Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie sehr herzlich zu den heutigen Beratungen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung und Eckpunkte zum Konsolidierungsbank-Modell.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Die Bundesregierung hat sich heute erneut mit
der Frage der Stabilität auf den Finanzmärkten beschäftigt. Sie nehmen genauso wie die Bundesregierung wahr,
dass die Vertrauensbildung, die notwendig ist, um diese
Finanzmarktkrise auch mit ihren Übersprungseffekten
auf die Realwirtschaft zu bekämpfen, immer noch nicht
so weit gediehen ist, wie es wünschenswert wäre. Der
Rettungsschirm, den wir mit Ihrer Hilfe im Herbst des
letzten Jahres verabschiedet haben, ist sicherlich notwendig gewesen, aber erkennbar noch nicht hinreichend.
Wir haben das Problem, dass es eine Reihe von Banken gibt, deren Bilanzen mit faulen oder Problemaktiva
so stark belastet sind, dass sie im Zusammenhang mit
der Rating-Migration einem ständigen weiteren Abwertungsprozess unterworfen sind. Sie müssen zunehmend
abschreiben und dabei einen zunehmenden Eigenkapitalverzehr in Kauf nehmen. Dieser Eigenkapitalverzehr infolge der Belastung ihrer Bilanzen durch solche Papiere
ist das eigentliche Problem; denn im Extremfall, der hoffentlich nicht eintritt, kann es infolge des Eigenkapitalverzehrs zu einem Solvenzproblem kommen. Näherliegend ist die Tatsache - das bekümmert uns alle -, dass
dieses Eigenkapital nicht mehr für das zur Verfügung
steht, was wir in dieser Konjunktursituation dringend
brauchen, nämlich für die Unterlegung von neuen Geschäften, für Kredite. Ich sage das nicht nur mit Blick
auf die Finanzierung des Mittelstandes, sondern auch
mit Blick auf die Finanzierung großer Unternehmen.
Die Papiere, über die wir reden, lassen sich in drei
Kategorien aufteilen: In der ersten Kategorie sind strukturierte Wertpapiere - im normalen Sprachgebrauch
werden sie als giftige Papiere bezeichnet; Sie alle kennen die englischen Abkürzungen -, die zweite Kategorie
bilden illiquide Papiere - das sind Staats- und Unternehmensanleihen -, und die dritte Kategorie umfasst das,
was die Banken selber als nichtstrategische Aktiva bezeichnen. Das sind Papiere, von denen sie sich möglichst
trennen wollen - das ist ihre Zukunftsstrategie -, um
sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Sie suchen
nach einer Gelegenheit, diese nichtstrategischen Wertpapiere loszuwerden. Einige gehen dabei allerdings so
weit, das damit beschäftigte Personal möglichst gleich
mit abzugeben.
Wir haben uns heute auf einen Gesetzentwurf zu den
toxischen Papieren konzentriert. Dabei geht es um eine
Art Zweckgesellschaftsmodell. Ich will versuchen, es im
Telegrammstil zu beschreiben: Die Rechtsform ist
selbstverständlich neutral. Alle Banken können davon
Gebrauch machen. Ihnen wird die Möglichkeit eingeräumt, eine Zweckgesellschaft zu gründen. Auf diese
Zweckgesellschaft können sie die strukturierten Wertpapiere verlagern. Dafür bekommen sie von dieser Zweckgesellschaft Schuldverschreibungen. Diese werden von
der Zweckgesellschaft durch die Begebung einer Anleihe finanziert. Die Schuldverschreibungen werden
staatlich garantiert. - Das hat den Effekt, dass die Bank
hochvolatile Assets abgeben kann und dafür höchst stabile, werthaltige und vor allem staatlich garantierte
Schuldverschreibungen bekommt, die sie nicht mit
Eigenkapital unterlegen muss. Die Bundesbank ist bereit
- das ist ganz wichtig -, diese Papiere als Sicherheit zu
akzeptieren, wenn es darum geht, für die Banken Liquidität bereitzustellen. Das ist der enorme Vorteil.
Es geht also um Bilanzbereinigung. Den Gegenwert
der ausgelagerten Wertpapiere bekommen die Banken in
Form von Schuldverschreibungen; sie müssen nicht eigenkapitalunterlegt sein. Diese Schuldverschreibungen
können auch als Sicherheiten, als Collateral, bei der
Redetext
Bundesbank eingereicht werden, um Liquidität zu bekommen.
Bei jeder dieser Lösungen - dafür werbe ich jetzt befindet man sich in einem Zieldreieck; dies führt zu
Spannungen. Je effektiver die Bilanzbereinigung ist, die
man braucht, damit die Banken freigeschaufelt werden
und Eigenkapital zur Verfügung haben, desto aktueller
wird die Frage, wer für diese Operation die Haftung und
die Risiken übernimmt. Dann stellt sich automatisch die
Frage: Ist das der Bundeshaushalt, sind das die Steuerzahler? Das heißt, je effektiver die Bilanzbereinigung,
desto scharfkantiger das Problem, wer haftet bzw. möglicherweise zahlen muss.
Wenn man dieses Risiko zugunsten des Steuerzahlers
minimieren will, muss man den Banken Auflagen erteilen. Wenn die Auflagen allerdings zu prohibitiv sind,
wenn sie den Vorteil, den die Banken bekommen, überkompensieren, werden die Banken von einem solchen
Modell keinen Gebrauch machen. Insofern ist die Dosis
dessen, was wir dort machen, von entscheidender Bedeutung.
Wir sind zu einer Lösung gekommen, bei der wir, wie
wir glauben, die Risiken für den Steuerzahler sehr deutlich minimieren können. Die Auflagen, die erfüllt werden müssen, beinhalten im Wesentlichen vier Punkte.
Erstens. Die Banken müssen für die Garantie eine Gebühr zahlen. Dies ist schon vor dem Hintergrund der Notifizierung in Brüssel notwendig.
Zweitens. Die Banken geben ihre Schrottpapiere, um
es umgangssprachlich zu formulieren, zum Buchwert ab,
minus 10 Prozent. Auch dies ist eine Notwendigkeit, um
in Brüssel Einigung herzustellen.
Drittens. Diesem Buchwert wird von einer neutralen
Instanz in der Zuständigkeit der SoFFin, der sich Externer bedienen wird, ein Fundamentalwert, eine Einschätzung des tatsächlichen ökonomischen Wertes, gegenübergestellt. Die Banken werden verpflichtet, eine
mögliche Differenz zum Zeitpunkt der Überführung dieser Papiere auf die Zweckgesellschaft über 20 Jahre abzustottern. Das reicht aber noch nicht.
Viertens. Nach Ende der Laufzeit der Papiere wird
festgestellt, ob der dann bestehende Wert dieser Papiere
noch einmal geringer ist als der berechnete Fundamentalwert. Wenn er geringer ist, wird es ein Ausschüttungsverbot für die Alteigentümer oder - im Falle einer
Aktiengesellschaft - Altaktionäre geben.
Wir glauben, dass wir so den Steuerzahler über die
Laufzeit weitestgehend entlasten können. Ob er belastet
wird, stellt sich heraus, wenn eine Bank nicht mehr solvent sein sollte. Genau das gilt es zu verhindern.
Ich habe angedeutet, dass sich das nur auf die erste
Kategorie, nämlich auf die toxischen Papiere bezieht.
Wir planen - wir würden Sie gern mit den entsprechenden Vorarbeiten versorgen -,
({0})
auf dieses Zweckgesellschaftsmodell ein sogenanntes
Konsolidierungsbank-Modell zu setzen, das insbesondere für die Landesbanken von Bedeutung sein mag.
Denn die Landesbanken haben nicht nur sehr massive
Probleme aufgrund der toxischen Papiere, sondern auch
aufgrund der illiquiden und sogenannten nichtstrategischen.
Sie kennen das umgangssprachlich unter der Überschrift „AIDA“, das Modell „Anstalt in der Anstalt“, das
aber eine ganze Reihe von Fragen aufwirft. Dies ist
wahrscheinlich nicht allein durch eine Novelle des
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes umzusetzen - es muss
rechtssicher sein -, sondern auch das KWG und andere
Aspekte sind davon erheblich berührt. Insofern sind wir
nach wie vor in Abstimmungen, nicht nur intern, sondern auch mit den Ländern.
Die Bereitschaft, dieses Modell gerade für die Landesbanken attraktiv zu machen, verbindet sich aus Sicht
der Bundesregierung mit der strikten Auflage, dass es
bei dieser Gelegenheit zu einer Rekonstruktion oder Restrukturierung im Landesbankensektor kommt. Dies ist
zwingend erforderlich. Das heißt, die Träger der Landesbanken, insbesondere die verantwortlichen Landesregierungen, sollen, auch durch klare Commitments, veranlasst werden - gegebenenfalls auf Vorschlag eines
Ministerpräsidenten; zu denken ist etwa an einen identischen Entschließungsantrag im Bundestag und im Bundesrat -, eine Konsolidierung, eine Rekonstruktion, wie
immer man es nennen will, der Landesbanken vorzunehmen.
Daran sind viele Länder interessiert; ob es alle sind,
wird sich in den weiteren Gesprächen herausstellen. Ich
halte es für zwingend erforderlich, dass wir bei dieser
Gelegenheit zu einem Ergebnis kommen, wobei klar ist,
dass der Bund für solche Papiere nicht in Haftung geht,
keine Risiken übernimmt. Das ist Sache der Träger der
Landesbanken.
Abschließend: Die jetzt vorgesehene Konstruktion
- es ist die erste Stufe - ist noch über das zu bedienen,
was Sie der Bundesregierung im Rahmen der Bankenabschirmung eingeräumt haben. Die Garantien, die gegeben werden sollen, können aus den 400 Milliarden
Euro, die Sie bewilligt haben, geschöpft werden. Sie
wissen: Das ist Bestandteil der 500 Milliarden Euro, die
seinerzeit für die Bankenabschirmung gewährt worden
sind; dort ist genügend Spielraum. Ob sich das gegebenenfalls ändert, wenn das zweistufige Modell mit Blick
auf das, was ich „Konsolidierungsbank-Modell“ oder
„AIDA-Modell“ nenne, umgesetzt wird, wird sich im
Verlauf der weiteren Beratungen herausstellen.
Ich will an dieser Stelle abbrechen, damit mein Vortrag nicht zu lang wird, und sehe Ihren Fragen gerne entgegen.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Wir kommen
zunächst zu den Fragen zu diesem Themenbereich. Als
Erster hat der Kollege Koppelin das Wort.
Herr Minister, ich habe im Januar dieses Jahres mit
Interesse zur Kenntnis genommen, was Sie zu Bad
Banks gesagt haben. In der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung heißt es: Eine Bank, die faule Wertpapiere aufkaufen würde, könne er sich, also Steinbrück,
„ökonomisch und vor allem politisch“ nicht vorstellen.
Des Weiteren haben Sie gesagt:
Das Publikum würde uns für verrückt erklären.
So lauteten Ihre Aussagen am 18. Januar.
Nun kommen diese Bad Banks doch. Ich darf Sie fragen, Herr Minister: Erstens. Was hat zu dem Umschwung Ihrer Meinung geführt? Zweitens. Können in
diese neu zu gründenden Bad Banks nur Wertpapiere
verlagert werden oder auch Kredite oder auch sonstige
im Augenblick nicht mehr benötigte Aktiva? Was kann
verlagert werden? Drittens. Brauchen diese Bad Banks
Eigenkapital? Wenn ja, wie viel? Müsste dafür eventuell
das Kreditwesengesetz geändert werden?
Sie zitieren mich nur zur Hälfte, Herr Koppelin.
({0})
Ich habe in meinen Ausführungen immer auf ein zentrales Institut, eine zentrale Bad Bank, abgehoben. Sie kennen meine Haltung dazu, dass ich institutsspezifische
Lösungen keineswegs ausgeschlossen habe. Insofern bewegen wir uns in der Kontinuität dessen, was ich damals
öffentlich sagte. Wir reden von institutsspezifischen
Zweckgesellschaften. Hier gibt es keinerlei Widerspruch.
Verlagert werden können die Wertpapiere, die ich gerade genannt habe: toxische Papiere, illiquide Papiere,
sogenannte nichtstrategische Wertpapiere oder Aktiva.
Die Zweckgesellschaft muss nicht mit Kapital unterlegt werden. Insofern stellt sich die Frage einer Rekapitalisierung der Zweckgesellschaften nicht. Es kann sich
die Frage einer Rekapitalisierung der Kernbank, der abgebenden Bank, stellen. Sie wird dann das in Anspruch
nehmen können, was dem SoFFin mit Blick auf mögliche Kapitalinjektionen gewährt wurde.
Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Dr. Lötzsch.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, nun
haben wir alle in den letzten Monaten mit den Banken
nicht nur positive Erfahrungen gemacht, um das einmal
sehr freundlich zu formulieren. Wir können nicht unbedingt davon ausgehen, dass die Banken uns gegenüber
ehrlich sind und zum Wohle der Allgemeinheit handeln.
Ich möchte meine Frage an einem Beispiel illustrieren.
Es geht mir darum, ob Sie in Ihrem Gesetzentwurf einen
Umstand bedacht haben.
Die Commerzbank ist nicht verstaatlicht worden, sondern die Bundesregierung bzw. die entsprechenden Gremien haben der Commerzbank 16 Milliarden Euro als
Leihgabe zur Verfügung gestellt. Der Verzicht der Bundesregierung auf Einfluss wurde damit begründet, dass
die Commerzbank jährlich 9 Prozent Zinsen zahlen
werde. Nun hat sich herausgestellt, dass die Commerzbank auf Jahre hinaus nicht 1 Cent an Zinsen an den
Staat zahlen wird. Haben Sie dieses Spiel der Banken bei
Ihrem Gesetzesentwurf zu den Bad Banks eingeplant
und, wenn ja, wie?
Erstens. Die Bundesregierung hat die Kapitalinjektion
des SoFFin durchaus mit einer Reihe von Auflagen verbunden. Wir haben bisher stille Einlagen erworben. Sie
werden in der nächsten Hauptversammlung in, wie ich
glaube, Vorzugsaktien umgewandelt; nageln Sie mich
aber nicht darauf fest; ich weiß nicht, ob es Vorzugsaktien oder Stammaktien sind.
Zweitens. Eine Bank kann nur dann Zinsen und Gebühren zahlen, wenn sie ein positives Ergebnis erreicht
hat. Ich verlange einer Bank in Zeiten, in denen sie kein
positives Ergebnis vorlegen kann, keine Zinsen oder Gebühren ab, weil ich die ökonomische Position der Bank
nicht verschlechtern will. Im Gegenteil: Ich möchte sie
stabilisieren. Es gibt dafür bestimmte Bilder, die ich aber
nicht wiederhole, weil man mit Bildern vorsichtig sein
soll. Aber ich kann einer Bank nicht etwas abverlangen,
was sie nicht zahlen kann. Vielmehr möchte ich die
Bank gern in den Stand versetzen, wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Dann wird sie auch die entsprechenden
Auflagen, was Gebühren und Zinsen betrifft, erfüllen
müssen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Kampeter.
Herr Minister, erst einmal herzlichen Dank für die
Unterrichtung.
({0})
- Es hat ja noch keiner etwas gesagt. Wir wollen doch
die Höflichkeitsregeln einhalten.
Ich reagiere auf Herrn Koppelin.
Ach so. Dann brauchen wir aber nicht über Höflichkeitsregeln zu sprechen.
({0})
Er hat sich sehr höflich verhalten.
Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Koppelin. Wir diskutieren dieses Thema sehr breit in der Öffentlichkeit, Herr Minister. Bei dem von Ihnen vorgetragenen Lösungsvorschlag sehen Sie den Staat in der Notwendigkeit, zu handeln.
Ich möchte Sie auch vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung fragen: Wie beurteilen Sie eigentlich den Vorschlag, der sowohl im Parlament als auch in
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern geäußert wird,
der lautet: Im Prinzip ist Nichthandeln die vernünftigere
Lösung, sowohl für den Steuerzahler als auch für alle anderen Beteiligten. Wir haben so viele Probleme. Warum
sollten wir uns zur Rettung des Bankensystems zusätzlich engagieren?
Ich möchte Sie herzlich bitten, bei der Beantwortung
dieser Frage auch zu erläutern, warum sich die Bundesregierung für den Aktivtausch entschieden hat. Andere
Länder haben mit dem Aufkauf von Problemaktiva, die
Herr Koppelin angesprochen hat, bereits Erfahrungen
gemacht. Könnten Sie bitte auch diese Erfahrungen bewerten? Das Gleiche gilt für eine Versicherungslösung,
wie sie zum Beispiel in Großbritannien praktiziert wird.
Ich glaube, wenn Sie Ihre Lösung diesen beiden Maßnahmen gegenüberstellen, würden dem Parlament die
Gründe für die Entscheidung der Bundesregierung etwas
klarer werden.
Herzlichen Dank.
Den Aufkauf der Problemaktiva wollten wir verhindern, weil er unmittelbar zu einer Haushaltsbelastung
und damit zu einer Belastung der Steuerzahler geführt
hätte. Das ist der entscheidende Grund, aus dem wir uns
gegen einen Aufkauf vergifteter oder fauler Wertpapiere
- wie auch immer man sie umgangssprachlich bezeichnen möchte - entschieden haben.
Die Modelle, die in anderen Staaten angewandt werden, haben wir untersucht. Das britische Versicherungsmodell birgt das Risiko, dass es in bilanzrechtlicher und
-technischer Hinsicht nicht zu einer Bilanzbereinigung
kommt. Wir haben uns bei einschlägigen Fachleuten,
insbesondere beim Institut der Wirtschaftsprüfer, vergewissert, dass es bei unserem Modell im bilanzrechtlichen
und -technischen Sinne zu einer Bilanzbereinigung
kommt.
Das amerikanische PPIP ist in unseren Augen die
dritte Überarbeitung eines amerikanischen Modells;
beide Vorläufer haben nicht funktioniert. Dieses Programm beinhaltet einen sehr problematischen Prozess,
nämlich ein Auktionierungsverfahren, das nur unter
Heranziehung möglicher Interessenten wie Hedgefonds
und Private-Equity-Fonds funktioniert. Eine solche
Konstruktion ist auf die Finanzmarktbedingungen in
Deutschland nicht übertragbar.
Dieses Modell wird von uns nicht präferiert, weil die
genannten Finanzmarkteilnehmer nach unserer Auffassung eher reguliert werden müssen als motiviert werden
sollten, an solchen Auktionierungsverfahren teilzunehmen und dabei spekulative Interessen zu verfolgen. Sie
würden dies nämlich in der Annahme tun, dass sie die
Papiere, um die es geht, zu einem sehr günstigen Preis
bekommen und dass auch solche toxischen Papiere im
Laufe der nächsten Jahre in einer Art und Weise handelbar sind, dass sie mit ihnen Gewinn machen können.
Andere Interessen, die diese Finanzmarktteilnehmer veranlassen könnten, sich an einem solchen Auktionierungsverfahren zu beteiligen, sind nicht ersichtlich.
Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wenn Sie darauf
hinweisen, wie schwer es ist, den Menschen, auch denen, die uns hier und heute zuhören, zu erklären, warum
wir dem Bankensektor mit solch ungeheuren Summen
behilflich sind. Inzwischen ist 1 Milliarde fast zur
kleinsten Recheneinheit der Republik geworden. Das ist
eine sehr gefährliche Entwicklung, weil dabei die Proportionen verloren gehen.
Die Antwort der Bundesregierung lautet, dass jeder
Bürger und jede Bürgerin ein eigenes, unmittelbares Interesse an einem stabilen, funktionsfähigen Finanzmarkt
haben muss: Pensionäre, Sparer, junge Leute, die anfangen, Altersvorsorge zu betreiben, Gewerbetreibende,
Handwerksmeister, die einen Betriebsmittelkredit brauchen, große Unternehmen, die arbeitsplatzerhaltende
oder -schaffende Investitionen auf dem Kapitalmarkt
finanzieren müssen, und kleine und mittelständische Unternehmen, die beim Export und bei entsprechenden Erschließungsstrategien Unterstützung brauchen. Alle, die
heute hier sind und uns zuhören, müssen ein massives
Interesse daran haben, dass eine der größten Volkswirtschaften der Welt mit ihrer Güter- und Dienstleistungswirtschaft auch über einen stabilen und funktionsfähigen
Finanzmarkt verfügt.
({0})
Inzwischen sind die Banken sehr stark miteinander
vernetzt. Fast fühlt man sich an ein Spiel erinnert, das
man als Kind gespielt hat und das Sie vielleicht heute
mit Ihren Kindern und Enkelkindern spielen: an Domino. Allerdings hat man nicht das Bild vor Augen, dass
die Zwei an die Zwei gelegt wird, sondern das Bild, dass
ein Stein der Dominosteinreihe angestoßen wird und alle
anderen Steine umfallen. In dieser Situation befinden
wir uns, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die
Bundesregierung ist der Auffassung: Wenn eine Bank
fällt, wäre die Erschütterungsdynamik so groß, dass
möglicherweise ein Flächenbrand entsteht. Dies gilt es
zu verhindern. Daher brauchen wir eine Abschirmung.
Das ist das Motiv der Bundesregierung. Aus diesem
Grunde versuchen wir, die Finanzmärkte in Deutschland
und anderswo mit Ihrer Unterstützung zu stabilisieren.
({1})
Herr Kollege Schick, bitte.
Herr Minister, schon seit mehreren Monaten wird in
Deutschland versucht, Maßnahmen zur Bankenrettung
zu ergreifen. Dabei gibt es drei zentrale Probleme: Das
erste ist die mangelnde Transparenz, das zweite ist die
Freiwilligkeit, und das dritte ist die Unterschätzung der
jeweiligen Situation, was dazu führt, dass ein Rettungspaket auf das nächste folgt.
Vor diesem Hintergrund lautet meine erste Frage:
Wird die Bundesregierung die Konditionen, die dem
jetzt vorgelegten Modell zugrunde liegen, diesmal im
Einzelnen veröffentlichen, oder wird sie sie weiterhin
nur den Mitgliedern des geheim tagenden Finanzmarktgremiums zur Verfügung stellen, sodass die Öffentlichkeit nach wie vor nicht einschätzen kann, was genau getan wird?
Zweitens. Ist im Kabinett darüber gesprochen worden, ob dies verpflichtend oder freiwillig geschehen
soll? Mit einer Verpflichtung würde man den Fehler beenden, immer noch darauf zu vertrauen, dass die Banken
am besten wissen, was für den Finanzmarkt insgesamt
gut ist.
Drittens. Ist diskutiert worden - und, wenn ja: Wie ist
die Einschätzung? -, ob man Stresstests braucht, um eine
langfristigere Perspektive zu gewinnen, welche Banken
eigentlich welche Form von Rettung nötig haben? Die
EU-Kommission hat für den europäischen Raum und damit auch für die deutschen Banken solche Tests vorgeschlagen.
Ich fange mit dem Letzten an, Herr Abgeordneter
Schick. Die EU-Kommission hat die Bundesregierung
mit dem Vorschlag, Stresstests durchzuführen, etwas
überrascht. Wir hätten uns gewünscht, dass zu der Frage,
ob man Stresstests fordert, intern Überlegungen angestrengt werden, ehe man damit an die Öffentlichkeit
geht. Warum? Man muss sich genau überlegen, ob solche Stresstests einen prozyklischen, das heißt negativ
verstärkenden Effekt haben können. Es nützt nichts,
wenn man, wie in den USA, solche Stresstests durchführt und die Ergebnisse anschließend von der Treasury
oder der Fed korrigiert werden. Das hat einen kontraproduktiven Effekt. Deshalb muss man sich das vorher genau überlegen, und dafür sollte man sich Zeit nehmen.
Einfach Stresstests zu fordern, macht in meinen Augen
keinen Sinn. Man muss sich über die Konsequenzen im
Klaren sein und auch darüber, welche Eigendynamik Ergebnisse haben können, die für die Stabilisierung und für
die Wiedergewinnung von Vertrauen eher schädlich
sind. Deshalb ist meine Haltung dazu: Vorsicht an der
Bahnsteigkante! Wir haben alle diese Überlegungen angestellt.
Ihr zweiter Punkt war: Freiwillige Lösung oder
Zwangslösung? Ich mache keinen Hehl daraus, dass für
die Bundesregierung nur eine freiwillige Lösung infrage
kommt, und zwar aus materiell-rechtlichen Gründen,
aber auch aus verfahrensrechtlichen Gründen. Wenn
man einer Bank Aktiva abnimmt, sie zwangsverpflichtet,
diese zum Buchwert abzugeben und dabei auch noch einen Abschlag von 10 Prozent hinzunehmen, dann sind
die Banken - da bin ich mir ziemlich sicher - in einer
sehr starken Rechtsposition, wenn es drum geht, sich
dem zu entziehen oder dies in Zweifel zu ziehen. So etwas würde also nicht funktionieren. Es gäbe auch beihilferechtliche Probleme mit der EU-Kommission.
Im Übrigen müsste das Gesetz für so etwas völlig anders aussehen. Bei einer freiwilligen Regelung gibt es
die Möglichkeit, dem SoFFin Ermessensspielräume zu
öffnen, während im Falle einer Zwangslösung sehr präzise, sehr klare Formulierungen im Gesetz gefunden
werden müssten. Das widerspricht dem, was wir bisher
mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz gemacht haben: sich auf der Basis einer optionalen Lösung zu bewegen.
Ich kann nicht verstehen, was Sie mit Geheimgremien
meinen. Es gibt bei der Abwicklung von einigen Fällen
betriebsinterne oder schützenswerte unternehmerische
Daten. Diese Daten können in meinen Augen nicht Gegenstand öffentlicher Debatten sein. Ansonsten möchte
ich sagen: Sie finden in diesem Gesetzentwurf, ich
glaube, in dem neu formulierten § 6 a bis d, die genauen
Bedingungen, unter denen die Einrichtung von Zweckgesellschaften möglich ist, einschließlich der Auflagen,
einschließlich der Gebührenberechnungen, einschließlich - ich nenne es untechnisch - des Abstotterns eines
Differenzbetrages zwischen Buchwert und Fundamentalwert, einschließlich eines Ausschüttungsverbotes. Das
alles ist genau definiert und Gegenstand der Formulierungen, die Ihnen jetzt zugeleitet werden.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Otto Bernhardt.
Weltweit haben die Kreditinstitute bekanntlich
schlechte Papiere im Wert von vielen Billionen in den
Büchern. Weltweit bemüht man sich, Lösungen zu finden. Als einer, der das ziemlich genau verfolgt, habe ich
den Eindruck: Noch ist es keinem Land der Welt gelungen, eine vernünftige Lösung zu finden. Sie sagten es
schon, Herr Minister: Die Amerikaner sind das dritte
Mal dabei, und auch die Versicherungslösung der Engländer entlastet die Bilanzen nicht.
Insofern bin ich froh, dass die Bundesregierung jetzt
einen ersten Schritt vorschlägt. Was Sie vorgetragen haben, hat aber aus meiner Sicht zwei Problempunkte. Ich
bin sicher, Sie haben darüber diskutiert und haben Antworten darauf.
Der erste Punkt. Wenn ich Sie richtig verstanden
habe, muss eine Bank, die Papiere im Wert von
10 Milliarden Euro übertragen will, zunächst einmal
1 Milliarde Euro davon abschreiben. Diese Größenordnung - 10 Milliarden Euro - ist für die zur Diskussion
stehenden Banken ein eher kleiner Betrag. Aber können
die Banken, um die es geht - ich denke an vier Landes24160
banken und an zwei weitere Banken -, den Betrag, der
dann automatisch abzuschreiben ist, im Hinblick auf ihre
Eigenkapitalquote noch verkraften? Ist diese Abschreibung nicht eine Schwelle, die es einigen Instituten unmöglich macht, diese Lösung in Anspruch zu nehmen?
Der zweite Punkt. Wenn ich Sie weiter richtig verstanden habe, sagen Sie - um bei meinem Beispiel zu
bleiben -: 10 Milliarden Euro sind in den Büchern, für
9 Milliarden Euro wird übertragen. Die Papiere werden
von unabhängigen Leuten bewertet - das ist sehr schwierig; aber das ist ein anderes Thema ({0})
mit, sagen wir, 600 Millionen Euro. Dann bleibt eine
Differenz, die über einen Zeitraum von zwanzig Jahren
schrittweise abgebaut werden soll. Bedeutet dies nicht,
dass man für dieses Risiko eine Rückstellung bilden
muss - so habe ich das jedenfalls als Betriebswirt gelernt -,
die dann gleich wieder auf den Gewinn - in diesem Fall
handelt es sich um einen Verlust - und auf das Eigenkapital durchschlägt? Wie ist dieses Problem gelöst? Ausgehend von dem, was ich weiß, gibt es hierzu aus meiner
Sicht noch offene Fragen.
Zum ersten Punkt. Es handelt sich unabweisbar um
eine Bedingung der Brüsseler Kommission. Das heißt,
dass wir zur Notifizierung dieses Modells um eine solche Auflage nicht herumkommen werden. Maßgebend
sind die sogenannten Prinzipien, die die Brüsseler Kommission im Rahmen der Behandlung der Problemaktiva
- „Impaired Assets“ genannt - verabschiedet hat.
Zum zweiten Punkt. Wir haben in der Tat zuerst mit
der Rückstellung operiert und sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass aus dem jeweiligen Ergebnis der
Bank ein Verlust, der sich aus der Differenz zwischen
Buchwert und Fundamentalwert ergibt, über einen Zeitraum von 20 Jahren abgetragen werden sollte.
Aus dem Stand bin ich überfragt, ob dies zwingend zu
einer Rückstellung führt. Meiner Meinung nach ist dies
nicht der Fall. Wir möchten das aus bilanztechnischen
Gründen gern vermeiden, um die Banken zum jetzigen
Zeitpunkt nicht zu belasten. Wir kaufen ihnen quasi Zeit.
Dies führt zu einer Entzerrung der Probleme auf der
Zeitachse. Das ist das Entscheidende. Ich bleibe Ihnen
die Antwort auf Ihre Frage, wie dies bilanzrechtlich von
den herangezogenen Fachleuten begründet worden ist,
also schuldig. Ich liefere sie gern nach.
Herr Kollege Dr. Solms bitte.
Herr Minister, aus unserer Sicht geht die Lösung der
Probleme durch zweifelhafte Papiere und der notwendige Abschreibungen, die Sie hier vorschlagen, in die
richtige Richtung - wenn sie auch spät kommt. Trotzdem bleiben im Detail viele Fragen offen. Wir haben gerade die Erstunterrichtung bekommen.
Meine Frage schließt an die des Kollegen Bernhardt
an. Sie hatten dargestellt, dass es ein Spannungsfeld zwischen der Schonung der Steuerzahler, der Ingangsetzung
des Geldkreislaufs zwischen den Banken und der Haftung und Mitverantwortung der Altaktionäre für die Risiken und die entstandenen Verluste gibt. Ich habe dem
Papier entnommen, dass die Dividenden in den nächsten
20 Jahren möglicherweise total ausfallen werden. Wären
das nicht eine starke Benachteiligung der Banken im
Wettbewerb und eine Beeinträchtigung ihrer Möglichkeiten, sich Eigenkapital zu verschaffen? Denkt man an
dieser Stelle über Kompromisslösungen nach?
Herr Solms, wenn Sie erlauben, richte ich mich zunächst noch einmal an Herrn Bernhardt. Herr Bernhardt,
die Frage, die Sie aufgeworfen haben, haben wir erörtert,
sowohl mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer wie auch
mit dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee; das gibt es. Wir haben uns also vorher bei Sachverständigen erkundigt und sie um eine Stellungnahme
gebeten, damit wir auf der sicheren Seite sind.
Ich komme nun zur Frage von Herrn Solms. Ein Dividendenausschüttungsverbot betrifft allein die Altaktionäre. Die Bank muss in der Lage sein, neue Aktien zu
emittieren, die selbstverständlich von Dividendenausschüttungen profitieren. Ansonsten würde man kaum jemanden finden, der Interesse daran hat. Wir sind zu dem
Ergebnis gekommen, dass eine Belastung der Altaktionäre anstelle einer Belastung der Steuerzahler absolut legitim und in unseren Augen sogar notwendig ist.
Im elektronischen Handel ist es inzwischen relativ
einfach, indem man den Altaktien eine Art Stempel aufdrückt. Diese Aktien können dann auch weiter veräußert
werden. Interessierte Käufer werden sich dann aber natürlich sehr selten finden, weil sie wissen, dass es sich
um eine Altaktie handelt, die möglicherweise, im Fall
von weiteren Verlusten, nicht mehr an entsprechenden
Dividendenausschüttungen teilhat. Die Banken sollen
selbstverständlich durch die Emission von neuen Aktien,
die von Dividenden profitieren müssen, in die Lage versetzt werden, sich zu refinanzieren.
Herr Kollege Fromme, bitte.
Herr Minister, es ist immer von toxischen Papieren
die Rede. Man hat dadurch den Eindruck, sie seien
nichts wert. Können Sie mir einmal beschreiben, warum
es dennoch Sinn macht, eine Zeitachse zu schaffen, um
aus den Papieren vielleicht doch noch etwas herauszuholen?
Das ist ganz einfach, Herr Fromme. Es wird eine
Reihe von toxischen Papieren geben, die - so die Einschätzung vieler Fachleute - nach Überwindung dieser
Krise durchaus wieder einen Markt und einen Preis finden können und somit auch handelbar sind.
Danke.
Frau Kollegin Enkelmann.
Herr Minister, auch das Dominoprinzip funktioniert
nur durch Kontrolle, damit die Steine nicht links und
rechts wegkippen. Nun reden wir hier nicht über Domino,
sondern über Milliarden. Ich habe folgende Frage: Plant
die Bundesregierung so etwas wie eine gesetzliche Obergrenze für die Menge an Wertpapieren, die entweder insgesamt oder pro Bank in eine Bad Bank eingebracht
werden kann?
Vor dem Hintergrund eines offenen, grenzüberschreitenden Marktes, von Kapitalverkehrsfreiheit etc. kann
die Bundesregierung keine Obergrenze definieren. Wie
könnten wir denn dort irgendwelche Obergrenzen definieren?
Im Übrigen hat die Bundesregierung nicht die Absicht, in die operativen Verantwortlichkeiten der Banken
einzugreifen, sondern die Bundesregierung wird durch
bankenaufsichtsrechtliche Schritte - auch verbessernde
Schritte; erste Schritte haben wir unternommen - neben
vielen anderen Maßnahmen, die man nachlesen kann
und die insbesondere auf der internationalen Ebene verabredet wurden - im Rahmen einiger Gesetzentwürfe
sind Sie schon damit befasst worden -, dafür Sorge tragen, dass es nicht wieder zu ähnlichen Exzessen und
Übertreibungen kommt, durch die wir in diese Krise
hineingeraten sind.
Herr Kollege Fuchtel, bitte.
Herr Minister, es war zu Beginn der Debatte davon
die Rede, dass wir mit einem Risikowert von 859 Milliarden Euro - wer immer ihn so genau berechnet hat zu rechnen haben. Wie würden Sie das jetzt gewählte
Modell bezüglich dieses Risikowertes taxieren?
Können Sie mir hinsichtlich der möglicherweise betroffenen Banken etwas konkreter sagen, um welche
Größenordnung es hier eigentlich geht?
Ich möchte auch noch wissen, wann genau das Verbot
der Ausschüttung eintreten wird.
Das Ausschüttungsverbot wird nach der Beendigung
der Laufzeit der Papiere aktuell. Wenn der Schlusswert
eines Papiers von dem vorher berechneten Fundamentalwert abweicht, es dort also eine Differenz, ein Delta,
gibt, dann ist sie durch die Alteigentümer auszugleichen.
Bei einer Aktiengesellschaft sind das die Altaktionäre.
Wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Bank handelt, sind das die sonstigen Träger.
Die Liste, die Sie ansprechen, Herr Fuchtel, geht auf
eine Abfrage der Bundesbank oder der BaFin - nageln
Sie mich jetzt nicht fest - zurück. Sie ist, wenn Sie so
wollen, eine „Wunschliste“ der Banken und nichts anderes. Die Banken haben im Rahmen dieser Abfrage definiert, von welchen Aktiva sie sich trennen wollen. Das
sind ganz unterschiedliche Aktiva.
({0})
- Genau. - Nur so kommt diese exorbitante Summe zustande.
Um Ihre Frage präzise zu beantworten: Die Bundesbank schätzt, dass von diesen 850 bzw. 855 Milliarden
Euro, die in Rede stehen, ungefähr 230 Milliarden Euro
auf die sogenannten toxischen, strukturierten Wertpapiere entfallen. Nach Aussage der Bundesbank sind davon inzwischen ungefähr 30 bis 40 Milliarden Euro
„eingezäunt“; ich nenne das jetzt einmal so. Das heißt,
wir reden konkret über toxische, strukturierte Wertpapiere in einer Größenordnung von ungefähr 180 Milliarden Euro - ich bitte darum, mich für die dritte Ziffer
nicht haftbar zu machen -,
({1})
die möglicherweise betroffen sein könnten.
Hinsichtlich eines weiteren Spielraums bezogen auf
die Garantieposition in dem 500-Milliarden-Euro-Schirm:
Davon sind ungefähr noch 250 Milliarden bis 260 Milliarden Euro frei. Nach Lage der Dinge - das ist jedenfalls absehbar - brauche ich Sie, bezogen auf dieses Modell, vor der Sommerpause nicht um eine Erweiterung
des Garantierahmens zu bitten, was, so glaube ich, in Ihrem und auch im Sinne der Bundesregierung ist, um die
Menschen nicht dadurch weiter zu verunsichern, dass
wir plötzlich noch mehr Geld für die Bankenabschirmung benötigen. Es ist sehr schwer, der Öffentlichkeit
den Unterschied zwischen Garantien oder Bürgschaften
und Kapitalinjektionen zu beschreiben. Das bedarf ja einer sehr präzisen und umgangssprachlich nachvollziehbaren Erklärung.
Herr Kollege Toncar, bitte.
Herr Minister, ich habe drei Fragen:
Die erste Frage bezieht sich auf die Wirksamkeit des
Modells. Es geht sicherlich auch darum, dass diese
Zweckgesellschaften schnell eingerichtet werden können, wobei wir das Problem haben, dass die Bewertungsvorgänge komplex sind und es dort kein schematisches
Vorgehen gibt, sondern jedes Papier einzeln bewertet
werden muss. Sie haben davon gesprochen, dass das eine
neutrale Instanz vornehmen soll, die beim SoFFin angesiedelt ist. Wie schnell wird sie operativ handlungsfähig
sein, und was genau kann man sich unter dieser neutralen Instanz vorstellen? Ich glaube, dass die Geschwindigkeit mitentscheidend für die Wirksamkeit ist.
Die zweite Frage bezieht sich auf die Konsolidierung
der Landesbanken. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie
diese wünschen. Werden Sie den Ländern Bedingungen
stellen, die Voraussetzung dafür sind, dass sie dieses
Modell nutzen können? In welcher Form werden Sie für
Verbindlichkeit sorgen, auch angesichts der Argumentation der Länder, dass das Vorhaben in absehbarer Zeit
noch nicht vollzogen werden kann? Die Form der Verbindlichkeit interessiert mich, bevor wir über einen solchen Gesetzentwurf abstimmen können.
Die dritte Frage bezieht sich ebenfalls auf die Länder.
Durch die Garantielaufzeit von bis zu 20 Jahren verzögert sich die Liquidation des Fonds beträchtlich. Eine
Regelung im Finanzmarktstabilisierungsgesetz sieht vor,
dass der Verlustanteil der Länder gedeckelt ist, sodass
die Inflation für die Länder arbeitet, und zwar für weitere 20 Jahre. Ist das aus Sicht des Bundeshaushalts vertretbar, oder sehen Sie die Notwendigkeit, mit den Ländern nachzuverhandeln?
Die Länder werden nur dann in den Genuss des
AIDA-Modells kommen, wenn sie die Voraussetzung erfüllen, eine hinsichtlich des Geschäftsmodells tragfähige
Perspektive für die Restrukturierung der Landesbanken
zu bieten. Dies wird auch als Bedingung in den Gesetzentwurf Eingang finden. Aber das wird noch nachgeliefert, weil es nicht Bestandteil des Zweckgesellschaftsteils ist, sondern erst in dem Modell der Anstalt in der
Anstalt zum Tragen kommt, das nach Lage der Dinge
noch eine Reihe von Fragen aufwirft, die ich vorhin angedeutet habe. Aber es wird zu einer Bedingung gemacht werden müssen.
Im Übrigen wird bei dieser Gelegenheit dafür Sorge
getragen werden müssen, dass der Bund für die Weitergabe oder Verschiebung von solchen illiquiden und
nichtstrategischen Assets nicht in eine Haftungs- und
Risikoposition kommt, sondern dass diese bei den Trägern der Landesbanken bleibt.
Sie haben inzwischen ebenso wie ich nachvollzogen
- Herr de Maizière und ich hatten die Gelegenheit, mehrere Gespräche mit den Ministerpräsidenten der Länder
oder ihren Finanzministern zu führen -, dass eine Reihe
von Ländern massiv daran interessiert ist. Sie selber haben bereits eine Art Holdingmodell entworfen. Einige
von ihnen haben es „Bank deutscher Länder“ genannt.
Ich bin mit dem Namen nicht ganz zufrieden, weil er an
die Zeit nach der Währungsreform 1948 bis 1957 erinnert, als die Deutsche Bundesbank „Bank deutscher Länder“ hieß. Dahinter steht aber in einer Stufenabfolge etwas, das sich, glaube ich, durchaus positiv von den
bisherigen Überlegungen abhebt.
Ihre erste Frage ist mir gerade entfallen.
({0})
- Ja, richtig. Das ist sehr wichtig. Der SoFFin wird sich
externer Sachverständiger bedienen. Das sind nach Lage
der Dinge Assetmanager oder Wirtschaftsprüfer, die allerdings danach ausgewählt werden müssen, dass sie
nicht in einer Interessenkollision zu dem Institut stehen,
das die strukturierten Wertpapiere abgeben will.
Die methodischen Möglichkeiten liegen vor, aber ich
stimme Ihnen absolut zu - das hat vorhin auch Herr
Bernhardt angedeutet -: Die Feststellung des Fundamentalwertes ist durchaus nicht ganz leicht. Darin liegen
Probleme, aber wir glauben, dass das die einzige Möglichkeit ist, die auch im Sinne des Steuerzahlers notwendig ist. Denn wir wollen vermeiden, dass die Steuerzahler mit den bisher aufgelaufenen Verlusten und letzten
Endes auch mit den in der Zukunft anfallenden Verlusten
belastet werden. Darauf erstreckt sich das Ausschüttungsverbot.
Anschließend ist die Bankenaufsicht gefragt, noch
einmal die Validität dieser Bewertungen durch Externe
zu prüfen. Das heißt, es sind sozusagen mehrere Sicherungsringe eingezogen worden, damit dies so professionell und solide wie möglich erfolgt. Es muss auch
schnell erfolgen; Sie haben völlig recht. Insofern sind
wir Ihnen fast zwangsläufig sehr dankbar, dass dieses
Gesetzgebungsverfahren vor der Sommerpause zu einem
Abschluss gebracht wird, damit wir nicht der Diskontinuität unterliegen, und die interessierten Banken in den
Stand versetzt werden, relativ schnell solche Zweckgesellschaften zu gründen.
({1})
- Es wird wahrscheinlich eine Ergänzung geben müssen,
ohne dass ich Ihnen das jetzt präzise sagen kann, weil
wir die zweite Stufe erst noch entwickeln. Sie werden so
schnell wie möglich mit dem befasst, was wir heute im
Kabinett beraten haben. Das AIDA-Modell haben wir
heute im Kabinett nicht behandelt. Es wird klargemacht
- gegebenenfalls über entsprechende Novellierungen des
jetzigen Finanzmarktstabilisierungsgesetzes -, dass der
Bund nicht bereit ist, für solche illiquiden, nichtstrategischen Assets in den Bilanzen der jetzigen Landesbanken
in eine Risikoposition zu gehen. Das heißt, das müssen
die Träger der jetzigen Landesbanken übernehmen.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Norbert Barthle.
Herr Minister, ich will zunächst in einer Vorbemerkung festhalten, dass das von Ihnen vorgelegte Konsolidierungsbank-Modell - ich nenne es Kaba-Modell dazu geeignet ist, das anstehende Problem der toxischen
Papiere zu lösen, und insbesondere eine für mich essenzielle Forderung erfüllt. Das ist die Tatsache, dass die
Verantwortung für diese Papiere bei den Banken bleibt
und der Steuerzahler entweder gar nicht oder sehr spät in
Haftung genommen wird, und zwar zu einem Zeitpunkt,
wenn die Situation schon ganz anders aussehen kann.
({0})
Meine konkrete Frage betrifft einen Detailpunkt hinsichtlich Bedingungen und Auflagen, die mit diesem
Modell verbunden sind. Sie selbst haben gesagt, dass sie
nicht zu prohibitiv sein dürfen. Entscheidend ist für mich
dabei die Höhe der Gebühren, von der die Akzeptanz des
Modells abhängt. Wer stellt zu welchem Zeitpunkt und
auf welcher Grundlage die Höhe der Gebühren fest?
Die Höhe der Gebühren wird vom SoFFin festgestellt
werden müssen, und zwar auf der Basis der Vorgaben
der Europäischen Kommission, die unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit ganz klare Spielregeln
vorgegeben hat. Das hat sie übrigens schon im Rahmen
der jetzigen Lösungen für die Zinsberechnungen bei
denjenigen getan, die Kapitalinjektionen in Anspruch
nehmen. Wie Sie wissen, sind diese Zinsen teilweise
sehr hoch. Damit kommen wir zu einer früheren Fragestellung zurück. Einige Institute könnten möglicherweise - weil sie Verluste schreiben - einmal nicht in der
Lage sein, Zinsen oder Gebühren zu zahlen; das will ich
gar nicht ausschließen. Man wird eine Lösung finden
müssen, um diese Institute nicht unter Wasser zu halten,
sondern über Wasser zu bringen. Daran haben wir ein
massives Interesse.
Bezogen auf manche Frage bzw. Zwischentöne, die
ich von der linken Seite gehört habe: Man muss sehen,
was man möchte. Wenn man die Banken von Problemen
entlasten möchte, dann kommt man bei der Lösungssuche mit Vorurteilen gegenüber dem Bankensektor
nicht weiter; denn es ist für dieses Land von existenzieller Bedeutung, den Bankensektor zu stabilisieren. Das ist
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
({0})
- Entschuldigen Sie bitte, ich nehme als einer der verantwortlichen Minister nicht billigend in Kauf, dass eine
Entwicklung Raum greift, an deren Ende eine schwere
Erschütterung des deutschen Bankensektors steht.
({1})
Das können sich nur Leute leisten, die glauben, man
könnte einen Laborversuch durchführen. Das kann man
aber nicht.
({2})
Wir reden hier über eine Volkswirtschaft mit 80 Millionen Menschen. Die Realwirtschaft braucht gerade in
einer Situation, in der gegebenenfalls große Unternehmen spielend einen Refinanzierungsbedarf in Höhe von
4 Milliarden, 5 Milliarden oder 6 Milliarden Euro haben,
dringend stabile und verlässliche Finanzdienstleistungen. Das alles geschieht vor dem Hintergrund deutlich
veränderter Finanzierungsstrukturen; denn die klassischen Konsortialfinanzierungen der vergangenen Jahre
sind aufgrund des Rückzugs der Banken - auch ausländischer - schwieriger denn je. Deutsche Institute müssen
daher durch Abschirmung und Stabilisierung in die Lage
versetzt werden, dort tätig zu werden. - Bin ich Ihnen irgendeine Antwort schuldig geblieben?
({3})
Nächster Fragesteller ist der Kollege Dr. Troost.
Herr Minister, ich bin gar nicht in der Lage, so viele
Fragen zu stellen, wie Ihre Antworten bei mir auslösen.
({0})
Ich nehme zur Kenntnis, dass es demnächst verschiedene Aktien gibt: solche mit Stempel und solche ohne
Stempel. Das löst bei mir im Hinblick auf den elektronischen Aktienhandel viele Fragen aus.
Worauf ich eigentlich hinaus will, ist Folgendes: Sie
sagen, ein Stresstest sei ein Problem, und man solle einen solchen Test besser nicht durchführen, weil er Panik
auslösen könne. Damit verhält es sich etwa so, als ob
man nicht zum Arzt ginge und keine Blutuntersuchung
durchführen ließe, weil man nicht wissen will, ob man
krank ist.
Nach Ihrem Verfahren ist mit einem Abschlag in
Höhe von 10 Prozent zu rechnen. Kollege Bernhardt hat
gefragt, ob 10 Prozent noch zu verkraften seien. Wissenschaftler vom DIW zum Beispiel gehen davon aus, dass
viele Papiere einen Wert von null haben. Das bedeutet
also nicht minus 10 Prozent, sondern minus 100 Prozent.
Nun sollen die Fundamentalwerte von neutralen Institutionen, wie Sie sagen, festgestellt werden. Die entscheidenden Fragen sind: Erstens. Gibt es solche neutralen Institutionen wirklich, die nicht in Geschäftsbeziehungen
standen oder stehen? Zweitens. Wird die Politik nicht
dahin gehend Einfluss nehmen - genauso haben Sie es
im Hinblick auf den Stresstest geschildert -, dass die
Fundamentalwerte möglichst gut sind, damit im Moment
keine zu großen Verluste ausgewiesen werden müssen
und möglichst viel in die Zukunft verlagert werden kann,
um die Probleme nicht schon jetzt bewältigen zu müssen?
Soweit ich Ihre Frage nachvollziehen kann, basiert sie
auf einer ganzen Reihe von Missverständnissen; ob konstruiert oder nicht, kann ich nicht genau beurteilen. Dass
es unterschiedliche Aktientypen gibt, ist schon heute
gängige Praxis. So kennen wir zum Beispiel Stammaktien und Vorzugsaktien. Wo ist also das Problem, das
Sie mit Ihrer Frage insinuieren, Herr Troost? Das macht
keinen Sinn.
({0})
Das Gleiche gilt im Hinblick auf den Stresstest. Ich
habe mich keineswegs so geäußert, wie Sie es dargelegt
haben. Ich habe mich dahin gehend geäußert, dass man
sich das sehr genau überlegen muss. Nichts anderes habe
ich gesagt, nicht weniger und nicht mehr. Man darf nicht
aus der Hüfte schießen, nur weil „Stresstest“ so toll
klingt und modisch sein mag.
Ich möchte vorher überlegen, was sich damit verbindet und wie das aussieht.
Zu Ihren beiden Fragen sage ich: Man wird fachlich
versierte Leute für die Berechnung solcher Fundamentalwerte finden müssen. Ich habe darauf hingewiesen,
dass eine Validierung durch die Bankenaufsicht stattfinden muss. Insofern hat man, wie ich glaube, eine neutrale, hinlänglich respektierte Instanz. Ich kann mir keinen anderen Weg vorstellen. Ich verstehe auch nicht die
Verdächtigungen. Eine politische Einflussnahme verbietet sich. Die würde sofort von den Märkten, von den
Wirtschaftsprüfern und von all denjenigen, die Bilanzen
zu prüfen haben, registriert werden. Wir machen gerade
die Erfahrung, dass dieser Stresstest in den USA deshalb
nichts mehr wert ist, weil es eine Einflussnahme der
dortigen Zentralbank und des Finanzministeriums, des
Treasury, gegeben hat. Daran können Sie sehen, wie
ambivalent das sein kann und dass der Schuss nach hinten losgehen kann.
Herr Kollege Thiele, bitte.
Sehr geehrter Herr Minister, als FDP teilen wir die
Meinung, dass es Aufgabe des Staates ist, dafür zu sorgen, dass die Realwirtschaft und die Bürger unseres Landes wieder Vertrauen in den Finanzplatz fassen. Deshalb
haben auch wir dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz
zugestimmt.
Zu dem Punkt, um welche Papiere es geht, habe ich
eine Nachfrage - Sie hatten gerade schon eine Teilantwort gegeben -: Geht es dabei um die Nominalbeträge
oder um die abgewerteten Beträge, die derzeit als Risiko
in den Bilanzen der Banken vorhanden sind? Wie verteilt sich das auf Privatbanken und Landesbanken? Denn
einen Großteil der Probleme haben die Landesbanken.
Ich wäre dankbar, wenn Sie sagen könnten, wie sich das
aus Ihrer Sicht heute in etwa verteilt.
Ich kann Ihnen, Herr Thiele, aus dem Stand nicht beantworten, wie sich die von mir genannten strukturierten
Wertpapiere in Höhe von 180 Milliarden oder 190 Milliarden Euro auf private Geschäftsbanken und Landesbanken verteilen. Die Bundesregierung muss mit einem
rechtsformneutralen Gesetz operieren. Das heißt, es steht
allen Banken jedweder Art offen. Anders geht es gar
nicht. Wer wie davon Gebrauch macht, ist im Augenblick nicht absehbar. Ich halte dieses Handeln für notwendig; ob es im Hinblick auf unser gemeinsames Ziel
hinreichend ist, wird sich im Zeitablauf erweisen. Ich
glaube, Ihre Frage dahin gehend beantworten zu können,
dass viele Landesbanken insbesondere mit Blick auf die
illiquiden Wertpapiere und nichtstrategischen Wertpapiere ein massives Interesse daran haben, dass die jetzt
vorgestellte Lösung durch das ergänzt wird, was wir gemeinsam vorgeschlagen haben. Stichworte sind in diesem Zusammenhang: AIDA, Konsolidierungsbank-Modell, Kaba- oder Koba-Modell; mit der Bezeichnung
„Kaba“ wird vielleicht eine falsche Assoziation ausgelöst. Das wird sich also herausstellen.
Sie fragten dann noch, ob es um die nominalen Werte
oder die abgeschriebenen Werte geht. Ich versuche, das
an einem Beispiel wie folgt zu beschreiben: Eine Bank
hat ein solches Wertpapier zu einem Wert von 100 in die
Bilanz genommen. Inzwischen hat es einen Buchwert
von im Durchschnitt 60. Das heißt, dass schon 40 Prozent abgeschrieben worden sind. Von diesen 60 müssen
dann, wenn das Wertpapier auf die Zweckgesellschaft
übertragen wird, 10 Prozent abgezogen werden. Dann
beträgt der Buchwert, zu dem die Zweckgesellschaft das
Papier übernehmen soll, 54. Jetzt stellen Wirtschaftsprüfer und Assetmanager fest, dass der Buchwert von
54 zu hoch und der Fundamentalwert 40 ist. Das heißt,
dass in diesem Beispiel über die nächsten 20 Jahre ein
Wert von 14 abgestottert werden muss. Nun wird nach
der Laufzeit festgestellt, dass das Papier nur noch einen
Wert von 30 hat. Dann muss noch einmal ein Betrag von
10 über ein Ausschüttungsverbot abgedeckt werden. Das
ist der Mechanismus.
Inwieweit diese Papiere werthaltig sind oder wie der
Buchwert ist, verstehen Sie als Fachmann genauso gut
wie ich; denn es gibt ganz unterschiedlich klassifizierte
Wertpapiere. Wir machen teilweise die Erfahrung, dass
selbst mit AAA bewertete strukturierte Papiere nicht
mehr zum Buchwert von 100, also zum Einkaufspreis, in
der Bilanz stehen, sondern nur zu 80 oder zu 70. Andererseits sind mit BBB bewertete Papiere nur noch mit einem Wert von 30 oder 20, einige sogar mit 0 - das sind
richtige Schrottpapiere - aufgeführt. Die Frage, die vorhin Herr Fromme stellte, war berechtigt. Es gibt viele
Papiere, die ein durchaus gutes Rating haben, die aber
trotzdem im Augenblick nicht handelbar sind. Wenn sich
der Markt aber in nicht allzu weiter Ferne, also nicht in
15 oder 20 Jahren, sondern möglichst in 2, 3 oder 4 Jahren, stabilisiert - das hoffen wir -, dann erzielen diese
Papiere wieder einen Preis und können gegebenenfalls
veräußert werden.
({0})
- Wenn der Wert 70 ist, fragt Herr Solms. Darf ich die
Frage beantworten?
Von mir aus schon, Herr Minister. Nur, wir haben die
für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit
schon überschritten. Wenn Sie anschließend noch eine
Frage beantworten, dann haben wir, glaube ich, das
ganze Haus zufriedengestellt.
Herr Solms trifft einen wichtigen Punkt: Wenn sie einen Wert von 70 statt von 40 haben, dann haben die Banken einen Gewinn gemacht; denn die öffentliche Hand
übernimmt ja auch keinen Verlust. Das heißt, da kein
Verlust übernommen wird, kann sie den Banken den Gewinn dann auch nicht streitig machen.
Als letztem Fragesteller erteile ich nun dem Kollegen
Carsten Schneider das Wort.
Herr Minister, Sie haben erstens die Problematik der
Landesbanken angesprochen. Haben Sie den Eindruck,
dass bei den Ministerpräsidenten ein hinreichendes Problembewusstsein für die Situation der Landesbanken
und in Bezug auf die Existenz der Bundesländer vorhanden ist?
Zweitens haben Sie die Alteigentümerhaftung bei den
Landesbanken angesprochen. Betrifft dies dann auch die
Sparkassen, die teilweise noch Alteigentümer bzw. Mitaktionäre sind?
Drittens hat der Bundesbankpräsident vorgeschlagen,
die prozyklischen Bewertungsstandards unter anderem
im Rahmen der IFRS zu entschärfen. Wie ist dies international bei Ihren Kollegen im Hinblick darauf angekommen, den Bilanzdruck von den Banken zu nehmen?
Es gibt einige Länder - einige sind auch deshalb von
Bedeutung, weil sie Standort der noch verbliebenen sieben selbstständigen Landesbanken sind -, die ausgesprochen aufgeschlossen gegenüber der genannten Problematik sind. Nun muss man anerkennen, dass sich die
Situation der Landesbanken durchaus unterscheidet.
Man kann es ja beim Namen nennen: Die Helaba und die
Nord/LB sind - jedenfalls aktuell - erkennbar in einer
anderen Situation als manch andere Landesbank. Dementsprechend ist auch die Interessenlage der betroffenen
Länder definiert.
Trotzdem ist mein Eindruck, dass die Landesbanken
und die dahinterstehenden Träger, also vornehmlich die
Landesregierungen, interessiert sind, einige davon in besonderem Maße. Sie brauchen nur die gestrige Entscheidung der EU-Kommission betreffend die WestLB vor
Ihrem geistigen Auge ablaufen zu lassen; dann wissen
Sie, wie hoch das Interesse an einer solchen Lösung ist.
Das Gleiche gilt für einige andere. Insofern glaube ich
nach den jüngsten Gesprächen, dass unser Vorgehen
richtig ist.
Ich mache allerdings keinen Hehl daraus, dass ich ein
Höchstmaß an Eigenverantwortung insbesondere der
Landesregierungen gegeben sehe. Das ist der Grund, warum ich in den letzten zwei Jahren sehr zurückhaltend
gewesen bin, die Landesbanken in der Bundesregierung
oder im Bundestag zum Thema zu machen. Ebenso mache ich keinen Hehl daraus, dass bei mir eine gewisse
Enttäuschung mitschwingt, in welch geringem Maße es
den Beteiligten, insbesondere den Landesregierungen,
bislang gelungen ist, das Problem der Landesbanken zu
lösen. Sie haben in den letzten zwei Jahren weder eine
horizontale noch eine vertikale Lösung, keine Standalone-Lösung, kein Privatinvestormodell und auch keine
internationalen Lösungen hinbekommen. Keine dieser
Lösungen ist bisher zustande gekommen. Manchmal
habe ich den Eindruck, dass das Problem sehr gezielt so
eskaliert, dass es eines Tages dem Bund, also Ihnen auf
parlamentarischer Ebene genauso wie mir in der Exekutive, auf die Füße fallen soll. Deshalb bin ich da sehr
vorsichtig.
Die Bilanzierungsstandards sind ein ständiges Thema
im internationalen Bereich. Dazu wird der IASB - das
ist der International Accounting Standards Board - eingeladen, um festzustellen, ob es im Zusammenhang mit
den amerikanischen Bilanzierungsregelungen inzwischen ein gleiches Wettbewerbsfeld gibt oder ob Nachteile für europäische Banken bestehen. Insbesondere ist
Gegenstand der Debatte des Baseler Ausschusses, ob die
Bilanzierungsregeln in dem Sinne flexibilisiert werden
müssen, dass ihnen das Risiko prozyklischer Wirkungen
genommen wird. Darüber gehen die Meinungen etwas
auseinander, insbesondere mit Blick auf die Handhabung
von Basel II. Der Bundesbankpräsident hat darauf hingewiesen, dass die Anwendung von Basel II für deutsche
Banken deutliche Vorteile gegenüber dem alten Basel-IRegime hat.
Dies ist also ein sehr komplexes Feld, das in der Tat
nur in internationalen Bezügen debattiert werden kann,
weil klar ist, dass börsennotierte, grenzüberschreitende
Unternehmen nicht nach HGB bilanziert werden können, sondern zwingend nach internationalen Bilanzierungsregeln bilanziert werden müssen. Diese kann ich
allein in der Zuständigkeit des Bundes nicht ändern;
vielmehr bin ich auf internationale Abstimmungen angewiesen.
Sie hatten eine weitere Frage.
({0})
- Die Sparkassen sind als Träger, als Anteilseigner
selbstverständlich mitbeteiligt. Ich kann nur darauf hinweisen: Jede Sparkasse muss ein Interesse daran haben
und mit an diesem Strang ziehen; denn für den Fall, dass
der entsprechenden Landesbank etwas passiert, werden
die Sparkassen ihre Beteiligungen in ihren eigenen Bilanzen sämtlich abschreiben müssen. Damit würde ein
Infektionskanal gelegt, den wir in jedem Fall verhindern
müssen.
Wir haben die für die Regierungsbefragung ursprünglich vorgesehene Zeit etwas überzogen. Ich schließe jetzt
den Tagesordnungspunkt der Befragung der Bundesregierung. - Herr Bundesminister, ich danke Ihnen sehr
herzlich für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
- Drucksache 16/12922 Ich darf Sie darauf hinweisen, dass interfraktionell
vereinbart wurde, die Zeit für die Fragestunde heute auf
eine Stunde zu reduzieren.
Die Frage 1 des Kollegen Christoph Waitz - sie bezieht sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz - wird schriftlich beantwortet. Entsprechendes gilt für die Fragen 2 und 3 der Kollegin
Dr. Kirsten Tackmann, die den Geschäftsbereich des
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz betreffen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Für die Beantwortung der
Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Christian Schmidt zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Inge Höger auf:
Wie will die Bundesregierung angesichts von wiederholten Warnungen durch Menschenrechtsorganisationen wie zum
Beispiel Amnesty International vor Folter und anderen Formen der Misshandlung in afghanischen Gefängnissen sicherstellen, dass der von Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte, KSK, am 7. Mai 2009 in Afghanistan festgenommene
Abdul Rasek nach seiner Übergabe an die afghanische Staatsanwaltschaft und den afghanischen Geheimdienst entsprechend rechtsstaatlichen Prinzipien behandelt wird?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Kollegin, ich antworte auf Frage 4 wie folgt:
Deutsche ISAF-Spezialkräfte führten in der Nacht vom
6. auf den 7. Mai 2009 zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte in der Provinz Badakschan, Distrikt Varduj, eine gemeinsame Operation gegen den mutmaßlichen Straftäter Abdul Rasek durch. Dabei gelang
es den afghanischen Kräften, die Festnahme von Abdul
Rasek durchzuführen, den sie anschließend mit deutscher Unterstützung an die Schwerpunktstaatsanwaltschaft des National Directorate of Security in Kabul,
also an die afghanische Staatsanwaltschaft, überstellten.
Eigenen Gewahrsam an Abdul Rasek haben deutsche
Kräfte zu keinem Zeitpunkt begründet. Die Bundesregierung wird die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien
sowie menschenrechtlicher Mindeststandards durch afghanische Behörden aufmerksam beobachten.
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?
Ja. - Wollen Sie tatsächlich genau überprüfen, ob überstellte Gefangene nicht der Folter ausgesetzt sind? Es gibt
Berichte von Amnesty International, die darauf hinweisen, dass mehrere Personen nach der Übergabe durch die
ISAF gefoltert wurden oder verschwunden sind. Amnesty
International fordert die ISAF daher auf, Übergaben an
den afghanischen Geheimdienst einzustellen.
Die Bundesregierung nimmt die von Ihnen in Anspruch genommenen Informationen von Amnesty International sehr ernst; diese Informationen sind schon 2007
artikuliert worden. Sie hat deshalb ausdrücklich die Entschlossenheit der afghanischen Regierung begrüßt, die
Vorwürfe, mit denen die afghanische Regierung konfrontiert worden ist, durch die zuständigen afghanischen
Regierungsstellen umfänglich aufzuklären.
Den souveränen Staat Afghanistan darin zu unterstützen, selbst für den Schutz der Menschenrechte auf seinem Territorium zu sorgen, ist ein entscheidendes Motiv
für den Einsatz der internationalen Gemeinschaft und für
den deutschen Beitrag hierzu. Die Bundesregierung legt
größten Wert auf die Einhaltung menschenrechtlicher
Standards gegenüber durch deutsche ISAF-Kräfte festgesetzten Personen, auch nach Überstellungen an afghanische Institutionen. Ich darf darauf hinweisen, dass die
Festsetzung in diesem konkreten Fall durch afghanische
Kräfte erfolgt ist.
Wenn es sich um durch deutsche Kräfte festgesetzte
Personen handelte, würden wir im Einzelfall anstreben,
uns die Einhaltung entsprechender Verhaltensweisen der
afghanischen Seite erneut zusagen zu lassen. Angesichts
der konkreten Vorwürfe im Zusammenhang mit der Verhaftung von Abdul Rasek betone ich: Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass wir dies grundsätzlich für
angemessen halten.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte sehr.
Sie haben eben gesagt, der Talibanführer sei von afghanischen Streitkräften festgesetzt worden. Den Medien hatte ich bisher entnommen, dass er von KSK-Kräften festgesetzt und dann übergeben wurde. Ich möchte
genau wissen: War es ein KSK-Einsatz? Wenn ja, wie
lautete der Auftrag? Lautete der Auftrag, diesen Talibanführer bzw. andere Personen gezielt gefangen zu nehmen? Auf welcher rechtlichen Grundlage ist das Ganze
abgelaufen?
Die Grundlage ist das Mandat ISAF, das die Unterstützung der afghanischen Kräfte vorsieht. Die Operation mit Beteiligung deutscher Spezialkräfte war - ich
habe das bereits ausgeführt - auf die Ergreifung dieses
Straftäters ausgerichtet.
Dass wir seitens der Bundeswehr und seitens unseres
Landes ein großes Interesse an der Ergreifung und Verurteilung des Straftäters haben, ergibt sich schon daraus,
dass ihm vorgeworfen wird, Anschläge auf Bundeswehreinrichtungen in Afghanistan vorbereitet bzw. ausgeübt
zu haben. Wir können auch für die Zukunft nicht ausschließen, dass er so etwas machen würde. Daraus ergibt
sich ein nachhaltiges Interesse daran, dass diese Figur
aus dem Verkehr gezogen - gestatten Sie mir, diese saloppe Formulierung zu gebrauchen ({0})
und der gerechten Strafe zugeführt wird.
Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Inge Höger.
Erwägt die Bundesregierung angesichts knapper werdender Haushaltsmittel dennoch, den Vertrag über die Beschaffung der dritten Tranche des insgesamt 22 Milliarden Euro
teuren Eurofighters noch in diesem Jahr abzuschließen?
Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Ich bin dem Bundestag sehr dankbar, dass er in der vorliegenden Drucksache einen offenkundigen Schreibfehler korrigiert hat, der in meiner Vorlage noch enthalten war. Gemäß dieser hätte die Frage
der Kollegin nämlich gelautet, ob wir den Vertrag „abschießen“ wollen. Sie meinte natürlich „abschließen“.
Ich gestehe zwar zu, dass das Fluggerät durchaus die Fähigkeit zum Abschießen haben soll, bedanke mich aber
trotzdem für die Korrektur.
Wir haben unverändert die Absicht - dieser Bedarf ist
operationell begründet und parlamentarisch auch gebilligt -, 180 Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter und
davon 68 in der von Ihnen genannten dritten Tranche zu
beschaffen. Wir beabsichtigen auf Grundlage der am
22. September 1997 mit den Partnernationen Großbritannien, Spanien und Italien geschlossenen Regierungsvereinbarung, die eine Verpflichtung zur Abnahme von
insgesamt 620 Luftfahrzeugen des Typs Eurofighter beinhaltet, von denen 180 Luftfahrzeuge auf Deutschland
entfallen, noch Mitte 2009 in einem ersten Schritt die
Teiltranche 3a mit 31 Luftfahrzeugen für die Luftwaffe
zu beauftragen. Deswegen werden wir dem Verteidigungsausschuss und dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages eine entsprechende Vorlage zuleiten
lassen.
Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.
In der Süddeutschen Zeitung von gestern konnte man
lesen, dass Großbritannien offenbar durchrechnen lässt,
was es kosten würde, wenn man den Auftrag stornieren
und die bestellte dritte Tranche nicht abnehmen würde.
Gibt es im Verteidigungsministerium ähnliche Überlegungen oder Überprüfungen, welche Folgen es für
Deutschland hätte, wenn andere Partnerländer ausstiegen, und ob Deutschland dann eventuell auch aussteigen
sollte?
Die Staatssekretäre der Bestellerländer haben sich vor
einigen Wochen getroffen und haben über die Beauftragung grundsätzliche Einigung erzielt. Es gab einen
Wunsch der britischen Seite, diese Frage noch einmal im
eigenen Land zu besprechen. Wir gehen davon aus, dass
jedes Land die Kosten-Nutzen-Rechnung vor dem Hintergrund finanzieller und materieller Fragen sowie auch
im Sinne der Notwendigkeit von Fähigkeiten anstellt.
Mir ist nicht bekannt, ob und, wenn ja, welche Berechnungen die britische Seite vorgenommen hat. Unser
Kenntnisstand ist, dass sich alle Länder grundsätzlich zu
der vertraglichen Vereinbarung der Beauftragung der
dritten Tranche, die die Teiltranchen 3a und 3b umfasst,
bekennen.
Haben Sie noch eine weitere Nachfrage?
Die Planungen für den Eurofighter stammen ja aus
den 80er-Jahren. Viele Experten sagen, dass er den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Auch
wenn andere Länder bereits daran denken, die dritte
Tranche nicht mehr abzunehmen, wollen Sie diese offenbar abnehmen. Welche konkreten militärischen Notwendigkeiten sehen Sie denn dafür, zu den bereits bestellten
112 noch weitere 68 Eurofighter zu erwerben?
Frau Kollegin, die Zahl von 180 Eurofightern ist gut
begründet und übrigens auch eingebettet in die Reduzierung der Zahl an notwendigen Gerätschaften, die nach
dem Fall des Eisernen Vorhangs und im Zuge der sich
daraus ergebenden Neuorientierung bzw. Transformation der Streitkräfte erfolgte.
Der Eurofighter ist ja nicht das einzige Kampfflugzeug der Bundeswehr. Das Rückgrat bildet gegenwärtig
das Flugzeug vom Typ Tornado. Insofern bleibt es bei
den nicht aus den 80er-Jahren stammenden, sondern in
der jüngeren Zeit angestellten Berechnungen. Ein Flugzeug, das in den 80er-Jahren für die Aufgaben, die es damals zu erfüllen hatte, konstruiert worden ist, kann in
seiner Ausführung, Ausstattung und Befähigung nicht
mit einem Flugzeug identisch sein, wie es sich im Jahre
2009 darzustellen hat. Daraus ergibt sich, dass der konstruktive Ansatz zwischen dem Ende der 80er-Jahre und
heute sehr viele Modifikationen erfahren hat, sodass
man dem Eurofighter so, wie er heute in die Luftwaffe
eingeführt worden ist oder werden wird, die Befähigung
zur Bewältigung der zu erwartenden Anforderungen und
Aufgaben zubilligen kann.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 6 des Kollegen
Frank Spieth wird schriftlich beantwortet.
Gleiches gilt für die Frage 7 der Kollegin Sylvia
Kotting-Uhl und die Frage 8 des Kollegen Hans-Josef
Fell aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern werden die Frage 9 des Kollegen Frank
Spieth, die Frage 10 der Kollegin Veronika Bellmann
und die Frage 11 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
schriftlich beantwortet.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Finanzen wird die Frage 12 des Kollegen HansChristian Ströbele schriftlich beantwortet. Für die Beantwortung der weiteren Fragen aus diesem Geschäftsbereich steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl
Diller zur Verfügung.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Ich rufe nun die Frage 13 des Kollegen Jürgen
Koppelin auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Entwurf des
Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 zu verabschieden,
und wie hoch schätzt die Bundesregierung die Nettoneuverschuldung im Bundeshaushalt 2010?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Kollege Koppelin, wie ich Ihnen bereits im
Haushaltsausschuss in der letzten Woche mitgeteilt habe,
wird sich das Kabinett am 24. Juni mit dem Regierungsentwurf für 2010 befassen.
Bezüglich Ihrer Frage nach dem Umfang der Nettoneuverschuldung müssen wir in Geduld abwarten, welche voraussichtlichen Mindereinnahmen die Steuerschätzer heute und morgen in Bad Kreuznach ermitteln.
Im Übrigen sind die Ressortverhandlungen noch nicht
abgeschlossen, sodass ich Ihnen nicht sagen kann, welche möglichen Neuverschuldungen sich aus den Ressortverhandlungen ergeben. Kurzum: Ich bitte um etwas Geduld.
Haben Sie Nachfragen? - Herr Kollege, bitte.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob, wenn das Kabinett den Entwurf für den Bundeshaushalt 2010 verabschiedet hat, die Bundesregierung beabsichtigt, noch vor
der Bundestagswahl in einer zusätzlichen Sitzung oder
wie auch immer zumindest diesen Entwurf im Plenum
diskutieren zu lassen.
Herr Kollege, der von mir genannte 24. Juni liegt
nicht in einer Sitzungswoche. Aber die Woche darauf ist
eine Sitzungswoche. Es steht selbstverständlich dem
Deutschen Bundestag frei, sich dann mit dem Regierungsentwurf zu beschäftigen.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen aufgefallen, dass Sie
meine Frage nicht beantwortet haben? Ich habe nämlich
gefragt, ob die Bundesregierung beabsichtigt, den Haushaltsentwurf dem Plenum nicht nur vorzulegen, sondern
hier auch diskutieren zu lassen. Nach der Bundeshaushaltsordnung ist vorgesehen, den Haushaltsentwurf jeweils in der ersten Sitzungswoche im September durch
das Plenum diskutieren zu lassen. Aufgrund der Bundestagswahl haben wir in dem Monat bisher keine Sitzungswoche vorgesehen. Auf Wunsch der Regierung könnte
man das aber gerne machen. Auch meine Fraktion wäre
natürlich gerne bereit, Anfang September diesen Entwurf zu diskutieren. Ich frage Sie noch einmal: Ist die
Bundesregierung bereit, den Haushaltsentwurf zu diskutieren? Wenn Sie sagen - ich komme auf Ihre Antwort
zurück -, es lägen noch keine Zahlen vor, dann frage ich
Sie: Können Sie mir erklären, wieso Minister
Steinbrück, der ja Ihr Chef ist, jetzt landauf, landab erklärt, wie hoch die Nettoneuverschuldung sein wird?
Woher hat er diese Zahlen?
