Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie herzlich.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Rentenpolitik der Bundesregierung.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz
Müntefering. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben heute im Kabinett den Rentenversicherungsbericht 2005, den Alterssicherungsbericht 2005 und den
Bericht zum Stand der Altersversorgung in der Landwirtschaft behandelt und verabschiedet. Diese Berichte
wären eigentlich zum November vergangenen Jahres fällig gewesen. Wir haben damals darum gebeten, sie später abgeben zu dürfen, weil sich die Regierung im Stadium ihrer Bildung befand. Zudem haben wir in der
Zwischenzeit eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen auf
diesem Gebiet beschlossen.
Ich habe gestern das Gutachten des Sozialbeirates
zum Rentenversicherungsbericht bekommen und es dem
Kabinett heute vorgelegt. Der Sozialbeirat hat mir
gestern in Person seines Vorsitzenden Professor Rürup
mitgeteilt, dass er dem Rentenversicherungsbericht zustimmt. Natürlich werden zu einzelnen Punkten Anmerkungen gemacht, die uns Anregungen für die Zukunft
geben, aber insgesamt gibt es Zustimmung.
Mit dem Rentenversicherungsbericht verband sich
heute der Beschluss zu zwei Eckpunkten. Zum einen
werden die 1-Euro-Jobs in Zukunft nicht mehr in die Referenzsumme, also in die Lohnsumme, die die Grundlage für die Entwicklung der Renten ist, einbezogen.
Zum anderen werden wir die vorgesehene Dämpfung der
Renten, die wir in diesem Jahr nicht durchführen, nachholen, aber nicht vor 2010. Wir haben das für 2012 und
die Folgejahre in den Rentenversicherungsbericht modellhaft einbezogen, da diese Rechnung im Bericht dargestellt werden muss.
Wir sind davon ausgegangen, dass sich - wie am
1. Februar 2006 im Kabinett beschlossen - das Renteneintrittsalter ab 2012 bis zum Jahr 2029 schrittweise von
65 auf 67 Jahre erhöht, dass aber diejenigen, die 45 Versicherungsjahre vorweisen können und 65 Jahre alt sind,
ihre Rente ohne jeden Abschlag erhalten. Insgesamt bedeutet dies, dass sich das faktische Renteneintrittsalter,
das bisher zwischen 60 und 65 Jahren lag, bis zum Jahr
2029 auf ein Alter zwischen 63 und 67 Jahren entwickeln wird.
Parallel dazu wird es die Initiative „50 plus“ geben.
Damit wollen wir vonseiten der Politik unterstützen,
dass die Menschen länger im Erwerbsleben bleiben, und
verhindern, dass sie mit zum Beispiel 55 Jahren aus dem
Erwerbsleben ausscheiden müssen. 58 Prozent der über
55-Jährigen sind nicht mehr berufstätig; das ist hochproblematisch. In Skandinavien und in anderen Ländern ist
das ganz anders. Wir müssen an dieser Stelle besser werden.
Das Gesetz zur Anhebung des Renteneintrittsalters
von 65 auf 67 Jahre und Vorschläge zur Initiative
„50 plus“ werden Mitte dieses Jahres vorliegen. Jetzt
geht es nur um den Bericht, also um die Ankündigung
der Maßnahmen. Die Debatte dazu hat ja bereits begonnen.
Wir sind im Bericht davon ausgegangen, dass es in
diesem Jahr keine Rentenkürzung geben wird, ganz
gleich, wie die Referenzsummen der Jahre 2004 und
2005 letztlich sein werden. Der entsprechende Gesetzentwurf ist eingebracht; wir werden darüber in den
nächsten Wochen zu beschließen haben.
Der Rentenversicherungsbeitrag wird zum 1. Januar
nächsten Jahres von 19,5 auf 19,9 Prozent angehoben. In
dieser Höhe bleibt er für den Verlauf dieser Legislaturperiode. In den Rentengesetzen steht, dass er bis zum
Jahr 2020 nicht über 20 Prozent hinaus wachsen soll.
Wir sind sicher, dass man das erreichen kann.
Redetext
Wir haben auch vereinbart, dass die Dynamik des Anstiegs des Bundeszuschusses für die Rentenversicherung
gebrochen wird. Über die letzten zehn Jahre gab es eine
Steigerung von etwa 6 Prozent. Sie wird deutlich moderater ausfallen. Wir rechnen damit, dass der Bundeszuschuss für die Rentenversicherung in den kommenden
vier, fünf Jahren im Schnitt um 1 Prozentpunkt pro Jahr
steigen wird. Was die Entwicklung der Höhe des Beitragssatzes und die Sicherung des Beitragssatzniveaus
angeht, können wir uns also aufgrund der Aussagen des
Rentenversicherungsberichts für die nächsten Jahre und
auch für die Zeit bis 2019 sicher fühlen.
Der Alterssicherungsbericht geht über das Thema der
gesetzlichen Rentenversicherung hinaus. In ihm wird der
Gesamtzusammenhang dargestellt und deutlich gemacht,
wie wichtig es ist, dass neben der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzlich Altersvorsorge betrieben wird.
Ich nenne als Stichworte die Riester-Rente und die betriebliche Vorsorge. In beiden Bereichen sind wir auf einem guten Weg. Wir wissen aber, dass noch Verbesserungen durchzuführen sind. Die Koalition hat sich zum
Beispiel vorgenommen, im Jahre 2008 den Kinderzuschlag im Rahmen der Riester-Rente zu erhöhen. Insbesondere bei der ergänzenden Vorsorge müssen wir noch
stärker als bisher die Familien- und Kinderkomponente
berücksichtigen.
Unterm Strich kann ich Ihnen sagen: Die Struktur der
gesetzlichen Rentenversicherung steht; hier muss nicht
mehr viel verändert werden. Das gilt für die Wegstrecke,
die wir gegenwärtig überblicken können. Wir müssen
aber dafür werben, dass stärker als bisher ergänzende
Vorsorge betrieben wird, dass also die Riester-Rente, die
betriebliche Vorsorge oder andere Vorsorgemöglichkeiten in größerem Umfang genutzt werden. Wenn uns das
gelingt, wird das Rentenniveau auch in Zukunft angemessen sein und den Lebensstandard der Rentnerinnen
und Rentner langfristig sichern. Natürlich ist dies von
der Entwicklung des Wohlstands, von der Prosperität
insgesamt abhängig. Alle Wohlstandsgewinne, die wir
zu verzeichnen haben, werden sich auch positiv auf den
Bereich der Alterssicherung auswirken.
Vielen Dank, Herr Minister.
Gibt es Zusatzfragen zu dem vorgetragenen Bericht? - Zunächst der Kollege Brauksiepe, dann Frau
Schewe-Gerigk.
Vielen Dank, Herr Minister. Der vorliegende Bericht
ist von vielen - von einigen, wie ich finde, mit künstlicher Aufgeregtheit - lange erwartet worden. Sie haben
darauf hingewiesen, dass er dieses Mal ausnahmsweise
zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt wurde. Können
Sie erläutern, welche für die zu behandelnden Fragen
wichtigen Daten uns verloren gegangen wären bzw. im
Bericht nicht hätten berücksichtigt werden können,
wenn er bereits zum 30. November letzten Jahres vorgelegt worden wäre?
({0})
Wir sind verpflichtet, im November eines jeden Jahres den Rentenversicherungsbericht und einmal pro Legislaturperiode den Alterssicherungsbericht und den Bericht über den Stand der Alterssicherung bei Landwirten
einzubringen. Im November vergangenen Jahres haben
wir das Parlament gebeten, diese Berichte später vorlegen zu dürfen, um die Entscheidungen der Bundesregierung mit einbeziehen zu können. Ansonsten hätte zum
Beispiel unser Beschluss zur Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre keinen Eingang in den
Bericht gefunden. Das gilt auch für andere Entscheidungen, die wir getroffen haben. Auch die Eckpunkte, die in
den letzten Tagen festgelegt worden sind, hätten nicht
einbezogen werden können. Es war allerdings wichtig,
diese Aspekte zu berücksichtigen. Darüber hinaus mussten wir auch die Lohn- und Gehaltsentwicklung in diesem Jahr besser einschätzen können. Jetzt haben wir sicherlich ein höheres Maß an Realismus erreicht, als es
im November letzten Jahres hätte der Fall sein können.
Herr Kollege Maurer, die Verteilung von Blumen
während einer Plenarsitzung gehört zu den sympathischeren Innovationen unseres Geschäftsbetriebes. Ihre
Auswahl ist allerdings erklärungsbedürftig. Dass ausgerechnet das Präsidium davon ausgeschlossen bleibt,
finde ich außerordentlich bedauerlich.
({0})
Als Nächste hat sich die Kollegin Schewe-Gerigk zu
Wort gemeldet.
Herr Minister, vielen Dank für Ihren Vortrag. Ich habe
noch eine Frage zum Nachholfaktor. Im vorliegenden
Bericht wird davon ausgegangen, dass bisher nicht realisierte Dämpfungen in Höhe von 2 Prozent in fünf Schritten - fünfmal 0,4 Prozentpunkte - vorgesehen sind. Dass
sind aber die 2 Prozent, die schon jetzt nicht umgesetzt
worden sind. Kann man denn davon ausgehen, dass
künftige Dämpfungen realisiert werden? Ich würde
gerne wissen, in welchen Abständen diese Dämpfungen
erfolgen sollen oder ob Sie nur diese 2 Prozent ausgleichen wollen.
Wir haben heute in den Eckpunkten festgehalten, dass
diese Dämpfungen nachgeholt werden, allerdings nicht
vor dem Jahr 2010. Da wir diesen Vorgang natürlich in
den Bericht einfließen lassen mussten, haben wir dies ab
dem Jahr 2012 vorgesehen, und zwar innerhalb von fünf
Jahren. Das ist aber modellhaft. Die Dämpfungen müssen nicht unbedingt genau zu diesem Zeitpunkt nachgeholt werden. Das hängt von der Möglichkeit ab, wann
das zu realisieren ist, von dem Anstieg der Renten. Das
Jahr 2012 bietet sich an, weil dann der Riester-Faktor
nicht mehr wirkt. Sie wissen, dass mit dem Ansparen im
Rahmen der Riester-Rente bis zum Jahre 2011 automatisch eine Dämpfung des Rentenanstiegs um 0,5 bis
0,6 Prozentpunkte unterhalb der Lohnentwicklung verbunden ist. Ab 2012 stellt sich die Situation wieder
günstiger dar, weil es diesen Abstrich dann nicht mehr
gibt. Das sprach dafür, im Bericht das Jahr 2012 als Zeitpunkt aufzunehmen.
Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren sein
wird, kann man heute nicht wissen. Die Entscheidung
der Bundesregierung ist, die Dämpfung nachzuholen.
Das ist auch zu verantworten, weil die nachwachsende
Generation sonst zusätzlich zahlen müsste. Wir haben
aber aufgrund der Ausgangslage die Hoffnung - und wir
waren sehr vorsichtig bei der Ansetzung von Lohnerhöhungen und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt -, in
den nächsten Jahren keine Negativentwicklung mehr zu
haben und somit ohne zusätzliche Dämpfung durch die
nächsten Jahre zu kommen.
Kollege Weiß.
Herr Minister Müntefering, in der öffentlichen Debatte - „Vordebatte“ müsste man eigentlich sagen - über
den Rentenversicherungsbericht ist ausschließlich die
gesetzliche Rente im Blickpunkt gewesen. Zum Teil sind
bösartige Bemerkungen gemacht worden wie die Aussage, die Rente würde zur Schrumpfrente. Nun ist es
auch Aufgabe des Alterssicherungsberichts, den das
Bundeskabinett heute beraten hat, darzustellen, wie das
Gesamtversorgungsniveau der älteren Generation in Zukunft aussehen wird. Könnten Sie einmal darauf eingehen - unter Einschluss der weiteren Elemente der Altersversorgung, der privaten und der betrieblichen, sowie
der Einkommensentwicklung insgesamt -, wie sich das
Gesamtsicherungsniveau der älteren Generation in den
kommenden Jahren entwickeln wird?
Ich will zunächst etwas zu dem Begriff der Schrumpfrente sagen. Dieser Begriff ist entstanden durch den
Vergleich dessen, was 1995 als Rentenniveau für 2009
prognostiziert worden ist, mit der heutigen Situation.
Damals sind die Löhne und Gehälter für das Jahr 2009
um 21 Prozent höher eingeschätzt worden, als man es
jetzt tut. Entsprechend ist man auch davon ausgegangen,
dass die Renten um 21 Prozent höher liegen, als dies
heute für 2009 prognostiziert wird. Das zeigt nur noch
einmal die enge Verbindung zwischen der Entwicklung
der Einkünfte der Aktiven und dem, was als Rente ausgezahlt werden kann. Man kann für diese Prognose niemandem einen Vorwurf machen. Eine Prognose ist
schwierig, weil man schätzen muss, wie sich die Lohnsumme, wie sich die Zahl der Beschäftigten, insbesondere der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, in
den nächsten Jahren entwickeln wird. Dabei muss man
bedenken, dass zum Beispiel für Minijobs nur begrenzt
in die Sozialversicherungskassen eingezahlt wird. Überhaupt haben wir viel Arbeit, die nicht sozialversicherungspflichtig ist. Das reduziert natürlich die Einnahmen
der Sozialversicherungskassen.
Sie möchten mit Ihrer Frage einen Blick nach vorne
werfen. Wenn wir uns anschauen, was die gesetzliche
Rentenversicherung leisten kann, dann müssen wir feststellen, dass das auf lange Sicht gesehen weniger ist als
in der Vergangenheit. Aber es gibt im Alterssicherungsbericht sehr detaillierte Rechnungen, aus denen hervorgeht, dass bei normaler Entwicklung der Dinge - selbst
bei vorsichtigen Annahmen über die Entwicklung der
Prosperität - und unter Einbeziehung der Riester-Rente
das Sicherungsniveau der Rentnerinnen und Rentner
langfristig dem der heutigen Rentnergeneration entsprechen wird. Die Situation der Rentner hängt immer entscheidend davon ab, wie sich unser Wohlstand mehrt
und wie es bei den Aktiven aussieht.
Aus dem Alterssicherungsbericht, aus den 400 Seiten
und den vielen Tabellen geht hervor: Es muss keiner
Angst haben, was seine Perspektive angeht. Aber jeder
muss wissen, dass er zusätzlich privat vorsorgen muss.
Ich sehe es als eine Aufgabe der Koalition an, in dieser
Legislaturperiode noch einmal ganz besonders dafür zu
werben, neben der gesetzlichen Rentenversicherung die
Riester-Rente, betriebliche Renten oder andere Formen
der Vorsorge verstärkt zu nutzen. Ich habe schon angedeutet, dass wir die private Vorsorge durch die Verstärkung von Familiengesichtspunkten, ob es nun um Kinderzuschlag oder die Förderung von Wohneigentum
geht, vorantreiben. Die Menschen müssen also keine
Sorge haben, was ihre Perspektive für die nächsten Jahrzehnte angeht.
Kollege Kolb.
Herr Minister, der Rentenversicherungsbericht ist den
Kabinettskollegen mit einem Begleitschreiben zugeleitet
worden. Sind Berichte zutreffend, dass Sie in diesem
Schreiben angekündigt haben, dass es vor 2009 keine
Rentenerhöhungen mehr geben soll? Sie haben dies
heute im Morgenmagazin für die Jahre 2006 und 2007
bestätigt. Ist es also entsprechend diesem Schreiben zutreffend, dass seitens der Bundesregierung auch für das
Jahr 2008 keine Rentenerhöhung vorgesehen ist?
Da Sie zur Zeit der Ausstrahlung des Morgenmagazins schon wach gewesen sind und gearbeitet haben
- das ist für die Menschen auf der Tribüne vielleicht
auch einmal wichtig - ({0})
Herr Minister, wenn uns die Mitglieder der Bundesregierung ihre Fernsehauftritte rechtzeitig mitteilten,
würden die Abgeordneten den Zeitpunkt ihres Aufstehens selbstverständlich danach ausrichten.
({0})
Wir erhalten aber nur unzulängliche Informationen.
({1})
Herr Präsident, ich könnte Ihnen meinen Tagesplan
zur Verfügung stellen. Wir könnten ja einmal schauen,
was letztlich dabei herauskommt.
Heute Morgen habe ich deutlich gemacht, dass wir im
Augenblick nur für das Jahr 2006 reagieren können. Für
das Jahr 2006 beschließen wir, beschließt die Koalition,
dass die Renten nicht gesenkt werden. Was in den nächsten Jahren sein wird, kann man heute noch nicht definitiv sagen, weil die Referenzzahlen immer die Lohnsummen der beiden vorhergehenden Jahre sind. Die Zahlen
der Jahre 2004 und 2005 werden im Ergebnis im Juni
dieses Jahres vorliegen und wahrscheinlich zu der Erkenntnis führen, dass die Renten eigentlich gesenkt werden müssten, und zwar über die Dämpfung des RiesterFaktors hinaus. Wenn die Einkommen aufgrund der Entwicklung so niedrig sind, dass die Rentenanpassung unter die Nulllinie gedrückt wird, müsste man die Renten
senken, es sei denn, man verhindert das per Gesetz. Genau das wollen wir tun.
Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren sein
wird, kann man nicht genau sagen. Man kann vermuten,
dass es im Jahre 2007 keine Erhöhung geben wird, weil
das Jahr 2005, das ein schlechtes Jahr war, und das
Jahr 2006, das hoffentlich besser wird, schon eine gewisse Perspektive erkennen lassen. Wie das in den
Jahren 2008 und 2009 sein wird, kann man aus heutiger
Sicht noch nicht sagen; ich habe dazu auch nichts angekündigt. All die Schlaumeier, die schon jetzt prognostizieren, dass sich bei den Renten bis zum Jahre 2016
nichts verändern wird, bewegen sich im Nebel. Das kann
man vermuten oder auch nicht. Letztlich hängt es davon
ab, wie sich die Löhne und Gehälter entwickeln und wie
viele zusätzliche Mittel den Sozialversicherungskassen
aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt zufließen.
Wenn man sich die Rentenversicherungssystematik
insgesamt anschaut, weiß man: Das Wichtigste, das man
tun kann, ist, für Bildung, Qualifizierung und Arbeit zu
sorgen. Dann wird die Entwicklung in den nächsten Jahren positiv sein. - Genauer kann man es nicht sagen. Im
Rentenversicherungsbericht wird ein ziemlich präzises
Bild für die nächsten zwei, drei Jahre vermittelt. Die spätere Entwicklung hängt davon ab, wie sich die Arbeitslosigkeit und die Löhne entwickeln werden.
Was wir für dieses Jahr unterstellt haben, ist bescheiden. Wir haben unterstellt, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 0,2 Prozent sinkt
und dass die Löhne um 0,7 Prozent steigen. Das ist deutlich zurückhaltender, als das in früheren Berichten der
Fall gewesen ist. Wenn Sie so wollen, sind wir an dieser
Stelle jetzt und auch für die kommenden Jahre ein wenig
auf Nummer sicher gegangen. Deshalb denke ich, dass
wir um die Jahrzehntwende auf jeden Fall auch im Rentenbereich wieder Steigerungen haben werden.
Herr Kollege Kolb, ich nehme Ihren Namen gerne
wieder auf die Liste. Nach unseren Regeln muss ich aber
in der Reihenfolge der Wortmeldungen vorgehen. Nächster ist der Kollege Meckelburg.
Herr Minister, ich habe eine Frage zur so genannten
Riester-Rente. Immer wieder gibt es den Hinweis, dass
dieses Instrument nur von den Besserverdienenden genutzt wird. Gibt es im Rentenbericht Hinweise darauf,
dass dies stimmt? Falls es stimmen sollte: Was muss
man tun, damit es vor allem von denen genutzt wird, die
diese Rente im Alter dringend brauchen?
Herr Kollege, es ist nicht so einseitig, wie es allgemein vermutet wird. Ich will es einmal so sagen: Die
Menschen in den unteren Einkommensgruppen, die oft
gebrochene Lebensarbeitsbiografien haben, bräuchten
dieses Instrument natürlich ganz besonders dringend. Insofern müssen wir an dieser Stelle dafür werben, dass
dies komplett wahrgenommen wird. Bis jetzt sparen
5,6 Millionen Menschen im Rahmen der Riester-Rente.
Vor einem Jahr waren es noch 1,5 Millionen. Bis zum
Jahre 2008 steigt die Zahl weiter an. Im Übrigen - ich
sage das noch einmal - wollen wir sie durch familienfreundliche Komponenten noch attraktiver machen.
Es muss in Deutschland selbstverständlich werden,
dass jemand in jungen Jahren anfängt, für seine eigene
Alterssicherung zu sparen. Das muss zu einem gewissen
System werden. In Baden-Württemberg und im Sauerland kennt man aus vergangenen Zeiten den Brauch,
dass man zur Erstkommunion, zur Konfirmation oder
spätestens zum Schulabschluss einen Bausparvertrag geschenkt bekam.
