Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Einen wunderschönen guten Morgen! Ich begrüße Sie
alle ganz herzlich. Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung
ist eröffnet.
Ich darf Ihnen vor Eintritt in unsere Tagesordnung
mitteilen, dass sich der Ältestenrat in seiner gestrigen
Sitzung darauf verständigt hat, wegen des gesetzlichen
Feiertags am Freitag, dem 1. Mai 2009, an dem wir
nichts ändern wollen, die Frist für die Einreichung der
Fragen zur mündlichen Beantwortung in der Sitzungswoche vom 4. Mai 2009 auf Donnerstag, den 30. April
2009, 10 Uhr, vorzuziehen. Wegen der verkürzten Sitzungswoche soll die Fragestunde auf eine Stunde verkürzt werden.
Außerdem gibt es noch eine nachträgliche Ausschussüberweisung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung
zu dem Internationalen Übereinkommen vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen auf Drucksache 16/12592 soll zusätzlich dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe zur Mitberatung überwiesen werden.
({0})
- Nachdem ich gestern ausdrücklich zugesagt habe, dass
ich für begründete Auskunftsersuchen immer gerne zur
Verfügung stehe, will ich dem gerne folgen, zumal ich
die Verblüffung teile, die offenkundig auch im Plenum
entstanden ist: Es handelt sich um ein Internationales
Übereinkommen vom 20. Dezember 2006 zum Schutz
aller Personen vor dem Verschwindenlassen.
({1})
- Das ist vor allen Dingen für Oppositionsaktivitäten sicher ein dankbarer Gegenstand, Herr Kollege
Westerwelle.
({2})
Jedenfalls scheint es keinen ernsthaften Widerstand
gegen die Absicht zu geben, diese bedeutende Vorlage
an den genannten Ausschuss zur Mitberatung zu überweisen. - Dann darf ich dazu Einvernehmen feststellen.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 10 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über genetische Untersuchungen bei Menschen ({3})
- Drucksachen 16/10532, 16/10582 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Birgitt Bender, Volker Beck ({4}),
Markus Kurth, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen ({5})
- Drucksache 16/3233 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ({6})
- Drucksache 16/12713 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Carola Reimann
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen
ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP und ein
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke sowie zwei
Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Bundesministerin Ulla Schmidt.
({7})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Gendiagnostikgesetz hat eine sehr lange Vorgeschichte.
Seit mehr als zehn Jahren diskutieren wir hier. Das zeigt,
wie schwierig die Debatten waren. Das zeigt aber auch,
wie schwierig es ist, eine gesetzliche Regelung zu finRedetext
den, mit der wir wirklich allen Bedürfnissen und allen
Wünschen gerecht werden; denn es geht um den Schutz
des Persönlichkeitsrechts eines jeden einzelnen Menschen.
Ich bin mir darüber bewusst, dass das Gesetz, das wir
heute verabschieden, noch immer nicht jedem einzelnen
Wunsch gerecht wird. Es werden aber erstmals Regelungen für die Untersuchung genetischer Eigenschaften
und für den Umgang mit den Ergebnissen dieser Untersuchung getroffen. Das ist wichtig, weil es sich um Untersuchungen handelt, mit denen für die Gesundheit bedeutsame genetische Eigenschaften festgestellt werden
können. Zum Beispiel kann ermittelt werden, ob jemand
die Disposition hat, an Mukoviszidose zu erkranken,
oder ob jemand genetisch vorbelastet ist und daher dem
Risiko ausgesetzt ist, an Brustkrebs zu erkranken. Es
sind aber auch Erkrankungen durch Chromosomenstörungen wie das Downsyndrom zu nennen. Dies allein
zeigt, wie wichtig und wie sensibel jede gesetzliche Regelung ist. Erkenntnisse aus solchen Untersuchungen
können das Leben der Menschen nämlich ganz massiv
beeinträchtigen. Sie können Eltern vor ganz schwierige
Entscheidungen stellen.
Wir wollen mit dem Gesetz verhindern, dass diese
sensiblen genetischen Daten missbraucht werden und
dass Menschen aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften diskriminiert werden. Diese Gefahr ist bis heute gegeben, weil entsprechende Regelungen fehlen. Experten
gehen davon aus, dass auch in Zukunft weitere Erkrankungen mittels genetischer Tests erkannt werden können. Das Gesetz schafft deshalb einen Rahmen und legt
hohe Anforderungen fest.
Weil es um die Besonderheit genetischer Daten geht,
müssen wir Regelungen darüber treffen, wie das Recht
des Einzelnen auf Wissen, aber auch das Recht des Einzelnen auf Nichtwissen gesetzlich verankert wird. Das
Recht auf Nichtwissen bedeutet, dass niemand gegen
seinen Willen von seinen genetischen Eigenschaften erfährt und dass dadurch seine Lebensqualität möglicherweise beeinträchtigt wird. Bei dem Recht auf Nichtwissen geht es nicht nur darum, dieses Recht vor einer
genetischen Untersuchung wahrnehmen zu können, sondern auch darum, sich nach Durchführung einer genetischen Untersuchung entscheiden zu können, ob man die
Untersuchungsergebnisse nicht wissen und eine Einwilligung widerrufen will, und damit auch klar ist, dass die
jeweiligen Proben vernichtet werden müssen.
Zum Schutz der Patientinnen und Patienten, um die es
im Gesundheitsbereich geht, haben wir für diese Untersuchungen einen ganz strikten Arztvorbehalt festgeschrieben. Genetische Untersuchungen dürfen nur von
dazu qualifizierten Frauen und Männern durchgeführt
werden. Ganz besonders wichtig ist, dass vor einer genetischen Untersuchung sowohl eine umfassende Information als auch eine umfassende Beratung stattfinden, und
zwar auch darüber, welche Erkenntnisse gefunden werden können, darüber, welche Aussagequalität diese Erkenntnisse haben, und darüber, ob der Mensch durch eigenes Verhalten etwas ändern kann, wenn er die
Untersuchungsergebnisse kennt.
Wir wollen, dass den Patienten bei genetischen diagnostischen Untersuchungen eine Beratung angeboten
wird und dass bei allen pränatalen genetischen Untersuchungen eine Beratung verpflichtend ist. Wir halten
diese Informations- und Beratungspflicht für eine Voraussetzung dafür, dass das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung überhaupt erst wahrgenommen werden kann. Nur derjenige, der weiß, was eine bestimmte
Untersuchung für ihn selber bedeuten kann, nur derjenige, der weiß, dass er mit den Untersuchungsergebnissen in seinem Leben eventuell überhaupt nichts ändern
kann, nur derjenige, der weiß, dass viele dieser Untersuchungen überhaupt keine Auskunft darüber geben, ob
ein Fall tatsächlich eintritt, ist in der Lage, zu entscheiden, ob er eine solche Untersuchung durchführen lassen
will oder nicht.
Das Gesetz legt auch erstmals strenge Anforderungen
für pränatale genetische Untersuchungen fest. Nach
langen Diskussionen ist ein Verbot von pränatalen genetischen Untersuchungen eingeführt worden, die sich auf
spätmanifestierende Krankheiten beziehen. Dem ging
ein über viele Monate schwelender Streit voraus.
Ich glaube, dass wir mit dem gefundenen Kompromiss sehr gut leben können. Denn dem Recht der Eltern
auf Wissen steht das Recht eines ungeborenen Kindes
auf Nichtwissen gegenüber. Dies wird im Gesetz verankert. Die Frage, wie ein Leben verlaufen würde - je
nachdem, welche Erkenntnisse über Erkrankungen vorliegen, auch wenn sie vielleicht nicht eintreten -, rechtfertigt es, das Recht der Eltern auf Wissen einzuschränken, weil es auch ein Recht auf Nichtwissen gibt.
Ich weiß, dass sich daraus Probleme ergeben können
und dass es durchaus unterschiedliche Auffassungen
gibt. Aber ich bin der Ansicht, dass wir einen Kompromiss gefunden haben, mit dem der Deutsche Bundestag
gut leben kann. Wir werden sehen, welche Auswirkungen sich in der Praxis ergeben. Dieser Kompromiss hat
jedenfalls eine Mehrheit gefunden.
Ich möchte noch auf drei Regelungen eingehen, die
genetische Untersuchungen betreffen.
Die erste betrifft die Feststellung der Abstammung eines Kindes. Es wird eindeutig geregelt, dass genetische
Untersuchungen nur dann zulässig sind, wenn die Personen, von denen eine genetische Probe untersucht werden
soll, in die Untersuchung eingewilligt haben. Das ist ein
klares Verbot der heimlichen Abstammungsuntersuchung.
({0})
Zweitens wird klar geregelt, dass genetische Untersuchungen auf Verlangen des Arbeitgebers grundsätzlich
verboten sind.
({1})
Der Arbeitgeber darf Ergebnisse einer genetischen Untersuchung weder erfragen noch entgegennehmen oder
gar verwenden. Ich halte das für eine sehr wichtige Regelung zum Schutz der Arbeitnehmer und ArbeitnehmeBundesministerin Ulla Schmidt
rinnen. Auch hier wird eindeutig festgelegt, dass sich das
Recht auf Wissen auf die betreffende Person beschränkt
und dass niemand das Recht auf Wissen über die genetische Disposition eines anderen hat.
Bisherige Vorsorgeuntersuchungen auf freiwilliger
Basis zum Schutz der Beschäftigten werden aber auch
weiterhin möglich sein, und zwar dann, wenn bestimmte
genetisch bedingte Krankheitsrisiken bei Beschäftigten
in hochsensiblen Bereichen der chemischen Industrie gegeben sind, wenn zum Beispiel eine Staubexposition zu
schweren Erkrankungen führen könnte. Das dient dem
Arbeitsschutz, also dem Schutz der Beschäftigten. Diese
Untersuchungen sind wie bisher nur auf freiwilliger Basis möglich.
Die dritte Regelung betrifft die Versicherungsunternehmen. Versicherungsunternehmen dürfen grundsätzlich keine genetischen Daten verlangen. Sie dürfen vor
Abschluss eines Versicherungsvertrages weder die
Durchführung einer genetischen Untersuchung noch
Auskünfte über bereits durchgeführte Untersuchungen
verlangen, und sie dürfen entsprechende Daten nicht
verwerten. Das Verbot, Auskünfte über genetische Erkenntnisse zu verlangen, gilt auch nach Abschluss eines
Versicherungsvertrags. Denn sonst könnte Versicherten
der Anreiz geboten werden, durch entsprechende Auskünfte zu einer Prämienreduktion zu kommen.
In allen drei Bereichen sind Verbote genetischer
Untersuchungen vorgesehen. Allerdings ist nach langen
Debatten, in denen klar war, dass Daten über Vorerkrankungen, die bei einem Versicherungsabschluss bereits
jetzt angegeben werden müssen, auch weiterhin anzugeben sind, ein weiterer Kompromiss gefunden worden:
Wenn jemand eine genetische Untersuchung durchgeführt hat und zum Beispiel Erkenntnisse über die Disposition vorliegen, an Chorea Huntington zu erkranken,
dann muss er, wenn er einen besonders hohen Versicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von über
300 000 Euro abschließt, diese Erkenntnisse angeben.
Aber er darf nicht, um einen Vertrag mit einer solchen
Versicherungssumme abzuschließen, zu einer genetischen Untersuchung herangezogen werden; das darf von
ihm nicht verlangt werden. Nach langen Diskussionen
ist es gelungen, Missbrauch in diesem Bereich auszuschließen.
Es handelt sich um ein schwieriges Gesetz. Aber ich
bin sehr froh, dass wir das Ganze, nachdem wir darüber
über drei Legislaturperioden diskutiert haben, heute zu
einem Abschluss bringen. Es geht hier nicht um Daten
und Informationen gewohnter Art. Es geht um sehr persönliche Daten. Es geht um Daten, die alles umfassen,
was uns als Menschen ausmacht. Es geht aber auch um
Daten, die nicht nur den Einzelnen, sondern auch seine
Familie betreffen. Hier bedürfen Eingriffe, Wissen und
Testergebnisse besonderer Legitimation. Ich bin davon
überzeugt: Das Gesetz trägt dem Rechnung. Deutschland ist damit in dieser Frage einen ganz entscheidenden
Schritt weitergekommen.
Danke schön.
({2})
Das Wort erhält der Kollege Heinz Lanfermann für
die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratungen über den Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes haben die große Spanne der Erwartungen
widergespiegelt, die das Wort „Gentechnik“ bei den
Menschen auslöst. Es gibt die Furcht vor dem gläsernen
Menschen ebenso wie die große Hoffnung, den Schlüssel zur Heilung vieler und schwerster Krankheiten entdeckt zu haben. In der Diskussion über Chancen und
Risiken des medizinischen Fortschritts sind Augenmaß und eine ruhige Betrachtung angesagt. Deswegen
möchte ich zunächst einige Grundsätze aufführen, die
für die FDP-Fraktion von großer Bedeutung sind.
Genetische Informationen sind in der Tat mit allergrößter Sorgfalt zu behandeln, schon deshalb, weil sie
dauerhaft Gültigkeit haben und sich daraus sogar Aussagen über andere Personen - wegen der Abstammung ableiten lassen. Sie haben oft auch gravierende Auswirkungen auf die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen.
Eine umfassende Aufklärung der Betroffenen ist sicherlich unerlässlich. Durch qualifizierte Beratung ist sicherzustellen, dass Menschen nicht unvorbereitet mit den
Ergebnissen gendiagnostischer Untersuchungen konfrontiert oder mit ihnen allein gelassen werden. Es gilt
zudem, effektiv zu vermeiden, dass sozialer oder anderweitiger Druck auf Personen ausgeübt wird, gendiagnostische Untersuchungen an sich selbst oder an ihren Kindern vornehmen zu lassen. Ebenso selbstverständlich ist
es, dass es keine Benachteiligung aufgrund genetischer
Eigenschaften geben darf und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt bleiben muss.
Weil es angesichts dieser Voraussetzungen grundsätzlich richtig ist, einen gesetzlichen Rahmen für genetische Untersuchungen zu schaffen - endlich! -, und der
Gesetzentwurf den genannten Anforderungen gerecht zu
werden versucht, tragen wir seine Ziele vom Grundsatz
her selbstverständlich mit.
Allerdings - auch das gehört zu dieser Debatte - hat
die Befassung mit diesem Thema gezeigt, dass sich die
Koalitionsfraktionen oder zumindest sehr viele ihrer Abgeordneten aus manchen grundsätzlichen Vorbehalten
und Ängsten nicht haben lösen können und deshalb der
Gefahr erlegen sind, auch dort Regelungen zu treffen,
wo dies nicht nur nicht nötig, sondern wohl auch nicht
sinnvoll ist.
Im Gesetzentwurf wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass allen genetischen Untersuchungen und deren Ergebnissen sozusagen eine Sonderstellung zugewiesen wird. Es ist aber zu beachten, dass diagnostische
Gentests genauso wie jedes andere diagnostische Verfahren zunächst einmal lediglich Auskunft über eine aktuelle
Diagnose oder/und Informationen über eine bessere Behandlung geben. Dagegen ermöglichen prädiktive Gentests, mit denen man sozusagen versucht, in die Zukunft
zu schauen, Aussagen darüber, ob ein Mensch ein - mathematisch oft schwierig zu bezifferndes - Risiko in sich
trägt, in Zukunft Symptome einer genetisch bedingten
Krankheit zu entwickeln. Deshalb ist es meines Erachtens nicht richtig, dass alle Gentests - unabhängig davon, ob diagnostisch oder präventiv - in fast allen Fällen
gleich behandelt werden.
({0})
Im Ergebnis führt dies nämlich zur Erschwerung zielgenauer medizinischer Behandlung, und es führt auch zu
Wertungswidersprüchen.
Sie müssen auch erkennen, dass es eine weitere Folge
dieses Grundfehlers ist, dass sinnvolle Untersuchungen
durch die getroffenen Regelungen so stark reglementiert
werden, dass sie am Ende weniger häufig durchgeführt
werden; jedenfalls besteht die große Gefahr. Bedenken
Sie das Neugeborenen-Screening, das von allen Beteiligten als äußerst wertvoll im Hinblick auf die Feststellung
bestimmter Stoffwechselerkrankungen angesehen wird.
Es wird routinemäßig eingesetzt, und zwar ohne Probleme. Es hat daher keinen Sinn, zu aufwendige Beratungsverfahren auch auf diesen Bereich zu übertragen.
Die Tandem-Massenspektrometrie sollte deshalb nicht in
das Gesetz einbezogen werden. Bei ihr werden nur phänotypische Stoffwechselprodukte gemessen, und es hat
in dieser Hinsicht bisher keinerlei Probleme gegeben.
Selbst in der Begründung des Gesetzentwurfs ist von
Missbrauchspotenzial keine Rede. Wir sind auch trotz
Ihrer Beteuerungen der Auffassung, dass durch das Gesetz die Arbeit der Hebammen eher erschwert wird.
Dass das vorliegende Gesetz auch neue Probleme
schafft, zeigt sich zum Beispiel an § 18. Frau Ministerin,
Sie haben im Prinzip richtig dargestellt, wie die Regelung jetzt aussieht. Sie haben am Ende auch aufgezeigt,
dass eine Regelungslücke bleibt. Sie selbst haben darauf
hingewiesen: Es ist - auch rechtlich - richtig, dass ein
Versicherungsnehmer, der zum Beispiel eine Lebensversicherung abschließt, die Pflicht hat, dass er das, was er
weiß, offenbart, und zwar völlig unabhängig von der
Methode, durch die dieses Wissen irgendwann einmal
erworben worden ist. Auch wir haben versucht, eine Lösung zu finden. Ihr Vorschlag, bei einer Versicherungssumme von 300 000 Euro eine Grenze zu ziehen, löst jedenfalls den Wertungswiderspruch nicht auf. Man muss
sehen, wohin dies in der Praxis führt.
In Wirklichkeit steckt dahinter das Problem, dass Sie
das Recht auf Wissen einerseits und das Recht auf Nichtwissen andererseits natürlich nicht in allen Fällen so zusammenführen können, dass es befriedigende Lösungen
gibt. „Befriedigend“ heißt nicht etwa befriedigend im
Sinne der Versicherungswirtschaft. Ihr macht das am
Ende wohl nichts aus. Die von Ihnen geplante Regelung
geht auf Kosten der anderen Versicherten, die beim Abschluss wahrheitsgemäß angeben, was sie wissen, und
dadurch benachteiligt werden; denn diejenigen, die mit
einer geringeren Versicherungssumme als 300 000 Euro
abschließen und ihre entsprechenden Daten kennen,
diese aber nicht angeben, haben tendenziell einen Vorteil. Diejenigen, die ihr Wissen treu und brav mitteilen,
zahlen also im Prinzip für diejenigen mit, die keine Angaben machen. Sie erlauben ihnen das bis zu einer gewissen Grenze. Das wird sich in der Praxis noch als Problem erweisen.
({1})
Sie haben es im Übrigen auch nicht geschafft, zu klären, ob man durch Stückelung im Endergebnis über die
Gesamtsumme hinauskommen kann oder nicht. Das geht
aus dem Gesetz nicht eindeutig hervor, obwohl eine solche Klärung sinnvoll gewesen wäre.
Ich weise auch auf das Problem hin, das sich aus
§ 17 Abs. 8 dieses Gesetzes ergibt. Diese Vorschrift
regelt in Verfahren der Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden zum Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz die Klärung der Abstammung durch genetische Untersuchungen. Das ist durch die Problematik
hervorgerufen, dass man manchen Urkunden offensichtlich nicht traut. Tatsächlich haben Sie in dem Bereich
des Familiennachzugs das Recht, das Sie sonst jedem
Einzelnen selbstverständlich zugestehen - nämlich dass
man sein Einverständnis braucht -, ganz locker außer
Kraft gesetzt. Das ist auf großen Widerstand im Hause
gestoßen. Aber die Koalition will das mit ihrer Mehrheit
durchsetzen. Wir sind der Sache schon früher im Rahmen einer Kleinen Anfrage nachgegangen. Die Bundesregierung hält sich da sehr zurück, offensichtlich um
sich das Leben leicht zu machen. Die Bundesregierung
selber geht mit den gewonnenen Daten hingegen sehr
großzügig um und verwendet die gesamten Ergebnisse
und Proben, was auf anderen Gebieten, die dieses Gesetz
umfasst, völlig undenkbar wäre.
({2})
Ich will zum Schluss ein Wort zu der großen Problematik des § 15 Abs. 2 dieses Gesetzes sagen. Sie sagen,
das Recht auf Nichtwissen des Kindes habe Vorrang und
deswegen sei das ansonsten bestehende Recht der Eltern
auf Wissen auszuschließen. Sie kommen um die Auflösung des Wertungswiderspruchs nicht herum; denn Sie
wissen genau: Bei den Tests, bei denen es zum Beispiel
darum geht, zu klären, welche Behinderung vorliegt,
existiert das Recht der Eltern auf Wissen. Sie können
nicht ausschließen, dass Eltern daraus Konsequenzen
ziehen, die einem nicht immer lieb sein können.
Ich weiß um die gute Absicht. Ich weiß natürlich
auch, warum die Unionsfraktion dieses Thema so behandelt hat, und ich habe dafür volles Verständnis. Sie nehmen hier eine künstliche Unterscheidung vor, indem Sie
sagen: Bei ganz wenigen Krankheiten, die, wenn überhaupt, dann sehr spät auftreten, verhindern wir das; wir
nehmen den Eltern an dieser Stelle ihr Recht. Die normale Bestimmung nach § 15 Abs. 1 dieses Gesetzes
- dass solche Tests nach entsprechender Aufklärung,
dann natürlich mit Einwilligung der Mutter, gemacht
werden können - schließen Sie hier in einem ganz speziellen Falle aus. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen:
Ich weiß nicht, ob das nicht ein bisschen Symbolpolitik
ist.
Herr Kollege, eine ganz unsymbolische Aufforderung
von mir.
Ich komme sofort zum Schluss. Ich möchte nur noch
den Gedanken zu Ende bringen.
Wenn Sie wirklich glauben, mit dieser Formulierung
im Gesetzestext sicherstellen zu können, dass solche
Tests nur zu diesem Zweck angefertigt werden, dann
könnten Sie recht behalten. Ich bin aber nicht sicher, ob
diese Unterscheidung in der Praxis Bestand haben wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Annette Widmann-Mauz ist die nächste Rednerin für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
vorliegende Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes ist geprägt von einem Grundwert der Union, nämlich von
Freiheit. Sie findet ihren Ausdruck in der Verantwortung
vor dem Leben und für das Leben.
Mit diesem Gesetz sorgen wir für eine hohe Qualität
und Sicherheit bei der Durchführung von genetischen
Tests. Dieses Gesetz schützt vor Diskriminierung aufgrund von genetischen Dispositionen. Genetische Tests
sollen und dürfen nur vom Arzt und nur nach vorheriger
Einwilligung durchgeführt werden.
Heute bringt die Politik endlich Regelungen für genetische Untersuchungen von Menschen auf den Weg.
Wir haben lange und auch konstruktive Beratungen in
der Koalition, im Ausschuss mit vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Experten geführt, und
wir haben ein in der Breite akzeptiertes Gesetz erarbeitet. Das hat die Vorgängerregierung in sieben Jahren
nicht geschafft.
({0})
Dieses Gesetz umfasst eine sehr große Bandbreite an
Untersuchungen. Sie reicht von Vaterschaftstests über
Tests in der Arbeitswelt, die dort etablierte Diagnoseverfahren betreffen, über Ultraschalluntersuchungen bei
Schwangeren auf mögliche Fehlbildungen beim ungeborenen Kind bis hin zu Gentests, die Wahrscheinlichkeitsaussagen zu einer vielleicht später einmal auftretenden
bestimmten Erkrankung zulassen. Diese neuen und immer vielfältigeren Erkenntnisse, die durch die Gendiagnostik gewonnen werden können, bedeuten für uns
eine große medizinische und ethische Verantwortung.
Dieser Verantwortung müssen wir mit diesem Gesetz gerecht werden.
Das Neue an der Gendiagnostik ist, dass nicht nur
vorhandene Erkrankungen, sondern auch Veranlagungen
und Wahrscheinlichkeiten, bestimmte Erkrankungen zu
bekommen, untersucht und festgestellt werden können.
Es geht hier nicht immer nur um Tatsachen, sondern
auch um Wahrscheinlichkeiten. Deshalb müssen wir hier
mit besonderem Bedacht vorgehen. Wenn wir es mit der
Unantastbarkeit der Würde des Menschen ernst meinen,
müssen wir den Menschen für den Bereich der Gendiagnostik ein besonders hohes Schutzniveau zukommen
lassen.
Die Grundlage unseres Handelns war und ist das
christliche Menschenbild; denn wir tragen Verantwortung dafür, ob der Mensch auch künftig in seiner Einzigartigkeit wahrgenommen und gesellschaftlich akzeptiert
wird. Die Gendiagnostik konfrontiert uns in ganz besonderem Maße mit der Frage: Was ist normal? Unser Verständnis vom Menschen ist, dass als normal die ganze
Vielfalt und auch die Unzulänglichkeit angesehen werden, die das Menschsein nun einmal ausmachen. Wir
wollen nicht, dass immer mehr nur noch als Abweichung
von der Norm angesehen wird; denn den perfekten, den
normierten Menschen aus dem Genkatalog gibt es nicht
und den darf es auch in Zukunft nicht geben. Wir wollen
Menschen nicht zu bloßen Risikofaktoren degradieren.
({1})
Die Gendiagnostik bietet aber auch große Chancen,
aus den Erkenntnissen Therapien und Behandlungsansätze zu entwickeln und damit dazu beizutragen, zu helfen und Leid zu mindern. Die Kernfrage ist, wie wir mit
dem Wissen um Diagnosen von Krankheiten, für die
noch nicht einmal Therapien zur Verfügung stehen, umgehen. Wir müssen diejenigen, die vor der Frage stehen,
ob ihnen eine solche Untersuchung nützt oder nicht, unterstützen, nämlich durch qualifizierte Information, Aufklärung und Beratung.
Wir wollen, dass die Menschen in die Lage versetzt
werden, sich für andere und für sich selbst ganz bewusst
in diesen Entscheidungsprozess zu begeben und die
Konsequenzen der Entscheidung abzuschätzen. Auch
dies gehört zu unserem Menschenbild. Es geht um die
Freiheit zum Handeln, aber eben auch um die Verantwortung im Handeln, also darum, mit dieser Freiheit verantwortungsbewusst umzugehen.
Deshalb setzt das Gesetz den Rahmen, in dem ein solches verantwortungsbewusstes Handeln von allen Beteiligten möglich ist. Deshalb steht für die Durchführung
von Tests ein Arztvorbehalt in diesem Gesetz. Das ist
ein Kernelement.
Wir wollen mit dem Gesetz den Betroffenen einen hohen Schutz bei der zu treffenden Entscheidung bieten.
Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir in diesem Gesetz
auf der einen Seite das Recht auf Wissen, aber auf der
anderen Seite auch das Recht auf Nichtwissen etablieren.
({2})
Neben der Information und der Aufklärung halten wir
für diesen Schutz ein umfassendes Beratungskonzept
für erforderlich. Wir etablieren als wesentlichen Kern
ein abgestuftes Konzept mit verpflichtenden Angeboten.
Die Beratung ist deshalb so wichtig, weil sie den Einzelnen unterstützt. Was kann er durch solche Tests erfahren? Er kann erfahren, dass er eine schwere Erkrankung
hat oder später an dieser Erkrankung leiden kann. Für
den Bereich der vorgeburtlichen Untersuchung bedeutet
das, dass die Eltern erfahren, ob ihr Kind behindert sein
wird oder nur behindert sein kann. Mit solchen Erkenntnissen müssen Menschen erst umgehen können; denn sie
können ihr gesamtes Leben und das der Familie beeinflussen. Es geht um die familiäre Anlage zu Brustkrebs,
Trisomie 21, Chorea Huntington, was vielen als Veitstanz bekannt ist.
Wir brauchen eine umfassende Beratung; denn die
wenigsten dieser Erkrankungen sind heilbar, und die
Menschen gehen mit den Ergebnissen sehr unterschiedlich um. Für die einen ist diese Erkenntnis, also das Wissen, die Möglichkeit, ihr Leben daraufhin anders zu gestalten. Für die anderen ist das Wissen eine unerträgliche
Last - eine Last, mit der sie nicht zurechtkommen. Sie
können das Wissen nicht verkraften und mit den Folgen
nicht umgehen. Deshalb enthält unser Beratungskonzept
auch konkrete Hinweise auf Hilfen und Unterstützung.
Das ist wichtig für die Menschen, die sich in diesen
schwierigen Situationen befinden.
Das Recht auf Wissen und auf Nichtwissen ist eines
der zentralen Elemente dieses Gesetzes und für den Bereich der vorgeburtlichen Tests nochmals differenziert zu
betrachten; denn hier geht es um das Leben von mindestens zwei Menschen: das Leben des ungeborenen Kindes
und das Leben der Eltern. Wir wollen den umfassenden
Schutz des ungeborenen Lebens. Gott sei Dank empfinden die meisten Paare die Schwangerschaft und die Geburt als ein positives, glückliches Ereignis. Deshalb darf
nicht jede Schwangerschaft zu einer Risikoschwangerschaft und nicht jede Risikoschwangerschaft gleich zu
einer Konfliktschwangerschaft erklärt werden.
Die Entwicklung der vorgeburtlichen Diagnostik
hat allerdings nicht immer zu einem positiven Erlebnis
für die Paare beigetragen. Es macht schon betroffen,
wenn solche weitreichenden Untersuchungen nur aus
haftungsrechtlichen Gründen oder deshalb, weil sie besonders gut vergütet werden, routinemäßig fast jeder
Schwangeren angeboten und häufig auch ohne vorherige
Beratung durchgeführt werden. Dazu sind die Konsequenzen in diesem Bereich doch viel zu weitreichend.
Deshalb sind für den Bereich der vorgeburtlichen
Diagnostik die medizinische und die ethische Verantwortung so besonders groß. Schwangere haben einen
Anspruch auf Beratung. Es gibt jetzt die besondere Verpflichtung des Untersuchers zu dieser Beratung. Im Rahmen des anerkannten Rechts auf Wissen und auf Nichtwissen ermöglichen wir nur auf ausdrücklichen Wunsch
hin einen Beratungsverzicht.
Der Umgang mit vorgeburtlicher Diagnostik bei Tests
auf sich spät manifestierende Erkrankungen ist besonders schwierig; wir haben darüber heute Vormittag schon
einiges gehört. Es handelt sich dabei um Erkrankungen,
die nach dem Erkenntnisstand der Wissenschaft erst im
Erwachsenenalter auftreten werden. Hier kollidiert das
Recht auf Wissen der Eltern mit dem Recht des ungeborenen Menschen auf Nichtwissen. Dort haben wir eine
ganz besondere Verantwortung.
Wenn wir wollen, dass Tests zum Beispiel bei nicht
einwilligungsfähigen Minderjährigen, also bei behinderten Menschen, nur mit eindeutigem medizinischen Nutzen für das Kind oder die Familie durchgeführt werden
dürfen, muss das Kind im Mutterleib doch das gleiche
Schutzniveau haben.
({3})
Es ist nämlich auch nicht einwilligungsfähig, und ein
medizinischer Nutzen ist zu diesem Zeitpunkt ebenfalls
nicht gegeben. In erster Linie geht es doch um sein Leben. Dieser Mensch muss erst einmal die Chance erhalten, selbst darüber zu entscheiden, ob er dieses Wissen
haben will oder nicht.
Deshalb handelt es sich beim Verbot dieser vorgeburtlichen Tests nicht um eine Pflicht zum Nichtwissen der
Eltern. Vielmehr legen wir die Entscheidung über Wissen oder Nichtwissen in die Hände der Person, die in erster Linie davon betroffen sein wird.
({4})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, im Laufe
der Beratungen haben wir auch festgestellt, dass es bei
der Anwendung genetischer Diagnostik in der Forschung weitergehenden Diskussionsbedarf gibt. Auch
die rasante Entwicklung bei den Biobanken zeigt, dass
wir uns mit den Fragen des Datenschutzes und des Umgangs mit entsprechendem Biomaterial eingehender beschäftigen müssen.
Die Frage nach der Aufnahme eines eigenen Forschungsteils in das Gendiagnostikgesetz ist lange diskutiert worden. Sie ist aber auch klar zu beantworten. Hier
handelt es sich um einen äußerst komplexen separaten
Bereich. Das Ganze ist ein weitaus größeres Feld. Deshalb muss sorgfältig geprüft werden, an welchen Stellen
wir erlauben, dass in der Forschung Privilegien in Anspruch genommen werden, die nun einmal in Relation zu
Rechten der Probanden und der Patienten stehen.
Auch wir sehen Handlungsbedarf für die nächste Legislaturperiode. Wir wollen aber kein Hauruckverfahren
für diesen hochsensiblen Bereich. Auch hier gilt Sorgfalt
vor Schnelligkeit.
Lassen Sie mich zum Ende allen Beteiligten - den
Kolleginnen und Kollegen sowie den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern in der Fraktion, in der Koalition, im
Bundesgesundheitsministerium und hier im Parlament sehr herzlich für die schwierigen, aber konstruktiven und
am Ende erfolgreichen Gespräche und Beratungen danken.
Wir haben heute einen wichtigen Schritt für die Menschen in unserem Land beim Umgang mit gendiagnostischen Verfahren zu beschließen. Ich würde mich freuen,
wenn Sie diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung geben
könnten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Frank Spieth für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat gut, dass dieses Gesetz jetzt nach langen, schweren Wehen endlich
kommt und der Umgang mit genetischen Untersuchungen geregelt wird. Gegenwärtig kann man zwar noch relativ wenige Krankheiten und Veranlagungen zu Krankheiten mit einem Gentest feststellen. In Zukunft wird es
aber mit Sicherheit Tausende von Testmöglichkeiten geben, die dann auch immer häufiger angewandt werden.
Als langjähriger Gewerkschaftssekretär, der mit
Krankheitsfällen in Betrieben Erfahrungen gesammelt
hat, weise ich darauf hin, dass diese Informationen für
Versicherungen, Arbeitgeber und andere von hohem Interesse sind.
({0})
Sie können nämlich Auskunft über Lebenserwartung
und Gesundheit der Versicherten und Arbeitnehmer geben. Genau darin liegt aber auch die Missbrauchsgefahr. Menschen mit den „falschen“ genetischen Veranlagungen würden dann keine Versicherung und keinen
Arbeitsplatz mehr bekommen.
Eigentlich - das haben wir schon gehört - soll mit
diesem Gesetz der Missbrauch von Daten unterbunden
werden. Diese Intention ist auch allen Beteiligten abzunehmen. Ich finde es schade - darauf wurde hingewiesen -, dass dieses Gesetz dennoch wieder Ausnahmeregelungen enthält.
Stellen Sie sich zum Beispiel folgende Situation vor:
Sie wollen eine private Krankenversicherung abschließen und gehen zu einem Versicherungsvertreter, bei dem
Sie schon eine Lebensversicherung abgeschlossen haben. Plötzlich stellen Sie fest, dass Sie horrende Beiträge
zahlen sollen. Wie kommt es dazu? Die Versicherung
kannte selbstverständlich das Ergebnis eines Gentests
von Ihnen. Eigentlich soll genau das durch das Gesetz
verhindert werden. Aber es gibt die Ausnahmeregelung:
Sobald in einem Vertrag über eine Lebensversicherung
eine Versicherungssumme von 300 000 Euro oder
30 000 Euro Jahresrente überschritten wird, darf die Versicherung Ergebnisse von Gentests erfahren. Die Linke
sagt Nein zu diesen Ausnahmen.
({1})
Gentests können zwar nur beim Abschluss von Lebensversicherungen und nicht beim Abschluss von privaten Krankenversicherungen verlangt werden. Wer aber
glaubt, dass zwischen der Abteilung Lebensversicherung
und der Abteilung Krankenversicherung desselben Unternehmens kein Informationsaustausch stattfindet, der
ist mit dem Klammerbeutel gepudert.
({2})
Fest steht: Wenn eine Krankheit einmal bekannt ist, wird
man Schwierigkeiten haben, eine adäquate Versicherung
oder einen Arbeitsplatz zu bekommen.
Der Missbrauch erreicht selbstverständlich auch die
Verwandten. Wenn bei einer Untersuchung von Herrn
Meier eine Krankheit festgestellt wird, weiß die Versicherung sofort, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit auch
Herrn Meiers Schwester, sein Sohn und seine Mutter betroffen sind. Das schlägt sich bei diesen dann in Form
von Schwierigkeiten bei Vertragsabschlüssen nieder,
oder die Versicherung lehnt die Verträge gleich ganz ab.
Ein weiteres Schlupfloch ist für Arbeitgeber vorgesehen - die Bundesregierung hat dieses Schlupfloch im
Gesetz mit dem Arbeitsschutz begründet -: Bevor jemand in einem bestimmten Bereich eingestellt wird, in
dem er mit problematischen chemischen Stoffen zu tun
hat, kann der Arbeitgeber eine Genanalyse als Arbeitsschutzmaßnahme verlangen. Per Rechtsverordnung kann
diese Möglichkeit sogar auf viele Berufsfelder ausgeweitet werden, sodass auch in diesen Bereichen Gentests
bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemacht
werden dürfen.
Das finde ich absurd. Hier wird der Arbeitsschutzgedanke geradezu auf den Kopf gestellt. Der Arbeitsschutz
ist doch nicht dafür da, zu untersuchen, welcher Arbeitnehmer welche Giftstoffe am besten verträgt, damit er
entsprechend eingestellt werden kann.
({3})
Der Arbeitsschutz soll eigentlich sicherstellen, dass Arbeitnehmer erst gar nicht mit solchen Stoffen in Berührung kommen.
({4})
- Ich kann Ihnen eine Menge Beispiele nennen. Ich weiß
nicht, in Bezug auf welche Betriebe Sie sich mit diesen
Fragen auseinandergesetzt haben. Ich sage Ihnen: Solche
Probleme werden in der Zukunft massenhaft entstehen.
Ich meine, der Arbeitsschutz hat vorrangig die Aufgabe,
alles zu tun, um zu gewährleisten, dass die Produktion
von Giftstoffen befreit wird, bzw. technische Maßnahmen einzuführen, um die betroffenen Arbeitnehmer zu
schützen.
({5})
Aber genau das wird durch die vorgesehenen Maßnahmen nicht erreicht.
({6})
Der technische Fortschritt wird dazu führen, dass immer mehr genetische Veranlagungen untersucht werden
können. Deshalb ist es wichtig, keine Schlupflöcher zuzulassen. So klein sie zunächst erscheinen mögen, innerhalb weniger Jahre werden sämtliche genetischen Veranlagungen nahezu aller Menschen bekannt sein.
({7})
Die Versicherungen und die Arbeitgeber müssen dazu
nur die jeweils bekannten Krankheiten und genetischen
Besonderheiten sowie die Verwandtschaftsverhältnisse
kombinieren. Dann haben wir endgültig den gläsernen
Menschen. Das mag zwar lang dauern, aber am Ende
wird dies genau diesen Effekt haben. Das ist das Problem.
({8})
Das wird auch von vielen Sozialdemokraten so gesehen.
Insbesondere eine Regelung in Ihrem Gesetzentwurf
wird von der Linken kategorisch abgelehnt, und zwar die
diskriminierende Regelung bezüglich der in Deutschland
lebenden Ausländer, die ihre Familie nach Deutschland
holen wollen. Diese sollen zukünftig, wenn sie ihr Recht
auf Familiennachzug geltend machen wollen, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht mit einem Gentest die
Verwandtschaft zu ihren Angehörigen beweisen. Im
Ausschuss hat die Koalition diese Regelung damit gerechtfertigt, dass diese Verfahren nur angewandt werden,
wenn keine oder unzuverlässige Papiere vorliegen. Ich
frage: Wer entscheidet darüber, ob die Papiere in Ordnung sind? Wer entscheidet, ob ein Gentest gefordert
wird? Die Ausländerbehörde. Man muss kein Prophet
sein, um voraussagen zu können, dass dieser angeblich
freiwillige Test dann sehr schnell zum Regelfall wird.
Der Behördenwillkür ist damit Tür und Tor geöffnet.
Das ist ein starkes Stück.
({9})
Heimliche Vaterschaftstests werden, was zu begrüßen
ist, per Gesetz verboten, aber staatlich erzwungene Vaterschaftstests bei Migranten werden quasi regelrecht gefordert. Das ist aus meiner Sicht eine doppelte Moral
und nach unserer Auffassung sogar verfassungswidrig.
({10})
In diesem Gesetzentwurf wird der Bereich der medizinischen Forschung überhaupt nicht geregelt. Dies ist ein
riesiges Einfallstor für Missbrauch. Das wird nicht nur
von uns kritisiert, das sagen auch der Bundesrat und zahlreiche Koalitionsabgeordnete. Es gibt von immer mehr
Menschen genetische Proben in immer mehr Labors.
Diese Daten werden zunehmend elektronisch vernetzt.
Deshalb wäre in diesem Gesetzentwurf eine eindeutige
Regelung zu diesem Forschungsbereich erforderlich gewesen. Darauf konnten Sie sich leider nicht verständigen.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir begrüßen
diesen Gesetzentwurf im Grundsatz.
({11})
Aber die Ausnahmeregelungen gehen uns eindeutig zu
weit.
({12})
Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, sondern uns enthalten.
({13})
Das Wort erhält nun die Kollegin Priska Hinz für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf ist schon vor zweieinhalb Jahren in den
Bundestag eingebracht worden. Nur deshalb hat sich die
Koalition in dieser Wahlperiode bei diesem Thema auf
den Weg gemacht. Unser Gesetzentwurf ist trotz aller
Beratungen, die Sie getätigt haben, immer noch der bessere. Ich will Ihnen das an einzelnen Kritikpunkten und
Unterscheidungen deutlich machen.
Zum Ersten ist Ihr Vorschlag Stückwerk, da die Forschung völlig außen vor bleibt.
({0})
Frau Widmann-Mauz, wir brauchen keine langen und
schwierigen Beratungen. Vielmehr brauchen wir Entscheidungen.
({1})
Zum Zweiten. Die Bundesregierung und mit ihr die
Koalition sind vor der Versicherungswirtschaft eingeknickt. Die Regelungen bieten nur eine scheinbare Sicherheit für die Versicherten; denn die Versicherungssummen, ab denen der Schutz nicht mehr greift, sind ein
Einfallstor für Forderungen nach einem weiteren Abbau
dieser Schutzrechte.
({2})
Ich war erstaunt, als ich eben gehört habe, dass die Vielfalt und Freiheit des Einzelnen bei der CDU/CSU viel
gilt, das christliche Menschenbild aber anscheinend bei
300 000 Euro aufhört. Dies ist mir nicht ganz klar.
({3})
Zum Dritten. Auch die Regelungen für die Arbeitswelt sind lückenhaft. Die größte Lücke klafft bei den
Landesbeamtinnen und Landesbeamten. Diese werden
nämlich von dem im Gendiagnostikgesetz vorgesehenen
Schutz völlig ausgeschlossen. Das ist insofern besonders
pikant, als der Fall der hessischen Lehrerin, die sich geweigert hat, einen Gentest bezüglich Chorea Huntington
durchführen zu lassen, der Auslöser für die öffentliche
Debatte darüber war, dass wir ein solches Gesetz brauchen.
({4})
Zum Vierten. Bei den Regelungen im medizinischen
Bereich - hier gibt es viele Übereinstimmungen in unseren Gesetzentwürfen- wird es zumindest eine deutliche
Verschlechterung geben. Die Forderung, die auch der
Bundesrat erhoben hat, Hebammen weiterhin die Durchführung des seit Jahren selbstverständlich durch sie vorgenommenen Neugeborenen-Screenings zu ermögliPriska Hinz ({5})
chen, wurde abgelehnt. Wir befürchten, dass hier das
ausnahmslose Hochhalten des Arztvorbehalts auf dem
Rücken von Neugeborenen und deren Müttern ausgetragen und das Berufsbild der Hebammen beschädigt wird.
({6})
Interessant ist, dass unsere Kritik vom Bundesrat getragen wird. Es ist ja nicht immer so, dass wir Grünen
und der Bundesrat übereinstimmen. Leider hat die Koalition keine wesentlichen Kritikpunkte berücksichtigt.