({0})
Herr Kollege Koppelin, das Parlament hat das Recht,
zu beantragen, dass die Regierung zu bestimmten Punkten berichtet. Die Regierung wird dazu gerne an dem
entsprechenden Mittwoch nach der Kabinettssitzung bereit sein. Ansonsten kann der Minister nach der Kabinettssitzung im Parlament, so wie es heute
({0})
bei dem Regierungsentwurf zum Thema Bad Banks der
Fall war, zu dem Haushaltsplanentwurf für 2010 Fragen
beantworten. Wenn das der Wunsch Ihrer Fraktion ist,
werden wir dem gerne entsprechen.
Der zweite Punkt ist Ihre Frage bezüglich der Zahlen.
Es gibt Plausibilitätsannahmen, nach denen in dem Zeitraum bis zum Ende der nächsten Finanzplanung - die
gegenwärtige Finanzplanung geht bis 2012; die nächste
Finanzplanung, die mit dem Regierungsentwurf für den
Haushalt 2010 verbunden ist, geht bis 2013 - eine Neuverschuldung in einer Größenordnung von roundabout
300 Milliarden Euro denkbar ist.
Wir kommen zur Frage 14 des Kollegen Jürgen
Koppelin:
Beabsichtigt der Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück, Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Österreich und Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina Faso, zu
einer Steuerkonferenz nach Berlin einzuladen, wie er in Brüssel angekündigt hat ({0})?
Herr Kollege Koppelin, zu der Konferenz am 23. Juni
2009 sind die gleichen Staaten eingeladen worden, die
auch zu dem vorangegangenen Treffen in Paris, zu dem
der französische Haushaltsminister und Minister Peer
Steinbrück gebeten hatten, eingeladen waren.
Eine Nachfrage? - Bitte.
Ich bin erstaunt, dass Herr Staatssekretär Diller in seinen Antworten heute so kurz angebunden ist. Das ist
sonst gar nicht seine Art. Deshalb muss ich nachfragen.
Meine konkrete Frage bezog sich auf die Ankündigung
von Minister Steinbrück in Brüssel, nach der zu dieser
Konferenz Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz,
Österreich und Ouagadougou eingeladen werden sollten.
Ouagadougou ist allerdings nur eine Hauptstadt. Jetzt
frage ich Sie: Wer von denen wird eingeladen und wer
nicht? Ich will gar nicht auf Ouagadougou eingehen,
Herr Staatssekretär, sondern nur feststellen, dass Ihre
Staatssekretärskollegin - der Kollege Schäffler hat mir
die Information aus dem Finanzausschuss zur Verfügung
gestellt - mitteilt, dass Liechtenstein nicht dabei sei. Das
finde ich sehr spannend. Wie kommt also der Minister
dazu, in Brüssel solche Ankündigungen zu machen,
wenn er das anschließend nicht umsetzt?
Herr Kollege Koppelin, Minister Peer Steinbrück hat
in Brüssel auf die Frage eines österreichischen Journalisten, nämlich ob in Berlin eine Closed-Shop-Veranstaltung stattfinde, geantwortet, dass es um ein weltumspannendes Problem gehe und deshalb weltumspannend dazu
eingeladen werde. Zutreffend ist, dass OECD-Staaten
eingeladen werden. Das hat folgenden Grund: Es gibt
einerseits seit 2002 das Musterabkommen für Auskunftsaustausch der OECD und andererseits seit 2005
das Muster für Doppelbesteuerungsabkommen, in dem
Art. 26 den Informationsaustausch regelt. Mit diesen
Musterabkommen wollte die OECD sich an NichtOECD-Staaten wenden nach dem Motto: Seid ihr bereit,
mit uns OECD-Staaten solche Abkommen zu schließen? - Daraufhin haben die Nicht-OECD-Staaten gefordert, dass die OECD zunächst durchsetzen soll, dass die
OECD-Staaten das umsetzen, was an Musterabkommen
von der OECD entwickelt worden ist. Deswegen hat es
diese Konferenz der OECD-Staaten in Paris gegeben.
An dieser Konferenz haben Australien, Belgien,
Deutschland, Frankreich, Dänemark, Finnland, Irland,
Island, Italien, Japan, Korea, Mexiko, die Niederlande,
Norwegen, Spanien, Schweden und das Vereinigte
Königreich teilgenommen. Österreich und Luxemburg
waren eingeladen, sind aber nicht gekommen. Sie sind
auch diesmal wieder eingeladen, und es bleibt abzuwarten, ob sie kommen werden.
Wollen Sie eine weitere Nachfrage stellen?
Ja, gerne. Ich habe es heute wirklich schwer mit dem
Herrn Staatssekretär, zumal ich speziell nach Liechtenstein gefragt hatte. Es war ja angekündigt worden, dass
es eingeladen wird. Also versuche ich, die Frage einmal
anders zu stellen, Herr Staatssekretär, um von Ihnen eine
konkrete Antwort zu bekommen: Ist meine Information
richtig, dass es sich Bundesminister Steinbrück, nachdem er diese Erklärungen in Brüssel abgegeben hat,
überlegt, sich beruflich zu verändern und nach der Bundestagswahl deutscher Botschafter in der Schweiz zu
werden?
Herr Kollege Koppelin, Sie haben schon launigere
Bemerkungen gemacht.
({0})
Eine Nachfrage zu diesem Themenkomplex hat noch
der Kollege Frank Schäffler.
({0})
Herr Staatssekretär, die Äußerung des Finanzministers hat im Ausland zu Recht zu einer großen Empörung
geführt. Erste Frage: Beabsichtigt der Finanzminister,
sich bei diesen Ländern wegen seiner Äußerung zu entschuldigen?
({0})
Zweite Frage: Wie ist der Widerspruch zwischen der
Aussage der Finanzstaatssekretärin, die sie im Finanzausschuss gemacht hat, und der öffentlichen Äußerung
des Finanzministers zu erklären? Wer hat jetzt recht: der
Finanzminister oder seine Staatssekretärin?
Was hat die Kollegin im Finanzausschuss gesagt?
Die Kollegin Kressl hat im Finanzausschuss gesagt,
dass Liechtenstein nicht Mitglied der OECD und deshalb
nicht eingeladen worden sei. Sinngemäß hat sie weiter
gesagt, dass Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina
Faso, ebenfalls nicht eingeladen sei. Das ist aber ein Widerspruch zu der Aussage des Finanzministers, die er öffentlich gemacht hat und die er nicht zurückgenommen
hat. Das hat letztendlich zu der großen Empörung in der
Schweiz, in Luxemburg, in Liechtenstein, in Österreich
und natürlich in Ouagadougou geführt. Meine Frage lautet daher: Wird der Bundesfinanzminister seine Aussage
korrigieren oder seiner Finanzstaatssekretärin widersprechen und damit seine Aussage aufrechterhalten?
Zunächst einmal will ich sagen: Belgien, Luxemburg,
die Schweiz und Österreich waren für die Konferenz in
Paris ausdrücklich eingeladen. Aber nur Belgien ist gekommen und hat sich die dortigen Beschlüsse zu eigen
gemacht.
Zweiter Punkt. Österreich, die Schweiz und Luxemburg haben mittlerweile signalisiert, dass auch sie bereit
sind, über die OECD-Musterabkommen mit uns zu verhandeln. Insofern gibt es ein Einlenken in der Sache, was
im Vorfeld der Pariser Konferenz noch nicht der Fall
war.
Dritter Punkt. Richtig ist, dass sowohl Burkina Faso
als auch Liechtenstein keine OECD-Staaten sind. Im
Übrigen ist Burkina Faso überhaupt keine Steueroase.
Man hat mir gesagt, dass die Übersetzung von Burkina
Faso „Land der ehrbaren Menschen“ lautet. Herr Kollege, dieses Land ist also überhaupt kein negatives Beispiel in dieser Aufzählung. Deswegen kann sich auch
niemand aufgrund dieser Erwähnung auf den Fuß getreten fühlen. Nicht zutreffend ist allerdings, dass es sich
bei diesen beiden Staaten um OECD-Staaten handelt.
Daher sind sie - diese Feststellung ist richtig - nicht eingeladen worden.
Die Hauptsache ist, es kommt Bewegung in die Sache. Man kann schon sehen: In die Sache kommt tatsächlich Bewegung. Das müsste Sie doch freuen. Im
Übrigen darf ich noch darauf hinweisen, dass ein Gespräch zwischen dem Abteilungsleiter Steuern und dem
Botschafter von Burkina Faso zur allseitigen Zufriedenheit stattgefunden hat.
Die Frage 15 der Kollegin Cornelia Pieper wird
schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich die Frage 16 der Kollegin Sabine
Zimmermann auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Arbeitszeitverlängerung eine richtige Antwort auf die Auftragsrückgänge in
der Krise ist, und wie haben sich die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG bisher gegenüber den Ankündigungen des Chefs der Deutschen
Post AG, Dr. Frank Appel, verhalten, mit der Gewerkschaft
über längere Arbeitszeiten und eine Verschiebung der für Dezember 2009 geplanten Gehaltserhöhung von 3 Prozent verhandeln zu wollen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Kollegin Zimmermann, die Reaktion der einzelnen Unternehmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise
liegt in der Verantwortung der jeweiligen Geschäftsführungen. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die
von den Unternehmensgeschäftsführungen getroffenen
Einzelmaßnahmen zu kommentieren.
Der Vorstand der Deutschen Post AG hat in seinen
Presseverlautbarungen dargelegt, dass er auf die im Ergebnis des ersten Quartals 2009 sichtbar gewordenen Ertragsrückgänge mit Vorschlägen zu Kosteneinsparungen
reagieren muss. Maßnahmen des Vorstandes der Deutschen Post AG zur Kostensenkung im Unternehmensbereich Brief gehören zum operativen Geschäft der Deutschen Post AG und fallen in die alleinige Zuständigkeit
des Vorstandes der Deutschen Post AG. Eine Einflussnahme des Aufsichtsrates und von Aktionären auf das
operative Geschäft ist nach deutschem Aktienrecht nicht
zulässig; ich unterstreiche: nicht zulässig.
Änderungen am Tarifvertrag, wie sie von Herrn
Dr. Appel angekündigt wurden, fallen in die alleinige
Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien. Eine Einflussnahme der Bundesregierung auf eine der Parteien würde
dem Neutralitätsprinzip der Politik bei Tarifverhandlungen widersprechen; das gilt auch, wenn sie über den
Aufsichtsrat erfolgt.
Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.
Danke schön für die Beantwortung der Frage. Ich
habe eine Nachfrage: Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Postchef Appel, dass die Krise für einen
Angriff auf gewerkschaftliche Errungenschaften genutzt
werden kann? Ich zitiere aus der Financial Times vom
letzten Donnerstag:
„Wenn die Konjunkturerholung schnell kommt,
verlieren wir all unsere Argumente“, sagt Appel offen. Er will die Krise nutzen, um Verdis Macht zu
brechen.
Wie verhalten sich die Bundesregierung und ihre Vertreter im Aufsichtsrat dazu?
Frau Kollegin, ich weiß nicht, wie Sie diesem Zitat
entnehmen können, von wem die Auskunft stammt, ob
das die Meinung des Herrn Dr. Appel oder Interpretation
der Zeitung ist. Ich jedenfalls glaube nicht, dass der Chef
der Post AG einen Angriff auf Gewerkschaften plant.
Eine weitere Nachfrage?
Der Text steht in Anführungsstrichen, dann muss es
ein wörtliches Zitat von ihm sein.
Dann müssten Sie ihn fragen.
Ich wollte noch einmal nachsetzen.
Meine zweite Nachfrage: Ist der Bundesregierung bekannt, dass der jüngste Gewinnrückgang im Briefgeschäft der Deutschen Post zu großen Teilen auf Verlusten
bei den Aktivitäten in den USA beruht? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Immerhin ist der Bund
der größte Einzelaktionär.
Mir ist bekannt, dass es einen Umsatzrückgang von
4,5 Prozent und einen noch viel heftigeren Rückgang bezogen auf das EBIT gibt. Dem hat sich der Vorstand zu
stellen.
Damit kommen wir zur Frage 17 der Kollegin Sabine
Zimmermann:
Wie viele Millionen Euro hat die Deutsche Post AG in
diesem Jahr an ihre Aktionäre als Dividende ausgeschüttet
- bitte Betrag insgesamt nennen, nicht pro Aktie -, und wie
steht die Bundesregierung als größter Einzelaktionär der
Deutschen Post AG dazu, dass der Vorstand zugleich Einsparungen bei den Beschäftigten des Unternehmens fordert?
Die Hauptversammlung der Deutschen Post AG hat
am 21. April 2009 beschlossen, an die Aktionäre der
Deutschen Post AG eine Dividende in Höhe von 60 Cent
je dividendenberechtigter Stückaktie auszuschütten. Der
Gesamtbetrag der Dividendenausschüttung an alle
Aktionäre belief sich damit auf 725 409 524,40 Euro.
Die Dividende für das Geschäftsjahr 2008 fiel somit um
rund ein Drittel geringer aus als die Dividende für das
Geschäftsjahr 2007. Die Festlegung der Dividendenhöhe
erfolgt in dem nach Aktienrecht vorgesehenen Gremium: Das ist die Hauptversammlung. Eine Einflussnahme der Bundesregierung auf die Festlegung der Dividendenhöhe hat nicht stattgefunden. Abschließend
möchte ich sagen, dass aus Sicht der Bundesregierung
die Reduzierung der Dividende durchaus nachvollziehbar und eine angemessene Reaktion auf das rückläufige
Ergebnis ist.
Haben Sie eine Nachfrage?
Ja, ich habe eine Nachfrage. - Werden sich die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Deutschen Post dafür
einsetzen, dass zumindest in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten keine Dividende ausgeschüttet wird? Schließlich
müssen die Beschäftigten mit einer Geldeinbuße und einer Arbeitszeitverlängerung rechnen.
Frau Kollegin, ich habe Ihnen gerade erklärt, dass die
Festsetzung der Dividende und die Diskussion über die
Dividendenhöhe Sache der Hauptversammlung sind.
Eine weitere Nachfrage?
Meine Frage ist, ob Sie sich dafür einsetzen werden.
Den Vorschlag können Sie ja unterbreiten.
Es ist zunächst einmal Sache des Unternehmensvorstands, einen Vorschlag zu unterbreiten.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Für die
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Hartmut Schauerte zur Verfügung.
Die Frage 18 des Kollegen Hans-Joachim Otto und
die Frage 19 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden
schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich die Frage 20 des Kollegen Michael
Hartmann auf:
Warum wird der Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers,
PwC, der ({0})
seit Anfang 2009 als externer Mitarbeiter im Referat V C 2
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
- Exportfinanzierung, Exportkreditversicherung - beschäftigt
ist, aus dem sein Arbeitgeber Aufträge bekommt, trotz seines
Arbeitsplatzes im Bundesministerium nicht im Zweiten Bericht des Bundesministeriums des Innern über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung aufgeführt?
Herr Staatssekretär, bitte.
Der im Spiegel-Online-Bericht erwähnte Mitarbeiter
von PwC ist kein externer Mitarbeiter in der Bundesverwaltung. Er ist im Rahmen eines Mandatarvertrages mit
PwC und der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, denen die Bundesregierung die Geschäftsführung für die
Außenwirtschaftsförderinstrumente, Exportkreditgarantien, Investitionsgarantien und Garantien für ungebundene Finanzkredite übertragen hat, im BMWi tätig.
Euler Hermes und PwC handeln im Rahmen der im
Mandatarvertrag festgelegten Aufgaben und Befugnisse
ausschließlich weisungsgebunden. Um es deutlich zu
machen: Die Bundesregierung hat PwC und Euler
Hermes beauftragt, für sie konkret bestimmte Vorgänge
zu bearbeiten und zu erarbeiten.
Für Einsätze von Mitarbeitern in der Mandatargesellschaft ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum
Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten ({0}) in der Bundesverwaltung vom 17. Juli 2008 nicht einschlägig. Der Einsatz
von externen Personen, die in einem entgeltlichen Auftragsverhältnis mit der Bundesverwaltung stehen, welches Beratungs- oder sonstige Dienstleistungen zum
Gegenstand hat, liegt ausdrücklich nicht im Anwendungsbereich der Verwaltungsvorschrift.
Frau Präsidentin, ich würde gerne Frage 21 gleich
mitbeantworten.
Dann rufe ich Frage 21 des Kollegen Hartmann auf:
Von wem wird der PwC-Mitarbeiter während seiner Tätigkeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
bezahlt, und wie erfolgte die Vergabe dieses Arbeitsplatzes an
PwC?
Entsprechend dem, was ich ausgeführt habe, ist logisch, dass während der Tätigkeit im Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie die im Rahmen des Mandatarvertrages tätige Person weiterhin von PwC bezahlt
wird. PwC bekommt von uns einen Auftrag mit einer
Pauschalvergütung. In der Ausführung dieses Auftrags
schickt das Unternehmen einen oder zwei Mitarbeiter in
das Wirtschaftsministerium, um die notwendigen kurzen
Wege und Kontakte sicherzustellen, damit PwC den
Auftrag nach unseren Weisungen erfüllen kann.
Der hier vorliegende Fall ist also völlig anders als der
seit 2006 problematisierte Einsatz von Personen aus Verbänden oder sonstigen Institutionen, die bei uns im
Ministerium oder in anderen Ministerien arbeiteten und
durchaus in den Verdacht der Lobbytätigkeit geraten
konnten. Das ist hier eindeutig nicht der Fall. Hier geht
es um die Erledigung eines von uns erteilten klar definierten Auftrags.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? - Bitte.
Vielen Dank für diese Klarstellung. Erlauben Sie mir
zunächst eine Nachfrage. Sind Sie mit mir der Meinung,
dass die Richtlinien der Bundesregierung für die Beschäftigung Externer insoweit nicht ausreichend sind, als
beispielsweise eine solche beauftragte Beratertätigkeit
dort nicht erfasst ist?
Nein, Herr Kollege, ich bin entschieden anderer Meinung. Die Entscheidung für diese Ausnahme, für die
Nichterfassung dieser Art von Beschäftigung, ist seinerzeit aus gutem Grund getroffen worden. Es muss uns als
Auftraggeber möglich sein, Beauftragten zu sagen: Erledigt einen Teil der beauftragten Arbeit bei uns. Es ist im
Beratungsgeschäft bei einem konkreten Beratungsauftrag ganz normal, dass der Mitarbeiter des Unternehmens durch den Auftraggeber begleitet und beraten
wird. Insoweit ist das hier - es geht ja um eine Beauftragung über einen längeren Zeitraum - einfach nur praktisch und hat mit Lobbyarbeit nichts zu tun.
Euler Hermes und PwC haben das zu erledigen, was
die Bundesregierung - sprich: der Bundeswirtschaftsminister - beauftragt hat. Zu diesem Zweck können wir
uns Mitarbeiter aus einem solchen Beauftragtenverhältnis ins Haus holen. Das ist aus guten Gründen unter dem
Gesichtspunkt „Beschäftigung Externer“ nicht erfasst.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja, gerne, Frau Präsidentin. - Ich bin mit Ihnen der
Meinung, dass es so etwas geben muss und soll und dass
es für die erfolgreiche Aufgabenerledigung Ihres Hauses
hilfreich ist. Aber wäre es, gerade weil es eben nicht anrüchig ist, im Sinne einer allgemeinen Transparenz nicht
von Vorteil, auch dem Parlament mitzuteilen, wenn solche Verträge geschlossen werden und dadurch Mitarbeiter externer Firmen ihren Schreibtisch über eine gewisse
Zeit im Ministerium haben und damit Informationen aus
den Ministerien erhalten und auch informelle Erfahrungen machen können?
Bei einer absoluten Überempfindlichkeit kann man
eine so weitgehende Regelung treffen. Aber ich denke,
dass es hier um einen Kernbereich von Regierungshandeln geht. Die von uns getroffenen Regelungen darüber,
was externe Mitarbeiter sind, sind sauber, transparent
und klar. Unterhalb dieser Linie muss man nicht mehr
wer weiß welche Angaben machen. Auch die Regierung
sollte vom Parlament nicht gezwungen werden, zusätzliche Angaben zu machen. Das gehört zum schlichten Regierungshandeln.
Dadurch, dass es aufgebauscht wurde und zunächst
der Verdacht - er hat sich als falsch erwiesen - aufkam,
dass es eine nicht gemeldete externe Tätigkeit im Sinne
der Vorschriften sein könnte, ist hier eine gewisse Aufregung entstanden. Aber das lässt sich alles aufklären.
Eine Erweiterung der Berichtspflicht halte ich deswegen
für nicht sinnvoll.
Wir kommen zur Frage 21.
Die Frage 21, Frau Präsidentin, hatte ich schon beantwortet: Der Mitarbeiter wird ganz klar von PwC bezahlt.
Ich will nur dem Kollegen Hartmann die Möglichkeit
geben, seine berechtigten Zusatzfragen zu stellen. - Herr
Kollege, bitte sehr.
Vielen Dank für die Freundlichkeit, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, ich möchte diese Gelegenheit nutzen
und nachfragen, warum es beispielsweise in diesem konkreten Falle nicht möglich war, die Aufgabe, die extern
vergeben wurde, im Haus erledigen zu lassen. Fehlt dem
Ministerium dafür der Sachverstand?
Nein, das hat ganz einfach einen praktischen Grund.
Wenn Sie ein Beratungsunternehmen über eine längere
Zeit mit einer Vielzahl von Einzelfällen - hier geht es
um die Hermesbürgschaften - weisungsgebunden beauftragen, dann ist es einfach praktisch, wenn ein Mitarbeiter dieses Unternehmens eine Brückenfunktion zwischen
den beiden Häusern, dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer, übernimmt und bei uns im Hause sitzt. Es
könnte auch einer unserer Beamten bei Euler Hermes sitzen. Das ist völlig problemlos so entschieden und erleichtert die Kommunikation bei uns im Haus.
Ein Beispiel sind permanente Anfragen aus dem politischen Bereich. Wie sieht das aus? Sie wissen, dass
gerade die Vergabe von Hermesbürgschaften hin und
wieder kritisch gesehen wird. Heute Morgen im Wirtschaftsausschuss haben wir über dieses Problem gesprochen. Es ist eine Erleichterung, wenn man einen kompeParl. Staatssekretär Hartmut Schauerte
tenten Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens im
Haus hat, dem man die Frage zur schnellen Beantwortung vorlegen kann. Das ist eine reine Frage der Praktikabilität. Ich sehe hier keine Vermischung von Zuständigkeiten.
Eine weitere Frage?
Gerne. - Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Staatssekretär, dass die Forderung nach Transparenz keineswegs einer Überempfindlichkeit geschuldet ist, sondern
ein hohes Maß an Transparenz das Vertrauen in die Neutralität staatlichen Handelns befördern kann?
Darin bin ich mit Ihnen völlig einig. Deswegen haben
wir diese Richtlinien sehr transparent gestaltet. Aber es
kann Grenzen geben. Man kann es auch mit der Transparenz, so wertvoll sie ihrem Wesen nach ist, übertreiben.
Die Fragen 22 und 23 der Kollegin Bärbel Höhn und
die Frage 24 des Kollegen Hans-Josef Fell werden
schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses
Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, vielen Dank für
die Beantwortung.
Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden die Fragen 25 und 26 der Kollegin Dr. Martina Bunge ebenso wie die Fragen 27 und
28 des Kollegen Dr. Ilja Seifert schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Für die Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung.
Die Frage 29 der Kollegin Veronika Bellmann und die
Fragen 30 und 31 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Cornelia Behm
auf:
Welchen weiteren Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen
an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und der
Oder wurde seitens der Bundesregierung neben Unterhaltungsbaggerungen der Klützer Querfahrt und einer Initialbaggerung im auf polnischem Territorium befindlichen Dammschen See für die Einigung mit der polnischen Seite
zugestimmt?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Kollegin Behm, in
Ergänzung meiner Antwort auf eine Frage, die Sie beim
letzten Mal gestellt haben, möchte ich Sie heute weiter
informieren. Das zwischen dem Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der polnischen
Landesverwaltung für Wasserwirtschaft abgestimmte
Eckpunktepapier, das noch der völkerrechtlichen Umsetzung bedarf, beinhaltet Folgendes - jetzt folgen viele
Details; danach haben Sie allerdings gefragt -:
Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße für die Fahrt von Küstenmotorschiffen zwischen
dem Hafen Schwedt und der Ostsee über die Trasse
Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße-WestoderKlützer Querfahrt-Reglitz-Parnitz-Möllnfahrt-Fahrwasser Stettin/Swinemünde; Maßnahmen in der Klützer
Querfahrt, das heißt Baggerungen, gegebenenfalls auch
die Beseitigung von Uferschwachstellen und gegebenenfalls die Errichtung von Wartestellen sowie gegebenenfalls Ufersicherungen in der Westoder; Unterhaltungsmaßnahmen, das heißt die Beseitigung punktuell
vorhandener unzureichender Tiefen zur Sicherung des
Eisaufbruchs, der Eisabfuhr und der Schifffahrt an der
Grenzoder und Baggerungen im Dammschen See zur Sicherung des Eisaufbruchs und der Eisabfuhr; Unterhaltungsmaßnahmen auf der deutschen Seite sind Reitwein
und Hohenwutzen, auf der polnischen Seite Słubice,
Kostrzyn, Gozdowice und Rudnica. - Ich hoffe, dass ich
die Namen richtig ausgesprochen habe. Ich bin des Polnischen nämlich nicht mächtig.
Neben der völkerrechtlichen Umsetzung des Eckpunktepapiers müssen für die Ausführung der einzelnen
Maßnahmen die Zulassungsverfahren entsprechend den
nationalen Vorschriften und zwischenstaatlichen Abkommen durchgeführt werden. Die Maßnahmen, die ich
gerade genannt habe, sind geplant und im Rahmen des
Eckpunktepapiers festgelegt. Allerdings finden dazu
noch Verhandlungen statt.
Frau Kollegin, Ihre Nachfragen, bitte.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, vor allen Dingen,
weil Sie so große Mühe mit den polnischen Namen hatten. Ich glaube, fast allen von uns geht es so.
Ich würde gerne wissen, ob im Zusammenhang mit
der Eisabfuhr auch alternative Maßnahmen geprüft worden sind, um das Eis auf einem ökologischen Weg abführen zu können, zum Beispiel eine Verbreiterung der
Oder. Diese hätte zur Folge, dass kein Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße nötig gewesen
wäre. Sind solche alternativen Maßnahmen geprüft worden?
Ich gehe davon aus, dass die Maßnahmen sowohl von
deutscher als auch von polnischer Seite geprüft worden
sind, bevor dieses Eckpunktepapier erstellt worden ist.
Natürlich wird man die Maßnahmen im weiteren Verlauf
des Verfahrens beurteilen, und zum Teil finden auch
Planfeststellungsverfahren statt. Wie gesagt, gehe ich allerdings davon aus, dass beide Seiten, bevor sie das Eckpunktepapier verabredet haben, geprüft haben, welche
Maßnahmen notwendig sind. Wie Sie gehört haben, bedarf es an einigen Stellen gegebenenfalls noch weiterer
Untersuchungen.
Eine weitere Nachfrage?
Ja.
Bitte.
Vielen Dank. - Sie haben die Unterhaltungsbaggerungen an der Klützer Querfahrt und die Initialbaggerungen
im auf polnischem Territorium befindlichen Dammschen
See angesprochen. Da dies im Zusammenhang mit der
Eisabführung zu sehen ist, frage ich Sie: Können Sie die
Kosten dafür beziffern?
Da Sie im Hinblick auf die Kosten eine weitere Frage
gestellt haben, würde ich Ihnen in diesem Zusammenhang gerne meine Antwort auf Ihre Frage 33 vortragen.
Dann könnte ich Ihnen auch im Detail über die Verteilung der Kosten berichten.
Gerne.
Dann rufe ich auch die Frage 33 der Kollegin Behm
auf:
Welche finanziellen Vereinbarungen zu den Ausbau- und
Unterhaltungsmaßnahmen an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und der Oder wurden getroffen, und wie werden die finanziellen Lasten für die einzelnen Maßnahmen verteilt?
Hinsichtlich der Kostenregelungen findet zurzeit eine
Abschätzung statt. Der Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße wird von der deutschen Seite
finanziert. Was die Maßnahmen in der Klützer Querfahrt
angeht, ist die Kostenbeteiligung der deutschen Seite mit
rund 5 Millionen Euro angesetzt. Bei den Ufersicherungen in der Westoder beträgt die deutsche Beteiligung
0,5 Millionen Euro. Bei den Unterhaltungsmaßnahmen an
der Grenzoder finanziert jede Seite die Maßnahmen auf
dem eigenen Territorium selbst. Im Hinblick auf die Baggerungen im Dammschen See beteiligt sich der Bund zu
50 Prozent, höchstens allerdings mit 12 Millionen Euro,
an den Kosten. Das sind die Kosten, die in den einzelnen
Bereichen anfallen. Sie sehen, es gibt auch Kostenteilungen, weil wir von deutscher Seite ein Interesse daran haben, dass diese Maßnahmen erledigt werden.
Haben Sie dazu noch Nachfragen?
Vielen Dank, vor allen Dingen dafür, dass Sie das so
aufgeschlüsselt haben. Jetzt noch eine Frage - auf die
Gefahr hin, dass Sie sie nicht sofort beantworten können -:
Im Zusammenhang mit dem Ausbau der HohensaatenFriedrichsthaler Wasserstraße sind auf deutschem und
auf polnischem Gebiet Brückenbaumaßnahmen erforderlich. Die Kosten dafür haben Sie jetzt nicht benannt.
Sind diese Kosten schon enthalten?
Frau Präsidentin! Kollegin Behm, ich werde prüfen,
ob das ein Teil der Wasserstraßenfrage ist und ob zwischen Polen und Deutschland unstrittig ist, dass die Brücken auf seinem Gebiet jeder selbst finanziert; ich gehe
davon aus, dass das so ist. Ich werde Ihnen das zukommen lassen.
Die Brücken sind nicht Teil dieses Eckpunktepapiers.
Für den Ausbau dieser Wasserstraße braucht man entweder einen Staatsvertrag oder ein Regierungsübereinkommen. Bei den Brücken ist das eher nicht so. Für die Brücken gibt es wahrscheinlich unabhängig von einem
Staatsvertrag eine zusätzliche Verabredung; denn sie befinden sich ja auf deutscher bzw. auf polnischer Seite.
Vielen Dank.
Noch eine Nachfrage?
Gerne. - Beabsichtigt die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße, auf die Erhebung von Kanalgebühren zu verzichten?
Da das keine Maßnahme nur vonseiten des Bundes
ist, muss das mit der polnischen Seite geklärt werden.
Danke schön.
Eine Nachfrage hat die Kollegin Dr. Dückert.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich habe nur eine kurze Frage. Sie haben eben erwähnt, dass bei der Überprüfung der alternativen Möglichkeiten für eine Eisabfuhr vermutlich gutachterliche
Stellungnahmen eingeholt worden sind und Überprüfungen stattgefunden haben. Ich würde Sie bitten, uns die
Ergebnisse dieser Gutachten zur Verfügung zu stellen.
Es ist üblicherweise so: Wenn wir eine Bundeswasserstraße ausbauen oder verändern, brauchen wir die Expertise unserer eigenen Behörden oder aber von anderer
Seite. Wenn die polnische Seite damit einverstanden ist
- das ist ja ein gemeinsames Projekt von deutscher und
polnischer Seite -, dass wir die Expertisen vorlegen,
dann werden wir das tun.
Wir kommen zur Frage 34 der Kollegin Gitta
Connemann:
Wann wird die Vorlage des Gutachtens der Bundesanstalt
für Wasserbau über die Schlickverminderung im Rahmen des
Aktionsprogramms Ems durch die Bundesregierung/das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erfolgen?
Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin
Connemann, es gibt schon ein erstes Zwischenergebnis.
Wir haben im März 2009 vonseiten der Wasser- und
Schifffahrtsdirektion Nordwest eine erste Studie der
Bundesanstalt für Wasserbau vorgelegt bekommen, die
zeigt, dass eine Sohlschwelle im Bereich des Emssperrwerkes grundsätzlich technisch machbar ist und eine Reduzierung des stromaufwärts gerichteten Schwebstofftransportes bewirken kann. Es ist offensichtlich eine
technische Lösung gefunden worden, die den Schlickeintrag vermindert. Um das wirklich beurteilen zu können, brauchen wir allerdings weitere Untersuchungen.
Deshalb haben wir die Wasser- und Schifffahrtsdirektion
aufgefordert, diese einzuleiten. Wir sind aber noch nicht
so weit, dass wir beurteilen können, ob das das Richtige
ist. Wir müssen das noch weiter prüfen und dann natürlich auch die Kosten-Nutzen-Frage stellen.
Frau Kollegin, Ihre Nachfrage bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest ist beauftragt worden, weitere Daten zu
erheben. Vor dem Hintergrund des Drucks, der in den
Häfen vor Orten wie Leer, Weener, Jemgum oder Papenburg gegeben ist, und vor dem Hintergrund der Tatsache,
dass die Verschlickung ein immer größeres Problem
wird, weil sie dazu führt, dass Schiffe nicht mehr ausfahren können, frage ich Sie explizit: Wie ist der zeitliche
Rahmen dafür bemessen?
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Connemann, wir
wollen die Untersuchung natürlich so schnell wie möglich voranbringen. Sie haben gesehen, dass wir schon ein
Zwischenergebnis haben, was positiv zu werten ist. Wir
brauchen aber die weiteren Untersuchungen und die
Kosten-Nutzen-Analyse. Insofern brauchen wir Zeit. Sie
sehen, dass wir mit Hochdruck arbeiten. Ich kann Ihnen
jetzt nicht sagen, dass wir bis zum Ende des Jahres fertig
sein werden; das wäre nicht angemessen. Wir arbeiten
aber mit Hochdruck an diesen Untersuchungen, weil wir
das Thema genauso einschätzen wie Sie.
Vielen Dank.
Haben Sie eine weitere Frage zu diesem Thema?
Ja, vielen Dank. - Ich weiß, dass das Verkehrsministerium sehr bemüht ist und die dortige Wasserschifffahrtsdirektion alles möglich zu machen versucht. Ausschlaggebend ist aber das Gutachten der Bundesanstalt
für Wasserbau. In diesem Rahmen habe ich eine Nachfrage: Werden zeitliche Vorgaben gesetzt? Jetzt neue Untersuchungen in Auftrag zu geben und abzuwarten, bis
etwas Neues vorliegt, ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Erstellung dieses Gutachtens mehrere Jahre
in Anspruch genommen hat, und vor dem Hintergrund
der aktuellen Situation vor Ort wenig befriedigend.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Connemann, ich
kann verstehen, dass Sie alles so schnell wie möglich haben möchten. Es geht hier aber um Gründlichkeit und Finanzierbarkeit im Sinne der Steuerzahler. Wir müssen
uns klar darüber sein, was zu machen ist. Daher brauchen wir einfach Zeit. Wir haben kein Interesse an Verzögerungen. Wir haben auch kein Interesse an langfristigen Planungen oder Untersuchungen. Wir haben aber ein
Interesse daran, vor einer möglichen Investition zu wissen, ob es wirkt.
Wir kommen zur Frage 35 der Kollegin Gitta
Connemann zum gleichen Themenkomplex:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der
am 9. Februar 2009 im Rahmen einer Informationsveranstaltung für Fischer in Greetsiel vorgestellten Pläne der niederländischen Behörden über Art und Umfang der geplanten Baggerungs- und Verklappungsmaßnahmen in der Ems im
Zusammenhang mit dem Ausbau des Eemshavens sowie der
Vertiefung der Zufahrt zum Eemshaven auf die Fischereibetriebe in Ditzum und Greetsiel, und hat die Bundesregierung
sich bei den niederländischen Behörden dafür eingesetzt, dass
analog der Vereinbarungen in Deutschland mit der Wasserund Schifffahrtsdirektion Nordwest auch in den Niederlanden
ein fischerwirtschaftliches Gutachten unter Einbeziehung der
deutschen Fischereibetriebe in Auftrag gegeben wird?
Die Bundesregierung nimmt die Sorgen der Küstenfischer sehr ernst. Deshalb hat sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits im
Sommer des letzten Jahres mit der Bitte an das nieder24176
ländische Verkehrsministerium gewandt, die Belange
von Fischerei und Tourismus bei der niederländischen
Planung möglichst frühzeitig zu berücksichtigen.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in der
angesprochenen Informationsveranstaltung vorgestellten
und bisher in Form von Literaturstudien angelegten Betrachtungen der Effekte des niederländischen Ausbaus
auf den Krabben- und Fischbestand durch fischereibiologische Untersuchungen ergänzt werden. Dabei stellt sich
auch die Frage nach einem fischereiwirtschaftlichen
Gutachten im Zusammenhang mit dem Tourismus.
Diese Position hat das Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung gegenüber dem niederländischen Verkehrsministerium schriftlich dargelegt. Ich
hoffe, dass unsere Position von der niederländischen
Seite berücksichtigt wird.
Frau Kollegin, Ihre Nachfrage bitte.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Problematik
liegt auf der Hand. Wir haben es mit einem anderen Nationalstaat und damit natürlich auch mit eingeschränkten
Möglichkeiten für die Bundesregierung zu tun. Gestatten
Sie mir deshalb die folgende Nachfrage: Welche Möglichkeiten und Maßnahmen sieht oder erwägt die Bundesregierung außerhalb des niederländischen Verwaltungsverfahrens bzw. der beiden Verfahren, um die
Fanggebiete der Fischer in der Außenems zu sichern und
sie vor den Auswirkungen der Ausbau- und Unterhaltungsarbeiten zu schützen?
Bitte sehr.
Liebe Kollegin Connemann, das ist eine schwierige
Thematik. Wir können von unserer Seite nicht in die
Ausbaupläne der niederländischen Seite eingreifen.
Gleichzeitig sehen wir aber das Problem. Wir haben deshalb Gespräche mit den Niederlanden geführt und unsere
Position nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich
klargemacht. Minister Tiefensee hat sie gegenüber dem
Verkehrsministerium deutlich gemacht und war, wie Sie
wissen, vor Ort und hat dieses Thema aufgegriffen.
Wir müssen darauf bestehen, dass jedes Land, jeder
Nationalstaat berücksichtigt, was bei einem Grenzfluss
zu berücksichtigen ist. Deshalb möchten wir diese Gutachten gern haben. Deshalb wollen wir auch mit einer
relativ zeitnahen Planung gemeinsam vorankommen. Da
die Niederländer auch ein Interesse am Ausbau haben,
glaube ich, dass wir zeitlich nicht ganz so weit auseinander liegen. Aber auch hier gilt: Untersuchungen brauchen ihre Zeit. Ich hoffe, dass die niederländische Regierung, genauso wie wir, schnell vorankommt.
Haben Sie noch eine Nachfrage?
Von entscheidender Bedeutung ist natürlich die Entwicklung der Fangwertigkeit der Gebiete. In diesem Revier liegt ein hohes wirtschaftliches Interesse der
Fischer.
Werden nach Abschluss der Ausbauarbeiten auf deutscher und niederländischer Seite, soweit Sie das für die
deutsche Seite beurteilen können, Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, mit denen die Entwicklung der Fangwertigkeit des Reviers über die Jahre
dokumentiert wird? Ist das jedenfalls für die deutsche
Seite angedacht?
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Connemann, wir haben natürlich ein Interesse daran, dass dieses Thema einigermaßen wissenschaftlich abgesichert ist, aber wir
können Untersuchungen ja nicht vorgreifen. Wir werden
auch sehen, was das bedeutet und ob es tatsächlich zu
Veränderungen kommt. Dann müssen auch die Investitionsmaßnahmen entsprechend abgestimmt werden.
Sonst brauchen wir keine Untersuchungen.
Wenn durch die Untersuchungen also Hinweise darauf gegeben werden, dass es schwierig ist, dann muss
sowohl die deutsche als auch die niederländische Seite
mit den Ausbaumaßnahmen entsprechend reagieren. Ich
glaube, das ist das Vorgehen: erst die Untersuchung,
dann die Entscheidung.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung dieser Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Die Frage 36 der Kollegin Cornelia Pieper und die
Fragen 37 und 38 der Kollegin Cornelia Hirsch werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes.
Auch diese Fragen, die Frage 39 der Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch und die Fragen 40 und 41 der Kollegin Sevim Dağdelen, werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Die Frage 42 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele, die Frage 43 des Kollegen Reinhard Grindel
und die Frage 44 der Kollegin Dr. Kristina Köhler werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Zur Beantwortung der letzten beiden Fragen dieser
Fragestunde aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts steht Herr Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 45 der Kollegin Kerstin Müller
auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung
aus den Aussagen des israelischen Außenministers Avigdor
Lieberman während seiner Europareise, in denen er die Zweistaatenlösung als „Slogan“ bezeichnet hat und sich vom bisVizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
herigen Friedensprozess distanziert, und welche Position hat
sie bei den direkten Zusammentreffen mit Avigdor Lieberman
vertreten, insbesondere in der Frage der Siedlungspolitik und
der ausstehenden EU-Vertiefung?
Herr Staatsminister, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kollegin
Kerstin Müller, die Bundesregierung hat seit dem Amtsantritt der neuen israelischen Regierung bei zahlreichen
Gelegenheiten ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht,
dass die israelische Regierung im Nahostfriedensprozess
an den Ergebnissen bisheriger Verhandlungen und am
Ziel einer Zweistaatenlösung festhält.
Nach der am 19. November 2003 vom Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen indossierten Roadmap ist Israel
zu einem Abbau der Siedlungsaußenposten und zur Einstellung jeder Siedlungsaktivität einschließlich des natürlichen Wachstums verpflichtet. Angesichts dieser Verpflichtung hält die Bundesregierung den fortgesetzten
Siedlungsbau in der Westbank und in Ostjerusalem für
nicht akzeptabel und für eine Gefahr für die Realisierbarkeit der Zweistaatenlösung.
Die Bundesregierung und ihre europäischen Partner
haben ihre Haltung zur Siedlungsproblematik wiederholt
und unmissverständlich deutlich gemacht und fordern einen Stopp des Siedlungsaus- und -neubaus in der Westbank und in Ostjerusalem sowie die Räumung illegaler
Außenposten.
Diese Position hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, auch bei seinem
Treffen mit dem israelischen Außenminister Avigdor
Lieberman am 7. Mai 2009 in Berlin vertreten.
Ihre Nachfrage, bitte.
So weit, so gut, Herr Staatsminister. Wenn dem so
ist, habe ich eine Nachfrage. Weder der Außenminister
Lieberman noch der neue Premierminister Netanjahu haben bisher ein klares Bekenntnis zur Zweistaatenlösung
abgegeben. Hinsichtlich des Siedlungsbaus haben sie
sich - vor allen Dingen Lieberman - im Gegenteil sehr
klar für einen Ausbau ausgesprochen.
Vor diesem Hintergrund frage ich: Wie verhält sich
die Bundesregierung zu der anstehenden Vertiefung der
Beziehungen zwischen der EU und Israel? Ist sie wie
Ferrero-Waldner auch der Meinung, dass diese Vertiefung an einen Fortgang in der Siedlungspolitik und an
ein klares Bekenntnis der neuen Regierung zur Zweistaatenlösung geknüpft werden muss?
Frau Kollegin Müller, jetzt haben Sie praktisch Ihre
zweite Frage mündlich gestellt. Frau Präsidentin, die
Frage ist, ob ich bei dieser Gelegenheit nicht einfach die
zweite Frage beantworten soll. Ansonsten müsste ich sie
jetzt sozusagen noch einmal frei beantworten.
Ja.
Die Fragestellerin ist einverstanden. Natürlich, Herr
Staatsminister.
Ich rufe jetzt zusätzlich die Frage 46 auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU-Kommission, dass die weitere Umsetzung der beschlossenen Vertiefung der Beziehungen mit der Europäischen Union von einem klaren Bekenntnis zur Zweistaatenlösung der neuen
israelischen Regierung und dem Fortgang in der Siedlungspolitik abhängig gemacht werden soll und, falls nicht, warum
nicht?
Die Antwort auf die Frage lautet wie folgt: Die Bundesregierung hat ihre Erwartung, dass die israelische Regierung am Ziel einer Zweistaatenlösung festhält, und
ihre Position zur Siedlungsproblematik bei zahlreichen
Gelegenheiten deutlich gemacht. Mit Blick auf die Vertiefung der Beziehungen zwischen der Europäischen
Union und Israel haben die Außenminister der Europäischen Union am 8. Dezember 2008 ihre Entschlossenheit bekräftigt, die bilateralen Beziehungen qualitativ
und quantitativ zu verstärken. Dabei haben sie wiederholt, dass der Prozess zur Vertiefung der Beziehungen
im Kontext der gemeinsamen Interessen und Ziele betrachtet werden muss, zu denen auch eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts durch Umsetzung
der Zweistaatenlösung zählt. Diese Beschlusslage gilt
fort.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ihre Formulierung „im Kontext“ beantwortet meine
Frage nicht konkret. Am 15. Juni findet die nächste Sitzung des Assoziationsrates EU-Israel statt. Ich wüsste
gerne klipp und klar, wofür die deutsche Bundesregierung innerhalb der EU eintritt: für eine kritische Bestandsaufnahme und zeitlichen Aufschub - so jedenfalls
die Mehrheit der EU-Partner - oder eine rasche Umsetzung der 2008 beschlossenen Vertiefung? Sind Sie dabei
Bremser, oder unterstützen Sie Ferrero-Waldner und die
Mehrheit der EU-Partner in der Frage der Fortführung
der Vertiefung jetzt, ohne Ansehen der Position der
neuen Rechtsregierung?
Kollegin Müller, zunächst einmal ist klar, dass der
Beschluss des Rates vom 8. Dezember nicht aufgehoben
worden ist. Mit dem Kontext ist aber durchaus ein verbindliches Junktim hergestellt worden. Wenn Sie mich
jetzt persönlich fragen, was am 15. Juni passieren wird,
dann muss ich Ihnen antworten, dass ich mir unter diesen Umständen zurzeit nicht vorstellen kann, dass es zu
einer Umsetzung der Vertiefung kommt.
Allerdings hat der Abschluss der Policy Review, wie
es auch in Israel genannt wird, bisher noch nicht stattgefunden. Zum Beispiel steht am 18. dieses Monats ein
Besuch Netanjahus in den USA bevor. Es wird erwartet,
dass die Policy Review bis dahin abgeschlossen ist, sodass wir dann genauer wissen, wie es um die Zweistaatenlösung steht. Inzwischen ist auf die neue israelische
Regierung ein erheblicher Druck ausgeübt worden, unter
anderem am 11. Mai mit einer Präsidentialerklärung der
Vereinten Nationen - hinter der ein einstimmiges Votum
steht -, in der noch einmal direkt auf die Zweistaatenlösung hingewiesen wird. Wir wissen nicht, wie sich das
auswirkt. Insofern hängt es auch von dem weiteren Verhalten der neuen israelischen Regierung ab, wann und
wie schnell es zu einer Umsetzung der Ratsschlussfolgerungen vom Dezember letzten Jahres kommt.
Ich bitte um Verständnis, was Nachfragen angeht. Wir
haben die zur Verfügung stehende Zeit schon überschritten. Ich würde deshalb gerne die Fragestunde abschließen.
({0})
Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen und schließe die Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kompetenzstreit der Bundesregierung bei der
Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin
froh, dass der Versuch abgebrochen worden ist, die Geiseln der MS Stavanger gewaltsam zu befreien. Trotz dieser richtigen Entscheidung muss ich feststellen, dass sich
die Bundesregierung mit dieser Operation schwer blamiert hat.
Sie wollten mit einem Husarenstück international in
der ersten Liga spielen, und das ging völlig daneben. Es
fing mit dem Transport an. 200 Polizisten und Hubschrauber konnten nicht dorthin gebracht werden, weil
auf dem internationalen Markt keine ausreichenden
Charterkapazitäten zur Verfügung standen.
Diese Operation war dann so geheim, dass Sie zwar
mit Falschinformationen Abgeordnete an einem Besuch
der Truppe in Mombasa gehindert haben, aber während
der ganzen Vorbereitungszeit unter ständiger Begleitung
von Spiegel Online standen. Das war sozusagen die erste
Kommandoaktion mit Embedded Journalists.
({0})
Von dieser Posse - wenn man das so nennen will möchte Frau Merkel nun mit einer Debatte um die Kompetenzen der Bundeswehr ablenken und das Grundgesetz
ändern. Wenn man sich diese Operation anschaut, stellt
man fest: Es gibt kein verfassungsrechtliches Problem,
das diese Operation auch nur eine Sekunde behindert
hätte. Das sagt selbst die Bundesregierung.
({1})
In allen Unterrichtungen in den Ausschüssen war völlig
klar: Dieser Einsatz ist nicht an verfassungsrechtlichen
Kompetenzproblemen gescheitert, sondern daran, dass
es einfach nicht ging und dass ausschließlich die GSG 9
und nicht das KSK die Fähigkeit hat, eine solche Operation durchzuführen.
({2})
Das ist im Übrigen der Grund, warum die Bundesregierung schon im Herbst 2008 beschlossen hat - nicht irgendeine rot-grüne Bundesregierung, sondern Ihre ({3})
- auch deine, wenn Du darauf so stolz bist -,
({4})
dass die GSG 9 im Rahmen von „Atalanta“ bei solchen
Operationen zum Einsatz kommt. Noch einmal: Es
fehlte also nicht an Kompetenzen. Vielmehr ging es einfach nicht.
Wenn Sie in einer solchen Situation erneut - ich weiß
nicht, zum wievielten Mal - darüber diskutieren, wie es
sich mit dem Grundgesetz und den Rechten des Militärs
verhält, dann tun Sie so, als fände „Atalanta“ in einer
rechtlichen Grauzone statt. Ich sage Ihnen: Das ist
falsch.
({5})
Diese Mission beruht auf Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats, einem EU-Mandat und einem Mandat des
Deutschen Bundestages. Sie ist zudem durch Art. 24
Abs. 2 des Grundgesetzes gedeckt. Dadurch ist auch ein
möglicher Einsatz des KSK abgedeckt. Hören Sie endlich auf, die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten
durch solche Verdächtigungen sozusagen an den Rand
der Verfassungswidrigkeit zu stellen!
({6})
Vor dem Hintergrund eines solchen nicht ganz ungefährlichen Einsatzes im Ausland wollen Sie erneut eine
Debatte über die Trennung von äußerer und innerer
Sicherheit führen. Sie wollen die Trennung zwischen
Polizei und Militär aufheben. Sie wollen - so heißt es in
Ihrem Fraktionspapier - die Trennung zwischen Krieg
und Frieden beenden. Das alles haben die dort eingesetzten Soldatinnen und Soldaten sowie die Polizeibeamten
vor Ort nicht verdient. Das alles stellt im Übrigen einen
Anschlag auf das Grundgesetz dar, angestoßen von der
Bundeskanzlerin und gedeckt durch den Verfassungsminister, und das nur, weil Sie sich aus der Verantwortung für diese Aktion „Wasserschlacht“ stehlen wollen.
({7})
Wir haben allerdings ein eklatantes Führungsproblem.
Wir wären froh, wenn es ein einheitliches Vorgehen bei
im Rahmen von „Atalanta“ gefassten, der Piraterie Verdächtigen gäbe. Aber das ist nicht der Fall. Das ist wirklich ein rechtliches Problem. Die einen lässt man laufen.
Die anderen schickt man nach Hause vor Gericht. Wiederum andere schickt man nach Kenia. Aber eine rechtlich einwandfreie Strafverfolgung solcher Täter ist nicht
sichergestellt. Ich empfehle Ihnen: Betreiben Sie mit
dem gleichen Aufwand und der gleichen Emphase, die
Sie bei einer Grundgesetzänderung an den Tag legen, die
Durchsetzung eines internationalen Gerichtshofs!
({8})
- Herr Wiefelspütz, die Bundesregierung tut gar nichts;
das haben alle Unterrichtungen im Ausschuss ergeben.
Sie müssen sich gar nicht dazwischenwerfen.
Die Wahrheit ist: Sie wollten ein Exempel statuieren
und nicht länger Lösegeld zahlen. Das ist legitim, genauso wie die Erwägung, Gewalt in solchen Fällen anzuwenden. Aber das Risiko für 24 Geiseln auf einem
150 Meter langen Schiff war zu hoch. Das hat übrigens
auch die Bundespolizei so gesehen. Warum sind Sie
nicht gleich der Analyse des Bundespolizeipräsidiums
gefolgt? Warum galt für Sie bei unterschiedlichen Risikoanalysen nicht der Grundsatz „Im Zweifelsfall geht das
Leben der Geiseln vor“, Herr Minister? Warum mussten
Sie sich von den USA zu dieser Entscheidung drängen
lassen? Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich bin James
Jones dankbar. Die USA haben mit ihrer Entscheidung
ein Fiasko verhindert. Sie haben bewiesen, dass sie in
der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Ihnen dagegen, Herr Minister, und der Bundesregierung fehlt es
an Verantwortungsbewusstsein und Fähigkeiten. Ihnen,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
CSU, fehlt es an Respekt vor der Verfassung.
({9})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl
von der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Bevor ich auf die unerträglichen Äußerungen
des Kollegen Trittin eingehe, möchte ich etwas ganz anderes tun.
({0})
- Schweigen Sie!
({1})
Bei der Bundeswehr und bei der Bundespolizei arbeiten
Menschen, die bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern,
um das Leben anderer Menschen zu retten, anstatt dass
sie so daherschwadronieren, wie Sie es getan haben. Dafür ganz herzlichen Dank.
({2})
Sie waren zum Einsatz bereit, und dann wurde am Ende
eines mehrwöchigen Abwägungsprozesses von der Bundesregierung die politische Entscheidung getroffen, angesichts dieses Risikos den Einsatz doch nicht durchzuführen, weil das Leben der Menschen in zu großer
Gefahr war. Die Entscheidung war richtig. Jetzt kommt
der Grüne Trittin, stellt sich ans Rednerpult und versteigt
sich zu der unsäglichen Infamie, zu sagen, der Bundesinnenminister habe sich aus der Verantwortung davongestohlen.
({3})
Widerwärtig. Sie können dem Bundesinnenminister
Schäuble alles Mögliche vorwerfen, aber zu behaupten,
dass sich dieser Minister aus der Verantwortung stiehlt da hört es wirklich auf.
({4})
Der Minister war bereit, die volle Verantwortung zu
übernehmen, und zwar unabhängig vom Ausgang dieses
Einsatzes.
Lassen Sie mich jetzt einige Anmerkungen zu Ihren
Ausführungen zum Grundgesetz machen. Es gab keinen
Streit über die Ressortvereinbarung. Insoweit haben Sie
richtig zitiert. Man war sich von Anfang an einig, dass
die GSG 9, militärisch unterstützt, zum Einsatz kommen
soll. Dass man zum Schluss die Amerikaner brauchte,
weil der nötige Helikopterträger nicht zur Verfügung
stand, hat vielleicht auch etwas mit einer verfehlten Be24180
schaffungspolitik während der siebenjährigen rot-grünen
Regierungszeit zu tun.
({5})
Sie hätten sieben Jahre Zeit gehabt, einen Helikopterträger zu beschaffen.
({6})
Jetzt komme ich zum Grundgesetz. Art. 87 a des
Grundgesetzes sagt klipp und klar - hören Sie zu, wenn
ich aus dem Grundgesetz zitiere, statt herumzuplärren,
Herr Trittin -:
({7})
({8}) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung
auf …
({9}) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte
nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz
es ausdrücklich zulässt.
Wenn Sie im Grundgesetz weiterlesen, dann finden Sie
natürlich nirgendwo etwas zur Pirateriebekämpfung.
({10})
Also macht man sich mühsam auf die Suche nach einer
Legitimation und landet bei Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes. Dort heißt es:
Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit
einordnen …
Dieses wird als Legitimation herangezogen. Das kann
man juristisch machen, das ist nicht falsch. Nur, es zeigt
eben, dass wir nach geltendem Grundgesetz nicht in der
Lage sind, ohne ein EU-Mandat oder VN-Mandat autonom als deutscher Staat die Bundeswehr bei neuen Bedrohungslagen zum Einsatz zu bringen.
({11})
Wir sind immer von einem solchen Mandat abhängig,
auf das wir uns zurückziehen.
({12})
Das heißt, wir haben auf die asymmetrische Bedrohung,
die zur Folge hat, dass die innere von der äußeren Sicherheit natürlich nicht mehr zu trennen ist, noch nicht
die richtige juristische Antwort gefunden.
({13})
Wir werden uns also entscheiden müssen, ob wir die
GSG 9, das KSK oder beide zum Einsatz bringen wollen. Diese Entscheidung muss getroffen werden. Die Fähigkeiten müssen auf jeden Fall da sein. Wenn eine entsprechende Entscheidung gefällt wird, dann muss die
Truppe für Wochen und Monate in die Region geschickt
werden, und dann fehlt sie in Deutschland, wenn es die
GSG 9 sein sollte. Das will wohlbedacht sein. Das heißt,
in der derzeitigen Situation können wir die Piraterie
nicht wirksam bekämpfen. Hier muss noch nachgebessert werden, sowohl was die richtige Ausrüstung als
auch was die richtige Struktur betrifft. Wir müssen die
Piraterie bekämpfen wollen und bekämpfen können.
({14})
Es ist die freie Entscheidung von Hamburger Reedern, ihre Schiffe unter einer Billigflagge und mit einer
Besatzung, die zu Niedriglöhnen arbeitet, über die
Meere fahren zu lassen. Früher nannte man sie „Hamburger Pfeffersäcke“.
Aber es ist die alleinige Entscheidung des deutschen
Staates, im Kampf gegen Piraterie vom Gewaltmonopol
Gebrauch zu machen. Der deutsche Staat und die Regierung in Berlin entscheiden, ob geschossen wird oder
nicht, und dabei soll es auch bleiben.
Wir sollten uns auf den Weg machen, die Strukturen
so zu organisieren, dass wir dieser Bedrohung Herr werden. Dazu gehört vielleicht auch, noch einmal darüber
nachzudenken, wie die Befehlsstrukturen aussehen, darüber nachzudenken, ob es klug ist, neben militärischen
Einheiten Polizeieinheiten einzusetzen oder doch eine
reinrassige militärische Lösung zu wählen.
({15})
Das alles ist noch nicht zu Ende diskutiert.
Wir stehen für eine solche Diskussion selbstverständlich zur Verfügung. Aber wir müssen handlungsfähig
werden und können uns nicht so verhalten wie Sie, Herr
Trittin, von dem ich bis heute noch nicht weiß, was Sie
eigentlich mit Ihrer seltsamen, diffamierenden Rede
wollten.
({16})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von
der FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu
der Diskussion, die wir heute führen, mache ich eine
Vorbemerkung. Meines Erachtens ist es gut und wichtig,
dass wir als Bundesrepublik Deutschland mit der GSG 9
bei der Bundespolizei und mit dem KSK bei der Bundeswehr zwei Spezialeinheiten haben; beide brauchen wir
auch weiterhin. Beide haben exzellente Fähigkeiten; sie
sind in der Vergangenheit in schwierigen Situationen
eingesetzt worden und haben sich darin unter Beweis gestellt. Sie haben hohe Einsatzbereitschaft gezeigt; diese
ist nach wie vor vorhanden. Deswegen sage ich an dieser
Stelle erst einmal ein herzliches Dankeschön an die Polizisten und an die Soldaten, die in diesen Einheiten ihren
Dienst tun.
({0})
Bezogen auf den konkreten Fall der „Hansa Stavanger“
unterstreiche ich: Erstens halte ich es für richtig, dass
man den Versuch unternommen hat, zu helfen. Zweitens
glaube ich nicht, dass das Parlament wirklich die konkreten Umstände beurteilen kann, die am Ende zum Abbruch dieser Aktion geführt haben. Ich sage jedenfalls
für meine Fraktion: Wir haben vollstes Vertrauen in die
Kompetenz und in die Lagebeurteilung der Einsatzführer
vor Ort. Sie tragen eine hohe Verantwortung; sie verdienen unser aller Respekt und unsere Unterstützung.
({1})
Kein Verständnis habe ich allerdings für das Verhalten der Bundesregierung, und dies in mehrfacher Hinsicht. Der Fachverbandsvorsitzende für die Bundespolizei der Polizeigewerkschaft, Herr Zastrow, hat in einem
Interview geäußert, dass die Verzögerungen und der Abbruch die Folge von langwierigen Abstimmungsprozessen gewesen seien. Solche Kompetenzstreitigkeiten sind
nicht hinnehmbar. Sie gefährden nicht nur die effektive
Pirateriebekämpfung, sondern unter Umständen auch
Leib und Leben der Betroffenen. Deswegen sage ich
ganz klar: Die Bundesregierung hat alle Betroffenen in
eine schwierige Situation gebracht. Es braucht klare Zuständigkeiten; das ist das A und O jedes Einsatzes. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, hier Klarheit
zu schaffen.
({2})
Dabei hat vorher angeblich alles gestimmt, denn man
hatte ja alles geklärt. Ich sage Ihnen, meine Damen und
Herren von der Bundesregierung: Theoretisch, auf dem
Papier, war es so, aber praktisch waren Sie in keiner
Weise vorbereitet. Wenn wir dann hören, was die internationalen Partner sagen, dann entsteht zumindest der
Eindruck, dass die unterschiedlichen Ministerien, die ja
vielfältig zuständig waren, sich offensichtlich unterschiedlich geäußert haben. Ein solches Verhalten ist absolut kontraproduktiv.
An dieser Stelle betone ich: Hier ist die Bundeskanzlerin gefordert, dem ein Ende zu bereiten und Klarheit zu
schaffen.
({3})
Stattdessen führt sie eine Diskussion über eine Grundgesetzänderung, zusammen mit Bundesinnenminister
Schäuble und Bundesverteidigungsminister Jung, von
denen wir nichts anderes gewohnt sind und die jede erdenkliche Gelegenheit dazu nutzen, einen Bundeswehreinsatz im Inneren über die Hintertür durchzusetzen. Die
Abläufe bei der „Hansa Stavanger“ haben jedoch nichts,
aber auch gar nichts mit der Verfassung zu tun.
({4})
Sie haben auch nichts mit einer mangelnden rechtlichen
Grundlage zu tun. Vielmehr haben sie etwas mit Versäumnissen der Bundesregierung zu tun. Deswegen sagen wir: Schluss mit den Ablenkungsmanövern!
({5})
Herr Uhl, Sie haben hier gesagt, im Grundgesetz
stehe nichts von Piraterie. Da steht auch nichts von Afghanistan, von UNIFIL und von Kosovo. Wenn wir Ihrer
Argumentation folgten, dürften wir keinen einzigen Auslandseinsatz durchführen.
({6})
Herr Uhl, ich sage Ihnen weiter: Wir haben hier im
Deutschen Bundestag das Mandat „Atalanta“ beschlossen. In diesem Mandat ist ausdrücklich vorgesehen - ich
zitiere -: die „Durchführung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Beendigung von seeräuberischen Handlungen …“. Das deckt
die Geiselbefreiung ab. Die Probleme liegen also nicht
in fehlender Rechtsgrundlage, sondern in fehlenden Fähigkeiten vor Ort.
({7})
Ich sage an dieser Stelle, an die Adresse der Bundesregierung gerichtet: Meine sehr verehrten Damen und
Herren, wer die Bundeswehr in einen Einsatz mit einem
klaren Auftrag und einem zu erwartenden Szenario
schickt, der muss der Bundeswehr die für einen solchen
Einsatz notwendigen Fähigkeiten mitgeben. Das ist erkennbar nicht der Fall gewesen.
({8})
Es braucht deshalb strukturelle Schlussfolgerungen,
und zwar sowohl was das KSK als auch was die GSG 9
angeht. Beide sind exzellent ausgebildet. Sie sind gut
ausgerüstet. Sie sind einsatzfähig, und sie sind auch einsatzwillig. Wenn dieser militärische Einsatz eine Geiselbefreiung umfasst, dann muss es vor Ort - wie beim
Mandat „Atalanta“ - entsprechende Fähigkeiten und Kapazitäten geben,
({9})
schon allein deshalb, weil schnelles Handeln mehr Erfolgsaussichten hat.
({10})
Das bedeutet: In militärischen Missionen sollte das KSK
die Zuständigkeit haben und sollte von vornherein dabei
sein. Das hat mehrere Vorteile: eine klare Zuständigkeit,
klare Verantwortung, kein Zeitverlust und die Kenntnis
der Strukturen. Das heißt, wir würden damit optimale
Bedingungen herstellen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Sowohl bei
dem KSK als auch bei der GSG 9 besteht erkennbar die
Notwendigkeit, bestehende Lücken bei Ausrüstung,
Ausstattung und spezifischem Training zu schließen.
Dass die Bundesregierung das mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir zunehmend stehen, nicht erkannt hat, ist ein schweres politisches Versäumnis, das
nicht weiter auf dem Rücken der betroffenen Polizisten
und Soldatinnen und Soldaten ausgetragen werden darf.
Wir fordern die Bundesregierung auf, mit den Ablenkungsmanövern endlich aufzuhören und ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
({11})
Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich auch für die SPD-Fraktion
zum Ausdruck bringen, dass wir, Herr Bundesinnenminister, mit großem Respekt auf den Einsatz der GSG 9
in Somalia blicken. Auch wenn der Einsatz im Endeffekt
nicht stattgefunden hat, wissen wir, dass da Enormes geleistet wurde - bis hin zur Bereitschaft, das eigene Leben
für unser Land und für deutsche Staatsbürger einzusetzen. Man kann den Dank dafür nicht oft genug wiederholen.
({0})
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, meine Damen und Herren, Respekt verlangt uns aber auch die Position der Bundesregierung ab, die - keineswegs nach einen Kompetenzstreit - zu dem Ergebnis kam: Es muss
Schluss sein mit dieser Lösegeldpolitik; es darf nicht
sein, dass ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland
durch Piraten oder anderes Gesindel auf Dauer erpressbar ist.
({1})
Respekt zollen wir auch allen, die sich der Schwere
dieser Entscheidung in Krisenstäben und anderswo zu
jedem Zeitpunkt bewusst waren, die keineswegs leichtfertig abgewogen haben, um dann schließlich - unter welchen Rahmenbedingungen auch immer, Herr Trittin zum Ergebnis zu kommen: Wir machen das nicht. Respekt verlangt nämlich auch der Mut, zu sagen - das hat
nichts mit Feigheit zu tun -: Nein, wir schicken unsere
Bundespolizeibeamten nicht in dieses Risiko hinein;
nein, wir wollen die Geiseln der Todesgefahr nicht aussetzen. - Es kann klug und richtig sein, so zu entscheiden. Wie wir heute wissen, war es klug und richtig, dass
so entschieden wurde.
Wir als Abgeordnete dieses Parlaments sollten mit
manchen Urteilen, wie sie in allen Lagern getroffen worden sind, deshalb vorsichtig sein. Wir als Deutscher
Bundestag können wahrhaftig nicht die Polizeiführer vor
Ort ersetzen. Manche Äußerungen der letzten Tage und
Wochen haben den Anschein erweckt, als wüssten wir
besser Bescheid als ein gut ausgebildeter GSG-9-Mann
vor Ort. Das ist Unsinn.
({2})
Jetzt ist aber zu überlegen: Welche Konsequenzen
sind zu ziehen? Soweit wir politisch gefordert sind, wollen wir einen Beitrag dazu leisten. Dieser Beitrag kann
so aussehen, dass wir gemeinsam mit dem Bundesverteidigungsminister und gemeinsam mit dem Bundesinnenminister darüber nachdenken, wie wir die Mannschaft
optimal ausstatten. Stimmt da alles in puncto Ausstattung? Offensichtlich nicht. Wir müssen uns auch überlegen, wie wir in puncto Ausbildung helfen können. Gegebenenfalls müssen wir bereit sein, dafür Geld in die
Hand zu nehmen. Nur eines brauchen wir nicht: eine erneute Diskussion um eine in diesem Falle völlig überflüssige Grundgesetzänderung.
({3})
Diese Diskussion verläuft ja ein bisschen nach der
Methode: Und ewig grüßt das Murmeltier. Jedes Mal,
wenn sich eine Gelegenheit bietet, redet man darüber, ob
man nicht die Bundeswehr im Innern einsetzen kann, ob
die Bundeswehr nicht verstärkt Polizeiaufgaben wahrnehmen kann.
({4})
Ich möchte einmal daran erinnern, was die Kanzlerin
- auch sie hat sich ja in diese Diskussion eingeschaltet richtigerweise vor dem Kongress der Gewerkschaft der
Polizei vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat:
Eine der Sorgen der Polizistinnen und Polizisten ist,
dass die Bundeswehr jetzt klassische Polizeiaufgaben ausführt. Meine Damen und Herren, ich sage
ganz eindeutig: Das ist nicht geplant. Ich sage das
jetzt einfach auch einmal als CDU-Vorsitzende:
Das ist auch von der Christlich Demokratischen
Union nicht geplant. Sie brauchen daran nicht zu
zweifeln. Das ist so.
Ich nehme die Kanzlerin beim Wort.
({5})
Michael Hartmann ({6})
- Na ja, sehen Sie, ich bin da naiver als Sie, Herr Trittin.
Sie sind schon länger im Geschäft und deshalb etwas abgebrühter.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen
also, wir brauchen keine Debatten dieser Art, sondern
wir brauchen Debatten um eine optimale Aufstellung sowohl der Bundeswehr als auch der Polizei. Die Frage
lautete ja nicht: „Wer darf es?“, sondern: „Wer kann
es?“. Wir mussten viele Notnägel benutzen, um das
überhaupt zu können, auch wenn der Einsatz am Schluss
nicht stattgefunden hat.
Im Übrigen sollten wir uns, wenn wir solche Debatten
führen, daran erinnern, dass diese auch in die Mannschaft
hineinwirken, Herr Bundesinnenminister. Ich glaube
nicht, dass die Bundespolizistinnen und Bundespolizisten glücklich darüber sind, dass sie immer wieder als Vehikel benutzt werden, um das Thema „Bundeswehreinsätze im Innern“ voranzutreiben. Ich glaube auch nicht,
dass die Bundeswehr, die es in vielen Bereichen schwer
genug hat, glücklich darüber ist, dass mit ihr so verfahren
wird, als könne man sie beliebig selbst für Debatten, die
innerparteilich befriedend wirken sollen, instrumentalisieren.
({7})
Im Übrigen stellt sich doch die Frage - das ist mein
letzter Satz -: Mit wem will man das eigentlich machen?
Einen Theaterdonner kann man jederzeit aufführen. Herr
Schäuble, ich weiß mittlerweile, dass Sie sich sehr verantwortungsbewusst und auch durchaus besorgt um die
innere Sicherheit kümmern. Ich kenne Sie aber auch als
gewieften Parteipolitiker. Diesem gewieften Parteipolitiker sage ich: Herr Bundesinnenminister, es gibt Wunschkoalitionen auf Ihrer Seite, es gibt Wunschkoalitionen
auf anderer Seite. Eine Koalition bzw. Konstellation gibt
es allerdings in diesem Hause nicht, und zwar auf Dauer
nicht, nämlich eine Koalition bzw. Konstellation, die es
möglich machen wird, dass eine Grundgesetzänderung
herbeigeführt wird, damit die Bundeswehr im Innern
eingesetzt werden kann. Hören wir also mit dieser verunsichernden Debatte auf!
({8})
Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Dr. Norman
Paech von der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe lange darüber gegrübelt, was der verschrobene, ursprünglich vorgesehene Titel der Aktuellen
Stunde eigentlich bedeuten sollte: „Kompetenzstreit aus
mangelnder Verantwortung der Bundesregierung bei der
Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia“.
({0})
Jetzt ist er etwas verschlankt worden. Schließlich habe
ich mir gesagt, das kann doch nur ein Ausdruck totaler
Frustration über das sein, was bei der Piratenjagd alles
fehlläuft, und darüber, dass man überhaupt nicht weiß,
wie es weiterlaufen soll.
In der Tat, die Bilanz ist wirklich kümmerlich. Nicht
nur, dass die Befreiung der Besatzung der „Hansa Stavanger“ - zum Glück, muss man sagen - abgesagt werden musste, bevor die GSG 9 zum Einsatz kam. Übrigens sagen Sie, Herr Schäuble, den Bürgerinnen und
Bürgern doch auch einmal, wie viel dieses schlecht geplante Abenteuer gekostet hat. Demnächst - wahrscheinlich schon bald, wie Herr Uhl meint - wollen Sie sich sogar noch einen eigenen Hubschrauberträger leisten, um
von den USA ganz unabhängig zu werden und so etwas
selber machen zu können.
Viel schlimmer ist: Seitdem sich die Kriegsmarine
vor dem Horn von Afrika tummelt, haben auch die Piraten aufgerüstet und ihre Angriffe um 20 Prozent gesteigert. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Angriffe
im ersten Quartal 2009 sogar verdoppelt und die Lösegelder wahrscheinlich vervielfacht. Das Fazit kann doch
nur lauten: Diese Militärmission ist gescheitert. Jetzt ist
guter Rat teuer.
({1})
Nur einer hat offensichtlich einen Plan, unser Innenminister, der hartnäckig am Grundgesetz gräbt. Jeder hat
seine eigene Art, Jubiläen zu feiern. Herr Schäuble will
offensichtlich den 60. Jahrestag unseres Grundgesetzes
mit einem Piratenartikel krönen. Die SPD hat schon kategorisch ihre Ablehnung signalisiert, und dafür sind Sie
zu loben. Aber wer weiß schon, was die SPD in der
nächsten Großen Koalition sagen wird? Deswegen eine
Anmerkung dazu: Herr Schäuble und die CDU möchten
mit der Grundgesetzänderung zwei langgehegte Träume
auf einen Streich wahrmachen: endgültig die Trennung
von Polizei und Militär aufheben, um sie je nach Belieben und ohne Bundestagsmandat einsetzen zu können,
und zweitens den Einsatz der Bundeswehr im Innern ermöglichen. Ich sage Ihnen: Das werden wir nicht mitmachen, und ich hoffe, die jetzige diesbezügliche Mehrheit
in diesem Plenum, die das nicht mitmacht, wird noch
lange erhalten bleiben.
({2})
Wir müssen ehrlich sein: Die Piratenbekämpfung ist
bei diesen Plänen nur ein Vorwand. Sie wird nicht nur
missbraucht, um die strikte Trennung von Polizei- und
Militäraufgaben aufzuheben und schließlich den Einsatz
der Bundeswehr im Innern vorzubereiten. Sie wird auch
missbraucht - und da sitzt leider die SPD mit im Boot -,
um den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz strategischer Seetransporte zu legitimieren und um eine weitere
massive Aufrüstung der Bundeswehr zu rechtfertigen.
({3})
Nur eines ist Ihnen offensichtlich vollkommen aus den
Augen geraten, nämlich die Piraterie bei den Wurzeln zu
packen. Sie haben vom Aufbau und der Stabilisierung
- ich erinnere an die letzte Debatte - der staatlichen
Strukturen in Somalia geredet, aber nichts Konkretes unternommen. Sie haben die Autoritäten von Somaliland
und Puntland, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Piraterie haben, überhaupt nicht in Ihre Überlegungen eingebunden. Was haben Sie für die Beendigung der AntiTerror-Angriffe der USA auf Somalia und zur Durchsetzung des Waffenembargos der UNO getan? Nichts! Den
Vorschlag einer internationalen, zeitlich begrenzten Küstenwache unter Führung der UNO und der AU haben Sie
nicht einmal aufgegriffen. Und was hat die EU gegen den
illegalen Fischfang und die Müllverklappung vor der
Küste Somalias getan, die den Fischern die Existenz geraubt haben, sodass sie vom Fischfang zum Schiffsfang
übergehen mussten? Gar nichts!
