Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/8/2006

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie herzlich. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Rentenpolitik der Bundesregierung. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering. Bitte schön, Herr Minister.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute im Kabinett den Rentenversicherungsbericht 2005, den Alterssicherungsbericht 2005 und den Bericht zum Stand der Altersversorgung in der Landwirtschaft behandelt und verabschiedet. Diese Berichte wären eigentlich zum November vergangenen Jahres fällig gewesen. Wir haben damals darum gebeten, sie später abgeben zu dürfen, weil sich die Regierung im Stadium ihrer Bildung befand. Zudem haben wir in der Zwischenzeit eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen auf diesem Gebiet beschlossen. Ich habe gestern das Gutachten des Sozialbeirates zum Rentenversicherungsbericht bekommen und es dem Kabinett heute vorgelegt. Der Sozialbeirat hat mir gestern in Person seines Vorsitzenden Professor Rürup mitgeteilt, dass er dem Rentenversicherungsbericht zustimmt. Natürlich werden zu einzelnen Punkten Anmerkungen gemacht, die uns Anregungen für die Zukunft geben, aber insgesamt gibt es Zustimmung. Mit dem Rentenversicherungsbericht verband sich heute der Beschluss zu zwei Eckpunkten. Zum einen werden die 1-Euro-Jobs in Zukunft nicht mehr in die Referenzsumme, also in die Lohnsumme, die die Grundlage für die Entwicklung der Renten ist, einbezogen. Zum anderen werden wir die vorgesehene Dämpfung der Renten, die wir in diesem Jahr nicht durchführen, nachholen, aber nicht vor 2010. Wir haben das für 2012 und die Folgejahre in den Rentenversicherungsbericht modellhaft einbezogen, da diese Rechnung im Bericht dargestellt werden muss. Wir sind davon ausgegangen, dass sich - wie am 1. Februar 2006 im Kabinett beschlossen - das Renteneintrittsalter ab 2012 bis zum Jahr 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre erhöht, dass aber diejenigen, die 45 Versicherungsjahre vorweisen können und 65 Jahre alt sind, ihre Rente ohne jeden Abschlag erhalten. Insgesamt bedeutet dies, dass sich das faktische Renteneintrittsalter, das bisher zwischen 60 und 65 Jahren lag, bis zum Jahr 2029 auf ein Alter zwischen 63 und 67 Jahren entwickeln wird. Parallel dazu wird es die Initiative „50 plus“ geben. Damit wollen wir vonseiten der Politik unterstützen, dass die Menschen länger im Erwerbsleben bleiben, und verhindern, dass sie mit zum Beispiel 55 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen. 58 Prozent der über 55-Jährigen sind nicht mehr berufstätig; das ist hochproblematisch. In Skandinavien und in anderen Ländern ist das ganz anders. Wir müssen an dieser Stelle besser werden. Das Gesetz zur Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre und Vorschläge zur Initiative „50 plus“ werden Mitte dieses Jahres vorliegen. Jetzt geht es nur um den Bericht, also um die Ankündigung der Maßnahmen. Die Debatte dazu hat ja bereits begonnen. Wir sind im Bericht davon ausgegangen, dass es in diesem Jahr keine Rentenkürzung geben wird, ganz gleich, wie die Referenzsummen der Jahre 2004 und 2005 letztlich sein werden. Der entsprechende Gesetzentwurf ist eingebracht; wir werden darüber in den nächsten Wochen zu beschließen haben. Der Rentenversicherungsbeitrag wird zum 1. Januar nächsten Jahres von 19,5 auf 19,9 Prozent angehoben. In dieser Höhe bleibt er für den Verlauf dieser Legislaturperiode. In den Rentengesetzen steht, dass er bis zum Jahr 2020 nicht über 20 Prozent hinaus wachsen soll. Wir sind sicher, dass man das erreichen kann. Redetext Wir haben auch vereinbart, dass die Dynamik des Anstiegs des Bundeszuschusses für die Rentenversicherung gebrochen wird. Über die letzten zehn Jahre gab es eine Steigerung von etwa 6 Prozent. Sie wird deutlich moderater ausfallen. Wir rechnen damit, dass der Bundeszuschuss für die Rentenversicherung in den kommenden vier, fünf Jahren im Schnitt um 1 Prozentpunkt pro Jahr steigen wird. Was die Entwicklung der Höhe des Beitragssatzes und die Sicherung des Beitragssatzniveaus angeht, können wir uns also aufgrund der Aussagen des Rentenversicherungsberichts für die nächsten Jahre und auch für die Zeit bis 2019 sicher fühlen. Der Alterssicherungsbericht geht über das Thema der gesetzlichen Rentenversicherung hinaus. In ihm wird der Gesamtzusammenhang dargestellt und deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass neben der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzlich Altersvorsorge betrieben wird. Ich nenne als Stichworte die Riester-Rente und die betriebliche Vorsorge. In beiden Bereichen sind wir auf einem guten Weg. Wir wissen aber, dass noch Verbesserungen durchzuführen sind. Die Koalition hat sich zum Beispiel vorgenommen, im Jahre 2008 den Kinderzuschlag im Rahmen der Riester-Rente zu erhöhen. Insbesondere bei der ergänzenden Vorsorge müssen wir noch stärker als bisher die Familien- und Kinderkomponente berücksichtigen. Unterm Strich kann ich Ihnen sagen: Die Struktur der gesetzlichen Rentenversicherung steht; hier muss nicht mehr viel verändert werden. Das gilt für die Wegstrecke, die wir gegenwärtig überblicken können. Wir müssen aber dafür werben, dass stärker als bisher ergänzende Vorsorge betrieben wird, dass also die Riester-Rente, die betriebliche Vorsorge oder andere Vorsorgemöglichkeiten in größerem Umfang genutzt werden. Wenn uns das gelingt, wird das Rentenniveau auch in Zukunft angemessen sein und den Lebensstandard der Rentnerinnen und Rentner langfristig sichern. Natürlich ist dies von der Entwicklung des Wohlstands, von der Prosperität insgesamt abhängig. Alle Wohlstandsgewinne, die wir zu verzeichnen haben, werden sich auch positiv auf den Bereich der Alterssicherung auswirken.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank, Herr Minister. Gibt es Zusatzfragen zu dem vorgetragenen Bericht? - Zunächst der Kollege Brauksiepe, dann Frau Schewe-Gerigk.

Dr. Ralf Brauksiepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Minister. Der vorliegende Bericht ist von vielen - von einigen, wie ich finde, mit künstlicher Aufgeregtheit - lange erwartet worden. Sie haben darauf hingewiesen, dass er dieses Mal ausnahmsweise zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt wurde. Können Sie erläutern, welche für die zu behandelnden Fragen wichtigen Daten uns verloren gegangen wären bzw. im Bericht nicht hätten berücksichtigt werden können, wenn er bereits zum 30. November letzten Jahres vorgelegt worden wäre? ({0})

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Wir sind verpflichtet, im November eines jeden Jahres den Rentenversicherungsbericht und einmal pro Legislaturperiode den Alterssicherungsbericht und den Bericht über den Stand der Alterssicherung bei Landwirten einzubringen. Im November vergangenen Jahres haben wir das Parlament gebeten, diese Berichte später vorlegen zu dürfen, um die Entscheidungen der Bundesregierung mit einbeziehen zu können. Ansonsten hätte zum Beispiel unser Beschluss zur Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre keinen Eingang in den Bericht gefunden. Das gilt auch für andere Entscheidungen, die wir getroffen haben. Auch die Eckpunkte, die in den letzten Tagen festgelegt worden sind, hätten nicht einbezogen werden können. Es war allerdings wichtig, diese Aspekte zu berücksichtigen. Darüber hinaus mussten wir auch die Lohn- und Gehaltsentwicklung in diesem Jahr besser einschätzen können. Jetzt haben wir sicherlich ein höheres Maß an Realismus erreicht, als es im November letzten Jahres hätte der Fall sein können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Maurer, die Verteilung von Blumen während einer Plenarsitzung gehört zu den sympathischeren Innovationen unseres Geschäftsbetriebes. Ihre Auswahl ist allerdings erklärungsbedürftig. Dass ausgerechnet das Präsidium davon ausgeschlossen bleibt, finde ich außerordentlich bedauerlich. ({0}) Als Nächste hat sich die Kollegin Schewe-Gerigk zu Wort gemeldet.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, vielen Dank für Ihren Vortrag. Ich habe noch eine Frage zum Nachholfaktor. Im vorliegenden Bericht wird davon ausgegangen, dass bisher nicht realisierte Dämpfungen in Höhe von 2 Prozent in fünf Schritten - fünfmal 0,4 Prozentpunkte - vorgesehen sind. Dass sind aber die 2 Prozent, die schon jetzt nicht umgesetzt worden sind. Kann man denn davon ausgehen, dass künftige Dämpfungen realisiert werden? Ich würde gerne wissen, in welchen Abständen diese Dämpfungen erfolgen sollen oder ob Sie nur diese 2 Prozent ausgleichen wollen.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Wir haben heute in den Eckpunkten festgehalten, dass diese Dämpfungen nachgeholt werden, allerdings nicht vor dem Jahr 2010. Da wir diesen Vorgang natürlich in den Bericht einfließen lassen mussten, haben wir dies ab dem Jahr 2012 vorgesehen, und zwar innerhalb von fünf Jahren. Das ist aber modellhaft. Die Dämpfungen müssen nicht unbedingt genau zu diesem Zeitpunkt nachgeholt werden. Das hängt von der Möglichkeit ab, wann das zu realisieren ist, von dem Anstieg der Renten. Das Jahr 2012 bietet sich an, weil dann der Riester-Faktor nicht mehr wirkt. Sie wissen, dass mit dem Ansparen im Rahmen der Riester-Rente bis zum Jahre 2011 automatisch eine Dämpfung des Rentenanstiegs um 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte unterhalb der Lohnentwicklung verbunden ist. Ab 2012 stellt sich die Situation wieder günstiger dar, weil es diesen Abstrich dann nicht mehr gibt. Das sprach dafür, im Bericht das Jahr 2012 als Zeitpunkt aufzunehmen. Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren sein wird, kann man heute nicht wissen. Die Entscheidung der Bundesregierung ist, die Dämpfung nachzuholen. Das ist auch zu verantworten, weil die nachwachsende Generation sonst zusätzlich zahlen müsste. Wir haben aber aufgrund der Ausgangslage die Hoffnung - und wir waren sehr vorsichtig bei der Ansetzung von Lohnerhöhungen und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt -, in den nächsten Jahren keine Negativentwicklung mehr zu haben und somit ohne zusätzliche Dämpfung durch die nächsten Jahre zu kommen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Müntefering, in der öffentlichen Debatte - „Vordebatte“ müsste man eigentlich sagen - über den Rentenversicherungsbericht ist ausschließlich die gesetzliche Rente im Blickpunkt gewesen. Zum Teil sind bösartige Bemerkungen gemacht worden wie die Aussage, die Rente würde zur Schrumpfrente. Nun ist es auch Aufgabe des Alterssicherungsberichts, den das Bundeskabinett heute beraten hat, darzustellen, wie das Gesamtversorgungsniveau der älteren Generation in Zukunft aussehen wird. Könnten Sie einmal darauf eingehen - unter Einschluss der weiteren Elemente der Altersversorgung, der privaten und der betrieblichen, sowie der Einkommensentwicklung insgesamt -, wie sich das Gesamtsicherungsniveau der älteren Generation in den kommenden Jahren entwickeln wird?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Ich will zunächst etwas zu dem Begriff der Schrumpfrente sagen. Dieser Begriff ist entstanden durch den Vergleich dessen, was 1995 als Rentenniveau für 2009 prognostiziert worden ist, mit der heutigen Situation. Damals sind die Löhne und Gehälter für das Jahr 2009 um 21 Prozent höher eingeschätzt worden, als man es jetzt tut. Entsprechend ist man auch davon ausgegangen, dass die Renten um 21 Prozent höher liegen, als dies heute für 2009 prognostiziert wird. Das zeigt nur noch einmal die enge Verbindung zwischen der Entwicklung der Einkünfte der Aktiven und dem, was als Rente ausgezahlt werden kann. Man kann für diese Prognose niemandem einen Vorwurf machen. Eine Prognose ist schwierig, weil man schätzen muss, wie sich die Lohnsumme, wie sich die Zahl der Beschäftigten, insbesondere der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, in den nächsten Jahren entwickeln wird. Dabei muss man bedenken, dass zum Beispiel für Minijobs nur begrenzt in die Sozialversicherungskassen eingezahlt wird. Überhaupt haben wir viel Arbeit, die nicht sozialversicherungspflichtig ist. Das reduziert natürlich die Einnahmen der Sozialversicherungskassen. Sie möchten mit Ihrer Frage einen Blick nach vorne werfen. Wenn wir uns anschauen, was die gesetzliche Rentenversicherung leisten kann, dann müssen wir feststellen, dass das auf lange Sicht gesehen weniger ist als in der Vergangenheit. Aber es gibt im Alterssicherungsbericht sehr detaillierte Rechnungen, aus denen hervorgeht, dass bei normaler Entwicklung der Dinge - selbst bei vorsichtigen Annahmen über die Entwicklung der Prosperität - und unter Einbeziehung der Riester-Rente das Sicherungsniveau der Rentnerinnen und Rentner langfristig dem der heutigen Rentnergeneration entsprechen wird. Die Situation der Rentner hängt immer entscheidend davon ab, wie sich unser Wohlstand mehrt und wie es bei den Aktiven aussieht. Aus dem Alterssicherungsbericht, aus den 400 Seiten und den vielen Tabellen geht hervor: Es muss keiner Angst haben, was seine Perspektive angeht. Aber jeder muss wissen, dass er zusätzlich privat vorsorgen muss. Ich sehe es als eine Aufgabe der Koalition an, in dieser Legislaturperiode noch einmal ganz besonders dafür zu werben, neben der gesetzlichen Rentenversicherung die Riester-Rente, betriebliche Renten oder andere Formen der Vorsorge verstärkt zu nutzen. Ich habe schon angedeutet, dass wir die private Vorsorge durch die Verstärkung von Familiengesichtspunkten, ob es nun um Kinderzuschlag oder die Förderung von Wohneigentum geht, vorantreiben. Die Menschen müssen also keine Sorge haben, was ihre Perspektive für die nächsten Jahrzehnte angeht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, der Rentenversicherungsbericht ist den Kabinettskollegen mit einem Begleitschreiben zugeleitet worden. Sind Berichte zutreffend, dass Sie in diesem Schreiben angekündigt haben, dass es vor 2009 keine Rentenerhöhungen mehr geben soll? Sie haben dies heute im Morgenmagazin für die Jahre 2006 und 2007 bestätigt. Ist es also entsprechend diesem Schreiben zutreffend, dass seitens der Bundesregierung auch für das Jahr 2008 keine Rentenerhöhung vorgesehen ist?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Da Sie zur Zeit der Ausstrahlung des Morgenmagazins schon wach gewesen sind und gearbeitet haben - das ist für die Menschen auf der Tribüne vielleicht auch einmal wichtig - ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Minister, wenn uns die Mitglieder der Bundesregierung ihre Fernsehauftritte rechtzeitig mitteilten, würden die Abgeordneten den Zeitpunkt ihres Aufstehens selbstverständlich danach ausrichten. ({0}) Wir erhalten aber nur unzulängliche Informationen. ({1})

