie muss dafür sorgen, dass die Kolleginnen und Kollegen und die Gesellschaft über die Zukunft der ökonomischen Entwicklung mitbestimmen können.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die FDP hat wieder einmal ein Antrag eingebracht, der in seiner Radikalität kaum zu überbieten ist. Im Grunde genommen will die FDP jegliche Handelsbeschränkungen abschaffen und fordert einen blinden, schnellen und unkontrollierten Abbau aller Handelsbarrieren in der Europäischen Union, um die Europäische Union als „Vorzeigefreihändler“ im internationalen Handel zu positionieren. Dem können wir so nicht zustimmen. Mit dem Slogan „Freihandel schafft Wohlstand“, den die FDP bemüht, hat sie zwar in vielen Fällen recht, doch trifft dies ganz bestimmt nicht in jedem Fall zu. Das hat sich in der ökonomischen Debatte und der Praxis gezeigt. Mittlerweile hat sich auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur die Erkenntnis durchgesetzt, dass Freihandel in manchen Fällen auch negativ für die Beteiligten sein kann. Dass solche Einschränkungen der reinen Lehre des freien Marktes, wie sie von der FDP immer wieder vertreten wird, die FDP wenig beeindruckt, erstaunt allerdings wenig. In der Praxis ist offensichtlich, dass bedingungsloser Freihandel, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, auch soziale Verwerfungen hervorrufen kann und nicht, wie die FDP behauptet, immer armutsbekämpfend wirkt. Die segensreichen Wirkungen des Freihandels sind auch in Bezug auf Umwelt- und Klimaaspekte fraglich. Hier bietet die Handelspolitik zahlreiche Instrumente, um ökologische Leitplanken zu definieren, Einfluss auf Warenströme zu nehmen und Produktionsweisen zu beeinflussen. Das ist ein weiterer Grund, weswegen wir dem bedingungslosen Freihandel skeptisch gegenüberstehen und eine Weiterentwicklung der handelspolitischen Instrumente fordern. Deswegen brauchen wir soziale und ökologische Kriterien im Welthandel. Und insbesondere arme Länder müssen sich in Einzelfällen auch gegen den Freihandel schützen können. Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ein in dieser Weise regulierter und mit sozial-ökologischen Leitplanken versehener Freihandel wirkt sich positiv für alle aus. Wir würden es deshalb auch begrüßen, wenn die Doha-Runde in diesem Sinne zügig abgeschlossen würde. Protektionistischen Einschränkungen des Welthandels stehen wir kritisch gegenüber, und so enthält der Antrag der FDP durchaus Forderungen, die aus unserer Sicht in die richtige Richtung gehen. So lehnen wir zum Beispiel ebenfalls die bereits in Kraft getretene dreizehnte Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes ab, mit der die Bundesregierung ein nicht spezifiziertes oder auf bestimmte Branchen begrenztes Prüf- und Untersagungsrecht bei Zu Protokoll gegebene Reden er ({0}) ausländischen Beteiligungen an deutschen Unternehmen eingeführt hat. Dieses Gesetz nützt nichts und ist eher schädlich. Es macht einfach keinen Sinn, dass die Bundesregierung jegliche Beteiligungen von EU-Ausländern an deutschen Unternehmen, an denen mehr als 25 Prozent der Anteile erworben werden, prüfen möchte. Wir sind der Meinung, dass wir unter anderem durch Instrumente des Wettbewerbsrechts Missbrauch verhindern können. Eine Diskriminierung ausländischer Beteiligungen von Investoren, die außerhalb der Europäischen Union ansässig sind, lehnen wir genauso wie die FDP ab. Auch wir fordern die Bundesregierung auf, dieses Gesetz zurückzunehmen. Also Förderung des freien Welthandels und Abbau von Schranken ja, aber eine Ideologisierung des Freihandels ohne soziale und ökologische Regeln nein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/10311 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, HansJosef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Neue Kohlekraftwerke verhindern - Genehmigungsrecht verschärfen - Drucksachen 16/10617, 16/12916 Berichterstattung: Abgeordnete Andreas Jung ({1}) Marco Bülow Eva Bulling-Schröter Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Andreas Jung, CDU/CSU, Gerd Bollmann, SPD, Horst Meierhofer, FDP, Hans-Kurt Hill, Die Linke, und Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir beraten den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Neue Kohlekraftwerke verhindern - Genehmigungsrecht verschärfen“. Gleich zu Beginn will ich sagen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt diesen Antrag ab, weil wir der Überzeugung sind, dass wir mit dem Emissionshandel ein wirksames Instrument zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes aus Kohlekraftwerken haben. Zudem stellen die bestehenden Regelungen beim Genehmigungsrecht bereits heute hohe Anforderungen. Die Entwicklung des Emissionshandels hat gezeigt, dass durch ihn der Ausstoß von Treibhausgasen durch Kohlekraftwerke massiv gesenkt werden kann. Dies zeigt der NAP II, den wir im Jahr 2006 beschlossen haben. Mit diesem ist es gelungen, den Ausstoß von CO2 der Kohlekraftwerke um 43 Millionen Tonnen CO2 jährlich auf 456 Millionen Tonnen zu reduzieren. Dies entspricht einer Reduktion von 8,7 Prozent. Gemessen am Anlagenbestand des NAP I erfolgte mit dem NAP II sogar eine Reduktion um 57 Millionen Tonnen und damit eine Minderung von 11,5 Prozent. Zudem wurde mit dem NAP II erstmals das Instrument der Versteigerung eingeführt. Seitdem werden die Zertifikate nicht mehr - wie noch in der ersten Emissionshandelsperiode - umsonst an die Kraftwerksbetreiber abgegeben. 10 Prozent - und damit das zu diesem Zeitpunkt höchste zulässige Volumen - der Zertifikate müssen von den Konzernen ersteigert werden. Damit wurde noch mehr Druck für Klimaschutz und CO2-Reduzierung erzeugt. Dieser Weg wird konsequent fortgesetzt mit den auf europäischer Ebene beschlossenen Regelungen. So wurden zur Umsetzung der ehrgeizigen Ziele Reduktion der klimaschädlichen Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und Erhöhung der Energieeffizienz bis 2020 um ebenfalls 20 Prozent ebenso ehrgeizige wie konkrete Maßnahmen im Bereich des Emissionshandels beschlossen. Ein Durchbruch war dabei die Einigung auf eine hundertprozentige Versteigerung der Zertifikate im Bereich der Kohlekraftwerke. Dadurch wird nicht nur der Druck für noch mehr Klimaschutz, für drastische Reduzierung der Emissionen der Kohlekraftwerke in Deutschland massiv verstärkt; wir erreichen dies in der ganzen Europäischen Union. Dies belegt, dass der Emissionshandel ein scharfes Schwert für Klimaschutz und gegen CO2-Emissionen ist. Unser gemeinsames Ziel sollte sein, den Weg der massiven Reduzierung von Treibhausgasen mit unseren europäischen Partnern weiter zu gehen. Dies gelingt durch immer ehrgeizigere Ziele im Rahmen des europäischen Emissionshandels. Diesen europäischen Emissionshandel wollen wir dann verbinden mit heute schon bestehenden Emissionshandelssystemen. Wir werden ihn weiterentwickeln zu einem effizienten internationalen Emissionshandel. Dadurch kommen wir unserem Ziel, einem global wirksamen Klimaschutzregime, einen ganz entscheidenden Schritt näher. Wir müssen also das bestehende Instrument weiterentwickeln. Einen nationalen Sonderweg, wie er in dem Antrag der Grünen vorgeschlagen wird, lehnen wir demgegenüber ab.