Es sind ja nicht nur koreanische oder japanische
Fischfangflotten, die dort räubern, sondern auch Europäer unter den Billigflaggen Kambodschas - stellen Sie
sich vor: Kambodscha, ohne jegliche Küste, aber mit einer Billigflagge - und Panamas.
({4})
Wieso setzen Sie sich nicht gegen diese Art der Piraterie
ein, die die Lebensgrundlagen der Küstenbevölkerung
zerstört hat? Geben Sie - das zum Schluss - den
Fischern ihre Fanggründe zurück! Dann würden Sie sehr
viel mehr gegen die Piraterie machen als mit den Fregatten und der GSG 9.
Danke sehr.
({5})
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister
Dr. Wolfgang Schäuble.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte
in dieser Debatte doch erwähnen, dass sich die Besatzung der am 4. April um 7.20 Uhr gekaperten „Hansa
Stavanger“ - fünf deutsche Staatsangehörige und
19 weitere Personen - noch immer in Geiselhaft befindet. Ich finde schon, wir sollten nicht mit Fischfangproblemen davon ablenken, dass Piraterie, Geiselnahme und
die Kaperung von Schiffen menschenwidrige Verbrechen sind und dass wir dieser Form von organisierter
Kriminalität wirklich ein Ende machen müssen.
({0})
Ich hatte durchaus meine Probleme mit der Formulierung des Themas dieser Aktuellen Stunde, Herr Kollege
Trittin; denn alle beteiligten Bundesminister haben wiederholt erklärt, dass es zu keinem Zeitpunkt irgendeine
Differenz zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium des Innern in dieser Frage gegeben hat. Wir waren uns im Krisenstab, in dem unter der Federführung
des Auswärtigen Amtes alle beteiligten Bundesbehörden
zusammenarbeiten, von Anfang an einig, dass man unmittelbar nach der Entführung versuchen muss, zu verhindern, dass das Schiff in der Nähe der somalischen
Küste auf Reede kommt. Das hat der Kapitän der Fregatte der Bundeswehr nicht verwirklichen können, weil
das aus seiner Sicht - und er musste diese Entscheidung
treffen - mit einer nicht zu verantwortenden Gefahr für
das Leben der Geiseln verbunden gewesen wäre. Daraufhin haben wir im Krisenstab völlig einvernehmlich
entschieden, dass der Versuch unternommen werden
müsse, die Geiseln zu befreien. Ob das zum Erfolg führen würde, konnten wir nicht wissen. Wir haben immer
gesagt, dass am Ende der vor Ort führende Kommandeur, Herr Lindner, beurteilen und entscheiden muss,
was zu tun ist. Ich bedanke mich für die anerkennenden
Worte für die GSG 9 wie für die KSK. Beide Einheiten
haben den Respekt und den Dank des ganzen Hauses
verdient.
({1})
Auf jeden Fall haben wir im Krisenstab entschieden,
dass die GSG 9 - mit dem damit notwendigerweise verbundenen Aufwand - in die Nähe des Frachters verlegt
werden muss; denn sonst hätten wir von vornherein nicht
einmal den Versuch unternommen, die in Geiselhaft Genommenen zu befreien und zu retten.
In dieser Frage hat es - das will ich angesichts der
Debatten über Rechtsfragen hinzufügen - nie ein
Rechtsproblem gegeben; das hat auch niemand behauptet.
({2})
- Sie haben eines nicht erwähnt: Die Bundeswehr ist im
Rahmen der europäischen Mission „Atalanta“ mit drei
Fregatten und weiteren Kräften dort im Einsatz; das ist
völlig unstreitig. Zu ihren Aufträgen gehören die Pirateriebekämpfung und notfalls auch die Rettung und
Befreiung von Geiseln. Sie wissen aber, dass die militärische Führung der Mission „Atalanta“, die bei Großbritannien liegt, bisher nicht in einem einzigen Fall eine
Initiative zur Befreiung eines gekaperten Schiffes ergriffen hat. Das ist ein Faktum. Ich habe das nicht zu kommentieren, aber es ist Realität. Alle Aktionen, die bisher
zur Befreiung von gekaperten Schiffen unternommen
worden sind, gehen ausschließlich auf nationale Initiativen und in keinem Fall auf Initiativen von europäischen
oder sonstigen internationalen Missionen zurück.
Nun ist wiederum unstreitig, dass auf Grundlage der
geltenden Verfassung eine nationale Aktion zur Befreiung eines gekaperten Schiffes zweifelsfrei originäre
Aufgabe der Bundespolizei - so steht es auch im Bundespolizeigesetz - und nicht der Bundeswehr ist. So ist
die Rechtslage.
({3})
- Nein, überhaupt nicht. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz - das muss ich Ihnen nicht erklären, Herr Kollege
Arnold - sieht vor, dass bei verfassungsrechtlich zulässigen Einsätzen der Bundeswehr das Parlament zu entscheiden hat. Aber das Parlamentsbeteiligungsgesetz ersetzt natürlich nicht die verfassungsrechtliche Grundlage
für einen Einsatz der Bundeswehr, und die ist nun einmal
so, dass der Einsatz der Bundeswehr nach Art. 87 a nur
zur Verteidigung und darüber hinaus ausdrücklich nur in
den vom Grundgesetz geregelten Fällen zulässig ist. Pirateriebekämpfung gehört unstreitig nicht dazu. Es gibt
eine weite Auslegung des Grundgesetzes, nach der auch
Piraterie als Angriff zählt. Nach der engen Interpretation
ist das allerdings nicht der Fall. Deswegen haben wir immer vorgeschlagen, eine klarstellende Ergänzung im
Grundgesetz vorzunehmen, wenn man zur Pirateriebekämpfung die Bundeswehr außerhalb internationaler
oder europäischer Missionen einsetzen will.
({4})
- Im Rahmen der Operation „Atalanta“ ist ein solcher
Einsatz nicht streitig, Herr Kollege Trittin; das hat auch
niemand behauptet. Unstreitig ist auch, dass bei dieser
Operation solche Aktionen bisher in keinem einzigen
Fall durchgeführt wurden, also auch nicht im Fall der
„Hansa Stavanger“. Mit all diesen brotlosen Debatten
helfen wir den in Geiselhaft befindlichen Deutschen und
den anderen Besatzungsmitgliedern der „Hansa Stavanger“ nicht.
({5})
Meine zweite Bemerkung. Ich habe mich noch heute
Morgen beim Verteidigungsminister und auch beim Außenminister vergewissert, dass wir in der Beurteilung
völlig übereinstimmen. Es hat zu keinem Zeitpunkt irgendeine Meinungsverschiedenheit, geschweige denn
ein Kompetenzgerangel zwischen den beteiligten Ministerien gegeben. Wahrheitswidrige Behauptungen werden
auch durch Wiederholung nicht wahr. Ich muss sie mit
Entschiedenheit zurückweisen.
Die Bundeswehr hat keinen Hubschrauberträger. Angesichts der Tatsache, dass die „Hansa Stavanger“ vor
der Küste Somalias auf Reede liegt - Somalia ist bekanntlich ein „failed state“ - und somit eine Operation
von Land aus nicht möglich gewesen ist, benötigte die
GSG 9 für einen möglichen Einsatz eine Basis, um von
See aus operieren zu können. Dazu brauchte sie einen
Hubschrauberträger für sechs gleichzeitig operierende
Hubschrauber, so die Lagebeurteilung des zuständigen
Kommandoführers. Einen solchen Hubschrauberträger
hat die Bundesmarine aber nicht. Er ist auch nicht innerhalb von ein paar Wochen zu beschaffen; es dauert schon
ein bisschen länger. Dies sage ich, damit alle wissen,
worüber wir reden. Auch die Bundespolizei hat keinen
derartigen Hubschrauberträger. Deswegen waren wir
dankbar, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereit gewesen sind, den Hubschrauberträger USS „Boxer“
für den Einsatz zur Verfügung zu stellen. Damit nicht
solch sinnlose Debatten geführt werden, die einfach nur
zur Verdrehung der Tatsachen führen, will ich deutlich
sagen, dass die Vereinigten Staaten das Einsatzkommando über die USS „Boxer“ nicht an die Bundeswehr
und schon gar nicht an die Bundespolizei abgetreten haben. Das hat auch niemand erwartet.
Und nun haben wir gesagt: Wenn man es nicht versucht, hat man keine Chance. Wir sind alle traurig, dass
das Vorhaben nicht gelungen ist. Am Ende haben wir die
Entscheidung gemeinsam und ohne irgendwelche Meinungsunterschiede bei der Lagebeurteilung - und sei es
nur in Nuancen - getroffen. Wir haben es Ihnen auch gesagt - einige von Ihnen waren dabei anwesend -: Angesichts des schwierigen Einsatzes war die Beurteilung der
Beteiligten vor Ort: Es handelt sich zwar um einen riskanten Einsatz, aber das Risiko ist beherrschbar. So war
die Beurteilung der Verantwortlichen der GSG 9 vor Ort
und der verantwortlichen Offiziere auf der USS „Boxer“.
Die amerikanischen Freunde und Partner konnten bei einer Übung der GSG 9 sehen, wie leistungsfähig sie ist.
Aber es gab auch die gegenteilige Auffassung. Die eine
Auffassung ist so legitim wie die andere. Da wir am
Ende nicht zu der einvernehmlichen Beurteilung gekommen sind, dass der Einsatz vertretbar und das Risiko beherrschbar ist, musste der für den Einsatz der Bundespolizei im Ausland zuständige Bundesinnenminister
- nur er und niemand sonst ist zuständig; man kann das
im Bundespolizeigesetz nachlesen - im Einvernehmen
mit dem Auswärtigen Amt die Entscheidung treffen: Wir
rufen die GSG 9 zurück.
({6})
- Aber es war auch die Entscheidung richtig, es wenigstens zu versuchen, indem wir die GSG 9 dorthin verlegt
haben.
({7})
Es ist nicht zutreffend - ich weise diese Unterstellung
mit Entrüstung zurück -, dass unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Bundesregierung diese Aktion in
irgendeiner Weise behindert hätten. Es ist auch nicht
richtig, dass die GSG 9 für einen solchen Einsatz nicht
ausreichend ausgerüstet ist. Ich behaupte, die GSG 9 ist
wahrscheinlich die beste Polizeieinheit auf der Welt,
wenn es darum geht, ein gekapertes Schiff zu befreien.
({8})
Aber sie braucht für eine Operation von Seeseite - und
das hat sie nicht - eine entsprechende Basis. So ist die
Lage entstanden. Das ist der Sachverhalt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit allem Respekt: Wenn wir wollen - dafür spricht manches -, dass
in Zukunft die Bundeswehr solche Einsätze fern von
Europa durchführt, müssen wir eine verfassungsrechtliche Klarstellung schaffen. Wenn die Bundespolizei das
machen soll, dann braucht sie die logistischen Möglichkeiten für einen schnellen Transport - die hat sie nicht und eine Basis, wenn sie von See aus operieren muss. Im
Übrigen kann ich es nicht verantworten, dass sich praktisch die gesamte GSG 9 wochenlang fern von Deutschland befindet;
({9})
denn sie hat einen Auftrag im eigenen Land.
Wenn wir über Konsequenzen aus diesen Erfahrungen
reden wollen, dann lassen Sie uns in diesem Sinne darüber reden und nicht den Vorwurf erheben, irgendwelche Kompetenzstreitigkeiten seien die Ursache dafür gewesen, dass diese Aktion am Ende nicht zum Erfolg
geführt wurde. Ich bleibe dabei: Wir müssen Piraterie
und Geiselnahme mit aller Entschiedenheit bekämpfen.
Dazu werden wir unsere nationalen wie internationalen
Anstrengungen weiter verstärken müssen.
Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt der Kollege Omid Nouripour von
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich habe Sie am Ende Ihrer Rede wirklich
nicht mehr verstanden.
({0})
Sie haben eingangs gesagt, dass vor Ort entschieden
wird, ob das Risiko tragbar ist. Sie haben gesagt, dass
vor Ort entschieden wurde, dass das Risiko nicht tragbar
sei, und die Mission deswegen abgebrochen wurde. Auf
der anderen Seite aber haben Sie gesagt, dass wir eine
Grundgesetzänderung brauchen, weil „Atalanta“ solche
Einsätze gar nicht vorsieht.
({1})
So, wie Sie das formuliert haben, macht es aus meiner
Sicht keinen Sinn.
Ich bitte Sie auch, auf den Titel der Aktuelle Stunde,
die wir beantragt haben, zu schauen. Es geht nicht um einen Kompetenzstreit innerhalb der Bundesregierung,
was Sie mit großer Empörung zurückgewiesen haben,
sondern um einen Kompetenzstreit, der dadurch ausgelöst wurde, dass Sie angefangen haben, über genau diese
Grundgesetzänderung zu sprechen; denn das verunsichert die Bundespolizei.
({2})
Wir haben bei der Mission beobachtet, dass es einen
Kompetenzstreit mit den Amerikanern gab, die bei dieser Mission am Ende faktisch entschieden haben, was
passieren soll.
({3})
Wir reden heute über ein eigentlich wahnsinnig langweiliges Thema. Die Union hat wieder einmal einen Anlass gefunden, über den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu sprechen. Eigentlich geht es Ihnen nur darum.
({4})
- Wir haben sie beantragt, weil die Langeweile in dem
Augenblick ein Stück weit an Brisanz gewinnt, in dem
die Bundeskanzlerin so agiert, wie wir es eigentlich von
Oskar Lafontaine kennen.
({5})
- Doch. - Oskar Lafontaine macht das so. Er nimmt irgendeinen Anlass und redet dann darüber, dass die Bundeswehr aus der ganzen Welt abgezogen werden muss.
Die Bundeskanzlerin nimmt etwas, was mit dem Thema
nichts zu tun hat, um zu sagen, dass wir das Grundgesetz
ändern müssen, um das Trennungsgebot aufheben zu
können. Mit diesem Trennungsgebot leben wir aber,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, seit
60 Jahren hervorragend.
({6})
Dieser Populismus ist der Grund, warum wir diese
Aktuelle Stunde beantragt haben. Heute habe ich eine
Aussage von Horst Seehofer gelesen, nach der Sie gegen
Populismus eigentlich gar nicht viel haben. Das sei einmal dahingestellt; dennoch: Diese Debatte ist aus unserer Sicht brandgefährlich. Das Geschenk, das die Bundeskanzlerin und der Bundesinnenminister diesem Land
zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes machen, ist wirklich fragwürdig.
Vor allem aber muss bedacht werden - Herr Minister,
Sie haben es selbst gesagt -, dass es immer noch
24 Geiseln gibt. Es geht um das Leben dieser Menschen.
Deshalb muss man sich überlegen, ob dies die richtige
Zeit ist und ob diese Grundsatzdebatte eine Hilfe für die
Menschen ist, die sich noch immer in den Fängen der Piraten befinden; denn eine Debatte über eine Grundgesetzänderung verunsichert die GSG 9, das KSK und die
Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Das ist aus unserer
Sicht der tollen Arbeit, die diese Kräfte vor Ort leisten,
nicht angemessen. Wenn wir uns diese Debatte genau
anschauen, kommen wir aber zu dem Schluss, dass Sie
die für eine Grundgesetzänderung erforderlich Mehrheit
niemals bekommen werden. Wir schöpfen Hoffnung,
dass die SPD doch nicht jeden Unsinn mitmacht, der innerhalb der Koalition vorgelegt wird. Die Erfahrungen,
die wir in den letzten Jahren gemacht haben, legen diesen Schluss nicht unbedingt nahe.
Ein Punkt ist noch offen. Wir reden hier über Piraterie. Sie machen sich ein Stück weit darüber lustig, dass
die Fischerei vor Ort, die auch von deutschen Fischereiflotten betrieben wird, ein Problem ist. Das ist aber
ein sehr ernstes Thema. „Atalanta“ ist zwar notwendig,
um Symptome zu bekämpfen; „Atalanta“ reicht aber
nicht aus, um die Ursachen zu bekämpfen. Darum aber
geht es. Wenn wir gegen Piraterie erfolgreich sein wollen, müssen wir auch auf der Landseite etwas tun. Wir
brauchen endlich ein politisches Konzept für die gesamte Region. Seitens der Bundesregierung ist dazu bisher nichts zu hören. Wir haben auch auf der Seeseite
Verpflichtungen, zum Beispiel wenn es um Müllentsorgung geht. Es geht beispielsweise auch darum, dass unsere eigenen Fischfangflotten den Boden für soziale Probleme bereiten, die die Menschen in die Piraterie treiben.
Es gibt auch auf der militärischen Seite Probleme. Es
ist ein Wirrwarr ohnegleichen; es gibt ganz wenig Koordination. Es gibt die Operation „Atalanta“, aber auch
Operationen der NATO und anderer. Herr Minister, Sie
haben gerade davon gesprochen, es gebe drei deutsche
Fregatten im Rahmen der Operation „Atalanta“. Das
stimmt nicht. Wir sind dort auch noch im Rahmen der
Operation Enduring Freedom. Wir können eigentlich nur
hoffen, dass die Flaggenoffiziere jeweils rechtzeitig reagieren. Es gibt auch noch Schiffe aus China, Japan,
dem Iran, Pakistan, Indonesien, Singapur usw. Die Koordination funktioniert überhaupt nicht. Die Bundesregierung sollte auch auf UN-Ebene Druck machen, dass sich
das ändert. Die Arbeit ist nicht nur unkoordiniert, sondern es gibt auch kein Konzept, keinerlei Richtung seitens der Bundesregierung.
Es ist jetzt mehrfach gesagt worden, dass die Bundeswehr die benötigten Hubschrauberträger nicht hat. Wir
haben gar nicht bemängelt, dass die Amerikaner eingeschaltet worden sind. Wir haben auch nichts dagegen,
dass die Amerikaner helfen. Aber vor über einem Jahr
haben die Verteidigungsminister der EU beschlossen,
dass die EU in Notlagen, speziell in Fällen von Geiselnahmen, zusammenarbeitet und dass es Koordination
und Kooperation gibt. Wir wissen, dass die Holländer einen solchen Hubschraubträger haben. Aber bisher ist
auch da nichts passiert. Das Einzige, das wir zum Thema
europäische Kooperation hören, ist ein Lamenti vom Innenminister, der sagt: Was sollen wir machen? Im Rahmen der Operation „Atalanta“ wird ja nicht das Richtige
getan.
Es stellt sich die Frage, ob versucht wurde, diese Kooperation zustande zu bringen. In der Europäischen
Union gibt es genügend Kapazitäten; aber sie werden
nicht ausreichend koordiniert. Wir sind der Meinung,
dass Kooperation und Koordination vorangebracht werden müssen. Dies kann nicht ersetzt werden durch das,
was in den letzten Tagen in einer Zeitung „Operation Enterhaken“ genannt wurde, eine Operation, durch die Sie
versuchen, unter dem Deckmantel der Pirateriebekämpfung das zu erreichen, was Sie immer schon wollten,
nämlich die Möglichkeit eines Einsatzes der Bundeswehr im Inland. Das wird weder dem Problem gerecht
noch der Ernsthaftigkeit der Lage, der Todesgefahr, in
der sich die Geiseln befinden.
({7})
Das Wort hat der Kollege Rainer Arnold von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es
ist sicherlich richtig, dass bei Entführungsfällen alle Optionen bis hin zu einer gewaltsamen Befreiung auf dem
Tisch liegen müssen. Allerdings ist ebenso richtig, dass
Deutschland diese Option in der Vergangenheit nicht
wirklich gezogen hat, weil man gewusst hat, wie gefährlich das ist. Das gilt umso mehr, wenn es darum geht, ein
170 Meter langes Schiff, auf dem sich Piraten eingerichtet haben, zu befreien. Deshalb glaube ich, dass wir aufpassen müssen, Herr Kollege Uhl, nicht mit leichtfertigen starken Sprüchen in der deutschen Öffentlichkeit
„Schiffe versenken“ vom Abgeordnetenschreibtisch aus
zu spielen. Dazu ist die Situation zu ernst. Es geht nicht
darum, ein Zeichen zu setzen. Es geht auch nicht darum,
Staatsräson zu zeigen, wenn es in Entführungsfällen um
Geld geht und Menschenleben in Gefahr sind. Es geht
letztendlich darum, die entführten Menschen gesund und
wohlbehalten nach Hause zu bringen und die Polizisten
und die Soldaten nicht zu gefährden. Das ist das Ziel.
({0})
Hier wird kritisiert, es gebe innerhalb der Bundesregierung Streit. Herr Trittin, meine Beobachtung im
Verteidigungsausschuss ist das nicht. Ich habe allerdings
in der Vergangenheit und auch in diesem Fall immer
wieder beobachtet: Das Ressortprinzip in Deutschland
hat nicht nur Nachteile, sondern bietet auch Chancen,
weil im Krisenstab unterschiedliche Sichtweisen der unterschiedlichen Ressorts auf den Tisch kommen. Ich
sage Ihnen als Verteidigungspolitiker: Mich beruhigt
sehr, dass gerade die führenden Militärs in solchen Situationen besonders nachdenklich, sorgsam und risikoabwägend sind. Ich bin den Soldaten dafür dankbar.
({1})
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Äußerungen des Innenministers. Herr Schäuble,
ich glaube, dass Sie auch heute wieder nur die halbe
Wahrheit berichtet haben. Ich erinnere daran, dass es für
manchen in Ihren Reihen sehr mühsam war, überhaupt
zu akzeptieren, dass die Marine unter einer Bundestagsmandatierung die Piraterie bekämpfen darf.
({2})
Es hat ein paar Wochen gedauert, bis man so weit war.
Inzwischen sind wir auf einem gemeinsamen Stand. Sie
lassen aber Folgendes weg: Es gibt eine Legitimation für
einen möglichen Einsatz. Ich bin der Meinung - viele
Verfassungs- und Völkerrechtler haben das bestätigt -,
dass die schon von uns unterzeichnete internationale
Seerechtsübereinkunft in Verbindung mit Art. 25 unserer
Verfassung unseren Einsatz legitimiert.
({3})
Es ist nicht richtig, was Sie hier sagen. Herr Schäuble,
Sie verwirren - das finde ich ziemlich schlimm - die
Soldaten.
Es gibt noch eine weitere Legitimation. Wir haben in
den letzten Jahren bei Geiselnahmen immer wieder Teile
der Bundeswehr zur Vorbereitung von möglichen Befreiungsaktionen mit ins Ausland geschickt. Haben wir das
ohne Rechtsgrundlage getan? War das, was der Innenminister da getan hat, etwa verfassungswidrig? Nach Ihrer
heutigen Rede wäre das tatsächlich verfassungswidrig.
Schließlich sagen Sie, dass das nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz nicht zulässig ist. Sie haben es aber selber gemacht. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht
dies auch vor. In § 5 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes
wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Bundeswehr zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, wenn Gefahr im Verzug ist, auch mit einer
nachgelagerten Beschlussfassung des Bundestages eingesetzt werden darf. Das ist eindeutig. Dieses Gesetz ist
verfassungskonform.
({4})
Ich finde es ziemlich traurig, dass Sie Irritation bei
den Soldaten schaffen, die wir in einen schwierigen Einsatz schicken. Mein Anliegen ist, dass wir in solch ernsten Situationen in der Koalition die Verantwortung
gemeinsam deutlich machen und nicht unnötige Verfassungsdebatten lostreten. Ansonsten entsteht hier sehr
schnell der Eindruck: In diesen Debatten steht vor unserer Verantwortung gelegentlich parteitaktisches Verhalten. - Dies hilft den Menschen auf den Schiffen nun
wirklich nicht.
Es geht darum, aus den Vorgängen zu den Entführungen die richtigen Folgerungen zu ziehen. Eine ganze
Reihe von Folgerungen wurde schon genannt. Ich habe
noch ein weiteres Anliegen: Ich bitte die Bundesregierung, zumindest mittelfristig darauf zu drängen, dass parallele Mandate wie OEF, Operation „Atalanta“, Operationen der NATO und vieler anderer Nationen unter der
Führung der UNO ausgeübt und dadurch legitimiert werden. Dies würde Sinn machen und Synergieeffekte
schaffen.
({5})
Ein letzter Punkt. Auch wenn die Bundesregierung
hier sehr kollegial und kooperativ zusammengearbeitet
hat, sehen wir: In der operativen Praxis knirscht es gelegentlich zwischen Polizei und Truppe. Dies kann man
ändern,
({6})
wenn der politische Wille da ist. Sie müssen auch zusammen üben, weil wir über Nacht über keine anderen
Fähigkeiten verfügen werden. Es bleibt uns also gar
nichts anderes übrig, als die vorhandenen Kräfte in den
nächsten Jahren sinnvoll zu bündeln. Diese Zusammenarbeit wird allerdings nur dann gut gelingen, wenn die
sensiblen Teile - Elitetruppen haben ein komplexes inneres Gefüge - am Ende nicht das Gefühl haben: Die einen sind die Helden und werden gefeiert, wenn sie aus
dem Flugzeug steigen; die anderen leisten nur die Unterstützung. - Wir brauchen hier wirklich eine gute und
faire Partnerschaft auf Augenhöhe. Damit will ich sagen:
Wir könnten eine ganze Menge tun, um die Situation am
Horn von Afrika zu verbessern. Gesetzesänderungen
helfen uns da nicht weiter, weil sie nicht notwendig sind.
({7})
Das Wort hat der Kollege Bernd Siebert von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Vorwurf der Grünen, es gebe innerhalb dieser Bundesregierung einen Kompetenzstreit im Zusammenhang mit
der Überwachung des internationalen Seeverkehrs vor
der Küste Somalias, hat sich durch diese Debatte in Luft
aufgelöst.
({0})
Von diesen Vorwürfen haben wir in Ihren Reden nichts
mehr gehört, Herr Trittin.
({1})
Ich jedenfalls habe einen solchen Kompetenzstreit zu
keinem Zeitpunkt erkennen können. Vielmehr war es
eine Frage der Vernunft, angesichts der unübersichtlichen Lage für die Geiseln auf einen Einsatz zu verzichten. Das war eine politische Entscheidung unter Federführung des Außenministeriums gemeinsam mit dem
Innenministerium und dem Verteidigungsministerium.
Das ist in den Diskussionsbeiträgen deutlich geworden.
Das Leben der Geiseln - übrigens sind sie immer noch
Geiseln - stand und steht im Vordergrund. Dies sollte
auch bei unseren zukünftigen Diskussionen und Entscheidungen so bleiben.
Die Bundesregierung hat im Dezember 2008, als es
um die Beteiligung an der EU-geführten Operation „Atalanta“ ging, entschieden, der Piraterie auf hoher See Einhalt zu gebieten. Um diesen Auftrag der Vereinten
Nationen und der Europäischen Union zu erfüllen, dürfen alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der
Anwendung militärischer Gewalt ergriffen werden; so
jedenfalls steht es im vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Mandatstext. Dieses Mandat sollte die
Grundlage für Einsätze zur Evakuierung oder Befreiung
von Geiseln sein. Ich plädiere dabei für ein pragmatisches Vorgehen, das heißt, dass in einem Fall wie dem
der „Hansa Stavanger“ alle verfügbaren deutschen
Kräfte, ob militärisch oder polizeilich, an der Operation
beteiligt werden sollten. Wenn man erfolgreich sein will,
muss man das Beste, was man hat, zusammenführen.
An dieser Stelle möchte ich den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die seit Dezember 2008 im Einsatz sind, meine besondere Hochachtung für ihre Leistungen vor Ort aussprechen.
({2})
Ich möchte aber auch den Polizeibeamten der GSG 9
danken für den professionellen Einsatz, den sie in den
letzten Wochen am Horn von Afrika bewiesen haben.
({3})
Eine Änderung des Grundgesetzes, über die derzeit
diskutiert wird, wäre wünschenswert - dazu bekenne ich
mich eindeutig - und würde zu mehr Rechtssicherheit
führen. Sie sollte daher mittelfristig auf der politischen
Tagesordnung bleiben, auch wenn im Moment - hier
sind wir sehr wohl realistisch - keine Mehrheit im Deutschen Bundestag vorhanden zu sein scheint, um eine solche Entscheidung zu treffen.
Was den aktuellen Einsatz angeht, ist es wichtig, unterhalb einer grundgesetzlichen Änderung für klare Verhältnisse zu sorgen.
({4})
Die Erfahrungen, die beim abgebrochenen Einsatz gegen
die Piraten im Fall der „Hansa Stavanger“ gemacht worden sind, müssen im Hinblick auf zukünftige Rechtsauslegungen Berücksichtigung finden. Die Übertragung von
Befreiungsoperationen in die Zuständigkeit der Bundespolizei ist, so glaube ich, eine deutsche Verengung, die
nicht durch das „Atalanta“-Mandat erzwungen wird.
Im Falle von Geiselnahmen steht die Sicherheit der
Bürgerinnen und Bürger zur Disposition. Hier muss die
Politik entscheiden, und sie hat entschieden. Dies sollte
sie natürlich auf rechtlich sicherem Fundament tun. Sie
sollte sich aber nicht selbst zur Geisel juristischer
Grundsatzdiskussionen machen. Dafür hat die Bevölkerung - davon bin ich zutiefst überzeugt; viele Gespräche
machen dies deutlich - zu Recht wenig Verständnis. Sie
hat auch kein Verständnis dafür, dass sich die internationale Gemeinschaft gegenüber einer Gruppe von Piraten
als ohnmächtig erweist.
Die Handlungsfähigkeit des Staates gegenüber Kriminellen und die Sicherstellung des Schutzes unserer
Staatsbürger stehen auf dem Spiel. Ich weiß, dass sowohl die GSG 9 als auch das KSK über Fähigkeiten zur
Geiselbefreiung verfügen. Diese Fähigkeiten könnten
trotz unterschiedlicher Ausrüstung und Taktik sogar Synergieeffekte zur Folge haben, die wir nutzen sollten.
Beide Kommandos arbeiten hochprofessionell und leisten Hervorragendes. Es sollte ein rechtlicher Rahmen
geschaffen werden, der es ermöglicht, diese Professionalität massiert zum Einsatz zu bringen.
Ich bedanke mich herzlich.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Mützenich von
der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident, auch wenn Sie das einem Rheinländer
nicht zutrauen: Ich habe meine Promotion ordentlich abgeschlossen und dafür auch geschwitzt. Es wäre also
schön, wenn das in Zukunft auch beim Aufruf manchmal
berücksichtigt wird. Sie wissen, ich bin da nicht kleinlich; aber das als Hinweis.
Meine Damen und Herren, Herr Bundesinnenminister, ich glaube, es ist vollkommen richtig, dass man in
den letzten Wochen erwogen hat, die Geiseln mithilfe
der GSG 9 bzw. des KSK zu befreien. Es war aber richtig, zum Schluss zu sagen: Das Risiko ist zu groß.
Es geht um die Sicherheit und um den Schutz der Geiseln, es geht auf der anderen Seite aber auch um das angemessene Mittel. Ich kann nicht verstehen - das muss ich
sagen, Herr Bundesinnenminister -, dass die Bundeskanzlerin am Wochenende ohne Not eine Debatte über eine angebliche Lücke innerhalb der Verfassung vom Zaun gebrochen hat. Diese Debatte war bereits am Montag wieder
verpufft, und zwar weil es diese Lücke nicht gibt: Für die
Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika im Rahmen der Mission der Vereinten Nationen ist der rechtliche
Rahmen geschaffen worden, und auch bei der EU-Mission „Atalanta“ gibt es rechtlich genügend Spielraum für
entsprechendes Handeln. Es war falsch, dass die Bundeskanzlerin diese Debatte provoziert hat. Schon am Montag,
als das Schauspiel der unterschiedlichen Ressorts zu beobachten gewesen ist, haben die einen gesagt, dass der
rechtliche Rahmen reicht. So muss der Bundesinnenminister heute feststellen, dass es im Bundestag für das, was
die Bundeskanzlerin angemahnt hat, keine Mehrheit gibt.
Wir hätten uns diese Debatte ersparen müssen, und wir
hätten sie uns bei einer richtigen Bewertung dieses Vorgehens auch ersparen können.
Ich glaube, das Mandat für die Bekämpfung der Piraterie, das wir im Rahmen der EU-Mission „Atalanta“ erteilt haben, ist vorbildhaft. Wir müssen daran erinnern,
dass in den vergangenen Wochen und Monaten mit mehreren Missionen erfolgreich gegen Piraterie vorgegangen
worden ist. Das muss man sowohl gegenüber den Soldaten, die dort im Einsatz sind, als auch gegenüber denjenigen, die diese Mission geplant haben, an dieser Stelle anerkennend feststellen.
Ich kann, weil die Uhr nicht läuft, nicht sehen, wie
viel Redezeit ich noch habe. - Ich hoffe, ich habe zu Beginn keine Verwirrung hineingebracht. Ich meinte das
wirklich nicht böse.
Meine Uhr läuft. Sie haben noch zwei Minuten.
({0})
Nein, nein, nein; es hat lange genug gedauert. Ist doch
nicht so schlimm. Regen Sie sich doch nicht so auf!
Meine Güte!
Lassen Sie mich auf eine Frage zurückkommen, die,
wie ich finde, auch zu dieser Debatte gehört. Ich glaube,
es ist, wie es der Kollege Struck vor einigen Tagen getan
hat, notwendig, zu sagen, dass es sich der ein oder andere deutsche Reeder relativ leicht macht, wenn er die
Schiffe ausflaggt, unter anderer Flagge fährt, aber die
Bundesregierung bemühen will, Schutz herzustellen,
und sich in den öffentlichen Debatten beschwert, dass
die Bundeswehr bzw. die Bundesregierung nicht genug
macht.
Ich frage mich auch: Was machen Kreuzfahrtschiffe
heute noch in dieser Region, die doch so stark gefährdet
ist? Ich finde, es gehört zu einer ernsthaften Debatte,
sich zu fragen, ob sich das Risiko, das der ein oder andere eingeht, rechtfertigen lässt.
Zum Schluss. Ich glaube, es ist richtig, dass die Bundesregierung die Mission „Atalanta“ außenpolitisch so
eingeordnet hat, dass sie gesagt hat: Wir müssen den
Wiederaufbau am Horn von Afrika mit politischen und
finanziellen Maßnahmen unterstützen, insbesondere
aber durch die Einrichtung eines regionalen Sicherheitssystems, das nicht allein von Somalia aus gewährleistet
werden kann, sondern in das die anderen Anrainerstaaten ebenso einbezogen werden müssen. Es ist richtig,
dass die afrikanischen Staaten versuchen, sich der Herausforderung der Bekämpfung der Piraterie zu stellen.
Sinnvoll ist auch, dass sich der russische Präsident
Medwedew - Russland ist Mitglied des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen - dafür ausgesprochen hat, zu
überlegen, zur Bekämpfung der Piraterie einen Internationalen Strafgerichtshof einzurichten. Ich glaube, die
Bundesregierung täte gut daran, dieses Projekt zu unterstützen.
Vielen Dank.
({0})
Ich möchte die weiteren Redner darauf hinweisen,
dass die Uhr am Rednerpult ausgefallen ist.
({0})
Ich mache aber die Redner durch Blinkzeichen darauf
aufmerksam, dass ihre Redezeit abgelaufen ist.
({1})
Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Eduard Lintner
von der CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Diese Veranstaltung trägt zwar den
Namen „Aktuelle Stunde“, unsere Überlegungen aber
müssen in der Tat über den Tag hinausgehen. Dazu gehört zunächst einmal die Feststellung, dass der Einsatz
von Marine und Seestreitkräften anderer Staaten oder
auch unserer Bundespolizei durchaus Erfolge aufzuweisen hat. Trotzdem müssen wir uns im Klaren darüber
sein, dass wir von einer endgültigen Beseitigung des
Phänomens natürlich noch weit entfernt sind.
So begierig die internationale Öffentlichkeit Einzelerfolge bei Einsätzen zur Kenntnis nimmt, so problematisch ist natürlich der Misserfolg. Dennoch möchte ich
- wie viele Kollegen auch - feststellen: Die Entscheidung musste so fallen, wie sie gefallen ist. Das sollte
man eindeutig klarstellen. Wir müssen uns wirksame Alternativen zum ständigen Zahlen von Lösegeld schaffen;
auch das ist bereits festgestellt worden. Daraus folgt für
uns natürlich die wichtige Pflicht, sorgfältig zu analysieren, welche die tatsächlichen Ursachen für das Scheitern
der Pläne zur Befreiung des deutschen Frachters waren,
um daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen zu
können. Diese Konsequenzen können natürlich nicht
heißen, sich zurückzuziehen und den Piraten das Feld zu
überlassen, wie es von den Linken empfohlen wurde.
Es ist in diesem Zusammenhang durchaus bemerkenswert, dass plötzlich alle der Meinung zu sein scheinen, die Beauftragung durch die UNO für den Einsatz
der Bundesmarine zur Geiselbefreiung sei ausreichend.
Wenn Sie sich ehrlich erinnern, stellen Sie fest, dass dies
in der Vergangenheit keineswegs immer so gewesen ist.
Heute noch wird von Fachleuten - auch das sollten wir
ehrlich zugeben - die Meinung vertreten, die Bundeswehr bzw. die Bundespolizei bewegen sich bei bestimmten, durchaus möglichen Fallgestaltungen auf rechtlich
unsicherem Terrain. Das hat nichts mit Verniedlichung,
Verunsicherung oder gar Polizeipolitik zu tun, wie behauptet wurde. Ich denke, der Bundesinnenminister hat
das gegebene Problem sehr präzise und zutreffend dargelegt. Da die rechtlich präzise Regelung für die nationale und internationale Realität im Interesse der aktiv
beteiligten Soldaten und Polizeibeamten unverzichtbar
ist, sollte eine Diskussion über angebliche oder tatsächlich vorhandene rechtliche Lücken sachlich möglich gemacht werden.
Die Diskussion der vergangenen Tage um eine notwendige Grundgesetzänderung habe ich als Mahnung
verstanden, rechtliche Unsicherheiten alsbald zu beseitigen. Ich fürchte nämlich, die jetzt gezeigte Einmütigkeit
darüber, dass im Zusammenhang mit dem Einsatz gegen
die Piraten alles rechtlich unproblematisch und voll gedeckt sei, könnte schnell zerbrechen, wenn eine Aktion
einmal misslingt und womöglich sogar Opfer zu beklagen sind. Wir alle wissen, in Wahlkampfzeiten ist die
Versuchung besonders groß, es im Nachhinein schon immer besser gewusst zu haben.
Einer solchen Situation dürfen wir die Entscheidungsträger nicht aussetzen, weder in der Politik noch bei der
Bundeswehr oder der Bundespolizei. Das käme einer Art
Verweigerung von Verantwortung gegenüber Handelnden gleich. Deshalb sollten wir in Ruhe - gegebenenfalls
in der nächsten Legislaturperiode - darüber nachdenken,
wie wir einen sicheren juristischen Boden für solche und
ähnliche Einsätze schaffen können.
Neben rechtlichen Mängeln wurden durch die gescheiterte Mission aber auch - darauf ist ebenfalls schon
hingewiesen worden - Unzulänglichkeiten bei der Ausstattung unserer Sicherheitsorgane aufgedeckt. Wir sind
uns hoffentlich darin einig: Nur wenn wir für unsere Einsatzkräfte eine gute und vollständige Ausstattung bereitstellen - Stichworte sind hier Transportflugzeuge und
Hubschrauberträger -, sind die Soldaten und Polizeibeamten auch in der Lage, solche Situationen angemessen
zu meistern.
Ich finde, darüber müssen sich die Bundesregierung
und auch der Bundestag schnell Gedanken machen.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dieter Wiefelspütz von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Klipp und klar am Anfang: Es wird mit der SPD
weder in dieser Legislaturperiode noch in irgendeiner
der zukünftigen Legislaturperioden eine
({0})
Verfassungsänderung in Sachen Piraterie geben.
({1})
Es wird keine Verfassungsänderung geben, weil wir sie
nicht benötigen. Solange der Deutsche Bundestag Verstand hat, wird es keine Verfassungsänderung in Sachen
Piraterie geben. Herr Bundesminister Schäuble, Sie werden uns nicht einreden können, dass wir an dieser Stelle
nicht optimal aufgestellt sind.
Wir haben in Deutschland keine verfassungsrechtlichen Probleme und auch keine völkerrechtlichen Probleme, wenn es um Piraterie geht. Wir haben möglicherweise tatsächliche Probleme mit den operativen
Fähigkeiten an der einen oder anderen Stelle. Ich will
das gar nicht einmal kritisieren, weil die Bundeswehr
heute Aufgaben hat, die sie vor einigen Jahren noch
nicht hatte, und weil möglicherweise auch erst Kräfte
ausgebildet und herangeführt werden müssen, um das zu
tun, was man von ihr erwartet. Verfassungs- und völkerrechtliche Probleme haben wir an dieser Stelle aber nicht
im Geringsten.
Ich bin zunächst einmal froh, Herr Minister, dass es
Übereinstimmung darin gibt, dass der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Operation „Atalanta“ voll und
ganz durch das Völkerrecht und das Grundgesetz gedeckt ist. Es würde mich allerdings auch sehr befremden,
wenn der Verfassungsminister der Auffassung wäre, dass
wir etwas Verfassungswidriges vor den Küsten von Somalia tun. Insoweit haben Sie also unsere volle Zustimmung. Wir haben an dieser Stelle kein Problem.
({2})
Ich will auch ausdrücklich hervorheben, Herr Minister, dass es meinen ausdrücklichen Respekt hat - ich
glaube, auch den Respekt meiner Fraktion -, dass die
Operation der GSG 9 abgebrochen worden ist, weil es
immer klüger ist, eine solche Entscheidung zu treffen,
wenn das nicht zu verantworten ist, als wenn man vor
Ort so etwas durchzieht, was dann in einem Blutbad endet. Insoweit ist die Entscheidung, die Sie getroffen haben, die richtige Entscheidung gewesen, die wir sehr respektieren.
({3})
Ich will darauf hinweisen, dass Ihre Position, wir
hätten ein Problem, wenn im Rahmen der Operation
„Atalanta“ keine Geiselbefreiung durchgeführt werden
würde, weswegen es zu einer Verfassungsänderung
kommen müsse, nicht mit der Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen ist. Ich will auch darauf hinweisen,
dass die Piraterie seit Jahrhunderten mit Militärschiffen
auf hoher See bekämpft wird. Das ist Völkergewohnheitsrecht.
Seit 1982 gibt es ein Seerechtsübereinkommen zur
Bekämpfung der Piraterie, das allgemeines Völkerrecht
ist. Dies ist über Art. 25 des Grundgesetzes und über
Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes Gegenstand des Bundesrechts, weil der Deutsche Bundestag dieses Übereinkommen ratifiziert hat.
Die Bundeswehr ist in erster Linie beauftragt, ihre
Einsätze im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit vorzunehmen. Das ist im Moment die Operation
„Atalanta“. Wir sind nach allgemeinem Völkerrecht aber
selbstverständlich auch befugt, die Bundeswehr auch außerhalb von Systemen kollektiver Sicherheit einzusetzen.
({4})
Was haben wir denn gemacht, Herr Minister, als wir
die „Aktion Libelle“ in Albanien hier im Jahre 1997
durch den Bundestag genehmigt haben? Das war ein militärischer Einsatz der Bundeswehr zur Rettung deutscher Staatsbürger. Wir haben bei der Piraterie weder
völkerrechtlich noch staatsrechtlich das geringste Problem. Alles andere hinsichtlich der tatsächlichen Fähigkeiten der Bundeswehr und auch der GSG 9 sollten wir
an anderer Stelle debattieren und vorantreiben.
Ich persönlich bin durchaus aufgeschlossen, wenn es
darum geht, dass auch KSK-Kräfte dort sind und ausgebildet werden. Aber dies ist kein Problem unserer Verfassung, und es ist auch kein völkerrechtliches Problem.
({5})
Diese Debatte über die Ergänzung des Grundgesetzes
zur Bekämpfung der Piraterie ist komplett überflüssig.
Schönen Dank.
({6})
Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der
Kollege Clemens Binninger von der CDU/CSU-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Das Anliegen der Grünen ist etwas widersprüchlich und wenig überzeugend. Wer glaubt, aus der
Distanz vom Deutschen Bundestag in Berlin aus einen
so schwierigen und komplexen Einsatz bewerten zu wollen und dabei mit Worten um sich wirft wie mein Vorredner Trittin, der von einer blamablen Operation gesprochen hat, mit der man in der ersten Liga mitspielen
wollte und versagt habe, ist wenig überzeugend; das ist
verantwortungslos.
({0})
Es ist auch bezeichnend, dass beide Redner der Grünen die einzigen Redner waren - Herrn Paech lasse ich
dabei aus -, die kein einziges anerkennendes oder lobendes Wort für die GSG 9 und ihre Beamten gefunden haben. Das ist ungeheuerlich.
({1})
Die Entscheidung des Bundesinnenministers ist von
hohem Verantwortungsbewusstsein geprägt. Bei einem
solchen Einsatz, bei dem sich die Lage nahezu täglich
ändern kann, sind die Einschätzung der Lage und die Risikoabwägung, um zu einer Entscheidung für oder gegen
den Einsatz zu kommen, schwierig. Wenn der Einsatz
für zu riskant gehalten wird, dann ist es richtig, so viel
Verantwortung zu zeigen, sich gegen den Einsatz zu entscheiden, und zwar nicht aus rechtlichen, sondern aus
tatsächlichen Gründen.
({2})
Diese mutige und richtige Entscheidung verdient die
Hochachtung unseres Hauses.
({3})
Das Phänomen der organisierten Piraterie zeigt, dass
wir es mit einer typischen Bedrohungssituation des
21. Jahrhunderts zu tun haben, in der äußere und innere
Sicherheit ineinander übergehen und militärische und
polizeiliche Arbeit näher zusammenrücken. Ob Sie das
hören wollen oder nicht, es resultiert aus einer asymmetrischen Bedrohung. Wir wären schlecht beraten, wenn
wir diese Phänomene nicht in unsere Beurteilung einfließen lassen würden. Wir müssen uns fragen, welches die
richtige Stelle ist, um das Phänomen der organisierten
Piraterie zu bekämpfen, und den Mut haben, zu erkennen, dass es durchaus beide sein können: die Polizei,
wenn sie das besonders gut kann, aber auch die Bundeswehr, wenn ihre Unterstützung notwendig ist. Zudem
bedarf es der Zusammenarbeit nationaler und internationaler Stellen.
({4})
Wir sollten nicht so tun - bei der SPD klang das ein
bisschen an -, als ob wir das einfach auseinanderhalten
könnten und als ginge es um völlig problemlose Einsätze. Das sind sie eben nicht, und das müssen wir,
glaube ich, auch berücksichtigen.
Aus dem Einsatz müssen wir ein paar Schlussfolgerungen ziehen. Die Bevölkerung fragt sich zu Recht, warum viele Nationen mit einem großen Militärapparat es
nicht schaffen, das Phänomen in den Griff zu bekommen. Deswegen müssen wir uns fragen, ob wir neben der
militärischen Komponente vor Ort mehr gegen die Hintermänner dieser Form des organisierten Verbrechens
tun müssen. Wenn es stimmt, worüber in den Medien berichtet wurde, nämlich dass die Piraten mit Informationen über Schiffsrouten bestimmter Reedereien versehen
werden, um dann gezielt zuschlagen zu können, dann
sollten wir, glaube ich, auch nachrichtendienstlich zusammenarbeiten, um den Hintermännern dieser Verbrechensform das Handwerk zu legen, statt nur mit militärischer Präsenz vor Ort dagegen vorzugehen.
({5})
Wenn klar ist, dass wir für solche Einsätze Polizei und/
oder Militär bzw. nur Militär brauchen, dann ist eine
weitere Schlussfolgerung, dass die Stelle, die einen Einsatz durchführen muss, über die notwendige Ausrüstung
verfügen muss.
Es wurde viel über rechtliche Fragen debattiert. Das
gehört zwar nicht zum Thema der Aktuellen Stunde,
aber es wurde förmlich herbeigeredet. Das Innenministerium und das Außenministerium haben deutlich gemacht, dass der konkrete Einsatz nicht aufgrund rechtlicher, sondern tatsächlicher Probleme nicht fortgeführt
werden konnte. Darin sind wir uns einig. Aber Sie sollten genau zuhören, wenn der Innenminister sagt: Gibt es
Einsatzszenarien, bei denen es möglicherweise eine verfassungsrechtliche Lücke gibt? Dann wären wir gut beraten, über diese Lücken zu diskutieren. Das von Ihnen,
Herr Kollege Wiefelspütz, zitierte Völkerrechtsabkommen - in Verbindung mit Art. 25 des Grundgesetzes - regelt zwar die Bekämpfung der Piraterie und gibt auch
den Auftrag. Aber es regelt nicht, wer innerhalb eines
Landes zuständig sein soll. Es besagt eben nicht, ob die
Bundeswehr das machen soll. An dieser Stelle wäre eine
Klarstellung in der Verfassung durchaus hilfreich. Ansonsten könnte es sein, dass irgendwann die Kräfte, die
eingesetzt werden müssen, ganz alleine stehen. Das dürfen wir nicht zulassen.
Herzlichen Dank.
({6})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Kauder, Renate Schmidt ({0}),
Johannes Singhammer und weiteren Abgeordneten
eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
- Drucksache 16/11106 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt,
Andrea Nahles und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten
- Drucksache 16/11347 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach
und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes
- Drucksache 16/11330 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk,
Elke Ferner und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
- Drucksache 16/12664 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({1})
- Drucksache 16/12970 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Singhammer
Caren Marks
Jörn Wunderlich
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend ({2})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten
Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordneter
Späte Schwangerschaftsabbrüche - Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken
- zu dem Antrag der Abgeordneten Christel
Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke
Ferner und weiterer Abgeordneter
Wirkungsvolle Hilfen in Konfliktsituationen
während der Schwangerschaft ausbauen Volle Teilhabe für Menschen mit Behinderung sicherstellen
- Drucksachen 16/11377, 16/11342, 16/12970 Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Singhammer
Caren Marks
Jörn Wunderlich
Im Anschluss an die Aussprache werden wir mehrere
namentliche Abstimmungen durchführen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Diese
Zeit soll nach dem Stärkeverhältnis der Unterzeichner
der Vorlagen verteilt werden.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Ilse Falk.
({3})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Stellen Sie sich zu Beginn dieser nicht einfachen Debatte
vor: Sie als werdende Mutter oder als werdender Vater
sind voller Vorfreude, weil aus Ihrer Partnerschaft eine
Familie werden wird, oder Sie freuen sich als Eltern auf
ein weiteres Kind. Sie erwarten ein Wunschkind. Die
Mutter nimmt regelmäßig - möglicherweise gemeinsam
mit dem Vater des Kindes - die Schwangerschaftsvorsorge wahr. Dann, eines Tages - die Schwangerschaft ist
schon über die zwölfte oder sogar die zweiundzwanzigste
Woche hinaus, oder das Kind wäre bereits außerhalb des
Mutterleibes lebensfähig -, werden Sie mit einem Untersuchungsergebnis konfrontiert, das signalisiert, dass irgendetwas mit dem Kind nicht in Ordnung ist. Plötzlich
bricht eine Welt für Sie zusammen. Es wird dunkel oder
nebelig im Kopf, und jedes logische Denken setzt aus. So beschreiben sich Frauen, die eine solche Schocksituation erlebt haben. Sie reagieren mehr oder weniger mechanisch, um das vage „nicht in Ordnung“ abzuklären.
Viel zu häufig setzt nach der Diagnose einer eventuellen
Behinderung des ungeborenen Kindes ein Automatismus
ein, der schnell dazu führt, dass Frauen zu einem
Schwangerschaftsabbruch gedrängt werden. Sie entscheiden sich übereilt für einen Spätabbruch und merken
erst zu spät, dass diese Entscheidung nicht trägt.
Drei Dinge sind deshalb unabdingbar, damit Mutter
und Vater eine gutbedachte Entscheidung für sich und
ihr Kind treffen können. Erstens braucht die Mutter die
Nähe und Begleitung eines vertrauten Menschen. Zweitens braucht sie das Angebot verständnisvoller fachlicher Beratung. Drittens braucht sie Zeit. Den ersten
Punkt kann Politik nicht regeln. Aber die beiden anderen
Voraussetzungen können wir sehr wohl in das Schwangerschaftskonfliktgesetz aufnehmen. Ich bin froh, dass
wir heute nach einer langen Zeit schwieriger und manchmal heftig geführter Diskussionen die Chance haben, zu
einem guten Abschluss zu kommen. Alle, die sich am
Diskussionsprozess beteiligt haben, haben das gemeinsame Ziel verfolgt, Frauen und ihren Partnern wirkungsvoller als bisher Beratung und Hilfe in einem kaum lösbaren Konflikt anzubieten.
Schon bei der ersten Lesung zeigte sich, dass die drei
Gesetzentwürfe - Kauder/Schmidt/Singhammer, Griese/
Göring-Eckardt/Nahles und Lenke/Laurischk/Flach - eng
beieinanderliegende Vorstellungen über die Mittel zur
Erreichung des gemeinsamen Ziels beinhalten. Ich bin
dankbar und erleichtert, dass es gelungen ist, diese drei
Entwürfe zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf zusammenzuführen. Dabei waren alle Beteiligten bereit, einen
Teil ihrer Vorstellungen aufzugeben und Kompromisse
zu schließen.
Wesentlicher Schwerpunkt in dem gruppenübergreifenden Gesetzentwurf, für den ich hier spreche, ist die
Umsetzung der Forderung nach guter Beratung. Wir
greifen sie auf, indem wir einen gewissen Druck auf
Ärzte und Ärztinnen ausüben und festschreiben, noch
stärker auf die Schwangere in großer Bedrängnis zuzugehen, sich in ihre Situation einzufühlen und ihr die
Hand zu reichen, um mit ihr und ihrem Partner gemeinsam herauszufinden, ob und wie auch mit einem kranken
oder behinderten Kind ein glückliches Leben gelingen
kann. Viele machen das bereits mit großer Sorgfalt, aber
wir hören auch immer wieder von dramatischen anderen
Erfahrungen, und dem wollen wir begegnen: Schriftliche
Informationsmaterialien, medizinisch-fachliche Beratung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von mit der
Schädigung erfahrenen Kollegen, und der Hinweis auf
bzw. die Vermittlung in psychosoziale Beratung sind als
Pflicht für den Arzt bzw. die Ärztin festgeschrieben,
werden aber ganz klar von der freien Entscheidung der
Schwangeren abhängig gemacht, dieses Angebot in Anspruch nehmen zu wollen. Uns hier Zwangsberatung zu
unterstellen, ist einfach unredlich.
({0})
Das zweite wesentliche Element unseres Gesetzentwurfs ist die Antwort auf die Forderung nach mehr Zeit
für den Klärungsprozess. Hier fehlt mir schlicht und ergreifend das Verständnis für die heftigen Angriffe auf
unseren Vorschlag. Selbst wenn die Diagnose eine Befürchtung bestätigt und sich eine bereits gemachte Erfahrung wiederholt, braucht man doch Zeit, um die Realität
zu erfassen. Deshalb noch einmal klar und deutlich: Wir
wollen, dass eine mindestens dreitägige Bedenkzeit nach
der Diagnose und vor der schriftlichen Feststellung der
Indikation eingehalten wird - nicht kürzer, aber bei Bedarf so lange wie gewünscht. Eine Ausnahme besteht
dann, wenn eine akute Gefahr für das Leben der
Schwangeren besteht. Geben wir doch den werdenden
Eltern das Signal, in Ruhe über ihre Situation nachdenken zu können, um dann gut informiert und gut bedacht
eine Entscheidung zu treffen, die ein ganzes Leben trägt.
Wegen der Kürze der Redezeit habe ich mich auf zwei
der für uns wichtigen Aspekte beschränkt. Die Kolleginnen und Kollegen, die nach mir sprechen, werden weitere wichtige Punkte benennen. Ich bitte Sie deshalb, alle
Argumente gut abzuwägen, zu versuchen, sich in die Situation der werdenden Eltern zu versetzen, die vor einer
Entscheidung stehen, in der es um Leben und Tod geht,
und am Ende eine gute Entscheidung zu treffen, indem
Sie dem gruppenübergreifenden Gesetzentwurf Ihre
Stimme geben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Christel Humme.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!
Wir beenden heute eine lange und intensive Debatte. Ich
danke ausnahmslos allen, die sich konstruktiv beteiligt
haben, eine Lösung für Frauen in Konfliktsituationen
während einer Schwangerschaft zu finden. Ich danke allen Kollegen und Kolleginnen, den Ärzten, den Ärztinnen, den Verbänden, und ich danke den Juristen und Juristinnen und den Praktikerinnen und Praktikern in den
Beratungsstellen für ihre inhaltliche Zuarbeit; denn erst
dadurch ist es möglich geworden, heute einen zweiten
Gesetzentwurf vorzulegen, über den es zu entscheiden gilt.
Jeder einzelne Abgeordnete hat heute die Chance, eine
klare Entscheidung über zwei Gesetzentwürfe zu treffen über einen Gesetzentwurf, der in der Öffentlichkeit
„Singhammer/Griese/und-andere-Vorschlag“, und einen
anderen Gesetzentwurf, der in der Öffentlichkeit „Humme/
Schewe-Gerigk/und-andere-Vorschlag“ genannt wird.
Worüber entscheiden wir heute? Was ist der entscheidende Unterschied zwischen den Gesetzentwürfen, die
heute zur Abstimmung stehen? Ich konzentriere mich
auf drei wesentliche Unterschiede. Die drei zentralen
Unterschiede betreffen erstens die Beratung, zweitens
die Bedenkzeit und drittens die Regelung der Ordnungswidrigkeiten.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir möchten mit
der Regelung zur Beratung in unserem Gesetz die
Frauen unterstützen, indem wir die Beratung sehr früh
ansetzen, nämlich schon vor den vorgeburtlichen Untersuchungen. Dies geschieht auf zweierlei Weise.
Erstens. Wir möchten die Frauen im Zusammenhang
mit dem Mutterpass über ihren heute schon bestehenden
Rechtsanspruch nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz informieren, denn häufig wissen Frauen gar nicht,
dass sie diesen Rechtsanspruch haben. Damit erfüllen
wir eine langjährige Forderung nach stärkerer Vernetzung zwischen Arztpraxen und Beratungsstellen.
Zweitens verpflichten wir die Ärzte, eine bessere Beratung über Chancen und Risiken von vorgeburtlichen
Untersuchungen durchzuführen. Dies scheint uns sehr
wichtig zu sein. Eine Frau soll sich gut informiert entscheiden können, welche vorgeburtlichen Untersuchungen sie machen lassen möchte und ob sie gar auf eine
weitergehende derartige Untersuchung verzichtet.
({0})
Denn wenn es uns wichtig ist, behindertes Leben zu
schützen - das schwingt ja immer mit -, dann ist das
Recht auf Nichtwissen eine wichtige Voraussetzung dafür. Unser Gesetz sieht hierfür bessere Informationen
und Beratungen zu Beginn der Schwangerschaft und vor
den vorgeburtlichen Untersuchungen vor; dies fehlt in
dem Gesetzentwurf Singhammer/Griese völlig.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wir verbessern
natürlich die Beratungssituation auch dann - genau so,
Frau Falk, wie Sie es gerade gesagt haben -, wenn ein
Befund beim ungeborenen Kind und bei der Schwangeren vorliegt; beides muss man zusammen sehen. Wir
verpflichten auch in diesem Fall den Arzt, die Schwangere nochmals darauf hinzuweisen, dass sie sich in einer
schwierigen Situation Hilfe und Unterstützung in einer
unabhängigen Beratungsstelle holen kann. Dabei ist für
uns ebenso wie für Sie zentral: In allen Fällen der Beratung setzen wir auf Freiwilligkeit, denn wir wissen, dass
nur eine freiwillige Beratung tatsächlich angenommen
wird.
Ich komme nun zu dem Punkt, der in der Öffentlichkeit die größte Aufmerksamkeit gefunden hat, nämlich
zur Ausgestaltung der Bedenkzeit. Wir legen gesetzlich
fest, dass der Arzt zwischen dem Befund und der Feststellung der medizinischen Indikation eine ausreichende
Bedenkzeit - in der Regel mindestens drei Tage - sicherstellt. Damit machen wir die drei Tage zur Regel; allerdings lassen wir Ausnahmen zu. Warum? Wir sind davon überzeugt, dass der Gesetzgeber eine Öffnung für
Härtefälle vornehmen muss. Alles andere würde die
Notsituation der in Konflikt geratenen Frauen unnötig
verschärfen.
({1})
Was kann eine solche Notlage sein? Sie kann eintreten, wenn, wie in der Anhörung vorgetragen, zum Beispiel eine zweite Schwangerschaft mit dem gleichen
Gendefekt des Ungeborenen auftritt wie bei der ersten
und erneut eine Schwangerschaft abgebrochen werden
muss. Die davon betroffene Frau beschäftigt sich seit
Monaten, vielleicht seit Jahren mit der Frage, was passiert, wenn dieser traurige Fall ein zweites Mal eintritt.
Braucht diese Frau zwingend, gesetzlich vorgeschrieben,
zusätzlich drei Tage oder mehr Bedenkzeit? Was ist in
einem anderen Fall, wenn das Kind ohne Hirn, ohne
Lunge definitiv nicht überlebensfähig ist, aber keine aktuelle Lebensgefahr der Mutter besteht? Muss ich ihr
zwingend gesetzlich drei oder mehr Tage Bedenkzeit
aufbürden?
Wir meinen, das ist grausam. Wir müssen für unterschiedliche, schwere individuelle Schicksale eine entsprechend flexible gesetzliche Regelung vorsehen. Wir
sind überzeugt: Zusätzlicher Druck hilft Frauen und Paaren in dieser Notlage überhaupt nicht.
({2})
Zum dritten Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir
regeln in unserem Gesetz keine Androhung von Bußgeld. In allen Anhörungen seit 2005 haben wir deutlich
gehört, dass sich die Ärzte in der Mehrheit verantwortungsvoll verhalten. Dürfen wir alle Ärzte unter Generalverdacht stellen? Wir meinen: Nein. Dürfen wir mit der
Androhung eines Bußgeldes das Vertrauen zwischen
Arzt und Patientin unterhöhlen? Auch darauf antworten
wir mit Nein. Ich halte ein Bußgeld für überflüssig, denn
Ärzte, die ihre Pflicht verletzen, sind heute schon nach
einem sehr scharfen Gesetz, dem Strafgesetzbuch, mit
einer Freiheitsstrafe oder mit einem Bußgeld bedroht.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich bedanke mich
bei all denen von Ihnen, die uns für unseren Gesetzentwurf ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Ich werbe um
Unterstützung für unseren Weg bei all denjenigen von
Ihnen, die das bislang noch nicht gemacht haben.
Wir haben heute zu entscheiden, welche Art von Regelungen wir für emotionale Grenzsituationen in einer
Vielzahl trauriger Einzelschicksale treffen wollen. Dabei
müssen wir heute die Frage beantworten: Dürfen wir
Ärztinnen und Ärzten sowie den betroffenen Frauen in
diesen Grenzsituationen rigide und starre Regeln vorschreiben? Können wir als Gesetzgeber allen traurigen
Einzelschicksalen gerecht werden, wenn wir das gleiche
Schema von Regelungen für alle Fälle vorschreiben?
Unsere Antwort lautet: Nein. Der Gesetzgeber muss
Raum lassen für das Ermessen von Ärztinnen und Ärzten. Er muss vor allem Raum lassen für einen menschlichen Umgang mit Einzelfällen.
({3})
Das ermöglicht unser Gesetzentwurf. Deshalb bitte ich
um Ihre Stimme.
({4})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten
Tackmann.
({0})
Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sagen wir doch ehrlich und offen, worum es
heute wirklich geht: De facto soll mit beiden Gesetzentwürfen der Kompromiss zum Schwangerschaftsabbruchsrecht von 1995 aufgekündigt werden, und zwar
auf Kosten der betroffenen Frauen und der Fachärzteschaft.
({0})
Statt die 1995er-Regelung mit uns gemeinsam gegen
die Verschärfung durch die Kollegen Singhammer und
Co zu verteidigen, haben Kolleginnen der SPD, der Grünen und der FDP unter hohem Druck der eigenen Fraktionen
({1})
leider einen ebenso inakzeptablen Gesetzentwurf vorgelegt.
({2})
Dabei war die Anhörung im Ausschuss eindeutig: Es
gibt keinen Grund für eine Gesetzesänderung. Das sagten vor allem die, die es wirklich wissen müssen, nämlich die Vertreter der Beratungsorganisationen.
Angeblich soll mit den Gesetzentwürfen der Beratungsanspruch bei Schwangerschaftskonflikten sichergestellt werden. Nur: Dieses Recht auf Beratung gibt es
bereits seit 1995. Wenn dringender Handlungsbedarf besteht, dann an ganz anderer Stelle: Die Länder haben
zwar die Pflicht, die Beratungseinrichtungen zu finanzieren und dafür zu sorgen, dass es eine wohnortnahe
Beratung gibt. In der Realität sind die dafür erforderlichen Angebote derzeit jedoch weder kostenfrei noch flächendeckend erreichbar. Das Rote Kreuz hat in Brandenburg gerade Alarm geschlagen: Weil die Finanzierung
seit 2007 nur noch zu 80 Prozent aus Landesmitteln erfolgt, stehen Beratungsstrukturen vor dem Aus. Angesichts dieser Situation soll heute eine Beratungspflicht
mit Androhung einer Strafe gegen die Ärzteschaft beschlossen werden. Ich nenne das scheinheilig.
({3})
Scheinheilig ist auch, dass die Diskussion über Beratungs- und Unterstützungsangebote genau dann endet,
wenn es eine Entscheidung für die Schwangerschaft gegeben hat. Die Familien brauchen aber auch eine Unterstützung für das Leben nach dieser Entscheidung. Aber
gerade da fehlt es an Angeboten, gar nicht zu reden von
integrativer Kinderbetreuung oder schulischer Bildung.
Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe lehnt die
Linke ab, weil sie § 218 a StGB deutlich verschärfen.
({4})
Für Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischen Gründen soll eine faktische Pflichtberatung neu eingeführt
werden. Die aber hat der Gesetzgeber 1995 ausdrücklich
nicht vorgesehen.
Offensichtlich unterscheidet sich das Frauenbild der
Linken von dem anderer Fraktionen. Wir sind davon
überzeugt, dass Frauen auch in schwierigen Konfliktsituationen nicht vor sich selbst geschützt werden müssen. Sie brauchen stattdessen Unterstützung durch eine
vertrauensvolle, ergebnisoffene und kostenlose Beratung.
({5})
Durch die Gesetzentwürfe sollen Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft dagegen mehr oder weniger erzwungen werden. Daran ändert auch nichts, dass die
Dokumentationspflicht für Ärztinnen und Ärzte im
Singhammer-Entwurf jetzt nur noch in der Begründung
steht. Die erzwungene dreitägige Bedenkzeit - ich betone, für Ärztinnen und Ärzte, nicht für die betroffenen
Frauen - zwischen Diagnose und Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen für einen Abbruch, sendet
ein bedrohliches Signal an die Ärzteschaft: Wer Abbrüche vornimmt, entscheidet unter hohem Risiko. Unter
diesem Druck verringert sich die Bereitschaft, Abbrüche
überhaupt vorzunehmen. Das ist wohl das eigentliche
Ziel der Gesetzentwürfe.
({6})
Nur: Das spitzt die ohnehin schwierige Situation der betroffenen Frauen und ihrer Familien weiter zu. Die Folge
wird ein Ausweichen in Länder mit liberaleren Regelungen sein.
Wir bleiben dabei: Es wird zu jedem Zeitpunkt eine
Entscheidung der Frau sein und auch sein müssen, eine
Schwangerschaft auszutragen oder nicht.
({7})
Der Gesetzgeber muss sichere und legale Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört für uns erstens die Durchsetzung des Rechtsanspruchs jeder Schwangeren auf medizinische und psychosoziale Beratung. Diese muss
umfassend, vertrauensvoll und ergebnisoffen sein; das
gilt für jede Phase der Schwangerschaft. Zweitens brauchen wir die Sensibilisierung und Qualifizierung von
Ärztinnen und Ärzten sowie dem Klinikpersonal für
Schwangerschaftskonfliktlagen, insbesondere vor und
nach der Diagnosestellung. Darüber hinaus müssen wir
in Zusammenarbeit mit den Ländern die Rahmenbedingungen für Kinder mit Handicap und ihre Eltern deutlich
verbessern.
({8})
Die Linke, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wäre
sehr dafür, wenn wir gemeinsam wirklich etwas für
Schwangere in Konfliktsituationen tun würden. Nur: Die
Verschärfung des § 218 a ist der falsche Weg.
({9})
Hören Sie auf, Schwangere und Ärzteschaft unter
Generalverdacht zu stellen!
Der Gruppenantrag aus den Reihen der Linken geht
sehr ausführlich und verantwortungsvoll auf die vielschichtigen Probleme rund um Schwangerschaftskonfliktsituationen ein. Deshalb kann man ihm eigentlich nur
zustimmen.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat die Kollegin Kerstin Griese.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
wollen und wir sollten uns in dieser Debatte darauf konzentrieren, wie wir Frauen in einer schwierigen Konfliktsituation am besten helfen können, und nicht neue
Ängste schüren oder Dinge unterstellen, die nicht stimmen.
({0})
Im Mittelpunkt unserer Bemühungen - dafür bedanke
ich mich sehr herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir in den letzten Wochen und Monaten
viele sehr intensive Gespräche geführt haben - steht, wie
wir Frauen helfen können.
Ich möchte die Situation, um die es hier geht, noch
einmal vor Augen führen: Wir sprechen über Schwangerschaften nach der zwölften Woche, also über
Schwangerschaften, bei denen die Entscheidung für das
Kind schon gefallen ist, aber im Zuge einer Untersuchung eine eventuelle Behinderung des Kindes festgestellt wurde. Das ist eine schwierige Situation: Die werdenden Eltern freuen sich auf das Wunschkind und
müssen nun damit umgehen, dass das Kind behindert,
eventuell sogar schwerbehindert sein kann; vielleicht
lautet die Diagnose sogar: nicht lebensfähig. In all diesen Fällen müssen wir dafür sorgen, dass die Betroffenen
- die Schwangeren, aber auch die Eltern insgesamt - die
bestmögliche Unterstützung erhalten.
({1})
Unsere Gruppe, die ja erst einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht hat, hat sich nun auf einen neuen gruppenübergreifenden Gesetzentwurf verständigt, weil wir
darin unsere wichtigsten Punkte wiederfinden: eine bessere Beratung und Unterstützung der betroffenen Frauen
und eine Bedenkzeit. Ziel dieses gemeinsamen Gesetzentwurfes ist es, dass die betroffenen Frauen eine Entscheidung fällen können, mit der sie später leben können. Dafür brauchen sie Zeit und Ruhe - ohne Druck und dafür brauchen sie eine gute psychosoziale Beratung.
({2})
Wichtig ist in unserem Gesetzentwurf: Die Ärztinnen
und Ärzte werden verpflichtet, die Frauen ergebnisoffen
zu beraten, sie in eine psychosoziale Beratung zu vermitteln und zu Selbsthilfegruppen oder Eltern behinderter
Kinder. Die Ärztinnen und Ärzte verpflichten wir dazu,
die Frauen können aber - das ist wichtig - diese Beratung ablehnen. Die Ärzte haben also Pflichten, die
schwangeren Frauen haben Rechte.
Gerade in dieser schwierigen Situation, über die wir
hier sprechen, ist es bislang nicht gesichert, dass Frauen
eine psychosoziale Beratung wahrnehmen können. Eine
Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung besagt, dass nur ein Fünftel der Frauen, die mit einem pathologischen Befund konfrontiert werden, also
mit einer eventuellen Behinderung ihres Kindes, beraten
werden. Auch das haben wir in der Anhörung gehört, die
übrigens sehr deutlich gezeigt hat, dass hier Änderungsbedarf besteht.
Unser zentrales Anliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, den schleichenden Automatismus zu durchbrechen, der die Diagnose einer eventuellen Behinderung sehr schnell zu einer Empfehlung zum Abbruch der
Schwangerschaft werden lässt. Damit unterstelle ich
ausdrücklich nicht allen Ärztinnen und Ärzten, dass sie
so beraten. Aber wir wissen aus Studien und Fachgesprächen, aus der Anhörung im Bundestag und auch aus
Berichten von Betroffenen, dass diese Tendenz vorhanden ist.
Uns hat bewegt, zu erfahren, dass europaweit - für
Deutschland gibt es keine genauen Zahlen - über 90 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben werden. Wir tasten mit unserem Gesetzentwurf die Möglichkeiten der medizinischen Indikation und erst recht nicht
den § 218 StGB - der bleibt so erhalten, wie er ist - an.
({3})
Aber wir wollen sicherstellen, dass eine solche Diagnose
nicht automatisch bedeutet, dass Kinder mit Down-Syndrom gar nicht mehr auf die Welt kommen. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass es nicht darum geht, quantitativ die Zahl der Spätabbrüche zu senken - man kann
und soll nicht meinen, dies gesetzlich regeln zu können -,
sondern es geht um bessere Beratung und darum, eine
gute Entscheidung fällen zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Punkt ist mir
sehr wichtig: Wir sind uns in allen Forderungen einig,
eine bessere Beratung vor der Pränataldiagnostik zu ermöglichen. Darüber haben wir oft gesprochen. Hier
kommt es darauf an, dass Frauen wissen, was diese Untersuchungen bedeuten, dass sie gut informiert sind. Dies
unterstützen wir. Ich weise darauf hin: In diesem Gesetz
geht es um Schwangerschaftskonflikte. Deshalb muss
man gerade für die schwierige Situation, wenn eine solche Diagnose vorliegt, besondere Vorkehrungen treffen.
Die Beratung davor ist natürlich genauso wichtig.
({4})
Wir sind uns sicherlich alle einig, dass die Bedingungen für das Leben mit behinderten Kindern, für eine
echte Inklusion von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft verbessert werden müssen. Deshalb
empfiehlt unsere Gruppe, dem ursprünglichen Entschließungsantrag von Christel Humme und anderen zuzustimmen, in dem viele richtige untergesetzliche Forderungen aufgeführt sind.
Die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen
mit Behinderungen gehört dazu. Dazu gehört übrigens
auch die Verbesserung der medizinischen Versorgung.
Ich bin sehr froh, dass im Bundesgesundheitsministerium zurzeit geplant ist, behinderten Menschen mit Brillen und verschreibungsfreien Arzneimitteln weiterzuhelfen. Das wäre ein wichtiger Schritt. Hier bitte ich um
Unterstützung aus allen Fraktionen.
Ich will mich ganz herzlich bei den vielen Verbänden
aus dem Behindertenbereich, bei den Wohlfahrtsorganisationen, den Beratungsstellen, den Ärztinnen und Ärzten, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die
uns geholfen haben, bedanken.
Wir unterstützen diesen Gesetzentwurf. Dieser unterscheidet sich von dem Gesetzentwurf, den die Kollegin
Humme vorgestellt hat, deutlich: Erstens. In unserem
Gesetzentwurf wird klarer und eindeutiger geregelt, dass
die Ärzte verpflichtet sind, zu beraten und eine psychosoziale Beratung zu vermitteln, und zwar im Einverneh24198
men mit der Frau. Zweitens. Die drei Tage Bedenkzeit
sind uns wichtig. Sie gilt nicht, wenn Gefahr für Leib
und Leben besteht. Dazu gehört physische und psychische Gefahr. Entgegen anderen Pressemeldungen von
heute gilt diese Frist von drei Tagen natürlich nicht,
wenn die Gesundheit der Frau gefährdet wäre. Diese drei
Tage sind ein Schutz für die Frauen. Die Formulierung
„drei Tage“ ist nicht so ein ungenauer Rechtsbegriff wie
die Formulierung „ausreichende Bedenkzeit“. Diese Bedenkzeit von drei Tagen ist uns wichtig. Sie bedeutet
Rechtssicherheit für die Frau und ist wichtig, um eine
Entscheidung fällen zu können.