({0})
Das war ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich sollte es heute sein, wenn man in den Beruf einsteigt, einen Vertrag über eine zusätzliche Rente abzuschließen; das kann eine Riester-Rente oder eine
betriebliche Rente sein. Das muss zur Selbstverständlichkeit werden und darf keine Ausnahme bleiben.
Das ganze System wird nur tragen, wenn die gesetzliche Rente um den Teil des persönlichen Vorsparens ergänzt wird. Das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. Die jüngere Generation kann das nicht
alleine tragen. Ansonsten würde sie durch ihre eigene
Vorsorge und das, was sie für die aktuelle Rentnergeneration zu zahlen hat, zu stark belastet. Unter diesem GeBundesminister Franz Müntefering
sichtspunkt müssen wir für die zusätzliche Vorsorge
werben.
Kollege Straubinger.
Herr Minister, auch ich habe Fragen zur Riester-Förderung. Bis jetzt gibt es - Sie haben es gerade ausgeführt - 5,6 Millionen Verträge für die Riester-Rente.
Diese Zahl darf uns aber nicht beruhigen, weil auf diesem Gebiet 20 Millionen Verträge abgeschlossen werden
könnten. Die Möglichkeit einer Zusatzrente haben die
Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend in Anspruch
genommen. Besonders für die jüngere Generation - da
stimme ich Ihnen vollkommen zu - wäre es aber wichtig, zu Beginn des Berufslebens einen Vertrag für eine
Riester-Rente abzuschließen.
Besteht aber nicht möglicherweise gerade für die
ganz junge Generation ein Hemmnis, einen solchen Vertrag abzuschließen, weil die Familien- bzw. die Lebensplanung noch nicht abgeschlossen ist? Wäre es nicht
vielleicht vernünftig, die Regelungen zur Verwendungsart der Kapitalanlagen etwas zu lockern? Zurzeit besteht
die Vorschrift, dass das Geld nur beim Eintritt in die
Rente ab dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden kann.
Da das Wohnen in den eigenen vier Wänden ein wichtiger Gesichtspunkt ist, um im Alter mietfrei zu wohnen,
wäre es für junge oder ganz junge Familien möglicherweise sinnvoll, wenn die Verträge dahin gehend geöffnet
würden, das angesparte Kapital bei Erwerb einer Eigentumswohnung oder bei Errichtung eines Einfamilienhauses zum Einsatz bringen zu können. Müsste man nicht,
um im Alter mietfreies Wohnen zu gewährleisten, neue
Vertragsformen finden bzw. entsprechende Möglichkeiten gerade bei der Riester-Ansparung eröffnen?
Der Ausgangspunkt ist klar: Man weiß nicht, wie die
Lebens- und Arbeitsbiografie sein wird. Eines aber ist
ziemlich sicher: Älter wird man. Insofern lohnt es sich
für jeden, eine zusätzliche private Versicherung abzuschließen.
Wir in der Koalition haben uns außer dem Ansatz, die
Riester-Rente familienfreundlicher zu gestalten, vorgenommen, auch zu prüfen, wie man sie stärker mit einer
Förderung des selbst genutzten Wohneigentums bzw. des
Wohneigentums insgesamt verbinden kann. Das ist bereits im Rahmen der Beratung über diese Förderung geprüft worden. Das Ergebnis war ein Kompromiss. Danach kann man sich von dem, was man angespart hat,
eine gewisse Summe entleihen. Man kann einen günstigen Kredit aus dem Riester-Vertrag für die Schaffung
von Wohneigentum bekommen, muss das Geld aber wieder zurückzahlen. Man kann also 10 000 oder
20 000 Euro entleihen, wenn man das Geld wieder einzahlt. Dies ist schon heute möglich.
Über andere Möglichkeiten werden wir zu sprechen
haben. Die Bundesregierung macht sich Gedanken dazu.
Im Deutschen Bundestag werden wir im Verlauf dieses
oder des nächsten Jahres darüber zu entscheiden haben,
in welcher Weise wir diesem Gesichtspunkt, der Sinnhaftigkeit von selbst genutztem Wohneigentum fürs Alter, stärker Rechnung tragen können. Das kann eine wesentliche Hilfe sein.
Allerdings muss die Rente in ihrer Konzeption erhalten bleiben. Das heißt: Was angespart wird und an Kapital vorhanden ist, muss für die Rente zur Verfügung stehen, damit diese anschließend ausgezahlt werden kann.
Im Unterschied zu einer Versicherung, bei der das Kapital auf einen Schlag ausgezahlt wird, soll diese Rente unter dem Gesichtspunkt des Risikostrukturausgleichs
demjenigen, der sehr alt wird, genauso seine Rente sichern wie demjenigen, der nicht so alt wird. Das ist das
Typische einer Rente. Das lässt sich nicht ohne weiteres
mit dem Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung verbinden. Dabei stellen sich einige Fragen: Kann man das
Objekt verkaufen? Wird es vererbt? Wem genau gehört
es? Wie kann man es für den Fortbestand der Rente sichern? - Diese Fragen sind kompliziert. Grundsätzlich
ist die Frage, was man zur Förderung von selbst genutztem Wohneigentum als Alterssicherung tun kann, richtig. Damit werden wir uns in diesem und im nächsten
Jahr beschäftigen.
Frau Schewe-Gerigk.
Herr Minister, Sie haben die Rente mit 67 Jahren angesprochen. Diejenigen, die 45 Jahre durchgehend erwerbstätig waren, sollen ohne Abschläge schon früher in
Rente gehen können. Wie sieht es allerdings mit denjenigen aus, die in den so genannten belasteten Berufen tätig
sind? Wir haben seinerzeit darüber diskutiert, ob bestimmte Berufe ausgenommen werden sollen. Das wäre
mit einem Kostenaufwand verbunden. Im Rentenversicherungsbericht habe ich dazu nichts gefunden. Kann
ich daraus schließen, dass Sie die Debatte über Ausnahmeregelungen für Berufe, die mit bestimmten Belastungen verbunden sind, nicht weiterführen werden? Werden
Sie die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder einführen?
Welche Position vertreten Sie in diesen Fragen?
Ich sage es noch einmal: Hier handelt es sich um einen Bericht und nicht um einen Gesetzentwurf. Ich habe
aber nicht vor, die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder zu
beleben. Wir haben heute in Deutschland eine Erwerbsminderungsrente. In der Diskussion über die Erhöhung
des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 muss in der Tat
auch über Rolle und Funktion der Erwerbsminderungsrente gesprochen werden. Ich halte es aber für nicht
möglich, ganze Berufsgruppen oder -sparten von der Gesamtregelung auszunehmen.
Die 45 Versicherungsjahre sind eine Konzession an
die Tatsache, dass es - das gilt auch für die nächsten
20 Jahre - sehr ungleiche Lebens- und Arbeitsbiografien
gibt. Manche Erwerbstätige, die sich dem Rentenalter
nähern, sind schon mit 14 oder 15 Jahren ins Berufsleben eingetreten. Heute erfolgt der Eintritt ins Berufsleben im Durchschnitt mit 21 Jahren. Diejenigen, die zwischen dem 17. und 21. Lebensjahr ins Erwerbsleben
eintreten - die Ausbildungszeit zählt dabei mit -, haben
mit 65 Jahren 45 Versicherungsjahre erreicht. Die Regelung, wonach man nach 45 Versicherungsjahren in Rente
gehen kann - das gilt auch für Berufe, die mit körperlichen Belastungen verbunden sind -, soll beibehalten
werden. Das ist nicht unumstritten. Der Sozialbeirat hat
bezweifelt, ob das sinnvoll ist. Ich glaube aber, dass
diese Begünstigung vorläufig noch notwendig ist. 65-Jährige, die auf 45 Versicherungsjahre kommen, sollen eine
Rente ohne Abschlag bekommen.
Insgesamt verschieben wir den Korridor des Renteneintrittsalters. In den vergangenen Jahren reichte er von
60 bis 65 Jahre. In den letzten Jahren sind nur
33,5 Prozent der Männer mit 65 Jahren in Rente gegangen; bei vielen war das schon sehr viel früher der Fall.
Wir werden diesen Korridor bis zum Jahr 2029 auf
63 bis 67 Jahre verschieben.
Es ist klar, dass jemand, der einer besonderen Belastung ausgesetzt oder behindert ist, schon vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter seine Invalidität oder Teilinvalidität anerkennen lassen kann. Das ist aber bereits
möglich. Sehr viele gehen schon früher in den Ruhestand; nicht wenige machen dabei Erwerbsminderung
geltend. Das bleibt auch so. Hier ist aber eine Einzelfallprüfung notwendig. Es kann keine pauschale Regelung
für bestimmte Berufsgruppen gelten.
Frau Connemann.
Herr Minister, Sie haben deutlich gemacht, dass eine
Altersvorsorge, die auf verschiedenen Standbeinen beruht, selbstverständlich werden muss. Sie haben insbesondere das Erfordernis der privaten Altersvorsorge
angesprochen. Dazu gehört auch die betriebliche Altersvorsorge. Können Sie Angaben dazu machen, wie viele
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurzeit Anspruch
auf eine betriebliche Altersvorsorge haben, wie sie sich
in den letzten Jahren entwickelt hat und welche Entwicklung die Bundesregierung für die kommenden Jahre erwartet?
Meines Wissens haben inzwischen 15,7 Millionen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf
eine betriebliche Altersvorsorge. Wenn man den öffentlichen Dienst einbezieht, sind es etwa 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Es hat in den
letzten Jahren eine ziemlich rasante Entwicklung gegeben, die sich auch in den Tarifverhandlungen niedergeschlagen hat. Dass wir auf diese Entwicklung bereits
jetzt - rechtzeitig vor dem Jahre 2012 - eingehen, ist
eine Einladung für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in
den Tarifverträgen die Gesamtzusammenhänge zu berücksichtigen.
In den letzen vier bis fünf Jahren ist in der betrieblichen Altersvorsorge ein Zuwachs in einer Größenordnung von 4 bis 6 Prozent zu verzeichnen gewesen.
Kollege Kolb.
Herr Minister, Sie haben in Ihrer Antwort auf meine
erste Frage ausgeführt, dass Sie für das Jahr 2006 relativ
zurückhaltend in der Ansetzung der Werte waren. Was
den Prognosezeitraum anbelangt, geben Sie diese Zurückhaltung jetzt erstaunlicherweise auf. Sie haben beispielsweise die Lohnentwicklung bis 2019 mit durchschnittlich 2,5 Prozent angesetzt. Vor dem Hintergrund,
dass die Lohnentwicklung in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich 1 Prozent - in den letzten fünf Jahren waren es sogar nur 0,8 Prozent - betragen hat, ist das
bemerkenswert. Sie gehen von einem Beschäftigungswachstum von 0,6 Prozent pro Jahr bis 2019 aus. Das ist
insofern interessant, als die Beschäftigung in den letzten
fünf Jahren im Schnitt um 1,5 Prozent pro Jahr zurückgegangen ist. Sie unterstellen des Weiteren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent pro
Jahr. In den letzten vier Jahren lag es im Schnitt bei gerade einmal 1,25 Prozent. Was berechtigt Sie zu diesen
optimistischen Annahmen, insbesondere bei den Lohnsteigerungen? Besteht nicht die Gefahr, dass den Menschen ein falsches Signal gesendet wird? Sie haben vorhin die so genannte Schrumpfrente der „Bild“-Zeitung
angesprochen und darauf hingewiesen, dass die Renten
nicht so stark gestiegen seien, weil die Einkommen nicht
so stark gestiegen seien.
Haben Sie „Schrumpfzeitung“ gesagt?
({0})
Nein. Ich hatte die so genannte Schrumpfrente der
„Bild“-Zeitung angesprochen. Es ist aber gut, dass Sie
darauf hinweisen.
Meine Frage lautet: Besteht nicht die Gefahr, dass wir
erneut ein falsches Signal geben, wenn wir den Menschen nun Rentensteigerungen voraussagen, ihre Erwartungen aber enttäuschen müssen, weil die Realität 15 bis
20 Prozent hinter den Prognosen zurückgeblieben ist, da
die Löhne im Schnitt nicht um 2,5 Prozent gestiegen
sind?
Man kann, wenn man nach vorne blickt, zuversichtlicher oder weniger zuversichtlich sein. Wir haben jedenfalls den Wert für die mittelfristige Lohnentwicklung
von 2 auf 1,5 Prozent und den Wert für die langfristige
Lohnentwicklung von 3 auf 2,5 Prozent gesenkt. Der Sozialbeirat hat das nicht infrage gestellt, sondern bestätigt,
dass das eine realistische Größenordnung ist.
Er hat sich allerdings skeptisch im Hinblick auf die
Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse geäußert. Er hat gefragt, ob wir
es schaffen, dass der Großteil der Arbeitsplätze durch
die Sozialversicherungspflicht erfasst wird, sodass in die
Sozialversicherungskassen entsprechend eingezahlt
wird. Das führt letztlich zu der Frage, in welchem Maße
die Renten durch eingezahlte Beiträge oder durch Steuermittel finanziert werden müssen. Darüber müssen wir
diskutieren. Das ist sicherlich sehr kompliziert. Aber
diese Frage wird man beantworten müssen.
Im Übrigen nehme ich an, dass Sie und Ihre Fraktion
vielen in diesem Land Mut machen werden, dass es anständige Lohnerhöhungen gibt. Dann lösen sich die Probleme und Ihre Frage in Luft auf. Ich finde jedenfalls,
dass die Lohnentwicklung in unserem Land eine positive
Tendenz aufweisen sollte. Ich möchte mich zwar nicht
konkret einmischen. Aber letztlich wird der Wohlstand
Deutschlands davon abhängen, ob es ein Hochleistungsland und ein Hochlohnland bleibt. Das Ganze macht
deutlich, dass eine Niedriglohnstrategie in die falsche
Richtung läuft, auch was unsere Sozialsysteme angeht.
Ich habe mir die Wortmeldungen der Kollegen
Schaaf, Rohde und Koppelin sowie von Frau ScheweGerigk notiert. Ich hoffe, dass ich niemanden übersehen
habe. Damit möchte ich mit Blick auf die für die Regierungsbefragung vorgesehene Zeit die Rednerliste gerne
schließen. - Es besteht offenbar Einvernehmen.
Herr Kollege Schaaf.
Herr Minister, im Zusammenhang mit der Anhebung
des Renteneintrittsalters auf 67 wird oft darauf verwiesen - das hat auch Frau Kollegin Schewe-Gerigk gerade
getan -, dass nur in bestimmten Berufen die Möglichkeit
besteht, so lange zu arbeiten. Geben Sie mir Recht, dass
die Verantwortung dafür, dass ältere Arbeitnehmer einen
Arbeitsplatz und entsprechende Arbeitsbedingungen haben, die es ihnen ermöglichen, bis ins höhere Alter zu arbeiten, nicht ausschließlich bei der Politik, sondern auch
bei den Unternehmen liegt, und zwar nicht nur im Hinblick auf Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, sondern
auch im Hinblick auf Weiterbildung und Qualifizierung?
Geben Sie mir außerdem Recht, dass die Förderinstrumente, die wir in den letzten Jahren insbesondere für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen
haben, von den Unternehmen nur in sehr unzureichendem Maße wahrgenommen werden?
Das führt zu der Frage, welches die Gründe sind, warum die Menschen so früh aus dem Berufsleben ausscheiden. Liegt das an der unzureichenden Qualifizierung, an gesundheitlichen Handicaps, an Vorurteilen
oder an dem Versuch der Unternehmen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, Personalpolitik auf Kosten
Dritter, der sozialen Sicherungssysteme, zu betreiben?
Das alles spielt sicherlich eine Rolle.
Ganz sicher spielen aber die Fragen nach der Qualifizierung und nach der Gesundheit eine große Rolle. Der
Arbeitsschutz, also die Frage, wie Menschen in ihrem
Beruf älter werden, ist natürlich ein wichtiger Punkt. Die
Unternehmen sind gut beraten, die bedenken, dass sie
eine vernünftige Mischung aus alten und jungen Mitarbeitern gut gebrauchen können. Das heißt, die Betriebe
selber sollten ein Interesse daran haben, dass es auch alternsgerechte Arbeitsplätze gibt. Es muss auch eine Qualifizierungsmöglichkeit für die 40- bis 50-Jährigen geben, damit sie erst gar nicht ihre Arbeit verlieren. All das
wird dazugehören.
Ich bin mir bewusst, Herr Kollege, dass die Fragen,
die wir jetzt hier behandeln, nicht mit einigen Federstrichen beantwortet werden können. Es geht im Grunde um
die Frage, ob diese Gesellschaft es lernt, sich über die
Bedingungen und die Zukunftsfähigkeit einer älter werdenden Gesellschaft klar zu werden. Das ist unverzichtbar.
Ich will das noch einmal anhand von zwei oder drei
Zahlen skizzieren. Im Jahre 2050 werden in Deutschland
18 Prozent der Menschen älter als 80 Jahre sein. Heute
sind es 4 Prozent. 37 Prozent werden älter als 60 sein.
16 Prozent werden jünger als 20 sein. Alle, die jetzt
22 Jahre und jünger sind, werden dann noch im Berufsleben sein. Wenn wir jetzt nicht geeignete Maßnahmen
ergreifen, dann wird das Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme in der Zukunft haben. Wir müssen Schritt für Schritt das faktische
Renteneintrittsalter anheben und erreichen, dass die
Menschen im Alter von 50 oder 55 Jahren nicht mehr
diskriminiert werden, dass sie in Arbeit bleiben können
und dass sie qualifiziert werden, wenn es nötig ist. Das
muss der normale Weg sein. Wenn wir diesen Weg beschreiten, dann werden wir in den nächsten Jahren eine
positive Entwicklung haben.
Die Frage aber der alternsgerechten Arbeitsplätze
stellt sich ganz klar. Ich glaube, dass es eine Menge Arbeit gibt, gerade was den Dienst des Menschen am Menschen betrifft. Es gibt in Deutschland in diesem Bereich
genug Arbeit, die getan werden muss. Ich schließe auch
Überlegungen zur Errichtung von Beschäftigungsgesellschaften für Ältere nicht aus.
Herr Kollege Rohde.
Herr Minister Müntefering, ich frage nach, weil in Ihrem Bericht Überschüsse angekündigt werden: für das
Jahr 2010 4,4 Milliarden Euro und für die Jahre 2011
und 2012 sogar 6 Milliarden Euro. Wie kommen diese
Überschüsse zustande? Hängt das damit zusammen, dass
Sie ab 2011 die Beitragsbemessungsgrenze massiv erhöhen? Warum gehen Sie davon aus, dass ab 2011 die Beitragsbemessungsgrenze stärker angehoben wird als in
den Vorjahren?
Die Beitragsbemessungsgrenze steigt permanent
- das wissen Sie - nach dem bekannten Schlüssel. Wir
gehen davon aus, dass das bei der Lohnentwicklung und
der Prosperität, die wir unterstellen, auch im nächsten
Jahrzehnt so sein wird. Wir haben keine exorbitante Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze vorgesehen; sie
wird vielmehr gemäß der üblichen Verfahrensweise angehoben. Das soll auch nach dem Jahr 2010 so sein.
Kollege Koppelin.
Herr Minister, vor der Bundestagswahl haben sowohl
die SPD als auch Sie als Parteivorsitzender - ich finde,
völlig zu Recht - auf die negativen Folgen einer Mehrwertsteuererhöhung für die Rentner hingewiesen. Da Sie
nun im Amt sind und die Zahlen, die die SPD damals genannt hat, nun amtlich überprüfen können, können Sie
mir bestätigen, dass die damaligen Zahlen der SPD und
die Schlussfolgerung, dass die Mehrwertsteuererhöhung
negative Folgen für die Rentner habe, stimmen?
Das ist eine sehr gute, kluge Frage.
({0})
- Ich wollte eigentlich etwas anderes sagen, habe es
dann aber verschluckt. Sie wissen schon, was ich sagen
wollte.
Zur Demokratie gehört, verehrter Herr Kollege
Koppelin, dass man sich, wenn man Koalitionen eingeht,
auf eine gemeinsame Politik verständigt, die man dann
gemeinsam trägt. Das tue auch ich. Dazu stehe ich. Wir
haben in der Koalition darüber gesprochen, in welcher
Weise wir die Finanzierungsbedarfe von Bund, Ländern
und Gemeinden in den nächsten Jahren erfüllen können.
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dazu gehört,
einen Prozentpunkt der Mehrwertsteuer zur Reduzierung
des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung zu verwenden, und zwar von 6,5 Prozent auf 5,5 Prozent und im
Weiteren auf 4,5 Prozent. Mit einem Prozentpunkt wird
also unmittelbar zur Entlastung der Arbeitnehmer und
Arbeitgeber beigetragen.