Gerd Bollmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003508, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In dem Antrag „Neue Kohlekraftwerke verhindern“ wird die Forderung gestellt, die Wirkungsgrade gesetzlich auf mindestens 58 Prozent festzusetzen, obwohl klar ist, dass eine Festlegung von Mindestwirkungsgraden überhaupt nicht möglich ist. Es gibt nun einmal eine EURichtlinie, die einen Mindestwirkungsgrad ausschließt. Nach Art. 9 Abs. 3 der IVU-Richtlinie der EU-Richtlinie 2008/1/EG vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, kodifizierte Fassung, dürfen für Kohlekraftwerke, die der Emissionshandelsrichtlinie der EU unterfallen, grundsätzlich keine Emissionsgrenzwerte für direkte CO2Emissionen und somit auch keine Wirkungsgradgrenzen festgelegt werden. Daran lässt sich nicht rütteln. Reden wir also über die Absicht der Antragsteller. Sie fordern einen gesetzlichen Mindestwirkungsgrad. Grundsätzlich ist es richtig, die Wirkungsgrade zu erhöhen. Das wollen wir auch. Sie wollen aber in Wirklichkeit nicht effizientere Kohlekraftwerke, sondern durch die Vorgabe von Wirkungsgraden über Umwege generell einen Neubauverbot von Kohlekraftwerken durchsetzen. Dies schreiben Sie ja dann in Ihrer Begründung: Bis zur Einführung von CCS „muss aber ein Moratorium für neue Kohlekraftwerke durchgesetzt werden“. Was denn nun? Höhere Wirkungsgrade oder ein Verbot von zukünftigen Kohlekraftwerken? Zu einem Moratorium kann ich nur sagen: Wir brauchen kein Neubauverbot. Die erforderliche Beschränkung hinsichtlich des CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwerken erfolgt durch den Emissionshandel. Der Vorrang des Emissionshandels vor dem Ordnungsrecht macht im Falle von CO2 Sinn, weil Kohlendioxid bei der gesamten weltweiten Verbrennung von fossilen Energieträgern freigesetzt wird und sich in der Atmosphäre anreichert. Durch die Festlegung einer Gesamtbegrenzung, die nicht überschritten werden darf - Cap -, ist der Spielraum für neue Kraftwerke begrenzt. Und dieser Spielraum wird nicht größer, sondern kleiner. Das volle Wasserglas wird immer leerer. Der Emissionshandel und die Begrenzung sind der vernünftige Weg, die erforderlichen Emissionsminderungen sicher zu erreichen, und das auf wirtschaftlichem Wege. Zusätzliches Ordnungsrecht würde den eigentlichen Wirkungsmechanismus des Emissionshandels stören und zu zusätzlichem bürokratischen Aufwand führen. Daher schließt die IVU-Richtlinie die Einführung von CO2-Grenzwerten aus. Auch wenn der Emissionshandel nicht das Allheilmittel zur Rettung des Weltklimas ist, er bleibt das zentrale Instrument zur Senkung der Kohlendioxidemissionen in der Stromerzeugung. Eines ist klar: Wir brauchen eine Erneuerung des Kraftwerkparks. Es wird keiner bezweifeln, dass es hier einen erheblichen Erneuerungsbedarf gibt. Es sind noch viel zu viele alte Kohlekraftwerke am Netz, die bei weitem nicht den Wirkungsgrad erzielen, der heute technisch möglich wäre. Das ist absolut ineffizient. Je früher wir diese Kraftwerke abschalten, umso besser. Bei der Erneuerung des Kraftwerksbestandes müssen wir aber dafür Sorge tragen, dass unsere Klimaziele nicht gefährdet werden. Das heißt, wir müssen zu einer Struktur kommen, die den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht behindert. Erneuerbare und fossile Kraftwerke müssen miteinander in der Struktur vereinbar sein. Wenn uns die Emissionshandelsrichtlinie zum Beispiel ermächtigt, neue Kraftwerke mit 15 Prozent zu fördern, dann sollten wir diesen Rahmen ausnutzen, das heißt, wir müssen sehen, dass diese mögliche Förderung den hocheffizienten Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung zugutekommt. Wenn wir an dieser Stelle über den Bau bzw. Nichtbau von Kohlekraftwerken diskutieren, so muss hier noch einmal klar gesagt werden: Dass wir keine Befürworter eines Neubauverbots von Kohlekraftwerken sind, heißt nicht, dass wir irgendwelche faulen Kompromisse eingehen. An unseren Zielen beim Klimaschutz, beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bei der Effizienz werden wir nicht rütteln. CCS wird in Deutschland nur mit den höchsten Standards verwirklicht werden. Dazu gehört unter anderem die Frage der Sicherheit der Speicher, aber auch die Frage des Kostenrisikos. Eine Verlagerung des Kostenrisikos auf die Steuerzahler darf es nicht geben. Diejenigen, die planen, in nächster Zeit ein Kohlekraftwerk in Auftrag zu geben, müssen wissen, dass sie das wirtschaftliche Risiko tragen, natürlich auch für den Fall, dass sich CCS als unwirtschaftlich herausstellt. Dafür haben wir ja den Emissionshandel. Noch eine Bemerkung zum Neubauverbot: Wer herausposaunt, dass in Zukunft keine Kohlekraftwerke mehr gebaut werden sollen, der sorgt dafür, dass bei der Atomlobby die Sektkorken knallen. Solche Ankündigungen sind Futter für deren Stromlückendiskussionen. Für die Atomenergiebefürworter wird es deutlich einfacher, der Öffentlichkeit eine bedrohliche Stromlücke vorzugaukeln, wenn sie behaupten können, die anderen wollen nicht nur den Atomausstieg, sondern auch noch den Ausstieg aus der Kohle, die derzeit ja immer noch deutlich über 40 Prozent der Stromerzeugung ausmacht. Es sollte keiner unterschätzen, wie leicht Ängste beim Thema Versorgungssicherheit ausgelöst werden. So viel steht fest: Schlägt das Pendel beim Thema Atomenergie um und werden die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert oder werden sogar Neubauten ins Auge gefasst, werden wir auch Probleme beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien bekommen. Nicht umsonst haben EDF und Eon bei einer Anhörung der britischen Regierung betont, dass ein hoher Anteil von erneuerbaren Energien und Atomkraftwerke nicht miteinander vereinbar sind. Abschließend möchte ich noch eines feststellen. In einem haben Sie recht: Spätere Generationen werden eine Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien haben. Beim Weg dahin unterscheiden wir uns. Wir halten einen Ausstieg aus der Kohleverstromung für unrealistisch.

Horst Meierhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003806, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das Ziel, CO2-Emissionen zu senken, haben wir alle gemeinsam. Das ist unbestritten. Doch bekanntlich führen viele Wege nach Rom; manche sind stolprig und steinig, andere hingegen lassen sich mit Leichtigkeit erlaufen. So ist das auch mit dem Antrag der Grünen: Um CO2 einzusparen, möchten die Grünen durch Tricks im Genehmigungsrecht neue Kohlekraftwerke verhindern. Das ist ein stolpriger Weg, um ans Ziel zu kommen. Zukünftig werden wir Kohlekraft brauchen, damit wir die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten Zu Protokoll gegebene Reden können. Als verantwortungsvolle Partei können wir uns nicht der Illusion hingeben, dass wir trotz einem Ausstieg aus der Atomkraft und einem faktischen Ausstieg aus der Kohlekraft diese aufrechterhalten können. So schön es wäre: Leider ist und bleibt die Vorstellung, dass wir in den nächsten paar Jahren eine hundertprozentige Stromversorgung durch erneuerbare Energien erreichen können, eine Illusion. Ohne die Kohleverstromung wird es auf absehbare Zeit nicht gehen, nicht in Deutschland und weltweit schon gar nicht. Denn im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern ist Kohle nach wie vor in riesigen Mengen vorhanden. Und die Energiegewinnung aus Kohle ist vergleichsweise günstig - in Deutschland und weltweit. Bis wir so weit sind, nur noch regenerative Energien für die Energiegewinnung einsetzen zu können, bis dahin brauchen wir Kohlekraft als Bestandteil eines breiten Energiemixes. Übrigens würden wir dem Klima mit dem Bau von neuen Kohlekraftwerken einen Gefallen tun: Jedes neue Kohlekraftwerk erzeugt weniger Emissionen als ein bestehendes und wird in der Lage sein, CCS nachzurüsten. Ein leichterer Weg hingegen ist, dem Emissionshandel zu vertrauen und dadurch den CO2 - Ausstoß deutlich zu verringern. Dieser Weg hat sich in der Vergangenheit bewährt, und er wird noch effektiver, wenn erst alle Zertifikate ersteigert werden. Festlegungen von Wirkungsgraden, wie Sie es fordern, widersprechen dem Emissionshandel und führen ihn ad absurdum. Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Thema CCS sagen. Wenn ich mich recht erinnere, waren es die Grünen, die vergangene Woche im Plenum massiv gegen die Technologie CCS gewettert haben und darauf hinwiesen, dass diese Technologie nie zum Einsatz kommen werde. Dann frage ich mich, warum Sie in Ihrem Antrag so scheinheilig sind und sagen, Kohlekraft könne es wieder geben, wenn CCS verfügbar sei. Sagen sie es doch gleich: Wir wollen keine Kohlekraft, egal wie effizient sie werden könnte oder wie viele Arbeitsplätze daran hängen. Technologieoffenheit kann man Ihnen wahrlich nicht vorwerfen. Die FDP hält das für falsch. CCS ist weder ein trojanisches Pferd der Kohleindustrie noch wird uns diese Technologie in eine energiepolitische Sackgasse führen; davon bin ich fest überzeugt. Und auch die Ansicht der Deutschen Umwelthilfe, Deutschland setze mit CCS bedingungslos auf eine Technologie, deren Machbarkeit noch nicht geklärt sei, teile ich nicht. Kein Zweifel, noch gibt es bei CCS eine Reihe offener Fragen. Aber die Chancen, die CCS bietet - nämlich den CO2-Ausstoß der Kohlekraftwerke um bis zu 85 Prozent zu senken -, nicht weiter zu prüfen und zu erforschen, sondern aus ideologischen Gründen von vornherein darauf zu verzichten, ist aus Sicht der FDP sowohl klima- als auch energiepolitisch fahrlässig.