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Herr Präsident, ich könnte Ihnen meinen Tagesplan zur Verfügung stellen. Wir könnten ja einmal schauen, was letztlich dabei herauskommt. Heute Morgen habe ich deutlich gemacht, dass wir im Augenblick nur für das Jahr 2006 reagieren können. Für das Jahr 2006 beschließen wir, beschließt die Koalition, dass die Renten nicht gesenkt werden. Was in den nächsten Jahren sein wird, kann man heute noch nicht definitiv sagen, weil die Referenzzahlen immer die Lohnsummen der beiden vorhergehenden Jahre sind. Die Zahlen der Jahre 2004 und 2005 werden im Ergebnis im Juni dieses Jahres vorliegen und wahrscheinlich zu der Erkenntnis führen, dass die Renten eigentlich gesenkt werden müssten, und zwar über die Dämpfung des RiesterFaktors hinaus. Wenn die Einkommen aufgrund der Entwicklung so niedrig sind, dass die Rentenanpassung unter die Nulllinie gedrückt wird, müsste man die Renten senken, es sei denn, man verhindert das per Gesetz. Genau das wollen wir tun. Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren sein wird, kann man nicht genau sagen. Man kann vermuten, dass es im Jahre 2007 keine Erhöhung geben wird, weil das Jahr 2005, das ein schlechtes Jahr war, und das Jahr 2006, das hoffentlich besser wird, schon eine gewisse Perspektive erkennen lassen. Wie das in den Jahren 2008 und 2009 sein wird, kann man aus heutiger Sicht noch nicht sagen; ich habe dazu auch nichts angekündigt. All die Schlaumeier, die schon jetzt prognostizieren, dass sich bei den Renten bis zum Jahre 2016 nichts verändern wird, bewegen sich im Nebel. Das kann man vermuten oder auch nicht. Letztlich hängt es davon ab, wie sich die Löhne und Gehälter entwickeln und wie viele zusätzliche Mittel den Sozialversicherungskassen aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt zufließen. Wenn man sich die Rentenversicherungssystematik insgesamt anschaut, weiß man: Das Wichtigste, das man tun kann, ist, für Bildung, Qualifizierung und Arbeit zu sorgen. Dann wird die Entwicklung in den nächsten Jahren positiv sein. - Genauer kann man es nicht sagen. Im Rentenversicherungsbericht wird ein ziemlich präzises Bild für die nächsten zwei, drei Jahre vermittelt. Die spätere Entwicklung hängt davon ab, wie sich die Arbeitslosigkeit und die Löhne entwickeln werden. Was wir für dieses Jahr unterstellt haben, ist bescheiden. Wir haben unterstellt, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 0,2 Prozent sinkt und dass die Löhne um 0,7 Prozent steigen. Das ist deutlich zurückhaltender, als das in früheren Berichten der Fall gewesen ist. Wenn Sie so wollen, sind wir an dieser Stelle jetzt und auch für die kommenden Jahre ein wenig auf Nummer sicher gegangen. Deshalb denke ich, dass wir um die Jahrzehntwende auf jeden Fall auch im Rentenbereich wieder Steigerungen haben werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Kolb, ich nehme Ihren Namen gerne wieder auf die Liste. Nach unseren Regeln muss ich aber in der Reihenfolge der Wortmeldungen vorgehen. Nächster ist der Kollege Meckelburg.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich habe eine Frage zur so genannten Riester-Rente. Immer wieder gibt es den Hinweis, dass dieses Instrument nur von den Besserverdienenden genutzt wird. Gibt es im Rentenbericht Hinweise darauf, dass dies stimmt? Falls es stimmen sollte: Was muss man tun, damit es vor allem von denen genutzt wird, die diese Rente im Alter dringend brauchen?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Herr Kollege, es ist nicht so einseitig, wie es allgemein vermutet wird. Ich will es einmal so sagen: Die Menschen in den unteren Einkommensgruppen, die oft gebrochene Lebensarbeitsbiografien haben, bräuchten dieses Instrument natürlich ganz besonders dringend. Insofern müssen wir an dieser Stelle dafür werben, dass dies komplett wahrgenommen wird. Bis jetzt sparen 5,6 Millionen Menschen im Rahmen der Riester-Rente. Vor einem Jahr waren es noch 1,5 Millionen. Bis zum Jahre 2008 steigt die Zahl weiter an. Im Übrigen - ich sage das noch einmal - wollen wir sie durch familienfreundliche Komponenten noch attraktiver machen. Es muss in Deutschland selbstverständlich werden, dass jemand in jungen Jahren anfängt, für seine eigene Alterssicherung zu sparen. Das muss zu einem gewissen System werden. In Baden-Württemberg und im Sauerland kennt man aus vergangenen Zeiten den Brauch, dass man zur Erstkommunion, zur Konfirmation oder spätestens zum Schulabschluss einen Bausparvertrag geschenkt bekam. ({0}) Das war ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich sollte es heute sein, wenn man in den Beruf einsteigt, einen Vertrag über eine zusätzliche Rente abzuschließen; das kann eine Riester-Rente oder eine betriebliche Rente sein. Das muss zur Selbstverständlichkeit werden und darf keine Ausnahme bleiben. Das ganze System wird nur tragen, wenn die gesetzliche Rente um den Teil des persönlichen Vorsparens ergänzt wird. Das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. Die jüngere Generation kann das nicht alleine tragen. Ansonsten würde sie durch ihre eigene Vorsorge und das, was sie für die aktuelle Rentnergeneration zu zahlen hat, zu stark belastet. Unter diesem GeBundesminister Franz Müntefering sichtspunkt müssen wir für die zusätzliche Vorsorge werben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, auch ich habe Fragen zur Riester-Förderung. Bis jetzt gibt es - Sie haben es gerade ausgeführt - 5,6 Millionen Verträge für die Riester-Rente. Diese Zahl darf uns aber nicht beruhigen, weil auf diesem Gebiet 20 Millionen Verträge abgeschlossen werden könnten. Die Möglichkeit einer Zusatzrente haben die Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend in Anspruch genommen. Besonders für die jüngere Generation - da stimme ich Ihnen vollkommen zu - wäre es aber wichtig, zu Beginn des Berufslebens einen Vertrag für eine Riester-Rente abzuschließen. Besteht aber nicht möglicherweise gerade für die ganz junge Generation ein Hemmnis, einen solchen Vertrag abzuschließen, weil die Familien- bzw. die Lebensplanung noch nicht abgeschlossen ist? Wäre es nicht vielleicht vernünftig, die Regelungen zur Verwendungsart der Kapitalanlagen etwas zu lockern? Zurzeit besteht die Vorschrift, dass das Geld nur beim Eintritt in die Rente ab dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden kann. Da das Wohnen in den eigenen vier Wänden ein wichtiger Gesichtspunkt ist, um im Alter mietfrei zu wohnen, wäre es für junge oder ganz junge Familien möglicherweise sinnvoll, wenn die Verträge dahin gehend geöffnet würden, das angesparte Kapital bei Erwerb einer Eigentumswohnung oder bei Errichtung eines Einfamilienhauses zum Einsatz bringen zu können. Müsste man nicht, um im Alter mietfreies Wohnen zu gewährleisten, neue Vertragsformen finden bzw. entsprechende Möglichkeiten gerade bei der Riester-Ansparung eröffnen?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Der Ausgangspunkt ist klar: Man weiß nicht, wie die Lebens- und Arbeitsbiografie sein wird. Eines aber ist ziemlich sicher: Älter wird man. Insofern lohnt es sich für jeden, eine zusätzliche private Versicherung abzuschließen. Wir in der Koalition haben uns außer dem Ansatz, die Riester-Rente familienfreundlicher zu gestalten, vorgenommen, auch zu prüfen, wie man sie stärker mit einer Förderung des selbst genutzten Wohneigentums bzw. des Wohneigentums insgesamt verbinden kann. Das ist bereits im Rahmen der Beratung über diese Förderung geprüft worden. Das Ergebnis war ein Kompromiss. Danach kann man sich von dem, was man angespart hat, eine gewisse Summe entleihen. Man kann einen günstigen Kredit aus dem Riester-Vertrag für die Schaffung von Wohneigentum bekommen, muss das Geld aber wieder zurückzahlen. Man kann also 10 000 oder 20 000 Euro entleihen, wenn man das Geld wieder einzahlt. Dies ist schon heute möglich. Über andere Möglichkeiten werden wir zu sprechen haben. Die Bundesregierung macht sich Gedanken dazu. Im Deutschen Bundestag werden wir im Verlauf dieses oder des nächsten Jahres darüber zu entscheiden haben, in welcher Weise wir diesem Gesichtspunkt, der Sinnhaftigkeit von selbst genutztem Wohneigentum fürs Alter, stärker Rechnung tragen können. Das kann eine wesentliche Hilfe sein. Allerdings muss die Rente in ihrer Konzeption erhalten bleiben. Das heißt: Was angespart wird und an Kapital vorhanden ist, muss für die Rente zur Verfügung stehen, damit diese anschließend ausgezahlt werden kann. Im Unterschied zu einer Versicherung, bei der das Kapital auf einen Schlag ausgezahlt wird, soll diese Rente unter dem Gesichtspunkt des Risikostrukturausgleichs demjenigen, der sehr alt wird, genauso seine Rente sichern wie demjenigen, der nicht so alt wird. Das ist das Typische einer Rente. Das lässt sich nicht ohne weiteres mit dem Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung verbinden. Dabei stellen sich einige Fragen: Kann man das Objekt verkaufen? Wird es vererbt? Wem genau gehört es? Wie kann man es für den Fortbestand der Rente sichern? - Diese Fragen sind kompliziert. Grundsätzlich ist die Frage, was man zur Förderung von selbst genutztem Wohneigentum als Alterssicherung tun kann, richtig. Damit werden wir uns in diesem und im nächsten Jahr beschäftigen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Schewe-Gerigk.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Sie haben die Rente mit 67 Jahren angesprochen. Diejenigen, die 45 Jahre durchgehend erwerbstätig waren, sollen ohne Abschläge schon früher in Rente gehen können. Wie sieht es allerdings mit denjenigen aus, die in den so genannten belasteten Berufen tätig sind? Wir haben seinerzeit darüber diskutiert, ob bestimmte Berufe ausgenommen werden sollen. Das wäre mit einem Kostenaufwand verbunden. Im Rentenversicherungsbericht habe ich dazu nichts gefunden. Kann ich daraus schließen, dass Sie die Debatte über Ausnahmeregelungen für Berufe, die mit bestimmten Belastungen verbunden sind, nicht weiterführen werden? Werden Sie die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder einführen? Welche Position vertreten Sie in diesen Fragen?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Ich sage es noch einmal: Hier handelt es sich um einen Bericht und nicht um einen Gesetzentwurf. Ich habe aber nicht vor, die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder zu beleben. Wir haben heute in Deutschland eine Erwerbsminderungsrente. In der Diskussion über die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 muss in der Tat auch über Rolle und Funktion der Erwerbsminderungsrente gesprochen werden. Ich halte es aber für nicht möglich, ganze Berufsgruppen oder -sparten von der Gesamtregelung auszunehmen. Die 45 Versicherungsjahre sind eine Konzession an die Tatsache, dass es - das gilt auch für die nächsten 20 Jahre - sehr ungleiche Lebens- und Arbeitsbiografien gibt. Manche Erwerbstätige, die sich dem Rentenalter nähern, sind schon mit 14 oder 15 Jahren ins Berufsleben eingetreten. Heute erfolgt der Eintritt ins Berufsleben im Durchschnitt mit 21 Jahren. Diejenigen, die zwischen dem 17. und 21. Lebensjahr ins Erwerbsleben eintreten - die Ausbildungszeit zählt dabei mit -, haben mit 65 Jahren 45 Versicherungsjahre erreicht. Die Regelung, wonach man nach 45 Versicherungsjahren in Rente gehen kann - das gilt auch für Berufe, die mit körperlichen Belastungen verbunden sind -, soll beibehalten werden. Das ist nicht unumstritten. Der Sozialbeirat hat bezweifelt, ob das sinnvoll ist. Ich glaube aber, dass diese Begünstigung vorläufig noch notwendig ist. 65-Jährige, die auf 45 Versicherungsjahre kommen, sollen eine Rente ohne Abschlag bekommen. Insgesamt verschieben wir den Korridor des Renteneintrittsalters. In den vergangenen Jahren reichte er von 60 bis 65 Jahre. In den letzten Jahren sind nur 33,5 Prozent der Männer mit 65 Jahren in Rente gegangen; bei vielen war das schon sehr viel früher der Fall. Wir werden diesen Korridor bis zum Jahr 2029 auf 63 bis 67 Jahre verschieben. Es ist klar, dass jemand, der einer besonderen Belastung ausgesetzt oder behindert ist, schon vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter seine Invalidität oder Teilinvalidität anerkennen lassen kann. Das ist aber bereits möglich. Sehr viele gehen schon früher in den Ruhestand; nicht wenige machen dabei Erwerbsminderung geltend. Das bleibt auch so. Hier ist aber eine Einzelfallprüfung notwendig. Es kann keine pauschale Regelung für bestimmte Berufsgruppen gelten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Connemann.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben deutlich gemacht, dass eine Altersvorsorge, die auf verschiedenen Standbeinen beruht, selbstverständlich werden muss. Sie haben insbesondere das Erfordernis der privaten Altersvorsorge angesprochen. Dazu gehört auch die betriebliche Altersvorsorge. Können Sie Angaben dazu machen, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurzeit Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge haben, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat und welche Entwicklung die Bundesregierung für die kommenden Jahre erwartet?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Meines Wissens haben inzwischen 15,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge. Wenn man den öffentlichen Dienst einbezieht, sind es etwa 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Es hat in den letzten Jahren eine ziemlich rasante Entwicklung gegeben, die sich auch in den Tarifverhandlungen niedergeschlagen hat. Dass wir auf diese Entwicklung bereits jetzt - rechtzeitig vor dem Jahre 2012 - eingehen, ist eine Einladung für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in den Tarifverträgen die Gesamtzusammenhänge zu berücksichtigen. In den letzen vier bis fünf Jahren ist in der betrieblichen Altersvorsorge ein Zuwachs in einer Größenordnung von 4 bis 6 Prozent zu verzeichnen gewesen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben in Ihrer Antwort auf meine erste Frage ausgeführt, dass Sie für das Jahr 2006 relativ zurückhaltend in der Ansetzung der Werte waren. Was den Prognosezeitraum anbelangt, geben Sie diese Zurückhaltung jetzt erstaunlicherweise auf. Sie haben beispielsweise die Lohnentwicklung bis 2019 mit durchschnittlich 2,5 Prozent angesetzt. Vor dem Hintergrund, dass die Lohnentwicklung in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich 1 Prozent - in den letzten fünf Jahren waren es sogar nur 0,8 Prozent - betragen hat, ist das bemerkenswert. Sie gehen von einem Beschäftigungswachstum von 0,6 Prozent pro Jahr bis 2019 aus. Das ist insofern interessant, als die Beschäftigung in den letzten fünf Jahren im Schnitt um 1,5 Prozent pro Jahr zurückgegangen ist. Sie unterstellen des Weiteren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent pro Jahr. In den letzten vier Jahren lag es im Schnitt bei gerade einmal 1,25 Prozent. Was berechtigt Sie zu diesen optimistischen Annahmen, insbesondere bei den Lohnsteigerungen? Besteht nicht die Gefahr, dass den Menschen ein falsches Signal gesendet wird? Sie haben vorhin die so genannte Schrumpfrente der „Bild“-Zeitung angesprochen und darauf hingewiesen, dass die Renten nicht so stark gestiegen seien, weil die Einkommen nicht so stark gestiegen seien.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Haben Sie „Schrumpfzeitung“ gesagt? ({0})

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. Ich hatte die so genannte Schrumpfrente der „Bild“-Zeitung angesprochen. Es ist aber gut, dass Sie darauf hinweisen. Meine Frage lautet: Besteht nicht die Gefahr, dass wir erneut ein falsches Signal geben, wenn wir den Menschen nun Rentensteigerungen voraussagen, ihre Erwartungen aber enttäuschen müssen, weil die Realität 15 bis 20 Prozent hinter den Prognosen zurückgeblieben ist, da die Löhne im Schnitt nicht um 2,5 Prozent gestiegen sind?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Man kann, wenn man nach vorne blickt, zuversichtlicher oder weniger zuversichtlich sein. Wir haben jedenfalls den Wert für die mittelfristige Lohnentwicklung von 2 auf 1,5 Prozent und den Wert für die langfristige Lohnentwicklung von 3 auf 2,5 Prozent gesenkt. Der Sozialbeirat hat das nicht infrage gestellt, sondern bestätigt, dass das eine realistische Größenordnung ist. Er hat sich allerdings skeptisch im Hinblick auf die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse geäußert. Er hat gefragt, ob wir es schaffen, dass der Großteil der Arbeitsplätze durch die Sozialversicherungspflicht erfasst wird, sodass in die Sozialversicherungskassen entsprechend eingezahlt wird. Das führt letztlich zu der Frage, in welchem Maße die Renten durch eingezahlte Beiträge oder durch Steuermittel finanziert werden müssen. Darüber müssen wir diskutieren. Das ist sicherlich sehr kompliziert. Aber diese Frage wird man beantworten müssen. Im Übrigen nehme ich an, dass Sie und Ihre Fraktion vielen in diesem Land Mut machen werden, dass es anständige Lohnerhöhungen gibt. Dann lösen sich die Probleme und Ihre Frage in Luft auf. Ich finde jedenfalls, dass die Lohnentwicklung in unserem Land eine positive Tendenz aufweisen sollte. Ich möchte mich zwar nicht konkret einmischen. Aber letztlich wird der Wohlstand Deutschlands davon abhängen, ob es ein Hochleistungsland und ein Hochlohnland bleibt. Das Ganze macht deutlich, dass eine Niedriglohnstrategie in die falsche Richtung läuft, auch was unsere Sozialsysteme angeht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe mir die Wortmeldungen der Kollegen Schaaf, Rohde und Koppelin sowie von Frau ScheweGerigk notiert. Ich hoffe, dass ich niemanden übersehen habe. Damit möchte ich mit Blick auf die für die Regierungsbefragung vorgesehene Zeit die Rednerliste gerne schließen. - Es besteht offenbar Einvernehmen. Herr Kollege Schaaf.

Anton Schaaf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003623, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, im Zusammenhang mit der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 wird oft darauf verwiesen - das hat auch Frau Kollegin Schewe-Gerigk gerade getan -, dass nur in bestimmten Berufen die Möglichkeit besteht, so lange zu arbeiten. Geben Sie mir Recht, dass die Verantwortung dafür, dass ältere Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz und entsprechende Arbeitsbedingungen haben, die es ihnen ermöglichen, bis ins höhere Alter zu arbeiten, nicht ausschließlich bei der Politik, sondern auch bei den Unternehmen liegt, und zwar nicht nur im Hinblick auf Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, sondern auch im Hinblick auf Weiterbildung und Qualifizierung? Geben Sie mir außerdem Recht, dass die Förderinstrumente, die wir in den letzten Jahren insbesondere für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen haben, von den Unternehmen nur in sehr unzureichendem Maße wahrgenommen werden?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Das führt zu der Frage, welches die Gründe sind, warum die Menschen so früh aus dem Berufsleben ausscheiden. Liegt das an der unzureichenden Qualifizierung, an gesundheitlichen Handicaps, an Vorurteilen oder an dem Versuch der Unternehmen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, Personalpolitik auf Kosten Dritter, der sozialen Sicherungssysteme, zu betreiben? Das alles spielt sicherlich eine Rolle. Ganz sicher spielen aber die Fragen nach der Qualifizierung und nach der Gesundheit eine große Rolle. Der Arbeitsschutz, also die Frage, wie Menschen in ihrem Beruf älter werden, ist natürlich ein wichtiger Punkt. Die Unternehmen sind gut beraten, die bedenken, dass sie eine vernünftige Mischung aus alten und jungen Mitarbeitern gut gebrauchen können. Das heißt, die Betriebe selber sollten ein Interesse daran haben, dass es auch alternsgerechte Arbeitsplätze gibt. Es muss auch eine Qualifizierungsmöglichkeit für die 40- bis 50-Jährigen geben, damit sie erst gar nicht ihre Arbeit verlieren. All das wird dazugehören. Ich bin mir bewusst, Herr Kollege, dass die Fragen, die wir jetzt hier behandeln, nicht mit einigen Federstrichen beantwortet werden können. Es geht im Grunde um die Frage, ob diese Gesellschaft es lernt, sich über die Bedingungen und die Zukunftsfähigkeit einer älter werdenden Gesellschaft klar zu werden. Das ist unverzichtbar. Ich will das noch einmal anhand von zwei oder drei Zahlen skizzieren. Im Jahre 2050 werden in Deutschland 18 Prozent der Menschen älter als 80 Jahre sein. Heute sind es 4 Prozent. 37 Prozent werden älter als 60 sein. 16 Prozent werden jünger als 20 sein. Alle, die jetzt 22 Jahre und jünger sind, werden dann noch im Berufsleben sein. Wenn wir jetzt nicht geeignete Maßnahmen ergreifen, dann wird das Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme in der Zukunft haben. Wir müssen Schritt für Schritt das faktische Renteneintrittsalter anheben und erreichen, dass die Menschen im Alter von 50 oder 55 Jahren nicht mehr diskriminiert werden, dass sie in Arbeit bleiben können und dass sie qualifiziert werden, wenn es nötig ist. Das muss der normale Weg sein. Wenn wir diesen Weg beschreiten, dann werden wir in den nächsten Jahren eine positive Entwicklung haben. Die Frage aber der alternsgerechten Arbeitsplätze stellt sich ganz klar. Ich glaube, dass es eine Menge Arbeit gibt, gerade was den Dienst des Menschen am Menschen betrifft. Es gibt in Deutschland in diesem Bereich genug Arbeit, die getan werden muss. Ich schließe auch Überlegungen zur Errichtung von Beschäftigungsgesellschaften für Ältere nicht aus.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Rohde.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister Müntefering, ich frage nach, weil in Ihrem Bericht Überschüsse angekündigt werden: für das Jahr 2010 4,4 Milliarden Euro und für die Jahre 2011 und 2012 sogar 6 Milliarden Euro. Wie kommen diese Überschüsse zustande? Hängt das damit zusammen, dass Sie ab 2011 die Beitragsbemessungsgrenze massiv erhöhen? Warum gehen Sie davon aus, dass ab 2011 die Beitragsbemessungsgrenze stärker angehoben wird als in den Vorjahren?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Die Beitragsbemessungsgrenze steigt permanent - das wissen Sie - nach dem bekannten Schlüssel. Wir gehen davon aus, dass das bei der Lohnentwicklung und der Prosperität, die wir unterstellen, auch im nächsten Jahrzehnt so sein wird. Wir haben keine exorbitante Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze vorgesehen; sie wird vielmehr gemäß der üblichen Verfahrensweise angehoben. Das soll auch nach dem Jahr 2010 so sein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, vor der Bundestagswahl haben sowohl die SPD als auch Sie als Parteivorsitzender - ich finde, völlig zu Recht - auf die negativen Folgen einer Mehrwertsteuererhöhung für die Rentner hingewiesen. Da Sie nun im Amt sind und die Zahlen, die die SPD damals genannt hat, nun amtlich überprüfen können, können Sie mir bestätigen, dass die damaligen Zahlen der SPD und die Schlussfolgerung, dass die Mehrwertsteuererhöhung negative Folgen für die Rentner habe, stimmen?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Das ist eine sehr gute, kluge Frage. ({0}) - Ich wollte eigentlich etwas anderes sagen, habe es dann aber verschluckt. Sie wissen schon, was ich sagen wollte. Zur Demokratie gehört, verehrter Herr Kollege Koppelin, dass man sich, wenn man Koalitionen eingeht, auf eine gemeinsame Politik verständigt, die man dann gemeinsam trägt. Das tue auch ich. Dazu stehe ich. Wir haben in der Koalition darüber gesprochen, in welcher Weise wir die Finanzierungsbedarfe von Bund, Ländern und Gemeinden in den nächsten Jahren erfüllen können. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dazu gehört, einen Prozentpunkt der Mehrwertsteuer zur Reduzierung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung zu verwenden, und zwar von 6,5 Prozent auf 5,5 Prozent und im Weiteren auf 4,5 Prozent. Mit einem Prozentpunkt wird also unmittelbar zur Entlastung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber beigetragen. Die anderen 2 Prozentpunkte werden für die Kassen des Bundes, der Länder und der Kommunen gebraucht. Natürlich werden alle in diesem Land, auch die Rentnerinnen und Rentner, die Ergebnisse einer solchen Veränderung an den Preisen registrieren. Inwieweit die höhere Mehrwertsteuer auf die Preise abgewälzt werden kann, wird sich erst im nächsten Jahr zeigen. Ich weiß, die FDP ist die einzige Fraktion weit und breit, die nach den Wahlen immer dasselbe sagt wie vor den Wahlen. ({1}) Das hängt damit zusammen, dass Sie auf ganz lange Zeit in der Opposition sein werden. Sie können nach der Wahl immer dasselbe sagen wie vorher. Machen Sie sich keine Sorgen!