Das Einzige, das jetzt noch in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen wurde - das ist positiv -, ist das Verbot von
vorgeburtlichen Untersuchungen auf sich spät manifestierende Erkrankungen. Das halten wir ausdrücklich für
sinnvoll.
({7})
Da wir davon ausgehen müssen, dass die Koalition
heute den Gesetzentwurf der Bundesregierung verabschiedet und unserer leider nicht zum Tragen kommt, haben wir zwei Entschließungsanträge formuliert, um exemplarisch deutlich zu machen, wo wir besonders
notwendigen Regelungsbedarf sehen. Das ist einmal der
Bereich der Abstammungsuntersuchung; das wurde
eben schon angeführt. Es ist richtig, dass im Gendiagnostikgesetz auch im Bereich der Abstammungsuntersuchungen das Prinzip der Freiwilligkeit gewährleistet wird. Dieses Prinzip muss aber strikte Beachtung
finden.
Derzeit besteht das Problem, dass zumindest im Ausland genetische Untersuchungen verlangt werden, weil
die Behörden sagen: „Der Papiernachweis reicht uns
nicht aus“ oder „Die Papiere sind unvollständig.“ Deswegen muss zwar im Gesetz nichts neu geregelt werden.
Aber es muss durch Veränderung der Verwaltungsvorschriften klargestellt werden, dass die Maßgabe gilt: Das
Gendiagnostikgesetz ist auch im Ausland so anzuwenden, dass jede genetische Untersuchung zur Familienzusammenführung auf Freiwilligkeit beruht. Hier darf kein
Zwang von solchen Personen ausgeübt werden, die auf
diese Weise ihre Vorliebe für Bürokratie ausleben wollen.
({8})
Der Entschließungsantrag zum Bereich Forschung
ist sehr viel umfassender. Er zeigt auf, warum der Gesetzentwurf der Koalition im Gegensatz zu unserem Vorschlag ein Torso ohne Arme und Beine bleibt. Einzig
und allein in der Regierung und der Koalition scheint das
Problembewusstsein für die Notwendigkeit gesetzlicher
Regelungen für diesen Bereich zu fehlen. Dabei stellen
die Forschung an menschlichen Körpermaterialien, der
Umgang mit Proben und Daten sowie der zunehmende
Aufbau von Biobanken und deren Vernetzung erhebliche
Herausforderungen für den Datenschutz und den Schutz
von Persönlichkeitsrechten dar.
Insbesondere die Union tut sich in diesem Punkt besonders schwer.
({9})
- Ich weiß das, weil ich Gespräche geführt habe und bei
Beratungen dabei war. - Bei der SPD gab es in Sachen
Forschung Bewegung. Gerade die Forschungspolitikerinnen und Forschungspolitiker müssten ein Interesse
daran haben, dass dieser Bereich geregelt wird.
({10})
Nur bei eindeutigen Regelungen werden die Patienten
oder Probanden ihre Daten gerne und beruhigt an die
Forschung weitergeben; denn dann wissen sie, was mit
ihren Daten gemacht wird und dass diese geschützt sind.
Ansonsten haben alle Menschen eher Bedenken, der
Forschung ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Das
schadet der Forschung insgesamt. Von daher ist es bedenklich, dass Sie diesen Bereich völlig außen vor lassen.
({11})
Wir haben in unserem Antrag einige Forderungen
aufgenommen, die ich hier nennen will. Wir wollen eine
umfassende Aufklärung, eine informierte Einwilligung,
eine Anonymisierung der Proben und Daten, Schutzregelungen für Nichteinwilligungsfähige; das sind nur einige Beispiele. Erstaunlicherweise haben bei der Anhörung alle Sachverständigen - das gilt auch für die
Vertreter des Bundesrates - mitgeteilt, dass sie diese Regelungen für notwendig erachten. In Schweden werden
Biobanken bereits für Zwecke der Strafverfolgung offensiv genutzt. Das zeigt deutlich, wo hier die Missbrauchsmöglichkeiten liegen.
Für die Wissenschaft kann sich dies als äußerst problematisch erweisen. Deswegen bitte ich Sie eindringlich und innig darum, unserem Gesetzentwurf und nicht
dem der Koalition zuzustimmen.
Herzlichen Dank.
({12})
Die Kollegin Carola Reimann ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Lesung des Entwurfes eines Gendiagnostikgesetzes ist der Schlusspunkt langjähriger intensiver Beratungen und Diskussionen.
Bereits 2002 hat die Enquete-Kommission „Recht
und Ethik der modernen Medizin“ eine gesetzliche Regelung für Gentests gefordert. Seit der Entschlüsselung
des menschlichen Genoms erwarten wir auf dieser Basis
eine dynamische Entwicklung genetischer Tests auch zur
Vorhersage von Erkrankungen. Auch wenn bislang nur
einzelne Tests zur Verfügung stehen, muss man doch davon ausgehen, dass mit den Bestrebungen, die Sequenzierung des Genoms einzelner Patienten preiswerter und
damit massentauglich zu machen, zusätzliche Impulse
für eine Weiterentwicklung in diesem Bereich bestehen.
Darin liegen Chancen, aber auch Risiken.
Deshalb bin ich froh, dass wir nun - zugegeben, nach
langem Ringen - bei der Gendiagnostik zu einem guten
Ergebnis gekommen sind, das für den Schutz von hochsensiblen Patientendaten einen Riesenschritt nach vorn
bedeutet. Ich denke, mit diesem Gesetz stellen wir eine
Balance her: Es verhindert mögliche Gefahren einer Diskriminierung durch die Untersuchung genetischer Daten,
aber es wahrt auch die Chancen genetischer Untersuchungen für den Einzelnen.
Welch große Brisanz der Schutz sensibler Gesundheitsdaten künftig haben wird, war damals, im
Jahre 2002, in diesem Ausmaß noch nicht absehbar.
Auch ich hätte mir vor einigen Jahren nicht vorstellen
können, dass wir uns heute mit einem derart skandalösen
Gesundheitsdatenmissbrauch in großen deutschen Unternehmen auseinandersetzen müssen.
({0})
Erst kürzlich war sogar von der Androhung von Gentests
zur Überführung von Mitarbeitern zu lesen.
Die jüngsten Missbrauchsskandale zeigen, wie wichtig das jetzt vorliegende Gendiagnostikgesetz ist. Das
gilt insbesondere für die Regelungen zu genetischen Untersuchungen im Arbeitsrecht. Ausgenommen sind lediglich notwendige medizinische Standarduntersuchungen, zum Beispiel zur Rot-Grün-Blindheit bei Piloten;
ich denke, wir alle sind dafür, dass das so bleibt. Damit
setzen wir zur rechten Zeit ein wichtiges Signal und
schieben dem Missbrauch genetischer Daten im Arbeitsbereich einen Riegel vor.
Gentests sind natürlich nicht nur mit Risiken verbunden, sondern sie eröffnen auch Chancen bei der Früherkennung und bei der Bekämpfung von Erkrankungen. In
Zukunft wird solchen Tests größere Bedeutung zukommen, zum Beispiel bei der Entwicklung individueller
Arzneimittel. Mithilfe einer Erbgutuntersuchung kann
herausgefunden werden, ob Arzneien bei bestimmten
Personen überhaupt wirken oder ob es zu unerwünschten
Nebenwirkungen kommen wird. Hier stehen wir noch
am Anfang der Entwicklung. Aber schon heute zeigt
sich, dass diese Methode bei der Behandlung von Krankheiten große Chancen eröffnet. Mir ist wichtig, an dieser
Stelle darauf hinzuweisen, dass es Beispiele gibt, die belegen, dass bestimmte Krankheiten mit diesen Methoden
besser zu behandeln sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, entscheidend bei jeder genetischen Untersuchung ist das Recht
des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung.
Deshalb steht es im Zentrum des nun vorliegenden Gesetzentwurfes.
({1})
Hierzu gehören das Recht auf Wissen, also das Recht,
die eigenen genetischen Befunde zu kennen, aber auch
das Recht, diese nicht zu kennen. Jeder und jede soll
selbst entscheiden, ob er oder sie sich auf bestimmte Erkrankungen genetisch untersuchen lässt oder nicht. Das
sind zum Teil schwerwiegende Entscheidungen, die eine
große psychische Belastung darstellen können.
Das gilt in erster Linie für prädiktive Tests, also für
Tests, die Vorhersagen von Erkrankungen ermöglichen.
Sie zielen darauf ab, genetische Veränderungen, die später mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu einer Erkrankung
führen werden, zu entdecken. Meist handelt es sich dabei
um Tests auf schwerwiegende Erkrankungen. Deshalb
ist uns wichtig, dass gerade in diesem Fall eine informierte Entscheidung getroffen werden kann.
In unserem Gesetzentwurf setzen wir auf die Trias
von Aufklärung vor der genetischen Untersuchung,
wirksamer Einwilligung in die genetische Untersuchung
und zusätzlich auf genetische Beratung. Darüber hinaus
dürfen prädiktive Tests nur von Fachärztinnen und Fachärzten durchgeführt werden, die eine besondere fachliche Qualifikation auf dem Gebiet der genetischen Untersuchungen vorweisen können. Mit diesem Konzept von
Aufklärung und Beratung auf hohem fachlichem Niveau
versetzen wir die Patientinnen und Patienten in die Lage,
eine souveräne Entscheidung für oder gegen eine genetische Untersuchung zu treffen.
Kolleginnen und Kollegen, bislang gab es im Hinblick auf genetische Untersuchungen keine spezialgesetzliche Regelung. Diese Lücke wird nun mit dem Gendiagnostikgesetz geschlossen. Seine Regelungen reichen
von der medizinischen Versorgung über Abstammungsfragen bis hin zum versicherungs- und arbeitsrechtlichen
Bereich.
Um die Frage der vorgeburtlichen Untersuchungen
haben wir bis zuletzt gerungen. Ich mache keinen Hehl
daraus, dass ich persönlich ein Verbot vorgeburtlicher
Untersuchungen auf mögliche Erkrankungen im Erwachsenenalter für nicht zwingend notwendig erachte.
Fachleute und Praktiker sagen uns, dass derartige Untersuchungen in der Praxis ganz selten nachgefragt und
noch seltener durchgeführt werden.
Darüber hinaus - das habe ich bereits erwähnt - gibt
es neben dem Recht auf Nichtwissen auch ein Recht auf
Wissen, in diesem Fall das Recht der Schwangeren, das
wir durch das Verbot einschränken. Aber an dieser Detailfrage, die sehr seltene Einzelfälle betrifft, wollten wir
dieses gute Gesamtgesetz nicht scheitern lassen. Wir
wollen endlich Rechtssicherheit schaffen. Wir wollen
die informationelle Selbstbestimmung stärken und eine
gute und ausführliche Beratung sicherstellen, und wir
wollen einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung
gewährleisten. Das alles haben wir mit diesem Gesetz
erreicht.
({2})
Frau Kollegin Hinz, dieser Tage wird immer wieder
ins Feld geführt, dass der Bereich der Biobanken nicht
geregelt wird. Dieses Gesetz regelt ganz speziell den
Umgang mit genetischen Daten. In der Forschungsgemeinde und auch bei unseren Forschungspolitikern gibt
es den Wunsch nach gesetzlichen Regelungen für Biobanken. In Biobanken geht es aber um mehr als um
genetische Daten. In Biobanken werden nicht nur genetische Daten zusammengetragen, gesammelt und gespeichert, sondern auch Material wie Gewebe oder Blutproben. Eine Verankerung dessen im Gendiagnostikgesetz
wäre zu kurz gesprungen, weil man in diesem Gesetz nur
einen kleinen Teil davon regeln könnte.
({3})
Was heute an gesetzlichen Regelungen angemessen
und sinnvoll ist, kann gerade in einem so dynamischen
Bereich schon morgen überholt und unzureichend sein.
Deshalb will ich darauf hinweisen, dass im Gendiagnostikgesetz die Einrichtung einer Gendiagnostikkommission vorgesehen ist, die die Entwicklung der genetischen
Diagnostik kontinuierlich in einem Tätigkeitsbericht
festhält und es der Politik ermöglicht, aktuell, unabhängig und fundiert informiert darüber zu entscheiden, ob
Handlungsbedarf für den Gesetzgeber besteht. Dieses
Thema bleibt uns also erhalten.
Doch bevor wir den Blick in die Zukunft richten, gilt
es, dieses Gesetz zu verabschieden. Ich darf mich bei allen, die daran beteiligt waren, für die Kooperation und
die Ausdauer ganz herzlich bedanken. Ich denke, wir haben ein ausbalanciertes Regelwerk vorgelegt, welches
einerseits die Chancen, die genetische Untersuchungen
für den Einzelnen beinhalten, wahrt, andererseits aber
auch, durch den Fokus auf das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung, ausreichend Schutz vor Missbrauch
dieser sensiblen Gesundheitsdaten bietet. Gerade in einer Zeit, in der wir mit immer neuen Datenskandalen
konfrontiert sind, ist das das richtige Signal. Deshalb
kann ich Sie nur aufrufen, diesem Gesetz zuzustimmen.
Ich danke fürs Zuhören.
({4})
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Hubert Hüppe, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Frau Hinz, die ich
sehr schätze, hat gerade gesagt, der Antrag der Grünen
sei entscheidend dafür gewesen, dass es überhaupt zu einem solchen Gesetzentwurf gekommen ist. Dazu muss
ich sagen: Schon in unseren Koalitionsvereinbarungen
steht, dass wir ein solches Gesetz verabschieden wollen.
({0})
Dieses Ziel stand auch in Ihrem Koalitionsvertrag mit
den Sozialdemokraten; aber Sie haben ein solches Gesetz nicht zustande gebracht. Deswegen ist es falsch, uns
vorzuwerfen, wir hätten diesen Schutz nicht gewollt.
({1})
Natürlich beklagen einige, dass noch nicht alles geregelt ist, und andere, dass zu viel geregelt ist. Aber eines
ist bei dieser Debatte klar geworden: Bisher gab es überhaupt keine Regelung, hatten wir einen rechtsfreien
Raum. Wenn man sich empört oder gar wie die Grünen
dagegen stimmt, muss man sich darüber im Klaren sein:
Mit diesem Gesetzentwurf haben wir zum ersten Mal
feste Regelungen, umfangreiche Regelungen und einen
Schutzstandard für Gentests, den wir bisher so nicht
hatten.
({2})
Natürlich ist dieser Gesetzentwurf ein Kompromiss;
die Ministerin hat das gesagt, und ich sage das auch. Es
gibt unterschiedliche Meinungen, auch innerhalb der
Parteien. Auch wir hätten uns an der einen oder anderen
Stelle höhere Schutzstandards gewünscht. Anderen war
das zu viel Regelung. So ist es nun einmal. Aber dieses
Gesetz ist immer noch wesentlich besser als der gegenwärtige Zustand. Letztendlich ist das Gesetz, das wir
heute verabschieden, ein gutes Gesetz.
Erstmals wird es eine umfangreiche gesetzliche
Regelung für Untersuchungen am Menschen geben.
Es geht in der Tat um höchst sensible Gesundheitsdaten.
Nicht nur Informationen, die einen selbst betreffen, können gewonnen werden, sondern auch - das macht es, wie
wir bei den Beratungen gesehen haben, nicht einfacher Informationen, die Verwandte betreffen können. Es ist
schwierig, eine Antwort darauf zu geben, wie man in
diesem Fall zum Beispiel das Recht auf Nichtwissen von
Verwandten wahren kann, die an dem Wissen, das ein
solcher Test liefert, nicht interessiert sind.
Wir haben - auch das war nicht einfach - zwischen
rein diagnostischen Tests und sogenannten prädiktiven
Tests unterschieden. An die diagnostischen Tests haben
wir nicht so hohe Anforderungen gestellt, weil sie in vielen Bereichen herkömmlichen Untersuchungsmethoden
ähneln. Bei den prädiktiven, also vorhersagenden Tests,
die vermehrt eingesetzt werden, geht es eher darum, ein
höheres Risiko abzuklären; nur in wenigen Fällen wird
man mit relativer Sicherheit eine spätere Erkrankung
vorhersagen können. Diese Gentests können natürlich in
manchen Fällen helfen, Krankheiten vorzubeugen, indem man seine Lebensgewohnheiten ändert. Aber es
gibt auch eine Menge Tests, in deren Folge man nichts
machen kann. In diesen Fällen stellt sich häufig die
Frage, ob man das Ergebnis überhaupt wissen will. Deswegen hielten wir als Union eine qualifizierte Beratung
für unverzichtbar, und zwar nicht erst, wenn das Ergebnis vorliegt, sondern vor dem Test. Ziel der Beratung ist
es, herauszufinden, ob man mit den möglichen Ergebnissen überhaupt umgehen kann und will. Dies war einer
der wichtigsten Grundsätze, die wir in diesem Gesetz
niedergeschrieben haben.
Meine Damen und Herren, es wurde eben schon gesagt, dass wir zu viel regelten, weshalb der eine oder andere vielleicht abgeschreckt würde. Nach meiner Auffassung ist dieses Gesetz ein typisches Beispiel dafür, dass
aufgrund der geschaffenen Regelung eine Methode und
möglicherweise auch entsprechende Forschung eher gefördert werden, als dass sie dadurch behindert würden.
In der Tat werden sich die Menschen nur dann testen lassen, wenn sie der Meinung sind, dass der Test ihnen
selbst gesundheitlich nützt. Wenn sie Angst haben, dass
er ihnen insofern schaden könnte, als sie vielleicht eine
Arbeitsstelle nicht bekommen oder sich nicht mehr versichern können, dann werden sie diesen Test nicht vornehmen. Deshalb schadet dieses Gesetz diesem Zweig
der Gesundheitsvorsorge nicht; im Gegenteil, es wird
der Gendiagnostik in ihren positiven Teilen einen Vorteil
bringen.
Natürlich hat auch ein sehr sensibles Thema, nämlich
die vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen im
Bereich der so genannten Pränataldiagnostik, eine große
Rolle gespielt. Wir wollen nicht, dass der Eindruck entsteht, es gebe eine Verpflichtung, dass man sein Kind auf
bestimmte Erkrankungen oder Behinderungen untersuchen muss. Ich betone dies, weil ein solcher Eindruck
bei vielen Menschen entstanden ist. Es gibt immer mehr
Frauen - dies gilt vor allem für diejenigen, die in einem
höheren Alter schwanger werden -, die es für notwendig
halten, sich untersuchen zu lassen, weil sie glauben, dass
sie unverantwortlich handelten, wenn sie es nicht täten.
So geraten immer mehr Menschen in einen Automatismus, den zumindest wir von der Koalition nicht wollen
und den wir, wie ich glaube, mit diesem Gesetz auch
verhindern. Viele Frauen berichten, dass sie anders entschieden hätten, wenn sie gewusst hätten, in welche Entscheidungskonflikte sie nach Vorliegen des Ergebnisses
geraten. Deswegen möchten wir, dass auch in diesem
Bereich eine umfangreiche Beratung durch besonders
dazu ausgebildete Ärzte stattfindet. Das ist für uns die
Voraussetzung; ohne eine solche Beratung soll es in diesem Bereich keine Tests geben. Auch hiermit werden
wir das Recht auf Nichtwissen absichern.
Ich sage dies auch, weil wir natürlich wissen, dass in
diesem Bereich in Deutschland die meisten Tests überhaupt vorgenommen werden. Auf einem Informationsabend mit Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen ist
uns gesagt worden, dass man davon ausgehe, dass über
100 000 invasive Tests vorgenommen würden, also
Fruchtwasseranalyse oder sogenannte Chorionzottenbiopsie. Man muss wissen, dass hier das Risiko eines Abortes zwischen 0,5 und 1,5 Prozent liegt; das ist von der
Untersuchungsmethode und von der Erfahrung des Arztes
abhängig. Dies bedeutet, dass in jedem Jahr 1 000 Kinder
allein deswegen nicht zur Geburt kommen, weil man
diese Untersuchungsmethode angewandt hat. Auch dies
müssen die schwangeren Frauen wissen, bevor sie sich
auf einen solchen Schritt einlassen oder gar glauben,
diese Untersuchung unbedingt vornehmen lassen zu
müssen.
Meine Damen und Herren, Pränataldiagnostik - das
steht im Gesetz drin - darf nur zu medizinischen Zwecken durchgeführt werden. Auch deswegen haben wir es
verboten, Tests durchzuführen, die lediglich darauf gerichtet sind, das Geschlecht eines Kindes zu bestimmen. Auch hier könnte man fragen: Spielt das überhaupt
eine Rolle? Aber auch hierzu haben uns Mitarbeiterinnen von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen gesagt, dass in der Tat gerade in Großstädten immer mehr
Tests, wenn auch auf niedrigem Niveau, aber mit steigender Tendenz, gemacht werden, die dazu dienen, das
Geschlecht zu erfahren. Diejenigen, die das tun, wollen
meistens männlichen Nachwuchs. Wenn das Geschlecht
dann nicht das richtige ist, wird eben abgetrieben. Das
wollen wir nicht. Ich glaube, in diesem Hause herrscht
insoweit Übereinstimmung; das will niemand.
Ein ähnliches Problem gibt es bei spätmanifestierenden Erkrankungen. Das war ein Punkt, der sehr umstritten war. Die Union hat ja sehr dafür gestritten, dass
es hier zu einer Regelung kommt. Wir wollen nämlich
nicht, dass entsprechende Tests durchgeführt werden,
die, wie eben gesagt, ein hohes Risiko für das ungeborene Kind und damit auch für die Mutter darstellen. Es
geht hier zum einen um Tests, bei denen nur Merkmale
erhoben werden, aus denen man zwar ein höheres Risiko
für entsprechende Erkrankungen ableiten kann, die aber
vielleicht nie auftreten, und zum anderen um Tests auf
Erkrankungen, die vielleicht erst in hohem oder mittlerem Alter auftreten. Die Durchführung solcher Tests
wollten wir verhindern. Damit sind wir ja auch einem
Wunsch der Grünen nachgekommen. Es war aber genauso auch der Wunsch der Union. Ich denke, es ist gut,
dass wir nun eine entsprechende Entscheidung getroffen
haben. Das sage ich insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass immer mal wieder behauptet wird, es gäbe
solche Tests gar nicht. Ich habe gerade im Internet noch
einmal eine Liste auch deutscher Labore gefunden, die
viele Angebote in diese Richtung unterbreiten.
Ein Letztes noch: Wie wichtig es ist, dass wir eugenischen Tendenzen keinen Vorschub leisten, zeigt der Beschluss des Europäischen Parlaments von gestern, in
dem wörtlich davon gesprochen wurde, dass beabsichtigt wird und den Ländern angeraten wird, eine „Ausmerzung seltener Erbkrankheiten“ dadurch zu fördern,
dass verstärkt Präimplantationsdiagnostik durchgeführt
wird. Das hieße, dass man schon bei künstlich befruchteten Embryonen eine Selektion vornimmt. Meine Damen
und Herren, mit Recht haben gestern fast alle Selbsthilfe- und Behindertenverbände gegen diese Wortwahl,
gegen diese Idee und gegen das dahinterstehende Denken protestiert.
Herr Kollege Hüppe!
Ich glaube, es ist gut, dass durch das nun zu beschließende Gesetz solche Tendenzen zurückgedrängt werden.
Mit diesem Gesetz haben wir nämlich ein Gesetz, das
die guten Folgen von Gentests ermöglicht, aber die
schlechten einschränkt.
Vielen Dank fürs Zuhören.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf über geneti-
sche Untersuchungen bei Menschen.
Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/12713, den Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung auf den Drucksachen 16/10532 und 16/10582 in der
Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
Präsident Dr. Norbert Lammert
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? -
Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zwei-
ter Beratung mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von ihren Plätzen
zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich
der Stimme? - Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stim-
men der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/
Die Grünen und bei Stimmenthaltung der Fraktion der
FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent-
schließungsanträge.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der FDP-
Fraktion auf Drucksache 16/12745? - Wer stimmt dage-
gen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Entschlie-
ßungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf der Drucksache 16/12746? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Ent-
schließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/12719? -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser
Entschließungsantrag hat keine Mehrheit.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 16/12720? -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch dieser
Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir setzen die Abstimmung zur Beschlussempfeh-
lung des Ausschusses für Gesundheit auf der Drucksa-
che 16/12713 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buch-
stabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Gesetzentwurfes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 16/3233 über genetische Untersuchun-
gen beim Menschen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetz-
entwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt
nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunk-
tes.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 33 a und 33 b
sowie die Zusatzpunkte 11 bis 14 auf:
33 a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD
Die Chance zur nuklearen Abrüstung nutzen -
Überprüfungskonferenz zum Nichtverbrei-
tungsvertrag zum Erfolg führen
- Drucksache 16/12689 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul
Schäfer ({0}), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan
Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Keine Atomwaffen in Deutschland
- Drucksache 16/12684 ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Werner Hoyer, Elke Hoff, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für einen Abzug der in Deutschland noch verbliebenen US-Nuklearwaffen
- Drucksache 16/12667 ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Elke
Hoff, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Die NPT-Überprüfungskonferenz im Jahre
2010 zum Erfolg führen - Für ein klares Bekenntnis zu dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt
- Drucksache 16/12666 ZP 13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Nachtwei, Jürgen Trittin, Marieluise Beck ({1}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Konkrete Schritte zur nuklearen Abrüstung
jetzt einleiten - Nichtverbreitungsvertrag stärken
- Drucksache 16/12685 ZP 14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Trittin, Winfried Nachtwei, Marieluise Beck
({2}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Initiative für eine atomwaffenfreie Welt unterstützen - Atomwaffen aus Deutschland abziehen
- Drucksache 16/12686 Diejenigen, die sich zwischenzeitlich aus dem Plenum entfernen, mache ich darauf aufmerksam, dass wir
im Anschluss an die Aussprache vier namentliche Abstimmungen durchführen werden. Das wird in etwa einer
Stunde der Fall sein; denn nach einer interfraktionellen
Vereinbarung soll diese Aussprache 60 Minuten dauern. Dazu höre ich keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter Steinmeier.
({3})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Innerhalb von drei Monaten, einem Vierteljahr,
zwei Debatten über Abrüstung und Rüstungskontrolle
zur Kernzeit und eine Debatte über Streumunition, die
gestern Abend auf der Tagesordnung des Bundestages
stand: Wann hat es das im Deutschen Bundestag je gegeben? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Dass
dieses Thema nun verstärkt auf die Tagesordnung
kommt, ist aus meiner Sicht ein gutes Signal. Die Abrüstungsdiskussion braucht eine neue Dynamik. Sicher ist,
dass wir den Trend der letzten Jahre umkehren müssen.
Ich frage mich und Sie: wann, wenn nicht jetzt?
({0})
Es ist notwendig; denn Sie wissen, dass die etablierten Nuklearmächte nach wie vor Tausende von Sprengköpfen besitzen. Proliferation und Nuklearterrorismus drohen das Nichtverbreitungsregime immer weiter
zu unterminieren, und es war zu beobachten, dass das,
was im konventionellen Bereich in den letzten Jahren
mühsam an Abrüstungsarchitektur errichtet worden ist,
langsam ins Rutschen gekommen ist.
Die Zeiten für einen neuen Aufbruch sind günstig wer weiß, wie lange; aber zurzeit sieht es gut aus. Der
russische Präsident Medwedew und der amerikanische
Präsident Obama haben im Vorfeld des Weltfinanzgipfels in London eine deutliche Reduzierung ihrer strategischen Arsenale angesagt. Präsident Obama hat das - Sie
erinnern sich - erst vor kurzem in seiner eindrucksvollen
Prager Rede auf den Punkt gebracht: Frieden und Sicherheit in einer Welt ohne Nuklearwaffen.
Ich teile diese Vision, eine Vision, die schon vor zwei
Jahren die vier Schwergewichte der amerikanischen Außenpolitik formuliert haben und die von unserer Seite
von Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, HansDietrich Genscher und Egon Bahr aufgegriffen worden
ist. Ich finde, dass es diese vier Deutschen waren, die
eine Antwort auf die amerikanische Vision aus Deutschland gegeben haben, gereicht uns allen miteinander
durchaus zur Ehre.
({1})
Meine Damen und Herren, wie kehren wir den Trend
um? Wie erreichen wir das Ziel? 2010 soll ein Zwischenziel erreicht werden; in dem Jahr steht die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages
an. Ob diese Überprüfungskonferenz scheitert oder gelingt, wird aus meiner Sicht entscheidend davon abhängen, ob es uns gelingt, das Herzstück dieses Vertrages
wirklich zu erneuern. Sie wissen das; denn es gehört beides zusammen - manchmal gerät das in Vergessenheit -:
die nukleare Abrüstung der Atommächte auf der einen
Seite und die Verhinderung nuklearer Proliferation auf
der anderen Seite. Beides ist schon jetzt bindende Verpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag. Sorgen wir
dafür, dass aus dem Vertragstext endlich Politik wird.
Das ist nötig.
({2})
Aus meiner Sicht ist auf dem Wege dorthin Zweifaches nötig:
Einerseits brauchen wir Regelungen über einen verifizierbaren Produktionsstopp von waffenfähigem Spaltmaterial. Sie wissen, dass die Verhandlungen darüber
jahrelang auf Eis gelegen haben. Die Europäische Union
wird demnächst eine Initiative dazu ergreifen, um sie
wieder in Gang zu bringen.
Das Zweite ist ebenso wichtig und genauso kompliziert. Sie wissen, dass jeder Staat nach dem Atomwaffensperrvertrag auch das Recht auf zivile Nutzung von
Kernenergie hat. Natürlich darf die zivile Nutzung aber
nicht als Deckmantel für militärische Programme dienen.
Deshalb habe ich selbst Vorschläge dazu auf den
Tisch gelegt. Wir brauchen so etwas wie eine Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufs, damit insbesondere
neue Länder, Schwellenländer und Regionalmächte
nicht den Ehrgeiz entwickeln, sich eine eigene Anreicherungstechnologie zu verschaffen. Andere machen den
Vorschlag, eine internationale Brennstoffbank zu gründen. Wie auch immer: Wir brauchen jedenfalls schnellstmöglich einen Fortschritt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es schon bei der nächsten Tagung des
Gouverneursrats der IAEO im Juni erste Willensbildungen und möglichst auch Vorbereitungen von Entscheidungen gibt. Wir brauchen hier einen Fortschritt.
({3})
Sie alle wissen: Einen vollständigen Schutz sowohl
vor Proliferation als auch vor Nuklearterrorismus wird
es nur mit der vollständigen Abschaffung aller Atomwaffen geben. „Global Zero“ ist das Stichwort. Ich
weiß, und Sie wissen, dass der Weg dorthin nicht einfach
wird und einen langen Atem erfordert.
({4})
Ich nenne drei Aspekte dazu, die wir auf diesem Weg
zu beachten haben:
Erstens. START-I-Nachfolgeabkommen. Es war
still darum geworden, und ich habe auch gezweifelt, ob
es noch bis zum Jahresende gelingen kann, ein Nachfolgeabkommen auszuhandeln, mit dem die Fortsetzung
dieses Regimes ab dem 1. Januar 2010 sichergestellt
wird. Medwedew und Obama haben sich in die Hand
versprochen, dass das sein soll. Deshalb gehe ich davon
aus, dass es ein Nachfolgeabkommen gibt.
Zweitens. Iran und Nordkorea. Obama geht mit
dem Angebot von Verhandlungen mit dem Iran einen
mutigen Weg. Wir müssen dem Iran klarmachen, dass
auf diesen Vorstoß von Obama aus dem Iran eine angemessene, vernünftige und konstruktive Antwort kommen muss. Die Chance auf einen Neubeginn, der dort
jetzt auf dem Weg ist, darf nicht verspielt werden. Das
Risiko ist zu hoch.
({5})
Drittens. Wenn wir über die nukleare Abrüstung reden, dann sprechen wir landläufig über die Abrüstung
von strategischen Atomwaffen. Natürlich müssen aber
auch die substrategischen bzw. sogenannten taktischen
Atomwaffen der Nuklearstaaten einbezogen werden.
Wie Sie wissen, ist das bisher nicht in formellen Verträgen geregelt. Hier können wir die Verantwortung auch
nicht ganz einfach nur den USA und Russland zuschieben. Hier ist auch Europa gefragt.
({6})
Wenn wir wollen, dass sich auch Europa zu einem nuklearfreien Gebiet entwickelt, dann gilt das, was ich
sage, natürlich auch für die in Deutschland verbliebenen
Atomwaffen.
({7})
Zum Ende des Kalten Krieges gab es für eine kurze
Zeit durchaus einmal Einvernehmen zwischen Russland
und den USA über eine Reduktion auch dieser taktischen
Atomwaffen. Diesen Faden müssen wir wieder aufnehmen. Auch bei dieser Art von Nuklearwaffen, den taktischen Atomwaffen, müssen wir eine substanzielle Abrüstung erreichen.
({8})
Die öffentliche Diskussion wird in der Regel durch
die nukleare Abrüstung bestimmt. Sie alle wissen aber,
wie ich, dass die Gefahren im Bereich der konventionellen Waffen nicht kleiner geworden sind. Ich habe am
Anfang gesagt, hier ist vieles ins Rutschen gekommen.
Die Abrüstungsarchitektur ist nicht gepflegt worden,
und mit dem Moratorium für das KSE-Regime droht
eine ganz gefährliche Entwicklung. Das müssen wir umkehren. Um den Stillstand zu überwinden, den es dort
gibt, und um zu versuchen, das so wichtige KSERegime, das Herzstück der konventionellen Abrüstungsarchitektur, an die veränderte sicherheitspolitische Lage
anzupassen, habe ich am 10. Juni nach Berlin eingeladen; für die Sicherheit in Europa. Wir brauchen das, und
wir brauchen Entgegenkommen von allen Seiten.
({9})
Meine Damen und Herren, 2009 wird auch aus außenund sicherheitspolitischer Sicht ein Jahr voller Herausforderungen und Risiken. Ich hoffe aber, es ist auch
deutlich geworden, dass es ein Jahr voller Chancen ist.
Politik hat sich im Jahr 2009 auch in der Außen- und Sicherheitspolitik zu bewähren.
Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat der Kollege Werner Hoyer für die FDPFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
die Abrüstungspolitik kommt endlich wieder Fahrt. Das
ist sehr gut so. Präsident Obama hat mit seiner Prager
Rede Signale ausgesendet, auf die die Welt lange gewartet hat, und darauf sollten wir eingehen.
Was mich enttäuscht, ja teilweise geradezu empört,
sind bisweilen die Reaktionen darauf, auch in Deutschland; ausgerechnet dem Land, das mehr als jedes andere
Land von Entspannungs- und Abrüstungspolitik profitiert hat. Einige versuchen, den amerikanischen Präsidenten mit seinen Vorschlägen geradezu der Lächerlichkeit preiszugeben, weil das alles per se und sowieso
unrealistisch sei. Ich wundere mich über die Mutlosigkeit und die Fantasielosigkeit, die darin zum Ausdruck
kommen.
({0})
Ich wundere mich auch über das Beharren auf geopolitischen und geostrategischen Fehlannahmen, die schon
die Politik der Neokonservativen geprägt hatten.
Präsident Obama ist alles andere als naiv, und er
denkt bei aller Geschwindigkeit, mit der er ans Werk
geht, in langfristigen Prozessen. Er hat gesagt, er denkt
über Generationen hinweg. Was ihn aber von seinen Kritikern unterscheidet, ist, dass er nicht geradezu axiomatisch davon ausgeht, dass von den Gegnern im Kalten
Krieg auch in Zukunft das größte Risiko für unsere Sicherheit ausgeht und dass deshalb Containment und
nukleare Abschreckung die richtigen Argumente und
Instrumente sein müssten.
Auch ich bin der Überzeugung, dass die nukleare Abschreckung unserer Sicherheit während des Kalten Krieges gute Dienste geleistet hat und dass sie ein Schlüssel
gewesen ist. Wir müssen aber dazu sagen, wir haben
auch Glück gehabt. Wenn man die Kuba-Krise historisch
nachvollzieht, dann zeigt sich, dass wir ganz knapp an
einer globalen Katastrophe vorbeigeschrammt sind.
Spätestens seit dem Prozess, der in Helsinki begonnen
hat, ist uns zum einen bewusst, dass - wie Gorbatschow
es einmal gesagt hat - „die Sicherheit der anderen als integraler Bestandteil des eigenen Sicherheitskonzeptes zu
verstehen ist“. Zum anderen ist uns bewusst, dass nukleare Abschreckung der klassischen Form nicht mehr funktionieren kann, ja zu einer Gefahr wird, wenn sie in einer
Dimension weiterbesteht, die immer schwerer zu kontrollieren ist.
Die massive nukleare Abschreckung hilft eben nicht,
wenn in einer Ecke dieses Planeten Terroristen oder auch
gescheiterte Staaten an Atombomben basteln. Es würde
ohne Zweifel helfen, wenn deutlich weniger, am besten
gar kein waffenfähiges Material herumliegen würde.
({1})
Uns muss klar sein, dass wir hier über einen Prozess
sprechen, der über Generationen geht. Das weiß auch
Präsident Obama. Aber es geht darum, jetzt die Weichen
zu stellen. Es ist völlig klar, dass gigantische Anstrengungen, übrigens auch intellektueller Art, unternommen
werden müssen, um den Rahmen zu definieren, innerhalb dessen Atomwaffen eliminiert werden können,
ohne dass die Führbarkeit konventioneller Kriege zunimmt; denn das kann nicht unser Interesse sein.
Das bedeutet erstens, dass wir einen Quantensprung,
ja geradezu einen Paradigmenwechsel in der Verifikationspolitik brauchen; denn nachdem der Geist nun einmal aus der Flasche heraus ist, was zu beklagen ist, werden wir eine wirksame Verifikation der nuklearen
Abrüstung nur dann durchziehen können, wenn die Vertragsparteien zu enormen Zugeständnissen bereit sind,
wenn sie Verifikationsverfahren zulassen, die tief in die
Substanz nationaler Souveränität hineinreichen.
Zweitens muss der ganz enge Zusammenhang zwischen nuklearer und konventioneller Abrüstung gesehen
werden. Der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen.
Das ist eine gigantische Aufgabe, die einen enorm hohen intellektuellen Input und die Bereitschaft, alte Denkschemata zu überwinden, voraussetzt. Wenn doch nur so
viele intellektuelle Kapazitäten in die Frage investiert
würden, wie man die Voraussetzungen gestalten kann,
damit das Ziel erreicht werden kann, wie in die großen
Ausarbeitungen, in denen wortreich belegt wird, dass
das alles Unsinn ist, dann wäre schon sehr viel gewonnen.
({2})
Ich sage Ihnen ganz offen, dass ich es für unverantwortlich hielte, den uns folgenden Generationen die Hoffnung auf eine nuklearwaffenfreie Welt geradezu
präemptiv nehmen zu wollen.
Es geht also nicht sehr schnell. Aber auch Zwischenschritte können schon sehr hilfreich sein, wenn man an
den Bereitschaftsstatus bestimmter Waffensysteme und
Ähnliches denkt. Hier ist Mut gefragt. Das beginnt
durchaus zu Hause.
Meine Fraktion legt Ihnen zum Ende dieser Debatte
einen Antrag zur namentlichen Abstimmung vor, mit
dem wir die Bundesregierung auffordern, sich bei unseren amerikanischen Verbündeten sowie im Rahmen der
NATO dafür einzusetzen, dass die verbliebenen taktischen Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden.
({3})
Es ist übrigens eine Mär, dass das mit einem Verlust
an Sicherheit für uns und mit einer Schwächung unserer
Position im Bündnis verbunden wäre. Die Erfahrungen
anderer Bündnispartner belegen, dass dies nicht der Fall
sein muss und auch nicht ist. Ich glaube, dass wir es hier
mit nichttragfähigen Scheinargumenten zu tun haben.
({4})
Das ist erfreulicherweise, wie wir gerade gehört haben, auch die Position des Bundesaußenministers und
SPD-Kanzlerkandidaten. Ich hoffe, dass die Kolleginnen
und Kollegen der SPD-Fraktion heute ihrem Kanzlerkandidaten und übrigens auch ihrem gerade beschlossenen Wahlprogramm folgen werden.
Vielen Dank.
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Eckart von Klaeden
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Wir feiern in diesem Jahr 20 Jahre Mauerfall. Der Mauerfall steht symbolhaft für das Ende des Kalten Krieges.
Während der Zeit des Kalten Krieges gab es in
Deutschland über viele Jahrzehnte die höchste Dichte an
konventionellen und nuklearen Waffen in unserer Geschichte. Seitdem ist erfreulicherweise massiv abgerüstet worden. Die NATO hat ihr strategisches, substrategisches und taktisches Nuklearwaffenpotenzial seitdem
um etwa 95 Prozent reduziert und den Bereitschaftsstatus der verbliebenen Nuklearwaffen weiter gesenkt.
Gleichwohl gibt es nach Schätzung des angesehenen
SIPRI-Instituts nach wie vor über 20 000 Nuklearwaffen, allein 14 000 - so SIPRI - in russischen und ungefähr 5 400 in amerikanischen Arsenalen.
Auch meine Fraktion begrüßt daher ausdrücklich die
Initiative des amerikanischen Präsidenten Barack
Obama und des russischen Präsidenten Medwedew für
eine Reduzierung strategischer Atomwaffen und für ein
Nachfolgeabkommen für START I. Wir begrüßen auch
die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten, dem
Senat das Atomteststoppabkommen zur Ratifizierung
vorzulegen.
Nach meiner Einschätzung wird es dazu möglicherweise in diesem Jahr nicht mehr kommen, weil sich der
Kongress vorgenommen hat, zunächst einmal das dann
verhandelte Nachfolgeabkommen zu START I zu ratifizieren. Ich hoffe aber, dass es dazu kommen wird, bevor
im nächsten Jahr die Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages beginnt.
Die Rede von Barack Obama in Prag ist von meinen beiden Vorrednern erwähnt worden. Ich teile die Bewunderung für diese Rede.
({0})
Ich teile insbesondere das Bekenntnis Barack Obamas zu
einer nuklearwaffenfreien Welt. Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass dies schon lange
bindendes Völkerrecht ist; denn diese Verpflichtung
steht im Nichtverbreitungsvertrag. Erreichen werden wir
diese Ziele gegenseitiger und verifizierter nuklearer AbEckart von Klaeden
rüstung aber nur dann, wenn sich alle dieser Vision und
diesem Prinzip verpflichtet fühlen.
Obama hat in seiner Rede bewiesen, dass er ein pragmatischer Visionär ist. Er hat darauf hingewiesen, dem
Ziel der Abrüstung verpflichtet zu sein, aber auch, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind. Er sagte, dieses Ziel werde nicht schnell zu erreichen sein, möglicherweise nicht zu seinen Lebzeiten. Er hat die große
Entschlossenheit zur Abrüstung zum Ausdruck gebracht,
gleichzeitig aber unterstrichen, dass diese Bereitschaft
zur Abrüstung der Sicherheit seines Landes und der Sicherheit der Bündnispartner dienen muss. In diesem Zusammenhang hat er darauf hingewiesen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika so lange auf Nuklearwaffen
nicht werden verzichten können, wie solche Waffen
existieren. Da beides dem Ziel dienen soll, die Sicherheit
unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, gehören einerseits die Entschlossenheit zur Abrüstung und
andererseits die Bereitschaft zur Aufrechterhaltung der
nuklearen Abschreckung, soweit sie erforderlich ist, zusammen.
Die NATO hat das in ihrer jüngsten Declaration on
Alliance Security anlässlich des Jubiläumsgipfels von
Straßburg und Kehl noch einmal betont. Dieses Dokument ist von den Außenministern - auch von unserem
Außenminister Steinmeier - endverhandelt worden. In
diesem Dokument ist festgelegt, dass die nukleare Abschreckung trotz der veränderten Umstände ein unverzichtbarer Bestandteil der NATO-Strategie ist. Das doppelte Bekenntnis, der Double-Track-Ansatz, einerseits
alles zu erreichen, was im Rahmen der Abrüstung möglich ist, und andererseits auf die nukleare Abschreckung
nicht zu verzichten, soweit sie erforderlich ist - das hat
der Außenminister für die Bundesregierung verhandelt -,
findet die ausdrückliche Unterstützung meiner Fraktion.