Die anderen 2 Prozentpunkte werden für die Kassen
des Bundes, der Länder und der Kommunen gebraucht.
Natürlich werden alle in diesem Land, auch die Rentnerinnen und Rentner, die Ergebnisse einer solchen Veränderung an den Preisen registrieren. Inwieweit die höhere
Mehrwertsteuer auf die Preise abgewälzt werden kann,
wird sich erst im nächsten Jahr zeigen.
Ich weiß, die FDP ist die einzige Fraktion weit und
breit, die nach den Wahlen immer dasselbe sagt wie vor
den Wahlen.
({1})
Das hängt damit zusammen, dass Sie auf ganz lange Zeit
in der Opposition sein werden. Sie können nach der
Wahl immer dasselbe sagen wie vorher. Machen Sie sich
keine Sorgen!
Herr Minister, auch Regierungsparteien schadet es
nicht, wenn sie nach den Wahlen das Gleiche sagen wie
vor den Wahlen.
({0})
Es wäre aber schade, wenn wir in der Opposition wären. Wir wollen regieren.
Frau Schewe-Gerigk, bitte.
Herr Minister, in den letzten Jahren ging die Zunahme
der Beschäftigung mit einer Abnahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einher. Wie Sie
vorhin angesprochen haben, wird das auch im Koalitionsvertrag als Problem dargestellt. Im Rentenversicherungsbericht wird daraus überhaupt keine Schlussfolgerung gezogen. Im Gegenteil: Sie gehen davon aus, dass
die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im
nächsten Jahr zunehmen wird. Ich möchte gerne wissen,
welche Annahme dem zugrunde liegt.
Sie müssten einmal den Ifo-Geschäftsklimaindex, die
ZEW-Konjunkturerwartungen oder den KfW-Monitor in
Bezug auf die Auftragseingänge beim Mittelstand in der
letzten Woche lesen. Alle dort veröffentlichten Zahlen
machen deutlich, dass wir damit rechnen dürfen, dass
wir, gemessen an unseren bescheidenen Prognosen für
dieses Jahr, ganz ordentlich abschneiden. Das 25-Milliarden-Euro-Programm, das wir angeschoben haben
- ich weiß nicht, ob Sie es mit beschlossen haben -, wird
dazu beitragen, einige Dinge in Bewegung zu setzen,
zum Beispiel beim Handwerk oder beim Mittelstand. Es
bewegt sich also etwas.
Das wird zwar nicht sensationell sein und viel verändern - wir sind da ganz realistisch -, aber ich bin mir
sicher, dass wir alles dafür getan haben, dass sich der
Arbeitsmarkt sowie die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in diesem und im nächsten Jahr in gewissem Maße positiv entwickeln werden.
Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung sind bei mir nicht angemeldet. Damit sind wir am
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ende der Befragung der Bundesregierung. Herr Minister, ich bedanke mich.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
- Drucksache 16/796 Die Reihenfolge der aufzurufenden Geschäftsbereiche liegt Ihnen vor.
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Michael Müller zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Peter Hettlich auf:
In welcher Weise ist das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit bis zur Entscheidung des
Deutschen Bundestages über den Verbleib des im Bundesverkehrswegeplan festgesetzten naturschutzfachlichen Planungsauftrages in die Abarbeitung desselben eingebunden?
Lieber Kollege Hettlich, Sie haben sich in dieser
Frage schon mehrfach an die Bundesregierung gewandt.
Ich kann im Namen des BMU nur mitteilen, dass das
BMU in die Abarbeitung des naturschutzfachlichen Planungsauftrages bis zur Entscheidung des Deutschen
Bundestages voll eingebunden ist. Das heißt, dass wir
die Dossiers und auch die einzelnen Unterlagen vor der
Weiterleitung ans Parlament im vollen Umfang bekommen.
Zusatzfrage.
In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage. In der
letzten Sitzung des Verkehrsausschusses haben wir die
Abarbeitung von naturschutzfachlichen Planungsaufträgen im Rahmen des Fernstraßenausbaugesetzes 2004 behandelt. Seitdem haben wir keine weitere Vorlage mehr
bekommen. Ist Ihnen bekannt, wie hoch die Anzahl an
abgearbeiteten oder in Bearbeitung befindlichen Projekten ist? Wenn Sie es jetzt nicht ad hoc sagen können,
würde es mir reichen, wenn das Ministerium mir die
Antwort schriftlich zukommen lässt.
Ich habe diese Zahl zwar im Kopf, aber ich bin nicht
ganz sicher, ob sie richtig ist. Ich teile Ihnen das noch
mit.
Okay.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hettlich auf:
Bezieht sich der naturschutzfachliche Planungsauftrag und
seine Abarbeitung auf den gesamten Bau der Bundesautobahn
A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin oder auf einzelne
Abschnitte?
Ich beantworte diese Frage wie folgt: Der besondere
naturschutzfachliche Planungsauftrag wurde für den gesamten Bau der Bundesautobahn A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin vergeben. Bei länderübergreifenden
Großprojekten wie diesem Autobahnprojekt wird die
Umsetzung nach Bauabschnitten in eigener Verkehrswirksamkeit durchgeführt. Das heißt, es kann Sonderprüfungen zu einzelnen Fällen geben. Eine ist auch
schon erfolgt.
Zusatzfrage.
Wir haben der Presse entnommen, dass der Landesverkehrsminister Daehre in den nächsten Tagen oder
Wochen, vermutlich noch rechtzeitig vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, den ersten Spatenstich zu einem Brückenbau vornehmen will. Wissen Sie, ob die so
genannte Soda-Brücke in den Bereich der Abarbeitung
dieses naturschutzfachlichen Planungsauftrags fällt?
In unserem Haus ist bezüglich dieser Brücke bei
Colbitz eine Prüfung vorgenommen worden. Wir sind zu
dem Ergebnis gekommen, dass es bei diesem Einzelabschnitt keinen ökologischen Konflikt gibt. Daher vertreten wir die Auffassung, dass die Ortsumgehung so
schnell wie möglich geschaffen werden sollte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich möchte da noch einmal nachfragen. Soweit ich
weiß, muss eine Aufhebung des naturschutzfachlichen
Planungsauftrags durch das Parlament erfolgen. Ist es
nicht so, dass selbst über eine solche Sache wir entscheiden müssen?
Nach unserer Auffassung ist das nicht der Fall. Wenn
diese Abwägung erfolgt ist, kann man das auch so machen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum nächsten Geschäftsbereich, dem
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Cornelia Hirsch auf:
Plant die Bundesregierung noch in diesem Jahr eine Gesetzesnovelle zur Fortentwicklung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, BAföG, und, wenn ja, inwieweit?
Frau Abgeordnete Hirsch, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Die Bundesregierung hält sich an die Koalitionsvereinbarung, nach der das BAföG in seiner jetzigen Struktur zur Finanzierung des Lebensunterhalts
erhalten bleibt. Sie hat die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2006 vorgesehen. Für eine eigenständige Gesetzesnovelle noch in diesem Jahr zur Fortentwicklung des
BAföG wird derzeit keine Veranlassung gesehen.
Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung vor diesem Hintergrund genauer betrachtet, wann die letzte Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge beim Elterneinkommen erfolgt ist? Nach unseren Informationen war das 2001.
Wenn man das BAföG in der derzeitigen Form erhalten
will, muss man an dieser Stelle doch eine Anpassung
vornehmen, weil ansonsten weniger Studierende in den
Genuss der BAföG-Leistung kommen und ohne eine
Anpassung sozusagen ein Rückschritt stattfindet. Also
besteht aus unserer Sicht auf jeden Fall die Notwendigkeit, eine Anpassung vorzunehmen, wenn denn die Bundesregierung sich darauf verständigt hat, das BAföG in
der derzeitigen Form zu erhalten. Die Frage ist nun, inwieweit Sie diese Auffassung teilen.
Frau Kollegin Hirsch, ich teile diese Auffassung
nicht. Da zum Jahreswechsel der 17. Bericht nach § 35
des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vorgelegt
wird, der als eine Erkenntnisgrundlage zum Anpassungs- und Fortentwicklungsbedarf dienen soll, wäre es
sicherlich leichtfertig und töricht, wenn man bereits vor
der Vorlage dieses Berichts voreilig Schlussfolgerungen
bezüglich eines möglichen Anpassungsbedarfs ziehen
würde. Wir werden diesen Bericht also zunächst einmal
abwarten.
Weitere Zusatzfrage.
Sie haben den Bericht angesprochen. Die Berichte
werden im Zweijahresabstand vorgelegt. Schon im letzten Bericht wurde explizit gesagt, es müsse eine Anpassung stattfinden, und es wurde nur ergänzend hinzugefügt, das sei aktuell aufgrund der angespannten
Haushaltslage nicht möglich. Wenn nun aber die Bundesregierung entschieden hat, dass das BAföG in der aktuellen Form erhalten werden soll, müsste man jetzt gerade im Rahmen der Haushaltsverhandlungen eigentlich
eine Anpassung vornehmen. Inwieweit teilen Sie das?
Ich stimme Ihnen natürlich darin zu, dass man prinzipiell abwarten kann, bis der nächste Bericht vorliegt.
Aber wenn schon der letzte Bericht einen Anpassungsbedarf deutlich gemacht hat, dann sehe ich eine weitere
Wartezeit nicht mehr als notwendig an.
Frau Kollegin Hirsch, ich darf auf meine erste Antwort verweisen. Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Handlungsbedarf. Deshalb warten wir zunächst einmal den 17. Bericht ab.
Die Frage 4 der Kollegin Hirsch:
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Forderung nach
Einrichtung von mindestens 100 000 Ausbildungsplätzen in
staatlichen Berufsausbildungszentren, die gemeinsam von
Staat und Unternehmen finanziert werden sollen ({0})?
Frau Abgeordnete Hirsch, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Die Bundesregierung teilt diese Forderung
nicht. Sie hat im Jahr 2004 mit den Spitzenverbänden
der Wirtschaft den Ausbildungspakt für die Dauer von
zunächst drei Jahren abgeschlossen. Die Wirtschaft hat
darin zugesagt, jährlich 30 000 neue Ausbildungsplätze
sowie 25 000 Plätze für die so genannte Einstiegsqualifizierung bereitzustellen. Diese Zusagen wurden 2004 und
2005 deutlich übertroffen. Gleichwohl geht weiterhin
der Appell an die Betriebe und die Unternehmen, zusätzliche Anstrengungen zur Mobilisierung von Ausbildungsplätzen zu unternehmen. Die Bundesregierung
wird die Wirtschaft dabei durch verschiedene staatlich
finanzierte Programme, zum Beispiel das im Januar begonnene Strukturprogramm „Jobstarter“, flankierend unterstützen.
Ergänzend zum Ausbildungspakt hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung eine Strukturinitiative zur beruflichen Bildung angekündigt.
Im Übrigen wird die Bundesregierung die Entwicklung auf dem Ausbildungsstellenmarkt im Verlauf des
Jahres 2006 sorgfältig analysieren, um gegebenenfalls
weitere Schritte mit den Partnern in der beruflichen Bildung absprechen zu können.
Hintergrund der Forderung, die ja im Übrigen von
den Jusos geäußert wurde, war die Feststellung, dass
zurzeit eine immense Ausbildungsplatzlücke von mindestens 100 000 Plätzen besteht - darüber haben wir hier
im Plenum ja bereits diskutiert - und es schlichtweg
nicht zu schaffen sein wird, alle Jugendlichen, die auf
der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, noch in
diesem Sommer in einen betrieblichen Ausbildungsplatz
zu vermitteln. Da hier also ganz offensichtlich HandCornelia Hirsch
lungsbedarf besteht, war eine Initiative angemahnt worden. Mit Ihren Ausführungen haben Sie mir allerdings
keine Antwort auf die von mir geäußerte Sorge gegeben,
wo all diese Jugendlichen, zu denen noch die Altnachfragerinnen und -nachfrager, die auch auf der Suche
nach einem Ausbildungsplatz sind, hinzugezählt werden
müssen, unterkommen sollen, wenn es nicht zu einer
deutlich stärkeren Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze kommt, als sie im Ausbildungspakt vereinbart
wurde, da diese ja wohl angesichts einer Lücke von
100 000 Plätzen nicht ausreicht. Ich bitte Sie deshalb
noch einmal um eine konkretere Antwort.
Frau Abgeordnete, zunächst einmal ist Ihre Behauptung nicht zutreffend, dass es am Ende zu einer Ausbildungsplatzlücke in Höhe von 100 000 Plätzen kommen
wird. Die tatsächliche Differenz zwischen dem Angebot
und der Nachfrage an Ausbildungsplätzen betrug am
Ende unter Einbeziehung von zusätzlichen Maßnahmen,
wie beispielsweise der Verbesserung von Einstiegsqualifikationen, 11 500 Plätze. Das heißt, es gab 11 500 Jugendliche, die nicht versorgt waren. Ich stimme Ihrer
Beurteilung zu, dass das 11 500 zu viel sind. Die Bundesregierung strebt an, auch diese Lücke zu schließen.
Darauf zielt beispielsweise unser Maßnahmenpaket
„Jobstarter“ ab, aber auch eine Reihe von Maßnahmen,
die im Rahmen der in einigen Wochen beginnenden
Strukturinitiative vorgesehen sind. Dabei geht es zum einen darum, in solchen Betrieben, die bei Hilfestellung in
der Lage wären, auszubilden, zusätzliche Ausbildungsreserven zu mobilisieren, und zum Zweiten darum, in
den Regionen, in denen wir eine besonders hohe Arbeitslosigkeit haben, die Ausbildungsplatzsituation zu
verbessern. Zum Dritten zielen unsere Maßnahmen auch
auf Jugendliche mit besonderen Problemen ab.
Weitere Zusatzfrage?
Ja, ich habe noch eine Nachfrage. - Vor dem Hintergrund der geplanten Strukturinitiative, die Sie angesprochen haben, würde es mich interessieren, inwieweit die
Problematik von Frauen, die von der aktuellen Ausbildungsmisere besonders betroffen sind, da es für sie auf
jeden Fall schwieriger ist, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden, dabei eine Rolle spielen wird.
Auch diese Problematik wird bei der angekündigten
Strukturinitiative, die zum Ziel hat, strukturelle Defizite
auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu lokalisieren und
anschließend zu beseitigen, eine Rolle spielen.
Vielen Dank.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister
Gernot Erler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Dr. Norman Paech
auf:
Spricht aus Sicht der Bundesregierung etwas dagegen, im
Konflikt um das iranische Atomprogramm die von der International Crisis Group am 23. Februar 2006 vorgeschlagene
neue Option aufzugreifen, mit der die Europäische Union das
grundsätzlich im Atomwaffensperrvertrag garantierte Recht
des Iran auf Urananreicherung auf eigenem Territorium anerkennen würde und der Iran im Gegenzug eine mehrjährige
Aufschiebung seiner Urananreicherung, eine Begrenzung ihres Ausmaßes und ein striktes Inspektionsregime akzeptieren
würde ({0}), und, wenn ja, was?
Herr Kollege Dr. Paech, die Bundesregierung hat den
Vorschlag der International Crisis Group mit Interesse
zur Kenntnis genommen. Der Vorschlag der ICG geht
davon aus, dass die von der internationalen Gemeinschaft in der IAEO-Resolution vom 4. Februar 2006 erhobenen Forderungen an den Iran, die der Wiederherstellung des Vertrauens in die friedlichen Absichten des
iranischen Nuklearprogramms dienen, nicht durchsetzbar seien. Diese nicht bewiesene Prämisse wird von der
Bundesregierung nicht geteilt. Die Durchsetzung dieser
Forderungen ist ja gerade das erklärte Ziel der laufenden
diplomatischen Bemühungen. Diese Forderungen, insbesondere die Forderung nach Wiederherstellung der vollständigen Suspendierung bestimmter nuklearer Aktivitäten im Iran einschließlich anreicherungsbezogener
Forschung und Entwicklung, gründen im mangelnden
Vertrauen der internationalen Gemeinschaft in Umfang
und Ziele des iranischen Nuklearprogramms.
Der Bericht des IAEO-Generaldirektors vom
27. Februar stellt erneut fest, dass die IAEO auch nach
drei Jahren intensiver Bemühungen nicht in der Lage ist,
den ausschließlich friedlichen Charakter des iranischen
Nuklearprogramms abschließend zu bestätigen. Mit
Blick auf die Wichtigkeit einer Stärkung der IAEO - dieses Interesse ist unabhängig vom Fall Iran - wäre es deshalb ein falsches Signal, die IAEO-Forderungen infrage
zu stellen, zumal die Bemühungen um eine Lösung des
Nuklearstreits mit dem Iran im Rahmen dieser IAEOForderungen weiterhin im Gange sind.
Zusatzfrage?
Herr Kollege Erler, da Sie so umfassend die IAEO
und ihren Chef, al-Baradei, zitieren, auch von mir ein Zitat von ihm, und zwar von gestern. Es wird Ihnen bekannt sein. Da sagt er:
Jede Art von Moratorium von mehr als zwei Jahren
und die Aussetzung der nuklearen Forschung werden es schwierig machen, eine Einigung zu erzielen. Die Lösung zur Gesichtswahrung besteht darin,
Uran nur im begrenzten Maße anzureichern …
während dieser zwei Jahre.
Das ist ziemlich deckungsgleich mit dem ICG-Vorschlag. Sie wissen, dass in der ICG Ihre Fraktionskollegin
Uta Zapf und der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Friedbert Pflüger sitzen. Vor dem Hintergrund,
dass die beiden Vorschläge ähnlich sind, meine Frage:
Wenn ICG und letztlich auch al-Baradei der gleichen
Ansicht sind, warum kann dann die Bundesregierung
sich nicht ebenfalls diesen Vorschlägen anschließen?
Herr Kollege Dr. Paech, ich weiß nicht, ob Sie mit
dem Vorschlag der ICG ganz vertraut sind. Wenn Sie
sich einmal das Phasenmodell anschauen, das die ICG
vorgeschlagen hat, dann stellen Sie fest, dass der Iran in
der ersten Phase verpflichtet wäre, für zwei bis drei
Jahre alle Anreicherungs- und anreicherungsbezogenen
Aktivitäten bis zur vollständigen Klärung der Verdächte,
die auf der Handlungsweise des Iran beruhen, einzustellen. Für diese Jahre müsste das umfassende Safeguards
Agreement mit den intrusiven Beobachtungen akzeptiert
werden. Außerdem müsste der Iran so lange seine
Schwerwasseraktivitäten einstellen und das Zusatzprotokoll vom Atomwaffensperrvertrag ratifizieren.
Der Ansatz für die erste Phase unterscheidet sich in
der Tat nicht wesentlich von dem Ansatz der E3/EU, die
genau das Gleiche fordern, aber nicht diese zeitliche Begrenzung vorgesehen haben. Für uns ist völlig klar, dass
der Iran das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomenergie hat. Das wird nicht bestritten. Aber es muss Gelegenheit gegeben werden, die Verdächte, die er selber
durch ein 18 Jahre langes Missachten der SafeguardsVorschriften ausgelöst hat, definitiv auszuräumen. Das
heißt, es handelt sich - auch nach unserer Auffassung um eine zeitlich begrenzte vertrauensbildende Maßnahme. Wir sind allerdings nicht in der Lage, zu sagen,
wie lange die IAEO braucht, um dieses Vertrauen wieder
herzustellen; das muss die IAEO sagen.
Ich hätte noch eine zweite Frage.
Bitte schön.
Das ist natürlich richtig. Aber die Lage hat sich doch
gerade in den letzten Wochen außerordentlich stark verändert. Auf der einen Seite hat der Iran jetzt zugesagt,
zwei Jahre auf die Urananreicherung zu verzichten. Er
will lediglich unter strengen IAEO-Kontrollen ein minimales Forschungsprogramm durchführen. Auf der anderen Seite darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass
die USA jetzt einen Atomdeal mit Indien machen und insofern einen Doppelstandard anwenden: Ein Land, welches sich nicht im Rahmen der IAEO eine Nuklearmacht
zugelegt hat, wird sozusagen hofiert und mit zivilen
Nuklearpotenzialen ausgerüstet. Einem Land hingegen,
welches im IAEO-Rahmen arbeitet und ein Recht auf
Urananreicherung hat, wird das verwehrt.
Dazu habe ich folgende Frage. Ich habe in der Zeitung die Meldung gelesen, dass Deutschland die Unterstützung dieses Vorschlags vorsichtig signalisiert habe.
Könnte meine Vermutung richtig sein, dass Sie ihm zwar
etwas abgewinnen können und mit Blick auf die veränderte weltpolitische Lage durchaus zustimmen können,
das aber vielleicht nicht wagen angesichts der Partner
um Sie herum wie die USA, die in der Tat eine eigene
Agenda haben, und vielleicht auch Frankreich und England?