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Minister, auch Regierungsparteien schadet es nicht, wenn sie nach den Wahlen das Gleiche sagen wie vor den Wahlen. ({0})

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Es wäre aber schade, wenn wir in der Opposition wären. Wir wollen regieren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Schewe-Gerigk, bitte.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, in den letzten Jahren ging die Zunahme der Beschäftigung mit einer Abnahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einher. Wie Sie vorhin angesprochen haben, wird das auch im Koalitionsvertrag als Problem dargestellt. Im Rentenversicherungsbericht wird daraus überhaupt keine Schlussfolgerung gezogen. Im Gegenteil: Sie gehen davon aus, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im nächsten Jahr zunehmen wird. Ich möchte gerne wissen, welche Annahme dem zugrunde liegt.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Sie müssten einmal den Ifo-Geschäftsklimaindex, die ZEW-Konjunkturerwartungen oder den KfW-Monitor in Bezug auf die Auftragseingänge beim Mittelstand in der letzten Woche lesen. Alle dort veröffentlichten Zahlen machen deutlich, dass wir damit rechnen dürfen, dass wir, gemessen an unseren bescheidenen Prognosen für dieses Jahr, ganz ordentlich abschneiden. Das 25-Milliarden-Euro-Programm, das wir angeschoben haben - ich weiß nicht, ob Sie es mit beschlossen haben -, wird dazu beitragen, einige Dinge in Bewegung zu setzen, zum Beispiel beim Handwerk oder beim Mittelstand. Es bewegt sich also etwas. Das wird zwar nicht sensationell sein und viel verändern - wir sind da ganz realistisch -, aber ich bin mir sicher, dass wir alles dafür getan haben, dass sich der Arbeitsmarkt sowie die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in diesem und im nächsten Jahr in gewissem Maße positiv entwickeln werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung sind bei mir nicht angemeldet. Damit sind wir am Präsident Dr. Norbert Lammert Ende der Befragung der Bundesregierung. Herr Minister, ich bedanke mich. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde - Drucksache 16/796 Die Reihenfolge der aufzurufenden Geschäftsbereiche liegt Ihnen vor. Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Michael Müller zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Peter Hettlich auf: In welcher Weise ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bis zur Entscheidung des Deutschen Bundestages über den Verbleib des im Bundesverkehrswegeplan festgesetzten naturschutzfachlichen Planungsauftrages in die Abarbeitung desselben eingebunden?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Lieber Kollege Hettlich, Sie haben sich in dieser Frage schon mehrfach an die Bundesregierung gewandt. Ich kann im Namen des BMU nur mitteilen, dass das BMU in die Abarbeitung des naturschutzfachlichen Planungsauftrages bis zur Entscheidung des Deutschen Bundestages voll eingebunden ist. Das heißt, dass wir die Dossiers und auch die einzelnen Unterlagen vor der Weiterleitung ans Parlament im vollen Umfang bekommen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Peter Hettlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003554, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage. In der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses haben wir die Abarbeitung von naturschutzfachlichen Planungsaufträgen im Rahmen des Fernstraßenausbaugesetzes 2004 behandelt. Seitdem haben wir keine weitere Vorlage mehr bekommen. Ist Ihnen bekannt, wie hoch die Anzahl an abgearbeiteten oder in Bearbeitung befindlichen Projekten ist? Wenn Sie es jetzt nicht ad hoc sagen können, würde es mir reichen, wenn das Ministerium mir die Antwort schriftlich zukommen lässt.

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Ich habe diese Zahl zwar im Kopf, aber ich bin nicht ganz sicher, ob sie richtig ist. Ich teile Ihnen das noch mit.

Peter Hettlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003554, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Okay.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hettlich auf: Bezieht sich der naturschutzfachliche Planungsauftrag und seine Abarbeitung auf den gesamten Bau der Bundesautobahn A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin oder auf einzelne Abschnitte?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Ich beantworte diese Frage wie folgt: Der besondere naturschutzfachliche Planungsauftrag wurde für den gesamten Bau der Bundesautobahn A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin vergeben. Bei länderübergreifenden Großprojekten wie diesem Autobahnprojekt wird die Umsetzung nach Bauabschnitten in eigener Verkehrswirksamkeit durchgeführt. Das heißt, es kann Sonderprüfungen zu einzelnen Fällen geben. Eine ist auch schon erfolgt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Peter Hettlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003554, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben der Presse entnommen, dass der Landesverkehrsminister Daehre in den nächsten Tagen oder Wochen, vermutlich noch rechtzeitig vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, den ersten Spatenstich zu einem Brückenbau vornehmen will. Wissen Sie, ob die so genannte Soda-Brücke in den Bereich der Abarbeitung dieses naturschutzfachlichen Planungsauftrags fällt?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

In unserem Haus ist bezüglich dieser Brücke bei Colbitz eine Prüfung vorgenommen worden. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei diesem Einzelabschnitt keinen ökologischen Konflikt gibt. Daher vertreten wir die Auffassung, dass die Ortsumgehung so schnell wie möglich geschaffen werden sollte.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Hettlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003554, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte da noch einmal nachfragen. Soweit ich weiß, muss eine Aufhebung des naturschutzfachlichen Planungsauftrags durch das Parlament erfolgen. Ist es nicht so, dass selbst über eine solche Sache wir entscheiden müssen?

Michael Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001561

Nach unserer Auffassung ist das nicht der Fall. Wenn diese Abwägung erfolgt ist, kann man das auch so machen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum nächsten Geschäftsbereich, dem des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Präsident Dr. Norbert Lammert Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Cornelia Hirsch auf: Plant die Bundesregierung noch in diesem Jahr eine Gesetzesnovelle zur Fortentwicklung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, BAföG, und, wenn ja, inwieweit?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hält sich an die Koalitionsvereinbarung, nach der das BAföG in seiner jetzigen Struktur zur Finanzierung des Lebensunterhalts erhalten bleibt. Sie hat die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2006 vorgesehen. Für eine eigenständige Gesetzesnovelle noch in diesem Jahr zur Fortentwicklung des BAföG wird derzeit keine Veranlassung gesehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Hat die Bundesregierung vor diesem Hintergrund genauer betrachtet, wann die letzte Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge beim Elterneinkommen erfolgt ist? Nach unseren Informationen war das 2001. Wenn man das BAföG in der derzeitigen Form erhalten will, muss man an dieser Stelle doch eine Anpassung vornehmen, weil ansonsten weniger Studierende in den Genuss der BAföG-Leistung kommen und ohne eine Anpassung sozusagen ein Rückschritt stattfindet. Also besteht aus unserer Sicht auf jeden Fall die Notwendigkeit, eine Anpassung vorzunehmen, wenn denn die Bundesregierung sich darauf verständigt hat, das BAföG in der derzeitigen Form zu erhalten. Die Frage ist nun, inwieweit Sie diese Auffassung teilen.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin Hirsch, ich teile diese Auffassung nicht. Da zum Jahreswechsel der 17. Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vorgelegt wird, der als eine Erkenntnisgrundlage zum Anpassungs- und Fortentwicklungsbedarf dienen soll, wäre es sicherlich leichtfertig und töricht, wenn man bereits vor der Vorlage dieses Berichts voreilig Schlussfolgerungen bezüglich eines möglichen Anpassungsbedarfs ziehen würde. Wir werden diesen Bericht also zunächst einmal abwarten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie haben den Bericht angesprochen. Die Berichte werden im Zweijahresabstand vorgelegt. Schon im letzten Bericht wurde explizit gesagt, es müsse eine Anpassung stattfinden, und es wurde nur ergänzend hinzugefügt, das sei aktuell aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht möglich. Wenn nun aber die Bundesregierung entschieden hat, dass das BAföG in der aktuellen Form erhalten werden soll, müsste man jetzt gerade im Rahmen der Haushaltsverhandlungen eigentlich eine Anpassung vornehmen. Inwieweit teilen Sie das? Ich stimme Ihnen natürlich darin zu, dass man prinzipiell abwarten kann, bis der nächste Bericht vorliegt. Aber wenn schon der letzte Bericht einen Anpassungsbedarf deutlich gemacht hat, dann sehe ich eine weitere Wartezeit nicht mehr als notwendig an.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Kollegin Hirsch, ich darf auf meine erste Antwort verweisen. Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Handlungsbedarf. Deshalb warten wir zunächst einmal den 17. Bericht ab.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Frage 4 der Kollegin Hirsch: Inwieweit teilt die Bundesregierung die Forderung nach Einrichtung von mindestens 100 000 Ausbildungsplätzen in staatlichen Berufsausbildungszentren, die gemeinsam von Staat und Unternehmen finanziert werden sollen ({0})?

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete Hirsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung teilt diese Forderung nicht. Sie hat im Jahr 2004 mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft den Ausbildungspakt für die Dauer von zunächst drei Jahren abgeschlossen. Die Wirtschaft hat darin zugesagt, jährlich 30 000 neue Ausbildungsplätze sowie 25 000 Plätze für die so genannte Einstiegsqualifizierung bereitzustellen. Diese Zusagen wurden 2004 und 2005 deutlich übertroffen. Gleichwohl geht weiterhin der Appell an die Betriebe und die Unternehmen, zusätzliche Anstrengungen zur Mobilisierung von Ausbildungsplätzen zu unternehmen. Die Bundesregierung wird die Wirtschaft dabei durch verschiedene staatlich finanzierte Programme, zum Beispiel das im Januar begonnene Strukturprogramm „Jobstarter“, flankierend unterstützen. Ergänzend zum Ausbildungspakt hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung eine Strukturinitiative zur beruflichen Bildung angekündigt. Im Übrigen wird die Bundesregierung die Entwicklung auf dem Ausbildungsstellenmarkt im Verlauf des Jahres 2006 sorgfältig analysieren, um gegebenenfalls weitere Schritte mit den Partnern in der beruflichen Bildung absprechen zu können.

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Hintergrund der Forderung, die ja im Übrigen von den Jusos geäußert wurde, war die Feststellung, dass zurzeit eine immense Ausbildungsplatzlücke von mindestens 100 000 Plätzen besteht - darüber haben wir hier im Plenum ja bereits diskutiert - und es schlichtweg nicht zu schaffen sein wird, alle Jugendlichen, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, noch in diesem Sommer in einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Da hier also ganz offensichtlich HandCornelia Hirsch lungsbedarf besteht, war eine Initiative angemahnt worden. Mit Ihren Ausführungen haben Sie mir allerdings keine Antwort auf die von mir geäußerte Sorge gegeben, wo all diese Jugendlichen, zu denen noch die Altnachfragerinnen und -nachfrager, die auch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, hinzugezählt werden müssen, unterkommen sollen, wenn es nicht zu einer deutlich stärkeren Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze kommt, als sie im Ausbildungspakt vereinbart wurde, da diese ja wohl angesichts einer Lücke von 100 000 Plätzen nicht ausreicht. Ich bitte Sie deshalb noch einmal um eine konkretere Antwort.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Frau Abgeordnete, zunächst einmal ist Ihre Behauptung nicht zutreffend, dass es am Ende zu einer Ausbildungsplatzlücke in Höhe von 100 000 Plätzen kommen wird. Die tatsächliche Differenz zwischen dem Angebot und der Nachfrage an Ausbildungsplätzen betrug am Ende unter Einbeziehung von zusätzlichen Maßnahmen, wie beispielsweise der Verbesserung von Einstiegsqualifikationen, 11 500 Plätze. Das heißt, es gab 11 500 Jugendliche, die nicht versorgt waren. Ich stimme Ihrer Beurteilung zu, dass das 11 500 zu viel sind. Die Bundesregierung strebt an, auch diese Lücke zu schließen. Darauf zielt beispielsweise unser Maßnahmenpaket „Jobstarter“ ab, aber auch eine Reihe von Maßnahmen, die im Rahmen der in einigen Wochen beginnenden Strukturinitiative vorgesehen sind. Dabei geht es zum einen darum, in solchen Betrieben, die bei Hilfestellung in der Lage wären, auszubilden, zusätzliche Ausbildungsreserven zu mobilisieren, und zum Zweiten darum, in den Regionen, in denen wir eine besonders hohe Arbeitslosigkeit haben, die Ausbildungsplatzsituation zu verbessern. Zum Dritten zielen unsere Maßnahmen auch auf Jugendliche mit besonderen Problemen ab.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage?

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, ich habe noch eine Nachfrage. - Vor dem Hintergrund der geplanten Strukturinitiative, die Sie angesprochen haben, würde es mich interessieren, inwieweit die Problematik von Frauen, die von der aktuellen Ausbildungsmisere besonders betroffen sind, da es für sie auf jeden Fall schwieriger ist, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden, dabei eine Rolle spielen wird.

Andreas Storm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002811

Auch diese Problematik wird bei der angekündigten Strukturinitiative, die zum Ziel hat, strukturelle Defizite auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu lokalisieren und anschließend zu beseitigen, eine Rolle spielen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Dr. Norman Paech auf: Spricht aus Sicht der Bundesregierung etwas dagegen, im Konflikt um das iranische Atomprogramm die von der International Crisis Group am 23. Februar 2006 vorgeschlagene neue Option aufzugreifen, mit der die Europäische Union das grundsätzlich im Atomwaffensperrvertrag garantierte Recht des Iran auf Urananreicherung auf eigenem Territorium anerkennen würde und der Iran im Gegenzug eine mehrjährige Aufschiebung seiner Urananreicherung, eine Begrenzung ihres Ausmaßes und ein striktes Inspektionsregime akzeptieren würde ({0}), und, wenn ja, was?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Paech, die Bundesregierung hat den Vorschlag der International Crisis Group mit Interesse zur Kenntnis genommen. Der Vorschlag der ICG geht davon aus, dass die von der internationalen Gemeinschaft in der IAEO-Resolution vom 4. Februar 2006 erhobenen Forderungen an den Iran, die der Wiederherstellung des Vertrauens in die friedlichen Absichten des iranischen Nuklearprogramms dienen, nicht durchsetzbar seien. Diese nicht bewiesene Prämisse wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Die Durchsetzung dieser Forderungen ist ja gerade das erklärte Ziel der laufenden diplomatischen Bemühungen. Diese Forderungen, insbesondere die Forderung nach Wiederherstellung der vollständigen Suspendierung bestimmter nuklearer Aktivitäten im Iran einschließlich anreicherungsbezogener Forschung und Entwicklung, gründen im mangelnden Vertrauen der internationalen Gemeinschaft in Umfang und Ziele des iranischen Nuklearprogramms. Der Bericht des IAEO-Generaldirektors vom 27. Februar stellt erneut fest, dass die IAEO auch nach drei Jahren intensiver Bemühungen nicht in der Lage ist, den ausschließlich friedlichen Charakter des iranischen Nuklearprogramms abschließend zu bestätigen. Mit Blick auf die Wichtigkeit einer Stärkung der IAEO - dieses Interesse ist unabhängig vom Fall Iran - wäre es deshalb ein falsches Signal, die IAEO-Forderungen infrage zu stellen, zumal die Bemühungen um eine Lösung des Nuklearstreits mit dem Iran im Rahmen dieser IAEOForderungen weiterhin im Gange sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Erler, da Sie so umfassend die IAEO und ihren Chef, al-Baradei, zitieren, auch von mir ein Zitat von ihm, und zwar von gestern. Es wird Ihnen bekannt sein. Da sagt er: Jede Art von Moratorium von mehr als zwei Jahren und die Aussetzung der nuklearen Forschung werden es schwierig machen, eine Einigung zu erzielen. Die Lösung zur Gesichtswahrung besteht darin, Uran nur im begrenzten Maße anzureichern … während dieser zwei Jahre. Das ist ziemlich deckungsgleich mit dem ICG-Vorschlag. Sie wissen, dass in der ICG Ihre Fraktionskollegin Uta Zapf und der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Friedbert Pflüger sitzen. Vor dem Hintergrund, dass die beiden Vorschläge ähnlich sind, meine Frage: Wenn ICG und letztlich auch al-Baradei der gleichen Ansicht sind, warum kann dann die Bundesregierung sich nicht ebenfalls diesen Vorschlägen anschließen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Paech, ich weiß nicht, ob Sie mit dem Vorschlag der ICG ganz vertraut sind. Wenn Sie sich einmal das Phasenmodell anschauen, das die ICG vorgeschlagen hat, dann stellen Sie fest, dass der Iran in der ersten Phase verpflichtet wäre, für zwei bis drei Jahre alle Anreicherungs- und anreicherungsbezogenen Aktivitäten bis zur vollständigen Klärung der Verdächte, die auf der Handlungsweise des Iran beruhen, einzustellen. Für diese Jahre müsste das umfassende Safeguards Agreement mit den intrusiven Beobachtungen akzeptiert werden. Außerdem müsste der Iran so lange seine Schwerwasseraktivitäten einstellen und das Zusatzprotokoll vom Atomwaffensperrvertrag ratifizieren. Der Ansatz für die erste Phase unterscheidet sich in der Tat nicht wesentlich von dem Ansatz der E3/EU, die genau das Gleiche fordern, aber nicht diese zeitliche Begrenzung vorgesehen haben. Für uns ist völlig klar, dass der Iran das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomenergie hat. Das wird nicht bestritten. Aber es muss Gelegenheit gegeben werden, die Verdächte, die er selber durch ein 18 Jahre langes Missachten der SafeguardsVorschriften ausgelöst hat, definitiv auszuräumen. Das heißt, es handelt sich - auch nach unserer Auffassung um eine zeitlich begrenzte vertrauensbildende Maßnahme. Wir sind allerdings nicht in der Lage, zu sagen, wie lange die IAEO braucht, um dieses Vertrauen wieder herzustellen; das muss die IAEO sagen.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich hätte noch eine zweite Frage.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das ist natürlich richtig. Aber die Lage hat sich doch gerade in den letzten Wochen außerordentlich stark verändert. Auf der einen Seite hat der Iran jetzt zugesagt, zwei Jahre auf die Urananreicherung zu verzichten. Er will lediglich unter strengen IAEO-Kontrollen ein minimales Forschungsprogramm durchführen. Auf der anderen Seite darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass die USA jetzt einen Atomdeal mit Indien machen und insofern einen Doppelstandard anwenden: Ein Land, welches sich nicht im Rahmen der IAEO eine Nuklearmacht zugelegt hat, wird sozusagen hofiert und mit zivilen Nuklearpotenzialen ausgerüstet. Einem Land hingegen, welches im IAEO-Rahmen arbeitet und ein Recht auf Urananreicherung hat, wird das verwehrt. Dazu habe ich folgende Frage. Ich habe in der Zeitung die Meldung gelesen, dass Deutschland die Unterstützung dieses Vorschlags vorsichtig signalisiert habe. Könnte meine Vermutung richtig sein, dass Sie ihm zwar etwas abgewinnen können und mit Blick auf die veränderte weltpolitische Lage durchaus zustimmen können, das aber vielleicht nicht wagen angesichts der Partner um Sie herum wie die USA, die in der Tat eine eigene Agenda haben, und vielleicht auch Frankreich und England?