({1})
In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage nach
dem Abzug der möglicherweise noch in Deutschland
stationierten taktischen Nuklearwaffen. Wir müssen leider feststellen, dass die Proliferationsgefahren in den
letzten Jahren nicht abgenommen, sondern weiter zugenommen haben. In ihrem jüngsten Bericht hat die Internationale Atomenergiebehörde festgestellt, dass der Iran
möglicherweise nur noch Monate von der Fähigkeit entfernt ist, einen nuklearen Sprengkörper herzustellen.
Auch Länder wie Indien, China und Pakistan modernisieren ihre Nuklearstreitkräfte mit großem Aufwand. Die
nukleare Rüstung dieser Staaten erfolgte im Wesentlichen aufgrund der Einschätzung - möglicherweise aufgrund der Fehleinschätzung - rein nationaler Sicherheitsinteressen. Die nukleare Aufrüstung Indiens ist eine
Folge des chinesischen Angriffs von 1962 gewesen. Die
pakistanische Aufrüstung ist eine Folge der indischen
Nuklearbewaffnung. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass
es auf der Nachfolgekonferenz zum Nichtweiterverbreitungsvertrag zu einem neuen Ansatz in der nuklearen
Abrüstung kommt.
In diesem Zusammenhang wird viel über eine israelische Nuklearrüstung gesprochen. Den defensiven Charakter des potenziellen israelischen Nuklearprogramms
kann man übrigens daran erkennen, dass Israels arabische Nachbarstaaten 30 Jahre dieses Programm nicht als
einen Grund angesehen haben, selber eine Nuklearmacht
zu werden, aber angesichts der iranischen nuklearen
Ambitionen angekündigt haben, sich selbst nuklear zu
bewaffnen. Das heißt, dass die Nachbarstaaten Israels
und Irans 30 Jahre mit einem möglichen israelischen
Nuklearprogramm, aber nicht zehn Minuten mit einem
iranischen Nuklearprogramm glauben leben zu können.
Das zeigt, dass beide Faktoren für die Schaffung von Sicherheit erforderlich sind. Nicht nur die Frage nach Abrüstung an sich ist wichtig. Vielmehr entsteht Bedrohung
aus der Kombination von Waffen und Politik.
Deswegen ist der neue Ansatz des amerikanischen
Präsidenten, mit dem Iran Gespräche aufzunehmen und
auf eine langfristige Veränderung der Politik zu setzen,
der richtige.
Gleichwohl sind die Nachrichten, die wir gerade in
den letzten Monaten über das iranische Nuklearprogramm bekommen haben, besorgniserregend. Dazu gehören unter anderem die Raketentests, die der Iran im
Februar durchgeführt hat. Weitere Raketentests, auch einer in diesem Jahr, sind angekündigt. Deswegen müssen
wir darüber nachdenken, wie es gelingen kann, einerseits
den langfristigen Ansatz der amerikanischen Administration zu einem grundlegenden Politikwechsel gegenüber dem Iran zu unterstützen, andererseits aber das
kurzfristige Ziel zu erreichen, dass der Iran keine
Nuklearmacht wird. Wir müssen beide Strategien so aufeinander abstimmen, dass das eine Ziel nicht durch das
andere konterkariert wird. Aus meiner Sicht gibt es dafür
zwei Ansätze. Den einen Ansatz hat der Außenminister
schon angesprochen. Er findet unsere volle Unterstützung. Es handelt sich um die Multilateralisierung des
Brennstoffkreislaufs, sodass keine Nation, die von dem
Recht Gebrauch machen will, die Kernenergie zivil zu
nutzen, auf ein nationales Anreicherungsprogramm angewiesen ist. Die zweite Möglichkeit liegt in der Multilateralisierung des INF-Vertrages; denn wenn es gelingen kann, den Iran relativ bald in solche Verhandlungen
einzubeziehen, dann könnten die Trägersysteme entfallen oder so eingeschränkt werden, dass eine nukleare
Bewaffnung, von der der Iran selber behauptet, dass er
sie anstrebt, nicht mehr sinnvoll wäre.
Mein letzter Punkt betrifft die Frage der konventionellen Abrüstung. Wir teilen den Wunsch und das Anliegen, den AKSE-Vertrag zu ratifizieren und den KSEVertrag als ein Kernstück der konventionellen Abrüstung
und der konventionellen Sicherheit in Europa zu erhalten. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch deutlich machen, dass durch das russische Verhalten - einerseits die
Suspendierung des Vertrages und andererseits der Abschluss der Verträge mit den abtrünnigen georgischen
Landesteilen Südossetien und Abchasien, in diesen Landesteilen jeweils 3 800 Soldaten zu stationieren - die
Verpflichtungen, die Russland eingegangen ist, als der
AKSE-Vertrag 1999 in Istanbul unterzeichnet worden
ist, schwer verletzt worden sind. Ich will darauf hinweisen, dass die Istanbul-Verpflichtungen 1999 - dazu gibt
es einen sehr lesenswerten Artikel unseres Kollegen
Wolfgang Gerhardt in der FAZ aus dem Jahr - keine
zusätzlichen Auflagen, sondern geradezu Zugeständnisse Russland gegenüber gewesen sind, das sich zu der
Zeit im zweiten Tschetschenien-Krieg befand. Man hatte
damals die Sorge, dass dann, wenn man diese Vereinbarung mit Russland nicht trifft, der alte KSE-Vertrag und
der angepasste KSE-Vertrag von Russland von vornherein verletzt werden. Es ist also ein Zugeständnis an
Russland gewesen. Deswegen müssen wir darauf dringen, nicht nur aus Gründen der Vertragstreue, sondern
weil es ein wesentlicher Bestandteil der konventionellen
Sicherheit in Deutschland ist, dass Russland diesen Verpflichtungen weiter nachkommt. Deswegen ist ein Junktim - das ist mein letzter Satz, Herr Präsident - zwischen
konventioneller Abrüstung in Europa und der strategischen nuklearen Abrüstung falsch; denn dann entsteht
die Gefahr, dass es aufgrund des engen Zeitfensters, das
für die Verhandlungen über den START-I-Vertrag bis
zum Ende des Jahres besteht, und wegen der Schwierigkeiten, die sich bei der konventionellen Abrüstung und
bei der Ratifizierung des KSE-Vertrags ergeben können,
nicht rechtzeitig zu einem Nachfolgeabkommen kommt.
Beides ist wichtig.
Herr Kollege von Klaeden.
Aber beides darf nicht vollständig miteinander verbunden werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass beides nicht gelingt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({0})
Herr Kollege von Klaeden, Sie hatten vor geraumer
Zeit einen Schlusssatz in Aussicht gestellt, was mich zur
Wiederholung meiner Empfehlung veranlasst, dass es
sich dann, wenn Schlusssätze einen Großteil der zugemessenen Redezeit beanspruchen, empfiehlt, mit diesen
Schlusssätzen rechtzeitig zu beginnen.
({0})
Nun erhält der Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke das Wort.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt
auf unserer Erde 10 000 Atomsprengköpfe, davon 4 500
in der NATO. Das heißt, die Menschheit ist in der Lage,
sich vielfach und vollständig zu vernichten. Den Sinn
konnte mir noch niemand erklären. Ich begrüße deshalb
ausdrücklich, dass - ich glaube, sogar als erster amerikanischer Präsident, seit Amerika Atomwaffen besitzt Obama jetzt erklärt hat, er wolle eine atomwaffenfreie
Welt. Daran haben wir in jeder Hinsicht zu arbeiten.
({0})
Der Vertrag von 1968 über die Nichtverbreitung von
Atomwaffen enthält drei verschiedene Verpflichtungen.
Er enthält einmal die Verpflichtung zur Abrüstung, die
nicht erfüllt wurde, zum Zweiten das Verbot der Verbreitung von Atomwaffen und zum Dritten die Zusage an
eine friedliche Nutzung von Atomenergie, egal wie wir
jetzt dazu stehen.
189 Staaten - das darf man nicht vergessen - haben
diesen Vertrag unterschrieben und ratifiziert, nur nicht
Indien, Pakistan und Israel. Nordkorea ist 2003 ausgetreten; das ist ein weiteres Problem. Die letzte Überprüfungskonferenz fand 2005 statt und brachte nichts, da
die USA damals an Abrüstung noch nicht interessiert
waren.
Es gibt inzwischen sicher acht Nuklearmächte: die
USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Indien, Pakistan und Israel. Bei Nordkorea besteht Unsicherheit, und dem Iran wird vorgeworfen, Atomwaffen
herstellen zu wollen. Das alles bereitet große Sorgen,
nicht nur wegen Nordkorea und Iran, sondern zum Beispiel auch wegen Pakistan, wenn man an die instabile Situation in diesem Land, an die Rolle der Taliban usw.
denkt. Bei Indien darf ich Sie an den Kaschmirkonflikt
und andere Dinge erinnern.
2000 war ich in Indien und habe mit dem damaligen
indischen Außenminister gesprochen. Was er mir erzählt
hat, war wirklich interessant. Ich habe dort natürlich
pflichtgemäß kritisiert, dass Indien Atomwaffen baut.
Daraufhin hat er mich gefragt: „Waren Sie eigentlich für
oder gegen den Jugoslawienkrieg?“ Ich habe gesagt:
„Ich war dagegen.“ Er fragte weiter: „Hatte Jugoslawien
Atomwaffen?“ Ich sagte: „Nein.“ Dann sagte er: „Glauben Sie, Belgrad wäre bombardiert worden, wenn Jugoslawien Atomwaffen gehabt hätte?“ Das war seine Antwort. Es ist nicht so, dass ich darauf nichts geantwortet
hätte.
Mir ist aber klar geworden: Wir können glaubwürdig
den Verzicht auf Atomwaffen nur durchsetzen, wenn die
Atommächte ihre Atomwaffen ernsthaft abbauen, bis hin
zu Null. Einen anderen Weg gibt es nicht.
({1})
Sonst bleibt das ein Privileg, weil Staaten immer wieder
sagen werden, sie seien ja nur unangreifbar, wenn sie
selber die Atomwaffen besitzen, und genau das müssen
wir abbauen.
Wir begrüßen den Vorschlag von Obama. Es ist auch
zu begrüßen, dass er zusammen mit dem russischen Präsidenten einen neuen START-Vertrag abschließen will.
Es ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, dass er gesagt
hat, er verzichte auf Atomtests.
Ich glaube, dass wir diesen Weg gehen müssen. Ich
sage es noch einmal: Nur wenn die Atommächte jetzt vereinbaren, wie sie schrittweise die Atomwaffen abbauen
bis zur Zahl Null, sind sie auch berechtigt, nicht nur zu
fordern, sondern international durchzusetzen, dass nirgendwo und zu keinem Zeitpunkt mehr eine einzige
Atombombe gebaut wird. Genau das muss das Ziel sein.
({2})
Von Deutschland ging im letzten Jahrhundert der
schlimmste Krieg aus, der Zweite Weltkrieg. Deshalb
müssen wir an Abrüstung ein besonderes Interesse haben, das wir durch Signale ganz besonders zum Ausdruck bringen müssen. Auch Deutschland kann einen
Beitrag zur nuklearen Abrüstung leisten. Das Erste
wäre die Forderung nach einem Abzug der noch vorhandenen US-Atombomben in Deutschland. Wer braucht
denn diese Atombomben?
({3})
Die Deutschen brauchen sie am allerwenigsten, Europa
und die USA brauchen sie auch nicht. Wir können diese
Atomwaffen loswerden. Wenn Obama glaubwürdig ist
in seinem Wunsch nach atomarer Abrüstung, hat er nicht
ein einziges Argument dafür, die Atomwaffen in
Deutschland zu belassen. Das müssen wir nutzen. Deshalb gibt es Anträge, die fordern, der Bundestag solle
das beschließen.
Zweitens müssen wir auf einen eindeutigen Verzicht
auf die nukleare Teilhabe in der NATO durch die Bereitstellung von Trägersystemen, von Bundeswehrpersonal oder durch anderweitige Unterstützung setzen. Auch
das ist möglich. Griechenland und Kanada haben keine
nukleare Teilhabe in der NATO. Sie waren die Ersten,
die diesen Weg gegangen sind. Auch Deutschland muss
diesen Weg jetzt gehen.
({4})
Interessant ist, dass die Union dagegen ist. Sie wollen
nicht, dass die Regierung aufgefordert wird, mit der
amerikanischen Regierung über einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu verhandeln, und schon gar
nicht wollen Sie die nukleare Teilhabe in der NATO aufgeben.
Die Bundeskanzlerin hat das in der Bundestagsdebatte am 26. März 2009 begründet. Sie hat wörtlich Folgendes gesagt - ich darf zitieren -:
Wir sollten gut aufpassen, dass wir Ziel und Weg
nicht vermischen.
({5})
Außerdem hat sie gesagt:
Die Bundesregierung hat deshalb die nukleare Teilhabe in der Allianz im Weißbuch verankert, weil
wir wissen, dass sie uns Einfluss im Bündnis sichert.
Das ist eine Denkweise aus dem Kalten Krieg, die wir
heute überhaupt nicht mehr gebrauchen können. Wollen
Sie denn ernsthaft sagen, dass Kanada und Griechenland
keinen Einfluss in der NATO haben, nur weil sie auf die
nukleare Teilhabe verzichtet haben? Bei unserer Geschichte hätten wir die Ersten sein müssen, die verzichten.
({6})
Die Ersten können wir nicht mehr sein. Nun lassen Sie
uns wenigstens die Dritten werden!
Wir unterstützen den Antrag der Grünen, der unserem
Antrag ganz ähnlich ist.
Der Antrag der FDP ist unserem auch ähnlich, hat allerdings einen Mangel. Die nukleare Teilhabe kritisieren
Sie im Feststellungsteil, aber im Forderungsteil kommt
der Verzicht nicht zum Ausdruck, was ich schade finde;
denn die Bundesregierung müsste aufgefordert werden,
diesbezüglich einen anderen Weg zu gehen.
Herr Steinmeier, es ist ja ganz schön, was Sie hier
verkünden, aber in dem Antrag von Union und SPD gibt
es nicht einen Halbsatz zu den amerikanischen Atomwaffen in Deutschland
({7})
und findet sich nichts dagegen, dass wir eine nukleare
Teilhabe in der NATO haben.
Jetzt werden Sie mir erklären, dass das wieder an der
Union liegt - die Erklärung kenne ich seit vielen Jahren -; ich sage Ihnen: Das ist ein Problem. Das Problem
besteht in Folgendem: Es gibt von der Bevölkerung
gewählte politische Mehrheiten im Bundestag, die
nichts erreichen, weil die politische Konstellation dagegenspricht. Erklären Sie den Leuten mal, dass es eine
Mehrheit gibt, nämlich von SPD, Grünen und uns Linken, die für einen gesetzlichen Mindestlohn ist, dass ein
solcher Mindestlohn im Bundestag aber nicht zu beschließen ist! Erklären Sie den Leuten mal, dass es eine
Mehrheit von SPD, Linken, Grünen und FDP gibt, die
die Regierung auffordern will, dafür zu sorgen, dass die
amerikanischen Atomwaffen so schnell wie möglich aus
Deutschland verschwinden und wir auch auf die nukleare Teilhabe in der NATO verzichten, dass aber trotz
dieser Mehrheit kein solcher Beschluss zustande kommt!
Es gibt eine Mehrheit, die das Staatsziel Kultur im
Grundgesetz verankern will, aber auch dieser Beschluss
kommt nicht zustande, und zwar deshalb nicht, weil Sie
sich regelmäßig der Union unterordnen. Wenn das so ist,
dann müssen Sie im Wahlkampf auch sagen, dass Sie
Versprechungen in die ganze Welt hinein machen, damit
aber nichts zu tun haben, weil letztlich die Union entscheidet, was Sie dürfen und was Sie nicht dürfen. Das
ist die Konstellation, mit der wir es im Bundestag gegenwärtig zu tun haben.
({8})
Deshalb ist das Ganze nicht glaubwürdig. - Herr Präsident, ich bin schon fertig.
Das ist ja nicht zu fassen.
Ich war so was von diszipliniert. - Ich hoffe, wir werden die Atomwaffen so schnell wie möglich los.
Danke schön.
({0})
Das Wort erhält der Kollege Jürgen Trittin für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, so ist
es: Die einen haben sehr pragmatische Visionen, und die
anderen sind sprachlos. Präsident Obama hat in Prag in
der Tat einen Paradigmenwechsel in der Abrüstungspolitik eingeleitet. Der mächtigste Staat unterstützt nun
die Perspektive einer Welt ohne Atomwaffen. Und was
macht die Bundesregierung? Folgt sie Helmut Schmidt
und Richard von Weizsäcker? Nein, Frau Merkel ist seitdem weitgehend in Sprachlosigkeit verfallen. Man merkt
ihr irgendwie an, dass sie den Wechsel von George W. zu
Barack Obama mental noch nicht so richtig verarbeitet
hat.
Ihr Außenminister, der liebe Frank Steinmeier, redet
dafür umso lauter, aber eigentlich immer nur auf Seminaren der Friedrich-Ebert-Stiftung und auf SPD-Parteiversammlungen.
({0})
Die Frage bleibt natürlich: Was macht die Bundesregierung?
({1})
Was ist ihr konkreter Vorschlag, den sie in diesen Prozess einbringen will? Was ist ihr Zeitplan? Welchen Vorschlag wird die Bundesrepublik Deutschland im Mai bei
der Vorbereitungskonferenz für die Überprüfungskonferenz machen? Werden Sie - gemeinsam vielleicht mit
dem Bundesverteidigungsminister - vorschlagen, dass
Deutschland endlich den Zustand beendet, dass jeden
Tag deutsche Soldaten in Tornados steigen, um den Abwurf von Nuklearwaffen zu üben?
Ich sage Ihnen eines, Herr Steinmeier - den Zwischenruf mit der Münchner Sicherheitskonferenz habe
ich gehört -: Für eine Regierung reicht es nicht, zu reden. Eine Regierung, auch eine Große Koalition, ist dafür gewählt worden, zu handeln.
({2})
Handeln heißt in dieser Frage: Beenden Sie die
nukleare Teilhabe. Sie müssen sich nicht hinter den
USA verstecken. Es ist eine souveräne Entscheidung der
Bundesrepublik Deutschland, ob wir weiterhin eine Mitmach-Atommacht sind oder nicht.
Das hat auch Konsequenzen. Nur wer selbst bereit ist,
ohne Atomwaffen zu leben, kann glaubwürdig von anderen verlangen, es genauso zu tun. Solange Atomwaffenstaaten oder Nukleare-Teilhabe-Staaten wie Deutschland
behaupten - Frau Merkel hat das erneut getan -, dass
Atomwaffen für die eigene Sicherheit unverzichtbar
seien, so lange werden diese Waffen für andere interessant bleiben.
({3})
Diese krude Logik hat uns nach einer Phase der Abrüstung in den 90er-Jahren dahin gebracht, dass wir inzwischen wieder mehr statt weniger Atomwaffen haben.
Solange die atomwaffenbesitzenden Staaten ihren im
Nichtverbreitungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkommen, so lange können sie sich von allen Bemühungen über strengere Regeln und bessere
Kontrollen zur Nichtverbreitungspolitik nicht ernsthaft
versprechen, dass diese zum Erfolg führen.
Die Doppelstandards zwischen den Technologieinhabern - das sind nicht nur die atomwaffenbesitzenden
Staaten - haben das Nichtverbreitungsregime 2005 kurz
vor den Kollaps gebracht. Anstatt daraus Lehren zu ziehen, hat die Bundesregierung aktiv vorwärtstreibend
eine Rolle dabei gespielt, unter Bruch wesentlicher Prinzipien des Nichtverbreitungsvertrages den U.S.-India
Nuclear Deal durch die Nuclear Suppliers Group durchzupeitschen. Anders kann man das nicht sehen.
({4})
Nun gibt es seit der Rede von Barack Obama die
Hoffnung, dass 2010 anders sein wird als 2005. Beim
Lesen des Antrags der Großen Koalition frage ich mich
aber wirklich - dazu habe ich in der Rede des Bundesaußenministers auch nichts gehört -: Was wollen Sie
eigentlich? Sie sagen, der Atomteststoppvertrag sei
wichtig. Natürlich ist er wichtig. Wir haben ihn hier ratifiziert. Des Weiteren sprechen Sie davon, dass es ein
Folgeabkommen zu START geben müsse. Ja, das stimmt.
Aber das interessiert die Bundesrepublik Deutschland
doch nicht.
({5})
- Lieber Herr von Klaeden, eigenes Handeln findet in
diesen Anträgen überhaupt nicht statt.
({6})
Eigenes Handeln hätte geheißen: Wir brauchen Verhandlungen über eine nichtdiskriminierende, verifizierbare und durchsetzbare Nuklearwaffenkonvention. Wir
brauchen ein Kernwaffenregister. Wir müssen als EuroJürgen Trittin
pa dem Raketenabwehrschild eine Absage erteilen. Wir
müssen endlich darangehen, die Sicherheitsstrategie der
NATO zu entnuklearisieren.
({7})
Das ist eigenes Handeln. Es reicht nicht aus, auf der Tribüne zu kommentieren, während andere spielen.
Sie haben gesagt, es gebe auch eine moralische Verantwortung zum Handeln. Das steht darin. Betrachten
Sie doch bitte einmal selbstkritisch Ihre eigene Geschichte. Wer hat denn das große Loch in den Nichtverbreitungsvertrag hineinverhandelt - ein Loch, so groß
wie ein Scheunentor -, dass die Technologie der Anreicherung und Wiederaufarbeitung nicht dem Nichtverbreitungsregime unterliegt? Das war damals Deutschland. Wenn Sie heute hier zu Recht vor den Gefahren des
iranischen Atomprogramms warnen, muss ich Sie um
der historischen Wahrheit willen darauf hinweisen, dass
die Tür für Ahmadinedschad durch die Art und Weise, in
der Franz Josef Strauß dieses Loch seinerzeit hineinverhandelt hat, geöffnet worden ist.
({8})
Solange die Situation so ist, kommen Sie in Bezug auf
die Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufs
nicht zu einem diskriminierungsfreien Regime.
Eigenes Handeln - die eigene Bereitschaft, die Wiederaufarbeitung und die Anreicherung in Deutschland,
beispielsweise in Gronau, endlich selber solchen Regeln
zu unterwerfen - ist also die Voraussetzung für Fortschritte in der Nichtverbreitungspolitik. Eigenes Handeln heißt aber auch: eigenes Handeln im Bereich der
nuklearen Teilhabe. Wir müssen Schluss damit machen,
dass Obama vorlegt, Merkel schweigt und Deutschland
in der Abrüstungspolitik weiter herumeiert. Ich finde,
die Zeit der Ausreden ist vorbei. Wir wissen heute: Eine
Welt ohne Atomwaffen ist möglich. Es kommt darauf
an, endlich anzufangen.
({9})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rolf Mützenich,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, heute ist ein guter Tag, und zwar nicht nur, weil
wir heute einmal vormittags im Deutschen Bundestag
über die nukleare Abrüstung sprechen, sondern auch,
weil zeitgleich in Rom die amerikanischen und die russischen Verhandlungspartner zum ersten Mal zusammenkommen, um über Abrüstung im Bereich der strategischen Atomwaffen zu sprechen.
({0})
Herr Trittin, ich finde schon, dass man deutlich sagen
muss, dass Deutschland ein großes Interesse an der Abrüstung der strategischen Atomwaffen hat. Deutschland
ist ein verantwortlich handelndes Land innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Deswegen haben wir dieses
Thema auch in den Koalitionsantrag aufgenommen.
Unsere Sicherheit wird gestärkt, wenn es gelingt, das
einzuhalten, was sich Präsident Obama und Präsident
Medwedew versprochen haben, nämlich bei den strategischen Atomwaffen deutlich abzurüsten. Deswegen
begrüßen wir das gerade am heutigen Tag.
({1})
Kollege Hoyer hat vollkommen recht: Die nukleare
Abschreckung war während des Ost-West-Konflikts eine
Last. Einige behaupten ja immer noch, wir hätten es der
nuklearen Abschreckung zu verdanken, dass wir sozusagen über die Runden gekommen sind. Wenn man die
Dokumente, die die Archive freigegeben haben, heute
liest, wird einem jetzt noch mulmig zumute. Dann denkt
man darüber nach, was alles hätte passieren können. Dabei geht es nicht nur um die Kuba-Krise, sondern auch
um NATO-Manöver, um Fehler auf der sowjetischen
Seite und viele andere Dinge.
Präsident Obama ist ein Realist, wenn er Visionen
hat. Ich sage das ganz bewusst als Sozialdemokrat; denn
er hat einen guten Fürsprecher, Helmut Schmidt, der, wie
Sie wissen, den einen oder anderen Visionär zumindest
während seiner Kanzlerschaft anders bezeichnet hat. Gerade deswegen ist seine Fürsprache bedeutsam. Wir
unterstützen Präsident Obama in seiner realistischen
Strategie, damit die Kernwaffen von dieser Erde verschwinden.
({2})
Es ist gut und richtig, dass der Außenminister zweierlei tut: Bei seinen nächsten Gesprächen in den USA wird
er mit seiner amerikanischen Kollegin über die in
Deutschland lagernden Atomwaffen sprechen. Er wird
aber auch sagen, dass die substrategischen Atomwaffen aus Europa verschwinden müssen. Das ist ein realistischer Ansatz. Darum geht es.
Ihre Anträge dienen im Grunde nur der Nabelschau.
Sie suggerieren den Leuten draußen, dass wir sicherer
wären, wenn die Atomwaffen weg wären. Damit widerlegen Sie aber Ihre eigene Argumentation im Hinblick
auf die nukleare Abschreckung und die Verfügungsgewalt über zahllose Atomwaffen. Es war richtig, dass der
Außenminister gesagt hat, dass er diese beiden Aspekte
zusammenbringen will. Liebe Kolleginnen und Kollegen
von der FDP, genau diesen Aspekt haben Sie in Ihrem
Antrag nicht berücksichtigt. Sie gehen nur auf die Atomwaffen ein, die sich auf deutschem Territorium befinden.
Ich finde, das ist zu wenig. Wenn man eine seriöse Sicherheitspolitik betreiben will, wenn man für nukleare
Abrüstung und Abrüstung insgesamt eintritt, muss man
diese Dinge gemeinsam ansprechen. Deswegen sage ich
Ihnen ganz ehrlich: Sie machen nur Spektakel. Ich bin
froh, dass Frank-Walter Steinmeier keine Fisimatenten
- Entschuldigung: keinen Unfug; als Rheinländer sagt
man das so - macht, sondern genau den von mir bezeichneten Aspekt in die Gespräche einbringt.
({3})
Kollege Hoyer, ich würde Sie gerne einmal fragen
- diese Frage habe ich mir schon während Ihrer Rede
überlegt -, mit wem Sie das, was in Ihrem Antrag steht
und was Sie eben hier vorgetragen haben, eigentlich erreichen wollen. Mit Ihrem Wunschpartner, der nebenan
sitzt?
({4})
Verstehen Sie das unter Seriosität bei diesen Themen im
kommenden Wahlkampf? Ich finde, dass der außenpolitische Aspekt dazugehört. Sie müssen sagen, mit welchem Partner Sie das nach dem 27. September umsetzen
wollen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich schätze die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU - persönlich
auf jeden Fall -, aber ich kann Ihnen Geschichten erzählen, die zeigen, wie schwer es in den letzten Jahren gewesen ist, das eine oder andere auf den Weg zu bringen.
({5})
Deswegen bin froh, dass wir es geschafft haben, den Antrag von CDU/CSU und SPD heute auf den Weg zu bringen.
Ich war enttäuscht - ich versuche, eine ehrliche Debatte zu führen -, als die Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten einen zwar lesenswerten Beitrag
zur Sicherheitskonferenz in München geschrieben hat,
es aber nicht geschafft hat, das umzusetzen, was wir innerhalb der Europäischen Union brauchen, nämlich eine
ernsthafte Debatte mit den europäischen Partnern, mit
Großbritannien und mit Frankreich, über die Atomwaffen zu führen. Ich hätte diesen Artikel sofort unterschrieben, wenn die Bundeskanzlerin es geschafft hätte, vom
französischen Präsidenten, der ja sehr eigenwillig ist
- das gebe ich gern zu - und vielleicht gar nicht so einfach in eine bestimmte Richtung gelenkt werden kann,
die Aussage zu erhalten, dass er zumindest auf die Modernisierung der französischen Atomwaffen verzichtet. Auch dafür tritt der deutsche Außenminister ein. Ich
glaube, dass er in nächster Zukunft mit seinem britischen
Kollegen über wichtige Bereiche sprechen wird, bei denen es um nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle
geht.
Wir brauchen wieder eine politische Kultur der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle. Wir brauchen
den Einsatz für die konventionelle Abrüstung; dies ist
eben angesprochen worden. Wir haben das in unser
Grundsatzprogramm und auch in unser Wahlprogramm
aufgenommen. Die Menschen können darüber befinden,
ob es für Deutschland der richtige Weg ist, diese beiden
Aspekte - die hier lagernden Atomwaffen und die weltweite Abrüstung - zusammenzuführen. Dafür treten wir
ein. Daher sollten Sie unserem Antrag zustimmen.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat nun Kollegin Elke Hoff für die FDPFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Vorwurf der Fisimatenten - lieber Kollege
Mützenich, das ist ein Wort, das wohl nur die Rheinländer verstehen können ({0})
weise ich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich zurück. Wir versuchen nicht, den Eindruck zu erwecken,
dass man die taktischen Nuklearwaffen sozusagen von
heute auf morgen von deutschem Boden abziehen
könnte. Vielmehr sagen wir einerseits, dass wir ein Zeichen setzen möchten. Andererseits möchten wir im Diskussionsprozess in der Nuklearen Planungsgruppe die
Möglichkeit haben, über den weiteren Umgang des
Bündnisses mit Nukleartechnologie als strategischem
Instrument zu reden. Ich halte das für einen sehr klugen
und guten Weg, um vernünftige Gespräche mit den Partnern zu erreichen.
({1})
Wir haben heute sehr häufig gehört, dass spätestens
seit der Rede des neuen US-Präsidenten Obama in Prag
das Ziel einer kernwaffenfreien Welt nun endgültig von
einer politischen Utopie zu einer historischen Chance
geworden ist. Das ist richtig; aber wir sind gleichzeitig
aufgefordert, lieber Kollege Mützenich, vor der eigenen
Haustür zu kehren. Wer, wenn nicht wir, kann hier ein
Zeichen setzen? Wir als Deutscher Bundestag sollten
fordern, dass die auf deutschem Boden verbliebenen Nuklearwaffen abgezogen werden. Ich hoffe sehr, dass das
Parlament unserem Antrag heute mit breiter Mehrheit
Folge leisten wird.
({2})
Wir Europäer dürfen uns nicht damit zufriedengeben,
jetzt auf die Abrüstungsinitiativen der Vereinigten Staaten zu warten. Deutschland und Europa müssen sich zu
ihrer eigenen abrüstungspolitischen Verantwortung bekennen und vor allen Dingen das überkommene sicherheitspolitische Denken aus den Zeiten des Kalten Krieges über Bord werfen. Denn nur wenn Deutschland
seinen eigenen Abrüstungsverpflichtungen nachkommt,
können wir als glaubwürdiger Nichtkernwaffenstaat international vorangehen.
Bevor ich zum Dreh- und Angelpunkt der heutigen
Debatte komme, nämlich dem Abzug der auf deutElke Hoff
schem Boden verbliebenen Nuklearwaffen, eines vorweg: Die Regierungspartner können noch so viele wohlklingende und natürlich auch wohlgemeinte Anträge
einbringen, die dazu aufrufen, die Chancen für eine weltweite Abrüstung zu nutzen. Sie werden damit nicht verbergen können, dass Deutschland in den knapp vier Jahren Regierungszeit der Großen Koalition nicht die
abrüstungspolitische Vorreiterrolle übernommen hat.
({3})
Die koalitionsinterne Uneinigkeit spiegelt sich im
vorliegenden Abrüstungsantrag wider. Wenn der Bundesaußenminister diese Forderung gegenüber den Bündnispartnern tatsächlich aktiv erheben will, dann hätte
man das in den Antrag schreiben können. Das hätte ihm
geholfen und ihm Rückenwind gegeben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, überlegen Sie, ob Sie
nicht doch Ihre Zustimmung dem Antrag, den wir vorgelegt haben, erteilen können.
({4})
Meine Redezeit läuft ab, insofern lassen Sie mich
zum Schluss kommen. Dass Deutschland die Mitgliedschaft in der Nuklearen Planungsgruppe verlieren oder
auch nur ein formales Mitspracherecht einbüßen würde,
sollten die US-Atomwaffen abgezogen werden, ist, wie
Kollege Hoyer schon gesagt hat, mit Verlaub ein Ammenmärchen. Es wird damit auch nicht die Axt an den
Kernbestand der NATO gelegt. Kanada und Griechenland - das ist heute bereits erwähnt worden - haben dies
vorgemacht.
Man kann aber nicht, wie dies die Bundesregierung
bisher getan hat, auf eine Zeitenwende bei der nuklearen
Abrüstung hoffen und gleichzeitig an der technisch-nuklearen Teilhabe, einem Relikt des Kalten Krieges, festhalten. Das passt nicht zusammen. Deshalb ist es nur
konsequent, diese Waffen abzuziehen und die technischnukleare Teilhabe Deutschlands zu beenden.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat nun Kollege Eduard Lintner für die
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Debatte, die wir heute führen, findet - darauf ist schon
mehrfach hingewiesen worden - unter dem Eindruck der
Rede von Barack Obama in Prag statt. Dort hat der Präsident die Vision einer Welt ohne Atomwaffen aufgegriffen und sich zu diesem Ziel bekannt. Wie wir alle
miterleben konnten, hat er damit viel Hoffnung geweckt
und einen Wunsch vieler Menschen artikuliert.
Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die heutige Debatte natürlich auch unter dem Schatten des nordkoreanischen Raketenstarts am selben Tag und auch der
Bekanntmachung des Irans, dass das Land seine Anstrengungen zur Urananreicherung signifikant erhöht
habe, stattfindet. Diese Meldungen haben wiederum verdeutlicht, dass der Weg zu einer kernwaffenfreien Welt
sehr weit und bei weitem nicht leicht sein wird. Er kann
eben nur geduldig und in vielen kleinen Schritten gegangen werden. Wir dürfen den Menschen nicht vorgaukeln,
dass all das demnächst schon erreicht werden könnte,
wie dies einige Redner leider getan haben.
Die bevorstehende Sitzung des Vorbereitungsausschusses für die nächste Überprüfungskonferenz des
Atomwaffensperrvertrages kann ein solcher Schritt sein.
Ich hoffe, sie wird es auch. Dieser Vertrag ist zwar wie
die Atomwaffen selbst ein Relikt des Kalten Krieges,
aber er ist heute wichtiger denn je, da sich mehr Staaten
als früher zielstrebig darum bemühen, in den Besitz von
Atomwaffen zu gelangen. Gerade von diesen nuklearen
Ehrgeizlingen geht heute eine der größten Gefahren für
die internationale Sicherheit aus, denn sie werden zum
Teil von unberechenbaren Regimen regiert, sind meist in
gefährliche Regionalkonflikte verstrickt oder gar vom
Zusammenbruch staatlicher Gewalt bedroht.
Die nuklearen Ambitionen dieser Staaten drohen
ganze Regionen zu destabilisieren und ziehen dann
zwangsläufig eine weitere Verbreitung nuklearer Waffen
nach sich. Hauptziel einer Revision des Atomwaffensperrvertrages muss es vor diesem Hintergrund sein,
die Verbreitung von Wissen und Material zur Herstellung nuklearer Waffen effektiver als bisher zu kontrollieren und wirksame Sanktionsmechanismen zu schaffen.
Auch Präsident Obama - daran sei erinnert - hat in seiner Prager Rede gerade solche Schritte als eine zwingende Vorbedingung für weitere nukleare Abrüstung genannt.
Solche Vorbedingungen setzen auch die Grenzen für
die Möglichkeiten zu uni- und bilateralen Abrüstungsverpflichtungen, wie zum Beispiel beim angestrebten
START-Nachfolgeabkommen zwischen Russland und
den USA. Keine Nuklearmacht wird sich freiwillig entwaffnen, wenn sie nicht sicher sein kann, dass sie nicht
von anderen Staaten nuklear bedroht wird. Nukleare
Abschreckung ist daher nach wie vor notwendig und
unverzichtbar. Deshalb sollte auch die NATO weiterhin
eine nukleare Komponente haben und muss Deutschland
weiter im System der nuklearen Teilhabe integriert bleiben.
Ein Verzicht auf die nukleare Teilhabe, wie er hier gefordert wird, würde jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Beitrag zu einer weiteren globalen Abrüstung leisten. Ich bin sicher, weder Herr Ahmadinedschad
noch Kim Jong II würden sich vom Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland sonderlich beeindruckt zeigen.
Die Teilhabe ist darüber hinaus nicht zuletzt - das
sollten wir nicht vergessen - auch ein manifestes Zeichen transatlantischer Solidarität und Zusammenarbeit,
auf das wir nicht verzichten können. Deutschland wäre
daher schlecht beraten, unilateral einen Verzicht zu erklären. Ein solcher Schritt ist nur als Ergebnis einer
gründlichen Diskussion mit unseren Verbündeten über
die gemeinsame Verteidigungsstrategie überhaupt vorstellbar.
({0})
In diesem Kontext muss, wie ich meine, auch ernsthaft über die Möglichkeiten der Raketenabwehr nachgedacht werden. Denn eine effektive Raketenabwehr
vermindert zum Beispiel die eigene Verwundbarkeit
durch nukleare Angriffe und verringert daher letztlich
die Notwendigkeit des Besitzes eigener Nuklearwaffen
zum Zwecke der Abschreckung.
({1})
Systeme zur Raketenabwehr können daher eine wichtige
Rolle auf dem Weg zu einer nuklearwaffenfreien Welt
spielen.
Konkret stellt sich für Deutschland auf dem Gebiet
der Nuklearpolitik neben dem Engagement für eine Revision des Sperrvertrages zurzeit vor allem die Frage
nach dem Umgang mit dem Iran. Zusammen mit den
ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen haben wir hierfür Verantwortung übernommen; Herr Kollege Trittin, das ist auch Ihnen bekannt,
und das ist durchaus ein konkreter Beitrag, wie Sie ihn
einfordern. Der Ansatz dieser Bemühungen hat sich
durch die diplomatische Offensive der neuen US-Regierung gewandelt. Es wird sich zeigen, ob der Iran auf die
neue Offenheit der USA anders reagiert als auf die harte
Haltung der Bush-Administration.
Die bisherigen Reaktionen aus Teheran sind nicht
gerade ermutigend. Der neue Ansatz der Obama-Administration ist aber, wie ich glaube, eines Versuches und
unser aller Unterstützung wert. Sollte er aber scheitern,
meine Damen und Herren, muss der Westen und muss
auch Deutschland wieder zu weiteren Sanktionen bereit
sein. Nur so bleiben wir in unserem Bekenntnis zur Verhinderung der Verbreitung nuklearer Waffen glaubhaft.
Glaubhaftigkeit ist auch hier die zwingende Voraussetzung für den Erfolg, den wir alle erzielen wollen.
Ich danke Ihnen.
({2})
Das Wort hat nun Gert Winkelmeier.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die
zu Ende gehende Sitzungswoche hat gute Aussichten,
als historisch in unsere Parlamentsgeschichte einzugehen. Wer von Ihnen kann sich daran erinnern, dass einmal alle Fraktionen dieses Hauses in drei Themen der
Verteidigungspolitik im Grundsatz übereingestimmt haben: erstens bei der Schließung des Luft-Boden-Schießplatzes Wittstock, zweitens beim Verbot von Streumunition und drittens - heute - bei der nuklearen Abrüstung?
Auch wenn Präsident Obama noch nicht Mitglied der
Friedensbewegung ist, so gilt: Er hat mit seiner Ankündigung, auf eine atomwaffenfreie Welt hinzuarbeiten, offensichtlich Schwung in die Abrüstungsdebatte gebracht. Ich hoffe, dass damit eine Schubumkehr einsetzt,
die die verheerende Politik der Regierung Bush Stück
für Stück revidiert, eine Politik, deren sichtbarer Ausdruck das Scheitern der Überprüfungskonferenz des
Nichtverbreitungsvertrages im Jahre 2005 und die einseitige Kündigung des ABM-Vertrages über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen im Jahre 2002 ist.
Den Atommächten, die den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag ratifiziert haben, kommt nach Art. VI des
Vertrages ohne Zweifel die Hauptverantwortung zu,
wenn es darum geht, eine Welt ohne Atomwaffen zu
schaffen. Von dieser Verantwortung war bisher leider
nicht viel zu sehen. Denn entgegen ihrer vertraglichen
Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung werden immer
neue Waffen und Trägersysteme entwickelt. Auch geistig ist weiter aufgerüstet worden. Ich erinnere nur an die
US-Doktrin für gemeinsame nukleare Operationen in der
Joint Publication 3-12, die bei einer vermuteten Bedrohung durch ABC-Waffen explizit einen Präventivangriff
vorsieht.
Ich komme zur Verantwortung der nichtatomaren
Mitglieder des Vertrages. Hiermit meine ich besonders
diejenigen, die in der NATO Einfluss haben. Dem Bündnis gehören schließlich drei der fünf Nuklearmächte an,
die dem Vertrag beigetreten sind.
Da muss ich die Frage stellen, ob die Bundesregierungen seit Ende des Kalten Krieges das ihnen Mögliche getan haben, eine Weiterverbreitung zu verhindern, und ob
ihre Politik dazu beigetragen hat, das Vertrauen der
nichtatomaren Vertragsstaaten in die Ziele des Vertrages
zu stärken. Mir als Rheinland-Pfälzer fällt da als Erstes
Büchel ein. Das dort stationierte Jagdbombergeschwader 33 ist die letzte verbliebene Klammer zur sogenannten nuklearen Teilhabe Deutschlands, an der die Bundesregierung aus mir unerfindlichen Gründen immer noch
festhält.
In Reichweite der Tornados bzw. eines Nachfolgeflugzeuges sehe ich keinen Staat, der Deutschland feindlich gesinnt wäre. Vereinbaren Sie also mit den USA den
Abzug der noch immer in Büchel lagernden Atomwaffen! Hier kann der Außenminister konkret Wort halten,
und Deutschland stünde nicht mehr im Verdacht, das Gebot der Nichtverbreitung zu unterlaufen.
Welche Forderungen muss die Bundesregierung aus
meiner Sicht heute an den Vorbereitungsausschuss für
die Überprüfungskonferenz 2010 des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages stellen? Es muss erstens erheblicher Druck auf die vier Staaten Indien, Israel, Nordkorea
und Pakistan ausgeübt werden, diesem Vertrag beizutreten. Das heißt zweitens, dass diese Staaten ihr Atomwaffenpotenzial vernichten müssen. Drittens müssen die
fünf Atomwaffenstaaten, die bereits vor dem 1. Januar
1967 Atomtests durchführten, endlich ihrer vertraglichen
Verantwortung gerecht werden und qualitativ atomar abrüsten. Wenn die Präsidenten Obama und Medwedew
diese Politik einleiten würden, wären sie wirklich glaubhafte Abrüstungspolitiker.
Ich komme zum Schluss. Für die Abrüstungspolitik
insgesamt gilt: Der durch den US-Präsidenten ausgelöste
Schwung muss genutzt werden, um in den kommenden
Monaten Fakten zu schaffen, an denen auch inneramerikanische Gegenkräfte zur Abrüstungspolitik nicht vorbeikommen; denn die sind bereits dabei, sich neu zu formieren.
Vielen Dank.
({0})
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem
Kollegen Gert Weisskirchen für die SPD-Fraktion das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
2009 kann - das hat Barack Obama in Prag deutlich unterstrichen - ein Jahr werden, in dem eine Zeitenwende
anbricht. Zum ersten Mal hat ein amerikanischer Präsident auch vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte
deutlich gesagt: Wir, die USA, sind die Einzigen, die jemals Atomwaffen militärisch eingesetzt haben. - Er hat
die Vision entwickelt: Weil das so ist, sind wir, die USA,
auch diejenigen, die dafür kämpfen wollen, dass die
Welt von Atomwaffen frei wird. - Das ist ein qualitativer
Sprung, ein historischer Sprung. Wir sollten Barack
Obama dabei jede Unterstützung zukommen lassen.