Hans Kurt Hill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003767, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

„Bis 2050 müssen die Industrieländer ihren Treibhausgasausstoß um mindestens 80 Prozent senken.“ „Eine vollständige Strombedarfsdeckung mit erneuerbaren Energien ist möglich.“ Und: „Die aktuellen Neubaupläne für konventionelle Kohlekraftwerke … sind nicht mit den Klimaschutzzielen für 2050 vereinbar.“ Das sagt nicht irgendwer, sondern der Sachverständigenrat für Umweltfragen. Dieses wissenschaftliche Beratungsgremium der Bundesregierung hat auch die Aufgabe, „Fehlentwicklungen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung oder Beseitigung aufzuzeigen“. Einzig Bundesumweltminister Gabriel hört nicht auf seine eigenen Berater. Gerade er hätte aber die Möglichkeit, dem Zubau klimaschädlicher Megakraftwerke einen Riegel vorzuschieben. Ein Hauptproblem ist: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz, nach deren Rechtsvorschriften ein Kohlekraftwerk genehmigt wird, erfasst die Klimagase überhaupt nicht. Auch Anforderungen, moderne Techniken einzusetzen, die bei einem beantragten Kraftwerk zu geringeren Belastungen für Mensch und Umwelt führen, kommen zu kurz. Wer die Lösung dieses Problems nicht angeht und gleichzeitig ein CO2-Minderungsziel von 40 Prozent ankündigt, macht den Leuten in Sachen Klimaschutz etwas vor. Darauf weisen nun die Grünen mit ihrem Antrag hin. Allerdings verfehlt die leider sehr allgemein formulierte Vorlage ihr Ziel. Mit der bloßen Festlegung auf elektrische Mindestwirkungsgrade für geplante Kraftwerke kommen wir nicht weit. Die Linke schlägt hier eine deutlich konkretere Vorgehensweise vor: Erstens. Klimagase, allen voran CO2, müssen als gesundheitsschädlich und umweltgefährlich anerkannt werden, wie es unlängst die amerikanische Umweltbehörde EPA durchgesetzt hat. Zweitens. Die Klimagaswirkung von beantragten Kraftwerksanlagen im Genehmigungsverfahren ist gleichberechtigt zu den Luftschadstoffen zu prüfen und zu bewerten. Drittens. Emissionsobergrenzen sind nach der besten verfügbaren Technik sowie einer Pflicht zur Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung festzulegen. Das erfüllen derzeit bei fossilen Brennstoffen Gaskraftwerke. Hierbei sind im Übrigen auch die Luftschadstoffbelastungen deutlich geringer. Viertens. Auch muss es eine Nachweispflicht für Antragsteller geben, dass das gleiche Ziel, nämlich die Erzeugung einer bestimmten Menge Strom und Wärme, nicht auch durch weniger belastende Technologien erreicht werden kann. Fünftens. Für bestehende, also alte Kondensationskraftwerke sollte dann ein elektrischer Mindestwirkungsgrad eingeführt werden, der bis zum Jahr 2050 linear ansteigt. Im Klartext bedeuten solche Regeln eine Ausrichtung auf effiziente und erneuerbare Energietechniken und ein Abschied vom fossilen Energiezeitalter. Eines muss an dieser Stelle auch klargestellt werden: Das Heraufbeschwören einer Stromlücke oder einer angeblich steigenden Abhängigkeit von russischem Erdgas ist blanker Unsinn. So etwas verbreiten nur die Kettenhunde der Energiekonzerne. Tatsache ist: Erstens. Bereits in zehn Jahren kann der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch auf fast die Hälfte steigen, vorausgesetzt, die Bundesregierung knickt nicht vor der fossilen EnergieZu Protokoll gegebene Reden lobby ein. Zweitens. Auf Grundlage der Meseberger Beschlüsse, den KfW-Programmen und der bestehenden Förderung erneuerbarer Energien können im Gebäudebereich große Mengen Heizerdgas eingespart werden. Das reicht, um damit ohne einen Mehrbedarf an Erdgas bis 2030 hocheffiziente Gaskraftwerke mit einer elektrischen Leistung von über 12 000 Megawatt aufzubauen. Das ist gegenüber heute ein Zuwachs um ein Drittel. Dabei ist ein Zubau von Fernwärme noch gar nicht berücksichtigt, der zu einer weiteren Senkung des Erdgasverbrauchs führt. Insgesamt sinkt also der Gasverbrauch bei deutlich höherer Stromgewinnung. Setzen wir also gemeinsam auf eine kluge und klimafreundliche Energienutzung! Das sichert eine stabile Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen und schafft Hunderttausende neuer Arbeitsplätze. Machen Sie mit, Herr Umweltminister!