Not found (Gast)

Herr Kollege Paech, die Bundesregierung ist fast unbegrenzt mutig; an einem Mangel an Mut liegt es nicht. Aber die Klugheit gebietet im Augenblick etwas anderes. Wenn wir Erfolg haben wollen, nachdem die Spanne von vier Wochen zwischen der ersten Beratung des Gouverneursrats der IAEO am 4. Februar und der gerade laufenden Beratung vom Iran leider wieder nicht genutzt worden ist, einen der vielfältigen Kompromissvorschläge, die gemacht worden sind - ich habe hier vor allen Dingen den russischen Kompromissvorschlag im Auge, der darauf hinausläuft, die Anreicherungsaktivitäten unter internationaler Kontrolle außerhalb in einem Joint Venture mit Russland zu machen -, anzunehmen, dann ist das Wichtigste, dass die internationale Staatengemeinschaft in dieser Frage zusammenbleibt. Anders ist eine Wirkung offenbar nicht zu erzielen. Es wäre also nicht ein Mangel an Mut, sondern ein Mangel an Klugheit, wenn Deutschland jetzt von dieser gemeinsamen Haltung, die nach wie vor besteht, abrücken würde. Auch Russland und China haben den Iran immer wieder darauf hingewiesen, dass er mit der IAEO zusammenarbeiten sollte. Aus dieser Front werden wir auf keinen Fall ausscheren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dr. Paech auf: Spricht nach Ansicht der Bundesregierung etwas dagegen, sich bei den Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen dafür einzusetzen, dass der Sicherheitsrat eine umfassende Friedenskonferenz für den Nahen und Mittleren Osten auf der Grundlage der vorbehaltlosen Anerkennung des Existenzrechts aller Staaten der Region und des vorbehaltlosen Gewaltverzichts gegenüber allen Staaten der Region so bald wie möglich einberuft, und, wenn ja, was?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Paech, die so genannte Roadmap des Nahostquartetts vom 20. Dezember 2002 - vereinbart zwischen den Vereinten Nationen, der Europäischen Union, den USA und Russland - ist der von beiden Konfliktparteien anerkannte Friedensplan für den Nahen Osten, der die Zwei-Staaten-Lösung zum Ziel hat. Er ist vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolution 1515 vom 19. November 2003 indossiert worden. Im Rahmen dieses Fahrplans ist vorgesehen, dass das Quartett in Beratung mit beiden Konfliktparteien eine umfassende internationale Konferenz einberufen wird. Die Voraussetzungen zur Einberufung einer solchen Konferenz sind nach Ansicht aller Beteiligten allerdings bisher nicht erfüllt. Der Sieg der Hamas, einer von der EU als Terrororganisation eingestuften Bewegung, bei den Wahlen zum palästinensischen Legislativrat hat darüber hinaus eine neue Situation geschaffen. Das Nahostquartett sowie die Außenminister der Europäischen Union haben bei ihrer Tagung am 30./31. Januar 2006 hervorgehoben, dass Gewalt und Terror nicht mit einem demokratischen Prozess vereinbar sind, und haben Hamas sowie alle anderen Gruppierungen eindringlich dazu aufgerufen, der Gewalt abzuschwören, bestehende Verträge sowie Resolutionen und das Existenzrecht Israels anzuerkennen.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ähnliche Forderungen gelten natürlich auch für Israel. Das heißt, auch Israel muss seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Palästinensern nachkommen. Dazu gehören Einhaltung der Verträge wie der Roadmap und Rückbau der Siedlungen. Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, warum angesichts der Neuwahlen in Israel und der Wahlen in Palästina die jetzige Situation nicht geeignet sein soll, einen Prozess einzuleiten, der die ganze Region umfasst. Sie wissen selber, dass Ihre Partei seinerzeit um die Einleitung des KSZE-Prozesses sehr gekämpft hat. Der Friedensprozess ist ein sehr umfangreicher und langfristiger Prozess. Ich kann mir in dieser Umbruchsituation keinen hinsichtlich der Stabilität der Region geeigneteren Zeitpunkt für die Einberufung dieser Konferenz vorstellen.

Not found (Gast)

Herr Kollege Paech, unserer Überzeugung nach ist die Roadmap, dieser Nahostfriedensplan, der so umfassend legitimiert ist - durch die EU, durch die Vereinten Nationen, durch die Vereinigten Staaten und durch Russland -, tatsächlich ohne Alternative. Wenn Sie sich den Text der Roadmap anschauen, dann können Sie sehen, dass dort ganz bewusst ein Ablauf in Phasen vorgesehen ist. In der Phase 1 - das haben Sie völlig zu Recht gesagt - werden Forderungen an beide Parteien erhoben: einerseits Forderungen an die palästinensische Seite, der Gewalt völlig abzuschwören, Gewalttäter, die Anschläge auf Israelis planen, festzunehmen und die entsprechenden Strukturen zu zerschlagen sowie das Existenzrecht Israels anzuerkennen, und andererseits Forderungen an Israel, auf Siedlungstätigkeiten jeglicher Art zu verzichten und sich auf den Status vom 28. September 2000 zurückzuziehen. Das waren Forderungen der Roadmap. Es hat intensive Versuche gegeben - auch von palästinensischer Seite -, bei der Umsetzung dieser Forderungen der Phase 1 weiterzukommen. Aber die von Ihnen angesprochene Konferenz sollte erst in der Phase 2 stattfinden. Wir haben jetzt einen Rückschlag erlitten. Das Problem ist, dass beide Seiten die Voraussetzungen der Phase 1 nicht erfüllt haben. Es hat zwar sehr viele Bemühungen auf palästinensischer Seite gegeben. Aber die Tatsache, dass die Hamas, die sich bis jetzt weigert, das Existenzrechts Israels anzuerkennen, der Gewalt abzuschwören und alle Milizen zu entwaffnen, an der Regierung ist, ist ein Rückschritt hinsichtlich der Erfüllung der Forderungen der Phase 1. Leider hat sich, wie wir wissen, die israelische Politik bisher nicht dazu durchringen können, die Forderung nach völliger Einstellung des Siedlungsbaus zu erfüllen. Insofern ist es in der Logik des Nahostfriedensplans, also der Roadmap, zu sagen: Diese Voraussetzungen müssen erst einmal gegeben sein, damit die geplante internationale Konferenz, die Teil der Phase 2 ist und die - das wissen auch Sie, Herr Kollege Paech - den Sinn hat, die Staatsbildung der Palästinenser zu fördern, stattfinden kann. Sie wissen, dass die Roadmap eine zweite internationale Konferenz in der Phase 3 vorsieht. Wir haben keine Veranlassung, von der Roadmap abzugehen.

Dr. Norman Paech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003822, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie sehen aber, dass dieser mühsame Weg über die Roadmap immer wieder unterbrochen wird, dass sich Israel durch weitere Siedlungstätigkeiten schon zum Teil davon entfernt hat und dass die Hamas diesen Weg jetzt ebenfalls infrage stellt. Was Sie als Rückschritt bezeichnen, kann, dialektisch betrachtet, natürlich auch ein Fortschritt sein. Das heißt, jetzt ist mehr Klarheit da. Jetzt sind sozusagen Positionen definiert, die zu mehr Klarheit führen. Könnte man nicht aus diesem Grunde überlegen, den rein israelisch-palästinensischen Friedensprozess auf den der gesamten Region zu erweitern? Sie kennen unseren Vorschlag der Einberufung einer Sicherheits- und Friedenskonferenz des gesamten Nahen und Mittleren Ostens, auf der man die Frage des Iran und natürlich auch die des Irak, also die Frage eines Abzugs der Truppen, zum Thema machen könnte. Das ist ein Komplex an Problemen, die offensichtlich nicht für sich lösbar sind. Wäre es, wenn Sie sich schon mit der Frage des iranischen Atomprogrammes an den Sicherheitsrat wenden, nicht möglich, dies mit einem Antrag an den Sicherheitsrat zu verbinden, dass er eine Konferenz einberuft, die die Friedens- und Sicherheitsproblematik derart weitgehend umfasst? Ich bin der Überzeugung, dass sich kein Staat dem Aufruf zu einer solchen Konferenz durch den Sicherheitsrat entziehen könnte. Wäre das nicht eventuell eine Perspektive, um aus dem Dilemma des ewigen Hin und Her im Rahmen der Roadmap herauszukommen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Paech, ich glaube, dass sich an der Sinnhaftigkeit der Festlegungen der Roadmap bis heute nichts geändert hat. Dazu, dass die Hamas in die Regierungsverantwortung der palästinensischen Autonomiebehörde gewählt worden ist, hat die israelische Seite gesagt: Wir werden zu dieser Organisation, die wir als eine Terrororganisation bezeichnen, keinen Kontakt herstellen. Das ist nicht gerade ein Anlass dafür, zu sagen: Wir werden jetzt versuchen, abseits des Fahrplans der Roadmap eine internationale Konferenz anzustreben. Wie soll das denn funktionieren, wenn im Hinblick auf die Gesprächsfähigkeit der Beteiligten ein solcher Rückschritt entstanden ist? Es zeigt sich, dass das, was in der Roadmap festgeschrieben worden ist, doch eine tiefere Ratio hat: In der Phase 1 gilt es eben erst einmal bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen, bevor eine Konferenz, die einen Zusammenhang mit der Staatsbildung und der ZweiStaaten-Strategie haben sollte, sinnvoll und vielleicht auch erfolgreich sein kann. Insofern glaube ich nicht, dass die Bundesregierung Ihrem Gedanken näher treten wird, ausgerechnet jetzt eine solche Konferenz zu beantragen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf, da die Fragen 7 und 8 der Kollegin Pau zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und die Fragen 9 und 10 der Kollegin Schewe-Gerigk zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz schriftlich beantwortet werden sollen. Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Lutz Heilmann auf: Welche Vereinbarungen finanzieller Art und bezüglich des Zeitplans für eine Entscheidungsfindung hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, in seinem Gespräch am 9. Februar 2006 mit dem Ministerpräsidenten SchleswigHolsteins, Peter Harry Carstensen, zum Bau einer festen Fehmarnbeltquerung getroffen? Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller erschienen.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Heilmann, in dem von Ihnen angesprochenen Gespräch hat es seitens des Ministers Steinbrück keinerlei finanzielle Zusicherungen und Abmachungen bezüglich des Zeitplans gegeben.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte noch zwei Nachfragen stellen. Meine erste Frage: Wie ist die Haltung der Bundesregierung generell zu der von der dänischen Seite gewünschten Staatsgarantie im Hinblick auf eine feste Fehmarnbeltquerung?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Heilmann, wir sind uns mit dem fachlich zuständigen Ressort darin einig, dass wir diesen Aspekt sehr sorgfältig zu prüfen haben.

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Was verstehen Sie denn unter einer „sorgfältigen Prüfung“?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Da wird zunächst einmal untersucht, ob es sich bei dieser Staatsgarantie um einen EU-rechtlichen Beihilfefall handelt, ja oder nein. Gegen das, was Dänemark bisher praktiziert hat, ist kein beihilferechtlicher Einwand der EU-Kommission geltend gemacht worden. Es wird ferner darum gehen, ob in eine Staatsgarantie über ein PPP-Modell private Investoren eingebunden werden können und sollten. All dies ist noch völlig offen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Nachfragen liegen nicht vor. Vielen Dank. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Der Kollege Parlamentarischer Staatssekretär Hartmut Schauerte steht für die Beantwortung derjenigen Fragen zur Verfügung, die nicht schriftlich beantwortet werden sollen. Zunächst rufe ich Frage 12 der Kollegin Veronika Bellmann auf: Welche Position vertritt die Bundesregierung in den derzeit laufenden Verhandlungen zu den neuen Förderbedingungen für die Strukturfonds der Europäischen Union im Zeitraum 2007 bis 2013 hinsichtlich der Vermeidung von subventionierten Betriebsverlagerungen innerhalb der Europäischen Union?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Sehr geehrte Frau Kollegin Bellmann, die Bundesregierung setzt sich dafür ein, die Regelungen für die Großprojektförderung zu verschärfen. An der Förderentscheidung sollen betroffene Mitgliedstaaten zukünftig beteiligt werden, wenn die Verlagerung zu einem erheblichen Arbeitsplatzverlust in einer anderen Region der Gemeinschaft führt. Der Schwellenwert für Großprojekte von derzeit 50 Millionen Euro soll auf 25 Millionen Euro gesenkt werden.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine erste Nachfrage dazu: Haben Sie schon zeitliche Befristungen ins Auge gefasst? Es war ja einmal eine Frist von fünf oder sieben Jahren im Gespräch. Wie sieht das jetzt aus?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Nein, da hat es noch keine Festlegungen gegeben. Die Absenkung muss ja mit den Partnerländern in der EU abgestimmt werden; das wird nicht ganz einfach sein. Deswegen sind Vorabfestlegungen nicht sehr hilfreich.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zweite Nachfrage: Gibt es die Absicht, die Förderung künftig an einen Mindeststeuersatz bei den Unternehmensteuern in den einzelnen Mitgliedstaaten zu knüpfen?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Sie wissen, dass wir eine Steuerdifferenzierung nach wie vor für richtig halten und der Ansicht sind, dass die Steuerharmonisierung nicht zu weit getrieben werden darf. Da ja in dieser Frage das Einstimmigkeitsprinzip gilt, müssen einer solchen Regelung zudem alle 25 Mitgliedsländer zustimmen. Wir suchen nach Wegen, mit denen es möglich ist, ein zu starkes Gefälle bei der Förderung zu vermeiden. Ob das über durchschnittliche Steuersätze oder etwa Steuervermeidungspotenziale geschehen soll, das ist noch nicht spruchreif.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Fragen 13 der Kollegin Koczy, 14 und 15 der Kollegin Höfken sowie 16 und 17 des Kollegen Loske werden schriftlich beantwortet. Somit rufe ich jetzt die Frage 18 der Kollegin Bärbel Höhn auf: Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Einführung einer Verbandsklage für Verbraucherverbände im Energiewirtschaftsgesetz ein effektives und unbürokratisches Mittel zur Stärkung der Verbraucherinteressen ist?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Frau Kollegin Höhn, durch das am 13. Juli 2005 in Kraft getretene neue Energiewirtschaftsgesetz ist eine umfassende Regulierung des Netzbetriebs durch die neu errichteten Regulierungsbehörden des Bundes und der Länder eingeführt worden. Den Verbraucherverbänden sind im Rahmen dieser Regulierung umfangreiche Beschwerde- und Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit dem Verfahren der Regulierungsbehörden eingeräumt. Die Verbraucherrechte werden in diesem regulierungsbehördlichen Verfahren gewahrt. Bevor über weitere Gesetzesänderungen diskutiert wird, müssen diese Möglichkeiten, die jetzt auch für Verbraucherorganisationen bestehen, die Chance erhalten, sich in der Praxis zu bewähren. Ich weise darauf hin, dass dieses Gesetz ja auch von Ihrer Fraktion mit verabschiedet worden ist. Sie waren damals noch in Düsseldorf. Möglicherweise haben Sie deswegen nicht die gleiche Liebe zu dem, was von Ihrer Partei noch vor kurzem als Regierungspartei verabschiedet worden ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Höhn, jetzt können Sie das mit Ihrer Liebe richtig stellen.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, genau. Wie hieß das? - Ich liebe nur meinen Mann. Nein, Herr Schauerte, wir haben heute ja eine andere Situation. Wir wissen, dass die Strompreise extrem steigen; wir wissen aber auch, dass daran die Netzdurchleitungsgebühren einen enormen Anteil haben. Ferner wissen wir, dass immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher gegen steigende Strom-, aber auch Gaspreise protestieren, indem sie vor Gericht ziehen. 500 000 Menschen in Deutschland klagen mittlerweile gegen zu hohe Strom- bzw. Gaspreise. So flexibel muss auch eine große Koalition sein, dass sie auf Veränderungen reagiert. Deshalb meine Frage: Teilen Sie nicht die Auffassung, dass man in diesem Bereich mehr Verbraucherrechte einführen kann? Denn diese extremen Preise, die die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen müssen, sind unverantwortlich. Und: Wäre eine Verbandsklage nicht das angemessene Instrument? Im Moment ist es ja so, dass diese 500 000 Menschen jeweils Einzelklagen anstrengen müssen.

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Ich habe die Meinung der Bundesregierung klar formuliert. Was Sie jetzt ansprechen, ist keine neue Frage; vielmehr ist sie ja auch schon in Ihrer schriftlichen Frage zum Ausdruck gebracht worden. Wir bleiben dabei, dass wir die Erfahrungen, die wir mit den beschlossenen Gesetzen machen, abwarten und evaluieren wollen, um danach darüber zu entscheiden, ob man weitere Maßnahmen treffen muss.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte Ihnen meine zweite Zusatzfrage stellen, Herr Schauerte: Wie wollen Sie den 500 000 Menschen helfen, die momentan Einzelklagen führen, weil sie darauf bestehen, dass die Preise, die jetzt angeblich aufgrund der steigenden Kosten, die jedoch nicht nachgewiesen werden, gezahlt werden müssen, transparent gemacht werden müssen? Es geht immerhin um 500 000 Menschen. Oder lautet Ihre Antwort einfach nur: Wir wollen abwarten?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Nein, die Regulierungen werden jetzt verschärft. Die Regulierungsbehörde beginnt jetzt erst mit ihrer Tätigkeit. Genau diese Maßnahmen haben wir im zurückliegenden Gesetzgebungsverfahren nicht einleiten wollen. Daher ist es völlig normal, dass man jetzt Erfahrungen sammelt und Erkenntnisse gewinnt. Wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr Recht über die Zivilgerichtsbarkeit einklagen, so gehört auch das zu einem Prozess der Erkenntnisgewinnung. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Diese Frage ist nicht mehr zulässig, Frau Höhn.

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Das war auch keine Frage, sondern wahrscheinlich nur eine Behauptung. Wir tun viel - vor allem das, was Sie beschlossen haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Diese Antwort ist auch nicht zulässig, Herr Kollege Schauerte. ({0}) Ich rufe jetzt die Frage 19 der Kollegin Cornelia Behm auf: Welche verbraucherpolitischen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Fazit des Berichtes der EU-Kommission zum Stand der Marktöffnung und zum Wettbewerbsverhalten der Energieversorger Europas, dass auf den Stromund Gasmärkten noch kein ausreichend funktionierender freier Wettbewerb entstanden ist?

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Frau Kollegin Behm, der Bericht der Europäischen Kommission enthält keine abschließende Analyse und Bewertung, wie Sie es in Ihrer Frage ausgeführt haben. Die Kommission führt gegenwärtig ihre Untersuchung in Form einer vertieften Länderprüfung fort und hat für das Jahresende 2006 einen abschließenden Bericht zugesagt. Wir gehen davon aus, dass wir dann wissen, was wir zu veranlassen haben.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe eine Nachfrage. Ich habe das anders wahrgenommen, deshalb frage ich Sie: Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Basedow, eine Einschränkung des Wettbewerbs angesichts der angekündigten Fusionen befürchtet? Schon bisher gab es keinen ausreichenden Wettbewerb; nunmehr werden die Möglichkeiten der europäischen Energiekunden, auf die Angebote anderer Strom- und Gasanbieter zurückzugreifen, noch weiter verringert. Das geht aus dem Bericht deutlich hervor. Das heißt, dass die Verbraucher höhere Preise zu erwarten haben.