({0})
Wir könnten endlich einen der fürchterlichsten Albträume, nämlich dass die Menschheit sich selbst zerstört,
dass die Zivilisation durch menschliches Fehlhandeln
oder Fehlverhalten zerstört werden kann, loswerden. Das
ist etwas unerhört Neues. Der Kollege Hoyer hat zu
Recht darauf hingewiesen, dass dieser Prozess lange
dauern wird. Wir werden erleben, dass es eine ganze
Reihe von Fallstricken gibt. Aber der zentrale Punkt ist,
dass das jetzt möglich ist.
Auch der Präsident einer anderen großen Atommacht,
Dmitrij Medwedew, will kooperieren. Beide wollen vertrauensvoll miteinander an dieser großen Aufgabe arbeiten. Jetzt kommt es darauf an, dass auch wir uns in den
Verhandlungsprozess einklinken. Lieber Kollege Hoyer,
ich schätze Sie; aber Sie wissen doch auch, dass es klug
ist, sich in einen Prozess des multilateralen Handelns
und Verhandelns als konstruktiver Partner einzubringen.
Wir wollen, dass die nuklearen Waffen abgeschafft werden, die bei uns noch gelagert sind. Sie müssen aber im
Rahmen eines Prozesses wegverhandelt werden; genau
dies steht im Antrag der Großen Koalition.
Ich bitte Sie darum, manche Spiele der Parteitaktik
sich selbst zu überlassen.
({1})
Hier geht es um einen historischen Moment, auf den wir
jetzt mit vernünftigen Verhandlungsprozessen eingehen müssen. Deswegen ist das, was die Große Koalition
verabredet hat, ein sinnvoller und richtiger Verhandlungsschritt. Am Ende dieses Prozesses werden auch die
noch in Deutschland gelagerten Atomwaffen wegverhandelt sein, und dann wird die gesamte Welt nuklearwaffenfrei werden. An diesem Ziel sollten wir in diesem
Hause in großem Konsens gemeinsam arbeiten, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
({2})
Am Schluss spreche ich bewusst die Christdemokraten an. Jetzt kommt es darauf an, dass das, was Obama
selbst will, auch im Senat durchgesetzt wird. Für die Ratifizierungsprozesse beim CTBT braucht er eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Gegenwärtig fehlen ihm dazu
noch acht Stimmen. Das sind Stimmen der Republikaner. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wie wir unsere
Aufgabe und Verantwortung gegenüber den Demokraten
im Senat wahrnehmen,
({3})
bitte ich dringend und herzlich darum, dass auch Sie, die
Christdemokratische Union, dabei mithelfen, dass es am
Ende eine Zweidrittelmehrheit im Senat geben wird.
({4})
Dann werden wir die Chance haben, das zu realisieren,
was Barack Obama will: eine Welt frei von Nuklearwaffen.
Vielen Dank.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Es ist verlangt
worden, über vier Anträge namentlich abzustimmen. Ich
gehe davon aus, dass wir die namentlichen Abstimmun-
gen hintereinander durchführen können und im An-
schluss daran zu den einfachen Abstimmungen kom-
men. - Sie sind damit einverstanden. Dann verfahren wir
so. Da wir also gleich vier namentliche Abstimmungen
hintereinander haben werden, bitte ich alle Kolleginnen
und Kollegen, sorgfältig darauf zu achten, dass die
Stimmkarten, die sie verwenden, ihren Namen tragen.
Tagesordnungspunkt 33 a. Wir kommen zur ersten
namentlichen Abstimmung, und zwar zu dem Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 16/
12689 mit dem Titel „Die Chance zur nuklearen Abrüs-
tung nutzen - Überprüfungskonferenz zum Nichtver-
breitungsvertrag zum Erfolg führen“. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen.1)
Wir kommen zur zweiten namentlichen Abstimmung
und damit zu dem Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 16/12684 mit dem neuen Titel „Keine
Atomwaffen in Deutschland“. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzu-
nehmen. - Sind alle Abstimmungsurnen an ihren Plätzen
und die Schriftführerinnen und Schriftführer da? - Das
ist der Fall. Dann ist die zweite Abstimmung eröffnet.
Darf ich fragen, ob auch rechts die Abstimmung be-
endet ist? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe
ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2)
Wir kommen jetzt zur dritten namentlichen Abstim-
mung, und zwar über den Antrag der Fraktion der FDP
auf Drucksache 16/12667 mit dem Titel „Für einen Ab-
zug der in Deutschland noch verbliebenen US-Nuklear-
waffen“. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftfüh-
rer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist
offensichtlich geschehen. Dann eröffne ich die Abstim-
mung.
Darf ich fragen, ob alle Kollegen, die im Raume sind,
abgestimmt haben? - Das ist offensichtlich der Fall.
Dann schließe ich diese Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen.3)
Wir kommen zur vierten namentlichen Abstimmung
und damit zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf Drucksache 16/12686 mit dem Titel „Initiative
für eine atomwaffenfreie Welt unterstützen - Atomwaf-
fen aus Deutschland abziehen“. Ich bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze ein-
zunehmen. - Das ist erfolgt. Dann eröffne ich die
Abstimmung.
Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme
abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann
schließe ich die Abstimmung. Ich bitte auch hier die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen.4)
Die Ergebnisse der vier namentlichen Abstimmungen
werden Ihnen später bekannt gegeben.
Bevor wir mit zwei einfachen Abstimmungen fortfahren, bitte ich Sie, sich zu Ihren Plätzen zu begeben, damit es etwas übersichtlicher ist.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 12. Abstimmung über
den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/12666
mit dem Titel „Die NPT-Überprüfungskonferenz im
Jahre 2010 zum Erfolg führen - Für ein klares Bekenntnis zu dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt“.
({0})
1) Ergebnis Seite 23769 C
2) Ergebnis Seite 23771 B
3) Ergebnis Seite 23773 B
4) Ergebnis Seite 23776 A
Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
FDP bei Stimmenthaltung der Grünen und Nichtbeteiligung der Linksfraktion abgelehnt.
({1})
- Nein, Sie haben sich geirrt.
({2})
- Gut, dann korrigiere ich das Ergebnis: bei Zustimmung
der Linksfraktion.
Zusatzpunkt 13: Abstimmung über den Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/12685 mit
dem Titel „Konkrete Schritte zur nuklearen Abrüstung
jetzt einleiten - Nichtverbreitungsvertrag stärken“. Wer
stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Ent-
haltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen Die Linke und der Grünen abgelehnt.
Damit ist dieser Tagesordnungspunkt zunächst been-
det. Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmung wer-
den Ihnen später bekannt gegeben.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a bis 34 c sowie
Zusatzpunkt 15 auf:
34 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Krista
Sager, Kai Gehring, Priska Hinz ({3}), wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Zukunft schaffen, Bildung stärken - Bildungs-
politische Herausforderungen als gesamtstaat-
liche Aufgabe ernst nehmen
- Drucksache 16/12687 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({4})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia
Hirsch, Dr. Petra Sitte, Bodo Ramelow, Volker
Schneider ({5}) und der Fraktion DIE
LINKE
Bildungsgipfel nutzen - Bessere Bildung für
alle - Bildung als Gemeinschaftsaufgabe von
Bund und Ländern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz
({6}), Kai Gehring, Krista Sager, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Bildungsgipfel muss Ergebnisgipfel werden - Für ein gerechtes und besseres Bildungswesen
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
- zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Barth,
Patrick Meinhardt, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Aufbau von privatem Bildungskapital fördern - Grundlage für Bildungsinvestitionen
schaffen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager,
Kai Gehring, Priska Hinz ({7}), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Die finanziellen Grundlagen für den Bil-
dungsaufbruch schaffen
- Drucksachen 16/9808, 16/10586, 16/10328,
16/10587, 16/12656 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Marcus Weinberg
Cornelia Pieper
Cornelia Hirsch
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({8})
zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz
({9}), Kai Gehring, Krista Sager, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Bildungsstrategie für mehr Chancengerechtigkeit starten
- Drucksachen 16/7465, 16/12661 Berichterstattung:
Abgeordnete Uwe Schummer
Uwe Barth
Cornelia Hirsch
Priska Hinz ({10})
ZP 15 Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Barth, Cornelia Pieper, Jens Ackermann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Klarheit beim Konjunkturpaket II - Bildungspolitische Handlungsspielräume für Länder
und Kommunen einräumen
- Drucksache 16/12668 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung ({11})
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Krista Sager für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große
Koalition hat zu Anfang ihrer Zwangsehe recht vollmundige Erklärungen darüber abgegeben, was sie im
Bildungsbereich gemeinsam bewegen will: Die Schulabbrecherzahlen sollten halbiert werden, die Studierendenquote sollte auf 40 Prozent gesteigert werden, die Weiterbildung sollte die vierte Säule im Bildungssystem
werden. Aber auch bei der Großen Koalition gilt: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Die erste großkoalitionäre Großtat war, dass Sie sich bei der Föderalismusreform I in den zentralen Feldern des Bildungsbereichs
selber erst einmal zur Lame Duck, auf Deutsch: lahmen
Ente, gemacht haben.
({0})
Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir im
Bildungsbereich stehen, wäre es gerade darum gegangen, die Möglichkeiten des Zusammenwirkens von
Bund und Ländern zu entbürokratisieren, zu vereinfachen und auf moderne Füße zu stellen. Das von Ihnen
beschlossene weitgehende Kooperationsverbot, das Verbot gegenüber dem Bund, Schulgebäude mitzufinanzieren, war der totale Irrweg, aber die Große Koalition ist
diesen Irrweg zügig gemeinsam gegangen.
({1})
Dass das ein Fehler war, das wissen Sie inzwischen selber, aber der Fehler holt uns immer wieder ein. Ende dieses Jahres läuft das rot-grüne Ganztagsschulprogramm
aus. Es wird aber keine Neuauflage geben können, obwohl wir den zügigen Ausbau von Ganztagsschulen
dringend brauchen und die Länder damit offenkundig
überfordert sind.
({2})
Sie verkaufen das Konjunkturprogramm I ständig als
das große Bildungsprogramm. Tatsache ist, dass in die
Qualität von Bildung, in Personal- und Sachmittel, nicht
investiert werden kann. Die Aussage, wir sollten lieber
in Köpfe statt in Beton investieren, ist ein schöner
Spruch für Ihre Sonntagsreden. Die Praxis sieht leider
anders aus.
({3})
Inzwischen gibt es einen lebhaften Briefwechsel zwischen Bundesministerien, Landesbehörden und Kommunen über die Frage, wie groß der Ökoanteil an einer
Schulmodernisierung sein muss, damit sie noch verfassungskonform ist. Nachdem Sie Art. 104 b vermurkst
haben, darf eine Schulmodernisierung nämlich keine
Schulmaßnahme sein, sondern nur noch eine Umweltmaßnahme, weil der Bund hier noch die Gesetzgebungskompetenz hat.
Statt diesen Unsinn aus der Föderalismusreform I in
der Föderalismusreform II endlich zu korrigieren, setzen
Sie ihn weiter fort. Schulinvestitionen sollen nach der
Föderalismusreform II nur noch dann möglich sein,
wenn wir eine Wirtschaftskrise oder eine Naturkatastro23768
phe haben. Das heißt, falls sich im nächsten Jahr die
Wirtschaftslage erholen sollte, können wir nur noch auf
eine schwere Sturmflut hoffen, damit wir vielleicht doch
noch zu einem Ganztagsschulprogramm kommen.
({4})
Versuchen Sie mal, das den Bürgerinnen und Bürgern
vor Ort zu erklären. Die halten die Verantwortlichen in
Berlin für völlig bekloppt.
Ein Blick in den FDP-Antrag zeigt, Frau Pieper, dass
auch Sie inzwischen bezweifeln, dass der radikale Wettbewerbsföderalismus der richtige Weg ist, um gesamtstaatliche Aufgaben im Bildungsbereich zu erfüllen. Ich
kann Ihnen aber den Hinweis nicht ersparen, dass Sie
diesen Irrweg der Großen Koalition bei der Föderalismusreform mit wehenden Fahnen mitgegangen sind. Sie
persönlich haben zwar den Braten gerochen und geahnt,
dass kein Segen darauf liegt, aber Ihr Kollege Meinhardt
mit seinen ideologischen Scheuklappen hat es sich nicht
nehmen lassen, hineinzutappen.
Man könnte jetzt vermuten, dass Sie Ihren Einfluss in
den Landesregierungen nutzen wollen, um diesen Fehler
zu korrigieren. Was aber schlagen Sie von der FDP vor?
Sie bitten die Bundesregierung, mit der geltenden Verfassung etwas laxer umzugehen. Unter Verfassungspatriotismus stelle ich mir ehrlich gesagt etwas anderes vor.
({5})
Man fragt sich, ob erst alle wegsterben müssen, die an
dieser vermurksten Reform beteiligt waren, bevor wir
für den Bildungsbereich zu einer vernünftigen Verfassungslage kommen.
({6})
Das wäre ziemlich traurig.
Aber auch dort, wo Sie Instrumente haben und noch
handeln können, sind die Ergebnisse unzureichend und
unzulänglich. Viele junge Eltern werden sehr lange Gesichter machen, wenn sie merken, dass der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung im Jahr 2013 keineswegs
für einen Ganztagsplatz gilt. Notwendig ist aber nicht
nur ein quantitativer Ausbau, sondern vor allen Dingen
eine Qualitätsoffensive für die frühe Förderung.
({7})
Bei der beruflichen Ausbildung haben Sie von der
Konjunktur und der demografischen Entwicklung profitiert. Aber Sie haben die notwendigen Strukturreformen
versäumt. Für über 300 000 junge Menschen gibt es
keine werthaltigen Ausbildungsbausteine, durch die sie
in eine normale Ausbildung kommen können; sie befinden sich immer noch in Warteschleifen und im Übergangssystem. In der Krise wird es uns böse einholen,
dass Sie das duale System nicht durch konjunkturunabhängige Bausteine ergänzt haben. Das werden die jungen Leute in diesem Jahr zu spüren bekommen.
({8})
Bei der Weiterbildung hinken wir international weit
hinterher, vor allen Dingen bei der Beteiligung von
Niedrigqualifizierten. Ein bisschen Herumbasteln beim
Meister-BAföG ist einfach zu wenig. Wir brauchen ein
echtes Erwachsenenbildungsförderungsgesetz mit einer
Regelung zum Erwachsenen-BAföG. Diese Reform darf
nicht länger verschleppt werden.
({9})
Was den Hochschulpakt angeht, kann man froh sein,
dass er nicht am Einstimmigkeitsprinzip gescheitert ist.
Er ist aber mit 6 500 Euro pro Studienplatz unterfinanziert, weil ein echter Studienplatz teurer ist. Das heißt,
der Anreiz, sich die Studierenden vom Hals zu halten, ist
immer noch größer als der Anreiz, tatsächlich Studienplätze zu schaffen. Wir stehen bei der Studienanfängerquote jetzt da, wo wir schon 2003 waren. Das ist ein Armutszeugnis.
({10})
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Hinsken?
Ja, sehr gerne.
Frau Kollegin Sager, Sie haben eben die verschiedenen Bildungssysteme angesprochen und festgestellt,
dass es um Jugend und Bildung in der Bundesrepublik
Deutschland verdammt schlecht steht. Sind Sie bereit,
zur Kenntnis zu nehmen, dass die Jugendarbeitslosenquote im Nachbarland Frankreich 21,5 Prozent und im
PISA-Land Finnland 19,8 Prozent beträgt, in der Bundesrepublik Deutschland aber nur - in Anführungszeichen - 8,1 Prozent? Ist das nicht eine tolle Leistung der
deutschen Wirtschaft und der Politik, die die Rahmenbedingungen hierfür setzt? Sind Sie bereit, mir in diesen
Punkten beizupflichten?
({0})
Ich glaube, dass Sie sich die Lage etwas schönreden.
Wir haben immer noch 8 Prozent junge Leute, die die
Schule ohne einen Abschluss verlassen. Diese haben so
gut wie keine Chance, einmal auf eigenen Beinen zu stehen und unabhängig von sozialen Transferleistungen zu
werden. Wir haben uns die tatsächliche Lage in unserem
Bildungssystem ein bisschen dadurch schöngerechnet,
dass wir eine gute Konjunktur hatten und uns die demografische Entwicklung geholfen hat. Wenn wir aber in
der aktuellen Wirtschaftskrise nicht dem schon drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken, dann wird uns
das - auch in den sozialen Sicherungssystemen - böse
einholen. Ich erinnere nur an den großen Anteil der jungen Migranten bei den unter Sechsjährigen. Wenn diese
in unserem Bildungssystem so wenig erfolgreich sein
werden, wie es die jungen Migranten in der VergangenKrista Sager
heit waren, dann gnade uns Gott, was die Steuereinnahmen, die Erwerbstätigkeit, den Fachkräftemangel und
die Situation in unseren sozialen Sicherungssystemen
angeht. Es ist aber auch eine schreiende Ungerechtigkeit.
Ich finde Folgendes empörend: Die Bundesregierung
hat sich das Ziel gesetzt, 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung auszugeben. Man versucht aber, die
Aufgaben, vor denen wir stehen, kleinzurechnen, indem
man zum Beispiel sagt: Können wir bei den jungen Leuten ohne Schulabschluss nicht die vielen herausrechnen,
die wir auf Sonder- und Förderschulen abgeschoben haben, und bei den Bildungsausgaben nicht die Pensionen
der Lehrer hinzurechnen? Dann passt alles besser zusammen. - So einfach darf man es sich nicht machen.
({0})
Ich habe den Eindruck, dass die Beantwortung der
Frage, woher das Geld für Bildung, rund 25 Milliarden
Euro jährlich mehr, kommen soll, schlichtweg um ein
ganzes Jahr vertagt worden ist. Der Bildungsgipfel hatte
doch nur die Funktion, das Gesicht von Frau Merkel mit
dem Thema Bildung in Verbindung zu bringen. Ich habe
den Eindruck: Sie warten darauf, dass das Bruttoinlandsprodukt aufgrund der Krise so weit sinkt, dass Sie mit
den jetzigen Ausgaben auf 7 Prozent kommen.
({1})
Danke für Ihre Frage, Herr Hinsken.
Wir haben den belastbaren Vorschlag gemacht, den
Solidaritätszuschlag schrittweise in einen Bildungssoli
umzuwandeln; denn tatsächlich geht nur noch ein Teil
der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag in den Osten. Das ist ein erster belastbarer Finanzierungsvorschlag. Einen solchen vermisse ich bei Ihnen. So wie es
in den letzten vier Jahren gelaufen ist, bekommen wir
keinen Bildungsaufbruch in Deutschland hin. Diese
Große Koalition muss beendet werden, damit Kräfte für
einen Bildungsaufbruch frei werden, der seinen Namen
tatsächlich verdient.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme auf die
namentlichen Abstimmungen zurück und gebe die von
den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten
Ergebnisse bekannt.
Zuerst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD mit dem Titel „Die Chancen zur nuklearen
Abrüstung nutzen - Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag zum Erfolg führen“: abgegebene
Stimmen 507. Mit Ja haben gestimmt 427, mit Nein haben gestimmt 80, Enthaltungen keine. Der Antrag ist damit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 506;
davon
ja: 427
nein: 79
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({1})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({2})
Axel E. Fischer ({3})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({4})
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({5})
Dr. Franz Josef Jung
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({6})
Volker Kauder
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({7})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({8})
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({9})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
({10})
Stefan Müller ({11})
Bernd Neumann ({12})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Katherina Reiche ({13})
Klaus Riegert
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({14})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({15})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({16})
Andreas Schmidt ({17})
Ingo Schmitt ({18})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({19})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Peter Weiß ({20})
Gerald Weiß ({21})
Ingo Wellenreuther
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({22})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Dr. Axel Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({23})
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({24})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Martin Gerster
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({25})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({26})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({27})
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({28})
Frank Hofmann ({29})
Dr. Eva Högl
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({30})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({31})
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({32})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({33})
Michael Müller ({34})
Gesine Multhaupt
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({35})
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Christel RiemannHanewinckel
Sönke Rix
René Röspel
Karin Roth ({36})
Michael Roth ({37})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({38})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({39})
Otto Schily
Ulla Schmidt ({40})
Silvia Schmidt ({41})
Dr. Frank Schmidt
Heinz Schmitt ({42})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({43})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
({44})
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
Manfred Zöllmer
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({45})
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({46})
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dr. Erwin Lotter
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Gisela Piltz
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Christoph Waitz
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Nein
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Lothar Bisky
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Diana Golze
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Katrin Kunert
Ulla Lötzer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Elke Reinke
Paul Schäfer ({47})
({48})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({49})
Ulrike Höfken
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({50})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({51})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({52})
Manuel Sarrazin
Irmingard Schewe-Gerigk
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
fraktionslose Abgeordnete
Henry Nitzsche
Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Keine Atomwaffen in Deutschland“: abgegebene Stimmen 495. Mit
Ja haben gestimmt 77, mit Nein haben gestimmt 417,
Enthaltungen 1. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 500;
davon
ja: 78
nein: 421
enthalten: 1
Ja
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Diana Golze
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia
Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Katrin Kunert
Ulla Lötzer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Elke Reinke
Paul Schäfer ({53})
({54})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({55})
Ulrike Höfken
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({56})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({57})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({58})
Manuel Sarrazin
Irmingard Schewe-Gerigk
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
fraktionslose Abgeordnete
Henry Nitzsche
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({59})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({60})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({61})
Axel E. Fischer ({62})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({63})
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({64})
Dr. Franz Josef Jung
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({65})
Volker Kauder
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({66})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({67})
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({68})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
({69})
Stefan Müller ({70})
Bernd Neumann ({71})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Katherina Reiche ({72})
Klaus Riegert
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({73})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({74})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({75})
Andreas Schmidt ({76})
Ingo Schmitt ({77})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({78})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Peter Weiß ({79})
Gerald Weiß ({80})
Ingo Wellenreuther
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({81})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Dr. Axel Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({82})
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({83})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Martin Gerster
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({84})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({85})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({86})
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({87})
Frank Hofmann ({88})
Dr. Eva Högl
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({89})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({90})
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({91})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({92})
Michael Müller ({93})
Gesine Multhaupt
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({94})
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Christel RiemannHanewinckel
Sönke Rix
René Röspel
Karin Roth ({95})
Michael Roth ({96})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({97})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({98})
Otto Schily
Ulla Schmidt ({99})
Silvia Schmidt ({100})
Dr. Frank Schmidt
Heinz Schmitt ({101})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({102})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
({103})
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
Manfred Zöllmer
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({104})
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich ({105})
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dr. Erwin Lotter
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Gisela Piltz
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Christoph Waitz
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Enthalten
SPD
Ernst Kranz
Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Für einen Abzug der in Deutschland noch verbliebenen US-Nuklearwaffen“: abgegebene Stimmen 523. Mit Ja haben
gestimmt 130, mit Nein haben gestimmt 392, Enthaltungen 1. Der Antrag ist abgelehnt.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 503;
davon
ja: 128
nein: 374
enthalten: 1
Ja
SPD
Rüdiger Veit
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({106})
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({107})
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dr. Erwin Lotter
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Gisela Piltz
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Lothar Bisky
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Diana Golze
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Katrin Kunert
Ulla Lötzer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Elke Reinke
Paul Schäfer ({108})
({109})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({110})
Ulrike Höfken
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({111})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({112})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({113})
Manuel Sarrazin
Irmingard Schewe-Gerigk
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
fraktionslose Abgeordnete
Henry Nitzsche
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({114})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({115})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({116})
Axel E. Fischer ({117})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({118})
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({119})
Dr. Franz Josef Jung
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({120})
Volker Kauder
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({121})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({122})
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({123})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
({124})
Stefan Müller ({125})
Bernd Neumann ({126})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Katherina Reiche ({127})
Klaus Riegert
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({128})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({129})
Andreas Schmidt ({130})
Ingo Schmitt ({131})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({132})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Peter Weiß ({133})
Gerald Weiß ({134})
Ingo Wellenreuther
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Werner Wittlich
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({135})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Dr. Axel Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({136})
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({137})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Martin Gerster
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({138})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({139})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({140})
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({141})
Frank Hofmann ({142})
Dr. Eva Högl
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({143})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({144})
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({145})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({146})
Michael Müller ({147})
Gesine Multhaupt
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({148})
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Christel RiemannHanewinckel
Sönke Rix
René Röspel
Karin Roth ({149})
Michael Roth ({150})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({151})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({152})
Otto Schily
Ulla Schmidt ({153})
Silvia Schmidt ({154})
Dr. Frank Schmidt
Heinz Schmitt ({155})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({156})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
({157})
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
Manfred Zöllmer
Enthalten
SPD
Ernst Kranz
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Als Letztes das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Initiative für eine atomwaffenfreie
Welt unterstützen - Atomwaffen aus Deutschland abziehen“: abgegebene Stimmen 506. Mit Ja haben gestimmt
80, mit Nein haben gestimmt 375, Enthaltungen 51. Der
Antrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 505;
davon
ja: 80
nein: 374
enthalten: 51
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Ernst Kranz
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Dr. Dietmar Bartsch
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Diana Golze
Lutz Heilmann
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Katrin Kunert
Ulla Lötzer
Dorothée Menzner
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Petra Pau
Elke Reinke
Paul Schäfer ({158})
({159})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({160})
Ulrike Höfken
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Undine Kurth ({161})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({162})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({163})
Manuel Sarrazin
Irmingard Schewe-Gerigk
Grietje Staffelt
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
fraktionslose Abgeordnete
Henry Nitzsche
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({164})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({165})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({166})
Axel E. Fischer ({167})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({168})
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({169})
Dr. Franz Josef Jung
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({170})
Volker Kauder
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Dr. Kristina Köhler
({171})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({172})
Andreas G. Lämmel
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer ({173})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
({174})
Stefan Müller ({175})
Bernd Neumann ({176})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Obermeier
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Katherina Reiche ({177})
Klaus Riegert
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({178})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({179})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({180})
Andreas Schmidt ({181})
Ingo Schmitt ({182})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({183})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Peter Weiß ({184})
Gerald Weiß ({185})
Ingo Wellenreuther
Anette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Werner Wittlich
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Gregor Amann
Dr. h. c. Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({186})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Dr. Axel Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({187})
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({188})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Martin Gerster
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({189})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({190})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({191})
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({192})
Frank Hofmann ({193})
Dr. Eva Högl
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({194})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({195})
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel ({196})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({197})
Michael Müller ({198})
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Christel RiemannHanewinckel
Sönke Rix
René Röspel
Karin Roth ({199})
Michael Roth ({200})
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({201})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({202})
Otto Schily
Ulla Schmidt ({203})
Silvia Schmidt ({204})
Dr. Frank Schmidt
Heinz Schmitt ({205})
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({206})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
({207})
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
Manfred Zöllmer
Enthalten
SPD
Gesine Multhaupt
Steffen Reiche ({208})
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({209})
Angelika Brunkhorst
Patrick Döring
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({210})
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Birgit Homburger
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dr. Erwin Lotter
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Gisela Piltz
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Dr. Daniel Volk
Christoph Waitz
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Wir kommen zum aktuellen Tagesordnungspunkt zurück und setzen die Debatte fort.
Ich erteile dem Kollegen Marcus Weinberg für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({211})
Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Liebe Frau Sager, ich habe Ihnen aufmerksam gelauscht, weil wir beide aus Hamburg kommen
und wir mittlerweile in der Schulpolitik neue Wege gehen und zeigen, wie man eine Schulreform umsetzen
kann. Wenn wir heute um 18 Uhr den Sieg des FC Sankt
Pauli über den SC Freiburg sehen, dann haben wir eine
weitere Gemeinsamkeit. Das war es dann aber auch
schon.
({0})
- Die Freiburger hier im Saale mögen uns das verzeihen.
In dieser Hinsicht aber ist eine Solidarität der Hamburger gegeben. - Wenn ich mir Ihre Rede und die Reden
der letzten dreieinhalb Jahre anschaue, dann stelle ich
fest, dass Sie immer wieder zwei Folien auflegen. Die
erste Folie ist die Strukturfrage, und die zweite Folie ist,
dass Sie sehr konkret einzelne Punkte herausgreifen,
aber die Prozesse, die dazu geführt haben, nicht mitbetrachten.
Lassen Sie mich zu der Strukturfrage kommen. Für
Sie - das war auch die Kritik an der Föderalismusreform kommt es rein auf die Struktur an, die dafür verantwortlich ist, wie Maßnahmen wirken. Das sehen wir anders.
Die Strukturen müssen unserer Meinung nach klar sein.
Wir haben für klare Strukturen gesorgt. Innerhalb dieser
Strukturen hat jeder seine Verantwortung zu übernehmen, und innerhalb dieser Strukturen muss gearbeitet
werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Burgbacher?
Das kann sich nur um Fußball handeln. Gerne.
Herr Kollege Weinberg, darf ich davon ausgehen,
dass der Wahrheitsgehalt des Rests Ihrer Rede größer ist
als der Ihrer Eingangsaussage zum Fußball?
({0})
Wir sprechen uns in der nächsten Sitzungswoche wieder und schauen dann, auf welchen Plätzen der Tabelle
Sankt Pauli und Freiburg stehen. Da wir nicht aufsteigen, wünsche ich den Freiburgern den Aufstieg in die
erste Liga im nächsten Jahr. Jetzt haben wir auch die
FDP mit im Boot. Das ist der richtige Weg.
Wir haben mit der Föderalismusreform I die Strukturen klargestellt. Als Strukturalist würde ich sagen, dass
ich mich damit nicht abfinden muss. Es kommt vielmehr
auf Verzahnung und Vernetzung an. Wettbewerbsföderalismus im positiven Sinne bedeutet Wettbewerb um die
besten Konzepte. Das bedeutet, dass Entwicklungspotenziale freigesetzt werden und wir eine Nivellierung auf
dem kleinsten gemeinsamen Nenner gerade nicht akzeptieren. Das ist häufig die Konsequenz einer falschen
Struktur. Wir haben das geradegebogen, und das war
auch richtig so.
Wenn wir das als Voraussetzung für die Optimierung
der Prozesse im Bildungsbereich sehen, dann ist es so,
dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Durchlässigkeit und die Übergänge im Fokus stehen werden,
und zwar horizontal und vertikal. Die Beispiele liegen
auf der Hand. Für die Schulpolitik tragen die Länder die
Verantwortung, für die Hochschule sind es der Bund und
die Länder, für den Arbeitsmarkt ist es die Bundesagentur für Arbeit, und die berufliche Weiterbildung fällt in
die Zuständigkeit des Bundes und der Arbeitgeber. Diese
Verzahnung der einzelnen Bereiche ist in einer Partnerschaft für Bildung möglich. Im Oktober letzten Jahres
wurde bewiesen, dass die Beteiligung der Verantwortlichen am Bildungsgipfel eine zentrale Rolle spielt, wenn
man gemeinsam Veränderungen erzielen will.
({0})
- Ich komme gleich zum Bildungsgipfel und auch zu den
Veränderungen im Bildungsbereich zurück. Es gab da
eine sehr kritische Darstellung. Man muss aber auch einmal darstellen, was sich in den letzten dreieinhalb Jahren
positiv verändert hat. Noch nie hat die Bildung einen so
hohen Stellenwert in der politischen Diskussion gehabt
wie in den letzten dreieinhalb Jahren. Dass eine Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland einen Bildungsgipfel initiiert, ist einmalig.
({1})
Es war richtig, dass dieser im Fokus der Öffentlichkeit
stand. Die Ergebnisse des Bildungsgipfels sprechen für
sich.
Es geht nicht um Strukturen oder darum, etwas zu
vereinheitlichen und Detailvorgaben hinsichtlich der
Umsetzung zu machen, sondern es geht darum, Ziele zu
vereinbaren. Diese Ziele sind die Verzahnung und die
Übergänge zwischen Kindertagesbetreuung und Schule,
zwischen Weiterbildung, Ausbildung, Hochschulreife
und Berufsqualifikation für ein qualitativ hochwertiges
Bildungssystem. Für einen echten föderalen Wettbewerb
um die beste Bildung brauchen wir ein Qualitätsmanagement. Das heißt, wir brauchen Instrumente, um nachzuweisen, wie Bildung wo am besten funktioniert. Wir haben etwas in der Großen Koalition gemacht, das richtig
war und das sich in den nächsten Jahrzehnten bestätigen
wird: Wir haben die Bildungsberichterstattung als wesentliches Instrument eingeführt und verfeinert. Mit der
nationalen Bildungsberichterstattung, die in den nächsten Jahren noch intensiver wird, haben wir die Möglichkeit, im Vergleich mit den internationalen Studien die
Bildungsimplikationen deutlich herauszuarbeiten. Das
Bildungspanel wird das nachweisen. Ich sehe als richtig
an, zunächst eine Analyse des Istzustandes zu erstellen,
dann zu analysieren, welche Defizite wir haben, diese zu
bewerten, Ziele zu definieren - in Klammern: Bildungsgipfel - und dann Maßnahmen einzuleiten. Diese Herangehensweise ist, glaube ich, sinnvoller, als immer nur die
Strukturdebatte zu führen und in der Folge im Nebel zu
stochern, um herauszufinden, wo die vermeintliche Ursache der Defizite ist. Lassen Sie uns doch über die Inhalte sprechen, nicht nur über die Strukturen. Das wäre
im Bildungsbereich das Wesentliche.
Jetzt komme ich zu Ihrer Kritik am Bildungssystem
und den Veränderungen in den letzten Jahren. Ihre Kritik
ist nicht richtig. Das sehen Sie, wenn Sie sich die einzelnen Teilbereiche anschauen. Dann sehen Sie auch, wie
sich die Bildung verändert hat. Die internationalen Studien haben deutlich gezeigt - aufgrund der knappen Zeit
kann ich nur einige Beispiele nennen -, dass die Deutschen dank der Reform beim Lesen und in der Mathematik mittlerweile im OECD-Durchschnitt liegen. Bei den
Naturwissenschaften lagen sie 2006 erstmals über dem
OECD-Durchschnitt.
„Bildung auf einen Blick“ bestätigt, dass wir mit den
Bildungsreformen in Deutschland, die lange dauern - ich
weiß ja nicht, was Sie unter Rot-Grün damals gemacht
haben, aber Bildungsreformen in Deutschland dauern relativ lange -, auf einem guten Weg sind, und die Ziele
werden noch verfeinert werden.
Ich will einmal vier Veränderungen aus den letzten
Jahren herausarbeiten, die als positiv zu bezeichnen sind.
Erstens die Zunahme frühkindlicher Bildung. Wir haben es geschafft, da, wo Bildung anfängt, den Anteil derer, die ein Jahr vor Schuleintritt betreut werden, in Ostdeutschland auf 90 Prozent und in Westdeutschland auf
80 Prozent zu erhöhen. Das ist eine Steigerung von zehn
Prozentpunkten. Wenn man die frühkindliche Bildung in
den Kindertagesstätten ernst nimmt, kann man nur sagen: Das war richtig.
Zweitens. Wir konnten das durchschnittliche Kompetenzniveau im Schulalter, also die Leistungen der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler, deutlich steigern. Dabei
muss man sich natürlich fragen - das ist ja die Hamburger Debatte, die wir in Bezug auf das Grundschulsystem
und den Sprung auf das weiterführende System führen -,
wie es eigentlich zu den Defiziten in den Klassen 5 und 6
gekommen ist. In Hamburg gehen wir derzeit einen besonderen Weg, der hoffentlich - ich gehe davon aus - erfolgreich sein wird.
Drittens. Abschlüsse im Sekundarbereich II. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler in Deutschland mit
Abschlüssen im Sekundarbereich II - das betrifft insbesondere auch die duale Ausbildung - ist deutlich gestiegen und liegt heute über dem OECD-Durchschnitt.
Viertens. Der Anteil der Studienberechtigten steigt.
Allerdings - das muss man erkennen, und man muss
Ziele definieren - ist die vom Wissenschaftsrat gesetzte
Zielmarke von 50 Prozent noch nicht erreicht.
Wichtig und richtig ist es natürlich, dann auch die Herausforderungen zu betrachten. Dabei spielt der Anteil
der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt eine bedeutende Rolle. Es ist tatsächlich so, dass wir im Jahr
2006 im Vergleich zum Jahr 1995 im Bildungsbereich
zwar 15 Milliarden Euro mehr ausgegeben haben, dass
aber der Anteil der Bildungsausgaben von 6,9 auf
6,3 Prozent gefallen ist. Wir als CDU/CSU sehen darin
eine deutliche Aufgabe und wollen die Zehnprozentmarke erreichen. Das ist richtig, und wir geben damit
auch ein deutliches Zeichen für die Öffentlichkeit, dass
wir mehr für und in Bildung investieren.
({2})
Die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss und ohne zureichende Basiskompetenzen ist
nach wie vor zu hoch. Wir haben gestern ausführlich
über die Qualifizierung und auch über die Frage, welche
Aufgaben der Bund wahrnehmen kann, debattiert. Hier
gilt es, in den nächsten Jahren das, was die Große Koalition jetzt auf den Weg gebracht hat, dezidierter umzusetzen und weiter nach vorne zu bringen.
Die Studiennachfrage ist noch zu gering. Der Anteil
liegt jetzt bei 37 Prozent. Auch hier sollten wir die Zielmarke von 40 Prozent ansteuern, aber mit dem, was in
den letzten Jahren getan wurde - der Hochschulpakt sei
hier genannt -, sind wir auf dem richtigen Weg.
Die Weiterbildungsbeteiligung stagniert. Aber auch
hier darf man darauf verweisen, dass der Bund mit den
265 Millionen Euro, die in diesem Bereich ausgegeben
werden, ein klares Ziel definiert hat.
({3})
Ich komme zu den Herausforderungen für die Zukunft. Hier geht es zunächst um die Versorgung mit Angeboten im frühkindlichen Bereich und damit genau um
die Verzahnung der Aufgaben von Bund und Ländern,
die auf dem Bildungsgipfel ja auch diskutiert wurde. Der
Bund investiert zum Beispiel 4 Milliarden Euro mehr im
Bereich des Aufbaus der Angebote für Kleinkinder.
Hinzu kommen die Ausgaben der Länder, die die Verantwortung im Bereich der Kindertagesstätten haben.
Weitere Punkte sind die Steigerung der Studierendenzahlen und eine Verstärkung von Angebot und Nutzung
bei der Weiterbildung. Die Bereitstellung von 265 Millionen Euro als ersten Impuls habe ich bereits erwähnt.
Ebenso wichtig ist eine gezielte Unterstützung für
Menschen mit Migrationshintergrund. Mittlerweile haben fast 50 Prozent der jungen Menschen in Großstädten
einen Migrationshintergrund. Sprachförderung allein
reicht hier nicht aus.
Jetzt komme ich zum Bildungsgipfel im Oktober 2008.
Dieser Bildungsgipfel hat mit einer nationalen Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ richtigerweise eine übergreifende Klammer gesetzt. Grundsätzlich will ich noch einmal sagen: Das war ein richtiger
Schritt, mit dem wir deutlich gemacht haben, dass sowohl beim Bund als auch bei den Ländern und Kommunen die Bildung im Fokus steht. Natürlich können Sie
uns vorwerfen, dass wir in der Fußnote keine konkreten
Ergebnisse oder Zahlen definiert haben. Es ging und
geht uns hauptsächlich erst einmal darum, für den Bereich Bildung zu sensibilisieren, und es geht darum, die
vertikal und horizontal stattfindenden Prozesse derjenigen, die an Bildung beteiligt sind, besser aufeinander abzustimmen. Weiter geht es darum, Zielmarken, Benchmarks zu setzen, um deutlich zu machen, wohin wir in
den nächsten Jahren kommen wollen.
Deswegen war dieser Bildungsgipfel im Oktober absolut richtig. Wenn man sich die definierten und messbaren Ziele anschaut, muss man erkennen - deshalb ist Ihre
Kritik meines Erachtens nicht berechtigt -, dass wir in
weiten Teilen in Einzelbereichen in den letzten dreieinhalb Jahren schon vieles verändert haben.
Stichwortartig seien nur folgende Verbesserungen seit
2005 benannt: Die Begabtenförderung wurde erheblich
ausgeweitet. 2007 wurde das BAföG um 10 Prozent erhöht,
und der Kreis der Empfänger wurde um 100 000 Studierende erweitert. 2009 haben wir die Rahmenbedingungen für das Meister-BAföG mit dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz deutlich verbessert und zusätzliche Berufsgruppen in die Förderung einbezogen.
Das können Sie despektierlich als Herumhandwerken
oder Herumpfuschen bezeichnen, aber für die jungen
Menschen hat sich das positiv ausgewirkt. Das ist ein Erfolg, und darauf sollte man auch einmal zurückschauen.
({4})
Wir werden natürlich weiter mit den Ländern diskutieren und gemeinsame Bildungsstandards setzen. Noch
einmal: Das ist ein Prozess, der sich im Laufe der nächsten Jahre konkretisieren wird.
Wir streben die Halbierung der Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss an und - ich habe es bereits gesagt die Halbierung der Zahl der Ausbildungsabbrecher,
({5})
außerdem die Erleichterung des Hochschulzugangs. Aber man kommuniziert doch miteinander. Wir haben
klare Strukturen geschaffen. Nur deshalb, weil die Strukturen klar sind, wissen wir auch, wer welche Verantwortung hat. Deswegen ist es richtig, dass wir mit den Ländern genau dies abstimmen.
Insoweit haben wir mit dem Bildungsgipfel, der Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ und mit
der Hightech-Strategie Grundlagen geschaffen. Zu den
Finanzen muss eines einmal deutlich gesagt werden: Wir
geben 6 Milliarden Euro mehr aus. Wann hat es das vorher gegeben? Das können Sie doch nicht abtun und sagen, dreieinhalb Jahre sei im Bildungs- und Forschungsbereich nichts passiert. Das ist nicht die Wahrheit. Wir
geben mehr aus als vorher. Diese 6 Milliarden Euro sind
genau zum jetzigen Zeitpunkt richtig investiert. Damit
wird deutlich, dass sich diese Gesellschaft zukunftsorientiert den anstehenden Aufgaben zuwendet. Gerade
bei einer Finanz- und Wirtschaftskrise ist man gut beraten - insofern waren wir in der Großen Koalition gut beraten -, hier punktuell zu steuern; die 6 Milliarden Euro
haben wir richtig angelegt.
({6})
Von daher können wir nach dreieinhalb Jahren sagen:
Die Arbeit war gut. Die Arbeit wird weitergehen. Wir
werden weiterhin viele kleine Schritte gehen, und das ist
richtig.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat nun Kollegin Cornelia Pieper für die
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es
in diesem Hohen Hause um Bildungspolitik geht - wir
alle wissen, dass Bildungsinvestitionen die Zukunftsinvestitionen für unser Land sind, dass es darauf ankommt, das Gold in den Köpfen zu heben, weil dies unser wichtigster Rohstoff ist -, wenn wir darüber in
kleiner Runde diskutieren - so ist es üblich, ohne die
Bildungsministerin -, wenn es um den Bildungsgipfel
geht - Marcus Weinberg hat ihn angesprochen -, stelle
ich immer wieder fest: Bei der Bundesregierung wird
viel geredet und wenig gehandelt.
({0})
Ich will das nachweisen. Wir sind uns in vielen Punkten einig, was die Zielstellung anbelangt. Auch die FDP
möchte, dass wir mehr in Bildung investieren, dass wir
die Bildungsausgaben erhöhen. Wir haben uns zu einem
Anteil von 10 Prozent am Bruttoinlandsprodukt für Bildung und Forschung bekannt. Auf dem Bildungsgipfel
Ende vergangenen Jahres ist das ganz klar formuliert
worden. Das ist ein großes Ziel der Bundesregierung.
Was hat man gemacht? Man hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die drei Wochen nach der Bundestagswahl erklären soll, wie wir dieses Ziel erreichen.
({1})
Das ist wirklich ein Flop. Das hat nichts mit seriöser Bildungspolitik zu tun. Das ist reine Wahlkampftaktik.
({2})
In Deutschland haben wir folgendes Problem: Es geht
immer mehr um Wahlkampftaktik, um Ideologie, aber
nicht um eine vernunftbezogene, kindbezogene Bildungspolitik.