Herr Kollege Paech, die Bundesregierung ist fast unbegrenzt mutig; an einem Mangel an Mut liegt es nicht.
Aber die Klugheit gebietet im Augenblick etwas anderes. Wenn wir Erfolg haben wollen, nachdem die Spanne
von vier Wochen zwischen der ersten Beratung des Gouverneursrats der IAEO am 4. Februar und der gerade laufenden Beratung vom Iran leider wieder nicht genutzt
worden ist, einen der vielfältigen Kompromissvorschläge, die gemacht worden sind - ich habe hier vor allen Dingen den russischen Kompromissvorschlag im
Auge, der darauf hinausläuft, die Anreicherungsaktivitäten unter internationaler Kontrolle außerhalb in einem
Joint Venture mit Russland zu machen -, anzunehmen,
dann ist das Wichtigste, dass die internationale Staatengemeinschaft in dieser Frage zusammenbleibt. Anders
ist eine Wirkung offenbar nicht zu erzielen.
Es wäre also nicht ein Mangel an Mut, sondern ein
Mangel an Klugheit, wenn Deutschland jetzt von dieser
gemeinsamen Haltung, die nach wie vor besteht, abrücken würde. Auch Russland und China haben den Iran
immer wieder darauf hingewiesen, dass er mit der IAEO
zusammenarbeiten sollte. Aus dieser Front werden wir
auf keinen Fall ausscheren.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dr. Paech auf:
Spricht nach Ansicht der Bundesregierung etwas dagegen,
sich bei den Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen dafür einzusetzen, dass der Sicherheitsrat eine umfassende Friedenskonferenz für den Nahen und Mittleren Osten
auf der Grundlage der vorbehaltlosen Anerkennung des Existenzrechts aller Staaten der Region und des vorbehaltlosen
Gewaltverzichts gegenüber allen Staaten der Region so bald
wie möglich einberuft, und, wenn ja, was?
Herr Kollege Dr. Paech, die so genannte Roadmap
des Nahostquartetts vom 20. Dezember 2002 - vereinbart zwischen den Vereinten Nationen, der Europäischen
Union, den USA und Russland - ist der von beiden Konfliktparteien anerkannte Friedensplan für den Nahen Osten, der die Zwei-Staaten-Lösung zum Ziel hat. Er ist
vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolution 1515 vom 19. November 2003 indossiert worden.
Im Rahmen dieses Fahrplans ist vorgesehen, dass das
Quartett in Beratung mit beiden Konfliktparteien eine
umfassende internationale Konferenz einberufen wird.
Die Voraussetzungen zur Einberufung einer solchen
Konferenz sind nach Ansicht aller Beteiligten allerdings
bisher nicht erfüllt.
Der Sieg der Hamas, einer von der EU als Terrororganisation eingestuften Bewegung, bei den Wahlen zum
palästinensischen Legislativrat hat darüber hinaus eine
neue Situation geschaffen. Das Nahostquartett sowie die
Außenminister der Europäischen Union haben bei ihrer
Tagung am 30./31. Januar 2006 hervorgehoben, dass Gewalt und Terror nicht mit einem demokratischen Prozess
vereinbar sind, und haben Hamas sowie alle anderen
Gruppierungen eindringlich dazu aufgerufen, der Gewalt
abzuschwören, bestehende Verträge sowie Resolutionen
und das Existenzrecht Israels anzuerkennen.
Ähnliche Forderungen gelten natürlich auch für Israel. Das heißt, auch Israel muss seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Palästinensern
nachkommen. Dazu gehören Einhaltung der Verträge
wie der Roadmap und Rückbau der Siedlungen.
Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, warum
angesichts der Neuwahlen in Israel und der Wahlen in
Palästina die jetzige Situation nicht geeignet sein soll, einen Prozess einzuleiten, der die ganze Region umfasst.
Sie wissen selber, dass Ihre Partei seinerzeit um die Einleitung des KSZE-Prozesses sehr gekämpft hat. Der
Friedensprozess ist ein sehr umfangreicher und langfristiger Prozess. Ich kann mir in dieser Umbruchsituation
keinen hinsichtlich der Stabilität der Region geeigneteren Zeitpunkt für die Einberufung dieser Konferenz vorstellen.
Herr Kollege Paech, unserer Überzeugung nach ist
die Roadmap, dieser Nahostfriedensplan, der so umfassend legitimiert ist - durch die EU, durch die Vereinten
Nationen, durch die Vereinigten Staaten und durch Russland -, tatsächlich ohne Alternative. Wenn Sie sich den
Text der Roadmap anschauen, dann können Sie sehen,
dass dort ganz bewusst ein Ablauf in Phasen vorgesehen
ist.
In der Phase 1 - das haben Sie völlig zu Recht gesagt - werden Forderungen an beide Parteien erhoben:
einerseits Forderungen an die palästinensische Seite, der
Gewalt völlig abzuschwören, Gewalttäter, die Anschläge
auf Israelis planen, festzunehmen und die entsprechenden Strukturen zu zerschlagen sowie das Existenzrecht
Israels anzuerkennen, und andererseits Forderungen an
Israel, auf Siedlungstätigkeiten jeglicher Art zu verzichten und sich auf den Status vom 28. September 2000 zurückzuziehen. Das waren Forderungen der Roadmap. Es
hat intensive Versuche gegeben - auch von palästinensischer Seite -, bei der Umsetzung dieser Forderungen der
Phase 1 weiterzukommen. Aber die von Ihnen angesprochene Konferenz sollte erst in der Phase 2 stattfinden.
Wir haben jetzt einen Rückschlag erlitten. Das Problem ist, dass beide Seiten die Voraussetzungen der
Phase 1 nicht erfüllt haben. Es hat zwar sehr viele Bemühungen auf palästinensischer Seite gegeben. Aber die
Tatsache, dass die Hamas, die sich bis jetzt weigert, das
Existenzrechts Israels anzuerkennen, der Gewalt abzuschwören und alle Milizen zu entwaffnen, an der Regierung ist, ist ein Rückschritt hinsichtlich der Erfüllung der
Forderungen der Phase 1. Leider hat sich, wie wir wissen, die israelische Politik bisher nicht dazu durchringen
können, die Forderung nach völliger Einstellung des
Siedlungsbaus zu erfüllen.
Insofern ist es in der Logik des Nahostfriedensplans,
also der Roadmap, zu sagen: Diese Voraussetzungen
müssen erst einmal gegeben sein, damit die geplante internationale Konferenz, die Teil der Phase 2 ist und die
- das wissen auch Sie, Herr Kollege Paech - den Sinn
hat, die Staatsbildung der Palästinenser zu fördern, stattfinden kann. Sie wissen, dass die Roadmap eine zweite
internationale Konferenz in der Phase 3 vorsieht. Wir
haben keine Veranlassung, von der Roadmap abzugehen.
Sie sehen aber, dass dieser mühsame Weg über die
Roadmap immer wieder unterbrochen wird, dass sich Israel durch weitere Siedlungstätigkeiten schon zum Teil
davon entfernt hat und dass die Hamas diesen Weg jetzt
ebenfalls infrage stellt. Was Sie als Rückschritt bezeichnen, kann, dialektisch betrachtet, natürlich auch ein Fortschritt sein. Das heißt, jetzt ist mehr Klarheit da. Jetzt
sind sozusagen Positionen definiert, die zu mehr Klarheit führen.
Könnte man nicht aus diesem Grunde überlegen, den
rein israelisch-palästinensischen Friedensprozess auf
den der gesamten Region zu erweitern? Sie kennen unseren Vorschlag der Einberufung einer Sicherheits- und
Friedenskonferenz des gesamten Nahen und Mittleren
Ostens, auf der man die Frage des Iran und natürlich
auch die des Irak, also die Frage eines Abzugs der Truppen, zum Thema machen könnte. Das ist ein Komplex an
Problemen, die offensichtlich nicht für sich lösbar sind.
Wäre es, wenn Sie sich schon mit der Frage des iranischen Atomprogrammes an den Sicherheitsrat wenden,
nicht möglich, dies mit einem Antrag an den Sicherheitsrat zu verbinden, dass er eine Konferenz einberuft, die
die Friedens- und Sicherheitsproblematik derart weitgehend umfasst? Ich bin der Überzeugung, dass sich kein
Staat dem Aufruf zu einer solchen Konferenz durch den
Sicherheitsrat entziehen könnte. Wäre das nicht eventuell eine Perspektive, um aus dem Dilemma des ewigen
Hin und Her im Rahmen der Roadmap herauszukommen?
Herr Kollege Dr. Paech, ich glaube, dass sich an der
Sinnhaftigkeit der Festlegungen der Roadmap bis heute
nichts geändert hat. Dazu, dass die Hamas in die Regierungsverantwortung der palästinensischen Autonomiebehörde gewählt worden ist, hat die israelische Seite gesagt: Wir werden zu dieser Organisation, die wir als eine
Terrororganisation bezeichnen, keinen Kontakt herstellen. Das ist nicht gerade ein Anlass dafür, zu sagen: Wir
werden jetzt versuchen, abseits des Fahrplans der
Roadmap eine internationale Konferenz anzustreben.
Wie soll das denn funktionieren, wenn im Hinblick auf
die Gesprächsfähigkeit der Beteiligten ein solcher Rückschritt entstanden ist?
Es zeigt sich, dass das, was in der Roadmap festgeschrieben worden ist, doch eine tiefere Ratio hat: In der
Phase 1 gilt es eben erst einmal bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen, bevor eine Konferenz, die einen
Zusammenhang mit der Staatsbildung und der ZweiStaaten-Strategie haben sollte, sinnvoll und vielleicht
auch erfolgreich sein kann. Insofern glaube ich nicht,
dass die Bundesregierung Ihrem Gedanken näher treten
wird, ausgerechnet jetzt eine solche Konferenz zu beantragen.
Vielen Dank.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf, da die Fragen 7 und 8 der Kollegin Pau zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und die Fragen 9 und 10 der Kollegin
Schewe-Gerigk zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz schriftlich beantwortet werden sollen.
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Lutz Heilmann
auf:
Welche Vereinbarungen finanzieller Art und bezüglich des
Zeitplans für eine Entscheidungsfindung hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, in seinem Gespräch
am 9. Februar 2006 mit dem Ministerpräsidenten SchleswigHolsteins, Peter Harry Carstensen, zum Bau einer festen Fehmarnbeltquerung getroffen?
Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller erschienen.
Herr Kollege Heilmann, in dem von Ihnen angesprochenen Gespräch hat es seitens des Ministers Steinbrück
keinerlei finanzielle Zusicherungen und Abmachungen
bezüglich des Zeitplans gegeben.
Ich möchte noch zwei Nachfragen stellen. Meine
erste Frage: Wie ist die Haltung der Bundesregierung generell zu der von der dänischen Seite gewünschten
Staatsgarantie im Hinblick auf eine feste Fehmarnbeltquerung?
Herr Kollege Heilmann, wir sind uns mit dem fachlich zuständigen Ressort darin einig, dass wir diesen
Aspekt sehr sorgfältig zu prüfen haben.
Was verstehen Sie denn unter einer „sorgfältigen Prüfung“?
Da wird zunächst einmal untersucht, ob es sich bei
dieser Staatsgarantie um einen EU-rechtlichen Beihilfefall handelt, ja oder nein. Gegen das, was Dänemark bisher praktiziert hat, ist kein beihilferechtlicher Einwand
der EU-Kommission geltend gemacht worden. Es wird
ferner darum gehen, ob in eine Staatsgarantie über ein
PPP-Modell private Investoren eingebunden werden
können und sollten. All dies ist noch völlig offen.
Weitere Nachfragen liegen nicht vor. Vielen Dank.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Der Kollege
Parlamentarischer Staatssekretär Hartmut Schauerte steht
für die Beantwortung derjenigen Fragen zur Verfügung,
die nicht schriftlich beantwortet werden sollen.
Zunächst rufe ich Frage 12 der Kollegin Veronika
Bellmann auf:
Welche Position vertritt die Bundesregierung in den derzeit laufenden Verhandlungen zu den neuen Förderbedingungen für die Strukturfonds der Europäischen Union im Zeitraum 2007 bis 2013 hinsichtlich der Vermeidung von
subventionierten Betriebsverlagerungen innerhalb der Europäischen Union?
Sehr geehrte Frau Kollegin Bellmann, die Bundesregierung setzt sich dafür ein, die Regelungen für die
Großprojektförderung zu verschärfen. An der Förderentscheidung sollen betroffene Mitgliedstaaten zukünftig
beteiligt werden, wenn die Verlagerung zu einem erheblichen Arbeitsplatzverlust in einer anderen Region der
Gemeinschaft führt. Der Schwellenwert für Großprojekte von derzeit 50 Millionen Euro soll auf 25 Millionen Euro gesenkt werden.
Meine erste Nachfrage dazu: Haben Sie schon zeitliche Befristungen ins Auge gefasst? Es war ja einmal
eine Frist von fünf oder sieben Jahren im Gespräch. Wie
sieht das jetzt aus?
Nein, da hat es noch keine Festlegungen gegeben. Die
Absenkung muss ja mit den Partnerländern in der EU abgestimmt werden; das wird nicht ganz einfach sein. Deswegen sind Vorabfestlegungen nicht sehr hilfreich.
Zweite Nachfrage: Gibt es die Absicht, die Förderung
künftig an einen Mindeststeuersatz bei den Unternehmensteuern in den einzelnen Mitgliedstaaten zu knüpfen?
Sie wissen, dass wir eine Steuerdifferenzierung nach
wie vor für richtig halten und der Ansicht sind, dass die
Steuerharmonisierung nicht zu weit getrieben werden
darf. Da ja in dieser Frage das Einstimmigkeitsprinzip
gilt, müssen einer solchen Regelung zudem alle 25 Mitgliedsländer zustimmen. Wir suchen nach Wegen, mit
denen es möglich ist, ein zu starkes Gefälle bei der Förderung zu vermeiden. Ob das über durchschnittliche
Steuersätze oder etwa Steuervermeidungspotenziale geschehen soll, das ist noch nicht spruchreif.
Die Fragen 13 der Kollegin Koczy, 14 und 15 der
Kollegin Höfken sowie 16 und 17 des Kollegen Loske
werden schriftlich beantwortet.
Somit rufe ich jetzt die Frage 18 der Kollegin Bärbel
Höhn auf:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Einführung einer Verbandsklage für Verbraucherverbände im
Energiewirtschaftsgesetz ein effektives und unbürokratisches
Mittel zur Stärkung der Verbraucherinteressen ist?
Frau Kollegin Höhn, durch das am 13. Juli 2005 in
Kraft getretene neue Energiewirtschaftsgesetz ist eine
umfassende Regulierung des Netzbetriebs durch die neu
errichteten Regulierungsbehörden des Bundes und der
Länder eingeführt worden. Den Verbraucherverbänden
sind im Rahmen dieser Regulierung umfangreiche Beschwerde- und Beteiligungsrechte im Zusammenhang
mit dem Verfahren der Regulierungsbehörden eingeräumt. Die Verbraucherrechte werden in diesem regulierungsbehördlichen Verfahren gewahrt. Bevor über weitere Gesetzesänderungen diskutiert wird, müssen diese
Möglichkeiten, die jetzt auch für Verbraucherorganisationen bestehen, die Chance erhalten, sich in der Praxis
zu bewähren.
Ich weise darauf hin, dass dieses Gesetz ja auch von
Ihrer Fraktion mit verabschiedet worden ist. Sie waren
damals noch in Düsseldorf. Möglicherweise haben Sie
deswegen nicht die gleiche Liebe zu dem, was von Ihrer
Partei noch vor kurzem als Regierungspartei verabschiedet worden ist.
Frau Höhn, jetzt können Sie das mit Ihrer Liebe richtig stellen.
Ja, genau. Wie hieß das? - Ich liebe nur meinen
Mann.
Nein, Herr Schauerte, wir haben heute ja eine andere
Situation. Wir wissen, dass die Strompreise extrem steigen; wir wissen aber auch, dass daran die Netzdurchleitungsgebühren einen enormen Anteil haben. Ferner wissen wir, dass immer mehr Verbraucherinnen und
Verbraucher gegen steigende Strom-, aber auch Gaspreise protestieren, indem sie vor Gericht ziehen.
500 000 Menschen in Deutschland klagen mittlerweile
gegen zu hohe Strom- bzw. Gaspreise. So flexibel muss
auch eine große Koalition sein, dass sie auf Veränderungen reagiert. Deshalb meine Frage: Teilen Sie nicht die
Auffassung, dass man in diesem Bereich mehr Verbraucherrechte einführen kann? Denn diese extremen Preise,
die die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen müssen, sind unverantwortlich. Und: Wäre eine Verbandsklage nicht das angemessene Instrument? Im Moment ist
es ja so, dass diese 500 000 Menschen jeweils Einzelklagen anstrengen müssen.
Ich habe die Meinung der Bundesregierung klar formuliert. Was Sie jetzt ansprechen, ist keine neue Frage;
vielmehr ist sie ja auch schon in Ihrer schriftlichen Frage
zum Ausdruck gebracht worden. Wir bleiben dabei, dass
wir die Erfahrungen, die wir mit den beschlossenen Gesetzen machen, abwarten und evaluieren wollen, um danach darüber zu entscheiden, ob man weitere Maßnahmen treffen muss.
Ich möchte Ihnen meine zweite Zusatzfrage stellen,
Herr Schauerte: Wie wollen Sie den 500 000 Menschen
helfen, die momentan Einzelklagen führen, weil sie darauf bestehen, dass die Preise, die jetzt angeblich aufgrund der steigenden Kosten, die jedoch nicht nachgewiesen werden, gezahlt werden müssen, transparent
gemacht werden müssen? Es geht immerhin um
500 000 Menschen. Oder lautet Ihre Antwort einfach
nur: Wir wollen abwarten?
Nein, die Regulierungen werden jetzt verschärft. Die
Regulierungsbehörde beginnt jetzt erst mit ihrer Tätigkeit. Genau diese Maßnahmen haben wir im zurückliegenden Gesetzgebungsverfahren nicht einleiten wollen.
Daher ist es völlig normal, dass man jetzt Erfahrungen
sammelt und Erkenntnisse gewinnt. Wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr Recht über die Zivilgerichtsbarkeit
einklagen, so gehört auch das zu einem Prozess der Erkenntnisgewinnung.
({0})
Diese Frage ist nicht mehr zulässig, Frau Höhn.
Das war auch keine Frage, sondern wahrscheinlich
nur eine Behauptung.
Wir tun viel - vor allem das, was Sie beschlossen haben.
Diese Antwort ist auch nicht zulässig, Herr Kollege
Schauerte.
({0})
Ich rufe jetzt die Frage 19 der Kollegin Cornelia
Behm auf:
Welche verbraucherpolitischen Konsequenzen zieht die
Bundesregierung aus dem Fazit des Berichtes der EU-Kommission zum Stand der Marktöffnung und zum Wettbewerbsverhalten der Energieversorger Europas, dass auf den Stromund Gasmärkten noch kein ausreichend funktionierender
freier Wettbewerb entstanden ist?
Frau Kollegin Behm, der Bericht der Europäischen
Kommission enthält keine abschließende Analyse und
Bewertung, wie Sie es in Ihrer Frage ausgeführt haben.
Die Kommission führt gegenwärtig ihre Untersuchung
in Form einer vertieften Länderprüfung fort und hat für
das Jahresende 2006 einen abschließenden Bericht zugesagt. Wir gehen davon aus, dass wir dann wissen, was
wir zu veranlassen haben.
Ich habe eine Nachfrage. Ich habe das anders wahrgenommen, deshalb frage ich Sie: Wie erklärt sich die
Bundesregierung, dass der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Basedow, eine Einschränkung des
Wettbewerbs angesichts der angekündigten Fusionen befürchtet? Schon bisher gab es keinen ausreichenden
Wettbewerb; nunmehr werden die Möglichkeiten der
europäischen Energiekunden, auf die Angebote anderer
Strom- und Gasanbieter zurückzugreifen, noch weiter
verringert. Das geht aus dem Bericht deutlich hervor.
Das heißt, dass die Verbraucher höhere Preise zu erwarten haben.
Auch hier gilt, dass wir jetzt seriöse Erfahrungen
sammeln müssen. Permanent an den gesetzlichen
Grundlagen herumzuwerkeln, führt zur absoluten Verunsicherung und nutzt niemandem.
Die Europäische Kommission - ich habe es bereits
ausgeführt - wird erst Ende des Jahres 2006 ihren ausführlichen ländervergleichenden Erfahrungsbericht vorlegen. Daher ist es klug, zunächst abzuwarten, welche
Handlungsnotwendigkeiten aufgrund dieses Berichts
entstehen. Wenn wir vorneweg galoppieren, werden wir
das Ziel nicht erreichen.
Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?
Nein, dazu nicht.