Hartmut Schauerte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002770

Auch hier gilt, dass wir jetzt seriöse Erfahrungen sammeln müssen. Permanent an den gesetzlichen Grundlagen herumzuwerkeln, führt zur absoluten Verunsicherung und nutzt niemandem. Die Europäische Kommission - ich habe es bereits ausgeführt - wird erst Ende des Jahres 2006 ihren ausführlichen ländervergleichenden Erfahrungsbericht vorlegen. Daher ist es klug, zunächst abzuwarten, welche Handlungsnotwendigkeiten aufgrund dieses Berichts entstehen. Wenn wir vorneweg galoppieren, werden wir das Ziel nicht erreichen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, dazu nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Der Parlamentarische Staatssekretär Müller aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - zu diesem Geschäftsbereich wollten wir jetzt eigentlich kommen - ist unterwegs, aber noch nicht eingetroffen. Ich schlage daher vor, den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorzuziehen, da die an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gerichteten Fragen - das sind die Fragen 24 und 25 der Kollegin Scharfenberg sowie die Frage 26 der Kollegin Hasselmann - allesamt schriftlich beantwortet werden. - Ich stelle hierzu Einvernehmen fest. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. ({0}) - Der Kollege Dr. Hofreiter, dessen Frage jetzt eigentlich an der Reihe wäre, ist ebenfalls noch nicht im Saal. Da für Abgeordnete das gleiche Recht wie für Staatssekretäre gelten sollte, bitte ich Herrn Großmann, die Frage 31 des Abgeordneten Rainder Steenblock vorzuziehen: Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten für eine Kofinanzierung der festen Fehmarnbeltquerung durch die EU angesichts der Vereinbarung der EU-Staats- und Regierungschefs zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU, nach der die für die Finanzierung der vorrangigen Projekte innerhalb der transeuropäischen Verkehrsnetze bisher veranschlagten Mittel drastisch gekürzt wurden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Bundesregierung geht davon aus, dass für das Projekt einer festen Fehmarnbeltquerung Kofinanzierungsmittel der EU bereitgestellt werden können. Die konkrete Höhe wird sich in den anstehenden Verhandlungen ergeben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Überlegung innerhalb der EU, die Prioritäten bei den TEN-Projekten neu festzulegen und die Projekte gemäß den von der EU festgestellten Prioritäten bezüglich der Ost-WestVerkehre zuzuschneiden? Damit wäre die Fehmarnbeltquerung als nicht mehr prioritär anzusehen, weil sie in den fünf von der EU vorgeschlagenen Hauptverkehrsachsen nicht mehr vorkommt?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Steenblock, wir glauben, dass die Priorisierung nicht grundlegend anders erfolgen wird. Die Fehmarnbeltquerung steht auf der Prioritätenliste. Es kann sicherlich nicht plötzlich von Ost nach West priorisiert werden; schließlich geht es nicht um Himmelsrichtungen, sondern darum, welche Strecken und welche Verbindungen wichtig sind. Wir haben, wenn es bei der jetzigen finanziellen Vorschau bleibt, bei den TEN-Mitteln einen Aufwuchs von 40 Prozent. Im Rahmen dieses Aufwuchses ergeben sich für Deutschland genügend Möglichkeiten der Priorisierung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage?

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne. - Herr Staatssekretär, wenn ich mich recht erinnere, war im Jahre 2004 der damalige Verkehrsminister Stolpe mit seinem dänischen Amtskollegen zu der Auffassung gekommen, dass bis zum Ende des Jahres 2004 endgültig entschieden werden sollte, ob das Projekt realisiert wird und wie. Es hat allerdings bis zum heutigen Tage nur Verschiebungen dieser Entscheidung gegeben. Jetzt lautet die Entscheidung, bis zum Ende des Jahres 2006 Klarheit über das Projekt zu bekommen. Deutet das nach Ihrer Meinung nicht darauf hin, dass die EU tatsächlich zu Recht sagt: Dieses Projekt bewegt sich nicht und fällt aus der Prioritätenliste?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Nein, das glaube ich nicht. Sie müssen sehen, dass das ein sehr engagiertes Projekt ist und dass sehr viele Fragen geklärt werden müssen. Deshalb müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Hier gehen Solidität und Seriosität vor Schnelligkeit. Das ändert aber aus meiner Sicht nichts an der Prioritätensetzung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Rainder Steenblock auf: Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass eine mautpflichtige feste Fehmarnbeltquerung genauso wie die Öresundquerung zwischen Dänemark und Schweden von den Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern nicht wie erwartet angenommen werden könnte, und, wenn nein, warum nicht?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Bundesregierung prüft die voraussichtliche Akzeptanz einer festen Querung aufgrund von Prognosen. Für ein Finanzierungsmodell werden dabei verschiedene Szenarien durchgespielt. Für eine Annahme durch die Verkehrsteilnehmer spricht, dass die Fehmarnbeltrelation die kürzeste Verbindung zwischen Deutschland und Skandinavien ist. Auch die Fährüberfahrt ist heute schon kostenpflichtig.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Kostensenkung auf der dänischen Konkurrenzstrecke über den Großen Belt, die zu einer deutlichen Rentabilitätsschwächung der geplanten Fehmarnbeltstrecke führt und damit zu einer geringeren Nutzung?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir beobachten das sehr genau. Diese Informationen fließen in die weiteren Planungen ein. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass der Verkehr über die Ostsee wieder zunimmt. Bei den finanziellen Berechnungen für die feste Fehmarnbeltquerung haben wir zunächst unterstellt, dass der Verkehr in den ersten vier Betriebsjahren nach der Eröffnung unter der Prognose bleiben wird. Das heißt, wir sind bei der Neubewertung der Zahlen dabei, die Informationen einzuarbeiten, die wir von den bestehenden Brücken erhalten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage?

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne. - Herr Staatssekretär, die Arbeitsplätze in der Region sind nach Auskunft der dortigen Wirtschaft durch eine Fehmarnbeltquerung bedroht. Das betrifft insbesondere Puttgarden. Der Fremdenverkehr, aber auch die Fährschifffahrt dort sind zentrale Wirtschaftsfaktoren. Können Sie mir möglichst genau sagen, in welcher Form der Wegfall dieser Arbeitsplätze eigentlich in Ihre Prognosen über die Wirtschaftlichkeit der Fehmarnbeltquerung einbezogen wird?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich glaube, dass das eine Aufgabe des Landes ist. Sie wissen, dass das Land Schleswig-Holstein die Realisierung dieser Querung nach vorne puschen will, also sehr viel Wert darauf legt, dass wir zügig weitermachen. Ich glaube, die Abschätzung dessen, was in der Region vor sich geht und unter Umständen als Ausgleich geschaffen werden muss, ist Aufgabe der Landesregierung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Harald Terpe auf: Für wie wahrscheinlich beurteilt die Bundesregierung staatliche Beihilfen für den Bau einer festen Fehmarnbeltquerung und befürwortet die Bundesregierung solche Beihilfen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Terpe, die Frage staatlicher Beihilfen soll in den nächsten Monaten weiter untersucht werden. Das ist das Ergebnis der Gespräche von Herrn Ministerpräsident Carstensen mit den Bundesministern Steinbrück und Tiefensee.

Dr. Harald Terpe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003854, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe keine Nachfragen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufe ich die Frage 34 des Kollegen Dr. Terpe auf: Welchen Stand haben Gespräche des Bundes mit dem Land Schleswig-Holstein und Verhandlungen zwischen den zuständigen Ressorts der Bundesregierung über Staatsgarantien für die feste Fehmarnbeltquerung?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Es wurde vereinbart, zügig zu klären, welche Schritte notwendig sind und welche Fragen beantwortet werden müssen, um entscheiden zu können, ob das Projekt „Feste Fehmarnbeltquerung“ realisiert werden kann. Auf dem Weg zur Entscheidung soll für das weitere Vorgehen ein Zeitplan erarbeitet werden, in dem die einzelnen Meilensteine bis zur Umsetzung festgelegt sind. Die Suche nach einem tragfähigen Finanzierungskonzept, sowohl für das Projekt selbst als auch für die erforderlichen Hinterlandanbindungen, wird fortgesetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Dr. Harald Terpe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003854, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Frage, welchen Stand die Gespräche und Verhandlungen zwischen den zuständigen Ressorts haben, ist beantwortet worden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja. Deswegen habe ich Sie gefragt, ob Sie möglicherweise Zusatzfragen haben.

Dr. Harald Terpe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003854, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, habe ich nicht. Danke.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufe ich die Frage 35 des Kollegen Heilmann auf: Trifft es zu, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, im Zuge der öffentlichen Diskussion um die geplante Kürzung der Regionalisierungsmittel, wie in der „Berliner Zeitung“ vom 23. Februar 2006 zitiert, die Zweckentfremdung der Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz, RegG, durch die Bundesländer kritisiert, da diese die Mittel unter anderem für den Ausbau regionaler Schienenstrecken verwenden, und da bislang die Mittel nach § 8 Abs. 1 RegG für die Bestellung von Verkehrsleistungen und die Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG für die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs verwendet werden sollten, wofür hätten nach Auffassung der Bundesregierung die Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG verwendet werden sollen, wenn nicht für Investitionen in regionale Schienenstrecken?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Heilmann, in Ihrer Frage gehen Sie von falschen Voraussetzungen aus. Den Ländern steht gemäß Art. 106 a des Grundgesetzes ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr, den ÖPNV, zur Verfügung. Laut Regionalisierungsgesetz sind diese Mittel insbesondere für den Schienenpersonennahverkehr einzusetzen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sie bestimmungsgemäß auch für andere Verwendungen im ÖPNV, zum Beispiel für den Ausbau der Infrastruktur, eingesetzt werden können. Dieser Sachverhalt wurde von Herrn Bundesminister Wolfgang Tiefensee nie infrage gestellt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfragen? - Nein. Dann rufe ich jetzt die Frage 27 des Kollegen Hofreiter auf: Wie ist der Bearbeitungsstand beim Fünfjahresplan zum Ausbau der Bundesfernstraßen und wann wird dieser verabschiedet?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Dr. Hofreiter, mit dem Entwurf eines Investitionsrahmenplans für die Verkehrsinfrastruktur wird für den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die Arbeitsgrundlage für das weitere Verfahren zur Erstellung der Mittelfristplanung bis 2010 erarbeitet. Auf dieser Grundlage wird auch der im Fernstraßenausbaugesetz geforderte Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen erstellt. Es ist vorgesehen, nach Abstimmung des Entwurfes des Investitionsrahmenplans mit den betroffenen Bundesressorts sowie mit den Ländern und der DB AG den Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen im Sommer 2006 zu verabschieden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist eigentlich keine Zusatzfrage: Es ist interessant, wie lange das geschoben worden ist. Das war nämlich schon im letzten Jahr überfällig.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gut.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich kann auch diesen Kommentar „beantworten“.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wenn Sie das tun möchten, fassen wir das, was gerade gesagt wurde, als Frage im Sinne unserer Geschäftsordnung auf.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Da der Kollege Hofreiter die Diskussionen der letzten Legislaturperiode nicht vollständig mitbekommen hat - er ist ja ein neuer Abgeordnetenkollege -, sage ich Ihnen: Wir haben im letzten Jahr ein 2-Milliarden-Programm aufgelegt und unsere Verkehrsinfrastrukturinvestitionen somit deutlich erhöht. Diese 2 Milliarden Euro haben wir für Verkehrsprojekte im Bereich von Straße, Schiene und Wasserstraße zur Verfügung gestellt. Das hatte für uns Priorität. Da das dringender war und eilte, haben wir die Arbeit am Fünfjahresplan etwas zurückgestellt. Das haben wir den Kolleginnen und Kollegen immer wieder in Briefen mitgeteilt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich hätte noch eine zweite Zusatzfrage.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Da Sie eben erklärt haben, dass Sie keine Zusatzfrage stellen möchten, konnte ich das nicht ahnen. - Bitte schön.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Entschuldigung; ich mache das zum ersten Mal. - Ich habe eine spezifische Zusatzfrage: „Sommer 2006“ ist ein dehnbarer Begriff. Heißt das: vor der Sommerpause oder nach der Sommerpause? ({0}) Oder ist das überhaupt nicht abzusehen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege, diese Form dehnbarer Begriffe verwenden wir immer dann, wenn wir mit anderen reden müssen. Wenn wir den Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen selbstständig erstellen könnten, könnte ich Ihnen relativ präzise sagen, wann wir damit fertig sind. Aber wir müssen darüber mit 16 Bundesländern und der DB AG sprechen. Natürlich haben wir auch versprochen, den Verkehrsausschuss informell zu beteiligen. Deshalb bitte ich Sie, mir nachzusehen, dass ich bei dem Begriff „Sommer 2006“ bleibe.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Selbst wenn nicht, könnte dies nicht durch eine weitere Zusatzfrage zurückgewiesen werden. ({0}) Die übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich werden vom Kollegen Kasparick beantwortet, sodass Sie, Herr Kollege Großmann, mit Dank entlassen sind. Ich rufe die Frage 28, ebenfalls des Kollegen Dr. Hofreiter, auf: Wird die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin der Flughafen München GmbH, FMG, dem Beispiel des Mitgesellschafters Freistaat Bayern folgen, Teile des Gesellschafterdarlehens an den Münchener Flughafen zurückzufordern, und, wenn nein, warum nicht?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Dr. Hofreiter, der erste Teil Ihrer Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin der Flughafen München GmbH dem Beispiel des Mitgesellschafters Freistaat Bayern folgen wird, beantworte ich mit Ja. In der Gesellschafterversammlung vom 8. Dezember 2005 haben die an der FMG beteiligten Gesellschafter, zu denen neben der Bundesrepublik Deutschland auch der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München zählen, die Rückforderung eines Teilbetrags des an die FMG ausgereichten Darlehens beschlossen. Der zweite Teil Ihrer Frage hat sich damit erübrigt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wann und in welchem Umfang rechnen Sie mit dem Eingang der ersten Zahlungen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Die Rückzahlung der Teilbeträge soll im Dezember dieses Jahres erfolgen.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die komplette Rückzahlung des Anteils der Bundesrepublik?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Es geht um Teilbeträge. Um es genau zu sagen: Es geht um 61,5 Prozent der ausgereichten Bundesdarlehen in Höhe von 331,6 Millionen Euro.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Und auf die Zinsen verzichten Sie komplett?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das war jetzt schon die dritte Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Entschuldigung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Fragen 29 und 30 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Alexander Ulrich auf: Welche Genehmigungen und Rechtsgrundlagen durch deutsche Flugsicherungsbehörden sowie Meldepflichten vonseiten der USA sind nach Auffassung der Bundesregierung für die Military-Airlift-Command-Flüge von US-amerikanischen Fluggesellschaften erforderlich, die den zivilen Flughafen Hahn routinemäßig als Zwischenstopp für den Transport von Soldaten und militärischen Gütern unter anderem nach Afghanistan und Kuwait nutzen, und welche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Umgebung des Flughafens Hahn müssen wegen dieser Nutzung des Flughafens für militärische Zwecke unternommen werden?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Kollege Ulrich, nach den Feststellungen der Bundesregierung handelt es sich bei den von Ihnen zitierten Flügen um zivile Charterflüge eines amerikanischen Luftfahrtunternehmens, die nach den Regeln für den gewerblichen Luftfahrtverkehr durchgeführt werden. Solche Transitflüge bedürfen grundsätzlich einer Erlaubnis durch das Luftfahrtbundesamt. Für Überflüge und Flüge mit technischer Zwischenlandung, zum Beispiel zum Auftanken, ist eine solche Erlaubnis nicht erforderlich. Ob - und gegebenenfalls welche - Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu treffen sind, liegt in der Verantwortung des für die Betriebsgenehmigung des Flughafens zuständigen Landes Rheinland-Pfalz.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wenn es sich um Zivilflüge handelt, auf welcher Rechtsgrundlage ist es den US-amerikanischen Soldaten dann erlaubt, diese Flüge mit Waffen zu bestücken?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Die amerikanischen Fluggesellschaften haben für solche Flüge in Deutschland eine prinzipielle Erlaubnis, schon seit mehreren Jahrzehnten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfragen?

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Habe ich das richtig verstanden: Auf diesen Zivilflügen darf jeder Soldat so viele Waffen mit sich führen, wie er gerade schleppen kann, und dies ist seit Jahrzehnten so erlaubt?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Nein. Es geht im konkreten Fall nicht um einen Waffentransport, sondern es geht um zivile Charterflüge eines amerikanischen Luftfahrtunternehmens, die nach den Regeln für den gewerblichen Luftfahrtverkehr durchgeführt worden sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe Frage 37 des Kollegen Ulrich auf: Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass der ehemalige US-Militärflughafen Hahn mit öffentlichen Geldern im Rahmen eines Konversionsprojekts zu einem zivilen Flughafen umstrukturiert wurde, der Auffassung, dass die gegenwärtige Nutzung des Flughafens Hahn für US-amerikanische Militärtransportflüge nach Afghanistan und Kuwait mit dem Sinn und Zweck des Konversionsvorhabens vereinbar ist, und, wenn ja, mit welcher Begründung?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

In den Ausbau des Flughafens Hahn sind Landesmittel und Mittel des Flughafens Frankfurt, aber keine Bundesmittel geflossen. Das Konversionsprojekt Flughafen Hahn ist als Verkehrsflughafen dem allgemeinen Verkehr, mit der üblichen Betriebspflicht, gewidmet. Er steht grundsätzlich zivilen und militärischen Nutzern offen. Bei den Flügen nach Kuwait und Afghanistan handelt es sich um Flugbewegungen, die im Rahmen der allgemeinen Betriebsgenehmigung zulässig sind.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sind die Starts und Landungen mit dem Grundgesetz und dem Völkerrecht vereinbar?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ja.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage? - Nein. Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf; wir hatten ihn zurückgestellt. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller inzwischen eingetroffen. Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Cornelia Behm auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, den Verbraucherzentralen zusätzliche Finanzmittel für den zusätzlichen Beratungsaufwand im Zusammenhang mit mittlerweile 500 000 geschätzten protestierenden Gaskunden zu gewähren?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Herr Präsident! Verehrte Kollegin! Zunächst Entschuldigung, dass ich mich eine Minute verspätet habe. Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage mit Nein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfragen.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich finde, das, was die Regierung da plant bzw. nicht plant, ist angesichts des wirklich gravierend zunehmenden Beratungsbedarfs der Verbraucherinnen und Verbraucher schon ein bisschen unambitioniert. Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommern sieht man ganz deutlich, dass die Länder den immens gewachsenen Beratungsbedarf nicht alleine stemmen können. Dieses Land hat seine Verbraucherzentrale nämlich dichtmachen müssen, weil es sie nicht finanzieren kann. Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Finanzierung der Verbraucherzentralen eine Stiftungslösung zu schaffen. Ich frage deswegen: Wie weit ist es mit dieser Lösung?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Frau Kollegin, zunächst zu Ihrer Eingangsbemerkung: Die Verbraucherzentralen erhalten auch im laufenden Haushaltsjahr Projektfördermittel in Höhe von 2,5 Millionen Euro für die Themenbereiche unlauterer Wettbewerb, Internet- bzw. Onlinehandel, Internettelefonie usw. Darüber hinaus wird ganz konkret ein Projekt zum Thema Energieverbraucher, Verbraucherinformation, Gas- und Strompreiserhöhung gefördert. Es wurden also ganz konkrete Projektmittel für diesen Bereich zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen und dabei auch auf Ihre Frage eingehen, dass wir, weil wir um die Bedeutung dieses Bereiches wissen, bei den laufenden Haushaltsverhandlungen sehr streng darauf geachtet haben, gerade den Bereich des Verbraucherschutzes weitestgehend von Sparmaßnahmen auszunehmen, obwohl durch den Finanzminister erhebliche Einsparnotwendigkeiten vorgegeben waren. Das Thema Stiftung ist uns bekannt. Wir führen Gespräche mit den Verbraucherzentralen dazu.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Stimmen Sie mit mir darin überein, dass es notwendig ist, die Verbraucherzentralen sozusagen institutionell auch von Bundesseite aus zu finanzieren, also zum Beispiel durch eine solche Stiftungslösung? Ich habe den Eindruck, dass sich der Bund bisher immer mit dem Hinweis darauf, dass er Projektförderungen betreibt - das setzt aber voraus, dass die Länder etwas tun -, zurückgelehnt und gesagt hat: Wir haben den mündigen Verbraucher, so viel Beratungsbedarf hat er nicht.