({3})
Im Mittelpunkt der Bildungspolitik muss das Kind bzw.
der junge Mensch mit seiner Persönlichkeitsentwicklung
stehen. Das muss unser aller Anliegen sein. Ich hoffe,
dass Herr Ramelow das auch so zum Ausdruck bringt.
Er befindet sich in Thüringen ja im Wahlkampf.
({4})
Warum ist vom Bildungsgipfel nichts auf den Weg
gebracht worden? Frau Sager hat es richtig formuliert.
Ergebnis der Föderalismusreform I war: keine Einmischung des Bundes in der Schulpolitik. Das war das Projekt von Frau Schavan in der Bildungspolitik. Investitionen in schulische Bildung sind Sache der Länder.
Im Konjunkturpaket sind nun immerhin 6,5 Milliarden Euro als Investitionsprogramm für die Bildung deklariert.
({5})
Nach Darstellung der Bundesregierung soll sinnvoll an
das bis Ende 2009 laufende Ganztagsschulprogramm angeknüpft werden. Die Ministerin hat in der Presse unter
anderem erwähnt, dass sie auch die inhaltlich-pädagogische Arbeit in den Kindergärten zum Beispiel durch verstärkte Einrichtung von Forscherecken unterstützen will.
Sie hat erklärt, dass sie sich durchaus vorstellen kann,
Physik- und Chemieräume aus dem Geld des Konjunkturpakets zu finanzieren.
Das ist nicht möglich. Nach diesem Konjunkturpaket
und der Föderalismusreform I kann man lediglich in Beton und nicht in die Köpfe investieren. Das halten wir für
falsch.
({6})
Wir müssen die Weichen dahin stellen, dass wir in die
Köpfe investieren können. Darauf kommt es an. Gute
Bildung kostet viel. Schlechte Bildung kostet noch viel
mehr.
Zwar sehen wir, wie Marcus Weinberg hier zu Recht
vorgetragen hat, auch bei den PISA-Ergebnissen einige
positive Tendenzen. Ich freue mich ebenfalls, dass die
neuen Bundesländer vorne liegen - Sachsen an der
Spitze; bei Mathematik und Naturwissenschaften steht
Thüringen auf Platz drei - und den anderen Bundesländern etwas vormachen. Es kann uns sehr wohl mit
Freude erfüllen, dass dort etwas gut läuft.
Trotzdem darf es uns nicht zufriedenstellen, wenn
gleichzeitig immer noch 25 Prozent der Schulabgänger
nicht ausbildungsfähig sind und wenn nach wie vor jährlich 80 000 bis 90 000 Kinder überhaupt keinen Schulabschluss schaffen. Das darf uns nicht schlafen lassen.
({7})
An dieser Stelle kommt es aus meiner Sicht nicht nur
auf Geld an. Alle Bildungsökonomen sagen ganz klar,
dass auch andere wichtige Faktoren eine Rolle spielen,
die gar kein Geld kosten. Bundespräsident a. D. Herzog
hat einmal erklärt: Gebt den Schulen mehr Freiheit. In
der Tat brauchen wir mehr Freiheit und Wettbewerb für
Schulen. Sie brauchen mehr Eigenständigkeit und müssen ein eigenes Budget haben sowie über ihr pädagogisches Konzept und die Einstellung eigenen Personals
entscheiden können.
({8})
Das ist die Voraussetzung dafür, dass diejenigen, die Pädagogik studiert haben, vor Ort entscheiden können und
die Weichen zur individuelleren Förderung von Kindern
richtig stellen können.
({9})
Bezüglich der frühkindlichen Bildung will ich auf einen Punkt zurückkommen, den Frau Sager bereits erwähnt hat. Mich ärgert es auch, dass die Bundesregierung den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz erst ab
dem Jahr 2013 verwirklichen will.
Lassen Sie mich hier noch einmal das Vorbild der
neuen Bundesländer ansprechen. Den neuen Bundesländern war es nach der Einheit wichtig, das Netz an Krippen und Kindergärten zu erhalten. In meinem Bundesland gibt es seit der deutschen Einheit weiterhin einen
Rechtsanspruch für jedes Kind von null bis 14 Jahren. Es
ist auch gut, dass das so umgesetzt worden ist.
({10})
Dies war nicht zuletzt Vorbild für die anderen Bundesländer.
Das Ganze ist also auch eine Frage der Setzung der
politischen Prioritäten. Eine Prioritätensetzung für Bildungsinvestitionen kann ich in diesem Hause immer
noch nicht erkennen, schon gar nicht bei der Bundesregierung. In unseren Köpfen ist offenbar noch nicht richtig verhaftet, dass vom Gesamtbudget des Bundes lediglich 1,2 Prozent für Bildung ausgegeben werden,
während fast die Hälfte für Soziales aufgewendet wird.
Für mich ist die entscheidende Antwort auf die Frage
nach der sozialen Gerechtigkeit, dass wir für Kinder und
Jugendliche, aber auch für Erwachsene - Stichwort: lebenslanges Lernen - bessere Bildungschancen schaffen.
({11})
Dazu gehört ebenfalls, dass wir umdenken und Anreize schaffen, damit auch privat in Bildung investiert
wird - Stichwort: Bildungssparen. Warum wird ein Bausparvertrag staatlich gefördert, aber ein Bildungssparvertrag nicht? Eine entsprechende Förderung wäre in
meinen Augen eine richtige Weichenstellung für die Zukunft.
({12})
Lassen Sie mich noch einmal auf das Konjunkturprogramm zurückkommen. Ich glaube, dass Sie sich mit der
Föderalismusreform I selbst die Schlinge um den Hals
gelegt haben. Ein von uns beauftragtes wissenschaftliches Gutachten bestätigt uns in unserer Auffassung, dass
nach den derzeitigen Vorgaben der Föderalismusreform I
der Bund über die energetische Sanierung hinaus eben
nicht in Schulen investieren darf. Das halten wir für
falsch. Deswegen muss uns dieses Thema weiterhin beschäftigen.
Vom Deutschen Institut für Urbanistik wurde übrigens erklärt, dass wir insgesamt 73 Milliarden Euro für
Investitionen in Schulen brauchen. So hoch ist der eigentliche Bedarf.
({13})
Jetzt werden 6,5 Milliarden Euro investiert - allein in
Beton, Herr Rossmann; Sie sagen es.
({14})
Abgesehen davon sprechen wir noch gar nicht darüber,
wie viel wir außerdem in die inhaltliche Verbesserung
von Schularbeit und Bildungsqualität stecken müssen.
Dort gibt es sehr viel zu tun.
({15})
Ich kann Ihnen nur raten: Handeln Sie. Beschränken
Sie sich nicht darauf, hier im Parlament Worthülsen zu
gebrauchen.
Ich finde es schade, dass die Ministerin nicht anwesend ist. Sie hat im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket viele Äußerungen von sich gegeben. Frau
Schavan sagte zum Beispiel, dass sie aus dem Konjunkturpaket 100 000 Euro für jede Schule und 500 000 Euro
für jede Hochschule zur Verfügung stellen will.
Frau Kollegin, haben Sie Interesse daran, Ihre Redezeit durch eine Zwischenfrage der Kollegin Sager zu
verlängern?
Herr Präsident, ich habe ein Interesse daran. Deswegen freue ich mich auf die Frage von Frau Sager.
Liebe Kollegin Pieper, Sie haben sehr überzeugend
dargelegt, warum Sie meine Auffassung teilen, dass die
Föderalismusreform verheerende Auswirkungen auf die
Möglichkeit des Bundes hatte, Geld in Schulen zu geben. Wird sich die FDP in den Ländern, in denen sie an
der Regierung beteiligt ist, für eine Veränderung dieser
Verfassungslage einsetzen?
({0})
Ich habe am Anfang meiner Rede ganz klar gesagt
- mein Kollege Barth hat Ihre Frage im Grunde bereits
beantwortet -, dass wir die Weichen so stellen müssen,
dass die Mittel, die aus dem Konjunkturprogramm für
Bildungsinvestitionen zur Verfügung gestellt werden,
nicht nur in die energetische Sanierung der Gebäude fließen, sondern auch in eine bessere Ausstattung der Schulen. Dabei geht es aus meiner Sicht auch um Lehrmaterialien und Labore. Ich gehe davon aus, dass die Länder,
in denen wir mitregieren, das fest im Blick haben.
({0})
Ich will zum Schluss erwähnen, dass der eigentliche
Skandal ist, dass sich in einem reichen Land wie
Deutschland, in dem hohe Steuern bezahlt werden, viele
Schulen und Hochschulen in einem wirklich beklagenswerten Zustand befinden. Wir hätten es nicht so weit
kommen lassen dürfen.
({1})
Die Bundesregierung hätte ein anderes Tempo vorlegen
müssen. Sie reden zwar viel, handeln aber nicht. Wir erwarten klare Beschlüsse von der Bundesregierung und
mehr Investitionen in Bildung. Auch beim Konjunkturpaket sollte die Weichenstellung klar formuliert sein, damit die Länder in die Köpfe und nicht nur in Beton investieren können.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat nun Kollege Ernst Dieter Rossmann für
die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
die Debatte begann, merkte man sofort, dass wir uns im
Wahlkampf befinden. Frau Sager, Ihnen möchte ich
gerne sagen: Sie tragen eine so sympathisch rote Jacke,
aber Sie haben geschimpft wie ein Rotkehlchen. Ich
glaube, man sollte ein bisschen differenzierter an die
Dinge herangehen.
Wenn Sie diese Anträge für eine Generaldebatte über
Bildungspolitik in dieser Legislaturperiode nutzen wollen, dann sollten Sie als Erstes fragen: Hat das, was RotGrün begonnen hat, in dieser Legislaturperiode eine
Fortsetzung erfahren, oder ist es abgebrochen worden?
Wir Sozialdemokraten sagen: Es hat eine Fortsetzung erfahren, vielleicht in anderer Form, und es wurde - das
sage ich ausdrücklich - nach wie vor mehr Priorität auf
die Bildung gelegt.
({0})
In dieser Debatte können Sie viel über den Konsens
hören, der in der Großen Koalition herrscht, aber auch
über die Differenzen; denn an mancher Stelle können
wir uns mehr vorstellen. Es ist doch gut, dass man weiterdenken kann.
Deswegen sage ich zu Ihrer ersten Einlassung, bezüglich der Föderalismusreform, dass wir Bildungspolitiker
der SPD-Fraktion nie einen Hehl daraus gemacht haben,
dass wir bei Art. 91 b des Grundgesetzes durchsetzen
konnten, dass sich der Bund auch in Sachen Hochschule
engagieren kann. Das hat er in dieser Legislaturperiode
beim Hochschulpakt I sehr deutlich getan.
Wir machen auch keinen Hehl daraus, dass wir uns in
Bezug auf die Verantwortlichkeiten von Bund, Ländern
und Kommunen wünschen, dass merkwürdige Restriktionen aufgehoben werden. Sonst kann der Bund nur
dann, wenn die Deutsche Bank zusammenbricht oder ein
Tsunami kommt, in Schulen investieren. Diese Kritik
sollte aufgenommen und eine konstruktive Lösung gefunden werden.
Dass es Zeichen und Wunder gibt, konnten wir feststellen, als der Bundestagspräsident gefragt hat, was eigentlich alles in eine Verfassung gehört. A la bonne
heure, das ist eine sehr kluge Bemerkung. Vielleicht sollten wir das fortsetzen: Wenn wir etwas in eine Verfassung hineinschreiben, sollte es etwas Kluges sein.
({1})
Für die SPD formuliere ich bezogen auf die heutige
Debatte den ausdrücklichen Wunsch, dass FDP, CDU/
CSU, Grüne, SPD und Linkspartei sich gemeinsam eine
kluge Lösung überlegen, wie der Bildung im Zuge der
zweiten Verfassungsreform mehr Priorität eingeräumt
werden kann.
({2})
Der Wunsch ist da. Wir geben die Hoffnung bis zur letzten Sekunde nicht auf und werben mit guten Argumenten dafür.
({3})
Wir würden das umso lieber tun, wenn es Anerkennung
von den Grünen und von der FDP dafür geben würde,
dass sich die Priorität Bildung mit dem Bildungsgipfel,
der durchaus eine Bedeutung gehabt hat, sehr wohl im
Konjunkturprogramm niedergeschlagen hat.
Die 10 Milliarden Euro, die Bund und Länder jetzt
mobilisieren, sind wahrlich mehr als nichts. So etwas hat
es noch nicht gegeben. Es handelt sich auch um eine Investition in Qualität. Denn die Unterscheidung zwischen
Beton und Kopf ergibt sich nicht, wenn man gebildet
darüber nachdenkt. Natürlich braucht man auch gute
Schulräume und Hochschulräume, damit gute Köpfe darin gut studieren und gut lernen können. Deshalb ist es,
wie ich finde, eine sehr oberflächliche Betrachtung,
wenn man sozusagen Beton gegen Gehirn stellt; denn
beides muss entwickelt werden.
Wenn wir dieses Konjunkturprogramm noch heilen,
sodass es nicht allein an energetische Sanierung gebunden ist, und es die Möglichkeit bietet, dass Schulen und
Hochschulen besser werden, dann ist das ein großer Erfolg der Großen Koalition. Wir hätten ihn lieber ohne
Krise gehabt; dass wir ihn nun in einer Krise haben, ist
in Ordnung.
({4})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Pieper?
Gerne.
({0})
- Es darf sein. Passen Sie auf!
Vielleicht ist es für die Bundesregierung hilfreich,
Herr Kretschmer, wenn ich eine Frage stelle.
Herr Kollege Rossmann, die Länder haben Quoten für
die energetische Sanierung, für die Bildungsinvestitionen festgelegt. Die Quoten für die energetische Sanierung sind unterschiedlich und belaufen sich auf zwischen 30 und 50 Prozent. Es besteht ein Riesenbedarf
- so haben auch Sie es formuliert - an Bildungsinvestitionen, im symbolischen Sinne bei den Köpfen. Ist Ihnen
bewusst, dass diese Investitionen nach jetziger Verfassungs- und Gesetzeslage gar nicht möglich sind? Wie
schätzen Sie das ein? Werden Sie dafür stimmen, dass
diese Bildungsinvestitionen durch eine Grundgesetzänderung auf den Weg kommen, aber durch eine Ände23784
rung, die nicht mit einer Naturkatastrophe zusammenhängt?
Frau Kollegin, Sie haben sich so viel Mühe gegeben,
die Frage zu entwickeln. Sie hätten mir zuhören sollen.
Dann wüssten Sie, was ich schon die ganze Zeit versuche, zu erklären.
({0})
Es wird durch das, was jetzt schon durch die Oettinger/
Struck-Kommission entwickelt worden ist, möglich, das
Konjunkturprogramm so zu heilen, dass es nicht mehr
nur an die energetische Sanierung gebunden ist. Aber die
Heilungsklausel kann nicht der ganze Himmel sein.
Selbstverständlich haben wir Sozialdemokraten bis hin
zu Peter Struck in der ersten Lesung zur Föderalismusreform II dafür geworben, dass auch andere es noch weiter
öffnen, damit wir ein nicht voraussetzungsgebundenes,
sondern zielgebundenes Zusammenwirken von Bund,
Ländern und Kommunen in Bezug auf Bildungsinvestitionen erreichen. Wir wollen ausdrücklich auch bei Ihnen noch einmal dafür werben.
Frau Sager hat Ihnen eine kluge Frage gestellt: Werben Sie in Ihren Landesregierungen dafür, dass der Bundesrat und der Bundestag an der Stelle Gehirn wachsen
lassen?
({1})
Die Kollegin möchte noch einmal nachfragen. Gestatten Sie das?
Ich bin höflich. Ich glaube, dass Sie eine Nachfrage
nötig haben.
Ich glaube, dass Sie eine Präzisierung Ihrer Antwort
nötig haben. Denn Sie haben gerade gesagt, dass Sie tolerieren, dass Bildungsinvestitionen durch die Grundgesetzänderung in Zukunft nur im Falle von Naturkatastrophen oder einer gesamtwirtschaftlichen Notlage richtig
sind.
({0})
Halten Sie das für zukunftsweisend?
Ich sage es gern noch ein drittes Mal, weil dadurch
Gehirn wächst. Natürlich ist das nicht zukunftsweisend.
Aber wenn ich Ihnen jetzt schon sage, wie ich als Person
oder andere aus der Fraktion abstimmen werden, dann
haben wir in der Fraktion Diskussionen, in denen es weniger um die Sache, sondern um Loyalität und Mehrheitsbeschlüsse geht. Deshalb sage ich ausdrücklich,
dass ich das jetzt offen lasse. Dafür werben darf man
aber hier im Konsens der Bildungspolitiker. Präziser
geht es jetzt nicht; aber es wird präziser, wenn auch Sie
auf Bundesratsseite den Druck erhöhen.
({0})
Dazu hat die FDP leider viel zu viele Chancen in
Deutschland. Nutzen Sie diese Chance!
({1})
Ich möchte jetzt auf Handlungsfelder zu sprechen
kommen; denn Kollege Weinberg hat mit Recht daran
erinnert, dass die Strukturen das eine sind und das, was
man praktisch getan hat, das andere. Die sozialdemokratische Sicht, den Konsens und die Differenz in der Großen Koalition und das, was wir praktisch tun konnten
und können, möchte ich an drei Handlungsfeldern
durchbuchstabieren.
Das erste große Handlungsfeld ist, beim Grundstock
von Bildung, von der frühkindlichen Bildung in den
Kindertagesstätten bis zu den Schulen, die Chancengleichheit zu erhöhen. Es ist nicht geringzuschätzen,
dass in einer Legislaturperiode durchgesetzt wurde, dass
Kindertagesstätten nicht nur als qualitative Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden, sondern ihr Auftrag
als Bildungseinrichtung ab dem ersten Lebensjahr mit
Rechtsansprüchen ab 2013 definiert wird. Das ist eine
große Leistung, die in großer Übereinstimmung erbracht
werden konnte.
Daran konnten wir anknüpfen. Es gibt nicht nur das
Ganztagsschulprogramm als ein infrastrukturelles Programm. Auch die Schule als Ganztagseinrichtung und
als gute Bildungseinrichtung kann mithilfe eines Teils
der 10 Milliarden Euro qualitativ ausgebaut werden. All
das ist gut.
Aber wir haben in der Großen Koalition auch an anderer Stelle für mehr Chancengleichheit sorgen können.
Ich will ausdrücklich anerkennen, dass wir in einer früheren Debatte das Schulstarterpaket noch nicht so gut
ausgestaltet hatten, wie das jetzt der Fall ist. Es wäre
verhängnisvoll gewesen, die alte Regelung beizubehalten, weil davon ein falsches Signal ausgegangen wäre,
nämlich: Chancengleichheit hört nach der zehnten
Klasse auf. Gemeinsam haben wir es geschafft, dass am
Prinzip der Chancengleichheit während des ganzen
Schullebens festgehalten wird.
({2})
Nun muss ich noch die Differenz beschreiben. Aus
sozialdemokratischer Sicht gehört in den Bund-LänderKonsens und in den politischen Konsens auch hinein,
dass wir Chancengleichheit genauso beim SchülerBAföG in der Oberstufe durchbuchstabieren, damit auch
noch die letzten Bildungsreserven genutzt werden können, die es in Familien gibt, die materiell nicht so gut
ausgestattet sind, sei es aufgrund eines Migrationshintergrundes, sei es aufgrund eines sozialen Hintergrunds.
Die Frage in diesen Familien „Soll der junge Mensch
Geld verdienen oder das Abitur machen?“ soll auf der
Basis des Schüler-BAföGs zugunsten des Abiturs beantwortet werden. So möchten wir Konsens und Differenz
in Bezug auf Chancengleichheit in der Schule durchbuchstabieren.
({3})
Ein zweiter Auftrag in dieser Legislaturperiode war,
die Hochschulen nicht nur von ihren Kapazitäten her
weiterzuentwickeln, sondern dafür zu sorgen, dass sie
eine gute Lehre für alle bereitstellen und möglichst gute
Abschlüsse für alle ermöglichen. Dieses Ziel haben wir
erreicht. Frau Sager, die Grundsteine auf dem Weg zu
diesem Ziel sind auch in rot-grüner Regierungszeit gelegt worden. Ich nenne hier den Hochschulpakt I und die
Exzellenzinitiative. Das ist durchaus eine konsensual
gute Leistung. Dass Differenzen beim Thema Priorität
der Lehre bleiben, will ich gerne bekennen. Aber dass
wir zusammen das Studenten-BAföG qualitativ gestärkt
haben, kann man doch nicht einfach in der Debatte unterschlagen. Der Ausgangspunkt war ein anderer. Wir
konnten den Konsens über die BAföG-Reform erst nach
langen Diskussionen mit dem Koalitionspartner im sozialdemokratischen Sinne verwirklichen.
Ich will gerne sagen, dass im Falle der Fortführung
der „Dreiheiligkeit“ von Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung für uns Sozialdemokraten
alle drei Teile wichtig sind. Aber der Hochschulpakt ist
besonders wichtig; denn für 275 000 zusätzliche Studienanfänger müssen wir etwas tun. Dies wurde auf dem
Dresdener Bildungsgipfel festgelegt. Dies ist als Erstes
uneingeschränkt umzusetzen und zu verwirklichen. Es
geht aber nicht nur um mehr Kapazitäten, was für einen
nicht unbeträchtlichen Teil der Studierenden interessant
ist. Auch die qualitative Verbesserung durch eine gute
Lehre ist anzustreben. Die Anhebung ist daher mehr als
nichts.
Jeder Studienanfängerplatz muss wirklich genutzt
werden können.
Dass es mit einer Regelung hierzu etwas sehr lange
gedauert hat, wollen wir hier nicht leugnen. Aber die
Serviceeinrichtung kommt jetzt in Gang. Das hat auch
die Zustimmung von 92 Prozent der HRK zur Einführung des Serviceverfahrens gezeigt. Wir sagen umgekehrt: Die breite Zustimmung von 92 Prozent und die
Bereitschaft, sich auf diese gemeinsame Verfahren einzulassen, wiegt so schwer, dass der Haushaltsausschuss
das Geld nun freigeben sollte. Aber das ist noch nicht
genug, um auf ein Hochschulgesetz als Ultima Ratio zu
verzichten. Schließlich möchten wir, dass sich am Ende
wirklich alle Hochschulen an diesem Verfahren beteiligen.
Es wird für die Zukunft im Hochschulbereich vor allen Dingen wichtig sein, die Hochschulen in der Qualität
zu erhalten, dass sie nicht nur ein Ort von guter Forschung und Lehre, sondern auch von kritischem und gesellschaftspolitischem Engagement und Bewusstsein
sind. Diese Qualität der Hochschulen möchten jedenfalls
wir in dieser Debatte betonen.
Das dritte Anliegen dieser Legislaturperiode war es,
im beruflichen Bildungsbereich möglichst vielen einen
guten Ausbildungsplatz und eine lebenslange Chance auf
Ausbildung zu ermöglichen. Gestern haben wir darüber
sehr intensiv diskutiert, und es hat wichtige Entscheidungen gegeben, die nicht selbstverständlich waren, zum
Beispiel über den Rechtsanspruch auf Förderung beim
Nachholen des Hauptschulabschlusses. Immerhin haben
wir dies über das „Bildungsministerium Scholz“ in die
Debatte gebracht und durchgesetzt.
Wir als Sozialdemokraten sagen: Dieser Konsens ist
gut. Die Differenz ist, dass wir diese Möglichkeit auf
den beruflichen Abschluss ausdehnen wollen. Eigentlich
ist es selbstverständlich, dass man in einer Gesellschaft
die Möglichkeit haben sollte, seine Bildung, die man für
sein Berufsleben und seine gesellschaftliche Teilhabe
benötigt, ein Leben lang weiterentwickeln zu können.
Neben der zweiten Chance gehört auch dazu, dass es
Rechtsansprüche auf Unterstützung geben muss: den
Rechtsanspruch auf die zweite Chance, aber auch den
Rechtsanspruch auf eine auskömmliche finanzielle Förderung. Ich kann nicht verstehen, dass eine solch umfassende qualitative Verbesserung des Meister-BAföG
kleingeredet wird, nur weil sie manche Elemente noch
nicht beinhaltet. Nein, die Reform des Meister-BAföG
war eine großartige Leistung, die wir im Konsens erbracht haben.
({4})
Allerdings gibt es noch immer gewisse Differenzen.
So wollen wir, dass aus dem Meister-BAföG parallel
auch ein Master-BAföG wird. Im Rahmen des MeisterBAföG muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass
auch über 30-Jährige noch eine Studienförderung bekommen, wenn sie nicht über die nötigen materiellen
Voraussetzungen verfügen. Dafür werben und kämpfen
wir. Dieses Vorhaben werden wir in der nächsten Legislaturperiode in Angriff nehmen.
Hinzu kommt, dass wir die Diskussion über die Einführung eines Mindestlohns für die Pädagogen, die im
Bereich der beruflichen Bildung tätig sind, nicht nur nebenbei und am Rande führen dürfen. Dieses Thema wird
bald von großer Bedeutung sein. Die gute Arbeit des in
diesem Bereich tätigen Personals muss durch eine qualitativ und quantitativ hinreichende Unterstützung auch in
Zukunft sichergestellt werden. Das ist unserer Meinung
nach ein wichtiger Punkt.
Eine Schlussbemerkung. In den Zeitungen ist zu lesen, dass die Krise insbesondere in Amerika, dem Land
der besonders großartigen Universitäten, voll durchschlägt. Die Universitäten Harvard, Princeton und Yale
müssen auf einmal 30 Prozent ihres Vermögens, das sie
in der Vergangenheit genutzt haben, um ihren Studierenden gute Studienbedingungen zu ermöglichen, abschreiben. Die Folgen sind: Personal wird entlassen, Studienwege werden gekürzt, und die Studiengebühren werden
drastisch erhöht.
Wenn wir sagen, dass Bildung für uns Priorität hat
und ein Menschenrecht ist, dann muss es für uns eine gemeinsame Verpflichtung sein, Bildung immer als öffent23786
liches Gut zu behandeln. Den Konsens, dass Bildung ein
öffentliches Gut ist, müssen wir parteiübergreifend immer wieder festigen. Vor diesem Hintergrund sind wir
der Meinung: Der Kindertagesstättenbesuch muss kostenlos sein, der Schulbesuch muss kostenlos sein, und
der Universitätsbesuch muss kostenlos sein.
({5})
Dafür stehen wir. Daran wird wohl niemand zweifeln.
Dass Bildung ein öffentliches Gut ist, bedeutet außerdem, dass im Hinblick auf das Ziel, die Ausgaben für
Bildung auf mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, eine öffentliche Finanzierung gewährleistet werden muss, keine private. In Amerika beträgt
diese Quote sogar über 7 Prozent, allerdings mit den Folgen, dass sich die dortige Mittelschicht kein Studium
mehr leisten kann und dass in Princeton, Harvard und
Yale, den Kometen am Hochschulhimmel, auf einmal alles zusammenbricht. Das ist deshalb der Fall, weil eine
kapitalgestützte Bildungsinfrastruktur Krisen ausgesetzt
ist. Das wollen und müssen wir in Deutschland vermeiden.
Unser Grundsatz lautet: Die Sozialdemokratie setzt
sich für eine öffentliche Finanzierung der Bildungsinfrastruktur ein. Ein Vorschlag, der in diese Richtung geht,
der Bildungssoli, liegt bereits auf dem Tisch. Der Bildungssoli, den wir vorschlagen, ist etwas anders als bei
den Grünen ausgestaltet. Aber der Grundsatz, Frau Sager
- wie ich sehe, tragen Sie heute eine rote Jacke -, ist sehr
richtig. Bildung ist nämlich immer auch eine Frage der
Solidarität, der sozialstaatlichen und der steuerlichen Solidarität.
In diesem Sinne: Zwischen uns besteht in einigen
Punkten Konsens, in anderen gibt es Differenzen. Lassen
Sie uns in der neuen Legislaturperiode fröhlich für neues
Glück streiten.
Danke.
({6})
Das Wort hat nun Bodo Ramelow für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Lieber Kollege Rossmann, ich beginne meine Rede
nicht, indem ich eine Bemerkung über rote oder
schwarze Jacken mache. Das, was Sie vorgetragen haben, findet zum Großteil meine Zustimmung - wenn es
nur in die Tat umgesetzt würde.
Kollegin Pieper, in der inhaltlichen Analyse sind wir
über weite Strecken einer Meinung. Das Problem mit
Blick auf die Föderalismuskommission II ist allerdings,
dass die Vertreter Ihrer Partei in der Kommission zugestimmt haben.
({0})
Als bei den Beratungen der Föderalismuskommission II
das Thema Bildungsfinanzierung anstand, habe ich eine
lange Debatte erlebt, in der es darum ging, wie man das
Konjunkturpaket II gestalten muss, damit es in den Bildungseinrichtungen auch tatsächlich ankommt. Die SPD
machte den Vorschlag - das muss man ehrlicherweise
sagen -, eine andere Formulierung zu finden. Mehrheitlich kam man, übrigens entgegen der Auffassung von
CDU und CSU, zu dem Ergebnis, so vorzugehen. Letztlich hat allerdings Herr de Maizière als Kanzleramtsminister in der Föderalismuskommission II erklärt, eine
Heizung sei ein Fenster und ein Fenster sei eine Heizung, und so seien die Mittel des Konjunkturpaketes II
im Hinblick auf die energetische Erneuerung und Ertüchtigung anzuwenden.
Sie haben zu Recht auf das Gutachten hingewiesen,
aus dem hervorgeht, dass das eigentlich verfassungswidrig ist. Deswegen teile ich die Auffassung von Herrn
Rossmann: Wir sollten uns alle zusammen die Zeit nehmen, über diesen Teil des Unsinns noch einmal zu reden.
Wenn das ins Grundgesetz kommt, wenn wir wie in der
FöKo I den Weg des Kooperationsverbots weitergehen,
bekommen wir bildungspolitische Kleinstaaterei, die
einzig und allein ideologischen Grundmustern folgt
({1})
und bei der Themen wie längeres gemeinsames Lernen
gar nicht mehr auf die Tagesordnung kommen.
Kollege Weinberg, über Strukturen zu debattieren,
nicht aber über Inhalte, ist genauso Quatsch wie über Inhalte zu debattieren, nicht aber über Strukturen. Wir werden auch über Bildungsstrukturen reden müssen. Wir
müssen über die Phase der Kinderzeit reden, über das
letzte Jahr vor dem Übergang in die Schule. Wir müssen
über die Schulzeit reden, wir müssen aber auch über
Hochschulzeit, Berufsschulzeit und Berufsausbildungszeit reden. Alles zusammengenommen muss Bildungsinitiative sein und muss finanziert sein.
Ich teile ausdrücklich den Hinweis, dass es nicht um
Privatkapital gehen darf, sondern einzig und allein um
das, was die Kinder im Kopf haben. Was die Eltern im
Portemonnaie haben, darf nicht über die Chancen der
Entwicklung von Kindern entscheiden.
({2})
Frau Pieper, von Ihren bildungspolitischen Ansätzen
teile ich - das sage ich ausdrücklich - eine Menge. Aber
Ihr Kollege Wissing hat in der Verdi-Anhörung zur
Schuldenbremse klar erklärt, dass Kindergarteneinrichtungen elternfinanziert sein müssen und dass es eine Zugangsprüfung hinsichtlich des Einkommens der Eltern
geben muss. Da sage ich: Das ist der falsche Weg.
({3})
Bildung muss kostenlos sein und nicht umsonst. Bildung
muss eine Chance beinhalten für alle.
Bildung kostet natürlich Geld. Aber die Bundesrepublik Deutschland - eines der reichsten Länder der Erde muss es doch schaffen, dass sich Bund und Länder auf
eine bestimmte Grundfinanzierung verständigen. Deswegen ist der Beschluss, 7 Prozent des BIP für Bildung
auszugeben, eine gute Ausgangslage. Es darf jetzt aber
keine Hütchenspielertricks auf Kosten der Bildung geben. Die SPD spricht von 7 Prozent des BIP nach
OECD-Berechnung, während die CDU/CSU 7 Prozent
nach Bildungsplan Deutschland meint und alle Ausgaben für die Berufsausbildung hineinrechnet. Wenn wir
nach der Rechnung der SPD gehen, brauchten wir, um
7 Prozent des BIP zu erreichen, 43 Milliarden Euro zusätzlich. Wenn wir die Rechnung der CDU/CSU anwenden, wären es nur 12 Milliarden Euro. Der Unterschied
ist für jeden erkennbar.
Wenn man das Delta berücksichtigt - in Kindereinrichtungen, Schulen und Hochschulen gibt es schon jetzt
einen Sanierungsstau von rund 100 Milliarden Euro -,
sieht man, dass die Notwendigkeit besteht, zügiger Geld
auszugeben und nicht mehr zu unterscheiden zwischen
investiven und konsumtiven Ausgaben.
Insoweit gab es in der Föderalismuskommission ein
paar gute Hinweise. Die Grünen haben nicht nur vorgeschlagen, einen Bildungssoli einzuführen, sondern auch,
die Bildungsausgaben komplett als Investition zu betrachten. Um die 7 Prozent gemeinsam zu stemmen, kam
von uns in der Föderalismuskommission der Antrag,
durch einen Staatsvertrag eine Gemeinschaftsaufgabe
„Bildung“ zu verankern, die alle Bildungsformen umfasst. Ich darf darauf hinweisen, dass wir auch vorgeschlagen haben, 2 Prozent des BIP als Aufschlag für alle
Haushalte festzulegen. Das wäre eine Bildungsindexierung.
Welchen Weg wir am Schluss gehen, ist mir egal. Entscheidend ist, dass die Bildung bei der nächsten Sparmaßnahme nicht wieder weggespart wird.
({4})
Sonst kann es passieren, dass es dann heißt: Wir haben
jetzt Schulen, Hochschulen gebaut; aber bei den Lehrern
sparen wir ein. Wir müssen tatsächlich über eine Gemeinschaftsfinanzierung reden. Die Finanzierung der
Bildung ist, wenn Bundeshaushalt und Landeshaushalte
separiert werden, nicht zu machen.
Man wirft uns immer vor, dass wir die Systemfrage
stellen. Bei der Bildung würde ich sie schon gerne stellen. 16 verschiedene Schulsysteme, das muss man
durchaus hinterfragen. Da lasse ich mich von der CDU/
CSU gerne ideologisch beschimpfen, wenn ich diese
Systemfrage stelle. Auch Frau Pieper hat ja einmal sehr
mutig diese Frage aufgeworfen. Von ihrer Partei ist sie
dafür geprügelt worden. Die Konstruktion von 16 konkurrierenden Schulsystemen, die nicht kooperativ arbeiten, halte ich für dringend diskussionsbedürftig. Ich
glaube, dass man da einen neuen Weg gehen muss.
({5})
Es wäre gut, wenn wir gemeinsam darüber reden würden, wie wir den Unsinn der Föderalismuskommission II
verhindern können. Es wäre des Weiteren gut, wenn es
uns gelänge, sicherzustellen, dass Bund und Länder gemeinsam 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung ausgeben. Längeres gemeinsames Lernen ist eine
Form, mit der wir nicht nur den Übergang von der Kindereinrichtung, dem letzten Jahr vor der Einschulung, in
die Schule organisieren. Längeres gemeinsames Lernen
gewährleistet auch, dass bis zur Klasse 10 alle Schüler
den Weg gemeinsam gehen und die Entwicklung erst danach unterschiedlich verläuft.
Um ein besseres Bildungssystem auf den Weg zu
bringen, könnte man darüber gern miteinander streiten
und debattieren. Wir dürfen aber nicht abwarten, ob die
Konjunkturdelle das BIP nach unten drückt und wir die
7 Prozent dadurch erreichen, dass die Konjunktur sozusagen unsere Ergebnisse frisst. Die Kinder würden es
uns übel nehmen. Die Verliererin bei dieser Entwicklung
wäre unsere Gesellschaft insgesamt. Dieses Land hat
keinen anderen Rohstoff als unsere Kinder. Lasst uns sie
am besten ausbilden! Deshalb müssen wir gemeinsam
über die Inhalte reden.
Ich bin gespannt, ob diejenigen Bundesländer, an deren Regierungen die FDP beteiligt ist, tatsächlich gegen
die Ergebnisse der Föderalismuskommission II klagen
werden. Auch bin ich gespannt, ob mein Kollege Barth
aus Thüringen gemeinsam mit mir dafür streiten wird,
dass dieser Unsinn nicht ins Grundgesetz aufgenommen
wird.
Eine letzte Bemerkung: Die besten Abschlusszahlen
bei den Abiturjahrgängen werden in Thüringen zu einem
bitteren Preis erkauft: der höchsten Quote von Kindern,
die die Schule ohne Abschluss verlassen, und der höchsten Quote von Kindern in sonderschulischer Betreuung.
Dies halte ich für einen zu hohen Preis. Dass der Erfolg
der einen mit der Niederlage der anderen erkauft wird,
ist der falsche Weg. Lassen Sie uns an dieser Stelle nicht
herumtricksen, sondern gemeinsam dafür sorgen, dass
Bildung für alle da ist.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Barth von der FDP-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege
Ramelow, da Sie mich nun schon konkret angesprochen
haben, heiße ich Sie zunächst im Kreis der Bildungspolitiker herzlich willkommen. Auf diesem Gebiet haben
wir uns im Bundestag noch nicht getroffen.
({0})
Ich habe schon die ganze Zeit auf eine Erklärung gewartet, warum Sie ausgerechnet zu Beginn des Wahlkamp23788
fes in dieser Debatte das Wort ergreifen und versuchen,
sich hier als Bildungspolitiker zu profilieren.
Herr Kollege Ramelow, wenn Sie schon ansprechen,
wie wir uns möglicherweise im thüringischen Landtag
streiten werden, dann möchte ich erwidern, dass ich da
auf eine klare Rollenverteilung setze. Das ist jetzt aber
eine andere Frage.
Erklären Sie mir doch bitte einmal, wie viele Bundesratsinitiativen es zu diesem Thema von den Bundesländern, in denen Ihre Partei mitregiert hat, in der Vergangenheit gegeben hat, bzw. warum man in dieser Frage
nichts von Ihnen gehört hat.
Herr Ramelow, bitte.
Herr Kollege Barth, ich bin erstaunt, wie wenig Sie
über die Landesregierung von Berlin wissen. Das Thema
Gemeinschaftsschule ist in Berlin Teil des Koalitionsvertrages und wird gerade umgesetzt. Wir sorgen in Berlin für einen neuen Aufbruch in der Bildungspolitik. Daher weiß ich nicht, wozu Berlin dann noch im Bundesrat
intervenieren sollte. Weitere Landesregierungen stellen
wir derzeit nicht. Aber sobald wir in Thüringen die Landesregierung stellen werden, werde ich Sie davon in
Kenntnis setzen, falls Sie denn in den Landtag hineinkommen sollten.
Herr Kollege Barth, über eines bin ich doch irritiert:
dass Sie mir noch nicht einmal zugehört haben. Ich habe
hier mit Bezug auf die Föderalismuskommission argumentiert. Ich maße mir nicht an, der führende Bildungspolitiker meiner Partei zu sein. Aber die Konsequenzen
aus den Föderalismuskommissionen I und II haben die
Kinder in Deutschland zu tragen. Dabei hat Ihre Partei
mitgemacht. Deswegen ist es einfach unehrlich, Frau
Pieper, bei der Föderalismuskommission II die Hand zu
heben, den ganzen Unsinn im Grundgesetz zementieren
zu wollen und gleichzeitig zu argumentieren, dass dies
falsch sei.
Ich lade Sie ein, dass wir das gemeinsam ändern,
bevor dieser Quatsch gemacht wird. Herr Kollege
Rossmann hat uns dazu aufgefordert, am Beispiel Bildung darüber zu reden. Das Thema Schuldenbremse
können wir außen vor lassen, da wir hier unterschiedlicher Auffassung sind. Aber beim Thema Bildung gehen
wir wissentlich und vorsätzlich in eine Abseitsfalle.
Wenn Sie dies nicht wollen, dann lassen Sie uns gemeinsam darum kämpfen, dass dies nicht passiert.
({0})
Das Wort hat nun Kollege Carsten Müller von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Ich glaube, die meisten Zuhörer
freuen sich, dass wir vom Thüringer Landtagswahlkampf wieder zurück zur Bildungspolitik kommen.
Herr Ramelow, gestatten Sie mir folgende Anmerkung: Wir Bildungspolitiker freuen uns natürlich über
jede Unterstützung und jeden Mitstreiter. Ich möchte Ihnen aber Folgendes mit auf den Weg geben: In Ihrem Internetauftritt könnte das Thema Bildung durchaus noch
etwas stärker gewichtet werden. Ich habe ihn mir eben
einmal angeschaut. Im Gegensatz zu Ihrer Rede stellt
sich das, was Sie dort zum Thema Bildung zu sagen haben, deutlich dünner dar und lässt sich, ehrlich gesagt, in
drei Sätzen zusammenfassen. Sie haben das vorhin ein
bisschen relativiert und gesagt, dass Sie unter Föderalismusgesichtspunkten geredet haben. Sei es drum. Ich fordere Sie auf, sich künftig noch stärker für Bildungsthemen einzusetzen und zu interessieren.
({0})
- Das kann keinesfalls schaden und bei Ihnen schon gar
nicht.
({1})
Meine Damen und Herren, wir diskutieren jetzt über
ein Thema, über das weitgehende Einigkeit im Hause
herrscht. Deswegen bin ich - gestatten Sie mir das anzumerken, Frau Kollegin Sager und geschätzte Kollegin
Pieper - doch ein wenig darüber enttäuscht, wie kleinkariert hier zum Teil gestichelt worden ist.
({2})
Im Ergebnis können wir eines festhalten: Wir haben
im Bund und auch in den Ländern in den vergangenen
Jahren einen großen Schritt nach vorne getan. Ehe Sie,
Frau Sager, Fragen stellen, um damit angebliche
Schwachpunkte der Regierungspolitik herauszuarbeiten, sollten Sie sich erst einmal auf Ihr Leistungsvolumen in der rot-grünen Koalition besinnen. Das fiel denkbar überschaubar aus. An Ihren Taten wollen wir Sie,
Frau Sager, messen.
({3})
Meine Damen und Herren, Bildungspolitik ist enorm
wichtig, gerade in Zeiten der Krise. Unsere jungen Menschen stehen vor der Herausforderung einer sich im Moment gerade etwas verschärfenden Lage auf dem Arbeitsmarkt. Wir werden diese Herausforderung nur dann
meistern können, wenn wir mit großer Entschlossenheit
den Weg in die Bildungsgesellschaft beschreiten. Große
Themen warten da auf ihre Lösung.
Ich nenne einmal die Themen Umwelttechnologie
und Energietechnologie. Hierfür müssen wir Nachwuchs
ausbilden und hier im Lande halten. Diese Zukunftsfragen sind von elementarer Bedeutung. Wir befinden uns
Carsten Müller ({4})
heute schon in einem scharfen und stetig schärfer werdenden Wettbewerb um die besten Ideen und die besten
Produkte. In diesem können wir nur mit den besten Köpfen bestehen.
({5})
Bei aller vermeintlichen Unterschiedlichkeit auch in
Detailfragen ist festzuhalten - das hat der Kollege
Rossmann sehr zutreffend herausgearbeitet -: Die Große
Koalition hat hier innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre
wirklich Vorbildliches geschaffen,
({6})
und zwar in einem Bereich, der durchaus leicht - das haben wir eben bei anderen Reden erlebt - ideologisch aufladbar ist. Genau das hat aber die Große Koalition nicht
gemacht.
Wir haben wichtige Themenfelder lokalisiert und zielführend bearbeitet. Das Thema „Lebenslanges Lernen“ ist
jetzt in den Fokus gerückt. Wir haben uns - hier widerspreche ich den Ausführungen der Kollegin Pieper - mit
der Frage des Bildungssparens schon auseinandergesetzt, als sich die FDP noch bei ganz anderen Themen
verzettelt hatte.
({7})
Wir haben auch erkannt, dass Qualifikationen elementar
sind für gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe.
In diesem Bereich sind wir ein großes Stück vorangekommen.
Unser Bildungssystem hat zugegebenermaßen noch
Entwicklungspotenzial. Deswegen - das wurde teilweise
kritisiert, aus meiner Sicht jedoch unverständlicherweise - nutzen wir beispielsweise im Konzert mit vielen
Bundesländern die Möglichkeiten, die das Konjunkturprogramm bietet, und investieren in Schulen, Hochschulen und Kindergärten.