({5})
Wir empfehlen, dem zweiten Teil des Gesetzentwurfs,
dem kleineren Teil, zur statistischen Erfassung nicht zuzustimmen, denn hier geht es nicht um eine Verbesserung der Hilfen für die Frauen, sondern nur um eine genauere statistische Erfassung. Damit ist nicht den
Frauen, sondern nur der Statistik geholfen. Ich glaube,
dass der wichtigere, große Teil des Gesetzentwurfs eine
Mehrheit im Parlament finden kann. Ich werbe deshalb
dafür und bitte um Unterstützung, und zwar aus drei
Gründen: erstens damit wir sicherstellen, dass Frauen
psychosoziale Beratung und Hilfe in dieser schwierigen
Situation bekommen, zweitens damit sie Zeit und Unterstützung zur Entscheidungsfindung haben und drittens
damit die Gesellschaft und wir alle daran erinnert werden, dass wir mehr tun müssen, damit behindertes Leben
gelingendes Leben ist.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde
schon zu Recht darauf hingewiesen, dass wir uns für die
Beratung dieses Themas einige Zeit genommen haben.
In der ersten Lesung der vorliegenden Gesetzentwürfe
haben viele - ich denke, fast alle - Rednerinnen und
Redner betont, wie wichtig es uns ist, für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der Menschen mit Behinderungen
ihren selbstverständlichen Platz haben. Ich finde, dass
seither - das möchte ich ausdrücklich anerkennen - die
Sensibilität dafür, was pränatale Diagnostik dazu beiträgt bzw. welche Gefahren sie beinhaltet, gestiegen ist.
Ich freue mich sehr darüber, dass es gelungen ist, im
Gendiagnostikgesetz festzuschreiben, dass man Embryos nicht auf Krankheiten testen darf, die erst im Erwachsenenalter ausbrechen.
({0})
Das ist nicht notwendigerweise eine Frage der Abtreibung. Es kann das Thema „Recht auf Nichtwissen“ sein.
Dieses Recht auf Nichtwissen ist schützenswert. Auch
das sollten wir im Auge behalten, wenn wir über die
heute vorliegenden Gesetzentwürfe reden.
Ich gehöre zu der Gruppe um die Kollegin Humme
und andere, die ursprünglich gesagt hat, dass bei Konflikten in der Schwangerschaft den betroffenen Frauen
mehr Informationen, mehr Beratung und mehr Unterstützung ermöglicht werden müssen, ohne dass man dafür das Gesetz ändern muss. Wir haben uns bewegt.
Auch andere haben sich bewegt; das will ich ausdrücklich anerkennen. Heute haben wir zwei Gesetzentwürfe
vorliegen, die sich gegenüberstehen. Leider ist es nicht
gelungen, sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu
einigen. Wir haben oft gemeinsam am Tisch gesessen,
und das hat von allen verlangt, sich von der jeweiligen
Verdachtsperspektive gegenüber der anderen Gruppe zu
verabschieden. Ich gestehe, dass das nicht immer leicht
war.
Sie haben vorhin zugestanden - Frau Griese hat es gesagt -, dass Einigkeit darüber herrscht, dass eine umfassende Beratung der Frauen vor einer vorgeburtlichen
Untersuchung notwendig ist. Deshalb kann ich nur
schwer verstehen, dass es nicht möglich war, in den Verhandlungsrunden übereinzukommen und sich auf eine
Regelung zu verständigen, die genau das festschreibt.
({1})
Auf den Einwand, wir würden auf diese Weise bei Routineuntersuchungen zu viel Aufwand erzeugen, haben
wir reagiert und das Beratungserfordernis nur noch für
solche Untersuchungen festgeschrieben, die nicht überwiegend der Überwachung einer normal verlaufenden
Schwangerschaft dienen, also mithin der Suche nach
Auffälligkeiten. Ich frage Sie: Was gibt es daran auszusetzen? Frau Falk, Frauen, die sich gut aufgeklärt für
eine solche Untersuchung entscheiden und wissen, was
für ein Befund möglicherweise zu erwarten ist, werden
eine größere Chance haben, nicht in den Schockzustand
zu geraten, den Sie vorhin beschrieben haben,
({2})
sondern sehr viel besser vorbereitet sein auf die Entscheidung, vor der sie dann möglicherweise stehen.
Frau Falk, Sie sprachen von einem gewissen Druck
auf Ärzte. Da werde ich hellhörig. Uns geht es nicht darum, Druck auszuüben. Vielmehr betonen wir die Vernetzung, die Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und
Ärzten einerseits und den Beraterinnen in den Beratungsstellen mit ihrer Kompetenz andererseits. Wir wollen die Kompetenz im medizinischen und psychosozialen Bereich zusammenführen, damit Frauen optimale
Unterstützung und Beratung erfahren.
Streitig blieb zwischen uns auch die Frage der Frist.
Wir haben uns da - durchaus schweren Herzens - bewegt,
nachdem wir nach der Anhörung zu unterschiedlichen
Einschätzungen gelangt sind. Sie haben die SchlussfolgeBirgitt Bender
rung gezogen, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Frist,
wie sie vorgesehen werden soll, bisher nicht eingehalten
wird. Wir haben es eher so verstanden, dass der Zeitraum
zwischen Diagnose und einem möglichen Abbruch in der
Regel sehr viel länger ist als drei Tage. Aber wie dem
auch sei, wir sind uns einig, dass es eine Bedenkzeit geben soll. Wir haben jetzt den Vorschlag gemacht, „eine
ausreichende Bedenkzeit, in der Regel … drei Tage“ festzuschreiben. Darauf haben wir uns nicht verständigen
können. Wir verstehen nicht, warum man mit Rigidität an
den drei Tagen festhalten soll, auch wenn die Frau höchst
verzweifelt ist, beispielsweise weil sie bereits ein behindertes Kind hat und weiß, dass sie sich ein zweites nicht
zutraut. Ich glaube, dass wir da mit dem Regel-Ausnahme-Verhältnis die bessere Lösung gefunden haben.
({3})
Ich fasse zusammen: Uns geht es um Beratung und
Unterstützung der Frauen. Wir wollen vermeiden, dass
Frauen und/oder Ärztinnen und Ärzte unter Druck geraten, weil das einer Lösung, mit der die betroffenen
Frauen und Paare später leben können, eher entgegensteht, als dass es sie fördert.
({4})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ina Lenke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
möchte vorab ein Wort an Frau Tackmann richten. Frau
Tackmann, Ihre Behauptung, dass innerhalb der FDPBundestagsfraktion in einem solchen Fall und in anderen
Fällen Druck ausgeübt werde, entbehrt jeder Grundlage.
({0})
Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie versuchen, hier
mit solchen wesensfremden Argumenten zu punkten.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, Ende letzten Jahres
hat eine Gruppe von FDP-Bundestagsabgeordneten einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes - nicht zur Änderung des § 218 - vorgelegt. In vielen intensiven Gesprächsrunden - das haben
die Kolleginnen und Kollegen vor mir schon gesagt wurde unser Gesetzentwurf mit dem der CDU/CSU und
von Teilen der SPD um Kerstin Griese zusammengeführt. Auch mit Ihnen, Frau Humme, haben wir bis fast
zum Schluss zusammengesessen. Das Ziel der liberalen
Abgeordneten war es, zur Verbesserung der Situation
von schwangeren Frauen bei fortgeschrittener Schwangerschaft in Konfliktsituationen beizutragen. Ich will die
wichtigen Ziele in dem gemeinsamen Gesetzentwurf
nennen:
Erstens. Der Frau wird Zeit gegeben, nach der Pränataldiagnostik - also nach der vorgeburtlichen Untersuchung - bei einer möglichen schweren Behinderung des
Kindes psychosoziale Beratung durch eine anerkannte
Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen. Unser Text
dazu lautet: Deshalb darf die Indikation nicht vor Ablauf
von drei Tagen gestellt werden. - Das bedeutet natürlich
- das hat bisher noch keiner gesagt -, dass die Beratungszeit länger als drei Tage dauern kann. Frau Humme
und Frau Marks, ich möchte noch anmerken: Der Begriff
„ausreichend“ ist meines Erachtens nicht zu fassen. Für
einen Arzt kann ein Tag ausreichend sein. Wir waren uns
deshalb einig, die Beratungszeit mit drei Tagen konkret
anzugeben. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.
({1})
Aber auch das ist wichtig: Wenn Gefahr für Leib und Leben der Frau besteht, gilt diese Dreitagefrist nicht.
Zweitens. Die Ärztin oder der Arzt hat die Frau auf
ihren Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung hinzuweisen. Im Schwangerschaftskonfliktgesetz ist dieser
Rechtsanspruch zwar enthalten, aber viele Frauen wissen nichts davon. Deshalb ist es wichtig, dass der Arzt,
der die Frauen in der Schwangerschaft begleitet, an dieser Stelle hilft. Der Arzt wird verpflichtet - diesen Punkt
haben wir übernommen -, der Frau mit ihrem Einverständnis ein Angebot für die medizinische Beratung zu
machen. Damit hat jede Frau die Möglichkeit, eine entsprechende Beratung anzunehmen. Für uns ist auch noch
wichtig, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung zusätzliches Informationsmaterial für das
Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten
Kind erstellt. Damit werden Eltern, die sich für eine Geburt entscheiden, begleitet und unterstützt.
Wir haben einige Forderungen der Gruppe Humme in
unseren Gesetzentwurf integriert. Aber angesichts des
Dissenses bei der Dreitageregelung muss man sich schon
die Frage stellen, was „ausreichend“ bedeutet. Darauf,
auf eine konkrete Festlegung zu verzichten, haben wir
uns nicht eingelassen. Auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe unterstützt die Dreitageregelung. Hier hätten
wir einen Konsens erreichen können. Ich bedauere es
sehr, dass wir an dieser Stelle nicht zusammengekommen sind.
Für die Gruppe der liberalen Abgeordneten fasse ich
zusammen: § 218 wird nicht berührt. Die Ärzte haben
die schwangere Frau auf ihren Rechtsanspruch auf Beratung hinzuweisen und sind verpflichtet, zu beraten. Aber
die Frau ist nicht verpflichtet, eine Beratung anzunehmen.
Zum Schluss: Was steht nicht mehr in dem gemeinsamen Gesetzentwurf? Wir Liberale haben dafür gesorgt,
dass das Bußgeld für Ärzte nicht verdoppelt wird und
keine zusätzliche Dokumentation für Ärzte vorgeschrieben wird, auf die die Landesbehörden Zugriff haben.
Unsere weiteren Positionen werden mein Kollege Herr
Goldmann und meine Kollegin Frau Laurischk hier vortragen.
({2})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmingard ScheweGerigk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man etwas verändert, ist es gut, den Blick noch
einmal zurückzurichten. Im Jahre 1995 wurde die sogenannte embryopathische Indikation abgeschafft, die einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer schwerwiegenden gesundheitlichen Schädigung des Embryos
bis zur 22. Woche ermöglichte. Diese Entscheidung war
richtig. Voraussetzungen für die Straffreiheit waren damals eine Pflichtberatung und die Einhaltung der Dreitagefrist.
Mit der Reform von 1995 wurde eine neue, die medizinische Indikation eingeführt. Ich sage es hier noch einmal deutlich: Die Behinderung des Embryos allein ist
kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer medizinischen Indikation.
({0})
Voraussetzung für die Indikation ist vielmehr, dass die
Fortsetzung der Schwangerschaft eine Gefahr für das
Leben bzw. die physische oder psychische Gesundheit
der Schwangeren darstellt. Dass mit dieser Regelung
verantwortungsbewusst umgegangen wird, zeigt sich daran, dass die Zahl der medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüche ab der 12. Woche in der Zeit zwischen der Einführung dieser Regelung und dem Jahr
2007 um 36 Prozent zurückgegangen ist.
Darum ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die
Union seit über zehn Jahren versucht, diese medizinische Indikation mit dem Hinweis auf sogenannte Spätabbrüche auszuhöhlen. In vielen interfraktionellen Runden
und einer Vielzahl von Einzel- und Ausschussanhörungen sollte ein Handlungsbedarf nachgewiesen werden.
Bis 2005 wurde dieser von einer übergroßen Mehrheit
verneint.
Heute liegen zwei Gesetzentwürfe und zwei Anträge
vor. Alle Beteiligten haben sich in einem intensiven Prozess aufeinander zubewegt. Ich danke Ihnen dafür. Es
bleiben aber Differenzen, die unüberbrückbar sind. An
der Frage, woran das liegt, zeigt sich, dass wir offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen davon haben,
wie sich Frauen sowie Ärzte und Ärztinnen in dieser
schwierigen Situation verhalten.
Ich kenne keinen Fall, in dem ein Arzt, wenn er die
Diagnose bekannt gibt, bereits ein freies Bett bereithält.
Er würde sich damit im Übrigen strafbar machen; denn
es muss ein anderer sein, der den Abbruch vornimmt.
({1})
Ich kenne auch keine Frau, die sich leichtfertig für den
Abbruch einer Wunschschwangerschaft entscheidet. Insofern sehe ich keine Notwendigkeit, Frauen in Grenzsituationen zu drangsalieren oder Ärzte zu kriminalisieren.
({2})
Mir ist dieses Misstrauen gegenüber Frauen und Ärzten
fremd.
Darum unterstütze ich auch nicht den Vorschlag, bezogen auf Ärzte zusätzliche Ordnungswidrigkeiten einzuführen. Eine gesetzeswidrige Indikation oder ein gesetzeswidriger Abbruch sind schon heute strafbar. Das
Strafgesetzbuch sieht hierfür Geld- oder Freiheitsstrafen
vor.
Ich lehne aber auch weitergehende statistische Erhebungen ab. Herr Kollege Singhammer, warum glauben
Sie eigentlich, dass ein Arzt einen Fetozid verschweigt
und in der Statistik eine Fehlgeburt oder eine Totgeburt
angibt? Wenn dem so wäre, müssten deren Zahlen ansteigen. Das ist aber nicht der Fall. Ich weiß nicht, was
man mit einer solchen Statistik erreichen will.
({3})
Ich komme zu einem Punkt, bei dem wir uns einig
sind. Das ist die verbesserte Beratung Schwangerer, gerade bei einem auffälligen Befund. Schon heute haben
Schwangere einen Rechtsanspruch auf Beratung, und
zwar sowohl auf eine medizinische als auch auf eine
psychosoziale Beratung. Aus der Praxis wissen wir aber,
dass diese vielfach nur unzureichend erfolgt. Darum
wird der Arzt nach dem Gesetzentwurf von Christel
Humme, mir und anderen dazu verpflichtet, die Schwangere auf ihren Rechtsanspruch hinzuweisen und im Einvernehmen mit ihr einen Kontakt zu einer Beratungsstelle zu vermitteln, wobei die Schwangere dieses
Vermittlungsangebot ablehnen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere ältere
Schwangere - in der heutigen Zeit ist es häufig so, dass
Frauen das erste Kind erst sehr spät bekommen - sind einem Automatismus von pränataldiagnostischen Untersuchungen ausgesetzt, ohne über Chancen und Risiken
ausreichend informiert zu werden. Das wollen wir ändern. Wir wollen, dass Schwangere die Untersuchung
ablehnen können und dass so ihr Recht auf Nichtwissen
gewahrt wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn wir
wissen, wie häufig Frauen Probleme haben, dem Arzt zu
sagen: Ich will diese Untersuchung nicht. - Wir schreiben dieses Recht fest.
Ein wesentlicher Punkt, in dem sich die beiden Gesetzentwürfe unterscheiden, ist die Bedenkzeit zwischen
Diagnose und medizinischer Indikation. Wir sind uns
darüber einig, dass Frauen in dieser Situation eine ausreichende Bedenkzeit benötigen - in der Regel sind das
drei Tage; das können aber auch 14 Tage sein -, um sich
mit Menschen ihres Vertrauens zu beraten. Aber eine
starre Frist von mindestens drei Tagen ist in manchen Situationen - das ist individuell verschieden - eine Zumutung für die Frauen.
({4})
Warum muss man eine Frau quälen, die aufgrund einer
schweren genetischen Veränderung zum wiederholten
Mal die Schwangerschaft abbrechen musste und sich
schon mit dieser Situation auseinandergesetzt hat? Ich
muss Ihnen sagen: Ich empfinde es als eine Anmaßung
der Politik, dieser Frau eine Frist von drei Tagen vorzuschreiben. Politik kann nicht alles regeln.
({5})
Frau Kollegin Schewe-Gerigk.
Ja, ich komme zum Schluss.
Ich möchte nicht, dass gut zehn Jahre nach der Abschaffung der embryopathischen Indikation deren Regelungen in die medizinische Indikation übernommen werden. Daher bitte ich Sie um die Zustimmung zu dem
Gesetzentwurf, aber auch zu dem Antrag von Christel
Humme, mir und anderen, in dem der Ausbau der Frühförderung und weitere Verbesserungen für das Leben
von Kindern mit Behinderungen vorgesehen sind. Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte unserer
Gesellschaft.
Ich danke Ihnen.
({0})
Das Wort erhält nun die Kollegin Ingrid Fischbach.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
bin froh und dankbar, dass sich so viele Kolleginnen und
Kollegen bewegt haben, dass sie alles versucht haben,
um einen Kompromiss zu erzielen, der denen zugutekommt, die am meisten betroffen sind, nämlich den Vätern und Müttern.
({0})
Ich freue mich, dass wir persönliche Befindlichkeiten,
die sicherlich jeder an der einen oder anderen Stelle hat,
zurückgestellt haben, weil wir eine Lösung für die Eltern
wollen. Diese haben wir heute vorgelegt. Dass dies nach
zehn Jahren geschafft wurde - ich bin so lange im Parlament und habe die Beratungen miterlebt -, ist für mich
eine gute, eine wichtige Erfahrung, die ich nicht missen
möchte. Denn die Beratungen erfolgten in einer Art und
Weise, die zeigt, dass wir im Parlament die Sache im
Auge haben. Das hat gutgetan. Insofern sage ich ein
herzliches Dankeschön an alle.
({1})
Die allermeisten Schwangerschaften, die aufgrund einer medizinischen Indikation abgebrochen werden, werden beendet, weil in einer vorgeburtlichen Untersuchung
festgestellt wurde, dass das Kind schwerkrank oder
schwerbehindert sein wird. In diesen besonderen Fällen
liegt es auf der Hand, dass die Eltern vor allem zwei
Dinge brauchen.
Erstens brauchen sie eine fundierte Aufklärung darüber, was das Ergebnis der vorgeburtlichen Untersuchung eigentlich bedeutet: Wie wird sich diese Krankheit
oder Behinderung auf das Leben des Kindes auswirken?
Welche Auswirkungen hat dieses Ergebnis auf das gemeinsame Familienleben, auf die Eltern?
({2})
Deshalb ist es gut, dass wir in dem Gesetzentwurf
festgeschrieben haben, dass der Arzt, der den Eltern das
Untersuchungsergebnis übermittelt, andere Ärzte hinzuzieht, die Erfahrung mit der diagnostizierten Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern haben. Bei ihnen können die Eltern sofort Fragen stellen. Sie erhalten
keine abstrakte Mitteilung, sondern sie können fragen:
Wie geht es weiter? Wie sieht das Leben aus? Was passiert da? Das ist eine gute Regelung. Deshalb sage ich an
der Stelle ein herzliches Dankeschön dafür, dass wir das
einbezogen haben.
Frau Bender, es ist anders, als Sie gesagt haben.
Selbst wenn man so eine Untersuchung durchführen
lässt, geht man immer vom Prinzip Hoffnung aus. Das
heißt, die Eltern, die die Untersuchung durchführen lassen, hoffen, dass das Ergebnis nicht schwerwiegend sein
wird. Deshalb sind sie schockiert, wenn das Ergebnis so
ist, wie es ist - da widerspreche ich Ihnen eindeutig -,
und deshalb brauchen sie Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten.
Zweitens brauchen die Eltern eine fundierte Beratung,
die über die medizinischen Aspekte des Befundes hinausgeht. Schon längst ist im Schwangerschaftskonfliktgesetz festgeschrieben, dass Eltern in jeder Schwangerschaft das Recht haben, unabhängige Beratung in
Anspruch zu nehmen. Dieser Gesprächsrahmen, in dem
Eltern offen ihre Fragen stellen und ihre Ängste aussprechen können, ist nach einem auffälligen Untersuchungsergebnis besonders wichtig. Eltern, die in einer solchen
Konfliktsituation das Glück hatten, an eine gute Beratungsstelle zu geraten, sind später sehr dankbar dafür.
Aber es kann doch nicht sein, dass es als Glücksfall betrachtet werden muss, wenn die Eltern so eine Beratung
bekommen. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Beratung. Es gibt gute Beratungsstellen; aber sie sind zu wenig bekannt.
Ich denke deshalb, dass wir hier eine sehr gute Regelung gefunden haben: Der Arzt muss nicht nur auf die
psychosozialen Beratungsangebote hinweisen, sondern
muss den Eltern auch den Kontakt zu den entsprechenden Beratungsstellen vermitteln; er hat zukünftig die Beratungspflicht. Bei den Eltern bleibt es, wie gehabt - das
ist deutlich festzustellen -, bei einem Beratungsrecht.
Die Eltern brauchen ein Weiteres - unsere Ansichten
hierzu unterscheiden sich eindeutig -: Sie brauchen Zeit,
um eine tragfähige Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen zu treffen; denn diese Entscheidung wird sie ihr
ganzes Leben begleiten. Sprechen Sie mit den Eltern, die
diese Entscheidung getroffen haben! Sie sind dankbar,
wenn sie in Ruhe darüber nachdenken können, wenn sie
sich beraten können. Deshalb werbe ich an dieser Stelle
sehr dafür, den gemeinsamen Gruppenantrag zu unterstützen, der eine Bedenkzeit von mindestens drei Tagen
festschreibt. Die Bedenkzeit ist eine Hilfestellung für die
Eltern; diese Möglichkeit sollten wir nicht ungenutzt lassen. Die Entscheidung darüber, ob die Schwangerschaft
beendet wird, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, ist so schwerwiegend, dass die Eltern in Ruhe darüber nachdenken sollten, und zwar unabhängig davon,
ob sie sich im Zweifelsfall für das Kind mit einer schweren Behinderung entscheiden oder die Entscheidung treffen, dass sie das nicht können.
({3})
Ich denke, beide Entscheidungen sind wertfrei. Die Eltern müssen aber die Zeit und die Möglichkeit haben,
diese Entscheidung in Ruhe zu treffen.
Ich glaube, wir werden nicht umhinkommen, im Anschluss an die Verabschiedung eine Evaluierung des Gesetzes durchzuführen und zu schauen: Ist das, was wir
auf den Weg bringen wollen, richtig? Kommen die Hilfestellungen an? Haben beispielsweise die Ärzte die
Möglichkeit, in ihren Praxen zu beraten? Diese Fragen
sollten nach der Verabschiedung des Gesetzes beantwortet werden.
Am Ende möchte ich einräumen, dass es nicht reicht,
zu glauben, mit diesem Gesetzentwurf habe man alles
erledigt. Wir müssen es in unserer Gesellschaft schaffen
- hier spreche ich auch die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände an -, gemeinsam nach langfristigen Ansätzen
zu suchen, die es Familien erleichtern, ein Kind anzunehmen, unabhängig davon, ob es behindert ist oder
nicht.
({4})
Wolfgang Spanier ist der nächste Redner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
kann mich noch gut an die äußerst schwierigen Diskussionen im Deutschen Bundestag über die Reform des
§ 218 erinnern. Damals war ich neu in den Bundestag
gekommen. Ich weiß, wie schwer dieser Kompromiss
zustande gekommen ist. Ich weiß, dass er ein hohes Gut
darstellt. Ich hoffe, dass weder dieser Deutsche Bundestag noch der nächste an diesem Kompromiss rüttelt.
({0})
Ich weiß aber auch, dass seit 1995 immer wieder versucht wurde, genau an der Stelle der medizinisch-sozialen Indikation anzusetzen. Mich treibt die Sorge um, ob
wir hier vielleicht nicht doch - fassen Sie es nicht als
Unterstellung auf! - die Tür ein Stückchen öffnen.
({1})
Wir diskutieren - das weiß ich - über das Schwangerschaftskonfliktgesetz. Die Debatte hat sich aber im
Laufe der Zeit verschoben: vom Thema Spätabtreibungen - 231 Fälle im Jahr 2008 - hin zur medizinisch-sozialen Indikation, aufgrund der es im Jahr 2008 zu
3 000 Abbrüchen kam. Ich glaube, man muss diese Zahlen einmal nennen; die Bewertung überlasse ich jedem
Einzelnen von Ihnen.
Natürlich handelt es sich hier um eine Gewissensentscheidung. Jeder Einzelne von uns muss diese Entscheidung treffen.
({2})
Es ist selbstverständlich, dass man die Entscheidung des
Andersdenkenden respektiert. Die Entscheidung verlangt eine sorgfältige Prüfung. Es muss auch möglich
sein - davon nehme ich mich selbst nicht aus -, aufgrund
dieser Debatte heute seine ursprüngliche Position zu korrigieren, selbst wenn man eine der Vorlagen unterzeichnet hat.
Wir sind uns einig: Die betroffenen Frauen und Paare
befinden sich in einer äußerst schwierigen Situation, in
der Tat in einer Grenzsituation. Wir sind uns auch einig:
Es bedarf einer sorgfältigen Beratung, und es bedarf der
Hilfe und Unterstützung der Frauen. Wir sind uns ferner
einig - das ist wichtig -: Wir schützen das Recht der
Frauen, diese Angebote nicht anzunehmen. Ist es dann
aber richtig, dass vorgeschlagen wird, eine starre Zeitvorgabe von drei Tagen vorzusehen? Wird durch diese
Zwangsfrist nicht doch Druck auf die Frauen ausgeübt?
Dass man Zeit braucht, ist schließlich völlig unbestritten.
({3})
Was die zusätzlichen Sanktionen gegenüber Ärzten
angeht, ist klar gesagt worden: Auch dabei handelt es
sich um Druck, der auf die Ärzte ausgeübt wird. Steckt
dahinter nicht möglicherweise ein Misstrauen gegenüber
den Ärzten?
Stehen diese beiden Aspekte nicht im Widerspruch
zur Intention des Gesetzgebers, Frauen, die sich in dieser
Grenzsituation befinden, bei ihrer Gewissensentscheidung zu helfen? Meiner Meinung nach sollte in dieser
Situation kein Druck ausgeübt werden.
({4})
Das Argument, mit dieser Regelung werde sichergestellt, dass eine Beratung durchgeführt wird, ist für mich
nicht überzeugend.
Besonders problematisch finde ich den zweiten Teil
des Gesetzentwurfes, den sogenannten Statistikteil. Sicherlich haben Sie alle die Begründung des Gesetzentwurfes sehr sorgfältig gelesen, wie auch ich es getan
habe; sie gehört schließlich dazu. Darin ist wieder einmal nur von der medizinischen Indikation die Rede. Das
zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Gesetzentwurf von Singhammer, Griese und anderen.
Aufschlussreich ist, dass alle Methoden eines
Schwangerschaftsabbruchs mit minutiöser Genauigkeit
erfasst werden sollen. Es soll auch erfasst werden, wie
häufig Abbrüche nach dieser medizinischen Indikation
vorgenommen werden. Ich stelle die Frage: Brauchen
wir als Parlament diese Informationen überhaupt, wenn
es uns um die Hilfe und Unterstützung der Frauen geht?
Das bezweifle ich. Deswegen habe ich mich nicht gewundert, dass selbst Frau Griese als eine der Verfasserinnen dieses Gesetzentwurfes dem Parlament empfohlen
hat, seinen zweiten Teil abzulehnen. Noch einmal: Lesen
Sie bitte die Begründung; denn sie gehört dazu. Ich
glaube, dass sie meine Sorgen ein Stück weit rechtfertigt.
Mein Fazit: Wir sollten auf keinen Fall den 1995 erreichten Kompromiss antasten.
({5})
Wir sollten auf Menschen, die sich in einer äußerst
schwierigen Situation befinden - ich habe diese Situation vor wenigen Monaten bei meiner eigenen Schwiegertochter miterlebt -, keinen Druck ausüben. Wir sollten auch keinen Druck auf die Ärzte ausüben. Wir sind
uns einig: Wir sollten den schwangeren Frauen und ihren
Partnern in dieser sehr schwierigen Konfliktsituation
über die Beratungsphase hinaus ein umfassendes Angebot an wirkungsvoller Hilfe und Unterstützung machen.
({6})
Ich persönlich unterstütze aus voller Überzeugung
den Gesetzentwurf der Kollegin Humme und anderer.
Ich bedanke mich.
({7})
Das Wort erhält nun die Kollegin Sibylle Laurischk.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat uns in seiner Entscheidung
vom Mai 1993 aufgegeben, aus Gründen des Schutzes
des ungeborenen Lebens die weitere Entwicklung des
Konzepts zu beobachten und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen. Wir wollen nicht den § 218 StGB ändern.
({0})
Diese sehr grundsätzliche Aussage ist aus Sicht der FDP
notwendig, und sie entspricht unserem Selbstverständnis.
({1})
Die öffentliche Diskussion über Spätabtreibungen erfordert allerdings eine Antwort des Bundestages. Es geht
um eine Situation, in der die werdenden Eltern, insbesondere aber die schwangeren Frauen aufgrund der medizinischen Möglichkeiten vielleicht zum ersten Mal und
auf sehr dramatische Weise mit der Frage konfrontiert
werden, wie sie als Eltern bzw. als Mütter mit dieser großen Belastung und mit dieser Konfliktlage umgehen sollen. Ein schneller Entscheidungsprozess ist hier weder
möglich noch sinnvoll. Es ist notwendig, dass eine Frau
in dieser Situation nachdenken kann, dass sie die Zeit
und die Möglichkeit hat, Beratung zu finden. Das ist das
Anliegen, das wir Abgeordnete der FDP-Fraktion schon
mit unserem ursprünglichen Gesetzentwurf verfolgten.
Wir wollen, dass eine Frau - sie steht nicht vor einer
Abtreibung, sondern vor der Geburt; nichts anderes ist
der Fall bei einer sogenannten Spätabtreibung - weiß,
worüber sie entscheidet, wie sie die weitere Entwicklung
verkraften kann, wie sie Abschied nehmen kann, wie sie
mit der Möglichkeit, dieses Kind zu bekommen, umgehen kann, wie sie vielleicht auch damit umgehen kann,
ein Kind, das nicht lebensfähig ist, auszutragen und dann
Abschied von ihm zu nehmen.
Bei dieser Frage geht es auch um die Problematik
- dessen ist man sich vielleicht noch zu wenig bewusst -:
Wie geht es weiter, nachdem ein behindertes Kind, das
lebensfähig ist, geboren wurde? Ist es der Mutter, den
Eltern vielleicht möglich, es nach der Geburt abzugeben? Wir müssen uns fragen: Wie wird mit behinderten
Kindern, über die in einer Konfliktlage entschieden worden ist, umgegangen?
Wir brauchen gute psychosoziale Beratung. Ich
glaube, es ist auch für Ärzte eine Entlastung, zu wissen,
dass, wenn sie eine medizinische Indikation stellen, der
Frau diese zusätzliche Beratung angeboten wird. Nichts
anderes wollen wir Abgeordnete der FDP, die diesen gemeinsamen Gesetzentwurf unterstützen. Wir sind allerdings kritisch, was den Statistikteil des Gesetzentwurfs
angeht, zumindest in Teilen. Wir wollen nämlich nicht,
dass hier eine Plattform für weitere Diskussionen aufgemacht wird.
Ich möchte mich bei den Kollegen aus der Gruppe
Humme/Schewe-Gerigk ausdrücklich für die sehr konstruktive und sehr tief gehende Diskussion bedanken.
Ich glaube, ich habe in meiner Tätigkeit als Abgeordnete
noch keine Diskussion erlebt, bei der so sehr um eine
gute Lösung gerungen wurde wie hier. Wir haben uns
mit der Fragestellung sehr ernsthaft und grundsätzlich
befasst. Vielen Dank dafür allen Kollegen!
({2})
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir heute
zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen - im Interesse der Frauen, der Kinder, der Ärzte, ganz besonders
aber im Interesse einer humanen Gesellschaft.
({3})
Der Kollege Dr. Harald Terpe ist der nächste Redner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Keine Frau, kein Paar entscheidet sich leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch. Wenn die Schwangere
bei einer Vorsorgeuntersuchung erfährt, dass ihr Kind
möglicherweise schwer krank oder behindert zur Welt
kommt, dann geschieht dies zu einem Zeitpunkt, zu dem
sie zu ihrem Kind meist schon eine Beziehung aufgebaut
hat. Umso schwerer wird für sie die Entscheidung, die
Schwangerschaft abzubrechen.
Wir haben heute bereits gehört, wie entscheidend in
einer solchen Situation medizinische und psychosoziale
Beratung ist und wie wichtig es sein kann, der betroffenen Frau bzw. dem Paar auch nichtärztliche Beratung zu
vermitteln; denn diese Beratung kann helfen, die seelische Not zu bewältigen, und eine individuelle Zukunftsentscheidung ermöglichen.
In der Diskussion wird oft vergessen, wie grundsätzlich der Entschluss ist, die Schwangerschaft mit dem eigentlich gewünschten Kind abzubrechen, und wie wichtig es daher für die Schwangere bzw. das Paar ist, vor
einer solch schweren Entscheidung innezuhalten, zur
Ruhe zu kommen.
Rund die Hälfte aller betroffenen Frauen sagen im
Nachhinein, sie wüssten nicht, ob diese Entscheidung
die richtige gewesen sei. Wir sollten daher alles tun, damit die betroffenen Frauen Zeit zur Entschleunigung bekommen,
({0})
Zeit für eine durchdachte Entscheidung, mit der sie auch
langfristig leben können.
({1})
Das Nachdenken, das Abwägen von Konsequenzen
und die Möglichkeit zum Innehalten sind entscheidend
für die seelische Verarbeitung. Dies gilt nicht nur für den
Fall, dass die Schwangerschaft fortgesetzt wird, sondern
auch für den Fall des Abbruchs der Schwangerschaft mit
Blick auf das Abschiednehmen und die Trauer um das
Kind.
In der Diskussion der letzten Monate haben wir erfahren, dass rund einem Drittel der Frauen diese Zeit nicht
gegeben wird. Es werden Abbrüche vorgenommen, obwohl die Diagnose einer möglichen Behinderung nicht
einmal 48 Stunden zurückliegt. Als Arzt frage ich mich
natürlich, wie in einer solch kurzen Zeit eine zuverlässige medizinische Indikation gestellt werden kann, wenn
nicht gerade das Leben der Schwangeren akut bedroht
ist. Vor diesem Hintergrund sind wir als Gesetzgeber in
der Pflicht, den betroffenen Frauen die Zeit zu garantieren, die sie für ihre Entscheidung brauchen.
({2})
Wir dürfen die Frauen in dieser Schocksituation nicht
dem freien Spiel der Kräfte überlassen, zum Beispiel
dem Drängen auf eine schnelle Entscheidung, sei es vonseiten der Ärzte, des Partners oder auch allgemein von
einer nicht immer behindertenfreundlichen Gesellschaft. Das Wissen, sich nicht sofort entscheiden zu
müssen, kann viel dazu beitragen, den Druck auf Frauen
zu vermindern.
({3})
Die Mindestzeit von drei Tagen entspricht bereits
heute in vielen Fällen der Praxis und stellt sicher, dass
niemand die Schwangere zu einer vorschnellen Entscheidung drängen kann. Im Gegensatz zum Gesetzentwurf der Kollegin Humme und anderer beginnt diese
Frist bereits zum Zeitpunkt der Diagnose und nicht erst,
nachdem der Arzt bereits die medizinische Indikation für
einen Abbruch gestellt hat.
({4})
Letzteres kann nämlich wirklich zu einer Verzögerung
und unnötigen Belastung der betroffenen Frauen führen.
({5})
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu dem Vorwurf sagen, wir würden mit unserem Gesetzentwurf ein
grundsätzliches Misstrauen gegenüber Ärztinnen und
Ärzten zum Ausdruck bringen. Das ist falsch. Die Ärzteschaft selbst hat um eine gesetzliche Regelung - auch
der dreitägigen Bedenkfrist - gebeten.
({6})
Diese Bitte nach einer gesetzlichen Klarstellung
kommt von Menschen, die in der Praxis mit diesem
Thema befasst sind. Es handelt sich hier also nicht um
einen Akt des Misstrauens. Im Gegenteil: Wir schaffen
auch für Ärztinnen und Ärzte Rechtssicherheit.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir niemanden
gängeln. Wir wollen Frauen und Paaren helfen. Wir wollen sie bei einer der unbestreitbar schwersten Entscheidungen unterstützen, die sie in ihrem Leben zu treffen
haben. Ich bitte die Unentschiedenen, den Gesetzentwurf
der Gruppen Griese, Lenke und Singhammer zu unterstützen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Maria Eichhorn.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine Schwangerschaft ist ein herausragendes Ereignis
im Leben einer Frau und ihres Partners. Wenn der Arzt
bei der Untersuchung aber sagt, dass bei ihrem Kind etwas nicht in Ordnung ist, bricht für diese Frau die Welt
zusammen. Viele Fragen, Lähmung und Schock. Wie
geht es weiter? Die betroffenen Frauen wollen nicht
wahrhaben, dass ausgerechnet ihr Kind behindert sein
soll. Wenn dann der Arzt auf eine mögliche Abtreibung
hinweist, erscheint das schnell als Lösung.
Nippert hat in einer Untersuchung festgestellt, dass
ein Drittel der Spätabbrüche innerhalb von drei Tagen
stattfindet. Die Fachleute sind der Meinung, dass es berechtigte Zweifel daran gibt, ob eine solche Entscheidung auf Dauer verkraftet werden kann, wenn der Abbruch im Schockzustand erfolgt.
Bei der Neuformulierung des Abtreibungsrechts von
1995 - Frau Schewe-Gerigk hat bereits darauf hingewiesen - wurde die sogenannte embryopathische Indikation
als eigener Tatbestand abgeschafft und bei der medizinischen Indikation aufgenommen. In der Begründung dazu
wurde damals klargestellt - ich zitiere -, „dass eine Behinderung niemals zu einer Minderung des Lebensschutzes führen kann“. Die Praxis der Spätabtreibung ist jedoch anders verlaufen als beabsichtigt. Allein der
Verdacht auf eine Behinderung ist heute Grund für eine
Abtreibung. Durch die sogenannte Kind-als-SchadenRechtsprechung sehen sich Ärztinnen und Ärzte genötigt, in Richtung Abbruch zu beraten.
Als damalige Verhandlungsführerin hat mich diese
Entwicklung betroffen gemacht. Seit Anfang 1999 hat
die Unionsfraktion nach Lösungen gesucht, um diese
Entwicklung aufzuhalten. Bereits zweimal wurde von
uns ein Antrag zur Vermeidung von Spätabtreibungen
eingebracht - leider ohne Erfolg. Bedauerlicherweise ist
es trotz Koalitionsvertrag nicht gelungen, mit unserem
Koalitionspartner einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu
formulieren. Dass heute ein fraktionsübergreifender
Kompromiss zur Abstimmung steht, ist eine große parlamentarische Leistung.
({0})
Ich bin mir sicher, dass es durch die Umsetzung des
vorliegenden Gruppengesetzentwurfes zu einer wesentlichen Verbesserung der im Zusammenhang mit Spätabtreibungen bestehenden Situation kommen wird.
Wenn die Schwangere erfährt, dass sie ein behindertes Kind erwartet, darf sie mit dieser Diagnose nicht alleingelassen werden. Während der Arzt über die Behinderung selbst und mögliche Folgen aufklärt, ist ebenso
eine psychosoziale Beratung notwendig, wie das heute
schon öfter erklärt wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, diese Beratung begleitet die Frau,
wenn sie es wünscht, weit über den Tag der Entscheidung hinaus - wenn es notwendig ist, drei Jahre lang.
Das wird von den Beratungsstellen geleistet.
({1})
In einer Untersuchung von Rohde/Woopen wird festgestellt, dass die psychosoziale Beratung dann von den Betroffenen wahrgenommen wird, wenn der Arzt sie vermittelt. Ein reiner Hinweis ist nicht ausreichend. Daher
wird der Arzt in unserem Gesetzentwurf zur Beratung
und zur Vermittlung an eine psychosoziale Beratungsstelle verpflichtet.
Selbstverständlich hat jede Schwangere das Recht auf
Nichtwissen. Wenn jedoch ein auffälliger Befund vorliegt, dann sind genauere Kenntnisse der Diagnose für
die Schwangere eher entlastend und ist eine Beratung
dringend erforderlich und hilfreich, wie die Untersuchungen ergeben. Das oft zitierte Selbstbestimmungsrecht der Frauen wird nicht gestärkt, wenn ihr in einer so
schweren Krisensituation Hilfe und Unterstützung vorenthalten würden. Die betroffenen Frauen müssen in
Ruhe überlegen können, und deswegen ist eine rechtlich
geschützte Mindestbedenkzeit von drei Tagen ab dem
Zeitpunkt der Diagnose notwendig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind uns
dessen bewusst: In diesem Dilemma gibt es keine gute
Entscheidung. Es gibt nur eine, die eher zu ertragen ist.
Diese Entscheidung muss reifen können, um sich später
nicht quälende Vorwürfe machen zu müssen.
Die heutige Abstimmung ist eine Gewissensentscheidung, unabhängig von Partei- und Verbandspolitik. Jeder
von uns hat heute zu entscheiden, wie in einer so extremen Konfliktsituation der Schwangeren und deren Partner am besten geholfen werden kann. Ebenso muss uns
allen aber bewusst sein, dass auch behinderte ungeborene Kinder unseres Schutzes bedürfen. Ich bin überzeugt, dass der gemeinsame Gruppengesetzentwurf die
richtige Antwort ist.
({2})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Michael
Goldmann.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Viele von Ihnen kennen das große Glück - ich
habe es vor kurzem als Opa erlebt -, wenn ein gesundes
Kind geboren wird. Leider erleben aber auch viele Menschen in unserer Gesellschaft den Albtraum, dass möglicherweise ein schwerstbehindertes Kind zu Welt gebracht wird. Dass wir uns heute mit diesem Sachverhalt
beschäftigen, ist notwendig; denn die Zahlen sind bedrückend. Zwar sterben in vielen Bereichen unserer Gesellschaft täglich viel mehr Menschen aus anderen Gründen;
aber wenn man bedenkt, dass die Lebensfähigkeit schon
nach der 20. Schwangerschaftswoche besteht, sind es
durch Spätabtreibungen immerhin zwei Menschen pro
Werktag. 600 pro Jahr sind für uns Verpflichtung, sich
um diesen Sachverhalt zu kümmern.
Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir nach
langem Ringen in guter, gemeinsamer Arbeit heute über
Gesetzentwürfe beraten, die von Respekt gegenüber der
Position der einzelnen Gruppen getragen sind.
Die Abgeordneten Humme, Singhammer, Griese und
Lenke liegen in ihren Positionen dicht beieinander. Sie
wollen mit ihren Gesetzentwürfen in einer sehr schwierigen Situation Hilfe bieten. Ich finde, Aufgabe des Gesetzgebers in dieser Situation ist, den Weg zur Hilfe aufzuzeigen.
Ich bin enttäuscht von der Position, liebe Kirsten
Tackmann, die du vorhin eingenommen hast. Niemand
will die Tür zum § 218 Strafgesetzbuch wieder aufmachen.
({0})
Das sage ich ganz persönlich. Liebe Kollegin Tackmann,
vielleicht können wir uns einmal darüber unterhalten,
wie es war, wenn man als katholischer Christ in der FDP
für die Regelung des § 218 eingetreten ist. Man hat das
eine oder andere ertragen müssen. Deswegen bitte ich
sehr darum, auch die Positionen derjenigen mit Respekt
zu behandeln, die eine andere Position als die der Linkspartei vertreten, die du vorhin in deinen Ausführungen
zum Ausdruck gebracht hast.
Wir stehen vor der Herausforderung, eine Konfliktsituation möglichst auf gesetzgeberischem Wege zu lösen.
Ich bin dankbar für das, was Herr Dr. Terpe vorhin gesagt hat. Es geht um Aufklärung und Beratung, und zwar
um freie Beratung. Es geht nicht so sehr darum, jemandem ein Informationsrecht aufzuzwingen; es geht auch
um ein Recht auf Nichtwissen. Es ist eine sehr wichtige
Entscheidung für die betroffenen Menschen, weil sie mit
ihrer Entscheidung auf ihrem späteren Lebensweg wahrscheinlich sehr häufig konfrontiert werden.
Lassen Sie mich noch etwas zu der dreitägigen Bedenkzeit sagen. Ich finde es nicht korrekt, wenn so getan
wird, als ob es nur um einen Block von drei Tagen gehe.
Das stimmt doch nicht. Es geht um mindestens drei Tage
Bedenkzeit. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es
gerade in dieser Situation entscheidend darauf ankommt,
eine Bedenkzeit im Gesetz zu verankern, weil es in einer
solchen Schocksituation notwendig ist, Bedenkzeit zu
haben.
({1})
Insofern liegt ein kluger Kompromiss vor. Deswegen
bitte ich darum: Lassen Sie uns gemeinsam eine möglichst gute Lösung finden. Ich bin der Meinung, dass
sich beide Gruppengesetzentwürfe relativ überzeugungsorientiert auf einen Kompromiss zubewegen lassen.
Herzlichen Dank.
({2})
Die Kollegin Andrea Nahles hat nun das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es gibt im Deutschen eine sehr schöne Umschreibung für die Schwangerschaft, nämlich „guter
Hoffnung sein“. Mit guter Hoffnung gehen 85 Prozent
der Schwangeren zu einer vorgeburtlichen Untersuchung. Immer ist damit die Erwartung verbunden, dass
es die Bestätigung gibt: Mein Kind ist gesund. Aber leider ist das nicht immer der Fall.
In dem Moment entsteht Druck. Er kommt nicht von
außen, sondern er entsteht tief im Inneren. Denn nach
dieser Diagnose steht nur noch eine Entscheidung im
Raum: Für welchen Schmerz soll man sich entscheiden:
den Schmerz, sein Wunschkind nicht zu bekommen,
oder den Schmerz, ein Kind zu bekommen, das ganz anders ist, als man es sich gewünscht hat? Darum geht es.
Ich finde es wichtig, dass man sich in einer solchen Situation darüber klar wird, was man will. Die Frauen
müssen spüren können, dass sie Zeit haben, dies in der
Familie zu erörtern. Handelt es sich um Bevormundung,
wenn wir dafür Zeit garantieren wollen? Ich meine, nein.
({0})
Ich höre oft: Die betroffenen Frauen müssen das alleine entscheiden. - Letztendlich entscheidet niemand
anderes als die Betroffenen. Aber bitte „allein entscheiden“ nicht mit „allein lassen“ verwechseln! Das ist ein
ganz wichtiger Punkt.
({1})
18 Prozent der Betroffenen sagen, dass sie sich ausreichend beraten gefühlt haben. 18 Prozent! Wir wollen,
dass der Arzt die Pflicht hat, darauf hinzuwirken, dass es
eine psychosoziale Beratung an einem anderen Ort als in
der Arztpraxis gibt. Psychosoziale Beratung bedeutet,
dass man sich nicht nur mit der eigenen Familie austauschen kann, die selber betroffen ist und Abschied von
Hoffnungen nehmen muss, sondern dass man auch jemand Drittes anhört, der einem vielleicht ein Fenster öffnet und andere Vorstellungen in einer solchen Situation
ermöglicht. Das ist für mich Hilfe, damit die Betroffenen
mündig entscheiden können, und keine Bevormundung.
Die Bedenkzeit muss ernst genommen werden. Ich
habe in meiner Familie erlebt, dass man sich die Reaktionen des Umfeldes nicht immer so schönmalen darf,
wie hier manchmal unterstellt wird. Nicht alle sagen,
dass behindertes Leben auch gelingendes Leben ist. Das
ist eine schöne Vorstellung. Aber oft sehen die Reaktionen ganz anders aus. Von Betroffenen haben wir oft gehört, dass dann solche Sätze kommen wie „Das kann
man heute doch vorher wissen“. Damit wird die Frage
impliziert, ob man das nicht rechtzeitig hätte verhindern
können. Offen gesagt geht es mir bei der Bedenkzeit darum - das ist meine Hoffnung -, dass den Betroffenen
eine Chance gegeben wird und sich ein Fenster öffnet,
damit sie vielleicht Mut fassen, sich für ein behindertes
Kind zu entscheiden. Das darf natürlich nicht mit Zwang
oder Druck geschehen. Aber es sollte sich um eine Option handeln, die erwogen werden kann. Wenn man in einer Schocksituation ist und einem nicht die notwendige
Bedenkzeit garantiert wird, ist es vielleicht schwerer.
Um diese Chance geht es mir.
Es ist gut, dass sich im Laufe der Zeit eine sachliche
Debatte herauskristallisiert hat. Es geht um Beratung
und Abwägung. Die Bedenkzeit stellt eine Hilfe und
keine Bevormundung dar.
Vielen Dank.
({2})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin GöringEckardt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Der Tod des eigenen Kindes ist wohl das Schlimmste,
was Eltern widerfahren kann. Was bedeutet es dann erst,
darüber entscheiden zu müssen? Mit der Diagnose, die
nicht der Erwartung und der Hoffnung entspricht, beginnt für Eltern die schwerste Zeit, eine Zeit voller existenzieller Fragen, Verzweiflung, Wut und Hilflosigkeit.
Nein, niemand handelt dann leichtfertig. Alles, was von
außen getan werden kann, sind Beratung, Gespräch und
Zuspruch. Dass jemand da ist - enge Vertraute, Familie -, ist wichtig. Dass jemand über die Krankheit und
die Erwartung informiert, die man an ein Leben mit einem behinderten Kind haben kann, ist unabdingbar. Dass
jemand professionell berät - ein Psychologe, eine Seelsorgerin -, ist mehr als wichtig. Der Kontakt zu Eltern
behinderter Kinder kann helfen, sich über die Herausforderung klar zu werden, aber auch über die Chance, ein
Leben mit Behinderung zu meistern und Freude daran zu
haben.
Die Gespräche können auch zu dem Schluss führen,
dass es zu schwer ist, oder zu dem Schluss - oft
schmerzlich -, dass man loslassen muss. Es kann ein Gespräch sein, das geführt wird, oder es können drei, zehn
oder mehr Gespräche sein. Die Zeit dafür muss vorhanden sein, und sie muss vor allem selbstverständlich gewährt werden.
Die Debatte hier konzentriert sich darauf, ob ein Zeitraum von drei Tagen festzulegen ist und ob dies überhaupt notwendig ist. Ich sage ganz klar: Nur wenn diese
Spanne im Gesetz verankert ist, nimmt man die Entscheidung aus der Hand anderer und gibt sie in die Hand
der Frau und des Vaters. Darum geht es, nicht um Ausnahmefälle. Es geht darum, dass wir nicht sagen, dass es
auch eine angemessene Zeit sein kann. Wer legt diese
angemessene Zeit denn fest? Die Ärztin, der Arzt? Ist es
ein Tag, sind es zehn Tage? Was ist angemessen in einem
Moment, der von Erschrecken und von Schock geprägt
ist, der davon geprägt ist, nicht mehr ein noch aus zu
wissen? Oft haben Ärztinnen und Ärzte für diese Art Beratung keine Ausbildung, arbeiten nicht in einem Zentrum und sehen vielleicht in einem Fall von ein- oder
zweitausend Fällen eine Auffälligkeit im Ultraschall.
Wie sollen sie eine Beratung - und das in kurzer Zeit leisten können? Gerade darum sind die Beraterinnen und
Berater in den psychosozialen Beratungsstellen so wichtig. Der Weg dorthin muss einfach sein. Man muss den
Menschen helfen, den Weg so einfach wie möglich gehen zu können. Darum geht es.
Nach all dem kann die Entscheidung zugunsten des
Lebens des Kindes fallen oder dagegen. Sie kann sich
richtig anfühlen oder noch nach Jahren als falsch. Ich
bitte Sie sehr: Stimmen Sie für die Mütter und Väter, die
es schwer mit ihrem Wunschkind haben. Stimmen Sie
dafür, dass sie Zeit für einen schweren Gang haben, Zeit,
die ihnen niemand nehmen kann, Zeit für eine Entscheidung. Sie kann in Unsicherheit gefällt worden sein und
sich am Ende doch bestätigen, aber es soll eine Entscheidung sein, mit der Mütter und Väter ihr Leben leben
können. Wenn es uns gelingt, dass nicht Verzweiflung
den Prozess bestimmt, sondern dass Eltern wegen der
Art der Entscheidungsfindung besser oder gar gut mit ihrer Entscheidung leben können, dann haben wir etwas
erreicht.
Vielen Dank.
({0})
Die Kollegin Ulla Jelpke ist die nächste Rednerin.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An so einem Tag wie heute möchte ich am liebsten nur eine
Stimme abgeben, nämlich die für die ersatzlose Streichung des § 218 StGB.
({0})
Seit mehr als 30 Jahren kämpfe ich mit und in der Frauenbewegung dafür, dass Frauen selbst bestimmen kön24208
nen, wann und unter welchen Bedingungen sie sich für
ein Kind entscheiden. Sie wollen keinen Druck und
keine Drohung, sie wollen weder Geld- noch Gefängnisstrafen. Meines Erachtens wird mit der heutigen Debatte
erneut die Diskussion über den § 218 eröffnet und damit
ein neues, dunkles Kapitel dieser Geschichte aufgeschlagen.
({1})
Die Gesetzentwürfe, die heute vorliegen, führen einen
Angriff gegen den 1995 gefundenen sogenannten Abtreibungskompromiss. Damals entschied der Bundestag,
dass bei medizinischer und kriminologischer Indikation
der Abbruch der Schwangerschaft moralisch und juristisch legitim ist. Deshalb war in diesen Fällen keine
Beratungspflicht vorgesehen. Damals wurde Frauen zugestanden, wenigstens in bestimmten Situationen selbstverantwortlich und ohne staatliche Bevormundung zu
entscheiden. Selbst diese, aus Sicht unserer Fraktion
noch viel zurückhaltende liberale Grundhaltung hat zu
wütenden Protesten selbsternannter Lebensschützer geführt.
Heute geht man in den vorliegenden Entwürfen einen
Schritt zurück: Die Indikationslösung des § 218 a wird
zur Disposition gestellt. Der Singhammer-Entwurf stigmatisiert Frauen außerdem als beratungsbedürftig und
unfähig, selbstverantwortlich über ihre Schwangerschaft zu entscheiden.
({2})
Ich stelle mir durchaus die Frage, warum auf einmal
Namen von Abgeordneten der SPD und auch der Grünen, die sich immer sehr frauenbewegt geben, auf Anträgen von Lebensschützern aus CDU und CSU wiederzufinden sind. Ich frage gerade diese Frauen und
Abgeordneten von der SPD und den Grünen: Haben Sie
eigentlich vergessen, dass in Ihren Programmen einmal
die Streichung des § 218 gestanden hat und Ihre Frauenorganisationen dafür eintraten? Warum unterstützen Sie
heute eine Verschärfung, die vor allen Dingen Frauen
bevormundet?
({3})
Es geht nicht um die 229 Spätabtreibungen, die pro Jahr
vorgenommen werden, sondern um folgende Frage: Wie
viele Rechte sollen Frauen eigentlich noch haben? Das
konservative, rückschrittliche Weltbild sieht ohnehin
vor, dass Frauen nur Kinder gebären - mehr nicht.
Die Fraktion Die Linke gesteht Frauen hingegen die
Fähigkeit zu, in Konfliktsituationen selbst eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Wir wollen Lösungen, die Frauen nicht bevormunden; dies sage ich ganz
deutlich.
({4})
Auch wir sehen es so, dass in den Gesetzentwürfen
kein direkter Druck auf die Frauen ausgeübt wird. Vielmehr wirken sie über Umwege: über die Ärzte. Denn Sie
wissen ganz genau, was passieren wird: Immer weniger
Ärztinnen und Ärzte werden bereit sein, Abtreibungen
vorzunehmen, besonders im ländlichen Raum und in den
katholisch geprägten Bundesländern. Damit leisten Sie
einen Beitrag zum Abtreibungstourismus und verschlechtern die Situation der Frauen, die ohnehin schon
einen starken Konflikt durchleben.
Meine Fraktion wird deshalb die Gesetzentwürfe ablehnen. Es ist leider nicht das erste Mal, dass wir als einzige Fraktion ein Gesetz gegen weitere Verschlechterungen verteidigen müssen, obwohl wir es eigentlich
abschaffen wollen. Dies ist auch kein Zufall; denn die
geplante Verschärfung des § 218 a reiht sich ein in das
konservative Rollback der letzten Jahre gegenüber den
Frauen und auch der Frauenbewegung.
({5})
Doch ich bin ganz sicher: Der Rückschritt, den Sie
heute beschließen werden, wird nicht das letzte Wort
sein. Die Frauenbewegung und auch wir an ihrer Seite
werden weiterhin für die Abschaffung des § 218 kämpfen.
Danke.
({6})
Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Schmidt.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!
Frau Jelpke, gerade nach Ihrem Beitrag unterstreiche ich
hier sehr deutlich: Diese Debatte war und ist keine Auseinandersetzung zwischen Feministinnen und Lebensschützern;
({0})
denn weder wollen Frau Griese, Frau Lenke, Herr
Singhammer oder gar ich Frauen bevormunden noch
wollen Frau Humme, Frau Schewe-Gerigk und andere
das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gegen das Lebensrecht von Behinderten ausspielen.
({1})
Die Schlachten der 80er- und 90er-Jahre müssen Gott sei
Dank nicht erneut geführt werden;
({2})
denn niemand, der einen der Gesetzentwürfe unterstützt,
will den erreichten Kompromiss zum § 218 StGB in irgendeiner Form infrage stellen.
Gegen Ende unserer Debatte nenne ich ganz kurz die
drei Elemente, die für Kerstin Griese, Frau Lenke, Herrn
Renate Schmidt ({3})
Singhammer und mich unverzichtbar sind. Dies ist erstens eine verbindliche dreitägige Bedenkzeit, von der
- dies sei noch einmal verdeutlicht - bei einer für die
Schwangere aus physischen oder psychischen Gründen
bedrohlichen Situation selbstverständlich abgewichen
werden kann, die aber in den anderen Fällen mindestens
eingehalten werden soll. Uns ist die verbindliche Mindestdauer dieser Bedenkzeit wichtig, um Automatismen,
von denen uns sehr viele in Zuschriften berichtet haben,
zu verhindern und vor allen Dingen um Zeit zu gewinnen - Zeit für eine Entscheidung, mit der die Frau, mit
der die ganze Familie nicht nur eine kurze Frist, sondern
ein Leben lang leben kann, aber auch Zeit, um trauern zu
können, wenn man sich - aus welchen Gründen auch immer - gegen das Kind entscheidet und vor allen Dingen
wenn man ein nicht lebensfähiges Kind erwartet.
Unverzichtbar ist für uns zweitens eine Pflicht - und
nicht nur ein Hinweis - zur Vermittlung von psychosozialer Beratung durch die Ärztinnen und Ärzte.
Drittens wollen wir die Verstöße dagegen mit einer
Ordnungswidrigkeit ahnden, weil dies bisher nirgendwo
geregelt ist. Es geht um Ordnungswidrigkeiten, wie sie
übrigens im Schwangerschaftskonfliktgesetz schon
heute bei anderen Verstößen vorgesehen sind, ohne dass
deshalb das Vertrauensverhältnis von Ärzten und Ärztinnen und Patientinnen irgendwie untergraben wird.
Diese drei Punkte sind in unserem Gesetzentwurf,
insbesondere für Frauen, eindeutig besser geregelt. Dies
wurde von der erdrückenden Mehrheit der Sachverständigen und der Gutachten bestätigt.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, mit unserem Gesetzentwurf wird viel erreicht. Die gesamte medizinischpsychosoziale Indikation wird auf ein neues Fundament
gestellt. Es geht eben nicht nur um sogenannte Spätabtreibungen jenseits der 22./23. Woche, nicht an erster
Stelle um die nicht lebensfähigen behinderten Kinder,
sondern auch um die Möglichkeit des Lebens mit einem
behinderten Kind, etwa mit Down-Syndrom. Diese
Möglichkeit wollen wir verbessern.
({4})
Vor allen Dingen werden mit unserem Gesetzentwurf
die Frauen gestärkt; denn Beratung - so hat es einer der
Sachverständigen ausgedrückt - ist in diesem Fall Freiheitsvorsorge: Die Frauen können dadurch von ihrer
Freiheit, von ihrem unantastbaren Selbstbestimmungsrecht besser Gebrauch machen, weil sie informierter
sind.
({5})
Ich werde auch dem Statistikteil zustimmen, weil die
Anonymität gesichert ist und es - das wurde durch den
Bundesdatenschutzbeauftragten bestätigt - keinerlei datenschutzrechtliche Probleme gibt, weil wir mehr wissen
müssen, wenn wir helfen wollen, und weil wir damit
auch verfassungsrechtlichen Vorgaben nachkommen. Ich
werde dem Antrag von Christel Humme und anderen zustimmen, weil er unseren Gesetzentwurf wirkungsvoll
ergänzt. Ich bitte Sie, ein Gleiches zu tun.
({6})
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, gestatten Sie mir
zum Schluss noch eine ganz kurze persönliche Anmerkung. Dies ist wahrscheinlich meine letzte Rede in diesem Parlament - nach 29 Jahren hauptberuflicher politischer Tätigkeit, davon 21 Jahre auf Bundesebene. Ich
bin froh, dass ich diese Rede zu einem mir sehr wichtigen Thema und zu diesem gruppenübergreifenden Gesetzentwurf halten darf. Ich möchte Ihnen allen, den Mitgliedern aller Fraktionen, für diese Zeit danken; denn ich
habe in allen Fraktionen Freunde und Freundinnen gewonnen. Die 29 Jahre Politik waren für mich die intensivste Zeit meines Lebens. Ich habe mich mit Themen
beschäftigt, mit denen ich mich sonst nie beschäftigt
hätte. Ich habe Menschen kennengelernt, die ich sonst
nie kennengelernt hätte. Ich habe natürlich auch Enttäuschungen erlebt, aber vieles - so wird es hoffentlich
auch heute sein - mit durchsetzen können.
Das Positive hat insgesamt überwogen. Ich glaube,
die meisten von uns empfinden es ähnlich; deshalb mein
Dank. Mein Wunsch an Sie, die Sie weitermachen:
Strahlen Sie Freude und Befriedigung über unsere Mandatstätigkeit aus, um damit vor allen Dingen bei jungen
Menschen das Engagement für Parlamentarismus, für
Demokratie und für unser Land zu stärken.
({7})
Liebe Kollegin Schmidt, ich möchte den Respekt, den
Ihnen das Haus gerade mit demonstrativem Beifall zum
Ausdruck gebracht hat, auch für das Präsidium des Bundestages ausdrücklich bekräftigen. Wir alle trösten uns
mit dem Gedanken, dass Sie uns noch einige Monate
hier im Hause erhalten bleiben.
({0})
Nun hat die Kollegin Elke Ferner das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist für mich jetzt das zweite Mal, dass ich in diesem
Haus zum Themenkreis „Schwangerschaftskonflikte,
§ 218 und Schwangerschaftskonfliktgesetz“ reden kann.
Wir haben 1992 mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz die embryopathische Indikation aus guten
Gründen abgeschafft. Das bedeutet, dass eine mögliche
Behinderung des Kindes seit 1992 kein Rechtfertigungsgrund mehr für einen Schwangerschaftsabbruch ist.
Stattdessen haben wir damals eine weitgefasste medizinisch-soziale Indikation beschlossen; und diese Indikation ist damals auch bewusst weitgefasst worden. Sie
umfasst eben kein alleiniges Entscheidungsrecht der
Schwangeren. Auch das ist bewusst so entschieden worden, weil es für diese Indikation im Gegensatz zur Fristenregelung gemäß Abs. 1 des § 218 a keinerlei Fristen
gibt.
Die medizinisch-soziale Indikation umfasst außerdem
nicht nur die sogenannten Spätabbrüche, sondern auch
alle Schwangerschaftsabbrüche in einem früheren Stadium. Es entscheidet der Arzt bzw. die Ärztin im Gespräch mit der Schwangeren, ob die Voraussetzungen für
eine solche Indikation gegeben sind, und zwar anhand
der jeweils sehr unterschiedlichen, sehr individuellen Situation und der Lebensumstände der Frau. Diese passen
eben nicht in irgendein Schema hinein.
({0})
In jedem Fall - das ist unstrittig - handelt es sich dabei für die Schwangere um eine sehr schwerwiegende,
eine tiefgreifende Grenzsituation, zumal, wenn es sich
nicht um eine ungewollte Schwangerschaft, sondern um
ein Wunschkind handelt. Keine Frau geht mit einer solchen Situation leichtfertig um.
({1})
Sie braucht Information und Unterstützung, und zwar
nicht nur in der Phase, in der möglicherweise ganz
schwere und existenzielle Entscheidungen zu treffen
sind.
Wir wollen Beratung und Information von Anfang an.
Wir wollen, dass die Frauen bereits mit der Aushändigung des Mutterpasses auch Informationen über ihre
Rechtsansprüche nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz erhalten. Das sind eben nicht nur Informationen
über oder eine Beratung hin zu einem Schwangerschaftskonflikt, sondern Informationen und Beratung hinsichtlich der Schwangerschaft als solcher.
({2})
Wir wollen, dass Frauen bereits vor einer Pränataldiagnostik umfassende Informationen und Beratung durch
ihren Arzt bzw. ihre Ärztin erhalten, und zwar über die
Chancen und die Risiken, aber auch über die Aussagekraft der Diagnostik und auch darüber, dass sie ein Recht
auf Nichtwissen haben und nicht jede mögliche Diagnostik durchführen lassen müssen.
({3})
Dies haben wir im Gendiagnostikgesetz bereits gesetzlich verankert, und dies wollen wir jetzt auch für die
übrige Pränataldiagnostik ebenso regeln.
Frau Kollegin Ferner, entschuldigen Sie bitte.
Darf ich vielleicht insbesondere diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt zu den bevorstehenden Abstimmungen ins Plenum kommen, bitten, sich auf die
Plätze zu begeben und den beiden letzten Rednern mit
der gleichen Konzentration zuzuhören, wie das in der
bisherigen Debatte, wie ich finde, in angemessener
Weise der Fall gewesen ist.
({0})
Wir setzen Ihre Rede, Frau Ferner, fort, wenn möglichst alle dieser gutgemeinten Aufforderung tatsächlich
Folge geleistet haben. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Bitte schön, Frau Ferner.
Wir sind der Überzeugung, dass die Frauen bereits
vor der Pränataldiagnostik gut informiert werden müssen, damit sie dann, wenn sie gut informiert sind, nicht
zu einer Pränataldiagnostik gedrängt werden können,
was wir leider viel zu häufig hören. Diese frühe umfassende Information und Beratung sehen wir in unserem
Gesetzentwurf vor. Im Gesetzentwurf Singhammer,
Griese, Lenke ist dies nicht vorgesehen.
({0})
Wir wollen eine ausreichende Bedenkzeit und keine
starre Frist. Wenn nach einer Diagnostik ein Befund vorliegt, der eine medizinisch-soziale Indikation rechtfertigen würde, braucht die Schwangere auch nach unserer
Auffassung Zeit und Unterstützung, um sich mit ihrem
Arzt oder ihrer Ärztin, ihrem Partner und ihrer Familie
zu beraten oder um sich bei einer anerkannten Beratungsstelle Rat und Hilfe zu suchen. Denn sie, die
Schwangere, muss zum Schluss alleine eine Entscheidung treffen, mit der sie auch leben kann. Wie viel Zeit
eine Schwangere dafür braucht, ist sehr unterschiedlich.
Das hängt von ihrer ganz persönlichen, ganz individuellen Lebenssituation ab. Deshalb sehen wir in unserem
Gesetzentwurf eine „ausreichende Bedenkzeit“ und
keine starre Frist vor, von der nur sehr schwer abgewichen werden kann, wie dies im Gesetzentwurf von
Singhammer, Griese, Lenke der Fall ist.
({1})
Welche Frist im Einzelfall ausreichend ist, kann nach
unserer Auffassung nicht der Gesetzgeber vorschreiben,
sondern dies kann nur von der Schwangeren selbst und
ihrem Arzt oder ihrer Ärztin entschieden werden. In den
meisten Fällen werden dies mehr als drei Tage sein. Es
gibt aber auch Konstellationen, in denen es weniger als
drei Tage sein können. Wir wollen den Frauen, die sich
bereits sehr intensiv und umfassend informiert haben
und keine zusätzliche Bedenkzeit mehr brauchen, diese
auch nicht zumuten, damit sie nicht länger warten müssen. Warum sollen wir einer Frau, deren Kind nicht lebensfähig sein wird, weil es beispielsweise kein Gehirn
hat oder lebensnotwendige Organe fehlen, eine weitere
Wartezeit auferlegen? Warum sollen wir einer Frau, die
einen schwerwiegenden Gendefekt vererben kann und
sich mit dieser Problematik möglicherweise schon während einer früheren Schwangerschaft sehr intensiv auseinandergesetzt hat, über diesen Umweg der Dreitagefrist für den Arzt zwischen Befund und Indikationsstellung
noch eine Wartezeit auferlegen? Und warum sollen wir
einer Frau, die bereits ein schwerstbehindertes Kind hat
und all ihre Liebe, Zeit und Kraft für dieses Kind und
ihre Familie braucht, eine Wartezeit auferlegen? Das ist
unbarmherzig und verletzt die Würde der Frau.
({2})
Neben dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes
müssen wir auch die Würde der Frau achten und den
Respekt für ihre ganz persönliche, für eine tiefgreifende
und schwerwiegende Entscheidung aufbringen, eine
Entscheidung, die sie für sich selber in einer ihr angemessenen Frist treffen können muss.
Auch die Androhung von Ordnungswidrigkeiten - das
ist bereits gesagt worden - trägt nicht dazu bei, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin zu stärken, sondern wird ein Abweichen von der Dreitagefrist
sehr viel weniger möglich machen. Ob ausreichend Zeit
vorhanden ist, hängt nach unserer Auffassung nicht von
diesen drei Tagen ab; denn in diesen drei Tagen kann
eben nicht geklärt werden, wie sich die Situation später
darstellt, ob das Kind in eine Regelkita, in eine Regelschule gehen kann oder ob es, wie leider viel zu oft in
unserem Land, Sondereinrichtungen besuchen muss.
Frau Kollegin, Sie müssen langsam zum Ende Ihrer
Rede kommen.
Bei den anderen ist es auch immer sehr großzügig gehandhabt worden. Aber ich komme zum Schluss.
Ich habe einen relativ guten Überblick, Frau Ferner.
Die Entschleunigung, über die immer geredet wird,
wird nach unserer Auffassung besser dadurch erreicht,
dass wir bereits sehr frühzeitig Informationen bereitstellen und den Frauen die Möglichkeit geben, sich mit einer
möglichen Situation auseinanderzusetzen, als alles auf
drei Tage zu konzentrieren.
({0})
Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Wenn Sie
mit uns der Meinung sind, dass Frauen das Recht auf
umfassende Information und Beratung bereits vor einer
Pränataldiagnostik erhalten sollen, damit sie ohne Bedrängung gut informiert zu einer verantwortlichen Entscheidung gelangen können, wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass nicht wir als Gesetzgeber festlegen
sollten, was eine ausreichende Bedenkzeit ist, sondern
die Frauen gemeinsam mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin
dies entscheiden sollten, damit auch in schwierigen Lagen die Würde der Frau geachtet und gewahrt wird, und
wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass das Vertrauensverhältnis zwischen der Schwangeren und ihrem Arzt
sowie dessen freie Berufsausübung nicht durch die Androhung von Ordnungswidrigkeit belastet werden sollen,
dann stimmen Sie mit uns gegen den Gesetzentwurf von
Singhammer, Griese und Lenke und für unseren Gesetzentwurf mit seiner liberalen Regelung. Unser Gesetzentwurf hält fest an dem Konsens von 1992. Bei ihm stehen
Hilfen statt Sanktionen im Mittelpunkt, und er achtet die
Würde der Frau ebenso wie den Schutz des ungeborenen
Lebens.
({1})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Johannes Singhammer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für dieses Parlament. Vor einem Jahr hätte sich kaum jemand vorstellen können,
dass es eine breite parlamentarische Basis für zumindest
ein Ziel gibt: die Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes.
({0})
Bei unserem Gruppenantrag haben sich Kolleginnen und
Kollegen zusammengefunden, die nicht in einem fortwährenden engsten Schulterschluss stehen, sondern aus
verschiedensten Fraktionen kommen, wie es bester parlamentarischer Tradition entspricht.
({1})
Unser gruppenübergreifender Antrag hat ein Ziel: Wir
wollen Frauen und ihren Angehörigen in einer existenziellen Notlage helfen, und wir hoffen darauf, dass die
Zahl der Spätabtreibungen sich verringert. Wir wollen
nachprüfbare Verbesserungen und es nicht bei weißer
Salbe belassen.
Was ist die wichtigste Hilfe, die man anbieten kann?
Die wichtigste Hilfe für eine schwangere Frau, die in einem Gespräch mit dem Arzt mit einer für sie so schlimmen Nachricht konfrontiert wird, ist das Recht auf umfassende Beratung und die Verpflichtung des beratenden
Arztes, darauf einzugehen. Diese Verpflichtung ist Teil
eines Bündels von Pflichten. Neben der Beratungspflicht
hat der Arzt die Pflicht, weitere Ärzte hinzuzuziehen, die
spezielle Erfahrungen haben. Außerdem gibt es eine
Hinweispflicht in Bezug auf psychosoziale Beratungsstellen und eine Vermittlungspflicht in Bezug auf psychosoziale Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.
Eine Mindestbedenkzeit ab Diagnosestellung ist
keine zusätzliche Belastung, sondern in diesem Programm der erweiterten Unterstützung notwendig. Dabei
ist uns besonders wichtig, dass die Zeit zum Nachdenken
mit der Diagnosestellung beginnt, also mit dem Zeitpunkt, an dem die Frau mit der Nachricht konfrontiert
wird, denn dann braucht sie diese Zeit. Nach dem anderen Gesetzentwurf soll dieser Zeitraum erst beginnen,
wenn der Arzt seinen Entscheidungsprozess mit der In24212
dikation beendet hat. Das ist ein späterer Zeitpunkt, was
wir als nicht so günstig empfinden.
Ich möchte mich an dieser Stelle vor allem für die positive Begleitung bedanken, die wir von Verbänden und
Institutionen erhalten haben. Ich möchte gerade zu dem
Punkt der Zeitdauer des Nachdenkens für die Unterstützung durch viele Zuschriften danken, beispielsweise der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die noch
am 4. Mai dieses Jahres erklärt hat, dass die Mindestbedenkzeit von wenigstens drei Tagen „zeitlich vor der Zumutung möglichst rascher Entscheidung“ geschützt zu
werdender Frauen dient.