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Ich betone: Der Verbraucherschutz hat nach wie vor einen hohen Stellenwert. Dies zeigt sich an den Haushaltsberatungen. Der Bund bringt seinen Anteil ein. Natürlich müssen auch die Länder ihre Anteile zur Finanzierung in der Breite beisteuern. Darüber hinaus stehen wir der Verwirklichung dieses Stiftungsmodells aufgeschlossen gegenüber. Es laufen Gespräche. Auch die Wirtschaft sollte ihren Beitrag einbringen. Offenheit bzw. Transparenz im Verbraucherschutz ist ein Thema, das auch die Wirtschaft interessiert und angeht. Deshalb gehen wir in den nächsten Monaten in diese Gespräche zur möglichen Realisierung eines solchen Stiftungsmodells.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Frage 21 der Kollegin Lötzsch wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann auf. ({0}) - Da sie nicht mehr anwesend ist, wird die Frage 22 hier auch nicht beantwortet. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Bärbel Höhn auf: Wie bewertet die Bundesregierung, dass es bei den Vogelgrippefunden in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wieder sieben bzw. neun Tage gedauert hat, bis die Ergebnisse der H5N1-Tests vorlagen, und was unternimmt die Bundesregierung, um solche Verzögerungen bei der Seuchenbekämpfung endlich abzustellen?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Ich antworte auf die Frage wie folgt: Die Annahme einer Zeitdauer von sieben bzw. neun Tagen bis zum Vorliegen von H5N1-Befunden, wie von Ihnen dargestellt, trifft weder für die Proben aus Baden-Württemberg noch für die Proben aus Schleswig-Holstein zu. Der Befund H5N1 für Proben, die dem Nationalen Referenzlabor für Aviäre Influenza des Friedrich-Loeffler-Instituts aus den beiden Ländern zugeleitet worden sind, ist teilweise bereits am Tag des Eingangs, meist am darauf folgenden Tag und spätestens zwei Tage nach Eingang mitgeteilt worden. In diesen Zeiträumen sind zudem alle Wiederholungs- und Abklärungsuntersuchungen zur Sicherstellung der Diagnose durchgeführt worden. Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Befund HPAI in Abhängigkeit von den in den Proben vorhandenen Mengen an Virus nach ein bis fünf Tagen kommuniziert wird. Dies muss natürlich unterschieden werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Frau Höhn.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nach einer dpa-Meldung ist es so gewesen, dass ein toter Vogel in Schleswig-Holstein am 17. Februar gefunden worden ist und das Ergebnis des Tests am 24. Februar vorlag. Bei Funden in Baden-Württemberg lag das Ergebnis nach neun Tagen vor. Es geht also nicht darum, wie lange das Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems für die Untersuchung braucht, sondern es geht um die Zeitdauer zwischen dem Auffinden des toten Vogels und dem Vorliegen des Testergebnisses, ob das Tier mit dem H5N1-Virus infiziert war. Es geht also nicht um das Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems. Ich frage Sie: Können Sie bestätigen, dass zwischen dem Auffinden des toten Vogels und dem Vorliegen der Ergebnisse zu den Funden in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, die das Institut auf Riems geliefert hat, sieben bis neun Tage liegen und daher die Daten, die ich einer dpa-Meldung entnehme, richtig sind?

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Frau Kollegin, im Augenblick gibt es landesweit - das muss man nachvollziehen - Tausende von toten Vögeln, die aufgefunden werden. Die Behörden vor Ort haben dafür die Verantwortung. Diese Funde toter Vögel werden dann in die Landesuntersuchungseinrichtungen eingeschickt. Dort wird der erste Test zum Nachweis des Virus vorgenommen. Bei einem positiven Befund wird dieser Fund an das FLI, das Friedrich-Loeffler-Institut, weitergeleitet. Dort wird in einem weiteren Schritt, um endgültig Klarheit zu haben, der Nachweis oder Ausschluss von H5- und N7-Subtypen vorgenommen. Wenn auch hier wiederum der Test positiv ist, erfolgt in einer zweiten Runde die weitere Differenzierung oder Pathotypisierung, wie man das Ganze nennt, und im Anschluss daran die Befundmitteilung an die zuständige Behörde. Weil ich Ihre Frage sehr ernst nehme, habe ich heute früh noch einmal mit Professor Mettenleiter darüber diskutiert, ob hier die Zeiträume verkürzt werden könnten. Für das Friedrich-Loeffler-Institut, für das wir als Bund die Verantwortung tragen, wurde mir noch einmal erläutert: Für die H5N1-Untersuchung kann Professor Mettenleiter zusagen, dass nach ein oder zwei Tagen nach Vorliegen des Materials beim Friedrich-Loeffler1602 Institut das Ergebnis feststeht. Für die darauf folgende Spezifizierung auf HPAI, also die hochpathogene Variante, werden weitere zwei bis fünf Tage benötigt. Ich gestehe Ihnen zu, dass in dem einen oder anderen Fall nach dem Auffinden des Vogels über die Einbringung in die Landesuntersuchungsanstalt bis zur Weiterleitung zum Friedrich-Loeffler-Institut vielleicht ein, zwei oder drei Tage eingespart werden könnten. Ich erkläre aber den Kolleginnen und Kollegen und damit auch Ihnen, dass wir im Vergleich zum europäischen Ausland auf diesem Sektor vorbildlich arbeiten und vergleichbare Länder beispielsweise über die Kapazität, wie wir sie auf Riems haben, gar nicht verfügen, sondern ihre Funde nach Großbritannien schicken müssen.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Müller, Sie wissen, dass es bei einem solchen Geschehen ganz entscheidend ist, am Anfang schnell zu handeln. Wir haben auf Rügen festgestellt, dass sich dann, wenn man ein paar Tage ungeschehen verstreichen lässt, immer mehr Vögel infizieren. Das führt dazu, dass man die Seuche immer weniger in den Griff bekommt und sich das Ganze zu einem größeren Problem auswächst. Von daher finde ich es nicht akzeptabel, dass Länder, die darauf vorbereitet sein mussten, mit H5N1 infizierte Vögel zu finden, sieben bis neun Tage bis zum Vorliegen des Testergebnisses brauchen. In diesem Zeitraum können sich extrem viele Vögel angesteckt haben und das Seuchengeschehen wird damit potenziert. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese langen Zeiträume zu verkürzen? Ich will jetzt nicht nur wissen, was in dem Institut auf Riems passiert. Mir geht es darum, den gesamten Zeitraum zu verkürzen und so letzten Endes die Ausbreitung der Seuche und damit auch die Gefahr für die Bevölkerung zu vermindern.

Dr. Gerd Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002742

Am besten wäre es - um Ihnen entgegenzukommen -, wenn das H5N1 vor Ort diagnostiziert werden könnte. Das ist aber nicht möglich. Im europäischen Vergleich sind wir in Deutschland vorbildlich aufgestellt. Für den Zuständigkeitsbereich des Bundes erkläre ich noch einmal: Was die Dauer von ein bis zwei Tagen angeht, gibt es keinen Anlass zur Kritik an dem Bundesinstitut. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass unsere Wissenschaftler zurzeit unter Hochdruck Tausende von Einsendungen untersuchen. Die von Ihnen genannte Zeitspanne von sieben bis neun Tagen bei vereinzelten Funden muss im Einzelfall überprüft werden. Ich teile Ihre Einschätzung, dass wir gegenüber den Bundesländern noch einmal mit Nachdruck erklären sollten, dass dieser Zeitraum nach Möglichkeit zu minimieren ist. Vielleicht kann die Zeitspanne durch direkte Überbringung per Boten um einen oder zwei Tage minimiert werden. Mehr wird sicherlich nicht möglich sein. Aber das ist derzeit nicht das Kernproblem bei der Bekämpfung der Vogelgrippe. Wir verfügen über die notwendigen Analysekapazitäten. Im Allgemeinen liegen die Befunde innerhalb von drei bis vier Tagen vor. In Einzelfällen hat es - darauf haben Sie hingewiesen - sieben Tage gedauert. Wir haben die Bundesländer bei der Verbraucherschutzkonferenz am vergangenen Montag auf das Thema aufmerksam gemacht und mit ihnen darüber diskutiert. Die Bundesländer sind aufgefordert, mit ihren Kapazitäten schnellstmöglich - innerhalb von zwei bis vier Tagen - dazu beizutragen, dass bei einem positiven Befund durch die Landeseinrichtungen das FriedrichLoeffler-Institut die Enddiagnose stellen kann. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das ist leider richtig. Damit sind wir am Ende der Fragen zu diesem Geschäftsbereich. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung. Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Katja Kipping auf: Wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Frauen und Männer - bitte getrennt aufführen - bekommen aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und wie viele dieser Frauen und Männer sind nicht krankenversichert?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kipping, im Januar 2006 wurden von den Arbeitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit, die in getrennter Trägerschaft arbeiten, 49 000 Anträge auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende abgelehnt, davon 41 000 wegen der Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Diese Angaben bilden nicht das gesamte Volumen der abgelehnten Anträge ab. Per Hand gefertigte Bescheide sind darin nicht erfasst und es liegen keine entsprechenden Angaben für die zugelassenen kommunalen Träger vor. Da bei den abgelehnten Anträgen die Haushaltsform des Antrag stellenden Haushalts nicht erfasst wird, liegen der Bundesregierung keine Angaben dazu vor, wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende Frauen und Männer aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keine Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch bekommen. Darf ich die Frage 39 gleich mitbeantworten?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja. Ich rufe die Frage 39 auf: Wie viele der oben genannten Frauen und Männer - bitte getrennt aufführen - erhielten bisher Angebote der Arbeitsförderung und welche Arbeitsförderungsangebote - bitte nach Angebotsarten und Geschlecht getrennt aufführen - erhielten diese Frauen und Männer?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich kann Ihnen auf Ihre Frage Folgendes antworten: Der Bundesregierung liegen keine Angaben dazu vor, wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Personen, die aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalten, bisher Angebote der Arbeitsförderung erhielten. Bei den arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldeten Personen wird von der Bundesagentur für Arbeit nicht erfasst, ob vorab ein Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende abgelehnt wurde. Es entbehrt auch eines gewissen Sinnes, diese Merkmale zu erheben, da sich die wesentlichen Merkmale der Person, die sich arbeitslos oder Arbeit suchend meldet, im Laufe der Zeit verändern können bzw. längere Zeit aufbewahrt werden müssten, wodurch ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand erforderlich wäre, der nicht im Sinne der eigentlichen Aufgabe der Erfüllung des Gesetzes, nämlich der Beratung und zügigen Vermittlung in Arbeit, in Einklang stehen würde.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kipping, Sie können bis zu vier Zusatzfragen stellen.

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage, auch wenn ein statistischer Mangel deutlich geworden ist. Hintergrund meiner Frage ist, dass Personen, die arbeitslos sind, laut Gesetz auch dann Anspruch auf Arbeitsförderung haben, wenn sie keine Grundsicherung für Arbeitslose erhalten, weil beispielsweise das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft aufgrund des hohen Verdienstes des Partners über der Bemessungsgrenze liegt. Gestatten Sie mir deswegen und auch angesichts des Internationalen Frauentages, nachzufragen, inwieweit sich die Regierung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften dafür einsetzt, dass Frauen - sie sind überproportional stark betroffen, weil Männer in dieser Gesellschaft in der Regel noch immer ein höheres Einkommen haben -, die im Sinne der Grundsicherung nicht leistungsberechtigt sind, Arbeitsfördermaßnahmen erhalten, auf die sie laut Gesetz einen Anspruch haben.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Kipping, das ist eine berechtigte Frage. Vielleicht kann meine Antwort Sie ein Stück weit zufrieden stellen. Die nicht hilfsbedürftigen Personen haben dieselben Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Auswahl, die im Rahmen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch zur Verfügung stehen. Sie werden durch die Bundesagentur für Arbeit in jedem Fall, auch während einer Beschäftigung, durch Beratung und Vermittlung unterstützt. Sie können zudem bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nach dem SGB III gefördert werden, sofern das zu ihrer beruflichen Eingliederung beiträgt und erforderlich ist. Hier geht es um berufliche Weiterbildung sowie die Übernahme von Lehrgangsgebühren und von Fahrt- und Kinderbetreuungskosten. Weitere Unterstützungsleistungen, von der Übernahme von Bewerbungskosten und von Reisekosten im Zusammenhang mit Vorstellungsgesprächen bis hin zu Mobilitätshilfen, können in der Regel unabhängig vom Anspruch auf Entgeltersatzleistung erbracht werden. Die Angebote des virtuellen Arbeitsmarktes stehen ebenfalls zur Verfügung. Damit will ich sagen: Der Zugang ist gegeben. Die Angebote können auch in Anspruch genommen werden.

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie haben dankenswerterweise die Rechtslage dargelegt. Das Problem ist aber, dass es eine große Diskrepanz zwischen der Rechtslage und der Praxis der Arbeitsgemeinschaften bzw. der Bundesagentur für Arbeit gibt. Das wurde uns von verschiedenen Seiten bestätigt. Vor diesem Hintergrund habe ich zwei Zusatzfragen: Erstens. Können Sie sich vorstellen, dass man die angesprochene statistische Lücke behebt und für eine bessere Erfassung sorgt? Zweitens. Können Sie als Auftraggeber die BA noch einmal auf den bestehenden Anspruch so deutlich hinweisen, wie Sie es hier getan haben?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich gehe davon aus, dass sowohl die Arbeitsagenturen als auch die Arbeitsgemeinschaften, als auch die Leistungszentren ihre gesetzliche Aufgabe erfüllen und die Menschen über ihre Ansprüche auf Arbeitsförderung informieren. Insbesondere ist im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch der Auftrag verankert, zu fördern und zu fordern. Im Übrigen gibt es eine Berichterstattung über die Integrationsmaßnahmen, sodass ich Ihre kritische Einschätzung nicht nachvollziehen kann. Im Bereich der allgemeinen Arbeitsmarktpolitik ist sogar festgelegt, dass sich die Aufwendungen für die Integration nach der Höhe des Anteils der arbeitslosen Frauen bemessen sollen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzte Zusatzfrage, Frau Kipping.

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie erklären Sie dann den Widerspruch, dass die Betroffenen zwar ein Anrecht haben, dass sie aber nicht erfasst werden?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich habe vorhin erklärt, dass dann, wenn alles detailliert erfasst würde, der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis zu dem eigentlichen Auftrag stünde; denn dies ist nicht relevant, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Schließlich können sich die Daten derjenigen, die Sie erfasst sehen wollen, sukzessive ändern. Dann müssten Daten aufbewahrt werden, die möglicherweise nicht mehr auf einem aktuellen Stand sind. Eine solche Datensammlung stünde zudem ein Stück weit in Widerspruch zu der sehr kritischen Frage, welche Daten wann, wie und wo erfasst und wie lange aufbewahrt werden sollten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kurth.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Thönnes, teilen Sie die Einschätzung, dass die Bundesagentur für Arbeit bei ihrer aktiven Arbeitsmarktpolitik in vielen Fällen eine Strategie verfolgt, nach der die Integrationskosten, also die Kosten pro Fall, die größte Rolle spielen und nicht der rechtliche Spielraum bei Ermessensleistungen, etwa der Eingliederung von nicht Leistungsbeziehenden, und dass vor genau diesem Hintergrund der rechtliche Spielraum nicht ausgeschöpft wird, weil die Bundesagentur für Arbeit keine passive Leistung an nicht Leistungsbeziehende erbringen muss und sie infolgedessen auch kein Interesse daran hat, aktive Arbeitsmarktpolitik mit den entsprechenden Ausgaben zu betreiben?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Auch bei solch einer Bedarfsgemeinschaft gibt es schlichtweg das Interesse, die Menschen in Arbeit zu vermitteln. Deswegen teile ich Ihre Einschätzung nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Kolb auf: Wie hoch waren bzw. sind in den Jahren 1997 bis 2006 die bei den Krankenkassen angefallenen bzw. anfallenden Verwaltungskosten - für 2006 unter Einbezug der Kosten, die den Krankenkassen durch die Vorbereitungen bzw. die Durchführung der Vorverlegung des Fälligkeitstermins für Sozialabgaben entstanden sind - für den Einzug der Sozialversicherungsbeiträge und welche Beitragseinzugsvergütungen wurden von der Rentenversicherung und den Arbeitgebern dafür jeweils an die Krankenkassen entrichtet?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich möchte die Fragen 40 und 41, da sie in einem sehr engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, gemeinsam beantworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Kolb auf: Entsprachen bzw. entsprechen nach Auffassung der Bundesregierung die den verschiedenen Krankenkassen zufließenden Beitragseinzugsvergütungen im Zeitraum 1997 bis 2006 dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand beim Beitragseinzug und, wenn nein, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um zu gewährleisten, dass die Beitragseinzugsvergütungen im Sinne einer bedarfsgerechten Kostenverteilung berechnet werden?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Kolb, das Verfahren der Vergütung von Sozialversicherungsträgern für den Aufwand, der ihnen im Zusammenhang mit der Durchführung des gesamten Beitragseinzugs- und Meldeverfahrens sowie der Prüfung bei den Arbeitgebern entsteht, ist in § 28 e des Vierten Buches Sozialgesetzbuch geregelt. Das Gesetz sieht eine pauschale Vergütung für die beteiligten Sozialversicherungsträger vor, mit der alle dadurch entstehenden Kosten abgegolten sind. Da die Einzugsstellen im Bereich des Beitragseinzugs- und Meldeverfahrens umfangreiche Leistungen auch für die anderen Sozialversicherungsträger übernehmen, erhalten sie im Rahmen der Vergütung eine Erstattung durch die Rentenversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit. Die Aufteilung dieser Vergütung regelte bis zum Jahre 2005 die Beitragseinzugsvergütungsverordnung. Seit dem Januar 2005 sind für die Verteilung der Vergütung Vereinbarungen zwischen den beteiligten Sozialversicherungsträgern zu treffen. In den Jahren von 1997 bis 2001 ist die Gesamtvergütung, die an die Krankenkasse gezahlt wurde, von rund 1,1 Milliarden DM, also 562 Millionen Euro, auf rund 1,8 Milliarden DM, circa 920 Millionen Euro, angestiegen. Dieser Betrag teilte sich auf die Bundesanstalt für Arbeit mit rund 60 Prozent und die Rentenversicherungsträger mit rund 40 Prozent auf. Die genauen Zahlen können auch in Form einer Tabelle zur Verfügung gestellt werden. Für den Folgezeitraum liegen bedingt durch die Neuordnung des Beitrags- und Meldeverfahrens für die geringfügig Beschäftigten und die Ausgliederung in die Minijobzentrale keine vergleichbaren Zahlen vor. Eine Übersicht über alle internen Erstattungen der Sozialversicherungsträger an die Krankenkassen kann ebenfalls zur Verfügung gestellt werden. In einem Prüfbericht vom August 2003 hat der Bundesrechnungshof festgestellt, dass durch die zu diesem Zeitpunkt gültige Beitragseinzugsvergütungsverordnung, die eine Vergütung nach Größenklassen der Krankenkassen vorsah, die Krankenkassen insgesamt eine zu hohe Vergütungserstattung erhielten und insbesondere die kleineren Krankenkassen überproportional bevorzugt wurden. Hierauf hat die Bundesregierung durch eine Neuregelung des Ausgleichsverfahrens mit der Übertragung auf die beteiligten Sozialversicherungsträger reagiert. Der für 2005 und die Folgejahre festgeschriebene Gesamtbetrag der Erstattungsleistung von 950 Millionen Euro wurde von den am Ausgleichsverfahren Beteiligten insgesamt als ausreichend angesehen, um die anstehenden Aufwendungen zu decken. Diese Summe wird nach folgendem Schlüssel auf die beteiligten Sozialversicherungsträger so lange aufgeteilt, bis eine Vereinbarung zwischen den Trägern abgeschlossen worden ist: Die Träger der Rentenversicherung zahlen an die Krankenkassen 412,3 Millionen Euro, an die Minijobzentrale 36,6 Millionen Euro und an die Künstlersozialkasse 1,4 Millionen Euro. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt an die Krankenkassen 500 Millionen Euro, an die Minijobzentrale 36,6 Millionen Euro und an die Künstlersozialkasse 1,4 Millionen Euro. Zur Berechnung des Gesamtaufwands für die genannten Verfahren sind dieser Erstattungssumme noch die Eigenanteile der Sozialversicherungsträger in ungefähr gleicher Höhe hinzuzurechnen, die auf die Nutzung des Verfahrens für eigene Zwecke entfallen. Die Verwaltungskosten, die den Krankenkassen in den Jahren 1997 bis 2005 insgesamt entstanden sind, sind von rund 6,5 Milliarden Euro auf rund 8,1 Milliarden Euro im Jahr 2005 angestiegen. Diese Zahl umfasst alle Personal- und Verwaltungskosten, die bei den Krankenkassen anfallen. Eine differenzierte Ausweisung der Kosten, die durch das Beitragseinzugsund Beitragsmeldeverfahren entstehen, besteht nicht. Interessant an der Entwicklung der Gesamtkosten ist, dass sie seit 2003 nur unwesentlich abweichen, sogar leicht von 8,2 Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden Euro gesunken sind. Gerne stelle ich Ihnen auch dazu eine Tabelle zur Verfügung. Die Verwaltungskosten für das Jahr 2005 enthalten auch die notwendigen Umstellungskosten für den Jahreswechsel 2005/2006. Eine Übersicht über die Verwaltungskosten 2006 kann hier natürlich ebenfalls vorgelegt werden, aber erst nach Abschluss der Rechnungslegung im Jahre 2007.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfragen?