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Rechtsvorschriften, nach denen in Deutschland Kohlekraftwerke geplant und genehmigt werden, sind dringend reformbedürftig. Auf Klimaschutz und Energieeffizienz nimmt das geltende Genehmigungsrecht keine Rücksicht. Die Einhaltung der Grenzwerte des BundesImmissionsschutzgesetzes reicht in der Regel aus, um einen Anspruch auf den Bau des Kraftwerks zu begründen. Der CO2-Ausstoß oder der Wirkungsgrad des Kraftwerks spielt bei der Genehmigungsentscheidung dagegen keine Rolle. So haben die zuständigen Behörden kaum eine juristische Handhabe, den Bau ineffizienter und extrem klimaschädlicher Kraftwerke zu verhindern. Investoren können unter Androhung von Milliardenklagen die Genehmigung von Klimakillern auch gegen den Willen der zuständigen Behörden erzwingen. Das muss sich ändern, wenn Deutschland seine internationalen Klimaschutzverpflichtungen erfüllen und eine katastrophale Erderwärmung um mehr als 2 Grad verhindern will. Klimaschutz und Energieeffizienz müssen endlich zu wichtigen Faktoren bei der Kraftwerksgenehmigung werden. Dies kann im deutschen Recht kurzfristig am besten durch die Einführung von Mindestwirkungsgraden für neue Kraftwerke geschehen. Ohne eine entsprechende Regelung werden die deutschen Klimaschutzziele von mindestens 40 Prozent CO2-Einsparung bis 2020 und mindestens 80 Prozent CO2-Einsparung bis 2050 nicht zu erreichen sein. Denn mit CO2-Emissionen von 750 bzw. 950 Gramm pro Kilowattstunde stoßen auch die neuesten Braun- und Steinkohlekraftwerke zwei- bis dreimal soviel schädliche Klimagase aus wie moderne Gaskraftwerke. Außerdem lassen sie mit elektrischen Wirkungsgraden von 43 Prozent bis 46 Prozent mehr als die Hälfte der erzeugten Energie ungenutzt verpuffen. Der geplante Neubau von mehr als 20 Kohlekraftwerken würde diese klimaschädliche und ineffiziente Stromversorgung für 50 Jahre und mehr zementieren. Zusammen würden die geplanten Kohlekraftwerke 2050 in etwa soviel CO2 emittieren, wie ganz Deutschland bei Zugrundlegung des 80-Prozent-Einsparziels noch ausstoßen darf. Für die übrige Energieerzeugung, die Industrie, den Verkehr, die Landwirtschaft und die Haushalte blieben dann keine Emissionsrechte mehr übrig - ein völlig unrealistisches Szenario, bei dem am Ende der Klimaschutz auf der Strecke bleiben würde. Deshalb ist die Kohlefrage der Lackmustest für die Ernsthaftigkeit der deutschen Klimapolitik. Klimaschutz versprechen, aber neue Kohlekraftwerke zulassen ist keine glaubwürdige Politik. Aber die Bundesregierung geht ja noch einen Schritt weiter: Sie haben im Dezember im Europäischen Rat durchgesetzt, dass die Mitgliedstaaten neue Subventionen für Kohlekraftwerke verteilen dürfen. Bis zu 15 Prozent der Investitionssumme sollen die Energiekonzerne für ihre geplanten Kohlekraftwerke bekommen können. Das ist kein Klimaschutz, das ist aktive Klimaschädigung auf Kosten der Steuerzahler. Das lässt sich auch nicht unter Hinweis auf den europäischen Emissionshandel schönreden, wie es Umweltminister Gabriel immer wieder versucht. Es ist richtig, dass der Emissionshandel eine Obergrenze für die Treibhausgasemissionen setzt. Diese Obergrenze ist aber das Ergebnis eines politischen Prozesses, und sie ist nur bis 2020 festgelegt. Das heißt, wir werden in einigen Jahren hier im Bundestag darüber diskutieren, wie die Emissionsobergrenze für die Zeit nach 2020 aussehen wird. Und dann macht es einen gewaltigen Unterschied, welche Fakten geschaffen und wie viele neue Kohlekraftwerke bis dahin in Betrieb sind. Der Bau neuer Kohlekraftwerke heute verhindert so ehrgeizigere Klimaschutzziele in der nächsten Handelsperiode. Deshalb kann ich sie im Interesse des Klimaschutzes nur auffordern: Unterstützen sie uns bei der Verhinderung neuer Kohlekraftwerke, verzichten sie auf Subventionen für Klimakiller, und sorgen sie mit uns für ein neues Genehmigungsrecht, das Klimaschutz und Energieeffizienz den Stellenwert einräumt, den sie verdienen!

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12916, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/10617 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Linken angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten HansJoachim Otto ({0}), Christoph Waitz, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Presse- und Medienvielfalt sichern - Wettbewerb stärken, Werbung entbürokratisieren - Drucksache 16/12472 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien ({1}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Philipp Mißfelder, CDU/CSU, Dorothee Bär, CDU/CSU, Monika Griefahn, SPD, Hans-Joachim Otto, FDP, Dr. Lothar Bisky, Die Linke, und Grietje Staffelt, Bündnis 90/Die Grünen.

Philipp Mißfelder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003810, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Verantwortung der Medien, Informationen zu sammeln, aufzubereiten und weiterzugeben und damit Zuschauern, Zuhörern oder Lesern zuverlässig Nachrichten und Fakten zu vermitteln, ist angesichts einer immer komplexer werdenden Gesellschaft und wachsender globaler Vernetzung heute größer denn je. Diese Verantwortung der Medien wird aber im Spannungsfeld einer sich rasant wandelnden Mediennutzung wahrgenommen. Durch das Internet und durch die digitalen Medien ist der ständige und ungehinderte Zugriff auf aktuelle Informationen heute Realität und Grundvoraussetzung unseres Handelns geworden. Dennoch bleibt es gerade wegen der Schnelligkeit der Informationsverbreitung und der steigenden Komplexität der Themen Hauptaufgabe für Medien und der Journalisten, für eine unabhängige, unvoreingenommene und vertrauenswürdige Berichterstattung zu sorgen. Dieser Auftrag der Medien ist in Deutschland besonders klar umrissen. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung sind in Art. 5 des Grundgesetzes geschützt. Die Gewährleistung der Presse- und Medienfreiheit ist daher eine Staatsaufgabe, die wir sehr ernst nehmen. Unser Ziel ist deshalb eine neue Medienordnung, die der Bedeutung der Medien als Kultur- und Wirtschaftsgut gerecht wird. Eine neue Medienordnung soll auch in Zukunft Meinungsvielfalt, Qualität und wirtschaftliches Wachstum auf allen Märkten garantieren. Dabei bekennen wir uns ausdrücklich zum dualen System in Deutschland. Das Markenzeichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss dabei die Qualität sein. Aber auch der private Rundfunk hat eine gesellschaftliche Verantwortung und darf auf Qualität in seinem Programm nicht verzichten. Deshalb müssen zukünftig Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den privaten Anbietern von Rundfunk und Fernsehen neue Geschäftsmodelle unabhängig von der Entwicklung des Werbemarktes ermöglichen. Ob dies über den Weg einer Grundverschlüsselung oder über andere, programmbegleitende Maßnahmen geschieht, wird sich in Zukunft zeigen und muss im Grunde auch der Markt entscheiden. Auf eines müssen wir jedoch in unserer Medienpolitik achten: dass unsere im europäischen und internationalen Vergleich einzigartige Rundfunklandschaft erhalten bleibt. Und dazu gehört, dass wir weitere Werbebeschränkungen und Werbeverbote auf nationaler und europäischer Ebene grundsätzlich gründlich prüfen sollten. Aktionismus, der regelmäßig auf sehr bedauerliche Vorfälle, beispielsweise durch den Missbrauch von Alkohol durch Jugendliche, folgt, halten wir nicht für sachgerecht. Wenn infolge dieser Vorfälle stets die Forderung nach Werbebeschränkungen erfolgt, müssen sich alle Beteiligten darüber im Klaren sein, dass mit derartigen Maßnahmen massiv in die Finanzierungsmöglichkeiten privater Anbieter von Presse- und Mediendiensten eingegriffen wird. Hier ist es die Aufgabe der Politik, eine genaue Abwägung zwischen der Medienvielfalt in unserem Land und den berechtigten Schutzanliegen nicht zuletzt von Kindern und Jugendlichen vorzunehmen. Diese Abwägung sollten sich alle Verantwortlichen nicht leicht machen. Und hier ist es unsere Auffassung, dass besonders Eltern der Verantwortung gegenüber ihren Kindern wieder mehr gerecht werden müssen. Dies erscheint uns als das bessere Mittel, anstatt auf jedes auftauchende gesellschaftliche Phänomen immer sofort mit der Forderung nach neuen Verboten zu reagieren. Denn eines ist gerade angesichts der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise nicht mehr zu übersehen: Bereits heute führt das signifikante Schrumpfen des Werbemarktes für die nicht wenigen Presse- und Mediendienste zu einer existenzgefährdenden Krise. Viele Verlage oder private Sendeanstalten kämpfen mit einem Einbruch der Werbebuchungen. Redaktionen werden verkleinert, Dienste eingestellt, der Umfang von Zeitungen nimmt ab. Und genau deshalb hat das unionsgeführte Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Zuge der Ressortabstimmung auch fachliche und wirtschaftspolitische Argumente zum „Nationalen Aktionsplan Alkohol und Tabak“ vorgetragen, der unter anderem ein weitreichendes Werbeverbot vorsah. Das Bundeskabinett wird sich entgegen der ursprünglichen Intention der Drogenbeauftragten nun nicht mehr mit dem Aktionsplan befassen; denn bei einem Verbot für alkoholhaltige Markenangebote würden alle Medien mit einem jährlichen Einnahmeausfall von etwa 560 Millionen Euro rechnen müssen. So wichtig die Alkoholprävention selbstverständlich ist, so ernst müssen wir auch die Medienvielfalt in Deutschland nehmen. Werbebeschränkungen stellen unweigerlich einen Eingriff in die wirtschaftliche Grundlage von Medienunternehmen dar und können angesichts eines ohnehin aufgrund der Wirtschaftsentwicklung zurückgehenden Werbemarktes zu einem weiteren Verlust an Meinungs- und Pressevielfalt führen. Dessen sind wir uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion bewusst. Und hier haben wir auch gehandelt. Deshalb betrachten wir den Antrag der FDP auch als erledigt und lehnen ihn ab.