({8})
Wer hier, wie Sie, Frau Sager, auftritt und das alles
kleinredet, bemäkelt und bekrittelt, der hat offensichtlich
ein wenig die Anbindung an seinen Wahlkreis verloren.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich vor Ort umzuschauen und sich mit den Menschen, die in den Einrichtungen arbeiten, mit den Kindern, mit den Schülerinnen
und Schülern und den Studenten, die die Einrichtungen
nutzen, darüber zu unterhalten,
({9})
wie sie diese Initiative der Großen Koalition bewerten.
Sie werden erfahren, dass diese dort auf große Zustimmung trifft, und zwar auf deutlich größere Zustimmung
({10})
- Sie brauchen da gar nicht herumzugackern - als zu den
abstrusen Vorschlägen, die im Moment von den Grünen
zum Thema BAföG zu vernehmen sind.
({11})
Ich finde es, ehrlich gesagt, schon ein bisschen abenteuerlich, wenn die Grünen einen elternunabhängigen
Zuschuss von 200 Euro für jeden Studenten fordern,
gleich, ob er aus einer wirtschaftlich schwächer gestellten Familie, aus einer Familie mit nur einem Elternteil
oder aus einer Chefarztfamilie kommt. Das zeigt, wie
weit Sie sich von der sozialen Realität in dieser Republik
bereits entfernt haben.
({12})
Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass wir beim
Thema BAföG gegebenenfalls noch Handlungsbedarf
haben. Aber - um der Wahrheit die Ehre zu geben - unter Annette Schavan ist es zum ersten Mal seit vielen
Jahren gelungen, die BAföG-Sätze anzuheben. Das war
dringend überfällig, und es ist eine große Leistung der
Großen Koalition.
({13})
Ich sage allerdings auch deutlich: Beim SchülerBAföG wäre vermutlich deutlich mehr möglich gewesen, wenn nicht Bundesfinanzminister Steinbrück einen
erheblichen Bedarf an Überzeugungsarbeit hervorgerufen hätte. Die Kollegin Schavan hat da, glaube ich, gute
Arbeit geleistet.
({14})
- Peter Struck hat sich dann Annette Schavan angeschlossen.
({15})
Darüber haben wir uns gefreut, und dadurch haben wir
ein vernünftiges Ergebnis erzielt. Da haben wir auch
noch ein gewisses Potenzial, das aber wahrscheinlich in
einer veränderten Konstellation gehoben werden wird.
Meine Damen und Herren, ich erspare Ihnen Ausführungen zu der Frage, ob man Steuern zweckgebunden erheben kann. Sie wissen genauso gut wie ich, dass das
nicht geht und dass mit einer solchen Behauptung den
Wählerinnen und Wählern Sand in die Augen gestreut
wird.
Ich möchte die letzten Minuten meiner Redezeit auf
den Bildungsgipfel verwenden. Frau Sager hat das
Thema als Aufgalopp genommen. Aber im Gegensatz zu
dem, was Sie hier dargelegt haben, hat der Bildungsgipfel große Erfolge gezeitigt. Der Kollege Rossmann hat
einen der konkretesten greifbaren Punkte angeführt. Ich
glaube, es ist allein dem Bildungsgipfel zu verdanken,
dass wir uns mit der Frage der gesellschaftlichen Teilhabe so zielführend beschäftigt haben, dass wir am Ende
Carsten Müller ({16})
eine gute Lösung in Bezug auf das Schulstarterpaket gefunden haben. Das ist tatsächlich eine gemeinsame Leistung. Wir haben deutliche Kürzungen verhindert. Ich
finde es außerordentlich begrüßenswert, dass die Förderung bis zum 13. Schuljahr möglich ist. Ich finde es geradezu unverzichtbar, dass wir nicht nur die Allgemeinbildung einbeziehen, sondern auch die berufliche
Bildung.
Kollege Schulz und Kollege Röspel, wenn Sie Zweifel an der Urheberschaft haben: Wir können uns über
vieles unterhalten, aber die Berücksichtigung der beruflichen Bildung geht ziemlich eindeutig auf eine Idee der
Union zurück.
({17})
Im Ergebnis haben wir durch das Zusammenwirken der
Bildungspolitiker im ganzen Hause, aber insbesondere
in den beiden die Regierung tragenden Fraktionen ein
sehr gutes Ergebnis erreicht, das sich wirklich sehen lassen kann.
({18})
Meine Damen und Herren, Bildung und Forschung
gehören zusammen. Wir haben jetzt eine über einstündige Debatte zu diesem Thema geführt. Wie gesagt, Frau
Sager, an den Taten sollt ihr sie messen. Ich will von einem Ereignis berichten, das die Situation ein bisschen
beschreibt. Gestern ist der Forschungsexpress gestartet.
Forschungs- und Bildungsministerin Schavan hat zusammen mit der Bundeskanzlerin diesen Zug am Berliner Hauptbahnhof der Öffentlichkeit vorgestellt und auf
eine Reise durch 62 Städte unserer Republik geschickt.
Der Zug wird vermutlich auch international unterwegs
sein und für deutsche Bildung und deutsche Forschung
werben. Es besteht ein großes Interesse. Die Schülerinnen und Schüler, die vor Ort waren, haben das Angebot
begeistert aufgenommen. Es lohnt sich wirklich, diesen
Zug zu besuchen. Das Einzige, was mir nicht so gut gefallen hat - das sage ich freimütig -, war, dass dieser
Zug gestern im wahrsten Sinne des Wortes ohne die Opposition abgefahren ist, und zwar ohne alle drei Oppositionsfraktionen.
({19})
Da haben Sie noch ein bisschen Nachholbedarf.
Ich darf Sie bitten, diesen Zug wenigstens in Ihren
Wahlkreisen zu besuchen. Lassen Sie uns gemeinsam an
guter Bildung arbeiten! Lassen Sie uns gemeinsam weniger Strukturdiskussionen und mehr inhaltliche Diskussionen führen! Dann sind wir auf einem guten Weg. Die
Große Koalition hat mächtig vorgelegt.
Vielen Dank.
({20})
Das Wort hat nun Kollege Swen Schulz für die SPDFraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Sager,
Sie haben hier wirklich eine heiße Rede vorgelegt.
({0})
Aber an einigen Stellen sind Sie - das muss ich leider sagen - über das Ziel hinausgeschossen,
({1})
zum Beispiel mit der Kritik an dem Investitionsprogramm. Sie haben gesagt, das sei nur eine Investition in
Beton und nicht in Köpfe. Aber, Frau Sager, auch das
rot-grüne Ganztagsschulprogramm war eine Investition
in Baulichkeiten,
({2})
und es war wirklich sehr erfolgreich. Ich glaube, wir
können gemeinsam stolz darauf sein.
({3})
Das Investitionsprogramm, das wir jetzt aufgelegt haben, leistet mit der Förderung der Bildung einen starken
Beitrag zur Bewältigung der Konjunkturkrise und ist
auch langfristig sinnvoll.
Frau Sager, Sie sollten diesen Erfolg nicht kleinreden.
Ich denke, dass auch die grüne Senatorin in Hamburg einiges von dem, was dort mit den Mitteln des Investitionsprogramms verwirklicht wird, voller Stolz präsentieren wird. In diesem Sinne: Seien Sie nicht allzu
kleinkariert! Das kommt auch bei den Leuten nicht gut
an.
({4})
Wir wissen, dass das Investitionsprogramm nur ein
Baustein ist. Wir müssen über die akute Krisenbewältigung hinaus langfristig mehr für eine bessere Bildung
für alle tun. In diesen Tagen wird vor sozialen Unruhen
gewarnt. Wir befinden uns in der Tat in einer ernsten Situation. Darum haben wir Konjunkturpakete aufgelegt.
Durch kurzfristige Maßnahmen darf der Spielraum für
langfristig wirkende Investitionen in Bildung aber auf
keinen Fall verengt werden. Im Gegenteil: Ohne Bildung
können wir auf lange Sicht gar nicht bestehen.
({5})
Wir können immer weitere Milliarden für Konjunkturpakete bereitstellen: Wenn die Leute nicht ausreichend
qualifiziert sind, werden sie keine Arbeit finden.
Viele bangen um ihren Arbeitsplatz. Es ist daher vollkommen richtig, dass der Staat eingreift. Wir dürfen aber
nicht vergessen, dass Zehntausende die deutschen Schulen ohne jeden Abschluss verlassen. Allein im Jahr 2007
waren es über 70 000 junge Frauen und Männer, deren
Swen Schulz ({6})
berufliche Zukunft düster aussah, noch bevor sie überhaupt begonnen hatte.
Noch eine Zahl: 1,5 Millionen junge Erwachsene stehen heute ohne Berufsausbildung da. Für einen Großteil
von ihnen ist es ziemlich egal, ob wir uns gerade in einer
Konjunkturkrise befinden oder nicht; sie haben so oder
so nur wenige Perspektiven.
({7})
In unserem Bildungssystem werden zu viele Menschen
mit schlechten Chancen entlassen. Das ist wirklich ein
sozialer Sprengsatz.
({8})
Darum ist das alles richtig: von den Maßnahmen zur
Stabilisierung der Konjunktur über die Steuererleichterungen bis hin zur Abwrackprämie.
({9})
Uns muss aber daran gelegen sein, dass wir den Menschen eine gute Bildung geben, damit sie ihr Leben langfristig selber in die Hand nehmen und etwas schaffen
können. Darum sage ich: So viel Geld, wie wir für die
Abwrackprämie zur Verfügung stellen, sollten wir auch
für ein neues Ganztagsschulprogramm aufbringen, Frau
Sager.
({10})
5 Milliarden Euro für ein Ganztagsschulprogramm II
- das erste Ganztagsschulprogramm läuft in diesem Jahr
aus - wären mit Sicherheit gut angelegtes Geld. Der
Aufbau von Ganztagsschulen sollte uns ebenso viel wert
sein wie das Abwracken von Autos.
({11})
Wir dürfen die Menschen nicht verloren geben. Für
diejenigen, die heute keinen Schulabschluss und keine
Berufsausbildung haben, müssen wir etwas tun, damit
sie neue Perspektiven erhalten. Darum hat Bundesminister Scholz den Rechtsanspruch für das Nachholen eines
Hauptschulabschlusses auf den Weg gebracht. Darüber
hinaus ist der Vorschlag, den Minister Scholz gestern an
dieser Stelle gemacht hat, nämlich allen über 20-Jährigen ohne Ausbildung eine außerbetriebliche Berufsausbildung zu garantieren, sehr gut. Wir müssen vor allen
Dingen dafür sorgen, dass die Jugendlichen besser qualifiziert von den Schulen kommen, damit es gar nicht erst
zu diesen Problemen kommt.
Doch leider können wir im Bundestag und in der
Bundesregierung in Sachen Schule nur wenig helfen.
Der Weg zu einer besseren Bildung für alle ist lang und
beschwerlich; denn zum einen ist es objektiv schwer,
den Herausforderungen gerecht zu werden und die Probleme zu lösen, und zum anderen wird es uns schwerer
gemacht, als es ohnehin schon ist. Uns werden Steine in
den Weg gelegt. Ich will auch sagen, von wem, nämlich
von den Bundesländern - namentlich von den meisten
Ministerpräsidenten. Ich habe manchmal den Eindruck,
dass sie mehr damit beschäftigt sind, sich gegen eine angebliche Einmischung des Bundes in ihre Bildungszuständigkeit zu wehren, als dass sie tatsächlich für gute
Schulen sorgen.
({12})
Wer die Zuständigkeit für etwas übernimmt, der übernimmt auch die Verantwortung, und diese muss ordentlich ausgefüllt werden.
Ich denke, hinsichtlich des Bund-Länder-Verhältnisses gibt es Hoffnung. Immer mehr verantwortliche Politikerinnen und Politiker erkennen, dass das, was die
SPD-Bundestagsfraktion seit Jahr und Tag sagt, richtig
ist: Es ist besser, die Lasten gemeinsam zu schultern, als
getrennt zu laufen. Deshalb hat Bundeskanzlerin Merkel
zu einem sogenannten Bildungsgipfel eingeladen. Ich
will mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn
Bundeskanzler Schröder das getan hätte.
({13})
Ich glaube, dass sich die damalige baden-württembergische Kultusministerin Schavan an die Spitze der Bewegung gestellt und zetermordio geschrien hätte. Sie hätte
den Untergang des Bildungsföderalismus heraufbeschworen und zum Boykott aufgerufen. Das ist aber geschenkt. Wir freuen uns über jeden Erkenntnisgewinn.
Auf diesem Bildungsgipfel, der glücklicherweise
stattgefunden hat, wurde jedenfalls eine Menge besprochen. Wir hatten uns mehr konkrete Ergebnisse erhofft.
Der Mount Everest wurde nicht gerade erklommen.
({14})
Es wurde aber immerhin verabredet, die Quote der
Schulabbrecher und der jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss zu halbieren sowie die Ausgaben für Bildung und Forschung bis zum Jahr 2015 auf 10 Prozent
des Bruttoinlandproduktes, das heißt auf ein international vergleichbares Niveau, anzuheben.
Wir dürfen uns nichts vormachen: Das sind sehr anspruchsvolle Vorhaben. Um etwa das 10-Prozent-Ziel zu
erreichen, müssen jährlich ungefähr 50 Milliarden Euro
mehr für Bildung und Forschung zur Verfügung gestellt
werden. Das meiste davon müssen die Bundesländer
aufbringen; denn sie sind für die Bildung zuständig, und
zwar selbstgewollt. Es liegt auf der Hand, dass die meisten Bundesländer das nicht erreichen können, zumal die
Ländervertreter in der Föderalismuskommission selber
auf eine harte Schuldenbremse gedrungen haben.
Wir werden hier noch eingehend über Sinn und Unsinn der Vorschläge für eine weitere Förderalismusreform diskutieren. So viel schon jetzt: Es darf nicht sein,
Swen Schulz ({15})
dass die Schuldenbremse die Bildungsfinanzierung ausbremst.
({16})
Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist. Ich
bin keinesfalls für ein Schuldenmachen aus Prinzip. Besser ist es, zu sparen.
({17})
Es muss aber der Grundsatz gelten: Wir sparen für die
Kinder, nicht an den Kindern. Das ist zu berücksichtigen. Darum sage ich:
({18})
Erstens. Die Politik darf nicht in Ketten gelegt werden, sondern es müssen ausreichend Spielräume für Zukunftsinvestitionen bleiben.
Zweitens wir müssen gerade dann, wenn weniger
Schulden gemacht werden sollen, die Möglichkeiten der
Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verbessern, damit sich auch arme Bundesländer ordentliche
Schulen und gute Lehrer leisten können, damit die Kinder aus Flensburg die gleichen Chancen wie die Kinder
aus Freiburg haben. Da reicht es nicht aus, wie zuletzt
von der Föderalismuskommission vorgeschlagen, dass
der Bund nur in Wirtschaftskrisen oder nach Naturkatastrophen helfen darf. Es darf nicht so sein, dass die Leute
hoffen müssen, dass es zu Krisen und Katastrophen
kommt, damit sie gute Schulen bekommen. Nein, wir
müssen jedes Jahr für gute Bildung sorgen. Die Länder
dürfen die Hilfen des Bundes nicht aus falschem Stolz
oder Ehrgeiz ablehnen.
Herzlichen Dank.
({19})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 16/12687 und 16/12668 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung auf Drucksache 16/12656. Der
Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussemp-
fehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 16/9808 mit dem Titel „Bil-
dungsgipfel nutzen - Bessere Bildung für alle - Bildung
als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist
mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Ent-
haltung von Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstimmen
der Fraktion Die Linke angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/10586 mit
dem Titel „Bildungsgipfel muss Ergebnisgipfel werden -
Für ein gerechtes und besseres Bildungswesen“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung
ist ebenfalls mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und
FDP bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen
und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
der FDP auf Drucksache 16/10328 mit dem Titel „Auf-
bau von privatem Bildungskapital fördern - Grundlage
für Bildungsinvestitionen schaffen“. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? -
Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Ge-
genstimmen der Fraktion der FDP mit dem Rest der
Stimmen des Hauses angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 4 seiner
Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/10587 mit
dem Titel „Die finanziellen Grundlagen für den Bil-
dungsaufbruch schaffen“. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Ent-
haltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Gegen-
stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem
Rest der Stimmen des Hauses angenommen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel
„Bildungsstrategie für mehr Chancengerechtigkeit star-
ten“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 16/12661, den Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/7465
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/
CSU und FDP bei Gegenstimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion
Die Linke angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a und 32 b auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Anpassung eisenbahnrechtlicher Vorschriften an die Verordnung ({0}) Nr. 1371/
2007 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte
und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr
- Drucksache 16/11607 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Ulrike
Höfken, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Fahrgastrechte
- Drucksache 16/1146 Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({1})
- Drucksache 16/12715 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Günter Krings
Mechthild Dyckmans
Wolfgang Neškovi
Jerzy Montag
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({2}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Hans-Michael
Goldmann, Mechthild Dyckmans, Dr. Karl
Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Rechte von Bahnkunden stärken
- Drucksachen 16/9804, 16/12715 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Günter Krings
Mechthild Dyckmans
Wolfgang Neškovi
Jerzy Montag
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Alfred Hartenbach.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Heute, an einem schönen Freitagmittag, begehen wir einen guten Tag für die Verbraucherinnen und
Verbraucher. Mit dem Gesetz zur Anpassung eisenbahnrechtlicher Vorschriften an die EG-Verordnung über die
Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, der Ihnen heute zur abschließenden Beratung vorliegt, werden Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer endlich
mehr Rechte bekommen. Dabei wollen wir nicht auf das
Inkrafttreten der EG-Verordnung im Dezember 2009
warten. Vielmehr werden die neuen Regelungen, wenn
ihnen auch der Bundesrat zustimmt - das wird, glaube
ich, noch ein Stückchen Arbeit werden -, bereits zur
Sommerreisesaison gelten können.
Jährlich sind Millionen Fahrgäste in Deutschland von
Verspätungen betroffen. Entsprechend den Vorgaben der
EG-Verordnung werden sie künftig bei längeren Verzögerungen einen Teil des Fahrpreises zurückerhalten. Dabei geht es nicht nur um größere Verspätungen eines Zuges, sondern auch um solche Verspätungen, die ein
Fahrgast erleidet, weil er wegen einer vergleichsweise
kleinen Verspätung seinen Anschlusszug verpasst hat.
Im Nahverkehr werden die Fahrgäste außerdem die
Möglichkeit bekommen, auf andere Verkehrsmittel auszuweichen und gegebenenfalls sogar ein Taxi zu nehmen.
Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, mit denjenigen,
die nach Vorlage des Regierungsentwurfs weitere Verbesserungen der Fahrgastrechte gefordert haben, einen
tragbaren Kompromiss zu finden. Der Kompromiss sieht
insbesondere vor, dass der Fahrgast, wenn er mit einer
mindestens 20-minütigen Verspätung rechnen muss, jeden beliebigen Zug nutzen kann, um sein Ziel zu erreichen. Damit ist er nicht, wie noch im Regierungsentwurf
vorgesehen, auf Züge beschränkt, für die derselbe Tarif
gilt.
Außerdem kann der Fahrgast nach diesem Kompromiss bei einer Verspätung in der Nachtzeit andere Verkehrsmittel einschließlich eines Taxis nutzen, wenn die
Ankunftszeit - nicht die gesamte Fahrt - in die Nachtzeit
fällt. Alternativ genügt es, dass der fahrplanmäßig letzte
Zug ausfällt und der Reisende sein Ziel nicht mehr am
selben Tag erreichen kann. Nach dem Regierungsentwurf war es noch erforderlich, dass der fahrplanmäßig
letzte Zug, der nach 20 Uhr verkehrt, ausfällt. Für das
andere Verkehrsmittel kann der Fahrgast nicht mehr nur
Aufwendungsersatz in Höhe von maximal 50 Euro, sondern nun bis zu 80 Euro verlangen. Schließlich wurden
auch die Anforderungen, die an eine geeignete Schlichtungsstelle zu stellen sind, noch präziser gefasst.
Natürlich lassen sich noch immer Vorschläge denken,
nach denen Fahrgäste weitergehende Rechte erhalten.
Hierzu zählen zum Beispiel die Forderung, bereits ab
einer Verspätung von 30 Minuten eine Entschädigung in
Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises bzw. ab 60 Minuten eine Entschädigung in Höhe von 50 Prozent vorzusehen, oder der Vorschlag, die Sonderregel für den Nahverkehr auch auf den Fernverkehr auszudehnen.
Wie Sie wissen, stand und steht mein Ministerium
diesen Vorschlägen kritisch gegenüber. Es dient nicht
den Interessen der Verbraucher, wenn wir gesetzliche
Regelungen schaffen, die im Ergebnis unwirtschaftlich
sind oder zu Preissteigerungen führen. Gerade dies ist
insbesondere dann zu befürchten, wenn die Eisenbahnunternehmen verpflichtet werden, bereits ab einer Verspätung von 30 Minuten eine Fahrpreisentschädigung zu
zahlen. Lässt es sich zudem wirklich rechtfertigen, wenn
dem Reisenden im Fernverkehr Rechte zugestanden
werden, die speziell auf die Bedürfnisse des Nahverkehrs zugeschnitten sind? Ich glaube, nein.
Darüber hinaus müssen wir berücksichtigen, dass uns
die EG-Verordnung Grenzen setzt. Sie gestattet für internationale Verkehre überhaupt keine Abweichung und für
nationale Fernverkehre nur befristete Abweichungen. Es
dürfte den Verbrauchern kaum vermittelbar sein, dass sie
im teuren internationalen Verkehr weniger Rechte erhalten als im oft subventionierten und vergleichsweise
preisgünstigen Nahverkehr, zumal die für den innerstaatlichen Fernverkehr geschaffenen Sonderregelungen nach
einer bestimmten Frist ohnehin wieder aufgehoben werden müssten. Hinzu käme ein Wettbewerbsnachteil der
inländischen Bahnen gegenüber ausländischen Eisenbahnverkehrsunternehmen, die in Deutschland grenzüberschreitende Dienstleistungen anbieten. Es macht daher
wenig Sinn, die für den Schienenpersonennahverkehr
vorgesehenen Sonderregelungen auf den Fernverkehr
auszudehnen.
Wir sollten außerdem anerkennen, dass wir nach
mühsamem Ringen endlich einen Kompromiss gefunden
haben, mit dem die Rechte der Bahnkunden weitestgehend gestärkt werden, ohne die Balance im Hinblick auf
die finanzielle Belastbarkeit und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahnverkehrsunternehmen aus
den Augen zu verlieren. Eine Infragestellung des Kompromisses dient weder den Interessen der Fahrgäste noch
denen der Eisenbahnunternehmen. Wir sollten jetzt alles
daransetzen, dass dieses Gesetz nach guten, allerdings
auch sehr langen Beratungen endlich in Kraft tritt, damit
die Fahrgäste diese Vorteile bereits mit Beginn der Sommerreisesaison - ich habe es eben schon einmal erwähnt in Anspruch nehmen können.
({0})
Ich möchte den Anlass nutzen, mich bei den Mitgliedern des federführenden Rechtsausschusses
({1})
- nicht so vorschnell, junge Frau! -, der mitberatenden
Ausschüsse, insbesondere bei den Mitgliedern des Ausschusses für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz und des Verkehrsausschusses, und vor allen
Dingen bei meiner Kollegin Ulla Heinen aus dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz herzlich zu bedanken. Als dort in der politischen
Spitze die Damen die Mehrheit gewonnen haben, kam
Frauenpower auf und das Ganze wurde beschleunigt.
Herzlichen Dank dafür!
({2})
Ich glaube, wir haben ein gutes Gesetz erarbeitet. Wir
sollten positiv über dieses gute Gesetz reden. Ich darf
übrigens Dank im Namen von Frau Bundesministerin
Zypries aussprechen, die sehr bedauert, dass sie nicht
selbst hier reden kann. Sie hat einen großen Teil der Beratungen mit Ihnen begleitet.
({3})
Der Kollege Hans-Michael Goldmann von der FDP
hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1)
Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Dr. Günter
Krings, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Da gestern der Welttag des Buches war, wie Sie
alle sicherlich mitbekommen haben, erlaube ich mir, mit
1) Anlage 5
dem Hinweis auf ein Buch anzufangen, und zwar auf einen Bestseller, nicht nur in Bahnhofsbuchhandlungen.
Lautmalerisch heißt der Titel Senk ju vor träwelling. Das
Buch hat den durchaus provokativen Untertitel Wie Sie
mit der Bahn fahren und trotzdem ankommen. Das Buch
ist offenbar erfolgreich; denn es ist schon in einer zweiten Ausgabe erschienen. Es ist wahrscheinlich deshalb
erfolgreich, weil viele Fahrgäste, die das Buch kaufen,
ähnliche Erlebnisse mit der Bahn gehabt haben, Erlebnisse, die offenbar nicht alle besonders erfreulich waren.
Wir in der Politik, wir im Deutschen Bundestag können uns anders als Autoren und Verlage nicht darauf beschränken, uns über Probleme bei der Bahn lustig zu machen, sondern wir sind gefordert, Probleme zu lösen,
Missstände zu beseitigen und den teilweise leidgeprüften
Fahrgästen effektiv zu helfen.
({0})
Genau das tun wir mit dem heute zu verabschiedenden
Gesetzentwurf, der an einigen zentralen Stellen - das
darf ich schon sagen - deutlich die Handschrift der
Union trägt.
({1})
Allerdings, das will ich schon erwähnen, haben wir gemeinsam - jetzt kommt der Gemeinsamkeitsteil - in der
Großen Koalition in den verschiedenen Ausschüssen dem Dank des Herrn Staatssekretärs kann ich mich voll
anschließen - im Interesse der Fahrgäste einige Verbesserungen, auch im Vergleich zum Regierungsentwurf,
erreicht.
Wir verabschieden den Gesetzentwurf gleich hoffentlich nicht als Gegner der Bahn, sondern, im Gegenteil,
als Freunde der Bahn. Ich bin bekennender Bahnfahrer.
Ich fahre gerne mit der Bahn, obwohl auch ich mich
manchmal über Verspätungen oder sonstige Missstände
ärgern muss. Ich glaube, dass dieses Gesetz einen Beitrag dazu leisten wird, das Bahnfahren attraktiver zu machen. Das nutzt nicht nur den Fahrgästen, sondern letztlich auch der Bahn AG und ihren Wettbewerbern.
({2})
Wir stärken die Fahrgastrechte - das ist eben angeklungen - auf eine realistische Weise. Wir stellen keine
utopischen Forderungen auf, wie das Teile der Opposition vermutlich gleich tun werden. Die stärkste Oppositionsfraktion hat schon darauf verzichtet, ihre Rede
mündlich vorzutragen. Das scheint also kein ganz so
wichtiges Thema zu sein; auch im Rechtsausschuss hat
keine der Oppositionsfraktionen das Wort dazu ergriffen.
Trotzdem hatten wir Differenzen in den Beratungen, was
auch in Ordnung ist.
Wir müssen alle Verbesserungen der Fahrgastrechte
auch unter folgendem Gesichtspunkt betrachten: Der
Bahnverkehr, insbesondere der Nahverkehr, ist in
Deutschland hochsubventioniert. Wir können es dem
nicht bahnfahrenden Steuerzahler nur beschränkt zumuten, dass wir ihm in die Tasche greifen; denn er muss
schon die Subventionen des laufenden Bahnverkehrs mit
seinen Steuergeldern zahlen. Außerdem muss er mit seinen Steuergeldern indirekt die Entschädigungszahlungen
für die Fahrgäste subventionieren. Deshalb schaffen wir
realistische Verbesserungen, keine utopischen.
An einigen Stellen haben wir im Gesetzentwurf deutliche Verbesserungen für die Bahnkunden erreicht. Ich
will drei Punkte kurz nennen.
Es gibt erstmals einen rechtlich verbindlichen Anspruch auf Geldentschädigung bei Verspätungen. Dazu
werde ich mich gleich im Einzelnen äußern.
Es gibt jetzt auch das Recht, das Verkehrsmittel zu
wechseln. Wer im Nahverkehr eine Verspätung erleidet,
kann auf den parallel fahrenden Fernverkehrszug umsteigen. Gerade für den ländlichen Raum ist die Garantie
wichtig, dass man an einem Bahnhof spät abends oder
auch am Tage nicht stehengelassen wird, wenn kein Zug
mehr fährt. Notfalls werden Übernachtungs- oder Taxikosten übernommen.
Ferner haben wir eine Beschwerde- und Schlichtungsstelle eingeführt, die den Gang vor Gericht angesichts solcher Summen nicht erforderlich macht.
Ich will auf diese Punkte etwas näher eingehen.
Zunächst komme ich zur Entschädigung, die wahrscheinlich für viele im Vordergrund steht. Die Bahn AG
hat schon bislang eine Kundencharta gehabt; sie war aber
rechtlich nicht verbindlich. Es gab nur einen pauschalen
Entschädigungssatz von 20 Prozent des Fahrpreises ab
einer Verspätung von 60 Minuten. Wir schaffen einen
rechtsverbindlichen Anspruch: Bei einer Verspätung von
60 Minuten werden 25 Prozent des Fahrpreises erstattet.
Die Höhe der Entschädigung steigt bei einer Verspätung
von zwei Stunden und mehr auf 50 Prozent des Fahrpreises. Es ist nämlich nicht so, dass jede Verspätung gleich
stark ins Gewicht fällt. Wer unter einer deutlich längeren
Verspätung zu leiden hat, hat auch größere Unannehmlichkeiten. Vielleicht hat er sogar höhere Kosten, weil er
einen Termin verpasst oder weil ihm sein Arbeitgeber
Schwierigkeiten macht.
Der Umstieg auf den Fernverkehr wird ermöglicht
werden. Im Fernverkehr selber - auch das ist deutlich
geworden - war unser Spielraum ohnehin begrenzt, weil
die EU-Verordnung dafür weitgehende Vorgaben gemacht hat und wir die Fahrgäste mit der Unterscheidung
zwischen grenzüberschreitenden und anderen Zügen
nicht verwirren wollten.
Wir haben Spielräume im Nahverkehr, und diese
Spielräume haben wir zugunsten der Bahnkunden genutzt. Wer bei der Fahrt mit einem Nahverkehrszug Verspätungen von mindestens 20 Minuten erleidet, kann auf
einen IC- oder ICE-Zug umsteigen. Dem Kunden geht es
nicht um Geld, sondern er will vor allem pünktlich an
sein Ziel kommen. Dazu möchten wir unseren Beitrag
leisten.
({3})
Angesichts der durchschnittlichen Länge einer
Schlange vor einem deutschen Bahnschalter ist es wichtig - Sie werden mir zustimmen -, ohne vorherigen
Fahrkartenumtausch und ohne weitere Formalitäten in
einen Fernverkehrszug umsteigen zu können. Allerdings
hilft die Option „Umstieg in den Fernverkehr“ nur dort,
wo Fernverkehr stattfindet.
Ich will an der Stelle ein kritisches Wort zum Problem
der Ausdünnung des Fernverkehrsangebots der Bahn sagen. Ich kann leidgeprüft aus meinem eigenen Wahlkreis
berichten: Mönchengladbach mit über einer Viertelmillion Einwohnern ist die größte Stadt Deutschlands ohne
IC- und ICE-Anschluss.
({4})
Ähnliche Probleme haben auch andere Städte. Ich erwähne als Beispiel die Stadt Mühlhausen in Thüringen.
Der Kollege Grund hat mir anvertraut, dass eine Besuchergruppe aus dieser Stadt anwesend ist. Auch diese
Besucher konnten nicht unmittelbar mit dem ICE anreisen. Wir haben beim Thema Fernverkehr einen großen
Nachholbedarf und werden uns weiter für eine Verbesserung dieser Verkehrsanbindungen einsetzen. Ich wiederhole: Die Option „Umstieg in den Fernverkehr“ ist natürlich nur dort möglich, wo Fernverkehr stattfindet.
Ich will zum Abschluss noch einmal erläutern, welches
Ziel wir mit diesem Gesetz erreichen wollen. Dieses Gesetz dient nicht dazu, möglichst vielen Bahnkunden
möglichst viele Entschädigungszahlungen zukommen zu
lassen. Die Kunden wollen, wie ich eben schon sagte,
nicht Geld haben, sondern pünktlich ankommen, damit
sie morgens keinen Ärger im Büro und abends keinen
Ärger zu Hause bekommen. Wir müssen daher effektiven Druck auf die Verantwortlichen der Bahn ausüben,
damit sie ihr Geld an der richtigen Stelle investieren. Die
Deutsche Bahn AG - ich greife dieses Unternehmen einmal heraus, weil es die meisten Fahrgäste befördert - ist
ein großer Konzern mit verschiedenen Unternehmenssparten. Da ist es schon wichtig, dass auch wir unseren
Beitrag dazu leisten, dass die Gelder zugunsten der Kunden an der richtigen Stelle investiert werden, zum Beispiel in bestimmte pünktlichkeitsrelevante Technik oder
in Personal, das pünktliche Zugfahrten sicherstellen soll.
Wir wollen, dass die Bahn in diesem Bereich erheblich
mehr tut, damit die Kunden bei der Stange bleiben und
damit Nichtbahnfahrer den Umstieg vom Auto oder von
anderen Verkehrsmitteln auf die Bahn erwägen.
Pünktlichkeit war einmal das Markenzeichen der
deutschen Eisenbahn. Die Pünktlichkeit der Bahn war
schon sprichwörtlich. Sie war Vorbild für andere Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Auch international hatte
die deutsche Bahn einen hervorragenden Ruf, was
Pünktlichkeit anbelangt. Ich stimme sogar zu, wenn gesagt wird: Die Bahn ist besser als ihr Ruf, auch in puncto
Pünktlichkeit. Aber sie kann noch deutlich besser werden; bekanntlich ist das Bessere der Feind des Guten.
Wir möchten einen positiven Anstoß geben und den berühmten heilsamen Druck ausüben, damit die Bahn ihre
Anstrengungen in Bezug auf Pünktlichkeit deutlich verbessert. Mit diesem Gesetz werden wir - um im Bild zu
bleiben - die Weichen dafür stellen.
Vielen Dank.
({5})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Binder, Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Gäste! Die Bundesregierung hat sich mit
ihrem Gesetzentwurf gegen die Einführung weitergehender fahrgastfreundlicher Regelungen im Schienenverkehr entschieden. Ihre Vorlage übernimmt nahezu unverändert die Regelungen der Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 zum
Fernverkehr. Diese Verordnung setzt lediglich Mindeststandards und überlässt den Staaten die Möglichkeit,
weitergehende Regelungen zugunsten der Fahrgäste zu
schaffen. Die Bundesregierung vergibt die Chance, für
eine verbraucherfreundlichere Entschädigungsregelung
zu sorgen. Die Linke fordert die Bundesregierung deshalb noch einmal auf, über die Mindeststandards der
EU-Verordnung hinauszugehen.
Wir haben im Interesse der Kundinnen und Kunden
des öffentlichen Personenverkehrs in unserem Entschließungsantrag sieben Forderungen aufgestellt:
Die erste Forderung betrifft die Entschädigung. Die
Mindestentschädigung für Fahrgäste soll bereits ab einer
Verspätung von 30 bis 59 Minuten 25 Prozent des Fahrpreises betragen.
({0})
Bei einer Verspätung von über 60 Minuten soll eine Entschädigung von 50 Prozent gesetzlich festgelegt werden.
Diese Entschädigungsregelung würde wenigstens annähernd in Relation zu dem Ärger und dem Aufwand stehen, der durch die Verspätung für viele Reisende entstehen kann.
({1})
Um dabei Bahnkundinnen und Bahnkunden mit einer
Bahn-Card, mit Netz- oder Dauerkarten nicht schlechter
zu stellen, muss die Erstattung am vollen Fahrpreis bemessen werden.
Die zweite Forderung betrifft die Geringfügigkeitsklausel. Die EU-Verordnung ermöglicht den Verkehrsunternehmen, nämlich in den Beförderungsbedingungen
sogenannte Geringfügigkeitsklauseln festzulegen. Das
bedeutet: Entschädigungen unter 4 Euro werden nicht
gezahlt. Die Linke meint, dass solche Klauseln nicht erlaubt werden dürfen. Sie werden den Realitäten des Personenverkehrs auf der Schiene nicht gerecht. Nach dem
Gesetzentwurf müsste ein Einzelfahrschein mindestens
16 Euro kosten, damit bei einer Verspätung von einer
Stunde überhaupt eine Entschädigung zum Tragen käme.
Bei einer Entschädigung von 25 Prozent sind das 4 Euro.
Eine solche Bagatellgrenze schließt viele Entschädigungen aus. Ich denke, viele Menschen müssen heute
sehr genau rechnen und können 4 Euro nicht einfach abschreiben, vor allem dann nicht, wenn ihnen aus der Verspätung noch Folgekosten entstanden sind. Fahrgäste im
Regionalverkehr und auch Kundinnen und Kunden mit
ermäßigten Tarifen, also Seniorinnen und Senioren, Kinder, Jugendliche, gucken dann schnell mal in die Röhre.
Auch zu der Argumentation in Bezug auf Bürokratie
und Verwaltungsaufwand haben wir einen Vorschlag.
Die Beförderungsunternehmen könnten bei einer Entschädigung von unter 4 Euro den Fahrgästen bereits
während der Fahrt einen Gutschein ausstellen, der mit
dem nächsten Fahrscheinkauf verrechnet werden kann.
({2})
- Ja, das ist unbürokratisch. Das funktioniert ohne Antrag, ohne große Bearbeitung, ohne Gebühren. Die Gutscheine könnten von den Zugbegleiterinnen und Zugbegleitern bereits während der Fahrt ausgestellt werden.
Das wäre eine kundenfreundliche Variante, die viele
Menschen wahrscheinlich zufriedenstellen würde und
dazu beitragen würde, sie als Kundinnen und Kunden
des öffentlichen Verkehrs zu halten. - Damit wäre nach
unserer Auffassung das Argument der Bürokratie weitgehend entkräftet.
({3})
- Jeder Taxifahrer muss eine Quittung ausstellen. Wo ist
da die Schwierigkeit, einen Gutschein auszustellen?
({4})
Die dritte Forderung betrifft die durchgehende Reisekette. Wir sehen nicht ein, dass die Verspätung allein im
Fernverkehr zählen soll. Heute zieht sich die Bahn von
vielen Strecken zurück, die dann andere Anbieter übernehmen für den Nahverkehr. Die Leute, die am Endbahnhof der Bahn AG ankommen und nicht mehr weiterkommen, gucken in die Röhre. Deshalb ist das für uns
ein Thema, das in die Entschädigungsregelung entsprechend einzubeziehen ist. Es geht um Personenbeförderung vom Abfahrtsbahnhof bis zum Zielort. Wenn es im
Fernverkehr eine Verspätung von 10 oder 20 Minuten
gibt, kann es sein, dass die Anschlussverbindung im
Nahverkehr erst viel später oder an diesem Tag gar nicht
mehr besteht. Von daher muss die durchgehende Reisekette zugrunde gelegt werden, wenn es darum geht, für
Verspätungen eine Entschädigung zu gewähren.
In vielen Fällen haben die Leute keine Möglichkeit,
Kombikarten für die gesamte Fahrstrecke zu kaufen. Gerade die Privatisierung der Bahn und vieler ehemaliger
Bahnstrecken
({5})
hat dazu beigetragen, dass die Leute nicht mehr eine
Karte für die Fahrt von A nach B kaufen können. Von
daher muss man besondere Lösungen finden.
Die vierte Forderung betrifft die Umsteigemöglichkeit auf teurere Züge. Bei einer Verspätung darf das Umsteigen von einem Regional- auf einen Fernverkehrszug
nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Fernverkehrszug reservierungspflichtig ist. Es wird immer mehr
Züge geben, die diese Option haben, und die würden alle
wegfallen, wenn es darum geht, bei Verspätungen Ersatzverbindungen zu nutzen. Das kann nicht sein. Ein
Umsteigen muss unabhängig davon möglich sein, ob es
sich um einen Sprinter, einen TGV oder andere besondere Züge handelt. Man muss auch mit solchen Zügen
weiterfahren können, wenn der eigene Zug eine massive
Verspätung hatte.
({6})
- Die reservierungspflichtigen Züge waren bislang ausgenommen.
({7})
Wir haben noch eine fünfte Forderung. Sie betrifft die
Fahrtkostenübernahme durch die Bahn insbesondere bei
Verspätungen nach Mitternacht. Auch bei geringeren
Verspätungen muss es möglich sein, dass die Bahn den
Fahrgästen entgegenkommt. Das bedeutet, dass in diesen
Fällen der Umstieg auf andere Verkehrsmittel und die
Kosten für eine direkte Weiterfahrt, beispielsweise mit
Taxen, durch die Bahn übernommen werden müssen.
({8})
Nicht nur Jugendliche und Kinder, sondern auch ältere
Menschen und andere Bahnfahrende haben nicht immer
genug Geld in der Tasche, die zusätzlichen Kosten dafür
vorzustrecken. Deshalb wäre auch hier eine Gutscheinlösung richtig, nach der die anderen Beförderungsunternehmen die entstandenen Kosten durch die Bahn erstattet
bekommen.
Unser sechster Vorschlag ist, die Informationspflichten der Bahn zu verbessern. Im Entwurf der Bundesregierung fehlt nämlich ein wesentliches Element, und
zwar die in der EG-Verordnung enthaltene Pflicht der
Unternehmen zur Information der Fahrgäste über wichtige Anschlussverbindungen sowie über ihre Rechte.
Im Nahverkehr ist eine solche Information derzeit
höchstens beim Kauf am Fahrkartenschalter gewährleistet. Dieser existiert aber fast nirgendwo mehr. In den
kleineren Bahnhöfen findet man keine Schalter. Dort
kauft man am Automaten. In diesen Fällen gibt es keine
weiter gehenden Informationen über Anschlussverbindungen und schon gar keine Aufklärung über Rechte.
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
({0})
Lassen Sie mich noch kurz die Schlichtungsstelle ansprechen. Nach unserer Ansicht muss dort auf jeden Fall
die Beteiligung der Verbände sowie der betroffenen
Kundinnen und Kunden gesichert werden.
Alle diese Maßnahmen wären notwendig, um die
Bahn kundenfreundlicher zu machen, um Menschen zur
Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu ermuntern und
damit im Sinne der Umwelt und unseres Klimas den Individualverkehr zu reduzieren.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Ich gebe das Wort dem Kollegen Anton Hofreiter,
Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich schaffen wir
Fahrgastrechte nicht mit dem Ziel, dass den Fahrgästen
möglichst viel Geld überwiesen wird. Fahrgastrechte haben vielmehr den Zweck, die Unternehmen zu motivieren, ein besseres Produkt anzubieten. Sie sollen eigentlich eine Hilfestellung für die Unternehmen sein.
Schauen wir uns einmal den Gesetzgebungsprozess
an. Er zieht sich schon seit vielen Jahren hin. Es gab bereits mehrere Ankündigungen.
({0})
Wir erinnern uns düster daran, dass wir einmal einen
Verbraucherschutzminister mit dem Namen „Horst
Seehofer“ hatten, der schon im Jahr 2006 sehr viel versprochen hat,
({1})
weitaus mehr, als jetzt im Gesetzentwurf umgesetzt worden ist.
Wir wissen auch, woher das kommt. An der Rede des
sehr verehrten Herrn Staatssekretärs kann man die falsche Denkweise, die in der Großen Koalition herrscht,
nämlich klar erkennen. Der Herr Staatssekretär hat einen
erheblichen Teil seiner Rede darauf verwendet, zu begründen, warum er weitgehende, vernünftige Fahrgastrechte nicht in die Tat umsetzen kann: weil die Unternehmen dann über Gebühr belastet würden.
An dieser Begründung kann man erkennen, dass die
Große Koalition nicht verstanden hat, wozu Fahrgastrechte wirklich dienen.
({2})
Wie ich bereits ausgeführt habe, dienen sie nicht dazu,
den Fahrgästen möglichst viel Geld zukommen zu lassen, sondern haben das Ziel, die Unternehmen zu motivieren.
Was wäre vor diesem Hintergrund nötig gewesen?