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gerne, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, natürlich nehme ich Ihr Angebot, mir Tabellen zu überlassen, dankend an. Ich möchte nach der Bewertung der Bundesregierung fragen. Das war ja schon Gegenstand der Ausgangsfragen. Glaubt die Bundesregierung also, dass die Beitragseinzugsvergütungen dem Aufwand angemessen sind? Oder besteht aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich glaube, dass es dem Aufwand angemessen ist, zumal ich auch jetzt davon ausgehe, dass - wenn die Vereinbarungen getroffen werden - am Ende auch der Bundesrechnungshof dies als vernünftig ansehen wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist durch dieses neue Verfahren des Beitragseinzugs - Stichwort „Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge“ - von den Krankenkassen ein gestiegener Verwaltungsaufwand gemeldet worden? Wenn ja, in welcher Größenordnung? ({0})

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Das ist mir jetzt nicht bekannt, Herr Kollege. Ich gehe dem gerne nach und beantworte Ihre Frage dann schriftlich.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Okay. Weitere Fragen habe ich dazu nicht. Danke.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 42 des Abgeordneten Heinz-Peter Haustein auf: Wie viele Personen und Bedarfsgemeinschaften unter den Bezieherinnen und Beziehern von Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind bisher im Rahmen der im Report des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit „Vorrang für die Anständigen - Gegen Missbrauch, ,Abzocke‘ und Selbstbedienung“ vom August 2005 erwähnten telefonischen Überprüfungen durch die Bundesagentur für Arbeit, BA, befragt worden und wie viele Fälle von Missbrauch und Betrug sind bei diesen freiwilligen telefonischen Befragungen aufgedeckt worden?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Haustein, an der telefonischen Befragung, die von der Bundesagentur für Arbeit von Juli bis September 2005 durchgeführt wurde, nahmen 197 Arbeitsgemeinschaften teil. Diese übermittelten der Bundesagentur für Arbeit etwa 408 000 Datensätze von arbeitslos gemeldeten Arbeitslosengeld-II-Beziehern zur Überprüfung. Davon konnten rund 221 000 Personen erfolgreich kontaktiert werden. Etwa 180 000 Personen waren bereit, telefonisch Auskunft über ihren aktuellen Arbeitslosenstatus zu geben. Die Daten der restlichen 41 000 Personen, die nicht bereit waren, telefonisch Auskunft zu geben, wurden den örtlich zuständigen Arbeitsgemeinschaften übermittelt. In der Regel haben diese Arbeitsgemeinschaften die betreffenden Personen daraufhin zu einem persönlichen Gespräch eingeladen und in diesem Rahmen die Befragung durchgeführt. Im Rahmen dieser Prüfung kam es zu einer Korrektur des Status „Arbeitslosigkeit“ in etwa 12 000 Fällen. Das entspricht einem Prozentsatz von knapp 7 Prozent. Aus dieser Anzahl notwendiger Statusänderungen kann nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass Fälle von Leistungsmissbrauch vorgelegen haben. So ergeben sich zum Beispiel in Fällen der Teilnahme an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder in Fällen von Arbeitslosigkeit zwar Änderungen im Status von Arbeitslosen, aber dies hat keine Auswirkung auf den Umfang der Hilfsbedürftigkeit. Angaben darüber, wie viele Fälle von Missbrauch und Betrug aufgedeckt worden sind, liegen der Bundesregierung nicht vor, weil an dieser Stelle auch keine dementsprechende Statistik geführt wurde. Ich will darauf hinweisen, dass der Kollege Kolb - er hat den Saal gerade verlassen - bereits am 6. März dazu einen Bericht angefordert hat und ihn auch erhalten hat. In diesem Bericht sind weitere Ergebnisse der ersten Telefonbefragung enthalten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Heinz Peter Haustein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie also nicht genau sagen, wie viele Fälle von Missbrauch und Betrug aufgetreten sind, und auch nicht, wie hoch die Summe der Mittel ist, die zu Unrecht ausgezahlt wurden, weil die BA sich verrechnet hat?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Das lässt sich im Einzelfall nicht sagen. Sie unterstellen hier auch den Fall, dass man sich verrechnet hat. Das kann im Einzelfall passiert sein. Es gibt einige detaillierte Arbeiten, die anhand der Daten gemacht werden müssen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die uns jetzt sozusagen die Möglichkeit geben, auf die Frage zu antworten, wo sich an den tatsächlichen Verhältnissen etwas verändert hat. Individuelle Berechnungsfehler der Arbeitsgemeinschaften sind wahrscheinlich ausgeschlossen. Es können Fehler bei der Dateneingabe erfolgt sein. Die können bei der telefonischen Befragung aber allenfalls zufällig bekannt werden und werden statistisch nicht erfasst.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Zusatzfrage.

Heinz Peter Haustein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, keine weitere Zusatzfrage.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 43 des Kollegen Haustein auf: Welche Kosten verursacht das extra für die telefonischen Befragungen der Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Bezieher von der BA eingerichtete Servicecenter und wie viele externe Mitarbeiter und BA-Mitarbeiter sind dort beschäftigt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Für die im Januar 2006 für die Dauer eines Jahres eingerichteten Servicecenter für die Kundenbetreuung nach dem Sozialgesetzbuch II, die ausschließlich die Telefonaktion durchführen, sind im Haushaltsjahr 2006 Kosten in Höhe von 9,3 Millionen Euro veranschlagt. Zur Durchführung der telefonischen Befragungen sind 225 Vollzeitkräfte im Wege der Amtshilfe - abgeordnet von der Personalauffanggesellschaft der Post und der Telekom - tätig. Vonseiten der Bundesagentur für Arbeit sind für das Projekt elf Mitarbeiter im Einsatz. Die Kosten für die 225 genannten Mitarbeiter belaufen sich auf rund 7,7 Millionen Euro und die für die elf Mitarbeiter der BA auf rund 800 000 Euro.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie Zusatzfragen, Herr Kollege?

Heinz Peter Haustein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. - Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, dass es besser wäre, das Geld dafür einzusetzen, Leute in Arbeit zu bringen, als dafür, Leute über ihre Arbeitslosigkeit zu befragen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Genau das passiert ja mit dieser Aktion. Ich erinnere zum Beispiel an die Befragung, die im Sommer durchgeführt worden ist. Da haben wir im Nachhinein festgestellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsagentur es als sehr starke Erleichterung für ihre Arbeit betracht haben, dass sie mit den Arbeitsuchenden und mit den Transferhilfeempfängern darüber sprechen konnten, weil ihnen neue Daten und neue Informationen zur Verfügung gestellt worden sind, weil über diesen Weg auch die Betreuungs- und Beratungstiefe erhöht werden kann. An der Stelle will ich auch darauf hinweisen, dass wir jetzt bei der zweiten Aktion alle die, die angerufen werden, vorher angeschrieben haben; sie wurden von der Bundesagentur benachrichtigt, dass sie angerufen werden. Daraufhin haben allein 30 Prozent derjenigen schon von sich aus Kontakt mit der Arbeitsagentur aufgenommen. Dies alles führt dazu, dass unnötiges Hin- und Herfahren und Vorladen oder Einladen zu Gesprächen darüber, welche Angebote da sind, ein Stück weit reduziert, die technischen Kommunikationsmöglichkeiten, die wir tagtäglich in unserer Arbeit nutzen, auch für die Integration und die Vermittlung nutzbar gemacht und somit Fördern und Fordern auch auf diesem Weg zusammengebracht werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Zusatzfrage?

Heinz Peter Haustein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke schön, keine weitere Frage.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich die Frage 44 der Kollegin Britta Haßelmann auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Bundesagentur für Arbeit die Zuschläge für Maßnahmen der Arbeitsförderung nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V. zunehmend an Bieter erteilt, deren sozialpädagogische Fachkräfte aufgrund knapper Preiskalkulation ein Bruttomonatsgehalt unterhalb von 1 700 Euro erhalten, und hält die Bundesregierung eine qualitätsvolle aktive Arbeitsmarktpolitik unter diesen Bedingungen für möglich?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Haßelhoff, die Bundesagentur für Arbeit ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und somit an nationale und auch an die EU-rechtlichen Bestimmungen des Vergaberechts gebunden. Für die Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen sind daher die Vergabeverordnung und die hierauf basierende Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A, anzuwenden. Die öffentliche Ausschreibung dient dem Zweck, im Wege des Wettbewerbs das wirtschaftlich günstigste Angebot - ich sage ausdrücklich: nicht das preisgünstigste, sondern das wirtschaftlich günstigste - zu ermitteln. Hierfür werden verschiedene Kriterien zur Wertung herangezogen, die insbesondere eine hohe Qualität der Maßnahmen gewährleisten sollen, wobei der Preis, der sich natürlich auch aus den gezahlten Gehältern ergibt, keine untergeordnete Rolle spielen darf. Eine Festlegung der Mitarbeitergehälter bei Ausschreibungen würde eine stark wettbewerbsverzerrende und damit unzulässige Wirkung haben. Das Arbeitsförderungsrecht im SGB III normiert die qualitativen Anforderungen an Träger und Maßnahmen, ohne das Binnenverhältnis zwischen den Bildungsträgern als Arbeitgebern und ihren Beschäftigten in Einzelheiten regeln zu können. Arbeitsbedingungen sind durch die Tarifvertragsparteien und auch durch die Vertragsparteien vor Ort zu vereinbaren. Ganz klar ist: Sobald da eine Tarifbindung entsteht, ist sie auch einzuhalten. Bei der Vergabe der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen wurde besonders auf Qualitätskriterien geachtet. Die Träger mussten entsprechende Nachweise und Referenzen vorlegen, aus denen ersichtlich war, ob sie für den Auftrag die nötige Fachkunde, Leistungsfähigkeit und auch Zuverlässigkeit besitzen. Die Prüfung und Wertung der Angebote erfolgte entsprechend den Verdingungsunterlagen für alle Angebote gleichermaßen nach dem Leistungsangebot und dem Preis. Die fachliche Prüfung und Wertung der Angebote haben fachkundige Mitarbeiter der örtlichen Agenturen jeweils für ihren Arbeitsamtsbezirk durchgeführt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mein Name ist weder Hasselfeldt noch Hasselhoff, sondern Haßelmann aus Nordrhein-Westfalen.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich bitte um Nachsicht! Entschuldigen Sie!

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nur für die Zukunft. Wir haben ja noch lange miteinander zu tun. Mich würde interessieren, wie Ihr Ministerium die Tatsache bewertet, dass es zu der genannten Praxis kommt. Mir ist durchaus klar, dass die Körperschaften des öffentlichen Rechts und auch die BA an die gesetzlich festgelegten Vergabekriterien und -verfahren gebunden sind. Dennoch gehe ich davon aus, dass Ihr Ministerium, das die Federführung im Bereich Arbeitsmarktpolitik hat, eine Meinung dazu hat und diese Auffassung auch offensiv gegenüber den Parlamentarierinnen und Parlamentariern vertritt. Wie bewerten Sie es also, dass bei der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis sehr oft das Kriterium Preis im Vordergrund steht, was dazu führt, dass in den anbietenden Institutionen unglaublich niedrige Gehälter gezahlt werden?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Dieser Bereich wird statistisch nicht erfasst, sodass eine fundierte Aussage nicht möglich ist. Sie führen ein Einzelbeispiel an. Dieses Einzelbeispiel geht von einem Bruttomonatsgehalt in einer bestimmten Größenordnung aus. Es ist aus der Fragestellung nicht nachvollziehbar, welche Arbeitszeit und welche weiteren Bedingungen dem zugrunde liegen. Es greifen hier unterschiedlichste Regelungen; zum Beispiel ist auch die Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Qualifikation in Betracht zu ziehen, weiterhin, ob das Gehalt in dieser Höhe langfristig festgeschrieben ist oder ob es sich um ein Einstiegsgehalt handelt. Ich will damit sagen, dass hier viele Facetten zu berücksichtigen sind, über die keine Statistiken geführt werden. Schließlich müsste auch den Verantwortlichen vor Ort - hier hat ja die Selbstverwaltung durchaus Einfluss, da von anonymen Verhältnissen bei den Arbeitsagenturen keine Rede sein kann - Gelegenheit gegeben werden, darzustellen, auf welcher Basis sie zu der Entscheidung gekommen sind, dass es sich bei einem bestimmten Angebot um das - ich wiederhole es - wirtschaftlich günstigste handelt, also nicht der Preis allein über die Annahme entschieden hat.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine zweite Zusatzfrage?

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr gerne, Frau Präsidentin. - Ich gehe davon aus, dass es sich bei dem beschriebenen Fall nicht um einen Einzelfall handelt, da Quelle für meine Frage ein Bericht der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit war. Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Ministerium auf die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit zugeht, diesen Sachverhalt eruiert und dort, ohne die BA mit einer großen Analyse zu beauftragen, klärt, ob es zu solchen Fällen kommt und, wenn ja, in welcher Häufigkeit?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Es stellt kein Problem dar, auf die BAG zuzugehen und mit ihr dieses Thema zu bereden. Ich sage ja nichts Neues - das ist ja auch aus Debatten bekannt, die wir in diesem Hause und an anderen Stellen geführt haben -, wenn ich meine, dass das Einkommen, das man erhält, wenn man arbeitet, zum Leben reichen muss. Angesichts der Debatten, die wir darüber derzeit führen, ist Ihre Frage verständlich. Man muss dem also im Einzelfall nachgehen. Aber ich will auch deutlich sagen: Wir haben an der Stelle die Tarifvertragsfreiheit, die die Bedingungen regelt, und wir haben Vertragsfreiheit. In diesem Hause hat es eine Debatte über ein Tariftreuegesetz gegeben; das will ich gar nicht verhehlen. Wir haben darüber gesprochen, wie das für den Auftraggeber im öffentlichen Dienst und im öffentlichen Personennahverkehr ist. Die Initiativen, die damals gestartet worden sind, sind leider im Bundesrat gescheitert. Da merken Sie ein Stück weit das Interesse an vernünftigen Bedingungen. Deswegen schauen wir uns das an. Ich denke, wir bleiben da im Dialog. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Zusatzfrage des Kollegen Kurth.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Thönnes, Sie haben richtigerweise zwischen dem wirtschaftlich günstigsten und dem preisgünstigsten bzw. billigsten Gebot unterschieden und betont, es gehe um das wirtschaftlich günstigste Angebot. Aber stimmen Sie mit mir überein, dass das, was im Moment als wirtschaftlich günstigstes Angebot gemacht wird, in der Mehrzahl der Fälle auch das billigste Angebot ist und dass damit in der Tat nicht nur im Einzelfall, sondern auch in der Fläche Vollzeitlohnzahlungen verbunden sind, die zu einer so hohen Fluktuation der Mitarbeiter führen, dass eine kontinuierliche qualitätsvolle Leistungserbringung, etwa in Berufsbildungswerken bei beruflichen Trainingsmaßnahmen, nicht mehr gesichert werden kann und deswegen auch die Wirtschaftlichkeit einfach nicht mehr gesichert ist?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Das waren jetzt mehrere einzelne Faktoren, die Sie in Ihre Frage gekleidet haben und die alle, wollte ich Ihre Frage, ob ich Ihre Einschätzung teile, zufriedenstellend beantworten, statistische Erhebungen erforderlichen machen würden. Diese liegen an der Stelle nicht vor. Sie haben eine Einschätzung zu diesen Punkten geäußert. Da Sie mich gefragt haben, muss ich Ihnen sagen: Ich kann Ihre Einschätzung nicht teilen, weil dafür schon die Datengrundlage fehlt. Aber ich füge hinzu, dass vor dem Hintergrund der Veränderung der Ausschreibungspraxis, der Festlegung von Qualitätskriterien und der Notwendigkeit, qualifiziertes Personal zu beschäftigen, eine Vielzahl von Punkten in den Ausschreibungsbedingungen enthalten sind, die bezüglich der Qualitätsanforderungen, der Verlässlichkeit und der Kompetenz auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in entsprechenden Strukturen - und wahrscheinlich nicht Niedrigentlohnungsstrukturen - gelten dürften, die andere Menschen unterrichten und Bildungsmaßnahmen durchführen. Da aber für den Fall keine Daten vorliegen, muss ich sagen: Ich kann Ihre Einschätzung nicht teilen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Fragen 45 und 46 werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zur Frage 47 der Abgeordneten Kornelia Möller: Welche Konsequenzen für die Bundesagentur für Arbeit, insbesondere welche personellen Folgen sowie damit zusammenhängenden Auswirkungen für die Realisierung der Vermittlungs- und Eingliederungsaufgaben der BA, hat die Entscheidung der Bundesregierung, unmittelbar mit der Umsetzung der Kürzung des Arbeitslosengeldes II für junge Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu beginnen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Möller, ich will zunächst voranstellen, dass es sich bei der Erweiterung der Bedarfsgemeinschaften um Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, um eine Anpassungsmaßnahme handelt, die die Regelleistung der Jugendlichen von derzeit 100 auf 80 Prozent setzt und damit dem Umstand Rechnung trägt, dass zwei volljährige Partner einer Bedarfsgemeinschaft jeweils nur 90 Prozent der Regelleistung erhalten. Die noch geltende Rechtslage führt beispielsweise dazu, dass Eltern, die mit ihren beiden volljährigen Kindern in einer Haushaltsgemeinschaft leben, weniger erhalten als ihre Kinder. Diesen wird jeweils 100 Prozent der Regelleistung gewährt, obwohl sie die Fixkosten eines Haushaltes gar nicht zu tragen haben. Wir reden hier über die über 18-jährigen Kinder. Der Gesetzgeber sieht vor, dass Integrationsbemühungen auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft auszurichten sind. Der Betreuungsaufwand ändert sich somit nicht durch die Umsetzung der Reduzierung des Arbeitslosengeldes II im Bereich der unter 25-Jährigen. Vielmehr bleibt das Ziel, in Bezug auf einen persönlichen Ansprechpartner für unter 25-Jährige einen Betreuungsschlüssel von 1 : 75 zu gewährleisten. Das bleibt aufrechterhalten, um gerade diesen Personenkreis bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt besonders zu unterstützen. Aus diesem Grund ergeben sich auch keine personellen Konsequenzen im Vermittlungs- und Eingliederungsbereich bei den Trägern der Grundsicherung.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfragen.