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Vielfalt ist ein besonderes Merkmal der deutschen Medienlandschaft. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, diese Vielfalt zu schützen, zu pflegen und zu erweitern. Das deutsche duale Mediensystem aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern gilt bei vielen Experten als Garant für eines der besten Programmangebote in Europa. Es garantiert Medienvielfalt und Wettbewerb. CSU und CDU bekennen sich gemeinsam zu der Aufgabe, die deutsche Medienlandschaft zu erhalten und zu schützen und stellen sich dieser Herausforderung in vollem Umfang. Liebe Kollegen der FDP-Fraktion, um gleich auf den Titel Ihres Antrages - „Presse- und Medienvielfalt sichern“ - einzugehen: Als Vertreterin der Koalition kann ich Ihnen aus voller Überzeugung versichern: Die Presse- und Medienvielfalt in diesem Land ist nicht gefährdet. Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass Werbung eine Hauptform der Medienfinanzierung darstellt und somit zur Presse- und Medienvielfalt in Deutschland beiträgt. Ihrer ersten Feststellung kann ich noch zustimmen. Die zweite erscheint mir jedoch allein dazu zu dienen, Ihre Antragsforderungen zu stützen. Die Medienvielfalt in Deutschland wird nämlich in erster Linie nicht durch die Werbewirtschaft, sondern den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in all seinen Facetten sichergestellt. Die privaten Fernsehanbieter haben die Wachstums- und Beschäftigungsentwicklung in der deutschen Medienwirtschaft angefacht und ergänzen das Angebot. Wenn ich mir zudem ihre Forderung ansehe, dass sich die Bundesregierung bei den Bundesländern dafür einsetzen soll, die durch die EU maximal mögliche Liberalisierung von Werbemöglichkeiten bei privaten Medienangeboten durchzusetzen, muss ich Ihnen mitteilen, dass sich Bund und Länder einig sind, diese Liberalisierung nicht auszuschöpfen. Des Weiteren frage ich Sie, warum Sie Forderungen an die Bundesregierung stellen möchten, die eindeutig in die Kompetenz der Länder fallen? Liebe Kollegen der FDP, Sie wollen den Wettbewerb stärken. Sicherlich ist das prinzipiell keine verkehrte Marschroute. Trotzdem bleibe ich dabei, dass eine vollkommene Liberalisierung des Werbemarktes nicht zielführend ist. Es geht nicht, dass wir die Altersbeschränkung für den Kauf von Zigaretten zum Schutz der Jugendlichen auf 18 Jahre anheben, um dann aber überall und unbeschränkt für Zigaretten und andere Suchtmittel zu werben. Ihr FDP-Kollege Detlef Parr hat anlässlich des letzten Nichtrauchertages betont, wie wichtig es ist, dass Eltern, Schulen und Freizeiteinrichtungen, Kinder so aufwachsen lassen, dass sie die Finger ganz von Zigaretten lassen. Zügelloses Werben für Tabakerzeugnisse ist da in keiner Weise akzeptabel.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich sage es gleich vorweg: Ich habe mich zunächst schon gefragt, was dieser Antrag mit der Sicherung der Presse- und Medienvielfalt zu tun hat. Doch beim Lesen des Antrages hat es sich mir schnell offenbart: Die Sicherung der Presse- und Medienvielfalt ist im Grunde nur ein vorgeschobener Vorwand für die eigentliche Absicht des Antrages, einseitig die Werbewirtschaft zu unterstützen. Das wiederum ist im Grunde nicht verwerflich, etwas plump finde ich nur die Verschleierung der eigentlichen Absichten. Doch das, wie gesagt, nur vorweg, kommen wir zur inhaltlichen Diskussion des Antrages, die ja ihre Fortsetzung noch in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages finden wird. Lassen Sie mich zum Inhaltlichen kommen. Richtig ist die Feststellung des Antrages, dass in der Werbewirtschaft sinkende Umsätze festzustellen sind. Das ist angesichts der Bedeutung der Werbung für die Finanzierung vieler Presse- und Medienangebote durchaus eine bedenkenswerte Entwicklung, da insbesondere viele Presseerzeugnisse auf die Erlöse aus Werbung angewiesen sind. Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird diesen Druck, den zunächst die Unternehmen durch Kürzungen ihrer Werbebudgets auffangen, den aber die Presse- und Medienlandschaft durch ganz konkrete Einsparungen ausgleichen muss, noch deutlich verstärken. Richtig ist auch, dass die Bereitstellung von Medienangeboten im Onlinebereich mit erheblichen Kosten verbunden ist, wenn es qualitativ gut sein soll, gleichzeitig aber relativ wenig Einnahmen über die klassischen Werbeformen im Onlinebereich zu erzielen sind. Doch leider zieht die FDP in ihrem Antrag aus diesen grundsätzlich richtigen Feststellungen die falschen Schlüsse. Denn indem die FDP im Namen der Werbewirtschaft mit dem Finger auf andere, wie beispielsweise den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zeigt, werden diese Probleme nicht gelöst. Auch indem man die aus Gründen des Jugend- und Verbraucherschutzes verankerten Bestimmungen im Rundfunkstaatsvertrag oder auch der EURichtlinie über audiovisuelle Mediendienste, früher EUFernsehrichtlinie genannt, als bürokratisch und beschränkend bezeichnet, löst man diese Probleme nicht. Und ganz besonders verbietet sich der Vergleich der Probleme der Medien- und Werbewirtschaft mit den notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur und dem Erhalt unseres Bankensystems vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Insofern steht die SPD-Bundestagsfraktion den Forderungen des Antrages kritisch gegenüber. Beispielsweise haben wir es aus deutscher Sicht gerade als Erfolg gesehen, dass sich Deutschland im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft bei der Überarbeitung der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste mit der Forderung durchsetzen konnte, bei Produktplatzierungen die Transparenz zu verbessern, um redaktionelle Freiheit und Unabhängigkeit zu sichern und auch in Zukunft die Zuschauer vor Irreführungen zu schützen. Auch das erreichte, klar gefasste generelle Verbot von Themenplatzierungen haben wir ausdrücklich begrüßt, ebenso wie die unternommenen Schritte hin zu einem europaweit einheitlichen Niveau des Jugendmedienschutzes. Denn ganz zentral geht es um die Frage, wie wir insbesondere in Medien für Kinder und Jugendliche unangemessene Werbung verhindern. Insofern ist die Forderung der FDP ausdrücklich abzulehnen, in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sämtliche Beschränkungen der Werbemöglichkeiten aufzuheben. Auch die auf europäischer Ebene umgesetzten einheitlichen und verbesserten Regelungen im Bereich der Alkohol- und Tabakwerbung begrüßen wir. Die gerade gestern vorgestellte, von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse ({0}) in Auftrag gegebene Studie zeigt, wie sehr die Werbung den Konsum von Alkohol gerade bei Jugendlichen beeinflusst. Insofern halte ich den von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Frau Sabine Bätzing, unterbreiteten Vorschlag für mehr Selbstkontrolle der Werbung für Alkohol für richtig und überlegenswert. Das sollte auch der Ansatz für eine konstruktive Diskussion über die in diesem Antrag beschriebenen ProZu Protokoll gegebene Reden bleme der Werbewirtschaft sein. Denn hier muss meines Erachtens auch ein Umdenken stattfinden. Es sind möglicherweise nicht mehr die klassischen Werbeformate und -inhalte, die erfolgreich sind. Deshalb nützt es nichts, die Welt drumherum ändern zu wollen. Vielmehr muss sich die Werbewirtschaft an die sich verändernde Welt anpassen, was sie ja bereits auch tut. Dazu gehört beispielsweise, dass die im Onlinebereich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten immer stärker in neuer Form genutzt werden. Dabei werden durch neue Formen der Vermarktung, die Vernetzung und das Zur-Verfügung-Stellen von Informationsangeboten neue Einnahmemöglichkeiten auch im Werbebereich erschlossen. Und dazu gehört eben auch, dass die Selbstkontrollmechanismen der Werbung, die es ja unter anderem in Form des Deutschen Werberates bereits gibt, greifen und transparent sind. So wird auch ein für die Werbung sehr wichtiges Gut - Vertrauen - erhöht. Und lassen Sie mich noch einen wichtigen Punkt zum Schluss sagen, weswegen der Antrag aus meiner Sicht ebenfalls nicht hilfreich bei der Debatte dieser Fragen ist. Denn die FDP mischt andere Aspekte in die Debatte mit ein, die ihr zwar aus anderen Gründen ebenfalls wichtig erscheinen, die aber mit der Frage nach der Zukunft der Werbewirtschaft, und darum geht es ja im Grunde, nur wenig zu tun haben. Ich meine die Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Überarbeitung der Rundfunkänderungsstaatsverträge. Die Forderung der FDP - die wir ja aus anderen Diskussionen zur Genüge kennen -, die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu vereinheitlichen, zu externalisieren und zu professionalisieren sowie „zu prüfen, ob dieses Ziel mit der Übertragung der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an die Landesmedienanstalten erreicht werden kann“ hat nun wirklich nichts mit der Werbewirtschaft zu tun. Insofern kann ich ganz zum Schluss - und zwar in einer doppelten Bedeutung - ganz „im Sinne der Werbewirtschaft“ zu dem Antrag der FDP nur sagen: Gut gemeint, aber schlecht gemacht!