Es ist immer wieder die Frage nach der Statistik aufgetaucht. Statistik ist in diesem Gesamtzusammenhang
sicherlich eine Thematik, die nicht direkt im Zentrum
steht. Warum brauchen wir also eine statistische Verbesserung? Wir brauchen sie deshalb, weil Politik, Experten
und Ärzte keine belastbaren Zahlen haben. Das hat beispielsweise die Bundesärztekammer bei der Anhörung
im Familienausschuss erklärt und darauf hingewiesen,
dass es noch Lücken gibt, die präzise Aussagen verhindern. In den letzten Tagen hat die Bundesvereinigung
Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung
noch einmal eindringlich dafür geworben, klare Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Zahlen zutreffen und
welche Dimension die Problematik, über die wir heute
reden, hat. Deshalb werbe ich für diese statistische Erhebung.
Am Ende einer manchmal sicherlich auch emotional,
aber immer mit großer Ernsthaftigkeit geführten Debatte
außerhalb und innerhalb des Deutschen Bundestages
möchte ich allen danken, die in einem langen und sehr
intensiven Diskussionsprozess das Trennende verkleinert und das Gemeinsame erweitert haben. Ich danke allen, die über Fraktionsgrenzen und über sonst festgefügten politischen Blöcken hinweg die gesetzlichen
Rahmenbedingungen verbessern wollen. Ich weiß, dass
dabei viele bis an die Grenze des Zumutbaren für sich
selbst und für ihre politischen Freunde gegangen sind.
Ihnen allen danke ich. Die Mühe hat sich gelohnt. Ich
bitte um Zustimmung für unseren Gesetzentwurf.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Ich bitte darum, dass Sie noch einen Augenblick Platz
nehmen, weil noch eine Reihe von Erläuterungen zu
dem Abstimmungsverfahren notwendig sind, das nicht
dem entspricht, was sonst in Gesetzgebungsverfahren
üblich ist. Es muss aber niemand Sorge habe, er könnte
den Aufruf der ersten von zahlreichen namentlichen Abstimmungen verpassen.
Ich möchte zunächst allen Kolleginnen und Kollegen
- nicht nur denen, die in dieser Debatte gesprochen haben - herzlich dafür danken, dass sie sich über viele Monate und über die Fraktionsgrenzen hinweg in bemerkenswerter Weise um eine angemessene, sachgerechte
und tragfähige Lösung einer besonders schwierigen Fragestellung bemüht haben, die den Gesetzgeber vor ganz
besondere Herausforderungen stellt.
({0})
Diese Bemühungen sind vorhin von vielen Rednerin-
nen und Rednern zu Recht wechselseitig anerkannt und
gewürdigt worden. Ich will zur Ergänzung nur noch da-
rauf hinweisen, dass diese Bemühungen nicht heute im
Plenarsaal begonnen haben. Sie gab es schon über Mo-
nate hinweg in eher unauffälliger Weise. Da sich das öf-
fentliche Bild parlamentarischer Entscheidungsprozesse
ganz wesentlich über diesen Schlussakt vermittelt, ist
der Hinweis vielleicht nicht gänzlich überflüssig, dass
ein beachtlicher Teil dieser - in diesem Fall - besonders
langwierigen und sorgfältigen Urteilsbildung eher un-
auffällig über Monate hinweg stattgefunden hat.
Ich weise ferner darauf hin, dass es zu den Gesetzent-
würfen, zu deren Alternative bzw. zu deren Zusammen-
führung ich nachher einige Erläuterungen vortragen
werde, einige Erklärungen zur Abstimmung nach § 31
unserer Geschäftsordnung gibt. Die Kolleginnen und
Kollegen Marieluise Beck, Ilja Seifert, Hubert Hüppe,
Thilo Hoppe und Michael Brand haben solche Erklärun-
gen abgegeben. Frau Pieper wie Frau Gruß weisen im
Übrigen darauf hin, dass sie fälschlicherweise im
Rubrum des zusammengeführten Gesetzentwurfes
„Singhammer, Griese und Lenke“ aufgeführt werden.
Das wird im Protokoll entsprechend korrigiert.1)
Ich darf Sie nun auf das Abstimmungsverfahren hin-
weisen, über das es Einverständnis zwischen den Frak-
tionen auf der Basis der Vorberatungen im federführen-
den Ausschuss gibt.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat in seiner Beschlussempfehlung auf der Druck-
sache 16/12970, die Ihnen vorliegt, empfohlen, über die
Vorlagen einen Beschluss herbeizuführen. Dabei hat er
ein bestimmtes Votum nicht abgegeben.
Zunächst wird über den zusammengeführten Gesetz-
entwurf der drei Gruppen - Singhammer, Griese und
Lenke - abgestimmt. Dazu wird in zweiter Lesung eine
getrennte Abstimmung verlangt, wobei über beide Teile
dieses Gesetzentwurfs jeweils namentlich abgestimmt
wird. Danach müssen wir die Sitzung bis zur Auszäh-
lung dieser Abstimmungsergebnisse unterbrechen, weil
das Ergebnis die Voraussetzung für die Schlussabstim-
mung ist. Sollte ein Teil des Gesetzentwurfs nicht die
Mehrheit finden, müssen wir über den verbleibenden
Teil des Gesetzes erneut in zweiter Lesung befinden.
Auch in dieser zweiten Lesung würde dann namentlich
abgestimmt werden. Die Schlussabstimmung nach der
zweiten Lesung soll ebenfalls namentlich erfolgen. Wir
würden dann das Abstimmungsergebnis auszählen und
die Sitzung dafür unterbrechen müssen.
Über den Gesetzentwurf der Gruppe Humme wird nur
dann abgestimmt, wenn der zusammengeführte Gesetz-
1) Anlagen 32 bis 39
Präsident Dr. Norbert Lammert
entwurf, über den wir zuerst abstimmen, keine Mehrheit
gefunden haben sollte. Wenn er zur Abstimmung
kommt, wird auch über diesen Gesetzentwurf nament-
lich abgestimmt.
Nachdem wir dann über die Gesetzentwürfe abschlie-
ßend befunden haben, rufe ich die beiden Anträge der
Gruppen Dr. Tackmann und Humme auf, über die eben-
falls namentlich abgestimmt wird.
Ich werde mich bemühen, vor den jeweiligen Abstim-
mungen noch einmal zu verdeutlichen, was gerade kon-
kret Gegenstand der aufgerufenen Abstimmung ist. Wir
sind uns sicher alle einig, dass dieses Thema eine beson-
dere Sorgfalt verdient.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen unter dem
Tagesordnungspunkt 3 a. Hier geht es um die Abstim-
mung über den von den Abgeordneten Volker Kauder,
Renate Schmidt, Johannes Singhammer und weiteren
Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auf der
Drucksache 16/11106 sowie über den von den Abgeord-
neten Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea
Nahles und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ge-
setzentwurf auf der Drucksache 16/11347 und über den
von den Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk,
Ulrike Flach und weiteren Abgeordneten eingebrachten
Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskon-
fliktgesetzes auf der Drucksache 16/11330.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussempfeh-
lung auf der vorhin zitierten Drucksache, die genannten
drei Gesetzentwürfe zusammenzuführen und über die
vom Ausschuss vorgelegte Fassung eines Gesetzes zur
Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes einen
Beschluss herbeizuführen. Dazu regt der Ausschuss die
von mir vorhin vorgetragene Trennung in die beiden
Teile des Gesetzentwurfs an. Wir stimmen also zunächst
über die Artikel außerhalb des Statistikteils ab.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir zu diesem zu-
sammengeführten Gesetzentwurf insgesamt bis zu vier
namentliche Abstimmungen durchführen müssen. Da
getrennte Abstimmung beantragt ist, stimmen wir zu-
nächst über Art. 1 Nr. 1 bis Art. 1 Nr. 3, Art. 2 sowie
Einleitung und Überschrift in der Ausschussfassung ab.
Ich hoffe, dass niemand Zweifel über den Gegenstand
der Abstimmung hat; jedenfalls wird er nicht geltend ge-
macht. Ich habe auch den Eindruck, dass alle Abstim-
mungsurnen mit Schriftführerinnen und Schriftführern
versehen sind. - Das ist der Fall. Dann eröffne ich hier-
mit die erste namentliche Abstimmung.
Ich möchte die erste namentliche Abstimmung
schließen. Vorher möchte ich mich vergewissern, ob
noch ein Kollege oder eine Kollegin anwesend ist, der
oder die seine oder ihre Stimmkarte noch nicht abgege-
ben hat. - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Wir geben das Ergebnis dieser Abstimmung später
bekannt.
Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir kommen nun
zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 4 in der Ausschussfas-
sung. Das ist die Abstimmung über den Statistikteil des
Gesetzentwurfes, der vorhin in der Aussprache mehrfach
erläutert worden ist.
Ich darf darum bitten, die ausgetauschten, nun hof-
fentlich leeren Abstimmungsurnen mit den Schriftführe-
rinnen und Schriftführern von Koalition und Opposition
wieder paritätisch zu besetzen. Kann man mir bitte si-
gnalisieren, ob dies geschehen ist? - Das ist so.
Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstim-
mung.
Darf ich mich vergewissern, ob für die zweite na-
mentliche Abstimmung alle anwesenden Kolleginnen
und Kollegen ihre Stimmkarte abgegeben haben? - Ich
mache auch darauf aufmerksam, dass das Probesitzen
auf der Regierungsbank die Teilnahme an namentlichen
Abstimmungen nicht ersetzen kann. - Keine weiteren
Meldungen. Dann schließe ich die zweite namentliche
Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung dieser Abstimmung zu
beginnen.1)
Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung, weil
deren Ergebnis Voraussetzung für die dritte Lesung oder
den Wiedereinstieg in die zweite Lesung sein wird.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir das Ganze jetzt
nicht in Form eines Sit-ins fortführten, sondern für die
Bekanntgabe der Ergebnisse eine halbwegs geordnete
Plenarformation einnehmen könnten.
Ich teile Ihnen nun die Ergebnisse der beiden nament-
lichen Abstimmungen mit.
Zunächst teile ich Ihnen das von den Schriftführerin-
nen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der nament-
lichen Abstimmung über die Art. 1 Nr. 1 bis 3, Art. 2
sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschussfas-
sung mit - die davon betroffenen Drucksachen können
wir, wie ich glaube, als bekannt voraussetzen -: Abgege-
bene Stimmen 566. Mit Ja haben gestimmt 329, mit Nein
haben gestimmt 237, Enthaltungen gab es nicht. Damit
sind die gerade genannten Artikel sowie Einleitung und
Überschrift dieses Gesetzentwurfes mit Mehrheit ange-
nommen.
1) Ergebnis Seite 24216 C
Präsident Dr. Norbert Lammert
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 565;
davon
ja: 328
nein: 237
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({1})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Stephan Eisel
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({2})
Dirk Fischer ({3})
Axel E. Fischer ({4})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({5})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({6})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({7})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({8})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({9})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer ({10})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({11})
Stefan Müller ({12})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({13})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({14})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({15})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({16})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({17})
Andreas Schmidt ({18})
Ingo Schmitt ({19})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({20})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({21})
Gerald Weiß ({22})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({23})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Dr. Axel Berg
Bernhard Brinkmann
({24})
Marion Caspers-Merk
Garrelt Duin
Siegmund Ehrmann
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Dieter Grasedieck
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
({25})
Stephan Hilsberg
Dr. Eva Högl
Johannes Jung ({26})
Josip Juratovic
Ulrich Kasparick
Hans-Ulrich Klose
Angelika Krüger-Leißner
Katja Mast
Markus Meckel
Ursula Mogg
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Thomas Oppermann
Dr. Wilhelm Priesmeier
Steffen Reiche ({27})
René Röspel
Präsident Dr. Norbert Lammert
Michael Roth ({28})
Marianne Schieder
Ulla Schmidt ({29})
Silvia Schmidt ({30})
Renate Schmidt ({31})
Carsten Schneider ({32})
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Dr. Marlies Volkmer
Andreas Weigel
Gert Weisskirchen
({33})
Lydia Westrich
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({34})
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Michael Link ({35})
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
({36})
Dr. Konrad Schily
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({37})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({38})
Hans Josef Fell
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Markus Kurth
Kerstin Müller ({39})
Christine Scheel
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ernst Bahr ({40})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Klaus Uwe Benneter
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({41})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Detlef Dzembritzki
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({42})
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({43})
Iris Hoffmann ({44})
Frank Hofmann ({45})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({46})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({47})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({48})
Michael Müller ({49})
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({50})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({51})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({52})
Otto Schily
Heinz Schmitt ({53})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
({54})
Swen Schulz ({55})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({56})
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Horst Friedrich ({57})
Miriam Gruß
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Präsident Dr. Norbert Lammert
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({58})
Volker Schneider
({59})
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({60})
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({61})
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({62})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
({63})
Nun teile ich Ihnen das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlider Statistikteil dieses Gesetzentwurfes -: Hierzu sind
561 Stimmen abgegeben worden. Es gab 3 Enthaltungen, mit Ja haben gestimmt 256, mit Nein haben gestimmt 302. Damit ist dieser Teil des Gesetzentwurfes
mehrheitlich abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 559;
davon
ja: 255
nein: 301
enthalten: 3
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({64})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({65})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Stephan Eisel
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({66})
Dirk Fischer ({67})
Axel E. Fischer ({68})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({69})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({70})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({71})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({72})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({73})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer ({74})
Präsident Dr. Norbert Lammert
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({75})
Stefan Müller ({76})
Dr. Gerd Müller
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({77})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({78})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({79})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({80})
Andreas Schmidt ({81})
Ingo Schmitt ({82})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({83})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({84})
Gerald Weiß ({85})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({86})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Bernhard Brinkmann
({87})
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Ulrich Kasparick
Franz Müntefering
Renate Schmidt ({88})
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Marlies Volkmer
Dr. Wolfgang Wodarg
FDP
Christian Ahrendt
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
({89})
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Dr. Harald Terpe
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
Peter Hintze
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Ernst Bahr ({90})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({91})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({92})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
({93})
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({94})
Iris Hoffmann ({95})
Frank Hofmann ({96})
Dr. Eva Högl
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Johannes Jung ({97})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({98})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({99})
Ulrike Merten
Präsident Dr. Norbert Lammert
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({100})
Michael Müller ({101})
Gesine Multhaupt
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({102})
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({103})
Michael Roth ({104})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({105})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({106})
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({107})
Silvia Schmidt ({108})
Heinz Schmitt ({109})
Carsten Schneider ({110})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
({111})
Swen Schulz ({112})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({113})
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Waltraud Wolff
({114})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Uwe Barth
Patrick Döring
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({115})
Miriam Gruß
Joachim Günther ({116})
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({117})
Dirk Niebel
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Dr. Guido Westerwelle
Hartfrid Wolff ({118})
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({119})
Volker Schneider
({120})
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({121})
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({122})
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({123})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({124})
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({125})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Enthalten
FDP
Dr. Konrad Schily
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
({126})
Da ein Teil des Gesetzentwurfes in zweiter Beratung
abgelehnt ist, müssen wir, auch nach der Verständigung,
die unter den Gruppen und zwischen den Fraktionen
über das Verfahren herbeigeführt worden ist, über den
insoweit geänderten Gesetzentwurf in zweiter Beratung
erneut abstimmen. Auch hierzu ist eine namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte also wieder, die entsprechenden Urnen zu besetzen und mir ein Signal zu geben,
wann mit der dritten namentlichen Abstimmung begonnen werden kann. - Ich eröffne die dritte namentliche
Abstimmung.
Ich frage, ob noch eine Kollegin oder ein Kollege anwesend ist, die ihre oder der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann
Präsident Dr. Norbert Lammert
schließe ich die dritte namentliche Abstimmung und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen.
Wir unterbrechen auch hier die Sitzung, bis das Ergebnis dieser namentlichen Abstimmung ausgezählt ist,
und treten dann in die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf ein. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen,
die in der Zwischenzeit Wichtiges erledigen wollen oder
müssen, bitte ich, von einer nicht allzu großzügigen
Pause auszugehen und nicht hinterher mit mehreren Karten in der Hand um Ausnahmeregelungen für abgeschlossene Abstimmungen zu bitten.
({127})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfes der
Abgeordneten Johannes Singhammer, Kerstin Griese,
Ina Lenke und weiterer Abgeordneter in der Ausschussfassung einschließlich der beschlossenen Änderungen
bekannt: abgegebene Stimmen 561, Enthaltungen keine.
Mit Ja haben gestimmt 327, mit Nein haben gestimmt
234. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 560;
davon
ja: 326
nein: 234
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({1})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Stephan Eisel
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({2})
Dirk Fischer ({3})
Axel E. Fischer ({4})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({5})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({6})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({7})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({8})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({9})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer ({10})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({11})
Stefan Müller ({12})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({13})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({14})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Albert Rupprecht ({15})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({16})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({17})
Andreas Schmidt ({18})
Ingo Schmitt ({19})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Präsident Dr. Norbert Lammert
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({20})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({21})
Gerald Weiß ({22})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({23})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Dr. Axel Berg
Bernhard Brinkmann
({24})
Marion Caspers-Merk
Garrelt Duin
Siegmund Ehrmann
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Dieter Grasedieck
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
({25})
Stephan Hilsberg
Dr. Eva Högl
Johannes Jung ({26})
Josip Juratovic
Ulrich Kasparick
Hans-Ulrich Klose
Angelika Krüger-Leißner
Katja Mast
Markus Meckel
Ursula Mogg
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Thomas Oppermann
Dr. Wilhelm Priesmeier
Steffen Reiche ({27})
René Röspel
Michael Roth ({28})
Marianne Schieder
Ulla Schmidt ({29})
Silvia Schmidt ({30})
Renate Schmidt ({31})
Carsten Schneider ({32})
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Dr. Marlies Volkmer
Andreas Weigel
Gert Weisskirchen
({33})
Lydia Westrich
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({34})
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Michael Link ({35})
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
({36})
Dr. Konrad Schily
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({37})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({38})
Hans Josef Fell
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Markus Kurth
Kerstin Müller ({39})
Christine Scheel
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ernst Bahr ({40})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Klaus Uwe Benneter
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({41})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Detlef Dzembritzki
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({42})
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({43})
Iris Hoffmann ({44})
Frank Hofmann ({45})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({46})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({47})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({48})
Michael Müller ({49})
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Präsident Dr. Norbert Lammert
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({50})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({51})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({52})
Otto Schily
Heinz Schmitt ({53})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({54})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({55})
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Horst Friedrich ({56})
Miriam Gruß
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({57})
Volker Schneider
({58})
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({59})
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({60})
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({61})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
({62})
Wir treten unmittelbar in die
dritte Beratung
und Schlussabstimmung ein. - Ich sehe dagegen keinen
Widerspruch. Dann stimmen wir jetzt in dritter Lesung
wiederum in namentlicher Abstimmung über den zusammengeführten Gesetzentwurf der genannten Kolleginnen
und Kollegen ab. Ich bitte wiederum die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. - Die
namentliche Abstimmung ist eröffnet.
Darf ich fragen, ob noch jemand anwesend ist, der
stimmberechtigt ist, aber seine Stimmkarte noch nicht
abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließen
wir auch diese namentliche Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Die Sitzung wird jetzt wiederum bis zur Auszählung
des Ergebnisses unterbrochen. Anschließend finden zwei
weitere namentliche Abstimmungen über die Anträge
statt, die vorhin vorgetragen und angekündigt worden
sind.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({63})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Ich teile Ihnen
das Ergebnis der namentlichen Abstimmung mit. Anschließend haben wir zwei weitere namentliche Abstimmungen durchzuführen.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Johannes
Singhammer, Kerstin Griese, Ina Lenke und weiteren
Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes bekannt: Es wurden 560 Stimmen abgegeben. Enthaltungen gibt es keine. Mit Ja haben gestimmt 326 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 234. Damit ist der
Gesetzentwurf in dritter Beratung angenommen.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 560;
davon
ja: 326
nein: 234
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({1})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Stephan Eisel
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({2})
Dirk Fischer ({3})
Axel E. Fischer ({4})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({5})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({6})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({7})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({8})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({9})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer ({10})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({11})
Stefan Müller ({12})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({13})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({14})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({15})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({16})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({17})
Andreas Schmidt ({18})
Ingo Schmitt ({19})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({20})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({21})
Gerald Weiß ({22})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({23})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Dr. Axel Berg
Bernhard Brinkmann
({24})
Marion Caspers-Merk
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Dieter Grasedieck
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
({25})
Stephan Hilsberg
Johannes Jung ({26})
Josip Juratovic
Ulrich Kasparick
Hans-Ulrich Klose
Angelika Krüger-Leißner
Katja Mast
Markus Meckel
Ursula Mogg
Franz Müntefering
Thomas Oppermann
Dr. Wilhelm Priesmeier
Steffen Reiche ({27})
René Röspel
Michael Roth ({28})
Marianne Schieder
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ulla Schmidt ({29})
Silvia Schmidt ({30})
Renate Schmidt ({31})
Carsten Schneider ({32})
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Dr. Marlies Volkmer
Andreas Weigel
Gert Weisskirchen
({33})
Lydia Westrich
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({34})
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Michael Link ({35})
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
({36})
Dr. Konrad Schily
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({37})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({38})
Hans Josef Fell
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Markus Kurth
Kerstin Müller ({39})
Christine Scheel
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ernst Bahr ({40})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Klaus Uwe Benneter
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({41})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({42})
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({43})
Iris Hoffmann ({44})
Frank Hofmann ({45})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({46})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({47})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({48})
Michael Müller ({49})
Gesine Multhaupt
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({50})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({51})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({52})
Otto Schily
Heinz Schmitt ({53})
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
({54})
Swen Schulz ({55})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({56})
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Horst Friedrich ({57})
Miriam Gruß
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Präsident Dr. Norbert Lammert
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({58})
Volker Schneider
({59})
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({60})
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({61})
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({62})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
({63})
Mit der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf ent-
fällt die weitere Abstimmung über den Gesetzentwurf
der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-
Gerigk, Elke Ferner und weiterer Abgeordneter auf
Drucksache 16/12664.
Tagesordnungspunkt 3 b. Wir stimmen nun ab über
den Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann,
Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordneter
mit dem Titel „Späte Schwangerschaftsabbrüche -
Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken“. Der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend emp-
fiehlt unter Ziffer IV seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/12970, über diesen Antrag einen Be-
schluss herbeizuführen. Er gibt dazu wiederum kein ei-
genes Votum ab. Wir stimmen über diesen Antrag na-
mentlich ab. - Ich darf die Schriftführerinnen und
Schriftführer bitten, mir ein Zeichen zu geben, wann wir
mit der Abstimmung beginnen können.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung über diesen
Antrag.
Ich habe den Eindruck, dass wir auch diesen Abstim-
mungsvorgang jetzt abschließen können. - Das ist offen-
kundig der Fall. Dann bitte ich die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1)
Wir stimmen jetzt sofort, während die Stimmen aus-
gezählt werden, über den Antrag der Abgeordneten
Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner
und weiterer Abgeordneter mit dem Titel „Wirkungs-
volle Hilfen in Konfliktsituationen während der Schwan-
gerschaft ausbauen - Volle Teilhabe für Menschen mit
Behinderung sicherstellen“ ab. Der Ausschuss für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt unter Nr. III
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12970,
über den Antrag auf Drucksache 16/11342 in der Aus-
schussfassung einen Beschluss herbeizuführen. Eine in-
1) Ergebnis Seite 24226 C
haltliche Beschlussempfehlung gibt der Ausschuss nicht.
Auch über diesen Antrag stimmen wir auf Wunsch der
Initiatoren namentlich ab. Ich bitte, mir wieder ein Zei-
chen zu geben, wenn alle Urnen besetzt sind.
Da vermutlich viele Kolleginnen und Kollegen nach
Einwerfen ihrer Stimmkarte für andere Geschäfte das
Plenum zwischenzeitlich verlassen wollen, weise ich
darauf hin, dass eine weitere namentliche Abstimmung
im späteren Verlauf des Abends, nach augenblicklicher
Berechnung der Redezeiten, so sich die dafür gemelde-
ten Rednerinnen und Redner daran halten, gegen 22 Uhr,
stattfindet. - Mit dieser fröhlichen Nachricht eröffne ich
nun die vorletzte namentliche Abstimmung des heutigen
Tages.
Gibt es noch jemanden, der für die letzte namentliche
Abstimmung zu dem vorhin aufgerufenen Themen-
komplex seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Dann
schließe ich die letzte namentliche Abstimmung zu die-
sem Tagesordnungspunkt und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2)
Wir setzen die Beratungen sofort mit dem nächsten
Tagesordnungspunkt fort. Es wäre nur schön, wenn diejenigen, die nun andere wichtige Dinge zu erledigen haben, zügig den Plenarsaal verlassen könnten, damit wir
für den nächsten Tagesordnungspunkt die gebotene Aufmerksamkeit haben.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der
internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo
auf der Grundlage der Resolution 1244 ({0})
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz ({1}) und den
2) Ergebnis Seite 24228 B
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien
({2}) und der Republik
Serbien vom 9. Juni 1999
- Drucksache 16/12881 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({3})
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier.
({4})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern
habe ich gemeinsam mit dem Zeithistoriker Conze seine
neue Geschichte der Bundesrepublik vorgestellt. Das
Kapitel zum Kosovo-Krieg ist mit dem Titel „Die Rückkehr des Krieges nach Europa“ überschrieben. Dies hat
mir noch einmal die leidenschaftlichen Diskussionen in
Erinnerung gerufen, die wir in Deutschland - auch hier
im Hohen Hause - damals, vor zehn Jahren, miteinander
geführt haben. Die Entscheidung, uns auf dem Balkan
auch militärisch zu engagieren, haben wir uns miteinander nicht leicht gemacht. Diese Entscheidung hat Geschichte geschrieben. Selbstverständlich ist dies auch
Anlass, dass wir uns selbst immer wieder Rechenschaft
darüber ablegen, was wir erreicht haben.
Ethnische Spannungen auf dem Balkan sind geblieben; aber das Gespenst des Krieges - das ist das Entscheidende - wurde gebannt. Das haben wir gemeinsam
mit anderen erreicht. Darauf können wir stolz sein.
({0})
Auch all die Horrorszenarien, die noch vor einem Jahr
mit Blick auf die Unabhängigkeit des Kosovo an die
Wand gemalt wurden, sind nicht eingetreten. Mittlerweile
haben 58 Staaten den Kosovo anerkannt, darunter - mit
Ausnahme Bosniens und Serbiens - sämtliche Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens. Die überwältigende
Mehrzahl der Staaten in der Region setzt auf Kooperation
und auf Stabilität. Das bedeutet für die Menschen Chancen auf Aussöhnung und die Perspektive einer friedlichen
gemeinsamen Zukunft. Das ist doch das, was wir gemeinsam wollten. Das ist das, was wir erreicht haben.
({1})
Auch Serbien - das sollten wir nicht übersehen agiert inzwischen besonnener, bei allem Beharren auf
seinem vermeintlichen Rechtsanspruch. Auch Serbien
ist bemüht, kein Öl ins Feuer zu gießen. Sowohl die Feierlichkeiten zum Jahrestag der Unabhängigkeit des Kosovo als auch eine Reihe von Gedenktagen im Februar
und im März sind einigermaßen friedlich verlaufen. Wer
sich erinnert, wer die Bedeutung symbolträchtiger Jahrestage auf dem Balkan kennt, der weiß, dass das alles
andere als selbstverständlich ist. Dass es diesmal ruhig
geblieben ist, ist auch ein Fortschritt.
({2})
Dennoch sind die Herausforderungen, vor denen der
Kosovo steht, gewaltig. Der Aufbau der Wirtschaft ist
durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise jetzt
besonders schwierig. Hinzu kommt der Kampf gegen
Korruption und organisierte Kriminalität. All das sind
Riesenaufgaben. Manches geht voran. Letzte Woche ist
Kosovo Mitglied im Internationalen Währungsfonds geworden. Vergangenen Sommer ist die kosovarische Verfassung in Kraft getreten. Das ist ein wichtiger, nicht zu
unterschätzender Grundstein dafür, dass Kosovo-Albaner, Kosovo-Serben und Angehörige anderer Volksgruppen - wenn auch noch nicht miteinander - jetzt fürs
Erste friedlich nebeneinander leben können.
Mit EULEX hat die Europäische Union die bisher
größte zivile EU-Stabilisierungsmission geschaffen. Sie
wird von allen maßgeblichen Akteuren unterstützt: vom
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, von der Regierung
Kosovos, auch von der Regierung Serbiens. Wie Sie wissen, hat Präsident Tadic dies schon Ende 2008 in seinem
Schreiben an Javier Solana ausdrücklich bekräftigt. Auch
hier fragen wir uns noch einmal: Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass wir miteinander so weit kommen? Deshalb sage ich: Auch das sollten wir bei allen Schwierigkeiten, die es noch gibt, wahrlich nicht gering schätzen.
({3})
Wir reden heute über ein Mandat. Trotz aller Fortschritte im Kosovo, in der Gesamtregion, von denen ich
ein paar skizziert habe, wird militärische Präsenz vorerst
weiterhin erforderlich sein. KFOR ist ein Stabilitätsgarant, das sehen nicht nur die Menschen im Kosovo so,
sondern auch die in der gesamten Region, selbst die in
Serbien, wie wir inzwischen wissen. Leider gibt es immer noch einige, die zündeln, Stichwort „Mitrovica“, um
ein Beispiel aus jüngster Zeit zu nennen.
Trotzdem spiegelt die Absenkung der Truppenstärke
im diesjährigen Mandat die insgesamt positiven Entwicklungen in der Gesamtregion wider. Damit der unabhängige Kosovo sobald wie möglich Verantwortung für
die eigene Sicherheit übernehmen kann, hilft KFOR
eben auch beim Aufbau und bei der Ausbildung kosovarischer Sicherheitskräfte.
Die Fortschritte im Kosovo sind sicherlich das Ergebnis unserer beharrlichen, wie ich mich erinnere, nicht immer einfachen, aber immer an den Realitäten ausgerichteten Politik. Es sind vor allen Dingen Ergebnisse des
engagierten Einsatzes unserer Soldatinnen und Soldaten
über die letzten Jahre hinweg. Deshalb sage ich: Ihnen gilt
unser ganz besonderer Dank, unsere Anerkennung.
({4})
Sie sollten auch im kommenden Jahr auf unsere Unterstützung zählen können.
Deshalb, meine Damen und Herren, hoffe ich auf
breite Unterstützung dieses Hohen Hauses für die Verlängerung des Mandates.
Herzlichen Dank.
({5})
Ich komme nun zurück zu Tagesordnungspunkt 3 b
und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten
Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und weiterer Abgeordneter mit dem Titel „Späte Schwangerschaftsabbrüche - Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken“,
Drucksachen 16/11377 und 16/12970, bekannt: abgegebene Stimmen 559. Mit Ja haben gestimmt 47, mit Nein
haben gestimmt 501, Enthaltungen 11. Der Antrag ist
damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 557;
davon
ja: 48
nein: 498
enthalten: 11
Ja
SPD
Michael Roth ({0})
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({1})
Volker Schneider
({2})
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Bettina Herlitzius
Sylvia Kotting-Uhl
Hans-Christian Ströbele
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({3})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({4})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Stephan Eisel
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({5})
Dirk Fischer ({6})
Axel E. Fischer ({7})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({8})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({9})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({10})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({11})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({12})
Wolfgang Meckelburg
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer ({13})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({14})
Stefan Müller ({15})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({16})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({17})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({18})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({19})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({20})
Andreas Schmidt ({21})
Ingo Schmitt ({22})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({23})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({24})
Gerald Weiß ({25})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({26})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Ernst Bahr ({27})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({28})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({29})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({30})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
({31})
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({32})
Iris Hoffmann ({33})
Frank Hofmann ({34})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Johannes Jung ({35})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({36})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({37})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({38})
Michael Müller ({39})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({40})
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({41})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({42})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({43})
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({44})
Silvia Schmidt ({45})
Renate Schmidt ({46})
Heinz Schmitt ({47})
Carsten Schneider ({48})
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
({49})
Swen Schulz ({50})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({51})
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
({52})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({53})
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Miriam Gruß
Joachim Günther ({54})
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({55})
Dr. Erwin Lotter
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
({56})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({57})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({58})
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Renate Künast
Undine Kurth ({59})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({60})
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({61})
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Enthalten
DIE LINKE
Dr. Ilja Seifert
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Priska Hinz ({62})
Ute Koczy
Nicole Maisch
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Rainder Steenblock
Weiterhin gebe ich das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten
Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner
und weiterer Abgeordneter mit dem Titel „Wirkungsvolle Hilfen in Konfliktsituationen während der Schwangerschaft ausbauen - Volle Teilhabe für Menschen mit
Behinderung sicherstellen“, Drucksachen 16/11342 und
16/12970, in der Ausschussfassung bekannt: abgegebene
Stimmen 558. Mit Ja haben gestimmt 463, mit Nein haben gestimmt 62, Enthaltungen 33. Der Antrag ist damit
angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 556;
davon
ja: 461
nein: 62
enthalten: 33
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({63})
Dr. Christoph Bergner
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({64})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Stephan Eisel
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({65})
Dirk Fischer ({66})
Axel E. Fischer ({67})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({68})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({69})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({70})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({71})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer ({72})
Maria Michalk
Dr. h.c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({73})
Stefan Müller ({74})
Dr. Gerd Müller
Bernd Neumann ({75})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({76})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({77})
Anita Schäfer ({78})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Andreas Schmidt ({79})
Ingo Schmitt ({80})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({81})
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({82})
Gerald Weiß ({83})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({84})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h.c. Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Ernst Bahr ({85})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({86})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({87})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Dr. h.c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({88})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
({89})
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({90})
Iris Hoffmann ({91})
Frank Hofmann ({92})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Johannes Jung ({93})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({94})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Markus Meckel
Petra Merkel ({95})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({96})
Michael Müller ({97})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({98})
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({99})
Michael Roth ({100})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({101})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({102})
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({103})
Silvia Schmidt ({104})
Renate Schmidt ({105})
Heinz Schmitt ({106})
Carsten Schneider ({107})
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
({108})
Swen Schulz ({109})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Dr. h.c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({110})
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
({111})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Mechthild Dyckmans
Horst Friedrich ({112})
Miriam Gruß
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dr. Erwin Lotter
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({113})
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({114})
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({115})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({116})
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({117})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Renate Blank
Dr. Michael Fuchs
Stephan Mayer ({118})
Peter Rzepka
Christian Schmidt ({119})
Michael Stübgen
SPD
Ernst Kranz
FDP
Rainer Brüderle
Paul K. Friedhoff
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Michael Link ({120})
Patrick Meinhardt
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Volker Wissing
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Dr. Martina Bunge
Sevim Dagdelen
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({121})
Volker Schneider
({122})
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Enthalten
FDP
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Jörg van Essen
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({123})
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Horst Meierhofer
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
({124})
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({125})
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
({126})
Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Stinner,
FDP-Fraktion.
({127})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es
richtig, dass wir uns angesichts veränderter Rahmenbedingungen im Kosovo heute wieder einmal in einer Debatte im Bundestag mit der Verlängerung dieses wichtigen Mandates beschäftigen, das ja nicht mehr so sehr im
Lichte der Öffentlichkeit steht, aber dennoch sehr wichtig ist.
Wir als FDP-Fraktion werden diesem Antrag auf Verlängerung des Mandates zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass auch im Jahre 2009 militärische Präsenz
im Kosovo notwendig ist.
({0})
Die NATO hat im Kosovo mit über 50 000 Soldaten
angefangen. Jetzt sind es noch 15 000 Soldaten. Das ist
der richtige Weg, die richtige Richtung. Die Bundesregierung hat sinnvollerweise den Mandatsumfang angepasst. Das begrüßen wir. Wir stimmen Ihnen da völlig
zu. Die Soldaten haben hervorragende Arbeit geleistet,
zum Teil unter sehr schwierigen Bedingungen, zumindest am Anfang. Dafür möchten wir ihnen auch von hier
aus eindeutig unseren Dank und unsere Anerkennung
aussprechen.
({1})
Wir sind aber der Meinung, liebe Kolleginnen und
Kollegen, dass die Zahl der dort stationierten Soldaten
insgesamt noch schneller und drastischer, deutlicher und
stärker reduziert werden kann. Der Auffassung, dass wir
nicht allen populistischen Darstellungen von angeblicher
Nichtbeschäftigung gleich nachgeben sollten, stimme
ich zu. Wir sollten aber sehr wohl die bei der NATO vorhandenen konkreten Überlegungen und Planungen ernst
nehmen, jetzt damit anzufangen, die Truppenzahl im
Kosovo deutlich zu reduzieren, und zwar auf eine abschreckende Präsenz, auf eine „deterrent presence“, wie
der Fachausdruck lautet. Das halten wir für richtig. Wir
wissen, dass wir im Notfall Truppen heranziehen können. Eine solche abschreckende Präsenz würde circa
2 000 Soldaten im Kosovo bedeuten. Wenn man die Relationen, die jetzt bestehen, zugrunde legt, würde das
circa 400 deutsche Soldaten bedeuten. Das ist ein Umfang, der, wie ich glaube, auch für uns Deutsche eine wesentliche Erleichterung bringen würde.
Wir halten das für den richtigen Weg. Wir müssen
aber leider feststellen, dass sich die Bundesregierung
nicht gerade durch große Aktivität hervortut, um dafür
zu sorgen, dass dieser Weg beschritten wird, oder um das
auch nur zu kommentieren. Auch heute habe ich vom
Herrn Außenminister darüber nichts gehört. Ich hoffe,
dass der Verteidigungsminister dazu gleich noch Stellung nehmen wird. Die Bundesregierung erweckt jedenfalls nicht den Eindruck, als stehe sie an der Speerspitze
der Bewegung hin zu einer sinnvollen Reduzierung der
Soldaten im Kosovo.
({2})
Das sollte sie aber; denn wir alle wissen - das bekommen wir ja täglich mit; wir im Verteidigungsausschuss
vielleicht noch stärker als andere Kolleginnen und Kollegen -, wie angespannt die Situation der Bundeswehr
angesichts der Vielzahl derzeitiger Aufträge ist. Da wäre
eine Erleichterung sehr willkommen. Stationierung darf
kein Selbstzweck sein.
Lassen Sie mich hier zwei sicherlich kritische Punkte
ansprechen: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass
Deutschland an der Stationierung in der Größenordnung
festhalten möchte, weil eine drastische Reduzierung zu
einer Veränderung der regionalen Zuständigkeit und der
regionalen Schwerpunkte - wir fühlen uns ja so wohl;
wir sind ja auch in Prizren so bekannt - führt. Dies darf
auch nicht dazu führen, dass wir Angst davor haben,
eventuell logistische Systeme zu verändern. Diese Diskussionen werden durchaus geführt. Ich spitze es zu:
Darüber hinaus darf unter gar keinen Umständen international der Eindruck entstehen, dass wir mit einem Abzug aus dem Kosovo eher zurückhaltend sind, um Soldaten nicht woanders einsetzen zu müssen. Das ist eine
zuspitzende Bemerkung, aber ich sage das; denn dieser
Eindruck darf unter keinen Umständen entstehen. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, sich aktiv im
Deutschen Bundestag, im Verteidigungsausschuss, im
Auswärtigen Ausschuss, aber insbesondere in den Planungsstäben der NATO mit diesem Thema zu beschäftigen und uns hier reinen Wein einzuschenken.
({3})
Meine Damen und Herren, die Präsenz von Soldaten
soll den zivilen Aufbau absichern. Das ist ihre Funktion.
Die Soldaten haben hier wirklich ein fabelhaftes Ergebnis erreicht. Aber wir können mit dem erreichten zivilen
Aufbau im Kosovo nicht zufrieden sein. Ich sage es so
deutlich, wie ich es empfinde. Die UNMIK hat in den
neun oder zehn Jahren ihrer Präsenz nicht das erreicht,
was sie erreichen sollte, was wir erwarten konnten und
mussten. Die EULEX-Mission hatte einen sehr schweren Start. Das ist kein Vorwurf an die Bundesregierung,
meine Herren Minister, aber es ist eine Tatsache. Wir
müssen bedauernd feststellen, dass es der EU bis zum
heutigen Tage nicht gelungen ist, eine gemeinsame politische Position zum Thema Kosovo zu finden. Wir haben
jetzt eine durch EULEX überwachte Selbstständigkeit
des Kosovo. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei jeder Debatte - ich weiß, Sie können es bald
nicht mehr hören, aber es ist die Wahrheit -: Das hätten
Sie einfacher haben können, wenn Sie im Jahre 2004
dem Antrag der FDP-Fraktion zugestimmt hätten, in
dem wir genau das skizziert haben, was heute in etwa
dort vorhanden ist. Im Jahre 2004 hätte es ein völlig anderes psychologisch-politisches Umfeld sowohl in Russland als auch vor allem in Serbien gegeben. Es hätte die
Chance bestanden, gemeinsam eine saubere, legale Lösung zu erreichen.
Wir sind uns bewusst, dass EULEX unter schwierigen
Bedingungen gestartet ist. Nichtsdestotrotz muss festgehalten werden: Der Fall EULEX zeigt ein weiteres Mal
die mangelnde Handlungsfähigkeit der EU, und zwar
nicht nur in politischen Abstimmungsprozessen, sondern
auch bei ganz einfachen operativen Dingen zur Einrichtung der Mission, bei den Kommunikationsleistungen,
den Fahrzeugen, Papieren usw. Es gab einen holprigen
Start. Das wirft kein gutes Licht auf die Fähigkeit der
EU, solche Missionen durchzuführen.
Die Bundesregierung ist dafür nicht verantwortlich,
aber Deutschland ist das größte Land in Europa. Wir haben eine besondere Bedeutung für den Kosovo und der
Kosovo für uns. Von daher erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie ihren Einfluss geltend macht.
Die Bundesregierung und speziell der Redner, der
nach mir kommt - Herr Präsident, ich komme zum
Schluss -, redet gerne von vernetzter Sicherheit. Das ist
sinnvoll und richtig. Die würden wir uns aber auch im
Kosovo wünschen. Denn es ist nicht akzeptabel, weder
in Afghanistan noch im Kosovo, dass mangelnde politische Handlungsfähigkeit durch Präsenz von Soldaten ersetzt werden muss.
Herzlichen Dank.
({4})
Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister
Dr. Franz Josef Jung.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer
zurückschaut und sich an den Prozess der deutschen Einheit erinnert - wir haben ja in diesem Jahr den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer -, nämlich dass wir
die Einheit in Freiheit erreicht haben, ohne dass ein
Tropfen Blut vergossen worden ist, dem wird die damals
herrschende Euphorie wieder bewusst werden. Damals
konnte man noch nicht ahnen - das nehme ich zumindest
für mich in Anspruch -, dass wir ein paar Jahre später
auf dem Balkan, also in Europa, wieder Massenhinrichtungen, Massenvergewaltigungen, Massenvertreibungen und kriegerische Auseinandersetzungen würden erleben müssen. Ohne den Einsatz der NATO und damit
der Bundeswehr wären dort keine stabilen Verhältnisse
eingetreten. Wir haben bisher rund 100 000 Soldatinnen
und Soldaten in diesen Einsatz geschickt. Das zeigt, welchen Beitrag die Bundeswehr zur Stabilität und zu einer
friedlichen Perspektive in Europa geleistet hat. Dafür
möchte ich unseren Soldatinnen und Soldaten in dieser
Debatte sehr herzlich danken.
({0})
Auch in der Frage der weiteren Stabilisierung sind
wir einen weiteren Schritt vorangekommen. EULEX, die
Rechtsstaats- und Polizeimission Europas, die im April
dieses Jahres ihre volle Einsatzbereitschaft erreicht hat,
wird entscheidend zum Aufbau einer effektiven Polizei
und rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo beitragen.
Wir leisten auch unseren Beitrag, um weiterhin die Kosovo Security Force aufzubauen. Im Zuge dessen wird
das Kosovo Protection Corps abgebaut. Rund 1 500 Kräfte
werden übernommen, weitere 400 werden hinzukommen.
Dieser Großteil des Gesamtumfangs von 2 500 Kräften,
die - davon gehen wir aus - im September der Kosovo
Security Force angehören werden, befindet sich zurzeit
in der Ausbildung. Mit EULEX und durch die Eigenverantwortung der Kräfte im Kosovo ist unserer Ansicht
nach ein Übergang im Hinblick auf die Gewährleistung
der Sicherheit möglich.
Kollege Stinner, ich kann Ihre Kritik nur zurückweisen. Wir sind in diesen Prozess sehr mit eingebunden,
auch in der Frage, was die zukünftige Stärke betrifft; ich
sage gleich noch etwas dazu. Wir dürfen aber aus meiner
Sicht jetzt nicht durch Ad-hoc-Reaktionen und einen
überschnellen Abzug die Stabilität und die friedliche
Perspektive im Kosovo gefährden. Vielmehr müssen wir
einen schrittweisen Übergang vollziehen.
({1})
Wir werden auch beim KSF-Trust-Fonds, also bei der
Ausstattung und Ausrüstung dieser Kräfte, einen erheblichen Beitrag leisten. Wir werden uns mit 12 Millionen
Euro, ungefähr einem Drittel des Gesamtvolumens von
rund 37 Millionen Euro, daran beteiligen. 204 Bundeswehrfahrzeuge werden an die Kosovo Security Force
übergeben; 185 sind schon geliefert worden. Das zeigt,
welchen Beitrag wir leisten, um den Kosovo in die Lage
zu versetzen, selbst für seine Sicherheit und für Stabilität
Sorge zu tragen.
Aber lassen Sie mich zu der Frage der zukünftigen
Entwicklung, die Sie angesprochen haben, etwas sagen.
Erstens halte ich es für richtig, dass wir jetzt, da wir
noch rund 2 300 Soldaten im Kosovo haben, die Obergrenze von 8 500 auf 3 500 reduzieren. Zweitens haben
wir uns vorgenommen, im Rahmen der NATO-Verteidigungsminister-Konferenz, die im Juni stattfindet, das
Konzept „Deterrent Presence“ - Sie haben es angesprochen -, „abschreckende Präsenz“, zu entwickeln, mit
dessen Hilfe die Verantwortung der KFOR schrittweise
auf die zivilen Strukturen und die eigenen KosovoStrukturen übergehen soll. Bisher ist beabsichtigt, die
Zahl der Kräfte von 15 000 in der ersten Stufe auf
10 000 abzusenken und dann je nach Entwicklung der
Lage einen weiteren Schritt in den Blick zu nehmen, um
nicht letztlich das zu gefährden, was wir gemeinsam in
den zurückliegenden Jahren aufgebaut haben.
Eins muss klar sein: Das Ziel von KFOR ist weiterhin, ein sicheres Umfeld für alle Bewohner des Kosovo
zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Der Außenminister
hat - zu Recht, wie ich finde - auf die eine oder andere
kritische Entwicklung im Norden des Kosovo hingewiesen. Aber trotz größerer Demonstrationen in der letzten
Zeit dort konnte die Lage bisher insgesamt stabil gehalBundesminister Dr. Franz Josef Jung
ten werden. Unser Auftrag wird weiterhin sein, die zivilen Missionen zu unterstützen - auch hier ist also das
Konzept der vernetzten Sicherheit in der Umsetzung und selbsttragende Sicherheitsstrukturen im Kosovo zu
schaffen.
Ab August dieses Jahres werden wir im Rahmen dieses Mandates wieder die Führungsverantwortung von
KFOR übernehmen; auch das ist ein Beitrag zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes im Kosovo.
Wir müssen den Prozess der Stabilisierung und der
Umstrukturierung in einem verantwortungsvollen Umfeld gestalten. Deshalb bitte ich um Zustimmung für die
Verlängerung dieses Mandats. Wir müssen die weitere
Entwicklung der politischen Lage im Blick behalten.
Wir sollten über eine Reduzierung in einem abgestuften
Verfahren nach einer entsprechenden Einschätzung der
Lage entscheiden. Aber zunächst ist es notwendig, dass
wir weiterhin unseren Beitrag zur Gewährleistung einer
stabilen Entwicklung im Kosovo leisten. Damit schaffen
wir eine europäische Perspektive, die in eine friedliche
Zukunft führt. Das ist unser Auftrag, den wir weiterhin
erfüllen wollen. Ich bitte Sie dafür um Ihre Unterstützung.
Besten Dank.
({2})
Ich gebe das Wort der Kollegin Monika Knoche,
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und
Damen! Bei diesem Mandat sehen wir Linke im Besonderen nicht, dass ein wesentliches Kriterium für eine
verfassungsgemäße Mission im Kosovo erfüllt wäre,
und zwar die völkerrechtliche Legitimation. Seit der Anerkennung des Kosovo im Februar 2008 gibt es für eine
deutsche Militärpräsenz keine rechtliche Grundlage
mehr. Das ist unsere Position, die wir auch, wie Sie wissen, vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen unserer Klage vertreten. Wir sehen also nur eine Möglichkeit: Deutsche Soldaten sind aus diesem Auslandseinsatz
abzuziehen.
({0})
Ohne ein neues Mandat der Vereinten Nationen kann es
keine Entscheidung über einen weiteren Auslandseinsatz
Deutschlands geben. Ein neues Mandat aber wird die
UN nicht erteilen; sie kann auch gar nichts anderes tun,
als die Statusneutralität zu bestätigen, will sie nicht ihrerseits gegen das Völkerrecht verstoßen. Das ist die
Lage.
Eine neuerliche Mandatsverlängerung ist nach unserer Auffassung nicht möglich. Mit dieser Völkerrechtsposition stehen wir Linke nicht allein, nicht in Europa
und auch nicht in der UN-Vollversammlung. Spanien hat
den Kosovo nicht anerkannt. Die spanische Verteidigungsministerin Carme Chacón kündigte am 19. März
an, ihre Soldaten aus dem Kosovo abzuziehen. Überdies
haben nur 58 Länder der Welt die Separation von Serbien für rechtens gehalten. Die Mehrheit der Staaten
geht mit Serbien den Weg der Begutachtung vor dem Internationalen Gerichtshof. Wenn nun die KFOR weiterhin zum Aufbau einer eigenständigen Armee beitragen
soll, dann würde das noch mal die Eigenstaatlichkeit des
Kosovo unterstreichen und die Integrität des serbischen
Staates unterlaufen.
All diese gravierenden Einwände gegen die deutsche
Truppenpräsenz wollen Sie kleinreden oder schlechterdings übergehen.
Gerade jüngst bei der Entscheidung über die zivile
Rechtsstaatsmission der EU, EULEX, haben die Vereinten Nationen die Statusneutralität des Vorhabens unterstrichen und EULEX unter die UN-Mission UNMIK gestellt. Die UN ist nämlich der Meinung, dass die
Statusfrage noch offen ist. Die neue serbische Regierung
hat hart um diese Klarstellung gekämpft, und sie hat obsiegt. Die Bundesregierung aber wollte die Ablösung der
UNMIK erreichen. Die UN ist dieser Argumentation der
Bundesregierung nicht gefolgt und hat EULEX unter die
UN-Mission UNMIK gestellt. Das ist rechtens. Es ist
wichtig, dass wir dies im Bundestag deutlich aussprechen.
Wir sehen also: Die im Antrag enthaltene Aussage der
Bundesregierung, dass der Einsatz auf Grundlage der
seit 1999 bestehenden Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erfolgt, kann nicht angeführt werden; denn die Lage im Kosovo hat sich seit
dem Februar 2008 durch die Anerkennung verändert.
Ich war vor 14 Tagen im Kosovo, und zwar in Mitrovica. Ich kann sagen, die UNMIK hat es nicht vermocht,
Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit der Ethnien durchzusetzen sowie Kriminalität und Korruption zu bekämpfen,
obwohl sie die Unterstützung der NATO-Schutztruppe
KFOR für diese zivile Mission hat. Der Westen hat meines Erachtens viel zu wenig Mut, den neuen Machthabenden im Kosovo einmal die harte Kante zu zeigen.
Schauen wir uns die Situation im Kosovo, in Mitrovica
an: Die Roma können nicht zurückkehren, die Flüchtlingsfrage ist nicht geregelt, und die Regierung in Pristina überlässt alles EULEX oder KFOR.
Der Kosovo ist - das will ich an dieser Stelle sagen Dreh- und Angelpunkt des Drogen- und Menschenhandels. Auch über diese Frage können wir hier im Bundestag nicht hinweggehen. Ich möchte auf Carla del Ponte,
die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, hinweisen, die in ihrem Buch
deutlich zum Ausdruck bringt, dass es nicht möglich
war, Kriegsverbrecher aus dem Kosovo vor Gericht zu
bringen, weil Zeugen getötet oder mundtot gemacht
wurden.
All das gehört dazu, wenn man die Lage im Kosovo
bewerten will. Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass sich
an diesem Übel durch eine Fortführung der KFOR-Prä24234
senz etwas ändern wird. Großbritannien plant, sein gesamtes Kontingent im September abzuziehen. Ich finde,
wir müssen unbedingt - auch aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtmäßigkeit - gleichziehen.
Danke schön.
({1})
Ich gebe das Wort der Kollegin Marieluise Beck,
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich denke, man muss immer und immer wieder, auch noch zehn Jahre nach der Intervention, daran
erinnern - der Herr Außenminister hat das schon getan -, was der historische Hintergrund der KFOR-Mission ist. Die Intervention war in der Tat äußerst schwierig,
weil der UN-Sicherheitsrat - wie häufig in Konfliktsituationen, in denen wir ihn bräuchten - nicht handlungsfähig war, aber unter dem Eindruck des Krieges in Bosnien und eines Massakers in Europa, vor unserer eigenen
Haustür, nämlich in Srebrenica, eine Entscheidung zu
treffen war. Wir haben lernen müssen, dass ein NationBuilding-Prozess viel schwieriger ist, als wir alle uns das
vorgestellt haben. Manche Probleme haben wir geerbt,
manche sind neu geschaffen worden.
Im Kosovo geht es nur langsam voran. Warum? Die
serbischen Menschen im Norden Mitrovicas, die unter
dem starken Einfluss der radikalen serbischen Partei leben, haben nicht gleich ihre Zustimmung gegeben und
sich nicht plötzlich als Bürgerinnen und Bürger des Kosovo gefühlt. War das anders zu erwarten? Ich möchte
daran erinnern, dass das Gerichtsgebäude in Mitrovica
nach der Unabhängigkeitserklärung von den Menschen
besetzt wurde, die die Kosovo-Albaner über Jahre hinweg mit einem Apartheidsystem unterdrückt haben.
Dass diese über einen Staat Kosovo nicht begeistert waren, ist leicht nachvollziehbar.
Wie schwierig es ist, den Nationalismus zu überwinden, erfahren wir im Alltag: In einem von Serben bewohnten Dorf im Kosovo hat die Dorfbevölkerung über
Monate hinweg den Strom nicht bezahlt. Als der Strom
abgestellt wurde, fand eine gewalttätige Demonstration
statt, in der die Dorfbewohner zum Ausdruck brachten,
dass sie nur Strom aus Serbien beziehen wollen. Das
sind die Blüten des Nationalismus, mit denen wir es auf
dem Balkan zu tun haben. Das schwierige Geflecht von
EULEX, UNMIK und KFOR dient dazu, dieses gefährliche Nationalismusgefühl, von dem wir wissen, dass es
wieder aufflammen kann, abzukühlen, damit eine Beruhigung eintreten kann und Brücken gebaut werden können, wie sie für das Entstehen dieses Staates notwendig
sind.
({0})
Wir haben ein Institutionengewirr; das ist wahr. Mit
der EULEX-Mission wird im Süden der Staat Kosovo
aufgebaut, während im Norden EULEX UNMIK untersteht. Im Norden wird nach wie vor - so würde ich
sagen - eine Quasi-Angliederung an serbisches Gebiet
geduldet. Damit haben wir faktisch unterschiedliche
Rechtsgebiete. Das ist keine gute Basis, wenn man einen
funktionierenden Rechtsstaat aufbauen will. Noch viel
weniger ist das eine gute Basis, wenn schwierige Fragen
wie die, wie mit verstaatlichtem Eigentum aus jugoslawischer oder serbischer Zeit umgegangen werden soll,
zu behandeln sind. Diese Fragen sind in den kommenden
Jahren zu klären.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass manche dieser Dilemmata mit einer Obstruktionspolitik sowohl aus
Russland als auch aus Serbien zusammenhängen; denn
sie haben klare Lösungen verhindert. Der Sicherheitsrat
hat seine Verantwortung, völkerrechtlich klare Lösungen
zu schaffen, nicht wahrgenommen; das ist immer wieder
deutlich zu sagen. Insofern, Frau Kollegin Knoche, ist es
absurd, wenn Sie jetzt versuchen, den Einsatz dort, wo
ein klares Mandat besteht - das Mandat für KFOR ist
wirklich klar -, infrage zu stellen.
({1})
Ich möchte noch kurz etwas zu einer Debatte sagen,
mit der wir es inzwischen zu tun haben. Von russischer
Seite wird immer wieder versucht, die Intervention in
Georgien und die Anerkennung von Abchasien und Südossetien in den Windschatten des Kosovo zu stellen nach
dem Motto: Da habt ihr eure Retourkutsche. Ich sage
ganz klar: Wer diese Vorgänge gleichsetzt, der hat sich
mit ihnen nicht beschäftigt. Der georgische Angriff auf
Zchinwali war verwerflich, aber er ist nicht zu vergleichen mit der jahrzehntelangen Unterdrückung der Albaner im Kosovo. Über das Kosovo wurde unter Beteiligung aller Kontrahenten acht Jahre lang verhandelt.
Russland hat Südossetien und Abchasien nach zwei Tagen anerkannt und jetzt fast annektiert. Wer hier - wie
die russische Seite - versucht, sich auf das Völkerrecht
zu berufen, der ist unglaubwürdig.
({2})
Zurück zum Kosovo. Die Situation bleibt kompliziert.
Fortschritte brauchen Zeit und Geduld. Es handelt sich
um einen Staat mit einer eingeschränkten Souveränität.
Folgerichtig gewährleistet KFOR - neben allen anderen
zivilen Missionen, die es dort gibt - das Stück an militärischer Sicherheit, das die Menschen nach wie vor dort
brauchen.
Schönen Dank.
({3})
Nächster Redner ist der Kollege Gerd Höfer, SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auf die Einlassungen der Kollegin Knoche möchte ich
nicht mehr eingehen. Das hat in beeindruckender Weise
meine Vorrednerin, Marieluise Beck, getan.
({0})
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich kann mir aber nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass eine OSZE-Parlamentarierversammlung einstimmig eine Resolution angenommen hat, in der sinngemäß steht: Wenn ein souveräner Staat nicht souverän
mit seinen Staatsbürgern umgeht, ist das ein Grund, zu
intervenieren. - Ich denke, das war im Kosovo auf jeden
Fall gegeben. Über Bosnien-Herzegowina und anderes
möchte ich nicht weiter reden.
({1})
Die Einlassungen des Kollegen Stinner haben mich
etwas irritiert.
({2})
- Doch. Das ist mein und nicht Ihr Problem. - Wenn
man eine abschreckende Präsenz fordert, stellt sich die
Frage, wie die Abschreckung erreicht werden kann, ob
durch Quantität oder Qualität. Nach dem, was der Bundesaußenminister vorgetragen hat, stellt sich überhaupt
die Frage: Braucht man eine abschreckende Präsenz,
wenn dort ein friedliches Nebeneinander konstatiert
wird? Die Frage ist im Prinzip offen. Wenn man keine
abschreckende Präsenz braucht, sondern die Truppen der
KFOR einer vorbeugenden Sicherheitspräsenz dienen,
kann man sich anderen Aufgaben widmen - das hat der
Bundesverteidigungsminister vorgetragen -, nämlich der
Ausbildung derer, die nach Abzug der Truppen selbst die
Sicherheit im eigenen Land gewährleisten sollen.
({3})
Daher macht es Sinn, die Truppenstärke so zu belassen,
wie sie ist.
Völlig abstrus fand ich Ihr Argument, Herr Kollege
Stinner - Sie haben diesen Verdacht geäußert -, dass die
Bundesrepublik Deutschland, wenn man die Truppen im
Kosovo zu stark reduziert, gezwungen wäre, die Soldaten, die dort nicht mehr gebraucht werden, woanders einzusetzen. Ich appelliere an Ihr Selbstbewusstsein, lieber
Kollege: Wenn dies der Fall sein sollte, ist ein Bundestagsbeschluss notwendig.
({4})
Ich glaube nicht, dass der Deutsche Bundestag unter dieser Voraussetzung - es wäre nicht einmal eine Ausrede eine Verbringung dieser Truppen in andere Mandatsgebiete billigen würde. Dazu käme es nicht, schon gar
nicht mit Ihrer Stimme.
({5})
Ich darf darauf hinweisen, dass ein wesentlicher Beitrag der Soldaten zur Stabilisierung des Kosovo von den
LOTs, den Liaison and Observation Teams, geleistet
worden ist, die mit ihrer Arbeit vor Ort, in den Dörfern,
die Sicherheit erhöht haben.
Es gibt ein anderes Problem, das mir bei Besuchen im
Kosovo und in Serbien deutlich aufgefallen ist. Beide
Teile sind erwartungsfroh, der EU beitreten zu können.
Hier gibt es ein riesiges mentales Problem: Beide Teile,
sowohl das Kosovo als auch Serbien, blenden aus, was
wäre, wenn sie Mitglieder der EU wären. Sie müssten
dann ein friedliches Miteinander organisieren, wie es
nach EU-Standards rechtsstaatlich notwendig wäre. Eine
entsprechende Mentalität ist noch nicht vorhanden, allerdings die Erwartung, dass Serbien oder das Kosovo
gleich übermorgen reich sein werden, wenn sie der EU
beitreten, dass alle Probleme gelöst wären, weil die EU
Geld geben würde.
Man muss sehr aufpassen, Initiativen nicht dadurch
abzubremsen, dass man die Kolleginnen und Kollegen
dort in dieser Hoffnung lässt. Ein Beispiel ist die Energieversorgung. Noch immer wird der Strom im Kosovo
nach A-, B- und C-Kriterien verteilt. Schon längst hätte
ein Kohlekraftwerk gebaut werden können; das Kosovo
ist reich an Braunkohle. Bisher haben interne Schwierigkeiten - wie ich weiß, handelt es sich um Verteilungsschwierigkeiten - den Bau eines Kraftwerks verhindert.
Die Ausschreibung wurde zeitweilig aufgehoben. Das
Kraftwerk hätte schon längst gebaut sein können.
Diese Faktoren führen zu einer internen Destabilisierung des Kosovo: die Frage der Energieversorgung, aber
auch die Frage, was man mit den Jugendlichen machen
soll. Die jungen Menschen machen einen erheblichen
Anteil der Bevölkerung im Kosovo aus. Sie haben häufig keine Arbeit und keine vernünftige Ausbildung.
Wenn sie Wohlstand erreichen wollen, sind sie noch immer gezwungen, auszuwandern und sich woanders mit
ihrer Arbeitskraft zu verdingen. Bei diesem Problem
muss man ansetzen. Um es zu lösen, ist es notwendig,
dass KFOR und die Bundeswehr ein sicheres Umfeld gestalten. Es geht hier nicht um eine militärische Präsenz
zur Abschreckung, sondern im Gegenteil darum, dass
das Militär hilft, die zivilen Strukturen zu organisieren
und aufrechtzuerhalten.
Herzlichen Dank.
({6})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Thomas Silberhorn, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wenn ich richtig gerechnet habe, beraten wir
hier über die zehnte Mandatsverlängerung, über die
zweite seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo
im Februar 2008. Es ist erfreulich, feststellen zu können,
dass sich die Lage seither weitgehend stabilisiert hat,
auch wenn es im größten Teil des Landes noch vereinzelt
Zwischenfälle gibt. Es gibt aber insbesondere seit dem
Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung keine erneute
Eskalation. Ich denke, das hat eine Reihe von Gründen,
die es verdienen, hier ausdrücklich genannt zu werden.
Ein Grund ist die umfangreiche internationale Präsenz. Insbesondere die Rechtsstaatsmission EULEX hat
beim Wiederaufbau und beim Übergang der Verantwortung auf kosovarische Institutionen eine wichtige Funktion. Die Mission wirkt insbesondere dadurch stabilisierend, dass sie in allen Teilen des Kosovo präsent ist.
Viele andere wirken mit: die OSZE-Mission, die internationale Verwaltungsbehörde, das UN-Entwicklungsprogramm, die Weltbank. Es gibt also insgesamt eine sehr
umfangreiche internationale Präsenz, die dazu beigetragen hat, die positive Entwicklung zu befördern.
({0})
Es gibt allerdings auch eine Reihe von wichtigen Weichenstellungen der kosovarischen Politik, die stabilisierend gewirkt haben. Die ersten Schritte zum Aufbau der
Institutionen sind erfolgt, insbesondere in Bezug auf die
kosovarischen Sicherheitskräfte, die hier schon ausführlich gewürdigt worden sind. Entscheidungen wie die des
Staatspräsidenten Sejdiu, die allgemeinen Parlamentswahlen auf das Jahr 2011 zu verschieben, sind sicherlich
auch ein Beitrag zur Entspannung des politischen Klimas.
Nach meiner Einschätzung gibt es einen weiteren
Grund für die stabile Entwicklung des Kosovo, der heute
noch gar nicht gewürdigt worden ist: die besonnene Haltung Serbiens, die wir nicht unterschätzen sollten. Drohungen, die ausgesprochen wurden, sind nicht verwirklicht worden; es wurden keine Sanktionen verhängt, und
es hat keine Gewaltanwendung stattgefunden. Ich denke,
darin kommt auch eine erhebliche Integrationsleistung
der serbischen Bevölkerung zum Ausdruck, die wir ausdrücklich anerkennen sollten.
({1})
Entgegen allen Erwartungen haben die Serben bei den
letzten Parlamentswahlen mit klarer Mehrheit eine Regierung mit europäischer Orientierung gewählt.
({2})
Durch die Anrufung des Internationalen Gerichtshofes
hat es die serbische Regierung immerhin geschafft, die
Fragen der Zulässigkeit der Unabhängigkeitserklärung
des Kosovo, ihrer Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht,
von der politischen auf eine juristische Ebene zu heben
und die Diskussion zu versachlichen. Damit hat sie den
nationalistischen Kräften in Serbien ein wichtiges Momentum der Emotionalisierung und Mobilisierung genommen.
({3})
All dies hat zur Stabilisierung der Lage beigetragen,
die uns eine substanzielle Reduzierung des deutschen
Kontingents von 8 500 auf 3 500 Soldaten erlaubt. Es
steht zu erwarten, dass die NATO-Verteidigungsminister
im Juni dieses Jahres ein ähnlich starkes Signal aussenden werden. Auch wenn man heute feststellen kann, dass
die Konfliktbeilegung oftmals länger dauert, als man anfangs wahrhaben wollte, ist es so, dass der Einstieg in
den Ausstieg zu gelingen scheint und dass wir von der
Beilegung militärischen Streits über den Aufbau von Polizei- und Verwaltungsstrukturen zunehmend in Richtung eines erfolgreichen zivilen Wiederaufbaus gehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich auch erwähnen, dass die europäische Perspektive
für die Aufrechterhaltung der stabilen Situation im Kosovo außerordentlich bedeutsam ist.
({4})
Die Europäische Union hat eine strategische Schlüsselrolle, nicht nur im Kosovo, sondern auf dem gesamten
westlichen Balkan. Deswegen ist es wichtig, durch Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen dafür zu sorgen, dass eine enge Anbindung dieser Länder an die EU
gelingt, auch wenn die Frage eines EU-Beitritts nicht nur
in Bezug auf das Kosovo im Moment nicht auf der Tagesordnung steht.
Gerade wir Deutsche haben ausgesprochen enge Beziehungen zum Kosovo. Deutschland ist nicht nur der
größte Truppensteller, sondern auch eines der zehn Länder, in denen das Kosovo eine Auslandsvertretung unterhält. Nicht zuletzt ist Deutschland Aufenthaltsort zahlreicher kosovarischer Flüchtlinge. Außerdem sind
unsere Institutionen, zum Beispiel die Kreditanstalt für
Wiederaufbau und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, vor Ort erfolgreich tätig.
Lassen Sie mich abschließend all denen, die am Wiederaufbau des Kosovo beteiligt sind, namentlich den
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, für ihren verantwortungsvollen und nicht immer ungefährlichen Einsatz sehr herzlich danken. Wir werden der Mandatsverlängerung heute zustimmen. Viele Mandate dauern
länger als eine Legislaturperiode. Ich wünsche mir, dass
diese Mandatsverlängerung eine breite Mehrheit findet.
Die Soldatinnen und Soldaten, die im Auslandseinsatz
sind, haben eine breite Mehrheit für ihre Aufgabe verdient.
Vielen Dank.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/12881 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkt 5 a und 5 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Silke
Stokar von Neuforn, Grietje Staffelt, Volker Beck
({0}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Informationsfreiheitsgesetz konsequent weiterentwickeln
- Drucksache 16/10880 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({1})
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela
Piltz, Dr. Max Stadler, Hartfrid Wolff ({2}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Vollzug des Informationsfreiheitsgesetzes verbessern
- Drucksache 16/8893 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({3})
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. - Ich höre keinen Widersprich. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Ich gebe das Wort der
Kollegin Silke Stokar, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich noch sehr gut daran: Das Informationsfreiheitsgesetz war das Last-Minute-Gesetz der letzten Legislaturperiode. In der letzten Bundesratssitzung, in der
letzten Bundestagssitzung gab es die entsprechende
Mehrheit für das Informationsfreiheitsgesetz.
Es war ein ungeliebtes Kind: Über dieses Gesetz
wurde lange verhandelt, es wurde von allen Seiten ausgebremst. Dieses Gesetz war - das muss man sagen - ein
Gesetz, das überhaupt nur deshalb in Kraft treten konnte,
weil es die Unterstützung des Parlamentes hatte. Es ist
ein Gesetz, erarbeitet aus der Mitte des Parlamentes, verabschiedet vom Parlament.
Die Bundesregierung, die Verwaltung wollte dieses
Gesetz nicht. Wenn ich jetzt nach vier Jahren eine Bilanz
des Informationsfreiheitsgesetzes ziehe, muss ich leider
sagen, dass zwar die Bürgerinnen und Bürger Interesse
an diesem Gesetz haben, Fragen stellen, Fragen einschicken, aber bis heute in der alten Kultur, in der Kultur des
Amtsgeheimnisses, in der Regel und viel zu oft nur die
Antwort bekommen: VS - Nur für den Dienstgebrauch.
Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein Beleg dafür,
dass es nicht ausreicht, ein Gesetz zu machen und es in
Kraft treten zu lassen. Nein, ein Gesetz braucht die Kultur der Implementierung. Ich möchte hier - das ist auch
Teil unseres Antrages - noch einmal dafür werben, dass
wir in Deutschland ankommen, wo fast alle skandinavischen Länder, wo fast alle europäischen Länder längst
angekommen sind: zu begreifen, dass Transparenz und
Informationsfreiheit wichtige Grundpfeiler der Demokratie sind und dass es normal ist, dass die Bürgerinnen
und Bürger mehr wissen wollen, als in der Presseerklärung oder auf der Internetseite steht. Die Bürgerinnen
und Bürger begreifen Beteiligung in dem Sinne, dass sie
sich informieren können. Sie wollen keine unangemessen hohen Gebühren zahlen müssen, sie wollen keine
muffigen Antworten bekommen, sie möchten, dass die
Aktendeckel geöffnet werden und dass ihnen die Verwaltung bereitwillig und offen Auskunft gibt.
({0})
Peter Schaars erster Tätigkeitsbericht zum Informationsfreiheitsgesetz liegt vor. In diesem Tätigkeitsbericht
werden helle und dunkle Seiten aufgezeigt. Gut ist, dass
so viele Menschen von ihrem Recht, an die Bundesregierung, an die Verwaltung Fragen zu stellen, Gebrauch machen und dass wir es im Laufe der Zeit erreicht haben,
dass die Gebühren, die am Anfang wirklich sehr hoch
waren, zumindest etwas zurückgenommen worden sind.
Nicht schön ist, dass es zu diesem Tätigkeitsbericht
nach wie vor keine Stellungnahme des BMI, immer noch
keine Stellungnahme der Bundesregierung gibt. Wir
mussten diesen Antrag stellen, weil die Verwaltung nicht
in der Lage ist, den Tätigkeitsbericht im Parlament vorstellen zu lassen, eine Debatte im Innenausschuss darüber zuzulassen oder eine Stellungnahme dazu zu verfassen. Unser Vehikel, damit wir auch am Ende dieser
Legislaturperiode noch einmal über das Informationsfreiheitsgesetz reden können, war deshalb der vorliegende Antrag.
Zwei Punkte halte ich für unbedingt änderungsbedürftig. Wir müssen feststellen - das sind die Schwächen
im Gesetz; das Gesetz war ja damals ein Kompromiss,
mehr haben wir gemeinsam mit der SPD gegenüber der
Verwaltung nicht hinbekommen, und auch der Bundesrat hat das ja nicht gerade beflügelt, sondern eher gebremst -, dass der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses zu eng gefasst ist. Das geht so nicht. Wir
brauchen eine Regelung, die es der Verwaltung unter24238
sagt, Bereiche, die von öffentlichem Interesse sind, als
vertraulich einzustufen. Die Entscheidung, wann was
wie eingestuft werden darf, können wir nicht länger der
Verwaltung überlassen. Wir brauchen aber auch eine andere Kultur.
Ich wünsche mir, dass die Bundesregierung und die
Ministerien einen Blick auf die Homepage von Ministerien Estlands oder auch Rumäniens werfen. Mit Selbstverständlichkeit wird auf der ersten Seite auf die Informationsfreiheit hingewiesen. Die Bürgerinnen und
Bürger werden über Links zu öffentlich zugänglichen Informationen geleitet. Immer mehr Informationen werden
freiwillig ins Internet gestellt. Es muss gar nicht mehr
gefragt und geantwortet werden. Mit einem Mausklick
werden die Akten freigegeben, die freigegeben werden
können.
Wir liegen weit hinter diesen Ländern zurück.
Deutschland ist im Hinblick auf Informationsfreiheit und
Transparenz nach wie vor ein Entwicklungsland. Wir
müssen vonseiten des Parlaments und auch vonseiten der
Öffentlichkeit von Neuem für das Gesetz werben. Wir
brauchen Stellen, die dieses Gesetz begleiten. Wir müssen eine Kultur für Informationsfreiheit und Transparenz
weiter in die Verwaltung hineintragen.
Danke schön.
({1})
Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer, CDU/CSUFraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Frau Kollegin Stokar,
Sie haben bereits darauf hingewiesen: Das Informationsfreiheitsgesetz war ein Lieblingskind der rot-grünen
Bundesregierung.
({0})
Sie hat sich aber mit diesem Gesetz außerordentlich
schwergetan. Die Verhandlungen begannen bereits in der
14. Legislaturperiode und haben knapp sieben Jahre gedauert.
({1})
Kurz vor Toresschluss - das haben Sie ebenfalls erwähnt - wurde dieses Gesetz als eines der letzten Gesetze der rot-grünen Bundesregierung verabschiedet.
Daran sieht man, wie schwer Sie sich selber mit diesem
Gesetz getan haben.
Eines möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede betonen: Die CDU/CSU-Fraktion ist dezidiert der Auffassung, dass wir einen sachgerechten und ordnungsgemäßen Zugang der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland
zu Informationen brauchen. Wir haben uns im Gesetzgebungsverfahren nur dagegen gewandt, dass ein schrankenloser Zugang ohne die Geltendmachung jeglicher berechtigter Interessen zu diesen Informationen möglich
sein soll.
Ich möchte noch eines deutlich machen: Verwaltungshandeln bedarf einer ordnungsgemäßen Kontrolle. Ich
halte aber genauso wenig davon, die Verwaltung in
Deutschland bzw. sämtliches Verwaltungshandeln in
Deutschland unter Generalverdacht zu stellen. Die Verwaltung in Deutschland ist gemäß Art. 20 Abs. 3 des
Grundgesetzes an Recht und Gesetz gebunden. Natürlich
bedarf es der Möglichkeit und auch der Notwendigkeit,
jeden Verwaltungsakt und jedes verwaltungsrechtliche
Handeln auf seine Rechtmäßigkeit und seine Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen. Dafür sind aber die Gerichte
zuständig.