Kornelia Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003811, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir haben heute von Ihnen gehört, dass es tatsächlich zu Veränderungen kommt, da die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter von ihrer eigentlichen Aufgabe abgezogen werden und jetzt für diese Anpassungsmaßnahme zuständig sind. Könnten Sie das bitte einmal genauer erklären?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Möller, darüber haben wir vorhin im Ausschuss gesprochen. Die Vertreter unseres Hauses, auch ich, haben sehr ausführlich dargestellt, dass durch den Aufbau der eingesetzten Software die Umsetzung nicht so zügig möglich ist, wie wir das gerne hätten. Um es deutlich zu sagen: Die Bearbeitung muss in Handarbeit erfolgen. Ich habe Ihnen heute Morgen auch gesagt, dass dafür circa 550 Jahreskräfte benötigt werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Keine weitere Zusatzfrage. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Ich rufe die Frage 48 der Kollegin Möller auf: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich des Sachverhaltes vor, dass Arbeitsuchende für Tage und sogar Wochen in bestimmten Unternehmen verschiedener Branchen „auf Probe arbeiten“, ohne in irgendeiner Form entlohnt und sozial abgesichert zu sein, und wie will die Bundesregierung einen derartigen Umgang mit der gegenwärtig herrschenden hohen Arbeitslosigkeit bekämpfen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Möller, im Rahmen betrieblicher Trainingsmaßnahmen gemäß § 16 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches II in Verbindung mit den §§ 48 bis 50 des Sozialgesetzbuches III besteht für die Kunden der Arbeitsagentur die Möglichkeit, ein Praktikum auch betrieblich zu absolvieren. Ziel ist es, dadurch eine Verbesserung der beruflichen Eingliederungsaussichten zu erreichen. Anlässlich der Tätigkeit bei einem Arbeitgeber kann dieser häufig überzeugt werden, die Trainingsteilnehmer dauerhaft einzustellen. Es geht also sozusagen darum, den zu integrierenden arbeitsuchenden Menschen die Erfahrung mit dem Unternehmen und den dort tätigen Personalverantwortlichen zu ermöglichen. Die Förderungsdauer entspricht grundsätzlich ihrem vorgesehenen Zweck und den vermittelten Inhalten. Dadurch können die einzelnen Teile einer Trainingsmaßnahme zwischen zwei und längstens acht Wochen dauern. Um zu vermeiden, dass Trainingsmaßnahmen reguläre Beschäftigung verdrängen, darf die Förderung insgesamt zwölf Wochen nicht übersteigen. Die Trainingsmaßnahme ist mit der zuständigen Integrationsfachkraft abzusprechen. Die Förderung besteht aus der Übernahme der anfallenden Lehrgangskosten, der Prüfungsgebühren, der Kosten für die notwendige Kinderbetreuung und der Kosten für die tägliche Fahrt zwischen Wohnung und Maßnahmeort sowie aus der Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes nach dem Sozialgesetzbuch III oder des Arbeitslosengeldes II, sodass der Bedarf des Teilnehmers während der Trainingsmaßnahme gedeckt wird und der Teilnehmer weiterhin sozial abgesichert ist. Arbeitslose, die kein Arbeitslosengeld oder kein Arbeitslosengeld II beziehen, können durch die Übernahme von Maßnahmekosten an dieser Stelle gefördert werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Zusatzfrage?

Kornelia Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003811, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Ich möchte folgenden Punkt richtig stellen: Ich sprach nicht von betrieblichen Trainingsmaßnahmen, sondern von Arbeit auf Probe. Entschuldigung, aber das ist für mich schon etwas anderes. Ich kann Ihnen dazu konkrete Fälle schildern. Darauf bezieht sich auch meine Frage: Glauben Sie, dass Personen, die zwei oder drei fundierte Ausbildungen haben, etwas dazulernen, wenn sie beispielsweise in Hotels auf Probe putzen? Sind Sie der Meinung, dass diese Fördermaßnahme Sinn macht und diese Personen weiterbringt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Möller, Sie schildern einen Fall, ({0}) der uns nicht bekannt ist. Sie stellen ab auf Fälle, die Sie zu kennen glauben, die uns aber nicht bekannt sind. Ich weise noch einmal darauf hin: Die Integrationsfachkraft in der Arbeitsagentur oder im Leistungszentrum ist dafür verantwortlich, sich nach sinnvollen Integrationsmöglichkeiten für die Arbeitssuchenden umzusehen und die Bedingungen mit den jeweiligen Arbeitgebern abzuklären. Ich habe beschrieben, dass es begrenzte Trainingszeiten gibt. Dieser Aspekt bewirkt, dass die Bundesagentur im Rahmen des Sozialgesetzbuchs III oder die Leistungszentren und die Arbeitsgemeinschaften über das Arbeitslosengeld II für den Unterhalt aufkommen. Für den Fall, dass es da etwas geben sollte, was - ich sage es jetzt einmal konkret; das resultiert aus Ihrer Fragestellung - nach Missbrauch aussieht, oder dass bekannt werden würde, dass sich Arbeitgeber mehrfach hintereinander - denn der Zeitraum ist ja begrenzt - von der Arbeitsagentur, salopp formuliert, Arbeitsuchende zuweisen lassen oder holen und es am Ende zu keinem Beschäftigungsverhältnis kommt, ist es Praxis der Bundesagentur, die entsprechenden Zuweisungen einzustellen. Denn dieser Vorgang wäre nicht im Sinne der eigentlichen Absicht der gesetzlichen Regelungen, die wir getroffen haben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Kornelia Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003811, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, ich habe eine weitere Zusatzfrage. - Sie sind bislang gar nicht auf die Rolle der Unternehmen eingegangen. Wie ist Ihre Einstellung zu der Position der Unternehmen? Noch einmal eine Richtstellung: Es ist nicht richtig, zu sagen, dass ich diese Fälle zu kennen glaube. Ich kenne sie. Ich komme aus der Beratung. Das heißt, ich habe konkret mit diesen Menschen gearbeitet. Mich erreichen sehr viele Anfragen und Bitten von Hilfesuchenden, die in ähnlichen Situationen sind.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Frau Möller, dann gilt das, was ich gesagt habe. Die Arbeitsagenturen und die Arbeitsgemeinschaften befinden sich schrittweise in einem Benchmarkingverfahren, wie man das nennt. Das heißt, dass der Eingliederungserfolg und die Aufwendungen überprüft werden und dies im Vergleich mit anderen bewertet wird. Wenn Ihnen derartige Fälle bekannt sind, dann bleiben diese ja nicht verborgen. Wenn es so ist, wie Sie es sagen, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn wir konkret darüber sprechen würden. Dann könnte man mit den Betroffenen und den Beteiligten vor Ort konkret darüber sprechen und möglicherweise in dem Sinne, wie ich es gerade dargestellt habe, nämlich was die weiteren Zuweisungen angeht, Abhilfe schaffen. Denn wir müssen deutlich sehen: Wir wollen den Menschen einen bedarfsdeckenden Betrag für ihren Unterhalt geben. Wir übernehmen die Kosten für Unterkunft und Heizung. Wir geben sehr viele finanzielle Mittel für die Integration aus. Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrung dadurch, dass in den Betrieben Mitarbeiter über eine öffentliche Finanzierung sozusagen im Rotationsverfahren dazu beitragen, dass es zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen kommt. Das kann nicht sein; das sage ich Ihnen ganz deutlich zu. Deswegen sollte man sich konkret über diese Fälle unterhalten und dem im Einzelfall auch wirklich nachgehen. Es darf aber nicht der Eindruck vermittelt werden, als wäre das in Nord und Süd bzw. Ost und West tagtäglich der Fall. Wir leben in einem großen Land. Missbrauch wird es auf der einen oder anderen Seite immer geben. Dieses Problem können wir nur angehen, wenn wir konkret darüber sprechen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Frage 49 wird schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zur Frage 50 des Kollegen Markus Kurth: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Bundesagentur für Arbeit nach eigenem Bekunden die Erteilung von Zuschlägen für Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen nicht davon abhängig machen will, ob die Bieter ihren Angestellten am Tarif des öffentlichen Dienstes orientierte Gehälter zahlen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Bundesagentur für Arbeit ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Ähnlich wie bei der Fragestellung eben kann ich feststellen, dass sie damit an die nationalen und EU-rechtlichen Bestimmungen gebunden ist. Das Gleiche gilt für die Vergabeverordnung und die darauf beruhende Verdingungsverordnung. Die öffentliche Ausschreibung dient dem Zweck, im Sinne des Wettbewerbs das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund gibt es verschiedene Kriterien, die zur Wertung herangezogen werden, wobei der Preis sich natürlich auch aus den gezahlten Gehältern ergibt. Eine starre Festlegung der Gehälter auf das Niveau des öffentlichen Dienstes als Ausschlusskriterium würde bei einer Ausschreibung eine stark wettbewerbsverzerrende und damit unzulässige Wirkung haben. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass Trainingsmaßnahmen zwar zu den Arbeitsmarktdienstleistungen gehören, die im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen vergeben werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiterbildung nach SGB III wird dem Arbeitnehmer jedoch durch einen Bildungsgutschein bescheinigt. Der Arbeitnehmer wählt dann den Träger der Bildungsmaßnahme eigenverantwortlich aus. Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung werden deshalb nicht durch öffentliche Ausschreibungen vergeben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Zusatzfrage, bitte.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Beabsichtigt die Bundesregierung, Änderungen am Vergaberecht vorzunehmen? Denn das gegenwärtige Vergaberecht, das Grundlage für das ist, was Sie gerade geschildert haben, ist nicht auf die Ausschreibung von Dienstleistungen, die am Menschen erbracht werden, ausgerichtet. Nach dem vorliegenden Vergaberecht und der Vergabeformel, nach der die Preise ermittelt werden, werden vielmehr Bleistifte oder Papierstapel beschafft. Die neue EU-Vergaberechtsrichtlinie, die ja von der Bundesregierung noch nicht umgesetzt worden ist, eröffnet in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Möglichkeiten, unter anderem auch die Berücksichtigung von sozialen Kriterien. Gibt es in Ihrem Haus Überlegungen dahin gehend, im Rahmen der anstehenden Reform das Vergaberecht so zu ändern, dass dieser spezielle Bereich von Dienstleistungen adäquat derart abgebildet werden kann, dass auch die Lohnhöhe als Zuschlagskriterium mit einfließt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Von der Praxis und der Erfahrung her, Herr Kollege Kurth, glaube ich, dass die Beschreibung der Lohnhöhe in einem Ausschreibungsverfahren juristisch wahrscheinlich sehr kritisch einzuschätzen sein würde. Wir haben uns - das ist für unser Haus der zentrale Aspekt sehr stark darauf konzentriert, bei den Ausschreibungsbedingungen auf die Qualitätssicherung zu achten. Wir wollen also ein relativ hohes Qualitätsniveau abfordern und gleichzeitig die Einbindung der regionalen Entscheidungsträger, sprich: der örtlichen Arbeitsagenturen oder der Leistungszentren der Arbeitsgemeinschaften, an dieser Stelle stärken, weil ich glaube, dass es sehr darauf ankommt, dass diejenigen, die in den Bildungseinrichtungen arbeiten, mit dem örtlichen Wirtschaftsbereich verzahnt sind. Denn am Ende geht es darum, über Maßnahmen, von denen wir gerade gesprochen haben, Menschen zu vermitteln, persönliche Kontakte wahrzunehmen, sie bei diesem Prozess auch zu begleiten. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass wir mit den Erfahrungen der Vergangenheit in diesem Jahr an dieser Stelle einen Schritt nach vorn machen werden. Was die Überarbeitung des Vergaberechts angeht, so wissen Sie, wie die Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Ministerien der Bundesregierung geregelt sind. Diese Frage berührt im Wesentlichen das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Trotzdem könnten Sie sich natürlich gegenüber dem Wirtschaftsministerium entsprechend einbringen. Ich habe noch eine Zusatzfrage zur Datengrundlage insgesamt. Sie haben sich ja vorhin bei der Antwort auf die Frage von Frau Haßelmann so eingelassen, dass Sie sagten, es fehlen die entsprechenden Grundlagen. Haben Sie vonseiten der Bundesregierung denn vor, sich die Entlohnungsstruktur insbesondere im Bereich von Qualifizierungsmaßnahmen, die durch die BA in Auftrag gegeben werden, anzusehen und sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Gehälter gezahlt werden, um auf der Basis einer solchen Datengrundlage abzuschätzen, ob eventuell nicht doch Änderungen im Vergaberecht oder in der Vergabepraxis notwendig sind?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Sie weisen zu Recht darauf hin, dass es hier um Menschen und nicht darum geht, irgendwelche Bürogegenstände oder technischen Anlagen einzukaufen. Von daher müssen wir uns mit dieser Thematik sehr ernsthaft befassen. Aber das, was Sie ansprechen, würde einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern; es würde eine Offenlegung der privatrechtlich zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem jeweiligen Arbeitgeber vereinbarten Entlohnungsbedingungen erforderlich machen. Solange das nicht von den Betroffenen an uns herangetragen wird, würden wir sehr schnell erhebliche datenschutzrechtliche Probleme bekommen. Man wird sich politisch nur mit dem jeweiligen Einzelfall auseinander setzen können. Es bleibt das Recht der Tarifvertragsparteien genauso wie der Betriebspartner, entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Ich glaube nicht, dass an dieser Stelle die Bundesagentur für Arbeit oder andere, die Aufträge vergeben, Lohnhöhen werden vorschreiben können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 51 des Kollegen Kurth auf: In welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung ihren Einfluss auf die BA geltend zu machen, um im laufenden Ausschreibungsverfahren sicherzustellen, dass nicht länger nur der Preis, sondern auch die Qualität der Erbringung von Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik bestimmend für die Vergabe ist?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Die Bundesagentur für Arbeit führt ihre Aufgaben als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung eigenverantwortlich durch. Dazu gehört, dass sie Arbeitsmarktdienstleistungen als öffentlicher Auftraggeber unter Beachtung des Vergaberechts eigenverantwortlich ausschreibt und einkauft. Unser Ministerium für Arbeit und Soziales führt lediglich die Rechtsaufsicht, die sich darauf erstreckt, dass Gesetze und sonstiges Recht beachtet werden. Die Bundesregierung kann keinen Einfluss auf laufende Vergabeverfahren seitens der Bundesagentur für Arbeit nehmen. Im Übrigen - auch das muss ich sagen - sind Verstöße der Bundesagentur für Arbeit gegen das Vergaberecht nicht bekannt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Zusatzfrage?

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Es geht nicht nur um Verstöße gegen das Vergaberecht; vielmehr geht es um die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots und die Frage, wie dabei Qualität und Preis gewichtet werden. Ich frage: Beabsichtigt die Bundesregierung, über den Verwaltungsrat Einfluss dahin gehend zu nehmen, dass die Qualitätskriterien genügend berücksichtigt werden? Im Moment schaffen fast 90 Prozent der Gebote - so sind meine Informationen die maximale Punktzahl bei den Qualitätskriterien. Das kann also kein Selektionskriterium sein; also landet man wieder beim Preis. Hat die Bundesregierung vor, sich über den Verwaltungsrat vorab über das System informieren zu lassen und Einfluss zu nehmen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Kurth, bereits im Jahr 2005 hat der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit aufgrund der Kritiken die Vergabepraxis den Einkaufzielen angepasst. Es gibt jetzt eine viel stärkere Berücksichtigung der Qualität bei der Bewertung von Angeboten. Zielsetzung ist es, die Arbeitsmarktdienstleistung nach einheitlichen Standards qualitativ hochwertig und wirtschaftlich einzukaufen und nicht lediglich die Kosten für die Dienstleistung zu senken. Ich erläutere Ihnen gern die Konzeption der Qualitätssicherung, die drei Phasen vorsieht. Der erste Komplex beinhaltet eine Leistungsbeschreibung. Zunächst wird eine Losbildung, in der Regel innerhalb eines Agenturbezirkes, vorgenommen. Die Leistungsbeschreibungen werden in so genannten Expertenzirkeln unter Beteiligung von Mitarbeitern der Agentur für Arbeit, der Regionaldirektionen, der Arbeitsgemeinschaften und des Zentralbereichs „Produkte und Programme“ erstellt. Bereits in die Leistungsbeschreibungen fließen verstärkt Qualitätsaspekte wie Personalschlüssel der Träger, Erfolgsbeobachtung von Maßnahmen, Vernetzung und Kenntnisse der Träger im örtlichen Arbeitsmarkt ein. Zur Qualitätssicherung trägt ebenso eine Verkleinerung der Lose bei. Der zweite Komplex ist die Angebotsbewertung. Vertreter der betroffenen Agenturen für Arbeit führen die fachliche Bewertung der Angebote durch. Soweit die Angebote die in der Leistungsbeschreibung genannten Qualitätskriterien erfüllen, verbleiben sie in der weiteren Wertung, wenn bei den fachlichen Einzelkriterien Mindestpunkte bzw. insgesamt eine Mindestpunktzahl erreicht wurden. Erhebliche Mängel in einzelnen Wertungsbereichen eines Konzeptes können zum Ausschluss eines Angebotes führen. Auch Konzepte, die nicht mehr als 50 Prozent der maximal möglichen Leistungspunkte erzielen, werden von der weiteren Bewertung ausgeschlossen. Daraus folgt, dass in der abschließenden Prüfung der Wirtschaftlichkeit nur noch solche Anbieter verbleiben, die qualitativ gute Angebote abgegeben haben. Der Zuschlag wird nach einer bestimmten Formel erteilt. Im ersten Schritt wird die Kennzahl für das Preis-LeistungsVerhältnis ermittelt. Die erzielten Punkte und der Preis des Angebotes werden in ein bestimmtes Verhältnis zueinander gesetzt und auf diese Weise wird ein Ranking ermittelt. Im zweiten Schritt wird ein Kennzahlkorridor gebildet, der sich aus der Kennzahl des führenden Angebotes minus zehn ergibt. Im dritten Schritt werden alle Angebote ermittelt, die innerhalb dieses Korridors liegen. Diese Angebote werden zunächst als gleichberechtigt betrachtet. Entscheidungskriterium innerhalb dieser Gruppe ist die höchste Leistungspunktzahl, die in einzelnen besonders wichtigen Wertungsbereichen erzielt worden ist, und nicht der Preis. Der nach dieser Vorgehensweise ermittelte wirtschaftlichste Anbieter erhält den Zuschlag. Der finanzielle Gesichtspunkt ist folglich ein wichtiges, aber keinesfalls das vorrangige Vergabekriterium. Hinzu kommt, dass für den dritten Komplex der Vertragsdurchführung, für die Qualitätssicherung der Arbeitsmarktdienstleistungen, in erster Linie die Agentur für Arbeit als Abnehmer der Leistung zuständig ist. Sie ist Ansprechpartner für Beschwerden von Bietern und Teilnehmern. Kann die Agentur für Arbeit eine Vertragsstörung nicht beseitigen, wird das Vertragsmanagement des regionalen Einkaufszentrums eingeschaltet. Von dort können vertragliche Konsequenzen wie Vertragsstrafen und Kündigungen eingeleitet werden. Ich schildere das so ausführlich, weil ein Veränderungsprozess - auf einen solchen zielte auch Ihre kritische Frage - auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen stattgefunden hat. Wir sind auf dem richtigen Weg. Das Qualitätskriterium hat einen sehr hohen Anteil bei der Ermittlung der Angebotsstrukturen und der Preis ist nicht das allein Entscheidende. Ganz im Gegenteil: Die regionale Arbeitsagentur vor Ort wird sogar noch viel stärker in den Prozess eingebunden, als das vorher der Fall war. Damit besteht viel eher die Möglichkeit, auftretende kritische Fragen vor Ort differenziert zu beantworten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir sind zeitlich am Ende der Fragestunde. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Die Fragen 52 und 53 des Kollegen Rohde werden schriftlich beantwortet. Wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 9. März 2006, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.