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meinungsvielfalt ist ein zentraler und konstitutiver Bestandteil jeder Demokratie und ein besonderes Merkmal der deutschen Medienlandschaft. Wohl in wenigen anderen Ländern trifft man auf eine ähnlich pluralistische, qualitativ hochwertige und abwechslungsreiche Medienlandschaft. Meinungsvielfalt ist dabei nicht nur ein abstraktes theoretisches Gut, sondern ein konkretes unverzichtbares Element des gesellschaftlichen und politischen Miteinanders. Ohne diese kann es keinen politischen Wettbewerb, kein Werben um Meinungen und Stimmen, aber auch insgesamt keinen gesellschaftlichen Pluralismus geben. Somit trägt die Politik - schon im eigenen Interesse - eine große Verantwortung für den Schutz der Meinungsvielfalt. Meinungsvielfalt hat ihren Ursprung insbesondere in einer pluralistischen Medien- und Presselandschaft. In der Konsequenz heißt das, dass die Politik - und damit spreche ich, trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit der Bundesländer für Presse und Medien, auch den Bundesgesetzgeber an - für den Erhalt der Medien- und Pressevielfalt verantwortlich ist. Deshalb ist es auch absolut richtig, dass sich der Deutsche Bundestag heute mit diesen Fragen auseinandersetzt. Diese Verantwortung liegt vorrangig darin, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, in denen sich Medien- und Presseangebote im freien ökonomischen und publizistischen Wettbewerb bewähren können. Eine direkte staatliche Finanzierung der Presse darf es aus ordnungspolitischen Gründen weiterhin nicht geben. Deshalb verbieten sich übrigens auch staatliche Subventionen für die Medienbranche - selbst in Zeiten gesamtwirtschaftlicher Schieflagen. Auch eine öffentlich-rechtliche Presse wäre ordnungspolitisch nicht akzeptabel. Der mit staatlicher Finanzierungsgarantie ausgestattete öffentlich-rechtliche Rundfunk muss die Ausnahme bleiben. Da sich also private Medien- und Presseangebote nicht durch staatliche Subventionen finanzieren können, müssen sie auf die traditionellen Mittel der Finanzierung zurückgreifen: Verkauf, insbesondere durch Abonnements, und Werbung. Es ist dabei hinreichend bekannt, dass insbesondere bei elektronischen Presse- und Medienangeboten auch die Finanzierung über Abonnements im Regelfall ausscheidet. Der Werbung kommt somit eine immer größer werdende Bedeutung bei der Finanzierung und damit auch beim Erhalt der Meinungsvielfalt zu. Aber auch die Werbefinanzierung steht unter massivem Druck, sowohl ökonomisch als auch politisch. Die Strukturkrise der Medienbranche zeigt - verstärkt durch die momentane wirtschaftliche Krise - bereits erste negative Auswirkungen auf die Meinungsvielfalt. In diesem Umfeld entfalten politische Einschränkungen oder gar Verbote von Werbeformaten oder -inhalten besonders schwerwiegende Konsequenzen für Anbieter von Presseund Mediendiensten, die auf Einnahmen durch Werbung angewiesen sind. Tatsache ist allerdings, dass in den vergangenen Jahren eine zunehmende Zahl von Einschränkungen und Verboten - ob gesellschafts-, gesundheits-, sozial- oder verbraucherschutzpolitisch motiviert - in den deutschen und europäischen Werberegimen implementiert wurden. Viele weitere sind geplant. Einige davon waren und sind sicherlich sinnvoll. Niemand möchte zum Beispiel Zigarettenwerbung in Kinderfernsehsendungen haben. Viele bestehende oder geplante Einschränkungen und Verbote sind jedoch kritikwürdig entweder in ihrer Zielsetzung oder in ihrer Effektivität. Ist ernsthaft mit umweltfreundlicheren Verbraucherentscheidungen beim Autokauf zu rechnen, nur weil noch größere und genauere Angaben über den CO2-Ausstoß in die Zeitschriftenanzeige gedruckt werden müssen? Ich wage es zu bezweifeln. Einer Zeitschrift schadet es allerdings massiv, weil viele Anzeigen unterbleiben werden, wenn nur noch die Hälfte des Platzes zur Verfügung steht, weil die andere Hälfte für Pflichtangaben aufgebracht werden muss. Zu Protokoll gegebene Reden Hans-Joachim Otto ({0}) Wollen wir anno 2009 wirklich der Werbeindustrie vorschreiben, ob und welche Rollenklischees ihre Spots vermeiden müssen? Wollen wir ihr vorschreiben, dass künftig die Hausfrau nur noch von männlichen, der Automechaniker nur noch von weiblichen Personen dargestellt werden dürfen? Ich halte das für absurd. Ein ganz aktuelles Thema: ist es verhältnismäßig, das sogenannte Listenprivileg für die Presse abzuschaffen? Hier wird doch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Im besten Fall ein paar Briefe weniger im Briefkasten werden erkauft mit erheblichen Umsatzeinbußen bei Zeitungen und Zeitschriften, die sich für einige sogar existenzbedrohend auswirken können. Hier werfen Sie mir nicht Panikmache vor; bei Umfragen unter Verlegern wird die Datenschutznovelle von 88 Prozent als großes Problem angesehen, noch mehr als die allgemeinen Strukturprobleme der Presse, die „nur“ von 82 Prozent als großes Problem bewertet werden. Jenseits von fehlender Effektivität oder zweifelhafter Zielsetzung stoßen wir auch auf Werberegime, deren Sinn generell infrage zu stellen ist. Warum zum Beispiel wird privaten Rundfunkveranstaltern nicht freigestellt, wie häufig und wie viel Werbung sie senden wollen? Wozu leisten wir uns denn eigentlich ein mehr als 8 Milliarden Euro teures öffentlich-rechtliches Rundfunksystem? Wir sollten lieber das öffentlich-rechtliche System komplett werbefrei gestalten und das private System hinsichtlich der Werbung - jenseits von Kindersendungen, Ratgebersendungen und Nachrichten - vollständig freigeben; das wäre ein klar abgegrenztes duales Rundfunksystem. Sollte ein privater Rundfunksender es mit der Werbung übertreiben, werden dies die Zuschauer und Zuhörer schon entsprechend würdigen. Die Liste mit Beispielen ließe sich beliebig erweitern. Als Nächstes kommt wohl noch das pauschale Verbot von Alkohol- und Süßigkeitenwerbung in Zeitschriften. Dann wäre auch endlich die große Gefahr gebannt, dass die Massen der Jugendlichen, welche wöchentlich anspruchsvolle Nachrichtenmagazine lesen, dort zum Konsum von Bier und Schokolade verleitet werden. Es ist doch verrückt: Während allen Ernstes über staatliche Subventionen für die Presse diskutiert wird - so wieder heute vom ehemaligen Verfassungsrichter Grimm in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ -, ist offenbar bei der schon jetzt viel zu intensiven Werberegulierung das Ende der Fahnenstange offenbar noch nicht erreicht. Um es mit anderen Worten zu sagen: Es wird diskutiert, einen Läufer zu dopen, dem eine Eisenkugel an den Fuß gebunden wurde. Lassen Sie uns also lieber statt des Dopings über die Eisenkugel reden! Die Medien- und Pressebranche macht eine schwere Krise durch, die auch eine Gefahr für die Meinungsvielfalt darstellt. Wir dürfen ihr nun nicht noch mehr Steine in den Weg legen, sondern müssen diese aus dem Weg räumen. Nur so kann Meinungsvielfalt in einem freien publizistischen und ökonomischen Wettbewerb nachhaltig gesichert werden. Wir sollten aufhören, in diesem Zusammenhang über Subventionen zu reden oder ARD und ZDF zu einem öffentlich-rechtlichen Multimediasystem aufzublähen. Stattdessen benötigen wir ein Konjunkturpaket III der liberalen und haushaltsfreundlichen Art: Konsequenter und mutiger Abbau von Bürokratie und Investitionshemmnissen. Im Bereich der Werbung gibt es dabei besonderen Handlungsbedarf. Der Antrag der FDP-Fraktion, der Ihnen heute vorliegt, weist den Weg zu weniger Bürokratie und mehr Wettbewerb und damit zu einer Sicherung der Medien- und Pressevielfalt auf. Wir sind gefordert, uns auf Bundes-, Landes- und europäischer Ebene gegen weitere Einschränkungen und Verbote und für eine Entbürokratisierung einzusetzen. Ich bitte Sie dabei um Ihre Unterstützung.