Die Rechtsweggarantie ist im Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes verankert. Es ist neben den Grundrechten
mit Sicherheit eines der höchststehenden Bürgerrechte,
die wir in unserer Verfassung haben; sie feiert in wenigen Tagen ihren 60. Geburtstag. Ich bin nach wie vor der
Auffassung, dass es falsch war, zu versuchen, einen Kulturwandel, einen Paradigmenwechsel dahin gehend vorzunehmen, dass jedermann ohne Geltendmachung eines
berechtigten Interesses Zugang zu allen Informationen in
der Verwaltung in Deutschland haben soll.
Es gibt unsererseits aufgrund des nicht zu unterschätzenden Datenabflusses, der dem wichtigen Gut des Datenschutzes unterliegt, natürlich nach wie vor berechtigte Bedenken. Gerade in der jüngsten Zeit bekommen
wir deutlich vor Augen geführt, wie wichtig das Grundrecht auf Datenschutz und Datensicherheit in Deutschland ist. Dies läuft an dieser Stelle Gefahr, ausgehöhlt zu
werden.
Des Weiteren sehe ich im Gesetz nach wie vor einen
strukturellen Fehler: Das verfassungsrechtliche Gebot,
dass Datenfreigabe an bestimmte Zwecke gebunden ist,
wird mit dem Informationsfreiheitsgesetz ausgehöhlt.
Eines der höchststehenden und wertvollsten Gebote im
Verwaltungsverfahrensgesetz insgesamt ist, dass nur
derjenige eine Klage einreichen kann, der geltend machen kann, in seinen subjektiv öffentlichen und persönlichen Rechten verletzt zu sein. Dieser hochstehende verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsatz wird durch das
Informationsfreiheitsgesetz in nicht unbeträchtlicher
Weise ausgehöhlt.
({2})
Ganz abgesehen davon hat sich in der Vergangenheit
herausgestellt, dass diese Informationsgewinnung mit
großem bürokratischen Aufwand und mit hohen Kosten
verbunden ist. Die Verwaltung wird natürlich auch in
nicht unbeträchtlicher Weise durch die Anfragen beschäftigt, die gestellt werden.
Ein struktureller Fehler besteht nach wie vor im Gesetz: Es besteht dahin gehend Rechtsunsicherheit, dass
die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht sauber definiert sind. Das ist ein struktureller Fehler im Gesetz,
den es mit Sicherheit irgendwann einmal zu heilen gilt.
Stephan Mayer ({3})
Ein weiterer struktureller Fehler, der nach wie vor im
Gesetz vorhanden ist, ist, dass nicht klar ist, in welcher
Form, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß
derjenige, der die Auskunft erbittet, auch Auskunft erhalten darf und inwiefern Einblick in Verfahrensmaßnahmen, Überwachungsmaßnahmen und Genehmigungsmaßnahmen gewährt werden muss. Dies ist im
Informationsfreiheitsgesetz zu weitgehend und zügellos
gewährt.
Wie sieht denn die Realität aus? - In 2008 sind insgesamt 1 548 Anträge bei Bundesministerien bzw. bei
nachgeordneten Bundesbehörden gestellt worden. Davon sind 618 Anträge vollständig bewilligt worden. Dem
Informationsbedürfnis der Bürger ist hier also in vollem
Umfang Rechnung getragen worden. In 193 Fällen ist
der Antrag teilweise angenommen bzw. dem Ansinnen
teilweise Rechnung getragen worden. 536 Anträge sind
abgelehnt worden.
({4})
Durch das Gesetz wird natürlich auch gezeigt, dass es
durchaus auch gute Gründe dafür gibt, dass mancher Antrag abgelehnt wird. In 85 Fällen ist Widerspruch eingelegt worden, und es ist gar keinem unbeträchtlichen
Anteil dieser Widersprüche stattgegeben worden. Der
Bundesdatenschutzbeauftragte ist 133-mal angefragt
worden, 83-mal davon wegen eines abgelehnten Bescheides.
Ein schrankenloser, immer und jederzeit und von jedermann geltend zu machender Anspruch ohne Rücksicht auf entgegenstehende und durchaus auch berechtigte Belange war nie die Position der CDU/CSUBundestagsfraktion und ist auf unser Betreiben hin so
auch nicht im Informationsfreiheitsgesetz verankert worden.
({5})
Es gibt richtigerweise berechtigte Ausnahmen, zum
Beispiel den Schutz von personenbezogenen Daten. Es
darf zum Beispiel zu Recht nicht auf einen Terminkalender eines Ministers Zugriff genommen werden.
({6})
Es gibt den berechtigten Schutz geistigen Eigentums und
auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, wobei eben diese Unklarheit besteht, wie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Detail definiert
sind. Daneben gibt es natürlich auch Dokumente - wir
erleben das in der aktuellen Diskussion im BND-Untersuchungsausschuss -, die nun einmal der Geheimhaltung
bedürfen und Verschlusssachen darstellen. Auch auf
diese darf kein Zugriff genommen werden.
Die Anträge der Grünen und der FDP, die nun vorliegen, haben eines gemeinsam: Sie sind voreilig gestellt
worden, weil überhaupt noch nicht klar ist, wie groß der
Nachbesserungsbedarf im Informationsfreiheitsgesetz
überhaupt ist. Das Informationsfreiheitsgesetz ist seit
dem 1. Januar 2006 in Kraft, und die Summe der Anfragen hält sich, wie schon erwähnt, wirklich noch in Grenzen. Allein aufgrund der bisher vorliegenden Statistiken
lässt sich noch gar kein ausreichender und vollumfänglicher Rückschluss darauf ziehen, inwiefern tatsächlich
Nachbesserungsbedarf besteht.
Zu einigen Forderungen im Einzelnen: Es ist der Vorschlag der Grünen abzulehnen, dass das Informationsfreiheitsgesetz stets Vorrang vor abweichenden spezialgesetzlichen Regelungen hat. Es ist nun einmal guter
Brauch im Verwaltungsverfahrensrecht, dass die lex specialis vor die lex generalis geht, und dies sollte auch
beim Informationsfreiheitsgesetz so bleiben.
Des Weiteren ist die Forderung abzulehnen, dass die
Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes und des
Umweltinformationsgesetzes zu vereinheitlichen und
zusammenzufassen seien. Diese Forderung ist, wie von
mir schon erwähnt, voreilig. Meines Erachtens sollten
wir zunächst einmal die im nächsten Jahr anstehende Evaluierung des Verbraucherinformationsgesetzes abwarten
und uns dann im Lichte dieser Evaluation wirklich auch
noch einmal Gedanken darüber machen, inwiefern ein
Nachbesserungsbedarf beim Informationsfreiheitsgesetz
besteht.
Ich habe schon erwähnt, dass der Schutz geistigen Eigentums und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Deutschland hohe Güter und die Art. 12
und 14 des Grundgesetzes Kernbestandteile unserer freiheitlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung sind. Deswegen kann es meines Erachtens nicht angehen, dass dieses
hohe Gut der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dadurch ausgehöhlt wird, dass in größerem Maße darauf
zugegriffen werden kann.
Des Weiteren besteht kein Nachbesserungsbedarf dahin gehend, dass Bürgerinnen und Bürger, wie gesagt,
ohne Geltendmachung jeglichen persönlichen Interesses
von unseren Nachrichtendiensten Informationen abgreifen können. Nachrichtendienste heißen auch deshalb
Geheimdienste, weil sie geheim vorgehen. Ich denke,
wir haben im Bundestag gute Erfahrungen mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium gemacht. An dieser
Stelle wird zwar - um das klar zu sagen - insbesondere
im Lichte der Erfahrungen des BND-Untersuchungsausschusses nachgebessert werden müssen, aber im Parlamentarischen Kontrollgremium sind diese Angelegenheiten gut aufgehoben. Es geht nicht an, dass jedermann
in Deutschland erfahren darf, was unsere Nachrichtendienste im Inland und Ausland machen und wo sie tätig
sind.
({7})
Insgesamt werfen Sie mit Ihren Anträgen Nebelkerzen. Wie gesagt, wir sollten uns erst einmal im Lichte
der Evaluierung des Verbraucherinformationsgesetzes
Herr Kollege.
- im nächsten Jahr damit befassen, wie wir die Informationsrechte insgesamt auf neue Beine stellen.
Herr Kollege, Sie hatten neun Minuten Redezeit.
({0})
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. - Davon abgesehen sind die Anträge jetzt im federführenden Innenausschuss intensiv zu beraten. Ich darf aber an dieser
Stelle darauf hinweisen, dass wir diesen Anträgen nicht
zustimmen werden.
Herzlichen Dank.
({0})
Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kollegen Hartfrid Wolff.
({0})
Charmantes Präsidium!
({0})
- Das kannst du doch wohl kaum verneinen, oder?
({1})
Das Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes
feierte zum Jahreswechsel sein dreijähriges Jubiläum.
Auch wenn das Gesetz damit erst das Kindergartenalter
erreicht hat, sollte man doch annehmen dürfen, dass sich
mit zunehmender Geltungsdauer auch die Zahl der Auskunftsersuchen signifikant erhöht hat. Diese Erwartungshaltung teilte jedenfalls auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
in seinen Tätigkeitsberichten für die Jahre 2006 und
2007.
Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache. Die
Zahl der gestellten Anträge ist sogar rückläufig. So gingen im ersten Halbjahr des Jahres 2008 gerade einmal
987 Auskunftsersuchen bei den Behörden des Bundes
ein.
({2})
Gemessen an der Gesamtbevölkerungszahl ist das ein
Anteil von 0,0012 Prozent. Lieber Herr Kollege Mayer,
von einer unverhältnismäßigen Belastung durch das Informationsfreiheitsgesetz kann mithin keine Rede sein.
({3})
Man kann es den Bürgern auch nicht verdenken, dass
nicht mehr Anträge auf Auskunft gestellt worden sind.
Die Bürger müssen sich doch veräppelt vorkommen,
wenn ihre Auskunftsersuchen regelmäßig mehr oder weniger pauschal und ohne konkrete Begründung abgelehnt
werden. Dieses Phänomen ist ausweislich des bereits genannten Tätigkeitsberichts insbesondere bei Auskunftsersuchen in Bezug auf Verträge mit der öffentlichen
Hand zu beobachten. Diese Verträge nehmen immer
mehr Raum in einem grundsätzlich vernünftigen und
konstruktiven Verwaltungshandeln ein. Umso wichtiger
ist es aber, dann auch die notwendige Transparenz zu
schaffen, weshalb Pauschalbegründungen bei der Ablehnung nicht helfen.
Im Gegenteil: Ausgangspunkt jeder Abwägung muss
sein, dass grundsätzlich ein Auskunftsanspruch der Bürgerinnen und Bürger besteht. Das steht im Übrigen auch
so im Gesetz. Allein dann, wenn die Voraussetzungen
der insoweit eng auszulegenden Ausnahmetatbestände
vorliegen, ist das Zurückweisen eines Auskunftsersuchens gerechtfertigt.
Die derzeitige Praxis im Umgang mit Auskunftsersuchen führt jedoch nicht selten dazu, dass dieses RegelAusnahme-Verhältnis zulasten des Bürgers gekippt wird.
Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ist völlig klar,
dass die unausgegorene Regelung des § 6 Satz 2 IFG
nicht die einzige Baustelle im Informationsfreiheitsgesetz ist, die dringend angegangen werden muss.
Als zweiten Punkt haben wir in unserem Antrag die in
weiten Teilen mangelhaft ausgestaltete Zusammenarbeit
mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit angemahnt. Um uns das noch
einmal ins Gedächtnis zu rufen: § 24 Abs. 4 des Bundesdatenschutzgesetzes normiert in Verbindung mit dem
IFG die Pflicht, den Bundesbeauftragten zu unterstützen
und auf Fragen Auskünfte zu erteilen.
Wer sich aber mit dem Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten etwas genauer befasst, gewinnt leider nur
allzu schnell den Eindruck, dass Auskunftsersuchen der
Bürger allenfalls als lästiges Beiwerk zum Tagesgeschehen angesehen werden. „Alle Staatsgewalt geht vom
Volke aus“ ist schon eine der Maximen, die eine Demokratie kennzeichnet. Insofern kann auch dann, wenn der
Souverän kontrollieren will, keine Pauschalabweisung
erfolgen.
({4})
Es kann nicht angehen, dass man Auskunftsersuchen
schlicht unter Verweis auf die gängige Verwaltungspraxis ablehnt. Dass etwas ständige Übung ist, heißt noch
lange nicht, dass es nach Recht und Gesetz erfolgt. Auf
Seite 10 des besagten Tätigkeitsberichtes spricht der
Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom „langen Weg zur Informationsfreiheit“.
Augenscheinlich ist dieser Weg noch längst nicht zu
Ende beschritten. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein
Recht darauf, zu wissen, was in den Behörden vor sich
geht. Das ist aus unserer Sicht auch gut so.
({5})
Hartfrid Wolff ({6})
Übrigens hat die Union bei der Erarbeitung des Informationsfreiheitsgesetzes durchaus mitgewirkt, Kollege
Grindel.
({7})
Die Forderungen nach mehr direkter Demokratie im
Grundgesetz korrespondieren dabei mit dem Informationsanspruch. Das Informationsfreiheitsgesetz bietet
eine gute Möglichkeit, dem einzelnen Bürger staatliches
Handeln näherzubringen und dadurch mehr Eigenverantwortung und Partizipation zu gewinnen. Gerade vor dem
Hintergrund der anstehenden Wahlen in diesem Jahr
wäre dies ein Zeichen, ein Signal an den Bürger, dass er
die Geschicke in der Hand hält. Wir brauchen mehr Werbung für das Informationsfreiheitsgesetz und eine verlässliche Richtschnur für den Bürger, die deutlich macht,
ob seine Auskunftsersuchen Aussicht auf Erfolg haben.
Der Antrag der FDP trägt dieser Zielsetzung nach klaren und transparenten Regelungen Rechnung. Dafür
bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.
Vielen Dank.
({8})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Bürsch,
SPD-Fraktion.
({0})
Ich habe nach zwölf Jahren als Mitglied des Parlaments gelernt, dass ich keine Zwischenfrage stellen darf,
wenn ich später noch rede. Daher schließe ich das, was
ich fragen wollte, in meine Rede ein.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede von Herrn Mayer bin ich geneigt,
meiner Rede einen kleinen Teil für Fort- und Weiterbildung voranzustellen.
({0})
Deutschland war im Jahr 2005 eines von drei oder vier
„fortschrittlichen“ Industrieländern - darunter Länder
wie Malta und Andorra -, die kein Informationsfreiheitsgesetz hatten. Schweden hat ein solches Gesetz schon
seit rund 200 Jahren. Die USA kennen solche Regelungen seit 100 Jahren. In diesen Ländern gilt - genauso
wie bei uns nun - der Grundsatz: Jedermann hat Anspruch auf Auskunft aus der Verwaltung, und zwar nicht
nur wenn er ein berechtigtes Interesse hat.
({1})
Wenn Sie Lust haben und es wirklich wissen wollen,
empfehle ich Ihnen, die Gesetzesbegründung nachzulesen. Ich mache es kurz und verweise auf das, was für
Sie die Erhellung des Tages sein kann.
({2})
Es ist wirklich ein Paradigmenwechsel eingeleitet worden. Ich möchte Sie gerne im 21. Jahrhundert willkommen heißen. Die Begründung heißt nämlich, Herr Kollege: Der Zugang zu Informationen und die Transparenz
behördlicher Entscheidungen sind eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten.
({3})
Das gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht
des Staates heute mehr denn je. Eine lebendige Demokratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen
und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen. Das heißt, es
gibt einen Paradigmenwechsel, einen Übergang vom
Obrigkeitsstaat zum Bürgerstaat, von der abgeschotteten
Verwaltung, der Blackbox des 19. Jahrhunderts, zu einer
offenen Verwaltung im 21. Jahrhundert, um Bürgerrechte wahrzunehmen; das wollen wir.
({4})
Ich beende meinen Informationsteil und lege Ihnen ans
Herz: Machen Sie sich ein bisschen kundig, bevor Sie in
der rückständigen Art und Weise von 1998 über dieses
Gesetz reden.
Ich mache drei Bemerkungen. Es gibt erste Erfolge.
Das merkt auch Herr Schaar in Gesprächen wohlmeinend kritisch an. Es gibt deutlich mehr Licht in den
Amtsstuben. Wir wollen mit diesem Gesetz keine
Zwangsbeglückung der Verwaltung erreichen. Vielmehr
wollen Bürger wie Verwaltung auf der Grundlage dieses
Gesetzes eine neue, transparente Form des Umgangs
miteinander finden. Wie gesagt, hier gibt es erste Erfolge. Dafür sprechen bestimmte Anfragen. - Frau Präsidentin, ich sehe, dass sich der Kollege Tauss, der an der
Erarbeitung des Gesetzes namhaft mitgearbeitet hat, zu
einer Zwischenfrage meldet. Ist es möglich, seine Zwischenfrage zuzulassen?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss,
Herr Kollege Bürsch?
So viel Zeit muss sein.
Lieber Kollege Bürsch, ich würde es in der Tat bedauern, wenn Sie den Aufklärungsteil etwas zu früh beenden würden; denn es scheint doch hoher Aufklärungsbedarf zu bestehen.
({0})
- Regen Sie sich doch nicht gleich wieder auf, lieber Koalitionspartner. - Deswegen stelle ich als Bürger, dessen
Antrag auf Akteneinsicht - es ging um den Mautvertrag,
der 17 000 Seiten umfasst - abgelehnt worden ist, meine
Frage. Würden Sie es wirklich für unzumutbar halten,
dass ein Bürger und Abgeordneter des Deutschen Bun24242
destages in einen derart öffentlich diskutierten Vertrag
von 17 000 Seiten Einblick erhält? Halten Sie unter diesem Gesichtspunkt die Befürchtung der Union, dass die
Verwaltung durch den Einblick von Abgeordneten in
Verträge der öffentlichen Hand zu sehr beeinträchtigt
wird und das Wohl des Staates auf dem Spiel steht, für
gerechtfertigt?
Ich bin der Meinung, dass es genug Abwägungsgründe in den §§ 1 bis 6 des Gesetzes gibt, in denen von
den Geheimnissen der Verwaltung bis hin zu Betriebsund Geschäftsgeheimnissen alle Kriterien genannt sind,
unter denen Informationen aus der Verwaltung zurückgehalten werden können. Aber die Maut und deren Begleitumstände waren für mich im Prinzip ein Vorgang
von öffentlichem Interesse und insofern ein Paradebeispiel dafür, dass Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, zu sehen und nachzuvollziehen,
was da passiert. Die Barriere liegt in dem, was im Gesetz
angelegt ist.
Ich kann noch einen anderen Fall nennen, den auch
der Datenschutzbeauftragte genannt hat. So ist die Auskunft über die Empfänger von EU-Agrarsubventionen
mit Verweis auf das allgemeine Betriebs- und Geschäftsgeheimnis verweigert worden.
({0})
Das ist ein vergleichbarer Fall. Es gibt kein berechtigtes
wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung dieser
Angaben. Weder gibt es einen Wettbewerb um Subventionen, noch droht den Subventionsempfängern ein
Imageverlust. Solche Fälle gibt es in der Tat. In dieser
Hinsicht bin ich bei dem Kollegen Tauss. Es bedarf offenbar noch - auf diesen Punkt wollte ich noch kommen
- einer entsprechenden Umsetzung dieses Gesetzes. Es
hat nur 15 Paragrafen, aber die sind offenbar nicht ganz
einfach anzuwenden. - Vielen Dank für die Frage.
({1})
Ich habe gesagt, dass es erste Erfolge und mehr Licht in
den Amtsstuben gibt. Darauf ruhen wir uns nicht aus.
Der Weg ist richtig, und diesen Weg müssen wir weitergehen.
Zweitens. Es gibt aber auch berechtigte Kritik. Die
habe ich eben schon nennen können. So wird zum Teil
auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwiesen,
wenn die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Information
anmeldet. Das gilt jetzt in der Krise auch für den großen
Bereich der Finanzinstitute. Es gibt Bestrebungen von
eingeweihten Kreisen, Informationen zu verweigern. Es
hat auch einen Antrag aus Bayern gegeben, das Informationsfreiheitsgesetz zu verändern. Dem ist aber nicht
stattgegeben worden.
({2})
An dieser Stelle einen neuen Ausschließungsgrund einzuführen, hat hier im Hause keine Mehrheit gefunden.
Es gibt auch zum Beispiel - das hat der Datenschutzbeauftragte zu Recht kritisiert - eine Reihe von Anträgen,
die wegen „unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes“ abgelehnt worden sind. Einen solchen Ablehnungsgrund gibt es im Gesetz nicht. Man kann im Rahmen der
Gebührenerhebung darauf eingehen. Wenn man einen
geringen Aufwand hat, dann werden gar keine Gebühren
erhoben, und wenn man einen großen oder größeren
Aufwand hat, können entsprechende Gebühren verlangt
werden. Das aber ist kein Ablehnungsgrund. Ich halte es
für ausgesprochen sinnvoll, genauer hinzuschauen und
den Monita des Datenschutzbeauftragten nachzugehen.
Drittens. Ich komme zu den Zukunftsperspektiven.
Weil ich ein Freund und Förderer von Evaluierung und
seriöser Bewertung bin, schließe ich mich Ihnen an, Herr
Mayer. Ich würde in der Tat gerne eine mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmte Evaluierung des Gesetzes abwarten. Ich bin vor allem in einer Hinsicht vorsichtig. Das richte ich an die Adresse der FDP und der
Grünen. Natürlich ist das Gesetz ein Kompromiss. Wir
haben bei den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
keine Abwägungsformel ins Gesetz geschrieben. Das
heißt, wir haben nicht gesagt, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nur schützenswert sind, wenn das Interesse des Einzelnen gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit überwiegt. Wir haben formuliert, dass die
Entscheidung des Einzelnen genügt. Das Ganze war aber
aus meiner und aus SPD-Sicht damals ein Kompromiss,
um vertrauensbildend zu wirken; denn ich halte nichts
von einem Gesetz, das die Verwaltung auf einen anderen
Dampfer bringt, das einen Paradigmenwechsel bringt,
das von der Verwaltung als ausgesprochen störend und
lästig empfunden wird und das zu einer Verweigerungshaltung führt.
({3})
- Frau Kollegin Silke Stokar, dahinter steht meine Überlegung, dass das auch mit Psychologie zu tun hat. Wir
sind mit dem Gesetz also auf einige Vorbehalte, einiges
großes Misstrauen und einige Befürchtungen eingegangen und haben gesagt: Wir gehen einmal den Schritt in
Richtung Informationsfreiheit bis zu diesem Punkt und
lassen darüber hinaus durchaus noch etwas für künftige
Erweiterungen und Entwicklungen offen.
Meine Idealvorstellung ist, dass die Verwaltung jedenfalls konstatiert - wir werden sie nicht an der Spitze
der Bewegung haben -: Das ist ein richtiges Gesetz;
auch wir halten die Informationsfreiheit für etwas, was
ins 21. Jahrhundert gehört, wir sind dabei und verhindern es nicht.
Vielen Dank.
({4})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anträge, die zur heutigen Sitzung von den Grünen und von
der FDP zur Ausweitung und Verbesserung der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes vorgelegt wurden, wird die Linksfraktion unterstützen.
({0})
Mit diesem Informationsfreiheitsgesetz - hier wurde
schon gesagt, dass es in anderen Ländern längst existiert ist unserer Meinung nach ein wichtiger Schritt getan
worden, um mehr Transparenz in Behördenhandeln hineinzubringen. Der geltende Grundsatz, dass behördliche Vorgänge grundsätzlich nicht öffentlich sind, wurde
in diesem Gesetz umgekehrt. Das halten wir für richtig.
({1})
Herr Mayer, die begründeten Ausnahmen wie die, dass
Auskunft in Bezug auf den Ministerkalender verweigert
werden darf, müssen meines Erachtens tatsächlich genau
belegt werden; so weit zumindest die Theorie.
({2})
In der Praxis beobachten auch wir, dass sich die Behörden weiterhin gegen dieses Informationsbegehren der
Bürgerinnen und Bürger abschotten. Immer mehr Menschen machen die Erfahrung, dass die Behörden ihnen
die beantragte Auskunft verweigern, konkret in über einem Drittel der Fälle. Da werden Informationen als Verschlusssache eingestuft, da werden ganze Bereiche staatlichen Handelns komplett und pauschal von dem Gesetz
ausgenommen, und da werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorgeschoben. Wer sich als Bürger oder als
Journalist um die Aufklärung eines Bauskandals bemühen will, stößt allzu oft auf geschlossene Aktenschränke,
weil angeblich die Rechte von Dritten verletzt werden.
Dafür ein Beispiel: In meinem Büro hat sich voriges
Jahr ein Student gemeldet, der vom Bundeskriminalamt
die Lagebilder zur Korruptionsbekämpfung haben
wollte. Sie sind ihm verweigert worden, weil sie angeblich Rückschlüsse auf die Polizeitaktik zuließen. Interessanterweise hat das BKA diese Details aber bisher auf
seiner Homepage veröffentlicht. Es ist überhaupt nicht
nachvollziehbar, warum jetzt plötzlich dieses im Wesentlichen statistische Material diesem Menschen nicht
mehr zugänglich gemacht werden soll.
Dieses Beispiel zeigt zweierlei: Die Begründungen
für die Auskunftsverweigerung sind für die Bürgerinnen
und Bürger in der Regel kaum nachvollziehbar. Zudem
ist der Sinn des Gesetzes bei den Behörden noch nicht
angekommen. Sie versuchen sich weiterhin geheimniskrämerisch zu betätigen. Bürgerinnen und Bürger, die
Akten einsehen und Informationen haben wollen, werden als lästige Störenfriede behandelt, die eine Gefahr
für die jahrzehntelang geübte Behördenroutine darstellen.
Meine Damen und Herren, man muss sich noch aus
einem anderen Grund fragen, ob das Gesetz seinen Namen überhaupt verdient: Die Informationen sind frei,
aber sie können teuer sein. Die staatlich veranschlagte
Gebührentabelle für die Informationserteilung reicht bis
zu vierstelligen Beträgen. Aus Sicht der Fraktion Die
Linke reichten niedrige Schutzgebühren völlig aus, um
einer etwaigen Missbrauchsgefahr vorzubeugen.
({3})
Es ist also einiges zu tun, um Transparenz und öffentliche Kontrolle von Behördenhandeln in der Bundesrepublik zu verbessern. Eine Rückkehr zur obrigkeitsstaatlichen Geheimniskrämerei muss auf jeden Fall
verhindert werden. Daher begrüßen wir die vorliegenden
Anträge.
({4})
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Elvira Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht fragen Sie
sich jetzt, warum ich als Verbraucherpolitikerin hier in
Ihrer illustren Runde spreche,
({0})
aber dies ist ganz einfach erklärt: Ich möchte mich später
auf das Verbraucherinformationsgesetz beziehen, denn
auch wir fordern Transparenz und Informationszugangsrechte, die einfach vorhanden sein müssen, und zwar
nicht nur, um die demokratische Kontrolle der Behörden
sicherzustellen, sondern auch, weil sie dabei helfen,
etwa Korruption einzudämmen.
({1})
Sie sind auch Voraussetzung dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher selbstbestimmt am Markt teilnehmen können. Ohne ausreichende Informationen nämlich
haben die Verbraucherinnen und Verbraucher keine
Möglichkeit - meist jedenfalls nicht -, Qualität zu erkennen und die besten Angebote auszuwählen, vom
nachhaltigen Konsum ganz zu schweigen. Ein möglichst
weitgehender Zugang zu Informationen ist deshalb elementar für das Funktionieren unserer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft.
({2})
Wir haben deshalb im Bereich von Lebensmitteln und
Bedarfsgegenständen das Verbraucherinformationsgesetz geschaffen; das ist schon vorher kurz angeklungen.
Verbraucher wollen nämlich nicht nur wissen, ob Lebensmittel sicher sind, sondern auch, ob Kinderspielplätze sicher sind, ob das GS-Zeichen für geprüfte Produktsicherheit durch Anbieter missbraucht wurde oder
ob die Behörden Tricksereien bei der Preisangabe im
Bereich der Finanzdienstleistungen aufdecken konnten.
Ein Zugang zu den entsprechenden Untersuchungsergebnissen ist deshalb unbedingt notwendig. Hier sind die
Verbraucher bisher auf die allgemeinen Akteneinsichts24244
rechte in den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes
und der Länder angewiesen.
Am 21. April 2009 hat die SPD-Fraktion in einem
Positionspapier zum Verbraucherinformationsgesetz beschlossen, dass die speziellen Informationsrechte im
VIG ausgeweitet und verbessert werden sollen. Darüber
hinaus streben wir an, dass die Informationsrechte im
Informationsfreiheitsgesetz, Umweltinformationsgesetz
und Verbraucherinformationsgesetz in einem konsistenten Rahmen zusammengeführt werden.
Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum ich
hier das Wort ergreife. In ihrem Antrag geriert sich die
FDP als Bürgerrechtspartei. Aus den Diskussionen über
das Verbraucherinformationsgesetz kennen wir die FDP
aber ganz anders, und darauf möchte ich aufmerksam
machen.
({3})
Bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschussverfahren im Jahr 2005 hat die FDP bis zuletzt versucht,
über die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat ein
Akteneinsichtsrecht zu verhindern.
({4})
Unternehmensinteressen waren wichtiger als Transparenz und Verbraucherrechte.
({5})
Gleichzeitig wurde versucht, das Akteneinsichtsrecht zu
verwässern und zusätzliche Ausschluss- und Beschränkungsgründe in das Gesetz hineinzuverhandeln.
Wenn ich jetzt im FDP-Antrag lese, es müsse präzisiert werden, wann Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
vorlägen, dann geht mir der Hut hoch.
({6})
Damals hat die FDP dafür gesorgt, dass neben Betriebsund Geschäftsgeheimnissen auch sonstige wettbewerbsrelevante Informationen vom Informationsrecht der Verbraucher ausgeschlossen werden. Das ist doch wohl
kaum ein präziser Begriff. Wir haben dann im Gesetzeswortlaut durchgesetzt, dass Informationen über Rechtsverstöße keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sein
können.
Frau Kollegin!
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Sie werden sicherlich verstehen, dass wir Ihrem Antrag aus diesen Gründen nicht zustimmen werden.
Vielen Dank.
({0})
Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/10880 und
16/8893 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? -
Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-
sen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({0})
- zu dem Antrag des Bundesministeriums der
Finanzen
Entlastung der Bundesregierung für das
Haushaltsjahr 2007
- Vorlage der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes - ({1})
- zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes ({2})
- Drucksachen 16/8834, 16/11000, 16/12907 Berichterstattung:
Abgeordneter Bernhard Brinkmann ({3})
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({4})
zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes
Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2008
- Einzelplan 20 - Drucksachen 16/12091, 16/12906 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Petra Merkel ({5})
Dr. Claudia Winterstein
Michael Leutert
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. -
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich
um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen:
Steffen Kampeter, CDU/CSU, Bernhard Brinkmann,
SPD, Dr. Claudia Winterstein, FDP, Dr. Gesine Lötzsch,
Die Linke, Alexander Bonde, Bündnis 90/Die Grünen.1)
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses auf Drucksache 16/12907.
1) Anlage 45
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt der
Haushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung für
das Haushaltsjahr 2007 vor, Drucksachen 16/8834 und
16/11000. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU
und FDP bei Gegenstimmen der Fraktionen Bündnis 90/
Die Grünen und Die Linke angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufor-
dern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der
Bundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haushalts-
ausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungs-
hofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der
Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entschei-
dungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen
und c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, damit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den
Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses auf
Drucksache 16/12906 zu dem Antrag des Präsidenten des
Bundesrechnungshofes „Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2008 - Einzelplan 20 -“,
Drucksache 16/12091.
Wer stimmt für Nr. 1 der Beschlussempfehlung, Feststellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlussempfehlung, Erteilung der Entlastung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist ebenfalls mit
den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael
Kauch, Daniel Bahr ({6}), Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Lebendspenden bei der Transplantation von
Organen erleichtern
- Drucksache 16/9806 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit ({7})
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Michael Kauch, FDP-Fraktion.
({8})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch
immer herrscht in Deutschland ein Mangel an Spenderorganen. 2008 ging die Zahl der Organtransplantationen
sogar um etwa 9 Prozent zurück. Etwa 12 000 Menschen
stehen auf den Wartelisten, davon warten allein
8 000 auf eine Niere. Viele versterben in dieser Zeit oder
leiden über viele Jahre mit den Einschränkungen durch
die Dialyse.
Es sind deshalb alle Anstrengungen zu unternehmen,
zunächst einmal die postmortale Spende, also die
Spende von Organen Verstorbener, voranzubringen.
({0})
Dazu müssen wir die Spendenbereitschaft erhöhen.
Dazu müssten wir es auch schaffen, dass in den Krankenhäusern tatsächlich die Organe, die potenziell vorhanden sind, auch entsprechend transplantiert werden.
Dazu sind organisatorische, aber eben auch personelle
Voraussetzungen in den Krankenhäusern zu schaffen.
Wir sollten auch - das dürfen wir nicht vergessen keine falschen Anreize geben, eine Organspende nicht
zu machen. So haben wir als FDP beispielsweise kritisiert, dass das Gewebegesetz, das die schwarz-rote
Koalition verabschiedet hat, kommerzielle Anreize für
die Gewebespende setzt. Wenn es einen kommerziellen
Anreiz für die Gewebespende, aber nicht für die Organspende gibt, dann wird möglicherweise der falsche Anreiz gesetzt, die Möglichkeiten zur Organspende im
Krankenhaus nicht ausreichend wahrzunehmen. Es steht
zu befürchten, dass der Rückgang der Zahlen mit dem
Inkrafttreten des Gewebegesetzes einhergeht. Wir werden genau beobachten müssen, ob sich eine solche Entwicklung in den Zahlen der postmortalen Spenden widerspiegelt.
All dies entbindet uns allerdings nicht von der Verpflichtung, über Verbesserungsmöglichkeiten bei der Lebendspende von Organen nachzudenken. Während die
meisten Organe nur nach dem Tod gespendet werden
können, ist es bei Leber und Niere medizinisch möglich,
auch unter Lebenden zu spenden. Doch das derzeitige
Transplantationsgesetz setzt dem Helfen enge Grenzen.
So dürfen nur Verwandte und enge Freunde einem Todkranken ein Organ spenden.
Die FDP-Bundestagsfraktion will das Transplantationsgesetz im Bereich der Lebendspenden von unnötigen Vorschriften befreien. Um es ganz klar zu sagen:
Der Organhandel soll und muss weiter unter Strafe stehen und verfolgt werden. Aber wir wollen mehr Freiheit
zum Helfen geben. Nächstenliebe darf eben nicht weiter
unter Strafe stehen.
({1})
Mit unserem Antrag wollen wir den Kreis der zulässigen Spender erweitern. So sollen zum Beispiel Ehepaare
mit Blutgruppenunverträglichkeit über Kreuz dem anderen Ehepartner eines Schicksalsgenossen spenden dürfen. Heute müssen sie sich kennenlernen und dadurch
ein Näheverhältnis entwickeln. Erst dann wird die Transplantation genehmigt. Dieses Näheverhältnis ist eine
Fiktion, die gemacht wird, weil das Transplantationsgesetz es so bestimmt, und nicht, weil die Lebensrealität
dieser Menschen so ist. Man wird bei einem Ehepaar,
das eine Blutgruppenunverträglichkeit hat und das spenden will, nicht ernsthaft sagen können, dass hier die Gefahr eines Organhandels besteht. Diesem Punkt können
wahrscheinlich auch andere Fraktionen beitreten. Die
Enquete-Kommission hat bereits in ihrer Arbeit deutlich
gemacht, dass es auch unter den Experten unterschiedliche Haltungen gibt, auch solche, die es generell befürworten.
Außerdem will die FDP die Nachrangigkeit der Lebendspende gegenüber der postmortalen Spende aufheben. Heute ist es selbst dann verboten, ein Organ von einem lebenden Spender zu nehmen, wenn es die beste
Therapie wäre. Organe von Lebenden haben bessere
Funktionsraten als die Organe von Toten. Selbst wenn
ich heute einen Lebendspender habe, wenn beispielsweise mein Ehegatte oder ein enger Freund sagt, ich
spende dir meine Niere, damit du eine optimale Therapie
bekommst, ist es verboten, wenn es ein Organ eines Toten gibt, ein Organ eines Toten, das man einem anderen
Menschen auf der Warteliste transplantieren könnte. Das
ist nicht sinnvoll. Selbst die Bundesregierung hat in ihren Teilbericht, den sie dem Deutschen Bundestag jetzt
vorgelegt hat, einen Prüfauftrag hineingeschrieben. Also
selbst im Ministerium scheint man hier langsam ins Grübeln zu kommen. Wir sagen: Nicht prüfen, sondern handeln! Deshalb müssen wir die Nachrangigkeit der Lebendspenden aus dem Transplantationsgesetz streichen.
({2})
In anderen Bereichen geht unser Gesetzentwurf über
die genannten Punkte hinaus, auch wenn es Fallgruppen
sind, die keine großen Entwicklungen haben werden. Ich
nenne ein Beispiel: Die anonyme Lebendspende in einen
Pool, die in den USA zulässig ist, generiert in einem so
großen Land wie den USA vielleicht 40 Spenden pro
Jahr. Es geht also an den anderen Stellen neben den gerade genannten nicht so sehr darum, dass wir große Fallzahlen erreichen. Es geht uns darum, dass ein gerettetes
Leben es schon wert ist, über dieses Transplantationsgesetz nachzudenken. Wenn wir mit einer Lockerung ein
Leben retten können, dann sollte dieses Parlament darüber nachdenken, es zu tun.
({3})
Selbst wenn man nicht so weit gehen will, beispielsweise die anonyme Spende in einen Pool zuzulassen, ist
Helfen kein strafwertes Unrecht. Deshalb meinen wir,
dass Übertretungen durch den Arzt, die gegen das Transplantationsgesetz verstoßen, als Ordnungswidrigkeit
ausreichend geahndet wären. Es ist kein strafwertes Unrecht. Man muss hier nicht mit Gefängnis drohen.
Schließlich müssen wir die Versicherungssituation
der Lebendspender verbessern. Es kann nicht sein, dass
beispielsweise Streitigkeiten zwischen einer privaten
Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung auf dem Rücken des Patienten ausgetragen
werden, der nur seinem Nächsten helfen will. Da müssen
wir wirklich in der nächsten Wahlperiode Verbesserungen im Versicherungsrecht schaffen.
({4})
Damit wir es mehr Menschen ermöglichen können, zu
helfen, stimmen Sie in den bevorstehenden Ausschussberatungen unserem Antrag zu, sodass das Transplantationsgesetz im Sinne der Lebendspende gelockert wird.
Vielen Dank.
({5})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Julia Klöckner,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Verehrte Besucher auf den Tribünen! Ich weiß
nicht, wer einen ausgefüllten Organspendeausweis im
Portemonnaie hat. Einige von Ihnen haben ihn sicherlich. Ich habe diesen Ausweis seit vielen Jahren. Wir
stellen fest, dass die grundsätzliche Zustimmung zur Organspende vorliegt. Das Gesetz ist ja 1997 unter Horst
Seehofer verabschiedet worden. Es gab eine sehr intensive Debatte. Beispielsweise ist über die Definition des
Todes diskutiert worden, Hirntod, Herztod? Ist der Hirntod der Zeitpunkt, zu dem man Organe entnehmen kann?
Um diese Frage geht es heute nicht. Heute geht es darum, ob dieses Gesetz akzeptiert ist, ob die Bevölkerung
einer Organtransplantation gegenüber aufgeschlossen
ist. Ich denke, das ist sie. Umfragen ergeben, dass etwa
80 Prozent - ich weiß nicht, wie valide diese Studien
sind - der Befragten es gutheißen, dass Leben durch die
Spende von Organen gerettet werden können - postmortal, aber auch durch Lebendspenden. Erschreckend ist allerdings, dass nur etwa 12 Prozent einen Organspendeausweis ausgefüllt haben. Es gibt also eine sehr große
Lücke zwischen der grundsätzlichen Zustimmung und
der Bereitschaft, diese Zustimmung durch einen Organspendeausweis zu deklarieren. Wir haben ja hier die Zustimmungslösung und nicht die Widerspruchslösung, bei
der schon derjenige als Organspender infrage kommt,
der nicht widerspricht.
Sehr verehrter Kollege Kauch, ich stimme Ihnen in
Ihrer Analyse zu, dass sehr viele Menschen auf der Warteliste stehen, deren Uhr tickt. Ich selbst habe Bekannte,
die Dialysepatienten sind, und weiß, dass nicht nur die
Betroffenen selbst durch den Krankheitsverlauf und die
ständige Dialyse beeinträchtigt sind, sondern auch die
Menschen in ihrer Umgebung, Verwandte und die engsten Freunde. Ich weiß von einem Dialysepatienten, dass
er sehr oft durstig ist, aber aufgrund der Dialyse nicht
viel trinken darf.
Es ist klar, dass wir den Menschen helfen müssen.
Eine Organspende kann Leben retten. Es geht um die
Bereitschaft von Menschen, auch noch nach ihrem Tod
barmherzig und solidarisch zu sein. Ich bin Anhängerin
des Subsidiaritätsprinzips der postmortalen Organspende.
Ich stimme allerdings mit Ihnen, Herr Kauch, nicht
darin überein, dass wir, weil es nicht genügend postmortale Organspenden gibt, die Lebendspende ausweiten
müssen. In diesem Punkt habe ich schon damals nicht
mit Ihnen übereingestimmt, als wir zusammen in der
Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen
Medizin“ waren. Aktuell sind Lebendspenden möglich.
Schwierig ist immer die Frage, ob die Blutgruppen zueinander passen, ob sie kompatibel sind, zum Beispiel
bei Partnern, Geschwistern oder unter anderen Familienangehörigen. Ich halte aber ein besonderes Näheverhältnis für eine notwendige Voraussetzung für eine Lebendspende. Denn hier geht es nicht um eine anonyme
Blutspende, nach der sich neues Blut bildet, sondern hier
geht es um einen ernsthaften körperlichen Eingriff. Dem
Menschen, der ein Organ gespendet hat und nun ein Patient ist, geht es nach einer solchen Operation bestenfalls
so gut wie vorher. Beide Beteiligten, sowohl der Spender
als auch derjenige, der ein Transplantat erhält, sind aufgefordert, auch nach der Transplantation weiter mitzuarbeiten und sich der ärztlichen Betreuung und Versorgung
zu unterziehen. Der Organspender hat durchaus auch ein
vitales Interesse daran, dass derjenige, der das Organ erhalten hat, seine Medikamente nimmt, Immunsuppressiva etc.
Ich habe sehr große Bauchschmerzen - das ist der
Hauptgrund, warum ich Ihren Antrag ablehne - angesichts des sogenannten Pooling, was bedeutet, dass Organspender Organe anonym in einen sogenannten Pool
geben können. Wenn jemand, der zum Beispiel eine
Niere benötigt, keinen geeigneten Spender in seiner Umgebung hat, muss er nur eine ihm nahestehende Person
ansprechen, eine Niere in diesen Pool zu geben, um
seine Chance zu erhöhen, von jemand anderem eine
Niere zu bekommen.
({0})
Das halte ich für sehr problematisch, weil auf diese
Weise in einer engen Beziehung keine Freiwilligkeit
mehr gegeben ist. Wer kann sich dem Leid eines Angehörigen entziehen, wenn dieser bittet, eine Niere in einen
Pool zu geben, damit er seine Chance erhöht, selber eine
zu bekommen? Ich finde, dadurch ist das Selbstbestimmungsrecht sehr eingeschränkt, und das setzt Menschen
unter einen Druck, der bei einer solchen schwerwiegenden Entscheidung nicht sein darf.
({1})
Wir von der CDU/CSU wollen, dass das Thema Organspende im öffentlichen Bewusstsein bleibt. Wir wollen weiter aufklären. Deshalb hat unsere Fraktion 2008
ein Symposium mit dem Titel „Organspende: Ja zum Leben“ veranstaltet. Viele unserer Mitglieder haben bereits
einen Organspendeausweis. Ich nenne stellvertretend
Volker Kauder und Angela Merkel. Wann immer wir
über dieses Thema reden, wird auch die Öffentlichkeit
darauf aufmerksam.
Bei den „Jungen Helden“ handelt es sich um Jugendliche, die schon ein Organ gespendet bekamen oder noch
auf ein Spenderorgan warten. Sie wollen aber, dass wir
andere nicht unter Druck setzen, ein Organ zu spenden.
Es geht darum, das vorhandene Potenzial zu heben. Wir
müssen in diesem Zusammenhang an die Krankenhäuser
und die Krankenkassen appellieren, die bei der Gemeinschaftsaufgabe Transplantationsmedizin gefordert sind.
Meine Krankenkasse möchte sehr viele Daten von mir
erfahren. Aber ich wurde noch nie gefragt, ob ich Organspenderin sein möchte. Viele, die im Krankenhaus tätig
sind, haben Berührungsängste, wenn es um dieses
Thema geht.
Es ist natürlich eine Schocksituation, wenn man erfährt, dass ein Angehöriger hirntot ist. Dies ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, eine Zustimmung für eine
Organspende zu bekommen. Wir müssen daher das
ganze Jahr in regelmäßigen Abständen über dieses
Thema aufklären.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Arbeit der sogenannten Streetworker fortgesetzt wird. Die CDU/CSUBundestagsfraktion möchte, dass in den Schulen mehr
informiert wird und dass diejenigen in die Pflicht genommen werden, die sozusagen an der Front stehen. Es
geht natürlich nicht an, dass Krankenhäuser die Kosten,
die ein Hirntoter, der auf der Intensivstation untergebracht ist, verursacht, nicht erstattet bekommen.
Es handelt sich um eine sehr diffizile Angelegenheit.
Die Lebendspende auszuweiten, ist sicherlich die falsche
Antwort. Ich habe Sorge vor einer Kommerzialisierung
der Lebendspende.
({2})
Es besteht nämlich die Gefahr, dass Geld gezahlt wird
oder Versprechungen - vielleicht auch beruflicher Art gemacht werden und dass wir die Tür, die wir heute einen Spalt öffnen, nicht mehr schließen können. Deshalb
lehnen wir die Ausweitung der Lebendspende ab und
wollen sie auf das spezielle Näheverhältnis beschränken.
Wir setzen weiterhin auf Aufklärung und Sensibilisierung. Denjenigen, die auf ein Organ warten, sprechen
wir unsere Solidarität aus.
({3})
Die Kollegen Dr. Martina Bunge, Fraktion Die Linke,
Peter Friedrich, SPD-Fraktion, und Elisabeth Scharfen-
berg, Bündnis 90/Die Grünen, haben ihre Reden zu Pro-
tokoll gegeben.1) Deshalb schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/9806 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Akkreditierungsstelle
({0})
- Drucksache 16/12983 -
1) Anlage 46
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss fürWirtschaft und Technologie ({1})
Ausschuss fürErnährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss fürArbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss fürBildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden der Kolleginnen und Kollegen Dr. Georg
Nüßlein, CDU/CSU, Andrea Wicklein, SPD, Ernst
Burgbacher, FDP, Dr. Herbert Schui, Die Linke, und
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Mitunter komme ich mir hier vor wie bei den alten
Griechen. Besonders im Vorfeld der Einbringung des Gesetzes über die Akkreditierungsstelle haben sich inner-,
aber auch zwischenparteilich wahre Tragödien und auch
einige Komödien abgespielt. Mit dem Öffnen der Büchse
der Pandora brach nach der griechischen Mythologie
alles Schlechte, aber auch die Hoffnung über die Welt
herein. Ähnliches ist uns mit der Umsetzung der europäischen Verordnung über die Anforderung an Akkreditierung und Marktüberwachung bei der Vermarktung von
Produkten passiert. Diese Verordnung zwingt uns bis zum
1. Januar 2010, eine nationale Akkreditierungsstelle zu
errichten.
Die Büchse der Pandora war ein Geschenk von Zeus.
Als sie geöffnet wurde, kam alles Schlechte über die Welt.
Bevor jedoch auch elpis, griechisch für „Hoffnung“, aus
der Büchse entweichen konnte, wurde sie wieder geschlossen. So wurde die Welt ein trostloser Ort, bis Pandora die Büchse erneut öffnete und so auch die Hoffnung
in die Welt ließ. Wir haben die Büchse leider bisher nur
einmal geöffnet. Die EU hat, indem Sie uns zwingt, das
Thema Akkreditierungsstellen aufzugreifen und eine
einheitliche Aufsicht für Prüflabore einzurichten, alte
Ängste geschürt und an Kompetenzen gerüttelt. In
Deutschland führen circa 4 000 Zertifizierungsstellen
und Laboratorien - darunter Unternehmen wie der TÜV verschiedenste Prüfungen von Produkten und Dienstleistungen durch. Ihre Befähigung hierzu weisen sie in Akkreditierungsverfahren nach. Die Zuständigkeit für die
Akkreditierung ist bisher auf über 20 verschiedene Einrichtungen verteilt. Neben Stellen des Bundes und der
Länder sind auch private Akkreditierungsstellen vertreten.
Genauso bunt wie die deutsche Zertifizierungslandschaft ist auch die Interessenlage bei ihrer Neuorganisation. Die EU möchte einheitliche Standards und einen
einzigen nationalen Ansprechpartner. Gleichzeitig bestehen die privaten Akkreditierungsstellen - meiner Meinung nach zu Recht - auf der Berücksichtigung ihrer Interessen. Das Bundesgesundheitsministerium plädierte,
besonders wegen Bedenken bei der Sicherheit von Medizinprodukten, dafür, eine Behörde zu schaffen. Einige
Bundesländer sahen ihre Kompetenzen schwinden und
beanspruchten, die Verantwortung für Akkreditierungen
lieber selber zu tragen.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis langer und zäher Verhandlungen zwischen den Ressorts und
sieht vor, eine privatrechtliche Gesellschaft zu gründen,
an der Bund, die Länder und die Wirtschaft jeweils zu
einem Drittel beteiligt sind. Diese Gesellschaft soll mit
ihrer Aufgabe beliehen werden und wie eine Behörde
agieren können. Somit hätten wir eine Kapitalbeteiligung
der öffentlichen Hand und zugleich eine Beleihung. Auf
diesem Wege läßt sich durch den Staat noch umfassend
Einfluss nehmen.
In den Bereichen Gesundheit und Verbraucherschutz
gibt es aber auch weiterhin erhebliche Bedenken gegenüber dem jetzt gefundenen Kompromiss. Meine Kollegen
vom Wirtschaftsausschuss und ich sehen diesen Gesetzentwurf jedoch als eine Chance. Erstmals könnte es gelingen, diese Stellen unter einem Dach zu bündeln. Durch
die Zusammenführung der unterschiedlichen Prüfungsund Zertifizierungsstellen könnten wir eine Vereinheitlichung der Standards, größere Effizienz und geringere
Kosten im Akkreditierungsverfahren erreichen.
Wir werden uns in den kommenden Wochen also intensiv mit der Prüfung des Für und Wider dieses Gesetzentwurfs beschäftigen. Allen Gegnern unseres Gesetzentwurfs möchte ich aber schon heute die aufmerksame
Lektüre ans Herz legen. Dort heißt es in § 1 Abs. 2:
Die in anderen Rechtsvorschriften geregelte Zuständigkeit von Behörden, Stellen die Befugnis zu
erteilen, als Konformitätsbewertungsstelle zuständig zu werden, bleibt unberührt. Insbesondere gilt
dies für die Bereiche Medizinprodukte, Gendiagnostika, Sicherheitstechnik sowie Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz einschließlich Lebensmittelsicherheit.
Wir geben den vorhandenen Strukturen lediglich ein
gemeinsames Dach, sonst bleibt alles, wie es ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie hiermit bitten, die - um im Bild zu bleiben - Büchse der Pandora im parlamentarischen Verfahren ein zweites Mal zu
öffnen, um auch die Hoffnung herauszulassen. Es geht
schließlich nicht um eine Lappalie, sondern um das System der Qualitätssicherung in Deutschland und damit
auch um die Glaubwürdigkeit deutscher Produkte und
Dienstleistungen auf dem Weltmarkt. Die deutsche Exportwirtschaft ist auch weiterhin auf den hohen Stellenwert angewiesen, den das Label „Made in Germany“ seit
Jahrzehnten verkörpert. Es wäre unvorstellbar, wenn der
Exportweltmeister Deutschland keine nationale Akkreditierungsstelle zustande bringen würde.
Die Qualität deutscher Produkte ist ein hohes Gut.
„Made in Germany“ ist in der Welt Ausdruck für die
Qualität der Produkte und die Prozessqualität ihrer
Herstellung. Der Staat hat wirtschaftspolitisch, aber
auch umweltpolitisch, sicherheitspolitisch und verbraucherschutzpolitisch ein Interesse an einem hohen Standard der in Deutschland hergestellten und verkauften WaAndrea Wicklein
ren und Dienstleistungen. Es ist daher grundsätzlich zu
begrüßen, dass die Europäische Union die Aufgaben der
Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen, die
bestätigen, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung spezifischen Anforderungen entspricht, als staatliche Aufgabe definiert und eine zentrale nationale Akkreditierungsstelle fordert.
Die Bedeutung der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Nur durch eine Akkreditierung haben
Verbraucher und Unternehmen die Sicherheit, dass die
Konformitätsfeststellung für ein Produkt den Anforderungen entspricht. Nur so kann auch der Staat sicher sein,
dass seine Anforderungen in Bezug auf öffentliche Interessen wie Gesundheit, Sicherheit am Arbeitsplatz, Verbraucherschutz oder Umweltschutz befolgt werden.
Das Akkreditierungswesen in Deutschland entspricht
heute nicht den in der EG-Verordnung vom 13. August
2008 geforderten Ansprüchen. In Deutschland hat sich im
Gegensatz zu anderen Ländern in der EU keine zentrale
Stelle herausgebildet. Vielmehr wird das deutsche Akkreditierungswesen durch den Deutschen Akkreditierungsrat
repräsentiert, in dem die meisten Akkreditierungsstellen
des Bundes, der Länder und der Wirtschaft vertreten sind.
Die Aufgabe der Kompetenzüberprüfung und -bestätigung von Konformitätsbewertungsstellen ist also organisatorisch und inhaltlich weder dem Staat noch der Wirtschaft eindeutig zugeordnet. Das soll sich nun ändern.
Die Besonderheiten des deutschen Akkreditierungswesens, vor allem seine Zersplitterung, haben auch bereits
zu einem Vertrauens- und Einflussverlust auf den Märkten geführt. Eine nationale Akkreditierungsstelle, die
dann auch ein einheitliches Symbol tragen soll, wird zu
neuer Akzeptanz führen.
Über die genaue Ausgestaltung der deutschen Akkreditierungsstelle wird noch zu diskutieren sein. Das Gesetz
zur Einrichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle
muss den hohen Akkreditierungsstandard - auch in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheitssektor und dem
Verbraucherschutz - Rechnung tragen. Die Erwartungshaltung der Bevölkerung ist groß, dass ein Höchstmaß an
Sicherheit beim Einsatz zum Beispiel von Medizinprodukten gewahrt bleibt. Insofern muss die Akkreditierungsstelle objektiv und unabhängig bewerten und beurteilen
können.
Mit dem heute zu debattierenden Gesetzentwurf soll
eine nationale Akkreditierungsstelle geschaffen werden.
Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Verordnung
EG Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 9. Juli 2008. Dass diese Verordnung überhaupt
noch in nationales Recht umgesetzt wird, ist beachtlich.
Fast wäre auch dieses Vorhaben am Zwist innerhalb der
Regierungskoalition gescheitert. Noch vor gerade einmal
zwei Monaten konnten sich das Bundesministerium für
Gesundheit und das Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie nicht auf die Struktur der einheitlichen
Akkreditierungsstelle einigen.
Das SPD-geführte Gesundheitsministerium, die
Staatsgläubigen in dieser Bundesregierung wollten eine
weitere nationale Mammutbehörde aufbauen. Indes hat
sich das Wirtschaftsministerium für eine privatwirtschaftlich ausgerichtete Akkreditierungsstelle ausgesprochen, die durch den hoheitlichen Akt der Beleihung die
Aufgaben übertragen bekommen sollte. Auch wenn aus
meiner Sicht dieser Gesetzentwurf Anlass für eine Reihe
von Kritikpunkten bietet, ist doch zumindest festzustellen,
dass sich das unionsgeführte Wirtschaftsministerium in
diesem Punkt gegen die SPD durchsetzen konnte. Die
neue nationale Akkreditierungsstelle wird als privatrechtliche Gesellschaft gegründet, an der Bund, Länder
und Wirtschaft zu gleichen Teilen beteiligt sind.
Die Verordnung ist umzusetzen. Daran lässt sich nun
nichts mehr ändern, denn zum 1. Januar 2010 würde die
Verordnung auch für die Bundesrepublik in allen ihren
Teilen verbindlichen Regelungscharakter entfalten. Wir
hätten uns jedoch erhofft, dass sich die Bundesregierung
im Vorfeld, das heißt auf europäischer Ebene, dafür eingesetzt hätte, dass die dezentrale Struktur in Deutschland
erhalten geblieben wäre. In Deutschland gibt es mehr als
4 000 Akkreditierungsstellen, die Dienstleistungen und
Produkte prüfen und zertifizieren. Diese Stellen arbeiten
unmittelbar dort, wo Ihre Dienste gefragt sind, und schaffen damit in föderaler Struktur ein engmaschiges Netz an
Prüfstellen. Dieses Netz führt letztlich dazu, dass die Akkreditierung auch kostengünstig erfolgen kann. Davon
profitieren sowohl die Wirtschaft als auch die Verbraucher.
Durch die privatwirtschaftliche Gesellschaftsstruktur
ist es immerhin gelungen, die Kräfte bewährter, erfahrener Einrichtungen zu erhalten. Dennoch wird diesen erfahrenen Stellen nun ein Überbau verordnet, der unnötig
ist und zudem erhebliche Kosten verursachen wird. Die
Bundesregierung geht selbst davon aus, dass Kosten von
mehr als 7 Millionen Euro allein auch für die Anschubfinanzierung notwendig sein werden. Auf die Wirtschaft
werden fast 2,5 Millionen Euro entfallen. Zu den Kosten
für den weiteren Betrieb dieser übergeordneten „zentralen Überwachungseinheit“ macht die Bundesregierung
hingegen keine Aussage. Auch hier ist zu erwarten, dass
auf die Träger gemeinsam erhebliche jährliche Kosten
zukommen werden.
Gleichzeitig stellt die Bundesregierung jedoch in der
Gesetzesbegründung fest, dass „die Wirtschaft durch das
vorgelegte Gesetz in geringem und nicht quantifizierbarem Umfang“ entlastet wird. Gerade eine deutliche Entlastung hätte aber das Ziel einer Bündelung von Akkreditierungsfunktionen sein müssen. Wenn schon eine
einheitliche, übergeordnete, nationale Stelle eingerichtet
wird, dann darf man hier auch erwarten, dass die Wirtschaft in erheblichem und gut quantifizierbarem Maße
entlastet wird. Stattdessen schafft die Bundesregierung
neue Belastungen und stellt fest, dass „Auswirkungen auf
die Einzelpreise nicht auszuschließen“ sind.
Diese Bundesregierung schafft mit fast jedem Gesetz,
welches sie in den Deutschen Bundestag einbringt, neue
Belastungen für die Unternehmen in Deutschland und die
Verbraucherinnen und Verbraucher. Dies war auch bei
Zu Protokoll gegebene Reden
der Dienstleistungsrichtlinie der Fall, über die wir in der
letzten Woche an dieser Stelle debattiert haben, und dies
ist auch heute wieder so. Der umgekehrte Weg ist der
richtige: Entlastung statt Belastung. Hierfür hätte sich
die Bundesregierung auf europäischer Ebene einsetzen
müssen. Leider haben Sie dies abermals versäumt.
Ob die Bundesregierung mit dem Gesetz über die Einrichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle „einen
wichtigen Baustein für die Qualitätssicherung in
Deutschland beschlossen“ hat, wie dies der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze erklärte, bleibt für die
FDP abzuwarten. Der Stand der Qualitätssicherung war
und ist in Deutschland auf international anerkanntem,
sehr hohem Niveau. Im Sinne der Qualitätssicherung
hätte es einer nationalen Akkreditierungsstelle nicht bedurft, denn die deutschen Stellen haben dieses hohe Niveau auch ohne eine Überaufsicht bereits erreicht.
Nach langem Hin und Her hat es die Regierung endlich geschafft, den Gesetzentwurf zur Errichtung einer
nationalen Akkreditierungsstelle vorzulegen. Grund für
die Verzögerung war bekanntlich Streit zwischen zwei
Ministerien. Das Bundeswirtschaftsministerium war der
Ansicht, dass die Akkreditierungsstelle privatrechtlich
organisiert sein soll. Das Bundesgesundheitsministerium
dagegen hielt eine Anstalt öffentlichen Rechts für zweckmäßig. Leider konnte sich das Wirtschaftsministerium
durchsetzen.
Es stellt sich die Frage, warum eine im Gesetz selbst so
bezeichnete hoheitliche Aufgabe von einer privatrechtlichen Institution übernommen werden sollte. Schließlich
muss - auch das steht im Gesetz und in der dazugehörigen EU-Verordnung - Unparteilichkeit und Objektivität
bei der Arbeit der Akkreditierungsstelle gewahrt sein. Die
Akkreditierungsstelle soll die Kompetenz der Konformitätsbewertungsstellen bestätigen, die ihrerseits prüfen,
ob Produkte oder Dienstleistungen den gesetzlichen
Anforderungen entsprechen, und Kalibrierungen, Zertifizierungen und Inspektionen durchführen. Warum ist
dann die Wirtschaft zu einem Drittel an einer Institution
beteiligt, die den Prüfstellen von Produkten ebendiese
Kompetenz bescheinigt? Ist es nicht vorstellbar, dass
Konformitätsbewertungsstellen nach zu vielen ablehnenden Prüfungen die erneute Akkreditierung auf Druck der
Wirtschaft verweigert werden könnte?
Es besteht der Verdacht, dass hier Prüfstellen ausgemustert werden sollen. Zwar liegt die Rechtsaufsicht noch
beim Wirtschaftsministerium. Warum dann aber nicht
gleich eine öffentliche Institution? Das einzige in der Gesetzesbegründung genannte Gegenargument - Probleme
im Personalübergang - jedenfalls ist offenbar vorgeschoben. Die Vermutung liegt nahe, dass eine privatrechtliche
Lösung bevorzugt wurde, um der Wirtschaft einmal mehr
Einfluss zu garantieren, und dafür die üblichen ideologischen Gründe vorgeschoben wurden. Es geht um mehr
Einfluss der Privatwirtschaft.
Wenn aber der besondere Zweck der Akkreditierungsstelle in der Stärkung der deutschen Exportwirtschaft besteht - denn ohne nationale Akkreditierungsstelle, so der
Text, „entfiele … ein wichtiges Instrument zur Sicherung
der Marktstellung und damit der Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen Exportwirtschaft“ -, dann ist die Frage gestellt, ob nicht eine öffentliche Lösung besser gewesen
wäre. Es ist mehr als fraglich, ob das noch im Einklang
mit der geforderten Objektivität und Unparteilichkeit
steht.
Noch besser wäre es, die Konformitätsbewertungsstellen, also renommierte Institutionen wie der TÜV, selbst
wieder in die öffentliche Hand zurückzuführen. Dann
bräuchten sie gar keine zusätzliche Akkreditierung mehr.
Auch die Unparteilichkeit wäre eher gewahrt, da die zu
Prüfenden nicht mehr die Prüfstellen überwachen würden.
In dem Gesetzentwurf über die Errichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle geht es um die Umsetzung
einer EU-Verordnung. Lieber Herr Guttenberg, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition,
man muss ja schon froh sein, dass dem Parlament überhaupt ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Schon bis zum
1. Januar 2010 muss eine nationale Akkreditierungsstelle
eingerichtet werden. Das ist lange bekannt. Und was
macht die ach so handlungsfähige Große Koalition? Sie
streitet und streitet und kann sich nicht einigen.
Der Grund für die späte Einbringung ist ja bekannt.
Das Bundesministerium für Wirtschaft konnte sich mit
den anderen betroffenen Ministerien bezüglich der Trägerschaft der nationalen Akkreditierungsstelle nicht einigen. Das ist schon bezeichnend für die große Koalition.
Bei dem Antritt der Großen Koalition wurde den Bürgerinnen und Bürgern viel versprochen und herausposaunt,
was diese Große Koalition alles leisten könne. Die Bilanz
ist mehr als ernüchternd. Das ist mittlerweile allen klar.
Und die Vorgänge, die dem jetzt endlich vorliegenden Gesetzentwurf vorangingen, sind bezeichnend für die Große
Koalition. Die Große Koalition blockiert sich, weil sie
sich nicht einigen kann. Und was ist die Konsequenz? Der
Gesetzentwurf wird viel zu spät in den Bundestag eingebracht.
Bei dem Konflikt ging es um eine sehr entscheidende
Frage. Soll die nationale Akkreditierungsstelle als eine
beliehene wirtschaftsgetragene GmbH organisiert werden oder soll eine Behörde eingerichtet werden? Es ging
also um die Frage private Trägerschaft oder öffentliche
Trägerschaft. Ich möchte hier noch einmal daran erinnern: Es geht um die Stelle, die kontrolliert, welche Stellen darüber entscheiden dürfen, dass Produkte für den
gemeinsamen Markt zugelassen werden. Wollen wir diese
Kontrolle in privater Hand oder in öffentlicher Hand?
Das ist die Frage.
Wenn die Akkreditierungsstelle als eine beliehene
Stelle eingerichtet wird, dann steht diese zwar noch unter
behördlicher Oberaufsicht. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie stark von der Industrie bestimmt und gelenkt
wird, deren Produkte der Akkreditierung unterliegen. Der
Durchgriff der Behörde in den operationellen Teil wäre
dann nur mittelbar mit zum Teil zeitraubenden Maßnahmen möglich. Das ist die Linie, die das BundeswirtZu Protokoll gegebene Reden
schaftsministerium, also Sie, Herr Bundesminister
Guttenberg, dogmatisch verfolgt haben und von der Sie
nur durch die Intervention der anderen Ministerien abgegangen sind.
Ich frage mich: Ist das die Lehre, die Sie, Herr Bundesminister Guttenberg, aus der Wirtschafts- und Finanzkrise ziehen? Glauben Sie wirklich, dass sie heute noch
jemandem erzählen können, dass die beste Kontrolle der
Märkte und auch die indirekte Kontrolle von der Wirtschaft selbst gemacht wird? Die Wirtschaft kann sich
nicht selbst kontrollieren, und sie soll es auch nicht. Das
ist die Lehre aus der Finanzkrise. Und das würde auch
der ordoliberalen Position entsprechen, mit der Sie sich
sonst immer gerne schmücken.
Und jetzt ist eine mit der heißen Nadel gestrickte,
scheinbare Kompromisslösung herausgekommen, die
Drittellösung. Neben dem Bund sitzen nun die Industrie
und wahrscheinlich auch die Länder mit am Tisch. Statt
sich klar für die öffentliche Kontrolle zu entscheiden, soll
hier ein fragwürdiger Kompromiss beschlossen werden.
Dabei befürchte ich, dass sich diese Drittellösung in der
Praxis als ineffizient und nicht steuerbar erweist.
Diese Fragen müssten wir intensiv im Parlament diskutieren. Diese Zeit wollten und wollen Sie dem Parlament nicht lassen.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 16/12983 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu
anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann
ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion DIE LINKE
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung des Progressionsvorbehalts für
Kurzarbeitergeld
- Drucksache 16/12888 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({0})
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Die Kollegen Olav Gutting, CDU/CSU, Gabriele
Frechen, SPD, Carl-Ludwig Thiele, FDP, Dr. Barbara Höll,
Fraktion Die Linke, und Christine Scheel1), Bündnis 90/Die
Grünen, haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.2)
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/12888 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
1) Rede lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird zu einem späte-
ren Zeitpunkt abgedruckt.
2) Anlage 47
Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel
- Drucksache 16/11595 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1})
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Andreas
Jung, CDU/CSU, Frank Schwabe, SPD, Michael Kauch,
FDP, Eva Bulling-Schröter, Die Linke, und Bärbel
Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Es gibt keinen vernünftigen Zweifel mehr: Der Klimawandel schreitet weiter voran. Wir dürfen nicht innehalten in unseren Bemühungen, den Anstieg der globalen
Durchschnittstemperatur auf 2 Grad Celsius über dem
vorindustriellen Niveau zu begrenzen und damit die Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen weiter deutlich voranzutreiben. Dies erfordert massive Maßnahmen
für mehr Klimaschutz. Diese dürfen durch Anpassungsmaßnahmen nicht infrage gestellt werden. Gleichzeitig
dürfen wir aber nicht die Augen verschließen vor den
schon eingetretenen und noch zu erwartenden Veränderungen. Deshalb brauchen wir Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.
Ich begrüße es deshalb sehr, dass die Bundesregierung
mit der „Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ die im Klimaschutzprogramm 2005 angekündigte Konzeption einer deutschen Anpassungsstrategie
vorlegt und damit Programme erarbeitet, die eine angemessene Anpassung an die Klimaänderungen erleichtert
und zudem eine Hilfe und Orientierung für die beteiligten
Akteure bietet. Trotz aller wissenschaftlichen Szenarien
lässt sich nicht leugnen, dass wir nicht exakt voraussagen
können, wie sich das Klima global, in Europa, in
Deutschland oder in unseren Heimatregionen verändern
wird. Dass es sich aber verändert, das erleben wir schon
heute.
Die vorliegende Strategie der Bundesregierung ist ein
Beitrag zur Fortentwicklung der notwendigen Zusammenarbeit mit den Bundesländern und weiteren Beteiligten, die zum Ziel hat, die Verminderung der Verletzlichkeit
bzw. den Erhalt und die Steigerung der Anpassungsfähigkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer
Systeme an die unvermeidbaren Auswirkungen des globalen Klimawandels zu sichern.
Die Bundesregierung betont in ihrer Strategie, dass ihr
an einer offenen Kooperation gelegen ist. Dies begrüße
ich ausdrücklich. Die gemeinsamen Anstrengungen werden nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn es gelingt,
Vorbehalte und Sorgen abzubauen und damit das Verständnis sowie die Bereitschaft zum Handeln zu erhöhen.
Dies kann durch die von der Bundesregierung avisierte
Kooperation, aber auch durch die Bereitstellung neuester
Andreas Jung ({0})
Daten erfolgen. Denn nicht allen Betroffenen wird es
möglich sein, entsprechende Analysen und Auswertungen
selbst zu erstellen. Diese sind aber als Grundlage für ein
zielgerichtetes und erfolgreiches Handeln unerlässlich.
Wenn sich die Bundesregierung in ihrer Strategie zu
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit bekennt, ist dies
eben auch Ausdruck der Erkenntnis, dass die Auswirkungen des Klimawandels regional unterschiedlich sein werden und deshalb örtliche Gegebenheiten und Entscheidungsprozesse berücksichtigt werden müssen. Dabei ist
wichtig, dass alle Lebensbereiche einbezogen werden.
In ihrer Anpassungsstrategie betont die Bundesregierung, dass „das Thema Anpassung an die Folgen des Klimawandels … neben den angestrebten Vereinbarungen
über die deutlichen Verminderungen der Treibhausgasemissionen ein zentraler Gegenstand der Verhandlungen
im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten
Nationen über ein künftiges internationales Klimaregime“ ist. „Auch für die entwicklungs-, sicherheits- und
umweltpolitische Zusammenarbeit sowie für die Migrationspolitik gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung.“ Ich kann dies nur unterstützen.
Als Berichterstatter der Union für Klimaschutz konnte
ich an den vergangenen UN-Konferenzen zum Klimawandel teilnehmen. Dabei wurde deutlich, dass zahlreiche
Schwellen- und Entwicklungsländer ein Interesse an
Maßnahmen zur Verminderung von Treibhausgasen haben, dass sie die Frage nach Anpassungsstrategien jedoch mindestens genauso beschäftigt. Die Industrieländer stehen in einer besonderen Verantwortung, sind doch
sie die Hauptverursacher des Klimawandels. Die Hauptleidtragenden sind allerdings die Schwellen- und Entwicklungsländer.
Ende dieses Jahres findet die UN-Klimakonferenz in
Kopenhagen statt. Dort soll ein Nachfolgeprotokoll für
das Kioto-Abkommen verabschiedet werden, das 2012
ausläuft. Ich begrüße es sehr, wenn sich die Bundesregierung in ihrer Anpassungsstrategie nicht nur zur angestrebten Vereinbarung über die Verminderung der CO2Emissionen bekennt, sondern darüber hinaus das Thema
Anpassung stärker gewichten will.
Die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ hat Signalwirkung für alle Beteiligten. Sie bildet
ein Fundament für einen ganzheitlichen Ansatz, wie den
zum Teil bereits heute nicht mehr abwendbaren Veränderungen des Klimas begegnet werden kann. Die Anpassungsstrategie bildet eine weitere Säule der deutschen
Klimapolitik. Bis Ende März 2011 soll ein gemeinsam mit
den Ländern erarbeiteter „Aktionsplan Anpassung“ vorgelegt werden, der Grundsätze und Kriterien für die Identifizierung und Priorisierung von Handlungserfordernissen, die Priorisierung von Maßnahmen des Bundes und
einen Überblick über konkrete Maßnahmen anderer Akteure auf der Grundlage des Dialog- und Beteiligungsprozesses, Aussagen zur Finanzierung, Vorschläge für
eine Erfolgskontrolle - Indikatoren - sowie die Weiterentwicklung der deutschen Anpassungsstrategie und Benennung der nächsten Schritte enthalten soll.
Nicht nur der Klimaschutz macht ein weltweit abgestimmtes Handeln erforderlich; dies ist auch bei den Anpassungsmaßnahmen der Fall. Die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ sowie die weiteren
Schritte bilden eine gute Grundlage für ein international
abgestimmtes Handeln.
Wir beraten heute die „Deutsche Anpassungsstrategie
an den Klimawandel“, die letzen Dezember vom Kabinett
verabschiedet wurde. Die Anpassung an den Klimawandel ist ein Thema, das in vielen Diskussionen über Klimaschutz bis jetzt immer ein bisschen zu kurz kam. Denn verständlicherweise steht im Mittelpunkt der Diskussion
immer die Frage, wie wir den Ausstoß an Treibhausgasen
reduzieren können. Wir müssen alles dafür tun, dass wir
in Deutschland unser Ziel von 40 Prozent weniger CO2
bis zum Jahr 2020 erreichen und dass es diesen Dezember in Kopenhagen zu einem ambitionierten KiotoAnschlussabkommen kommt. Wir brauchen einen Konsens, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf weniger als zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist. An diesem
sogenannten 2-Grad-Ziel müssen wir unsere Politik ausrichten. Aber selbst wenn wir den Temperaturanstieg auf
weniger als 2 Grad begrenzen, werden Folgen des Klimawandels auftreten, auf die sich auch Deutschland einstellen muss. Eine zukunftsfähige Klimapolitik baut deshalb auf zwei Säulen auf: der Vermeidung von
Treibhausgasen und der Anpassung an die Folgen des
Klimawandels, die schon heute nicht mehr zu vermeiden
sind.