Der Parlamentarische Staatssekretär Müller aus dem
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz - zu diesem Geschäftsbereich wollten wir jetzt eigentlich kommen - ist unterwegs, aber
noch nicht eingetroffen. Ich schlage daher vor, den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung vorzuziehen, da die an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gerichteten Fragen - das sind die Fragen 24 und 25
der Kollegin Scharfenberg sowie die Frage 26 der Kollegin Hasselmann - allesamt schriftlich beantwortet werden. - Ich stelle hierzu Einvernehmen fest.
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung.
({0})
- Der Kollege Dr. Hofreiter, dessen Frage jetzt eigentlich an der Reihe wäre, ist ebenfalls noch nicht im Saal.
Da für Abgeordnete das gleiche Recht wie für Staatssekretäre gelten sollte, bitte ich Herrn Großmann, die
Frage 31 des Abgeordneten Rainder Steenblock vorzuziehen:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten für eine
Kofinanzierung der festen Fehmarnbeltquerung durch die EU
angesichts der Vereinbarung der EU-Staats- und Regierungschefs zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU, nach der die
für die Finanzierung der vorrangigen Projekte innerhalb der
transeuropäischen Verkehrsnetze bisher veranschlagten Mittel
drastisch gekürzt wurden?
Die Bundesregierung geht davon aus, dass für das
Projekt einer festen Fehmarnbeltquerung Kofinanzierungsmittel der EU bereitgestellt werden können. Die
konkrete Höhe wird sich in den anstehenden Verhandlungen ergeben.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Überlegung innerhalb der EU, die Prioritäten bei den TEN-Projekten neu festzulegen und die Projekte gemäß den von
der EU festgestellten Prioritäten bezüglich der Ost-WestVerkehre zuzuschneiden? Damit wäre die Fehmarnbeltquerung als nicht mehr prioritär anzusehen, weil sie in
den fünf von der EU vorgeschlagenen Hauptverkehrsachsen nicht mehr vorkommt?
Herr Steenblock, wir glauben, dass die Priorisierung
nicht grundlegend anders erfolgen wird. Die Fehmarnbeltquerung steht auf der Prioritätenliste. Es kann sicherlich nicht plötzlich von Ost nach West priorisiert werden; schließlich geht es nicht um Himmelsrichtungen,
sondern darum, welche Strecken und welche Verbindungen wichtig sind. Wir haben, wenn es bei der jetzigen finanziellen Vorschau bleibt, bei den TEN-Mitteln einen
Aufwuchs von 40 Prozent. Im Rahmen dieses Aufwuchses ergeben sich für Deutschland genügend Möglichkeiten der Priorisierung.
Weitere Zusatzfrage?
Gerne. - Herr Staatssekretär, wenn ich mich recht erinnere, war im Jahre 2004 der damalige Verkehrsminister Stolpe mit seinem dänischen Amtskollegen zu der
Auffassung gekommen, dass bis zum Ende des Jahres
2004 endgültig entschieden werden sollte, ob das Projekt
realisiert wird und wie. Es hat allerdings bis zum heutigen Tage nur Verschiebungen dieser Entscheidung gegeben. Jetzt lautet die Entscheidung, bis zum Ende des
Jahres 2006 Klarheit über das Projekt zu bekommen.
Deutet das nach Ihrer Meinung nicht darauf hin, dass die
EU tatsächlich zu Recht sagt: Dieses Projekt bewegt sich
nicht und fällt aus der Prioritätenliste?
Nein, das glaube ich nicht. Sie müssen sehen, dass das
ein sehr engagiertes Projekt ist und dass sehr viele Fragen geklärt werden müssen. Deshalb müssen wir Schritt
für Schritt vorgehen. Hier gehen Solidität und Seriosität
vor Schnelligkeit. Das ändert aber aus meiner Sicht
nichts an der Prioritätensetzung.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Rainder
Steenblock auf:
Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass eine
mautpflichtige feste Fehmarnbeltquerung genauso wie die
Öresundquerung zwischen Dänemark und Schweden von den
Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern nicht wie erwartet
angenommen werden könnte, und, wenn nein, warum nicht?
Die Bundesregierung prüft die voraussichtliche Akzeptanz einer festen Querung aufgrund von Prognosen.
Für ein Finanzierungsmodell werden dabei verschiedene
Szenarien durchgespielt. Für eine Annahme durch die
Verkehrsteilnehmer spricht, dass die Fehmarnbeltrelation die kürzeste Verbindung zwischen Deutschland und
Skandinavien ist. Auch die Fährüberfahrt ist heute schon
kostenpflichtig.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung
die Kostensenkung auf der dänischen Konkurrenzstrecke
über den Großen Belt, die zu einer deutlichen Rentabilitätsschwächung der geplanten Fehmarnbeltstrecke führt
und damit zu einer geringeren Nutzung?
Wir beobachten das sehr genau. Diese Informationen
fließen in die weiteren Planungen ein. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass der Verkehr über die Ostsee
wieder zunimmt. Bei den finanziellen Berechnungen für
die feste Fehmarnbeltquerung haben wir zunächst unterstellt, dass der Verkehr in den ersten vier Betriebsjahren
nach der Eröffnung unter der Prognose bleiben wird.
Das heißt, wir sind bei der Neubewertung der Zahlen dabei, die Informationen einzuarbeiten, die wir von den bestehenden Brücken erhalten.
Weitere Zusatzfrage?
Gerne. - Herr Staatssekretär, die Arbeitsplätze in der
Region sind nach Auskunft der dortigen Wirtschaft
durch eine Fehmarnbeltquerung bedroht. Das betrifft
insbesondere Puttgarden. Der Fremdenverkehr, aber
auch die Fährschifffahrt dort sind zentrale Wirtschaftsfaktoren. Können Sie mir möglichst genau sagen, in welcher Form der Wegfall dieser Arbeitsplätze eigentlich in
Ihre Prognosen über die Wirtschaftlichkeit der Fehmarnbeltquerung einbezogen wird?
Ich glaube, dass das eine Aufgabe des Landes ist. Sie
wissen, dass das Land Schleswig-Holstein die Realisierung dieser Querung nach vorne puschen will, also sehr
viel Wert darauf legt, dass wir zügig weitermachen. Ich
glaube, die Abschätzung dessen, was in der Region vor
sich geht und unter Umständen als Ausgleich geschaffen
werden muss, ist Aufgabe der Landesregierung.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Harald
Terpe auf:
Für wie wahrscheinlich beurteilt die Bundesregierung
staatliche Beihilfen für den Bau einer festen Fehmarnbeltquerung und befürwortet die Bundesregierung solche Beihilfen?
Herr Kollege Terpe, die Frage staatlicher Beihilfen
soll in den nächsten Monaten weiter untersucht werden.
Das ist das Ergebnis der Gespräche von Herrn Ministerpräsident Carstensen mit den Bundesministern
Steinbrück und Tiefensee.
Ich habe keine Nachfragen.
Dann rufe ich die Frage 34 des Kollegen Dr. Terpe
auf:
Welchen Stand haben Gespräche des Bundes mit dem
Land Schleswig-Holstein und Verhandlungen zwischen den
zuständigen Ressorts der Bundesregierung über Staatsgarantien für die feste Fehmarnbeltquerung?
Es wurde vereinbart, zügig zu klären, welche Schritte
notwendig sind und welche Fragen beantwortet werden
müssen, um entscheiden zu können, ob das Projekt
„Feste Fehmarnbeltquerung“ realisiert werden kann. Auf
dem Weg zur Entscheidung soll für das weitere Vorgehen ein Zeitplan erarbeitet werden, in dem die einzelnen
Meilensteine bis zur Umsetzung festgelegt sind. Die Suche nach einem tragfähigen Finanzierungskonzept, sowohl für das Projekt selbst als auch für die erforderlichen Hinterlandanbindungen, wird fortgesetzt.
Zusatzfrage?
Die Frage, welchen Stand die Gespräche und Verhandlungen zwischen den zuständigen Ressorts haben,
ist beantwortet worden.
Ja. Deswegen habe ich Sie gefragt, ob Sie möglicherweise Zusatzfragen haben.
Nein, habe ich nicht. Danke.
Dann rufe ich die Frage 35 des Kollegen Heilmann
auf:
Trifft es zu, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, im Zuge der öffentlichen Diskussion um die geplante Kürzung der Regionalisierungsmittel, wie in der „Berliner Zeitung“ vom 23. Februar
2006 zitiert, die Zweckentfremdung der Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz, RegG, durch die Bundesländer kritisiert, da diese die Mittel unter anderem für den Ausbau regionaler Schienenstrecken verwenden, und da bislang die Mittel
nach § 8 Abs. 1 RegG für die Bestellung von Verkehrsleistungen und die Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG für die Verbesserung
des öffentlichen Personennahverkehrs verwendet werden sollten, wofür hätten nach Auffassung der Bundesregierung die
Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG verwendet werden sollen, wenn
nicht für Investitionen in regionale Schienenstrecken?
Herr Kollege Heilmann, in Ihrer Frage gehen Sie von
falschen Voraussetzungen aus. Den Ländern steht gemäß
Art. 106 a des Grundgesetzes ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr, den ÖPNV, zur Verfügung. Laut Regionalisierungsgesetz sind diese Mittel insbesondere für den
Schienenpersonennahverkehr einzusetzen. Dies schließt
jedoch nicht aus, dass sie bestimmungsgemäß auch für
andere Verwendungen im ÖPNV, zum Beispiel für den
Ausbau der Infrastruktur, eingesetzt werden können.
Dieser Sachverhalt wurde von Herrn Bundesminister
Wolfgang Tiefensee nie infrage gestellt.
Zusatzfragen? - Nein.
Dann rufe ich jetzt die Frage 27 des Kollegen
Hofreiter auf:
Wie ist der Bearbeitungsstand beim Fünfjahresplan zum
Ausbau der Bundesfernstraßen und wann wird dieser verabschiedet?
Herr Kollege Dr. Hofreiter, mit dem Entwurf eines Investitionsrahmenplans für die Verkehrsinfrastruktur wird
für den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die Arbeitsgrundlage für das weitere Verfahren
zur Erstellung der Mittelfristplanung bis 2010 erarbeitet.
Auf dieser Grundlage wird auch der im Fernstraßenausbaugesetz geforderte Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen erstellt. Es ist vorgesehen, nach Abstimmung des
Entwurfes des Investitionsrahmenplans mit den betroffenen Bundesressorts sowie mit den Ländern und der
DB AG den Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen
im Sommer 2006 zu verabschieden.
Zusatzfrage?
Das ist eigentlich keine Zusatzfrage: Es ist interessant, wie lange das geschoben worden ist. Das war nämlich schon im letzten Jahr überfällig.
Gut.
Ich kann auch diesen Kommentar „beantworten“.
Wenn Sie das tun möchten, fassen wir das, was gerade
gesagt wurde, als Frage im Sinne unserer Geschäftsordnung auf.
Da der Kollege Hofreiter die Diskussionen der letzten
Legislaturperiode nicht vollständig mitbekommen hat
- er ist ja ein neuer Abgeordnetenkollege -, sage ich Ihnen: Wir haben im letzten Jahr ein 2-Milliarden-Programm aufgelegt und unsere Verkehrsinfrastrukturinvestitionen somit deutlich erhöht. Diese 2 Milliarden Euro
haben wir für Verkehrsprojekte im Bereich von Straße,
Schiene und Wasserstraße zur Verfügung gestellt. Das
hatte für uns Priorität. Da das dringender war und eilte,
haben wir die Arbeit am Fünfjahresplan etwas zurückgestellt. Das haben wir den Kolleginnen und Kollegen immer wieder in Briefen mitgeteilt.
Vielen Dank.
Ich hätte noch eine zweite Zusatzfrage.
Da Sie eben erklärt haben, dass Sie keine Zusatzfrage
stellen möchten, konnte ich das nicht ahnen. - Bitte
schön.
Entschuldigung; ich mache das zum ersten Mal. - Ich
habe eine spezifische Zusatzfrage: „Sommer 2006“ ist
ein dehnbarer Begriff. Heißt das: vor der Sommerpause
oder nach der Sommerpause?
({0})
Oder ist das überhaupt nicht abzusehen?
Herr Kollege, diese Form dehnbarer Begriffe verwenden wir immer dann, wenn wir mit anderen reden müssen. Wenn wir den Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen selbstständig erstellen könnten, könnte ich Ihnen
relativ präzise sagen, wann wir damit fertig sind. Aber
wir müssen darüber mit 16 Bundesländern und der
DB AG sprechen. Natürlich haben wir auch versprochen, den Verkehrsausschuss informell zu beteiligen.
Deshalb bitte ich Sie, mir nachzusehen, dass ich bei dem
Begriff „Sommer 2006“ bleibe.
Selbst wenn nicht, könnte dies nicht durch eine weitere Zusatzfrage zurückgewiesen werden.
({0})
Die übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich werden vom Kollegen Kasparick beantwortet, sodass Sie,
Herr Kollege Großmann, mit Dank entlassen sind.
Ich rufe die Frage 28, ebenfalls des Kollegen
Dr. Hofreiter, auf:
Wird die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin
der Flughafen München GmbH, FMG, dem Beispiel des Mitgesellschafters Freistaat Bayern folgen, Teile des Gesellschafterdarlehens an den Münchener Flughafen zurückzufordern,
und, wenn nein, warum nicht?
Herr Dr. Hofreiter, der erste Teil Ihrer Frage, ob die
Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin der
Flughafen München GmbH dem Beispiel des Mitgesellschafters Freistaat Bayern folgen wird, beantworte ich
mit Ja. In der Gesellschafterversammlung vom 8. Dezember 2005 haben die an der FMG beteiligten Gesellschafter, zu denen neben der Bundesrepublik Deutschland auch der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt
München zählen, die Rückforderung eines Teilbetrags
des an die FMG ausgereichten Darlehens beschlossen.
Der zweite Teil Ihrer Frage hat sich damit erübrigt.
Zusatzfrage.
Wann und in welchem Umfang rechnen Sie mit dem
Eingang der ersten Zahlungen?
Die Rückzahlung der Teilbeträge soll im Dezember
dieses Jahres erfolgen.
Die komplette Rückzahlung des Anteils der Bundesrepublik?
Es geht um Teilbeträge. Um es genau zu sagen: Es
geht um 61,5 Prozent der ausgereichten Bundesdarlehen
in Höhe von 331,6 Millionen Euro.
Und auf die Zinsen verzichten Sie komplett?
Das war jetzt schon die dritte Zusatzfrage, Herr Kollege.
Entschuldigung.
Die Fragen 29 und 30 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Alexander Ulrich
auf:
Welche Genehmigungen und Rechtsgrundlagen durch
deutsche Flugsicherungsbehörden sowie Meldepflichten vonseiten der USA sind nach Auffassung der Bundesregierung
für die Military-Airlift-Command-Flüge von US-amerikanischen Fluggesellschaften erforderlich, die den zivilen Flughafen Hahn routinemäßig als Zwischenstopp für den Transport
von Soldaten und militärischen Gütern unter anderem nach
Afghanistan und Kuwait nutzen, und welche Maßnahmen
zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Umgebung des Flughafens Hahn müssen wegen dieser Nutzung des Flughafens
für militärische Zwecke unternommen werden?
Kollege Ulrich, nach den Feststellungen der Bundesregierung handelt es sich bei den von Ihnen zitierten
Flügen um zivile Charterflüge eines amerikanischen
Luftfahrtunternehmens, die nach den Regeln für den gewerblichen Luftfahrtverkehr durchgeführt werden. Solche Transitflüge bedürfen grundsätzlich einer Erlaubnis
durch das Luftfahrtbundesamt. Für Überflüge und Flüge
mit technischer Zwischenlandung, zum Beispiel zum
Auftanken, ist eine solche Erlaubnis nicht erforderlich.
Ob - und gegebenenfalls welche - Maßnahmen zum
Schutz der Bevölkerung zu treffen sind, liegt in der Verantwortung des für die Betriebsgenehmigung des Flughafens zuständigen Landes Rheinland-Pfalz.
Zusatzfrage.
Wenn es sich um Zivilflüge handelt, auf welcher
Rechtsgrundlage ist es den US-amerikanischen Soldaten
dann erlaubt, diese Flüge mit Waffen zu bestücken?
Die amerikanischen Fluggesellschaften haben für solche Flüge in Deutschland eine prinzipielle Erlaubnis,
schon seit mehreren Jahrzehnten.
Weitere Zusatzfragen?
Habe ich das richtig verstanden: Auf diesen Zivilflügen darf jeder Soldat so viele Waffen mit sich führen,
wie er gerade schleppen kann, und dies ist seit Jahrzehnten so erlaubt?
Nein. Es geht im konkreten Fall nicht um einen Waffentransport, sondern es geht um zivile Charterflüge eines amerikanischen Luftfahrtunternehmens, die nach
den Regeln für den gewerblichen Luftfahrtverkehr
durchgeführt worden sind.
Ich rufe Frage 37 des Kollegen Ulrich auf:
Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass der
ehemalige US-Militärflughafen Hahn mit öffentlichen Geldern im Rahmen eines Konversionsprojekts zu einem zivilen
Flughafen umstrukturiert wurde, der Auffassung, dass die gegenwärtige Nutzung des Flughafens Hahn für US-amerikanische Militärtransportflüge nach Afghanistan und Kuwait mit
dem Sinn und Zweck des Konversionsvorhabens vereinbar
ist, und, wenn ja, mit welcher Begründung?
In den Ausbau des Flughafens Hahn sind Landesmittel und Mittel des Flughafens Frankfurt, aber keine Bundesmittel geflossen. Das Konversionsprojekt Flughafen
Hahn ist als Verkehrsflughafen dem allgemeinen Verkehr, mit der üblichen Betriebspflicht, gewidmet. Er
steht grundsätzlich zivilen und militärischen Nutzern offen. Bei den Flügen nach Kuwait und Afghanistan handelt es sich um Flugbewegungen, die im Rahmen der allgemeinen Betriebsgenehmigung zulässig sind.
Sind die Starts und Landungen mit dem Grundgesetz
und dem Völkerrecht vereinbar?
Ja.
Weitere Zusatzfrage? - Nein.
Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf; wir hatten ihn zurückgestellt. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller
inzwischen eingetroffen.
Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Cornelia Behm
auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Verbraucherzentralen zusätzliche Finanzmittel für den zusätzlichen Beratungsaufwand im Zusammenhang mit mittlerweile 500 000 geschätzten protestierenden Gaskunden zu gewähren?
Herr Präsident! Verehrte Kollegin! Zunächst Entschuldigung, dass ich mich eine Minute verspätet habe.
Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage mit Nein.
Zusatzfragen.
Ich finde, das, was die Regierung da plant bzw. nicht
plant, ist angesichts des wirklich gravierend zunehmenden Beratungsbedarfs der Verbraucherinnen und Verbraucher schon ein bisschen unambitioniert. Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommern sieht man ganz
deutlich, dass die Länder den immens gewachsenen Beratungsbedarf nicht alleine stemmen können. Dieses
Land hat seine Verbraucherzentrale nämlich dichtmachen müssen, weil es sie nicht finanzieren kann.
Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Finanzierung der Verbraucherzentralen eine Stiftungslösung
zu schaffen. Ich frage deswegen: Wie weit ist es mit dieser Lösung?
Frau Kollegin, zunächst zu Ihrer Eingangsbemerkung: Die Verbraucherzentralen erhalten auch im laufenden Haushaltsjahr Projektfördermittel in Höhe von
2,5 Millionen Euro für die Themenbereiche unlauterer
Wettbewerb, Internet- bzw. Onlinehandel, Internettelefonie usw. Darüber hinaus wird ganz konkret ein Projekt
zum Thema Energieverbraucher, Verbraucherinformation, Gas- und Strompreiserhöhung gefördert. Es wurden
also ganz konkrete Projektmittel für diesen Bereich zur
Verfügung gestellt.
Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen und dabei auch auf Ihre Frage eingehen, dass wir, weil wir um
die Bedeutung dieses Bereiches wissen, bei den laufenden Haushaltsverhandlungen sehr streng darauf geachtet
haben, gerade den Bereich des Verbraucherschutzes weitestgehend von Sparmaßnahmen auszunehmen, obwohl
durch den Finanzminister erhebliche Einsparnotwendigkeiten vorgegeben waren.
Das Thema Stiftung ist uns bekannt. Wir führen Gespräche mit den Verbraucherzentralen dazu.
Stimmen Sie mit mir darin überein, dass es notwendig
ist, die Verbraucherzentralen sozusagen institutionell
auch von Bundesseite aus zu finanzieren, also zum Beispiel durch eine solche Stiftungslösung? Ich habe den
Eindruck, dass sich der Bund bisher immer mit dem Hinweis darauf, dass er Projektförderungen betreibt - das
setzt aber voraus, dass die Länder etwas tun -, zurückgelehnt und gesagt hat: Wir haben den mündigen Verbraucher, so viel Beratungsbedarf hat er nicht.