Dr. Lothar Bisky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003739, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Der FDP-Antrag, um den es hier geht, korrespondiert in einem Punkt mit einer Forderung der Linken: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss werbefrei sein. Die Skandale um Schleichwerbung haben eines gezeigt: Es gibt allerorten Missbrauch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss aber auch deswegen werbefrei sein, damit die Unabhängigkeit der Berichterstattung dauerhaft gesichert ist. Er muss sich als Korrektiv und nicht als ein Nachahmer der Privaten verstehen. Hier braucht es schleunigst ein Umdenken. Im Kern geht es im Antrag der FDP jedoch um eine ganz andere Frage, nämlich um die generelle Aufhebung von Werbebeschränkungen in Medienangeboten. Wir erkennen ja an, dass die Wirtschaftsliberalen ihre Wählerklientel in der Werbewirtschaft und in den Privatsendern mit einer schrankenlosen Liberalisierung ein zünftiges Wahlgeschenk liefern wollen. Doch liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist es nicht etwas weit gegriffen, wenn man jahrzehntelang bewährte Einschränkungen mal so mir nichts dir nichts aufheben will und sich zugleich mit Händen und Füßen gegen weitere Einschränkungen bei der Werbung für Alkohol und Tabak wehrt, sie sogar lockern möchte? Ich bitte Sie! Sinnvolle Warnungen und die Verbannung von Suchtwerbung - im Übrigen zusammen mit Aufklärungskampagnen - müssen zweifelsohne ein gemeinsames Ziel des Deutschen Bundestages sein. Selbstverständlich ist eine Überprüfung der Werbeeinschränkungen von Zeit zu Zeit sinnvoll und nicht zu beanstanden. Doch muss in Ihrer Fraktion auch zur Kenntnis genommen werden, dass die Neufassung der EU-Fernsehrichtlinie nichts anderes ist als eine einzige Liberalisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Werbung. Wenn Sie die Bundesregierung nun überzeugen wollen, die „gesellschafts-, gesundheits- oder verbraucherschutzpolitische Wirkung“ von Werbebeschränkungen zu evaluieren - und das möglichst noch vor der Bundestagswahl im September 2009 zu machen -, und gleichzeitig darauf drängen, vor der Wahl keine Gesetzesinitiativen in diesem Bereich mehr auf den Weg zu bringen, so ist dies nichts mehr als blanke Interessenspolitik. Leider muss sich die Öffentlichkeit in diesen Zeiten einer Menge unZu Protokoll gegebene Reden sinniger Argumente aus der Wirtschaft und auch von Ihnen erwehren. Hören Sie bitte damit auf, Fragen des Gesundheitsschutzes und des Verbraucherschutzes für die Maximierung von Gewinninteressen zu missbrauchen! Die Freigabe von Product Placement nach der neugefassten EU-Fernsehrichtlinie wird eine neue Runde im Kommerzialisierungsprozess des Rundfunks einleiten. Die Nationalstaaten allerdings sind keineswegs gezwungen, diese eins zu eins umzusetzen. Ausdrücklich ist es den für die Rundfunkpolitik zuständigen Bundesländern möglich, Produktplatzierung im deutschen Fernsehen zu untersagen. Angesichts der Werbekrise mehren sich nun die Stimmen, den Privatsendern diese neue Einnahmequelle zu erschließen. Den Wirtschaftsinteressen der Privatsender soll zulasten des Verbraucherschutzes nachgegeben werden. Das lehnt die Linke rundweg ab. Im Antrag der FDP, der die Presse- und Medienvielfalt im Titel führt, geht es im Falle des Rundfunks nicht um die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher, nicht um ein vielfältiges kulturelles Programmangebot und schon gar nicht darum, die Autonomie journalistisch-redaktioneller Arbeit abzusichern, sondern einzig und allein um Geschäftsbeziehungen, ums Geldverdienen, um Rendite. Die Krise ist hier nur der Deckmantel, die im deutschen Fernsehen aus gutem Grund bestehenden Werbebeschränkungen vollständig zu deregulieren. Wohin vollständige Deregulierung führt, das kann man im Bankenwesen und in der Finanzwirtschaft derzeit gut studieren. Und darum sagen wir Linken Nein zum Antrag der FDP.

Grietje Bettin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003439, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist unbestritten, dass Werbung heute ein zentrales Instrument zur Finanzierung von Medieninhalten geworden ist. Das gilt für den privatwirtschaftlich organisierten Rundfunk im Besonderen, aber auch für den öffentlichrechtlichen Rundfunk. Die hieraus resultierende Bedeutung der Werbewirtschaft ist ebenfalls unstrittig. Die Feststellung im Antrag der FDP-Fraktion, dass die Werbung somit zu einer festen Größe bei der Medienfinanzierung geworden ist und der Werbewirtschaft so auch eine gesamtwirtschaftlich wichtige Rolle zukommt, ist also richtig. In diesem Zusammenhang ist auch nachvollziehbar, dass die kostenintensive Produktion von medialen Inhalten durch die weltwirtschaftlich angespannte Situation in Mitleidenschaft gezogen wird. Es steht für Werbung heute einfach weniger Geld zur Verfügung. Und das Geld, das zur Verfügung steht, wird nun bewusster ausgegeben. Man kann also sagen, die goldenen Zeiten der Werbewirtschaft sind erst einmal vorbei - wie die in anderen Wirtschaftszweigen auch. Aus diesen Tatsachen nun eine eklatante Gefährdung der deutschen Medienlandschaft abzuleiten und das Ausbleiben der Werbegelder für eine zunehmende Konzentration im Bereich der Presse verantwortlich zu machen, geht mir allerdings etwas zu weit. Die beschriebene Problematik betrifft ja die privaten Rundfunk- und Presseanbieter nicht allein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leidet unter dieser Situation ebenfalls, da auch hier die Produktion von Medieninhalten aus verkaufter Werbezeit mitfinanziert werden muss. Hinzu kommt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Möglichkeit, Werbung zu senden, in einem viel stärkeren Maße reglementiert ist als die privaten Rundfunkanbieter. Neben den betriebs- und volkswirtschaftlichen Entwicklungen, die nach Ansicht der FDP-Fraktion für den „Niedergang“ der deutschen Werbewirtschaft verantwortlich sind, nennt der FDP-Antrag einen erheblichen Druck, der von der Politik ausgeübt wird. Gemeint sind ja damit die Einschränkungen, denen in Deutschland Werbung unterliegt. Der Antrag spricht von Formen und Normen bei der Einschränkung von Werbeformaten und -inhalten. Hier möchte die FDP also das Rad am liebsten wieder zurückdrehen und dem Rundfunk die Möglichkeit einräumen, wieder Werbung für Alkohol und Tabak zu senden. Das Werbeverbot habe nichts gebracht, so die Begründung. In diesem Zusammenhang möchte ich nur kurz auf den aktuellen Drogenbericht der Bundesregierung hinweisen. Trotz der Exzesse wie dem sogenannten Komasaufen unter Jugendlichen wird ein deutlicher Rückgang beim Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch festgestellt. Für uns als Grüne wäre das Aufweichen von Werbeverboten hier einfach kontraproduktiv. Die erreichte Besserung und gestiegene gesellschaftliche Sensibilität beim Thema Tabak und Alkohol würde schlichtweg untergraben. In einem weiteren Punkt kritisiert die FDP-Fraktion die Konkurrenz für private Presse- und Medienanbieter durch öffentlich-rechtliche Marktteilnehmer; insbesondere durch deren Ausweitung der Onlinemedienangebote. Hier möchte ich eines ganz klar festhalten: Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist mit der Verabschiedung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags bei Onlineinhalten ein enges, unserer Meinung nach zu enges Korsett angelegt worden. Hier müsste man sogar gegenteilig argumentieren und sagen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch diesen Vertrag im freien Wettbewerb um Kunden auch im Internet deutlich behindert wird. Die Vorteile liegen also eher aufseiten der privaten Anbieter. Die sind aber scheinbar nicht in der Lage, diese Vorteile auch für sich zu nutzen. In diesem Zusammenhang folgt dann auch die Standardkritik der FDP an der Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter. Die Unterstellung, dass die jährlichen Gebühren von knapp 8 Milliarden Euro der unkontrollierten Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Medienanbieter im Internet Vorschub leisten und den Wettbewerb verzerren, ist schlichtweg falsch. Im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist diesem Zusammenhang, wie schon erwähnt, ein starkes regulatives