Ziel der Strategie der Bundesregierung ist es, einen
bundesweiten Handlungsrahmen zu schaffen, um Risiken
für die Bevölkerung, der natürlichen Lebensräume und
der Volkswirtschaft vorzubeugen. Dieser Rahmen soll es
insbesondere den unterschiedlichen Handlungsebenen
des Bundes, der Länder, der Kommunen sowie dem einzelnen betroffenen Bürger erleichtern, Betroffenheiten
und Anpassungsnotwendigkeiten zu identifizieren, Handlungsmaßnahmen zu planen und umzusetzen. So können
zum Beispiel durch eine frühzeitige Einbeziehung von Anpassungsaspekten in Planungen später wirksam werdende Klimakosten vermieden werden. Die deutsche Anpassungsstrategie fasst den aktuellen Kenntnisstand zu
den erwarteten Klimaänderungen und zu den damit
verbundenen möglichen Auswirkungen zusammen. Für
15 Handlungsfelder und ausgewählte Regionen werden
mögliche Klimafolgen und Handlungsoptionen skizziert.
Bis 2011 soll dann in Zusammenarbeit mit den Bundesländern der „Aktionsplan Anpassung“ erarbeitet werden.
Ich komme ja aus dem Ruhrgebiet. Vor einigen Wochen
hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK,
eine Studie veröffentlicht, in der die Wissenschaftler die
möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf verschiedene Regionen und Sektoren im Ruhrgebiet untersucht haben. Die Auswirkungen der Klimaveränderungen
werden auch NRW treffen. Die Wissenschaftler des renommiertesten deutschen Forschungsinstituts kommen
zu dem Ergebnis, dass wir in der Stadtplanung berückZu Protokoll gegebene Reden
sichtigen müssen, dass zukünftig städtische Gebiete vermehrt zu „Hitzeinseln“ werden können und deswegen
Grünflächen und Baumreihen zur Kühlung des Stadtklimas immer wichtiger werden. Die Stadtplanung wird
komplexer und muss die neuen Herausforderungen bewältigen. Nur so ist sie zukunftsweisend. Vom Standpunkt
der Klimawissenschaftler aus muss in Zukunft anders gebaut und geplant werden. Eine der wichtigsten Aspekte
des Klimawandels ist die Auswirkung von höheren Temperaturen. Davon sind besonders städtische Gebiete betroffen, in denen sich Hitzeinseln bilden können. Parks,
Baumreihen und andere Grünflächen können diesen
Hitzeinseleffekt abmildern. Als Faustregel gelte angesichts der zu erwartenden Hitzephasen, dass die Menschen innerhalb von fünf Gehminuten schattige Zonen
aufsuchen können sollten.
Der Klimawandel ist bereits heute zu spüren. Mehr
noch als plötzliche Starkregen oder Stürme sind es aber
vor allem die schleichenden Veränderungen, die auf
lange Sicht das Lebensumfeld des Menschen verändern.
Sie betreffen häufig nur eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder Region und erscheinen beinahe banal: ein
kleiner Fluss, der immer weniger Wasser führt. Wespen
im November und aufgeweichte Straßenbeläge im
Sommer. Kein Wunder, dass viele Veränderungen nicht
als Folge des Klimawandels erkannt oder vielfach ignoriert werden. Warum sollen wir uns um einen Zentimeter
weniger Strand kümmern, scheinbar unbedeutend im Vergleich zu einem Hochwasser in der Stadt?
Der Klimawandel kommt langsam und auf leisen Sohlen. Oft merken wir es gar nicht - und wenn, sind uns die
Konsequenzen nicht bewusst. Wenn wir zum Beispiel an
lauen Sommerabenden immer öfter die Grillen zirpen hören, denkt kaum jemand daran, dass diese Insekten
Krankheitserreger aus Südeuropa importieren, denen unsere Weinreben schlecht Widerstand leisten können. Auf
der anderen Seite müssen wir aber auch sehen, dass uns
Expertinnen und Experten sagen, dass die langsamen
Veränderungen Chancen bergen. Denn kleine, aber stetige Veränderungen sind besser berechenbar als Extremereignisse und machen Anpassung überhaupt erst möglich.
Anpassung geht uns alle etwas an. Zwar betreffen viele
Veränderungen nur eine kleine Gruppe, einen bestimmten
Wirtschaftszweig oder eine Region. Doch die Folgen des
Klimawandels sind so vielfältig, dass kaum ein Bereich
des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen
Lebens in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unberührt bleiben wird. Hinzu kommt: Einige Bereiche sind
über Umwege miteinander verbunden. So macht Niedrigwasser eines Flusses nicht nur Fischen das Leben schwer.
Die Schifffahrt, die Wasserwirtschaft und selbst die Energieversorgung können davon betroffen sein, denn das
Wasser vieler Flüsse kühlt die Kraftwerke der Stromerzeuger.
Aber nicht nur hier in Berlin wird über die Anpassung
an den Klimawandel diskutiert. In Brüssel hat die EUKommission Anfang April ein Weißbuch über die Anpassung der EU an die unausweichlichen Konsequenzen des
Klimawandels veröffentlicht. Die Kommission verfolgt in
ihrem Weißbuch einen Zweiphasenansatz: In der ersten
Phase bis Ende 2012 soll die Forschung über mögliche
Maßnahmen zur Anpassung intensiviert werden, insbesondere im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten. Auf
dieser Grundlage soll eine konkrete EU-Anpassungsstrategie entwickelt werden, die in der zweiten Phase - ab
2013 - umgesetzt werden soll. Die Kommission geht davon aus, dass infolge des Klimawandels die Niederschlagsmengen und der Meeresspiegel steigen und wetterbedingte Naturkatastrophen häufiger werden.
Leider war es auf dem letzten informellen Treffen der
EU-Umweltminister in Prag kein Konsens, dass es eine
europäische Strategie zur Anpassung geben soll. Es ist ja
richtig, dass die Klimaveränderungen regional sehr unterschiedliche Ansätze erfordern. Dies ist jedoch kein Argument gegen eine EU-weite Abstimmung und Koordinierung. Neben Deutschland haben erst sieben weitere
Mitgliedstaaten eine nationale Anpassungsstrategie entworfen. Es ist zu wünschen, dass die anderen Mitgliedstaaten bald folgen werden. Denn frühzeitige Anpassungen an die Folgen des Klimawandels sind ein Gebot
ökonomischer Vernunft. Durch sie können wir spätere
Schäden mit viel höheren Kosten vermeiden.
Auch wenn wir heute die Anpassung an den Klimawandel in Deutschland diskutieren, sei mir doch ein kleiner Exkurs erlaubt. Die Anpassung an den Klimawandel
ist vor allem eine internationale Herausforderung. Das
Klimachaos ist ein radikaler Ausdruck globaler Ungerechtigkeit. Es trifft diejenigen am härtesten, die am wenigsten zu seinen Ursachen beitragen. Schon zu lange
missbrauchen wir unsere Atmosphäre als Mülldeponie
für CO2. Diese Deponie ist zu über 85 Prozent gefüllt mit
den Emissionen der Industrieländer: Sie sind die Verantwortlichen. Die Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern sind am härtesten vom Klimawandel betroffen und haben nicht die notwendigen finanziellen Mittel,
um sich gegen den Klimawandel zu wappnen. Wenn wir
verstärkte Klimaanstrengungen der Entwicklungsländer
erwarten, müssen wir sie dabei unterstützen. Sonst werden wir keinen Erfolg auf der Klimakonferenz in Kopenhagen erreichen. Um den Temperaturanstieg auf weniger
als 2 Grad Celsius zu begrenzen, müssen die Industrieländer den Entwicklungsländern Finanzmittel bereitstellen. Wichtig ist, dass diese Gelder zusätzlich zur Entwicklungshilfe gegeben werden. Beim globalen Klimaschutz
müssen die Industrieländer vorangehen. Die Schwellenund Entwicklungsländer werden einem Kioto-Nachfolgeabkommen nur zustimmen, wenn die Industrieländer
klare Ziele für die Verminderung ihrer Treibhausgase
vorgeben und ärmeren Ländern Finanzzusagen machen.
Dies ist die politische Dimension der Gelder für Anpassung, die ich noch einmal herausstellen wollte. Die
EU-Kommission geht davon aus, dass die Finanzierung
von Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel
weltweit zusätzliche Investitionen von 175 Milliarden
Euro im Jahr erfordert. Für die EU läge der faire Anteil
an diesen Investitionen bei mindestens 30 Milliarden
Euro im Jahr. Dieser Anteil lässt sich nach den bisher
freigesetzten Emissionen und der wirtschaftlichen Leistungskraft errechnen. Um nationalen und internationalen
Klimaschutz finanzieren zu können, müssen hierfür die
Zu Protokoll gegebene Reden
gesamten Einnahmen des Emissionshandels verwendet
werden.
Die Anpassungsstrategie der Bundesregierung ist erst
der erste Schritt. Nächsten Montag findet eine hochkarätige Konferenz des Bundesumweltministeriums zum
Thema Anpassung statt. Die Konferenz will auch den
„Aktionsplan Anpassung“ besprechen. Dieser „Aktionsplan Anpassung“ ist dann der zweite Schritt. Ihn will die
Bundesregierung bis zum Frühjahr 2011 erarbeiten.
Wichtig ist nun, den Erfahrungsaustausch und das Wissen
zum Thema Anpassung voranzubringen, auch in unseren
Wahlkreisen. Denn dort fehlt noch oft das Wissen, was
zum Beispiel im zukünftigen Städtebau alles zu beachten
ist. Eine Aufgabe, die uns in Zukunft immer häufiger beschäftigen wird.
Strategisches Handeln ist zielorientiertes Handeln. Es
bedeutet, zielorientiert vorgehen nach einem umfassenden Plan.
Eine Strategie umfasst also alle erdenklichen Handlungen, die zur Verfügung stehen, um ein zuvor präzise
definiertes Ziel am Ende zu erreichen, einen vollständigen Handlungsplan, der alle Zusammenhänge und alle
möglichen Konstellationen berücksichtigt und umfasst,
die sich auf dem Weg zu einem definierten Ziel ergeben
können.
Nützlich ist das Entwerfen einer Strategie natürlich
nur dann, wenn man sich vorher darüber klar wird, wohin
man eigentlich genau will und warum bestimmte Verhaltensweisen dazu geeignet sind, an genau dieses Ziel zu
gelangen. Man muss sich übrigens auch darüber klar
werden, wann man angekommen ist. Das Ziel muss also
präzise beschrieben sein, und man braucht Indikatoren
zur Überprüfung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Nichts hätte also näher
gelegen, als sich an deren Struktur zu orientieren.
Und was hat die Bundesregierung vorgelegt? Was da
unter dem großspurigen Titel einer „Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ daherkommt, ist
nicht mehr als eine hilflose Stichwortsammlung, eine Ideensammlung zu möglichen Zielen, Zielkonflikten und Maßnahmen, außerdem noch ein lustlos flackernder und unkonzentrierter Blick über alles Mögliche, was schon
irgendwo von irgendwem gemacht wird und was irgendwie mit dem Problem Klimawandel zu tun hat. Die „Anpassungsstrategie der Bundesregierung an den Klimawandel“ hätte Mark Twain treffend beschrieben: „Kaum
dass wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“
Selbstverständlich enthält der „Kessel Buntes“ auch
sinnvolle Einzelaktivitäten. Es fehlt aber das geistige
Band. Eine lustlose Materialsammlung aller beteiligten
Ministerien, das Ergebnis eines Brainstormings, das ist
es, was Sie vorgelegt haben, meine Damen und Herren
von der Bundesregierung. Wo ist der rote Faden, und wo
ist eine Prioritätensetzung? Und was am schmerzlichsten
vermisst wird: Wie lautet das konkrete Ziel, an das die
Bundesregierung mit dieser Ideensammlung kommen
will? Ihre Strategie ist eine Mogelpackung.
Der Beschluss, eine solche Strategie zu erarbeiten,
stammt aus dem Jahr 2005. Sie hatten eine ganze Legislaturperiode Zeit. Im Jahr 2009 ist die Bundesregierung
aber nicht viel weiter als am Anfang und braucht jetzt
noch bis 2011 für einen Aktionsplan.
Die FDP weist nachdrücklich darauf hin, dass die Anpassung an den Klimawandel einen höheren Stellenwert
braucht. Das Klimaschutzministerium in Niedersachsen
hat dazu vor wenigen Wochen erneut eine mustergültige
Vorlage gemacht. Es ist übrigens die FDP, die in Niedersachsen den Umweltminister stellt und das Anpassungsthema hoch auf die Agenda gesetzt hat.
Wenn wir heute über Anpassungsstrategien reden, sei
eines vorangestellt: Wir sind uns sicherlich einig, dass
das wichtigste Ziel der Klimapolitik darin besteht, unbedingt die Erwärmung der Erdatmosphäre auf maximal
2 Grad über vorindustrielle Werte zu begrenzen. Ansonsten werden Kipppunkte erreicht, die chaotische und unbeherrschbare Prozesse einleiten könnten, etwa wenn der
sibirische Permafrost auftaut oder die grönländischen
Gletscher weitgehend abschmelzen. Um dies zu verhindern, sind radikale Änderungen in Produktion und Konsum erforderlich. Dabei kommt der Energieeinsparung
auf breiter Front genauso eine zentrale Rolle zu wie der
regenerativen Energieversorgung.
Leider erfordert bereits ein Anstieg der Erdmitteltemperatur von 2 Grad erhebliche Anpassungsleistungen für
Mensch und Natur, dies vor allem in jenen Ländern, die
ohnehin von Armut geprägt sind und die in der Regel
keine Verantwortung für den rasanten weltweiten Anstieg
der CO2-Emissionen tragen. Die historische Verantwortung für den Klimawandel liegt klar bei den Industrieländern. Deshalb muss es für die Konferenz in Kopenhagen
Ziel sein, für die Industriestaaten eine Minderung von
mindestens 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 zu vereinbaren.
An dieser Stelle sollten wir uns zudem vor Augen führen: Der weltweite Ausstoß von Klimakillern stieg trotz
Kioto-Abkommen seit der Jahrtausendwende dreimal so
schnell an wie in den 90er-Jahren. Dieser Trend liegt
oberhalb des pessimistischsten Szenarios des UN-Klimarates IPCC. Und dieses sagt uns eine Erwärmung der
durchschnittlichen Oberflächentemperatur unseres Planeten von bis zu 6,4 Grad bis 2100 voraus. Wir bewegen
uns also weit außerhalb des gerade noch als beherrschbar eingeschätzten Pfades. Dementsprechend dramatisch
werden die Auswirkungen dieses Systemversagens sein.
Vor diesem Hintergrund stimmen wir zwar der Bundesregierung zu, wenn sie sich nicht auf ein Szenario und
eine Anpassungsstrategie fokussiert, sondern die Spannbreite künftiger Entwicklungen berücksichtigen möchte.
Die Linke fordert aber, dass auch gravierende Klimaänderungen als mittlerweile realistisch angesehen werden und nicht nur am unteren Rand manövriert wird.
Zu Protokoll gegebene Reden
Eva Bulling-Schröt
Dementsprechend ist in der Anpassungsstrategie Vorsorge zu leisten.
Dies gilt nicht für Deutschland, sondern ebenso für
den deutschen Beitrag für Anpassungsleistungen in der
Dritten Welt sowie für die internationalen Vereinbarungen über die UN-Anpassungsfonds. Brot für die Welt,
Diakonie Katastrophenhilfe und Germanwatch haben
hier konkrete Vorschläge unterbreitet. Insbesondere muss
der Fokus der Hilfe auch innerhalb der Länder auf den
besonders Betroffenen liegen. Natürlich müssen entsprechende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.
Germanwatch und das Wuppertal Institut haben dafür gemeinsam Finanzierungsvorschläge erarbeitet, die über
das hinausgehen, was gegenwärtig verhandelt wird. Insbesondere der Vorschlag, auch einen Teil der Kioto-Emissionsrechte, AAU, die den jeweiligen Staaten zugeteilt
werden, zu versteigern, ist unseres Erachtens überdenkenswert. Schließlich ist hier die Basis ungleich größer
als beim anlagenbezogenen Emissionshandel, etwa im
europäischen Emissionshandelssystem.
Die deutsche Anpassungsstrategie ist vernünftigerweise dynamisch konzipiert. Wir begrüßen ebenso die
Entwicklung von Handlungsoptionen für 13 Lebens-,
Umwelt- und Wirtschaftsbereiche. Das Gleiche gilt für
die Thematisierung und Anpassung relevanter Querschnittsbereiche wie die Raum-, Regional- und Bauleitplanung sowie für die Analyse der regionalen Empfindlichkeit. Denn der Durchschnitt hilft uns ja nicht weiter,
wenn es beispielsweise in Ostdeutschland deutlich trockener und am Rhein wesentlich feuchter wird.
Das langfristige Ziel der Anpassungsstrategie muss
sein, die Verletzlichkeit natürlicher, gesellschaftlicher
und ökonomischer Systeme in Bezug auf den Klimawandel zu vermindern. Das ist nicht zuletzt eine soziale
Frage. Denn auch in der Bundesrepublik werden es zuallererst die Armen sein, die unter den Folgen leiden. Sie
sollten deshalb von der Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen weitgehend verschont bleiben. Zur Kasse zu
bitten sind dagegen vor allem die Konzerne, die am meisten vom Ausstoß der Klimakiller profitierten: die Energieversorger sowie die Mineralöl- und Automobilindustrie.
Der Klimawandel hat schon begonnen. Die Erderwärmung findet längst statt. In den letzten 100 Jahren ist die
globale Mitteltemperatur nach den Erkenntnissen des
Weltklimarates IPCC um über 0,7 Grad Celsius angestiegen. Worum es jetzt gehen muss, ist konsequenter Klimaschutz, um die Erwärmung zu begrenzen und unter der
gefährlichen Marke von 2 Grad zu halten. Gleichzeitig
müssen wir uns den negativen Auswirkungen des Klimawandels stellen, die zum Teil heute schon nicht mehr abwendbar sind. Es geht darum, das Unbewältigbare zu
vermeiden und das Unvermeidliche zu bewältigen. Mit
der zweiten Aufgabe beschäftigt sich die Bundesregierung in ihrer vorgelegten Anpassungsstrategie.
Die Ausarbeitung der Strategie ist zu begrüßen, auch
wenn sie an manchen Stellen vage in den Aussagen und
unbestimmt in den Maßnahmen bleibt. Hier wird es auf
dem Weg zu einem Aktionsplan mit Sicherheit noch viel zu
diskutieren und zu konkretisieren geben. Doch wird deutlich, welche schwerwiegenden Folgen der Klimawandel
für unser Land haben wird. Da ist im Gesundheitsbereich
zum Beispiel von der erleichterten Ausbreitung von
Krankheitserregern die Rede und von der Ansiedlung
neuer Viren und Krankheitsüberträgern, von zunehmenden Herz-Kreislauf-Problemen durch eine verstärkte
Hitzebelastung, von Atemwegsbeschwerden durch mehr
bodennahes Ozon und womöglich sogar von erhöhtem
Hautkrebsrisiko durch die intensivere Sonneneinstrahlung. Das sind Risiken, auf die sich Medizin und Gesundheitsversorgung einrichten müssen. Die Risiken sollten
uns zugleich Mahnung sein, konsequenter für den Klimaschutz einzutreten. Denn Vorsorge ist hier mit Sicherheit
die beste Strategie.
Das gilt auch für die umweltbezogenen Auswirkungen
des Klimawandels, die in dem Bericht benannt werden,
wie die steigende Wahrscheinlichkeit von Hochwassern
und Sturmfluten, das häufigere Auftreten von Trockenperioden und die Gefahr des Aussterbens von bis zu
30 Prozent der heimischen Tier- und Pflanzenarten. Angesichts dieser Probleme werben wir Grüne für eine möglichst umweltverträgliche und naturnahe Anpassung an
den Klimawandel. Es wäre fatal, wenn zur Bekämpfung
der Folgen dieser globalen Umweltkatastrophe Strategien oder Technologien zur Anwendung kämen, die neue,
unbeherrschbare Umweltgefahren mit sich bringen. Das
gilt insbesondere für die Agrogentechnik. Für deren Einsatz zeigt sich die Bundesregierung in ihrer Anpassungsstrategie leider offen, indem sie schreibt: „Im Bereich der
Pflanzenzüchtung sollten im Hinblick auf die Anpassung
an Klimaänderungen … Innovationen gefördert werden.“
Bemerkenswert ist auch der Passus, dass Kohle- und
Atomkraftwerken durch Niedrigwasser und höhere Wassertemperaturen das Kühlwasser ausgehen könnte. Kohlekraftwerke sind mit ihrem hohen CO2-Ausstoß also
nicht nur Mitverursacher des Klimawandels. Sie werden
durch den Klimawandel auch unzuverlässig. Ein Grund
mehr, die verfehlte Kohlepolitik der Bundesregierung
endlich zu korrigieren.
Bei all den negativen Folgen des Klimawandels für
Deutschland sollten wir allerdings nicht vergessen, dass
andere Menschen und Länder noch viel stärker von der
Erderwärmung bedroht sind. Am härtesten wird der Klimawandel die Armen treffen. In Bangladesch drohen
furchtbare Überschwemmungen. Die Malediven bereiten
sich auf die Evakuierung ihrer Bevölkerung vor. In Afrika
drohen regional verschärfte Hungersnöte, am Himalaja
ist der Trinkwasservorrat von Millionen bedroht. Den betroffenen Menschen und Staaten fehlen meist die Mittel,
um sich gegen diese Klimafolgen zur Wehr zu setzen.
Deshalb sind die Industriestaaten, die den Klimawandel verursacht haben, in der Pflicht, zu helfen. Das ist
eine Frage der globalen Gerechtigkeit und eine zentrale
Voraussetzung für den Erfolg des neuen Klimaabkommens, das im Dezember in Kopenhagen verabschiedet
werden soll. Es wäre gut, wenn die EU und die Bundesregierung dazu bald konkretere Angebote auf den Tisch legen würden.
Zu Protokoll gegebene Reden
er ({0})
Der Klimawandel hat schon begonnen und er wird uns
noch lange beschäftigen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, ihn zu begrenzen und bessere Strategien zur
Anpassung zu entwickeln. Lassen Sie uns alles tun, um
das Unvermeidliche zu bewältigen und das Unbewältigbare zu vermeiden.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11595 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({0}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken,
Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Anbau von gentechnisch verändertem Mais
stoppen
- Drucksachen 16/11919, 16/12841 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Max Lehmer
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrike Höfken
Abweichend von der Tagesordnung soll - auf Antrag
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - eine Aussprache stattfinden. Für die Aussprache ist eine halbe Stunde
vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Johannes Röring, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich zunächst zwei klare Botschaften an die Grünen senden:
Zuallererst: Ich bin mittlerweile tief darüber entsetzt,
in welcher Art und Weise Sie Politik betreiben.
({0})
Sie schreiben sich die Verantwortung für zukünftige Generationen auf Ihre Fahne.
({1})
Auf Ihrem Parteitag am Wochenende haben Sie sogar einen Green New Deal vereinbart. Wenn Sie aber nach
Berlin in Ihre Abgeordnetenbüros zurückkommen,
({2})
überlegen Sie sich gleich, wie Sie möglichst populistisch
und reißerisch eine Schlüsseltechnologie wie die Grüne
Gentechnik verdammen können.
({3})
Es wird ideologisch argumentiert,
({4})
statt wissenschaftlich fundiert und verantwortungsbewusst zu diskutieren und die Bevölkerung zu informieren.
({5})
Zweitens. Frau Höfken, wir debattieren heute über einen Antrag, der längst gegenstandslos ist, da das BVL
den Anbau und jeden weiteren Verkauf von MON 810
der Firma Monsanto vor vier Wochen bis auf Weiteres
untersagt hat.
({6})
An dieser Stelle will ich klar betonen, dass das Verbot
von MON 810 eine Einzelfallentscheidung darstellt.
({7})
Die Entscheidung zu MON 810 ist keine Grundsatzentscheidung gegen diese Technologie im Allgemeinen.
({8})
Im Gegenteil: Die vielen offenen Fragen bezüglich gentechnisch veränderter Organismen zeigen die Notwendigkeit einer verstärkten Forschung.
({9})
Sicherheitsforschung ist wichtig.
Wie ich schon am 23. April in der Aktuellen Stunde
zu diesem Thema ausgeführt habe, geht es Ihnen gar
nicht um das Thema MON 810. Wir diskutieren zum
wiederholten Mal über Gentechnik im Allgemeinen.
({10})
Das bedeutet auch, dass wir erneut über die Chancen der
Grünen Gentechnik zu sprechen haben. Wir müssen darüber reden, wie wir sie besser erforschen und ihre Potenziale nutzen können.
({11})
Selbstverständlich müssen wir die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen und ausschließen, dass Schäden für
Mensch und Gesundheit entstehen.
({12})
Aus genau diesem Grund brauchen wir umfassende Forschungsanstrengungen.
({13})
Generelle Anbauverbote, wie die Grünen sie fordern, behindern unseren Forschungsstandort eigentlich nur. Ich
glaube, dass wir mit der Verhinderung neuer Technologien die Monopolisierung in Deutschland voranbringen
und die Nutzung biotechnologischer Innovationen für
Züchter, Landwirte und am Ende auch für die Verbraucher gefährden würden.
Züchtung und Forschung brauchen zuverlässige Rahmenbedingungen, damit auf diesen Gebieten ohne ideologische Scheuklappen und wissensbasiert gearbeitet
werden kann, damit Praxis und Theorie in der Forschung
- dazu gehört auch die Anwendungsforschung - zusammenkommen.
Wir tragen für die Bevölkerung weltweit Verantwortung. Sie kann von unseren Erfahrungen und von unserem Wissen profitieren. Deswegen bin ich sehr froh
darüber, dass das BVL vor wenigen Tagen den Versuchsanbau für gentechnisch veränderte Gerste der JustusLiebig-Universität in Gießen genehmigt hat,
({14})
nachdem die Anbauflächen im letzten Jahr von Ökoaktivisten mutwillig zerstört worden waren.
Dass auch die Freisetzung der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora erlaubt worden ist, ist ebenso
wichtig. Der Zaun um die Anbaufläche wird wahrscheinlich nur wegen der Ökoaktivisten gebaut worden
sein. Diese Kartoffel produziert wesentlich mehr Stärke
({15})
als die herkömmliche Kartoffel. Es gilt jetzt, zu erforschen, ob die Kartoffel tatsächlich die ihr zugeschriebenen Eigenschaften besitzt und langfristig in der industriellen Produktion einsetzbar ist. Im Übrigen ist das auch
für die Frage der Produktion von nachwachsenden Rohstoffen sehr wichtig. Denn Effizienz ist angesichts der
knapp bemessenen Ackerflächen extrem wichtig.
Die Tatsache, dass die verfügbare Ackerfläche pro
Erdbewohner nach wie vor dramatisch abnimmt - das
meine ich sehr ernst; ich habe es schon wiederholt gesagt -,
bringt uns in die Verantwortung, diese Technologie, die
eine Effizienzsteigerung ermöglicht, für uns nutzbar zu
machen.
({16})
Wir müssen in einigen Jahren mit 2 000 Quadratmeter
pro Erdbewohner - das ist die Perspektive - auskommen. Ich glaube, Sie alle sind sich nicht bewusst, was
das heißt. Das ist ein Fünftel Hektar für jeden Erdbewohner. Da kann man vielleicht 1 Tonne Weizen anbauen, wenn man es gut macht, oder, Frau Höfken,
300 Liter Biosprit produzieren. Man muss die Menschen
aber auch noch mit Fleisch und Milch ernähren. Sie wollen zudem nachwachsende Rohstoffe für die Industrie
erzeugen. Sie müssen uns schon erklären, wie das funktionieren soll.
({17})
Auch Umweltminister Gabriel, liebe Kollegen von
der anderen Koalitionsfraktion, hat dies erkannt und vor
einiger Zeit die Kartoffel Amflora als Option gesehen.
Ich glaube, dass wir die Technologie nicht generell ablehnen sollten.
Ich muss einige Verlautbarungen vom Kollegen
Kelber, der uns sehr starke Nähe zu Monsanto und anderen Firmen nachsagt, zurückweisen.
({18})
Ich glaube, wir sollten zur Sachpolitik zurückkommen.
({19})
Zurück zum Thema. Wir haben Verantwortung in einer sich schnell verändernden Welt. Es gibt viele Menschen, die nicht im Überfluss leben. Das hat sehr stark
damit zu tun, dass sie nicht ausreichend über Trinkwasser und Nahrung verfügen. Ich glaube, wir sollten diese
eine Option, diese neuen Technologien, nicht verwerfen.
Abschließend noch eine sehr persönliche Sorge, die
mich umtreibt. Wir tun sehr viel, um Wissenschaft und
Bildung für junge Leute voranzubringen. Ich mache mir
Sorge, dass wir durch die Art und Weise dieser Diskussion ein falsches Signal an junge Menschen senden, die
sich mit dem Zukunftsthema Biotechnologie beschäftigen wollen.
({20})
Ich habe Sorge, dass sie sich durch diese Debatten davon
abwenden und wir zukünftige Chancen anderen überlassen. Wir müssen junge Menschen für dieses Thema begeistern und dafür sorgen, dass sie Neugier für die weltweiten Zukunftsthemen entwickeln.
({21})
Sie müssen dieses Thema begeistert besetzen
({22})
und diese Zukunftstechnologie zur Lösung der Probleme
vieler Menschen in der Welt nach vorne bringen.
Der Antrag der Grünen besagt genau das Gegenteil.
Deswegen kann ich diesen Antrag ohne Bedenken ablehnen.
({23})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan, FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es geht wieder einmal um MON 810.
({0})
Ich will an Folgendes erinnern - das ist eine interessante
Information -: Übermorgen beginnt in Rom, im Vatikan,
die Studienwoche „Transgene Pflanzen zur Ernährungssicherheit im Kontext von Entwicklung“. Sie wird von
der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften ausgerichtet. Über 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
tragen vor und berichten darüber, welche realen Möglichkeiten es gibt, mit transgenen Pflanzen die Welternährung zu verbessern. Ich glaube, dass dies eine sehr
gute Maßnahme des Vatikans ist, um Sachlichkeit in die
Diskussion hineinzubringen und die Chancen dieser
Züchtungsmethode aufzuzeigen.
({1})
Ich will hinzufügen: Diese Art der Diskussion gefällt
mir um einiges besser als die ethischen Überlegungen,
die ich von CSU-Politikern aus dem Bundesland Bayern
hören muss, die sehr abstrakt Ethik einfordern. Stattdessen sollten sie fragen: Wie können wir den Menschen in
der Dritten Welt, die an Hunger und Mangelernährung
leiden, konkret helfen? Das scheint der Weg zu sein, den
wir in Zukunft gehen müssen.
({2})
Unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die im Vatikan vortragen werden, sind einige, die
hier gut bekannt sind. Ich erinnere an Professor Beyer
aus Freiburg und Professor Ingo Potrykus, die zusammen das Golden-Rice-Konzept entwickelt haben. Ich
hoffe sehr, dass sie es schaffen werden, dieses zur Umsetzung gelangen zu lassen. Auch Professor von Braun,
ehemals Universität Bonn, jetzt Leiter des IFPRI, des International Food Policy Research Institute in Washington, gehört zu den Wissenschaftlern, die dort vortragen
werden. Von seinem Institut stammt die Studie, die besagt, dass der Anbau von Bt-Baumwolle in Indien dazu
beigetragen hat, die Situation der Baumwollbauern zu
verbessern, sodass tatsächlich und messbar festzustellen
ist, dass inzwischen deutlich weniger Landwirte
Selbsttötungen begehen als vor Beginn des Anbaus von
Bt-Baumwolle.
Vor diesem Hintergrund müssen wir sagen - ob sich die
Menschen in Deutschland dafür begeistern oder nicht -:
Gerade die armen Länder in der Dritten Welt brauchen die
Grüne Gentechnik. Wir in Deutschland sollten uns für die
Forschung in diesem Bereich engagieren.
({3})
Professor Balling, Präsident des Verbandes Biologie,
Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland, hat
das von Ministerin Aigner ausgesprochene Anbauverbot
scharf kritisiert. Er sagte:
Es handelt sich um eine rein politische Entscheidung, die nichts mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun hat.
Er hat dies auch ausgesprochen gut begründet: Er
stellt fest, dass die sogenannten neuen Anhaltspunkte
nichts als alte Erkenntnisse sind. Wir wissen seit Langem, dass der Mais eine insektizide Wirkung hat.
({4})
- Liebe Waltraud, kannst du nicht einmal den Mund halten und zuhören, wenn jemand etwas sagt, das in der
Diskussion tatsächlich weiterhilft?
({5})
Ich glaube, wenn man so etwas dezidiert ablehnen
möchte, ist es an der Zeit, sich intensiv damit zu beschäftigen. Es gilt, was ein Kabarettist gesagt hat:
89 Prozent der Menschen in Deutschland haben sich nie
mit Gentechnik beschäftigt, aber 104 Prozent sind dagegen. Das muss uns doch aufmerken lassen.
({6})
- Danke; ihr habt es gemerkt.
Man kann mit Fütterungsversuchen niemals die Wirkung einer Pflanzensorte im Freiland nachweisen. Das
sollte auch der Ministerin bekannt sein. Vor diesem Hintergrund hat Professor Balling sehr recht, wenn er darauf
hinweist, dass Ministerin Aigner eine rein politische
Entscheidung getroffen hat.
({7})
Wenn wir uns aus der Forschung verabschieden, verabschieden wir uns auch von der Möglichkeit, selbst Erkenntnisse zu gewinnen und selbst zu entscheiden, wie
wir mit Grüner Gentechnik umgehen wollen. Wir haben
schon jetzt gesehen: Unternehmen aus Deutschland engagieren sich finanziell in China, bauen dort Forschungsinstitute auf; Bayer hat sich aus Potsdam verabschiedet und geht nach Gent in Belgien. All dies sind
keine Maßnahmen, die in einer Wirtschaftskrise dazu angetan sind, tatsächlich hier in Deutschland Arbeitsplätze
zu schaffen.
({8})
- Ich weiß, die Grünen brauchen keine Arbeitsplätze;
aber es gibt in diesem Land eine Menge Menschen, die
ihr Geld mit eigener Arbeit verdienen wollen und nicht
auf staatliche Unterstützung angewiesen sein wollen.
Öffentliche Forschung kann nur dann private Forschung nach sich ziehen, wenn es eine echte Anwendungsperspektive gibt. Vor diesem Hintergrund kritisiere
ich die Entscheidung von Frau Aigner und selbstverständlich den Antrag der Grünen.
Ich will darauf hinweisen, dass drei Aussagen im Antrag der Grünen falsch sind. Es werden dort Behauptungen erhoben, die richtiggestellt werden müssen. Honig,
der Bt-Mais-Pollen enthält, ist sehr wohl verkehrsfähig.
({9})
Das Augsburger Urteil ist nicht rechtskräftig. Es gibt
aber viele rechtskräftige Urteile, nach denen dieser Honig verkehrsfähig ist. Er ist in keiner Weise in seiner
Qualität gemindert; das sollten wir den Imkerinnen und
Imkern einmal deutlich sagen.
Bt-Sorten sind keine kritischen Sorten, sondern haben
erheblich dazu beigetragen - das Beispiel Indien habe
ich genannt -, Leid in den Ländern der Dritten Welt und
in Schwellenländern zu mindern; Stichwort: Ernährungssicherheit. Somit sind die formulierten Feststellungen falsch, und die von Ihnen erhobenen Forderungen
sind genauso falsch.
({10})
- Das ist überhaupt nicht widerlegt.
({11})
Frau Kollegin.
Ich komme zum Schluss. - Die an der Studienwoche
teilnehmenden Wissenschaftler plädieren für eine Entbürokratisierung der Zulassungsverfahren. Ich halte dies
für richtig.
Ich möchte noch eines anmerken: Die Bundesregierung spricht sich immer für eine größtmögliche Transparenz der Zulassungsverfahren aus. Ich würde mich
freuen, wenn ihre Institutionen genauso transparent handeln würden.
({0})
Frau Kollegin, ich muss Sie eindringlich mahnen,
jetzt zum Ende zu kommen.
({0})
Ich bin bei meinem letzten Satz. - Ich finde es entsetzlich, dass ein Institut, das für Transparenz plädiert - ich
meine das Bundesamt für Naturschutz -, selbst keine
Transparenz praktiziert und mir die Zusendung des Gutachtens verweigert.
({0})
Das ist nicht in Ordnung.
Danke schön.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Rednerliste
stehen noch drei Rednerinnen. Ich bitte Sie, die Lautstärke so zu dämpfen, dass diejenigen, die den Rednerinnen zuhören wollen, auch die Chance haben, sie zu hören.
Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß,
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über das
Thema MON 810 haben wir hier bereits ausführlich diskutiert, zuletzt in einer Aktuellen Stunde; der Kollege
Röring hat das schon angesprochen. Deshalb fasse ich
mich heute etwas kürzer. Ich denke, ich werde meine Redezeit nicht ausschöpfen müssen.
Dass akuter Handlungsbedarf besteht, hat sich inzwischen erledigt. Im Koalitionsvertrag heißt es:
Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel
des deutschen Gentechnikrechts.
Vielleicht interessiert das ja auch die Kolleginnen und
Kollegen von der CDU/CSU. Auf diesen Grundsatz haben wir uns verpflichtet.
({0})
Mit dem Verbot des Anbaus von MON 810 hat Ministerin Aigner am 14. April 2009 endlich der Koalitionsvereinbarung entsprochen. Bundesminister Gabriel hat
im März 2009 gegen die Untersagung des in Österreich
und Ungarn bereits seit längerem bestehenden Verbots
des Anbaus von MON 810 gestimmt. Wir begrüßen dieses Vorgehen ausdrücklich; denn das Verbot von
MON 810 entspricht dem Vorsorgegrundsatz.
({1})
Die Firma Monsanto hat mit einem Eilantrag versucht
zu erreichen, dass dieses Verbot aufgehoben wird. Das
Verwaltungsgericht Braunschweig hat diesen Eilantrag
abgewiesen. In der Begründung hoben die Richter hervor - ich zitiere aus einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Braunschweig -:
Nach vorläufiger Prüfung bestehe eine Gefahrenlage, wie sie das Gentechnikgesetz für ein solches
Verbot verlange.
({2})
Ich zitiere weiter aus dieser Presseerklärung
({3})
- ja, das muss sein; was wahr ist, muss formuliert werden, Frau Klöckner -:
Es gebe zwar keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass der Genmais zu erhöhten Gefahren für
die Umwelt führe. Neuere Untersuchungen könnten
jedoch darauf hindeuten,
({4})
dass der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur
gegen den Schädling wirke, der damit bekämpft
werden solle, sondern auch gegen weitere Insekten.
Außerdem sei nach aktuellen Studien davon auszugehen, dass sich die Genmais-Pollen deutlich weiter verbreiten können, als dies bisher angenommen
wurde.
So weit die Presseerklärung des Verwaltungsgerichts
Braunschweig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in solchen Fällen
muss der Vorsorgegrundsatz gelten und der Schutz von
Mensch und Umwelt Vorrang haben.
({5})
Wir haben bereits seit langem das Verbot des kommerziellen Anbaus von MON 810 gefordert; nun ist es endlich
so weit.
Wir haben aber auch gefordert, dass es einen klaren
Kurs in Sachen Grüne Gentechnik geben muss. Einen
solchen klaren Kurs kann ich bei unserem Koalitionspartner allerdings nicht erkennen. Mit MON 810 sind
nicht alle Probleme vom Feld. Auch bei den demnächst
auf der EU-Ebene zur Zulassung anstehenden Maiskonstrukten Bt 11 und Bt 1507 können negative Effekte auf
Nichtzielorganismen nicht ausgeschlossen werden. Auch
hier muss der Vorsorgegrundsatz gelten, muss die Zulassung abgelehnt werden.
({6})
Wir brauchen Stringenz in Sachen Grüne Gentechnik;
aber es ist bei dem Durcheinander bei unserem Koalitionspartner nicht einfach, politisch etwas auf den Weg
zu bringen.
({7})
Die CSU positioniert sich in Bayern anders als in Berlin.
({8})
Während in München ein Verbot der Grünen Gentechnik
plötzlich ein Gebot der Ethik ist, wird in Berlin ihr Einsatz unterstützt. Während die CSU in München Verbindlichkeit für gentechnikfreie Regionen fordert, verweigert
sie in Berlin unseren Anträgen zur Umsetzung dieser
Forderung die Zustimmung. So kann man mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht umgehen.
({9})
Wir brauchen in Sachen Grüne Gentechnik einen klaren Kurs. Dieses Thema ist den Menschen zu wichtig,
als dass sich Deutschland bei jeder Entscheidung auf
EU-Ebene enthalten kann, weil sich CDU/CSU-geführte
Ministerien nicht auf eine Linie einigen können.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen die
Grüne Gentechnik ab. Die Ergebnisse der Umfrage, die
Emnid vor kurzem in Bayern zum Verbot des Anbaus
von MON 810 durchgeführt hat, sind allen bekannt:
72 Prozent der bayerischen Bevölkerung und sogar
76 Prozent der CSU-Wähler
({10})
fordern, den Anbau von MON 810 zu verbieten. Sogar
59 Prozent der FDP-Wähler schließen sich dieser Forderung an.
({11})
Zu einem klaren Kurs in Sachen Grüne Gentechnik
gehört, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern
keine gentechnisch veränderten Produkte aufgezwungen
werden dürfen. Wir müssen gemeinsam auf EU-Ebene
aktiv werden, damit die Kennzeichnungslücke bei den
tierischen Produkten geschlossen wird.
({12})
Auf nationaler Ebene müssen wir endlich die bereits vereinbarte Informationskampagne zur „Ohne Gentechnik“Kennzeichnung starten, zum Beispiel mit einem einheitlichen Logo.
({13})
Gentechnikfreie Regionen brauchen Rechtssicherheit,
brauchen Verbindlichkeit. Nach derzeitigem Recht können sie gefährdet werden, sobald sich einzelne Grundstücksbesitzer dafür entscheiden, Parzellen mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu bestellen.
Wir haben Vorschläge zur Absicherung der gentechnikfreien Regionen vorgelegt. Die CSU macht zwar
Wahlkampf mit der Forderung nach Verbindlichkeit für
gentechnikfreie Regionen, unsere Anträge dazu hat sie
aber wie die CDU abgelehnt. Wie erklären Sie das den
Menschen in Bayern eigentlich, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der CSU?
Die Beschlussempfehlung, über die wir hier heute abstimmen, sieht die Ablehnung des Antrages der Grünen
mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verändertem
Mais stoppen“ vor. Wir stimmen dieser Beschlussempfehlung zu und lehnen den Antrag ab. Mit dem Verbot
des Anbaus von MON 810 hat sich dieser Antrag nämlich im Wesentlichen erledigt.
Wir erwarten aber von Ministerin Aigner, dass sie
nun, nach dem Verbot des Anbaus von MON 810, konsequent die Schritte einleitet, die zur Durchsetzung des
Vorsorgeprinzips anstehen, sei es bei der Abstimmung
über die Zulassung des Anbaus von Bt 11 oder Bt 1507,
sei es bei der Abstimmung über eine Neuzulassung des
Anbaus von MON 810, sei es beim Schutz der gentechnikfreien Regionen.
Trotz großer Sympathie für die Vorschläge der Grünen, wegen großer Sympathie für das Vorgehen von Frau
Aigner in Sachen MON 810 stimme ich der Beschlussempfehlung zu. Es ist mir aber ein Anliegen, hierzu gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine persönliche Erklärung abzugeben. Ich habe
sie schriftlich eingereicht, und 60 Kolleginnen und Kollegen haben sie mit mir unterzeichnet. Wir unterstützen
die Aufforderung an Frau Aigner, sich weiterhin für den
Schutz der Umwelt und des Menschen einzusetzen.
Vielen Dank.
({14})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann,
Fraktion Die Linke.
({0})
Zu dem Entschluss, sich hier deutlich zu artikulieren
und diese Möglichkeit der Geschäftsordnung zu nutzen,
kann man der SPD nur gratulieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Durch das Verbot des kommerziellen Anbaus des Genmais MON 810 wurde einiges erreicht. Dieses Jahr sind die Risiken ungewollter Verbreitung von Pollen und Erntegut sowie die Risiken auf den
hiesigen Äckern geringer. Forschungsversuche im Freiland mit Mais, Kartoffeln und Gerste wurden allerdings
erlaubt. Es gibt also keinen Grund zur Entwarnung.
Laut der Statistik eines industrienahen Verbandes
wurden im Jahr 2008 weltweit 125 Millionen Hektar mit
transgenen Pflanzen bestellt. Was aber viele nicht wissen, ist, dass es sich dabei gerade einmal um vier Pflanzenarten - Soja, Baumwolle, Mais und Raps - handelt.
Es geht vor allen Dingen um zwei Eigenschaften, die genetisch verändert werden: die Unempfindlichkeit gegen
Unkrautvernichtungsmittel und die Unempfindlichkeit
gegen Schadinsekten. Allein das macht deutlich, dass es
den Agrogentechnikkonzernen nicht um die Lösung von
Menschheitsproblemen, sondern um die Eroberung eines
lukrativen Marktes geht.
({0})
Die Landwirtschaft soll an diesen Konzernen nicht
mehr vorbeikommen. Deshalb befinden wir uns mitten
in einem globalen Freilandversuch - Ausgang ungewiss.
Die negativen Nachrichten mehren sich. Ernten und Lebensmittel werden unkontrolliert und ungewollt kontaminiert und somit entwertet. Plötzlich bildet Mais keine
Maiskolben mehr. Im Vergleich zu den Preisen für Sorten, für die gentechnikfreies Saatgut verfügbar ist, steigen manche Saatgutpreise deutlich. Die Umwelt wird
nicht entlastet. Die biologische Vielfalt und die Kulturpflanzenvielfalt nehmen ab. Der Saatgutmarkt wird monopolisiert. Der Vormarsch von Monokulturen wird beschleunigt. Regionale Sorten verschwinden. Die
Esskultur wird internationalisiert. Ursprungszentren uralter Kulturpflanzen werden unwiederbringlich verunreinigt.
Warum das alles? Monsanto und seine Unterstützer
aus Wirtschaft und Politik haben einen Plan. Sie greifen
nach Boden, nach dem Saatgutmarkt und nach den
Landwirtschaftsbetrieben. Kurz: Sie wollen die Kontrolle über unsere Lebensmittel und damit über einen
zentralen Bestandteil unseres Lebens. Sie maximieren
ihre Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit. Die Risiken
trägt die Gesellschaft.
({1})
Über das Patentrecht wird ein Grundrecht von Bäuerinnen und Bauern zumindest eingeschränkt: der freie
Austausch von Saatgut und die Verwendung eines Teils
der Ernte für die Wiederaussaat. Dieses sogenannte
Nachbaurecht ist aber die Grundlage der bäuerlichen
Landwirtschaft, vor allen Dingen in sogenannten Entwicklungsländern. 75 Prozent des weltweit vorhandenen
Saatguts befinden sich noch in den Händen der Bäuerinnen und Bauern. Das ist ein riesiger Markt, den die multinationalen Agrarkonzerne in ihre Hände bekommen
wollen. Darum geht es bei der Agrogentechnik. Es geht
nicht um die Lösung des Welthungerproblems oder die
Heilung Tausender kranker Kinder in Indien.
({2})
Hunger ist nicht die Folge fehlender Nahrungsmittelproduktion, sondern die Folge ungerechter Verteilung
und fehlender Zugänge zu Boden, Saatgut, Dünger und
Wasser. Diese Probleme werden nicht durch Agrogentechnik gelöst, sondern verschärft. Bäuerinnen und Bauern dürfen zum Beispiel nicht mehr auf eigenes Saatgut
zurückgreifen, wodurch eigene Kulturpflanzen verloren
gehen. Sie müssen Lizenzgebühren bezahlen. Eigentlich
müssen die Forderungen folgendermaßen aussehen: Erstens muss die Marktmacht von Saatgutkonzernen einge24262
schränkt werden. Zweitens müssen die regionale Ernährungssouveränität und das Recht auf Nahrung gesichert
werden. Das bleibt das Ziel der Linken.
({3})
Die Grünen fordern wenigstens erste Schritte, die wir
unterstützen. Das Verbot von MON 810 ist erreicht. Die
Genmaissorten Bt 11 und Bt 1507 dürfen nicht zugelassen werden. Die EU-Zulassungsverfahren für Genpflanzen müssen die Vorsorge sichern. Risikoforschung muss
unabhängig erfolgen und kritische Stimmen einbeziehen.
Am Ende muss auf jeden Fall gelten: Wenn Genpflanzen
nicht sicher sind, müssen sie sich vom Acker machen.
Vielen Dank.
({4})
Letzte Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken,
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir sind jetzt nicht hier, weil wir kein Zuhause haben, sondern deswegen, weil es im Rahmen einer Abstimmung um die Glaubwürdigkeit dieses Parlamentes, des Deutschen Bundestages, und eines großen
Teils seiner Fraktionen geht.
({0})
Es ist nicht so, dass sich unser Antrag „Anbau von
gentechnisch verändertem Mais stoppen“ erledigt hat.
Wir sind ungeheuer froh, dass es das Verbot von
MON 810 gibt. Das ist das Verdienst der Umweltverbände, der Verbraucher, der Imker, der Landwirte, der
Grünen und all derjenigen, die sich dafür eingesetzt haben.
({1})
Es geht aber natürlich nicht nur um eine Einzelfallentscheidung, Herr Röring, sondern letztendlich darum, den
Anbau von Genmais insgesamt zu stoppen, die Gefahren
deutlich zu machen und Konsequenzen aus dem zu ziehen, was das Bundesamt für Naturschutz und das BVL
hierzu festgelegt haben.
({2})
Darum muss es auch heißen: Es darf keine Verlängerung
der EU-Zulassung geben. Frau Aigner und die Bundesregierung müssen sich dagegen aussprechen.
({3})
Frau Kollegin Höfken, unterbrechen Sie Ihre Rede
bitte einmal für eine kurze Zeit.
Das tue ich.
Es ist unerträglich laut hier im Plenarsaal,
({0})
und ich bin der Meinung, dass wir der Rednerin jetzt gemeinsam zuhören sollten.
Ich glaube, das ist die Verlegenheit der CDU/CSU,
die sie nicht anders verbergen kann.
({0})
Frau Kollegin Höfken, warten Sie bitte noch etwas,
bevor Sie mit Ihrer Rede fortfahren.
Es geht natürlich auch um das Verbot der weiteren
noch in diesem Sommer zur Zulassung anstehenden
Genmaissorten Bt 11 und Bt 1507, die zu allem Überfluss auch noch resistent gegen das Herbizid Glufosinat
sind, das wegen seiner extremen Giftigkeit nach der
neuen EU-Pestizidverordnung vom Markt genommen
werden muss. Diese Gefahren für Mensch und Umwelt
müssen im zukünftigen Zulassungsverfahren endlich
eine angemessene Berücksichtigung finden.
({0})
Ich will auf eine aktuelle Meldung von heute zu sprechen kommen, um das zu ergänzen, was meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben. Ein großes Einfallstor der Agrogentechnik sind nämlich die importierten
Gentechnikfuttermittel. Gerade heute lesen wir, dass
Landwirte in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg
auf verunreinigtem Saatgut sitzen bleiben. Klar ist: Hier
sehen wir die Konsequenzen einer Technologie, die die
Industrie nicht im Mindesten beherrscht und die im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
CSU, einen unglaublichen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht. Wir alle hier müssen die Schäden der Interessenpolitik der großen Agrarkonzerne tragen, die
letztendlich zulasten unserer Umwelt, unserer Landwirtschaft und auch unserer Verbraucher geht.
({1})
Da es um Glaubwürdigkeit geht, will ich auf den Freisetzungsversuch hinsichtlich der Genkartoffel Amflora
zurückkommen, den die Ministerin Aigner leider erlaubt
hat. Klar ist - das war auch heute Morgen Gegenstand
der Diskussion im Ausschuss -, dass seit Dezember letzten Jahres eine solche Freisetzung rechtswidrig ist; denn
es heißt in der EU-Freisetzungsrichtlinie, dass Gene, die
gegen therapeutisch relevante Antibiotika resistent machen, nicht mehr als Marker verwendet werden dürfen.
Ich kann mich wirklich nur wundern: Die EMEA, die
Europäische Arzneimittel-Agentur, und die Weltgesundheitsorganisation sagen, dass diese Marker eine Resistenz
gegen Antibiotika bewirken, die therapeutisch relevant
sein. Sie aber stellen fest: Die EU-Lebensmittelbehörde
sagt, das sei anders, und deswegen könne man diese Kartoffel zulassen. - Das ist meines Erachtens ein klarer
Rechtsverstoß.
({2})
Eine solche riskante Freisetzung in der Nähe von Rostock in Mecklenburg-Vorpommern ist umso unverständlicher, da wir mit der konventionell gezüchteten Kartoffel Eliane der Firma AVEBE bereits ein Produkt haben,
deren Potenzial das Potenzial der Genkartoffel für die
Stärkeindustrie und übrigens auch hinsichtlich der nachwachsenden Rohstoffe übertrifft.
Heute muss die CSU endlich Farbe bekennen und
aufhören, deutsche Meisterin im Positionsspagat zu sein.
({3})
Im Bundestag erleben wir immer eine CSU, die der
Agrogentechnik, Monsanto, BASF und Bayer huldigt
wie einem neuen Gott.
({4})
Wir hoffen nicht, dass das Wort „Monsanto“ irgendetwas
mit dem Vatikan zu tun hat.
({5})
Allerdings steht auch Umweltministerin Conrad aus
Rheinland-Pfalz - um noch eine kurze Anmerkung zu
den Kollegen von der SPD zu machen - irgendwie auf
der falschen Seite. Von den Linken in Rostock hört man
ebenfalls wenig.
Wir wollen die Menschen für Innovationen begeistern, Frau Happach-Kasan und Herr Röring.
Frau Kollegin!
Jawohl. - Wir wollen die jungen Menschen für den
Green New Deal begeistern. „Grün aus der Krise“, wie
die Wirtschaftswoche schreibt. Das sagt übrigens auch
Herr Keitel vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Ganz falsch können wir nicht liegen.
Wir wollen die bäuerliche Milchviehwirtschaft ohne
Gentechnikfuttermittel erhalten. Ich hoffe, das wollen
Sie alle mit uns.
Vielen Dank.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verän-
dertem Mais stoppen“. Zur Abstimmung über diese Be-
schlussempfehlung liegen mir viele Erklärungen nach
§ 31 der Geschäftsordnung vor.1)
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/12841, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/11919 abzu-
lehnen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt
namentliche Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an
den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-
stimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Wir setzen die Beratungen fort.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun
Kopp, Markus Löning, Jens Ackermann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Globalen Freihandel stärken - Protektionismus bekämpfen
- Drucksache 16/10311 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({0})
Auswärtiger Ausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Erich Fritz,
CDU/CSU, Rolf Hempelmann, SPD, Gudrun Kopp,
FDP, Ulla Lötzer, Die Linke, und Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Der Antrag der FDP, der zu diesem Tagesordnungs-
punkt führte, stammt aus der Zeit zu Beginn der Finanz-
krise und der Hochphase des US-amerikanischen Wahl-
kampfes, als es viele Anzeichen gab, die berechtigte
Befürchtungen laut werden ließen, es könne zu einer
Spirale von Protektion kommen und die Fehler der 30er-
Jahre könnten sich wiederholen. In der Zwischenzeit ist
klar geworden, dass insbesondere in Europa eine Gleich-
1) Anlagen 40 bis 44
2) Ergebnis Seite 24278 C
setzung der Wirtschaftskrisen nicht möglich ist. In
Europa bleiben die Märkte offen, stabile Sozialsysteme
sichern die Stabilität von Gesellschaften ab, und die Staaten stützen die Wirtschaft und davon abhängige Arbeitsplätze.
Seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts
haben sich auch die internationalen Rahmenbedingungen völlig geändert und dafür gesorgt, dass die Märkte
immer mehr miteinander verbunden wurden. Das macht
gelegentlich schwierige Anpassungsprozesse nötig, hat
aber auch den Vorteil, dass es zu einem abgestimmten
Vorgehen in der Krise zwingt und jeden selbst schädigt,
der versucht, eigene Vorteile mit den Nachteilen anderer
zu erkaufen.
Die Idee einer supranationalen Institution mit offenen
Grenzen, einheitlichen Rahmenbedingungen, demokratischen und marktwirtschaftlichen Prinzipien wurde mit
der Gründung der World Trade Organisation einen großen Schritt nach vorne gebracht. Die WTO steht für Freiheit, klare Regeln und Offenheit im Warenverkehr. Auch
wenn damit noch nicht die ideale Form weder des Welthandels noch gar einer Global Governance gefunden ist,
so ist doch ein stabiles, anerkanntes und vergleichsweise
durchsetzungsfähiges internationales Instrument entstanden, das auch den dauernden Erfindungsgeist von
Protektionisten sehr begrenzt. Die Anziehungskraft auf
Länder, die noch nicht Mitglied der WTO sind, zeigt im
Übrigen, dass diese Ansicht weltweit verbreitet ist.
Wie wichtig es ist, auf feste Institutionen zu vertrauen,
erleben wir aktuell in der tiefsten Krise, der unser Land
seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gegenübersteht.
Die Finanzmärkte sind labil, und nie zuvor waren wir als
Politiker derart gefordert, der Krise Herr zu werden.
Noch nie waren auch die Erwartungen der Bürger an die
Politik höher. Das lässt an vielen Stellen auch populistische Verhaltensweisen entstehen, die vorgaukeln, der
Staat könne mehr als das leisten, wozu er tatsächlich imstande ist. Deshalb ist die Warnung vor protektionistischen Tendenzen durchaus berechtigt und Aufmerksamkeit geboten.
Neben der WTO spielt hier auch die Europäische
Union eine wichtige Rolle. Als Stimme von 27 Mitgliedstaaten hat sie die Aufgabe, zur Bewältigung der globalen
Finanzmarktkrise beizutragen. Die EU hat Handlungsfähigkeit und -kompetenz bewiesen, indem sie schnell und
richtig reagiert hat. Erste Maßnahmen wie zielgerichtete
Konjunkturpakete wurden eingeleitet. Diese stabilisieren
nicht nur die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten,
sondern auch die Weltwirtschaft insgesamt.
Sprach die Welthandelsorganisation in einer Pressemitteilung vom 24. März 2009 noch von einem Einbruch
des weltweiten Handels um 9 Prozent - „The collapse in
global demand brought on by the biggest economic downturn in decades will drive exports down by roughly 9 Prozent in 2009, the biggest such contraction since the Second World War“ -, wurde jetzt aktuell in diesem Monat
von der EU-Kommission die Hoffnung genährt, eine Verbesserung der weltwirtschaftlichen Lage erwarten zu
können. EU-Handelskommissarin Catherine Ashton
sagte in einem Interview mit der Financial Times
Deutschland: „… wir fangen an, einen Aufschwung zu sehen“.
Ich freue mich über diese erfreulichen Nachrichten aus
Brüssel. Sie sind Bestätigung dafür, dass die in dem FDPAntrag befürchtete Protektionismuswelle ausgeblieben
ist und Länder Vertrauen in den globalen Freihandel haben. Sie haben aus Angst vor dem Bankrott ihrer eigenen
Unternehmen eben nicht ihre Märkte abgeschottet. Wer
das tut, schneidet die eigenen Unternehmen durch Gegenreaktionen eben auf Dauer auch von ihren Auslandsmärkten ab. Es scheint angekommen zu sein, dass nur mit
offenen Märkten auch wieder ein Aufschwung gelingen
kann. Dies gilt es weiter zu kommunizieren! Die Bundesregierung übernimmt hierbei bereits eine Vorbildfunktion
und muss dies auch weiterhin tun.
Gemäß der Aufforderung von Generaldirektor Pascal
Lamy - „In London G 20 leaders will have a unique opportunity to unite in moving from pledges to action and
refrain from any further protectionist measure which will
render global recovery efforts less effective“ - hat sich
die Bundesregierung beim Gipfel der Gruppe der
20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am
2. April 2009 in sinnvoller und wirkungsvoller Weise als
Kämpfer gegen den Protektionismus präsentiert. Dem
Entschluss der G-20-Staaten, den internationalen Handel
mit einer Summe von 250 Milliarden US-Dollar zu unterstützen, ist größte Bedeutung beizumessen. Die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion wird die Bundesregierung darin unterstützen, dass das Geld an der richtigen Stelle bei
den Unternehmen ankommt. Wir sind zuversichtlich, dass
sich dadurch die Lage verbessern wird.
Auch die Kritik der FDP-Fraktion in Bezug auf die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes ist nicht berechtigt.
Das Außenwirtschaftsrecht bietet auch weiterhin kein
Einfallstor für Protektionismus. Alleine im Jahr 2007 hat
unsere exportorientierte Volkswirtschaft weltweit Direktinvestitionen von 167 Milliarden Euro getätigt. Gleichzeitig gehört Deutschland zu den beliebtesten Investitionsstandorten der Welt. Ausländische Direktinvestitionen sind in Deutschland sehr willkommen. Wir wünschen
uns von der Bundesregierung, dass sie auch weiterhin positive Anreize für Auslandsinvestitionen setzt. Das von
der FDP kritisierte Gesetz ist eine reine Vorsichtsmaßnahme für extreme Ausnahmefälle, wie die meisten Länder der Welt sie vorhalten.
Die EU als größte Handelsmacht der Welt mit einem
Bruttoinlandsprodukt von mehr als 12 Billionen Euro im
Jahr 2008 übertraf selbst die USA mit 20 Prozent. Wie
groß der Nutzen der Globalisierung und des freien Handels innerhalb der EU und über ihre Grenzen hinaus ist,
belegen folgende Zahlen des Statistischen Bundesamtes:
64 Prozent der deutschen Warenexporte gingen im Jahr
2008 an das europäische Ausland. Rund 12 Prozent entfielen auf Asien, während circa 10 Prozent der Warenexporte für den amerikanischen Markt bestimmt waren.
Auch bei den Importen Deutschlands ist festzustellen,
dass sie zu einem großen Teil auf Europa entfielen
- 72 Prozent -, gefolgt von Asien - 16 Prozent - und
Amerika - 9 Prozent -. Dieser rege internationale Warenverkehr trägt für ein gutes Wirtschaftswachstum und zur
Zu Protokoll gegebene Reden
Beschäftigungssicherung bei. Die deutsche Wirtschaft ist
2007 um 2,5 Prozent gewachsen, im Boomjahr 2006 sogar um 3 Prozent. Und sowohl in Deutschland als auch
Europa ist die Arbeitslosenquote im Jahr 2008 im Vergleich zum Vorjahr gesunken, zum Beispiel von 8,4 auf
7,3 Prozent in der Bundesrepublik. Es ist also deutlich zu
sehen, dass offene Märkte der Garant für Wohlstand und
Beschäftigung sind.
Um an die positiven Effekte der Globalisierung zu erinnern, müssen wir in der Union uns dafür einsetzen, dass
folgende Maßnahmen ergriffen werden: Allen protektionistischen Maßnahmen, die einige Nationalstaaten gegen
die Rezession zum „Schutz“ ihrer heimischen Wirtschaft
anstreben, ist entgegenzuwirken. Ich warne eindringlich
davor, Abschottung auch nur in Erwägung zu ziehen. Laut
Weltbank sind die Dumpingklagen - die sich gegen den
Vorwurf richten, dass ein Unternehmen seine Waren auf
den Weltmarkt billiger anbietet als auf dem Heimatmarkt im zweiten Halbjahr 2008 um 17 Prozent gestiegen. Dies
wird den Welthandel nicht zum Erliegen bringen, aber es
gilt, diesen beunruhigenden Trend in die Schranken zu
weisen. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Anträge in der
EU zurückgegangen sind.
Wir Christdemokraten werben auch dort, wo es Befürchtungen vieler Bürger im Zusammenhang mit dem
freien Handel gibt und in der verantwortungslose Wirtschaftsführer die Marktwirtschaft in Verruf gebracht haben, für offene Märkte, weil wir in besonderer Weise mit
unseren Arbeitsplätzen davon abhängig sind. Gerade in
der aktuellen Krise steigen die Ängste der Menschen und
das Misstrauen gegenüber der Marktwirtschaft. Umfragen zeigen, dass lediglich 20 Prozent der Deutschen glauben, dass die Bundesrepublik zu den Gewinnern der Globalisierung zählt. Es gilt, diesen Prozentsatz zu erhöhen
und den Versuch zu wagen, Ängste in Vertrauen und Identifikation zu wandeln. Deshalb ist das Ziel einer weltweiten sozialen Marktwirtschaft auch mit einem neuen Aufbruch zu einer internationalen Ordnung verbunden, die
den Menschen sowohl in den Industrie- wie den Entwicklungsländern Sicherheit, steigenden Wohlstand und Zukunftschancen verspricht. Protektionismus würde diese
Ziele verfehlen und allen schaden.
Es besteht die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Die EU ist dabei, über wichtige bilaterale Freihandelsabkommen mit wichtigen Partnern zu verhandeln. Der Verhandlungsstart des Freihandelsabkommens
zwischen der EU und Kanada ist ein wichtiges Zeichen
für den freien Welthandel. Laut Informationen des Handelsblatts ergab eine Studie, dass der Abbau von Zöllen
und anderen Hemmnissen aufseiten der EU den Handel
mit Kanada um jährlich 11,6 Milliarden Euro steigern
würde. Auch der Zugewinn Kanadas wäre mit 8,2 Milliarden Euro beträchtlich. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt diese transatlantische Partnerschaft mit
Kanada ausdrücklich und setzt sich dafür ein, dass von
der Einigung Signalwirkungen für weitere bilaterale Abkommen insbesondere mit den ASEAN-Staaten, Indien
und Südkorea ausgehen.
In diesem Zusammenhang begrüßt die CDU/CSUBundestagsfraktion auch das Engagement des Bundeswirtschaftsministers bei der Gründung der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer. Zu Guttenberg
ist ebenfalls der Meinung, dass der freie Welthandel die
richtige Antwort auf die Krise sei. Und das ist gut so.
Die Bundesregierung ist in der Pflicht, an der Aufstellung von globalen Regeln mitzuarbeiten und dort originäre deutsche und europäische Interessen einzubringen,
damit am Ende weltweit faire Spielregeln für alle Beteiligten gelten. Vor allem in der WTO gilt es, klare Impulse
für den freien Warenverkehr zu geben. Dazu gehören Forderungen nach verbindlichen Zollsenkungsverpflichtungen sowie der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse.
Eine Wiederbelebung der Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es ist sehr zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung für einen ausgewogenen und ehrgeizigen
Abschluss einsetzt und das Bekenntnis zu einem zügigen
Abschluss erneut von den G 20 in ihrer Erklärung vom
2. April bekräftigt wurde.
Ein kurzes Schlusswort: Deutschland und Europa haben protektionistischen Tendenzen eine klare Absage erteilt. Obama hat sich von den im Wahlkampf noch angedeuteten protektionistischen Gedanken verabschiedet.
Handel ist Teil der Lösung der Krise. Wir sind gefordert,
die dahinter stehenden Zusammenhänge zu erklären, damit den Menschen Ängste genommen werden und Zuversicht entsteht. Wichtig ist vor allem, Klarheit über Ziele
und den Mehrwert offener Märkte zu kommunizieren. Wir
Unionspolitiker versichern, dass wir uns der Verantwortung stellen und Deutschlands offene und soziale Marktwirtschaft gegen Protektionismus verteidigen.
In einem Punkt stimme ich überein mit der FDP-Fraktion: Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, die
festgefahrenen WTO-Verhandlungen wieder ins Laufen
zu bringen und die Doha-Runde zu einem erfolgreichen
Abschluss zu bringen. Immerhin gibt die neue US-Administration Anlass zur Hoffnung, dass wir in einem erneuten Anlauf zum Ende dieses Jahres zu einem für alle
Seiten tragbaren Kompromiss kommen können.
Es ist ja in der Tat so, dass der globale Freihandel
grundsätzlich positive Wirkungen auf die allgemeine
Wohlfahrt hat. Ganz so unkritisch, wie es die Opposition
in dem uns heute vorliegenden Antrag tut, würde ich das
allerdings nicht kommentieren. In dem Antrag der FDP
lässt sich die Welt auf eine einfache Gleichung reduzieren. Die würde in etwa lauten: Unbeschränkte Handelsfreiheit gleich maximaler Wohlstand. Es ist ja richtig: Wir
brauchen offene Märkte. Freier Handel ist eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung. Dabei
allein auf den Markt zu setzen, ist jedoch nicht nur riskant, sondern auch kurzsichtig. Sie blenden dabei die ungleiche Einkommensverteilung völlig aus und erwähnen
mit keinem Wort, dass der Wohlstand auch bei allen ankommen muss. Arbeitnehmer in Entwicklungsländern
profitieren immer noch viel zu wenig von den Erträgen
des Welthandels. Gleichzeitig müssen sich die Sozialsysteme westlicher Industrienationen zunehmend in einem
Zu Protokoll gegebene Reden
globalen Kostenwettbewerb behaupten. Sozialabbau ist
jedoch ganz klar der falsche Weg, sich im internationalen
Wettbewerb zu behaupten.
Die SPD-Fraktion setzt auf eine faire Liberalisierung
des Welthandels unter gleichen Wettbewerbsbedingungen
mit den anderen Mitgliedstaaten, auf Wettbewerb, der
nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen
wird. Es würde allen Seiten nützen, stärker auf die Durchsetzung von Sozial- und Arbeitsstandards weltweit zu
setzen. Die SPD-Fraktion unterstützt bekanntlich die Verankerung von globalen ökologischen und sozialen Mindeststandards im Regelwerk der WTO. Denn wir müssen
dafür Sorge tragen, dass der durch Freihandel generierte
Wohlstand auch in aller Breite bei der Gesellschaft ankommt.
Es ist bedauerlich, dass die Doha-Runde zum Ende des
Jahres 2008 ins Stocken geraten ist, konnten doch gute
Fortschritte in den Bereichen Agrarsubventionen und Industriezölle erzielt werden, die nun weltweit durch neue
protektionistische Tendenzen in Reaktion auf die Wirtschaftskrise wieder infrage gestellt werden.
Der Beschluss der EU-Kommission zu Anfang dieses
Jahres, der es Exporteuren der EU ermöglicht, subventionierte Butter und Magermilchpulver auf den Weltmarkt
zu bringen, stellt nicht nur die jahrelangen Verhandlungen auf WTO-Ebene infrage - schon reagieren erste
Schwellenländer wie Russland mit Strafzöllen auf die
europäische Initiative -, sondern bedroht auch in unvertretbarem Maße die Lebensgrundlage der ländlichen Bevölkerung in den ärmsten Regionen der Welt.
Als stark exportorientiertes Land ist Deutschland auf
faire Spielregeln auf den Weltmärkten angewiesen. Diese
Tatsache gewinnt mit Blick auf die noch nicht ausgestandene Finanz- und Wirtschaftskrise an Brisanz. Die SPDFraktion erwartet mit Bezug auf die Milchexportsubventionen von der CSU-Landwirtschaftsministerin eine
Rückkehr zu vereinbarten Freihandelsgrundsätzen. In
diesem Punkt stimmen wir mit der FDP-Fraktion überein.
Wir müssen an dem Ziel, europäische Exportsubventionen bis 2013 auslaufen zu lassen, festhalten.
Eine weitere Folgewirkung der stagnierenden multilateralen Verhandlungen ist die zunehmende Renationalisierung und Regionalisierung der Handelspolitiken.
Zwar ist das insofern nachvollziehbar, als gerade auf regionaler Ebene die Integration deutlich tiefer gehen kann
als auf multilateraler Ebene. Gleichzeitig entfalten diese
bilateralen oder auf regionale Bündnisse beschränkten
Abkommen potenziell immer auch eine Ausschlusswirkung gegenüber Dritten. Es ist richtig und wichtig, dass
die EU und auch Deutschland auf bilateralem Wege Fortschritte erzielen, die derzeit auf multilateraler Ebene
nicht zu verwirklichen sind. Gleichzeitig muss jedoch gesagt sein, dass dies immer nur der zweitbeste Weg gegenüber multilateral erzielten Vereinbarungen sein kann. Es
muss klar sein, dass bilaterale oder regionale Abkommen
immer auch dem globalen Freihandel dienen und den
Weg zu einer multilateralen Lösung offenhalten müssen.
Kurz und gut, es ist unnötig, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der FDP, darauf hinzuweisen, dass wir
vorankommen müssen mit den Doha-Verhandlungen. Es
erscheint mir gewissermaßen typisch, so kurz vor Ende
der Legislaturperiode darauf hinzuweisen. Sie scheinen
mit Ihrem Antrag den Eindruck vermitteln zu wollen, dass
die Regierungskoalition und auch die Bundesregierung
auf diesem Gebiet geschlafen hätten. Das Gegenteil aber
ist der Fall. Wir dringen seit Monaten darauf, die DohaVerhandlungen fortzuführen und zu einem erfolgreichen
Abschluss zu bringen.
Darüber hinaus ist Ihr Antrag in Teilen veraltet. Ihnen
ist hoffentlich nicht entgangen, dass die von Ihnen geforderte Zurücknahme des Gesetzentwurfs zur Änderung des
Außenwirtschaftsgesetzes von der Realität überholt worden ist. Schließlich ist die Novelle im vergangenen Monat
bereits in Kraft getreten. Ich möchte noch einmal betonen, dass es sich in diesem Fall nicht, wie von der Opposition unterstellt, um einen Versuch handelt, ein protektionistisches Instrumentarium zu schaffen. Wir haben ein
bereits existierendes Prüfrecht für Investitionen - im Bereich von Kriegswaffen und bestimmten Rüstungsgütern auf für die öffentliche Ordnung kritische Infrastrukturen
ausgeweitet. Gemeint sind zum Beispiel Netzinfrastrukturen im Bereich der Telekommunikation, Elektrizität oder
Transport. Sollte das Beteiligungs- oder Übernahmebegehren eines Großinvestors aus dem Ausland ein
Grundinteresse unserer Gesellschaft, wie die Energieversorgungssicherheit, berühren, so bleibt die Bundesregierung mit dem vorliegenden Prüfrecht künftig handlungsfähig - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
In der Anwendung wird sich die Bundesregierung dabei an die engen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und
der EuGH-Rechtsprechung halten müssen. Für Alarmismus in Richtung eines neu entstehenden Protektionismus
besteht somit an dieser Stelle kein Anlass.
Schlussendlich möchte ich noch einmal betonen, dass
die SPD für eine soziale und eine ökologisch nachhaltige
Marktwirtschaft einsteht. Der Markt allein kann unsere
Probleme nicht lösen. Zunächst sollten alle am generierten Wohlstand teilhaben können. Freihandel ja, aber nur
mit sozialen, ökologischen und arbeitsrechtlichen Fortschritten.
„Einseitige handelsbeschränkende bzw. protektionistische Handelsmaßnahmen sind der falsche Weg zur Überwindung der Finanzkrise“ - so die Bundesregierung am
10. Februar im Kurzbericht zum Sachstand „Buy American“-Klausel. Die Bundesregierung und namentlich
Bundeskanzlerin Merkel selbst haben sich in den letzten
Monaten mehrfach und bei verschiedenen Gelegenheiten
für offene Märkte und Freihandel ausgesprochen. Im Gegensatz zu diesen Bekenntnissen sorgt die Bundesregierung dafür, dass sich Deutschland mehr und mehr zum
Hort des Protektionismus entwickelt. Dabei wäre es gerade jetzt in der wirtschaftlich schwierigen Situation
wichtig, national und international engagiert für den Abbau von Handelsbeschränkungen zu kämpfen, um damit
auch die exportorientierte deutsche Wirtschaft zu unterstützen.