Ich betone: Der Verbraucherschutz hat nach wie vor
einen hohen Stellenwert. Dies zeigt sich an den Haushaltsberatungen. Der Bund bringt seinen Anteil ein. Natürlich müssen auch die Länder ihre Anteile zur Finanzierung in der Breite beisteuern.
Darüber hinaus stehen wir der Verwirklichung dieses
Stiftungsmodells aufgeschlossen gegenüber. Es laufen
Gespräche. Auch die Wirtschaft sollte ihren Beitrag einbringen. Offenheit bzw. Transparenz im Verbraucherschutz ist ein Thema, das auch die Wirtschaft interessiert
und angeht. Deshalb gehen wir in den nächsten Monaten
in diese Gespräche zur möglichen Realisierung eines
solchen Stiftungsmodells.
Die Frage 21 der Kollegin Lötzsch wird schriftlich
beantwortet.
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Dr. Kirsten
Tackmann auf.
({0})
- Da sie nicht mehr anwesend ist, wird die Frage 22
hier auch nicht beantwortet. Es wird verfahren, wie in
der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Bärbel Höhn auf:
Wie bewertet die Bundesregierung, dass es bei den Vogelgrippefunden in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein
wieder sieben bzw. neun Tage gedauert hat, bis die Ergebnisse
der H5N1-Tests vorlagen, und was unternimmt die Bundesregierung, um solche Verzögerungen bei der Seuchenbekämpfung endlich abzustellen?
Ich antworte auf die Frage wie folgt: Die Annahme
einer Zeitdauer von sieben bzw. neun Tagen bis zum
Vorliegen von H5N1-Befunden, wie von Ihnen dargestellt, trifft weder für die Proben aus Baden-Württemberg noch für die Proben aus Schleswig-Holstein zu. Der
Befund H5N1 für Proben, die dem Nationalen Referenzlabor für Aviäre Influenza des Friedrich-Loeffler-Instituts aus den beiden Ländern zugeleitet worden sind, ist
teilweise bereits am Tag des Eingangs, meist am darauf
folgenden Tag und spätestens zwei Tage nach Eingang
mitgeteilt worden. In diesen Zeiträumen sind zudem alle
Wiederholungs- und Abklärungsuntersuchungen zur Sicherstellung der Diagnose durchgeführt worden.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Befund HPAI
in Abhängigkeit von den in den Proben vorhandenen
Mengen an Virus nach ein bis fünf Tagen kommuniziert
wird. Dies muss natürlich unterschieden werden.
Bitte schön, Frau Höhn.
Nach einer dpa-Meldung ist es so gewesen, dass ein
toter Vogel in Schleswig-Holstein am 17. Februar gefunden worden ist und das Ergebnis des Tests am
24. Februar vorlag. Bei Funden in Baden-Württemberg
lag das Ergebnis nach neun Tagen vor. Es geht also nicht
darum, wie lange das Friedrich-Loeffler-Institut auf
Riems für die Untersuchung braucht, sondern es geht um
die Zeitdauer zwischen dem Auffinden des toten Vogels
und dem Vorliegen des Testergebnisses, ob das Tier mit
dem H5N1-Virus infiziert war. Es geht also nicht um das
Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems.
Ich frage Sie: Können Sie bestätigen, dass zwischen
dem Auffinden des toten Vogels und dem Vorliegen der
Ergebnisse zu den Funden in Schleswig-Holstein und
Baden-Württemberg, die das Institut auf Riems geliefert
hat, sieben bis neun Tage liegen und daher die Daten, die
ich einer dpa-Meldung entnehme, richtig sind?
Frau Kollegin, im Augenblick gibt es landesweit
- das muss man nachvollziehen - Tausende von toten
Vögeln, die aufgefunden werden. Die Behörden vor Ort
haben dafür die Verantwortung. Diese Funde toter Vögel
werden dann in die Landesuntersuchungseinrichtungen
eingeschickt. Dort wird der erste Test zum Nachweis des
Virus vorgenommen. Bei einem positiven Befund wird
dieser Fund an das FLI, das Friedrich-Loeffler-Institut,
weitergeleitet. Dort wird in einem weiteren Schritt, um
endgültig Klarheit zu haben, der Nachweis oder Ausschluss von H5- und N7-Subtypen vorgenommen. Wenn
auch hier wiederum der Test positiv ist, erfolgt in einer
zweiten Runde die weitere Differenzierung oder Pathotypisierung, wie man das Ganze nennt, und im Anschluss daran die Befundmitteilung an die zuständige
Behörde.
Weil ich Ihre Frage sehr ernst nehme, habe ich heute
früh noch einmal mit Professor Mettenleiter darüber diskutiert, ob hier die Zeiträume verkürzt werden könnten.
Für das Friedrich-Loeffler-Institut, für das wir als Bund
die Verantwortung tragen, wurde mir noch einmal erläutert: Für die H5N1-Untersuchung kann Professor
Mettenleiter zusagen, dass nach ein oder zwei Tagen
nach Vorliegen des Materials beim Friedrich-Loeffler1602
Institut das Ergebnis feststeht. Für die darauf folgende
Spezifizierung auf HPAI, also die hochpathogene Variante, werden weitere zwei bis fünf Tage benötigt.
Ich gestehe Ihnen zu, dass in dem einen oder anderen
Fall nach dem Auffinden des Vogels über die Einbringung in die Landesuntersuchungsanstalt bis zur Weiterleitung zum Friedrich-Loeffler-Institut vielleicht ein,
zwei oder drei Tage eingespart werden könnten. Ich erkläre aber den Kolleginnen und Kollegen und damit
auch Ihnen, dass wir im Vergleich zum europäischen
Ausland auf diesem Sektor vorbildlich arbeiten und vergleichbare Länder beispielsweise über die Kapazität, wie
wir sie auf Riems haben, gar nicht verfügen, sondern
ihre Funde nach Großbritannien schicken müssen.
Herr Staatssekretär Müller, Sie wissen, dass es bei
einem solchen Geschehen ganz entscheidend ist, am Anfang schnell zu handeln. Wir haben auf Rügen festgestellt, dass sich dann, wenn man ein paar Tage ungeschehen verstreichen lässt, immer mehr Vögel infizieren. Das
führt dazu, dass man die Seuche immer weniger in den
Griff bekommt und sich das Ganze zu einem größeren
Problem auswächst. Von daher finde ich es nicht akzeptabel, dass Länder, die darauf vorbereitet sein mussten,
mit H5N1 infizierte Vögel zu finden, sieben bis neun
Tage bis zum Vorliegen des Testergebnisses brauchen. In
diesem Zeitraum können sich extrem viele Vögel angesteckt haben und das Seuchengeschehen wird damit
potenziert.
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese
langen Zeiträume zu verkürzen? Ich will jetzt nicht nur
wissen, was in dem Institut auf Riems passiert. Mir geht
es darum, den gesamten Zeitraum zu verkürzen und so
letzten Endes die Ausbreitung der Seuche und damit
auch die Gefahr für die Bevölkerung zu vermindern.
Am besten wäre es - um Ihnen entgegenzukommen -,
wenn das H5N1 vor Ort diagnostiziert werden könnte.
Das ist aber nicht möglich. Im europäischen Vergleich
sind wir in Deutschland vorbildlich aufgestellt.
Für den Zuständigkeitsbereich des Bundes erkläre ich
noch einmal: Was die Dauer von ein bis zwei Tagen angeht, gibt es keinen Anlass zur Kritik an dem Bundesinstitut. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass unsere
Wissenschaftler zurzeit unter Hochdruck Tausende von
Einsendungen untersuchen.
Die von Ihnen genannte Zeitspanne von sieben bis
neun Tagen bei vereinzelten Funden muss im Einzelfall
überprüft werden. Ich teile Ihre Einschätzung, dass wir
gegenüber den Bundesländern noch einmal mit Nachdruck erklären sollten, dass dieser Zeitraum nach Möglichkeit zu minimieren ist. Vielleicht kann die Zeitspanne durch direkte Überbringung per Boten um einen
oder zwei Tage minimiert werden. Mehr wird sicherlich
nicht möglich sein. Aber das ist derzeit nicht das Kernproblem bei der Bekämpfung der Vogelgrippe. Wir verfügen über die notwendigen Analysekapazitäten. Im Allgemeinen liegen die Befunde innerhalb von drei bis vier
Tagen vor. In Einzelfällen hat es - darauf haben Sie hingewiesen - sieben Tage gedauert.
Wir haben die Bundesländer bei der Verbraucherschutzkonferenz am vergangenen Montag auf das
Thema aufmerksam gemacht und mit ihnen darüber diskutiert. Die Bundesländer sind aufgefordert, mit ihren
Kapazitäten schnellstmöglich - innerhalb von zwei bis
vier Tagen - dazu beizutragen, dass bei einem positiven
Befund durch die Landeseinrichtungen das FriedrichLoeffler-Institut die Enddiagnose stellen kann.
({0})
Das ist leider richtig. Damit sind wir am Ende der
Fragen zu diesem Geschäftsbereich.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf. Zur Beantwortung
der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
Franz Thönnes zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Katja Kipping auf:
Wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Frauen und Männer
- bitte getrennt aufführen - bekommen aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keine Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und wie viele dieser Frauen
und Männer sind nicht krankenversichert?
Frau Kipping, im Januar 2006 wurden von den Arbeitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit, die in
getrennter Trägerschaft arbeiten, 49 000 Anträge auf
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende abgelehnt, davon 41 000 wegen der Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Diese Angaben bilden nicht das
gesamte Volumen der abgelehnten Anträge ab. Per Hand
gefertigte Bescheide sind darin nicht erfasst und es liegen keine entsprechenden Angaben für die zugelassenen
kommunalen Träger vor.
Da bei den abgelehnten Anträgen die Haushaltsform
des Antrag stellenden Haushalts nicht erfasst wird, liegen der Bundesregierung keine Angaben dazu vor, wie
viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende
Frauen und Männer aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keine Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch bekommen.
Darf ich die Frage 39 gleich mitbeantworten?
Ja. Ich rufe die Frage 39 auf:
Wie viele der oben genannten Frauen und Männer - bitte
getrennt aufführen - erhielten bisher Angebote der Arbeitsförderung und welche Arbeitsförderungsangebote - bitte nach
Angebotsarten und Geschlecht getrennt aufführen - erhielten
diese Frauen und Männer?
Ich kann Ihnen auf Ihre Frage Folgendes antworten:
Der Bundesregierung liegen keine Angaben dazu vor,
wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende
arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Personen, die
aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keine
Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
erhalten, bisher Angebote der Arbeitsförderung erhielten.
Bei den arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldeten
Personen wird von der Bundesagentur für Arbeit nicht
erfasst, ob vorab ein Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende abgelehnt wurde. Es entbehrt auch eines gewissen Sinnes, diese Merkmale zu erheben, da sich die wesentlichen Merkmale der Person,
die sich arbeitslos oder Arbeit suchend meldet, im Laufe
der Zeit verändern können bzw. längere Zeit aufbewahrt
werden müssten, wodurch ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand erforderlich wäre, der nicht im Sinne der eigentlichen Aufgabe der Erfüllung des Gesetzes, nämlich
der Beratung und zügigen Vermittlung in Arbeit, in Einklang stehen würde.
Frau Kipping, Sie können bis zu vier Zusatzfragen
stellen.
Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage,
auch wenn ein statistischer Mangel deutlich geworden
ist.
Hintergrund meiner Frage ist, dass Personen, die arbeitslos sind, laut Gesetz auch dann Anspruch auf Arbeitsförderung haben, wenn sie keine Grundsicherung
für Arbeitslose erhalten, weil beispielsweise das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft aufgrund des hohen
Verdienstes des Partners über der Bemessungsgrenze
liegt. Gestatten Sie mir deswegen und auch angesichts
des Internationalen Frauentages, nachzufragen, inwieweit sich die Regierung gegenüber der Bundesagentur
für Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften dafür einsetzt,
dass Frauen - sie sind überproportional stark betroffen,
weil Männer in dieser Gesellschaft in der Regel noch immer ein höheres Einkommen haben -, die im Sinne der
Grundsicherung nicht leistungsberechtigt sind, Arbeitsfördermaßnahmen erhalten, auf die sie laut Gesetz einen
Anspruch haben.
Frau Kipping, das ist eine berechtigte Frage. Vielleicht kann meine Antwort Sie ein Stück weit zufrieden
stellen. Die nicht hilfsbedürftigen Personen haben dieselben Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur
Auswahl, die im Rahmen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch zur Verfügung stehen. Sie werden durch die
Bundesagentur für Arbeit in jedem Fall, auch während
einer Beschäftigung, durch Beratung und Vermittlung
unterstützt. Sie können zudem bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nach dem SGB III gefördert werden,
sofern das zu ihrer beruflichen Eingliederung beiträgt
und erforderlich ist. Hier geht es um berufliche Weiterbildung sowie die Übernahme von Lehrgangsgebühren
und von Fahrt- und Kinderbetreuungskosten. Weitere
Unterstützungsleistungen, von der Übernahme von Bewerbungskosten und von Reisekosten im Zusammenhang mit Vorstellungsgesprächen bis hin zu Mobilitätshilfen, können in der Regel unabhängig vom Anspruch
auf Entgeltersatzleistung erbracht werden. Die Angebote
des virtuellen Arbeitsmarktes stehen ebenfalls zur Verfügung. Damit will ich sagen: Der Zugang ist gegeben. Die
Angebote können auch in Anspruch genommen werden.
Sie haben dankenswerterweise die Rechtslage dargelegt. Das Problem ist aber, dass es eine große Diskrepanz
zwischen der Rechtslage und der Praxis der Arbeitsgemeinschaften bzw. der Bundesagentur für Arbeit gibt.
Das wurde uns von verschiedenen Seiten bestätigt. Vor
diesem Hintergrund habe ich zwei Zusatzfragen: Erstens. Können Sie sich vorstellen, dass man die angesprochene statistische Lücke behebt und für eine bessere Erfassung sorgt? Zweitens. Können Sie als Auftraggeber
die BA noch einmal auf den bestehenden Anspruch so
deutlich hinweisen, wie Sie es hier getan haben?
Ich gehe davon aus, dass sowohl die Arbeitsagenturen
als auch die Arbeitsgemeinschaften, als auch die Leistungszentren ihre gesetzliche Aufgabe erfüllen und die
Menschen über ihre Ansprüche auf Arbeitsförderung informieren. Insbesondere ist im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch der Auftrag verankert, zu fördern und zu fordern. Im Übrigen gibt es eine Berichterstattung über die
Integrationsmaßnahmen, sodass ich Ihre kritische Einschätzung nicht nachvollziehen kann. Im Bereich der allgemeinen Arbeitsmarktpolitik ist sogar festgelegt, dass
sich die Aufwendungen für die Integration nach der
Höhe des Anteils der arbeitslosen Frauen bemessen sollen.
Letzte Zusatzfrage, Frau Kipping.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie erklären
Sie dann den Widerspruch, dass die Betroffenen zwar
ein Anrecht haben, dass sie aber nicht erfasst werden?
Ich habe vorhin erklärt, dass dann, wenn alles detailliert erfasst würde, der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis zu dem eigentlichen Auftrag stünde; denn dies ist
nicht relevant, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
Schließlich können sich die Daten derjenigen, die Sie erfasst sehen wollen, sukzessive ändern. Dann müssten
Daten aufbewahrt werden, die möglicherweise nicht
mehr auf einem aktuellen Stand sind. Eine solche Datensammlung stünde zudem ein Stück weit in Widerspruch
zu der sehr kritischen Frage, welche Daten wann, wie
und wo erfasst und wie lange aufbewahrt werden sollten.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kurth.
Herr Staatssekretär Thönnes, teilen Sie die Einschätzung, dass die Bundesagentur für Arbeit bei ihrer aktiven Arbeitsmarktpolitik in vielen Fällen eine Strategie
verfolgt, nach der die Integrationskosten, also die Kosten
pro Fall, die größte Rolle spielen und nicht der rechtliche
Spielraum bei Ermessensleistungen, etwa der Eingliederung von nicht Leistungsbeziehenden, und dass vor genau diesem Hintergrund der rechtliche Spielraum nicht
ausgeschöpft wird, weil die Bundesagentur für Arbeit
keine passive Leistung an nicht Leistungsbeziehende erbringen muss und sie infolgedessen auch kein Interesse
daran hat, aktive Arbeitsmarktpolitik mit den entsprechenden Ausgaben zu betreiben?
Auch bei solch einer Bedarfsgemeinschaft gibt es
schlichtweg das Interesse, die Menschen in Arbeit zu
vermitteln. Deswegen teile ich Ihre Einschätzung nicht.
Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Kolb auf:
Wie hoch waren bzw. sind in den Jahren 1997 bis 2006 die
bei den Krankenkassen angefallenen bzw. anfallenden Verwaltungskosten - für 2006 unter Einbezug der Kosten, die den
Krankenkassen durch die Vorbereitungen bzw. die Durchführung der Vorverlegung des Fälligkeitstermins für Sozialabgaben entstanden sind - für den Einzug der Sozialversicherungsbeiträge und welche Beitragseinzugsvergütungen wurden von
der Rentenversicherung und den Arbeitgebern dafür jeweils
an die Krankenkassen entrichtet?
Ich möchte die Fragen 40 und 41, da sie in einem sehr
engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, gemeinsam
beantworten.
Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Kolb auf:
Entsprachen bzw. entsprechen nach Auffassung der Bundesregierung die den verschiedenen Krankenkassen zufließenden Beitragseinzugsvergütungen im Zeitraum 1997 bis
2006 dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand beim Beitragseinzug und, wenn nein, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um zu gewährleisten, dass die Beitragseinzugsvergütungen im Sinne einer bedarfsgerechten
Kostenverteilung berechnet werden?
Herr Kollege Kolb, das Verfahren der Vergütung von
Sozialversicherungsträgern für den Aufwand, der ihnen
im Zusammenhang mit der Durchführung des gesamten
Beitragseinzugs- und Meldeverfahrens sowie der Prüfung bei den Arbeitgebern entsteht, ist in § 28 e des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch geregelt. Das Gesetz
sieht eine pauschale Vergütung für die beteiligten Sozialversicherungsträger vor, mit der alle dadurch entstehenden Kosten abgegolten sind. Da die Einzugsstellen im
Bereich des Beitragseinzugs- und Meldeverfahrens umfangreiche Leistungen auch für die anderen Sozialversicherungsträger übernehmen, erhalten sie im Rahmen
der Vergütung eine Erstattung durch die Rentenversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit.
Die Aufteilung dieser Vergütung regelte bis zum
Jahre 2005 die Beitragseinzugsvergütungsverordnung.
Seit dem Januar 2005 sind für die Verteilung der Vergütung Vereinbarungen zwischen den beteiligten Sozialversicherungsträgern zu treffen. In den Jahren von 1997
bis 2001 ist die Gesamtvergütung, die an die Krankenkasse gezahlt wurde, von rund 1,1 Milliarden DM, also
562 Millionen Euro, auf rund 1,8 Milliarden DM, circa
920 Millionen Euro, angestiegen. Dieser Betrag teilte
sich auf die Bundesanstalt für Arbeit mit rund
60 Prozent und die Rentenversicherungsträger mit rund
40 Prozent auf. Die genauen Zahlen können auch in
Form einer Tabelle zur Verfügung gestellt werden. Für
den Folgezeitraum liegen bedingt durch die Neuordnung
des Beitrags- und Meldeverfahrens für die geringfügig
Beschäftigten und die Ausgliederung in die Minijobzentrale keine vergleichbaren Zahlen vor. Eine Übersicht
über alle internen Erstattungen der Sozialversicherungsträger an die Krankenkassen kann ebenfalls zur Verfügung gestellt werden.
In einem Prüfbericht vom August 2003 hat der Bundesrechnungshof festgestellt, dass durch die zu diesem
Zeitpunkt gültige Beitragseinzugsvergütungsverordnung,
die eine Vergütung nach Größenklassen der Krankenkassen vorsah, die Krankenkassen insgesamt eine zu hohe
Vergütungserstattung erhielten und insbesondere die
kleineren Krankenkassen überproportional bevorzugt
wurden. Hierauf hat die Bundesregierung durch eine
Neuregelung des Ausgleichsverfahrens mit der Übertragung auf die beteiligten Sozialversicherungsträger reagiert.