Element enthalten. Aus den Gebührengeldern ein Werbeverbot für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abzuleiten, geht schlichtweg an den Realitäten vorbei. Die Produktionskosten der Öffentlich-Rechtlichen können längst nicht mehr allein über die Gebühren gedeckt werden. Darüber hinaus ist Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk viel stärker reglementiert und nicht mit Werbung bei den Zu Protokoll gegebene Reden Privaten zu vergleichen. Wir als Grüne sehen in den Gebühren ein wichtiges Instrument, das den öffentlichrechtlichen Anstalten ein dringend notwendiges Maß an Unabhängigkeit von öffentlichen wie privaten Geldern sichert. Die Rundfunkgebühren sind Garant für qualitativ hochwertige Angebote der Öffentlich-Rechtlichen, ein Angebot, das sich als Richtschnur auch auf die privaten Inhalte auswirkt. Der Vorschlag, die Verwendung der knapp 8 Milliarden Gebührengelder unter eine effektive und unabhängige Aufsicht zu stellen, ignoriert, dass durch die Landesmedienanstalten, die KEF und die KEK solche Kontrollinstanzen schon existieren. Hier eine weitere Instanz ins Leben zu rufen, steht im klaren Widerspruch zum Ansatz der FDP, für weniger Bürokratie zu sorgen. Der Wettbewerb im Bereich der Medien leidet sicher auch unter der gesamtwirtschaftlichen Schieflage. Die Rufe der privaten Medienanbieter und Werbetreibenden nach einem eigenen Konjunkturpaket oder Schutzschirm erscheinen in diesem Zusammenhang vielleicht sogar verständlich. Sie sind aber vor allem unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsverzerrung durch gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Anstalten und deren Onlineangebote unbegründet. Vielmehr ist es doch so, dass gerade die Onlineangebote der Öffentlich-Rechtlichen zu einer Qualitätssteigerung beitragen. Die privaten Anbieter sollten sich endlich dem publizistischen Wettbewerb auch im Internet stellen. Es ist an der Zeit, dass auch die Privaten neue, innovative Angebote entwickeln und platzieren. Statt dem Lamentieren der privaten Medienanbieter blind zu folgen, sollte die FDP hier eher, wie sie es auch sonst tut, dem Spiel der Marktkräfte das Wort reden. Sie sollte den Privaten ans Herz legen, den starken Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit wettbewerbsfähigen Angeboten und Inhalten entgegenzutreten, um auf diesem Wege für eine vielfältige Medienlandschaft zu sorgen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/12472 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich unterbreche die Sitzung bis zum Bekanntgeben des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11919 mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen“ bekannt: abgegebene Stimmen 502. Mit Ja haben gestimmt 391, mit Nein haben gestimmt 78, Enthaltungen 33. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 502; davon ja: 391 nein: 78 enthalten: 33 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({1}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Cajus Caesar Leo Dautzenberg Hubert Deittert Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Stephan Eisel Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Hartwig Fischer ({2}) Dirk Fischer ({3}) Axel E. Fischer ({4}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Jürgen Gehb Eberhard Gienger Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke-Witt Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({5}) Hans-Werner Kammer Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({6}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Jens Koeppen Dr. Kristina Köhler ({7}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Andreas G. Lämmel Helmut Lamp Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Dr. Michael Luther Thomas Mahlberg Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Laurenz Meyer ({8}) Maria Michalk Dr. Eva Möllring Carsten Müller ({9}) Michaela Noll Franz Obermeier Henning Otte Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Thomas Rachel Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({10}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Peter Rzepka Anita Schäfer ({11}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({12}) Ingo Schmitt ({13}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Thomas Strobl ({14}) Michael Stübgen Hans Peter Thul Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({15}) Gerald Weiß ({16}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({17}) Elisabeth WinkelmeierBecker Werner Wittlich Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Dr. h. c. Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Ernst Bahr ({18}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sabine Bätzing Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({19}) Volker Blumentritt Clemens Bollen Dr. Gerhard Botz Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({20}) Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Gabriele Fograscher Gabriele Frechen Peter Friedrich Sigmar Gabriel Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({21}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach ({22}) Nina Hauer Dr. Reinhold Hemker Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Petra Hinz ({23}) Iris Hoffmann ({24}) Eike Hovermann Klaas Hübner Johannes Jung ({25}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({26}) Waltraud Lehn Helga Lopez Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Petra Merkel ({27}) Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({28}) Michael Müller ({29}) Franz Müntefering Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({30}) Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({31}) Michael Roth ({32}) Ortwin Runde Anton Schaaf Axel Schäfer ({33}) Marianne Schieder Ulla Schmidt ({34}) Silvia Schmidt ({35}) Heinz Schmitt ({36}) Carsten Schneider ({37}) Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({38}) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dieter Steinecke Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({39}) Hildegard Wester Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Engelbert Wistuba Waltraud Wolff ({40}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Uwe Barth Patrick Döring Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Joachim Günther ({41}) Heinz-Peter Haustein Dr. Werner Hoyer Hellmut Königshaus Dr. h. c. Jürgen Koppelin Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Michael Link ({42}) Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel ({43}) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({44}) Nein SPD Frank Hofmann ({45}) FDP Dr. Konrad Schily DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Karin Binder Dr. Martina Bunge Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Diana Golze Dr. Gregor Gysi Lutz Heilmann Dr. Barbara Höll Dr. Hakki Keskin Oskar Lafontaine Dorothée Menzner Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({46}) Volker Schneider ({47}) Dr. Ilja Seifert Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({48}) Birgitt Bender Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Peter Hettlich Priska Hinz ({49}) Dr. Anton Hofreiter Thilo Hoppe Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({50}) Markus Kurth Monika Lazar Nicole Maisch Jerzy Montag Winfried Nachtwei Brigitte Pothmer Claudia Roth ({51}) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Wolfgang Wieland Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Gert Winkelmeier Enthalten CDU/CSU Alexander Dobrindt Norbert Geis Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Ernst Hinsken Klaus Hofbauer Bartholomäus Kalb Alois Karl Hartmut Koschyk Stephan Mayer ({52}) Dr. h. c. Hans Michelbach Marlene Mortler Stefan Müller ({53}) Dr. Gerd Müller Eduard Oswald Daniela Raab Dr. Peter Ramsauer Franz Romer Albert Rupprecht ({54}) Dr. Andreas Scheuer Christian Schmidt ({55}) Johannes Singhammer Matthäus Strebl SPD Markus Meckel Gesine Multhaupt Dr. Wolfgang Wodarg FDP Mechthild Dyckmans Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. Mai 2009, 9 Uhr, ein. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, aber auch den Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Tribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen schönen Abend. Die Sitzung ist geschlossen.