Zu Protokoll gegebene Reden
Letztes Beispiel der zunehmenden Abschottung des
deutschen Marktes ist das Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, das Anfang des Jahres von der
schwarz-roten Koalition verabschiedet wurde. Mit den
beschlossenen Änderungen kann das Bundeswirtschaftsministerium nun jede größere Beteiligung - ab
25 Prozent - eines ausländischen Investors an einem gebietsansässigen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einer Überprüfung unterziehen. Sieht das Bundeswirtschaftsministerium das schwammige Kriterium
einer Gefährdung der „öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ Deutschlands erfüllt, kann es die Rückabwicklung oder Untersagung von Beteiligungsinvestition verordnen.
Eine solche Handelsbarriere ist völlig inakzeptabel.
Wir Liberalen fordern die Rücknahme dieser Änderungen. Sie sind gefährlich und kontraproduktiv, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ausländische Investoren in Deutschland einen Investitionsbestand von circa
390 Milliarden Euro haben und damit etwa 2 Millionen
Arbeitsplätze in unserem Land sichern. Ausländische Investitionen sind essenziell für Deutschland. Das konnte
man zuletzt eindrucksvoll erleben, als führende Politiker
der Koalitionsparteien händeringend nach ausländischen Investoren für die Opel GmbH suchten. Berechtigte
Schutzinteressen Deutschlands bei möglichen Firmenübernahmen bzw. -beteiligungen sind durch das bestehende Kartell- und Wettbewerbsrecht ausreichend abgesichert.
Wir brauchen offene Märkte. Auch 2008 war die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands von einer Intensivierung der Handelsbeziehungen geprägt. Deutschland
führte in dem Jahr Waren im Wert von 994,9 Milliarden
Euro aus - im Gegensatz zu Einfuhren im Wert von
818,6 Milliarden Euro. Damit stiegen die Ausfuhren im
Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Prozent. Es ist also nicht
nur logisch, sondern zwingend erforderlich, dass sich
eine verantwortungsbewusste Handelspolitik auf den Abbau internationaler Handelsbarrieren konzentriert.
Noch immer ist der Abschluss der Doha-Runde nicht
absehbar. Selbst die in den Verhandlungen bereits erreichten Kompromisse können bis zu einer endgültigen
Einigung nicht umgesetzt werden. Angesichts der herausragenden Bedeutung des freien Welthandels und einer
multilateralen Welthandelsordnung für Deutschland und
seine Wirtschaft muss die Bundesregierung nun auf allen
Ebenen in die Offensive gehen, um einen erfolgreichen
Abschluss der Verhandlungen zu erreichen.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden der beschleunigte Globalisierungsprozess und der sich ausweitende
Weltgüterhandel begleitet und unterstützt von politischen
Maßnahmen, die insbesondere in der Weiterentwicklung
des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, GATT,
zur Welthandelsorganisation, WTO, ihren Ausdruck fanden. Das Ergebnis war eine einzigartige Erfolgsgeschichte, im Zuge derer die Zölle der Industrieländer zum
Beispiel im verarbeitenden Sektor im Rahmen von acht
multilateralen Zollsenkungsrunden von zweistelligen Niveaus auf im Durchschnitt 3 bis 4 Prozent sanken, während der weltweite Handel sich in 50 Jahren vervierzehnfachte. Diese Erfolgsgeschichte kam insbesondere den
Entwicklungs- und Schwellenländern und damit der Armutsbekämpfung zugute.
Diese Erfolge werden durch die aktuellen Entwicklungen gefährdet. Durch die weltweite Wirtschaftskrise verstärken sich international die Tendenzen, Handelsbarrieren zu errichten. Dies ist insbesondere im Bereich der
nichttarifären Handelshemmnisse, wie zum Beispiel bei
Produktstandards, beim Missbrauch von Antidumpingund Antisubventionsmaßnahmen sowie diskriminierenden Maßnahmen bei der Zollabwicklung, zu beobachten.
Gleichzeitig hat die Zahl der bilateralen Handelsabkommen massiv zugenommen. Alle Mitglieder der WTO sind
inzwischen an einem oder sogar mehreren PTAs - Preferential Trade Agreement - beteiligt. Diese PTAs nutzen
den Partnern zwar oft, führen in der Regel aber zur Diskriminierung von Drittländern und wirken damit handelsumlenkend. Die Folge sind weltweit steigende Handelsund Transaktionskosten, welche die Entwicklungsländer
am stärksten treffen.
Deutschland muss sich auch auf europäischer Ebene
dafür einsetzen, dass eine vollständige Öffnung des europäischen Marktes für alle Anbieter erreicht werden kann.
Einfuhrzölle und -quoten müssen - wenn nötig, auch einseitig und unkonditioniert - abgebaut werden. Die Marktzugangsdatenbank, MADB, der EU-Kommission sollte zu
einem wirksamen Instrument der Erfassung von globalen
Handelshemmnissen ausgebaut werden.
Jedwede Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse
sind in etwa genauso sinnvoll wie das Errichten einer
Mauer um das eigene Land. Protektionismus nutzt immer
nur einigen wenigen auf Kosten der Allgemeinheit. Aus
der Sicht von Nordamerikanern und Europäern ist deshalb letztlich fast jedes Abkommen besser als gar keines.
Langfristig schaden tarifäre wie nichttarifäre Handelshemmnisse nur den Verbrauchern im eigenen Land.
Deutschland sollte sich deshalb dafür einsetzen, mit dieser Politik ein für alle Mal zu brechen, und zwar zur Not
auch einseitig und unkonditioniert. International würde
ein solcher Schritt auch alle anderen Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländer massiv unter Druck setzen,
ihrerseits auf Zölle und andere Handelshemmnisse zu
verzichten. Das jahrelange Warten darauf, dass andere
endlich tun, was ohnehin gut für sie ist, muss ein Ende haben. Deutschland als sogenanntem Exportweltmeister
stünde es gut zu Gesicht, würde es - durchaus auch im eigenen Interesse - sich dafür einsetzen, dass es Europa ist,
das diesen ersten entscheidenden Schritt geht, der es anderen ermöglicht, ihre wahren Interessen zu verfolgen.
In 200 Jahren nichts gelernt - so kann man den Antrag
der FDP kurz zusammenfassen. „Freihandel schafft
Wohlstand“ - da haben Sie sogar Recht, meine Damen
und Herren von der FPD. Die Frage ist nur: Wohlstand
für wen? Wohlstand für einige wenige globale Player und
Armut für viele. Armut für viele Menschen in den Entwicklungsländern, deren regionale Märkte zerstört
wurden, die für Hungerlöhne unter unmenschlichen Bedingungen schuften müssen und deren Rohstoffe die InZu Protokoll gegebene Reden
Ulla Lötz
dustrie im Norden füttern müssen, ob verarbeitende
Industrie oder Agrarindustrie. Aber auch Armut in den
Industrieländern. Denn die Kehrseite der Exportorientierung, der „Wettbewerbsfähigkeit im globalisierten
Weltmarkt“, heißt Reallohnsenkungen, Herausbildung
eines Niedriglohnsektors und eine krasse Umverteilung
von unten nach oben.
Heute noch die Freihandelsideologie hochzuhalten
heißt, die Realitäten nicht sehen zu wollen. Das fängt bei
der WTO an. Die WTO-Verhandlungen sind längst am
Ende. Sie sind einerseits gescheitert, weil sich die Kräfteverhältnisse in der Welt verschoben haben. Die Schwellenländer und stärkeren Entwicklungsländer sind nicht
mehr bereit, sich einseitig den Interessen der Industrienationen zu unterwerfen. Andererseits sind sie gescheitert, weil sich in Zeiten der Krise zeigt, dass gerade die
Wirtschaftsnationen, die aggressiv versucht haben, die
Märkte der Welt für ihre Interessen zu öffnen, sofort zu
Abschottungsmechanismen greifen, sobald sie sich davon
einen größeren Nutzen versprechen. Es ist an der Zeit,
dieses Scheitern auch offiziell einzugestehen und nicht
noch mehr Geld für sinnlose Verhandlungen aus dem
Fenster zu werfen.
Gerade die Deregulierung und Liberalisierung der
Güter- und Finanzmärkte haben uns dahin gebracht, wo
wir jetzt sind: in die tiefste Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise seit 1929. Die deutsche Wirtschaft ist extrem
auf die Exportmärkte ausgerichtet. Was von Wirtschaft
und Regierung als „Exportweltmeisterschaft“ bejubelt
und gefördert wird, bedeutet gleichzeitig eine extreme
Abhängigkeit von der Nachfrage aus dem Ausland. Bricht
diese weg, wie seit Oktober 2008 der Fall, bricht auch die
Produktion im Inland drastisch ein. Die fehlende Nachfrage aus dem Ausland kann im Inland nicht aufgefangen
werden. Wer sollte das auch tun, wenn seit vielen Jahren
Binnennachfrage, ob privat oder staatlich, systematisch
zerstört wird.
Der Weg, der an den Abgrund geführt hat, sollte nicht
blind weiter beschritten werden. Sonst kommt ein tiefer
Fall. Anstatt weiter das Freihandelscredo zu singen, muss
die Binnennachfrage aufgebaut und gestärkt werden.
Anstatt weiter auf Dumpinglöhne zu setzen, muss ein gesetzlicher Mindestlohn von mindesten 8,71 Euro wie in
unserem französischen Nachbarland eingeführt werden.
Anstatt den Staat weiter zu marginalisieren und Steuersenkungen zu fordern, muss die staatliche Nachfrage gestärkt werden. Nur wenn die Binnenkonjunktur mit höheren Löhnen, höheren Sozialleistungen und öffentlichen
Investitionen belebt wird, kann die Volkswirtschaft ihre
inzwischen gefährlich einseitige Abhängigkeit vom Export mildern.
Anstatt den Markt „frei walten zu lassen“ und damit
unterzugehen, ist es notwendig, den politischen Einfluss
auf das Wirtschaftsgeschehen zurückzugewinnen. Es ist
ein legitimes Interesse, aus industriepolitischen, sozialpolitischen oder ökologischen Gründen den Handel und
Direktinvestitionen zu regulieren. Schließlich müssen
Politik und Wirtschaft den Menschen dienen und nicht
umgekehrt. Mit ihrer Freihandelsideologie, Kolleginnen
und Kollegen der FDP, sind Sie ein Relikt aus dem letzten
Jahrhundert. Wir brauchen eine Stärkung der staatlichen
Regulierung und staatlichen Mitsprache im Wirtschaftsgeschehen. Soziale, ökologische und Menschenrechtsinteressen müssen Vorrang vor privaten Profitinteressen
erlangen. Und eine starke Wirtschaftsdemokratie muss
dafür sorgen, dass die Kolleginnen und Kollegen und die
Gesellschaft über die Zukunft der ökonomischen Entwicklung mitbestimmen können.
Die FDP hat wieder einmal ein Antrag eingebracht,
der in seiner Radikalität kaum zu überbieten ist. Im
Grunde genommen will die FDP jegliche Handelsbeschränkungen abschaffen und fordert einen blinden,
schnellen und unkontrollierten Abbau aller Handelsbarrieren in der Europäischen Union, um die Europäische
Union als „Vorzeigefreihändler“ im internationalen
Handel zu positionieren. Dem können wir so nicht zustimmen.
Mit dem Slogan „Freihandel schafft Wohlstand“, den
die FDP bemüht, hat sie zwar in vielen Fällen recht, doch
trifft dies ganz bestimmt nicht in jedem Fall zu. Das hat
sich in der ökonomischen Debatte und der Praxis gezeigt.
Mittlerweile hat sich auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur die Erkenntnis durchgesetzt, dass Freihandel in manchen Fällen auch negativ für die Beteiligten sein kann. Dass solche Einschränkungen der reinen
Lehre des freien Marktes, wie sie von der FDP immer
wieder vertreten wird, die FDP wenig beeindruckt, erstaunt allerdings wenig. In der Praxis ist offensichtlich,
dass bedingungsloser Freihandel, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, auch soziale Verwerfungen hervorrufen kann und nicht, wie die FDP behauptet, immer armutsbekämpfend wirkt.
Die segensreichen Wirkungen des Freihandels sind
auch in Bezug auf Umwelt- und Klimaaspekte fraglich.
Hier bietet die Handelspolitik zahlreiche Instrumente, um
ökologische Leitplanken zu definieren, Einfluss auf Warenströme zu nehmen und Produktionsweisen zu beeinflussen. Das ist ein weiterer Grund, weswegen wir dem
bedingungslosen Freihandel skeptisch gegenüberstehen
und eine Weiterentwicklung der handelspolitischen Instrumente fordern. Deswegen brauchen wir soziale und
ökologische Kriterien im Welthandel. Und insbesondere
arme Länder müssen sich in Einzelfällen auch gegen den
Freihandel schützen können.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ein in dieser Weise regulierter und mit sozial-ökologischen Leitplanken versehener Freihandel wirkt sich positiv für alle
aus. Wir würden es deshalb auch begrüßen, wenn die
Doha-Runde in diesem Sinne zügig abgeschlossen würde.
Protektionistischen Einschränkungen des Welthandels
stehen wir kritisch gegenüber, und so enthält der Antrag
der FDP durchaus Forderungen, die aus unserer Sicht in
die richtige Richtung gehen. So lehnen wir zum Beispiel
ebenfalls die bereits in Kraft getretene dreizehnte Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes ab, mit der die Bundesregierung ein nicht spezifiziertes oder auf bestimmte
Branchen begrenztes Prüf- und Untersagungsrecht bei
Zu Protokoll gegebene Reden
er ({0})
ausländischen Beteiligungen an deutschen Unternehmen
eingeführt hat. Dieses Gesetz nützt nichts und ist eher
schädlich. Es macht einfach keinen Sinn, dass die Bundesregierung jegliche Beteiligungen von EU-Ausländern
an deutschen Unternehmen, an denen mehr als 25 Prozent der Anteile erworben werden, prüfen möchte. Wir
sind der Meinung, dass wir unter anderem durch Instrumente des Wettbewerbsrechts Missbrauch verhindern
können. Eine Diskriminierung ausländischer Beteiligungen von Investoren, die außerhalb der Europäischen
Union ansässig sind, lehnen wir genauso wie die FDP ab.
Auch wir fordern die Bundesregierung auf, dieses Gesetz
zurückzunehmen.
Also Förderung des freien Welthandels und Abbau von
Schranken ja, aber eine Ideologisierung des Freihandels
ohne soziale und ökologische Regeln nein.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/10311 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit ({0}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, HansJosef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Neue Kohlekraftwerke verhindern - Genehmigungsrecht verschärfen
- Drucksachen 16/10617, 16/12916 Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung ({1})
Marco Bülow
Eva Bulling-Schröter
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Andreas
Jung, CDU/CSU, Gerd Bollmann, SPD, Horst
Meierhofer, FDP, Hans-Kurt Hill, Die Linke, und Bärbel
Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Wir beraten den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen „Neue Kohlekraftwerke verhindern - Genehmigungsrecht verschärfen“. Gleich zu Beginn will ich sagen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt diesen Antrag ab, weil wir der Überzeugung sind, dass wir mit dem
Emissionshandel ein wirksames Instrument zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes aus Kohlekraftwerken haben.
Zudem stellen die bestehenden Regelungen beim Genehmigungsrecht bereits heute hohe Anforderungen.
Die Entwicklung des Emissionshandels hat gezeigt,
dass durch ihn der Ausstoß von Treibhausgasen durch
Kohlekraftwerke massiv gesenkt werden kann. Dies zeigt
der NAP II, den wir im Jahr 2006 beschlossen haben.
Mit diesem ist es gelungen, den Ausstoß von CO2 der
Kohlekraftwerke um 43 Millionen Tonnen CO2 jährlich
auf 456 Millionen Tonnen zu reduzieren. Dies entspricht
einer Reduktion von 8,7 Prozent. Gemessen am Anlagenbestand des NAP I erfolgte mit dem NAP II sogar eine Reduktion um 57 Millionen Tonnen und damit eine Minderung von 11,5 Prozent.
Zudem wurde mit dem NAP II erstmals das Instrument
der Versteigerung eingeführt. Seitdem werden die Zertifikate nicht mehr - wie noch in der ersten Emissionshandelsperiode - umsonst an die Kraftwerksbetreiber abgegeben. 10 Prozent - und damit das zu diesem Zeitpunkt
höchste zulässige Volumen - der Zertifikate müssen von
den Konzernen ersteigert werden. Damit wurde noch
mehr Druck für Klimaschutz und CO2-Reduzierung erzeugt.
Dieser Weg wird konsequent fortgesetzt mit den auf europäischer Ebene beschlossenen Regelungen. So wurden
zur Umsetzung der ehrgeizigen Ziele Reduktion der klimaschädlichen Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und
Erhöhung der Energieeffizienz bis 2020 um ebenfalls
20 Prozent ebenso ehrgeizige wie konkrete Maßnahmen
im Bereich des Emissionshandels beschlossen. Ein
Durchbruch war dabei die Einigung auf eine hundertprozentige Versteigerung der Zertifikate im Bereich der Kohlekraftwerke. Dadurch wird nicht nur der Druck für noch
mehr Klimaschutz, für drastische Reduzierung der Emissionen der Kohlekraftwerke in Deutschland massiv verstärkt; wir erreichen dies in der ganzen Europäischen
Union. Dies belegt, dass der Emissionshandel ein scharfes Schwert für Klimaschutz und gegen CO2-Emissionen
ist.
Unser gemeinsames Ziel sollte sein, den Weg der massiven Reduzierung von Treibhausgasen mit unseren europäischen Partnern weiter zu gehen. Dies gelingt durch
immer ehrgeizigere Ziele im Rahmen des europäischen
Emissionshandels. Diesen europäischen Emissionshandel
wollen wir dann verbinden mit heute schon bestehenden
Emissionshandelssystemen. Wir werden ihn weiterentwickeln zu einem effizienten internationalen Emissionshandel. Dadurch kommen wir unserem Ziel, einem global
wirksamen Klimaschutzregime, einen ganz entscheidenden Schritt näher.
Wir müssen also das bestehende Instrument weiterentwickeln. Einen nationalen Sonderweg, wie er in dem Antrag der Grünen vorgeschlagen wird, lehnen wir demgegenüber ab.
In dem Antrag „Neue Kohlekraftwerke verhindern“
wird die Forderung gestellt, die Wirkungsgrade gesetzlich auf mindestens 58 Prozent festzusetzen, obwohl klar
ist, dass eine Festlegung von Mindestwirkungsgraden
überhaupt nicht möglich ist. Es gibt nun einmal eine EURichtlinie, die einen Mindestwirkungsgrad ausschließt.
Nach Art. 9 Abs. 3 der IVU-Richtlinie der EU-Richtlinie
2008/1/EG vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,
kodifizierte Fassung, dürfen für Kohlekraftwerke, die der
Emissionshandelsrichtlinie der EU unterfallen, grundsätzlich keine Emissionsgrenzwerte für direkte CO2Emissionen und somit auch keine Wirkungsgradgrenzen
festgelegt werden. Daran lässt sich nicht rütteln.
Reden wir also über die Absicht der Antragsteller. Sie
fordern einen gesetzlichen Mindestwirkungsgrad. Grundsätzlich ist es richtig, die Wirkungsgrade zu erhöhen. Das
wollen wir auch. Sie wollen aber in Wirklichkeit nicht
effizientere Kohlekraftwerke, sondern durch die Vorgabe
von Wirkungsgraden über Umwege generell einen Neubauverbot von Kohlekraftwerken durchsetzen. Dies
schreiben Sie ja dann in Ihrer Begründung: Bis zur Einführung von CCS „muss aber ein Moratorium für neue
Kohlekraftwerke durchgesetzt werden“. Was denn nun?
Höhere Wirkungsgrade oder ein Verbot von zukünftigen
Kohlekraftwerken?
Zu einem Moratorium kann ich nur sagen: Wir brauchen kein Neubauverbot. Die erforderliche Beschränkung hinsichtlich des CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwerken erfolgt durch den Emissionshandel. Der Vorrang des
Emissionshandels vor dem Ordnungsrecht macht im
Falle von CO2 Sinn, weil Kohlendioxid bei der gesamten
weltweiten Verbrennung von fossilen Energieträgern freigesetzt wird und sich in der Atmosphäre anreichert.
Durch die Festlegung einer Gesamtbegrenzung, die nicht
überschritten werden darf - Cap -, ist der Spielraum für
neue Kraftwerke begrenzt. Und dieser Spielraum wird
nicht größer, sondern kleiner. Das volle Wasserglas wird
immer leerer.
Der Emissionshandel und die Begrenzung sind der
vernünftige Weg, die erforderlichen Emissionsminderungen sicher zu erreichen, und das auf wirtschaftlichem
Wege. Zusätzliches Ordnungsrecht würde den eigentlichen Wirkungsmechanismus des Emissionshandels stören und zu zusätzlichem bürokratischen Aufwand führen.
Daher schließt die IVU-Richtlinie die Einführung von
CO2-Grenzwerten aus. Auch wenn der Emissionshandel
nicht das Allheilmittel zur Rettung des Weltklimas ist, er
bleibt das zentrale Instrument zur Senkung der Kohlendioxidemissionen in der Stromerzeugung.
Eines ist klar: Wir brauchen eine Erneuerung des
Kraftwerkparks. Es wird keiner bezweifeln, dass es hier
einen erheblichen Erneuerungsbedarf gibt. Es sind noch
viel zu viele alte Kohlekraftwerke am Netz, die bei weitem
nicht den Wirkungsgrad erzielen, der heute technisch
möglich wäre. Das ist absolut ineffizient. Je früher wir
diese Kraftwerke abschalten, umso besser. Bei der Erneuerung des Kraftwerksbestandes müssen wir aber dafür
Sorge tragen, dass unsere Klimaziele nicht gefährdet
werden. Das heißt, wir müssen zu einer Struktur kommen,
die den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht behindert. Erneuerbare und fossile Kraftwerke müssen miteinander in der Struktur vereinbar sein. Wenn uns die
Emissionshandelsrichtlinie zum Beispiel ermächtigt,
neue Kraftwerke mit 15 Prozent zu fördern, dann sollten
wir diesen Rahmen ausnutzen, das heißt, wir müssen
sehen, dass diese mögliche Förderung den hocheffizienten Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung zugutekommt.
Wenn wir an dieser Stelle über den Bau bzw. Nichtbau
von Kohlekraftwerken diskutieren, so muss hier noch einmal klar gesagt werden: Dass wir keine Befürworter eines Neubauverbots von Kohlekraftwerken sind, heißt
nicht, dass wir irgendwelche faulen Kompromisse eingehen. An unseren Zielen beim Klimaschutz, beim Ausbau
der erneuerbaren Energien und bei der Effizienz werden
wir nicht rütteln. CCS wird in Deutschland nur mit den
höchsten Standards verwirklicht werden. Dazu gehört unter anderem die Frage der Sicherheit der Speicher, aber
auch die Frage des Kostenrisikos. Eine Verlagerung des
Kostenrisikos auf die Steuerzahler darf es nicht geben.
Diejenigen, die planen, in nächster Zeit ein Kohlekraftwerk in Auftrag zu geben, müssen wissen, dass sie das
wirtschaftliche Risiko tragen, natürlich auch für den Fall,
dass sich CCS als unwirtschaftlich herausstellt. Dafür
haben wir ja den Emissionshandel.
Noch eine Bemerkung zum Neubauverbot: Wer herausposaunt, dass in Zukunft keine Kohlekraftwerke mehr
gebaut werden sollen, der sorgt dafür, dass bei der Atomlobby die Sektkorken knallen. Solche Ankündigungen sind
Futter für deren Stromlückendiskussionen. Für die Atomenergiebefürworter wird es deutlich einfacher, der Öffentlichkeit eine bedrohliche Stromlücke vorzugaukeln,
wenn sie behaupten können, die anderen wollen nicht nur
den Atomausstieg, sondern auch noch den Ausstieg aus
der Kohle, die derzeit ja immer noch deutlich über
40 Prozent der Stromerzeugung ausmacht. Es sollte
keiner unterschätzen, wie leicht Ängste beim Thema Versorgungssicherheit ausgelöst werden. So viel steht fest:
Schlägt das Pendel beim Thema Atomenergie um und
werden die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert
oder werden sogar Neubauten ins Auge gefasst, werden
wir auch Probleme beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien bekommen.
Nicht umsonst haben EDF und Eon bei einer Anhörung der britischen Regierung betont, dass ein hoher Anteil von erneuerbaren Energien und Atomkraftwerke
nicht miteinander vereinbar sind.
Abschließend möchte ich noch eines feststellen. In einem haben Sie recht: Spätere Generationen werden eine
Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien haben. Beim Weg dahin unterscheiden wir uns. Wir
halten einen Ausstieg aus der Kohleverstromung für unrealistisch.
Das Ziel, CO2-Emissionen zu senken, haben wir alle
gemeinsam. Das ist unbestritten. Doch bekanntlich führen viele Wege nach Rom; manche sind stolprig und steinig, andere hingegen lassen sich mit Leichtigkeit erlaufen. So ist das auch mit dem Antrag der Grünen: Um CO2
einzusparen, möchten die Grünen durch Tricks im Genehmigungsrecht neue Kohlekraftwerke verhindern. Das ist
ein stolpriger Weg, um ans Ziel zu kommen.
Zukünftig werden wir Kohlekraft brauchen, damit wir
die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten
Zu Protokoll gegebene Reden
können. Als verantwortungsvolle Partei können wir uns
nicht der Illusion hingeben, dass wir trotz einem Ausstieg
aus der Atomkraft und einem faktischen Ausstieg aus der
Kohlekraft diese aufrechterhalten können. So schön es
wäre: Leider ist und bleibt die Vorstellung, dass wir in
den nächsten paar Jahren eine hundertprozentige Stromversorgung durch erneuerbare Energien erreichen können, eine Illusion. Ohne die Kohleverstromung wird es
auf absehbare Zeit nicht gehen, nicht in Deutschland und
weltweit schon gar nicht. Denn im Vergleich zu anderen
fossilen Energieträgern ist Kohle nach wie vor in riesigen
Mengen vorhanden. Und die Energiegewinnung aus
Kohle ist vergleichsweise günstig - in Deutschland und
weltweit.
Bis wir so weit sind, nur noch regenerative Energien
für die Energiegewinnung einsetzen zu können, bis dahin
brauchen wir Kohlekraft als Bestandteil eines breiten Energiemixes. Übrigens würden wir dem Klima mit dem Bau
von neuen Kohlekraftwerken einen Gefallen tun: Jedes
neue Kohlekraftwerk erzeugt weniger Emissionen als ein
bestehendes und wird in der Lage sein, CCS nachzurüsten. Ein leichterer Weg hingegen ist, dem Emissionshandel zu vertrauen und dadurch den CO2 - Ausstoß deutlich
zu verringern. Dieser Weg hat sich in der Vergangenheit
bewährt, und er wird noch effektiver, wenn erst alle Zertifikate ersteigert werden. Festlegungen von Wirkungsgraden, wie Sie es fordern, widersprechen dem Emissionshandel und führen ihn ad absurdum.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Thema CCS
sagen. Wenn ich mich recht erinnere, waren es die Grünen, die vergangene Woche im Plenum massiv gegen die
Technologie CCS gewettert haben und darauf hinwiesen,
dass diese Technologie nie zum Einsatz kommen werde.
Dann frage ich mich, warum Sie in Ihrem Antrag so
scheinheilig sind und sagen, Kohlekraft könne es wieder
geben, wenn CCS verfügbar sei. Sagen sie es doch gleich:
Wir wollen keine Kohlekraft, egal wie effizient sie werden
könnte oder wie viele Arbeitsplätze daran hängen. Technologieoffenheit kann man Ihnen wahrlich nicht vorwerfen.
Die FDP hält das für falsch. CCS ist weder ein trojanisches Pferd der Kohleindustrie noch wird uns diese
Technologie in eine energiepolitische Sackgasse führen;
davon bin ich fest überzeugt. Und auch die Ansicht der
Deutschen Umwelthilfe, Deutschland setze mit CCS bedingungslos auf eine Technologie, deren Machbarkeit
noch nicht geklärt sei, teile ich nicht. Kein Zweifel, noch
gibt es bei CCS eine Reihe offener Fragen. Aber die
Chancen, die CCS bietet - nämlich den CO2-Ausstoß der
Kohlekraftwerke um bis zu 85 Prozent zu senken -, nicht
weiter zu prüfen und zu erforschen, sondern aus ideologischen Gründen von vornherein darauf zu verzichten, ist
aus Sicht der FDP sowohl klima- als auch energiepolitisch fahrlässig.
„Bis 2050 müssen die Industrieländer ihren Treibhausgasausstoß um mindestens 80 Prozent senken.“
„Eine vollständige Strombedarfsdeckung mit erneuerbaren Energien ist möglich.“ Und: „Die aktuellen Neubaupläne für konventionelle Kohlekraftwerke … sind nicht
mit den Klimaschutzzielen für 2050 vereinbar.“ Das sagt
nicht irgendwer, sondern der Sachverständigenrat für
Umweltfragen. Dieses wissenschaftliche Beratungsgremium der Bundesregierung hat auch die Aufgabe, „Fehlentwicklungen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung
oder Beseitigung aufzuzeigen“. Einzig Bundesumweltminister Gabriel hört nicht auf seine eigenen Berater. Gerade er hätte aber die Möglichkeit, dem Zubau klimaschädlicher Megakraftwerke einen Riegel vorzuschieben.
Ein Hauptproblem ist: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz, nach deren Rechtsvorschriften ein Kohlekraftwerk genehmigt wird, erfasst die Klimagase überhaupt
nicht. Auch Anforderungen, moderne Techniken einzusetzen, die bei einem beantragten Kraftwerk zu geringeren
Belastungen für Mensch und Umwelt führen, kommen zu
kurz. Wer die Lösung dieses Problems nicht angeht und
gleichzeitig ein CO2-Minderungsziel von 40 Prozent ankündigt, macht den Leuten in Sachen Klimaschutz etwas
vor.
Darauf weisen nun die Grünen mit ihrem Antrag hin.
Allerdings verfehlt die leider sehr allgemein formulierte
Vorlage ihr Ziel. Mit der bloßen Festlegung auf elektrische Mindestwirkungsgrade für geplante Kraftwerke
kommen wir nicht weit. Die Linke schlägt hier eine deutlich konkretere Vorgehensweise vor: Erstens. Klimagase,
allen voran CO2, müssen als gesundheitsschädlich und
umweltgefährlich anerkannt werden, wie es unlängst die
amerikanische Umweltbehörde EPA durchgesetzt hat.
Zweitens. Die Klimagaswirkung von beantragten
Kraftwerksanlagen im Genehmigungsverfahren ist
gleichberechtigt zu den Luftschadstoffen zu prüfen und zu
bewerten.
Drittens. Emissionsobergrenzen sind nach der besten
verfügbaren Technik sowie einer Pflicht zur Nutzung von
Kraft-Wärme-Kopplung festzulegen. Das erfüllen derzeit
bei fossilen Brennstoffen Gaskraftwerke. Hierbei sind im
Übrigen auch die Luftschadstoffbelastungen deutlich geringer.
Viertens. Auch muss es eine Nachweispflicht für Antragsteller geben, dass das gleiche Ziel, nämlich die Erzeugung einer bestimmten Menge Strom und Wärme,
nicht auch durch weniger belastende Technologien erreicht werden kann.
Fünftens. Für bestehende, also alte Kondensationskraftwerke sollte dann ein elektrischer Mindestwirkungsgrad eingeführt werden, der bis zum Jahr 2050 linear ansteigt.
Im Klartext bedeuten solche Regeln eine Ausrichtung
auf effiziente und erneuerbare Energietechniken und ein
Abschied vom fossilen Energiezeitalter. Eines muss an
dieser Stelle auch klargestellt werden: Das Heraufbeschwören einer Stromlücke oder einer angeblich steigenden Abhängigkeit von russischem Erdgas ist blanker Unsinn. So etwas verbreiten nur die Kettenhunde der
Energiekonzerne. Tatsache ist: Erstens. Bereits in zehn
Jahren kann der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch auf fast die Hälfte steigen, vorausgesetzt, die
Bundesregierung knickt nicht vor der fossilen EnergieZu Protokoll gegebene Reden
lobby ein. Zweitens. Auf Grundlage der Meseberger Beschlüsse, den KfW-Programmen und der bestehenden
Förderung erneuerbarer Energien können im Gebäudebereich große Mengen Heizerdgas eingespart werden.
Das reicht, um damit ohne einen Mehrbedarf an Erdgas
bis 2030 hocheffiziente Gaskraftwerke mit einer elektrischen Leistung von über 12 000 Megawatt aufzubauen.
Das ist gegenüber heute ein Zuwachs um ein Drittel. Dabei ist ein Zubau von Fernwärme noch gar nicht berücksichtigt, der zu einer weiteren Senkung des Erdgasverbrauchs führt. Insgesamt sinkt also der Gasverbrauch bei
deutlich höherer Stromgewinnung.
Setzen wir also gemeinsam auf eine kluge und klimafreundliche Energienutzung! Das sichert eine stabile
Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen und schafft
Hunderttausende neuer Arbeitsplätze. Machen Sie mit,
Herr Umweltminister!
Die Rechtsvorschriften, nach denen in Deutschland
Kohlekraftwerke geplant und genehmigt werden, sind
dringend reformbedürftig. Auf Klimaschutz und Energieeffizienz nimmt das geltende Genehmigungsrecht keine
Rücksicht. Die Einhaltung der Grenzwerte des BundesImmissionsschutzgesetzes reicht in der Regel aus, um einen Anspruch auf den Bau des Kraftwerks zu begründen.
Der CO2-Ausstoß oder der Wirkungsgrad des Kraftwerks
spielt bei der Genehmigungsentscheidung dagegen keine
Rolle. So haben die zuständigen Behörden kaum eine juristische Handhabe, den Bau ineffizienter und extrem klimaschädlicher Kraftwerke zu verhindern. Investoren
können unter Androhung von Milliardenklagen die Genehmigung von Klimakillern auch gegen den Willen der
zuständigen Behörden erzwingen. Das muss sich ändern,
wenn Deutschland seine internationalen Klimaschutzverpflichtungen erfüllen und eine katastrophale Erderwärmung um mehr als 2 Grad verhindern will.
Klimaschutz und Energieeffizienz müssen endlich zu
wichtigen Faktoren bei der Kraftwerksgenehmigung werden. Dies kann im deutschen Recht kurzfristig am besten
durch die Einführung von Mindestwirkungsgraden für
neue Kraftwerke geschehen. Ohne eine entsprechende
Regelung werden die deutschen Klimaschutzziele von
mindestens 40 Prozent CO2-Einsparung bis 2020 und
mindestens 80 Prozent CO2-Einsparung bis 2050 nicht zu
erreichen sein. Denn mit CO2-Emissionen von 750 bzw.
950 Gramm pro Kilowattstunde stoßen auch die neuesten
Braun- und Steinkohlekraftwerke zwei- bis dreimal soviel
schädliche Klimagase aus wie moderne Gaskraftwerke.
Außerdem lassen sie mit elektrischen Wirkungsgraden
von 43 Prozent bis 46 Prozent mehr als die Hälfte der erzeugten Energie ungenutzt verpuffen.
Der geplante Neubau von mehr als 20 Kohlekraftwerken würde diese klimaschädliche und ineffiziente Stromversorgung für 50 Jahre und mehr zementieren. Zusammen würden die geplanten Kohlekraftwerke 2050 in etwa
soviel CO2 emittieren, wie ganz Deutschland bei Zugrundlegung des 80-Prozent-Einsparziels noch ausstoßen darf. Für die übrige Energieerzeugung, die Industrie,
den Verkehr, die Landwirtschaft und die Haushalte blieben dann keine Emissionsrechte mehr übrig - ein völlig
unrealistisches Szenario, bei dem am Ende der Klimaschutz auf der Strecke bleiben würde.
Deshalb ist die Kohlefrage der Lackmustest für die
Ernsthaftigkeit der deutschen Klimapolitik. Klimaschutz
versprechen, aber neue Kohlekraftwerke zulassen ist
keine glaubwürdige Politik. Aber die Bundesregierung
geht ja noch einen Schritt weiter: Sie haben im Dezember
im Europäischen Rat durchgesetzt, dass die Mitgliedstaaten neue Subventionen für Kohlekraftwerke verteilen dürfen. Bis zu 15 Prozent der Investitionssumme sollen die
Energiekonzerne für ihre geplanten Kohlekraftwerke bekommen können. Das ist kein Klimaschutz, das ist aktive
Klimaschädigung auf Kosten der Steuerzahler.
Das lässt sich auch nicht unter Hinweis auf den europäischen Emissionshandel schönreden, wie es Umweltminister Gabriel immer wieder versucht. Es ist richtig,
dass der Emissionshandel eine Obergrenze für die Treibhausgasemissionen setzt. Diese Obergrenze ist aber das
Ergebnis eines politischen Prozesses, und sie ist nur bis
2020 festgelegt. Das heißt, wir werden in einigen Jahren
hier im Bundestag darüber diskutieren, wie die Emissionsobergrenze für die Zeit nach 2020 aussehen wird. Und
dann macht es einen gewaltigen Unterschied, welche Fakten geschaffen und wie viele neue Kohlekraftwerke bis dahin in Betrieb sind. Der Bau neuer Kohlekraftwerke heute
verhindert so ehrgeizigere Klimaschutzziele in der nächsten Handelsperiode.
Deshalb kann ich sie im Interesse des Klimaschutzes
nur auffordern: Unterstützen sie uns bei der Verhinderung neuer Kohlekraftwerke, verzichten sie auf Subventionen für Klimakiller, und sorgen sie mit uns für ein
neues Genehmigungsrecht, das Klimaschutz und Energieeffizienz den Stellenwert einräumt, den sie verdienen!
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12916,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/10617 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von
SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Linken angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten HansJoachim Otto ({0}), Christoph Waitz,
Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Presse- und Medienvielfalt sichern - Wettbewerb stärken, Werbung entbürokratisieren
- Drucksache 16/12472 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Philipp
Mißfelder, CDU/CSU, Dorothee Bär, CDU/CSU,
Monika Griefahn, SPD, Hans-Joachim Otto, FDP,
Dr. Lothar Bisky, Die Linke, und Grietje Staffelt,
Bündnis 90/Die Grünen.
Die Verantwortung der Medien, Informationen zu
sammeln, aufzubereiten und weiterzugeben und damit
Zuschauern, Zuhörern oder Lesern zuverlässig Nachrichten und Fakten zu vermitteln, ist angesichts einer immer komplexer werdenden Gesellschaft und wachsender
globaler Vernetzung heute größer denn je. Diese Verantwortung der Medien wird aber im Spannungsfeld einer
sich rasant wandelnden Mediennutzung wahrgenommen.
Durch das Internet und durch die digitalen Medien ist der
ständige und ungehinderte Zugriff auf aktuelle Informationen heute Realität und Grundvoraussetzung unseres
Handelns geworden. Dennoch bleibt es gerade wegen der
Schnelligkeit der Informationsverbreitung und der steigenden Komplexität der Themen Hauptaufgabe für Medien und der Journalisten, für eine unabhängige, unvoreingenommene und vertrauenswürdige Berichterstattung
zu sorgen.
Dieser Auftrag der Medien ist in Deutschland besonders klar umrissen. Die Pressefreiheit und die Freiheit
der Berichterstattung sind in Art. 5 des Grundgesetzes
geschützt. Die Gewährleistung der Presse- und Medienfreiheit ist daher eine Staatsaufgabe, die wir sehr ernst
nehmen. Unser Ziel ist deshalb eine neue Medienordnung, die der Bedeutung der Medien als Kultur- und Wirtschaftsgut gerecht wird. Eine neue Medienordnung soll
auch in Zukunft Meinungsvielfalt, Qualität und wirtschaftliches Wachstum auf allen Märkten garantieren.
Dabei bekennen wir uns ausdrücklich zum dualen System
in Deutschland. Das Markenzeichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss dabei die Qualität sein. Aber auch
der private Rundfunk hat eine gesellschaftliche Verantwortung und darf auf Qualität in seinem Programm nicht
verzichten. Deshalb müssen zukünftig Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den privaten Anbietern von
Rundfunk und Fernsehen neue Geschäftsmodelle unabhängig von der Entwicklung des Werbemarktes ermöglichen. Ob dies über den Weg einer Grundverschlüsselung
oder über andere, programmbegleitende Maßnahmen geschieht, wird sich in Zukunft zeigen und muss im Grunde
auch der Markt entscheiden.
Auf eines müssen wir jedoch in unserer Medienpolitik
achten: dass unsere im europäischen und internationalen
Vergleich einzigartige Rundfunklandschaft erhalten bleibt.
Und dazu gehört, dass wir weitere Werbebeschränkungen
und Werbeverbote auf nationaler und europäischer Ebene
grundsätzlich gründlich prüfen sollten. Aktionismus, der
regelmäßig auf sehr bedauerliche Vorfälle, beispielsweise durch den Missbrauch von Alkohol durch Jugendliche, folgt, halten wir nicht für sachgerecht. Wenn infolge
dieser Vorfälle stets die Forderung nach Werbebeschränkungen erfolgt, müssen sich alle Beteiligten darüber im
Klaren sein, dass mit derartigen Maßnahmen massiv in
die Finanzierungsmöglichkeiten privater Anbieter von
Presse- und Mediendiensten eingegriffen wird.
Hier ist es die Aufgabe der Politik, eine genaue Abwägung zwischen der Medienvielfalt in unserem Land und
den berechtigten Schutzanliegen nicht zuletzt von Kindern und Jugendlichen vorzunehmen. Diese Abwägung
sollten sich alle Verantwortlichen nicht leicht machen.
Und hier ist es unsere Auffassung, dass besonders Eltern
der Verantwortung gegenüber ihren Kindern wieder mehr
gerecht werden müssen. Dies erscheint uns als das bessere Mittel, anstatt auf jedes auftauchende gesellschaftliche Phänomen immer sofort mit der Forderung nach
neuen Verboten zu reagieren.
Denn eines ist gerade angesichts der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise nicht mehr zu übersehen:
Bereits heute führt das signifikante Schrumpfen des Werbemarktes für die nicht wenigen Presse- und Mediendienste zu einer existenzgefährdenden Krise. Viele Verlage oder private Sendeanstalten kämpfen mit einem
Einbruch der Werbebuchungen. Redaktionen werden verkleinert, Dienste eingestellt, der Umfang von Zeitungen
nimmt ab. Und genau deshalb hat das unionsgeführte
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im
Zuge der Ressortabstimmung auch fachliche und wirtschaftspolitische Argumente zum „Nationalen Aktionsplan Alkohol und Tabak“ vorgetragen, der unter anderem
ein weitreichendes Werbeverbot vorsah. Das Bundeskabinett wird sich entgegen der ursprünglichen Intention
der Drogenbeauftragten nun nicht mehr mit dem Aktionsplan befassen; denn bei einem Verbot für alkoholhaltige
Markenangebote würden alle Medien mit einem jährlichen Einnahmeausfall von etwa 560 Millionen Euro rechnen müssen.
So wichtig die Alkoholprävention selbstverständlich
ist, so ernst müssen wir auch die Medienvielfalt in
Deutschland nehmen. Werbebeschränkungen stellen unweigerlich einen Eingriff in die wirtschaftliche Grundlage von Medienunternehmen dar und können angesichts
eines ohnehin aufgrund der Wirtschaftsentwicklung zurückgehenden Werbemarktes zu einem weiteren Verlust
an Meinungs- und Pressevielfalt führen. Dessen sind wir
uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion bewusst. Und hier
haben wir auch gehandelt. Deshalb betrachten wir den
Antrag der FDP auch als erledigt und lehnen ihn ab.
Die Vielfalt ist ein besonderes Merkmal der deutschen
Medienlandschaft. Es ist unsere Aufgabe als Politiker,
diese Vielfalt zu schützen, zu pflegen und zu erweitern.
Das deutsche duale Mediensystem aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern gilt bei vielen Experten als
Garant für eines der besten Programmangebote in Europa. Es garantiert Medienvielfalt und Wettbewerb. CSU
und CDU bekennen sich gemeinsam zu der Aufgabe, die
deutsche Medienlandschaft zu erhalten und zu schützen
und stellen sich dieser Herausforderung in vollem Umfang.
Liebe Kollegen der FDP-Fraktion, um gleich auf den
Titel Ihres Antrages - „Presse- und Medienvielfalt sichern“ - einzugehen: Als Vertreterin der Koalition kann
ich Ihnen aus voller Überzeugung versichern: Die
Presse- und Medienvielfalt in diesem Land ist nicht gefährdet. Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass Werbung
eine Hauptform der Medienfinanzierung darstellt und somit zur Presse- und Medienvielfalt in Deutschland beiträgt. Ihrer ersten Feststellung kann ich noch zustimmen.
Die zweite erscheint mir jedoch allein dazu zu dienen,
Ihre Antragsforderungen zu stützen. Die Medienvielfalt in
Deutschland wird nämlich in erster Linie nicht durch die
Werbewirtschaft, sondern den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk in all seinen Facetten sichergestellt. Die privaten Fernsehanbieter haben die Wachstums- und Beschäftigungsentwicklung in der deutschen Medienwirtschaft
angefacht und ergänzen das Angebot.
Wenn ich mir zudem ihre Forderung ansehe, dass sich
die Bundesregierung bei den Bundesländern dafür einsetzen soll, die durch die EU maximal mögliche Liberalisierung von Werbemöglichkeiten bei privaten Medienangeboten durchzusetzen, muss ich Ihnen mitteilen, dass sich
Bund und Länder einig sind, diese Liberalisierung nicht
auszuschöpfen.
Des Weiteren frage ich Sie, warum Sie Forderungen an
die Bundesregierung stellen möchten, die eindeutig in die
Kompetenz der Länder fallen?
Liebe Kollegen der FDP, Sie wollen den Wettbewerb
stärken. Sicherlich ist das prinzipiell keine verkehrte
Marschroute. Trotzdem bleibe ich dabei, dass eine vollkommene Liberalisierung des Werbemarktes nicht zielführend ist. Es geht nicht, dass wir die Altersbeschränkung für den Kauf von Zigaretten zum Schutz der
Jugendlichen auf 18 Jahre anheben, um dann aber überall und unbeschränkt für Zigaretten und andere Suchtmittel zu werben. Ihr FDP-Kollege Detlef Parr hat anlässlich des letzten Nichtrauchertages betont, wie wichtig es
ist, dass Eltern, Schulen und Freizeiteinrichtungen, Kinder so aufwachsen lassen, dass sie die Finger ganz von
Zigaretten lassen. Zügelloses Werben für Tabakerzeugnisse ist da in keiner Weise akzeptabel.
Ich sage es gleich vorweg: Ich habe mich zunächst
schon gefragt, was dieser Antrag mit der Sicherung der
Presse- und Medienvielfalt zu tun hat. Doch beim Lesen
des Antrages hat es sich mir schnell offenbart: Die Sicherung der Presse- und Medienvielfalt ist im Grunde nur ein
vorgeschobener Vorwand für die eigentliche Absicht des
Antrages, einseitig die Werbewirtschaft zu unterstützen.
Das wiederum ist im Grunde nicht verwerflich, etwas
plump finde ich nur die Verschleierung der eigentlichen
Absichten. Doch das, wie gesagt, nur vorweg, kommen
wir zur inhaltlichen Diskussion des Antrages, die ja ihre
Fortsetzung noch in den Ausschüssen des Deutschen
Bundestages finden wird.
Lassen Sie mich zum Inhaltlichen kommen. Richtig ist
die Feststellung des Antrages, dass in der Werbewirtschaft sinkende Umsätze festzustellen sind. Das ist angesichts der Bedeutung der Werbung für die Finanzierung
vieler Presse- und Medienangebote durchaus eine bedenkenswerte Entwicklung, da insbesondere viele Presseerzeugnisse auf die Erlöse aus Werbung angewiesen
sind. Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird diesen
Druck, den zunächst die Unternehmen durch Kürzungen
ihrer Werbebudgets auffangen, den aber die Presse- und
Medienlandschaft durch ganz konkrete Einsparungen
ausgleichen muss, noch deutlich verstärken.
Richtig ist auch, dass die Bereitstellung von Medienangeboten im Onlinebereich mit erheblichen Kosten verbunden ist, wenn es qualitativ gut sein soll, gleichzeitig
aber relativ wenig Einnahmen über die klassischen Werbeformen im Onlinebereich zu erzielen sind.
Doch leider zieht die FDP in ihrem Antrag aus diesen
grundsätzlich richtigen Feststellungen die falschen
Schlüsse. Denn indem die FDP im Namen der Werbewirtschaft mit dem Finger auf andere, wie beispielsweise den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zeigt, werden diese Probleme nicht gelöst. Auch indem man die aus Gründen des
Jugend- und Verbraucherschutzes verankerten Bestimmungen im Rundfunkstaatsvertrag oder auch der EURichtlinie über audiovisuelle Mediendienste, früher EUFernsehrichtlinie genannt, als bürokratisch und beschränkend bezeichnet, löst man diese Probleme nicht.
Und ganz besonders verbietet sich der Vergleich der Probleme der Medien- und Werbewirtschaft mit den notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur und
dem Erhalt unseres Bankensystems vor dem Hintergrund
der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise.
Insofern steht die SPD-Bundestagsfraktion den Forderungen des Antrages kritisch gegenüber. Beispielsweise
haben wir es aus deutscher Sicht gerade als Erfolg gesehen, dass sich Deutschland im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft bei der Überarbeitung der EU-Richtlinie
über audiovisuelle Mediendienste mit der Forderung
durchsetzen konnte, bei Produktplatzierungen die Transparenz zu verbessern, um redaktionelle Freiheit und Unabhängigkeit zu sichern und auch in Zukunft die Zuschauer vor Irreführungen zu schützen. Auch das
erreichte, klar gefasste generelle Verbot von Themenplatzierungen haben wir ausdrücklich begrüßt, ebenso wie
die unternommenen Schritte hin zu einem europaweit einheitlichen Niveau des Jugendmedienschutzes. Denn ganz
zentral geht es um die Frage, wie wir insbesondere in Medien für Kinder und Jugendliche unangemessene Werbung verhindern. Insofern ist die Forderung der FDP
ausdrücklich abzulehnen, in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sämtliche Beschränkungen der
Werbemöglichkeiten aufzuheben.
Auch die auf europäischer Ebene umgesetzten einheitlichen und verbesserten Regelungen im Bereich der Alkohol- und Tabakwerbung begrüßen wir. Die gerade gestern
vorgestellte, von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse ({0}) in Auftrag gegebene Studie zeigt, wie sehr
die Werbung den Konsum von Alkohol gerade bei Jugendlichen beeinflusst. Insofern halte ich den von der
Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Frau Sabine
Bätzing, unterbreiteten Vorschlag für mehr Selbstkontrolle der Werbung für Alkohol für richtig und überlegenswert.
Das sollte auch der Ansatz für eine konstruktive Diskussion über die in diesem Antrag beschriebenen ProZu Protokoll gegebene Reden
bleme der Werbewirtschaft sein. Denn hier muss meines
Erachtens auch ein Umdenken stattfinden. Es sind möglicherweise nicht mehr die klassischen Werbeformate und
-inhalte, die erfolgreich sind. Deshalb nützt es nichts, die
Welt drumherum ändern zu wollen. Vielmehr muss sich
die Werbewirtschaft an die sich verändernde Welt anpassen, was sie ja bereits auch tut. Dazu gehört beispielsweise, dass die im Onlinebereich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten immer stärker in neuer Form genutzt
werden. Dabei werden durch neue Formen der Vermarktung, die Vernetzung und das Zur-Verfügung-Stellen von
Informationsangeboten neue Einnahmemöglichkeiten
auch im Werbebereich erschlossen.
Und dazu gehört eben auch, dass die Selbstkontrollmechanismen der Werbung, die es ja unter anderem in Form
des Deutschen Werberates bereits gibt, greifen und transparent sind. So wird auch ein für die Werbung sehr wichtiges Gut - Vertrauen - erhöht.
Und lassen Sie mich noch einen wichtigen Punkt zum
Schluss sagen, weswegen der Antrag aus meiner Sicht
ebenfalls nicht hilfreich bei der Debatte dieser Fragen ist.
Denn die FDP mischt andere Aspekte in die Debatte mit
ein, die ihr zwar aus anderen Gründen ebenfalls wichtig
erscheinen, die aber mit der Frage nach der Zukunft der
Werbewirtschaft, und darum geht es ja im Grunde, nur
wenig zu tun haben. Ich meine die Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Überarbeitung der
Rundfunkänderungsstaatsverträge. Die Forderung der
FDP - die wir ja aus anderen Diskussionen zur Genüge
kennen -, die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk zu vereinheitlichen, zu externalisieren und zu
professionalisieren sowie „zu prüfen, ob dieses Ziel mit
der Übertragung der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an die Landesmedienanstalten erreicht
werden kann“ hat nun wirklich nichts mit der Werbewirtschaft zu tun.
Insofern kann ich ganz zum Schluss - und zwar in einer
doppelten Bedeutung - ganz „im Sinne der Werbewirtschaft“ zu dem Antrag der FDP nur sagen: Gut gemeint,
aber schlecht gemacht!
Meinungsvielfalt ist ein zentraler und konstitutiver Bestandteil jeder Demokratie und ein besonderes Merkmal
der deutschen Medienlandschaft. Wohl in wenigen anderen Ländern trifft man auf eine ähnlich pluralistische,
qualitativ hochwertige und abwechslungsreiche Medienlandschaft.
Meinungsvielfalt ist dabei nicht nur ein abstraktes
theoretisches Gut, sondern ein konkretes unverzichtbares
Element des gesellschaftlichen und politischen Miteinanders. Ohne diese kann es keinen politischen Wettbewerb,
kein Werben um Meinungen und Stimmen, aber auch insgesamt keinen gesellschaftlichen Pluralismus geben.
Somit trägt die Politik - schon im eigenen Interesse - eine
große Verantwortung für den Schutz der Meinungsvielfalt.
Meinungsvielfalt hat ihren Ursprung insbesondere in
einer pluralistischen Medien- und Presselandschaft. In
der Konsequenz heißt das, dass die Politik - und damit
spreche ich, trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit der
Bundesländer für Presse und Medien, auch den Bundesgesetzgeber an - für den Erhalt der Medien- und Pressevielfalt verantwortlich ist. Deshalb ist es auch absolut
richtig, dass sich der Deutsche Bundestag heute mit diesen Fragen auseinandersetzt.
Diese Verantwortung liegt vorrangig darin, dass die
Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, in denen sich
Medien- und Presseangebote im freien ökonomischen
und publizistischen Wettbewerb bewähren können. Eine
direkte staatliche Finanzierung der Presse darf es aus
ordnungspolitischen Gründen weiterhin nicht geben.
Deshalb verbieten sich übrigens auch staatliche Subventionen für die Medienbranche - selbst in Zeiten gesamtwirtschaftlicher Schieflagen. Auch eine öffentlich-rechtliche Presse wäre ordnungspolitisch nicht akzeptabel.
Der mit staatlicher Finanzierungsgarantie ausgestattete
öffentlich-rechtliche Rundfunk muss die Ausnahme bleiben.
Da sich also private Medien- und Presseangebote
nicht durch staatliche Subventionen finanzieren können,
müssen sie auf die traditionellen Mittel der Finanzierung
zurückgreifen: Verkauf, insbesondere durch Abonnements, und Werbung. Es ist dabei hinreichend bekannt,
dass insbesondere bei elektronischen Presse- und Medienangeboten auch die Finanzierung über Abonnements
im Regelfall ausscheidet. Der Werbung kommt somit eine
immer größer werdende Bedeutung bei der Finanzierung
und damit auch beim Erhalt der Meinungsvielfalt zu.
Aber auch die Werbefinanzierung steht unter massivem Druck, sowohl ökonomisch als auch politisch. Die
Strukturkrise der Medienbranche zeigt - verstärkt durch
die momentane wirtschaftliche Krise - bereits erste negative Auswirkungen auf die Meinungsvielfalt. In diesem
Umfeld entfalten politische Einschränkungen oder gar
Verbote von Werbeformaten oder -inhalten besonders
schwerwiegende Konsequenzen für Anbieter von Presseund Mediendiensten, die auf Einnahmen durch Werbung
angewiesen sind.
Tatsache ist allerdings, dass in den vergangenen Jahren eine zunehmende Zahl von Einschränkungen und Verboten - ob gesellschafts-, gesundheits-, sozial- oder verbraucherschutzpolitisch motiviert - in den deutschen und
europäischen Werberegimen implementiert wurden. Viele
weitere sind geplant. Einige davon waren und sind sicherlich sinnvoll. Niemand möchte zum Beispiel Zigarettenwerbung in Kinderfernsehsendungen haben.
Viele bestehende oder geplante Einschränkungen und
Verbote sind jedoch kritikwürdig entweder in ihrer Zielsetzung oder in ihrer Effektivität. Ist ernsthaft mit umweltfreundlicheren Verbraucherentscheidungen beim Autokauf zu rechnen, nur weil noch größere und genauere
Angaben über den CO2-Ausstoß in die Zeitschriftenanzeige gedruckt werden müssen? Ich wage es zu bezweifeln. Einer Zeitschrift schadet es allerdings massiv, weil
viele Anzeigen unterbleiben werden, wenn nur noch die
Hälfte des Platzes zur Verfügung steht, weil die andere
Hälfte für Pflichtangaben aufgebracht werden muss.
Zu Protokoll gegebene Reden
Hans-Joachim Otto ({0})
Wollen wir anno 2009 wirklich der Werbeindustrie
vorschreiben, ob und welche Rollenklischees ihre Spots
vermeiden müssen? Wollen wir ihr vorschreiben, dass
künftig die Hausfrau nur noch von männlichen, der Automechaniker nur noch von weiblichen Personen dargestellt werden dürfen? Ich halte das für absurd.
Ein ganz aktuelles Thema: ist es verhältnismäßig, das
sogenannte Listenprivileg für die Presse abzuschaffen?
Hier wird doch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Im
besten Fall ein paar Briefe weniger im Briefkasten werden erkauft mit erheblichen Umsatzeinbußen bei Zeitungen und Zeitschriften, die sich für einige sogar existenzbedrohend auswirken können. Hier werfen Sie mir nicht
Panikmache vor; bei Umfragen unter Verlegern wird die
Datenschutznovelle von 88 Prozent als großes Problem
angesehen, noch mehr als die allgemeinen Strukturprobleme der Presse, die „nur“ von 82 Prozent als großes
Problem bewertet werden.
Jenseits von fehlender Effektivität oder zweifelhafter
Zielsetzung stoßen wir auch auf Werberegime, deren Sinn
generell infrage zu stellen ist. Warum zum Beispiel wird
privaten Rundfunkveranstaltern nicht freigestellt, wie
häufig und wie viel Werbung sie senden wollen? Wozu
leisten wir uns denn eigentlich ein mehr als 8 Milliarden
Euro teures öffentlich-rechtliches Rundfunksystem? Wir
sollten lieber das öffentlich-rechtliche System komplett
werbefrei gestalten und das private System hinsichtlich
der Werbung - jenseits von Kindersendungen, Ratgebersendungen und Nachrichten - vollständig freigeben; das
wäre ein klar abgegrenztes duales Rundfunksystem.
Sollte ein privater Rundfunksender es mit der Werbung
übertreiben, werden dies die Zuschauer und Zuhörer
schon entsprechend würdigen.
Die Liste mit Beispielen ließe sich beliebig erweitern.
Als Nächstes kommt wohl noch das pauschale Verbot von
Alkohol- und Süßigkeitenwerbung in Zeitschriften. Dann
wäre auch endlich die große Gefahr gebannt, dass die
Massen der Jugendlichen, welche wöchentlich anspruchsvolle Nachrichtenmagazine lesen, dort zum Konsum von Bier und Schokolade verleitet werden.
Es ist doch verrückt: Während allen Ernstes über
staatliche Subventionen für die Presse diskutiert wird - so
wieder heute vom ehemaligen Verfassungsrichter Grimm
in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ -, ist offenbar
bei der schon jetzt viel zu intensiven Werberegulierung
das Ende der Fahnenstange offenbar noch nicht erreicht.
Um es mit anderen Worten zu sagen: Es wird diskutiert,
einen Läufer zu dopen, dem eine Eisenkugel an den Fuß
gebunden wurde. Lassen Sie uns also lieber statt des Dopings über die Eisenkugel reden!
Die Medien- und Pressebranche macht eine schwere
Krise durch, die auch eine Gefahr für die Meinungsvielfalt darstellt. Wir dürfen ihr nun nicht noch mehr Steine in
den Weg legen, sondern müssen diese aus dem Weg räumen. Nur so kann Meinungsvielfalt in einem freien publizistischen und ökonomischen Wettbewerb nachhaltig
gesichert werden.
Wir sollten aufhören, in diesem Zusammenhang über
Subventionen zu reden oder ARD und ZDF zu einem
öffentlich-rechtlichen Multimediasystem aufzublähen.
Stattdessen benötigen wir ein Konjunkturpaket III der liberalen und haushaltsfreundlichen Art: Konsequenter
und mutiger Abbau von Bürokratie und Investitionshemmnissen.
Im Bereich der Werbung gibt es dabei besonderen
Handlungsbedarf. Der Antrag der FDP-Fraktion, der Ihnen heute vorliegt, weist den Weg zu weniger Bürokratie
und mehr Wettbewerb und damit zu einer Sicherung der
Medien- und Pressevielfalt auf. Wir sind gefordert, uns
auf Bundes-, Landes- und europäischer Ebene gegen weitere Einschränkungen und Verbote und für eine Entbürokratisierung einzusetzen. Ich bitte Sie dabei um Ihre Unterstützung.
Der FDP-Antrag, um den es hier geht, korrespondiert
in einem Punkt mit einer Forderung der Linken: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss werbefrei sein. Die
Skandale um Schleichwerbung haben eines gezeigt: Es
gibt allerorten Missbrauch. Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk muss aber auch deswegen werbefrei sein, damit
die Unabhängigkeit der Berichterstattung dauerhaft gesichert ist. Er muss sich als Korrektiv und nicht als ein
Nachahmer der Privaten verstehen. Hier braucht es
schleunigst ein Umdenken.
Im Kern geht es im Antrag der FDP jedoch um eine
ganz andere Frage, nämlich um die generelle Aufhebung
von Werbebeschränkungen in Medienangeboten. Wir erkennen ja an, dass die Wirtschaftsliberalen ihre Wählerklientel in der Werbewirtschaft und in den Privatsendern
mit einer schrankenlosen Liberalisierung ein zünftiges
Wahlgeschenk liefern wollen. Doch liebe Kolleginnen
und Kollegen von der FDP, ist es nicht etwas weit gegriffen, wenn man jahrzehntelang bewährte Einschränkungen mal so mir nichts dir nichts aufheben will und sich
zugleich mit Händen und Füßen gegen weitere Einschränkungen bei der Werbung für Alkohol und Tabak
wehrt, sie sogar lockern möchte? Ich bitte Sie! Sinnvolle
Warnungen und die Verbannung von Suchtwerbung - im
Übrigen zusammen mit Aufklärungskampagnen - müssen
zweifelsohne ein gemeinsames Ziel des Deutschen Bundestages sein.
Selbstverständlich ist eine Überprüfung der Werbeeinschränkungen von Zeit zu Zeit sinnvoll und nicht zu beanstanden. Doch muss in Ihrer Fraktion auch zur Kenntnis
genommen werden, dass die Neufassung der EU-Fernsehrichtlinie nichts anderes ist als eine einzige Liberalisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die
Werbung.
Wenn Sie die Bundesregierung nun überzeugen wollen, die „gesellschafts-, gesundheits- oder verbraucherschutzpolitische Wirkung“ von Werbebeschränkungen zu
evaluieren - und das möglichst noch vor der Bundestagswahl im September 2009 zu machen -, und gleichzeitig
darauf drängen, vor der Wahl keine Gesetzesinitiativen in
diesem Bereich mehr auf den Weg zu bringen, so ist dies
nichts mehr als blanke Interessenspolitik. Leider muss
sich die Öffentlichkeit in diesen Zeiten einer Menge unZu Protokoll gegebene Reden
sinniger Argumente aus der Wirtschaft und auch von Ihnen erwehren.
Hören Sie bitte damit auf, Fragen des Gesundheitsschutzes und des Verbraucherschutzes für die Maximierung von Gewinninteressen zu missbrauchen!
Die Freigabe von Product Placement nach der neugefassten EU-Fernsehrichtlinie wird eine neue Runde im
Kommerzialisierungsprozess des Rundfunks einleiten.
Die Nationalstaaten allerdings sind keineswegs gezwungen, diese eins zu eins umzusetzen. Ausdrücklich ist es
den für die Rundfunkpolitik zuständigen Bundesländern
möglich, Produktplatzierung im deutschen Fernsehen zu
untersagen. Angesichts der Werbekrise mehren sich nun
die Stimmen, den Privatsendern diese neue Einnahmequelle zu erschließen. Den Wirtschaftsinteressen der Privatsender soll zulasten des Verbraucherschutzes nachgegeben werden. Das lehnt die Linke rundweg ab.
Im Antrag der FDP, der die Presse- und Medienvielfalt
im Titel führt, geht es im Falle des Rundfunks nicht um die
Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher, nicht um
ein vielfältiges kulturelles Programmangebot und schon
gar nicht darum, die Autonomie journalistisch-redaktioneller Arbeit abzusichern, sondern einzig und allein um
Geschäftsbeziehungen, ums Geldverdienen, um Rendite.
Die Krise ist hier nur der Deckmantel, die im deutschen
Fernsehen aus gutem Grund bestehenden Werbebeschränkungen vollständig zu deregulieren. Wohin vollständige Deregulierung führt, das kann man im Bankenwesen und in der Finanzwirtschaft derzeit gut studieren.
Und darum sagen wir Linken Nein zum Antrag der FDP.
Es ist unbestritten, dass Werbung heute ein zentrales
Instrument zur Finanzierung von Medieninhalten geworden ist. Das gilt für den privatwirtschaftlich organisierten
Rundfunk im Besonderen, aber auch für den öffentlichrechtlichen Rundfunk. Die hieraus resultierende Bedeutung der Werbewirtschaft ist ebenfalls unstrittig. Die
Feststellung im Antrag der FDP-Fraktion, dass die Werbung somit zu einer festen Größe bei der Medienfinanzierung geworden ist und der Werbewirtschaft so auch eine
gesamtwirtschaftlich wichtige Rolle zukommt, ist also
richtig.
In diesem Zusammenhang ist auch nachvollziehbar,
dass die kostenintensive Produktion von medialen Inhalten durch die weltwirtschaftlich angespannte Situation in
Mitleidenschaft gezogen wird. Es steht für Werbung heute
einfach weniger Geld zur Verfügung. Und das Geld, das
zur Verfügung steht, wird nun bewusster ausgegeben.
Man kann also sagen, die goldenen Zeiten der Werbewirtschaft sind erst einmal vorbei - wie die in anderen Wirtschaftszweigen auch.
Aus diesen Tatsachen nun eine eklatante Gefährdung
der deutschen Medienlandschaft abzuleiten und das Ausbleiben der Werbegelder für eine zunehmende Konzentration im Bereich der Presse verantwortlich zu machen,
geht mir allerdings etwas zu weit. Die beschriebene Problematik betrifft ja die privaten Rundfunk- und Presseanbieter nicht allein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk
leidet unter dieser Situation ebenfalls, da auch hier die
Produktion von Medieninhalten aus verkaufter Werbezeit
mitfinanziert werden muss. Hinzu kommt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Möglichkeit, Werbung
zu senden, in einem viel stärkeren Maße reglementiert ist
als die privaten Rundfunkanbieter.
Neben den betriebs- und volkswirtschaftlichen Entwicklungen, die nach Ansicht der FDP-Fraktion für den
„Niedergang“ der deutschen Werbewirtschaft verantwortlich sind, nennt der FDP-Antrag einen erheblichen
Druck, der von der Politik ausgeübt wird. Gemeint sind ja
damit die Einschränkungen, denen in Deutschland Werbung unterliegt. Der Antrag spricht von Formen und Normen bei der Einschränkung von Werbeformaten und -inhalten. Hier möchte die FDP also das Rad am liebsten
wieder zurückdrehen und dem Rundfunk die Möglichkeit
einräumen, wieder Werbung für Alkohol und Tabak zu
senden. Das Werbeverbot habe nichts gebracht, so die
Begründung. In diesem Zusammenhang möchte ich nur
kurz auf den aktuellen Drogenbericht der Bundesregierung hinweisen. Trotz der Exzesse wie dem sogenannten
Komasaufen unter Jugendlichen wird ein deutlicher
Rückgang beim Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch
festgestellt. Für uns als Grüne wäre das Aufweichen von
Werbeverboten hier einfach kontraproduktiv. Die erreichte Besserung und gestiegene gesellschaftliche Sensibilität beim Thema Tabak und Alkohol würde schlichtweg
untergraben.
In einem weiteren Punkt kritisiert die FDP-Fraktion
die Konkurrenz für private Presse- und Medienanbieter
durch öffentlich-rechtliche Marktteilnehmer; insbesondere durch deren Ausweitung der Onlinemedienangebote.
Hier möchte ich eines ganz klar festhalten: Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist mit der Verabschiedung des
12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags bei Onlineinhalten ein enges, unserer Meinung nach zu enges Korsett angelegt worden. Hier müsste man sogar gegenteilig argumentieren und sagen, dass der öffentlich-rechtliche
Rundfunk durch diesen Vertrag im freien Wettbewerb um
Kunden auch im Internet deutlich behindert wird. Die
Vorteile liegen also eher aufseiten der privaten Anbieter.
Die sind aber scheinbar nicht in der Lage, diese Vorteile
auch für sich zu nutzen.
In diesem Zusammenhang folgt dann auch die Standardkritik der FDP an der Gebührenfinanzierung der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter. Die Unterstellung, dass die jährlichen Gebühren von knapp 8 Milliarden Euro der unkontrollierten Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Medienanbieter im Internet Vorschub
leisten und den Wettbewerb verzerren, ist schlichtweg
falsch. Im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist diesem Zusammenhang, wie schon erwähnt, ein starkes regulatives Element enthalten.
Aus den Gebührengeldern ein Werbeverbot für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abzuleiten, geht
schlichtweg an den Realitäten vorbei. Die Produktionskosten der Öffentlich-Rechtlichen können längst nicht
mehr allein über die Gebühren gedeckt werden. Darüber
hinaus ist Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
viel stärker reglementiert und nicht mit Werbung bei den
Zu Protokoll gegebene Reden
Privaten zu vergleichen. Wir als Grüne sehen in den Gebühren ein wichtiges Instrument, das den öffentlichrechtlichen Anstalten ein dringend notwendiges Maß an
Unabhängigkeit von öffentlichen wie privaten Geldern sichert. Die Rundfunkgebühren sind Garant für qualitativ
hochwertige Angebote der Öffentlich-Rechtlichen, ein
Angebot, das sich als Richtschnur auch auf die privaten
Inhalte auswirkt.
Der Vorschlag, die Verwendung der knapp 8 Milliarden Gebührengelder unter eine effektive und unabhängige Aufsicht zu stellen, ignoriert, dass durch die
Landesmedienanstalten, die KEF und die KEK solche
Kontrollinstanzen schon existieren. Hier eine weitere Instanz ins Leben zu rufen, steht im klaren Widerspruch zum
Ansatz der FDP, für weniger Bürokratie zu sorgen.
Der Wettbewerb im Bereich der Medien leidet sicher
auch unter der gesamtwirtschaftlichen Schieflage. Die
Rufe der privaten Medienanbieter und Werbetreibenden
nach einem eigenen Konjunkturpaket oder Schutzschirm
erscheinen in diesem Zusammenhang vielleicht sogar
verständlich. Sie sind aber vor allem unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsverzerrung durch gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Anstalten und deren Onlineangebote unbegründet. Vielmehr ist es doch so, dass
gerade die Onlineangebote der Öffentlich-Rechtlichen zu
einer Qualitätssteigerung beitragen. Die privaten Anbieter sollten sich endlich dem publizistischen Wettbewerb
auch im Internet stellen. Es ist an der Zeit, dass auch die
Privaten neue, innovative Angebote entwickeln und platzieren.
Statt dem Lamentieren der privaten Medienanbieter
blind zu folgen, sollte die FDP hier eher, wie sie es auch
sonst tut, dem Spiel der Marktkräfte das Wort reden. Sie
sollte den Privaten ans Herz legen, den starken Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit wettbewerbsfähigen Angeboten und Inhalten entgegenzutreten,
um auf diesem Wege für eine vielfältige Medienlandschaft
zu sorgen.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/12472 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich unterbreche die Sitzung bis zum Bekanntgeben
des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/11919 mit dem Titel „Anbau von gentechnisch verändertem Mais stoppen“ bekannt: abgegebene Stimmen 502. Mit Ja haben gestimmt 391, mit Nein
haben gestimmt 78, Enthaltungen 33. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 502;
davon
ja: 391
nein: 78
enthalten: 33
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({1})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Stephan Eisel
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({2})
Dirk Fischer ({3})
Axel E. Fischer ({4})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Jürgen Gehb
Eberhard Gienger
Peter Götz
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({5})
Hans-Werner Kammer
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({6})
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({7})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Laurenz Meyer ({8})
Maria Michalk
Dr. Eva Möllring
Carsten Müller
({9})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({10})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({11})
Hermann-Josef Scharf
Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Andreas Schmidt ({12})
Ingo Schmitt ({13})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Thomas Strobl ({14})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({15})
Gerald Weiß ({16})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({17})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Ernst Bahr ({18})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({19})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({20})
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({21})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
({22})
Nina Hauer
Dr. Reinhold Hemker
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({23})
Iris Hoffmann ({24})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Johannes Jung ({25})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({26})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({27})
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({28})
Michael Müller ({29})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({30})
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({31})
Michael Roth ({32})
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({33})
Marianne Schieder
Ulla Schmidt ({34})
Silvia Schmidt ({35})
Heinz Schmitt ({36})
Carsten Schneider ({37})
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz
({38})
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({39})
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Engelbert Wistuba
Waltraud Wolff
({40})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Patrick Döring
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Joachim Günther ({41})
Heinz-Peter Haustein
Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Michael Link ({42})
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
({43})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({44})
Nein
SPD
Frank Hofmann ({45})
FDP
Dr. Konrad Schily
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Karin Binder
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Lutz Heilmann
Dr. Barbara Höll
Dr. Hakki Keskin
Oskar Lafontaine
Dorothée Menzner
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({46})
Volker Schneider
({47})
Dr. Ilja Seifert
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({48})
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({49})
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Undine Kurth ({50})
Markus Kurth
Monika Lazar
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({51})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
fraktionsloser
Abgeordneter
Gert Winkelmeier
Enthalten
CDU/CSU
Alexander Dobrindt
Norbert Geis
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Ernst Hinsken
Klaus Hofbauer
Bartholomäus Kalb
Alois Karl
Hartmut Koschyk
Stephan Mayer ({52})
Dr. h. c. Hans Michelbach
Marlene Mortler
Stefan Müller ({53})
Dr. Gerd Müller
Eduard Oswald
Daniela Raab
Dr. Peter Ramsauer
Franz Romer
Albert Rupprecht ({54})
Dr. Andreas Scheuer
Christian Schmidt ({55})
Johannes Singhammer
Matthäus Strebl
SPD
Markus Meckel
Gesine Multhaupt
Dr. Wolfgang Wodarg
FDP
Mechthild Dyckmans
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. Mai 2009,
9 Uhr, ein.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, aber
auch den Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Tribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen
schönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.