Der für 2005 und die Folgejahre festgeschriebene Gesamtbetrag der Erstattungsleistung von 950 Millionen Euro wurde von den am Ausgleichsverfahren Beteiligten insgesamt als ausreichend angesehen, um die anstehenden Aufwendungen zu decken. Diese Summe
wird nach folgendem Schlüssel auf die beteiligten Sozialversicherungsträger so lange aufgeteilt, bis eine Vereinbarung zwischen den Trägern abgeschlossen worden
ist: Die Träger der Rentenversicherung zahlen an die
Krankenkassen 412,3 Millionen Euro, an die Minijobzentrale 36,6 Millionen Euro und an die Künstlersozialkasse 1,4 Millionen Euro. Die Bundesagentur für Arbeit
zahlt an die Krankenkassen 500 Millionen Euro, an die
Minijobzentrale 36,6 Millionen Euro und an die Künstlersozialkasse 1,4 Millionen Euro. Zur Berechnung des
Gesamtaufwands für die genannten Verfahren sind dieser Erstattungssumme noch die Eigenanteile der Sozialversicherungsträger in ungefähr gleicher Höhe hinzuzurechnen, die auf die Nutzung des Verfahrens für eigene
Zwecke entfallen. Die Verwaltungskosten, die den Krankenkassen in den Jahren 1997 bis 2005 insgesamt entstanden sind, sind von rund 6,5 Milliarden Euro auf rund
8,1 Milliarden Euro im Jahr 2005 angestiegen. Diese
Zahl umfasst alle Personal- und Verwaltungskosten, die
bei den Krankenkassen anfallen. Eine differenzierte
Ausweisung der Kosten, die durch das Beitragseinzugsund Beitragsmeldeverfahren entstehen, besteht nicht. Interessant an der Entwicklung der Gesamtkosten ist, dass
sie seit 2003 nur unwesentlich abweichen, sogar leicht
von 8,2 Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden Euro gesunken sind. Gerne stelle ich Ihnen auch dazu eine Tabelle
zur Verfügung.
Die Verwaltungskosten für das Jahr 2005 enthalten
auch die notwendigen Umstellungskosten für den Jahreswechsel 2005/2006. Eine Übersicht über die Verwaltungskosten 2006 kann hier natürlich ebenfalls vorgelegt
werden, aber erst nach Abschluss der Rechnungslegung
im Jahre 2007.
Zusatzfragen?
Gerne, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, natürlich
nehme ich Ihr Angebot, mir Tabellen zu überlassen, dankend an.
Ich möchte nach der Bewertung der Bundesregierung
fragen. Das war ja schon Gegenstand der Ausgangsfragen. Glaubt die Bundesregierung also, dass die Beitragseinzugsvergütungen dem Aufwand angemessen sind?
Oder besteht aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf?
Ich glaube, dass es dem Aufwand angemessen ist, zumal ich auch jetzt davon ausgehe, dass - wenn die Vereinbarungen getroffen werden - am Ende auch der Bundesrechnungshof dies als vernünftig ansehen wird.
Zweite Zusatzfrage.
Ist durch dieses neue Verfahren des Beitragseinzugs
- Stichwort „Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge“ - von den Krankenkassen ein gestiegener Verwaltungsaufwand gemeldet worden? Wenn ja, in welcher
Größenordnung?
({0})
Das ist mir jetzt nicht bekannt, Herr Kollege. Ich gehe
dem gerne nach und beantworte Ihre Frage dann schriftlich.
Okay. Weitere Fragen habe ich dazu nicht. Danke.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 42 des Abgeordneten Heinz-Peter
Haustein auf:
Wie viele Personen und Bedarfsgemeinschaften unter den
Bezieherinnen und Beziehern von Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind
bisher im Rahmen der im Report des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Arbeit „Vorrang für die Anständigen - Gegen
Missbrauch, ,Abzocke‘ und Selbstbedienung“ vom August
2005 erwähnten telefonischen Überprüfungen durch die Bundesagentur für Arbeit, BA, befragt worden und wie viele Fälle
von Missbrauch und Betrug sind bei diesen freiwilligen telefonischen Befragungen aufgedeckt worden?
Herr Kollege Haustein, an der telefonischen Befragung, die von der Bundesagentur für Arbeit von Juli bis
September 2005 durchgeführt wurde, nahmen 197 Arbeitsgemeinschaften teil. Diese übermittelten der Bundesagentur für Arbeit etwa 408 000 Datensätze von arbeitslos gemeldeten Arbeitslosengeld-II-Beziehern zur
Überprüfung. Davon konnten rund 221 000 Personen erfolgreich kontaktiert werden. Etwa 180 000 Personen
waren bereit, telefonisch Auskunft über ihren aktuellen
Arbeitslosenstatus zu geben. Die Daten der restlichen
41 000 Personen, die nicht bereit waren, telefonisch
Auskunft zu geben, wurden den örtlich zuständigen Arbeitsgemeinschaften übermittelt. In der Regel haben
diese Arbeitsgemeinschaften die betreffenden Personen
daraufhin zu einem persönlichen Gespräch eingeladen
und in diesem Rahmen die Befragung durchgeführt. Im
Rahmen dieser Prüfung kam es zu einer Korrektur des
Status „Arbeitslosigkeit“ in etwa 12 000 Fällen. Das entspricht einem Prozentsatz von knapp 7 Prozent.
Aus dieser Anzahl notwendiger Statusänderungen
kann nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass Fälle
von Leistungsmissbrauch vorgelegen haben. So ergeben
sich zum Beispiel in Fällen der Teilnahme an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder in Fällen von
Arbeitslosigkeit zwar Änderungen im Status von Arbeitslosen, aber dies hat keine Auswirkung auf den Umfang der Hilfsbedürftigkeit.
Angaben darüber, wie viele Fälle von Missbrauch und
Betrug aufgedeckt worden sind, liegen der Bundesregierung nicht vor, weil an dieser Stelle auch keine dementsprechende Statistik geführt wurde. Ich will darauf hinweisen, dass der Kollege Kolb - er hat den Saal gerade
verlassen - bereits am 6. März dazu einen Bericht angefordert hat und ihn auch erhalten hat. In diesem Bericht
sind weitere Ergebnisse der ersten Telefonbefragung enthalten.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie also nicht genau sagen, wie viele Fälle von Missbrauch und Betrug aufgetreten sind, und auch nicht, wie hoch die Summe der
Mittel ist, die zu Unrecht ausgezahlt wurden, weil die
BA sich verrechnet hat?
Das lässt sich im Einzelfall nicht sagen. Sie unterstellen hier auch den Fall, dass man sich verrechnet hat. Das
kann im Einzelfall passiert sein. Es gibt einige detaillierte Arbeiten, die anhand der Daten gemacht werden
müssen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse
vor, die uns jetzt sozusagen die Möglichkeit geben, auf
die Frage zu antworten, wo sich an den tatsächlichen
Verhältnissen etwas verändert hat. Individuelle Berechnungsfehler der Arbeitsgemeinschaften sind wahrscheinlich ausgeschlossen. Es können Fehler bei der Dateneingabe erfolgt sein. Die können bei der telefonischen
Befragung aber allenfalls zufällig bekannt werden und
werden statistisch nicht erfasst.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Danke, keine weitere Zusatzfrage.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 43 des Kollegen Haustein
auf:
Welche Kosten verursacht das extra für die telefonischen
Befragungen der Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Bezieher von der BA eingerichtete Servicecenter und wie viele
externe Mitarbeiter und BA-Mitarbeiter sind dort beschäftigt?
Für die im Januar 2006 für die Dauer eines Jahres eingerichteten Servicecenter für die Kundenbetreuung nach
dem Sozialgesetzbuch II, die ausschließlich die Telefonaktion durchführen, sind im Haushaltsjahr 2006 Kosten
in Höhe von 9,3 Millionen Euro veranschlagt. Zur
Durchführung der telefonischen Befragungen sind
225 Vollzeitkräfte im Wege der Amtshilfe - abgeordnet
von der Personalauffanggesellschaft der Post und der Telekom - tätig. Vonseiten der Bundesagentur für Arbeit
sind für das Projekt elf Mitarbeiter im Einsatz. Die Kosten für die 225 genannten Mitarbeiter belaufen sich auf
rund 7,7 Millionen Euro und die für die elf Mitarbeiter
der BA auf rund 800 000 Euro.
Haben Sie Zusatzfragen, Herr Kollege?
Ja. - Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu,
dass es besser wäre, das Geld dafür einzusetzen, Leute in
Arbeit zu bringen, als dafür, Leute über ihre Arbeitslosigkeit zu befragen?
Genau das passiert ja mit dieser Aktion. Ich erinnere
zum Beispiel an die Befragung, die im Sommer durchgeführt worden ist. Da haben wir im Nachhinein festgestellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsagentur es als sehr starke Erleichterung für ihre
Arbeit betracht haben, dass sie mit den Arbeitsuchenden
und mit den Transferhilfeempfängern darüber sprechen
konnten, weil ihnen neue Daten und neue Informationen
zur Verfügung gestellt worden sind, weil über diesen
Weg auch die Betreuungs- und Beratungstiefe erhöht
werden kann.
An der Stelle will ich auch darauf hinweisen, dass wir
jetzt bei der zweiten Aktion alle die, die angerufen werden, vorher angeschrieben haben; sie wurden von der
Bundesagentur benachrichtigt, dass sie angerufen werden. Daraufhin haben allein 30 Prozent derjenigen schon
von sich aus Kontakt mit der Arbeitsagentur aufgenommen. Dies alles führt dazu, dass unnötiges Hin- und Herfahren und Vorladen oder Einladen zu Gesprächen darüber, welche Angebote da sind, ein Stück weit reduziert,
die technischen Kommunikationsmöglichkeiten, die wir
tagtäglich in unserer Arbeit nutzen, auch für die Integration und die Vermittlung nutzbar gemacht und somit Fördern und Fordern auch auf diesem Weg zusammengebracht werden.
Eine weitere Zusatzfrage?
Danke schön, keine weitere Frage.
Dann rufe ich die Frage 44 der Kollegin Britta
Haßelmann auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die
Bundesagentur für Arbeit die Zuschläge für Maßnahmen der
Arbeitsförderung nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V. zunehmend an Bieter erteilt, deren sozialpädagogische Fachkräfte aufgrund knapper Preiskalkulation
ein Bruttomonatsgehalt unterhalb von 1 700 Euro erhalten,
und hält die Bundesregierung eine qualitätsvolle aktive Arbeitsmarktpolitik unter diesen Bedingungen für möglich?
Frau Haßelhoff, die Bundesagentur für Arbeit ist als
Körperschaft des öffentlichen Rechts öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und somit an nationale und auch an
die EU-rechtlichen Bestimmungen des Vergaberechts
gebunden. Für die Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen sind daher die Vergabeverordnung und die
hierauf basierende Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A, anzuwenden. Die öffentliche Ausschreibung dient dem Zweck, im Wege des Wettbewerbs das
wirtschaftlich günstigste Angebot - ich sage ausdrücklich: nicht das preisgünstigste, sondern das wirtschaftlich günstigste - zu ermitteln. Hierfür werden verschiedene Kriterien zur Wertung herangezogen, die
insbesondere eine hohe Qualität der Maßnahmen gewährleisten sollen, wobei der Preis, der sich natürlich
auch aus den gezahlten Gehältern ergibt, keine untergeordnete Rolle spielen darf.
Eine Festlegung der Mitarbeitergehälter bei Ausschreibungen würde eine stark wettbewerbsverzerrende
und damit unzulässige Wirkung haben. Das Arbeitsförderungsrecht im SGB III normiert die qualitativen
Anforderungen an Träger und Maßnahmen, ohne das
Binnenverhältnis zwischen den Bildungsträgern als Arbeitgebern und ihren Beschäftigten in Einzelheiten regeln zu können. Arbeitsbedingungen sind durch die Tarifvertragsparteien und auch durch die Vertragsparteien
vor Ort zu vereinbaren. Ganz klar ist: Sobald da eine Tarifbindung entsteht, ist sie auch einzuhalten.
Bei der Vergabe der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen wurde besonders auf Qualitätskriterien geachtet. Die Träger mussten entsprechende Nachweise
und Referenzen vorlegen, aus denen ersichtlich war, ob
sie für den Auftrag die nötige Fachkunde, Leistungsfähigkeit und auch Zuverlässigkeit besitzen. Die Prüfung
und Wertung der Angebote erfolgte entsprechend den
Verdingungsunterlagen für alle Angebote gleichermaßen
nach dem Leistungsangebot und dem Preis. Die fachliche Prüfung und Wertung der Angebote haben fachkundige Mitarbeiter der örtlichen Agenturen jeweils für ihren Arbeitsamtsbezirk durchgeführt.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mein Name ist weder Hasselfeldt noch Hasselhoff, sondern Haßelmann
aus Nordrhein-Westfalen.
Ich bitte um Nachsicht! Entschuldigen Sie!
Nur für die Zukunft. Wir haben ja noch lange miteinander zu tun.
Mich würde interessieren, wie Ihr Ministerium die
Tatsache bewertet, dass es zu der genannten Praxis
kommt. Mir ist durchaus klar, dass die Körperschaften
des öffentlichen Rechts und auch die BA an die gesetzlich festgelegten Vergabekriterien und -verfahren gebunden sind. Dennoch gehe ich davon aus, dass Ihr
Ministerium, das die Federführung im Bereich Arbeitsmarktpolitik hat, eine Meinung dazu hat und diese Auffassung auch offensiv gegenüber den Parlamentarierinnen und Parlamentariern vertritt. Wie bewerten Sie es
also, dass bei der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis sehr oft das Kriterium Preis im Vordergrund steht,
was dazu führt, dass in den anbietenden Institutionen
unglaublich niedrige Gehälter gezahlt werden?
Dieser Bereich wird statistisch nicht erfasst, sodass
eine fundierte Aussage nicht möglich ist. Sie führen ein
Einzelbeispiel an. Dieses Einzelbeispiel geht von einem
Bruttomonatsgehalt in einer bestimmten Größenordnung
aus. Es ist aus der Fragestellung nicht nachvollziehbar,
welche Arbeitszeit und welche weiteren Bedingungen
dem zugrunde liegen. Es greifen hier unterschiedlichste
Regelungen; zum Beispiel ist auch die Eingliederung
von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor dem
Hintergrund ihrer persönlichen Qualifikation in Betracht
zu ziehen, weiterhin, ob das Gehalt in dieser Höhe langfristig festgeschrieben ist oder ob es sich um ein Einstiegsgehalt handelt.
Ich will damit sagen, dass hier viele Facetten zu berücksichtigen sind, über die keine Statistiken geführt
werden. Schließlich müsste auch den Verantwortlichen
vor Ort - hier hat ja die Selbstverwaltung durchaus Einfluss, da von anonymen Verhältnissen bei den Arbeitsagenturen keine Rede sein kann - Gelegenheit gegeben
werden, darzustellen, auf welcher Basis sie zu der Entscheidung gekommen sind, dass es sich bei einem bestimmten Angebot um das - ich wiederhole es - wirtschaftlich günstigste handelt, also nicht der Preis allein
über die Annahme entschieden hat.
Eine zweite Zusatzfrage?
Sehr gerne, Frau Präsidentin. - Ich gehe davon aus,
dass es sich bei dem beschriebenen Fall nicht um einen
Einzelfall handelt, da Quelle für meine Frage ein Bericht
der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit war. Können Sie
sich vorstellen, dass Ihr Ministerium auf die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit zugeht, diesen Sachverhalt
eruiert und dort, ohne die BA mit einer großen Analyse
zu beauftragen, klärt, ob es zu solchen Fällen kommt
und, wenn ja, in welcher Häufigkeit?
Es stellt kein Problem dar, auf die BAG zuzugehen
und mit ihr dieses Thema zu bereden. Ich sage ja nichts
Neues - das ist ja auch aus Debatten bekannt, die wir in
diesem Hause und an anderen Stellen geführt haben -,
wenn ich meine, dass das Einkommen, das man erhält,
wenn man arbeitet, zum Leben reichen muss. Angesichts
der Debatten, die wir darüber derzeit führen, ist Ihre
Frage verständlich. Man muss dem also im Einzelfall
nachgehen.
Aber ich will auch deutlich sagen: Wir haben an der
Stelle die Tarifvertragsfreiheit, die die Bedingungen regelt, und wir haben Vertragsfreiheit. In diesem Hause hat
es eine Debatte über ein Tariftreuegesetz gegeben; das
will ich gar nicht verhehlen. Wir haben darüber gesprochen, wie das für den Auftraggeber im öffentlichen
Dienst und im öffentlichen Personennahverkehr ist. Die
Initiativen, die damals gestartet worden sind, sind leider
im Bundesrat gescheitert. Da merken Sie ein Stück weit
das Interesse an vernünftigen Bedingungen. Deswegen
schauen wir uns das an. Ich denke, wir bleiben da im Dialog.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Kurth.
Herr Staatssekretär Thönnes, Sie haben richtigerweise
zwischen dem wirtschaftlich günstigsten und dem preisgünstigsten bzw. billigsten Gebot unterschieden und betont, es gehe um das wirtschaftlich günstigste Angebot.
Aber stimmen Sie mit mir überein, dass das, was im Moment als wirtschaftlich günstigstes Angebot gemacht
wird, in der Mehrzahl der Fälle auch das billigste Angebot ist und dass damit in der Tat nicht nur im Einzelfall,
sondern auch in der Fläche Vollzeitlohnzahlungen verbunden sind, die zu einer so hohen Fluktuation der Mitarbeiter führen, dass eine kontinuierliche qualitätsvolle
Leistungserbringung, etwa in Berufsbildungswerken bei
beruflichen Trainingsmaßnahmen, nicht mehr gesichert
werden kann und deswegen auch die Wirtschaftlichkeit
einfach nicht mehr gesichert ist?
Das waren jetzt mehrere einzelne Faktoren, die Sie in
Ihre Frage gekleidet haben und die alle, wollte ich Ihre
Frage, ob ich Ihre Einschätzung teile, zufriedenstellend
beantworten, statistische Erhebungen erforderlichen machen würden. Diese liegen an der Stelle nicht vor. Sie haben eine Einschätzung zu diesen Punkten geäußert. Da
Sie mich gefragt haben, muss ich Ihnen sagen: Ich kann
Ihre Einschätzung nicht teilen, weil dafür schon die Datengrundlage fehlt.
Aber ich füge hinzu, dass vor dem Hintergrund der
Veränderung der Ausschreibungspraxis, der Festlegung
von Qualitätskriterien und der Notwendigkeit, qualifiziertes Personal zu beschäftigen, eine Vielzahl von Punkten in den Ausschreibungsbedingungen enthalten sind,
die bezüglich der Qualitätsanforderungen, der Verlässlichkeit und der Kompetenz auch für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in entsprechenden Strukturen - und wahrscheinlich nicht Niedrigentlohnungsstrukturen - gelten
dürften, die andere Menschen unterrichten und Bildungsmaßnahmen durchführen. Da aber für den Fall keine Daten vorliegen, muss ich sagen: Ich kann Ihre Einschätzung nicht teilen.
Die Fragen 45 und 46 werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zur Frage 47 der Abgeordneten
Kornelia Möller:
Welche Konsequenzen für die Bundesagentur für Arbeit,
insbesondere welche personellen Folgen sowie damit zusammenhängenden Auswirkungen für die Realisierung der Vermittlungs- und Eingliederungsaufgaben der BA, hat die
Entscheidung der Bundesregierung, unmittelbar mit der Umsetzung der Kürzung des Arbeitslosengeldes II für junge
Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu beginnen?
Frau Möller, ich will zunächst voranstellen, dass es
sich bei der Erweiterung der Bedarfsgemeinschaften um
Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben, um eine Anpassungsmaßnahme handelt, die die
Regelleistung der Jugendlichen von derzeit 100 auf
80 Prozent setzt und damit dem Umstand Rechnung
trägt, dass zwei volljährige Partner einer Bedarfsgemeinschaft jeweils nur 90 Prozent der Regelleistung erhalten.
Die noch geltende Rechtslage führt beispielsweise dazu,
dass Eltern, die mit ihren beiden volljährigen Kindern in
einer Haushaltsgemeinschaft leben, weniger erhalten als
ihre Kinder. Diesen wird jeweils 100 Prozent der Regelleistung gewährt, obwohl sie die Fixkosten eines Haushaltes gar nicht zu tragen haben. Wir reden hier über die
über 18-jährigen Kinder.
Der Gesetzgeber sieht vor, dass Integrationsbemühungen auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft auszurichten
sind. Der Betreuungsaufwand ändert sich somit nicht
durch die Umsetzung der Reduzierung des Arbeitslosengeldes II im Bereich der unter 25-Jährigen. Vielmehr
bleibt das Ziel, in Bezug auf einen persönlichen Ansprechpartner für unter 25-Jährige einen Betreuungsschlüssel von 1 : 75 zu gewährleisten. Das bleibt aufrechterhalten, um gerade diesen Personenkreis bei der
Eingliederung in den Arbeitsmarkt besonders zu unterstützen. Aus diesem Grund ergeben sich auch keine personellen Konsequenzen im Vermittlungs- und Eingliederungsbereich bei den Trägern der Grundsicherung.
Ihre Zusatzfragen.