Selbstverständlich wäre es nötig gewesen, dass man bereits ab einer Verspätung von einer halben Stunde eine
geringe Entschädigung bekommt. Selbstverständlich
wäre es nötig gewesen, dass die Reisekette vernünftig,
klar und eindeutig geregelt wird. Selbstverständlich
wäre es nötig gewesen, dass der ÖPNV miteinbezogen
wird. Selbstverständlich wäre es nötig gewesen, eine unternehmensunabhängige Schlichtungsstelle bestehen zu
lassen.
Wir haben im Moment eine ganz hervorragend arbeitende Schlichtungsstelle, die in der Öffentlichkeit anerkannt ist und bei den Kunden großes Vertrauen genießt.
Aber was machen Sie? Sie würgen die Arbeit dieser
Schlichtungsstelle willkürlich ab und werfen sie dem
Unternehmen in den Rachen. Das ist hochproblematisch.
({3})
Es ist mehr als amüsant, wenn Vertreter einer Regierungskoalition darüber jammern, dass es in ihrem Wahlkreis immer weniger Fernverkehrsanbindungen gibt, da
immer mehr Strecken abbestellt werden. Der Herr
Krings - so heißt er, glaube ich - hat das eben wunderschön getan.
({4})
Ich fand Ihre Rede wirklich nicht schlecht. Ich habe mir
gedacht: Gut geredet, aber warum haben wir dann kein
besseres Gesetz?
({5})
Warum haben wir nicht insgesamt eine andere Bahnpolitik? Wir wissen doch alle, wo die Bahnpolitik gemacht
wird: im Kanzleramt. Warum reden Sie nicht mit der
Kanzlerin und sorgen dafür, dass der Fernverkehr wieder
vernünftig ausgestaltet wird? Warum lehnen Sie hier im
Parlament den Entwurf eines Fernverkehrsgesetzes ab,
der im Bundesrat einstimmig beschlossen worden ist?
Warum verweigern Sie den Dialog darüber?
({6})
Ich habe wenig Verständnis dafür, dass Regierungsvertreter wortreich Missstände beklagen - auch wenn es
manchmal berechtigt ist -, aber selbst nichts unternehmen, um die Missstände zu bekämpfen.
({7})
Es steht Ihnen frei, etwas wirklich Gutes zu tun. Herr
Krings, auch Ihnen steht es frei, etwas Gutes zu tun. Wir
haben einen ganz hervorragenden Gesetzentwurf eingebracht, mit dem alle Missstände behoben werden können. Er enthält eine klare Regelung zur Reisekette und
vernünftige Entschädigungssätze: 25 Prozent des Fahrpreises ab einer Verspätung von einer halben Stunde und
50 Prozent nach einer Verspätung von einer Stunde. Dieser Gesetzentwurf sieht auch Entschädigungen vor,
wenn mehr passiert. Nehmen wir einmal an, die Fahrkarte hat 80 Euro gekostet und der Zug hat zwei Stunden
Verspätung. Aufgrund dieser Verspätung kann ich unter
Umständen sehr viel versäumen, aber ich bekomme nur
40 Euro zurück. Soll derjenige, der aufgrund der Verspätung einen Vorstellungstermin verpasst hat, sagen: „Na
gut, ich habe meinen Vorstellungstermin verpasst, der
sehr wichtig gewesen wäre, aber immerhin bekomme ich
40 Euro zurück“?
({8})
Alle weiter gehenden Entschädigungsmöglichkeiten sind
in Ihrem Gesetzentwurf ausgeschlossen.
Wir würden das gerne im Bürgerlichen Gesetzbuch
regeln. Das wäre eine saubere Regelung. Dann könnte
der Bürger sein Recht einklagen.
({9})
Dann wären Rechte und Pflichten wie bei einem normalen Vertragsverhältnis geregelt.
Ich kann nur sagen: Geben Sie sich einen Ruck - das
gilt insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU, die unseren Vorstellungen entsprechend
Ihrer Rede zumindest verbal zustimmen - und stimmen
Sie dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zu!
Dann hätten wir etwas wirklich Gutes für die Fahrgäste
geschaffen.
Danke.
({10})
Das Wort hat die Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter,
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach den bisherigen Redebeiträgen wundert es mich,
dass wir den vorliegenden Gesetzentwurf noch vor dem
Ende dieser Legislaturperiode und vor allen Dingen vor
Inkrafttreten der EU-Verordnung tatsächlich durchbekommen.
In den unzähligen Runden und Gesprächen zwischen
Berichterstattern, Ländervertretern sowie Vertretern der
Fahrgastverbände, der Eisenbahnunternehmen und anderer Verbände ging es eigentlich gar nicht mehr um die
Frage, ob Bahnkunden Rechte und Entschädigungen erhalten sollen, sondern darum, ob die vorgeschriebene
EU-Regelung ausreichend ist. Wenn wir heute die EUVerordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste
im Eisenbahnverkehr und den Gesetzentwurf, über den
wir heute abstimmen, auf den Weg bringen, dann ist das
ein wirklich bedeutsamer Schritt in Richtung Stärkung
der Rechte von Fahrgästen. Die Bahnkunden erhalten
erstmals definitiv einen Rechtsanspruch. Das ist im Gegensatz zu einer Regelung im BGB ein richtiger Rechtsanspruch. Man muss nicht unzählige Verfahren abwarRita Schwarzelühr-Sutter
ten, um zu sehen, was einem zusteht, sondern weiß
genau, welche Entschädigung man zu erhalten hat.
Darüber hinaus werden in der Verordnung unter anderem die Haftung der Unternehmen für die Fahrgäste und
deren Gepäck, die Beförderung von behinderten Personen - ich finde es äußerst wichtig, dass behinderte Personen einen Rechtsanspruch haben - sowie die von den
Eisenbahnunternehmen bereitzustellenden Informationen geregelt.
Es wurde von der privatisierten Bahn AG gesprochen.
Der Linken scheint es entgangen zu sein, dass wir die
Bahn gar nicht privatisiert haben.
({0})
Ab 2010 gibt es eine Öffnung des Verkehrsmarktes
im Personenverkehr. Ab dann gilt die neue Regelung
Gott sei Dank für alle Bahnunternehmen. Wir haben
dann - das ist im Sinne des Verbrauchers - keinen
Flickenteppich, sondern der Verbraucher hat einen
Rechtsanspruch gegenüber allen Bahnunternehmen.
Im Gegensatz zu den Fluggästen, die schon seit 2005
durch die Fluggastrechte-Verordnung bei Annullierung,
Nichtbeförderung oder großen Verspätungen über ein
geregeltes Verfahren verfügen, waren die Bahnkunden
bisher auf die Kulanz der Unternehmen angewiesen. Das
bedeutet, dass wir nach der Verabschiedung des Entwurfes eines Fahrgastrechtegesetzes die Reisenden mit dem
Flugzeug und die Reisenden mit den Eisenbahnen endlich gleichbehandeln. Diese Gleichbehandlung der Reisenden - dies gilt auch für die Reisenden mit anderen
Verkehrsträgern, mit Omnibus und Schiff - ist im EUParlament beschlossen worden.
Man muss jetzt schauen, dass gegenüber den Einwänden der Vertreter anderer Verkehrsträger, wie zum Beispiel der Busunternehmen, Verhältnismäßigkeit hergestellt wird. Denn eines muss klar sein: Optimalen
Verbraucherschutz für Fahrgäste gibt es nur bei wettbewerbsfähigen Verkehrsträgern. Bei der Durchsetzung der
berechtigten Interessen der Fahrgäste muss die wirtschaftliche Belastbarkeit der Unternehmen im Auge behalten werden.
Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit sind die
Schlüsselworte. Sie haben es schon gesagt - dies ist unser
Ziel -: Es mag eine Motivation für die Unternehmen sein,
besser zu werden. Wir wollen zuverlässige und sichere
Bahnen. Wir wollen an Kundenwünsche angepasste Angebote. Wir möchten natürlich einen barrierefreien Zugang für behinderte Menschen. Verbraucherschutz bedeutet nicht, möglichst hohe Entschädigungszahlungen
bei Verspätungen zu versprechen, sondern Verbraucherschutz bedeutet Service, Qualität und einen Rechtsanspruch auf Entschädigung bei Verspätungen oder Annullierungen.
Ein Service, den sich viele Fahrgäste wünschen und
der hier noch nicht angesprochen wurde, ist die Mitnahme von Fahrrädern.
({1})
Die EU-Verordnung verlangt die Möglichkeit der Fahrradmitnahme im Eisenbahnverkehr, „wenn … dies den
betreffenden Schienenverkehrsdienst nicht beeinträchtigt und in den Fahrzeugen möglich ist“. Dies bedeutet,
dass die Fahrradmitnahme als Recht der Eisenbahnfahrgäste anzusehen ist. Ich glaube, es ist wichtig, dies zu ermöglichen, wenn die Bahn neue Züge beschafft oder sie
umrüstet. Wir haben diese Woche im Ausschuss einen
Antrag in diese Richtung eingebracht. 21 Prozent der
Deutschen haben bereits einen Radurlaub gemacht. Gerade die Abgeordneten, die aus Tourismusregionen kommen, wissen, dass es wichtig ist, dass Fahrräder mitgenommen werden können.
Ich denke, wir haben heute einen guten Kompromiss
auf den Weg gebracht, der praktikabel ist, der nicht an
der Grenze endet und der vor allem keinen Flickenteppich verursacht. Es ist wichtig, dass für den Verbraucher
Transparenz besteht. Er wird sie durch dieses Gesetz erhalten.
Danke schön.
({2})
Ich gebe das Wort der Kollegin Julia Klöckner, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sicherlich ist es verwunderlich, wenn wir
heute hören, dass erstmalig das Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Fahrgäste, festgeschrieben
wird, dass sie eine Entschädigung bekommen, wenn sie
für etwas bezahlt, es aber nicht erhalten haben. Ich finde
das, was die Freunde der grünen Koalition - ich sage
schon „Koalition; das ist ja erschreckend;
({0})
das liegt wohl an meinem grünen Jackett -, die Freunde
der grünen Fraktion hier vorgelegt haben, recht abenteuerlich, Herr Hofreiter. Soweit ich mich erinnere, waren
auch die Grünen einmal in der Regierung; das muss so
schnell nicht wiederkommen. Ich kann Ihnen sagen, dass
unter Frau Künast der Zug ohne die Verbraucher abgefahren ist.
({1})
Es stand Ihnen damals offen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, auf dessen Grundlage die Verbraucherinnen
und Verbraucher ein verbrieftes Recht auf Entschädigung bekommen. Was hilft uns da die grüne Taube auf
dem Dach? Der Verbraucher hat letztlich keine Entschädigung bekommen.
Ich bin sehr froh, dass wir als Parlament ein Ergebnis
vorlegen können. Dies muss ich mit einem kleinen Augenzwinkern sagen. Herr Hartenbach, Sie haben die
Frauenriege in der Union und speziell im Ministerium
gelobt. Sie haben sich am Anfang eher als Bremser betätigt. Ich habe noch in meinen Unterlagen den Schriftverkehr mit Ihnen, aus dem hervorgeht, dass Sie den Bedarf
für ein solches Gesetz nicht wirklich erkannt haben.
Einige fahren vielleicht nur Dienstwagen und wissen
daher nicht, wie die Situation bei der Bahn ist. Aber wir
müssen diejenigen im Auge haben, die tagtäglich mit der
Bahn fahren. Es ist manchmal abenteuerlich, was Verbraucherinnen und Verbraucher erleben. Sie treten in
Vorleistung und zahlen ein Ticket für eine klar definierte
Leistung. Wenn diese Leistung nicht erbracht wird, dann
muss es selbstverständlich sein, dass sie eine Entschädigung erhalten, in einen anderen Zug umsteigen oder ein
Taxi oder ein anderes Transportmittel nutzen können.
Ich fand es verwunderlich, wie sehr die Bahn im Vorfeld als Lobbyist agiert hat. Dass mich das geärgert hat,
möchte ich hier ganz klar ansprechen. Es wurde immer
wieder deutlich gemacht, dass eine Fahrgastregelung die
Bahn in den Ruin stürzen würde. Spannend war die Sache mit den Verspätungszahlen. Als es um die Entschädigung ging, war die Zahl der Verspätungen recht hoch.
Als es aber um den Börsengang ging, war diese Zahl
deutlich niedriger. Das fand ich schon entlarvend. Mein
Hinweis an die Bahn: Wenn sie pünktlich ist, dann kostet
sie das Ganze überhaupt nichts. Die Bahn muss sich daran halten, die Dienstleistung, die sie anbietet, wirklich
erfahrbar zu machen. Das würde das Image der Bahn
stärken und die Zufriedenheit der Verbraucherinnen und
Verbraucher erhöhen. Dann hätten auch die Schlichtungs- und Beschwerdestellen nicht so viel zu tun.
Was haben wir von der Union erreicht? Als CDU/
CSU-Fraktion haben wir mit Blick auf die vielen Standardbriefe, in denen die Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Antwort auf ihre Beschwerden erhalten - wir
müssen dabei an die Personen denken, die keine großen
Rhetoriker sind oder nicht alltäglich mit Standardbriefen
zu tun haben -, Wert darauf gelegt, dass eine Schlichtungsstelle zum Einsatz kommt und in diesen Briefen an
die Kunden auf eine solche Schlichtungsstelle hingewiesen wird. Das ist uns wichtig, damit nicht immer sofort
die Gerichte angerufen werden.
Ich bin optimistisch, dass dieses Gesetz dazu führen
wird, dass die Bahn einen neuen Anlass hat, pünktlich zu
sein. Wenn die jetzigen Fahrpläne nicht angemessen sind
- ein Argument war, das alles sei viel zu kompliziert und
die Züge führen zu dicht hintereinander -, dann ist das
ein Grund dafür, realistische Fahrpläne zu erstellen.
({2})
Es kann nicht sein, dass nachher der Kunde in die Röhre
schaut. Eines ist deshalb klar: Wer zu spät kommt, den
bestraft der Gesetzgeber.
({3})
Noch ein Wort an die Bahn. Sie möchte als deutsche
Bahn verstanden werden. Deshalb bin ich der Meinung,
dass man mit deutschen Begriffen agieren sollte. „Carsharing“, „Meeting-Point“, „Touch and Travel“ und all
diese Begriffe sind ausgrenzend für die Personen, die
kein Englisch gelernt haben. Wenn wir schon dabei sind:
Wir wären dankbar, wenn die Bahn über ihre langen
Warteschlangen und nicht nur über Tarifsteigerungen
nachdenken würde. Sie sollte eine Dienstleistung anbieten, wofür sie geschätzt wird. Darüber hinaus bin ich der
Meinung, dass wir unsere Bahn im internationalen Wettbewerb stärken müssen.
Ich danke dem Verbraucherministerium, das zwar
nicht federführend war, aber doch genauso wie die CDU/
CSU-Fraktion das Ganze vorangetrieben hat. Auch den
Kolleginnen und Kollegen der SPD danke ich. Manchmal hat man gedacht, Sie hätten das Ohr eher bei der
Bahn als beim Verbraucher.
({4})
Aber ich finde, wir haben ein gutes Ergebnis erreicht.
Heute ist ein guter Tag für alle Bahnfahrerinnen und
Bahnfahrer hier in Deutschland. Ihnen allzeit gute Fahrt!
({5})
Für die SPD-Fraktion gebe ich der Kollegin Marianne
Schieder das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich möchte zunächst das bisweilen düstere
und negative Bild von der Bahn etwas zurechtrücken.
Das Gegenteil ist nämlich der Fall: In Deutschland fahren immer mehr Menschen mit der Bahn. 2008 gab es
beim Fernverkehr einen Zuwachs von 4 Prozent und
beim Nahverkehr sogar von 4,7 Prozent. Diese Zahlen
sprechen eine deutliche Sprache, was die Akzeptanz der
Bahn betrifft. Sie machen auch deutlich, dass die Bahn
besser ist als ihr Ruf.
({0})
Die Bahn ist ein sicheres, zuverlässiges und angesichts der großen Menge an Verkehr, die abgefertigt
wird, ein alles in allem pünktliches Verkehrsmittel.
({1})
Den Trend weg vom motorisierten Individualverkehr
hin zum öffentlichen Nah- und Fernverkehr wollen wir
stärken. Wenn man willens ist, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen - wie ich
dem, was die Rednerinnen und Redner der Opposition
sagten, entnehmen konnte, fehlt es Ihnen allerdings an
der Bereitschaft dazu -, muss man feststellen: Zu diesem
Zweck trägt er sicherlich bei.
Die EU-Verordnung wird rechtzeitig zu Beginn der
Sommerferien und sogar vorzeitig in Kraft gesetzt. Sie
ist ein enormer Fortschritt für den europäischen BahnMarianne Schieder
verkehr; das wissen auch Sie. Denn es ist gelungen, für
ganz Europa verlässliche Entschädigungs- und Verspätungsregelungen zu schaffen, die auch den deutschen
Bahnkunden, beispielsweise bei ihren Urlaubsfahrten,
nutzen werden.
Die in der EU-Verordnung festgelegten Entschädigungsansprüche wurden auf den deutschen Fernverkehr
übertragen. Frau Kollegin Binder und Herr Kollege
Hofreiter, trotz all Ihrer Liebe zum Populismus muss ich
Ihnen sagen: Auch Sie wissen, dass es den Nationalstaaten nur sehr begrenzt möglich ist, Ausnahmen zu machen. Sie können zwar fordern, dass eine Entschädigung
schon bei einer Verspätung von 30 Minuten und nicht
erst bei einer Verspätung von 60 Minuten gezahlt wird.
Diese Regelung könnte aber nur auf fünf Jahre befristet
in Kraft gesetzt werden. Nach Ablauf dieser fünf Jahre
könnte sie um weitere fünf Jahre verlängert werden.
Nach diesen insgesamt zehn Jahren würde allerdings die
jetzige EU-Verordnung in Kraft treten. Erklären Sie einem Verbraucher einmal, was es soll, zunächst im Rahmen einer zweimaligen Befristung eine 30-Minuten-Regelung einzuführen, die letztlich zu einer 60-MinutenRegelung werden müsste. Das entbehrt jeder Logik. Wer
angesichts der geltenden Rechtslage solche Forderungen
erhebt, betreibt nichts anderes als Populismus.
({2})
Um eine tatsächlich einheitliche Regelung zu treffen,
wurden die Festlegungen hinsichtlich der Verspätungszeiten und der Erstattungsansprüche auf den Nahverkehr
übertragen. Darüber hinaus haben wir, was den Nahverkehr angeht, für weitere wichtige Verbesserungen gesorgt. Durch die einheitlichen Regelungen, die wir geschaffen haben, bleibt es dem Geschädigten, dessen Zug
verspätet ist, beispielsweise erspart, mühselige Diskussionen darüber zu führen, ob der Zug dem Nahverkehr,
dem Fernverkehr oder gar dem grenzüberschreitenden
Verkehr zuzuordnen ist. Solche Diskussionen sind nämlich nicht im Sinne des Verbraucherschutzes.
Es darf auch nicht sein, dass jemand, der regelmäßig
zwischen Hamburg und München pendelt, das eine Mal
diesen Anspruch und das andere Mal jenen Anspruch
hat, je nachdem, ob diese Person in einem Zug sitzt, der
dem innerdeutschen Fernverkehr oder dem grenzüberschreitenden Verkehr zuzuordnen ist. Das würde unserem Anspruch an einen umfassenden Verbraucherschutz
nicht gerecht.
Was die Regelungen zum Nahverkehr betrifft - sie
wurden bereits erwähnt und zum Teil kritisiert -, haben
wir uns vor allem an den Interessen der Fahrgäste orientiert. Dabei stehen zwei Ziele im Mittelpunkt: Erstens
soll jeder Fahrgast sein Nahverkehrsziel möglichst
schnell erreichen können. Zweitens soll ein Fahrgast
dann, wenn er seinen Anschlusszug aufgrund einer Zugverspätung nicht mehr erreicht, noch vor Mitternacht
nach Hause kommen können. Wir haben Regelungen getroffen, die geeignet sind, diese beiden Ziele zu erreichen.
Menschen, die zum Beispiel in ländlichen Bereichen
leben, in denen der letzte Zug manchmal schon um
21 Uhr fährt, können, wenn sie ihn nicht mehr erreichen,
in Zukunft mit einem Taxi nach Hause fahren. In diesem
Fall werden immerhin Taxikosten von bis zu 80 Euro erstattet; ich freue mich, dass es uns hier gelungen ist, eine
Erhöhung durchzusetzen. Ab einer Verspätung von
20 Minuten kann man in den nächstmöglichen Zug, der
zum Zielort fährt, umsteigen, ganz gleich, ob er höherwertig ist oder nicht, ob es sich also um einen ICE oder
einen IC/EC handelt.
Frau Binder, in diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass Sie nur geringe Kenntnisse von der Realität
haben.
({3})
Sie sagten, in diesem Fall solle der Zugbegleiter dem betroffenen Fahrgast einen Gutschein ausstellen. Eigentlich sollten Sie wissen, dass es in 50 Prozent aller Züge
keine Zugbegleiter mehr gibt.
({4})
Sollen die Fahrgäste, die in einem Zug ohne Zugbegleiter reisen, etwa keinen Gutschein bekommen, oder wie
stellen Sie sich das vor? So jedenfalls geht es nicht. Sie
wissen ganz genau, dass ein Upgrade möglich ist.
({5})
- Herr Hofreiter, ich befürchte, dass auch dann, wenn
Sie Verkehrsminister wären, keine neuen Zugschaffner
eingestellt würden.
({6})
- So populistisch sollten wir nicht diskutieren.
Die Situation behinderter Menschen haben wir verbessert, indem wir das Problem der vielen zu Recht beklagten Hindernisse in Angriff genommen haben. Alle
Menschen mit Behinderung werden es in Zukunft leichter haben, die Bahn zu nutzen. Eisenbahnunternehmen
und Bahnhofsbetreiber müssen nämlich dafür sorgen,
dass Bahnsteige und Fahrzeuge auch für Personen mit
eingeschränkter Mobilität zugänglich sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen - jetzt richte ich
mich vor allen Dingen an die Reihen der CDU/CSU -,
ich finde es erfreulich, dass wir im Rahmen der Gesetzesberatung noch viele Verbesserungen erzielt haben.
Dafür möchte ich allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern
danken.
Die CDU ist sich nicht zu schade, in Presseerklärungen zu schreiben, die SPD habe über Jahre alle Verbesse23802
rungen verhindert. Liebe Frau Kollegin Klöckner, so
einfach geht es nicht, zu sagen: Die Guten ins CDUTöpfchen und die Schlechten ins SPD-Kröpfchen.
({7})
Sie wissen genau, dass es zunächst darum ging: Was
wird auf europäischer Ebene beschlossen? Was ist da
durchzusetzen? Da hat - das kann ich nur betonen - unsere Justizministerin, Frau Zypries, hervorragende Arbeit geleistet.
({8})
Es stimmt, wenn Frau Zypries sagt, dass die Signale für
mehr Fahrgastrechte auf Grün stehen. Ganz ehrlich,
liebe Julia: Wenn ich diese Presseerklärung lese, dann
kommt mir der Kümmel hoch, weil das wirklich unverschämt ist. Du weißt genau, dass das BMELV, der ehemalige Minister Seehofer über Monate blockiert hat,
({9})
Forderungen gestellt hat, die mit dem EU-Recht - was er
wusste - nicht konform sind.
({10})
Auch heute, wo Herr Seehofer bayerischer Ministerpräsident ist, geht es ihm vorrangig um Populismus und erst
zweirangig darum, was sich realistisch verwirklichen
lässt.
Ich meine - damit möchte ich abschließen -, dass wir
alles in allem gute Regelungen geschaffen haben. Wir
haben europaweit einheitliche, klare und sinnvolle Regelungen geschaffen. Wir haben eine Verbesserung des
Services erreicht. Endlich gibt es ein transparentes und
praktikables Entschädigungsverfahren.
Einige von den Grünen werfen uns vor, der ÖPNV sei
nicht inbegriffen. Sie wissen genau, dass der ÖPNV,
wenn die Bahn über die Verbundsysteme Teil des ÖPNV
ist, immer dabei ist. Das ist überall der Fall. Etwas anderes kenne ich, jedenfalls aus dem Land, aus dem ich
komme - aus Bayern -, nicht. Der ÖPNV ist also dabei.
({11})
Mit diesem Gesetz geben wir die richtigen Antworten. Wir stärken damit Kundenrechte und Verbraucherschutz und die Motivation der Menschen, vom Auto auf
ein umweltfreundliches Verkehrsmittel umzusteigen.
Damit ist dieser Tag ein guter Tag für die Bahnkunden
und für die Umwelt. Ich appelliere noch einmal an die
Union, zuzugeben, dass das ein gemeinsamer Erfolg ist,
({12})
und daraus keinen billigen Wahlkampfschlager zu machen.
({13})
Ich gebe das Wort dem Kollegen Enak Ferlemann,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist
das Gesetz, das wir gleich verabschieden, ein Kompromiss zwischen den Verbraucherschützern, den Rechtspolitikern und den Verkehrspolitikern. Es ist vielleicht
gut, wenn nach Frau Schwarzelühr-Sutter jetzt ein Verkehrspolitiker das letzte Wort hat. Es geht bei dieser Debatte ja um ein Verkehrssystem.
Für die Kollegen aus den Oppositionsfraktionen: Anhand dieses Gesetzentwurfs kann man einmal sehen, wie
die Verbraucherschützer in der Großen Koalition miteinander umgehen, dass da eine muntere Debatte stattfindet. Ich denke, es ist ein Riesenerfolg der Großen Koalition,
dass wir dieses Gesetz am Ende dieser Legislaturperiode
noch zum Abschluss bringen.
({0})
Ich glaube, der vorliegende Gesetzentwurf ist gelungen. Das müsste auch der Kollege von den Grünen zugeben, wenn er nicht ein bisschen ideologisch verblendet
wäre; aber darauf komme ich noch zurück.
({1})
Warum machen wir dieses Gesetz? Europa öffnet
seine Pforten für transnationale Bahnverkehre nicht nur
im Güterfernverkehr - dort ist der Markt schon seit 2007
geöffnet -, sondern ab dem 1. Januar 2010 auch im Personenfernverkehr. Wir werden also in Zukunft nicht nur
die weißen schnellen Züge der Deutschen Bahn AG auf
unserem Netz sehen, sondern auch Züge der Schweizerischen Bundesbahnen, der Österreichischen Bundesbahnen und neben dem TGV, der schon einige Strecken bedient, den Thalys und andere Züge. Wie der Volksmund
sagt: Konkurrenz belebt das Geschäft. Wettbewerb hilft
dem Schienenverkehr. Wir brauchen aber einen europäischen Markt mit gleichen Regelungen, die sich in den
nationalen Regelungen wiederfinden. Deswegen ist es
wichtig, dass wir die Fahrgastrechte, zum Beispiel den
Anspruch auf finanzielle Entschädigung bei Verspätungen, per Gesetz regeln.
Die an die europäischen Vorgaben angelehnte deutsche Regelung kommt zum rechten Zeitpunkt. Die deutschen Bahnen können sich jetzt auf diese Regelungen
einstellen. Wir Verkehrspolitiker haben nach vielen Diskussionen sehr praktikable Regelungen gefunden: Wir
haben einen einheitlichen Standard. Wir haben Entschädigungsregelungen gefunden, die an das angelehnt sind,
was wir schon von den Luftverkehrsunternehmen kennen, für die solche Regelungen bereits seit 2004 gelten.
Mit diesen Regelungen zwingen wir die Bahn, nicht nur
angenehme Reisebedingungen zu schaffen - die Fahrradmitnahme und die verbesserten Bedingungen für
Menschen mit Behinderungen sind schon angesprochen
worden -, sondern die Verbraucher auch durch mehr
Pünktlichkeit zufriedenzustellen.
Uns Verkehrspolitikern kam es dabei wesentlich darauf an, dass die jetzt getroffenen Regelungen nicht zu
einer Erhöhung der Fahrpreise führen werden. Jede Regelung, die mit Kosten verbunden ist, führt dazu, dass
diese Kosten auf die Fahrpreise umgelegt werden. Dies
ist der große Fehler beim Gesetzentwurf der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, der so umfangreiche Regelungen enthält, dass den Unternehmen erhebliche Kosten
entstehen, die in Form massiver Preissteigerungen weitergegeben werden müssen. Preiserhöhungen auf breiter
Front, also sowohl im Personennahverkehr als auch im
Personenfernverkehr, wären das Allerletzte, was wir den
Verbrauchern zumuten sollten. Aus diesem Grund geht
der grüne Gesetzentwurf, verehrte Herr Kollege, leider
in die falsche Richtung.
Wir werden darauf achten müssen, dass durch die Regelungen die Zufriedenheit der Reisenden im Hinblick
auf die Pünktlichkeit erhöht wird. Wenn die Kunden ihre
Anschlusszüge verpassen, kommt es zu großen Ärgernissen, und dann werden Menschen gezwungen, wieder
auf das Auto umzusteigen. Dies wollen wir nicht; Sinn
der Verkehrspolitik ist es, dass mehr Menschen von der
Straße auf die Schiene wechseln.
Die Fahrgastrechte, die wir im Gesetzentwurf vorsehen,
werden zur Erreichung dieser Ziele beitragen. Ich freue
mich, dass wir zu einem guten Kompromiss gekommen
sind und dass es den Kollegen im Verkehrsausschuss
möglich war, noch eine Regelung für die Fahrradmitnahme in dem Gesetz unterzubringen. Diese Regelung
ist für viele Reisende sehr wichtig. Wir wissen, dass die
Menschen, die Fahrradtouren machen wollen, heute mit
der Bahn in die Zielorte reisen, um dort die Radwege zu
nutzen, die in allen Tourismusregionen geschaffen worden sind, und dann von dort zurückreisen.
Insofern appelliere ich an alle, insbesondere an die
Grünen, ihr Herz über die Hürde zu werfen und diesem
gut gelungenen Gesetzentwurf zuzustimmen.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Anpas-
sung eisenbahnrechtlicher Vorschriften an die Verord-
nung des Europäischen Parlaments und des Rates über
die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnver-
kehr. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12715,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 16/11607 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Ge-
genprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Ge-
genstimmen der Opposition angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung: Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist
damit in dritter Beratung mit den Stimmen der Koalition
bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 16/12723. Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Entschließungsantrag ist bei Gegenstimmen der Fraktion
Die Linke mit dem Rest der Stimmen des Hauses abge-
lehnt.
Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zur Stärkung der Fahrgastrechte:
Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12715, den
Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/1146 abzulehnen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Gegen-
stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den
restlichen Stimmen des Hauses abgelehnt. Damit entfällt
nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem
Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Rechte von
Bahnkunden stärken“: Der Ausschuss empfiehlt unter
Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/12715 die Ablehnung des Antrags der Fraktion
der FDP auf Drucksache 16/9804. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Ent-
haltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU
bei Gegenstimmen von der FDP und bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 35 a und 35 b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten Flächenerwerb nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung ({0})
- Drucksachen 16/8152, 16/8396 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({1})
- Drucksache 16/12709 Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider ({2})
Roland Claus
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({3}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm,
Ulrike Höfken, Nicole Maisch, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Bodenprivatisierung neu ausrichten
- Drucksachen 16/7135, 16/8050 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Peter Jahr
Dr. Gerhard Botz
Hans-Michael Goldmann
Cornelia Behm
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache.
Der Kollege Ernst Bahr, SPD-Fraktion, gibt seine
Rede zu Protokoll ebenso wie der Kollege Hans-Michael
Goldmann, FDP-Fraktion.1) Deswegen gebe ich das
Wort dem Kollegen Jochen-Konrad Fromme, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Flächenerwerbsänderungsgesetz - darunter kann sich
niemand etwas vorstellen. Deswegen muss man einmal
verdeutlichen, worum es geht. Es geht um den rechtli-
chen Rahmen, gemäß dem die Bundesrepublik mit den
von den Russen 1945 enteigneten Flächen umgeht. Wie
Sie wissen, haben die Russen 1945 bis 1949 die land-
wirtschaftlichen Flächen in der sowjetischen Besat-
zungszone enteignet. Diese sind 1990 nicht zurückgege-
ben worden, sondern in einen Flächenpool überführt
worden. Dann wurden Rechtsvorschriften geschaffen,
die regeln, unter welchen Bedingungen diese Flächen
privatisiert werden können. Genau um diese Rechtsvor-
schriften geht es. Im vorliegenden Gesetzentwurf wer-
den diesbezüglich verschiedene Dinge neu geordnet.
Es geht zunächst einmal darum, wie im Koalitions-
vertrag unter dem Stichwort „Nationales Naturerbe“ ver-
einbart, erhebliche Flächen unter Naturschutz zu stellen.
Um aber aus einem Vermögen Flächen kostenlos abge-
ben zu können, bedarf es einer Rechtsgrundlage. Diese
soll mit diesem Gesetz geschaffen werden.
Zum Zweiten geht es darum, dass die Privatisierung
der landwirtschaftlichen Flächen in einem Verfahren
zwischen den Bundesländern und dem Bund in der Ver-
gangenheit neu geordnet wurde. Auch daraus müssen
rechtliche Konsequenzen gezogen werden.
1) Anlage 6
Drittens ziehen wir rechtliche Konsequenzen aus der
Tatsache, dass die Europäische Gemeinschaft bestimmte
Flächenerwerbsbedingungen zur Veränderung der
Agrarstruktur geändert hat. Auch die entsprechende Verordnung muss umgesetzt werden.
Viertens haben wir festgestellt, dass viele Regelungen, denen die Erwerber von Grundstücken unterliegen,
zu unflexibel sind. Deswegen werden hier insbesondere
im Hinblick auf Wohnsitznahme und ähnliche Dinge Erleichterungen geschaffen.
Außerdem soll die Wertermittlung neu geregelt werden, weil es dabei Unzulänglichkeiten gab.
Meine Damen und Herren, ein Punkt wird leider in
diesem Gesetz nicht geregelt, den ich gerne geregelt
sähe. Es geht um die Frage, zu welchen Konditionen
ehemalige Besitzer, die ihr Land nicht zurückbekommen
haben, Grundstücke erwerben können. Man hatte sich
1994 in einem sehr schwierigen Vermittlungsverfahren
zwischen Bund und allen Ländern darauf geeinigt, dass
ein Alteigentümer, der seine Flächen nicht zurückbekommen hat, im Durchschnitt 32 Hektar zurückbekommen sollte. Ich sage bewusst „im Durchschnitt“; denn in
der Landwirtschaft hängt der Wert von Böden von Bodenqualität und ähnlichen Dingen ab. Deswegen beziehe
ich mich hier auf den Eckbetrieb von 32 Hektar. Dieser
konnte zum dreifachen Einheitswert erworben werden.
Das Ganze sollte sich in einem zweistufigen Verfahren abspielen: Zunächst einmal musste die zuständige
Landesbehörde, also die Behörde des Landes, in dem das
Grundstück lag, einen Bescheid erteilen, dass und in
welchem Umfang jemand enteignet worden ist. Mit diesem Bescheid konnte der Alteigentümer dann zu der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft gehen
und aus dem Flächenpool Grund und Boden im Gegenwert der auf dem Bescheid festgesetzten Flächen erwerben.
Die Anträge mussten - darauf kommt es an - bis
Ende 1995 gestellt werden. Der potenzielle Erwerber
musste sich dann, nachdem er seinen Bescheid bekommen hatte, innerhalb von sechs Monaten entscheiden, ob
er Flächen erwerben oder eine geldwerte Entschädigung
annehmen will.
Ich sage das aus folgendem Grund: Wir schreiben inzwischen das Jahr 2009. Durch den Zeitablauf haben die
Alteigentümer das Riesenproblem, dass der Wert ihres
Anspruchs praktisch auf ein Drittel geschrumpft ist. Wie
kommt das? Ich habe gesagt, dass es sich um ein zweistufiges Verfahren handelt. Bis Ende 1995 mussten die
Anträge gestellt werden. Von diesen Anträgen sind bis
heute leider - man höre und staune - 11 000 Anträge
nicht beschieden, und zwar ohne dass der Einzelne in irgendeiner Form hätte Einfluss nehmen können. Er
musste zusehen, wie sein Vermögensanspruch immer
mehr geschrumpft ist. Das war seinerzeit nicht beabsichtigt. Deswegen hatte man ursprünglich eine Formel festgelegt, die den Bodenwert nicht berücksichtigte und sich
nur darauf bezog, was enteignet ist und wie hoch der
Wert ist. Dann durfte man die entsprechende Fläche zum
dreifachen Einheitswert wieder erwerben.
Wie Herr Staatssekretär Diller zu Recht sagt, trägt
- weitestgehend - nicht der Bund die Verantwortung dafür, dass die 11 000 Bescheide nicht erteilt worden sind,
da diese Bescheide durch Landesbehörden zu erteilen
waren. Aber, Herr Staatssekretär, ich sage Ihnen ganz
deutlich: Der Bund hat bezüglich der Ausführung dieses
Bundesgesetzes nicht den nötigen Druck ausgeübt.
({0})
Dann gab es 1999 eine Veränderung: Man hat den Bodenpreis in die Formel für den Rückerwerb aufgenommen. Damit begann die Katastrophe; denn die Bodenpreise haben sich seit 2004 fast verdreifacht. Das heißt,
statt der 32 Hektar, die man im Durchschnitt hätte erwerben können, bekommt man heute nur noch 12 Hektar.
Das ist ein Skandal, und deswegen wollte die CDU/
CSU-Fraktion die alte Regelung wiederherstellen. Denn
die Menschen konnten nichts dafür, dass sie die Bescheide nicht bekommen haben.
({1})
Ohne diese Bescheide konnten sie aber die Fläche nicht
erwerben. Sie waren also völlig schuldlos.
Das Ganze hat einen gewaltigen Nebeneffekt: Wenn
statt der 32 Hektar Fläche, die für den Rückerwerb durch
Alteigentümer reserviert waren, jetzt im Durchschnitt
nur noch 12 Hektar erworben werden können, bedeutet
das mit Blick auf die 11 000 unerledigten Fälle, dass
jetzt 220 000 Hektar Fläche zum freien Verkauf und die
erzielten Erlöse dem Fiskus zur Verfügung stehen. Bei
den heutigen Bodenpreisen macht das einen Erlös von
2,5 Milliarden Euro aus, der an den Fiskus fließt, obwohl
dieser den Erlös im Grunde genommen gar nicht verdient hat. Wenn nämlich die Dinge ordnungsgemäß abgewickelt worden wären, wäre die Fläche spätestens im
Jahr 2000 übertragen gewesen. Die Leute wären zufrieden gewesen und das Ganze seit langem erledigt.
Ich vermag eines nicht einzusehen: dass der Bund
jetzt aus der Rechtsverweigerung der Länder sozusagen
einen Windfall-Profit, einen unverdienten Gewinn in
Höhe von 2,5 Milliarden Euro erzielt. Ich halte das für
einen Skandal.
({2})
Deswegen wollten wir die alte Formel wieder einsetzen.
Dann hätten die Menschen ihr Recht bekommen, und es
wäre Rechtsfrieden eingekehrt. Leider war es in der
Koalition nicht möglich, sich darauf zu einigen, was ich
ausgesprochen bedaure; denn es kann nicht angehen,
dass der Staat am Verwaltungsunrecht der Länder verdient.
({3})
Das ist unanständig, und deswegen bleibt dieser Punkt
auf der Agenda.
Nun hat es den Vorschlag gegeben, eine gewisse Zinsregelung zum Aufstocken des Anspruchs der Flächenerwerber zu schaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das hätte dazu geführt, dass statt 12 Hektar 14 Hektar
hätten übertragen werden können. Wenn das erfolgt
wäre, hätte jeder geglaubt, das Problem sei gelöst und
die Sache erledigt. Genau das kann nicht angehen. Man
kann nicht für ein Linsengericht Rechte von Menschen
mit Füßen treten. Deswegen hat die Union beschlossen,
diesen dargereichten Strohhalm nicht anzunehmen; denn
das wäre später das Argument dafür, dass das Problem
als gelöst erscheint. Dann halten wir die Frage lieber offen und regeln sie, wenn wir andere Mehrheiten haben,
weil hier eine schreiende Ungerechtigkeit beseitigt werden muss.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf
stellt einen richtigen Schritt bezüglich der Punkte, die
ich eingangs genannt habe, dar. Deswegen werden wir
ihm zustimmen. Aber es bleibt dabei, dass dieser Gesetzentwurf nach wie vor eine sehr große Regelungslücke in
puncto Gerechtigkeit aufweist. Diese Gerechtigkeitslücke muss hier benannt werden, damit sie in Zukunft geschlossen werden kann.
Der Entschließungsantrag der Linken bezieht sich auf
die Frage der Privatisierungspolitik. Das ist durch die
Neuordnung in meinen Augen erledigt. Deswegen werden wir diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen.
({5})
Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetz. Behalten
Sie bitte die Gerechtigkeitslücke gut im Auge, damit wir
sie rechtzeitig schließen können!
({6})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kirsten Tackmann,
Fraktion Die Linke.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Gäste! Ich erzähle Ihnen einmal
von einem anderen Skandal, und zwar einem existenziellen, weil es dabei nämlich um Arbeitsplätze und nicht
um Alteigentümer geht, die meistens relativ gut situiert
sind.
Vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gibt es schwere Auseinandersetzungen um eine
großflächige Umverteilung des Bodens, wobei ortsansässige Landschaftsbetriebe benachteiligt werden.
Politisch noch brisanter ist der begründete Verdacht,
dass eine Bundeseinrichtung zur Explosion der regionalen Boden- und Pachtpreise beiträgt. Es geht um die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, kurz: BVVG.
Rekordverdächtige 366 Millionen Euro Überschuss
hat die BVVG allein 2008 an den Bund überwiesen. Die
Finanzkrise habe der BVVG nicht geschadet, so ihr Chef
Horstmann. Zitat Horstmann:
Das Gegenteil ist der Fall: Sie wirkt sich stimulierend auf unser Geschäft aus.
Die vielen Verlierer dieses politisch angeordneten Privatisierungszwangs der BVVG werden nicht erwähnt.
In Brandenburg verfolgt mich dieses Thema als
Agrarpolitikerin auf Schritt und Tritt. Die BVVG-Debatte ist sogar brisanter und hitziger als die über die
Milchpreise. In den beiden nordostdeutschen Bundesländern stehen die Landwirtschaftsbetriebe unter einem
enormen Kauf- und damit auch Preisdruck. Das liegt an
den länderspezifischen Bedingungen. Der Pachtanteil
liegt mit fast 80 Prozent deutlich über dem in Westdeutschland mit ungefähr 50 Prozent. Überwiegender
Verpächter ist die BVVG.
Viele Pachtverträge laufen aus, und damit endet auch
die Möglichkeit eines begünstigten Erwerbs der Pachtflächen. Viele Landwirtschaftsbetriebe in Ostdeutschland haben aber gerade erst die Altschulden abbezahlt
und verfügen über kaum Eigenkapital. In dieser Situation haben sie eigentlich nur die Wahl zwischen Pest und
Cholera: Wenn sie ihre Pachtfläche zu den explodierenden Preisen kaufen, dann haben sie kein Geld mehr für
Investitionen oder anständige Löhne. Wenn sie sie nicht
kaufen, verlieren sie ihre Existenzgrundlage Boden.
Nur zwei Beispiele für die Preisexplosion von 2007
bis 2008: In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern stieg der Verkehrswert für einen Hektar Boden um
über 30 Prozent. Der Pachtzins für neue Pachtverträge
stieg um fast 50 Prozent - und das in einem Jahr. Natürlich steigen auch in Westdeutschland die Pacht- und die
Bodenpreise, allerdings zumindest im Durchschnitt nur
um etwas unterhalb der Inflationsrate.
Es ist auch die bundeseigene BVVG, die durch die Art
der öffentlichen Ausschreibung und des Preisfindungssystems kapitalkräftige und oft nicht landwirtschaftliche
Kauf- und Pachtinteressenten anzieht, und mit solchen
Spekulationen werden die ortsansässigen Betriebe an die
Wand gespielt. Die Kritik am Agieren der BVVG ist
sehr lautstark. Sie kommt zum Beispiel auch von der
Brandenburger Landesregierung und den Bauernverbänden. Heute wollen Koalition und FDP weitere Vereinfachungen und Lockerungen der kritisierten Privatisierungspraxis beschließen.
Durch die spekulative Privatisierungspraxis der
BVVG wird aber schon jetzt die vor Ort verwurzelte
Agrarstruktur bedroht und die soziale Schere weiter geöffnet. Daneben führt sie zu einer extremen Eigentumskonzentration. Die KTG Agrar AG zum Beispiel, eine
Aktiengesellschaft, will bis Ende 2009 30 000 Hektar in
Nordostdeutschland und im Baltikum bewirtschaften.
Die BVVG als größter deutscher Flächenanbieter würde
weitere Angebote dieser KTG akzeptieren, so die Aussage von BVVG-Vorstand Horstmann.
So wird der ostdeutsche Bodenmarkt endgültig zur
Goldgrube. Immerhin stehen noch über 500 000 Hektar
ehemals volkseigene und jetzt BVVG-Agrar- und Forstflächen zum Verkauf. Genau deswegen stellt sich die
Linke heute mit ihrem Entschließungsantrag hinter die
Forderungen aus Brandenburg und fordert sie radikale
Korrekturen dieser Praktiken.
Den vorliegenden Entwurf des Flächenerwerbsänderungsgesetzes lehnt die Linke ab, weil damit der Beitrag
der BVVG an der Bodenspekulation nicht beendet, sondern zur weiteren Benachteiligung der ortsansässigen
Landwirtschaftsbetriebe beigetragen wird. Das ist mit
der Linken nicht zu machen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Cornelia Behm, Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich bin ganz überrascht darüber, dass sich die
Koalition nun doch noch auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf geeinigt hat.
({0})
Schließlich ist er überjährig. Woran es gehakt hat, hat
der Kollege Fromme ausführlich beschrieben. Die Union
konnte sich nicht durchsetzen. Sei es, wie es sei, der
große Berg an unerledigten Aufgaben, den die Union
und die SPD der neuen Regierung im Herbst hinterlassen
werden, wird dadurch kaum kleiner. Zumindest aber,
und das ist positiv, ist die unentgeltliche Übertragung
von Flächen des Nationalen Naturerbes aus dem BVVGBestand nun gesichert.
Positiv bewerte ich im Übrigen auch, dass künftig
wieder langfristige Pachtverträge abgeschlossen werden
können, jedoch ohne dass sich daraus ein Recht auf einen vergünstigten Erwerb der Flächen ergibt. Das schafft
mehr Planungssicherheit auf allen Seiten.
Die positiven Seiten der von der Koalition vorgelegten Novelle sind damit aber schon so gut wie aufgezählt;
denn mit der Lockerung der Anforderungen an die Ortsansässigkeit, mit der Streichung der Einhaltung von
Betriebskonzepten und mit der Schaffung eines Weiterverkaufsrechts ohne die vollständige Rückzahlungsverpflichtung tun Sie unseren ländlichen Regionen wirklich
keinen Gefallen. Entwicklungsperspektiven für den
ländlichen Raum gibt es in erster Linie dort, wo neue
Wertschöpfungspotenziale erschlossen werden und bestehende erhalten bleiben. Eine verantwortungsvolle
Politik für ländliche Räume muss deswegen auf die Bewahrung der Agrarstruktur setzen; einer Agrarstruktur,
die Arbeitsplätze für die Menschen vor Ort initiiert, die
zur Mehrung des Wohlstands für viele beiträgt und die
nicht landwirtschaftsferne Kaufinteressenten für den Boden anlockt.
({1})
Das Ortsansässigkeitsprinzip, die Einhaltung von Betriebskonzepten und die Rückzahlungsverpflichtung der
Vergünstigungen bei Weiterverkauf der Fläche haben
sich bisher als wirkungsvolle Maßnahmen erwiesen, um
diese Agrarstruktur zu erhalten. Deswegen müssen diese
Maßnahmen, so meine ich, im Gesetzentwurf erhalten
bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unserem Antrag
zur Neuausrichtung der Bodenprivatisierung fordern wir
deswegen nicht die Aufwertung der genannten Maßnahmen, sondern wir fordern ihre Ausweitung auf alle Verkäufe land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen
durch die öffentliche Hand. Zudem sollen arbeitsintensive Unternehmen bei der Vergabe bundeseigener Flächen besonders berücksichtigt werden. Dazu gehören
beispielsweise Betriebe mit einer flächengebundenen
Tierhaltung von bis zu zwei Großvieheinheiten pro Hektar. Dazu gehören auch Betriebe, die ökologischen Landbau betreiben, und diversifizierende Betriebe, die neben
ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit noch einen anderen
Betriebszweig etabliert haben wie beispielsweise Direktvermarktung oder Urlaub auf dem Bauernhof.
Die für die beschränkte Ausschreibung zum Verkauf
an arbeitsintensive Betriebe gesetzlich vorgesehenen
2 000 Hektar pro Jahr wollen wir unbedingt aufstocken,
und zwar auf mindestens 5 000 Hektar pro Jahr.
Nur wirtschaftlich solide Agrarbetriebe, die regional
verwurzelt sind und Arbeitsplätze schaffen, statt sie abzubauen, dürfen sich als Rückgrat der ländlichen Entwicklung bezeichnen.
({2})
Deshalb müssen gerade solche Betriebe die Chance erhalten, ihre Flächen zu arrondieren, wenn in der Region
Boden angeboten wird. Einer schleichenden Übergabe
des land- und forstwirtschaftlich genutzten Bodens an
Großanleger und Agrarkonzerne sollte die Bundesregierung dagegen keinen Vorschub leisten. Diese Gefahr besteht jedoch, wenn das Gesetz nicht noch in den von mir
angesprochenen Punkten nachgebessert wird.
({3})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Flächenerwerbsänderungsgesetzes. Der Haushaltsausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12709, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 16/8152 und 16/8396 in der
Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition, bei Gegenstimmen
der Fraktion Die Linke und bei Enthaltung von
Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung mit demselben Stimmenergebnis wie in der zweiten Beratung angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/12716. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Entschließungsantrag ist bei Gegenstimmen der Fraktion
Die Linke mit dem Rest der Stimmen des Hauses abgelehnt.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel
„Bodenprivatisierung neu ausrichten“. Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/8050, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 16/7135 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei
Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({0}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Hans-Michael
Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP
Verbraucherfreundliche und praxistaugliche Le-
bensmittelkennzeichnung durchsetzen - Ver-
bots- und Bevormundungspolitik verhindern
- Drucksachen 16/11671, 16/12367 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Julia Klöckner
Dr. Marlies Volkmer
Hans-Michael Goldmann
Ulrike Höfken
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu die-
sem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um
die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Julia
Klöckner, CDU/CSU, Dr. Marlies Volkmer, SPD, Hans-
Michael Goldmann, FDP, Karin Binder, Die Linke, und
Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen.1)
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz emp-
fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/12367, den Antrag der Fraktion der FDP auf
Drucksache 16/11671 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Ent-
haltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Gegen-
stimmen der FDP mit dem Rest der Stimmen des Hauses
angenommen.
1) Anlage 7
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich rufe den Zusatzpunkt 17 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Anordnung des Zensus 2011 sowie zur Änderung von Statistikgesetzen
- Drucksache 16/12219 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({1})
- Drucksache 16/12711 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Kristina Köhler ({2})
Maik Reichel
Gisela Piltz
Jan Korte
Silke Stokar von Neuforn
- Bericht des Haushaltsausschusses ({3})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/12712 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther
Bettina Hagedorn
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Roland Claus
Omid Nouripour
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu die-
sem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um
die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen:
Dr. Kristina Köhler, CDU/CSU, Maik Reichel, SPD,
Gisela Piltz, FDP, Petra Pau, Die Linke, Silke Stokar von
Neuforn, Bündnis 90/Die Grünen.1)
Bevor wir über den Gesetzentwurf abstimmen,
möchte ich noch folgenden Hinweis geben: Der Innen-
ausschuss hat zu seiner Beschlussempfehlung einige for-
male Berichtigungen mitgeteilt. Ich verzichte darauf,
diese Berichtigungen, über die zwischen den Bericht-
erstattern im Ausschuss Einvernehmen besteht, im De-
tail vorzulesen, und schlage vor, diese wie schon die Re-
debeiträge zu Protokoll zu nehmen. - Ich sehe, Sie sind
damit einverstanden.2)
Wir kommen nun zu der Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Anordnung des Zensus 2011 sowie zur Änderung von
Statistikgesetzen. Der Innenausschuss empfiehlt, den
Gesetzentwurf der Bundesregierung in der vom Aus-
schuss vorgeschlagenen Fassung anzunehmen, Druck-
sachen 16/12219 und 16/12711. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung einschließ-
lich der soeben genannten Berichtigungen zustimmen
wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? -
Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstim-
men der Opposition angenommen.
1) Anlage 8
2) Anlage 11
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzent-
wurf ist damit in dritter Beratung ebenfalls mit den Stim-
men der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition an-
genommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 37 a bis 37 c auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia
Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider ({4}) und der Fraktion DIE LINKE
Bundesausbildungsförderung an die Studienrealität anpassen und Strukturreform vorbereiten
- Drucksache 16/12688 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung ({5})
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker
Schneider ({6}) und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Anpassung des Ausbildungsförderungsbedarfs
- Drucksache 16/5808 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({7})
- Drucksache 16/12212 Berichterstattung:
Abgeordnete Marion Seib
Renate Schmidt ({8})
Cornelia Hirsch
Kai Gehring
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({9})
zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia
Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider ({10}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Hochschulen öffnen - BAföG ausweiten
- Drucksachen 16/847, 16/12213 Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Kretschmer
Renate Schmidt ({11})
Cornelia Hirsch
Kai Gehring
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu die-
sem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. - Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich um
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: Axel E.
Fischer und Carsten Müller, beide CDU/CSU, Swen
Schulz und Jürgen Kucharczyk, beide SPD, Uwe Barth,
FDP, Cornelia Hirsch, Die Linke, Kai Gehring,
Bündnis 90/Die Grünen.1)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/12688 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 37 b: Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12212, den Gesetzentwurf der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 16/5808 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um
das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, FDP bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Damit entfällt
nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Tagesordnungspunkt 37 c: Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/12213, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/847 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Gegenstimmen der Fraktion Die
Linke mit dem Rest der Stimmen des Hauses angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 16 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Investitionsund Tilgungsfonds“
- Drucksache 16/12662 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({12})
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Eckhardt Rehberg, CDU/CSU-Fraktion.
({13})
Ich bedanke mich für die guten Wünsche für das Spiel
am Montag in Osnabrück.
({0})
1) Anlage 9
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzten
Tage sind von ganz unterschiedlichen Meldungen geprägt. Das Gutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute
sagt einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Höhe
von rund 6 Prozent voraus. Der aktuelle Ifo-Geschäftsklimaindex lässt dagegen einen leichten Aufwärtstrend
erkennen, genauso wie der Einkaufsmanagerindex Market, der bei der Industrie 2,6 Prozent und den Dienstleistungseinkäufen 1,2 Prozent prognostiziert. Mittendrin
befindet sich die Automobilindustrie. Mit über 750 000
Beschäftigten und einem Umsatz von fast 300 Milliarden Euro ist sie eine der Basisindustrien, die Deutschland zum Exportweltmeister gemacht haben. Wir sind
besonders stark von der Wirtschaftskrise betroffen, weil
fast jeder zweite Euro im Export erwirtschaftet wird. Die
deutsche Automobilindustrie mit ihren Zulieferern exportierte 2007 Erzeugnisse im Wert von 187 Milliarden
Euro. Importiert wurden Fahrzeuge und Teile im Wert
von 82 Milliarden Euro. Damit werden 85 Prozent des
Außenhandelsüberschusses der deutschen Wirtschaft in
der Automobilindustrie erzielt. Gleichzeitig wurden im
letzten Jahrzehnt über 100 Milliarden Euro in der Automobilindustrie investiert, allein im Jahr 2007 10 Milliarden Euro. Für Forschung und Entwicklung wurden mehr
als 18 Milliarden Euro - das ist fast ein Drittel der gesamten Aufwendungen der verarbeitenden Industrie - in
der Automobilindustrie aufgewendet.
Man fragt sich angesichts dessen: Was begründet die
Umweltprämie? Wir haben schon im Konjunkturpaket II
dafür 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Mit
welcher Berechtigung sollen die Mittel nun auf
5 Milliarden Euro aufgestockt werden? Ich glaube, vielfach wird einfach vergessen, welches die Alternative
wäre, wenn wir das nicht getan hätten. Angenommen,
wir hätten uns im Januar nicht entschieden, den Antragsberechtigten eine Umweltprämie in Höhe von 2 500 Euro
für den Kauf eines Neuwagens oder eines Jahreswagens
bei gleichzeitiger Verschrottung eines mehr als neun
Jahre alten Autos zu geben. Ich hätte manche Debatten
vor Ort sehen mögen, ob in Bayern oder in BadenWürttemberg. Hätten wir überhaupt noch über Opel reden können? Was wäre bei VW los gewesen? Ich habe
gerade in der letzten Woche einen Zulieferbetrieb besucht, der in Rostock-Laage - das Mutterunternehmen
befindet sich im bayerischen Aschau - Airbags für
Klein-, Mittelklasse- und Premiumwagen herstellt und
weltweit exportiert.
Darüber hinaus sollte man bedenken, dass diese Umweltprämie nach seriösen Berechnungen allein im ersten
Quartal 2009 einen Schub für das BIP von rund
1 Prozent ergeben hat. Andere Länder wie zum Beispiel
Großbritannien und Spanien, die bisher keine Prämie für
den Kauf von Automobilen gezahlt haben, haben Umsatzrückgänge in Höhe von 30, 40 Prozent zu verzeichnen. Übrigens hat Großbritannien vorgestern eine Prämie in Höhe von 2 000 Pfund beschlossen. Man hat das,
wie ich finde, relativ intelligent gemacht: 1 000 Pfund
zahlt der Staat, 1 000 Pfund der Fahrzeughersteller.
Großbritannien hat gemerkt, dass etwas getan werden
muss. Weitere Gründe, die aus meiner Sicht für die
Prämie sprechen, betreffen die Umwelt; denn ganz über23810
wiegend werden die Autos, die jetzt gekauft werden, weniger Benzin oder Diesel verbrauchen und einen geringeren CO2-Ausstoß haben. Nach Berechnungen des
Verbandes der Automobilindustrie ist der CO2-Ausstoß
um knapp 6 Prozent zurückgegangen.
Es wird immer wieder in der Debatte gefragt, warum
die Auszahlung der Prämie nicht auf den Kauf deutscher
Autos beschränkt wird. Ich lasse die europarechtliche
Problematik eines solchen Ansinnens vollkommen beiseite. Von den bis zum 17. April vom BAFA entschiedenen 96 000 Anträgen betrifft jeder zweite Antrag ein
deutsches Fahrzeug. Das heißt, Hauptprofiteure sind
VW, Opel und Ford. Es ist ein Märchen, dass die Prämie
nur ausländischen Herstellern zugutekommt. Wenn dem
so wäre, dann müsste man berechtigterweise die Frage
stellen, wie viele Automobilzulieferteile beispielsweise
für Firmen wie Skoda oder andere, ob in Korea oder in
Spanien, in Deutschland produziert werden. Auch deswegen trifft die Kritik aus meiner Sicht nicht zu. Von den
Jahreswagen sind übrigens zwei Drittel der Fahrzeuge,
für die eine Prämie beantragt wurde, von deutschen
Herstellern. Das deutsche Steuerzahlergeld gibt es also
überwiegend für deutsche Produkte und für deutsche Arbeitsplätze. Ich will mich eigentlich nicht dieser eindimensionalen Betrachtung hingeben, aber dieses muss
deutlich gesagt werden. Ich habe schon über die Zulieferer geredet. Eines ist aber auch klar: Neue Autos haben
einen viel höheren Verkehrssicherheitsstandard als zehn
Jahre alte Autos.
Es gibt sicher manche Argumente gegen diese Prämie, aber es gibt sehr viele Argumente dafür. Lassen Sie
mich noch eines an dieser Stelle sagen. Wäre es wirklich
eine Alternative, wenn wir in einer Kernindustrie Umsatzeinbrüche von bis zu 40 Prozent und damit ein Dilemma ohne Ende hätten? Ich halte übrigens die Äußerungen von Herrn Sommer und Frau Schwan über
soziale Unruhen für höchst verantwortungslos.
({1})
Ich will aber gleichzeitig an dieser Stelle sagen, dass die
Politik - Stichwort: Finanzmarktstabilisierung, Konjunkturpakete I und II - mit dazu beigetragen hat, dass in
Deutschland die schwere Wirtschaftskrise - das sagen
auch andere Europäer - bisher mit am besten bewältigt
worden ist.
Zum Abschluss vielleicht noch eine Anmerkung zu
einem immer wieder diskutierten Thema. Die Antwort
darauf will nicht ich geben, sondern ich werde jemanden
zitieren, der sich dazu am Mittwoch im Deutschen Bundestag geäußert hat. Es geht darum, ob Hartz-IV-Empfänger in den Genuss der Umweltprämie von 2 500 Euro
kommen sollen. Ich kann nur den Parlamentarischen
Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herrn Brandner, zitieren, der gesagt hat:
Die Bundesregierung geht nach wie vor davon aus,
dass für eine Anrechnungsfreiheit eine gesetzliche
Regelung notwendig ist. Die Bundesregierung geht
davon aus, dass die Umweltprämie, wenn sie gewährt wird, Einkommen bedeutet.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen Schneider. Lassen Sie die zu?
Ich lasse sie gerne zu. Wenn die Frage nicht so lang
ist, dann bekommt er eine kurze Antwort.
Herr Kollege Rehberg, ich hatte die Frage am Mittwoch gestellt. Ich möchte an der Stelle bei Ihnen nachfassen, weil mir Herr Brandner bis heute trotz Nachfrage
im Ausschuss für Arbeit und Soziales, trotz schriftlicher
Fragen meiner Kollegin Kunert und trotz meiner Frage
am Mittwoch immer noch nicht erklärt hat, wie er denn
zu dem Ergebnis kommt, dass diese Mittel keine zweckgebundenen Mittel sind. Können Sie mir das jetzt hier an
dieser Stelle begründen, damit ich es endlich verstehe?
Sie äußern ja nur eine Auffassung, aber Sie könnten ja
auch einmal eine Begründung für diese Auffassung liefern.
Herr Kollege Schneider, ich bin Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie, und Herr
Brandner ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium. Ich gehe davon aus, dass er eine
ganze Riege von Juristen mit der Prüfung dieser Frage
beauftragt hat, und insoweit halte ich seine Aussage für
rechtlich untersetzt und richtig und gerechtfertigt.
({0})
- Ja. Das war seine persönliche Äußerung. Wenn ich von
einem Anwalt zum nächsten und zu einem dritten gehe,
kriege ich auch von jedem eine andere Auskunft.
Wir sollten uns bei allen Problemen im Zusammenhang mit der Umweltprämie wirklich darauf stützen:
Was wäre, wenn wir diese Umweltprämie nicht eingeführt hätten? Was wäre, wenn wir sie nicht aufstocken?
Das hätte dramatische Folgen für die Automobilindustrie. Ich glaube, hier haben die Bundesregierung und die
Regierungsfraktionen im politischen, im ökologischen
und im sozialen Bereich eine verantwortungsvolle Politik gemacht.
Danke sehr.
({1})
Das Wort hat der Kollege Otto Fricke, FDP-Fraktion.
({0})
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja schon bemerkenswert, dass
wir heute über das Thema bei kleiner Anwesenheit aus
allen Fraktionen debattieren. Das Kanzleramt interesOtto Fricke
siert sich dafür überhaupt nicht. Der Wirtschaftsstaatssekretär geht ganz bewusst nach hinten, weil er genau
weiß, was es für ein Mist ist, den wir hier jetzt auf den
Weg bringen. Ökologisch ist das Ding überhaupt nicht.
Es ist eine Abwrackprämie und keine Umweltprämie.
({0})
Worum geht es eigentlich für die Bürger? Es geht für
jeden - und das gönne ich jedem einzelnen Bürger, jedem Zuhörer - um 2 500 Euro für den Fall, dass er die
Voraussetzungen für die Abwrackprämie erfüllt. Diese
2 500 Euro gönne ich jedem Einzelnen. Es wird aber
vollkommen vergessen, um wie viel Geld es insgesamt
geht. Man sollte es sich wirklich auf der Zunge zergehen
lassen: Es geht um weitere 4,2 Milliarden Euro, mit denen wir angeblich jetzt alles retten.
Kollege Rehberg, es wäre ja schön, wenn wir retten
würden. Nur bedeutet es, dass wir in 2010 noch einmal
5 Milliarden Euro ausgeben müssen und in 2011 wieder.
Ich garantiere Ihnen, was passieren wird: Ihre rotschwarze Abwrackprämie wird Anfang 2010 zu Heulen
und Zähneklappern in weit größerem Maße führen.
Dann werden alle sagen: Gut, aber das ist nach einem
anderen Datum. Eigentlich geht es doch darum, dass Sie
gemerkt haben: Die Abwrackprämie reicht nicht bis zur
Bundestagswahl, sie reicht gerade einmal bis Ostern. Dann haben Sie sich gefragt: Wo finden wir neue Eier?
Die Antwort lautet: Die finden wir im Haushalt. Es ist ja
eh alles egal. Legen wir also noch einmal 4,2 Milliarden Euro drauf. - Der einzige Grund ist der 27. September, nichts anderes.
({1})
Kommen wir zu der Frage, ob es ökologisch ist. Da
ist überhaupt nichts ökologisch. Ich kann eine Dreckschleuder kaufen, ich kann einen Kleinwagen kaufen,
der genauso viel CO2 herausschleudert wie eine große
Limousine, und bekomme trotzdem die Abwrackprämie.
Es gibt überhaupt keinen Anreiz für die Hersteller, die
Sie ja genannt haben, innovativ zu sein, um sich zukünftige Märkte zu sichern. Jeder Einzelne kann - in Anführungszeichen gesagt - das Auto kaufen, das ihm gerade
passt. Das hat mit Ökologie und mit Marktwirtschaft
nichts zu tun. Das ist eine Subvention, die der Großen
Koalition dazu dient, bis zum Wahlkampf einigermaßen
gut zu überleben.
Noch ein paar Bemerkungen zur Gesamtsituation.
Das Ding sollte hier doch am Donnerstagabend möglichst ohne Debatte schnell durchgewischt werden.
({2})
Das Ding sollte auch bloß nicht in den Haushaltsausschuss kommen. Warum kommt es denn in den Wirtschaftsausschuss, obwohl darin eigentlich nichts anderes
steht, als dass zusätzliches Geld ausgegeben wird? Doch
weil die Haushälter - das sage ich ausdrücklich an der
Stelle - mit Beißen in die Tischkante gesagt haben: Die
Fraktionen haben so beschlossen, dann machen wir das
mit. - Das akzeptiere ich auch. Ich bin nicht derjenige,
der dann sagt: Ihr hättet jetzt zum großen Sünder werden
und nicht mitmachen müssen.
Was kam als Nächstes? Dann hatte man noch gedacht,
man könne eine Debatte am Freitag vielleicht verhindern
und die Reden zu Protokoll geben. Man schämt sich eigentlich aufseiten der CDU; man schämt sich vielleicht
nicht so sehr aufseiten der SPD.
Für die Zuhörer auf der Tribüne frage ich jetzt: Was
sind 4,2 Milliarden? Das ist eine Zahl mit vielen Nullen,
die man eigentlich gar nicht greifen kann. 4,2 Milliarden
ist ungefähr so viel, wie die Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr für das Elterngeld ausgeben wird.
Nur um das einmal ins Verhältnis zu setzen: So viel für
eine Abwrackprämie, so viel für das Elterngeld - passt
das eigentlich noch?
Dann wird gesagt: Wir müssen es für die Wirtschaft
tun, und für die Automobilindustrie müssen wir es erst
recht tun. - Herr Rehberg, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sind Sie der Meinung: Wenn auf dem
deutschen Markt 50 Prozent deutsche Autos und 50 Prozent ausländische Autos sind, haben wir eine gute Quote
erreicht. - Das finde ich sehr bemerkenswert. Ich bin gespannt, wie sich das auf Dauer durchhalten lässt. Aber
auch das kann kein gutes Argument für eine Abwrackprämie sein.
({3})
Einen letzten für mich wesentlichen Punkt will ich
noch ansprechen. Es geht um viel Geld. Wo stehen wir
eigentlich finanziell im Moment? Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der
von mir in fachlichen Dingen geschätzte Kollege
Kampeter - ich schätze ihn nicht für das, was er öfter beschließt oder Falsches über die FDP sagt -, hat heute erklärt, dass die Neuverschuldung des Bundes in diesem
Jahr bei mindestens 90 Milliarden Euro liegen wird, und
er hat recht.
({4})
Es ist eine Bestätigung dessen, was die FDP seit mehreren Wochen sagt, aber man freut sich doch immer, wenn
die Regierung nach der Salamitaktik endlich zur Wahrheit kommt.
Wenn man so viel Geld ausgibt - und behauptet, man
mache kein Konjunkturpaket III -, sollte man als Große
Koalition ehrlich zugeben, dass die Abwrackprämie
nichts anderes ist als das Paketpapier für ein Paket III
und dass Sie von der Großen Koalition bis zur Wahl
noch überlegen werden, was Sie alles an Geschenken hineintun werden. Die Geschenke bezahlen wird allerdings wiederum der Steuerzahler. Nach der Bundestagswahl wird dann wieder der berühmte Satz gesagt: Wir
haben noch einmal genauer in die Kassen geschaut und
festgestellt: Es ist alles viel schlimmer, aber jetzt ist es
halt passiert.
Liebe Wählerinnen und Wähler, liebe Bürger, liebe
Kolleginnen und Kollegen, verantwortungsvolle Politik,
gerade von einer Großen Koalition mit einer großen
Mehrheit, sieht anders aus. Besinnen Sie sich! Sie haben
in den Ausschüssen die Gelegenheit dazu.
Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende!
({5})
Ich gebe das Wort für die SPD-Fraktion der Kollegin
Ute Berg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es war kabarettreif, Herr Fricke; es hatte mit der Realität
sehr wenig zu tun. Herr Rehberg hat die Situation in der
Automobilbranche eben schon umfassend beschrieben.
({0})
Er hat dargestellt, was alles von der Abwrackprämie
oder der Umweltprämie - mir ist völlig schnurzpiepegal,
wie man das nennt;
({1})
es ist mir wirklich wurst; ich komme gleich noch auf den
Punkt zu sprechen - abhängt. Die Abwrackprämie - jetzt
nenne ich sie auch einmal so - hat sich zu einem Riesenrenner entwickelt, und das wissen Sie alle.
Bis gestern sind bereits über 1,3 Millionen Anträge
beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingegangen. Die Prämie hat damit alle Erwartungen übertroffen.
({2})
Sie war für die Branche ein spürbarer Anstoß. Sie hat
viele Händler und Zulieferbetriebe gerettet und damit
- das sollte gerade Sie interessieren - Tausende von Arbeitsplätzen. Nach dem massiven Absatzeinbruch in der
Automobilindustrie im vergangenen Jahr wirkt die Prämie nachweislich stabilisierend auf die Konjunktur.
({3})
Andere Länder wollen dieses Erfolgsmodell kopieren.
So gibt es in den USA und Japan Überlegungen, ebenfalls eine Umweltprämie einzuführen. Andere Länder
haben sie bereits eingeführt - Herr Rehberg erwähnte es
schon -, zuletzt auch Großbritannien.
Die von Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagene
Prämie konnte schneller als alle anderen Maßnahmen
unserer Konjunkturpakete Wirkung entfalten. Das war
und ist - jedenfalls in der dramatischen Lage, in der sich
unsere Wirtschaft jetzt befindet - immens wichtig.
Es ist deshalb richtig, die bislang geltende Deckelung
auf 1,5 Milliarden Euro aufzuheben und mehr Fahrzeuge
als ursprünglich vorgesehen zu fördern. Es ist jetzt wichtig, mit der Aufstockung des Fördertopfs auf 5 Milliarden Euro Rechtssicherheit zu schaffen: für Autokäufer,
für Autohändler und für die Automobilindustrie insgesamt; denn es gab Effekte, die nicht beabsichtigt waren
- das muss man einräumen -, die sich aber eingestellt
haben, weil die Käufer besonders schnell kaufen wollten, um in jedem Fall noch vor Versiegen der Mittel des
Fördertopfes in den Genuss der Prämie zu kommen.
So haben nicht alle Käufer ihr Wunschfahrzeug bekommen. Das drohende Ende der veranschlagten Fördermittel hat zu einem Run auf die sofort verfügbaren
Fahrzeuge geführt. Das ist natürlich ein Nachteil. Dieses
Windhundverfahren haben wir eigentlich nicht gewollt.
Die SPD hat sich daher bei der Ausgestaltung der Prämie stets für mehr Rechtssicherheit eingesetzt. Aufgrund
unserer Initiative wurde Ende März dieses Jahres das
zweistufige Verfahren eingeführt, mit dem man sich
nach der Bestellung eines Autos die Prämie sichern
kann.
Darauf hatten die Käufer offenbar gewartet. Die Server des zuständigen Bundesamtes für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle brachen am Stichtag 30. März 2009
aufgrund der Flut der Antragseingänge zusammen. Das
macht deutlich, wie wichtig den Autokäufern die Sicherheit ist, dass sie die Prämie auch bekommen.
Wir möchten auch weiterhin dafür sorgen, dass die
notwendige Klarheit geschaffen wird. Jeder, der bis zum
Ende dieses Jahres ein Neufahrzeug oder einen Jahreswagen kauft und sein altes Auto verschrottet, soll die
Prämie auch erhalten. Wir wollen nicht in die Situation
kommen, dass Käufer, die im Vertrauen auf die Prämie
einen Kaufvertrag abschließen und den Antrag auf die
Prämie stellen, dann erfahren, dass sie ihren Antrag zwei
Minuten zu spät gemailt haben und damit nicht mehr in
den Genuss der Prämie kommen. Das kann nicht im
Sinne der Kunden sein. Deshalb werden wir uns dafür
einsetzen, dass dies auch nicht geschieht.
Ich möchte ein Verfahren, das keine Rechtsfragen offen lässt, damit wir nicht über Jahre hinweg mit Klagen
enttäuschter Bürgerinnen und Bürger konfrontiert werden.
({4})
- Nein, das können wir alles noch im Laufe des Verfahrens festlegen. Sie wissen, wie das läuft: Struck’sches
Gesetz. Das brauche ich nicht mehr zu erklären.
Damit komme ich zu einer weiteren Entwicklung, der
wir uns zuwenden müssen. Die Hersteller können nicht
in allen Fällen eine Lieferung der Neufahrzeuge in der
vorgesehenen Frist von sechs Monaten gewährleisten.
Vor allem betrifft das auch Sonderanfertigungen, die beispielsweise für Menschen im Rollstuhl gefertigt werden
müssen. Trotz dieser Verzögerungen muss klar sein, dass
diese Käufer die Prämie erhalten. In diesen Fällen muss
die vorgesehene Befristung aufgehoben werden.
Lassen Sie mich noch kurz auf die ökologische Komponente eingehen, die hier bereits mehrmals angesprochen worden ist. Allen Unkenrufen zum Trotz nutzt die
Prämie auch der Umwelt.
({5})
- Ja. Die jetzt verschrotteten Altfahrzeuge sind zwischen
neun und 20 Jahre alt. Der Spritverbrauch der neuen
Fahrzeuge ist im Schnitt deutlich geringer als der der alten Modelle, weil die Autos in der Regel kleiner und die
Motoren effizienter sind. Das ist nachgewiesen.
({6})
Nicht zu vergessen sind die Dieselfahrzeuge. Keines
der Fahrzeuge, die nun verschrottet werden, hat einen
Dieselkatalysator, geschweige denn einen Rußpartikelfilter.
({7})
Alle neuen Modelle haben dies sehr wohl. Insofern sollte
man diesen Punkt nicht völlig außer Acht lassen.
({8})
Alles in allem bedeutet das eine deutliche CO2-Minderung und eine starke Reduzierung der Schadstoffemissionen. Die Abwrackprämie ist deshalb ganz sicher auch
eine Umweltprämie.
({9})
Bei der vom Bundeswirtschaftsministerium erarbeiteten Richtlinie müssen wir allerdings noch eine kleine
Änderung vornehmen. Nach der heutigen Regelung - das
ist kein Witz; es hört sich nur so an - werden ausschließlich vierrädrige Autos gefördert. Es gibt aber auch Elektroautos, die wir sicher alle fördern wollen, die nur drei
Räder haben. Diese müssen natürlich mit einbezogen
werden.
({10})
- Wir reden von Autos.
({11})
- Nein, nicht von Rasenmähern und auch nicht von
Kühlschränken, sondern von Autos.
Dann bliebe noch die lange Zeitspanne für die Bearbeitung der Anträge bis zur Auszahlung. Das zuständige
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist überlastet. Nach wie vor gibt es lange Warteschlangen bei der
Bearbeitung der Anträge. Natürlich muss das geändert
werden. Dafür muss auch entsprechendes Personal zur
Verfügung gestellt werden.
Gestatten Sie mir abschließend ein Wort zu den oft
monierten und eben auch schon mehrfach angesprochenen Mitnahme- und Vorzieheffekten bei den Autokäufen
auf Basis der Prämie. Natürlich lassen sich solche Effekte nicht ganz ausschließen. Das ist bei jeder Konjunkturmaßnahme so.
({12})
- Herr Bonde, man muss aber auch bedenken, dass es
angesichts des deutlichen Absatzrückgangs im letzten
Jahr auch Aufholeffekte gibt, die hier bisher nicht erwähnt wurden.
({13})
Summa summarum: Die Abwrackprämie hat sich als
ein hervorragendes Mittel zur Stimulierung der Nachfrage erwiesen und ist damit genau das, was wir beabsichtigt haben, nämlich eine Konjunkturspritze erster
Güte.
({14})
Nächster Redner ist der Kollege Lutz Heilmann,
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Werte Gäste! Ich bin schon erstaunt über die Art und
Weise, wie die Koalition die Abwrackprämie schönredet.
({0})
Ich finde es erstaunlich, welche Argumente Sie hier vorbringen. Ich sage Ihnen ganz klipp und klar: Mit der Abwrackprämie gönnen sich SPD und CDU/CSU schnell
einmal 5 Milliarden Euro Steuergelder als Wahlkampfunterstützung. Für mich ist das Veruntreuung. Für mich
ist das schon fast kriminell.
({1})
Angesichts dessen ist es lächerlich, dass der Wirtschaftsminister mit der Begründung, er wolle keinen Wahlkampf machen, ein Konjunkturpaket III ablehnt.
Kommen wir zurück zur Abwrackprämie. Welche
wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wirkungen
hat sie denn nun wirklich?
Fangen wir mit den wirtschaftlichen Wirkungen an.
Wer gestern Abend Fernsehen geschaut hat, hat vielleicht mitbekommen, dass der Präsident des Deutschen
Industrie- und Handelskammertages bei Frau Illner gesagt hat, dass solche punktuellen Maßnahmen wenig
tauglich sind.
({2})
Die Menschen würden dadurch von anderen Investitionen, etwa dem Kauf eines neuen Fernsehers, einer neuen
Waschmaschine usw., abgehalten. Kurz gesagt: Andere
wirtschaftlichen Bereiche leiden darunter, dass die Leute
jetzt ihr letztes Geld zusammenkratzen, um ein neues
Auto zu kaufen.
({3})
Die Abwrackprämie verzerrt schlicht und einfach den
von Ihnen so hochgelobten Wettbewerb. Offenbar sind
Ihnen die freien Werkstätten und die freien Autohändler,
die häufig ältere Fahrzeuge angekauft, verkauft und repariert haben, völlig egal. Klar freuen sich die Autohäuser - Opel, VW, Mazda und wer auch immer sonst noch darüber, dass sie in den letzten Wochen ganz gut zu tun
hatten. Aber ich frage Sie: Was passiert an dem Tag, an
dem die 5 Milliarden Euro ausgegeben sind? Was wird,
wenn keiner mehr in die Autohäuser geht, weil Neukäufe, die vielleicht erst für das nächste Jahr geplant waren, vorgezogen wurden, um die 2 500 Euro mitnehmen
zu können?
Zu den sozialen Effekten: Ich verstehe gut, dass viele
Menschen, die sich schon lange nicht mehr oder noch
nie ein neues Auto geleistet haben, jetzt ein neues Auto
kaufen möchten. Das soll auch so sein. Mir wäre es aber
lieber, wenn die Menschen durch ihre eigene Arbeit so
viel Geld verdienen würden, dass sie sich davon auch ein
Auto kaufen könnten; denn dann wären sie nicht auf Almosen wie Ihre Abwrackprämie angewiesen. Es ist
skandalös, dass Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IVEmpfängern die Abwrackprämie verwehrt wird. Noch
skandalöser ist allerdings das Verhalten der SPD.
({4})
Ich fordere von Ihnen ein bisschen mehr Einsatz für soziale Gerechtigkeit.
Viele, die jetzt ein neues Auto kaufen, müssen, weil
das eigene Geld zuzüglich der 2 500 Euro nicht reicht,
Schulden machen. Haben Sie sich einmal überlegt, wie
die Leute das zurückzahlen sollen, wenn die Krise erst
richtig losgeht? Die Sachverständigen haben uns in dieser Woche ja gesagt, dass da noch etwas kommt. Wenn
die Leute die Raten nicht mehr zurückzahlen können,
was wollen Sie dann tun?
Nun zu den ökologischen Wirkungen, die Sie uns ausführlich dargelegt haben. Offiziell nennen Sie das Ganze
Umweltprämie, weil umweltverträglichere Autos auf die
Straße kommen und alte, besonders umweltschädliche
abgewrackt werden sollen. Das könnte ich sogar unterstützen. Einen alten Spritfresser gegen ein neues, weniger durstiges Auto tauschen - das wäre doch etwas. Völlig absurd ist es allerdings, voll funktionsfähige, wenig
gefahrene Autos abzuwracken. Autos sind grundsätzlich
langlebige Gegenstände. Sie können durchaus schon mal
15 Jahre halten, wenn die Laufleistung gering ist und der
Erhaltungszustand gut ist.
Ist es tatsächlich so, dass umweltverträgliche Autos
angeschafft werden? Um nicht ins Blaue hinein irgendetwas zu behaupten, wie Sie von der SPD oder der Kollege
Rehberg von der CDU es gerade getan haben,
({5})
habe ich bei der Bundesregierung einmal nachgefragt.
Ich habe eine Kleine Anfrage gestellt.
({6})
Ich habe gefragt, welche Marken und welche Fahrzeugtypen angeschafft wurden, wie hoch der Normverbrauch
dieser Fahrzeuge ist und welche Abgasnorm sie einhalten. Daraufhin hat mir die Bundesregierung gesagt, dass
aus Vereinfachungsgründen darauf verzichtet wird, Daten zum CO2-Ausstoß der neuen Autos zu erheben. Das
wird ganz einfach nicht gefordert, weil das so nicht in
der Förderrichtlinie vorgesehen ist.
So, Herr Kollege, jetzt ist Ihre Redezeit aber zu Ende.
({0})
Insofern bitte ich Sie, die Antwort auf die Kleine Anfrage einmal zu lesen. Vielleicht führt das bei Ihnen zu
einem Erkenntnisgewinn.
({0})
Die Linke wird dieser Abwrackprämie selbstverständlich keine Zustimmung geben.
({1})
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Alexander Bonde, Bündnis 90/
Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir diskutieren hier über das Sondervermögen „Investitions- und Tilgungsfonds“. Dies ist der erste Etikettenschwindel; denn es geht um Schulden außerhalb des
Haushaltes. Der zweite und dritte Etikettenschwindel besteht darin, dass mit dem, worüber wir heute sprechen,
weder eine Investition getätigt wird noch eine Realtilgung stattfindet. Auch hier wird getrickst. Der vierte
Etikettenschwindel - darauf hat die Kollegin Berg großmütig verzichtet - ist, dass Sie hier über eine Umweltprämie diskutieren, die mit Umwelt nichts zu tun hat. Es
handelt sich um eine Abwrackprämie.
Sie alle wissen, dass Teile der Autos, die heute abgewrackt werden, zwar alt sind, aber nicht ökologisch
schädlicher als Teile der Autos, die jetzt gekauft werden.
Das Programm enthält keinen ökologischen Impuls, im
Gegenteil: Den Energieeinsatz und den Ressourceneinsatz beim Neubau von Autos blenden Sie aus. Das ist bezeichnend für die Umweltpolitik der Großen Koalition.
({0})
Was Sie hier machen, ist auch wirtschaftspolitisch
falsch. Wenn wir uns ansehen, in welcher Krise sich die
deutsche Wirtschaft, die deutsche Exportwirtschaft und
die Automobilindustrie, befindet, dann erkennen wir,
dass wir es nicht nur mit einer Konjunkturkrise zu tun
haben, sondern auch mit einer Strukturkrise,
({1})
in der es jetzt darum geht, die richtigen Impulse zu setzen, damit die Industrie mit neuen Produkten, die tatsächlich in die Märkte von heute und morgen passen,
({2})
innovativ vorangehen kann.
Umwelt- und Klimaschutz sind der entscheidende
Schlüssel.
({3})
Denn jetzt steht folgende Frage an: Stemmen wir die
Strukturreform der Wirtschaft, stemmen wir eine dritte
industrielle Revolution in Richtung Umwelt- und Klimatechnologie? Sie machen mit dieser Prämie genau das
Gegenteil. Denn heute lassen Sie staatlich gefördert Autos bzw. Werte vernichten. Damit schieben Sie die alten
Autos, die morgen keiner mehr braucht und die schon
heute nicht mehr dem Standard entsprechen, mit Gewalt
subventioniert in den Markt und geben der Automobilindustrie überhaupt keine Impulse, die sie veranlassen
könnten, auf diese wichtigen technologischen Aspekte
zu setzen. Deshalb ist das, was Sie machen, auch ökonomisch falsch. Es ist kurzsichtig und wird den strukturellen Herausforderungen der Automobilindustrie nicht gerecht.
({4})
Wir sprechen hier über 5 Milliarden Euro. Es mag
sein, dass Sie im Milliardenwahn schon gar nicht mehr
wissen, was das wert ist. Ich will es Ihnen anhand von
drei Ministerien, die Zukunftsfelder verantworten, deutlich machen. Den Etat des Ministeriums für Bildung und
Forschung könnte man mit diesen 5 Milliarden Euro um
50 Prozent steigern. Dies ist etwas, von dem wir wissen,
dass unser Wohlstand davon abhängt. Im Ministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend könnte man
fast verdoppeln, was man für diese wichtigen Zukunftsbereiche ausgibt. Wenn Sie die 5 Milliarden Euro, die
Sie heute für alte Autos rausschmeißen, dem Umweltminister geben würden, würden Sie seinen Etat um das
Zweieinhalbfache erhöhen. Das ist der wirkliche Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren von der
Koalition, den Sie heute hier verursachen.
({5})
Wie gesagt: Bezüglich der haushaltsmäßigen Absicherung wird es noch bunter. Dies alles geschieht auf
Pump, auf Schuldenbasis. Sie haben nicht einmal die
Ehrlichkeit, es in den Haushalt zu schreiben.
({6})
Wenn der Finanzminister - er ist heute wieder nicht anwesend - Banken dafür kritisiert, dass sie Risiken und
Kredite außerhalb der Bilanz führen, kann ich nur sagen:
Her mit dem Nachtragshaushalt, in den diese 5 Milliarden Schulden, die Sie am Haushalt vorbei machen, eingestellt werden! Sie betreiben mit diesem Gesetzentwurf
an allen Ecken und Enden Rosstäuschung.
({7})
Das ist weder Haushaltsklarheit noch Haushaltswahrheit. Das ist in der Struktur falsch. Sie sind überhaupt
nicht in der Lage, in der Krise eine Politik zu machen,
mit der die langfristigen Tendenzen in der Wirtschaft erkannt werden und der Strukturwandel angeschoben wird.
Mit Verlaub: Das Einzige, das es wirklich wert ist, abgewrackt zu werden, ist diese Regierung, die uns langsam
zu viel Geld kostet.
Herzlichen Dank.
({8})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/12662 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 6. Mai 2009, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, allen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den Besuchern auf der Tribüne ein wunderschönes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.