Wir haben heute von Ihnen gehört, dass es tatsächlich
zu Veränderungen kommt, da die Sachbearbeiterinnen
und Sachbearbeiter von ihrer eigentlichen Aufgabe abgezogen werden und jetzt für diese Anpassungsmaßnahme zuständig sind. Könnten Sie das bitte einmal genauer erklären?
Frau Möller, darüber haben wir vorhin im Ausschuss
gesprochen. Die Vertreter unseres Hauses, auch ich, haben sehr ausführlich dargestellt, dass durch den Aufbau
der eingesetzten Software die Umsetzung nicht so zügig
möglich ist, wie wir das gerne hätten. Um es deutlich zu
sagen: Die Bearbeitung muss in Handarbeit erfolgen. Ich
habe Ihnen heute Morgen auch gesagt, dass dafür circa
550 Jahreskräfte benötigt werden.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Keine weitere
Zusatzfrage.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Ich rufe die Frage 48 der Kollegin Möller auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich des Sachverhaltes vor, dass Arbeitsuchende für Tage und
sogar Wochen in bestimmten Unternehmen verschiedener
Branchen „auf Probe arbeiten“, ohne in irgendeiner Form entlohnt und sozial abgesichert zu sein, und wie will die Bundesregierung einen derartigen Umgang mit der gegenwärtig herrschenden hohen Arbeitslosigkeit bekämpfen?
Frau Möller, im Rahmen betrieblicher Trainingsmaßnahmen gemäß § 16 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches II in
Verbindung mit den §§ 48 bis 50 des Sozialgesetzbuches III besteht für die Kunden der Arbeitsagentur die
Möglichkeit, ein Praktikum auch betrieblich zu absolvieren. Ziel ist es, dadurch eine Verbesserung der beruflichen Eingliederungsaussichten zu erreichen. Anlässlich
der Tätigkeit bei einem Arbeitgeber kann dieser häufig
überzeugt werden, die Trainingsteilnehmer dauerhaft
einzustellen. Es geht also sozusagen darum, den zu integrierenden arbeitsuchenden Menschen die Erfahrung mit
dem Unternehmen und den dort tätigen Personalverantwortlichen zu ermöglichen.
Die Förderungsdauer entspricht grundsätzlich ihrem
vorgesehenen Zweck und den vermittelten Inhalten. Dadurch können die einzelnen Teile einer Trainingsmaßnahme zwischen zwei und längstens acht Wochen dauern. Um zu vermeiden, dass Trainingsmaßnahmen
reguläre Beschäftigung verdrängen, darf die Förderung
insgesamt zwölf Wochen nicht übersteigen. Die Trainingsmaßnahme ist mit der zuständigen Integrationsfachkraft abzusprechen. Die Förderung besteht aus der
Übernahme der anfallenden Lehrgangskosten, der Prüfungsgebühren, der Kosten für die notwendige Kinderbetreuung und der Kosten für die tägliche Fahrt zwischen Wohnung und Maßnahmeort sowie aus der
Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes nach dem Sozialgesetzbuch III oder des Arbeitslosengeldes II, sodass der
Bedarf des Teilnehmers während der Trainingsmaßnahme gedeckt wird und der Teilnehmer weiterhin sozial
abgesichert ist.
Arbeitslose, die kein Arbeitslosengeld oder kein
Arbeitslosengeld II beziehen, können durch die Übernahme von Maßnahmekosten an dieser Stelle gefördert
werden.
Haben Sie eine Zusatzfrage?
Ja. - Ich möchte folgenden Punkt richtig stellen: Ich
sprach nicht von betrieblichen Trainingsmaßnahmen,
sondern von Arbeit auf Probe. Entschuldigung, aber das
ist für mich schon etwas anderes. Ich kann Ihnen dazu
konkrete Fälle schildern. Darauf bezieht sich auch meine
Frage: Glauben Sie, dass Personen, die zwei oder drei
fundierte Ausbildungen haben, etwas dazulernen, wenn
sie beispielsweise in Hotels auf Probe putzen? Sind Sie
der Meinung, dass diese Fördermaßnahme Sinn macht
und diese Personen weiterbringt?
Frau Möller, Sie schildern einen Fall,
({0})
der uns nicht bekannt ist. Sie stellen ab auf Fälle, die Sie
zu kennen glauben, die uns aber nicht bekannt sind. Ich
weise noch einmal darauf hin: Die Integrationsfachkraft
in der Arbeitsagentur oder im Leistungszentrum ist dafür
verantwortlich, sich nach sinnvollen Integrationsmöglichkeiten für die Arbeitssuchenden umzusehen und die
Bedingungen mit den jeweiligen Arbeitgebern abzuklären. Ich habe beschrieben, dass es begrenzte Trainingszeiten gibt. Dieser Aspekt bewirkt, dass die Bundesagentur im Rahmen des Sozialgesetzbuchs III oder die
Leistungszentren und die Arbeitsgemeinschaften über
das Arbeitslosengeld II für den Unterhalt aufkommen.
Für den Fall, dass es da etwas geben sollte, was - ich
sage es jetzt einmal konkret; das resultiert aus Ihrer Fragestellung - nach Missbrauch aussieht, oder dass bekannt werden würde, dass sich Arbeitgeber mehrfach
hintereinander - denn der Zeitraum ist ja begrenzt - von
der Arbeitsagentur, salopp formuliert, Arbeitsuchende
zuweisen lassen oder holen und es am Ende zu keinem
Beschäftigungsverhältnis kommt, ist es Praxis der Bundesagentur, die entsprechenden Zuweisungen einzustellen. Denn dieser Vorgang wäre nicht im Sinne der eigentlichen Absicht der gesetzlichen Regelungen, die wir
getroffen haben.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja, ich habe eine weitere Zusatzfrage. - Sie sind bislang gar nicht auf die Rolle der Unternehmen eingegangen. Wie ist Ihre Einstellung zu der Position der Unternehmen?
Noch einmal eine Richtstellung: Es ist nicht richtig,
zu sagen, dass ich diese Fälle zu kennen glaube. Ich
kenne sie. Ich komme aus der Beratung. Das heißt, ich
habe konkret mit diesen Menschen gearbeitet. Mich erreichen sehr viele Anfragen und Bitten von Hilfesuchenden, die in ähnlichen Situationen sind.
Frau Möller, dann gilt das, was ich gesagt habe. Die
Arbeitsagenturen und die Arbeitsgemeinschaften befinden sich schrittweise in einem Benchmarkingverfahren,
wie man das nennt. Das heißt, dass der Eingliederungserfolg und die Aufwendungen überprüft werden und dies
im Vergleich mit anderen bewertet wird.
Wenn Ihnen derartige Fälle bekannt sind, dann bleiben diese ja nicht verborgen. Wenn es so ist, wie Sie es
sagen, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn wir konkret
darüber sprechen würden. Dann könnte man mit den Betroffenen und den Beteiligten vor Ort konkret darüber
sprechen und möglicherweise in dem Sinne, wie ich es
gerade dargestellt habe, nämlich was die weiteren Zuweisungen angeht, Abhilfe schaffen.
Denn wir müssen deutlich sehen: Wir wollen den Menschen einen bedarfsdeckenden Betrag für ihren Unterhalt
geben. Wir übernehmen die Kosten für Unterkunft und
Heizung. Wir geben sehr viele finanzielle Mittel für die
Integration aus. Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrung dadurch, dass in den Betrieben Mitarbeiter über eine
öffentliche Finanzierung sozusagen im Rotationsverfahren dazu beitragen, dass es zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen kommt. Das kann nicht sein; das sage ich
Ihnen ganz deutlich zu.
Deswegen sollte man sich konkret über diese Fälle
unterhalten und dem im Einzelfall auch wirklich nachgehen. Es darf aber nicht der Eindruck vermittelt werden,
als wäre das in Nord und Süd bzw. Ost und West tagtäglich der Fall. Wir leben in einem großen Land. Missbrauch wird es auf der einen oder anderen Seite immer
geben. Dieses Problem können wir nur angehen, wenn
wir konkret darüber sprechen.
Die Frage 49 wird schriftlich beantwortet.
Dann kommen wir zur Frage 50 des Kollegen Markus
Kurth:
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die
Bundesagentur für Arbeit nach eigenem Bekunden die Erteilung von Zuschlägen für Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen nicht davon abhängig machen will, ob die Bieter ihren Angestellten am Tarif des öffentlichen Dienstes orientierte
Gehälter zahlen?
Die Bundesagentur für Arbeit ist als Körperschaft des
öffentlichen Rechts öffentlicher Auftraggeber im Sinne
des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Ähnlich wie bei der Fragestellung eben kann ich feststellen,
dass sie damit an die nationalen und EU-rechtlichen Bestimmungen gebunden ist. Das Gleiche gilt für die Vergabeverordnung und die darauf beruhende Verdingungsverordnung.
Die öffentliche Ausschreibung dient dem Zweck, im
Sinne des Wettbewerbs das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund gibt es verschiedene Kriterien, die zur Wertung herangezogen werden, wobei der Preis sich natürlich auch aus den
gezahlten Gehältern ergibt. Eine starre Festlegung der
Gehälter auf das Niveau des öffentlichen Dienstes als
Ausschlusskriterium würde bei einer Ausschreibung
eine stark wettbewerbsverzerrende und damit unzulässige Wirkung haben.
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass Trainingsmaßnahmen zwar zu den Arbeitsmarktdienstleistungen gehören, die im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen vergeben werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die
Förderung der beruflichen Weiterbildung nach SGB III
wird dem Arbeitnehmer jedoch durch einen Bildungsgutschein bescheinigt. Der Arbeitnehmer wählt dann den
Träger der Bildungsmaßnahme eigenverantwortlich aus.
Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung werden deshalb nicht durch öffentliche Ausschreibungen vergeben.
Zusatzfrage, bitte.
Beabsichtigt die Bundesregierung, Änderungen am
Vergaberecht vorzunehmen? Denn das gegenwärtige
Vergaberecht, das Grundlage für das ist, was Sie gerade
geschildert haben, ist nicht auf die Ausschreibung von
Dienstleistungen, die am Menschen erbracht werden,
ausgerichtet. Nach dem vorliegenden Vergaberecht und
der Vergabeformel, nach der die Preise ermittelt werden,
werden vielmehr Bleistifte oder Papierstapel beschafft.
Die neue EU-Vergaberechtsrichtlinie, die ja von der
Bundesregierung noch nicht umgesetzt worden ist, eröffnet in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von
Möglichkeiten, unter anderem auch die Berücksichtigung von sozialen Kriterien. Gibt es in Ihrem Haus
Überlegungen dahin gehend, im Rahmen der anstehenden Reform das Vergaberecht so zu ändern, dass dieser
spezielle Bereich von Dienstleistungen adäquat derart
abgebildet werden kann, dass auch die Lohnhöhe als Zuschlagskriterium mit einfließt?
Von der Praxis und der Erfahrung her, Herr Kollege
Kurth, glaube ich, dass die Beschreibung der Lohnhöhe
in einem Ausschreibungsverfahren juristisch wahrscheinlich sehr kritisch einzuschätzen sein würde. Wir
haben uns - das ist für unser Haus der zentrale Aspekt sehr stark darauf konzentriert, bei den Ausschreibungsbedingungen auf die Qualitätssicherung zu achten. Wir
wollen also ein relativ hohes Qualitätsniveau abfordern
und gleichzeitig die Einbindung der regionalen Entscheidungsträger, sprich: der örtlichen Arbeitsagenturen oder
der Leistungszentren der Arbeitsgemeinschaften, an dieser Stelle stärken, weil ich glaube, dass es sehr darauf
ankommt, dass diejenigen, die in den Bildungseinrichtungen arbeiten, mit dem örtlichen Wirtschaftsbereich
verzahnt sind. Denn am Ende geht es darum, über Maßnahmen, von denen wir gerade gesprochen haben, Menschen zu vermitteln, persönliche Kontakte wahrzunehmen, sie bei diesem Prozess auch zu begleiten. Vor
diesem Hintergrund glaube ich, dass wir mit den Erfahrungen der Vergangenheit in diesem Jahr an dieser Stelle
einen Schritt nach vorn machen werden.
Was die Überarbeitung des Vergaberechts angeht, so
wissen Sie, wie die Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Ministerien der Bundesregierung geregelt sind.
Diese Frage berührt im Wesentlichen das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Trotzdem könnten Sie sich natürlich gegenüber dem
Wirtschaftsministerium entsprechend einbringen.
Ich habe noch eine Zusatzfrage zur Datengrundlage
insgesamt. Sie haben sich ja vorhin bei der Antwort auf
die Frage von Frau Haßelmann so eingelassen, dass Sie
sagten, es fehlen die entsprechenden Grundlagen. Haben
Sie vonseiten der Bundesregierung denn vor, sich die
Entlohnungsstruktur insbesondere im Bereich von Qualifizierungsmaßnahmen, die durch die BA in Auftrag gegeben werden, anzusehen und sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Gehälter gezahlt werden,
um auf der Basis einer solchen Datengrundlage abzuschätzen, ob eventuell nicht doch Änderungen im Vergaberecht oder in der Vergabepraxis notwendig sind?
Sie weisen zu Recht darauf hin, dass es hier um Menschen und nicht darum geht, irgendwelche Bürogegenstände oder technischen Anlagen einzukaufen. Von daher müssen wir uns mit dieser Thematik sehr ernsthaft
befassen. Aber das, was Sie ansprechen, würde einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern; es würde eine
Offenlegung der privatrechtlich zwischen dem einzelnen
Arbeitnehmer und dem jeweiligen Arbeitgeber vereinbarten Entlohnungsbedingungen erforderlich machen.
Solange das nicht von den Betroffenen an uns herangetragen wird, würden wir sehr schnell erhebliche datenschutzrechtliche Probleme bekommen. Man wird sich
politisch nur mit dem jeweiligen Einzelfall auseinander
setzen können. Es bleibt das Recht der Tarifvertragsparteien genauso wie der Betriebspartner, entsprechende
Vereinbarungen zu treffen. Ich glaube nicht, dass an dieser Stelle die Bundesagentur für Arbeit oder andere, die
Aufträge vergeben, Lohnhöhen werden vorschreiben
können.
Ich rufe die Frage 51 des Kollegen Kurth auf:
In welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung ihren
Einfluss auf die BA geltend zu machen, um im laufenden
Ausschreibungsverfahren sicherzustellen, dass nicht länger
nur der Preis, sondern auch die Qualität der Erbringung von
Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik bestimmend für
die Vergabe ist?
Die Bundesagentur für Arbeit führt ihre Aufgaben als
Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung eigenverantwortlich durch. Dazu gehört, dass sie
Arbeitsmarktdienstleistungen als öffentlicher Auftraggeber unter Beachtung des Vergaberechts eigenverantwortlich ausschreibt und einkauft. Unser Ministerium für Arbeit und Soziales führt lediglich die Rechtsaufsicht, die
sich darauf erstreckt, dass Gesetze und sonstiges Recht
beachtet werden. Die Bundesregierung kann keinen Einfluss auf laufende Vergabeverfahren seitens der Bundesagentur für Arbeit nehmen.
Im Übrigen - auch das muss ich sagen - sind Verstöße der Bundesagentur für Arbeit gegen das Vergaberecht nicht bekannt.
Haben Sie eine Zusatzfrage?
Ja. - Es geht nicht nur um Verstöße gegen das Vergaberecht; vielmehr geht es um die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots und die Frage, wie dabei Qualität und Preis gewichtet werden. Ich frage: Beabsichtigt
die Bundesregierung, über den Verwaltungsrat Einfluss
dahin gehend zu nehmen, dass die Qualitätskriterien genügend berücksichtigt werden? Im Moment schaffen fast
90 Prozent der Gebote - so sind meine Informationen die maximale Punktzahl bei den Qualitätskriterien. Das
kann also kein Selektionskriterium sein; also landet man
wieder beim Preis. Hat die Bundesregierung vor, sich
über den Verwaltungsrat vorab über das System informieren zu lassen und Einfluss zu nehmen?
Herr Kollege Kurth, bereits im Jahr 2005 hat der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit aufgrund der Kritiken die Vergabepraxis den Einkaufzielen angepasst. Es
gibt jetzt eine viel stärkere Berücksichtigung der Qualität bei der Bewertung von Angeboten. Zielsetzung ist es,
die Arbeitsmarktdienstleistung nach einheitlichen Standards qualitativ hochwertig und wirtschaftlich einzukaufen und nicht lediglich die Kosten für die Dienstleistung
zu senken.
Ich erläutere Ihnen gern die Konzeption der Qualitätssicherung, die drei Phasen vorsieht. Der erste Komplex
beinhaltet eine Leistungsbeschreibung. Zunächst wird
eine Losbildung, in der Regel innerhalb eines Agenturbezirkes, vorgenommen. Die Leistungsbeschreibungen
werden in so genannten Expertenzirkeln unter Beteiligung von Mitarbeitern der Agentur für Arbeit, der Regionaldirektionen, der Arbeitsgemeinschaften und des
Zentralbereichs „Produkte und Programme“ erstellt. Bereits in die Leistungsbeschreibungen fließen verstärkt
Qualitätsaspekte wie Personalschlüssel der Träger, Erfolgsbeobachtung von Maßnahmen, Vernetzung und
Kenntnisse der Träger im örtlichen Arbeitsmarkt ein.
Zur Qualitätssicherung trägt ebenso eine Verkleinerung
der Lose bei.
Der zweite Komplex ist die Angebotsbewertung. Vertreter der betroffenen Agenturen für Arbeit führen die
fachliche Bewertung der Angebote durch. Soweit die
Angebote die in der Leistungsbeschreibung genannten
Qualitätskriterien erfüllen, verbleiben sie in der weiteren
Wertung, wenn bei den fachlichen Einzelkriterien Mindestpunkte bzw. insgesamt eine Mindestpunktzahl erreicht wurden. Erhebliche Mängel in einzelnen Wertungsbereichen eines Konzeptes können zum Ausschluss
eines Angebotes führen. Auch Konzepte, die nicht mehr
als 50 Prozent der maximal möglichen Leistungspunkte
erzielen, werden von der weiteren Bewertung ausgeschlossen.
Daraus folgt, dass in der abschließenden Prüfung der
Wirtschaftlichkeit nur noch solche Anbieter verbleiben,
die qualitativ gute Angebote abgegeben haben. Der Zuschlag wird nach einer bestimmten Formel erteilt. Im
ersten Schritt wird die Kennzahl für das Preis-LeistungsVerhältnis ermittelt. Die erzielten Punkte und der Preis
des Angebotes werden in ein bestimmtes Verhältnis zueinander gesetzt und auf diese Weise wird ein Ranking
ermittelt.
Im zweiten Schritt wird ein Kennzahlkorridor gebildet, der sich aus der Kennzahl des führenden Angebotes
minus zehn ergibt.
Im dritten Schritt werden alle Angebote ermittelt, die
innerhalb dieses Korridors liegen. Diese Angebote werden zunächst als gleichberechtigt betrachtet. Entscheidungskriterium innerhalb dieser Gruppe ist die höchste
Leistungspunktzahl, die in einzelnen besonders wichtigen Wertungsbereichen erzielt worden ist, und nicht der
Preis.
Der nach dieser Vorgehensweise ermittelte wirtschaftlichste Anbieter erhält den Zuschlag. Der finanzielle Gesichtspunkt ist folglich ein wichtiges, aber keinesfalls
das vorrangige Vergabekriterium.
Hinzu kommt, dass für den dritten Komplex der Vertragsdurchführung, für die Qualitätssicherung der Arbeitsmarktdienstleistungen, in erster Linie die Agentur
für Arbeit als Abnehmer der Leistung zuständig ist. Sie
ist Ansprechpartner für Beschwerden von Bietern und
Teilnehmern. Kann die Agentur für Arbeit eine Vertragsstörung nicht beseitigen, wird das Vertragsmanagement
des regionalen Einkaufszentrums eingeschaltet. Von dort
können vertragliche Konsequenzen wie Vertragsstrafen
und Kündigungen eingeleitet werden.
Ich schildere das so ausführlich, weil ein Veränderungsprozess - auf einen solchen zielte auch Ihre kritische Frage - auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen stattgefunden hat. Wir sind auf dem richtigen
Weg. Das Qualitätskriterium hat einen sehr hohen Anteil
bei der Ermittlung der Angebotsstrukturen und der Preis
ist nicht das allein Entscheidende. Ganz im Gegenteil:
Die regionale Arbeitsagentur vor Ort wird sogar noch
viel stärker in den Prozess eingebunden, als das vorher
der Fall war. Damit besteht viel eher die Möglichkeit,
auftretende kritische Fragen vor Ort differenziert zu beantworten.
Wir sind zeitlich am Ende der Fragestunde. Herr
Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der
Fragen.
Die Fragen 52 und 53 des Kollegen Rohde werden
schriftlich beantwortet.
Wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 9. März 2006,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.